Aktiengesetz: Band 1,1 §§ 1–75 [Reprint 2018 ed.] 9783110447095, 9783110043983


128 97 44MB

German Pages 594 [596] Year 1973

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Erstes Buch. Aktiengesellschaft
Erster Teil. Allgemeine Vorschriften §§ 1—22
Zweiter Teil. Gründung der Gesellschaft §§ 23—53
Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter §§ 54—75
Vierter Teil. Verfassung der Aktiengesellschaft
Literatur
Recommend Papers

Aktiengesetz: Band 1,1 §§ 1–75 [Reprint 2018 ed.]
 9783110447095, 9783110043983

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Großkommentare der Praxis

w DE

G

Aktiengesetz Großkommentar früher bearbeitet von W. G a d o w f . Dr. £ • Heimchen f , Dr. Eberhard Schmidt, Dr. W. Schmidt f . Dr. O. Weipertf Dr. Robert Fischer, Präsident des Bundesgerichtshofes

Dritte, neu bearbeitete Auflage von

Dr. Carl Hans Barz Rechtsanwalt in Frankfurt/M.

Dr. Ulrich Klug Staatssekretär Professor a. d. Universität zu Köln

Dr. Joachim Mayer-Landrut

Dr. Dr. Herbert Brönner Wirtschaftsprüfer in Berlin

Dr. Konrad Mellerowicz Professor a. d. Technischen Universität Berlin

Dr. Wolfgang Schilling

Rechtsanwalt in Düsseldorf

Rechtsanwalt in Mannheim Professor a. d. Universität Heidelberg

Dr. Herbert Wiedemann

Dr. Hans Würdinger

Professor a. d. Universität zu Köln

Professor a. d. Universität Hamburg

E R S T E R B A N D , 1. Halbband §§ 1-75 Bearbeiter: §§ 1-14 Meyer-Landrut §§ 15-22 Würdinger §§ 23-75 Barz Zitierweise z. B. Meyer-Landrut in Großkomm. AktG § 1 Anm. 23

w DE

Ci. 1973

DE GRUYTER BERLIN • NEW YORK

Erscheinungsdaten der Lieferungen Lieferung 1 (§§ 1-53): April 1970 Lieferung 2 (§§ 54-94): Januar 1971

ISBN 3 11 004398 X

© Copyright 1972 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reizner, Karl J . Trübner, Veit Sc Comp., Berlin 30. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Ubersetzung, vorbehalten. — Printed in Germany. Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co, Berlin.

Inhaltsverzeichnis zum I. Band, i. Halbband Vorwort Abkürzungsverzeichnis

VII

Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) Erstes Buch. Aktiengesellschaft Einleitung Erster Teil. Allgemeine Vorschriften §§ 1—22

Seite

1 37

Zweiter Teil. Gründung der Gesellschaft §§ 23—53

178

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter §§ 54—75

378

VORWORT Die zweite Auflage dieses Kommentars ist in den letzten Jahren der Geltung des Aktiengesetzes von 1937 erschienen. Am 1. Januar 1966 trat das neue Gesetz in Kraft. Der Referentenentwurf hierzu stammt von 1958, der Regierungsentwurf von i960. So war es selbstverständlich, daß die Reformbewegung, die in der Einleitung vor § 1 zusammenfassend dargestellt ist, schon die Bearbeitung der zweiten Auflage beeinflußte und mitprägte. Wie das neue Gesetz auf weiten Strecken an das alte anknüpft, kann auch dieser Kommentar unter Berücksichtigung der inzwischen ergangenen Rechtsprechung und des inzwischen veröffentlichten Schrifttums auf die frühere Bearbeitung zurückgreifen. Insoweit handelt es sich um eine Fortentwicklung und Verfeinerung des alten Rechts. Aber diese Fortentwicklung ist doch überall begleitet von den Akzentverschiebungen, die das neue Gesetz gegenüber dem alten bringt. Einer der Schwerpunkte der Reform, die Verstärkung der Rechte der Minderheit und des einzelnen Aktionärs oder der Pflichten der Mehrheit kommt in vielen Gesetzesstellen zum Ausdruck. Das zeigt sich besonders im Recht der Hauptversammlung. Andererseits sind deren Befugnisse gegenüber der Verwaltung erweitert worden und innerhalb der Verwaltung die Pflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat. In den Vorschriften über die Rechnungslegung kommt ebenfalls der Aktionärschutz neben dem Gläubigerschutz stärker zur Geltung. Hier wird auch die Tendenz des neuen Gesetzes zur Publizität besonders deutlich: Mit Recht wird heute die Frage gestellt, ob in der Kontrolle der Öffentlichkeit nicht ein wirksamerer Aktionärschutz liegt als in den Rechten des einzelnen Aktionärs oder der Minderheit. Neuland hat das Gesetz schließlich mit dem Recht der verbundenen Unternehmen beschritten. Wir haben uns bemüht, in unseren Erläuterungen den neuen Tendenzen und ihrem im Gesetz niedergelegten Gedankengut Rechnung zu tragen. Der Umfang des Kommentars ist stark angewachsen. Das hat mehrere Ursachen: Das Gesetz hat über hundert Paragraphen mehr als sein Vorgänger. Aus der Aktienpraxis haben sich viele neue Fragen ergeben, die in zahlreichem Schrifttum ihren Niederschlag gefunden haben. Schließlich erschien es den Verfassern richtig, in den Kommentar auch Erläuterungen zum Umwandlungsgesetz, soweit es die Aktiengesellschaft betrifft, aufzunehmen. Daß der Kommentar nunmehr in vier Bände eingeteilt ist, dient auch der besseren Handlichkeit. Die Zahl der Bearbeiter hat sich von sieben auf acht erhöht. Davon haben Barz, Klug, Mellerowicz, Meyer-Landrut und Schilling bereits an der zweiten Auflage mitgewirkt. Den Tod Walter Schmidts (1961) mußten die Bearbeiter schon im Vorwort zur zweiten Auflage beklagen. Robert Fischer konnte sich aus dienstlichen Gründen beklagen. Robert Fischer konnte sich aus dienstlichen Gründen nicht mehr zur Verfugung stellen, nachdem er 1968 Chefpräsident des Bundesgerichtshofs geworden war. Seine Arbeit an der zweiten Auflage wirkt auch in der dritten Auflage fort, an deren Vorbereitung er sich noch maßgeblich beteiligte. Wir bedauern sein Ausscheiden sehr und sagen ihm, dem der Blick für das Ganze in besonderem Maße zu eigen ist, auch an dieser Stelle unseren freundschaftlichen Dank für seine fruchtbare Tätigkeit. Neu eingetreten sind in den Bearbeiterkreis Brönner, Wiedemann und Würdinger. Für ihre Mitarbeit danken Brönner Herrn Assessor J ö r g Pirrung in Berlin, MeyerLandrut Herrn Rechtsanwalt Dr. Fritz Georg Miller in Düsseldorf und Wiedemann Frau Diplomvolkswirtin Jutta Schäfer-Barnscheid und Herrn Referendar Steffen Schumann. Es entspricht der Tradition dieses Kommentars, der aktienrechtlichen Praxis und der Wirklichkeit des Lebens zu dienen. Wir haben uns bemüht, dieser Aufgabe auch in der neuen Auflage gerecht zu werden. Die Verfasser

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS (auch in bezug auf die häufiger verwendete Literatur a. A . a. a. O . AB1EG Abs. AcP ADHGB Adler-Düring-Schmaltz a. E. a. F. AFG AG(s) A G , DieAG, A k t G A H K Amtsbl. A k t G 1937 A k t G 1965 AktR allg. A . a. M . Anh. Anm. AO AP AR ArbGG ArbRS ArbuR Art. Aufl. AusfBest. AWD AZO Bache BAG BAGE BankA BAnz. Bauer Baumbach-Duden

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. am Ende alter Fassung Arbeitsförderungsgesetz Aktiengesellschaft (en) Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. 1. 1937 Aktiengesetz vom 6. September 1965 Aktienrecht allgemeine Ansicht anderer/abweichender Meinung Anhang Anmerkung Reichsabgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Aufsichtsrat Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechtssammlung Arbeit und Recht Artikel Auflage Ausführungsbestimmung Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Arbeitszeitordnung Der internationale Unternehmensvertrag nach deutschem Kollisionsrecht, 1969 Bundesarbeitsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bankarchiv, Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen Bundesanzeiger Zeitschrift für Aktiengesellschaften und für G m b H , herausgegeben von Bauer Kurzkommentar zum-HGB, 18./19. Auflage

Abkürzungsverzeichnis Baumbach-Hueck Baumbach-Hueck, G m b H G BayObLG BayOBLGZ BB BBG Beiträge

= = = = = = =

Betr./DB BetrVG BewG BGB BGBl. BGH

=

BGHSt.

=

BKartA Boettcher-Meilicke Bolze BörsG Brand-Marowski Brönner BStBl. BR-Drucks. Brodmann BT-Drucks. bzw. ders. DB DFG DGemWR d. h. DieAG/AktG Dietz DIHT Diss. DJ DJT DJZ DM DMBilG DNotZ (u. D N o t V Z ) DR DRiZ DRZ DtRspr. Düringer-Hachenburg DVO X

= —

= = =

= =

=

-

=

=

=

= = = =

_ = = = = = =

= = =

= = = = --

=

= =

= = =

Kurzkommentar zum Aktiengesetz, 13. Auflage Kurzkommentar zum GmbH-Gesetz, 13. Auflage Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Der Betriebsberater Bundesbeamtengesetz Beiträge zur Aktienrechtsreform, hrsgg. von Hans Hengeler, 1959 Der Betrieb Betriebsverfassungsgesetz v. 10. 10. 1952 (BGBl. I 6 8 1 ) Bewertungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundeskartellamt Umwandlung und Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, 5. Aufl., 1958 Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen, herausgegeben von Bolze Börsengesetz Die Registersachen in der gerichtlichen Praxis, 4. Aufl., 1966 Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, Kommentar, a. Aufl., 1961 Bundessteuerblatt Drucksache des deutschen Bundesrats Kommentar zum Aktienrecht, 1928 Drucksache des deutschen Bundestages beziehungsweise derselbe Der Betrieb Deutsche freiwillige Gerichtsbarkeit Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht das heißt Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, 4. Aufl., 1967 Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Deutsche Mark D M - Bilanzgesetz Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsche Rechtsprechung, Entscheidungs-Sammlung Kommentar zum H G B , 3. Aufl., 1932 Durchführungsverordnung

Abkürzungsverzeichnis EG/EGAktG EhrenbHdb. EinkStG7EStG Enneccerus-Nipperdey ErgG FGG Festschrift Walter Schmidt Fitting-Kraegeloh-Auffahrt Frankenstein

G Galperin-Siebert GenG Ges. GesR GewStG GG Gierke D P R gl. A . GmbH(s) GmbHG GmbHRdsch. Godin-Wilhelmi GoltdA GrEStG Grasmann Großfeld Gruchot oder Gruch. GRUR Hachenburg HansRGZ HBergG h./herrsch. A./L./M. HGB Holdheim

Einfuhrungsgesetz zum Aktiengesetz Handbuch des gesamten Handelsrechts, herausgegeben von V . Ehrenberg Einkommensteuergesetz Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Allgemeiner Teil, 15. Aufl., i960 Ergänzungsgesetz Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Aktuelle Probleme aus dem Gesellschaftsrecht und anderen Rechtsgebieten, Festschrift für Walter Schmidt, 1959 Handkommentar für die Praxis zum Betriebsverfassungsgesetz nebst Wahlordnung, 9. Aufl., 1970 Internationales Privatrecht (Grenzrecht) Bd. I 1926; Bd. II 1929; Bd. I I I 1934; Bd. I V 1935 Gesetz Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 3. Aufl., 1958 Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gesellschaft Gesellschaftsrecht Gewerbesteuergesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Deutsches Privatrecht, I. Band 1895, II. Band 1905, II. Band 1917 gleicher Ansicht Gesellschaft (en) mit beschränkter Haftung Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Rundschau für G m b H , Monatsschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Handelsrecht Kommentar zum AktG, 3. Aufl., 1967 Goltdammers Archiv für Strafrecht Grunderwerbsteuergesetz System des internationalen Gesellschaftsrechts. Außenund Innenstatut der Gesellschaften im internationalen Privatrecht, 1970 Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968 Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Kommentar zum GmbH-Gesetz, 6. Aufl. von Schilling-Schmidt, 1956 Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitung Handelsrechtliches Bereinigungsgesetz vom 18. 4. 1950 (BGBl. S. 50) herrschende Ansicht/Lehre/Meinung Handelsgesetzbuch Monatszeitschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuer- und Stempelfragen, Früher herausgegeben von Holdheim, seit 1897 Monatsschrift für Aktienrecht

XI

Abkürzungsverzeichnis Holding-Novelle

HReg. Hueck-Nipperdey HV HypBankG

= G zur Ergänzung des G über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie v. 7. 8. 1956 (BGBl. I 707) = Höchstrichterliche Rechtsprechung = Handelsregisterverfügung vom 12. 8. 1937 (DJ 1937, !25i) = Handelsregister = Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl. = Hauptversammlung = Hypothekenbankgesetz vom 13. 7. 1899

idR idW IPR

= in der Regel = Institut der Wirtschaftsprüfer = Internationales Privatrecht

JA Jaeger Jansen JB1. JFG

= = = = =

JherJ

=

JMblNRW

=

JR/JRdsch. JW JZ

= = =

HRR HRV

KapErhG KapVerkStG/DVO KartRdsch. Kegel KG KG KGJ KO Kölner Komm. Komm. KonzR KStG Kronstein- Claussen KropfF Küster XII

Juristische Analysen Kommentar zur Konkursordnung, 8. Aufl., 1952 fr. Großkommentar zum F G G , 2. Aufl. Justizblatt Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Jahrbücher für Dogmatik des röm. und deutschen Privatrechts, begründet von Jhering und Gerber Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung v. 23. 12. 1959 (BGBl. I, 789) Kapitalverkehrssteuergesetz / Durchfuhrungsverordnung Kartell-Rundschau, Monatsschrift für Recht und Wirtschaft im Kartell- und Konzernwesen Internationales Privatrecht, 2. Aufl., 1964 Kommanditgesellschaft Kammergericht Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Konkursordnung Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, herausgegeben von W. Zöllner, 1970 fr. Kommentar Konzernrecht Körperschaftssteuer-Gesetz Publizität und Gewinnverteilung im neuen Aktienrecht, i960 Aktiengesetz, Textausgabe mit Begründung des Regierungsentwurfs, Bericht des Rechtsausschusses etc., I. d.W. 1965 Inhalt und Grenzen der Rechte der Gesellschafter, '954

Abkürzungsverzeichnis LAG LG LM Luchterhandt Lutter LZ m. a. W. MDR Mentzel-Kuhn Mestmäcker MilReg. Minderheitenschutz MitbestG

Möhring-Schwartz, Rowedder-Haberlandt Möhring-Tank MuW m. w. N. NB Nds. Rpfl. n. F. Nikisch NJW Nr. Nußbaum Obermüller-Werner-Winden OGH OHG OLG OLGE OLGZ Palandt Pross

Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. 8. 1952 (BGBl. I, 446) Landgericht Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Das Konzernrecht bei grenzüberschreitenden Konzernverbindungen, 1971 Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964 Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht mit anderen Worten Monatszeitschrift für Deutsches Recht Kommentar zur Konkursordnung, 7. Aufl., 1962 Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958 Militär-Regierung Minderheitenschutz bei Kapitalgesellschaften, Heft 2 der Vereinigung f. d. Gedankenaustausch zwischen deutschen und italienischen Juristen, 1967 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 (BGBl. I 347) Die Aktiengesellschaft und ihre Satzung, 2. Aufl., 1966 Möhring-Tank-Grass-Reuss, Handbuch der Aktiengesellschaft, Bd. 1 und 2, 1967 Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen Neue Betriebswirtschaft Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Arbeitsrecht, III. Band, Betriebsverfassungsrecht, 2. Aufl., 1966 Neue Juristische Wochenschrift Nummer Grundzüge des Internationalen Privatrechts, 1952 Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 3. Aufl., 1967 Oberster Gerichtshof für die britische Zone, Amtl. Sammlung der Entscheidungen für die britische Zone in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte hrsgg. von Mugdan und Falkmann Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Zivilsachen, hrsgg. von Deisenhofer und Jansen, 1965 fr. Kurzkommentar zum BGB, 30. Aufl., 1971 Manager und Aktionäre in Deutschland. Untersuchungen zum Verhältnis von Eigentum und Verfügungsmacht, 1965 XIII

Abkürzungsverzeichnis Raape RabelsZ RAG RAO Rasch RdA Recht RefE RegE Rehbinder RFH RG RGBl. RGRK-BGB RGRK-HGB RGSt. Ring Ritter RiW RJA RM ROHG Rpfl. Rspr. RUH RzW S. s. SchG Schlegelberger-Quassowski Schnitzler Scholz Serick SeuffA SeuffBl. SGG SJZ XIV

Internationales Privatrecht, 5. Aufl., 1961 Zeitschrift für ausländisches internationales Privatrecht Reichsarbeitsgericht, Amtl. Sammlung der Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Reichsabgabenordnung Das Konzernrecht, 4. Aufl., 1968 Recht der Arbeit Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenbund Referentenentwurf eines Aktiengesetzes, veröffentlicht durch das Bundesjustizministerium (1958) Entwurf der Bundesregierung zum Aktiengesetz (i960) Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung nach deutschem und amerikanischem Recht, 1969 Reichsfinanzhof, Amtl. Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Reichsgericht, Amtl. Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsgesetzblatt Das bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar hrsgg. von Reichtsgerichtsräten und Bundesrichtern, 10. und 11. Aufl. Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, begründet vou Herrmann Staub, weitergeführt von Mitgliedern des Reichsgerichts, 3. Aufl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, hrsgg. von Ring Kommentar zum A k t G , 2. Aufl., 1939 Recht der internationalen Wirtschaft, Information und Berichte Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundrechts. Zusammengestellt vom Reichsjustizamt Reichsmark Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Der Rechtspfleger Rechtsprechung Recht und Handel, Monatsschriften aus der Praxis für Handel, Industrie und Verkehr. Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht Seite siehe Scheckgesetz Schlegelberger-Quassowski-Herbig-Geßler-Hefermehl Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 1939 Handbuch des Internationalen Privatrechts, 3. Aufl., 1950 Kommentar zum GmbH-Gesetz, 4. Aufl., i960 Rechtsform und Realität juristischer Personen, 1955 Seufferts Archiv fiir Entscheidungrn der obersten Gerichte J . A . Seufferts Blätter für Rechtsanwendung Sozialgerichtsgesetz Süddeutsche Juristenzeitung

Abkürzungsverzeichnis Soergel sog. Soz. Pr. StAnpG Staub/HGB

Staudinger StDJT Stein-Jonas StGB StGBl. str. st. Rspr. StuW Teichmann-Koehler Trumpler u. a. U m w G 1956 U m w G 1969 unstr. Urt. usw. UmstG u. U . UWG Veith-Börnstein VerglO VersAufG vgl. VO Vorauf!. VStG VVG Warn. WG Wieczorek Wiedemann Wieland I u. II Wiethölter

Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 10. Aufl. sogenannte (r) Soziale Praxis und Archiv für Volkswohlfahrt Steueranpassungsgesetz Kommentar zum H G B von Hermann Staub; meist zitiert als Staub-Bondi für I. Band (12. u. 13. Aufl.), Staub-Pinner für 2. Band (14. Aufl.), Staub-Könige für 3. u. 4. Band (12. u. 13. bzw. 14. Aufl.) Kommentar zum BGB, 11. Aufl. Untersuchungen zur Reform des Unternehmensrechts, Bericht der Studienkommission des Deutschen Juristentages, 1955 Kommentar zur Z P O von Stein-Jonas-Schönke-Pohle, 18./19. Aufl. Strafgesetzbuch Steuergesetzblatt streitig ständige Rechtsprechung Steuer und Wirtschaft, Zeitschrift Kommentar zum A k t G , 3. Aufl., 1950 Die Bilanz der Aktiengesellschaft, 1950 und andere, unter anderem Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. 11. 1956 (BGBl. I 1844) Umwandlungsgesetz i. d. Fassung vom 6. 11. 1969 (BGBl. I 2081) unstreitig Urteil und so weiter Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Kommentar zum Umwandlungsgesetz und zum U m wandlungssteuergesetz 1958 Vergleichsordnung Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vergleiche Verordnung Vorauflage Vermögenssteuergesetz Gesetz über den Versicherungsvertrag Die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiet des Zivilrechts, herausgegeben von Warneyer Wechselgesetz Kommentar zur Z P O Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965 Handelsrecht, I. Band 1921, 2. Band 1931 Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, 1961

XV

Abkürzungsverzeichnis WiGBl.

=

Wilhelmi/Friedrich WiSta

= =

WiStG WM

= =

Wolff

=

WP WPg Würdinger W . u. R . WuW

= = = = =

ZAkDR ZAktW z. B. ZB1FG ZB1HR ZgStw ZHR

= = =

= = = —

Zintzen/Halft

=

ZPR ZStW Zöllner

=

ZPO z. T .

XVI

= -

-

Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets Kleine Aktienrechtsreform, Kommentar i960 Wirtschaft und Statistik, hrsgg. vom Statistischen Bundesamt Wirtschaftsstrafgesetz Wertpapier-Mitteilungen, Teil I V B, Wertpapier- und Bankfragen, Rechtsprechung Das Internationale Privatrecht Deutschlands, 2. Aufl. 1949; 3. Aufl. 1954 Das Wertpapier Die Wirtschaftsprüfung Aktien- und Konzernrecht, 2. Aufl. 1966 Wirtschaft und Recht Wirtschaft und Wettbewerb, Zeitschrift für Kartellrecht, Wettbewerbsrecht und Marktorganisation Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen zum Beispiel Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht Kommentar zu den Gesetzen über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, i960 Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Die Schranken mitgliedschaftsrechtlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963 Zivilprozeßordnung zum Teil

EINLEITUNG Übersicht:

I. Geschichtlicher Überblick 1. Vorgeschichte 2. Gesetzliche Regeltingen a) 1870 b) 1884/97 c) NotVO 1931 d) AktG 1937 e) Mitbestimmungsrecht f) K l a n e Aktienrechtsreform 1959 g) EWG-Recht

Sehe

Sehe

i i 2

3. Der Regierungsentwurf ai a) Änderungen zum Referentenentwurf aa) Konzernrecht bb) Verfassung/Organe cc) Rechnungslegung und Prüfung dd) Einführungsgesetz b) Reaktion der Öffentlichkeit aa) Verbände bb) Wissenschaft und Praxis 4. Änderungen im Bundestag 26 a) Konzernrecht b) Verfassung/Organe c) Rechnungslegung und Prüfung d) Einführungsgesetz

II. Die Reformbewegung zum AktG 1965 8 1. Der Weg zum Referentenentwurf 9 a) Anregungen aus Wissenschaft, Praxis und Verbänden aa) Deutscher Juristentag bb) Verbände cc) Wissenschaft und Praxis b) Politische Beweggründe 2. Der Referentenentwurf 1958 12 a) Änderungen zum AktG 1937 aa) Konzernrecht bb) Verfassung/Organe cc) Rechnungslegung und Prüfung b) Reaktion der Öffentlichkeit aa) Verbände bb) Wissenschaft und Praxis

III. Änderungen des AktG 1965

29

IV. Rück- und Ausblick 1. a) Entwicklung der A G b) Popularisierung der Aktie c) Konzerne 2. Publizität 3. Internationale Konzerne 4. Depotstimmrecht 5. Unternehmensverfassung

30 30 34 35 35 36

I. Geschichtlicher Überblick 1. Vorgeschichte Die Aktiengesellschaft geht nach den Forschungen von K a r l L e h m a n n und Gustav Schmoller auf die Handelskompagnien zurück, die seit Anfang des 17. Jahrhunderts i n den Niederlanden, in England und anderwärts entstanden. Das waren reedereiartige Vereinbarungen zur Ausführung überseeischer Unternehmungen. W e r sich beteiligen wollte, leistete eine Einlage und erwartete davon Gewinn. Der N a m e „ A k t i e " ist die niederländische Form von actio und bedeutete den Anspruch auf den Anteil a m gemeinschaftlichen Kapital und Gewinn. Er findet sich schon in einer niederländischen V e r ordnung von 1610. Das Neuartige war die erhebliche Gewinnaussicht, die bald z u einem lebhaften Aktienhandel führte. Staatliche Verleihung bzw. Privilegierung — octroi — g a b den Vereinigungen körperschaftlichen Charakter und bewahrte regelmäßig die Teilnehmer vor einer Haftung nach außen. A u c h die Zubußenpflicht nach innen, die sich bisweilen fand, schwand mehr und mehr, b b der Code de Commerce von 1807 in Artikel 33 als Kennzeichen der „société anonyme" den Satz aufstellte, d a ß die Gesellschafter ein Verlust nur bis z u m Betrage ihres Anteils an der Gesellschaft treffen könne. D a m i t waren die Grundzüge der Aktiengesellschaft aufgestellt. In den deutschen Staaten tauchten die ersten Aktiengesellschaften erst Mitte des 18., gesetzliche R e g e lungen erst gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts auf. D e m Octroisystem war das nicht wesentlich davon verschiedene Konzessionssystem gefolgt: die Gründung bedurfte staat1

Aktiengesetz I, 3. Aufl.

1

Einleitung licher Genehmigung. Auch das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1861 hielt noch an diesem Erfordernis fest, überließ es aber den Landesgesetzen, davon abzuweichen. So wurde durch Art. 10 des Preußischen Einfuhrungsgesetzes zur Errichtung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien die staatliche Genehmigung nicht für erforderlich erklärt. Das A D H G B brachte erstmals eine vollständige Kodifikation, auch der inneren Organisation der A G . Diese hatte drei Organe: obligatorisch die Generalversammlung mit Mindestbefugnissen (Bilanzprüfung, Gewinnverteilung) und den Vorstand, fakultativ den Aufsichtsrat. Eine klare Funktionsgliederung fehlte noch; Fragen des Stimmrechts sowie der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstands bleiben der Regelung durch den Gesellschaftsvertrag überlassen. In der Praxis bestellte zumeist der Aufsichtsrat, falls vorhanden, den Vorstand. Durch Bundesgesetz vom 5. 6. 1869 (BGBl. S. 379) wurde das A D H G B Gesetz des Norddeutschen Bundes.

2. Gesetzliche Regelungen a) 1870 Erst das Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 11. Juni 1870 (BGBl. S. 375) schaffte im Zuge des Liberalismus die Staatsgenehmigung für Kommanditgesellschaften auf Aktien und für Aktiengesellschaften im ganzen Bundesgebiet ab und ersetzte sie durch das seitdem in Geltung gebliebene System der Normativbestimmungen. Die an die Stelle der Staatsaufsicht getretenen Publizitätspflichten sollten sich jedoch bald als zu schwach herausstellen. Auch eine andere Schranke beseitigte die Novelle: das A D H G B hatte nur handeltreibende Aktiengesellschaften zugelassen. Das Gesetz von 1870 sah von dem Gegenstand des Unternehmens ab und erklärte in Art. 208 jede Aktiengesellschaft für eine Handelsgesellschaft. Außerdem wurde der Aufsichtsrat, der aus Aktionären zu bestehen hatte, obligatorisch. Durch die Reichsgesetze vom 16-/22. 4. 1871 (RGBl. S. 63, 87) wurde das A D H G B des Norddeutschen Bundes auch formell gemeines Recht im ganzen Reichsgebiet.

b) 1884/97 Schlechte Erfahrungen der „Gründerzeit" führten zur Novellierung durch das Reichsgesetz vom 18. Juli 1884 (RGBl. S. 123), das durch eine Reihe von Vorschriften Sicherungen für das Vorhandensein des Grundkapitals schuf: es muß voll gezeichnet, bei Bareinlagen mit mindestens einem Viertel eingezahlt und im Besitz des Vorstands sein (Art. 210). Schon im Gesetz von 1870 war bestimmt worden, daß Sacheinlagen und Sachübernahmen im Gesellschaftsvertrag genau bezeichnet sein müssen. Dem wurde hinzugefügt: Die Gründer müssen in einer Erklärung die gewährte Gegenleistung rechtfertigen, der Gründungsvorgang muß durch besondere Revisoren geprüft werden, wenn Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats zugleich Gründer sind oder wenn sie der Gesellschaft ein Vermögensstück überlassen oder sich einen besonderen Vorteil ausbedungen haben. Durch Androhung von Schadensersatzpflicht und Strafe werden diese Vorschriften geschärft. Einer Umgehung sollen die Bestimmungen über Nachgründungen (Art. 2i3f.) vorbeugen, nämlich über Verträge, die die Gesellschaft innerhalb der ersten zwei Jahre nach ihrer Eintragung zum Zwecke des Erwerbs von Anlagen oder von Grundstücken schließt, wenn die Vergütung den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigt. Hier wird eine Prüfung durch den Aufsichtsrat und ein Generalversammlungsbeschluß mit gesteigerter Mehrheit angeordnet, nicht jedoch — und das war eine Schwäche des Gesetzes — auch die Prüfung durch besondere Revisoren. Ansonsten brachte aber diese Novelle die Grundzüge des modernen Bilanzrechts: Bewertungsregeln, zusätzliche Gewinn- und Verlustrechnung, Genehmigung durch die Generalversammlung, Einreichung zum Handelsregister und öffentliche Bekanntmachung. Die Prüfung durch besondere Revisoren blieb allerdings im Ermessen der Generalversammlung. Eines der erklärten Ziele der Reform war auch, eine schärferc Abgrenzung der Rechte und Pflichten der einzelnen Organe zu versuchen: die Generalversammlung — mit erweiterten Kompetenzen — soll Willensorgan sein, der Vorstand — dessen Mitglieder jetzt wie die Aufsichtsratsmitglieder haften — Ausführungsorgan und der Aufsichtsrat — in dem jetzt auch Nichtaktionäre sitzen können — Kontroll2

Einleitung (Meyer-Landrut) organ (Prüfung des Jahresabschlusses). Die Aktionäre erhalten erstmals das Recht, Beschlüsse der Generalversammlung anzufechten. — Die Praxis ist über die in den Reformen von 1870/84 mit der formellen Ausweitung der Befugnisse der Generalversammlung verfolgten Ziele der „Demokratisierung" bzw. „Selbstverwaltung der A G " hinweggegangen. In der Rechtswirklichkeit gewann die Unternehmensführung weiter an personeller Selbständigkeit und an Unabhängigkeit von dem überforderten Gros der Aktionäre. Das Gesetz vom 18. Juli 1884 wurde im wesentlichen in das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai i8gy übernommen. Einiges wurde verbessert. Die Prüfung des Gründungsvorgangs durch besondere Revisoren fällt nunmehr nur noch bei reinen Bargründungen weg, bei denen auch kein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern gehört und sich auch keines einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder deren Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat (§ 192 Abs. 2 HGB). Die Denkschrift (1896 S. 50, 120; 1897 S. 128) hob an Neuerungen auch die Begünstigung der Bildung stiller Reserven (§ 271 Abs. 3) und das Bezugsrecht der Aktionäre bei Ausgabe neuer Aktien (§§ 282 f. HGB) hervor, ferner die Vorschriften über die Veräußerung des Vermögens im ganzen (§§ 303 fr. HGB) und über die Nichtigkeitserklärung von Aktiengesellschaften (§§ 309fr. HGB). — In einer Äußerlichkeit wich das H G B von den vorangegangenen Gesetzen ab: die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die bisher an erster Stelle behandelt worden war, rückte nunmehr, entsprechend ihrer geminderten Bedeutung, an die zweite, und ihre Rechtsverhältnisse wurden in weitem Umfang durch Verweisung auf die für Aktiengesellschaften erlassenen Vorschriften geregelt. aa) Bis zum ersten Weltkrieg blieb das im H G B geordnete Aktienrecht unverändert. Ausgelöst durch die Wirtschaftskrise von 1901 hatte sich zwar mit Heftigkeit die sogenannte Aufsichtsratsfrage erhoben. Die breite Diskussion um den Sinn des Aufsichtsrats fand jedoch keinen gesetzlichen Niederschlag: man sah zwar, daß auch die Reform von 1884 den Aufsichtsrat nicht zu einem effektiven Kontrollorgan gemacht hatte, hielt ihn aber schließlich auch als Mitspracheorgan für nützlich. Die erste Änderung brachte die Bundesratsverordnung vom 8. August 1914 (RGBl. S. 365). Sie setzte bis auf weiteres die Vorschriften außer Kraft, die den Vorstand und die Liquidatoren verpflichteten, bei Zahlungsunfähigkeit das Konkursverfahren zu beantragen, und die eine Ersatzpflicht begründeten, wenn nach diesem Zeitpunkt noch Zahlungen geleistet wurden. Diese Verordnung, die den Wortlaut des H G B unberührt ließ, blieb auch in den Nachkriegsjahren bestehen. Hinzu trat die Verordnung vom 28. April 1920 (RGBl. S. 696), ergänzt durch das Gesetz vom 24. Dezember 1922 (RGBl. 1923 I S. 2 1 ) ; diese Bestimmungen betrafen den Fall der Uberschuldung durch Valuta- oder Goldschulden infolge der Markentwertung und setzten auch insoweit die genannten Vorschriften des H G B außer Kraft. Beide Verordnungen und das Gesetz wurden erst durch das Gesetz vom 25. März 1930 (RGBl. I S. 93) aufgehoben; zugleich wurden durch dessen Artikel I I I mit Rücksicht auf die inzwischen erlassene Vergleichsordnung vom 5. J u l i 1927 (RGBl. I S. 139) jene Vorschriften des H G B umgestaltet. Dem Vorstand soll Zeit gelassen werden, ein Vergleichsverfahren vorzubereiten. Es genügt daher, wenn er nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach der Feststellung der Uberschuldung die Eröffnung des Konkurses oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens „ohne schuldhaftes Zögern" beantragt, spätestens jedoch binnen zwei Wochen; diese Frist wurde durch die Notverordnung vom 1. August 1931 (RGBl. I S. 419) auf drei Wochen verlängert. Für die Liquidatoren wurden durch das Gesetz vom 25. März 1930 die ursprünglichen Vorschriften im wesentlichen wiederhergestellt, weil nach der Vergleichsordnung von 1927 die Einleitung des Vergleichsverfahrens bei einer juristischen Person nach deren Auflösung unzulässig war (§ 88). Die Vergleichsordnung vom 26. Februar 1935 (RGBl. I S. 321) ließ diese Besonderheit fallen und änderte demgemäß in § 298 H G B ab, so daß für Vorstand und Liquidatoren in dieser Hinsicht das gleiche galt. Die Strafvorschrift in § 3 1 5 Nr. 2 H G B machte die entsprechenden Wandlungen mit. Vgl. hierzu § 83 Abs. 2, § 84 Abs. 3 Nr. 6, § 99, § 209 Abs. 2, § 297 Nr. 2 u. 3, § 304 AktG 1937 bzw. §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6, 1 1 6 , 268 Abs. 2, 401 Nr. 2 und 408 AktG 1965.

3

Einleitung Eine andere Kriegsverordnung, die in das HGB ebenfalls eingriff, ohne es förmlich zu ändern, war die Bekanntmachung vom 24. Mai 1917 (RGBL I S. 431). Sie gestattete zur Erleichterung der Einzahlung auf Aktien die Leistung durch bestätigten Reichsbankscheck sowie durch Gutschrift auf Reichsbank- oder Postscheckkonto. Das Gesetz vom 7. März 1935 (RGBl. I S. 352) fügte die Einzahlung auf ein Bankkonto der Gesellschaft oder des Vorstands hinzu und änderte das HGB entsprechend ab (vgl. § 49 Abs. 3 AktG 1937 bzw. § 54 Abs. 3 AktG 1965). Dagegen hatte die Verordnung vom 2. November 1917 (RGBl. S. 987), die fiir Gesellschaften mit einem Kapital von mehr als 300000 M staatliche Genehmigung vorschrieb, also insoweit zum Konzessionssystem zurückkehrte, und die durch Verordnung vom 12. Februar 1920 (RGBl. S. 229) ergänzt wurde, nur vorübergehenden Bestand; sie wurde durch die Verordnung vom 9. Oktober 1920 (RGBl. S. 1718) aufgehoben. bb) In der Nachkriegszeit nach 1918 setze die Verordnung über Goldbilanzen vom s8. Dezember 1933 (RGBl. I S. 1253) an die Stelle der in § 180 HGB vorgesehenen Mindestbeträge der Aktien von 1000 M und von 200 M solche von 100 und 20 Goldmark (§§ 10, 17); an die Stelle der Goldmark trat die Reichsmark nach § 3 der 2. DurchfVO zum Münzgesetz vom 12. Dezember 1924 (RGBl. I S. 775). Die Verordnung über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. Februar 1924 (RGBl. I S. 44) beseitigte in Art. X I V die Höchst- und Mindestbeträge der Geldstrafe, soweit sie nicht im § 27 StGB aufrechterhalten blieben. c) NotVO 1931 Die größte Veränderung des nach dem HGB geltenden Aktienrechts brachte der erste Teil der Notverordnung vom ig. Septemer 1931 (RGBl. I S. 493) über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie. Jener erste Teil, den die Notverordnungen vom 8. Dezember 1931, Teil 4, Kap. V, Art. 1 (RGBl. I S. 699) ergänzten, wurde daher als kleine Aktienrechtsreform bezeichnet. Schon seit längerer Zeit hatte nämlich eine Bewegung eingesetzt, welche die Reform des Aktienrechts verlangte. Die Zusammenbrüche der Nordwolle und Favag mit ihren skandalösen Begleiterscheinungen machten die Reform dringlich. Im Jahre 1930 hatte das Reichsjustizministerium den Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien veröffentlicht; ein zweiter Entwurf war im Jahre 1931 gefolgt. Da wegen der damaligen parlamentarischen Verhältnisse kaum Aussicht bestand, das Reformwerk im Wege der ordentlichen Gesetzgebung in absehbarer Zeit zum Abschluß zu bringen, andererseits die Wirtschaftskrise nach dem Bankenzusammenbruch des Sommers 1931 Beschleunigung der Maßnahmen nahelegte, führte die Regierung im Wege der Notverordnung diejenigen Verbesserungen des Aktienrechts ein, die als die dringendsten angesehen wurden: Namentlich Vorschriften über eigene Aktien, den Aufsichtsrat (Erweiterung des Rechts, Berichterstattung vom Vorstand — auch hinsichtlich von Konzerngesellschaften — zu fordern), über Geschäftsbericht und Jahresabschluß (Gliederung, Erklärungen: Transparenz für die Beteiligten) und dessen Prüfung sowie über die Prüfung sonstiger Vorgänge. Es wurden ferner neue Strafbestimmungen eingefügt und die gegen Untreue und Verschleierung verschärft. Der wesentliche Fortschritt lag in der erhöhten Publizität und Schaffung neuer Kontrollen gegen schlechte und mißbräuchliche Verwaltung, nämlich in der Bilanzprüfung durch unabhängige sachverständige Wirtschaftsprüfer. Die Reform war keine „aktionärsbezogene". Im Mittelpunkt standen Gläubigerschutz und öffentliches Interesse, doch wurden Ansätze zu einem Aktionärsschutz sichtbar. Es ergingen eine Reihe von Durchführungsverordnungen: 1. D V O vom 15. Dezember 1931 (RGBl. I S. 760), 2. D V O vom 20. Dezember 1932 (RGBl. I S. 563), 3. D V O vom 1. April 1933 (RGBl. I S. 163), 4. DVO vom 27. November 1933 (RGBl. I S. 1013), 5. D V O vom 16. Februar 1934 (RGBl. I S. 125), 6. D V O vom 28. Februar 1934 (RGBl. I S. 172), 7. D V O vom 8. Juni 1934 (RGBl. I S. 491), 8. D V O vom 20. November 1934 (RGBl. I S. 1188), 9. D V O vom 8. Juli 1935 (RGBl. I S. 1050). Die Notverordnung vom 6. Oktober 1931 zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen usw. (RGBl. I S. 537) brachte im fünften Teil in Kapitel I I die Kapitalherabsetzung in erleichterter Form, eine zunächst nur vorübergehend gedachte Regelung, deren Geltung aber mehrmals verlängert wurde, und die ebenfalls in das Aktiengesetz 1937 — als

4

Einleitung (Meyer-Landrut) vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 182 ff.) — übergegangen ist (bzw. §§ 229 fr. AktG 1965). Die ersten beiden Durchführungsverordnungen hierzu ergingen am 18. und 20. Februar 1932 (RGBl. I S. 75 und 90), die 8. D V O vom 14. März 1934 (RGBl. I S. 196) brachte die bedingte Kapitalerhöhung (vgl. §§ 159 fr. AktG 1937 bzw. §§ 192 fr. AktG 1965). Verordnungen über einmalige Bilanzierungserleichterungen ergingen auf Grund der durch die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 699/715) erteilten Ermächtigung. Das Gesetz vom 20. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1254) ermöglichte die Kraftloserklärung unrichtig gewordener Aktienurkunden (vgl. § 67 AktG 1937 bzw. § 73 AktG 1965). Ferner sei noch ein Zusatz zum Aktienrecht, die Wurzel des jetzt geltenden Mitbestimmungsrechts, erwähnt, nämlich die Vorschrift über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat nach § 70 des Betriebsrätegesetzes vom 4. Februar 1920 (RGBl. I S. 147) und nach dem Gesetz vom 15. Februar 1922 (RGBl. I S. 209). Diese Bestimmungen wurden durch § 65 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 (RGBl. I S. 45) aufgehoben. d) AktG 1937 Das Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30.Januar 1937 (RGBl. I S. 107, berichtigt S. 588,1140) — AktG 1937 — brachte dieReform der dreißigerJahre zumAbschluß. Das AktG 1937 wurde aus dem H G B gelöst und trat mit dem Einfuhrungsgesetz vom 30. Januar 1937 (RGBl. I S. 166) am 1. Oktober 1937 in Kraft. Wie sich aus der amtlichen Begründung (Reichsanzeiger 1937 Nr. 28) ergibt, sind im Gesetz Anregungen der Akademie für Deutsches Recht verwertet worden. Es wurde an der für das Wirtschaftsleben unentbehrlichen Rechtsform der Aktiengesellschaft grundsätzlich festgehalten. Das Gesetz ließ sie aber regelmäßig nur noch für größere Unternehmungen zu (Mindestgrundkapital 500000,— R M ) . Die bedeutendsten Neuerungen waren: die rechtliche Stellung des Vorstandes wurde erheblich gestärkt. Er wurde unabdingbar der alleinige und eigenverantwortliche Leiter der Gesellschaft, gleichzeitig wurden Regeln über seine Organisation aufgestellt, wie die Ernennung eines Vorsitzers (fakultativ, durch den Aufsichtsrat), der grundsätzlich bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand entscheidet (§§ 70 ff., 75). Die Kehrseite der zwingenden Neuverteilung der Kompetenzen war die nun auch formelle Entthronung der Hauptversammlung (und — was die Geschäftsführung und die Mitverwaltung angeht — auch des Aufsichtsrats): die Hauptversammlung kann in Fragen der Geschäftsführung bindende Anweisungen nur dann noch erteilen, wenn der Vorstand es verlangt (§ 103); der Jahresabschluß wird vom Vorstand unter Billigung des Aufsichtsrats festgestellt, wobei die notwendigen Rücklagen zu schaffen sind, von der Hauptversammlung nur dann, wenn der Aufsichtsrat den Abschluß nicht billigt oder sich mit dem Vorstand dafür entscheidet; lediglich über die Verteilung des verfügbaren Reingewinns entscheidet noch die Hauptversammlung (§ 125). Die Verantwortlichkeit des Vorstandes und des Aufsichtsrats gegenüber Gläubigern und Aktionären wurde zwar verschärft, jedoch an dem Grundsatz der Verschuldenshaftung festgehalten. Die Publizitätsvorschriften über die Gestaltung des Jahresabschlusses und die obligatorische Bilanzprüfung wurden verfeinert und zu einem besonderen Teil „Rechnungslegung" des I. Buchs zusammengefaßt, brachten im Interesse der Aktionäre aber zumindest keine Fortschritte (stille Rücklagen, Veredelungserträge) gegenüber 1931. Neü war die Schadensersatzpflicht bei Ausnutzung der A G zur Erlangung gesellschaftsfremder Sondervorteile (§ 101). Große Bedeutung maß man den neuen Kapitalbeschaffungsmaßnahmen bei: Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, bedingte Kapitalerhöhung, genehmigtes Kapital sowie Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen. Erstmals wurde auch versucht, den Konzernbegriff zu fassen. Das Einfuhrungsgesetz enthielt die Ubergangsbestimmungen. Nach § 2 mußten Aktiengesellschaften, deren Grundkapital nicht 100000 R M erreichte, sich bis zum 3 1 . Dezember 1940 umwandeln oder auflösen; Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von 100000 R M und mehr blieben bestehen, mußten aber, wenn sie ihre Verhältnisse wesentlich änderten, das Grundkapital zugleich auf 500000 R M erhöhen. Für die danach etwa erforderlich werdende Umwandlung kam das Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934

5

Einleitung (RGBl. I S. 569) in Betracht, zu dem vier Durchführungsverordnungen ergangen sind: 1. D V O vom 14. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1262), 2. D V O vom 17. Mai 1935 (RGBl. I S. 721), 3. D V O vom 2. Dezember 1936 (RGBl. I S. 1003), 4. D V O vom 24. Juni 1937 (RGBl. I S. 661). Das AktG 1937 war ein wohldurchdachtes, technisch und sprachlich hochstehendes Gesetzgebungswerk. Gegenüber dem bisherigen Recht enthielt es im einzelnen viele Verbesserungen und Klarstellungen. Es hat sich auch in der Folgezeit, insbesondere nach dem Krieg bewährt. aa) Drei Durchführungsverordnungen sind zum AktG 1937 ergangen: 1. D V O vom 29. September 1937 (RGBl. I S. 1026), 2. D V O vom 19. November 1937 (RGBl. I S. 1300), 3. D V O vom 21. Dezember 1938 (RGBl. I S. 1839). Zur Einführung in Österreich sind ergangen: 1. V O vom 1 1 . April 1938 (RGBl. I S. 385), 2. V O vom 2. August 1938 (RGBl. I S. 988), zur Einführung in den sudetendeutschen Gebieten: 1. V O vom 3. Dezember 1938 (RGBl. I S. 1725), 2. V O vom 9. Februar 1939 (RGBl. I S. 176). In Österreich ist das AktG mit 1. und 3. D V O nach 1945 in Kraft geblieben (§2 des RechtsüberleitungsG vom 1. Mai 1945, StGBl. Nr. 6); erst am 3 1 . 3. 1965 wurde das österreichische Aktiengesetz 1965 (ÖBGB1. 1965 Nr. 98) verabschiedet. Das ÖAktG 1965 stellt jedoch — von wenigen substantiellen Neuerungen abgesehen — lediglich eine formale „Austrifizierung" des deutschen AktG 1937 dar. Unter die Beseitigung von „Überbleibseln unösterreichischen Gedankenguts" (Regierungsvorlage 1963) fiel gegenüber § 70 AktG 1937 nur das Entscheidungsrecht des Vorstandsvorsitzers, das durch ein Dirimierungsrecht bei Stimmengleichheit ersetzt wurde (zum Vergleich ÖAktG 1965 und AktG 1965 vgl. von Granichstaedten-Czerva, Die A G 1966, 131). a) Während des Krieges ist durch zahlreiche V O direkt und indirekt in das AktG eingegriffen worden. Mit der V O über Maßnahmen auf dem Gebiete des Rechts der Handelsges. vom 4. September 1939 (RGBl. I 1694) begannen diese Eingriffe, deren leitende Gesichtspunkte Vereinfachung, Ersparnis und Geheimhaltung waren und die mit der V O zur Vereinfachung der Verwaltung von PersVereinigungen vom 8. Januar 1945 (RGBl. I 5) abschlössen. Die Fortgeltung dieser VOn nach Kriegsende war zunächst in den verschiedenen Besatzungszonen und Ländern unterschiedlich geregelt. Durch § 1 HandelsBerG vom 18. April 1950 (BGBl. I 90) sind sie jedoch durchweg aufgehoben worden, so daß der Text des AktG in seiner ursprünglichen Fassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wieder einheitlich galt. Vorübergehende Eingriffe in das AktR brachte auch die DividendenabgabeV O vom 12. Juli 1941 (RGBl. I 323)|mit DVOn. Für die „Dauer des Krieges" erlassen, war ihre Weitergeltung nach 1945 zunächst umstritten, wurde aber vom Gesetzgeber bejaht, § 7 Abs. 2 HBerGes.; sie ist durch Ges. vom 15. Dezember 1952 (BGBl. I 804) aufgehoben worden, ebenso wie auch alle aus Anlaß des Kriegszustandes ergangenen Bestimmungen, die die Rechtsstellung feindlicher Staaten und ihrer Staatsangehörigen in diskriminierender Weise berührten (Ges. vom 14. Juni 1951, BGBl. I 391). ß) Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 ist das AktG durch Gesetzgebungsakte der MilReg. nicht berührt worden. Mittelbare Auswirkungen waren jedoch in mancher Hinsicht zu verzeichnen: Zur Beseitigung des während der nat.-soz. Herrschaft begangenen Unrechts sind in den westlichen Besatzungszonen und in Berlin Rückerstattungsgesetze ergangen (Ges. Nr. 59 USZone/BritZone; V O Nr. 120 Fr Zone; BK/O (49) 180 Berlin). Die rechtswidrige Entziehung des Vermögens einer A G (Art. 8 U S ; Art. 7 Br) wie auch von Aktien (Art. 21, 24 U S ; Art. 17, 20 Br) unterlag der Rückerstattung. Wirtschaftlich tiefgreifende Eingriffe in viele AG's brachten die alliierten Entflechtungsmaßnahmen; Grundlage bildete das Ges. 56/VO 78 der am.-brit. MilReg. vom 28. Januar 1947 „Verbot der übermäßigen Konzentration deutscher Wirtschaftskraft", neben Sondergesetzen für einzelne Industrien oder Unternehmen vgl. AHKGes. Nr. 27 vom 16. Mai 1950, Amtsbl. 229 (Montanindustrie); AHKGes. Nr. 35 vom 17. August 1950, Amtsbl. 534 (I.G. Farbenindustrie A.G.). bb) Der deutsche Gesetzgeber der Nachkriegszeit hat in steigendem Maße auch das AktR berührende Vorschriften erlassen. Im Zuge der Währungsumstellung im J a h r e 1948 trat in den Westzonen an die Stelle der Reichsmark als Rechnungseinheit die Deutsche Mark (§ 2 WährungsG). Das DMBilG vom 21. August 1949 (WiGBl. 279) mit

6

Einleitung (Meyer-Landrut) ErgGes. vom 28. Dezember 1950 (BGBl. I 8 1 1 ) , Zweites ErgGes. vom 20. Dezember 1952 (BGBL I 824), Drittes ErgGes. vom 2 1 . J u n i 1955 (BGBL I 297) brachte dann auch unmittelbare Änderungen des AktG, des E G zum AktG und der 1. D V O . Wichtig war vor allem die Herabsetzung des Mindestnennbetrags des Grundkapitals auf 100000 D M , § 7 Abs. 1, und des Mindestnennbetrags der Aktien auf 100 DM, § 8 Abs. 1, s. § 60 DMBilG. Mittelbar von erheblicher Bedeutung für das Aktienrecht waren auch die nach dem Zusammenbruch 1945 erforderlich gewordenen Maßnahmen zur Bereinigung des Wertpapierwesens, Ges. vom 19. August 1949 (WiGBl. 295) mit ErgGes. vom 29. März 1951 (BGBL I 2 1 1 ) , vom 26. August 1953 (BGBL I 940) und vom 16. November 1956 (BGBL I 850). Ein besonderes Ges. vom 9. Oktober 1950 (BGBl. I 690) regelte die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien während der Wertpapierbereinigung. Das schon erwähnte HBerGes. vom 18. April 1950 (BGBl. I S. 90) brachte in § 4 auch einige kleinere Änderungen des AktG, des E G und der D V O . Es befristete weiter in § 7 Abs. 1 Umwandlungen von Kapitalgesellschaften nach dem Umwandlungsgesetz vom 5. J u l i 1934 (RGBL I S. 569) bis zum 3 1 . Dezember 1956. Von diesem Zeitpunkt an galt das bisherige Recht, neu kodifiziert im Umwandlungsgesetz vom 12. November 1956 (BGBL I 844), durch welches auch die §§ 263 Abs. 4 und 278 Abs. 4 AktG 1937 neu gefaßt wurden.

e) Mitbestimmungsrecht

Einen weittragenden Eingriff in die Struktur des AktG brachten die Mitbestimmungsgesetze; zunächst für die Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie das Gesetz vom 21. Mai 1951 (BGBL I S. 347), das in Aktiengesellschaften dieser Art eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats mit Vertretern der Kapitaleigner und der Arbeitnehmer und die Bestellung eines Arbeitsdirektors als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied vorsieht, sodann das für alle Aktiengesellschaften geltende Betriebsverfassungsgesetz vom 1 1 . Oktober 1952 (BGBL I S. 681), das in § 76 zwingend die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern zu einem Drittel im Aufsichtsrat vorsieht und in § 84 den Wortlaut der §§ 86, 90, 94 des AktG 1937 änderte. Das Gesetz zur Ergänzung des Mitbestimmungsgesetzes für die Unternehmen des Bergbaus sowie der Eisen- und Stahlindustrie vom 7. August 1956 (BGBL I S. 707) führte die Mitbestimmung auch in den Holding-Gesellschaften der Montan-Industrie ein. Das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Aktienrechts und des Mitbestimmungsrechts vom 15. J u l i 1957 (BGBL I S. 714) brachte eine detaillierte Regelung der Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats und der hilfsweisen Bestellung von Mitgliedern durch das Registergericht (Neufassung von §89 AktG 1937).

f) Kleine Aktienrechtsreform

Das Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. Dezember 1959 (BGBL I S. 789) war schon ein Teil der ins Auge gefaßten Gesamtreform des Aktienrechts, die schon 1958 zu einem Reformentwurf geführt hatte (vgl. im einzelnen dazu unten II.). Mit dieser sog. Kleinen Aktienrechtsreform wurden bestimmte Punkte des Reformprogramms, die für besonders dringlich erachtet wurden, vor allem, um die Lage des Kapitalmarktes zu verbessern, vorab in Kraft gesetzt : die Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Rücklagen wurde erstmals für zulässig erklärt und im einzelnen geregelt; der Erwerb eigener Aktien, insbesondere zur Abgabe an Arbeitnehmer, wurde erleichtert (Neufassung von § 65 AktG 1937, vgl. auch Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln vom 30. 12. 1959, Neufassung vom 10. 10. 1967 (BGBL I 977) und die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung wurde verfeinert und transparenter gemacht (Neufassung von § 132 AktG 1937). Zur allgemeinen Bedeutung und wirtschaftspolitischen Zielsetzung des Gesetzes s. zusammenfassend R . Fischer in Vorbem. zu Anh. I der Vorauflage.

g) EWG-Recht

Der Europäische Gesetzgeber griff durch den Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 29. April 1952 (BGBL I I 445) — im Gegensatz zum Kartellrecht (vgl. Art. 65, 66) — nicht unmittelbar in das deutsche Aktienrecht ein. Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März

7

Einleitung 1 9 5 7 (BGBl. I I 7 5 3 ) enthält jedoch nicht nur entsprechende Vorschriften zur Verhinderung von Wettbewerbsbeschränkungen (Axt. 8 5 fr.), sondern auch Bestimmungen, wonach die Beschränkungen der freien Niederlassung — auch hinsichtlich von Gesellschaften — stufenweise abzubauen sind (Art. 5 2 fr., 5 4 , 5 8 E W G V ) . Darüber hinaus sieht Art. 2 2 0 E W G V die Aufnahme von Verhandlungen der Mitgliedstaaten vor, mit dem Ziel, gegenseitige Anerkennung, Sitzverlegung und Verschmelzung über die Grenzen sicherzustellen. Gemäß Art. 5 4 Abs. 1 E W G V hat der R a t der E W G zunächst am 1 8 . 1 2 . 1 9 6 1 ein „Allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs" (AB1EG 1 9 6 2 , 3 2 ) aufgestellt. In der Folgezeit wurde gemäß Art. 5 4 Abs. 2 eine Reihe von entsprechenden Richtlinien erlassen. Durch Gesetz zur Durchführung von Richtlinien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstieistungsverkehr vom 13. August 1 9 6 5 (BGBl. I 849) hat der Bundesgesetzgeber durch Anderimg der Gewerbeordnung (§§ 12, 12 a) und durch Streichung des § 292 A k t G 1 9 3 7 die Genehmigungspflicht für die Zulassungjuristischer Personen aus dem EWG-Bereich zum Gewerbebetrieb aufgehoben. Gestützt auf Art. 5 4 Abs. 3 Buchst, g E W G V und das genannte Allgemeine Programm erging am 9 . März 1968 die „Erste Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften . . . im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig z u gestalten" (AB1EG 1 9 6 8 Nr. L 6 5 / 8 vom 1 4 . März 1 9 6 8 ) , welche die Mitgliedsstaaten verpflichtet, binnen 18 Monaten ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf den Gebieten „Publizität", „Gültigkeit der von der Gesellschaft eingegangenen Verpflichtungen" und „Nichtigkeit von Gesellschaften" entsprechend der Richtlinie zu ändern (vgl. dazu Einmahl, die A G 1 9 6 9 , 131 ff., 1 6 7 f r . , 2 0 0 f f . ) . Das deutsche Durchführungsgesetz vom 15. 8 . 1 9 6 9 (BGBl. I 1146) hat daraufhin mehr als 25 Bestimmungen des Aktienrechts (insbes. §§ 3 9 , 40, 8 0 , 181, 248, 268, 2 7 4 f r . ) und Registerrechts geändert. Die bedeutsamsten Eingriffe sind: Die Pflicht zur Offenlegung der gesamten neuen Satzung iiach jeder Änderung, die Pflicht zur Offenlegung aller Mitglieder der vertretungsbefugten Organe, die Erweiterung der Angaben auf Geschäftsbriefen und die Einschränkung der Nichtigkeitsgründe und der Grundsätze über die Rechtsscheinshaftung nach § 15 HGB. Weitere Richtlinien über die Aktie, die Gründungsgarantien, über die Verfassung der Gesellschaft sowie über die interne Verschmelzung, sind in Arbeit. Z u m allgemeinen Stand der europäischen Entwicklung, zu den Gründen für das zögernde Fortschreiten und den daraus folgenden Aussichten vgl. Geßler, Europäisches Gesellschaftsrecht am Scheideweg, DB 1969, 1001 ff., und dagegen, optimistischer, Würdinger, D B 1969, 1181 ff. insbesondere zu Fusionsfragen Sonnenberger, Die A G 1968, 381; van Ommeslaghe Z H R 132, 228 ff. Zur historischen Entwicklung des Aktienrechts im einzelnen vgl. noch allgemein Würdinger § 2; Wiethölter S. 53ff.; Dippel D R i Z 1965; 315fr. und unter jeweils verschiedenen Gesichtswinkeln G . E . F i s c h e r A c P 154, 85ff. („Politisches" Schicksal); Wiethölter S. 35fr. (Reformen), S. 77ff. (Aktiendemokratie); Großfeld S. 44fr. („Neutralität" des AktR), 113ff. (Wettbewerbsgedanke); Kronstein/Claussen S. 9ff. (Publizität) ; Geßler, 75 Jahre deutsche Treuhand-Gesellschaft S. 129 ff. (Rechnungslegung); Pross, S. 43fr. (Soziologie; Verhältnis Aktionär — Verwaltung); Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft, 1968, S. 9ff.; Robert Fischer, in Minderheitenschutz, S. 59 fr.

II. Die Reformbewegung zum AktG 1965 „ D i e Aktienreform eilt in keiner Weise". Mit diesen Worten beschloß im Jahre 1957 die Vorauflage (die dann parallel mit der sich entfaltenden Reformdiskussion entstand) dieses Thema. Mitte 1965 wurde das neue Aktiengesetz verabschiedet. Wir leben also schon 5 Jahre mit dem Gesetz. Leben müssen wird man aber auch mit der Reform. Z u dieser Erkenntnis zwingt die Geschichte der Aktiengesellschaft als die Geschichte weniger von Reformwellen, als einer fast permanenten Reform, zum anderen aber der spezifische „unfertige" Charakter der 1965 abgeschlossenen Reformarbeiten. Die Reformideen

8

Einleitung (Meyer-Landrut) zum Aktienrecht zeichnen ein seismographisches Bild der Veränderung der Gesellschaft und ihrer wirtschaftspolitischen Programme. Die Reform 1965 brachte insofern allerdings eine Zäsur, als sie die Anpassung der A G an das Wirtschaftsverfassungsrecht des sozialen Rechtsstaates zum Programm erhob. Diese tragende Idee des Reformansatzes enthielt aber eine Selbstbindung des Gesetzgebers, weil das noch gar nicht so lange bestehende Wirtschaftsverfassungsrecht und vor allem das sich aus ihm entwickelnde Unternehmensverfassungsrecht gerade erst entfaltet bzw. in seiner Bedeutung erkannt wird. Diese Ausrichtung des A k t G 1965 bringt es mit sich, daß die Reformdiskussion nicht mit seiner Verkündung zur Makulatur wurde, sondern in zweifacher Hinsicht von Bedeutung bleiben wird: Einerseits ist vieles, was angesprochen wurde, liegengeblieben und harrt erst noch der Ausprägung in künftigen Reformen; auf der anderen Seite muß das neue Recht, und insbesondere Regelungen, in die neue wirtschaftspolitische Begriffe eingegangen sind, auch aus der Reformdiskussion heraus interpretiert werden (vgl. Raisch J Z 1966, 501 ff., 548fr.). Im folgenden soll versucht werden, den Weg der Reform nachzuvollziehen, um verschüttete Ansätze, aber auch Erreichtes und Entwicklungslinien, sichtbar zu machen. Die Herausarbeitung und Gegenüberstellung der verschiedenen Vorschläge, ihrer Leit- und Trennlinien, der Schlagworte und der politischen Schein- und Sachargumente sollte allein schon eine Art kritischer Lesart der Reform 1965 ergeben, so daß das A k t G 1965 nur noch an einzelnen Ansprüchen des Ausgangs gemessen zu werden braucht. Die Nachzeichnung der Veränderungen, die die Reform von den ursprünglichen Ideen zum Referentenentwurf, von diesem zum Regierungsentwurf und dann noch im Bundestag erfahren hat, dient schließlich auch dem Verständnis des jetzt geltenden Rechts.

1. Der Weg zum Referentenentwurf 1958 a) Anregungen aus Wissenschaft, Praxis und Verbänden aa) Der 39. Deutsche Juristentag in Stuttgart 1951 behandelte das Thema „ D i e Gestaltung der Unternehmensformen unter dem Gesichtspunkt der Wirtschafts- und Sozialverfassung". Das Plenum hielt es einstimmig „für erforderlich, die heute bestehenden Unternehmensformen darauf zu untersuchen, ob sie den sozial- und wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gegebenheiten genügend Rechnung tragen", und war der Meinung, „ d a ß es eine der hervorragendsten Aufgaben der deutschen Juristen ist, beizutragen zu einer tragbaren Lösung dieser akuten sozialen Probleme", und betraute die ständige Deputation mit der Bildung einer Kommission. Diese Studienkommission — unter dem Vorsitz erst von K . Geiler und dann von Walter Schmidt — teilte sich in drei Arbeitsausschüsse (Mitglieder, Ausschuß I : L. Raiser, K . Ballerstedt, O. Kunze, W. Schmidt, K . Schmölder. Ausschuß I I : W. Pohle, v. Caemmerer, H. Korsch, R . Reinhardt, W . Schilling. Ausschuß I I I : F. G. Sitzler, G. Boldt, v. Godin, O. Kunze, A . Nikisch, H. C . Nipperdey). 1955 erstatteten die Ausschüsse I und II gemeinsam ihren Bericht unter dem Titel „Untersuchungen zur Reform des Unternehmensrechts. Teil I " , und zwar durch Ballerstedt zu der Frage, ob und ggf. wie Unternehmen von besonderer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung anzuerkennen seien, und durch Schilling zu der Frage, inwieweit die veränderten wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten Reformen der A G erforderlich machten. In seiner Schlußbemerkung zu beiden Berichten konnte W . Schmidt feststellen, daß „das geltende Unternehmensrecht, insbesondere das Aktiengesetz im Großen gesehen, und unbeschadet einer Kritik im einzelnen, den Erfordernissen der modernen Entwicklung genügt und den gegenwärtigen sozial- und wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gegebenheiten Rechnung trägt. Forderungen nach grundlegenden Reformen sind nicht zu stellen. Das Aktiengesetz hat sich in seinen wesentlichen Konzeptionen bewährt". — Die Ausschüsse legten keine fertigen Lösungen vor, sondern beschränkten sich auf die Aufweisung der neuralgischen Punkte. Uber das Mitbestimmungsrecht wurde in den Beratungen keine Einigkeit erzielt, weil die Mehrzahl der Mitglieder die ideellen und rechtlichen Grundlagen als noch nicht geklärt ansahen. Der Ausschuß I machte jedoch für Unternehmen „erheblicher Größe" den Modellvorschlag einer Art Unternehmensverfassung, in der die Hauptversammlung durch eine Versammlung der Vertreter der Aktionäre, der Arbeitnehmer und des „öffentlichen Interesses"

9

Einleitung im Verhältnis 2 : 2 : 1 mit dem Ziel ersetzt wird, „innerhalb des Unternehmens einen Integrationsvorgang z u fördern und der Leitung des Unternehmens eine verstärkte Autorität dadurch z u geben, d a ß sie ihr M a n d a t nicht nur „namens der ,Eigentümer', sondern auch der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit empfängt" (vgl. dazu Reinhardt in Festschrift für Hueck S. 439 ff., der auf die einzelnen Konfliktsituationen abstellen und zunächst klären will, welche konkreten öffentlichen Interessen im Einzelfall auf dem Spiele stehen. — Demgegenüber entwickelt H . W . Köhler (JZ 1956, 137 fr., erweitert in Z g S t V 115, 7 i 6 f f . ) , ausgehend von den in den Ausschußberatungen aufgetretenen Grundsatzdiskussionen die Grundzüge eines Unternehmensverfassungsrechts, das z u m Zwecke „pluralistischer Interessenorganisation im Unternehmen" neben das „interessenmonistische" Gesellschaftsrecht der Anteilseigner, jedenfalls bei Großbetrieben, treten müsse). Teil I I des Berichts der Studienkommission des D J T mit dem Bericht des Ausschusses I I I über die Schaffung der für die Partnerschaft der Arbeitnehmer am besten geeigneten Rechtsform — von R . v. Godin und O . K u n z e formuliert — erschien 1959. Der Ausschuß macht in 206 Thesen Vorschläge für die rechtliche und gesetzgeberische Gestaltung der Partnerschaft durch gesellschafterliche Beteiligung am Unternehmen oder nichtgesellschafterliche Beteiligungen a m Gewinn und/oder Vermögenszuwachs. Inhaltlich geht der Ausschuß von einer freien Vereinbarung der Partner aus und meint i m übrigen: „ M i t der Vorlage dieser Thesen nimmt der Ausschuß zu dem politischen Meinungsstreit über das Für und Wider der Partnerschaft nicht S t e l l u n g . . . . Er glaubt zwar, mit diesen Thesen einen Beitrag zur Lösung des Partnerschaftsproblems geleistet z u haben, weil sie nicht nur einen juristischen W e g aufzeigen, auf dem die Arbeitnehmer an Unternehmen der verschiedenen Rechtsform beteiligt werden können, sondern auch die rechtstechnischen Schwierigkeiten der Lösung erkennen lassen. M e h r als ein möglicher juristischer W e g wollen aber die Thesen nicht sein". Für den 42. D J T 1957 erstattete Rasch ein Gutachten über die Frage: „ S i n d a u f dem Gebiete des Konzernrechts gesetzgeberische M a ß n a h m e n gesellschaftsrechtlicher A r t erforderlich?" (Verhandlungen Bd. I 3). Rasch sah die Reform des Konzernrechts als das Hauptproblem der Aktienrechtsreform an und als eine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aufgabe, mit dem Ziele, das Konzernrecht in die Wirtschaftsverfassung der sozialen Marktwirtschaft einzufügen, in die es, wie das gesamte Aktienrecht, nicht passe, weil „es die — bei Überschreitung eines gewissen Maßes — volkswirtschaftlich verfehlte, gesellschaftspolitisch höchst bedauerliche Thesaurierung von Gewinnen und Selbstfinanzierung der Unternehmungen und damit zugleich eine unerwünschte K o n zentration (Konzernbildung)" begünstige. Der Referent Würdinger (Verhandlungen Bd. I I / F ) verneinte die wirtschaftspolitische Implikation und widersprach Rasch hinsichtlich der Selbstfinanzierung, klammerte die Frage jedoch letztlich als politische aus. In der Diskussion verneinte die Mehrheit die politische Aufgabenstellung, während Rasch noch einmal davor warnte, z u entscheidenden konzernpolitischen Problemen die Aussage zu verweigern, und vor dem Trugschluß, daß diese Verweigerung keine politische Stellungsnahme sei. (In diesem Sinne auch Raisch, J Z 1966, 506 — gegen Jagenburg, Die A G 1965, 156, 1 6 0 — , indem er die Forderung nach einem wirtschaftspolitisch neutralen Organisationsrecht als ein politisches V o t u m für den status quo kennzeichnet.) In der Beschlußfassung wurde einstimmig die Frage nach der Reformbedürftigkeit bej aht und vornehmlich die folgenden Problemkreise hervorgehoben: Begriff des Konzerns; Schutz konzernfreier Gesellschafter; Haftung der Konzernspitze gegenüber Gesellschaftern und Gläubigern abhängiger Unternehmen bzw. für die Verpflichtungen der letzteren; Offenlegung der Abhängigkeitsverhältnisse. Weiterhin wurde beschlossen, die Auswertung der in der Diskussion zu den anstehenden Fragen vorgebrachten Gesichtspunkte einer von der Ständigen Deputation des D J T einzusetzenden Kommission z u übertragen. Die Ergebnisse dieser Studienkommission sind erst 1967 unter dem Titel „Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts" veröffentlicht worden. V o r a b d r u c k e lagen jedoch schon dem Rechtsausschuß des Bundestages vor, der bei seiner Arbeit auch sonst die Beratungsergebnisse der Kommission berücksichtigt hat. bb) Ende 1952 legte der Aktienrechtsausschuß der Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz eine von Hefermehl redigierte „Denkschrift zur R e f o r m des

10

Einleitung (Meyer-Landrut) Aktienrechts" vor mit dem Ziel, die „weitgehende Entrechtung" der Aktionäre wieder zurückzubilden und ihnen die Rechte zu geben, die ihnen „als den ,Eigentümern' der Unternehmen im Rahmen der sozialen Bindungen und unter Berücksichtigung der Bedeutung der Verwaltung im Leben der A G zukomme". Z u m Gesamteindruck der diesbezüglichen Empfehlungen stellte G. E. Fischer (AcP 154, 192 f.) fest, daß sie das Bild einer förmlichen Restauration des Gesetzeszustandes vor 1937 ergeben. Als „noch nicht reif" regelrecht ausgeklammert wurden Konzernfragen in den Vorschlägen eines Sonderausschusses des Deutschen Industrie- und Handelstages ( D I H T Schriftenreihe Bd. 30 „ Z u r Reform des Aktienrechts" 1954), der, um den Kapitalmarkt durch Erschließung weiterer Sparerschichten zu beleben, die „Rechte der Minderheitsaktionäre, insbesondere die Publikumsaktionäre", stärken wollte, diesem Postulat in seinen Empfehlungen aber kaum entsprach, wie schon die „Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigung" feststellte. Der Arbeitskreis Aktienrechtsreform im Institut der Wirtschaftsprüfer unterbreitete 1956 „Vorschläge zur Aktienrechtsreform" (über die Goerdeler zusammenfassend in Die A G 1959, 296 berichtete). Ihr Ziel war eine Neufassung der Rechnungslegungsund Prüfungsvorschriften auf der Grundlage der Arbeitshypothese, „ d a ß zwar Vorstand und Aufsichtsrat wie bisher gemeinsam den Jahresabschluß feststellen können, daß aber die Hauptversammlung das Recht erhält, die im Jahresabschluß vorgenommenen Zuweisungen zu Rücklagen, soweit sie nicht auf Gesetz oder Satzung beruhen, rückgängig zu machen und ggf. entsprechende Ausschüttungen vorzunehmen". Zwei Jahre später legten die Ausschüsse Sonderprüfung und Konzernfragen „Ergänzende Vorschläge" zur Aktienrechtsreform vor, die u. a. eine Mitteilungs- und Auskunftspflicht zwischen Konzernunternehmen, einen Konzernabschluß und eine gesetzliche Regelung der Konzern-Gewinnpoolungsverträge vorsahen. Im April 1958 stellte der Bundesverband des privaten Bankgewerbes eine „Denkschrift zur Reform des Aktienrechts" zur Diskussion. Im einzelnen wurde vorgeschlagen: Vorsichtige Stärkung der H V (keine Weisungen an Vorstand und A R , eingeschränktes Bilanzfeststellungsrecht); Beibehaltung des bisherigen Depotstimmrechts; Beibehaltng der bisherigen Stellung des A R , aber Stärkung der Kontrollaufgaben gegenüber dem Vorstand; Beseitigung des Entscheidungsrechts des Vorstandsvorsitzers, Erhöhung des Aussagewertes der Bilanz, aber keine Änderung der Bewertungsvorschriften, keine Einschränkung der Selbstfinanzierung (s. dazu auch Würdinger DB 1957, 825) und der Bildung stiller Reserven; Einführung des Bruttoprinzips für die großen an der Börse zugelassenen AG's, für die kleinen Rückkehr zu § 261 c Abs. 1 Ziff. I I 1 H G B 1931 (ebenso D I H T und DJT-Ausschuß II, an den sich die Denkschrift auch sonst zum Teil anschloß: Ausweis der Konzernverträge, Rücklagen); der Modellvorschlag des D J T Ausschusses I für Großunternehmen wurde als „eine wenn auch beschränkte Form der Sozialisierung" abgelehnt, deren Beschränkung der Aktionärsrechte auch nicht durch die Schranke des Art. 14 G G gerechtfertigt werden könne; hinsichtlich des Konzernrechtes werden die Grundforderungen des Ausschusses I aufgegriffen: für die Konzernhaftung sollte über dessen Vorschlag hinaus auch bei faktischer Abhängigkeit ein erweiterter §101 A k t G 1937 gelten; die Mehrheitsherrschaft soll materiell der Gerichtskontrolle unterworfen, die Rechte der freien Aktionäre nicht positiv verankert werden (der Minderheitenschutz soll ohnehin nicht im faktischen Konzern gelten); Organschafts- und Gewinnabführungsverträge, nicht aber Pachtverträge, sollen wie Satzungsänderungen behandelt werden; hinsichtlich der Konzernpublizität sollen im Anschluß an DJT-Ausschuß I Gewinne und Verluste aus den Konzernverträgen ausgewiesen werden und der Geschäftsbericht der Obergesellschaft auch über die Verhältnisse der Tochergesellschaften Aufschluß geben; eine konsolidierte Konzernbilanz soll obligatorisch werden. cc) Verschiedene Autoren aus Wissenschaft und Praxis legten Vorschläge zu einzelnen reformbedürftigen Bereichen des Aktienrechts vor, insbesondere zum Konzernrecht. Ballerstedt entwickelte Gedanken über die Einordnung des Organschaftsvertrages in die künftige Verfassung der A G (DB 1957, 837, 841: Schutz der Minderheit durch umfassende Offenlegungs- und Aufklärungspflichten; Beseitigung von § 197 Abs. 2 S. 2 A k t G 1937).

11

Einleitung Walter Schmidt befaßte sich parallel zum und über das DJT-Gutachten von Rasch (vgl. oben [aa]) hinausgehend mit den zu lösenden Konzernproblemen (Kontrolle der Leitungsmacht, Funktionsaufteilung zwischen den Organen, Publizität), hielt aber die Zeit mangels ausreichender rechtstatsächlicher Unterlagen für noch nicht reif, eine einheitliche gesetzgeberische Regelung für alle Konzerne, gleich welcher Struktur, zu schaffen (NJW 1957, 1337)Duden zog ein Resümee der Diskussion um die Konzerne, die nach seiner Ansicht „den ersten großen Kampf bestanden" hatten — in Form des GWB —, und betonte die wirtschaftsverfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Gesichtspunkte der zu lösenden Fragen (BB 1957, 1230 m. w. N.). Zum Reformschrifttum insgesamt vgl. auch die Zusammenstellung bei Dippel DRiZ 1965» 355Uberblickt man die Gesamtheit der Vorschläge, so ergibt sich eine überwiegende Ablehnung einer Totalreform, zumal grundsätzliche Einigkeit darüber bestand, daß unter dem AktG 1937 keine Mißstände und Mängel aufgetreten waren (vgl. die Nachweise bei Dippel a. a. O. S. 353 f., Wilhelmi, Die AG 1965, 153 und Wiethölter S. 46). Die Reformvorschläge konzentrierten sich auf einige besonders „mißbrauchsgeneigte" Bereiche (Publizität und Bilanzen, Pflichten und Kontrolle der Verwaltung, Großunternehmen- und Konzernrecht).

b) Pölitische Beweggründe Maßgebende Triebfeder für eine Gesamtreform wurden denn auch andere, außergesellschaftsrechtliche, auch wirtschaftspolitische und allgemeinpolitische Gedanken. Die Regierungserklärung von 1957 enthielt die Stichworte: Hauptziele des zu schaffenden Gesetzes sind die Erleichterung der Kapitalbeschaffung mit möglichst weiter Streuung des Eigentums (Verh. BT 3. Wahlp. S. 19 D, 2 A). Nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs im Oktober 1958 ergriffen auch die politisch Verantwortlichen das Wort. Justizminister Schaeffer führte aus: Grundlegendes Anliegen sei es, „das Aktiengesetz mit unserer auf dem Eigentum beruhenden Wirtschaftsordnung in Einklang zu bringen". Daher muß der Einfluß der Eigentümer = Aktionäre gestärkt werden und die Aktie „als Mittel der ,Demokratisierung des Eigentums'" eingesetzt werden. „Es geht um die Volkstümlichmachung der Volksaktien . . ." (DB 1958, 1253. Zu weiteren Äußerungen von Politikern, die in der Aktienrechtsreform ein Mittel gegen die Konzentration von Kapital und Eigentum sahen, vgl. Dippel a. a. O.). Staatssekretär W. Strauss vertrat ähnliche Gedanken: Gegen den inzwischen laut gewordenen Widerspruch von Hengeler und Kreifels (vgl. dazu unten 2. b) bb) 8), es handle sich nur um an der Rechtswirklichkeit vorbeizielende Schlagworte, hielt er das „wirtschaftliche Eigentum des Aktionärs" durch „unsere Wirtschaftsverfassung, die auf der Eigentumsordnung beruht" für zwingend vorgeschrieben (Marburger Aussprache zur Aktienrechtsreform, 1959 S. 15ff.). Festgehalten werden kann an dieser Stelle, daß trotz aller Kritik die Idee der Popularisierung und Streuung der Aktie einer der treibenden Impulse des Reformwerkes blieb (vgl. Begründung Regierungsentwurfs. 93f.; Wilhelmi, Die AG 1965, 153 und Bundestag-Drucksache IV/9403c; Justizminister Weber ebda. S. 9415c; spwie Geßler, Die AG 1965, 343ff-)•

2. Der Referentenentwurf a) Änderungen zum AktG 1937 aa) Konzernrecht Reformziel war, „die Einbrüche des Konzerntatbestandes in das Gesellschaftsrecht zu erfassen und mit den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen in Einklang zu bringen" (Kropff NJW 1959, 173). Der Entwurf brachte in erster Linie einen Definitionenkatalog und ein ganz neues Drittes Buch über „Verbundene Unternehmen", bestehend aus vier Teilen, Unternehmensverträge, Verantwortlichkeit in verbundenen Unternehmen, Wechselseitig beteiligte Unternehmen und Rechnungslegung im Konzern.

12

Einleitung (Meyer-Landrut) a) Unter dem neuen Oberbegriff „Verbundene Unternehmen" führt E § 15 vier Abstufungen von Verbindungsformen einander nahestehender Unternehmen auf: abhängige und herrschende, konzern-, wechselseitig beteiligte, durch einen Unternehmensvertrag verbundene Unternehmen. Voraussetzung für die Abhängigkeit ist, daß ein anderes Unternehmen „in der Lage ist, auf Grund von Beteiligungen, von satzungsmäßigen oder von vertraglichen Rechten unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auszuüben", E § 16 Abs. 1. Mehrheit der Anteile oder der Stimmrechte schaffen eine unwiderlegliche Vermutung der Abhängigkeit, E § 16 Abs. 2. „ Ü b t ein herrschendes Unternehmen seinen beherrschenden Einfluß auf ein oder mehrere abhängige Unternehmen aus und sind herrschende und die abhängigen Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt, so bilden sie einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. Von einem abhängigen Unternehmen wird vermutet, daß es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet", E § 17 Abs. 1. Abs. 2 stellt klar, daß bei einheitlicher Leitung auch ohne Abhängigkeit ein Konzern besteht (Gleichordnungskonzern). Wechselseitig beteiligte Unternehmen i. S. des Entwurfes liegen vor, wenn jedem Unternehmen mehr als der fünfte Teil der Anteile des anderen gehört, E § 18 Abs. 1. Gehört einem die Mehrheit und steht das andere „auf Grund einer Beteiligung oder von satzungsmäßigen oder vertraglichen Rechten unmittelbar oder mittelbar unter seinem beherrschenden Einfluß", so ist es kraft unwiderlegbarer Vermutung herrschendes Unternehmen, E § 17 Abs. 2 Satz 1, hat jedoch das andere Unternehmen auch an ihm eine Anteilsmehrheit, „so gelten beide als herrschend und abhängig", E § 17 Abs. 3 Satz 1.

ß ) Eine Bestimmung des neuen Begriffs „Unternehmensvertrag" findet sich nicht im „Allgemeinen Teil", sondern an der Spitze des neuen Buches über „Verbundene Unternehmen". Dessen Erster Teil behandelt die „Unternehmensverträge" und der Erste Abschnitt ihren Abschluß, Änderung und Beendigung. E § 270 zählt auf: 1. die echte Gewinngemeinschaft, 2. den Gewinnabführungsvertrag, 3. Betriebspacht- oder Uberlassungsverträge, 4. Betriebsführungsverträge, 5. (neu) Weisungsverträge, die alle uneingeschränkt an die Wirksamkeitsvoraussetzungen von u. a. Zustimmung der H V mit einer Mehrheit von mindestens 75%, Schriftlichkeit und Eintragung ins Handelsregister geknüpft sind. In einem Zweiten Abschnitt werden zur „Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger" für die Gewinnabführung Höchstgrenzen gezogen und Zuweisungen zur gesetzlichen Rücklage verlangt sowie unter gewissen Voraussetzungen die Verpflichtung zur Verlustübernahme und zur Sicherheitsleistung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft statuiert, E §§ 276—279. Der Dritte Abschnitt befaßt sich mit der „Sicherung der außenstehenden Aktionäre" und sieht eine Ausgleichszahlung bzw. garantierte Dividende sowie Barabfindung oder Aktientausch vor. Hinsichtlich der Angemessenheit kann eine Spruchstelle (OLG) angerufen werden, E §§ 28of. Der Zweite Teil des Dritten Buches regelt die „Verantwortlichkeit in verbundenen Unternehmen": Liegt ein Weisungsvertrag vor, so entsteht eine Schadensersatzpflicht des herrschenden Unternehmens und der Mitglieder seines Vorstandes und Aufsichtsrates gegenüber dem abhängigen Unternehmen und seinen Aktionären für schädigende Weisungen nur, wenn sie nicht eigenen oder Konzerninteressen diente; anders jedoch, wenn kein Weisungsvertrag vorlag, hier haften neben den vorgenannten die gesetzlichen Vertreter oder Inhaber oder beauftragten Angestellten des herrschenden Unternehmens, E §§ 283—285. Der Dritte Teil beschränkt für wechselseitig beteiligte Unternehmen die Ausübung der Rechte aus den Anteilen: Im Unternehmen, das seine Beteiligung erst erwirbt, nachdem ihm die Beteiligung des anderen Unternehmens schon bekannt war, stehen aus den über 20% hinaus erworbenen Anteilen keine Rechte zu. Der Vierte Teil „Rechnungslegung im Konzern" schreibt die Aufstellung von (Teil-) Konzernabschlüssen und -geschäftsberichten sowie deren Prüfung und Bekanntmachung für Unterordnungskonzerne vor, E §§ 287—295. Allgemein werden die Pflichten zur Offenlegung von Konzernverhältnissen verstärkt. Die Auskunftspflicht gilt in erweiterter Form für alle verbundenen Unternehmen, die Unternehmensverträge sind, abgesehen von den erwähnten Publizitätserfordernissen, der H V anzukündigen, in ihr zu verlesen

13

Einleitung und auszulegen sowie der Niederschrift beizufügen und schließlich statuiert E § 19 eine Mitteilungspflicht, sobald eine Beteiligung von mehr als 20% erworben wird, vgl. im einzelnen und zu weiteren materiellen Einzelvorschriften Kropff N J W 1959, 173 ff. bb) Verfassung/Organe Die Organe und ihre zwingende Zuständigkeitsverteilung blieb unverändert, Verschiebungen gab es nur in Einzelheiten. Das Mitbestimmungsrecht wurde nicht ins Gesellschaftsrecht eingearbeitet. Der Entwurf beschränkt sich auf verschiedene — mitunter klärende — Verweisungen. a) Hauptversammlung/Aktionäre Die Stellung der H V bzw. der Aktionäre gegenüber der Verwaltung wurde vor allem verstärkt durch die Übertragung des alleinigen Rechts zur Bilanzfeststellung, E § 138. Billigt jedoch der A R den Jahresabschluß, so ist die H V bei der Feststellung an die Werte, Abschreibungen, Rücklagen und Entnahmen aus solchen sowie Wertberichtigungen gebunden, E § 141 Abs. 1. Durchbrochen wird dieser Grundsatz durch die Beschränkung der Bildung stiller Reserven: Zum Schutz der Aktionäre soll bei Anlagevermögen überhaupt nur bei entsprechender Satzungsbestimmung und insgesamt „nur insoweit gebildet werden (dürfen), als sie bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig sind, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für die nächste Zukunft zu sichern", E § 151 Abs. 3. E § 54 erlaubt Bestimmungen oder Ermächtigungen des Vorstandes in der Satzung, Rücklagen, aber nur bis zur Höhe der Hälfte des Grundkapitals, zu bilden und stellt es in das Ermessen der H V , weitere Beträge des Jahresabschlusses in offene Rücklagen zu stellen. Gegen die Gefahr des „Aushungerns" der Minderheit durch die Mehrheit gibt E § 240 Abs. 1 Nr. 1 ein Anfechtungsrecht. Die Stellung der Minderheit wird weiterhin durch die Änderung von Kostenvorschriften verbessert: Gibt das Gericht dem Antrag einer Minderheit auf Einberufung der Hauptversammlung statt, so muß die Gesellschaft deren Kosten tragen, E § 1 1 5 Abs. 4, für Anfechtungsklagen wird keine Sicherheitsleistung mehr verlangt, bezüglich der Streitwertfestsetzung nicht nur vom Interesse allein der Gesellschaft zugunsten dem der Parteien abgegangen und eine grundsätzliche Begrenzung des Streitwertes eingeführt, sondern auch zugunsten der Minderheit eine Teilstreitwertregelung ähnlich § 53 Patentgesetz, E § 233. Neu sind in diesem Zusammenhang auch die besonderen Nichtigkeitsund Anfechtungsgründe für die Wahl der AR-Mitglieder, des Jahresabschlusses bzw. des Gewinnverteilungsbeschlusses, E §§ 236—240. Das Einberufungsverfahren sieht eine umfassendere und rechtzeitigere Information des Aktionärs vor, E §§ n 6 f . Hinsichtlich der Durchführung der H V ist abgesehen von der Teilnahmepflicht der Verwaltungsmitglieder und der Abschlußprüfer, vor allem die Änderung des Auskunftsrechts von Bedeutung. Wie es in den „Bemerkungen" zu E § 122 heißt, beschränkt der Entwurf „auf der einen Seite das Auskunftsrecht des Aktionärs, während er in anderer Hinsicht die Rechtslage für den Aktionär verbessert": Das Auskunftsrecht wird echter Anspruch in dem Sinne, daß die Spruchstelle nicht mehr nur zu entscheiden hat, ob die Auskunftsverweigerung ermessensfehlerhaft war, sondern „ob der Vorstand die Auskunft zu geben hat" (E § 123 Abs. 1), aber an zwei Voraussetzungen gebunden: Einmal muß das Auskunftsverlangen von 1 0 % bzw. 25 Aktionären unterstützt werden und darf bestimmte Grenzen nicht überschreiten (Tagesordnung, Nachteile für Gesellschaft und verbundene Unternehmen, Steuerbilanz, stille Rücklagen sowie Strafbarkeit, E § 123 Abs. 3, 4). Eine außerhalb der H V einem Aktionär gegebene Auskunft kann jeder andere auch verlangen, E § 122 Abs. 6. Zur Durchsetzung des Auskunftsanspruches ist ein besonderes Spruchstellenverfahren vor dem O L G vorgesehen. Die Spruchstelle muß der Aktionär auch anrufen, wenn er einen Hauptversammlungsbeschluß anfechten will; diese Entscheidung bindet auch das Anfechtungsgericht (E § 123 Abs. 5); unerheblich ist jedoch, ob die Verweigerung der Auskunft den Beschluß beeinflußt hat, E § 230 Abs. 3. Sinn der Anwesenheitspflicht der Abschlußprüfer ist es, dem Aktionär die Abschätzung der Verfahrensaussichten zu erleichtern: Er kann verlangen, daß sie ihre Meinung äußern, wenn der Vorstand eine Auskunft unter Berufung auf die Tagesordnung oder die drohenden „nicht unerheblichen Nachteile" verweigert, E § 122 Abs. 5.

14

Einleitung (Meyer-Landrut) Bezüglich des Minderheitenrechts auf Bestellung von anderen Sonderprüfern E § 135 Abs. 3 genügt ein Nennbetrag von D M 100000,—; weiterhin wird festgesetzt, daß bei Erfolg die Kosten von der Gesellschaft zu tragen sind, E §§ 132 Abs. 3, 136. Auch das Minderheitenrecht auf Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber den Gründern, Vorstand und Aufsichtsrat wird insofern erleichtert, als schon Anteile im Nennbetrag von insgesamt D M 100000,—* genügen und die Gesellschaft die Gerichtskosten zu tragen hat, wenn das Gericht dem Antrag der Minderheit auf Bestellung besonderer Vertreter stattgibt. Hinsichtlich des Stimmrechts wird neben dem Verbot neuer Mehrstimmrechte (E § 12 Abs. 2) vor allem das Depotstimmrecht der Banken geändert (vgl. dazu im einzelnen Eckardt WP 1958, 588ff.): E § 126 statuiert, daß die Banken das Stimmrecht nicht im eigenen Namen, sondern nur noch auf Grund einer Vollmacht im Namen der — weiterhin grundsätzlich anonym bleibenden — Aktionäre ausüben können, und daß diese Vollmacht für jede H V neu eingeholt werden muß, und zwar mit der Bitte um Weisungen zu den Gegenständen der Tagesordnung auf der Grundlage der gleichzeitig übermittelten Vorschläge der Verwaltung, etwaiger Gegenanträge und der eigenen Vorschläge. Über die Kleine Aktienrechtsreform (vgl. oben I. 2. f ) hinaus enthält der Entwurf, um „die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gesellschaft durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zu erleichtern" (Bemerkungen zu E § 177), auch Sondermöglichkeiten für Bedingte Kapitalerhöhung, Genehmigtes Kapital und Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, E §§ 177 Abs. 2 Nr. 3, 179 Abs. 3, 188 Abs. 3, 190 Abs. 4, 197 Abs. 2, 206. Z u weiteren Einzelheiten des Entwurfs vgl. Franta DB 1958, 1347 ff., 135311.; Eckardt N J W 1959, 9 ff.

ß ) Vorstand Das Recht der Bestellung und Abberufung bleibt unverändert bis auf die Klarstellung, daß eine wiederholte Bestellung und die Überschreitung der gesetzlichen Bestellungsdauer zulässig sind, grundsätzlich aber nicht durch automatische Verlängerungsklauseln, sondern nur auf Grund eines AR-Beschlusses, E § 79 Abs. 1, S. 1, 2. Die Aufgabenstellung des Vorstandes bleibt naturgemäß von der Stärkung der H V nicht unberührt. Abgesehen von den schon erwähnten Verschiebungen (E §§ 1 1 2 , 138 ff., 27off.) ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, daß die H V den Vorstand zur Vorbereitung der in ihre Kompetenz fallenden Maßnahmen zwingen kann, E § 78. Verweigert der Aufsichtsrat die Zustimmung zu Geschäften, die an seine Zustimmung gebunden sind, so kann der Vorstand die H V anrufen, E § 105 Abs. 4. Um die Uberwachungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats zu stärken, wird die Berichtspflicht des Vorstands intensiviert und erweitert: Mindestens einmal im J a h r auch über Geschäftspolitik und grundsätzliche Fragen der Geschäftsführung sowie über Geschäfte mit Einfluß auf Rentabilität oder Liquidität, E § 85. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Eckardt N J W 1958, 1945 fr.; Franta DB 1958, 13470". y) Aufsichtsrat An neuen Aufgaben ist, abgesehen von den erwähnten, nur die Stellungnahme zu den Berichten des Vorstandes nach E § 85 hinzugekommen. Die Höchstzahlen werden neu und absolut festgesetzt (9, 15, 21) und ein Kontrollverfahren über die gesetzmäßige Zusammensetzung des A R (Kontrollpflicht des Vorstandes, im Streitfall Spruchverfahren) eingeführt, E §§ 90, 92, 93. Auch die Zahl der AR-Sitze, die eine Person übernehmen darf, wurde ohne die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung auf 15 festgesetzt. Hinsichtlich der inneren Ordnung wird die Bestellung von Stellvertretern verboten, jedoch die von Stimmboten zugelassen (E §§ 95 Abs. 3, 102 Abs. 2) und die Aufgaben angeführt, die nicht an Ausschüsse überwiesen werden dürfen, E § 101 Abs. 3. Die Gewinnbeteiligung wird der der Aktionäre und die Kreditgewährung der an Vorstandsmitglieder angeglichen, E §§ 107 Abs. 3, 108. Zu Einzelheiten vgl. Franta DB 1958, 1347,1350 ff.; Eckardt N J W 1958,1945,1948 fr.

15

Einleitung cc) Rechnungslegung und Prüfung a) Jahresabschluß Die Gliederung der Jahresbilanz wurde verfeinert u n d eine ganze Reihe von Posten neugefaßt und ergänzt, insbesondere mit dem Ziele, auch die Liquidität durch einen differenzierten Ausweis der langfristigen Verbindlichkeiten durchsichtiger zu machen. I m folgenden seien nur einige Punkte herausgegriffen: Aufgliederung des Anlagevermögens in einmal „Sachanlagevermögen u n d immaterielle Anlagewerte" u n d andererseits „Finanzanlagevermögen"; Gleichstellung der grundstücksähnlichen Rechte; „Beteiligungen" schon bei l / 5 der Anteile; Transparentmachung der Bewegungen im Anlagevermögen; besondere Bilanzgruppen für „ V o r r ä t e " ; Neustrukturierung der „Rücklagen" ; Einschränkung der Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten (vgl. im einzelnen Döllerer DB 1958, 1410 fr.). Bei der Bewertung wurde eine feste Grenze nach unten eingeführt, u m die Bildung stiller Reserven durch bewußte Unterbewertung einzuschränken. Die Gewinn- u n d Verlustrechnung kann an dieser Stelle außer Betracht bleiben, da sie schon mit der „Kleinen Aktienrechtsreform" geltendes Recht geworden war (zum diesbezüglichen Entwurf und seiner Kritik vgl. Geßler BB 1958, 109ff.). Die Neuverteilung der Zuständigkeiten wurde schon oben bb) erwähnt. ß) Geschäftsbericht Neu ist u. a.: Zu den anzugebenden wesentlichen Abweichungen vom letzten Jahresabschluß gehören jetzt auch Änderungen der Bewertungsmethoden; die Angaben über die Gesamtbezüge der Verwaltungsmitglieder sind zu differenzieren; zu berichten ist über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu und wesentlichen Geschäftsvorfalle bei verbundenen Unternehmen; die Schutzklausel des § 128 Abs. 3 Satz 2 AktG 1937 ist ersatzlos gestrichen. y) Prüfung u n d Bekanntmachung Der Entwurf stellt klar, d a ß der Geschäftsbericht zu prüfen ist einmal, soweit er Erläuterungsbericht ist, und zum anderen daraufhin, ob er kein falsches Bild von der Lage der Gesellschaft gibt. Nehmen Vorstand oder H V nachträglich Änderungen vor, so ist grundsätzlich eine Nachtragsprüfung durchzuführen. Hinsichtlich der Auswahl der Abschlußprüfer sind die Ausschlußtatbestände geregelt worden. Das Auskunftsrecht ist auf Konzern- sowie abhängige und herrschende Unternehmen ausgedehnt worden (auch die diesbezügliche Haftung), ebenso die Pflicht bzw. das Recht zur Teilnahme auch auf die Bilanzsitzungen von H V und Vorstand. Auf dem zum Handelsregister eingereichten Jahresabschluß haben die Abschlußprüfer durch ihre Unterschrift im Hinblick auf die etwaige Nachtragsprüfung zu bestätigen, d a ß dieser Abschluß von ihnen bestätigt worden ist. Eine gekürzte Veröffentlichung ist nur bei einer freiwilligen Veröffentlichung erlaubt, u n d auch d a n n nur unter ausdrücklichem entsprechendem Hinweis. Bei Pflichtveröffentlichungen ist auch der Vorschlag der Hauptversammlung über die Verteilung des Bilanzgewinnes mitzuteilen. 965 1966 1967 1968

Z a h l der Depots 4 3 (3 3 (3 3

019 939 276 845 221 936

000 000

000) 000 000) 000

Festverzinsliche Wertpapiere (Nominalwert)

Investmentzertifikate (Stück)

20 22 (14 24 (16 25

58 63 (43 70 (47 93

939 000 000 173 000 000 542 000 000) 728 000 000 360 000 000) 459 000 000

994 210 091 610 983 112

000 000 000) 000 000) 000

Aktien (Nominalwert) 10 402 000 000 10 599 000 000 (6 847 000 000) 10 942 000 000 (6 975 000 000) 1 1 4 1 7 000 000

(Quellen: Monatsbericht der Deutschen Bundesbank J u l i 1968, S. 9ff., 1 2 ; Sept e m b e r 1969, S. 43ff.). Ein Vergleich der Zahlen zeigt, d a ß die Aktie gegenüber d e n festverzinslichen W e r t p a p i e r e n keinen Boden gewonnen h a t u n d zumindest in d e n Z u wachsraten inzwischen wohl auch von d e n Investmentzertifikaten überholt worden ist (wenn m a n die steigenden Ausgabepreise u n d die nicht aufgeführten ausländischen I n vestmentzertifikate in Betracht zieht, vgl. zu letzteren die Z a h l e n a n g a b e n bei O n d e r k a BB 1969, 1 0 1 9 ; D B 1969, 1733 sowie i m Monatsbericht September 1969 S. 47 sowie J a n u a r 1970 S. 5 der Deutschen Bundesbank, w o n a c h der diesbezügliche Absatz in d e n J a h r e n 1968/69 sich auf fast D M 3 Milliarden belaufen dürfte). D a ß sich 1967 (für 1968 fehlen entsprechende Angaben) in d e n Depots der selbständigen — die 1 6 % der Gesamtzahl der Privatdepots ausmachten — fast 4 0 % der Aktien befanden, scheint d a f ü r zu sprechen, d a ß sich a n d e n von Leverkus f ü r 1963 nachgewiesenen Größenklassengliederungen des privaten Aktienbesitzes wohl nicht viel geändert h a t : d a n a c h h a t t e n damals ein gutes Drittel aller Aktionäre (also nicht n u r der Volksaktionäre) Aktien i m Gesamtkurswert von weniger als D M 2500,—, die H ä l f t e der Aktionäre weniger als D M 5000,— u n d ü b e r drei Viertel jedenfalls nicht m e h r als D M 10000,— (a. a. O . S. 2off., 22). (Vgl. auch den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank 1969, S. 47, wo von einem durchschnittlichen Gesamtnominalwert — also inklusive festverzinsliche Wertpapiere u n d Investmentfondanteile — der Depotbestände von Privatpersonen zwischen D M 5000,— u n d D M 14 000,— ausgegangen wird.) Z u m AktiendepottnWi stellte Leverkus fest, d a ß der Aktionär in der Bundesrepublik durchschnittlich noch nicht einmal Aktien zweier Wirtschaftszweige besaß (a. a. O . S. 35). A u c h die A n g a b e n von Leverkus zu d e n Depotdispositionen d ü r f t e n sich allenfalls in R i c h t u n g auf eine noch stärkere Inaktivität geändert h a b e n : w ä h r e n d eines Beobachtungszeitraums von vier J a h r e n blieben r u n d 2 5 % der Aktionäre völlig inaktiv, r u n d 7 0 % verkauften keine einzige Aktie, r u n d 5 0 % kauften ausschließlich d a z u u n d n u r weniger als 2 5 % kauften u n d verkauften Aktien (a. a. O . S. 148fr. auf der Grundlage einer Befragung v o m F r ü h j a h r 1963 eines repräsentativen Q u e r schnitts von Aktionären, die 1959 bereits Aktien besaßen). Berücksichtigt m a n , d a ß in den damaligen Beobachtungszeitraum zwei Privatisierungsaktionen fielen, u n d d a ß Volksaktionäre bisher keine besondere Zukaufsaktivität zeigten, so d ü r f t e n die heutigen deutschen Verhältnisse ähnlich den von Leverkus mitgeteilten amerikanischen sein, w o n a c h im Verlauf eines J a h r e s r u n d 50 % der Aktionäre keinen einzigen A u f t r a g erteilte.

32

Einleitung (Meyer-Landrut) Die Zahl der Aktiengesellschaften, deren Aktien an inländischen Börsen notiert werden, hat nach dem Kriege ständig und nach dem i . i. 1966 zunächst beschleunigt abgenommen und betrug Ende 1968 590 (die Entwicklung seit Ende 1962 (643) vollzog sich im einzelnen wie folgt: 643 — 636 — 631 — 627 — 614 (1966) — 597 — 590, vgl. Statistische Beihefte zu den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank Reihe 2, Januar 1969). Nach Angaben des Statistischen Bundesamts befanden sich Ende i960 vom gesamten DM-Nominalkapital der Aktiengesellschaften der Bundesrepublik (einschließlich West-Berlin, aber ohne Saarland) 2 6 % in „Schachtelbesitz" von Beteiligungsgesellschaften und anderer AGs, 3 9 % in „Dauerbesitz" von öffentlicher Hand, Ausländern und anderen Kapitaleignern und 3 5 % in der Hand von „Sonstigen" (vgl. WiSta. 1961 S. 282). Ende 1965 hatte sich der Anteil der „Sonstigen" trotz der zwischenzeitlich erfolgten drei Privatisierungsaktionen auf 29,7% (rund 13,5 Mrd.) verringert, wogegen der „Dauerbesitz" auf 44,3% gestiegen und der Anteil des „Schachtelbesitzes" gleichgeblieben war (vgl. WiSta. 1966 S. 94 sowie Rasch, S. 23 fr.). Eine neuere Statistik ist bisher nicht veröffentlicht worden, doch dürfte sich der Anteil der „Sonstigen", d. h. insbesondere des sich in Privathand befindlichen „Streubesitzes", weiter verringert haben. Der Kapitalmarkt leidet auch darunter, daß ihm zu wenig neues Aktien-Material zugeführt wird. Neugründungen von A G s unter Inanspruchnahme des Kapitalmarkts gehören schon seit Jahrzehnten zu den größten Seltenheiten (vgl. Würdinger § 1 I. 2. b ; Stützel, in Die Konzentration in der Wirtschaft II, 929; Großfeld S. gf.). Bei den wenigen AGs, die neu gegründet werden, handelt es sich zum Großteil um Umgründungen oder Umwandlungen bestehender Unternehmen (WiSta. 3/1969 S. 163). Z u m „AktienMarkt" als Mittel der Geldschöpfung und damit als Feld stabilisierungspolitischer Interventionen der Bundesbank vgl. H. Faber, Z R P 1969, 275 fr. c) Konzerne Genaue Zahlen über das Ausmaß der Konzernierung unter den deutschen Unternehmen liegen immer noch nicht vor. Die sog. Konzentrationsenquete (BT-Drucks. IV/2320) befaßte sich lediglich recht abstrakt mit Großunternehmen. Geßler schätzte 1965, daß rund 7 0 % der deutschen A G s in irgendeiner Form konzernverbunden waren. (BB 65, 681). M a g man damals über die Höhe dieser Zahl noch haben streiten können, die zwischenzeitlich erfolgte Konzentration in der Wirtschaft dürfte über diese Schätzung noch hinausgegangen sein (nach den Feststellungen des Bundeskartellamts hat sie sich in den letzten Jahren verstärkt, vgl. Kartte, BB 69, 1405, sowie den Tätigkeitsbericht des BKartA für 1968, BT-Drucks. V/4326 S. 8f., wo bemerkt wird, daß die Entwicklung „nicht nur aus Wettbewerbs-, sondern insbesondere auch aus gesellschaftspolitischer Sicht die Einführung einer nationalen Fusionskontrolle nahe(lege)"). Im Vergleich zu den U S A ist die Konzernierung in der Bundesrepublik inzwischen sowohl in einzelne Branchen wie auch insgesamt stärker (vgl. Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 29). Unter diesem Gesichtspunkt ist es rechtssoziologisch verständlich, daß im A k t G 1965 erstmals versucht wurde, Konzernrecht z u kodifizieren. Rechtstatsächlich ist jedoch über die Konzernwirklichkeit, jedenfalls was die hier entscheidende tatsächliche innere Konzernstruktur angeht, nach wie vor sehr wenig bekannt (vgl. Rehbinder S. 38 ff. m. w. N.). Das Gesetz beläßt es für die abhängige Gesellschaft bei der formal gesellschaftsrechtlichen Strukturierung und insbesondere bei der herkömmlichen starren Kompetenzverteilung der Organe. Die Zukunft wird zeigen, ob die anstehenden Probleme noch rein gesellschaftsrechtlich zu fassen und zu lösen sind. Erst die Praxis wird auch zeigen, ob der vom Gesetz erstrebte Kompromiß zwischen Unternehmens- und (Einzel-) Aktionärsinteressen noch zeitgemäß und angemessen ist. Die Grundidee einer Art „labilen Gleichgewichts" hat relativ breite Zustimmung gefunden, die Regelungen im einzelnen sind jedoch einerseits zu kompliziert und andererseits (trotz des Perfektionismus im übrigen) zu lückenhaft, als daß die Gefahr völlig von der Hand zu weisen wäre, daß im Endeffekt der vereinzelte freie Aktionär allein schon durch das im Zweifel zu seinen Lasten ausschlagende „Unsicherheitsrisiko" benachteiligt bleiben könnte. Zur Kritik an einzelnen Instituten vgl. Robert Fischer in Minderheitenschutz S. 5gff., 70 ff. (Ausschluß des Bezugsrechts, mißbräuchliche Stimmrechts3

Aktlengesetz I, 3. Aufl.

33

Einleitung ausübung); W. Günther, Konzernverschmelzung und Schutz außenstehender Aktionäre, Die A G 1 9 6 8 , 9 8 ff.; Bachelin, Der Konzernrechtliche Minderheitenschutz 1 9 6 9 , passim; Mertens, A c P 168, 225 (233f.) zu § 309 sowie zum Problemkreis des Abfindungsanspruchs ausscheidender Aktionäre u. a. Flume, Meyer-LandrutjMiller, VeithlVeith in DB 1 9 6 9 , 1 0 4 7 f r . ; 1 3 9 1 f r . ; 1 7 3 7 f r . mit jeweils w. N.

2. Publizität

Die erweiterte Rechenschaftspflicht der Verwaltung, das neue Recht der Rechnungslegung — von den neuen Vorschriften zu Wertansetzungen, Abschreibungen, Wertberechnungen und Rückstellungen über die zum Inhalt bzw. der Gliederung von Geschäftsbericht, Jahresbilanz, Gewinn- und Verlustrechnung bis zur allgemeinen Konzernverfassung und -publizität — bilden den „harten K e r n " der Reform von 1965. Gleichzeitig sind diese Neuregelungen im gegebenen Rahmen auch richtungweisend in die Zukunft. Geßler hat in diesem Zusammenhang festgestellt, daß das moderne Recht der Rechnungslegung „im Aktiengesetz von 1965 einen Abschluß gefunden hat, von dem anzunehmen ist, daß er auch in unserer schnellebigen Zeit für mehrere Jahre Bestand haben wird" (BB 1968, 7 1 7 ) und andererseits betont, daß „mit ihm auf dem Gebiet der Rechnungslegung eine völlig neue Entwicklung (beginnt), deren Ende noch nicht abzusehen ist" ( 7 5 Jahre Deutsche Treuhandgesellschaft, 1965, S. 129, 152). Fraglich ist aber, wie lange man den „Bedeutungswandel der Rechnungslegungsvorschriften" noch mit dem von Förster (WPg 1964, 422) geprägten Schlagwort „vom Gläubigerschutz zum Aktionärsschutz" charakterisieren kann (Geßler, a. a. O . S. 152 ff., 155, der auch betont, daß lediglich das Aktionärsinteresse nicht mehr hinter das Gläubigerinteresse gestellt worden sei; s. auch Kropff, WPg 1964, 509). Wahrscheinlich kann man die neuen Rechnungslegungsvorschriften schon heute zumindest als auch mit im Interesse der öffentiichkeit geschaffen ansehen. Hält man sich Stellung, Funktion und Zahl des „freien Aktionärs" vor Augen (und nur um diesen dürfte es gehen), so ist fraglich, ob er die ihm zugedachten Aufgaben überhaupt noch wahrnehmen kann. Eine Kontrollfunktion könnte allenfalls eine voll informierte und aktive freie Aktionärschaft ausüben. Daß es eine solche schon gibt, wird von niemandem behauptet. Im Gegenteil, man hält vielfach eine Reaktivierung der freien Aktionäre nicht nur für unmöglich, sondern zum Teil auch für inopportum. Flume hat sich folgendermaßen ausgedrückt: „Die Klage über die Interesselosigkeit des Aktionärs ist ohne jeden Sinn. Überspitzt formuliert könnte man sagen: Im Gegenteil, die Nichtaktion des Aktionärs ist begrüßenswert und jedenfalls zum Funktionieren der Organisation der Aktiengesellschaft unbedingt erforderlich" (DB 1 9 6 7 , 294, 2 9 7 ; übereinstimmend Farthmann BB 1 9 6 8 , 4 7 3 , 4 7 6 ; im Ergebnis auch Rittner, Marburger Gespräch, 1 9 6 7 , S. 6 2 ; früher schon ähnlich Wiethölter, Frankfurter Publizitätsgespräch 1 9 6 2 , 8 . 4 5 ; Schilling DB 1 9 6 2 , 1 4 9 7 f . ; eine gegenteilige Auffassung wird von Großfeld, Aktiengesetz, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1 9 6 8 , insbesondere S. 190fr., iggff. und 2 1 1 ff., vertreten). Geßler kommt angesichts der beschränkten Wirksamkeit der Einzel- und Minderheitenrechte und der daraus folgenden Gefahr einer Kontrolle der Aktiengesellschaft durch den Staat zu folgendem Ergebnis: „ I c h glaube, wir müssen umdenken. Wir müssen die bisherige klassische Regelung der Minderheitenrechte und damit des Minderheitenschutzes überhaupt aufgeben; wir müssen sie durch eine der heutigen Zeit entsprechende Regelung ersetzen. Sie kann nach meiner Auffassung nur in einer gesteigerten Information und in einer gesteigerten Rechenschaftspflicht bestehen. Das ist der Weg, den uns die sich selbstverwaltende Aktiengesellschaft vorschreibt . . ." (Minderheitenschutz S. 92 ff., 96, 97). Als Adressat dieser Pflichten kann aber wohl nur die Öffentlichkeit gemeint sein. Das dürfte aber mutatis mutandis für die Rechenschaftspflichten überhaupt gelten, die fast alle in mehr oder minder ausgeprägter Form auch Minderheitenschutzcharakter haben. Die Frage, ob Zweck der Publizität eine Kontrolle der Unternehmen durch die Öffentlichkeit ist, oder ob man nur sagen kann, „die Öffentlichkeit will orientiert sein" (Barz, Schlußwort zum Frankfurter Publizitätsgespräch, S. 295, Schilling DB 1962, 1497, 1498), ist insofern müßig, als sich „öffentliche Publizität" notgedrungen einer Kritik und damit Kontrolle der Öffentlichkeit stellt. Mit dem sog. PublizitätsG (vom

34

Einleitung (Meyer-Landrut) 1 5 . 8 . 6 9 , BGBl. I i i 8) hat der Gesetzgeber für Großunternehmen die Entwicklung fortgeführt. Dazu kommt, daß die Rechtsprechung auch auf anderen Rechtsgebieten zunehmend die öffentliche Meinung, das Interesse der Allgemeinheit, das Recht auf sachgemäße Aufklärung und kritische Information, d. h. die in Art. 5 G G verbürgten Freiheiten in ihrer für den sozialen Rechtsstaat (und damit auch für seine Wirtschaftsverfassung) konstitutiven Bedeutung erkennt und entfaltet, vgl. z. B. O L G Düsseldorf B B 1964, 1 3 6 1 ; B G H 45, 3 0 6 f f . ; 49, 3 2 9 ; 50, i f f . ; 1 4 3 ; 5 1 , 2 4 7 ; B G H D B 1969, 2 5 5 .

Die Voraussage Schillings (BB 1962, 1497, 1498 im Anschluß an Wieacker und Habermas) könnte sich also bewahrheiten, daß der „Strukturwandel der Öffentlichkeit" auch einen solchen des Privaten nach sich ziehe, der Unternehmer nicht mehr in einer öffentlichkeitsfreien Sphäre agiere, sondern der Bereich des Wirtschaftsrechts den Charakter des privatrechtlichen verliere und Teil einer „repolitisierten Sozialsphäre" werde.

3. Internationale Konzerne Obwohl im Verlauf der Reformdiskussion verschiedentlich auf die Notwendigkeit von Sonderregelungen hingewiesen wurde (vgl. Flume D B 1959, 190, 193), enthält das AktG weder besondere Schutzbestimmungen noch ausdrückliche Hinweise, wie Abhängigkeitsverhältnisse zu behandeln sind, die über die Staatsgrenzen hinweggehen. Das hat eine Reihe von Problemen aufgeworfen: Hat die Konzernspitze ihren Sitz im Ausland, so können insbesondere bei dreistufigen Konzernen, wenn Spitzen- und Obergesellschaft ihren Sitz im Ausland haben, hinsichtlich der Anwendung der Vermutungen der §§17 Abs. 2, 18 Abs. 1 A k t G schwierige international-privatrechtliche Fragen auftauchen (vgl. Kronstein BB 1967, 637, 640). Meilicke hält über die detitsche Grenze hinweg geschlossene Beherrschungsverträge grundsätzlich „mangels avisreichender gesetzlicher Grundlage für nichtig", da im Ausland die Schutz- und Sicherungsbestimmungen des deutschen Konzernrechts nicht durchzusetzen seien. Insbesondere soll das gelten, wenn die Beherrschungsverträge „einseitig mit dem Umgehungsvorsatz, den Abhängigkeitsbericht zu vermeiden, abgeschlossen worden sind" (Korporative Versklavung deutschen Aktiengesellschaften durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gegenüber in- und ausländischen Unternehmen, in Berliner Festschrift für Ernst E. Hirsch S. 99ff., 1 2 1 ) . Tatsächlich ergeben sich bei mehrstufigen Konzernverhältnissen allgemein und insbesondere bei Auslandssitz der Obergesellschaft hinsichtlich der Mitteilungspflichten (§ 20) und vor allem hinsichdich der Berichtspflichten (§ 3 1 1 ff.) nicht einfach zu lösende Fragen. Z u § 20 hält die h . M . eine Mitteilungspflicht der Konzernobergesellschaft für ausreichend, zum Problemkreis Beherrschungsvertrag oder Abhängigkeitsbericht sind die Meinungen geteilt: Die eine Auffassung hält einen Beherrschungsvertrag zwischen Ober- und Muttergesellschafi: für ausreichend, um die Berichtspflichten auch zwischen Tochter- und Obergesellschaft auszuschließen (Werner N B 4/1967 S. I2f.; Bachelin a. a. O. S. 71 f.); die andere Auffassung verlangt demgegenüber unter Berufung auf den Schutzzweck der gesetzlichen Regelung einen Beherrschungsvertrag oder Abhängigkeitsbericht auch zwischen Oberund Tochtergesellschaft (Kronstein BB 1967, 637, 641; Rasch, S. 67, 173). Beide Auffassungen schließen jedoch zumindest nicht die theoretische Möglichkeit aus, einen internationalen Konzern gesellschaftsrechtlich und geographisch so zu strukturieren, daß der Schutz der §§ 300 ff, 305 ff, 308 ff. gefährdet wird. Allgemein zum Internationalen Unternehmensvertrag nach deutschem Kollisionsrecht jetzt W. Bache, 1969. Für § 293 Abs. 2, der für den Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabfuhrungsvertrages die Zustimmung auch der Hauptversammlung der herrschenden A G verlangt, ist fraglich, ob das auch im Ausland gelten kann, wenn die dortigen Zuständigkeitsregelungen andere sind, z. B. der Abschluß von Unternehmensverträgen unter der dortigen Rechtsordnung wirksam dem Verwaltungsrat übertragen ist (vgl. Barz BB 1966, 1168, Mueller-Galbraith, Aktiengesetz 1965, 1966, S. 20, Rasch S. 1 5 3 ; Werner, N B 4/1967 S. 1 2 ; Bache a. a. O. S. 40 fr.).

4. Depotstimmrecht Die Reform hat das Depotstimmrecht der Banken im K e r n nicht angetastet, obwohl damals auch darauf hingewiesen wurde, daß „ z u r Überzeugung der öffentlichen Meinung seine Ausübung als treuhänderische Wahrnehmung der Aktionärrechte (nicht)

8*

35

Einleitung evident ist" (Flume, zitiert bei Schilling Z H R 128, 273). Es scheint jetzt aber die Erkenntnis an Boden zu gewinnen, daß das klassische Depotstimmrecht — vor allem angesichts der Kritik an dem Einfluß und der Interessenbindung der Banken (Kreditgeber, Aufsichtsratssitze, Schachtelbeteiligungen bzw. Kontrolle des Pakethandels, Investmentfonds, Anlagegeschäft) — politisch unter Umständen nicht mehr in der bisherigen Form zu halten ist. Das als Ersatz diskutierte „Verwaltungsstimmrecht", d. h. daß die Verwaltung sich selbst um die Stimmen der Aktionäre bemühen und ihre Vertretung übernehmen soll, dürfte allerdings weder eine treuhänderische Ausübung des Stimmrechts noch eine ausreichende Transparenz gewährleisten. Hier müßten die vorhandenen ausländischen Vorbilder (etwa Frankreich, USA) jedenfalls noch gründlicher in ihren Voraussetzungen und Auswirkungen untersucht werden.

5. Unternehmensverfassung

Die Aktienrechtsreform hat die Mitbestimmungsfrage ausgeklammert. Der Diskussion hat dies keinen Abbruch getan, im Gegenteil, die hinausgeschobenen Entscheidungen haben die Auseinandersetzungen um eine Erweiterung der Mitbestimmung intensiviert und vertieft (vgl. zu Stand, Entwicklung und verschiedenen Aspekten der Debatte u. a.: Kunze-Christmann, Wirtschaftliche Mitbestimmung im Meinungsstreit, zwei Bände, 1 9 6 4 , und dazu die instruktive und weiterfuhrende Besprechung von Schilling in Z H R 1 2 8 , 2 1 7 f r . ; Wiethölter, Unternehmensverfassungsrecht, Juristen-Jahrbuch Band 7 ( 1 9 6 6 ) S. 7 , 1 6 2 ff. m. w. N.; Das Marburger Gespräch über Eigentum — Gesellschaftsrecht — Mitbestimmung, 1 9 6 7 und dort insbesondere die Beiträge von Pleyer, Rittner und Kunze', Flume, Die Forderung der Gewerkschaften auf Erweiterung der qualifizierten Mitbestimmung, DB 1 9 6 7 , 2 9 4 f r . ; Farthmann, Publikumsaktionär und Mitbestimmung, BB 1 9 6 8 , 4 7 3 ff. und gegen diesen Janberg, Die Auswirkungen der paritätischen Mitbestimmung in den Unternehmensorganen auf die Eigentumsrechte der Anteilseigner, die Leistungsfähigkeit der Unternehmensführung und die gesellschaftliche Ordnung, DB 1 9 6 8 , 1 4 3 3 fr., sowie v. Berenberg-Goßler, Die Einführung der paritätischen Mitbestimmimg der Arbeitnehmer im Großunternehmen als Sozialisierungsmaßnahme gem. Art. 15 GG, Die A G 1 9 6 8 , 3 7 fr., 6 7 fr., 1 0 8 ff.; die Beiträge in der Festgabe für Kronstein, 1 9 6 7 : Böhm, Unternehmensrecht, S. 1 1 f.; v. Nell-Breuning, Unternehmensverfassung, S. 4 7 fr. und Biedenkopf, Auswirkungen der Unternehmensverfassung auf die Grenzen der Tarifautonomie, S. 7 9 f f . ; Kunze, Zum Streit um die wirtschaftliche Mitbestimmung, Z P R 1 9 6 9 , 1 1 ff.; Hanau, Was bedeutet paritätische Mitbestimmung für das kollektive Arbeitsrecht? BB 1 9 6 9 , 7 6 0 f r . , s. auch 1 4 9 7 f r . ) . Es ist hier nicht der Ort, sich mit dem Mitbestimmungsproblem auseinanderzusetzen. Wichtig ist aber im vorliegenden Zusammenhang, daß neben die Forderung nach erweiterter Mitbestimmung auch die Forderung nach Schaffung einer Untemehmensverfassung tritt (Schilling a. a. O. S. 2 3 2 , der auch betont, daß man mit Recht in ersterer einen Teil der zweiten sehe, vgl. auch Geßler BB 1 9 6 8 , 7 1 7 : „Die Rufe nach einer Umgestaltung des Aktienrechts von einem Recht der Gesellschaftsform zu einem Unternehmensrecht sind nicht zu überhören"). Obwohl die Diskussion schon einige Zeit andauert, sind über allgemeine Überlegungen hinaus noch keine konkreten Konzeptionen vorgelegt worden. Was schließlich mit einem Unternehmensverfassungsrecht angestrebt werden soll, ist nur in groben Umrissen erkennbar, insbesondere ist noch nicht geklärt, ob es wie das Mitbestimmungsrecht wieder neben dem überkommenen Gesellschaftsrecht angesiedelt werden soll. Schilling hat als die drei rechtsstaatlichen Wurzeln der Bestrebungen nach einer Unternehmensverfassung die Mitbestimmung, das öffentliche Interesse und die Kontrolle wirtschaftlicher Macht herausgestellt (a. a. O. S. 2 3 3 ) . Wiethölter, der im übrigen eine Unternehmensverfassungsrechts-EnquSte durch eine Kommission der Bundesregierung vorschlägt, hat das dahin formuliert (a. a. O. S. 176 ff.), daß es neben anderem gehe um „die Umgestaltung von Groß- und Größtunternehmen in ihrer Organisation und in ihrer Verantwortlichkeit, kurz: ihrer Position als guter institutioneller Großbürger der Bundesrepublik" und daß das Unternehmensverfassungsrecht „das geeignete Arbeitsstichwort für die Schaffung neuer komplizierter demokratischer Mechanismen zu sein (scheine), wenn man Ernst macht mit der Demokratisierung — und das ist die Legitimation und Verantwortlichkeit politisch relevanten Handelns — unseres gesamten politischen Lebens."

36

Aktiengesetz Vom 6. September 1965 BGBl. I S. 1089 Sammlung des Bundesrechts, BGBL III

4121-1

Erstes Buch Aktiengesellschaft

Erstet Teil Allgemeine Vorschriften §

1

Wesen der A k t i e n g e s e l l s c h a f t

(1) Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. (2) Die Aktiengesellschaft hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital. Ubersicht: Anm.

Einleitung I. Statistische Granddaten II. Handelsrechtliche Grundlagen III. Begriffsbestimmungen 1. Gesellschaft 2. Grundkapital 3. Aktie IV. Die eigene Rechtspersönlichkeit der A G 1. Die Stellung der A G im Privatrecht a) als Verwalterin fremden Vermögens b) als Trägerin einer Vollmacht c) als Trägerin von Persönlichkeitsrechten d) als Schiedsrichter und Schiedsgutachter 11 e) Erwerbsbeschränkungen IS 2. Die Stellung der A G im Prozeßrecht a) Allgemeines 13 b) Vorstandsbestellung bei Prozeßführung gegen die A G »4

c) Auflösung der A G während des Prozesses d) Rechtskraftwirkung des Urteils e) Gerichtsstand f) Armenrecht für die A G g) Offenbarungseid 4. Die Stellung der A G im Strafrecht 5. Die Stellung der A G im öffentlichen Recht

15 16 17 18 19 20 21

V . 1. Haftung 22 2. Lehre vom Durchgriff auf die Gesellschafter a) Ausgewählte Literatur 23 b) Allgemeine Vorbemerkung 24 c) Mißbrauchsfälle 25 d) Normanwendungsfälle 26 e) Konzernrecht 27 f) Steuerrecht 28 3. Normanwendungsfälle ohne Durchgriff 29 V I . Die Einmanngesellschaft Allgemeines Einzelfragen

30 31

37

§1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1 Anm

1. Gründving 2. Vermögen 3. Organe 4. Hauptversammlung 5. Erhaltung des Grundkapitals 6. Gesamtrechtsnachfolge 7. Verkauf aller Aktien Durchgriffshaftung Steuerrecht

32 33

VII. Rechte und Pflichten der Aktionäre 1. Treupflicht 34 2. Sonderrechte 35 3. Recht auf gleichmäßige Behandlung 36

Anm.

4. Gläubigerrechte 5. Akzessorische Rechte 6. Die Mitgliedschaft 7. Allgemeine Mitgliederrechte Besondere Mitgliederrechte 8. Sonderpflichten 9. Beeinträchtigung von Sonderrechten

37 38 39 40 41 42 43

VIII. Rechtsform der AG kraft Gesetzes 44 1. Versicherungsunternehmen 2. Kapitalanlage-Gesellschaften IX. Fremdenrecht

45

Einleitung Die Vorschrift stimmt im Grundsatz mit § 1 A k t G 1937 überein. Die neue Definition der A G enthält jedoch nicht mehr den Hinweis auf das Gebot der Beteiligung der Gesellschafter „mit Einlagen" auf das in Aktien zerlegte Grundkapital. Nach der amtlichen Begründung ist diese Änderung im Hinblick auf die jetzt im Gesetz vorgesehene Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§207—220 und vordem G. vom 23. 12. 1959, BGBl. I, 789, aufgehoben für Aktiengesellschaften durch § 33 EG) erfolgt. Das Erfordernis der Beteiligung mit Einlagen gilt aber nach wie vor bei Gründung der A G und ist daher jetzt in § 2 aufgenommen. Abs. 1 Satz 2 entspricht wörtlich dem § 48 Abs. 2 AktG 1937. Die Umkehr dieses Satzes, daß nämlich die Aktionäre nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, ist im Gesetz als offensichtlich überflüssig gestrichen. Ebenso ist Abs. 1 des früheren § 48 ersatzlos weggefallen, da inhaltsgleich in § 1 enthalten. Schließlich ist § 6 Ziff. 1 A k t G 1937 als Abs. 2 in die Definition des § 1 aufgenommen worden, ohne diese auch insoweit sachlich im Vergleich zum bisherigen Recht zu ändern. Anm. 1 I. Statistische Grunddaten Ende 1968 gab es im Bundesgebiet einschließlich West-Berlin 2328 A G s (davon 590 mit an der Börse notierten Aktien) mit einem Gesamtgrundkapital von D M 51,9 Milliarden (Mrd.). Ende 1963 hatten die Zahlen gelautet: 2548 — (636) — D M 39,3 Mrd. (vgl. zum EWG-Ausland Geßler BB 1968, 717, 727). Das A k t G 1965 hat die Abnahme der ^ahl der AGs nicht aufgehalten, sondern zunächst beschleunigt. 1969 ist die Abnahmerate allerdings wieder auf den Satz von 1964 zurückgegangen. Da im gleichen Zeitraum die GmbHs an Zahl bzw. Gesamtstammkapital von 50275 auf 67416 bzw. von D M 23,8 Mrd. auf D M 36,4 Mrd. zugenommen haben und in den letzten Jahren auch ihre Kapitalzuwachsrate höher war, ist eine Abnahme der wirtschaftlichen Bedeutung der A G feststellbar: Die größeren GmbHs stehen kaum mehr hinter den großen A G s zurück. Ende 1968 hatten 573 (90) AGs ein Grundkapital von mehr als D M 10 (100) Mio., die restlichen 1755 vereinigten nur 9 % vom Gesamtgrundkapital aller AGs auf sich. Die Zunahme des Gesamtgrundkapitals beruht weniger auf Neugründungen als auf Umwandlungen und vor allem auf Kapitalerhöhungen. Mehr als 7 0 % aller AGs dürften in irgendeiner Form im Konzernverbund stehen. Mehr als 3 0 % des Aktienbesitzes befindet sich als Beteiligungsbesitz in festen Händen, weitere mehr als 4 0 % sind sonstiger Dauerbesitz. Die ^ahl der Aktionäre dürfte 1969 zwischen 3,5 und 4 Mio. gelegen haben. Ein Großteil davon entfallt auf Inhaber sogenannter Volksaktien. Rund die Hälfte aller Aktionäre hat lediglich Aktienbesitz (in der Regel nur eines Industriezweiges) in einem Gesamt-

38

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm.2, 3

kurswert von weniger als D M 5000,—. V o n den inländischen Privatdepots wurden rund 8 4 % von wirtschaftlich Unselbständigen gehalten; die Selbständigen besaßen rund 4 0 % des insgesamt in den Privatdepots befindlichen Aktienbesitzes. Der Erwerb von Aktien durch Private dürfte sich seit 1966 weder absolut noch relativ im Vergleich zu festverzinslichen Wertpapieren oder Investmentfondzertifikaten verstärkt haben. Z u weiteren Einzelheiten sowie den statistischen Quellenangaben vgl. die Einleitung I V 1.

Anm. 2 II. Handelsrechtliche Grundlagen Das Aktienrecht tritt seit dem A k t G 1937 als selbständiges Gesetz auf, losgelöst vom Handelsgesetzbuch. Die Vorschriften des § 20 H G B und des dritten und vierten A b schnitts des Zweiten Buches des Handelsgesetzbuches sind durch § 18 EinfG z. A k t G 1937 aufgehoben worden, durch § 38 der 1. D V O z. A k t G 1937 auch die des § 22 Abs. 1 Satz 2 H G B . Trotz dieser äußeren Loslösung bleibt jedoch eine sachlich enge Beziehung zum Handelsrecht bestehen. Denn die Aktiengesellschaft gilt nach § 3 als Handelsgesellschaft, gleichviel, auf welchen Gegenstand ihr Unternehmen gerichtet ist. A u f Handelsgesellschaften finden aber nach § 6 H G B die für Kaufleute gegebenen Vorschriften Anwendung. So heißt es von den eingetragenen Genossenschaften in § 17 G e n G , daß sie als Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches gelten. Die davon etwas abweichende, übrigens mit dem früheren § 2 1 0 Abs. 2 H G B und mit § 13 Abs. 3 G m b H G übereinstimmende Ausdrucksweise in § 3 A k t G führt nach § 6 H G B zu dem gleichen Ergebnis. Es gelten also die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs grundsätzlich auch für die Aktiengesellschaft (zur „werdenden" A G vgl. § 29 A n m . 9), soweit für diese nichts Besonderes bestimmt ist. Im einzelnen s. die Anm. zu § 3, auch zu Fragen hoheitlicher Betätigung durch Aktiengesellschaften, und hinsichtlich des Firmenrechts A n m . 1 ff. zu § 4.

Anm. 3 III. Begriffsbestimmungen Im Anschluß an die Begriffsbestimmung des § 1 A k t G 1937 übernimmt das Gesetz diese Regelung unter der Uberschrift „Wesen der Aktiengesellschaft". I m Aktienrecht des H G B war eine solche Definition noch nicht enthalten (siehe dazu die Voraufl.). Wenn in § 1 Abs. I neben dem Merkmal der eigenen Rechtspersönlichkeit auch erwähnt wird, daß den Gesellschaftsgläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet, so ist dies eine notwendige Klarstellung, denn das folgt nicht notwendig aus der eigenen Rechtspersönlichkeit, wie oft gesagt wird (vgl. etwa Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten 1965, S. 27 fr. sowie ders. in Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, 1968, S. 6, 16ff.). Aus dieser folgt aber, daß die A G selbständig Träger von Rechten und Pflichten sein kann (Anm. 7) und prozeßrechtlich parteifahig ist (Anm. 13). Was im Aktiengesetz als „eigene Rechtspersönlichkeit" der Gesellschaft definiert wird, ist die nach bürgerlichem Recht bekannte, der juristischen Person innewohnende Rechtsfähigkeit (vgl. §§ 21, 22, 23, 80 BGB). Es ist hier nicht der Ort, die das Wesen der juristischen Person betreffenden Theorienstreite aufzuzeigen (siehe die Zusammenfassung und weitere Nachweise bei Würdinger § 3 I und Schultze/v. Lausaubc in Soergel, BGB, 10. A u f l . Anm. 11 ff. V o r § 2 1 ) . Festgehalten sei lediglich, daß die Rechtsfähigkeit wie auch ihr Umfang für natürliche wie für juristische Personen durch die Rechtsordnung zuerkannt wird und sich damit nach der sie beherrschenden Rechtsordnung bestimmt (Würdinger a. a. O.). Unterschiede in der Rechtsfähigkeit der natürlichen und der juristischen Person bestehen nur, soweit sie sich aus der Natur der Sache ergeben (vgl. Anm. 8) oder auf positiver Gesetzesvorschrift beruhen (etwa §§ 2044 II, 2109 II, 2163 II BGB).

39

§1

Anm. 4 Anm. 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

I. Gesellschaft Bei der Bezeichnung „Gesellschaft" ist nicht der Begriff im engeren Sinne (§ 705 BGB) verwendet. Jene hat keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern steht durch deren Mangel gerade im Gegensatz zu den juristischen Personen, die eigene Rechtspersönlichkeit besitzen und die das Bürgerliche Gesetzbuch „Vereine" nennt. Verwendet ist der Begriff als Oberbegriff für Kapital- und Personalgesellschaften, wie er sich in der juristischen Umgangssprache eingebürgert hat. Der Ausdruck „Gesellschaft" trifft somit nicht das Wesen der Sache. Immerhin ist gegen die Beibehaltung des Ausdrucks nichts einzuwenden. Ihrem Wesen nach ist die AG ein Verein (vgl. für viele Hueck, Gesellschaftsrecht, 13. Aufl. § 2 II und Lehmann, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. § 3), freilich, wie schon ihre Entstehung zeigt, kein Verein im Sinne der §§ 21 ff. BGB. Diese Vorschriften lassen sich auf die A G nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anwenden, und auch das nur, soweit nicht aktienrechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Das führt im einzelnen zu folgenden Ergebnissen: Die §§ si, 22 BGB sind nicht anwendbar. Die Rechtsform der A G kann gewählt werden, mag der Zweck der Vereinigung auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sein oder nicht. Daß der Zweck kein wirtschaftlicher zu sein braucht, war schon seit dem Gesetz von 1870 Rechtens (Art. 208; § 210 Abs. 2 HGB) und ergibt sich für das A k t G aus § 3 (Anm. 2 daselbst). Mit Unrecht hat Simon ( Z H R 4g, 8) daraus, daß die Worte „in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften" zwar in § 22, aber nicht in § 21 BGB enthalten sind, entnehmen wollen, einem Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, sei die Form der A G verschlossen. Das Gegenteil ergibt sich aus § 3. Auch die Entscheidung R G 49, 77 (79) läßt für die A G gemeinnützige Zwecke zu und findet es dem Wesen der A G nur widersprechend, wenn sie für einen bestimmten, nur von Einzelpersonen zu erreichenden Zweck gebildet werde. § 23 BGB ist nicht anwendbar. Eine A G entsteht nur durch Eintragung in ein deutsches Handelsregister (§§ 36, 38, 41 Abs. 1). Ausländische Aktiengesellschaften, die nach dem Rechte ihres Heimatstaates bestehen, werden im Inland anerkannt (§ 44 Anm. 1; vgl. § 12 Gewerbe-Ordnung). Uber Sitzverlegung vom Inland in das Ausland und umgekehrt s. § 5 Anm. 5. Aus § 26 BGB gilt auch für die A G die Vorschrift, daß der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat; in § 78 ist das nicht ausdrücklich gesagt. Im übrigen gelten statt der §§ 24 bis 29 die besonderen Vorschriften des Aktienrechts (§§ 5, 23, 30, 76ff.). Namentlich ist, entsprechend dem § 29 BGB, in § 85 vorgesehen, daß in dringenden Fällen das Gericht die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Vorstandsmitglieder auf Antrag eines Beteiligten bis zur Hebung des Mangels bestellen kann. Die für die außervertragliche Haftung der A G wichtigen §§ 30, 31 BGB sind anwendbar. Das ist feststehende Rechtsprechung, und zwar in Hinsicht auf die Haftung sowohl für Handlungen (oder Unterlassungen) des Vorstandes als auch solche für eines verfassungsmäßig bestellten besonderen Vertreters (§ 30 BGB), z. B. von Vorstehern der Zweigniederlassungen oder Depositenkassen. Die A G haftet aber nach § 31 BGB nicht nur für Personen, die kraft Satzung für sie tätig sind. Es genügt vielmehr, wenn „der Vertreter" wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen erhalten hat (s. BGH 49, 19 (21) im Anschluß an BGH in VersR 1962, 664; R G 94, 318; 117, 61 (64); 157, 228 (235fr.); 163, 21 (2gf.)). §§ 93 Abs. 5, 116, 117 Abs. 5, 309 Abs. 4, 317 Abs. 4, 349 usw. betreffen Sonderfalle mittelbarer Schädigung der Gläubiger durch unmittelbare Schädigung der A G . Statt der §§ 3sff. BGB gelten durchweg die besonderen Vorschriften des Aktienrechts. Eine Ausnahme macht nur § 35 BGB, der auch für die Aktionäre gilt. Wenn also das Aktienrecht Lücken enthält, so sind ergänzend die Vorschriften der §§ 21 ff. BGB heranzuziehen und nicht die §§ 705 fr. BGB über Gesellschaften und ebensowenig die Bestimmungen des H G B über die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft (wie hier Baumbach-Hueck Anm. 3; Godin-Wilhelmi Anm. 2). Das gilt allerdings nur in dem Umfang wie das Vereinsrecht des BGB mit der Struktur der A G vereinbar ist (Würdinger § 1, III, 4).

40

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1 Asm. 5

Anm. 5

2. Grundkapital Das Gesetz zählt in Absatz s als besondere Merkmale der Aktiengesellschaft auf: i . Sie m u ß ein Grundkapital haben. 2. Das Grundkapital m u ß in Aktien zerlegt sein. Das früher in § i AktG 1937 genannte weitere Merkmal, d a ß die Gesellschafter mit Einlagen auf das so zerlegte Grundkapital beteiligt sein miissen, ist nunmehr in § 2 aufgenommen (s. Einleitung zu § 1). Das AktG definiert ausdrücklich weder den Begriff noch die Funktion des Grundkapitals. D a sich aus dem Zusammenhang des Gesetzes ergibt, d a ß das Institut des G r u n d kapitals ganz verschiedene Funktionen zu erfüllen hat, läßt sich dieses Phänomen auch nicht zureichend unter einem einheitlichen Begriff fassen, sondern m u ß in seinen jeweiligen Funktionen betrachtet werden. Formell ist das Grundkapital eine auf Deutsche Mark, und zwar nach § 7 in der Regel auf mindestens 100000 D M lautende Ziffer. Diese Ziffer gibt aber nicht das Gesellschaftsvermögen an. Wäre das ihre Aufgabe, so wäre sie mit Staub-Pinner (§ 178 H G B A n m . 20) in der T a t eine „fiktive Ziffer" zu nennen. Das ist aber nicht ihre Aufgabe. Sie bezeichnet nämlich zunächst den Mindestbetrag des Anfangsvermögens. Dieses besteht, soweit Bareinlagen zu leisten sind, aus den geleisteten Zahlungen u n d aus den Forderungen der A G auf die rückständigen Einlagen oder Einlageteile, soweit Sacheinlagen zu machen sind, aus diesen oder aus der Forderung auf die noch ausstehende Leistung. Werden die Aktien für einen höheren Betrag als den Nennbetrag — über pari — ausgegeben (§ 9 Abs. 2), so erhöht der Uberschuß (das Agio) zwar das Vermögen der AG, aber nicht das Grundkapital; er ist im Jahresabschluß in die gesetzliche Rücklage einzustellen (§ 150 Abs. 2 Nr. 2). Sind Sacheinlagen zu gering bewertet worden, so erhöht der Mehrwert ebenfalls das Vermögen der AG, aber nicht das Grundkapital. Das Anfangsvermögen kann also höher sein als das Grundkapital; niedriger als dieses darf es aber nach dem Willen des Gesetzes nicht sein. Dagegen schützt das Verbot, Aktien zu einem geringeren Betrage als dem Nennbetrage — unter pari — auszugeben ( § 9 Abs. 1), bei Sacheinlagen die Pflicht zu genauer Bewertung (§ 27) und zu sorgfaltiger Prüfung (§§ 32 ff.), verbunden mit Strafandrohungen (§ 399). Das Anfangsvermögen verändert sich aber, sobald die A G ihre Geschäfte aufnimmt, durch gewisse Ausgaben sogar schon vor der Eintragung der A G (§ 36 Abs. 2). Es kann sich vermehren oder vermindern. I n welchem M a ß e das geschieht, ist aus der Ziffer des Grundkapitals nicht zu ersehen. Trotzdem behält das Grundkapital seine Bedeutung. Was auf die Einlagen geleistet ist, kann nicht zurückgewährt, was darauf noch aussteht, nicht erlassen werden (§§ 57, 66). Die Aktionäre haben als Mitglieder — selbständige Rechtsgeschäfte zwischen ihnen u n d der A G bleiben dabei außer Betracht — nur Anspruch auf den jährlichen Reingewinn (§§ 57, 58 Abs. 4). Dieser wird aber immer nur nach Abzug des Grundkapitals vom Vermögen errechnet, denn das Grundkapital ist in der Bilanz unter die Passiven aufzunehmen (§ 151). K a n n also auch nicht verhindert werden, d a ß sich das Anfangsvermögen durch die Geschäftsführung der A G vermindert, so verhindern diese Vorschriften doch, d a ß es sich durch Ausschüttungen an die Aktionäre ohne Rücksicht auf die Erhaltung des Grundkapitals vermindert. Dadurch, d a ß bei der Uber-pari-Ausgabe der Aktien das Aufgeld (Agio) in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, die ebenfalls unter den Passiven erscheint (§ 151), soll auch dieser Teil der Aktionärleistung der A G möglichst erhalten bleiben. Schlagwortartig werden die hier angeführten Vorschriften als Grundsatz der Erhaltung des Grundkapitals bezeichnet, einem Eckpfeiler des gesamten Aktienrechts. Dieser Grundsatz besagt somit auch, d a ß das Grundkapital den Mindestbetrag des den Gläubigern vorbehaltenen Gesellschaftsvermögens bildet und damit ein Äquivalent der beschränkten Haftung der Aktionäre (vgl. Mestmäcker, S. 2i8f., Würdinger, S. 26f.). Darüber hinaus ist das Grundkapital aber auch ein bestimmter Vermögensteil der Gesellschaft, der eine gewisse Abgrenzungsfunktion hinsichtlich der Trennung von Gesellschafts- u n d Gesellschaftervermögen wahrnimmt. Vgl. zum Begriff u n d den verschiedenen Funktionen des Grundkapitals jetzt eingehend (auch rechtsvergleichend) Lutter S. 38 fr.

41

§ 1 Anm. 6, 7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 6 3. Aktie Das Grundkapital wird in Aktien zerlegt. Die Aktie (actio, s. Einleitung S. i) bezeichnet die Mitgliedschaft, also einen Inbegriff von Rechten und Pflichten. Sie wird durch einen Anteil am Grundkapital ausgedrückt, mag das durch Angabe eines Bruchteils oder eines Nennbetrages geschehen. Im ersten Falle spricht man von einer nennwertlosen oder Quotenaktie, im zweiten von einer Summenaktie (Nennwertaktie). Bei der Summenaktie ergibt sich der Anteil durch einfache Rechnung, indem der Nennbetrag des Grundkapitals durch den Nennbetrag der Aktie dividiert wird. Ein sachlicher Unterschied von der Quotenaktie besteht also nicht. Beide bezeichnen gleichzeitig auch den entsprechenden Anteil am Gesellschaftsvermögen, mag dieser dem Grundkapital gleich, mag er höher oder niedriger sein. Die in Deutschland übliche, auch vom Aktiengesetz 1965 beibehaltene Summenaktie ermöglicht nach noch überwiegender Ansicht eine übersichtlichere Kursfeststellung und dient dem Gläubigerschutz, da sie ein ziffernmäßig festgesetztes Grundkapital voraussetzt (vgl. zum Stand der Meinungen zusammenfassend Vallenthin, Das Aktienwesen, 4. Aufl. 1966, S. 28 ff. und im übrigen Anm. 3 zu § 6). Die Gefahr, daß der Nennbetrag der Aktie für gleichbedeutend mit ihrem Marktwert gehalten, eine 1000 DMAktie also ohne weiteres mit 1000 D M bewertet werden könnte, ist nicht größer als bei allen kurslahigen Wertpapieren, die auf einen bestimmten Nennbetrag lauten, und setzt ein hohes Maß von Unerfahrenheit voraus. Die nennwertlose Aktie ist hauptsächlich in den anglo-amerikanischen Ländern eingeführt worden. In der Definition des § 1 AktG 1937 war weiterhin gesagt, daß die Gesellschafter mit Einlagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt sind. In der Leistung der Einlagen auf die ihnen zugeteilten Aktien besteht in der Tat die Hauptpflicht der Aktionäre. Was sie bis zum Nennbetrage der Aktie leisten, ist ihre Einlage auf das Grundkapital. Was sie bei der Uber-pari-Ausgabe (§ 9 Abs. 2) über den Nennbetrag hinaus leisten, ist zwar auch Einlage, aber nicht Einlage auf das Grundkapital (Anm. 5). Das gleiche gilt von nachträglichen freiwilligen Zuzahlungen, die Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien leisten. Diese beiden Beträge, das Aufgeld und die Zuzahlungen, erscheinen bilanzmäßig nicht in der Grundkapitalsziffer, sondern in der gesetzlichen Rücklage und vermehren das Vermögen der AG, aber nicht ihr Grundkapital. Auch ohne Gewährung von Vorzügen kommen freiwillige Einlagen vor, die k fonds perdu gemacht werden (vgl. die Anm. zu § 54); auch diese vermehren das Vermögen, aber nicht das Grundkapital; in die gesetzliche Rücklage sind sie nicht einzustellen, können aber eine freie Rücklage bilden. Wegen der jetzt gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, Kapitalerhöhungen durch Umwandlung von offenen Rücklagen in Grundkapital durchzuführen (§§ 207 fr.) und damit neue Aktien zu schaffen, ohne daß die Aktionäre Einlagen leisten, ist in § 1 auf einen Hinweis auf die Beteiligung der Gesellschafter „mit Einlagen" verzichtet worden. S. aber § 2, wo es jetzt ausdrücklich heißt, daß die Gründer Aktien gegen Einlagen übernehmen müssen. IV. Die eigene Rechtspersönlichkeit der A G Anm. 7 1. Die Stellung der A G Im Privatrecht Auf dem Gebiet des Privatrechts ist die A G grundsätzlich von keinerlei Rechten und Verbindlichkeiten ausgeschlossen. Es ergeben sich jedoch zum Teil recht weittragende Ausnahmen da, wo die Begründung von Rechten und Verbindlichkeiten an das Vorhandensein einer natürlichen Person geknüpft ist. Das ist auf dem Gebiet des Familienrechts ganz offensichtlich; es gilt aber auch über den Bereich des Familienrechts hinaus. In dieser Hinsicht ist manches unklar; eine eindeutige, begrifflich einsehbare Abgrenzung ist insoweit kaum möglich (vgl. dazu Bondi ZB1HR 1929, 34ff.). Alle Arten geschäftlicher Betätigung im weitesten Sinne stehen der A G aber in der Regel gleichberechtigt zu natürlichen Personen offen. Dazu gehört auch die Beteiligung an anderen

42

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1 A n m . 8, 9

Kapitalgesellschaften und auch an Personalgesellschaften (BGB — Gesellschaft, O H G und K G ) und zwar bei letzterer als Komplementär oder als Kommanditist. Seit der Entscheidung R G 105, 101 kann die bis dahin strittige Frage, ob eine juristische Person Gesellschafter einer Personalgesellschaft (insbes. einer OHG) sein kann, als entschieden und inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannt angesehen werden (s. etwa Hueck OHG 3. Aufl. S. 16 u. Schilling in Hachenburg § 13 Anm. 7). Anm. 8 a) Die A G als Verwalterin fremden Vermögens Zum Vormund kann eine A G nicht bestellt werden, denn eine solche Bestellung setzt — abgesehen von der Amts-, Anstalts- und Vereinsvormundschaft — eine natürliche Person voraus (allg. Ansicht); dasselbe gilt auch für die Bestellung als Pfleger (BGB R G R K 10. und 1 1 . Aufl. Einl. vor § 190g). Dagegen wird die Einsetzung der A G als Testamentsvollstreckerin allgemein anerkannt (vgl. BGB R G R K 10. u. 1 1 . Aufl. § 2197 Anm. 4); dasselbe ist auch für ihre Bestellung als Nachlaßverwalterin und Nachlaßpflegerin anzunehmen. Kraft positiver Bestimmung (§ 265 Abs. 2) kann sie auch zum Liquidator bestellt werden. Dies alles läßt sich im Grunde nur mit einem praktisch unabweisbaren Bedürfnis rechtfertigen und kann — z. B. bei der Bestellung zum Liquidator — zu Erschwernissen im Rechtsverkehr führen, weil die zur Verwaltung berufenen natürlichen Personen in diesen Fällen nicht ohne weiteres für die Allgemeinheit erkennbar sind, und weil bei der Anwendung der strafrechtlichen Sanktionsbestimmungen die A G nicht unmittelbar getroffen werden kann (vgl. dazu Brodmann in Anm. J W 1930, 1410; andererseits O L G Karlsruhe J W 1925, 2017; 2338; K G J W 1930, 1410; Bondi ZB1HR 1929, 37). Analogieschlüsse sollte man aus der Zulässigkeit der Bestellung der A G zum Liquidator nicht ziehen, soweit nicht ebenfalls ein unabweisbares praktisches Bedürfnis besteht. Daher wird man mit der herrschenden Meinung — obwohl logisch nicht begründbar — die Bestellung einer A G zum Konkurs-, Vergleichs- und Zwangsvervoalter als unzulässig anzusehen haben (a. M. Bondi a. a. O. S. 38; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 0 Anm. 3; Ritter Anm. 2 a ; Hachenburg-Schilling § 1 3 Anm. 4; wie hier Baumbach-Hueck § 1 Anm. 6). Dasselbe gilt für die Bestellung einer A G zum Mitglied des Vorstands (§ 76 Abs. 3) oder des Aufsichtsrats (§ 100 Abs. 1) einer anderen A G , obwohl hier der Vergleich zur Bestellung als Liquidator oder zu der Rechtsstellung der A G als persönlich haftende Gesellschafterin einer Personalhandelsgesellschaft, vor allem als alleinige Komplementärin einer kapitalistischen Kommanditgesellschaft, nicht allzu fern liegt. Dagegen wird — wiederum nicht recht begründbar, wenn man den Vergleich mit dem Aufsichtsrat zieht — aus praktischen Gründen mit Recht die Möglichkeit bejaht, daß die A G zum Mitglied eines Gläubigerausschusses (OLG Dresden Seuff. A. 60 Nr. 22; Jaeger KommKO § 87 Anm. 5; Godin-Wilhelmi § 1 Anm. 9), oder zum Mitglied eines Gläubigerbeirats (§44 VerglO) berufen oder als Vertreterin der Gläubiger nach § 1189 BGB bestellt wird. Anm. 9 b) Die A G als Trägerin einer Vollmacht Es ist allgemein anerkannt, daß der A G als solcher eine Vollmacht erteilt werden kann; aus dem Wesen der Vollmacht kann nicht der Schluß gezogen werden, daß der Bevollmächtigte eine natürliche Person sein muß. Dagegen kann die A G nach der herrschenden Meinung nicht Trägerin einer Prokura sein (Baumbach-Hueck, § 1 Anm. 6; Godin-Wilhelmi § 1 Anm. 9; Würdinger in Großkomm. HGB § 48 Anm. 6; a. M. Ritter Anm. 2 a). Diese Meinung kann jedoch nicht aus dem Wesen der Prokura (besonderes Vertrauen, das nur einer bestimmten natürlichen Person entgegengebracht werden kann; Interesse der Öffentlichkeit, aus dem Handelsregister die zum Handeln unmittelbar berechtigte natürliche Person ersehen zu können) hergeleitet werden (zutreffend insoweit Bondi ZB1HR 1929, 35). Vielmehr folgt das daraus, daß der Prokurist im allgemeinen ein kaufmännischer Angestellter ist, und daß die A G ihrem Wesen nach nicht Angestellte eines anderen Kaufmanns (Handlungsgehilfin) sein kann (abweichend insoweit Bondi

43

§1

Anm. 10—12

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

a. a. O . S. 36). Demgemäß wird man die Erteilung einer Prokura an eine A G in ihrer Stellung als Kommanditistin wohl als zulässig ansehen müssen, da sie insoweit nicht als Angestellte der Kommanditgesellschaft auftritt (vgl. dazu B G H 17, 392; Rob. Fischer in Anm. Lind.-Möhr. Nr. 1 zu § 53 HGB). Auch die Erteilung einer Handlungsvollmacht wird im allgemeinen nicht in Betracht kommen, weil im Regelfall auch der Handlungsbevollmächtigte Angestellter eines Kaufmanns ist.

Anm. 10 c) Die AG als Trägerin von Persönlichkeitsrechten Neben dem Firmenschutz (§ 4) genießt der Name der A G auch den Schutz des § 12 BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB ( R G 109, 213; H R R 1930 Nr. 483; B G H W M 1955, 1250, B G H DB 1969, 2127 m . w . N . ) . Die A G kann auch Trägerin eines Warenzeichenrechts sein. Ausgeschlossen ist auch nicht, daß sie Trägerin eines Erfinder- und Urheberrechts ist. Hierbei kann nur fraglich sein, ob sie auch in ihrer Person Urheberrechte unmittelbar erwerben und Erfindungen machen kann (bejahend Godin-Wilhelmi Anm. 8; verneinend Brodmann § 210 Anm. 2 a). M a n wird diese Frage verneinen müssen, weil es die Achtung vor der Persönlichkeit erfordert, daß der Schaffende selbst als Urheber anerkannt wird (vgl. dazu Ulmer Urheber- und Verlagsrecht 2. Aufl. i960 S. 158; § 7 U r h G 1965; Benkard, PatG 5. Aufl. § 3 Anm. 4, 5; Baumbach-Hueck Anm. 5). Z u m Ehrenschutz vgl. unten Anm. 20 a. E.

Anm. 11 d) Die AG als Schiedsrichter und Schiedsgutachter Nach wohl herrschender Meinung (Stein-Jonas-Schönke K o m m . Z P O § 1032 Anm. 1; Seuffert-Walsmann K o m m . Z P O § 1032 Anm. i c ; Bondi ZB1HR 1929, 39; vgl. dazu auch R G J W 1905, 54; O L G Hamburg Seuff.A. 72 Nr. 22) wird es für zulässig gehalten, daß eine A G in einem Schiedsvertrag als Schiedsrichter bestellt wird. Ein solcher Schiedsvertrag wird von der herrschenden Meinung dahin ausgelegt, daß als Schiedsrichter die Personen ernannt sein sollen, die jeweilig satzungsmäßig zur Vertretung der A G berufen sind. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden; sie verträgt sich nicht mit der Aufgabe des Richteramts und führt zu unauflösbaren Schwierigkeiten, wenn während eines schwebenden Schiedsgerichtsverfahrens ein Wechsel im Vorstand bei der zum Schiedsrichter bestellten A G eintritt. Schiedsrichter können immer nur natürliche Personen sein (ebenso Baumbach-Lauterbach Komm. Z P O § 1025 Anm. 5 c). Unbedenklich ist dagegen die Bestellung einer A G als Schiedsgutachter oder Taxator (§§ 317fr. BGB).

Anm. 12 e) Erwerbsbeschränkungen für die AG Für den Erwerb von Rechten durch eine A G galten durch Art. 86 E G z. BGB aufrechterhaltene zahlreiche landesrechtliche Bestimmungen, die dem Grundstückserwerb Beschränkungen unterwarfen. Diese Beschränkungen sind durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts vom 5. 3. 1953 II. Teil Art. 2 (BGBl. I 33) aufgehoben worden, soweit sie den Erwerb von Rechten durch eine inländische A G von einer staatlichen Genehmigung abhängig machten. Gesellschaften mit dem Sitz in einem der EWG-Staaten sind inländischen Gesellschaften gleichgestellt (G vom 2. 4. 64, BGBl. I, 248). Eine besondere Bestimmung gilt für Versicherungsuntemehmungen. Sie bedürfen nach § 54 VersAufG zum Grunderwerb der Genehmigung der Aufsichtsbehörde, soweit sie nicht Grundstücke beliehen haben und diese im Zwangsversteigerungsverfahren erwerben. Für Hypothekenbanken gilt § 5 Abs. 4 HypothBankG vom 5. 2. 63 (BGBl. I 81), ebenso § 5 Abs. 4 SchiffsbankG v. 8. 5. 68 (BGBl. I, 302).

44

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm. 13—15 2. Die Stellung der AG im Prozeßrecht Anm. 13 a) Allgemeines Im Rechtsstreit erscheint die Rechtsfähigkeit als Parteifahigkeit, die Fähigkeit, sich durch Verträge zu verpflichten (die Geschäftsfähigkeit), als Prozeßfähigkeit (§§ 50, 53 Z P O ) . Die A G ist demnach parteifähig, prozeßfähig aber nur durch ihre gesetzlichen Vertreter. Sie wird regelmäßig durch den Vorstand vertreten (§ 78), bei Rechtsstreitigkeiten gegen Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat (§ 112), bei der Anfechtungsklage durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 246 Abs. 2 S. 2; vgl. dazu B G H 13, 188 und Rob.Fischer in Anm. bei L M Nr. 7 zu § 75 A k t G ) ; klagt der Vorstand oder ein Vorstandsmitglied, so vertritt der Aufsichtsrat, klagt ein Aufsichtsratsmitglied, vertritt der Vorstand (§ 246 Abs. 2 S. 2). Die Vertreter sind im Urteil zu benennen (§ 313 Nr. 1 Z P O ) , doch kann die Benennung nachgeholt werden, selbst noch in dem Revisionsurteil ( R G 63, 372). Bei einer Mehrheit gesetzlicher Vertreter genügt die Zustellung an einen von ihnen ( § 1 7 1 Abs. 3 Z P O , vgl. § 78 Abs. 2 Satz 2 AktG). Die gesetzlichen Vertreter sind als Partei zu vernehmen (§§4450"., 455 Z P O ) ; auch kann das Gericht nach § 141 Z P O ihr persönliches Erscheinen anordnen. Dagegen können sie nicht als Zeugen vernommen werden ( R G 2, 400). Wohl aber kann ein Aktionär, der nicht gesetzlicher Vertreter der A G ist, als Zeuge vernommen werden, denn er ist nicht Partei ( R G J W 1902, 394 15 ); für seine Beeidigung gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 391 ff. Z P O ) . Ebenso steht es mit den Mitgliedern des Aufsichtsrats, wenn sie nicht die A G vertreten. Ein Aktionär kann grundsätzlich dem Prozeß einer A G nicht als Nebenintervenient beitreten, weil ihm das rechtliche Interesse im Sinn des § 66 Z P O fehlt ( R G 83, 182; Brodmann § 210 Anm. 3a; Ritter § 1 Anm. 2b; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 9; Stein-Jonas-Schönke-Pohle Z P O § 66 Anm. I I I 2; a. M . Düringer-HachenburgFlechtheim § 2 1 0 Anm. 6; zweifelnd v. Godin-Wilhelmi Anm. 10). Eine Ausnahme gilt für einen Anfechtungsprozeß nach § 243, weil hier die Rechtskraft des Urteils nach § 248 auch gegenüber jedem einzelnen Aktionär wirkt (s. Anm. 16). Auch vom Richteramt ist ein Aktionär in einem Rechtsstreit, in dem die A G Partei ist, nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen; §41 Nr. 1 Z P O trifft nicht zu. Etwas anderes wird jedoch zu gelten haben, wenn der Aktionär sämtliche Aktien besitzt (Brodmann § 210 Anm. 3 a ; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 210 Anm. 6). Unbedeutender Aktienbesitz wird auch regelmäßig noch nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen (§42 Z P O ) , bei größerem Aktienbesitz ist sie gerechtfertigt ( R G 7, 312).

Anm. 14 b) Die Bestellung eines Vorstands zum Zweck der Prozeßführung gegen die AG Ist kein Vorstand vorhanden und soll die A G verklagt werden, so sind zwei Wege möglich. Der Gläubiger kann in dringenden Fällen nach § 85 A k t G beim Gericht des Sitzes die Bestellung eines Vorstands beantragen; dieser Antrag ist vom Registerrichter zu erledigen (§ 14 Anm. 2). Der Kläger kann aber auch nach § 57 Z P O , wenn mit dem Verzuge Gefahr verbunden ist, beim Vorsitzenden des Prozeßgerichts die Bestellung eines besonderen Vertreters beantragen. Der zweite Weg hat eine strengere Voraussetzung als der erste; ein Fall kann dringend sein, ohne daß mit dem Verzuge schon Gefahr verbunden sein müßte, d. h. dem Kläger wesentliche Nachteile drohen (Stein-Jonas-Pohle § 57 Z P O Anm. II 3).

Anm. 15 c) Die Auflösung der AG während des Prozesses Wird die A G aufgelöst, so hört damit die Vertretungsbefugnis des Vorstands auf; der Rechtsstreit wird nach § 241 Z P O unterbrochen, bis die Abwickler d£m Gegner von ihrer Bestellung Anzeige machen oder der Gegner ihnen seine Absicht anzeigt, das Verfahren fortzusetzen. Das gilt auch dann, wenn die Vorstandsmitglieder Abwickler

45

§ 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 16—18 sind (§265; a. M . Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 vor § 2 0 3 ) ; ihre Vertretungsbefugnis als Abwickler beruht auf einem neuen Grunde (§§ 266, 269; vgl. SchlegelbergerQuassowski § 207 Anm. 2). Legen die Abwickler ihr Amt nieder, so ist nach § 85 oder § 5 7 Z P O zu verfahren. I m Fall der Verschmelzung (§§339ff.)> der Umwandlung gem. U m w G vom 12. 11. 56 (BGBl. I 844) i. d. F. des G vom 15. 8. 1969 (BGBl. I, 1171) oder der Vermögensübertragung ohne Abwicklung (§§ 359fr.) hegt Gesamtrechtsnachfolge vor; in diesen Fällen ist § 239 Z P O entsprechend anzuwenden (Stein-Jonas-Pohle § 239 Z P O Anm. I 4). W a r die A G durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten, so wird aber weder im Fall der Auflösung noch in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge das Verfahren unterbrochen (§ 264 Z P O ) , sondern es ist nur auf Antrag einer Partei auszusetzen. Die Umwandlungen nach den §§ 36sff. AktG wahren die Rechtspersönlichkeit unter Änderung ihrer Form u n d begründen nicht einmal eine Gesamtrechtsnachfolge, sind aber — ähnlich wie der Fall der Auflösung — mit einem Wechsel der Vertretungsbefugnis, wenn auch nicht immer der Personen der Vertreter, verbunden; also ist nach den §§241, 246 Z P O zu verfahren (a. M . Schlegelberger-Quassowski § 259 Anm. 1).

Anm. 16 d) Die Rechtskraftwirkung des Urteils Ein gegen die A G ergangenes rechtskräftiges Urteil ist nur gegen sie vollstreckbar. Die Aktionäre werden davon nicht berührt. Weitergehende Wirkungen haben Urteile, durch die ein Beschluß der Hauptversammlung, ein Jahresabschluß oder die Gesellschaft selbst für nichtig erklärt wird (§§ 248, 249 Abs. 1, 256 Abs. 7, 275 Abs. 4). Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer Nebenintervention f ü r Aktionäre (§§ 66, 69 Z P O ) .

Anm. 17 e) Der Gerichtsstand Über den allgemeinen Gerichtsstand der A G und den daneben nach §17 Abs. 3 Z P O zulässigen satzungsmäßigen Gerichtsstand s. § 5 Anm. 5. Außerdem kommen die Gerichtsstände für Zweigniederlassungen (§21 ZPO) u n d die besonderen Gerichtsstände in Betracht, namentlich die des Erfüllungsorts (§ 29 Z P O ; R G 52, 54) u n d der unerlaubten Handlung (§32 ZPO, §§31, 831 BGB). Für Versicherungsunternehmungen, deren Geschäftsbetrieb sich über ein Land hinaus erstreckt, bestimmt § 147 Abs. 3 VersAufsG neben den Gerichtsständen der Z P O einen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk der Hauptbevollmächtigte wohnt.

Anm. 18 f) Das Armenrecht für die AG Das Armenrecht kann nach § 144 Abs. 4 Z P O einer inländischen juristischen Person, also auch einer inländischen AG, unter den sonstigen Voraussetzungen d a n n gewährt werden, wenn die zur Führung des Rechtsstreits erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten (dazu R G 148, 196; K G N J W 1955, 469) aufgebracht werden können u n d die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Als „wirtschaftlich beteiligt" werden in der Regel nicht alle Aktionäre angesehen werden können, sondern nur Aktionäre mit erheblichem Aktienbesitz (Baumbach-Hueck Anm. 10; Stein-Jonas-Pohle, § 114 Anm. V, 1; a. A. die Vorauf 1.), unter U m s t ä n d e n auch ein Gläubiger der A G (RG 148, 196). Das Armenrecht wird daher für eine A G nur selten praktisch werden. In Patentstreitigkeiten kann auch zugunsten einer A G der Streitwert zum Zweck der Kostenersparnis herabgesetzt werden (§ 53 P a t G ) ; die Voraussetzungen des § 114 Abs. 4 Z P O brauchen dabei nicht gegeben zu sein (BGH L M Nr. 2 zu § 53 PartG).

46

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm. 19—22

Anm. 19 g) Der Offenbarungseid Im Zivilprozeß trifft die A G als solche eine Pflicht zur, Eidesleistung nicht; hier haben vielmehr die als Partei vernommenen, vertretungsberechtigten Organe der A G (Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder) den Eid zu leisten, diese Pflicht trifft sie persönlich. Anders beim Offenbarungseid; diese Pflicht trifft die A G als solche. Diesen Eid haben daher die zur Zeit der Eidesabnahme im A m t befindlichen Vertreter zu leisten ( O L G Dresden SächsOLG 24, 78; L G Hamburg HansGZ 1912, 300). A u f ein Ausscheiden, mit dem bezweckt wird, der Eidesleistung zu entgehen, wird aber keine Rücksicht genommen; in solchem Fall haben auch die Ausgeschiedenen den Eid zu leisten ( O L G Karlsruhe H R R 1930 Nr. 458).

Anm. 20 4. Die Stellung der A G im Strafrecht Straffähig ist die A G wohl nicht, weil ihr ein Schuldvorwurf im strafrechtlichen Sinn nicht gemacht werden kann. Schuldig in diesem Sinn kann nur der mit einem Willen begabte Einzelmensch werden (bedenklich insoweit BGHSt. 5, 32; vgl. dazu kritisch Bruns J Z 1954, 251 m. w. N.). Eine andere Frage ist es dagegen, ob die A G im Einzelfall zur Haftung für Bußgeldbescheide oder zur Abführung von Mehrerlösen unmittelbar herangezogen werden kann (vgl. dazu BGHSt. 3, 130; ferner Hachenburg-Schilling § 13 Anm. 5 m. w. N.). § 26 O W i G vom 24. 5. 68 (BGBl. I, 481) bestimmt jetzt für den gesamten Bereich der Ordnungswidrigkeiten, daß neben den Organen auch gegenüber der juristischen Person als solcher Geldbußen festgesetzt werden können. Nach der neueren Rechtsprechung ist der Ehrenschutz nach den §§ 185 fr. StGB (aber auch nach § 823 Abs. 2 BGB) nicht auf natürliche Personen beschränkt. Daher ist auch die A G beleidigungsfähig im Sinn der §§ 185 fr. StGB (vgl. dazu R G S t . 70, 140; 74, 269; BGHSt. 6, 187; Bruns N J W 1955, 689; Baumbach-Hueck § 1 Anm. 5; Birk GmbH-Rdsch. 1956, 105; a. M . Hachenburg-Schilling § 13 Anm. 6; bedenklich auch B G H L M Nr. 2 zu § 185 StGB).

Anm. 21 5. Die Stellung der A G im sonstigen öffentlichen Recht Die Rechtsfähigkeit der A G wird im übrigen öffentlichen Recht weitgehend anerkannt. Das H G B und das A k t G legen ihr öffentliche Pflichten (z. B. Führung der Bücher, Aufstellung der Jahresabschlüsse, Anmeldung von Veränderungen usw.) auf. A u f dem Gebiet des Steuerrechts ist sie ebenfalls als solche rechtsfähig. Im Rahmen der G e w O und der Sozialversicherung sind ihr zahlreiche öffentlichrechtliche Verpflichtungen auferlegt. Sie ist auch als solche wahlberechtigt zu den Industrie- und Handelskammern. Das Recht zum Börsenbesuch kann ihr freilich nicht erteilt werden; dieses Recht ist auf persönliche Eigenschaften abgestellt, so daß es nur natürlichen Personen erteilt werden kann ( § 7 BörsG).

Anm. 22 V. 1. Haftung Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen (Abs. 1 Satz s). Gemeint ist auch mit diesem Satz: die Aktionäre haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mit ihrem Vermögen. Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung ihrer Einlage und zu etwaigen Nebenleistungen (§§ 54, 55) betrifft nur das innere Verhältnis zwischen ihnen und der A G . Die Gläubiger der A G haben damit nichts unmittelbar zu tun, sie können aber unter gewissen Voraussetzungen (vgl. die Anm. zu § 66) die Forderung der A G auf die rückständige Einlage, ohne besondere Voraussetzung deren Forderung auf die noch ausstehende Nebenleistung pfänden und sich

47

§1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 23, 24 überweisen lassen. Immerhin sind die Vorschriften, welche die Aufbringung und die Erhaltung des Grundkapitals sichern sollen, in erster Linie zum Schutz der Gläubiger der A G bestimmt. Daraus erklärt sich der Ausnahmefall, in dem die Aktionäre den Gläubigern der A G unmittelbar haften, wenn sie nämlich verbotswidrig Zahlungen von der A G empfangen haben (Näheres bei § 62 Abs. 2). Die Haftungsbeschränkung der Aktionäre gilt auch für die sog. Einmanngesellschaft; s. aber Anm. 32

Anm. 23 2. Die Lehre vom Durchgriff auf die Gesellschafter a) Ausgewählte Literatur Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 1955; ders., Durchgriffsprobleme bei Vertragsstörungen, 1959; Drobnig, Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften, 1959; Wilser, Der Durchgriff bei Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, i960; Raupach, Der Durchgriff im Steuerrecht, 1968; Soergel-Schultze-von Lasaulx, 10. Auflage Vor § 21 V Anm. 36—43; Weber in Staudinger 11. A u f l . § 242 D 1 5 4 — 156; jeweils mit ausführlichen Nachweisen für Schrifttum und Rechtsprechung; weiter siehe zur Einmann-Gesellschaft auch Schilling in Hachenburg, Anhang zu § 13; O . K u h n , Strohmanngründung bei Kapitalgesellschaften, 1964, insbes. S. 199 ff.; Wiedemann in Festschrift für H. C. Nipperdey Bd. I S. 815; ders. in Die Haftung des Gesellschafters in der G m b H (Arbeiten zur Rechtsvergleichung), 1968; Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969, S. 85 fr.; ferner Reinhardt, Gedanken zum Identitätsproblem bei der Ein-Mann-Gesellschaft, Festschrift für H. Lehmann, 1956, S. 576 fr.; Müller-Freienfels, Zur Lehre vom sogenannten Durchgriff bei juristischen Personen im Privatrecht, A c P 1957, 522; Erman-Westermann, BGB, Anm. 2 Vor § 21; Erman, Zur Frage der Haftung der Hintermänner überschuldeter Gesellschaften in K T S 1959, 129ff. Siehe weiterhin Beitzke J Z 1956, 40; Erlinghagen, GmbH-Rdsch. 1962, 169f.; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1964, S. 66f.; Dempewolf DB 1961, 969f. und i o n f . Zur Frage insbesondere der unterkapitalisierten G m b H außer Reinhardt a. a. O. Erlinghagen a. a. O. und Wolany auch Kamprad, Gesellschafterdarlehen an die G m b H als verdeckte Stammeinlage, 1968; Wüst, Gläubigerschutz in der GmbH, 1966 S. i6f.; Hofmann, N J W 1966, 1941fr.; Unger K T S 1959, 33fr.; Pleyer GmbH-Rdsch. 1963, 206ff.; Stauder GmbH-Rdsch. 1968, 72ff.; Winkler, BB 1969, 1202ff.; Kamprad, GmbH-Rdsch. 1969, 81 ff.; Sonnenberger, N J W 1969, 2033 ff.

Anm. 24 b) Allgemeine Vorbemerkung Trotz der dem gesamten Korporationsrecht immanenten Trennung zwischen juristischer Person und Gesellschaftsvermögen einerseits, Mitgliedern und Gesellschaftervermögen andererseits, treten in der Praxis Fälle auf, in denen es mit der Gerechtigkeitsidee unvereinbar wäre, die Trennung aufrechtzuerhalten, sei es, daß Kenntnisse, Verhaltensarten oder Eigenschaften der Gesellschafter der juristischen Person zugerechnet werden müssen, sei es, daß den Gläubigern der Gesellschaft, anstatt allein auf deren Vermögen verwiesen zu sein, ein „Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden Gesellschafter", hier die Aktionäre und deren Vermögen gestattet werden muß. Vornehmlich waren es bei der nach deutschem Recht zulässigen sog. Einmanngesellschaft auftretende Mißbräuche und versuchte oder mögliche Gesetzesumgehungen, denen die Rechtsprechung dadurch begegnete, daß sie den Grundsatz der Trennung zwischen juristischer Person und Mitglied im Einzelfall hintansetzte. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung sahen und sehen sich aber auch in anderen Fällen genötigt, den Schleier der juristischen Person zu durchstoßen, um auf die dahinterstehenden Menschen oder andere Körperschaften, das eigentliche Substrat, durchzugreifen. Eine systematische Erfassung dieser Durchgriffsfälle ist von Serick in seiner Schrift „Rechtsform und Realität juristischer Personen" erstmalig im Jahre 1955 versucht worden. Im Anschluß und neben

48

Erster T e i l : Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm. 25

der Schrift von Serick ist inzwischen eine umfangreiche Literatur zur Durchgriffslehre entstanden. A u c h die höchstrichterliche Rechtsprechung insbesondere des B G H und auch des B V e r f G hatte mehrfach Gelegenheit, sich mit einschlägigen Fällen z u befassen. Es scheint aber, d a ß trotz der zahlreichen Versuche, eine brauchbare Systematik z u entwickeln, u m Mißbrauchs- und Umgehungsfallen zu begegnen, weder Wissenschaft noch Rechtsprechung bisher praktikable und gewisse Rechtssicherheit verbürgende Ergebnisse vorweisen können. O b dies ein aus der Sache heraus unerreichbares Ziel ist, wie Schultze-von Lasaulx a. a. O . A n m . 41 meint (siehe auch Wolany a. a. O . S. 73 in der Anmerkung), m a g bezweifelt werden (anderer Ansicht wohl Möhring N J W '956» 1791; Schilling J Z 1953, 2x3), insbesondere d a j a auch Schultze-von Lasaulx über Fallgruppenbildungen unter Hinweis auf Drobnig offenbar eine Systematisierung der Probleme für nicht ausgeschlossen hält. Es ist aber sicher zuzugeben, d a ß die Verschiedenen Fallgestaltungen (z. B. wirkliche Ein-Mann-Gesellschaften einerseits und Konzerngesellschaften oder sonstwie abhängige Gesellschaften andererseits) nicht schematisch gleich behandelt werden können; s. dazu O . K u h n , a. a. O . S. 199ff. D e r B G H lehnt es etwa mit Recht ab, die zu den sogenannten Kriegsgesellschaften entwickelten Durchgriffstatbestände auch auf Gesellschaften anzuwenden, die ihre Entstehung „den-Bedürfnissen des Erwerbslebens" verdanken ( B G H 26, 31). A u c h die Lehre von der steuerlichen Organschaft ist nur sehr bedingt gesellschaftsrechtlich verwertbar (vgl. Serick, Durchgriffsprobleme bei Vertragsstörungen, S. 10). T r o t z erheblich vertiefter wissenschaftlicher Durchdringung gilt somit nach wie vor die Feststellung der V o r a u f l a g e , d a ß eine im ganzen befriedigende Systematik der Durchgriffsfalle fehlt (siehe dazu auch R o b . Fischer in L M N r . 4 zu § 13 G m b H G und neuerdings insbesondere Rehbinder, S. 85fr. und 94ff.), während die amerikanische Wissenschaft und Rechtsprechung mit der Lehre von dem Disregard of the L e g a l Entity ein offenbar auch für die Praxis brauchbares Instrumentarium geschaffen hat bei allerdings andersartigem dogmatischen Ansatz. Z u r neueren Rechtsentwicklung in den U S A s. Kronstein, Das R e c h t der internationalen Kartelle, 1967, S. 467 ff. Eine Schwierigkeit liegt sicher auch darin, d a ß die Durchgriffslehre für die A G und G m b H als gleichermaßen verbindlich aufgefaßt wird, was v o m System her richtig, von der unterschiedlichen Entwicklung des Aktien- und des GmbH-Rechts, insbesondere seit dem A k t G 1965, und auch der im Einzelfall unterschiedlichen Interessenlage her aber fraglich ist. O b allerdings wirklich durch die Regelungen des Konzernrechts im Dritten Buch die Gefahr eines Rechtsmißbrauchs bei der E i n m a n n - A G völlig ausgeschlossen ist (so Würdinger, Aktienrecht, S. 314) w i r d erst die Zukunft lehren (skeptisch Kronstein, a. a. O . S. 481). D a ß die G m b H aus verschiedenen Gründen ein geeigneteres Mittel rechtsmißbräuchlicher Ausnutzung oder Gestaltung ist, liegt auf der Hand. A b e r im Grundsatz m u ß auch die A G im R a h m e n der hier vertretenen Lehre und über die Vorschriften des Konzernrechts hinaus einem Durchgriff a u f die hinter ihr stehenden Gesellschafter ausgesetzt sein (wie hier BaumbachHueck, A n h . zu § 262, A n m . 7).

Anm. 25 c) Mißbrauchsfälle Ein Beiseiteschieben der Rechtsform der juristischen Person bei gleichzeitigem Durchgriff auf die hinter ihr stehenden Menschen (oder juristischen Personen) ist bei allem Festhalten an der grundsätzlichen Scheidung, nicht selten entweder v o m Gesetzgeber ausdrücklich gewollt oder z u m Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs erforderlich. I m Anschluß an Serick ist eine A u f h e b u n g der Trennung von Gesellschaft u n d Mitglied in den Fällen für zulässig zu erachten, in denen die Rechtsform der juristischen Person mißbraucht wird, u m mit ihrer Hilfe Gesetze zu umgehen, vertragliche Verpflichtungen z u verletzen oder Dritte fraudulös zu schädigen (Mißbrauchstatbestand) oder w e n n das Gesetz den Durchgriff verlangt (Normanwendungstatbestand). Liegt ein Mißbrauch vor, so wird man im Einzelfall unter Beiseiteschieben der Rechtsform der juristischen Person auf die hinter ihr stehenden natürlichen oder juristischen Personen zurückgreifen können, da das Gesetz die juristische Person nur dem redlichen Geschäftsverkehr zur V e r f ü g u n g stellt. W e r sich auf eine formale Rechtsposition nur z u 4

Aktlengesetz I , S. Aufl.

49

§1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 25 d e m Zwecke, Dritte zu schädigen u n d das R e c h t zu umgehen, beruft, verdient keinen Schutz. M a n wird sich aber i m m e r vor Augen zu halten h a b e n , d a ß solche Eingriffe im Interesse der Rechtssicherheit auf besondere Einzelfalle beschränkt u n d A u s n a h m e n bleiben müssen, will m a n nicht das Recht der juristischen Person als Ganzes in Zweifel ziehen (vgl. Serick S. i , 24, 201, 208, 22of. sowie BVerfG 13, 331fr.). Das h a t a u c h der B G H mit aller Deutlichkeit ausgesprochen ( B G H 20, 4; 26, 33f.; W M 1968, 891 f.; vgl. auch B G H 10, 240). Allerdings hält der B G H (anders O L G Celle im „Volkswagenp r o z e ß " , N J W 1955, 1789) einen Durchgriff nicht n u r bei absichtlichem M i ß b r a u c h der juristischen Person f ü r zulässig, sondern in allen Fällen, in denen es a n „einer rechtsordnungsgemäßen Verwendung der juristischen Person f e h l t " (in d e m zur Entscheidung stehenden Fall schon d a n n , w e n n „ b l o ß die T a t s a c h e " des Vorhandenseins einer j u r i stischen Person dazu f ü h r t , d a ß eine entschädigungslose Enteignung des Gesellschafters sich auf Vermögen auswirkt, das a u ß e r h a l b des Machtbereichs des enteignenden Staates liegt; eine entsprechende Absicht oder auch n u r in Betracht gezogene Möglichkeit bei Schaffung der juristischen Person ist nicht erforderlich). U n t e r Berufung u . a. auf R G 120, 287; 122, 381; 124, 164; 150, 401 u n d in Anlehnung a n die Rechtsprechung zur Frage der A u f r e c h n u n g gegenüber Kriegsgesellschaften (vgl. hierzu B G H 26, 31 m . w . N . ) stellt der B G H d a m i t allein auf objektive Zweckmomente ab, läßt also — anders ausgedrückt — n u r in d e m U m f a n g eine Beachtung der Rechtsform der juristischen Person zu, als ihre V e r w e n d u n g d e m „Zweck der R e c h t s o r d n u n g " entspricht (so auch Beitzke, J Z 1956, 40 u n d wohl K u h n , W M 1956, 9 u n d Lieberknecht, N J W 1956, 933; Schnorr von Carolsfeld D N Z 1963, 412; Fischer in L M N r . 1 zu § 13 G m b H G ; E r m a n , K T S 59, 129, insbesondere 132 fr.; Erlinghagen, G m b H - R d s c h . 1962, 169 fr.; W i e d e m a n n , Die H a f t u n g der Gesellschafter . . . S. 16 u n d zusammenfassend, jedoch der subjektiven Durchgriffslehre zuneigend, W e r n e r in Staudinger a. a. O . u n d neuerdings O . K u h n a. a. O . S. 207 fr. u. R a u p a c h , a. a. O . S. 28 fr. mit jeweils eingehender kritischer Auseinandersetzung mit Serick). Der sogenannten a n § 242 BGB angelehnten objektiven Durchgriffslehre folgt die Rechtsprechung fast ausnahmslos: B G H 22, 226 (230); 25, 115 (117); 26, 31 (33) ; 29, 385 (392); 3'> 258 (271); W M 1958, 463. Die bereits in der V o r a u f l a g e gegen diese Lehre erhobenen Bedenken scheinen trotz der den Durchgriff selten a n w e n d e n d e n Rechtsprechung nach wie vor berechtigt (siehe a u c h Serick, Durchgriffsprobleme bei Vertragsstörungen, S. 21 ff.; ferner, wie hier, Godin-Wilhelmi § 1 A n m . 18 u n d Rasch S. 62 sowie Serick G m b H R 1969 H e f t 7 n a c h S. 164). Das gilt u m so mehr, als auch der B G H offenbar Zweifel a n der konsequenten D u r c h f ü h r b a r k e i t der objektiven Mißbrauchslehre u n t e r N i c h t b e a c h t u n g des subjektiven Schädigungs- oder Umgehungsvorsatzes der Beteiligten i m Einzelfall h a t . Das klingt schon in B G H 29, 392 a n sowie i m Urteil v o m 28. 3. 1968 ( W M 1968, 891 f.), wo die ausnahmsweise Möglichkeit eines Durchgriffs n u r bei „unzulässiger R e c h t s a u s ü b u n g " erwogen wird. Deutlich sich von der übrigen R e c h t s p r e c h u n g a b setzend ist a b e r das Urteil v o m 26. 11. 1957 ( W M 58, 460, 462 = BB 58, 169 = DB 58, 160): „ A u c h der objektiv hervorgerufene Rechtsschein allein k a n n in der Regel nicht der G r u n d d a f ü r sein, den Durchgriff auf das Vermögen des Alleingesellschafters zu gestatten. Grundsätzlich m u ß ein subjektiver Gesichtspunkt h i n z u k o m m e n , der das Verhalten des sich auf die Selbständigkeit der G m b H berufenen Gesellschafters als einen Verstoß gegen T r e u u n d G l a u b e n oder gegen die guten Sitten k e n n z e i c h n e t " (entschieden f ü r den Fall der sogenannten unterkapitalisierten Gesellschaft). A u c h das BVerfG scheint einen Durchgriff n u r bei fraudulösem Verhalten (u. bei den sog. N o r m a n w e n dungsfallen) f ü r zulässig zu halten (BVerfGE 13, 331 ff., 340). V o n diesen Erwägungen, insbes. des BGH, ist der Weg nicht weit, im Anschluß a n die Rechtsprechung des Reichsgerichts die methodisch sauberste Lösung der Mißbrauchstatbestände ü b e r § 826 BGB zu suchen u n d d a m i t ü b e r die a u c h in der V o r a u f l a g e vertretene sogenannte subjektive Mißbrauchslehre. W e n n der B G H in d e m grundlegenden u n d weithin beachteten Urteil zu § 171 H G B ( B G H 45, 204) a u c h bei einem typischen Umgehungsfall eine unbeschränkte K o m m a n d i t i s t e n h a f t u n g , also einen Durchgriff abgelehnt h a t , so scheint d a m i t a u c h die objektive Mißbrauchslehre als überholt; s. auch die E r w ä g u n g e n in B G H 31, 258 (27of.) sowie BSG v. 26. 3. 63 in N J W 63, 1373. Das der R e c h t s p r e c h u n g z u m Durchgriff z u g r u n d e liegende Ordnungsprinzip, die verlangte rechtsordnungs-

50

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm. 26

gemäße Verwendung der juristischen Person dürfte in Wirklichkeit die immer wieder auftauchende „Legende" (so Wiethölter in Aktuelle Probleme der GmbH & Co., 1967, S. 36) der Entsprechung von Herrschaft und Haftung sein, ein Prinzip, das jedoch unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung gerade nicht zugrunde liegt (wie zuletzt Hofmann N J W 1969, 577, 579 nachgewiesen hat, siehe auch B G H 4 5 , 204; zur Rechtsvergleichung auch Wiedemann in Die Haftung des Gesellschafters . . . S. 49 fr.). Eine Rechtsordnung, die die juristische Person als gleichberechtigtes und weitgehend sogar gleichwertiges Rechtssubjekt neben der natürlichen Person anerkennt (vgl. Art. 19 I I I G G ; siehe auch Anm. 7 oben), kann diese juristische Person nicht gleichzeitig dadurch in Frage stellen, daß sie als nicht „rechtskonform" jederzeit beiseite geschoben werden kann. Andererseits kann es eine Rechtsordnung auch nicht zulassen, daß sich natürliche oder juristische Personen der Rechtsform der juristischen Person zu Zwecken bedienen dürfen, Dritte zu schädigen und Gesetze zu umgehen. Sind die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Mißbrauchs und der Schädigungs- oder Umgehungsabsicht gegeben, so liegt regelmäßig der Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) oder, des Betruges (§ 823 I I BGB i. V . m. § 263 StBGB) vor, und ein Durchgriff, ein Beiseiteschieben der juristischen Person unter Hintansetzung formaler Bedenken ist geboten (wie hier auch Drobnig a. a. O. S. 94f.; Dempewolf a. a. O. 9 7 1 ; Hofmann N J W 1966, 1941 sowie Unger K T S 1959, 3 3 f . ; s. ferner die Nachweise bei Stauder G m b H R 1968, 72). Aber über die Rechtsform der juristischen Person darf nicht „leichtfertig oder schrankenlos" hinweggegangen werden (BGH 20, 4; 26, 31 (33); W M 1968, 892; siehe auch Möhring N J W 56, 1 7 9 1 ; Lewald N J W 1956, 785). Jeder Durchgriff stellt „einen schweren Eingriff in eine Grundform unserer Rechtsordnung dar" (BVerfGE, 13, 331 ff. [340] = BStBl. 1962, I, 500), der dem Wesen der juristischen Person, daß nämlich die Gesellschafter grundsätzlich nicht für Schulden der Gesellschaft in Anspruch genommen werden können, widerspricht (BVerfG in BStBl. 1967, I I I , 166). Die um einer „sachgerechten Entscheidung" willen (so Kuhn, W M 1956, 9) allein an vorgegebene Umstände anknüpfende objektive Mißbrauchslehre überschreitet bei der eindeutigen Wertung des Gesetzes die Grenzen einer noch zulässigen Rechtsauslegung: die mit der Zweckbestimmung der strengen Scheidung von Gesellschaft und Mitgliedern geschaffene juristische Person. Daß andererseits typische Tatbestände jetzt Gegenstand einer gesetzlichen Regelung geworden sind (im Konzernrecht, dazu s. Anm. 27) oder die Reformer auf den Plan rufen (vgl. § 47 RefEntw. eines GmbH-Gesetzes) steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Zur Durchgriffshaftung bei Einmanngesellschaften s. Anm. 32.

Anm. 26 d) Normanwendungs fälle Fälle, in denen bestimmte Normen als Adressaten zwar Menschen voraussetzen, deren Zweck aber u. U. auchjclie Anwendung auf juristische Personen erforderlich machen kann, stellen gleichfalls Durchgriffstatbestände dar. Derartige „Normanwendungsfalle" ergaben sich etwa bei der Feindvermögensgesetzgebung aller Staaten während der letzten Kriege. Wann ist eine juristische Person „Feind"? Während des ersten Weltkrieges wurden in Deutschland juristische Personen als feindlich gekannzeichnet, wenn sie durch feindliche Ausländer geleitet oder beaufsichtigt wurden oder feindliche Ausländer überwiegend am Kapital beteiligt waren (sog. Kontrolltheorie), § 3 Ges. vom 4. 8. 1914, R G B l . 327. Dies ist ein typischer Durchgriffsfall; denn bei formaler Betrachtung würde nur die alleinige Berücksichtigung von Sitz und/oder Ort der Gründung zulässig sein. Diese formal „richtige" Definition des Feindbegriffs bei juristischen Personen findet sich ausdrücklich — trotz Verschärfung des Wirtschaftskrieges — in der V O über die Behandlung feindlichen Vermögens vom 15. 1. 1940, RGBl. I 1 9 1 , § 3 Abs. 1 Ziff. 3, allerdings eingeschränkt durch § 12, der Verwalterbestellung für durch feindliche Ausländer kontrollierte Unternehmen ermöglichte, vgl. zum deutschen und ausländischen Recht Serick, S. 134 fr. mit zahlreichen Quellen; ferner Kuhn, W M 1956, 1 0 f f . Hinzuweisen ist hier auch auf die durch den sog. Überleitungsvertrag vom 23. 1 0 . 5 4 (BGBl. I I 1955, 215fr.) Teil 7, Art. 6 angeordnete Befreiung der Staatsangehörigen der Vereinten Nationen von den Lasten-

4.

51

§ 1 Anm. 27

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

ausgleichsabgaben, die auch unbeschränkt abgabepflichtige deutsche Aktiengesellschaften erfaßt, wenn mindestens 85% der Aktionäre Staatsangehörige der Vereinten Nationen sind, und zwar entsprechend der ausländischen Beteiligungsquote. Ähnliche Überlegungen liegen auch dem Urteil des L G Frankfurt/M. v. 16. 1 1 . 67 (BB 68, 482) zugrunde, wonach die in amerikanischen Mehrheitsbesitz übergegangene Deutsche Erdöl A G keinen Anspruch mehr auf staatliche Kredithilfe hat, die zur „Förderung der deutschen Erdölindustrie" gewährt wird (G v. 20. 12. 63, BGBl. I 995). Andere Wege ging die diskriminierende Rassengesetzgebung des nat.-soz. Staates. Hier genügte jede Beteiligung von Juden an Vorstand oder Aufsichtsrat oder eine 25%ige Kapitalbeteiligung und jeder tatsächliche beherrschende Einfluß, um eine A G oder jede andere juristische Person als „jüdisch" zu disqualifizieren (3. D V O zum ReichsbürgerG vom 14. 6. 38, RGBl. I 627). Folgerichtig mußte daher auch die Rückerstattungsgesetzgebung der Nachkriegszeit Aktiengesellschaften als „verfolgt" anerkennen, wenn die Aktionäre diskriminierenden Maßnahmen ausgesetzt waren, vgl. Art. 9 (Art. 7) am.-(brit.) MilRegG Nr. 59 und C o R A vom 1. 8. 55 (RzW 1955, 347) und vom 3. 8. 55 (a. a. O. 348) sowie BGHZ 10, 234 (weitere Einzelheiten bei Serick, NJW 1956, 895). Darüberhinaus sind A G nach §§ 142ff.BEntschG entschädigungsberechtigt (vgl. dazu BGH RzW 1958, 230; s. aber auch BGH W M 66, 146). Normanwendungsfälle gleicher Art bieten auch die weiteren Beispiele: Eine juristische Person kann „wirtschaftsfahig" gemäß den Bestimmungen des Höferechts sein, wenn bei ihren Gesellschaftern die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen (OGHZ 2, 314). Sie kann ferner „nicht vertrauenswürdig" im Sinne von § 1 1 9 Abs. 2 BGB (Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften) sein, wenn ihre Gesellschafter unzuverlässig sind ( R G Z 143, 429). Grundsätzlich hat es jedoch dabei zu bleiben, daß, auch wenn persönliche Verhältnisse in Frage stehen, es niemals auf die persönlichen Eigenschaften der Aktionäre, sondern nur die der Gesellschaft ankommt (Godin-Wilhelmi § 1 Anm. 7). So richtet sich die Inländereigenschaft (Staatsangehörigkeit) einer Aktiengesellschaft regelmäßig nach dem Personalstatut der Gesellschaft (s. Serick, S. 120 ff. und § 5 Anm. 7) unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Aktionäre ( R G Z 159, 42ff.); auch wird eine Aktiengesellschaft nicht zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wenn die öffentliche Hand, auch ab Alleinaktionär, an ihr beteiligt ist (§ 3 Anm. 4). Anm. 27 e) Konzernrecht Durch Zusammenfassung in einem Konzern oder durch sonstige Verflechtung oder Abhängigkeit verliert die juristische Person nicht ihre rechtliche Selbständigkeit (BGH 15, 389; 22, 234). Daran hat auch das jetzt in den §§ 15—22 und im Dritten Buch geregelte Konzernrecht nichts geändert. Allerdings bringt das Gesetz einen weiteren umfassenderen und damit wirksameren Schutz gegen Mißbrauch bei enger rechtlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit. Schon das AktG 1937 sah für Konzernunternehmen bestimmte Sonderregeln vor, etwa bei Aktienübernahme durch ein abhängiges Unternehmen (früher § 5 1 , jetzt § 56), bei Erwerb eigener Aktien durch ein abhängiges Unternehmen (früher § 65, jetzt § 71), bei Kreditgewährung ah Vorstandsmitglieder (früher § 80, jetzt § 89), bei den Gliederungsvorschriften der Jahresbilanz (früher § 131 Abs. 1 A, jetzt § 151 Abs. 1). Hier ansetzend ist durch die Reformdiskussion gefördert und vertieft schließlich in AktG 1965 eine umfassende Sonderregelung des Rechts der abhängigen und beherrschenden Gesellschaft geschaffen worden, sicher noch nicht vollkommen, aber in ihrer Art einmalig. Schon die Mitteilungspflichten (§ 20) stellen einen erheblichen Eingriff in das von dem Leitbild einer selbständigen juristischen Person beherrschten Aktienrecht dar, insbesondere wenn dem mitteilungspflichtigen Aktienbesitz von 2 5 % noch über die Vorschrift des § 16 Abs. 4 hinaus jede indirekte Beteiligung (§20 Abs. 2) zugerechnet wird. Hingewiesen sei auch auf die in § 90 (früher § 81) erheblich erweiterte Berichtspflicht des Vorstands hinsichtlich verbundener Unternehmen. Durchgriflsfälle im technischen Sinne sind das alles nicht. Auch die Verlustübernahme gemäß § 302 im Vertragskonzern ist nur eine gewissermaßen mittelbare Form einer gesetzlichen.

62

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1 A n m . 28

Durchgriffshaftung, ebenso ihre Entsprechung in § 3 1 1 : der Ausgleichsanspruch bei nachteiligen Maßnahmen im faktischen Konzern. Wohl aber können die in den §§ 303, 30g Abs. 4, 3 1 7 Abs. 4 und 322 geregelten Ersatzansprüche von Gläubigern als echte Durchgriffsfalle qualifiziert werden. Den Gläubigern der Untergesellschaft wird hier der direkte Zugriff auf die herrschende Gesellschaft ermöglicht. Es gilt aber auch für die im Konzernrecht geregelten Durchgriffsfalle, daß es sich um Ausnahmeregelungen handelt, die als solche eng auszulegen sind und sich zu einer Analogieanwendung auf entsprechende Tatbestände nicht eignen (vgl. auch Möhring-Tank, I 152). Wegen aller Einzelheiten muß im übrigen auf die Kommentierung zu den einschlägigen Vorschriften verwiesen werden, sowie auf die jüngst erschienene Monographie von E. Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969.

Anm. 28 f) Steuerrecht Zur Verhinderung von Steuerumgehungen oder Steuerverkürzungen mit Hilfe der Rechtsform der juristischen Person hat das Steuerrecht besondere Normen entwickelt, insbesondere um einem Mißbrauch der Rechtsform der juristischen Person zu steuern. Der damit verbundene Durchgriff auf die hinter der Gesellschaft stehenden Personen stellt keinen Verstoß gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 (1) G G entwickelte Gebot der Steuergerechtigkeit dar (BVerfG vom 1 1 . 1 1 . 1964, BVerfGE 18, 224ff* und vom 24. 1. 1962, BVerfGE 13, 331 ff.; zur Kritik s. Flume DB 62, 381). Als Generalklausel dienen § 6 StAnpG, wonach der Mißbrauch der Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Steuerpflicht nicht umgehen oder mindern kann, und § 1 Abs. 3 StAnpG, wonach die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei Würdigung der steuerlichen Sachverhalte zu berücksichtigen ist. Weitere wichtige steuerliche Durchgriffsfalle ergeben sich im Rahmen der sogenannten Organschaftslehre. Ist ein Unternehmen finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das herrschende Unternehmen derart eingegliedert, daß man es wirtschaftlich nur noch ab Glied des beherrschenden Unternehmens ansehen kann, so verliert es seine steuerliche Selbständigkeit. Dieser zunächst im Umsatzsteuerrecht entwickelte Grundsatz ist auch für die Körperschaftssteuer übernommen worden, wobei hier allerdings eine bindende Gewinnabführungsvereinbarung Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung eines Organverhältnisses ist, vgl. jetzt die Unternehmensverträge gemäß § 291 ff. und dazu zunächst Fin.Min. N R W in DB 1966, 91 sowie DB 1966, 1375 und nunmehr § 7 a K S t G i. d. F. des G vom 15. 8. 1969, BGBl. I 1182. Eine ausdrückliche steuerliche Privilegierung von Schachtelbeteiligungen gewährt ferner § 9 K S t G (dazu C. E. Fischer in NJW1954,700f.). Das GewStG betrachtet die Organgesellschaft als Betriebsstätte, also als steuerrechtlich unselbständig, § 2 Abs. 2 Ziff. 2 S. 2 GewStG i. d. F. des G vom 15. 8. 1969. Die steuerliche Haftung der Organgesellschaft für auf sie entfallende Steuern des herrschenden Unternehmens (§ 1 1 4 AO) ist die folgerichtige Durchführung der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise" des Steuerrechts (§ 1 Abs. 2 StAnpG). Die „Betriebsstättenbesteuerung" für beschränkt Steuerpflichtige tritt auch dann ein, wenn die Betriebsstätte in Form einer rechtlich selbständigen Kapitalgesellschaft betrieben wird, die von dem ausländischen Gewerbetreibenden wirtschaftlich und organisatorisch beherrscht wird (§§ 49 Ziff. 2 EStG, 16 StAnpG). In den internationalen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist allerdings regelmäßig bestimmt, daß die Tatsache allein, daß eine juristisch selbständige Tochtergesellschaft vorhanden ist, diese noch nicht zur Betriebsstätte der Muttergesellschaft macht, womit jedoch das Regel-Ausnahme-Verhältnis handelsrechtlich gesehen umgekehrt wird. Typische Umgehungsfalle sind im übrigen ausdrücklich gesetzlich geregelt und erfaßt: § 6 Abs. 1 S. 2 K S t G i. V . m. § 19 K S t D V O (verdeckte Gewinnausschüttungen); § 1 Abs. 3 GrunderwerbsStG (Steuerpflicht bei Vereinigung aller Anteile einer Kapitalgesellschaft in einer Hand); §§ 3, 4 KapVerkStG (Steuerpflicht auch bei darlehensweiser Kapitalzufuhr durch Gesellschafter oder durch Gesellschaften, an denen der Gesellschafter beteiligt ist, wenn dadurch eine an sich gebotene Kapitalerhöhung ersetzt wird). S.- auch die Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung (dazu BVerfG in

53

§1

Anm. 29

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

BStBl. 1969 II, 389) und zur Nichtanwendung des Verlustabzugs nach § 10 d E S t G beim sog. Mantelkauf (dazu BVerfG in BStBl. 1969 II, 331). Für weitere Einzelheiten sei insbesondere verwiesen auf die Monographien von Wilser, Der Durchgriff bei Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, i960 und Raupach, Der Durchgriff im Steuerrecht, 1968 und die früheren Arbeiten von Meilicke BB 1956, 728 und Raupach StuW 1964, 558.

Anm. 29 3. Normanwendungsfälle ohne Durchgriff Die in Anm. 26 erwähnten Beispiele sogenannter Normanwendungsfalle zeigen, daß es im Einzelfall geboten sein kann, Normen auch dann auf juristische Personen anzuwenden, wenn sie an sich menschliche Eigenschaften voraussetzen und somit der juristischen Person die Eigenschaften der hinter ihr stehenden natürlichen Personen zugerechnet werden müssen. Von diesen Fällen der Gleichsetzung von juristischer Person mit ihren Mitgliedern sind jedoch scharf zu scheiden die Fälle, in denen die Frage auftaucht, ob eine an sich auf natürliche Personen zugeschnittene Norm auch aufjuristische Personen angewandt werden kann, ohne daß dabei das Problem des Durchgriffs auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen akut wird. D a ß juristische Personen auch Träger von Rechten sein können, die primär zum Schutz des Menschen und der Menschenwürde geschaffen worden sind, sagt für den Bereich der Grundrechte Art. 19 Abs. 3 G G vom 23. 5. 49 (BGBl. 1) ausdrücklich. Soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind, gelten sie also auch als Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung bindendes Verfassungsrecht. Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3), die Eigentums- und Erbrechtsgarantie (Art. 14), aber auch das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2) — bestritten — haben fiir die A G Bedeutung, ebenso das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5), die Vereinsfreiheit (Art. 9), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13), ferner das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11) und Versammlungsfreiheit (Art. 9), das Petitionsrecht (Art. 17) sowie das Brief- und Postgeheimnis (Art. 10). Im einzelnen s. die Anm. zu § 396. Da die Grundrechte in keinem Fall in ihrem Wesensgehalt angetastet werden dürfen (Art. 19 Abs. 2), bilden sie somit auch für die A G einen wirksamen Schutz gegen ihr Eigenleben verletzende Eingriffe. Z u m Grundrechtsschutz ausländischer juristischer Personen s. Ritter in NJW 64, 279. Der strafrechtliche Ehrenschutz einer A G ist gleichfalls gewährleistet; dazu siehe Anm. 20 oben. M a n hat auch anerkannt, daß sie „belästigt" werden kann im Sinne von § 2 Abs. 1 MieterschutzG i. d. F. vom 15. 12. 42 (RGBl. I 712), vgl. N J W 1954, 1204. Es ist aber nicht angängig, die hier erörterten Beispielsfälle mit den echten Durchgriffsfallen gleichzusetzen, wie Serick (S. 119—190) das tut. Die juristische Person als solche, nicht ihre Mitglieder, genießen den Schutz der Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 3 G G , sie wird beleidigt oder belästigt, eines Durchgriffs auf das Substrat, die Menschen hinter der juristischen Person, bedarf es nicht. Das gleiche gilt etwa für die aus dem Gesetz zu entnehmende Auffassung, daß eine juristische Person Testamentsvollstrecker sein kann (§2210 Satz 3 B G B ; vgl. im Einzelnen Anm. 8 oben). Eine andere Frage ist, ob auch für eine juristische Person die Voraussetzungen zur Bestellung eines Pflegers, etwa wegen Abwesenheit gemäß § 1911 BGB vorliegen können; das wird vom Gesetzgeber bejaht, „wenn die Verbindung mit den zur Vertretung berechtigten Personen der juristischen Person unterbrochen oder erschwert ist", § 10 Zuständigkeits-ErgG vom 7. 8. 52 (BGBl. I 407). Auch hier handelt es sich nicht u m einen „ D u r c h g r i f f " : die juristische Person selbst, vertreten durch ihre Organe, ist „abwesend". Es soll nicht verkannt werden, daß sich die Tatbestände „ D u r c h g r i f f " oder die hier erörterte „entsprechende Anwendung" auf den ersten Blick zu überschneiden scheinen. Dazu diene noch folgendes Beispiel: Nimmt man (mit Serick, S. 179 gegen die herrschende Lehre, vgl. B G H N J W 1962, 956 und Palandt-Putzo, § 530 A n m . 1) an,

64

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm. 30

daß eine Schenkung an eine juristische Person wegen „groben Undanks" gemäß § 530 BGB widerrufen werden kann, so muß man den durchaus — etwa bei Familiengesellschaften — denkbaren Fall, daß eine Hauptversammlung einen „undankbaren" Beschluß fallt, womit die Gesellschaft selbst sich des groben Undanks schuldig macht, von dem Fall unterscheiden, daß sich alle oder einzelne Gesellschafter gegenüber dem Schenker grob undankbar verhalten und es erforderlich erscheinen mag, dieses Verhalten der Gesellschaft zuzurechnen. Nur der letztgenannte Fall wäre ein systemwidriger „Durchgriff".

VI. Die Einmanngesellschaft Anm. 30 A l l g e m e i n e s . Eine Einmanngesellschaft kann wegen der Vorschrift des § 2 nicht schon bei der Gründung entstehen, auch nicht immer unter Zuhilfenahme von Strohmännern (vgl. Anm. 16 zu § 2), jedoch ist es unschädlich, wenn die „Strohmänner" sich verpflichtet haben, nach durchgeführter Gründung ihre Aktien an einen Mitaktionär zu übertragen (vgl. für die G m b H B G H 21, 378). Bei Vereinigung sämtlicher Aktien in der Hand eines Aktionärs erlischt die A G nicht (so das französische Recht), sondern besteht als juristische Person fort. Gegen die Einmanngesellschaft sind seit jeher die verschiedensten begrifflichen Bedenken geltend gemacht worden; so will Schilling in Hachenburg § 13 Anhang Anm. 1 und J Z 1953, 161 ff. das Gesellschaftsvermögen als gebundenes Sondergut des Alleingesellschafters angesehen wissen. Die selbständige Rechtspersönlichkeit der Einmanngesellschaft ist jedoch gewohnheitsrechtlich anerkannt, s . s c h o n R G 68,172; 92,84; 98,289; 129,53; inJW 1904,503; K.GJ 31 A 167; O L G Dresden in L Z 1907,606; ferner B G H 21,383; 22,22gf. m . w . N . A u c h d a s A k t G 1965 geht von der gewohnheitsrechtlich bestehenden Möglichkeit einer Einmanngesellschaft aus (vgl. § 319), die zu verbieten im übrigen auch schon deshalb wenig praktisch wäre, weil sich ein solches Verbot allzu leicht umgehen ließe. Der Umstand, daß die Einmanngesellschaft auch mißbräuchlich oder in Schädigungs- oder Umgehungsabsicht verwandt worden ist und verwandt wird, ist nicht auszuschließen. Rasch (S. 62) weist aber mit Recht daraufhin, daß Einmanngesellschaften in der Hand juristischer Personen weniger problematisch sind als solche, die direkt oder indirekt von einer natürlichen Person beherrscht werden. I m Konzernwesen spielt die Einmanngesellschaft eine überragende und nicht wegzudenkende Rolle; wie Mißbräuchen entgegengetreten werden kann, ist in Anm. 25 und insbesondere in Anm. 32 ausgeführt. Die Zulässigkeit der Einmanngesellschaft ist sonach heute nicht mehr in Frage zu stellen; so übereinstimmend die Kommentare: Godin-Wilhelmi § 1 Anm. 13; BaumbachHueck, Anh. nach §262; Würdinger S. 313ff.; Leo in Die A G 1965, 352fr.; ferner Rasch, Konzernrecht, S. 6of.; siehe ferner die Literaturübersicht Anm. 23 oben sowie zum A k t G 1937: Ritter § 203 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski § 2 Anm. 14; Teichmann-Koehler § 1 Anm. 6; Friedländer S. 69ff.; s. auch die eingehenden Ausführungen bei Schilling in Hachenburg Anhang zu § 13 und Scholz § 15 Anm. 60 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen zum GmbHRecht sowie Reinhardt in Festschrift für Heinrich Lehmann 1956, S. 576 ff. Auch der Gesetzgeber erkennt die Einmanngesellschaft an, vgl. außer § 319 § 1 Abs. 3 G r E S t G und vor allem §§ 1, 3, 15, 24 U m w G . Durch § 15 U m w G ist sogar die Bildung einer Einmanngesellschaft durch Übertragung des Vermögens der A G auf den Hauptgesellschafter (mit einer Aktienbeteiligung von mehr als jetzt 90%, früher 7 5 % ) , der j a auch eine juristische Person sein kann, in einer rechtspolitisch nicht ganz unbedenklichen Weise unter Ausschaltung der Minderheitsaktionäre für zulässig erklärt worden (die Regelung ist aber nicht verfassungswidrig B V e r f G E 14, 263 fr. = N J W 62, 1667). Der Gesetzgeber hat damit die Konzernbildung nicht unerheblich erleichtert, eine Entwicklung, die zwar im Zuge der Zeit liegt, aber doch zunehmend aus wirtschaftspolitischen und rechtlichen Gründen in Frage gestellt wird (vgl. Einl. S. 33 und Bericht des Bundeskartellamts 1968, BT-Drucksache V/4236). Die Einmanngesellschaft ist ein unentbehrlicher Faktor bei Verwirklichung des Konzerntatbestands, auch gerade in

65

§1

Anm. 31

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

seiner reinsten Form, der gegenseitigen Beherrschung juristisch selbständiger Personen. A u c h bei der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand ist das Institut der Einmanngesellschaft unentbehrlich. Reformvorschläge zur Schaffung eines besonderen Rechtsinstituts der Einzelunternehmung mit beschränkter Haftung bei Verbot der Einmanngesellschaft als selbständiger juristischer Person im Gewände der A G oder G m b H (vgl. dazu Schilling in Hachenburg Allg. Einleitung Anm. 58 und neuerdings Wiethölter in Aktuelle Probleme der G m b H & Co., 1967, S. 11 ff. insbes. S. 39) sind bisher nicht Gegenstand gesetzgeberischer Vorarbeiten geworden. D a im ganzen die Einmanngesellschaft volkswirtschaftlich nicht gefahrlich und praktisch nicht zu entbehren ist, Mißbräuche aber auch durch die Rechtsprechung gesteuert werden können, kann eine Reform des Rechts der Einmanngesellschaft jedenfalls bis zur Durchfuhrung einer Reform des GmbH-Rechts zurückgestellt werden.

Anm. 31 Einzelfragen 1. Gründung Die selbständige Rechtspersönlichkeit der Einmanngesellschaft wird grundsätzlich nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Vereinigung sämtlicher Aktien in einer Hand schon bei der Gründung beabsichtigt war. V g l . § 2 Anm. 16 und B G H Z 21, 379.

2. Vermögen Das Vermögen der Aktiengesellschaft und das des Einzelaktionärs sind getrennt ( R G 129, 53; B G H 22, 22gf.), die A G bleibt rechtlich selbständige juristische Person (vgl. die in Anm. 30 zit. Rspr. und Literatur). Eine Identifizierung von Gesellschaft und Gesellschafter findet nicht statt, der Alleinaktionär haftet somit auch sowenig wie jeder andere Aktionär im Grundsatz persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, vgl. aber im einzelnen A n m . 32 unten. Die Geschäfte der A G sind nicht Geschäfte des Alleinaktionärs und umgekehrt (Börsentermingeschäfte, R G 85, 382; 87, 25; vgl. auch R G in SeuffA 88, 303). Demnach kann auch der Inhaber eines Warenzeichens gegenüber einer K l a g e auf Entziehung des Schutzes für im Betriebe nicht geführte Waren, sich nicht darauf berufen, diese Waren würden aber in einer G m b H geführt, deren Alleingesellschafter er sei ( R G 169, 240). Etwas anderes kann aber gelten, wenn bestimmte Normen auf persönliche Verhältnisse von natürlichen Personen zugeschnitten sind, der Normzweck es aber erfordert, sie auch auf juristische Personen anzuwenden, vgl. im einzelnen Anm. 26 oben „Normanwendungsfalle". Gerade bei der Einmanngesellschaft hat die Rechtsprechung unter Hintansetzung der Rechtsform einen Durchgriff auf den Alleinaktionär dann für zulässig gehalten, wenn es der Normzweck im Einzelfall erforderte. Da sich Durchgriffsfalle der hier behandelten Art, ohne daß eine systematische Erfassung möglich wäre, aus dem jeweils anzuwendenden Gesetz ergeben, ist ein Berufen auf Treu und Glauben, womit die Rspr. des R G auch den Durchgriff bei Normanwendung rechtfertigte, nicht erforderlich. Da es im Grundsatz allerdings auf die persönlichen Eigenschaften des Aktionärs, auch des Alleinaktionärs, nicht ankommen kann, da wir zwei scharf zu trennende Rechtssubjekte vor uns haben, wird man die im folgenden angeführten Beispielsfälle aus der Rechtsprechung keinesfalls zu einem allgemeinen Grundsatz verbreitern dürfen. Eine Identifizierung von Gesellschaft und Alleingesellschafter unter Beiseiteschieben der Rechtsform der juristischen Person und unter Abstellung auf die persönlichen Verhältnisse des Alleinaktionärs wurde anerkannt bei der Anfechtung wegen Irrtums über die Vertrauenswürdigkeit der juristischen Person ( R G 143,431) sowie im Aufwertungsrecht ( R G 129, 53; 130, 343). Auch können bei weitgehender Gleichsetzung der Rechtsverhältnisse von Gesellschaft und Alleingesellschafter dem vom Gesellschafter erhobenen Ansprüchen Einwendungen aus dem Verhältnis des Schuldners zur Gesellschaft ent-

56

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1 A n m . 31

gegengesetzt werden (BGH vom 8. i. 58 in W M 58, 463 = BB 58, 351). Ebenso spielt der Rechtserwerb im guten Glauben keine Rolle, wenn der bösgläubige Einzelaktionär an die gutgläubige A G veräußert; dieser wird die Kenntnis des Einzelaktionärs ohne weiteres zugerechnet, wie überhaupt immer geurteilt wird, wenn Veräußerer und Erwerber dieselben Personen sind, die sich nur in anderer Rechtsform gegenüberstehen ( R G 119, 126; J W 1929, I387 1 '). Die Rechtsprechung des R G zur Anwendung von § 892 BGB bei Grundstücksgeschäften zwischen Einzelaktionär und Gesellschaft ist, im Ergebnis wie hier, eingehend gewürdigt bei Serick S. 193 fr. A u c h kann die Verschiedenheit der Rechtspersönlichkeit einer Anfechtung auf Grund von Familienbeziehungen (§31 Nr. 2, § 32 Nr. 2 K O , § 3 Nr. 2, 4 AnfG) nicht hinderlich sein; in dieser Hinsicht werden z. B. Geschäfte zwischen der Ehefrau des Einzelaktionärs und der A G ebenso zu beurteilen sein wie Geschäfte zwischen der Ehefrau und dem Einzelaktionär selbst (vgl. für § 22 Abs. 1 A u f w G R G Z 130, 343). Entsprechendes ist für das Vergleichsverfahren anzunehmen (§§4, 75 VerglO). Bei der Frage, ob § 6 4 K O (verhältnismäßige Befriedigung des ausgefallenen Gläubigers, der abgesonderte Befriedigung verlangen kann) oder § 68 K O (Gesamtschuldverhältnis) anzuwenden ist, hat das R G unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten jedoch mit Recht an der rechtlichen Trennung des Gesellschaftsvermögens vom Vermögen des Alleingesellschafters festgehalten ( R G 156, 271 [277]). Dagegen ist etwa die Bewilligung des Armenrechts für eine A G erst dann möglich, wenn die Gesellschaft selbst und die an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten mittellos sind, § 114 Abs. 5 Z P O ; bei der Einmanngesellschaft sind also auch die Vermögensverhältnisse des Alleinaktionärs in Betracht zu ziehen. Anders für die Rechtslage vor der ZPO-Novelle 1933 O L G Frankfurt/M. J W 1925, 654. Weitere Einzelfalle zum Zivilprozeß- und Konkursrecht der Einmanngesellschaft s. bei Friedländer S. 81 f. Die konzernrechtlichen Vorschriften finden auf das Verhältnis zwischen Alleinaktionär und A G dann Anwendung, wenn der Alleinaktionär ein „ Unternehmen" i. S. von § 15 ist. Es gelten dann die Begriffsbestimmungen (§§ i6fF.), die Mitteilungspflichten und die Vorschriften des Dritten Buches. Wegen Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu den einschlägigen Vorschriften zu verweisen; ferner auf Würdinger, S. 314fr. und Leo in Die A G 1965, 352 fr. 3. O r g a n e Die Organe der A G bleiben die gesetzlich vorgeschriebenen. Der Einzelaktionär kann sich aber selbst zum Mitglied des Aursichtsrats bestimmen, er kann sich auch vom Aufsichtsrat zum Vorstand bestellen lassen (vgl. K G J 40 A 73). Z u beachten sind aber die Bestimmungen über die Mindestzahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 95) und die Vorschriften über die Beteiligung von Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach § 76 BetrVerfG, dem MitbestimmungsG für die Eisen und Stahl erzeugende Industrie und dem MitbestimmungsG für Montan-Holding-Gesellschaften. Ist der Alleinaktionär eine natürliche Person und hat die A G weniger als 500 Arbeitnehmer, so ist eine Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht vorgeschrieben, § 76 Abs. 6 BetrVerfG. Es gilt auch natürlich § 105 — Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat — . Es gelten weiterhin die persönlichen Voraussetzungen für Mitglieder des Aufsichtsrats, also Höchstzahl der Aufsichtsratssitze und das Verbot der sog. Überkreuzverflechtungen (§ 100). Wird dem Alleinaktionär als Vorstand Gehalt bewilligt, darf das Verbot der Rückgewähr von Einlagen (§ 57) nicht verletzt werden; das Gehalt muß sich also in angemessenen Grenzen halten, die den Verhältnissen der A G entsprechen. In die Lage, sich selbst Vorstandsgehalt zu bewilligen, kann der Alleinaktionär nach den §§ 84 fr. nicht kommen. Das Steuerrecht erkennt gleichfalls, da Gesellschaft und Alleinaktionär getrennte Steuersubjekte sind, die Vorstandsbezüge des Alleinaktionärs als abzugsfähige Betriebsausgaben an ( R F H in StuW 33, Nr. 107; s. aber auch B F H 61, 515). Unangemessen hohe Bezüge sind jedoch als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln, § 6 K S t G mit § 19 Ziff. 1 K S t D V O 1964, ebenso Gehaltsnachzahlungen (BFH 67, 281). Als Vorstand kann der Einzelaktionär Geschäfte mit sich selbst nur insoweit machen, als es ihm vom Aufsichtsrat gestattet ist, oder das Geschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht, § 181 BGB ( R G 68,

57

§1

Anm. 31

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

179; 85, 383); B G H 33, 189; wie hier Baumbach-Hueck, §262 Anh. A n m . 9, Ritter Anm. 7(b) zu § 203 und § 78 Anm. 24; die gegenteilige Auffassung von Friedländer S. 75 m. w. N. ist abzulehnen; vgl auch Serick S. 200ff. und Schilling in Hachenburg Anm. 13 zu § 36. Liegt eine Gestattung zum Selbstkontrahieren durch den Aufsichtsrat nicht vor, so ist ein gegen § 181 BGB verstoßendes Geschäft des Alleinaktionärs als Vorstand mit sich selbst nicht schlechthin nichtig, sondern schwebend unwirksam ( R G 119, 116, std. Rspr.), kann also nachträglich durch den Aufsichtsrat genehmigt werden ( § 1 1 2 AktG) s. § 78 Anm. 25. Schließlich kann auch der Einzelaktionär als Vorstand einem Dritten Vollmacht erteilen und dann im eigenen Namen durch den Bevollmächtigten mit der Gesellschaft kontrahieren (vgl. R G 108, 407).

4. Hauptversammlung Die Hauptversammlungen müssen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Da es sich notwendigerweise um eine Universalversammlung handelt, ist eine Einberufung entbehrlich (BGH 12, 339). Gewinnverteilung und Entlastung sind in den gesetzlichen Formen zu beschließen ( R G 119, 229). Ist der Einzelaktionär Vorstand, kann er sich selbst entlasten, § 181 BGB gilt insoweit nicht (Ritter Anm. 7(c) zu § 203) und § 136 Abs. 1 ist sinngemäß unanwendbar (allgemeine Ansicht). Einer „Feststellung" der Beschlüsse des Einzelaktionärs durch den Versammlungsleiter bedarf es nicht, ist aber zu empfehlen (Baumbach-Hueck, § 262 Anh. Anm. 10), der Beschluß ist jedoch niederzuschreiben, ordnungsgemäß nach § 130 zu beurkunden ( R G 119, 230) und zum Handelsregister einzureichen. Auch muß der Einzelaktionär sich gegenüber dem Notar als Besitzer aller Aktien legitimieren ( K G J 31 A 164; B a y O b L G Z 26, 104). Auch der Einzelaktionär kann aber seine Rechte in der Regel nur in der Hauptversammlung ausüben ( § 1 1 8 Abs. 1). § 117 Abs. 1 gilt für ihn (Godin-Wilhelmi Anm. 13). A u c h kann er von ihm gefaßte Beschlüsse nicht anfechten (§ 243), wohl aber aufheben.

5. Erhaltung des Grundkapitals Die Vorschriften über die Erkaltung des Grundkapitals (§§ 57, 66), über den Gläubigerschutz bei der Kapitalherabsetzung und Abwicklung (§§ 225, 272), über den Jahresabschluß, dessen Prüfung und Veröffentlichung (§§ 148fr.), über die Notwendigkeit, rechtzeitig Eröffnung des Konkurses oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen (§ 92 Abs. 2), gelten auch für die Einmanngesellschaft.

6. Gesamtrechtsnachfolge Das Vermögen der A G wird auf den Einzelaktionär nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen, sondern durch Übertragung der einzelnen Vermögensstücke, also durch Übergabe, Auflassung, Abtretung ( K G J 25 A 129; K G O L G 19, 338; BayO b L G in J W 1926, 2377). Der Vorgang spielt sich aktienrechtlich in den Formen des §361 ab. Der schuldrechtliche Verpflichtungsvertrag bedarf der notariellen Beurkundung; er kann, abweichend von § 310 BGB, das künftige Vermögen der A G zum Gegenstand haben (§ 361 Abs. i, § 341 Abs. 1). Wird aus Anlaß der Übertragung des Gesellschaftsvermögens die Auflösung der A G beschlossen, so findet Abwicklung statt (§ 361 Abs. 3). Eine erleichterte Form der Vermögensübertragung, nämlich durch Gesamtrechtsnachfolge bietet § 15 UmwandlungsG 1969 (BGBl. I 2081).

7. Verkauf aller Aktien Verkauft der Einzelaktionär seine sämtlichen Aktien an einen anderen, so ist es Auslegungsfrage, ob dadurch das Unternehmen als solches mitverkauft ist. Meistens wird das anzunehmen sein, und es finden alsdann auf den Vertrag die Vorschriften über Gewähr für Rechts- und Sachmängel des Unternehmens Anwendung ( R G 98, 289; 100, 200; 120, 287; 122, 381; J W 1929, 641®, 1374 10 ; 1930, 3740 7 ; R G in SeuffA 88, 303). Eine kritische Würdigung dieser Rechtsprechung und der einschlägigen Literatur bringt NeumannDuesberg in W M 68, 494 fr. und W M 1969, 1002; s. auch Wiedemann in Festschrift für H. C . Nipperdey Bd. I S. 815. Die Übernahme aller Aktien ist für sich allein keine Vermögensübernahme im Sinne des § 4 1 9 BGB ( R G im „ R e c h t " 1929 Nr. 1218).

58

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm. 32

Anm. 32 Durchgriffshaftung Eine persönliche Haftung des Einzelaktionärs für die Schulden der A G besteht grundsätzlich nicht ( B G H 22, 229f.). Aber schon nach der Rechtsprechung der R G schloß das nicht aus, daß bei der Höhe einer Aufwertungsschuld der A G die persönlichen Verhältnisse ihres Einzelaktionärs nach Treu und Glauben berücksichtigt wurden ( R G 129, 53 für die GmbH, vgl. auch R G bei Gruchot 71, 526). Es schließt ferner nicht aus, daß der Einzelaktionär sich aus unerlaubter Handlung für die A G haftbar machen kann; in Betracht kommt außer § 62 A k t G namentlich § 826 BGB. Er kann sich gegenüber der A G auch der Untreue schuldig machen (§§ 93 und 266 StGB). Eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen einer Einmann-AG allein auf Grund eines Titels gegen den Alleingesellschafter ist aber unzulässig (BGH N J W 1957, 1877 = BB 1957, 1119). Es tritt eine persönliche Haftung des Einzelaktionärs für die Schulden der Gesellschaft entgegen der Regel des § 1 ein, wenn die Verwendung der Rechtsfigur der juristischen Person mißbräuchlich ist. Vgl. dazu Anm. 23 ff. oben. Allerdings genügt nicht allein die Feststellung, daß die Verwendung der juristischen Person (objektiv) dem Zweck der Rechtsordnung widerspricht (BGH 22, 231; 20, 14), sondern der Mißbrauchstatbestand muß auch das subjektive Element der Schädigung Dritter oder des Verstoßes gegen die Rechtsordnung enthalten (s. oben Anm. 25). Uber die eingangs in dieser Anmerkung erwähnte Rechtsprechung zum Aufwertungsrecht hinaus sind seit 1948 „Durchgriffs"-Probleme bei Einmanngesellschaften besonders im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung von Forderungen gegen das Deutsche Reich mit Forderungen von Reichsgesellschaften erörtert worden. Der B G H hat unter bestimmten Voraussetzungen die Aufrechnung zugelassen, wenn nämlich die Reichsgesellschaft lediglich eine juristisch verselbständigte Erscheinungsform des Reiches war, ohne eigene Willensbildung und ohne eigene Vermögenssubstanz, es sich also in Wirklichkeit um eine weisungsgebundene Dienststelle des Reiches handelte, so B G H 3, 316; s. ferner B G H 10, 205; 15, 27; 17, 19 und B G H N J W 1952, 817; L M Nr. 28 zu § 242 (Cd) BGB; Nr. 18 zu § 387 BGB; W M 1956, 635. Diese Rechtsprechung rechtfertigte sich schon aus der außergewöhnlichen Nachkriegssituation, wo einerseits Reichsgesellschaften, die ausschließlich Kriegs- und Rüstungszwecken dienten und nur der Form nach als Gesellschaften des privaten Rechts betrieben wurden, mit erheblichen Forderungen auf den Plan traten, andererseits die Verbindlichkeiten des Reiches nicht bedient wurden. Ähnliche Erwägungen rechtfertigen auch die Durchgriffsrechtsprechung in Entschädigungsfällen (BGH in W M 64, 69 und 66, 146). Jedoch wäre die zitierte Rechtsprechung außerordentlich bedenklich, wenn sie als Einbruch in den Fundamentalgrundsatz des Korporationsrechts gedeutet würde, der eine strenge Trennung des Gesellschaftsvermögens vom Gesellschaftervermögen fordert; vgl. insbesondere kritisch zur Aufrechnungs-Rechtsprechung des B G H Lehmann J Z 1952, 289 fr.; Serick S. 12ff., 49ff.; Schilling in Hachenburg § 13 Anhang Anm. 5, jeweils mit zahlreichen weiteren Literatur- und Rechtsprechungsnachweisen. Auch der B G H hat dann eine Übertragung der Grundsätze, die zur Aufrechnung gegenüber Forderungen der Kriegsgesellschaften von der Rechtsprechung entwickelt worden sind, auf normale Erscheinungsbilder des Erwerbslebens abgelehnt (BGH 26, 31). Eine Identifizierung von Alleingesellschafter und Gesellschaft läßt sich nur rechtfertigen, wenn im einzelnen Fall sich eine mißbräuchliche, den Zwecken der Rechtsordnung widersprechende Verwendung der juristischen Person ergibt. Dabei kann der Tatbestand eines Mißbrauchs auch gegeben sein, wenn der Einmann den Anschein einer persönlichen Haftung erweckt (dazu schon R F H 26, 1438). Eine nur ausnahmsweise zulässige Identifizierung des Alleinaktionärs mit der Gesellschaft ist, außer wenn der Anschein einer persönlichen Haftung erweckt wird (s. auch Baumbach-Hueck Anh. nach § 262 Anm. 6; ferner B G H 5, 1 1 1 ; 12, 105; 17, 13; 22, 226; B G H W M i960, 1119), auch dort angebracht, wo der Alleingesellschafter sein Vermögen mit dem der Gesellschaft vermischt ( O L G Karlsruhe, D R 1943, 811). Hierher gehört auch der Fall, daß die Gesellschaft aus einem Wechsel ihres (nicht vertretungsberechtigten) Alleingesellschafters dann verpflich-

59

§1

Anm. 32

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

tet wird, wenn sie den Wechsel in ihr Bankbuch einträgt und ihn zur Gutschrift auf ein Gesellschaftskonto der Bank zum Einzug übergibt ( O L G Nürnberg, W M 1955, 1566). Im Wechselrecht wird ferner bei Organbeziehungen durchgegriffen, mit der Wirkung, daß der Obergesellschaft Zahlungen an die Organtochter entgegengehalten werden können; O L G Stuttgart J Z 65, 415, O L G Hamm J Z 65, 416 und dazu Maschall v. Bieberstein J Z 65, 403 fr. Einen Durchgriff verlangen Treu und Glauben und die Rücksicht auf den redlichen Geschäftsverkehr auch, wenn der Alleingesellschafter einen Versicherungsfall herbeiführt: die Gesellschaft kann dann keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag herleiten (Bruck, Privatversicherungsrecht, S. 653, A n m . 25). Ebenso ist es nicht angängig, daß der Alleingesellschafter, um empfangene Schmiergelder behalten zu können, die er, wenn er sie unmittelbar erlangte, gemäß § 667 BGB an seinen Auftraggeber abführen muß, die Einmanngesellschaft vorschiebt ( R G D R 1940, 580). Ein Anfechtungsrecht nach § 31 Nr. 1 K O ist allerdings allein deshalb, weil der Alleingesellschafter sich in Kenntnis vorhandener Uberschuldung (eine GmbH) ein der Gesellschaft gewährtes Darlehen hat zurückzahlen lassen, nicht anerkannt worden (BGH BB 1969, 1061 = W M 69, 1079). Eine Identifizierung von Einmanngesellschaft und Alleingesellschafter ist aber niemals dann gerechtfertigt, wenn sie der Gesellschaft oder dem Gesellschafter aus irgendwelchen Gründen gewünscht erscheint ( R G 169, 248). Wer sich der Rechtsform der juristischen Person bedient, muß sich die rechtliche Trennung des eigenen Vermögens von dem der Gesellschaft gefallen lassen. Allein wenn der Schutz Dritter und des redlichen Geschäftsverkehrs in Frage steht, kann ein sich als Rechtsmißbrauch darstellender Verstoß gegen Treu und Glauben ein Hintansetzen der Rechtsform der juristischen Person gebieten ( R G 156, 277). Die „ M a c h t des Lebens" und „die wirtschaftlichen Tatsachen" ( R G 129, 50) allein rechtfertigen einen Durchgriff auf den Alleingesellschafter nicht (vgl. oben Anm. 25). A u c h die Unterordnung der Rechtsform der juristischen Person unter die Zweckbestimmung anderer Rechtsnormen läßt nur in den sog. Normanwendungsfallen (s. dazu A n m . 26 oben) den Durchgriff a b zulässig erscheinen. Auch die Ausfuhrungen von Reinhard in der Festschrift für Heinrich Lehmann bringen, soweit Identitätsprobleme bei der Einmann-AG in Frage stehen, keine wesentlich neuen Gesichtspunkte. Reinhard stellt, unter Ablehnung der Mißbrauchslehre, auf ein „Leitprinzip des Verkehrs" ( = Grundsatz des rechten Verhältnisses von Eigenkapital und Unternehmerrisiko) ab. Zunächst muß schon gefragt werden, ob dieser angebliche Leitsatz wirklich die Bedeutung eines Bestandteils des ordre public unserer Rechtsordnung darstellt, mit der Folge, daß dessen Verletzung einen Durchgriff rechtfertigt. Sicher ist es Voraussetzung einer gesunden Wirtschaftsführung, daß Kapitalbasis und Unternehmenszweck in einer vertretbaren Relation zueinander stehen. Das gilt für Einzelfirmen, Personengesellschaften und juristische Personen gleichermaßen. Diese betriebswirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten sind aber gerade nicht Bestandteil der ÄecAtiordnung; bei Uberschuldung und Zahlungsunfähigkeit treffen §§ 92, 401,- 268 Abs. 2 und die einschlägigen Bestimmungen der K O Vorsorge. Bei der Einmann-Gesellschaft, wie bei jeder anderen A G mit zahlreichen Aktionären, ist aber nun einmal kraft Gesetzes das mit dem Unternehmenszweck verbundene Geschäftsrisiko auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Sollen denn etwa auch bei einer erheblich unterkapitalisierten A G , wenn sie unter Mißbrauch des betriebswirtschaftlich vertretbaren Risikos Geschäfte tätigt, die sich als Fehlschlag erweisen, schon deshalb die Aktionäre in Anspruch genommen werden können? Bei den strengen Publizitätsvorschriften des A k t G liegen für jeden, der mit einer A G in Beziehungen tritt, die Kapitalverhältnisse offen zutage, auch ein gegebenenfalls offenbares Mißverhältnis zwischen Unternehmenszweck und Eigenkapital; auch ist die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Eigenkapital unter dem geltenden Steuerrecht erheblich kostspieliger als Fremdfinanzierung (vgl. dazu Meilicke „Steuerlich günstige Formen der Unternehmensgestaltung" in Steuerberater-Jahrbuch 1956/57 S. 181 ff., wo eingehend die maßgeblichen steuerlichen Gesichtspunkte dargestellt sind). Aus dem Finanzgebaren einer A G allein also auf die Verletzung allgemeiner Ordnungsgrundsätze der Wirtschaft zu schließen, ist auch wieder nur dann möglich, wenn ein betriebswirtschaftlich und kaufmännisch nicht mehr vertretbarer Mißbrauch zum Zweck der Schädigung der Gesellschaftsgläubiger getrieben

60

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1 Anm. 33, 34

wird. Gegen die Lehre, die Haftungsbeschränkung bei einem dem (anfänglichen) Unternehmenszweck nicht angemessenen Kapitaleinsatz zu versagen, auch Ballerstedt GmbH-Rdsch. 1967,66 (69). Neuerdings hat Wiedemann (in Die Haftung des Gesellschafters . . . S. 17 fr., s. auch S. 145) wieder für die GmbH einen angemessenen Kapitaleinsatz als Voraussetzung der beschränkten Haftung gefordert; für die A G kann diese Lehre nicht übernommen werden. Auch die sich bei der sog. unterkapitalisierten GmbH ergebenden Probleme können auf das Aktienrecht nicht übertragen werden; wir haben es hier mit Fragen zu tun, die ihren Grund insbesondere in dem Fehlen jeglicher Publizitätspflichten und von Regelungen über die Rechnungslegung im GmbH-Recht haben; vgl. dazu etwa BGH 31, 258 (aögfT.); Hofmann NJW 66, 1941; Erlinghagen GmbHR 62, 169; Dempewolf DB 1961, 969; 1011, jeweils mit weiteren Nachweisen; ferner O. Kuhn a. a. O. S. 222 ff. Der im Frühjahr 1969 veröffentlichte Referentenentwurf zu einem neuen GmbHG enthält außer Vorschriften über Rechnungslegung (§§ 127 fr.) auch gewisse Publizitätspflichten (§§ 152 fr.) und Sonderregeln über kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (§47). Anm. 33 Steuerrecht Auch das Steuerrecht geht, trotz der hier vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise rechtlicher Formen und Gestaltungsmöglichkeiten, grundsätzlich von der Trennung der Einmanngesellschaft und des Alleinaktionärs als zweier verschiedener Steuersubjekte aus (vgl. Anm. 32 Ziff. 3 oben). Darüber hinaus ist die Einmanngesellschaft auch ausdrücklich in verschiedenen Steuergesetzen erwähnt: auf § 1 Abs. 3 GrErwStG wurde schon hingewiesen, s. ferner § 3 Abs. 1 Ziff. 3 VermStG, §§ 7 Abs. 1 Ziff. 2 und 13 Abs. 1 Ziff. 2 KapVerkStG. Steuerumgehungen werden allerdings immer durch § 5 (Scheingeschäfte) und § 6 (Mißbrauch von Rechtsformen) des StAnpG bekämpft werden können. Über Einzelheiten der steuerlichen Behandlung von Einmanngesellschaften mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des RFH und BFH siehe insbesondere bei Bühler, Steuerrecht der Gesellschaften und Konzerne 3. Aufl. S. 171 ff. und Schilling in Hachenburg, § 13 Anhang Anm. 9 f. Bei der größeren Elastizität des Steuerrechts und wegen zahlreicher positiver Regelungen zur Verhütung von Steuerumgehungen (vgl. Anm. 28) haben „Durchgrifisfalle" in der steuerlichen Praxis bei Einmanngesellschaften keine erhebliche Rolle gespielt, wenn sich auch Ansätze zeigen (RFH in RStBl. 1929, 60 und 1934, 740), vgl. Bühler a. a. O. S. 265fr., insbesondere S. 270fr. VII. Rechte und Pflichten der Aktionäre Anm. 34 1. Treupflicht Es besteht, insbesondere im Anschluß an die reichsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. u. a. RGZ 146, 385) eine umfangreiche Literatur über die sog. Treupflicht im Aktienrecht. Hingewiesen sei etwa auf Filbinger, Die Schranken der Mehrheitsherrschaft im Aktienrecht und Konzernrecht, 1942; Fecher, Die Treubindungen des Aktionärs, 1942; Hueck, Der Treugedanke im modernen Privatrecht, 1947; Küster, Inhalt und Grenzen der Rechte der Gesellschafter, 1954; R.Fischer in NJW 1954, 777, Würdinger, Aktienrecht S. 50 und Schilling in Hachenburg § 14 Anm. 26f., jeweils mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur; zur historischen Entwicklung s. Mestmäcker a. a. O. S. i 3 f f . Soweit eine Uberbewertung eines angeblichen Treuverhältnisses der Aktionäre untereinander wie auch zwischen ihnen und der Gesellschaft seinen Grund in Konzessionen an Ideologien der 20er und der 30er Jahre hatte, braucht auf diese Lehren nicht eingegangen zu werden. Es scheint aber überhaupt verfehlt, in Beziehungen der kapitalistisch organisierten Aktiengesellschaft einen juristisch nicht greifbaren Treubegriff einzuführen, es sei denn, es soll damit nichts anderes gesagt werden, als daß jede Rechts-

61

§1

Anm. 35

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

ausübung den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unterliegt, auch natürlich im Aktienrecht. Ebenso bedarf es zur Begründung des sich aus der Verbandsstruktur der Aktiengesellschaft als einer nach rechtsstaatlichen Grundsätzen organisierten Körperschaft ergebenden Grundsatzes auf gleichmäßige Behandlung (Art. 3 GG) nicht eines besonderen (aktienrechtlichen) Treubegriffs, wie etwa Ritter (Vorbem. 4) meint (wie hier Godin-Wilhelmi, § 1 Anm. 2; Baumbach-Hueck, Ü b . vor § 54 Anm. 1 1 ; MöhringTank, R z 178; Würdinger a. a. O . ; Obermüller-Werner-Winden, S. 101; zum Gleichheitsgrundsatz siehe unten Anm. 36). Im einzelnen: Eine, wie behauptet wurde, gar personenrechtliche Treubindung der einzelnen Aktionäre untereinander besteht nicht. Sie stehen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Gesellschaft nebeneinander und in Rechtsbeziehungen nur zur Gesellschaft selbst. Der B G H hat das mit aller Deutlichkeit ausgesprochen (BGH 18, 365; siehe auch Baumbach-Hueck a. a. O . ; Godin-Wilhelmi a. a. O.). Es ist also auch, anders als im Recht der Personalgesellschaften, der Ausschluß eines Aktionärs aus „wichtigem Grunde" nicht möglich (BGH 9, 163). Eine andere Frage ist, wo die Grenzen liegen, innerhalb deren Handlungen eines Aktionärs noch als mit Treu und Glauben vereinbar angesehen werden können. Die Antwort gibt das Gesetz in § 117, in dem es bei vorsätzlichem Handeln zum Schaden der Gesellschaft oder der Aktionäre eine Schadensersatzpflicht begründet (neben §826 BGB). Auch dies erklärt sich aber nicht aus einer besonderen aktienrechtlichen Treupflicht gegenüber der Gesellschaft oder den anderen Aktionären, sondern stellt den besonderen Tatbestand einer unerlaubten Handlung dar. Mit mehr Berechtigung ließe sich von einem Treuverhältnis sprechen, wenn durch Machtausübung der Mehrheit Minderheitsrechte ungebührlich eingeschränkt werden. Anfechtbarkeit gemäß § 243 bei Sittenverstoß und unzulässiger Rechtsausübung bei Ausübung des Stimmrechts gewährt hier neben § 1 1 7 den erforderlichen Rechtsschutz. Darüber hinaus macht die Verfolgung gesellschaftsfremder oder gesellschaftsschädlicher Vorteile die Beschlußfassung anfechtbar; bis zu dieser Grenze ist auch eine Mehrheit, zu schweigen vom Einzelaktionär, nicht gehalten, ihre eigenen Interessen hinter denen der Gesellschaft oder einer Minderheit zurückzustellen. U n d selbst die Verfolgung eigensüchtiger Sonderinteressen ist zulässig, § 243 Abs. 2 mit § 117 Abs. 7 Ziff. 1 bis zur Grenze der Schädigung der Gesellschaft oder anderer Aktionäre. Weitere Schranken der Mehrheitsherrschaft im Konzern sind die § § 3 1 1 , 317. Zur Stimmrechtsausübung siehe im übrigen die Erläuterung zu § 134. Da somit auch die Schranken der Stimmrechtsausübung durch das Gesetz gezogen sind und eine weitergehende Beschränkung der freien Stimmrechtsausübung sich allein durch das aus dem Begriff von Treu und Glauben herzuleitende Verbot des Rechtsmißbrauchs ergibt, ist auch hier der Treubegriff an sich für das Aktienrecht entbehrlich. Während der B G H demgegenüber das Verbot des Stimmrechtsmißbrauchs auch aus einer nicht näher begründeten Treupflicht des Aktionärs herleitet (BGH 14, 38), lehnt er mit Recht eine bestehende Treupflicht des Aktionärs in einem Falle ab, in dem es um die Erhebung der Nichtigkeitsklage durch einen Aktionär geht: auch ein Aktionär sei nicht verpflichtet, gesetzlich unbefristete Rechte alsbald oder innerhalb einer bestimmten Frist geltend zu machen ( B G H in L M § 197 A k t G Nr. 1). Schließlich wird in einer der letzten Entscheidungen zum Auskunftsrecht (BGH 36, 121 [129, i35f.]) sogar dann, wenn der Aktionär ausdrücklich eigene spekulative Interessen vor die der A G stellt, ein Rechtsmißbrauch offenbar verneint; dazu und allgemein zur Frage der Ausübung aktienrechtlicher Mitgliedschaftsrechte im Rahmen von Treu und Glauben s. v. d. Burg in Die A k t G 1962, 92.

Anm. 35 2. Sonderrechte Den Pflichten der Aktionäre stehen ihre Rechte gegenüber. Alles dies ist in der Mitgliedschaft enthalten (Anm. 39). Rechte und Pflichten der Aktionäre lassen sich, wie die aller Körperschaftsmitglieder, in ,,allgemeine" und „besondere" einteilen. Die besonderen Mitgliederrechte werden auch Sonderrechte genannt, die besonderen Mitgliederpflichten Sonderpflichten. Hier soll zunächst von den Sonderrechten die Rede sein, von

62

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm. 35

denen § 3 5 BGB bestimmt: „Sonderrechte eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluß der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden." Das ist ein Grundsatz, der für alle Körperschaften gilt. Er gilt auch für die A G (Denkschrift 1897 S. 154), wenn auch mit Einschränkung, vgl. auch Jungs, Der vereinsrechtliche Sonderrechtsbegriff und seine Bedeutung im Aktienrecht, Diss. Berlin 1968. Uber den Begriff der Sonderrechte entstand mangels gesetzlicher Definition ein umfangreiches Schrifttum (vgl. hier vor allem Gadow, Gruchot, Bd. 66, 514fr. mit weiteren Angaben und L Z 1932, 921), in welchem sich die verschiedensten Theorien gegenüberstehen. Die praktischen Auswirkungen dieses Streits sind jedoch, trotz gewisser Schwankungen in der Rechtsprechung (vgl. insbesondere R G in H R R 1929, 1558 u. 1932, 1287 sowie R G 136, 190 u. früher R G 49, 151; 104, 256, gegenüber R G 49, 198; 57, 174; 68, 212) äußerst gering. Zur historischen und rechtstheoi;etischen Bedeutung s.. Mestmäcker, S. 9 ff. Eine für das Aktienrecht oder gar das gesamte Verbandsrecht gültige Theorie ist bei dem bestehenden Meinungsstreit nicht zu begründen. Doch ist in der neueren Literatur und Rechtsprechung ( R G 170, 368) eine deutliche Tendenz erkennbar, den fruchtlosen Streit dadurch zu beenden, daß man sich der engeren Begriffsbestimmung anschließt, die als Sonderrechte nur solche Vorrechte einzelner Mitglieder oder Gruppen von Mitgliedern ansieht, die auf der Mitgliedschaft beruhen, aber nicht allgemeiner Natur sind, sondern durch Satzung oder satzungsändernde Beschlußfassung begründet worden sind, vgl. Schilling in Hachenburg, § 14 Anm. 18; Baumbach-Hueck, U b . § 5 4 Anm. 5; Ritter, § 102 Anm. 2d (bb); Scholz, § 14 Anm. n ; EnneccerusNipperdey, S. 444; wohl auch Godin-Wilhelmi, § 1 Anm. 4; ferner Würdinger, S. 48. Diese engere Auffassung des Begriffs, als Sonderrechte nur durch die Satzung gewährte Vorrechte anzusehen, verdient, unter Aufgabe der in der 1. Auflage von Gadow vertretenen Theorie, den Vorzug. Damit werden die Sonderrechte klar von den allgemeinen Mitgliederrechten (vgl. Anm. 40), vor allem von dem dem Verbandsrecht immanenten Grundsatz des Rechts auf gleichmäßige Behandlung (vgl. Anm. 36) und von den aus der Mitgliedschaft erwachsenen und sonstigen Gläubigerrechten sachlich und sprachlich klar abgegrenzt. Sonderrechte sihd also Vorrechte, die einzelnen Aktionären oder Gruppen von Aktionären (vgl. dazu die Anm. zu § 11) kraft Satzung zustehen und deren Schutz sich entweder aus der Satzung selbst oder aus § 35 BGB ergibt. Da die Sonderrechte ein auf der Mitgliedschaft beruhendes Recht sind, müssen sie abgegrenzt werden zu den allgemeinen Mitgliederrechten, die besondere Vorrechte nicht begründen, jedoch gleichfalls auf der Mitgliedschaft beruhen, und die damit wieder etwas anderes sind als Rechte, die gleichermaßen Mitglieder wie Nichtmitglieder gegen die Aktiengesellschaft erwerben können, z. B. aus Darlehnsgewährung oder Vermietung. Das Gesetz kennt als Sonderrechte etwa das Entsendungsrecht gem. § 1 0 1 Abs. 2 (und gem. § 7 MitbestErgG), das Mehrstimmrecht (§ 12) usw. Z u Sondervorteilen vgl. § 26 Anm. 3 ff. Der Unterschied der allgemeinen Mitgliederrechte von den Sonderrechten besteht in folgendem: Die allgemeinen Mitgliederrechte beruhen nur auf dem Erwerbe der Mitgliedschaft — dem einzigen Umstand, der allen Mitgliedern mit begrifflicher Notwendigkeit gemeinsam ist — , die Sonderrechte beruhen zwar auch darauf, aber auch auf hinzutretenden besonderen (nicht mit begrifflicher Notwendigkeit gemeinsamen) Umständen, die ihre Grundlage in der Satzung haben. Diese besonderen Umstände können positiver oder negativer Art sein, sie können z. B. in einer besonderen Leistung oder Erklärung, in dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gewisser Eigenschaften, dem Eintritt oder Nichteintritt eines ein Mitglied treffenden Ereignisses liegen; eine begriffliche Begrenzung denkbarer Sonderrechte ist nicht möglich. Im Falle der Entsch. H R R 1932 Nr. 1287 handelte es sich um Aufhebung einer Bestimmung, die „allen Mitgliedern ohne Ausnahme zugute kommen konnte". Also begründete sie kein Sonderrecht, sondern ein allgemeines Mitgliedsrecht. Gegen die Annahme des Reichsgerichts, daß sie habe aufgehoben werden können, bestanden keine Bedenken. Die Mitgliedschaft als solche ist daher genauso wenig ein Sonderrecht (gegen Schlegelberger-Quassowski, § 102 Anm. 4 und Teichmann-Köhler, § 102 Anm. 4 b), wie es ein Sonderrecht „ a u f Wahrung des Ranges", d. h. auf gleichmäßige Behandlung gibt; s. im einzelnen Götz Hueck, S. 88ff. (91).

63

§1

Anm. 36

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Sonderrechte sind regelmäßig mit der Mitgliedschaft, also den einzelnen Aktien u n d Aktiengruppen verknüpft, sie gehen also bei Veräußerung auf den Erwerber über. Das gilt sowohl für den Fall, d a ß sie Vermögensrechte (z. B. erhöhte oder garantierte Dividende) und d a ß sie Herrschaftsrechte (z. B.ein Mehrstimmrecht) z u m Gegenstand haben. Sie können jedoch kraft ausdrücklicher satzungsmäßiger Bestimmung auch höchst persönlich ausgestaltet sein; dann erlöschen sie ipso j u r e mit dem Verlust der Mitgliedschaft, etwa bei Veräußerung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung. Ein kraft Satzung bestehendes Recht auf Benutzung gewisser Einrichtungen der Gesellschaft kann demnach ein höchst persönliches Recht eines bestimmten Aktionärs oder einer bestimmten Aktionärsgruppe sein (für den besonderen, gesetzlich geregelten Fall des Entsendungsrechts von Aufsichtsratsmitgliedern s. auch die Erläuterungen z u § 101). Ist die Satzung nicht eindeutig, m u ß sie unter Berücksichtigung der Grundsätze von § 133 B G B ausgelegt werden. D a durch die Begründung von Sonderrechten der Grundsatz der Gleichbehandlung durchbrochen wird, ist eine Zustimmung aller zurückgesetzten Aktionäre erforderlich, soweit nicht ausdrückliche gesetzliche Regelungen bestehen (Rob. Fischer, L M N r . 2 zu § 51 G e n G ) . V g l . etwa §§ 180 und 139, andererseits die A n m . zu § 138.

Anm. 36 3. Recht auf gleichmäßige Behandlung Neben den Sonderrechten und unabhängig von ihnen besteht der Gleichheitsgrundsatz• Er ergibt sich aus dem Wesen der A G als einer Körperschaft und gilt für das gesamte Verbandsrecht. M a n spricht v o m Recht auf gleichmäßige Behandlung, welches auch nachträglich nicht ohne Zustimmung der Benachteiligten, also regelmäßig nur durch einstimmigen Beschluß, beeinträchtigt werden kann (vgl. für viele Lehmann, Allg. T e i l BGB, 8. A u f l . S. 429; Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil BGB, 14. A u f l . 1. H a l b B d . S. 445; Schilling in Hachenburg, § 14 A n m . 23; Raiser in Z H R m (1948) S. 75ff.; ferner die Monographie von Götz Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958; Wiethölter, S. 103 unter kritischer Würdigung der Rechtsprechung im einzelnen; Würdinger S. 50; Godin-Wilhelmi A n m . 4; Baumbach-Hueck § 1 1 A n m . 2). Der Gleichheitsgrundsatz ist von der Rechtsprechung des R G und des B G H in zahlreichen Entscheidungen ohne weitere Begründung als das Aktienrecht und das gesamte Korporationsrecht beherrschender Grundsatz anerkannt worden, vgl. R G 41, 99; 52, 293; 62, 60; 73, 191; 80, 85; 113, 156; 118, 70; 1 1 9 , 2 2 8 , 2 5 2 ; 120,180, 373; 132, 165; 149, 300; B G H v o m 24. 3. 54 in L M § 35 B G B Nr. 1; B G H 20, 369; 21,

354; 33, 175 (186); ferner B V G vom 7. 8. 62 (Feldmühle-Urteil) u. a. in BB 1962, 900 = D B 1962, 1073 = N J W 1962, 1667 = B V e r f G E 14, 263; O G H BrZ, N J W 1950, 427. Der Gleichheitsgrundsatz bedeutet nicht die schematische Gleichberechtigung aller Mitglieder, sondern das Recht jedes Aktionärs bei gleichen Voraussetzungen gleich behandelt zu werden. Es ist insofern z u m mindesten irreführend, von einer Gleichberechtigung aller Aktionäre zu sprechen ( R G 119, 252), wenn auch die mögliche unterschiedliche Behandlung der Aktionäre ihre Schranke da findet, w o Gesetz und gute Sitten eine ungleichmäßige Behandlung verbieten. Eine sachlich unbegrenzte Einschränkung der wirtschaftlichen und damit auch der persönlichen Freiheit des einzelnen ist nicht zulässig ( B G H 20, 369). Die Satzung (siehe insbesondere §§ 11, 12 Abs. 2, 60 A b s . 3, 134 Abs. 1, 186 A b s . 3, 271 Abs. 2) kann jedoch im übrigen von vornherein oder durch Abänderungsbeschluß einzelne Aktionäre oder Gruppen von Aktionären ungleich behandeln, wobei allerdings immer die ursprüngliche oder nachträgliche Einwilligung der Betreffenden durch Mitwirkung (Zustimmung) bei den entsprechenden Beschlußfassungen vorliegen muß. Aus dem Wesen der Aktiengesellschaft als einer Kapitalgesellschaft ergibt sich mithin zwingend, d a ß es sich bei der Gleichbehandlung der Aktionäre nicht u m eine Gleichheit nach Köpfen, sondern nur u m eine gleichmäßige Behandlung entsprechend der Kapitalbeteiligung handeln kann, also eine Gleichheit der Aktien, nicht der Aktionäre (Wiethölter, S. 120); s. §§ 60 Abs. 1 und 2, 134 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 186 Abs. 1, 271 A b s . 2. Z u dem Problem Gleichbehandlung und Bezugsrechtsausschluß s. insbes. G ö t z H u e c k S. 333fr.; Wiethölter S. 122ff.; B G H 21, 354 und z u m selben Sachverhalt B G H 33, 175.

64

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ I

Anm. 37

Das sich aus dem Wesen der Mitgliedschaft ergebende Recht auf gleichmäßige Behandlung stellt, wie sich aus der oben in Anm. 35 gegebenen Begriffsbestimmung ergibt, kein Sonderrecht dar (so auch Schlegelberger-Quassowski § 1 0 2 A n m . 5; Schilling in Hachenburg a. a. O . ; Götz Hueck 8gf.). Die vereinzelt vom R G ( R G 49, 198; 68, 212; 80, 388; 112, 124) und von Gadow in der ersten Auflage vertretene gegenteilige Ansicht ist abzulehnen. Ein den Gleichheitsgrundsatz verletzender Hauptversammlungsbeschluß ist jedoch in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar (im einzelnen s. Baumbach-Hueck § 1 1 A n m . 2; Schilling in Hachenburg § 14 A n m . 24; Schlegelberger-Quassowski § 102 Anm. 5; Godin-Wilhelmi Anm. 4; a. A . Fischer in der Vorauf!. § 146 Anm. 10 sowie in J Z 1956, 363), es sei denn, ein derartiger Beschluß verstößt gegen die zwingenden Vorschriften § 241 Ziff. 3 und 4; s. auch R G 118, 72; R G J W 1927,2982 und 1935, 1776. Darauf, daß der Gleichheitsgrundsatz nur relativ gilt, wurde schon hingewiesen. Seine Verletzung ist dann zulässig, wenn sie, wie B G H 33,175 sagt, sachlich berechtigt ist und damit nicht den Charakter der Willkür trägt. Nach § 179 Abs. 3 bedarf es, wenn das Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien ( § 1 1 ) geändert werden soll, nicht der Zustimmung jedes einzelnen benachteiligten Aktionärs, sondern es genügt ein Beschluß der benachteiligten Gruppe. Ähnliches gilt bei Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, wenn der Vorzug aufgehoben oder beschränkt oder durch Ausgabe neuer Vorzugsaktien beeinträchtigt wird (§ 141 Abs. 1), ferner bei Vorhandensein mehrerer Aktiengattungen in den Fällen der Erhöhung oder Herabsetzung des Grundkapitals (§§ 182 Abs. 1, 193 Abs. 1, 202 Abs. 2, 222 Abs. 2, 229 Abs. 3), wodurch sich gleichfalls Rangverschiebungen und damit Ungleichheiten ergeben können. Werden im Falle der Kapitalerhöhung neue Aktien mit Vorrechten ausgegeben und wird dazu das Bezugsrecht der alten Aktionäre ausgeschlossen (§ 186 Abs. 3), so liegt die Verletzung des Gleichheitsprinzips klar zutage; dennoch ist dieses Verfahren zulässig ( R G 68, 245; B G H 21, 354; 33, 175). A u f die Mehrheitserfordernisse bei diesen Beschlüssen wird bei den einzelnen Bestimmungen eingegangen werden. Ebenso ist es zulässig, daß gegen Leistung von Zuzahlungen Vorzüge auf Aktien gewährt werden (§ 150 Abs. 2 Nr. 4 i. V . m. § 179 Abs. 3). A u c h das würde an sich das Gleichheitsprinzip verletzen, welches jedoch durch die Sonderregeln des Gesetzes durchbrochen wird. Allerdings ist eine Grenze zu ziehen: Der gewährte Vorzug darf nicht gegenüber der Zuzahlung unverhältnismäßig groß sein ( R G 52, 287; 80, 85).

Anm. 37 4. Gläubigerrechte Als Gläubigerrechte der Aktionäre bezeichnet man die von der Mitgliedschaft lösbaren Ansprüche gegen die Körperschaft, bei der Aktiengesellschaft also insbesondere das Recht auf den auszuzahlenden Anteil am ordnungsgemäß verteilten Gewinn und am Abwicklungserlös, auf Bauzinsen, das Bezugsrecht, den Anspruch auf Gründerlohn, ferner der Ausgleichsanspruch nach § 304 Abs. 1 sowie die Abfindungsansprüche gem. § 1 2 U m w G 1969. Alle diese (Forderungs-) Rechte beruhen zwar auch auf der Mitgliedschaft, sind aber, wenn sie entstanden sind, aus der Sphäre der Mitgliedschaftsrechte in die der reinen Gläubigerrechte gerückt (BGH 7, 264); der Aktionär kann daher auch durch Abtretung beliebig über sie verfügen (vgl. Flechtheim in DüringerHachenburg § 179 Anm. 10; Baumbach-Hueck, Ü b . vor § 5 4 Anm. 3; Schilling in Hachenburg § 14 Anm. 22; R G 98, 320; s. auch die Anmerkungen zu § 58). Das Recht auf Dividende etwa wird also durch den Gewinnverteilungsbeschluß der Hauptversammlung, das Amortisationsentgelt durch den Einziehungsbeschluß, die Bauzinsen durch Aufnahme in die Satzung oder durch späteren Beschluß zu einem persönlichen Forderungsrecht des einzelnen Aktionärs gegen die Gesellschaft, das von der Mitgliedschaft gelöst ist, also auch bei deren Verlust oder bei Abtretung an Dritte bestehenbleibt. Die erwähnten, aus der Mitgliedschaft erwachsenen Gläubigerrechte sind somit rechtlich gleich zu erachten den reinen Gläubigerrechten (Drittgläubigerrechte), die etwa aus Darlehen, Kauf, Dienstvertrag entstehen und von Aktionären wie Nichtaktionären gleichermaßen und ohne Bezug auf die Mitgliedschaft erworben werden. 5

Aktiengesetz I , 8. Aufl.

65

§1

Anm. 38

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob diese Gläubigerrechte auf Grund wirtschaftlichen Interesses an der Gesellschaft erwachsen, so etwa wenn ein Großaktionär Geschäfte mit der Gesellschaft tätigt. Steuerrechtlich ist allerdings zu beachten, daß alle Geschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären daraufhin geprüft werden können, ob es sich nicht um verdeckte Gewinnausschüttungen handelt, dem einzelnen Aktionär also auf Grund seiner Gesellschaftereigenschaft aus Rechtsgeschäften mit der A G Vorteile zufließen, die einem Nichtaktionär nicht gewährt werden würden (vgl. den Katalog in § 19 K S t D V O 1964). Im übrigen gilt natürlich aktienrechtlich das Verbot der Rückgewähr von Einlagen (§ 57). Die Gläubigerrechte der Aktionäre, ob sie nun ursprünglich aus der Mitgliedschaft erwachsen oder ohne irgendeine rechtliche Beziehung zur Mitgliedschaft stehen, sind als selbständige Forderungsrechte grundsätzlich unentziehbar, insbesondere können sie durch Hauptversammlungsbeschluß nicht beeinträchtigt oder beseitigt werden (vgl. Teichmann-Köhler, § 54 Anm. 3; Flechtheim a. a. O . ; Baumbach-Hueck a. a. O . ; R G 87, 386). Im Konkurs der A G stellen sie gewöhnliche, gleichberechtigte Forderungen dar. Eine dem § 30 G m b H G entsprechende Schutzvorschrift fehlt im Aktienrecht. Den Gläubigerrechten entsprechen die,schuldrechtlichen Verpflichtungen, die von einzelnen Aktionären persönlich und unabhängig von der Mitgliedschaft übernommen werden. Die Zahl der Gläubigerrechte ist ebensowenig begrenzt, wie die der Sonderrechte oder der allgemeinen Mitgliederrechte. Die in der 1. Auflage vertretene Ansicht, daß aus allgemeinen Mitgliederrechten durch Hinzutritt gewisser Umstände, die nicht notwendig eine Satzungsänderung zur Voraussetzung haben, Sonderrechte entstehen können, wurde bereits in der Vorauflage aufgegeben (vgl. Anm. 36). Dagegen ist es sehr wohl möglich, daß aus allgemeinen Mitgliederrechten Gläubigerrechte werden. Dieser Fall ist z. B. auch gegeben (neben den vorstehend genannten Beispielen), wenn die A G durch Verletzung eines allgemeinen Mitgliedsrechts einem Aktionär schadensersatzpflichtig wird. So ist das manchmal mit den Aktien verbundene Recht auf Benutzung von Einrichtungen der A G , wenn es allen Aktionären zusteht, ein allgemeines Mitgliedrecht, denn es beruht allein auf dem Erwerb der Mitgliedschaft. Wird es mit der für Satzungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit von der Hauptversammlung beschränkt oder aufgehoben, so müssen sich auch die nicht zustimmenden Aktionäre das gefallen lassen. Besteht das Recht aber, wird dennoch die Benutzung der Einrichtung verweigert und entsteht daraus einem Aktionär ein Schaden, so ist der Anspruch auf Ersatz des Schadens ein Gläubigerrecht, das nicht durch Beschluß der Hauptversammlung beeinträchtigt werden kann. Auch hier ist das in der Mitgliedschaft gegründete Recht, daß durch die Verletzung zu einem Schadensersatzanspruch wird, wie jeder andere Schadensersatzanspruch, zu einem selbständigen Forderungsrecht und damit unentziehbar geworden. Hier ein angebliches Sonderrecht konstruieren zu wollen (so die 1. Aufl.), führt im praktischen Ergebnis keinen Schritt weiter und scheitert daran, daß Sonderrechte nicht außerhalb der Satzung entstehen können. Sollte sich aus der — alleinstehenden — Entscheidung des R G ( H R R 1929, Nr. 1558) Gegenteiliges ergeben, so ist sie abzulehnen. Nach dem Tatbestand dieser Entscheidung hatte ein Verein von Geschäftsleuten in seiner Satzung bestimmt, wenn ein Mitglied sein Geschäft veräußere, müsse der Nachfolger in den Verein aufgenommen werden. Das allgemeine Mitgliedrecht, bei einer Geschäftsveräußerung das Recht auf den Eintritt zu übertragen, wurde durch eine tatsächlich vorgenommene Geschäftsveräußerung nach der Annahme des R G zum Sonderrecht, das nicht mehr angetastet werden konnte. In Wirklichkeit war ein — gleichfalls unentziehbares — Gläubigerrecht entstanden.

Anm. 38 5. Akzessorische Rechte Keine Gläubigerrechte sind die von Flechtheim (ZBH 1930, 2 7 1 f r . ; DüringerHachenburg, § 179, Anm. 11) so genannten akzessorischen Rechte der Aktionäre. Er versteht darunter Rechte, die von der Aktiengesellschaft zugunsten der Aktionäre durch Vertrag mit einem Dritten geschaffen werden, z. B. indirektes Bezugsrecht, Dividenden-

66

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm. 39, 40

garantien (§ 304 Abs. 1), Rechte auf Übernahme von Aktien bei Verschmelzung, die Abfindungsansprüche gem. §§ 305 und 320 Abs. 5, 15 UmwG. Die hier entstehenden Rechte richten sich überhaupt nicht gegen die Aktiengesellschaft, sondern gegen den Dritten, auch beruht ihre Entstehung nur mittelbar auf der Mitgliedschaft, und unmittelbar auf Grund eines Vertrages zugunsten Dritter. Die Rechte sind mit der Aktie bedingungsmäßig verknüpft und daher ohne sie nicht übertragbar; wird die Aktie aber übertragen, so erwirbt der neue Aktionär ohne weiteres die akzessorischen Rechte.

Anm. 39 6. Die Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft selbst ist ein Inbegriff von Rechten und Pflichten (Anm. 34ff.), aus denen die Mitverwaltungsrechte und der Gewinnanspruch als die praktisch wesentlichsten herausragen. Die vermögensrechtlichen Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs aber in „wirtschaftliches Eigentum" umzudeuten, war bestenfalls irreführend und sollte der Geschichte der Reform von 1965 angehören; vgl. zur Kritik von vielen etwa HengelerKreifels, Beiträge zur Aktienrechtsreform, 1959, S. 15 fr.; Wiedemann, S. 40 und Würdinger, S. 44 und die Einleitung S. 12. Gegen willkürliche Entziehung schützt das Recht auf gleichmäßige Behandlung (Anm. 36). Eine Ausschließung von einzelnen Aktionären aus „wichtigem Grunde" ist gleichfalls nicht zulässig (BGH 9, 163), da irgendwelche persönliche Rechtsbeziehungen zwischen den Aktionären nicht bestehen (vgl. Anm. 34). Bei der A G kann die Mitgliedschaft nur durch Verlustigerklärung wegen nicht rechtzeitiger Einzahlung (§ 64 Abs. 3) und im Falle der Kapitalherabsetzung durch Kraftloserklärung (§ 226) oder durch Zwangseinziehung (§237) dem Aktionär verlorengehen; ferner durch Eingliederung (§320 Abs. 4) sowie durch Umwandlung auf den Hauptaktionär ( § 1 5 UmwG). Dagegen geht durch den Abschluß von Unternehmensverträgen (§§ 291 ff.) und durch formwechselnde Umwandlung (§§ 362 ff.) die Mitgliedschaft als solche nicht verloren, unbeschadet von Abiindungsansprüchen.

Anm. 40 7. Allgemeine Mitgliederrechte Den Sonderrechten und Gläubigerrechten der Aktionäre stehen ihre allgemeinen Mitgliederrechte gegenüber, die auf dem Erwerb der Mitgliedschaft beruhen (Anm. 35). Für diese gilt nicht der Satz, daß sie ohne Zustimmung der Berechtigten nicht beeinträchtigt werden können. Sie können im Gegenteil grundsätzlich im Wege der Satzungsänderung durch Beschluß der Hauptversammlung beschränkt oder aufgehoben werden. Aber auch unter den allgemeinen Mitgliederrechten gibt es solche, die nicht oder doch nicht ohne Zustimmung aller Mitglieder beeinträchtigt werden können. Es ist eine Frage der Auslegung des Gesetzes und der Satzung, auf welche Rechte das zutrifft. Dafür läßt sich keine andere Regel geben, ab daß bei jedem einzelnen Recht untersucht werden muß, in welchem Grade das Gesetz oder die Satzung es für wesentlich hält. Darin ist der Entsch. H R R 1932 Nr. 1287 (vgl. Anm. 35) beizustimmen. Da also hierauf jedes allgemeine Mitgliedsrecht geprüft werden muß, so wäre es widerspruchsvoll, noch ein anderes Merkmal für die Unantastbarkeit eines allgemeinen Mitgliedsrechts zu verlangen. So ist z. B. das Hauptrecht des Aktionärs, das Recht auf Gewinnanteil, dadurch entziehbar, daß die Hauptversammlung auf Grund einer satzungsmäßigen Ermächtigung beschließt, den vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats festgestellten Reingewinn nicht zu verteilen (§ 58 Abs. 3). Erst wenn die Verteilung beschlossen ist, hat der einzelne Aktionär ein unentziehbares Recht auf den Gewinnanteil. Dieses ist aber kein allgemeines Mitgliedsrecht, sondern ein Gläubigerrecht (Anm. 37), woraus sich seine Unantastbarkeit erklärt. Unantastbar ist aber auch schon das Recht jedes Aktionärs, daß der einmal festgestellte Jahresabschluß (als Grundlage für den Gewinnverwendungsbeschluß) nicht umgestoßen wird (BGH 15, 181). Unantastbar sind auch diejenigen allgemeinen Mitgliederrechte, die der Verwirklichung des Hauptrechts dienen, so das Recht auf Eintragung im Aktienbuch bei Namensaktien (§ 67), das Recht auf Zulassung zur Hauptversammlung und auf Teilnahme (§§ 118, 123 Abs. 4); die Ver-

6*

67

§ 1 A n m . 41, 42

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

pflichtung des Vorstands, Mitteilungen an Aktionäre, Banken u n d Aktionärs-Vereinigungen gemäß § 125 zu machen sowie die Weitergabe dieser Mitteilungen an Depotkunden u n d Vereinsmitglieder (§ 128), ferner das Recht auf schriftliche Mitteilung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 125 Abs. 4) u n d von Sonderprüfungsberichten (§ 145 Abs. 4) sowie vom Antragsrecht gem. § 3 1 5 bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages eine Sonderprüfung zu verlangen, das Recht auf Auskunft in den durch § 131 u n d § 326 gezogenen Grenzen. Das Stimmrecht ist gleichfalls grundsätzlich unantastbar; es kann jedoch, mit ministerieller Genehmigung, graduell beschränkt werden (§ 12) u n d bei der Hälfte der Aktien, verbunden mit einer Vorzugsdividende, ganz fehlen (§ 139). U n antastbar ist ferner das Recht auf Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 243)> unantastbar sind die Minderheitsrechte (§§ 93 Abs. 4, 103 Abs. 3, 122, 142 Abs. 2, 147, 163 Abs. 2, 265 Abs. 3). Unantastbare Individualrechte sind auch die Ausgleichs- u n d Abfindungsansprüche der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungsund Gewinnabführungsverträgen, bei Eingliederung u n d übertragender U m w a n d l u n g (§§ 3°4 Abs. 4, 305 Abs. 5, 320 Abs. 7 u n d 12 U m w G ) ; gleiches gilt für Zustimmungserfordernisse und. Widerspruchsrecht bei formwechselnder Umwandlung (vgl. §§ 369, 375, 383). In allen diesen Fällen läßt die Ausdrucksweise des Gesetzes keinen Zweifel über die Unantastbarkeit; auch einstimmig können diese Rechte nicht durch Satzungsänderung aufgehoben oder beschränkt werden. Sie beruhen auf zwingenden Vorschriften u n d machen das Wesen des Mitgliedsrechts aus, vgl. auch Godin-Wilhelmi, § 1 1 Anm. 3. Ein unentziehbares allgemeines Mitgliedsrecht ist auch das Recht auf Aushändigung einer Aktienurkunde; dieses Recht kann aber einstimmig außer Wirksamkeit gesetzt werden ( § 1 0 Anm. 2). Durch Satzungsänderung können Namens- in Inhaberaktien umgewandelt werden u n d umgekehrt; es handelt sich insoweit u m ein einfaches Mitgliederrecht; vgl. § 24 Anm. 7. M a n nennt die unantastbaren allgemeinen Mitgliederrechte der Aktionäre auch Herrschqftsrechte, obwohl mit diesem Ausdruck nicht viel gewonnen wird. Es ist aber verfehlt u n d nur geeignet, Verwirrung anzurichten, wenn m a n allgemeine Mitgliederrechte wegen ihrer Unantastbarkeit den Sonderrechten zuzählt, wie es häufig geschehen ist. Ganz verfehlt ist es, den Aktionären ein „Sonderrecht" darauf beizulegen, d a ß der Gegenstand des Unternehmens nicht geändert werde. Will man überhaupt von einem Recht auf Einhaltung der Satzung sprechen, so ist es ein allgemeines Mitgliedrecht. Aber die Satzung kann von der Hauptversammlung geändert werden (§ 179 Abs. 1), der Gegenstand des Unternehmens allerdings nur mit verstärkter Mehrheit (§ 179 Abs. 2).

Anm. 41 Besondere Mitgliederrechte Auch die Satzung kann allgemeine Mitgliederrechte bis zu einem gewissen Grade unantastbar machen, indem sie zur Beeinträchtigung eine verstärkte Mehrheit oder gar Einstimmigkeit vorschreibt. So kann z. B. das Recht auf Benutzung von Einrichtungen der A G (Anm. 37) vor Beeinträchtigungen geschützt werden. Wäre ein solches Recht, was k a u m vorkommen wird, durch Abtretung von der Aktie lösbar, so wäre es ein Gläubigerrecht (Anm. 37) und könnte nur mit Zustimmung des einzelnen beeinträchtigt werden. Mit Einstimmigkeit kann freilich jede Satzungsänderung, die das Gesetz nicht verbietet, beschlossen u n d dadurch ein allgemeines Mitgliedrecht beeinträchtigt werden. Ist ein allgemeines Mitgliedsrecht durch die Satzung geschützt, indem sie zu seiner Beeinträchtigung eine verstärkte Mehrheit oder Einstimmigkeit verlangt, so k a n n nicht etwa dieser Schutz mit der für Satzungsänderungen sonst ausreichenden Mehrheit beseitigt u n d dann das Recht mit gewöhnlicher Mehrheit aufgehoben werden. Vielmehr ist der selbstverständliche Sinn einer solchen Schutzbestimmung, d a ß es zu ihrer Aufhebung derselben Mehrheit bedarf wie zur Aufhebung des Rechtes selbst.

Anm. 42 8. Sonderpflichten Wie allgemeine Mitgliederrechte und Sonderrechte zu unterscheiden sind, so lassen sich auch allgemeine Mitgliederpflichten und Sonderpflichten unterscheiden (Anm. 35 a m Anfang). Bei der A G ist die Verpflichtung zur Einlage (§ 54), wenn sie f ü r alle Aktionäre

68

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 1

Anm. 43

Geldleistungspflicht ist, also bei reinen Bargründungen, allgemeine Mitgliedspflicht. Die Pflicht einzelner Aktionäre zu satzungsmäßigen Sacheinlagen (§ 37) ist Sonderpflicht, dann sie beruht auf der Satzung selbst (Anm. 35). Die Nebenverpflichtungen der Aktionäre (§ 55) bestimmen sich nach den besonderen Umständen der einzelnen und beruhen gleichfalls auf der Satzung; sind also Sonderpflichten. Eine Auferlegung neuer oder eine in der Satzung nicht vorgesehene Verstärkung bestehender Sonderpflichten würde das Recht auf gleichmäßige Behandlung (Anm. 36) verletzen, sofern dadurch das bisherige Verhältnis zwischen den Aktionären verschoben würde, und wäre ohne Zustimmung der Betroffenen unzulässig. Davon abgesehen, ist aber aus § 35 BGB durch Umkehrung der Rechtssatz herzuleiten: Sonderpflichten eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluß der Mitgliederversammlung begründet oder verstärkt werden. Für die Nebenverpflichtungen der Aktionäre (§55) ist das in § 180 ausgesprochen

Anm. 43 9. Beeinträchtigung von Sonderrechten Wird durch Beschluß der Hauptversammlung ein Sonderrecht oder Gläubigerrecht eines Aktionärs unzulässigerweise beeinträchtigt oder ihm unzulässigerweise eine Sonderpflicht auferlegt, so bedarf es für ihn grundsätzlich keiner Anfechtung. Der Beschluß ist ihm gegenüber — schwebend — unwirksam, solange er nicht zustimmt. Die Gesellschaft kann darauf weder eine K l a g e stützen noch kann sie aus dem Beschluß einen Einwand gegen eine Klage des Aktionärs herleiten, solange er seine Zustimmung nicht — ausdrücklich oder durch schlüssige Handlungen — erklärt hat, wie hier die h. L . s. etwa Baumbach-Hueck, V o r § 54 Anm. 5 u. Anm. 5 U b . § 241; Möhring-Tank, T z . 176; Rob. Fischer in L M Nr. 2 zu § 51 GenG. So steht es bei Eingriffen in das Gläubigerrecht auf den auszuzahlenden Anteil am verteilten Gewinn ( R G 22, 113; 87, 387; in J W 1916, 4og 1 1 ),so bei Beeinträchtigung des Anspruchs auf Gründerlohn, Bauzinsen und auf den A b wicklungserlös, so ferner bei Auferlegung neuer oder Verstärkung bestehender Sonderpflichten (§ 180; R G 48, 107; 68, 267 oben; i a i , 244; 136, 189). Eine gewisse Abweichung gilt für das Recht auf gleichmäßige Behandlung, insoweit das Gesetz Eingriffe zuläßt (Anm. 36). Soll das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung geändert werden, so ist außer dem Beschluß der Hauptversammlung ein Beschluß der benachteiligten Aktionäre, der in gesonderter Abstimmung zu fassen ist, erforderlich und genügend. Dieser zweite Beschluß ersetzt die Zustimmung der einzelnen Aktionäre. Solange er nicht gefaßt ist, fehlt dem Hauptversammlungsbeschluß die nötige Zustimmung und damit die Wirksamkeit ( R G 148, 186, B G H 15, 181). Ähnlich steht es in den Fällen der §§ 141, 182 Abs. 2, 193 Abs. 1 usw. Zu einer Anfechtung besteht nur dann Anlaß, wenn einer der beiden Beschlüsse unter Verstoß gegen das Gesetz oder die Satzung gefaßt sein sollte ( R G 148, 187). Werden im Fall der Kapitalerhöhung neue Aktien mit Vorrechten ausgegeben, und wird dazu das Bezugsrecht ausgeschlossen, so läßt das Gesetz die darin liegende Verletzung des Gleichheitsprinzips zu, wenn der Beschluß mit der in § 186 Abs. 3 vorgeschriebenen Mehrheit gefaßt wird. Hier liegt die Zustimmung der Stammaktionäre schon in dem von ihnen gefaßten Beschluß; eine Einzelzustimmung kommt nicht mehr in Betracht, der Beschluß kann nur angefochten werden, wenn er gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt. Ähnlich liegt es, wenn die Hauptversammlung beschließt, gegen Leistung von Zuzahlungen Vorzüge auf Aktien zu gewähren. Auch diese Verletzung des Rechts auf gleichmäßige Behandlung läßt das Gesetz zu (§ 150 Abs. 2 Nr. 4) und begnügt sich mit der für Satzungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit (§ 179 Abs. 2). Auch in diesem Falle kommt keine Einzelzustimmimg mehr in Frage, der Beschluß kann angefochten werden, wenn er das Gesetz oder die Satzung verletzt. Grundsätzlich bindet aber ein Eingriff in ihr Recht auf gleichmäßige Behandlung dieAktionäre nicht, solange sie nicht zugestimmt haben (vgl. R G 36, 136; 38, 99; 80, 85). Mit Recht hat das Reichsgericht in der Entscheidung R G 80, 81 angenommen, daß die benachteiligten Aktionäre nicht genötigt waren, auf Grund eines den aktienrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung verletzenden Beschlusses der Aufforderung zur Einreichung ihrer Aktien nachzukommen, und daß die Kraftloserklärung der nicht eingereichten Aktien wirkungslos war. Unbenommen bleibt es freilich den von solchem Beschluß betroffenen Aktionären, die Unwirksamkeit des sie be-

69

§1

Anm. 44, 45

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

nachteiligenden Beschlusses durch Feststellungsklage nach § 256 Z P O unmittelbar feststellen zu lassen ( B G H 15, 181). A n eine Frist ist eine solche K l a g e nicht gebunden, auch ist sie keine Nichtigkeitsklage im Sinne des § 241. M a n erkennt im Anschluß an die Entscheidung R G 148, 186 an, daß es außer nichtigen und anfechtbaren auch unwirksame Beschlüsse gibt. Das sind außer den Beschlüssen der Hauptversammlung einer K G a A , soweit sie der erforderlichen Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter ermangeln (§ 285 Abs. 2), gerade diejenigen Beschlüsse, die in das Recht auf gleichmäßige Behandlung der Aktionäre eingreifen. Die Begründung zum A k t G 1937 (7. Teil) führte die Fälle der §§ (jetzt) 180, 182 Abs. 2, 222 Abs. 2, 141 an. Die denkbaren Eingriffe sind damit aber nicht erschöpft.

Anm. 44 VIII. Rechtsform der AG kraft Gesetzes 1. Versicherungsunternehmen Die Form der A G oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist vorgeschrieben für Hypothekenbanken (§§1,2 HypBankG vom 5. 2. 63, BGBl. I, 81) und Schiffspfandbriefbanken (§§ 1, 2 SchiffsbankG vom 8. 5. 68, BGBl. 1,302), die der A G wahlweise mit der Form des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit für Lebens-, Unfall-, Haftpflicht-, Feuer- und Hagelversicherungen (§ 7 VersAufG vom 6. 6. 31, RGBl. I S. 315).

2. Kapitalanlagegesellschaften

Wahlweise mit der Form der G m b H müssen Kapitalanlagegesellschaften als A G s geführt werden, § 1 Abs. 2 G vom 16. 4. 1957 (BGBl. I, 378) zuletzt geändert durch G vom 28. 7. 1969 (BGBl. I, 986). Kapitalanlagegesellschaften sind Unternehmen, deren Geschäftsbereich daraufgerichtet ist, bei ihnen eingelegtes Geld im eigenen Namen und für Rechnung der Einleger nach dem Grundsatz der Risikomischung in Wertpapieren (und ggf. Grundvermögen) gegen Ausgabe von Anteilscheinen (Zertifikaten) anzulegen. Es handelt sich somit um Beteiligungsgesellschaften, die aber wegen der gesetzlichen Bestimmungen in den Regeln nicht herrschende Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne (§ 17) sein können, denn den Gesellschaften ist vorgeschrieben, Wertpapiere für das Sondervermögen (nämlich die mit dem eingelegten Geld erworbenen Werte), soweit sie von demselben Aussteller herrühren, nur bis zu 5 v. H. — ausnahmsweise bis zu 10 v. H. — des Wertes des Sondervermögens zu erwerben.

Anm. 45 IX. Fremdenrecht „ D a s Fremdenrecht ist die Gesamtheit der materiellen Normen, die ein Gebietsrecht fiür die in seinen Hoheitsbereich gelangenden Ausländer darstellt" (Frankenstein, I P R S. 260). Z u m deutschen Fremdenrecht der juristischen Personen gehören die möglichen Beschränkungen von Ausländern beim Erwerb inländischer Grundstücke (Art. 88 E G BGB), gehört § 44 A k t G mit seinen Bestimmungen über die Voraussetzungen für die handelsgerichtliche Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Aktiengesellschaft, gehört weiter § 12 G e w O (entsprechend früher § 292 A k t G 1937), der die Zulassung einer ausländischen Aktiengesellschaft zum Gewerbebetrieb im Inland von ministerieller Genehmigung abhängig macht (vgl. auch §§ 105 bis 107 PrivVersich.AufsichtsG betr. Erlaubnis zu inländischer Betätigung für ausländische Versicherungsunternehmen und entsprechend für Banken § 1 des G über das Kreditwesen). Fremdenrechtliche Vorschriften finden sich darüber hinaus im Prozeßrecht, Währungsrecht, Außenwirtschaftsrecht, Steuerrecht, Zollrecht. Eine wohl vollständige Zusammenfassung der einschlägigen Bestimmungen s. bei Müller-Weitzel-Weisner, Fremdenrecht, 1955 und neuerdings Schiedermair, Handbuch des Ausländerrechts, 1968. A u c h das Internationale Privatrecht ist Fremdenrecht im Sinne der oben gegebenen Definition; darüber in Anm. 7 ff. z u § 5. Einen A b b a u der Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen und Gesellschaften innerhalb der Mitgliedstaaten der E W G sieht der EWG-Vertrag in Art. 52 fr. Art. 58 vor. Dementsprechend ist auch für Gesellschaften, die in EWG-Mitgliedstaaten ansässig sind, das Genehmigungserfordernis des § 12 G e w O entfallen (§ i a a G e w O i. d. F. des G v. 23. 8. 65, BGBl. I 849).

70

Erster T e i l : Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 2

§ 2 A n m , 1, 2

Gründerzahl

An der Feststellung des Gesellschaftsvertrags (der Satzung) müssen sich mindestens fünf Personen beteiligen, welche die Aktien gegen Einlagen übernehmen.

Übersicht:

Einleitung

Anm. I

I. 1. Satzung der Aktiengesellschaft

2

3 4

2. Übernahme von Aktien 3. Mängel der Übernahme II. Gründung

Js

1. Zahl der Gründer 2. Durchführung der Gründung

6-7

Anm. 3. Beteiligung von: a) juristischen Personen b) Handelsgesellschaften c) Bruchteils- und Gesamthandgemeinschaften d) Einzelkaufleuten e) Minderjährigen f) Ehegatten g) Bevollmächtigten h) Testamentsvollstreckern i) Strohmännern

8

9 10 11 12

13 14 15 16

Anm. 1 Einleitung Die Vorschrift entspricht § 2 A k t G 1937 mit der Ausnahme, d a ß es jetzt heißt, d a ß die Aktien von den Gründern „gegen Einlagen" übernommen werden. Diese Ergänzung war wegen Änderung des § 1 erforderlich (s. dort die Einleitung). Durch die Einfügung des Wortes „ w e l c h e " . . . die Aktien übernehmen . . . ist darüberhinaus der Wortlaut dem Umstand angepaßt, d a ß die nach A k t G 1937 zulässig gewesene Stufengründung weggefallen ist (vgl. dazu A n m . 6 unten).

Anm. 2 I. 1. Satzung der Aktiengesellschaft Der Gesellschaftsvertrag wird hier in einer K l a m m e r , weiterhin im Gesetz aber durchgehends „Satzung" genannt. M i t der Ü b e r n a h m e dieses für die A G üblich gewordenen Ausdrucks wird bestätigt, d a ß die A G nach ihrem Wesen ein Verein ist (§ 1 A n m . 3), während etwa das G m b H G durchgehend v o m Gesellschaftsvertrag spricht. O b die Feststellung der Satzung ein vertraglicher, überhaupt rechtsgeschäftlicher A k t ist oder ein A k t körperschaftlicher Privatautonomie (Gierke D P R I § 19 A n m . 39, 40), ist seit langem streitig. O h n e auf diesen wohl kaum weiterfuhrenden Theorienstreit einzugehen, bleibt in teilweiser A b w e i c h u n g von der Vorlage (Anm. 2 und 3) und im Anschluß an Würdinger, S. 100 ff. (siehe auch Baumbach-Hueck, Ü b . vor § 23 A n m . 1) festzuhalten, d a ß der Gesellschaftsvertrag seinem Gegenstand nach eine Einigung der Gründer über den Inhalt der Satzung darstellt, verbunden mit den von den Gründern übernommenen wechselseitigen Ansprüchen auf Mitwirkung und Durchführung aller zur Errichtung und Eintragung der Aktiengesellschaft erforderlichen Schritte und M a ß n a h m e n . Hierzu gehört die Übernahme der Aktien, die Leistung der Einlage, die Bestellung des ersten Aufsichtsrates und der ersten Abschlußprüfer (§ 30), die Erstattung des Gründungsberichts (§ 32), die Anmeldung z u m Handelsregister (§ 36) sowie die Zahlung der G e sellschaftssteuer (§ 2 K V S t G i. V . m. § 7 K V S t . D V O i960, BGBl. I, 244). Es erscheint soweit richtig, den Gesellschaftsvertrag als Organisationsvertrag z u bezeichnen, der außer den objektiven Normen der Satzung auch subjektive Elemente enthält (Würdinger

71

§2

Anm. 3, 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

S. i o i f . ; vgl. auch L G Bonn, Die A G 70, 18). Daß die Vorschriften der §§ 320fr. BGB keine Anwendung finden können, dürfte heute allgemein anerkannt sein (Würdinger a . a . O . ; Lutter, S. 83; Baumbach-Hueck a . a . O . und wohl auch Godin-Wilhelmi § 2 Anm. 2 am Ende). Daneben der Satzung einen „autonomen" Charakter (so die Vorauflage und L G Bonn a.a.O.) zu verleihen, führt in der Sache nicht weiter: § 23 Abs. 3 und 4 enthalten die Mindestbestimmungen, die in der Satzung geregelt sein müssen (und deren Fehlen oder Nichtigkeit zur Klage gemäß § 275 oder zum Auflösungsverfahren gemäß § 144a F G G berechtigen kann) und § 23 Abs. 5 bestimmt ausdrücklich, daß die Satzung im übrigen von den gesetzlichen Vorschriften nur dann abweichen kann, wenn das Gesetz dies zuläßt. Damit ist für Parteiautonomie nicht viel Spielraum, wenngleich in der Praxis dieser Spielraum zur Anpassung an die tatsächlichen Bedürfnisse des Einzelfalles regelmäßig ausgeschöpft werden wird, vgl. Möhring-Schwarz, RowedderHaberlandt, S. 2 f. Im übrigen ist auf die Anmerkungen zu § 23 zu verweisen.

Anm. 3 2. Übernahme von Aktien Die Gründer haben die Aktien gegen Einlagen zu übernehmen. Während eine „Beteiligung mit Einlagen" auf das in Aktien zerlegte Grundkapital in der Begriffsbestimmung des § 1 infolge der möglichen Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 207fr.), die eine Einlage der Aktionäre nicht erfordert, nicht mehr erscheint, setzt die Gründung eine Übernahme aller Aktien durch mindestens fünf Gründer voraus. Dieser Grundsatz der vollständigen Aufbringung des Kapitals ist etwa dem anglo-amerikanischen Recht fremd, das zwischen authorized and issued share capital unterscheidet. Allerdings kann, aber erst fünf J a h r e nach Eintragung im Handelsregister, durch Schaffung genehmigten Kapitals ein dem authorized capital entsprechender wirtschaftlicher Effekt erreicht werden (vgl. §§ 202—206). Die Übernahme der Aktien bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung (§ 23 Abs. 2).

Anm. 4 3. Mängel der Übernahme a) Solange die A G noch nicht eingetragen, also als Rechtspersönlichkeit noch nicht „entstanden" ist (§41 Abs. 1), ist kein Grund vorhanden, Willensmängel mit Einschluß des Mangels voller Geschäftsfähigkeit anders zu behandeln als nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts ( R G 127, 1 9 1 , Lutter S. 84 m. w. N.). Nichtig sind also Erklärungen, die ein Geschäftsunfähiger bei der Gründung abgibt, anfechtbar Erklärungen wegen Irrtums usw. Das ändert sich aber, sobald die A G eingetragen ist und damit besteht. Denn nunmehr ist das Interesse des Verkehrs am Vorhandensein bzw. an der Erhaltung (§ 1 Anm. 5) des ausgewiesenen Kapitals vorrangig. Gemäß diesem aktienrechtlichen Grundsatz versagt eine feste Rechtsprechung und Lehre nach der Eintragung Willensmängeln, die bei der Gründung oder Übernahme von Aktien vorgefallen sein sollen, die Beachtung ( R O H G 5, 4 1 5 ; 20, 275; R G 2, 1 3 3 ; 9, 39; 19, 126; 45, 106; 54, 128; 57, 297; 62, 29; 68, 309; 7 1 , 97; 72, 293; 83, 264; 88, 188; 123, 102; 124, 279; 127, 1 9 1 ; 142, 103; 145, 158; 149, 28; BGH 21, 3 8 1 ; Lutter, S. 85, und Würdinger S. 107 m. w. N. auch zu den verschiedenen Begründungsversuchen). Auch eine schon vor der Eintragung erklärte Anfechtung wird mit der Eintragung wirkungslos ( R G 82, 378). In R G 123, 102 hat das Reichsgericht es auch abgelehnt, eine Nichtigkeit nach § 138 BGB wegen wucherlicher Übervorteilung durch einen Mitgesellschafter (bei einer GmbH) nach der Eintragung zu berücksichtigen. Ansprüche gegen Mitgründer bleiben selbstverständlich unberührt. Jedoch sind die Regeln des bürgerlichen Rechts nach wie vor, also auch nach Eintragung der Gesellschaft, anzuwenden, wenn der Verkehrs- hinter dem Einzelschutz zurücktreten muß, insbesondere also wenn es sich um Willenserklärungen handelt, die von der Rechtsordnung überhaupt nicht als solche oder nicht als bindend anerkannt werden. Das gilt, wenn die Unterschrift eines angeblichen Gründers gefälscht oder er-

72

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 2

Anm. 5

zwungen worden ist, wenn für ihn ein Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat (unbeschadet der Bestimmung des § 17g BGB, vgl. dazu auch § 23 Anm. 21) oder wenn der Ubernehmer geltend macht, daß er sich im Inhaltsirrtum befunden habe, oder daß seine Erklärung ohne oder gegen seinen Willen an die Öffentlichkeit gelangt sei, also nicht dazu bestimmt war, rechtsgeschäftlichen Charakter anzunehmen ( R G 45, 141 f.; 68, 352; 147, 271 f.; O L G E 32, 124; Lutter, S. 88f. m. w. N.). In all diesen Fällen ist die einzelne Erklärung nichtig, ohne allerdings die A G als solche z u betreffen. Die übrigen Beteiligten können sich auf § 139 BGB nicht berufen; dasfolgt aus § 275 Abs. 1 und § 144 a F G G , wo die Gründe für eine Nichtigkeitsklage bzw. eines Auflösungsverfahrens erschöpfend aufgezählt sind; § 139 BGB ist daher unanwendbar (Würdinger S. 107). Dieselben Grundsätze müssen aber auch bei mangelnder Geschäftsfähigkeit gelten. Erklärungen Geschäftsunfähiger (also insbesondere auch Geisteskranker oder Geistesgestörter) sind absolut nichtig, Erklärungen beschränkt Geschäftsfähiger bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung schwebend unwirksam, § 104 ff. BGB. Denn der Vertrauensschutz, der ein Zurücktreten des Einzelinteresses gegenüber dem schutzwürdigen Interesse der Öffentlichkeit bei Willensmängeln, wie Irrtum, Täuschung usw. verlangt, muß seine Schranke da finden, wo ein Gründer zur Abgabe einer entsprechenden, rechtlich beachtlichen Erklärung überhaupt nicht fähig ist, R G Z 145, 159. Nach geltendem Recht hat insoweit das Verkehrs- und Vertrauensinteresse hinter dem Schutz des Geschäftsunfähigen zurückzutreten; so B G H 17, 160, 166ff. und die herrschende Lehre (vgl. Schlegelberger-Quassowski § 2 Anm. 9; Ritter § 2 Anm. 6; Godin-Wilhelmi Vorbem. § 23 Anm. 8; Teichmann-Köhler § 16 Anm. 6 b ; Baumbach-Hueck U b . vor § 23 Anm. 8; Möhring-Tank Rz. 54; Lutter, S. 88, Würdinger, S. 108). Ein Widerspruch zu der Regelung in § 275 besteht, wie in der ersten Auflage angenommen, nicht. § 275 handelt von der Nichtigerklärung der Gesellschaft als solcher und beschränkt diese auf die Fälle, in denen die wesentlichen Satzungsbestimmungen zur Höhe des Grundkapitals und dem Unternehmensgegenstand fehlen oder nichtig sind (z. B. wegen Verstoß gegen §§ 7, 8). b) Die Nichtigkeit einer einzelnen Willenserklärung eines Gründers berührt aber den Bestand einer einmal eingetragenen Gesellschaft nicht (vgl die Anm. zu § 275 sowie Lutter S. 68f., 84f.). Die Tatsache, daß möglicherweise infolge Nichtigkeit oder Unwirksamkeit einer Beitrittserklärung die Gründerzahl von fünf Personen (§ 2) nicht erreicht wird, ist nach § 275 unschädlich (s. auch unten Anm. 5), ebenso daß das satzungsmäßig festgelegte Grundkapital gegebenenfalls nicht rechtswirksam übernommen worden ist oder der Anspruch auf eine Sacheinlage entfällt. Es greift dann die Gründerhaftung der §§ 46 fr. oder der nach §§ 93 Abs. 3, 116 haftenden Personen ein. Versagt diese Haftung, so muß das Grundkapital herabgesetzt werden. Die aus einer nichtigen Ubernahmeerklärung entstehenden Aktien stehen nicht der Gesellschaft zu (so mit Recht GodinWilhelmi vor § 23 Anm. 9; a. A . die Vorauflage und Lutter, S. 85), die somit auch über die Aktien nicht verfügen kann. Ist eine Kapitalherabsetzung erforderlich, so kann allerdings der Fall eintreten, daß die Kapitalgrundlage einer wirksam ins Leben getretenen Aktiengesellschaft wegen Geschäftsunfähigkeit einzelner Gründer nachträglich geschmälert wird und dadurch eine Schädigung der Gläubiger eintritt. Hier muß aber der Verkehrsschutz (und auch der Grundsatz der Kapitalerhaltung) zurücktreten, ohne Rücksicht darauf, ob man die Übernahme von Aktien nun als der Öffentlichkeit gegenüber abgegebene „Verpflichtungserklärung" ansieht oder sich auf den durch die Eintragung hervorgerufenen Rechtsschein beruft. Der Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsunfähige, dessen Erklärung nichtig ist, kann Rückzahlung einer geleisteten Einlage verlangen, da er nicht Gesellschafter geworden ist und es sich somit nicht um eine Rückgewähr der Einlage (§ 57) im eigentlichen Sinne handelt (übereinstimmend GodinWilhelmi a. a. O.).

Anm. 5 II. Gründung 1, Zahl der Gründer Die Z a hl der Personen, die bei der Feststellung der Satzung mitwirken müssen, ist wie bisher a.u{ mindestens fünf bestimmt. Ein Bedürfnis zu einer Änderung hat sich nicht

73

§2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 6—8 ergeben. Das Erfordernis ist geringer als bei eingetragenen Vereinen und bei eingetragenen Genossenschaften, wo die Zahl sieben vorgeschrieben ist (§56 BGB, § 4 GenG). Sind weniger als fünf Personen beteiligt, so hat der Registerrichter die Eintragung abzulehnen ( K G O L G R 43, 293). Ist die A G aber trotzdem eingetragen worden, so liegt in dem Mangel kein Nichtigkeitsgrund.

Anm. 6 2. Durchführung der Gründung Die fünf Personen, die sich an der Feststellung der Satzung beteiligen müssen, müssen auch Aktien übernehmen, und zwar jede Person mindestens eine Aktie. Das wird in der Neufassung des § 2 im A k t G 1965 durch den Wortlaut „welche die Aktien übernehmen" klargestellt (s. auch Anm. 1 oben). Die nach früherem Recht zulässig gewesene Stufengründung (§ 30 A k t G 1937) ist als praktisch bedeutungslos nicht ins A k t G 1965 übernommen worden. Es ist also nur die Simultangründung möglich, für die auch der Ausdruck „Einheitsgründung" gebraucht wird, der sich freilich im Gesetz selbst nicht findet. Beteiligen sich außer den mindestens fünf Personen, welche die Satzung feststellen und Aktien übernehmen, an der Feststellung der Satzung noch andere Personen, die keine Aktien übernehmen, so ist das überflüssig, aber auch unschädlich; der Gründungsvorgang ist nicht darum nichtig (KGJ 51, 128). Diese überflüssigen Personen sind aber auch keine „Gründer". Gründer sind nur Aktionäre, also Personen, die Aktien übernehmen, und zwar diejenigen Aktionäre, welche die Satzung feststellen; h. L., vgl. Ritter § 2 Anm. 4; Baumbach-Hueck § 2 Anm. 5; Ballerstedt J Z 68, 399; Godin-Wilhelmi § 28 Anm. 1, aber a. A . § 2 Anm. 4. O b eine Person zu den Gründern gehört, ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung, s. dazu Anm. zu § 28.

Anm. 7 Die Übernahme der Aktien verträgt keine Beschränkungen, vgl. Lutter S. 93 ff. m. w. auch rechtsvergleichenden N. Beschränkungen, die in die Übernahmeerklärung aufgenommen sind, machen diese nichtig und hindern die Eintragung der A G . Ist die A G dennoch eingetragen worden, so kann sich der Ubernehmer der Aktie auf die Nichtigkeit nicht berufen. Beschränkungen, die nicht in die Übernahmeerklärung aufgenommen worden sind, haben gegenüber der A G überhaupt keine Wirkung (vgl. R G 33, 93). Uber Willensmängel und Mangel der Geschäftsfähigkeit s. oben Anm. 4.

Anm. 8 3. Beteiligung von: a) juristischen Personen Gründer können natürliche oder juristische Personen sein. Das war schon unter dem Handelsgesetzbuch anerkannt und ist heute selbstverständlich. Gleiches gilt für den Staat und die Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. A u c h konzernverbundene Gesellschaften können gemeinsam als Gründer auftreten; dem steht § 56 Abs. 2 nicht entgegen (Würdinger S. 95). Die bürgerlich-rechtliche Verantwortlichkeit eines Gründers (§ 46), der juristische Person ist, ergibt sich ohne weiteres aus § 31 BGB. Daneben kann sich der gesetzliche Vertreter der juristischen Person selbst nach § 47 A k t G , nach § 823 Abs. 2 oder § 826 BGB schadensersatzpflichtig machen. Die strafrechtliche Verantwortung (§ 399) kann die juristische Person freilich nicht treffen. Aber sie trifft den schuldigen verfassungsmäßigen Vertreter (KGJ 41 A 128). A u c h im Abwicklungsstadium kann sich eine juristische Person, wenn es der Abwicklungszweck rechtfertigt, an der Gründung einer A G beteiligen. Wird eine juristische Person bei der Gründung einer A G durch mehrere verfassungsmäßige Vertreter vertreten, so bleibt sie doch nur eine Person ( O L G Dresden Z H R 37 S. 548 Nr. 87). Der verfassungsmäßige Vertreter kann sich neben der juristischen Person selbst als Gründer nur dann beteiligen, wenn ihm das gestattet ist (§ 181 BGB). Nur bei Beschlüssen (Sozialakten der körperschaftlichen Willensbildung) ist § 181 BGB nicht anwendbar ( B G H W M 1969, 1280).

74

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 2 A n m . 9—11

Anm. 9 b) Handelsgesellschaften Auch eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft kann sich als Mitgründerin beteiligen, nicht aber eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder ein Verein ohne Rechtsfähigkeit (wie hier Godin-Wilhelmi §2 Anm. 5; Baumbach-Hueck §2 Anm. 4; a. A. Ritter § 2 Anm. 3b; Schnorr v. Carolsfeld DNZ 1963, 416). Damit hat es nichts zu tun, daß eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Mitglied einer anderen Gesellschaft bürgerlichen Rechts werden kann (RG 136, 240). Durch die §§124, 161 Abs. 2 HGB wird der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft, wenn auch nicht juristische Persönlichkeit, so doch in weitgehendem Maße Parteifahigkeit beigelegt. Beteiligt sich eine offene Handelsgesellschaft an der Gründung einer AG, so wird sie dabei nach § 125 HGB durch einen oder mehrere Gesellschafter vertreten, entsprechend die Kommanditgesellschaft nach § 161 Abs. 2, § 170 HGB durch einen persönlich haftenden Gesellschafter oder durch mehrere. Den oder die Vertreter trifft die strafrechtliche (§ 399), die Gesellschaft die bürgerlich-rechtliche Verantwortlichkeit (§46 AktG, §31 BGB), den oder die Vertreter außerdem die Schadensersatzpflicht nach § 47 AktG, § 823 Abs. 2 oder §826 BGB (vgl. Anm. 8; über die entsprechende Anwendbarkeit des §31 BGB s. R G 76, 48). Streitig ist, ob neben der offenen Handelsgesellschaft noch die Gesellschafter, neben der Kommanditgesellschaft noch die persönlich haftenden Gesellschafter als Gründer auftreten und damit die Fünfzahl erfiillen können. Die letzte Frage ist zu verneinen. Das Gesetz will mindestens fünf Personen mit ihrem gesamten Vermögen für den Gründungshergang haften lassen. Auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit kommt es dabei weniger an, denn die Bestrafung kann den angerichteten Schaden nicht wieder gutmachen. Entscheidend ist die bürgerlich-rechtliche Haftung. Die Haftung der offenen Handelsgesellschaft erstreckt sich aber nach § 128 HGB ohne weiteres auf das Privatvermögen der Gesellschafter, die der Kommanditgesellschaft sich nach § 161 Abs. 2 HGB auf das Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter. Träten diese also neben der Gesellschaft noch als Gründer auf, so würde keine neue Haftung hinzugefügt (wie hier die h. L., vgl. Godin-Wilhelmi Anm. 5; Baumbach-Hueck Anm. 2; Würdinger, S. 95). Ist die Fünfzahl ohnehin erreicht, so steht nichts im Wege, daß die Gesellschafter sich noch persönlich an der Gründung beteiligen, vorausgesetzt, daß ihnen das nach § 181 BGB durch den Gesellschaftsvertrag oder im Einzelfall gestattet ist. Ist die Gesellschaft Gründerin, so stehen die von ihr übernommenen Aktien ihr zu, nicht den Gesellschaftern. Es ist aber nicht zu beanstanden, daß die Aktien durch Abtretung unter die Gesellschafter verteilt werden (vgl. R F H 13, 113).

Anm. 10 c) Bruchteils- und Gesamthandgemeinschaften Mehrere Personen können sich nicht in Bruchteilsgemeinschaft als Gründer beteiligen. Es widerspräche der Unteilbarkeit der Aktie (§ 8 Abs. 3), wenn mehrere Personen eine Aktie zu ideellen Teilen übernehmen könnten. Die scheinbar abweichende Meinung bei Schlegelberger-Quassowski §8 Anm. 15; Ritter §8 Anm. 6; Teichmann-Koehler § 8 Anm. 2b; Godin-Wilhelmi § 8 Anm. 9; Baumbach-Hueck § 8 Anm. 19 bezieht sich offenbar nicht auf die hier allein behandelte Frage, ob eine Bruchteilsgemeinschaft Gründerin sein kann, sondern ob an einer Aktie eine Gemeinschaft zu Bruchteilen oder ideell entstehen kann; dazu § 8 Anm. 12. Auch eine Erbengemeinschaft kann nicht Gründerin sein, weil sie keine selbständige Rechtspersönlichkeit hat (so jetzt auch BaumbachHueck Anm. 4). Jeder einzelne Erbe müßte als Gründer auftreten. Daß die Erbengemeinschaft eine Gesamthand bildet, ändert daran nichts (wie hier auch Godin-Wilhelmi Anm. 5). In dieser Hinsicht liegt die Sache ebenso wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Anm. 9).

Anm. 11 d) Einzelkauf leuten Ein Einzelkaufmann kann sich unter seiner Firma als Gründer beteiligen. Bedenken aus der Identitätsfeststellung können hier nicht dieselbe Rolle spielen wie beim Eigen-

75

§2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 12—14 tumserwerb an Grundstücken. O b auch da, wo die Satzung die Übertragung der Aktie an die Zustimmung der Gesellschaft bindet (§ 68 Abs. a), Einzelkaufleute — oder Handelsgesellschaften — unter ihrer Firma zuzulassen sind, könnte zweifelhaft sein, da es dort auf die Person des Aktionärs anzukommen scheint. Indessen wird man es der A G überlassen können, ob ihr bei Bindung der Aktien die Angabe der Firma genügt, ob sie also die Bindung auf die Firma abstellen will. Es ist das eine in der Satzung zu regelnde, gegebenenfalls durch deren Auslegung zu lösende Frage.

Anm. 12 e) Minderj ährigen Minderjährige, andere beschränkt Geschäftsfähige wie auch Geschäftsunfähige sind, sofern sie ordnungsmäßig gesetzlich vertreten werden, von der Beteiligung an der Gründung einer A G nicht ausgeschlossen (fiir Fälle fehlender gesetzlicher Vertretung s. oben Anm. 4). Die strafrechtliche Verantwortlichkeit (§ 399) trifft den gesetzlichen Vertreter, die bürgerlich-rechtliche (§ 46) den Vertretenen, daneben aber unter den Voraussetzungen der § 47 A k t G , § 823 Abs. 2 oder § 826 BGB den Vertreter selbst. O b es der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach den §§ 1643, 1822 Nr. 3 B G B bedarf, ist streitig, aber zu verneinen. § 1822 Nr. 3 BGB verlangt die Genehmigung zu einem Gesellschaftsvertrage, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird. Die Gründer einer A G wollen aber nicht als Unternehmer ein Erwerbsgeschäft betreiben, sondern einen Verein mit eigener Rechtspersönlichkeit ins Leben rufen (§ 1 Anm. 3), der, wenn er ein Erwerbsgeschäft betreibt, dies auf eigene Rechnung tut. Die Zuteilung von Aktien macht die Aktionäre nicht zu Mitinhabern eines Erwerbsgeschäfts, sondern zu Vereinsmitgliedern; die Ausdrücke „Aktiengesellschaft" (§ 1) und „Gesellschaftsvertrag" (§ 2) geben das Wesen der Sache ungenau wieder (§ 1 Anm. 3, oben Anm. 2). Bei der G m b H ist die Rechtslage entsprechend; s. etwa Baumbach-Hueck § 2 Anm. 2; vgl. auch B G H 17, 160. O b der Vormund pflichtwidrig handelt, wenn er Mündelgeld in Aktien anlegt, ist eine andere Frage (§§ 1806—1811 BGB). Vertritt ein und derselbe gesetzliche Vertreter mehrere Kinder oder Mündel, so kann er wegen der Vorschriften der §§ 181, 1795 Abs. 2 BGB bei der Gründung nur eines vertreten, für die andern muß nach § 1909 BGB j e ein Pfleger bestellt werden. Will er sich für seine Person an der Gründung beteiligen, so ist er von der Vertretung überhaupt ausgeschlossen. Ein Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger würde jedoch, wenn er nicht ordnungsmäßig vertreten gewesen und ohne Entdeckung des Mangels die A G eingetragen worden wäre, nicht nach aktienrechtlichen Grundsätzen für die Aufbringung seiner Einlage haften; ein derartiger Mangel begründet keinen Nichtigkeitsgrund nach § 275 (oben A n m . 4).

Anm. 13 f) Ehegatten Ehegatten, die sich an der Gründung einer A G beteiligen, bedürfen dazu, wenn sie im gesetzlichen Güterstand leben, nicht der Zustimmung des anderen Gatten (§ 1364 BGB). Die Zustimmung ist aber für die Haftung des Gesamtguts von Bedeutung (§ 1460 BGB), falls der entsprechende Güterstand vertraglich vereinbart wird.

Anm. 14 g) Bevollmächtigten D a ß die Gründer die Gründung persönlich vornehmen, ist nicht vorgeschrieben. Vielmehr istBevollmächtigung zulässig, wie sich aus dem in § 23 Abs. 1 Satz 2 für die Vollmacht aufgestellten Formerfordernis klar ergibt (s. im Einzelnen § 23 Anm. 6). A u c h eine Generalvollmacht genügt. Ebenso kann ein Prokurist als Vertreter auftreten (h.A., s.Baumbach-Hueck Anm. 6 zu § 2; vgl. ferner O L G Dresden R J A 15, 56). Bei der Vertretung einer offenen Handelsgesellschaft (oder Kommanditgesellschaft) ist §125 Abs. 3 H G B , bei der Vertretung einer A G ist § 78 Abs. 3 A k t G anwendbar, wonach ein Prokurist gemeinsam mit einem Gesellschafter oder Vorstandsmitglied die Vertretung ausüben kann, wenn

76

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 2

Anm. 15, 16

es die Satzung gestattet. Der Bevollmächtigte oder der Prokurist kann sich für seine Person neben dem Vertretenen an der Gründung beteiligen, wenn ihm Befreiung von der Vorschrift des § 181 BGB erteilt ist (vgl. Anm. 8, 9); dies kann allgemein oder für den einzelnen Fall geschehen. Vertritt ein Bevollmächtigter mehrere Gründer, so bedarf es ebenfalls der Befreiung von der Vorschrift des § 181 BGB. Ist solche Befreiung erteilt, so kann ein Mitgründer als Bevollmächtigter anderer Mitgründer auftreten, einer sogar für sämtliche Gründer ( O L G Dresden bei Holdheim 7, 312; B a y O b L G in B a y O b L G Z 23, 146). Den Gründungsbericht (§ 32) müssen die Gründer persönlich erstatten (§ 32 Anm. 2). Ebenso ist bei der Anmeldung zum Handelsregister wegen der darin abzugebenden Erklärung (§ 37) Vertretung unstatthaft (§ 36 Anm. 8). Uber den Vertreter ohne Vertretungsmacht s. § 23 Anm. 6.

Anm. 15 h) Testamentsvollstreckern Der Testamentsvollstrecker kann nicht die Erben bei einer Gründung vertreten. Er ist zwar nach § 2206 BGB berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlaß einzugehen. Die mögliche Beschränkung solcher Verbindlichkeiten auf den Nachlaß (§ 1975 BGB) ist aber mit dem Wesen der Gründung nicht verträglich, weil die neue A G mit bestimmtem Grundkapital in den Rechtsverkehr eintreten muß, die Haftbarkeit der Gründer also nicht beschränkt sein kann (wie hier Baumbach-Hueck § 2 Anm. 4; Godin-Wilhelmi § 2 Anm. 5; a. A . Schnorr v. Carolsfeld D N Z 63, 416; s. auch K G J 33 A 135; R J A 16, 102). Der Erblasser kann daher auch nicht wirksam bestimmen, daß der Testamentsvollstrecker ein zum Nachlaß gehöriges Geschäftsunternehmen in eine A G umzuwandeln habe. Eine solche Anordnung ist nicht ausführbar, wenn sich nicht die Erben oder andere Personen freiwillig dazu bereit finden.

Anm. 16 1) Strohmännern Literatur: O. Kuhn, Strohmanngründung bei Kapitalgesellschaften, 1964; zu BGH 31,378 zusammenfassend mit Literaturnachweisen Schilling in JZ 57, 92. Unter einem „Strohmann" als Gründer pflegt man eine Person zu verstehen, die sich an der Gründung zwar im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung, sei es für Rechnung eines Mitgründers oder eines anderen, beteiligt. Es versteht sich von selbst, daß dies ein inneres Verhältnis zum Auftraggeber ist, das an den Pflichten des Gründers gegenüber der A G nichts ändern kann. Dieses Verhältnis berührt auch grundsätzlich nicht die Gültigkeit der Gründung ( R G 28, 77; 41, 13; 84, 21; 130, 392; R G S t . 30, 312; 43, 412; R G in J W 1901, 484; bei Holdheim 16, 124; O L G Dresden K G J 6, 218). Für die G m b H hat zwar das O L G Celle ( O L G E 27, 362 und DNotZ 1951, 222f.) Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags für den Fall angenommen, wo von zwei Gründern der eine lediglich für Rechnung des andern mitgegründet und sich verpflichtet hatte, diesem sofort nach der Gründung seinen Geschäftsanteil abzutreten. Dieser Auffassung ist jedoch der B G H (21, 378) mit Recht entgegengetreten, eine Entscheidung, die im Interesse der Verkehrssicherheit zu begrüßen ist. Nur wenn Gesetzes- oder Sittenverstoß vor Eintragung der Gesellschaft offenbar sind, kann der Registerrichter die Eintragung ablehnen. Ein Gesetzesverstoß (Umgehung von § 2 — Zahl der Gründer) liegt aber nicht schon dann vor, wenn jemand a b Gründer auftritt, der sich verpflichtet hat, nach Eintragung der Gesellschaft seine Aktien auf einen oder mehrere Mitgründer zu übertragen. Es liegt in derartigen Fällen auch kein nichtiges Scheingeschäft vor ( § 1 1 7 BGB), wenn nur der „Strohmann" die Gründungserklärung und die damit für ihn selbst verbundenen Pflichten ernstlich will (wie hier Godin-Wilhelmi § 2 Anm. 5; Würdinger S. 95f.; Baumbach-Hueck § 2 Anm. 7; Schilling a. a. O.). Nur wenn jemand an der Gründung beteiligt ist, der selbst gar nicht Aktionär werden, insbesondere keine Aktien übernehmen will und meint, schon allein durch eine nicht ernstlich gemeinte Gründung die Eintragung der Gesellschaft herbeiführen zu können, liegt ein (nichtiges) Schein-

77

§3

Anm. 1, 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

geschäft vor, das den Registerrichter berechtigt, die Eintragung zu verweigern. Ein derartiger Tatbestand kann nicht ohne weiteres bei Gründungen, bei denen „Strohm ä n n e r " mitwirken, unterstellt werden. D a ß auch das A k t G den Strohmann als wirklichen Gründer betrachtet, ergibt sich schon aus § 33 Abs. 2 N r . 2, § 46 Abs. 5 und § 32 Abs. 3. In § 56 Abs. 1 wird den U n zuträglichkeiten, die für das Wirtschaftsleben damit verbunden sind, d a ß ein Strohmann für die A G selbst oder ein abhängiges Unternehmen auftritt, in anderer Weise begegnet: der Strohmann hat nur die Pflichten, nicht die Rechte des Aktionärs. Dieser Gedanke läßt sich entsprechend anwenden, wenn im Einzelfall die Bestellung eines Strohmanns der U m g e h u n g des Gesetzes dient oder gegen die guten Sitten verstößt, die A G jedoch eingetragen worden ist. Ein Nichtigkeitsgrund nach § 275 liegt in solchem Fall nicht vor. Ebenso kommt eine Amtslöschung nicht in Frage ( B G H a. a. O . ) , ebensowenig ein Löschungsverfahren nach § 144 a F G G . Erkennt aber der Registerrichter vor der Eintragung die Absicht der Gesetzesumgehung oder den Verstoß gegen die guten Sitten, so hat er die Eintragung abzulehnen (vgl. L G Berlin DJ 1936, 465; Herbig in D F G 1936, 85; Godin-Wilhelmi § 2 A n m . 5). Die Eintragung hat aber jedenfalls heilende W i r k u n g (vgl. Ritter § 2 A n m . 4; Scholz N J W 1951, 847 mit weiteren Nachweisen und jetzt auch Baumbach-Hueck § 2 A n m . 7). Wegen der Sondervorschrift des § 46 Abs. 5 über die Haftung der Auftraggeber von Strohmännern ist die Entscheidung B G H 31, 258 (266fr.) auf das Aktienrecht nicht übertragbar (s. auch Würdinger S. 96). D a ß steuerrechtlich für die Erhebung der K a p V e r k S t e u e r der Auftraggeber des Strohmanns als Erwerber des Gesellschaftsrechts gilt ( R F H 14, 228; S t u W 1929, 1013) folgt aus besonderen steuerlichen Erwägungen ( § 1 1 S t A n p G ) , die für das A k t R keine Bedeutung haben.

§ 3

Die Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft

Die Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Ü b ersieht:

I. Einleitung II. Gesellschaftszweck

Anm.

Anm.

1

III. Die AG als Handelsgesellschaft — anwendbare Vorschriften des HGB und des öffendichen Rechts 3—4

2

Anm. 1 I. Einleitung Die Vorschrift fand sich seit dem Gesetz von 1870 schon im alten Handelsgesetzbuch als Art. 208 und ging in das Handelsgesetzbuch von 1897 als § 210 Abs. 2 über. Sie ist unverändert aus A k t G 1937 übernommen. A u c h das A k t G 1965 definiert nicht den „ G e g e n s t a n d " des Unternehmens, vgl. aber § 23 Abs. 3 Nr. 2.

Anm. 2 II. Gesellschaftszweck Die Vorschrift besagt erstens, d a ß es auf den Gegenstand des Unternehmens einer A G rechtsgrundsätzlich nicht ankommt. Sie kann zu jedem beliebigen Zweck, sofern er nur erlaubt ist, gegründet werden, auch zu Zwecken, die mit einem Handelsgewerbe nichts

78

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 3 Anm. 3, 4

zu tun haben, z. B. zur Rohstoffgewinnung oder Vermietung von Grundstücken. Der Zweck braucht überhaupt nicht auf Erwerb gerichtet, kein gewerblicher zu sein. Die AG kann sich darauf beschränken, den Bedürfnissen der Mitglieder zu dienen wie bei Konsumvereinen. Holdinggesellschaften (Gesellschaften, die Beteiligungen an anderen Gesellschaften haben und sich auf Beherrschung dieser Gesellschaften beschränken), zum Beispiel üben eine lediglich verwaltende Tätigkeit aus. Der Zweck braucht nicht einmal ein wirtschaftlicher zu sein. Die AG kann rein gesellige, politische, religiöse, kurz allerlei „ideale" Zwecke betreiben. § 21 BGB gilt für sie nicht (§ 1 Anm. 4). Freilich werden andere als wirtschaftliche Zwecke bei dem Mindestbetrag des Grundkapitals (§ 7) und der steuerlichen Behandlung (s. Anm. 4 am Ende) in der Regel kaum in Betracht kommen. Anm. 3 III. Die AG als Handelsgesellschaft — anwendbare Vorschriften des HGB und des öffentlichen Rechts Die Vorschrift besagt zweitens, daß die AG, mag sie betreiben, was sie will, immer als Handelsgesellschaft gilt. Gilt sie aber als Handelsgesellschaft, so finden nach § 6 HGB auf sie die für Vollkaufleute gegebenen Vorschriften Anwendung. Sie gilt, wie § 17 GenG für Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften kürzer sagt, als Kaufmann (§ 1 Anm. 2), auch abgesehen von § 2 HGB. Anm. 4 Daraus folgt, da das von einem Kaufmann betriebene Unternehmen ein Handelsgewerbe ist (§ 343 HGB), daß das von einer AG betriebene Unternehmen, gleichviel, worin es besteht, immer als Handelsgewerbe gilt und alle zu diesem Betrieb gehörigen Geschäfte als Handelsgeschäfte gelten. Das Gegenteil kann für eine AG, die überhaupt kein Gewerbe betreibt (Anm. 2), nicht aus § 5 HGB entnommen wer4en. Diese Vorschrift setzt eine mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmende Eintragung voraus und ist für eine AG bedeutungslos (vgl. Martin WolfF, Festschrift für Gierke 1910, 2 S. 130). Jedes Geschäft, das die AG im eigenen Namen vornimmt, ist auf ihrer Seite ein Handelsgeschäft. Ist auch der Geschäftsgegner Kaufmann, so ist das Geschäft ein beiderseitiges Handelsgeschäft. Kauft also eine AG mit rein geselligem Zweck Klubsessel für ihren Betrieb, so hat sie nach § 377 HGB die Untersuchungs- und Rügepflicht. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen ist bei Geschäften zwischen einer AG und einem anderen Kaufmann stets 5 v. H. (§ 352 HGB). Die von einer AG versprochene Vertragsstrafe kann nicht nach § 343 BGB herabgesetzt werden (§ 348 HGB), ihre Bürgschaften sind, wenn nichts anderes vereinbart ist, selbstschuldnerische und sind formlos gültig (§§ 349, 350 HGB) usw. Die Angestellten einer AG sind Handlungsgehilfen (§ 59 HGB), freilich nur diejenigen, deren Arbeit kaufmännischer Tätigkeit entspricht, also nicht Gewerbegehilfen wie z. B. Kellner in einem von einer AG betriebenen Gasthaus, nicht Aufwartefrauen, Pförtner usw., wohl aber, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens kein kaufmännischer ist, das Büropersonal, soweit es nicht rein mechanische Dienste leistet. Prokura und Handlungsvollmacht kann auch eine AG erteilen, die kein Handelsgewerbe betreibt (wie hier Godin-Wilhelmi Anm. 2 und Baumbach-Hueck Anm. 2; a. M. für Prokura Brodmann § 210 HGB Anm. 4), denn ihr Betrieb gilt als Handelsgewerbe. Lieferungen an eine AG gelten als Lieferungen für ein Handelsgewerbe; die Ansprüche dafür verjähren nach § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in vier Jahren. Das Reichsgericht hat zwar zugunsten einer GmbH ungeachtet des § 1 3 Abs. 3 GmbHG eine zweijährige Verjährungsfrist angenommen, weil die Arbeiten nicht für einen Gewerbebetrieb der GmbH geleistet seien (DJZ 1913, 233; vgl. auch OLG Celle OLGE 28, 42). Aber wenn die Form der AG oder GmbH gewählt wird, so müssen auch die damit verbundenen Nachteile in Kauf genommen werden; wie hier Godin-Wilhelmi a. a. O.; Baumbach-Hueck a. a. O. Auch wenn eine AG staatliche Aufgaben erfüllt oder Hoheitsrechte ausübt, bleibt sie Handelsgesellschaft (RG 158, 257 (265)), ebenso, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts alle Aktien besitzt (RFH J W 1936, 531; BGH NJW 1965, 79

§ 3 Anm. 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

754). Sie wird dadurch nicht etwa selbst zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es gelten also bezüglich ihrer Organisation die Bestimmungen des A k t R , die Schadenshaftung richtet sich nicht nach § 839 BGB, sondern nach § § 3 1 , 831 BGB ( R G 158, 265). Nur soweit eine A G kraft Gesetzes oder RechtsVO Hoheitsrechte ausübt, unterliegen Ansprüche gegen sie dem öffentlichen Recht ( R G a. a. O.). Das gilt aber nicht, wenn hoheitliche Aufgaben durch Teilnahme am privatwirtschaftlichen Verkehr verfolgt werden; dann regeln sich die Rechtsbeziehungen zu Dritten ausschließlich nach bürgerlichem Recht ( R G G R U R 1937, 73; B G H 1, 75). Vgl. im einzelnen Berkemann, Die staatliche Kapitalbeteiligung an Aktiengesellschaften, Hamburg 1966. Bei den Reformdiskussionen zum A k t G 1965 wurde auch klargestellt, daß Gesellschaften im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand als solche keine Privilegierung erfahren dürften (vgl. DJT, Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts, 1967, T z . 801—806). Allerdings gilt die öffentliche Hand als solche in der Regel nicht als Unternehmer i. S. der §§ 15fr. (s. Vorbemerkung z u den §§ 1 5 — 1 9 ; Würdinger, S. 263; Baumbach-Hueck § 15 Anm. 5 m. w. N.). Streitig ist, ob die A G neben ihrem Betrieb eine Privatsphäre haben und darin Nichthandelsgeschäfte (§§ 343, 344 HGB) abschließen kann (so M . Wolff a. a. O . S. 135). Die Frage ist zu verneinen. Was überhaupt unter die Geschäfte der A G fallt, gehört, abgesehen von den Verwaltungsgeschäften, die ihre innere Einrichtung und die Beziehungen zu ihren Aktionären betreffen (vgl. § 13 Anm. 3), zu ihrem Betrieb. Was von Organen oder Angestellten der A G außerhalb der ihnen zustehenden Verrichtungen vorgenommen wird, ist kein Geschäft der A G , auch wenn sie, weil der Mißbrauch der Vertretungsmacht nicht erkennbar war ( R G 145, 315), daraus haftet. Das Vorstehende hat aber nur privatrechtliche Bedeutung. Im Sinne der Gewerbeordnung gilt eine A G , die tatsächlich kein Gewerbe betreibt, nicht als gewerbetreibend. Auch nach dem BetrVerfG sind die Bestimmungen über die Teilnahme von Arbeitnehmern am AufsRat ausgeschlossen für sog. Tendenzbetriebe, § 81, also vornehmlich Unternehmen, die kein Gewerbe betreiben. Steuerrechtlich wird freilich eine A G ohne weiteres als gewerbetreibend behandelt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes). Sie gilt auch stets als Kapitalgesellschaft nach § 5 K a p V e r k S t G und unterliegt der Körperschaftsteuer nach § 1 K S t G . Ihr Einkommen ist stets wie gewerbliches zu ermitteln ( R F H 23, 96). Dagegen sieht das VermögensStG vom 10. 6. 54 (BGBl. I 137) für bestimmte A G , deren Anteile sich in öffentlicher Hand befinden oder die staatlich geförderte Zwecke erfüllen, Steuerbefreiung vor, § 3, als Ausnahme zu dem Grundsatz der unbeschränkten Steuerpflicht inländischer Kapitalgesellschaften nach § 1 ; für die vermögenssteuerpflichtige A G wird bei der Besteuerung ein Mindestvermögen von 50 000 D M zugrunde gelegt, § 6 Abs. 1. Alle Wirtschaftsgüter einer A G gelten als Betriebsvermögen, § 97 Abs. 1 Ziff. 1 BewertungsG.

§ 4: F i r m a (1) Die Firma der Aktiengesellschaft ist in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen. Sie muß die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" enthalten. (2) Führt die Aktiengesellschaft die Firma eines auf sie übergegangenen Handelsgeschäfts fort (§ 22 des Handelsgesetzbuchs), so muß sie die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" in die Firma aufnehmen. Ü b ersieht: Anm

Anm.

I. Einleitung II. Firma der Aktiengesellschaft 1. Kennzeichnende Sachfirma 2. „Aktiengesellschaft" als Firmenbestandteil

80

1 2 3

3. Abgeleitete Firma, Firma für die Zweigniederlassung 4. Alte Firmen (vor dem 1. 1. 1900) 5. Unzulässige Firma III. Firmenwert

4 5 6

7

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 4 A n m . 1, 2

Anm. 1 I. Einleitung Die Vorschrift des ersten Absatzes wurde aus § ao HGB a. F., die des zweiten aus § 22 HGB herübergenommen, weil das AktG 1937 aus dem äußeren Zusammenhang mit dem Handelsgesetzbuch gelöst wurde (vgl. § 18 EGAktG 1937). Das AktG 1965 hat Abs. 1 wörtlich aus dem bisherigen Recht übernommen und in Abs. 2 die Worte „von ihr erworbenen" durch die Worte „auf sie übergegangenen" ersetzt. Sachlich ist damit nichts geändert. Der neue Wortlaut des Abs. 2 entspricht aber besser der Rechtslage (vgl. § 22 HGB, wo auch andere als Erwerbstatbestände, die einen Ubergang der Firma zulassen, genannt sind). Schon aus dem früheren Zusammenhang mit dem HGB ergibt sich, daß neben § 4 auch die allgemeinen Grundsätze des Firmenrechts für die A G gelten, also insbesondere §§17, 18 Abs. 2, 30 HGB. HGB § 17 (1) Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. (2) Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden. HGB § 18 (1) Ein Kaufmann, der sein Geschäft ohne Gesellschafter oder nur mit einem stillen Gesellschafter betreibt, hat seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen als Firma zu führen. (2) Der Firma darf kein Zusatz beigefügt werden, der ein Gesellschaftsverhältnis andeutet oder sonst geeignet ist, eine Täuschung über die Art oder den Umfang des Geschäfts oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers herbeizuführen. Zusätze, die zur Unterscheidung der Person oder des Geschäfts dienen, sind gestattet. HGB § 22 (1) Wer ein bestehendes Handelsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen erwirbt, darf für das Geschäft die bisherige Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführen, wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben in die Fortführung der Firma ausdrücklich willigen. (2) Wird ein Handelsgeschäft auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses übernommen, so finden diese Vorschriften entsprechende Anwendung. HGB § 30 (1) Jede neue Firma muß sich von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deudich unterscheiden. (2) Hat ein Kaufmann mit einem bereits eingetragenen Kaufmanne die gleichen Vornamen und den gleichen Familiennamen und will auch er sich dieser Namen als seiner Firma bedienen, so muß er der Firma einen Zusatz beifügen, durch den sie sich von der bereits eingetragenen Firma deudich unterscheidet. (3) Besteht an dem Orte oder in der Gemeinde, wo eine Zweigniederlassung errichtet wird, bereits eine gleiche eingetragene Firma, so muß der Firma für die Zweigniederlassung ein der Vorschrift des Abs. 2 entsprechender Zusatz beigefügt werden. (4) Durch die Landesregierungen kann bestimmt werden, daß benachbarte Orte oder Gemeinden als ein Ort oder als eine Gemeinde im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sind. HGB §37 (1) Wer eine nach den Vorschriften dieses Abschnitts ihm nicht zustehende Firma gebraucht, ist von dem Registergerichte zur Unterlassung des Gebrauchs der Firma durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Die Höhe der Strafen bestimmt sich nach § 14 Satz 2. (2) Wer in seinen Rechten dadurch verletzt wird, daß ein anderer eine Firma unbefugt gebraucht, kann von diesem die Unterlassung des Gebrauchs der Firma verlangen. Ein nach sonstigen Vorschriften begründeter Anspruch auf Schadensersatz bleibt unberührt. Anm. 2 II. Firma der Aktiengesellschaft 1. Kennzeichnende Sachfirma Die Firma, der alleinige Name der A G , hat in der Regel eine Sachfirma zu sein. 6

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

81

§4 Anm. 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Daß die Firma dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen ist, bedeutet, daß ein Zusammenhang zwischen dem Gegenstand und der Firma bestehen und dieser zumindest dem Verkehr erkennbar sein muß (Baumbach-Hueck Anm. 4; Godin-Wilhelmi Anm. 5; a. A. noch K G J W 1925, 639 (Aeriola); 1927, 130, 1107, das in der Firma lediglich ein Unterscheidungszeichen sah, bestimmt, vor willkürlichen Täuschungen zu schützen, aber nicht, über den Gegenstand aufzuklären; einschränkend dagegen K G N J W 1958, 1830 = GmbH Rdsch. 1958, 163). Phantasienamen sind nur als Firmenzusätze zulässig, es sei denn, es handelt sich um Warenzeichen oder Fabrikatsbezeichnungen, die sich im Verkehr schon für einen bestimmten Gegenstand durchgesetzt haben (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Baumbach-Hueck, Godin-Wilhelmi a . a . O . ; speziell zu Warenzeichen vgl. auch noch Veismann, GmbH Rdsch. 1965, 95 und Wessel, N J W 1968, 733 gegen Grobe, N J W 1967, 1948 und Kühn GmbH Rdsch. 1967, 49, 95). Eine Sachfirma lediglich aus Anfangsbuchstaben ist nur zuzulassen, wenn sie aus sich heraus allgemein im Sinne des Gegenstandes verstanden wird ( K G GmbH Rdsch. 1958, 163; Baumbach-Hueck a.a.O.). Worte in fremder Sprache können die Firma bilden, wenn sie entweder für Deutsche verständlich sind oder im Gegenstand des Unternehmens erklärt oder mit ihm aus anderen Gründen allgemein in Verbindung gebracht werden können. Auch die Firma der A G muß dem Individualitätsgebot des § 1 7 H G B entsprechen, sie muß eine eigentümliche Namensbezeichnung sein, muß Kennzeichnungskraft besitzen ( K G J 37 A 172; O L G Hamm N J W 1961, 20i8f.). Daher ist „GroßhandlungAktiengesellschaft" ( K G a. a. O. für Genossenschaft) ebenso unzulässig wie „Transportbeton-Aktiengesellschaft,, ( O L G Hamm a. a. O. für GmbH) oder „Mineralöl-Vertrieb Aktiengesellschaft" ( L G Hannover BB 1969 Beilage 10, S. 14), es sei denn, es handelt sich um Größtfirmen oder Zusammenfassungen wie die „Ruhrkohle A G " (vgl. aber im folgenden). Weiterhin muß die Firma dem Gebot der Firmenwahrheit des § 18 Abs. 2 H G B entsprechen: Weder Zusatz noch Kern dürfen zur Täuschung geeignet sein ( R G 127, 81). Phantasieworte, die auf die für die Aktiengesellschaft übliche Abkürzung A G oder ag enden, sind auch als Zusatz unzulässig, wenn sie eine Firma bezeichnen sollen, die nicht A G ist (BGH 22, 88; L G Göttingen BB 1959, 899; Godin-Wilhelmi a. a. O.). Die Sachfirma der A G darf auch keine täuschende Vorstellung über die Größe des Betriebs oder die Bedeutung des Unternehmens hervorrufen, das gilt auch für den Zusatz „Werk" o. ä. (aufweichend neuerdings O L G Stuttgart BB 1969, 1194, mit zu Recht abl. Anm. v. Wessel m. w. N. zur h. M.). Insbesondere der Zusatz „deutsche" setzt heute Unternehmen voraus, die in Deutschland für die Gesamtwirtschaft beispielhaft sind oder jedenfalls innerhalb ihres Wirtschaftszweiges eine hervorragende Sonderstellung einnehmen, es sei denn, es handelt sich um in Deutschland gelegene Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen (Würdinger in Großkomm. H G B Anm. 24 zu § 18; Baumbach-Duden, H G B Anm. 2 G zu §§ 18, 19 m. w. N. auch zu den Zusätzen „international", „Europa", „Welt"). Umgekehrt kann aber auch das Weglassen örtlich oder gegenständlich konkretisierender Zusätze irreführende Assoziationen über die Größe des Unternehmens hervorrufen, wenn in dem betreffenden Wirtschaftszweig solche Zusätze allgemein üblich sind und das neue Unternehmen nicht ein alle überragendes Großunternehmen ist. Vgl. insgesamt zur Sachfirma auch Veismann, DB 1966, 99 m. w. N. sowie die Rspr.-Sammlungen in BB 1966, 1242; 1968, 308 und 1969 Beilage 10. Eine reine Personenfirma (Schulze & Lehmann Aktiengesellschaft) ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines besonderen Interesses zulässig ( K G Recht 1924 Nr. 1248), z. B. wenn der Personenname ein Begriff fiir die herzustellenden oder zu vertreibenden Waren geworden ist. § 24 Abs. 2 H G B ist dann allerdings nicht anwendbar (BGH DB 1969, 2127 = BB 1969, 1410 m. w. N.). Unbedenklich ist dagegen eine gemischte Firma: Die Gegenstandsangabe kann beliebig mit Personennamen verbunden werden (vgl. Baumbach-Hueck Anm. 5).

82

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 4 Anm. 3, 4

Anm. 3 2.„Aktiengesellschaft" als Firmenbestandteil Die Vorschrift des ersten Satzes des Abs. i betrifft nur ursprüngliche, nicht abgeleitete Firmen. Von abgeleiteten handelt der zweite Absatz (Anm. 4). Sowohl für Aktiengesellschaften mit ursprünglicher wie für solche mit abgeleiteter Firma gilt, daß die Firma die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" enthalten muß. Die Abkürzung „ A G " , „Aktienhotel", „Aktienbrauerei" würde nicht genügen, wohl aber „Droschken-Aktien-Gesellschaft" (KGJ 41 A 263). Der Zusatz muß in deutscher Sprache geführt und ausgeschrieben werden. Er ist ein Bestandteil der Firma und muß ins Handelsregister eingetragen werden. Im Verkehr ist die Abkürzung „ A G " üblich und zulässig (vgl. O L G Hamburg KGJ 39 A 302). Uber den Unterschied zwischen Firma und Geschäftsbezeichnung vgl. O L G München HRR 1937 Nr. 318. Eine nach Eintragung der A G eintretende tatsächliche oder satzungsmäßige Änderung des Gegenstandes des Unternehmens zwingt grundsätzlich nicht zur Abänderung der Firma, solange nicht eine Täuschung über die Art des Geschäfts (vgl. § 18 Abs. 2 HGB), also firmenrechtliche Unzulässigkeit vorliegt. In diesem Falle greifen die in Anm. 6 aufgezeigten Rechtsfolgen ein. Für Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit ausländischem Sitz (§ 44) gilt § 4 Abs. 1 Satz 1 — schon wegen der möglichen Unterschiede zwischen den Gesellschaftsformen — nicht, vgl. L G Flensburg BB 1969 Beilage 10, S. 15 sowie §44 Anm. 8.

Anm. 4 3. Abgeleitete F i r m a , F i r m a für die Zweigniederlassung Der zweite Absatz betrifft den Fall, daß die A G die Firma eines von ihr erworbenen Handelsgeschäfts nach § 22 HGB fortfuhrt. Man spricht dann von einer „abgeleiteten" Firma. Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Fortführung zulässig ist, ergeben sich aus § 22 HGB und sind dort darzustellen (vgl. Würdinger in Großkomm. HGB Anm. 246". zu § 22). Erwibt die A G das Handelsgeschäft mit dem Recht zur Fortführung der Firma schon bei der Gründung, durch Sacheinlage oder Sachübernahme, oder erst später, so kann sie die abgeleitete Firma mit oder ohne Zusatz, der das Nachfolgeverhältnis andeutet, annehmen, im ersten Fall bei Feststellung der Satzung, im zweiten durch Satzungsänderung. In jedem Fall muß sie aber der Firma die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" hinzufügen (Anm. 3). Sie kann also z. B. die Firma annehmen: OttoSchulze Nachf. Aktiengesellschaft oder auch Otto Schulze Aktiengesellschaft. Sie kann auch durch Verbindung ihrer mit der hinzuerworbenen eine neue Firma bilden (RG 152, 365). Zwei Hauptniederlassungen mag sie haben können (§5 Anm. 5 und 5a), aber auch in diesem Fall kann sie zwei Hauptniederlassungsfirmen nicht führen (KGJ 20 A 39; O L G Dresden ZB1FG 16, 105; BayObLG Holdheim 3, 35). Führt die A G das mit Firma hinzuerworbene Geschäft als Zweigniederlassung weiter, so verlangte früher die Rechtsprechimg Gleichheit der Firma auch für die Zweigniederlassung und ließ für diese nur unterscheidende Zusätze zu (RG 114, 320; K G OLGE 41, 193). Das Kammergericht ließ später (JFG 8, 146; vgl. auch 13, 65; O L G München HRR 1937, 460) hinsichtlich der Firma für die Zweigniederlassimg — an demselben oder einem andern Ort — völlig freie Wahl, sofern sich daraus nur klar ergibt, daß und wovon die Niederlassung eine Zweigniederlassung ist (Rheinisch-Westfälische Familienhilfe, Begräbnis- und Sterbekasse, Zweigniederlassung der Deutscher Bestattungs- und Lebensversicherungsverein AG.). Diese freiere Auffassung ist vorzuziehen; sie entspricht einem Bedürfnis, wie der Fall R G 114, 320 zeigt, vgl. auch § 42 Anm. 6. Die Zweigniederlassung kann nicht mit ihrer „Firma", die sie als Zweigniederlassung kennzeichnet, veräußert werden. Wohl aber kann dem Erwerber gestattet werden, sich als Nachfolger der Zweigniederlassung zu bezeichnen. Wie schon der Gesetzeswortlaut sagt (vgl. §§13 Abs. 3, 30 Abs. 3 HGB) ist die „Firma für die Zweigniederlassung" keine regelrechte Firma im handelsrechtlichen Sinne, sondern — vor allem wegen der fehlenden Rechtspersönlichkeit der Zweigniederlassung — vielmehr ein in dieser geführter zweiter 6*

83

§ 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 5, 6 Handelsname der Hauptniederlassung. Die Handelsregister scheinen jedoch die „ F i r m a " der Zweigniederlassung über § 30 H G B nicht nur gegen andere „Zweigfirmen", sondern auch gegen „ H a u p t f i r m e n " zu schützen. Zulässig ist, d a ß eine A G ein Handelsbeschäft mit Firma erwirbt und, ohne davon für ihre Firma Gebrauch zu machen, weiterveräußert (KG D J Z 1902, 202). Veräußert sie ihr eigenes Geschäft mit Firma, so nötigt sie der mit dem Erwerber geschlossene Vertrag, ihre Firma durch Satzungsänderung zu ändern (RG 107, 33). Veräußert der Konkursverwalter einer A G ihr Geschäft mit Firma, so ist (mit Schlegelberger-Quassowski Anm. 19) anzunehmen, d a ß die Firma der AG ohne weiteres erlischt.

Anm. 5 4. Alte Firmen (vor dem 1. 1. 1900) Für die Aktiengesellschaften, die schon am 1. Januar igoo bestanden haben, bleibt es a u c h nach dem AktG 1965 bei der Vorschrift des Art. 22 E G HGB. Danach konnten die damals zulässigerweise eingetragenen Firmen weitergeführt werden, u n d es bedurfte des Zusatzes „Aktiengesellschaft" nur dann, wenn die Firma aus Personennamen zusammengesetzt war u n d nicht erkennen ließ, d a ß eine A G die Inhaberin sei. Entsprechendes wurde f ü r Kommanditgesellschaften auf Aktien bestimmt (vgl. hierzu K G J 20 A 40). Daher konnten seinerzeit die Aktiengesellschaft „Deutsche Bank" und die Kommanditgesellschaft auf Aktien „Disconto-Gesellschaft" ihre Firmen ohne Zusatz fortführen. Die Fortführung ohne den Zusatz ist auch dann gestattet, wenn eine A G die Firma ohne ihn berechtigterweise geführt hatte u n d dann nach § 22 H G B eine andere A G die Firma als abgeleitete weitergeführt (LG Mannheim J W 1930, 1434). Als die Deutsche Bank u n d die Disconto-Gesellschaft sich im J a h r e 1929 vereinigten, wurde auch die neue Firma „Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft" ohne den Zusatz „Aktiengesellschaft" mit Recht f ü r zulässig gehalten, wenn auch nicht ohne Widerspruch (vgl. Brodmann J W 1929. 3364)-

Anm. 6 5. Unzulässige Firma Eine A G mit unzulässiger Firma ist nicht einzutragen. Ist es dennoch geschehen, so ist ein Verfahren wegen Firmenmißbrauch nach § 37 Abs. 1 H G B bzw. ein Amtslöschungsverfahren nach § 142 F G G einzuleiten. (Letzteres gilt auch bei einer nachträglich unzulässig gewordenen Firma, R G 169, 147.) Eine Nichtigkeitsklage nach § 275 u n d ein Amtslöschungsverfahren nach § 144 F G G sind nach dem durch das Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15. 8. 1969 (BGBl. I 1146) geschaffenen Rechtszustand, durch den das Nichtigkeitsrecht der A G mit Wirkung vom 1. 9. 1969 erheblich geändert wurde, schon von Gesetzes wegen nicht mehr möglich. Gemäß § 275 Abs. 1 S. 1 n. F. zählt die Unzulässigkeit der Firma nicht mehr zu den Nichtigkeitsgründen. Gemäß dem neu geschaffenen § 144 a F G G kann das Registergericht, wenn die Satzung eine der nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 oder 4 wesentlichen Bestimmungen nicht enthält oder eine dieser Bestimmungen oder die Bestimmung nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 nichtig ist, ein Auflösungsveriabren dergestalt einleiten, d a ß es die Gesellschaft auffordert, innerhalb einer bestimmten Frist die Satzung entsprechend zu ändern, andernfalls es den Mangel feststellen und damit die Gesellschaft nach den neu geschaffenen §§ 262 Abs. 1 Nr. 5, 289 Abs. 2 Nr. 2 auflösen werde (zur Frage, ob diese Ersetzung der Nichtigkeit durch eine Auflösung mit dem Zweck der „Richtlinie" vereinbar ist, vgl. Einmahl, Die A G 1969, 210, 214). W a n n eine Bestimmung über Firma u n d Sitz (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m . §§ 4, 5) über die H ö h e des Grundkapitals (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. § 7) sowie über die Nennbeträge der einzelnen Aktien (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. § 8) im Sinne von § 144 a F G G nichtig ist, sagt das Gesetz nicht. Auch das AktG (§ a 75) enthält keine Definition der Nichtigkeit einzelner Satzungsbestimmungen. M a n wird also auf allgemeine Grundsätze zurückgreifen müssen. Ein Anknüpfungspunkt könnte § 23 Abs. 5 sein, wonach die Satzung vom AktG nur abweichen kann, wenn das

84

Erster T e i l : Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 4

Anm. 7

ausdrücklich zugelassen ist. Daraus wird nämlich verschiedentlich abgeleitet, d a ß gesetzeswidrige Satzungsbestimmungen nichtig sind (Godin-Wilhelmi § 23 A n m . 14; O L G Düsseldorf D B 1967, 2155 = BB 1968, 59 = Die A G 1968, 19 = W M 1968, 6 7 ; für Unwirksamkeit Würdinger § 9 II. 3 a ; Möhring N J W 1969, 1473; vgl. auch § 2 3 A n m . 18). A u c h wenn man dieser Auffassung folgen will, kann nicht allgemein j e d e Bestimmung des A k t G als zwingend im vorliegenden Sinne angesehen werden (vgl. auch § 2 3 A n m . 18 und Baumbach-Hueck § 2 3 A n m . 16), kann eine nach § 4 unzulässige Firma nicht als eine „ A b w e i c h u n g " von den Vorschriften des A k t G und nicht als nichtig im Sinne von § 144 a F G G angesehen werden. § 23 A b s . 5 m u ß ebenso wie § 275 und damit auch § 144 a F G G im Zusammenhang mit § 241 N r . 3 gelesen werden (vgl. auch O L G Düsseldorf D B 1967, 2155), der für Hauptversammlungsbeschlüsse Nichtigkeit eintreten läßt, wenn sie mit dem Wesen der A G nicht z u vereinbaren oder durch ihren Inhalt Vorschriften verletzen, die ausschließlich oder überwiegend z u m Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Während das Wesen der A G kaum ein brauchbares Abgrenzungskriterium abgibt (a. A . Godin-Wilhelmi § 23 A n m , 14, die darauf auch im R a h m e n des § 23 abstellen), dürfte das besagte öffentliche Interesse zur Konkretisierung des Nichtigkeitsbegriffs in § 144 a F G G ausreichen. In diesem Sinne in öffentlichem Interesse gegeben sind jedoch allein die Vorschriften über den Sitz und über die Mindesthöhe des Grundkapitals und der Nennbeträge, nicht aber § 4. Das Firmenrecht der A G ist — nicht nur historisch — ein organischer und untrennbarer Teil des allgemeinen Firmenrechts (vgl. A n m . 2). Dieses kennt jedoch keine nichtigen, sondern nur unzulässige Firmen bzw. unbefugten Firmengebrauch (vgl. auch § 140 F G G ) und schützt in erster Linie den Wettbewerb, und z w a r durch eine Reihe von eigenständigen Rechtsbehelfen (vgl. unten) und Amtsverfahren. Ein Verfahren nach § 144 a F G G ist daher (entgegen der h. M . ) nur einzuleiten, wenn die Satzung überhaupt keine Firma enthält; gegen die eingetragene unzulässige Firma ist an Amtsverfahren nur § 37 Abs. 1 H G B bzw. § 142 F G G gegeben. Der durch eine unzulässige Firma Betroffene hat verschiedene Möglichkeiten, sich zu wehren: Ist die Firma nach allgemeinem Firmenrecht des H G B (nicht nur § 3 0 , sondern auch §§ 17 fr.) oder des A k t G unzulässig (vgl. Baumbach-Duden, H G B , A n m . 3 A zu § 37, Schlegelberger-Hildebrandt, H G B , A n m . 3 zu § 37), so hat er die Möglichkeit, ein Firmenmißbrauchsverfahren des Registergerichts nach § 37 Abs. 1 H G B b z w . ein Verfahren nach § 142 F G G anzuregen oder selbst g e m ä ß § 37 Abs. 2 H G B Unterlassungsklage z u erheben. (Unberührt davon bleiben eventuelle, durch die unzulässige Firmenführung verursachte allgemeine — etwa §§ 823, 826 BGB, 16 Abs. 2 U W G , 25 A b s . 2 W Z G — Schadensersatzansprüche, § 37 Abs. 2 S. 2 H G B . Die Verletzung firmenrechtlicher Vorschriften selbst gibt jedoch keinen Schadensersatzanspruch, § 37 A b s . 2 H G B ist auch kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.) Darüber hinaus steht der Firma der A G sowohl der Namensschutz des § 12 B G B (vgl. d a z u B G H D B 1969, 2127 und § 1 A n m . 10) wie der wettbewerbliche Verwechslungsschutz des § 16 U W G zu. Einen Uberblick über die verschiedenen Anspruchsvoraussetzungen gibt Würdinger in Großkomm. H G B A n m . 14fr. z u § 3 7 . Dort sind in A n m . 41 ff. auch Einzelheiten z u m Verhältnis des Firmenrechts z u m Warenzeichenrecht (§§ 16, 24 W Z G ) und z u seiner Ergänzung durch § 15 a G e w O z u finden. Z u r Unterlassungsklage eines betroffenen Wettbewerbers vgl. neuestens B G H v. 10. 11. 1969 (II Z R 273/67) = D B 1970, 391 f.

Anm. 7 III. Firmenwert Wirtschaftlich stellt die Firma nach der Verkehrsanschauung einen Vermögenswert dar, sog. Firmenwert, der in der Bilanz einer A G aber nur ausnahmsweise bei Ü b e r n a h m e eines Unternehmens aktiviert werden darf, § 153 Ziff. 5 (vgl. A n m . 86 ff. z u §. 153). U b e r die Firma als Sacheinlage vgl. § 27 A n m . 6, 8. N a c h den RückerstattungsG war der Firmenwert zur Bestimmung des „angemessenen Kaufpreises" ausdrücklich z u berücksichtigen, Art. 3 Abs. 3 U S R E G , Art. 3 Abs. 2 br. R E G .

85

§5 Anm. 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

§

5 Sitz (1) Sitz der Gesellschaft ist der Ort, den die Satzung bestimmt. (2) Die Satzung hat als Sitz in der Regel den Ort, wo die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort zu bestimmen, wo sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Ubersicht: Anm.

I. Einleitung II. Sitz der Aktiengesellschaft III. Einzelheiten i. Mögliche Ortswahl 3. Rechtsnatur des Sitzes 3. Unzulässiger Sitz 4. Gerichtsstand 5. Doppekitz

i 2 3 4 5 5a

6. Sitz deutscher Aktiengesellschaften bei Enteignung in den Ostgebieten 6 IV. Internationales Privatrecht 7 1. Personalstatut d. Aktiengesellschaft 2. Anerkennung ausländischer Aktiengesellschaften 3. Rechtsfähigkeit V . Internationale Gesellschaften, Europäische Gesellschaft

8

I. Einleitung Das Aktiengesetz des H G B schrieb nur vor, daß der Sitz der A G im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden müsse, ohne irgendetwas darüber zu sagen, welcher Ort zu wählen sei. Daraus schloß man, daß die A G ihren Sitz an jedem beliebigen inländischen Ort haben könne ( R G 107, 97), ohne irgendwelche Beziehung zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Diese Rechtslage gilt noch heute für die G m b H (vgl. Schilling in Hachenburg, 3, A n m . 3). U m Mißständen bei einer solchen freien Sitzwahl zu steuern, ist durch A k t G 1937 vorgeschrieben worden, daß als Sitz in der Regel der Ort des Betriebes, der Geschäftsleitung oder der Verwaltung der A G zu bestimmen ist. A n dieser Rechtslage ändert die sprachliche Neufassung der Vorschrift durch A k t G 1965 nichts. Durch den ersten Absatz soll klargestellt werden, daß jedenfalls der satzungsmäßige Sitz gilt, auch wenn er mit dem tatsächlichen nicht übereinstimmt. D a ß die Satzung zwingend den Sitz der Gesellschaft bestimmen muß, ergibt sich aus § 23, Abs. 3, Ziff. 1; Fehlen oder Nichtigkeit der Sitzbestimmung führt zu einem Auf lösungsverfahren nach § 144 a F G G . Abs. s entspricht mit leichten sprachlichen Verbesserungen dem § 5 A k t G 1937. A u f eine Regelung des Doppelsitzes, eine insbesondere in den Jahren nach 1945 infolge der Teilung Deutschlands und der besonderen Lage Berlins auftretende Erscheinung, hat das neue A k t G bewußt verzichtet (vgl. die Begründung zum RegEntw. bei Kropff S. 20f.); da andererseits auch kein ausdrückliches Verbot des Doppelsitzes angeordnet wurde, hat sich insoweit die Rechtslage durch das A k t G 1965 nicht geändert (vgl. Anm. 5 a unten).

Anm. 1 II. Sitz der Aktiengesellschaft Abs. 1 bestimmt, daß Sitz der Gesellschaft der Ort ist, den die Satzung bestimmt (§ 23, Abs. 3, Ziff. 1). Es soll mit dieser Formulierung ausgedrückt werden, daß auch bei Auseinanderfallen von tatsächlichem und satzungsmäßigem Sitz der letztere maßgebend ist. Das Gesetz knüpft in vielerlei Beziehung an den satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft an; siehe dazu einmal die Anm. 3 und 5 unten und zum andern die Anmerkungen zu § 14.

86

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ S

Anm. 2—4

III. Einzelheiten Anm. 2 1. Mögliche Ortswahl Das Gesetz stellt in Abs. a für die Regel nur drei Orte zur Auswahl, nämlich /. den Ort, wo die A G einen Betrieb hat. Das braucht nicht der Hauptbetrieb zu sein. Es genügt, daß sich irgendein Betrieb dort befindet, wenn er nur nicht so winzig ist, daß damit das Gesetz umgangen wird. Es kann aber auch s. der Ort gewählt werden, wo sich die Geschäftsleitung befindet, oder 3. der Ort, wo die Verwaltung geführt wird. Die Orte zu 2. und 3. können verschieden sein, meistens wird sich aber wohl an dem Ort, wo die Verwaltung geführt wird, auch die Geschäftsleitung befinden. Da das Gesetz zu 1. von „einem" Betrieb, zu 3. aber von „ d e r " Verwaltung spricht, so wird unter Verwaltung die Hauptverwaltung verstanden werden müssen (wie hier BaumbachHueck Anm. 4 ; a. M . Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). Zwischen den zulässigen Orten kann frei gewählt werden; es ist nicht etwa in erster Linie der Ort, an dem die A G einen Betrieb hat oder errichtet, als Sitz zu bestimmen. Auch kann, wenn bei einem mehrgliedrigen Vorstand die Mitglieder an verschiedenen Orten verstreut die Geschäfte fuhren, jeder dieser Orte a b Sitz bestimmt werden (Godin-Wilhelmi A n m . 2). Dieser Ort ist dann die Hauptniederlassung. Alles dies gilt nur als Regel. Das Registergericht kann eine Ausnahme zulassen, wird dies aber nur dann zu tun haben, wenn es durch ein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt wird (Vermeidung von rein fiktiven Sitzen). Z u denken wäre etwa bei einer Publikumsgesellschaft an den nächsten Ort mit Sitz einer Wertpapierbörse; vgl. Baumbach-Hueck Anm. 4 am Ende; s. aber auch § 121 Abs. 4. Der Sitz der A G muß im Inland liegen (BGH ig, 105; 2g, 328).

Anm. 3 2. Rechtsnatur des Sitzes Der „Sitz" einer juristischen Person entspricht dem Wohnsitz einer natürlichen. Während aber diese mehrere Wohnsitze haben kann (§ 7 Abs. 2 BGB), ist das für den Sitz einer juristischen Person bestritten, für die A G grundsätzlich zu verneinen (vgl. aber Anm. 5 a). Das folgt schon aus § 5, im übrigen aber auch aus dem Erfordernis der Eintragung beim Registergericht des Sitzes (§§ 36, 181) und aus der Zuständigkeitsvorschrift für die Anfechtungsklage (§ 246) und die Nichtigkeitsklagen (§ 24g Abs. 1, 275 Abs. 4). Der Sitz der Gesellschaft ist auch maßgebend für die Zuständigkeit der verschiedenen Spruchstellen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§§ 98 Abs. 1; 30 Abs. 3, 27 E G ) ; Entscheidung über das Auskunftsrecht (§ 132 Abs. 2); Entscheidungen über die Feststellungen der Sonderprüfer (§ 260 Abs. 1); Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen außenstehender Aktionäre (§§ 306 Abs. 1, 304 Abs. 3, 320 Abs. 6, A k t G , 12, 30 U m w G ) sowie das Gericht zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen bei Verschmelzung (§ 350, 359)Der Sitz muß in einer bestimmten Gemeinde liegen; die Angabe eines Sammelnamens für mehrere Gemeinden kann in der Satzung nicht zugelassen werden ( R G 5g, 10g oben). Der Sitz begründet den allgemeinen Gerichtsstand (Anm. 5) und die Zuständigkeit des Reg.-Gerichts, § 14 (s. dort Anm. 2), ferner im Inland die unbeschränkte Steuerpflicht, § 1 KörpStG, vgl. auch § 15 StAnpG. Nach deutschem Internationalem Privatrecht ist der Sitz auch maßgebend für das Personalstatut ( R G g2, 73; 15g, 33ff. (46)) und die damit eng verknüpfte Frage der „Staatsangehörigkeit" einer A G (vgl. dazu Serick, S. 120 ff. mit Nachweisen sowie unten Anm. 7).

Anm. 4 3. Unzulässiger Sitz Eine A G mit unzulässigem Sitz, z. B. an keinem der nach Abs. 2 zur Auswahl gestellten Orte, ist nicht einzutragen. Ist es dennoch geschehen und wird auch nachträg-

87

§ 5

Anm. 5, 5a

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

lieh keine Ausnahme bewilligt oder wird der Sitz nachträglich durch Änderung der Verhältnisse nichtig, so ist die A G dem Auflösungsverfahren gem. § 144 a F G G i. V . m. § 262 Abs. 1 Nr. 5 ausgesetzt, vgl. § 4 Anm. 6. M a n wird davon ausgehen müssen, daß ein i. S. des § 5 unzulässiger Sitz auch „nichtig" i. S. von § 144a F G G ist.

Anm. 5 4. Gerichtsstand Der als Sitz gewählte Ort gilt als Hauptniederlassung der A G für alle Rechtsverhältnisse ( R G 50, 106; K G J 39 A 118). Dort hat die A G auch ihren allgemeinen Gerichtsstand nach § 17 Abs. 1 Z P O ( R G 59, 107), selbst wenn die Verwaltung an einem anderen Ort geführt wird; maßgebend auch für den Gerichtsstand nach § 17 Abs. 1 Z P O ist immer der durch die Satzung bestimmte (und im HRegister eingetragene) Sitz ( O G H B r Z D R Z 1949, 469 = M D R 1949, 615). Daneben ist nach § 17 Abs. 3 Z P O ein satzungsmäßiger Gerichtsstand zulässig ( R G 32, 385). Wird die Verwaltung an einem andern Ort geführt, so ist der besondere Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung nach § 21 Z P O begründet ( R G bei Holdheim 11, 125), ebenso an Orten, wo sich Zweigniederlassungen (§ 42) befinden. D a es in der Regel nur einen Sitz gibt (Anm. 3, vgl. aber Anm. 5 a), so hat die A G auch nur eine Hauptniederlassung ( B a y O b L G in L Z 1915, 147). Liegt sie im Ausland, so ist die A G eine ausländische ( R G 83, 367; K G L Z 1929, 786) und kann nicht daneben noch eine inländische Hauptniederlassung haben, wohl aber inländische Zweigniederlassungen ( § 4 4 ; B a y O b L G R J A 9, 40; vgl. auch § 15 Abs. 3 S. 2 StAnpG); in diesem Fall handelt es sich nicht um eine nach deutschem Recht gegründete A G , die notwendig ihren Sitz im Bundesgebiet haben muß.

Anm. 5a 5. Doppelsitz Obgleich das A k t G seinem Wortlaut nach davon ausgeht, daß eine A G nur einen Sitz haben kann (vgl. insbes. §§ 14, 36, 45, 121 Abs. 3, 246 Abs. 3) ist unter dem Zwang der politischen Verhältnisse nach 1945 die Zulässigkeit eines mehrfachen Sitzes anerkannt worden, vgl. W . Schmidt, J R 1949, 208 und die dort gegebenen Nachweise, sowie die bei Baumbach-Hueck in der 12. A u f l . § 5 Anm. 2 B zitierten Entscheidungen und Aufsätze. Viele Gesellschaften sahen sich einerseits aus wirtschafte-, Steuer- u n d währungsrechtlichen Notwendigkeiten veranlaßt, neben ihrem Sitz in Berlin oder in der Ostzone einen gleichwertigen Sitz im Westen zu begründen, wobei sich andererseits, aus gleichfalls zwingenden Gründen, eine Sitzverlegung in den Westen verbot. In entsprechender Anwendung der §§ 24, 7 Abs. 2 BGB ist demnach von den Registergerichten in vielen Fällen ein Doppelsitz zugelassen worden, vgl. etwa A G Bonn in BB 1948, 462; A G Heidelberg in SJZ 1949, 342 mit Anm. von Geßler; L G Köln in N J W 1950, 352 mit Anm. von Vogel und 871; dagegen K G in M D R 1950, 740 mit weiteren Nachweisen, ferner O L G Stuttgart N J W 53, 748; B a y O b L G N J W 62, 1014 = BB 62, 497; s. auch §42 Anm. 2. Auch der Gesetzgeber ist verschiedentlich von dem Vorhandensein eines Doppelsitzes ausgegangen, § 62 WertpapierBerG vom 19.8.49 (WiGBl. 295); § 15 G über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien während der Wertpapierbereinigung vom 19.10.50 (BGBl. 690); §5 der 3 . D V O vom 27.6.48, §2 der 3 5 . D V O vom 1.10.49, § 1 der 43. D V O v o m 10.1.50 zumUmstellungsG, § 1 Abs. 5 Berliner D M B i l G vom 1 2 . 8 . 5 0 (VOB1. Groß-Berlin, I Nr. 51) und § 5 i. DMBilErgG vom 28. 12.50 (BGBl. I 811). M a n wird daher sagen müssen, daß in den Fällen, wo durch die Teilung Deutschlands für die einzelnen Gesellschaften eine zwingende wirtschaftliche Notwendigkeit die Begründung eines mehrfachen Sitzes erforderlich macht, diese auch heute noch unter Berücksichtigung des in § 62 WertpapierBerG, den genannten D M B i l G und den D V O zum UmstellungsG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens zulässig ist und sich ergebende Unzuträglichkeiten (etwa bei Bestimmung des Gerichtsstandes für Konkurs oder Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage nach §§ 246 Abs. 3, 249 Abs. 1, 275 Abs. 4 oder bei der Frage nach den Rechtsfolgen konstitutiv wirkender Eintragungen, u. a. §§ 41, 181, 189, 224) in K a u f genommen werden müssen, wobei die

88

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 5 Anm. 6

entsprechende gesetzliche Wirkung erst eintritt, wenn die Eintragung in den beiden zuständigen Registern erfolgt ist. Denn auch bei Doppelsitz besteht in dem Sinne ein einheitlicher Sitz, als beide gleichen Rang und Wert haben. Daher sind auch Eintragungen immer an den beiden Registergerichten zu bewirken (BayObLG a. a. O . ) ; im Einzelfall wird man die Belange der Gesellschaft und des Verkehrs durch geeignete Satzungsbestimmungen (vgl. W. Schmidt, J R 1949, 209) und, wie es geschehen ist, durch gesetzgeberische Maßnahmen wahren, vgl. auch die Begründung zu § 1 der 43. D V O zum UmstG (BAnz. 1950, Nr. 16, auch abgedruckt bei Harmening-Duden, Die Währungsgesetze, Erg. Bd. S. 215). An dem Grundsatz, daß eine A G nur einen Sitz haben kann, sollte man aber nicht rühren. Daß so außergewöhnliche und unvorhersehbare Umstände, wie sie sich nach dem Zusammenbruch von 1945 ergaben, auch auf dem Gebiete des Aktienrechts außerordentliche Maßnahmen zur Beseitigung drängender Notstände durch die Gerichte und den Gesetzgeber erforderlich machten, braucht nicht näher ausgeführt zu werden (wie hier auch Baumbach-Hueck, § 5 Anm.5; Möhring-Schwartz-Rowedder-Haberlandt, S. 20f.; vgl. auch Godin-Wilhelmi § 5 Anm. 4 und die Begr. zum RegEntw. zu § 5 (bei Kropff S. 21), welche auch die bisherige Rechtslage anerkennt); für den Normalfall kann aber ein Doppelsitz im Interesse der Rechtssicherheit nicht zugelassen werden (so auch Teichmann-Köhler, § 5 Anm. 3; Schilling in Hachenburg, § 3 Anm. 4; Vogel, NJW 1949, 352 und die dort mitgeteilte einhellige Meinung von Wissenschaft und Rspr. aus der Zeit vor 1945). — Die durch den Saarvertrag vom 27. 10. 56 (BGBl. II, 1587 (1634)) konstituierte A G für den saarlothringischen Kohlenvertrieb hat kraft Gesetzes j e einen gleichwertigen Sitz in Frankreich und in der Bundesrepublik; Art. 84 und Anlage 29 des Vertrages; über die „supranationale" A G vgl. Bärmann, NJW 1957, 613 und ders. in AcP, Bd. 156 S. 156 fr.

Anm. 6 6. Sitz deutscher Aktiengesellschaften bei Enteignung in den Ostgebieten Uber Sitzverlegung im Inland s. § 45. Verlegt eine deutsche A G ihren Sitz ins Ausland, so hat das die Bedeutung eines Auflösungsbeschlusses ( R G 7, 70; 88, 54; 107, 97; O L G Hamburg L Z 1908, 253 10 ; K G O L G R 42, 227; BGH 25, 144; Würdinger S. 19; s. auch § 45 Anm. 9). Will eine ausländische A G ihren Sitz ins Inland verlegen, so muß sie eine Neugründung vornehmen, um ins deutsche Handelsregister eingetragen werden zu können (vgl. § 45 Anm. 10). Ausnahmen ließ die Rechtsprechung für Sitzverlegungen aus nach dem 1. Weltkrieg abgetretenen Gebieten zu, vgl. R G 107, 99 und die weiteren Nachweise in Anm. 6 der Vorauf!. Ähnliche Fragen wie nach dem ersten Weltkrieg ergaben sich nach 1945 aus der Tatsache, daß insbesondere in der Ostzone und in den Gebieten jenseits der Oder-NeißeLinie nach deutschem Reichsrecht errichtete Aktiengesellschaften entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überfuhrt worden sind. Nach ostzonaler Praxis sind die Gesellschaften mit der Enteignung vernichtet und wurden im Handelsregister gelöscht (vgl. O L G Dresden und Gera, BB 1948, 371 f.; Beitzke, BB 1949, 519fr.; NJW 1952, 841; Raape, S. 627f.). Es entspricht jedoch einhelliger Überzeugung, daß derartige Enteignungen territorial begrenzt sind (vgl. u. a. O G H 1, 386; 4, 9; BGH 2, 222; 5, 37; 12, 82; 13, 108), so daß die enteignete Gesellschaft auch ohne formelle Sitzverlegung ins Bundesgebiet weiterhin existent ist, soweit sie von der Enteignung nicht erfaßtes Vermögen hat (u. a. O G H 4, 8/9; O L G Frankfurt/M., NJW 1954, 644; BGH 13, 106; 29, 320 (327); sowie Serick, RabelsZ. 1955, 86; Friedrich, SJZ 1948, 24; Beitzke M D R 1949, 759 und NJW 1952, 842; Kegel J Z 1951, 391; Raape, S. 629; Kuhn, W M 1956, 2 (5) jeweils mit weiteren Nachweisen). Steuerrechtlich ist eine derart fortbestehende Kapitalgesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig, vgl. BFH in BB 1956, 843 mit Anm. Die Rechtsprechung des R G (z. B. R G 129, 98), die die nach dem ersten Weltkrieg in Rußland nationalisierten Aktiengesellschaften als in ihrer Existenz vernichtet betrachtete, ist für die Frage nach den Folgen einer durch Staatsakt vernichteten, nach deutschem früheren Reichsrecht errichteten A G ohne präjudizielle Bedeutung (BGH 13, 108), da sie den beson-

89

§5 Anm. 7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

deren Regelungen und Verpflichtungen aus dem Rapallo-Vertrag vom 1 6 . 4 . 2 2 (RGBl. I I , 6 7 7 ) Rechnung trug. Es erhebt sich die Frage, wo (unabhängig von oder vor einer möglichen Sitzverlegung, dazu im einzelnen die Anm. 10 und 1 1 zu § 4 5 ) der Sitz ostenteigneter Gesellschaften ist. D a jede A G zu jeder Zeit einen Sitz haben muß (§ 2 3 Abs. 2 Ziff. 1), der wesentliche Voraussetzung für die Funktionsmöglichkeit der Gesellschaft ist (unzutreffend Beuck, D B 1 9 5 5 , 8 2 9 , der vor der Eintragung des WestSitzes eine Art „Zweckvermögen" annimmt), der satzungsmäßige Sitz aber durch staatliche Eingriffe unter Verlust des gesamten Ostvermögens vernichtet ist, wird man für das Westvermögen mit Wegfall des satzungsmäßigen Ostsitzes einen Sitz i. S. des Gesetzes bestimmen müssen und zwar unter Berücksichtigung der in § 5 vorgesehenen örtlichen Beziehungspunkte (W. Schmidt, J R 1 9 4 9 , 5 5 3 ) . Allerdings findet keine automatische Begründung des neuen Sitzes statt (so W. Schmidt a. a. O., die Vorauflage und Baumbach-Hueck Anm. 6); vielmehr bedarf es eines konstitutiven Aktes der betreffenden Gesellschaft (so die herrschende Rechtsprechung, vgl. B G H L M zu § 5 AktG Nr. 1 ; B G H 2 9 , 3 2 7 ; 3 3 , 2 0 4 ; O L G Düsseldorf D B 6 2 , 2 6 8 = N J W 6 2 , 8 6 9 ) . Bei Vorhandensein der entsprechenden Anknüpfungspunkte ist die betreffende A G zur Anmeldung des West-Sitzes verpflichtet ( O L G Düsseldorf a. a. O . ) ; eine Mitwirkung des Registergerichts des ursprünglichen Sitzes ist nicht erforderlich (vgl. etwa B G H W M 5 8 , 3 5 3 ; weitere Nachweise bei Brüggemann in Großkomm. H G B , Allg. Einleitung Anm. 8 0 ) . Fehlt ein Anknüpfungspunkt i. S. von § 5 , etwa weil im Westen nur Forderungsrechte oder gewerbliche Schutzrechte vorhanden sind, so muß gegebenenfalls das zuständige Gericht nach § 5 Abs. 1 F G G bestimmt werden; vgl. dazu § 1 4 Anm. 2 . Für Gesellschaften, die ihren Sitz in Gebieten hatten, in denen eine deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, gilt §§ 1 4 , 1 5 Zuständigkeits-Erg.G. Die Bestellung eines Prozeßvertreters gem. § 5 7 Z P O (vgl. dazu O L G Köln J M B 1 . N R W 1 9 5 6 , 2 5 7 ) muß jedoch gegebenenfalls durch das nach § 2 3 Z P O zuständige Gericht erfolgen.

Anm. 7 IV. Internationales Privatrecht 1. Personalstatut der Aktiengesellschaft Die Frage, ob ein korporatives Gebilde eigene Rechtspersönlichkeit hat, richtet sich nach dem Recht des Staates, der die Rechtsfähigkeit verliehen hat und damit in aller Regel nach dem Recht des satzungsmäßigen Sitzes. Das Sitzrecht bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die juristische Person entsteht, lebt und vergeht, B G H 2 5 , 1 3 4 ( 1 4 4 ) . Maßgebend ist also nicht, wo sich der (tatsächliche) Hauptsitz der A G befindet, Personalstatut ist vielmehr das Recht des Staates, in dem die A G ihren zulässigen (Anm. 2 ff.) statutarischen Sitz begründet hat. (Wenn Bache, Der Internationale Unternehmensvertrag nach deutschem Kollisionsrecht, 1 9 6 9 , 3 5 , im Anschluß an Kegel, I P R 2 0 6 , wegen der Schutzfunktion des A k t R den Sitz der Hauptverwaltung entscheiden lassen will, so wird übersehen, daß dort nicht notwendig die Mehrzahl der Aktionäre und/oder Gläubiger sitzen muß, sowie daß dieser Schutz sich grundsätzlich nur auf die jeweils inländischen A G s beschränkt und daß das deutsche Recht dieserhalb auf den Satzungssitz abstellt. Die bei Soergel-Kegel Art. 10 E G B G B Anm. 4 angezogene Rspr. folgt zwar der Sitztheorie, stellt jedoch nicht auf den tatsächlichen Hauptsitz ab, vgl. insbes. R G 1 1 7 , 2 1 7 ; B G H 2 5 , 1 4 4 ) . Der alte Streit, ob Gründungs- oder Sitzrecht das Personalstatut bestimmen, wird selten praktisch, da beide meist zusammenfallen. In Deutschland ist im Gegensatz zum anglo-amerikanischen Rechtskreis zwar die Sitztheorie herrschend (vgl. auch Beitzke, Juristische Personen im Internationalprivatrecht und -fremdenrecht, 1 9 3 8 S. 7 4 f f . , 8 6 f f . , 1 0 4 f r . ; Raape S. 1 9 6 ; R G 8 3 , 3 6 9 ; 8 8 , 5 3 ; 1 5 9 , 4 6 ; B G H 2 5 , 1 4 4 ; neuerdings ferner Grasmann, System des internationalen Gesellschafbrechts, 1 9 7 0 sowie § 4 4 Anm. 1), doch mit so weitgehenden Durchbrechungen, daß sich in den Auswirkungen praktisch eine Übereinstimmung der beiden Theorien feststellen läßt. Für das deutsche Recht kommt das auch darin zum Ausdruck, daß eine nach deutschem Recht errichtete A G ihren Sitz nicht ins Ausland verlegen kann, ohne sich aufzulösen (vgl. oben Anm. 6 und Baumbach-Hueck § 2 6 2 Anm. 8 ) , daß sie dem-

90

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 5

Anm. 7 gemäß auch keinen Sitz im Ausland haben kann (BGH 19, 105) und daß eine ausländische A G , die ihren Sitz ins Inland verlegen will, die Vorschriften des deutschen Rechts über die Neugründung beachten muß. Allerdings ist den Mitgliedstaaten der E W G in Art. 2ao des EWG-Vertrages aufgegeben, sicherzustellen, daß Sitzverlegungen bei Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit möglich sind; vgl. auch Art. 58 des EWG-Vertrages.

2. Anerkennung ausländischer Aktiengesellschaften Zu unterscheiden von der Frage nach dem Recht, unter dem die A G entsteht (Personalstatut) ist die Frage der Anerkennung der A G außerhalb des ihr Personalstatut bestimmenden Staates (vgl. zur gegenseitigen Anerkennung im EWG-Bereich das noch nicht in Kraft getretene Abkommen v. 29. 2. 68 und dazu Beitzke A W D 1968, 9 1 m . w. N.). Auch die Anerkennung ist eine Frage des Internationalen Privatrechts. Sie beurteilt sich durch kollisionsrechtliche Verweisung auf das ausländische Recht, nach welchem die Rechtsfähigkeit verliehen ist. Für den Bereich des anerkennenden Staates ist also die Rechtsfähigkeit eines Personengebildes nach den Normen des Verleihungsstaates zu beurteilen (Art. 10 E G B G B a . F . ; aus den Entwürfen des BGB wurde die Bestimmung: „Die juristische Persönlichkeit wird nach den Gesetzen des Ortes beurteilt, an dem die juristische Person ihren Sitz hat" als überflüssig gestrichen). Das deutsche Recht erkennt Personengebilde, denen nach ausländischem Recht Rechtspersönlichkeit verliehen worden ist, als juristische Personen eo ipso an ( R G 83, 367; 1 1 7 , 2 1 5 ; 159, 46; B G H 25, 144; Beitzke a. a. O. S. 108; Soergel-Kegel a. a. O. Anm. 7; Palandt-Lauterbach a. a. O. Anm. 4; Raape, S. 193). Eine Ausnahme hat die höchstrichterliche Rechtsprechung für den Fall gemacht, daß die zu Umgehungszwecken im Ausland begründete Gesellschaft ihren wirklichen Sitz in Deutschland hat (JW 1904, 231). Darüber hinaus kann die Anerkennung auch sonst im Einzelfall aus Gründen des ordre public (Art. 30 EGBGB) zu versagen sein.

3. Rechtsfähigkeit Die Anerkennung der ausländischen juristischen Person als solcher besagt noch nicht, daß der anerkennende Staat in jeder Beziehung für ihre inländische Rechtsstellung das ausländische Heimatrecht zur Anwendung kommen läßt. Das ist wichtig für den Umfang der Rechtsfähigkeit, insbesondere die Vertretungsmacht der Organe. Im Gegensatz zu der kontinentalen Rechtsordnung, in der der Grundsatz der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Vorstands der A G gilt (§ 78), herrscht im anglo-amerikanischen Rechtsgebiet die ultra vires-Lehre, nach der der Vorstand nur im Rahmen der satzungsmäßigen Ermächtigung die Gesellschaft verpflichten kann. Der gutgläubige Vertragsgegner ist grundsätzlich nicht geschützt. Im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs ist in analoger Anwendung des für natürliche Personen geltenden Art. 7 Abs. 3 E G B G B das Recht des Heimatstaates für den Umfang der Vertretungsmacht der Organe der A G nicht anzuerkennen, sondern die lex loci actus zugrunde zu legen. Eine ausländische AG, die durch Vertreter im Inland Rechtsgeschäfte tätigt, muß sich also im Rechtsverkehr so behandeln lassen, wie eine inländische A G . Hat ihr das Heimatrecht Rechtsfähigkeit verliehen, so muß der Schutz, den ihr gesetzliche Beschränkungen der Vertretungsmacht ihrer Organe gewähren, hinter den Interessen der Vertragsgegner, mit denen sie im Ausland in Rechtsverkehr tritt, zurücktreten, wenn das ausländische Recht diese schützenden Beschränkungen nicht kennt (Beitzke a. a. O., S. 1 1 6 f f . ; Würdinger, S. 20; Kegel a. a. O. Anm. 9, 10 und 28; a. A. Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 1963,420; vgl. B G H in N J W 1954,1561 für ausländische Agenten und in DB 1965, 139 zur Anscheinsvollmacht, aber auch O L G Düsseldorf, DB 1964, 1259). Demgemäß ist eine Berufung einer ausländischen Gesellschaft auf die ultra vires-Lehre im Rechtsverkehr mit Deutschland vor dem deutschen Richter unbeachtlich (s. auch § 44 Anm. 2). So wie der nach ausländischem Recht existenten juristischen Person die Anerkennung im Inland regelmäßig nicht zu versagen ist, so ist auch der Untergang einer ausländischen Gesellschaft im Inland zu beachten, da auch hier das Personalstatut maßgebend ist ( O L G München, RiW 1956, 127; O L G Frankfurt O L G E 16, 100; Beitzke

91

§5

Anm. 8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

a. a. O. S. 135 fr.; Raape, S. 627). Wird also eine juristische Person durch Beschluß ihrer Gesellschafter, infolge Konkurses oder von Staats wegen aufgelöst, so erstreckt sich die Wirkung dieser Maßnahme auch über die Grenzen des Sitzstaates hinaus. Das ist an sich unbestritten und unbestreitbar. Einzelmaßnahmen mögen bei Art. 30 E G B G B oder anderen Sondervorschriften (vgl. etwa Art. 31 E G B G B ; § 237 K O ) ihre Grenzen finden. Beschlagnahme und Enteignung des deutschen Auslandsvermögens ab Folge des 2. Weltkrieges führte auch im Aktienrecht zu Situationen, die mit dem herkömmlichen Instrumentarium des Gesellschaftsrechts nicht zu meistern waren. Es galt einmal, Lösungen im Rahmen des geltenden Rechts zu suchen, zum andern, unbillige Härten zu vermeiden. Die im Zuge dieser Bestrebungen entstandene Spaltungstheorie ist Gegenstand umfangreicher literarischer Aviseinandersetzungen gewesen; auch in der Vorauflage wurden in den Anm. 8—10 die sich aus ausländischen (entschädigungslosen) Enteignungen ergebenden Rechtsfolgen unter Ablehnung der Spaltungstheorie untersucht. Es wird auf diese Ausführungen verwiesen. Wohl vollständige Nachweise der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung bringen die 1963 erschienenen Monographien: Burth, Die Enteignung von Aktionärsrechten durch ausländische Staaten und Beemelmans, Die gespaltene Gesellschaft. Da die Probleme der Spaltgesellschaft an Aktualität stark verloren haben, erschien eine weitere Behandlung des Themas in dieser Auflage nicht mehr erforderlich.

Anm. 8 IV. Internationale Gesellschaften, Europäische Gesellschaft Nicht behandelt werden in dieser Anmerkung die als multinationale (gelegentlich auch internationale) Unternehmungen bezeichneten Erscheinungsformen des modernen Wirtschaftslebens. Gemeint sind Konzerne, deren Geschäftstätigkeit sich nicht auf den Heimatstaat beschränkt, während der organisatorische und wirtschaftliche Schwerpunkt meist, aber nicht notwendig, in einem Staat liegt (vgl. neuerdings etwa Harms BB 1969, 603 und Kormann, Die Steuerpolitik der internationalen Unternehmung 1968 sowie v. Brunn in WuW 1969, 531). Das internationale Recht (Völkerrecht) kennt in der Vertragspraxis der Staaten korporative Gebilde, die, privatrechtlich organisiert, ihre Entstehung entweder dem Völkervertragsrecht direkt verdanken oder unter dem Recht eines oder mehrerer Vertragsstaaten stehend, einen internationalen (oder übernationalen) Charakter haben, vgl. u. a. die vom Europarat im Jahre 1956 herausgegebene Studie Création des Entreprises Publiques Internationales à Caractère Industriel ou Commercial und Bärmann in AcP, Bd. 156, S. 156 fr. Man bedient sich dabei auch der Form der A G . Die im Jahre 1876 gegründete Compagnie Internationale des Wagons-Lits et des Grands Express Européens ist wohl der erste Fall einer nach belgischem Recht mit dem Sitz in Brüssel gegründeten AG, der kraft zwischenstaatlicher Vereinbarung im europäischen Bereich ein internationaler Status verliehen worden ist. Aus der modernen Vertragspraxis der europäischen Staaten ist die „Eurofima" zu nennen, eine im Jahre 1955 gegründete A G mit dem Sitz in Basel, deren Gegenstand die Finanzierung von Eisenbahnmaterial ist. Für die Gesellschaft gilt primär das Recht der im Vertrage vom 20. 10. 55 (BGBl. I I 1956, 907 ff.) festgelegten Statuten und subsidiär das Recht des Sitzstaates. Entsprechend der „Eurofima" ist auch die im Jahre 1949 geschaffene „Interfrigo" mit dem Sitz in Brüssel organisiert. Sie befaßt sich mit dem Erwerb und der Vermietung von Eisenbahnmaterial, insbesondere von Güterwagen, Aktionäre sind gleichfalls die nationalen europäischen Eisenbahnverwaltungen. Hierher gehört auch die am 20. 12. 1957 errichtete „Europäische Gesellschaft fur die chemische Aufbereitung bestrahlter Kernbrennstoffe" Eurochemie (BGBl. 1959 I I 621). Auch die deutsch-französische Gesellschaft zur Organisation des saar-lothringischen Kohleverkaufs hat die Rechtsform einer A G (Art. 84 Saarvertrag vom 27. 10. 56, BGBl. I I , 1589 (1634)), mit der Besonderheit, daß die Gesellschaft in beiden Vertragsstaaten einen Sitz hat (vgl. oben Anm. 5 am Ende) und daß somit das deutsche und das französische Aktienrecht gleichermaßen gelten, bei Vorrang des als Anlage 29 dem Saar-Vertrag (a. a. O. S. I7gif.) beigefügten Status.

92

Mit dem Inkrafttreten des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (BGBl. 1957 II 964) trat auch das Gebot zur Harmonisierung der Schutzvorschriften für Gesellschafter und Dritte gem. Art. 54 Abs. 3 (g) in Kraft. Die Rechtsentwicklung insoweit ist in der Einleitung S. 7 f. geschildert. Die gleichfalls auf dieser Rechtsgrundlage von der EWG-Kommission in Angriff genommenen Arbeiten zur Schaffung einer europäischen Gesellschaft, sei es als supranationale Gesellschaft, sei es durch uniformes Gesellschaftsrecht der Mitgliedsstaaten, stagnieren (s. dazu von der Groeben, Die A G 1967, 93 und jüngst Gessler, DB 1969,1001 und Würdinger DB 1969, 1181). Als besonderes Hindernis treten bei allen gesellschaftsrechtlichen Vereinheitlichungsbestrebungen die unterschiedlichen nationalen Besteuerungssysteme und nicht zuletzt die deutsche Mitbestimmungs-Gesetzgebung in Erscheinung. Daß die obligatorische Beteiligung von Arbeitnehmeraufsichtsräten im außerdeutschen Rechtsbereich nicht ohne weiteres durchsetzbar ist, zeigt der deutsch-schweizerische Vertrag betreffend die am Rhein bestehenden, als A G organisierten Grenzkraftwerke vom 6. 12. 55 (BGBl. II 1957, 264 mit G vom 13. 5. 57, BGBl. II, 262), der die genannten Gesellschaften insoweit freistellt. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Internationale-MoselG m b H hinzuweisen (Art. 8 ff. mit Anlage II des Vertrages über die Schiffbarmachung der Mosel vom 22. 12. 56, BGBl. II, 1838ff.), die nach deutschem GmbH-Recht errichtet ist, das in seiner heutigen Fassung subsidiär neben dem Gesellschaftsvertrag (Anlage II des Vertrages) gilt, und zwar unbeschadet zukünftiger Gesetzesänderungen. Eine Beteiligung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat ist nicht vorgesehen (Art. 13 des Vertrages mit Art. 12 ff. der Satzung). Über neue Vorschläge zur Lösung der Mitbestimmungsfrage bei der Europäischen Handelsgesellschaft berichtet Meyer-Ladewig in A W D 1969, 392. Ohne Bezugnahme auf das Recht des Sitzstaates und auch außerhalb der nationalen Gesellschaftsrechte stehend, als eigene Schöpfung des Völkerrechts, ist dagegen durch Vertrag vom 20. 1. 1930 die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit dem Sitz in Basel zunächst zur Abwicklung der deutschen Kriegs- und Nachkriegsverschuldung errichtet worden (vgl. im einzelnen Oppenheim-Lauterpacht, International Law, 8. Aufl. Band I S. 1010 m. w. N.). Als internationale Rechtspersönlichkeit genießt die Bank im Sitzstaat und in den Mitgliedsstaaten besondere Immunitäten und Privilegien (vgl. G vom 19. 3. 1956, BGBl. II, 331). Auch die gemäß Art. 129 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957 in Verbindung mit dem Protokoll vom gleichen Tage (BGBl. 1957 II 964) errichtete Europäische Investitionsbank stellt eine Rechtspersönlichkeit des Völkerrechts dar, ohne Bezug zum Korporationsrecht der beteiligten Staaten oder des Sitzstaates. Diese zwischenstaatlichen Schöpfungen im europäischen Bereich finden ihre weltweite Entsprechung in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, deren Gründung auf der Konferenz von Bretton Woods am 22. 7. 44 beschlossen wurde (BGBl. II 1952, 664 ff.) und der Internationalen Finanz-Corporation (Abkommen vom 11. 4. 55, BGBl. II 1956, 747 fr.). Die Statuten der genannten Banken sind durchweg in Anlehnung an die anerkannten allgemeinen Gründsätze des Korporation- und Aktienrechts abgefaßt.

§

6

Grundkapital

Das Grundkapital und die Aktien müssen auf einen Nennbetrag in Deutscher Mark lauten. Ü b ersieht: Anm.

I. Einleitung 1. Gesetzliche Regelung a. Nennwertlose Aktie

II. Wert der Aktie 2

III. Übergangsregelung

3 4

93

§6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1—3

Anm. 1 I. Einleitung 1. Gesetzliche Regelung § 6 entspricht bis auf die Ersetzung von „Reichswährung" durch D M dem § 6 Abs. a A k t G 1937. Der frühere 1. Abs., der bestimmte, daß das Grundkapital in Aktien zerlegt wird, wurde, da schon in § 1 Abs. 2 enthalten, gestrichen.

Anm. 2 2. Nennwertlose Aktie Nicht Gesetz geworden ist die nennwertlose Aktie — auch Quotenaktie genannt, weil sich die Beteiligungsquote des Aktionärs durch die Zahl der ausgegebenen Aktien bestimmt — , obwohl von verschiedener Seite stark fiir ihre Einführung plädiert wurde (zur Reformdiskussion vgl. Boesebeck D B 1959, 309; BB i960, 72; Grussendorf, Die A G i960, 257; 1963, 207; Neuburger BB 1961, 1356; Claussen, Die A G 1963, 237; Coing/ Kronstein, Die nennwertlose Aktie als Rechtsproblem, 2. A u f l . 1962 (rechtsvergleichend zu U S A ) ; und insbes. Jahr/Stützel, Aktien ohne Nennbetrag, 1963, die vollständige Gesetzentwürfe für die Einführung dieser Aktienart vorlegten). Es wurde im Gesetzgebungsverfahren zwar anerkannt, daß die nennwertlose Aktie durch ihre leichtere Zerlegbarkeit auch die Kapitalbeschaffung erleichtere und die Verwechslungen zwischen Nennbetrag und wirklichem Wert verhindere, die Einführung jedoch (jedenfalls vorläufig) mit der Begründung ablehnt, daß das System in der Praxis für den kleinen Aktionär zu wenig verständlich und transparent sowie juristisch so kompliziert sei, daß es den rechtzeitigen Abschluß der Reform gefährde (vgl. die Regierungsbegründung und den Ausschußbericht bei Kropff S. 21 und dagegen Godin-Wilhelmi A n m . 2; Gessler (DB 1966, 215) schlägt de lege ferenda, um die Harmonisierung des EWG-Rechts nicht zu gefährden, zunächst einen Kompromiß zwischen dem USA-System, das weder ein festes Grundkapital noch eine regelrechte Kapitalerhöhung kenne, und dem belgischen System vor, das zunächst eine Kapitalerhöhung verlange, um auf diese Weise „das Nebeneinander von Aktien mit Nennbetrag und solchen ohne (zu) erleichtern".

Anm. 3 II. Wert der Aktie Der auf der Aktie aufgedruckte Nennbetrag ist nicht ihr Wert (und die in Prozenten davon ausgedrückte Dividende in der Regel nicht ihre Rendite), ebensowenig wie die Summe der Nennbeträge den wahren Wert des Gesellschaftsvermögens ausmachen muß. Der wahre Wert der Aktie hängt vom wahren Wert des Gesellschaftsvermögens ab, der sich nach dem Wert der Vermögensgegenstände, dem Ausmaß der Reserven, den Gewinnaussichten, der Verschuldung und Liquidität sowie nach der allgemeinen politischen und konjunkturellen Lage richtet und der im Zweifelsfall von Sachverständigen ermittelt werden muß. Das A k t G 1965 sieht solche Bewertungen z. B. bei der gerichtlichen Nachprüfung vor, ob die den ausscheidenden außenstehenden Aktionären gewährte Abfindung angemessen war, § 305 Abs. 3 S. 2 sowie § 1 2 U m w G (zu den Problemen der Bewertung bei Umwandlungen vgl. Koppenberg, Bewertung von Unternehmen, 1964). Zur Unternehmensbewertung allgemein s. Vill/Bredt/Renard, 1967, sowie § 154 Anm. 32 m. w. N. A u c h der Börsenkurs, der üblicherweise zur Wertbestimmung verwandt wird, weil er den Verkaufs- bzw. Handelswert der Aktie verkörpert, so wie er sich durch Angebot und Nachfrage herausgebildet hat, braucht nicht unbedingt den wirklichen (inneren) Wert der Aktie zu spiegeln, weil die Börse nicht nur von wirtschaftlichen, sondern auch von spekulativen oder politischen Momenten beeinflußt wird (vgl. B G H W M 1967, 479). Dennoch wird man für die entgeltliche Veräußerung (Kauf, Tausch) in aller Regel den Börsenkurs zugrunde legen, es sei denn, die Parteien haben ausdrücklich etwas anderes vereinbart (etwa den Nennbetrag). Bei einzelnen Aktien kommt in praxi eine andere Preisbestimmung kaum in Betracht.

94

§ 6 Anm. 4 §7 Anders, wenn der Kauf einzelner Aktien dem Erwerber eine besondere Machtposition schafft. Für die Veräußerung von Aktienpaketen, die eine qualifizierte Minderheitsoder Mehrheitsbeteiligung geben, sind, weil hier die geschlossene Beteiligung einen Mehrwert gegenüber der Summe der einzelnen Aktien darstellt, in der Praxis Zuschläge zum Börsenkurs (Paketzuschläge) üblich (vgl. Mestmäcker S. 141,14.3t., 205ff., 208f. und Wiedemann, Minderheitenschutz und Aktienhandel, 1968, S. 35ff., 64fr., insbesondere zur USA-Praxis, daß der Mehrheitsaktionär u. U. gezwungen werden kann, die außenstehenden Aktionäre an dem erzielten Zuschlag pro rata zu, beteiligen bzw. zu den Möglichkeiten, in Deutschland zu ähnlichen Ergebnissen zu kommen). Für Zwecke der Besteuerung sind Aktien gem. § 1 1 BewG zu bewerten; für börsengängige Aktien wird der sog. Steuerkurswert jährlich zum 1. Januar veröffentlicht. Wertbeständigkeitsklauseln zur Sicherung des Werts der Aktie (sogenannte Kursgarantien) können von der A G nicht vereinbart werden; sie sind nichtig, weil sie einer Verpflichtung zur verbotenen Rückgewähr der Einlagen gleichkommen (vgl. die Erläuterungen zu § 57). Allgemein sind Wertsicherungsklauseln darüber hinaus nach § 3 Abs. 2 WährungsG nur mit besonderer Genehmigung der Bundesbank zulässig. Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

Anm. 4 I I I . Übergangsregelung § 1 E G durchbricht den Grundsatz, daß der Nennbetrag in D M ausgedrückt sein muß für AGs, deren Grundkapital und Aktien beim Inkrafttreten des AktG 1965 nicht auf einen Nennbetrag in D M lauten, sowie für AGs, die nach dem Inkrafttreten des AktG gemäß § 2 DMBilErgG v. 28. 12. 1950 (BGBl. I 8 1 1 ) ihren Sitz in seinen Geltungsbereich verlegen und beläßt es bei den diesbezüglichen besonderen Vorschriften. Zur ersten Gruppe gehören AGs, die sich in Abwicklung befinden, weil sie ihr Grundkapital nicht nach den Vorschriften des DMBilErgG in D M neu festgesetzt haben oder sich bereits bei Inkrafttreten des DMBilErgG in Abwicklung befanden, sowie Kreditinstitute, die keinen Sitz im Rechtssinne in der Bundesrepublik haben und deshalb ihr Grundkapital nicht in D M festsetzen können (verlagerte Geldinstitute, Berliner Altbanken). Zur zweiten Gruppe gehören AGs mit Sitz außerhalb der Bundesrepublik, die mit einem Grundkapital in Reichsmark gegründet worden sind (zu den Einzelheiten vgl. die Regierungsbegründung zu § 1 EG, bei Kropff S. 5 1 3 0 .

§

7

M i n d e s t n e n n b e t r a g des Grundkapitals

Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals ist einhunderttausend Deutsche Mark. Ubersicht: Anm.

I. Einleitung 1. Entstehungsgeschichte 8. Gesetzliche Regelungen seit 1949 3. AktG 1965

1 2 3

II. Rechtsfolgen bei Verstoß 1. bei der Gründung 2. durch Hauptversammlungsbeschluß

4 5

III. Übergangsrecht

6

IV. Bilanzierung

7

95

§7 Anm. 1, 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1 I . Einleitung 1. Entstehungsgeschichte Während das A D H G B und das Gesetz von 1870 für das Grundkapital keinen Mindestnennbetrag vorgeschrieben hatten, ergab sich aus dem Gesetz von 1884 ein Mindestnennbetrag wenigstens mittelbar. Denn der Mindestnennbetrag der Aktie wurde in Art. 207 a Abs. 1 auf 1000 M., in den Ausnahmefallen der Absätze 2 und 3 auf 200 M. bestimmt. Da nun nach Art. 209 mindestens fünf Personen je eine Aktie übernehmen mußten, so ergab sich daraus für das Grundkapital ein Mindestnennbetrag von 5000 M., in den Ausnahmefällen von 1000 M. Dabei blieb es auch nach den §§ 180, 182 HGB. Die Goldbilanzoerordnung vom 28. 12. 23 (RGBl. I 1253) setzte in § 10 für die auf Goldmark umzustellenden Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien den Mindestbetrag auf 5000 Goldmark fest, in § 17 für Neugründungen auf 50000 Goldmark. An die Stelle der Goldmark trat dann die Reichsmark (vgl. zur Währungsgeschichte auch Anm. 2 zu § 6 der Voraufl.). Der Begriff der Neugründung wurde in § 42 der 2. D V O zur GoldbilVO, abgeändert durch Gesetz vom 14. 7. 26 (RGBl. I S. 412), dahin bestimmt, daß sie auch dann vorliege, „wenn bestehende Aktiengesellschaften ihre Verhältnisse wesentlich ändern, insbesondere, wenn sie eine wesentliche Änderung des Gegenstandes des Unternehmens, ihrer Verfassung, der Zusammensetzung ihrer Organe oder der Art ihres Geschäftsbetriebs vornehmen". Daran knüpfte sich eine reichhaltige Rechtsprechung, deren Einzelheiten noch jetzt von Interesse sind, weil auch § 2 E G AktG 1965 eine ganz ähnliche Bestimmung als Übergangsvorschrift enthält (vgl. unten Anm. 6). Durch das AktG 1937 wurde der Mindestbetrag auf 500000 RM festgesetzt. Genehmigtes Kapital wurde dabei nicht eingerechnet. Das bedeutete also gegenüber § 17 GoldbilVO eine Erhöhung auf das Zehnfache. Die amtliche Begründung sagte dazu in der Einleitung, es sei notwendig erschienen, die Rechtsform der A G nur großen Unternehmungen vorzubehalten. Durch § 2 des WährungsG trat mit dem 20. 6. 48 die Deutsche Mark an Stelle der Reichsmark. Anm. 2 2. Gesetzliche Regelungen seit 1949 Durch § 60 DMBilG ist § 7 Abs. 2 AktG 1937 dahingehend geändert worden, daß der Mindestnennbetrag des Grundkapitals 100000 Deutsche Mark betrug. Durch diese Neuregelung sollte den veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten, die sich infolge des Zusammenbruchs nach 1945 ergaben, Rechnung getragen werden. Wenn auch das Mindestgrundkapital immer noch die doppelte Höhe verglichen mit § 17 GoldbilVO haben mußte, so liegt die Ziffer doch erheblich unter dem Betrag, der bei Inkrafttreten des AktG 1937 rechtens war. Dabei ging auch die Neuregelung grundsätzlich davon aus, daß die Rechtsform der A G nur großen Unternehmen vorbehalten bleiben soll. Die Entwicklung zeigt, daß die Wahl der Rechtsform der A G vernünftigerweise nur dann sinnvoll ist, wenn eine wirtschaftlich berechtigte Notwendigkeit besteht, einem Unternehmen eine breite Vermögensbasis zu schaffen, insbesondere durch Herantreten an den allgemeinen Kapitalmarkt (Kapitalsammlungsfunktion der AG). Kapitalanlagegesellschaften erhalten die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb nur, wenn das Grundkapital nicht weniger als 500000,— D M beträgt, § 2 Abs. 2 G vom 16. 4. 57 (BGBl. I, 378) i. d. F. des G vom 28. 7. 1969 (BGBl. I, 986). Für Aktiengesellschaften, die vor dem Inkrafttreten des DMBilG am 3 1 . 8. 49 bestanden, sah § 44 einen Mindestnennbetrag des Grundkapitals nach der Neufestsetzung in D M in Höhe von mindestens 50000,— DM vor. Sogar dieser Betrag konnte bei der Neufestsetzung unterschritten werden, wenn gleichzeitig mit der Neufestsetzung des Grundkapitals eine Erhöhung des Grundkapitals bis mindestens 50000, — D M beschlossen und eingetragen wurde (§ 44 Abs. 1 DMBilG; vgl. entsprechend § 229 AktG 1965). Wurde dieses Mindestgrundkapital nicht erreicht, mußten die Gesellschaften

96

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 7 A n m . 3—6

sich nach den Bestimmungen des UmwandlungsG umwandeln (§ 45 DMBilG) — möglich war auch bei einem Mindestkapital von 5000,— D M die Umwandlung in eine G m b H (§ 44 Abs. 2 DMBilG) — anderenfalls galten sie mit dem 31. 6. 51 (§ 80 DMBilG) als aufgelöst. Sie konnten jedoch unter besonderen Voraussetzungen noch bis zum 31. 12. 55 die Fortsetzung beschließen (vgl. im einzelnen § 1 2 . DMBilErgG vom 20. 12. 52 mit §§14, 15 3. DMBilErgG vom 2 1 . 6 . 55. D a ß nach den Bestimmungen des D M B i l G festgesetzte neue Grundkapital galt als Mindestnennbetrag, § 61 D M B i l G (vgl. unten Anm. 6). Hinsichtlich der Sonderbestimmungen über die DM-Eröffnungsbilanz der Geldinstitute siehe die 42. D V O z. UmstellungsG (BAnz. 1950 Nr. 2).

Anm. 3 3. Aktlengesetz 1965 § 7 A k t G 1965 stimmt mit § 7 Nr. 1 A k t G 1937 wörtlich überein. Entgegen verschiedenen Anregungen (vgl. G. Fischer, Die A G 1959, 3ioff.) hat der Gesetzgeber den Mindestnennbetrag nicht auf D M 500 000,— erhöht. Laut Regierungsbegründung war dafür entscheidender Gesichtspunkt, daß sonst rd. 2 5 % aller A G s zur Umwandlung gezwungen worden wären. Wegen der schärferen Publizitätsbestimmungen wurde auch die Gefahr gering veranschlagt, daß kleine A G ' s den Kapitalmarkt für große einengen. Der frühere Absatz 2, der Ausnahmen ermöglichte, wurde gestrichen, weil angesichts des niedrigen Mindestnennbetrags kein anerkennenwertes Bedürfnis mehr bestand und weil das Gesetz grundsätzlich keine Ausnahmeermächtigungen mehr enthalten sollte (vgl. bei Kropff, S. 22).

Anm. 4 II. Rechtsfolgen bei Verstoß 1. bei der Gründung

Der Mindestnennbetrag gilt für Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (§ 278 Abs. 3), die mit einem Mindestgrundkapital von 100000 D M gegründet sein müssen. Wird § 7 bei Neugründungen das A k t G 1965 nicht beachtet, so ist die Bestimmung über die Höhe des Grundkapitals (§ 23 Abs. 3 Nr. 3) unheilbar nichtig. Eine Nichtigkeitsklage und ein Löschungsverfahren nach § 144 F G G sind jedoch nach § 275 1. d. F. des G vom 15. 8. 69 (BGBl. I, 1146) nur zulässig, wenn die Satzung überhaupt keine Bestimmung über die Höhe des Grundkapitals enthält. Wird nur das Mindestgrundkapital nicht erreicht, so ist lediglich ein Auflösungsverfahren nach § 144 a F G G einzuleiten (vgl. auch § 4 Anm. 6).

Anm. 5 2. durch Hauptversammlungsbeschluß Würde eine Hauptversammlung durch Satzungsänderung ihr Grundkapital auf einen geringeren Betrag als 100000,— D M herabsetzen, so wäre ein solcher Beschluß nach § 241 Nr. 3 nichtig (Baumbach-Hueck Anm. 5, Godin-Wilhelmi A n m . 2; SchlegelbergerQuassowski Anm. 2 nehmen „Unwirksamkeit" an). Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 gehört unzweifelhaft zu denen, die im öffentlichen Interesse gegeben sind; ihre Verletzung begründet also einen Nichtigkeitsgrund nach § 241 Nr. 3. Eintragung des Beschlusses vermöchte dessen Nichtigkeit nur mit Ablauf der dreijährigen Frist nach § 242 Abs. 2 zu heilen, ohne jedoch das Amtslöschungsverfahren nach § 144 Abs. 2 F G G auszuschließen. Unbedenklich ist dagegen eine Herabsetzung des Grundkapitals auf weniger als 100000,— D M bei gleichzeitiger Wiedererhöhung auf mindestens 100000,— D M nach § 228 sowie bei einer gleichzeitigen Umwandlung in eine G m b H nach § 369 fr.

Anm. 6 III. Übergangsrecht Für AGs, die vor dem Inkrafttreten des A k t G 1965 eingetragen waren, gelten die Ubergangsvorschriften des § 2 E G (der die bisherige Vorschrift des § 2 Abs. 1 E G 1937 7

Aktiengesetz I, 3. Aufl.

97

§ 7 Anm. 7

§8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

i. d. F. v. § 6i DMBilG unverändert übernimmt). Danach gilt das gemäß DMBilG neu festgesetzte Grundkapital, wenn es weniger als iooooo,— D M beträgt, als Mindestnennbetrag im Sinne von § 7. Ändert jedoch eine Gesellschaft mit einem geringeren Grundkapital als iooooo,— D M wesentlich ihre Verhältnisse, nimmt sie namentlich eine wesentliche Änderung des Gegenstandes des Unternehmens oder ihrer Verfassung vor, so dürfen diese Änderungen nur eingetragen werden, wenn gleichzeitig das Grundkapital auf mindestens iooooo,— D M erhöht wird, § 2 Satz 2 EG. Die Bedeutung dieser Bestimmung liegt darin, daß man einerseits durch die Ubergangsregelung bestehende wirtschaftliche Verhältnisse schonen will, andererseits aber eine Angleichung des Grundkapitals auf die gesetzliche Mindesthöhe verlangt, wenn wirtschaftlich — wenn auch nicht formell — eine Neugründung vorgenommen wird. Entsprechend behandelt werden müssen auch die AGs, deren Grundkapital auf Grund einer ministeriellen Genehmigung nach § 7 Abs. 2 AktG 1937 unter D M iooooo,— liegt (Godin-Wilhelmi Anm. 4). Die Vorschriften gelten auch für Kommanditgesellschaften auf Aktien (§ 26 EG). Anm. 7 IV. Bilanzierung Das Grundkapital ist in der Jahresbilanz auf der Passivseite gesondert auszuweisen, §151 Abs. 1; dabei sind die Gesamtnennbeträge der Aktien jeder Gattung gesondert anzugeben, s. im einzelnen § 152 Abs. 3 sowie die Anm. 92—96 zu § 151 und 24 fr. zu § 152-

§

8

Mindestnennbetrag der Aktien

(1) Der Mindestnennbetrag der Aktien ist fünfzig Deutsche Mark. Aktien über einen geringeren Nennbetrag sind nichtig. F ü r den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. (2) Höhere Aktiennennbeträge müssen auf volle hundert Deutsche M a r k lauten. (3) Die Aktien sind unteilbar. (4) Diese Vorschriften gelten auch für Anteilscheine, die den Aktionären vor der Ausgabe der Aktien erteilt werden (Zwischenscheine). Ubersicht: Aom.

Anm

I. Einleitung 1. Entstehungsgeschichte 3. Gesetzliche Regelungen seit 1949 3. AktG 1965

1 3 3

II. Rechtsfolgen bei Verstoß (Abs. 1 Satz 2)

4—5

III. Schadensersatzpflicht (Abs. I Satz 3) 1. Allgemeines 2. Verantwortlichkeit der Ausgeber 3. — nicht der Gesellschaft — 4. gegenüber dem Inhaber 5. Schaden

98

IV. 1. Unteilbarkeit der Aktie (Abs. 3) 2. Kein Verbot der Stückelung 3. Globalaktie 4. Keine Abspaltung einzelner Mitgliedschaftsrechte V. Vereinigung mehrerer Aktien VI. Zwischenscheine (Abs. 4)

6 7—8 9 10 11

VII. Übergangsregelung

12 13 14 15 16 17 18

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 8

Anm. 1, 2

Anm. 1

I. Einleitung 1. Entstehungsgeschichte Mit dem Mindestnennbetrag des Grundkapitals (§7) steht der Mindestnennbetrag der einzelnen Aktien, in die das Grundkapital zerlegt wird (§§ 1 Abs. 2, 6), in engem Zusammenhang. Das Gesetz von 1884 (Art. 207 a) und ihm folgend das Handelsgesetzbuch (§ 180) hatten den Mindestbetrag der Aktie auf 1000,— M. bestimmt. Für ein gemeinnütziges Unternehmen sowie für ein solches, dessen Ertrag durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts gewährleistet war, konnte der Bundesrat (später Reichsrat) Aktien zu einem geringeren Betrage, jedoch nicht unter 200,— R M , zulassen; auch konnten „gebundene" Namensaktien, d. h. Namensaktien, deren Übertragbarkeit an die Zustimmung der A G gebunden ist (vgl. jetzt § 68 Abs. 2), auf einen geringeren Betrag, ebenfalls nicht unter 200,— M, gestellt werden. Die GoldbilVO vom 28. 12. 23 änderte das ab. Sie schuf als Regeltypus, wobei hier statt der Goldmarkbeträge Reichsmarkbeträge eingesetzt wurden, die 100,— RM-Aktie, für jene beiden Ausnahmefalle Aktien zum Nennbetrage von mindestens 20,— R M ( § 1 0 Abs. 2, § 17 Abs. 2 GoldbilVO). Durch das Aktiengesetz 1937 wurde wieder ein Mindestnennbetrag von 1000,— R M eingeführt. Bestimmte Ausnahmen für die Zulässigkeit von Kleinaktien waren nicht mehr gemacht, statt dessen sah § 8 Abs. 2 die Möglichkeit einer ministeriellen Ausnahmegenehmigung vor; auch dann „sollten" die Aktienbeträge aber aufvolle 100,— R M lauten. Abs. 2 ist durch § 60 Abs. 3 DMBilG aufgehoben wordem. Durch § 2 WährungsG trat mit dem 20. 6. 48 die Deutsche Mark an Stelle der Reichsmark.

Anm. 2 2. Gesetzliche Regelungen seit 1945 Das DMBilG änderte aus den gleichen Gründen, aus denen der Mindestnennbetrag des Grundkapitals auf 100000,— D M herabgesetzt wurde, auch § 8 Abs. 1 dahin, daß nunmehr der Mindestnennbetrag der Aktien 100,— DM betrug (§ 60 Abs. 2 DMBilG). Höhere Nennbeträge sollten auf volle 100,— D M lauten. Da gleichzeitig Abs. 2, der Ausnahmen mit ministerieller Genehmigung vorsah, aufgehoben wurde (§ 60 Abs. 3 DMBilG), bedeutete das praktisch, daß höhere, 100,— D M übersteigende Aktiennennbeträge immer auf volle 100,— D M lauten mußten. Diese Regelung galt aber nur für A G , die nach Inkrafttreten des DMBilG gegründet wurden, sowie für Kapitalerhöhungen und jede Art der Aktien-Ausgabe. Dagegen sah das DMBilG für die Umstellung auf D M bei der Neufestsetzung des Grundkapitals Ausnahmen von § 8 Abs. 1 vor (§ 44 Abs. 3, 5 u. 6 DMBilG). Hiernach konnten bei der Neufestsetzung Aktien auch auf 20,— DM, 50,— D M oder ein Vielfaches dieser Beträge gestellt werden, jedoch nur, soweit dies zum Ausgleich von Spitzenbeträgen nötig war oder soweit der auf die Aktien entfallende Betrag 100,— D M nicht erreichte; zu bei sog. Aktienspitzen auftauchenden Fragen vgl. Siebel, N J W 1952, 330. Kleinaktien, die nicht auf volle 100,— D M oder ein Vielfaches von 100,— D M lauteten, sollten gemäß § 44 Abs. 6 DMBilG bis Ende 1954 in Aktien, die der Regel des § 8 entsprechen, umgetauscht werden. Diese Befristung wurde jedoch durch § 12 Ziff. 7 des 3. DMBilErgG vom 23. 6. 55 (BGBl. I 297) aufgehoben. Dafür wurde die Vereinigung von Kleinaktien nach §§ 16 ff. desselben Gesetzes erleichtert, insbesondere waren die §§ 67 u. 179 AktG 1937 insoweit nicht anwendbar. Diese Regelung entsprach im wesentlichen dem Ubergangsrecht nach Inkrafttreten des AktG 1937 in Art. I der 1. D V O , der durch § 4 Abs. 6 HandelsrechtlBerG vom 18. 1. 50 außer Anwendung gesetzt wurde. Umtausch (oder Abstempelung) der auf R M lautenden alten Aktien in auf D M gestellte Aktien hatte nach § 54 DMBilG zu erfolgen, sobald auf Grund der Wertpapierbereinigung Einzelurkunden ausgestellt werden konnten und die Kapitalneufestsetzung im Handelsregister eingetragen worden war. § 67 AktG 1937 — und bei Zusammenlegung § 179 AktG 1937 — waren entsprechend anzuwenden. Das Registergericht konnte den Vorstand durch Ordnungsstrafen zur Durchführung dieser Bestimmungen anhalten. 7»

99

§8 A n m . 3—5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 3 3. AktG 1965 § 8 A k t G 1965 ist gegenüber der bisherigen Vorschrift im äußeren A u f b a u etwas umgestellt und an einigen Stellen auch sachlich geändert worden. Die bedeutendste Neuerung ist die Herabsetzung des Mindestnennbetrages auf50,— DM, die erst im Bundestag beschlossen wurde, um es den Gesellschaften zu ermöglichen, „durch Ausgabe klein gestückelter Aktien einem zu hohen Kursniveau für die Aktien der Gesellschaft entgegenzuwirken und dadurch auch einem kleinen Anleger die Gelegenheit zu verschaffen, Aktien der Gesellschaft zu erwerben" (vgl. Ausschußbericht, bei Kropff S. 23). In Abs. 1 Satz 3 wurde in Anpassung an § 795 Abs. 2 BGB und die bisher schon herrschende Auslegung „ I n h a b e r " anstelle von „Besitzer" gesetzt. Durch die Änderung des „sollen" in Abs. 2 in „müssen" sollte klargestellt w e r d e n — w a s auch die bisher schon herrschende Meinung a n n a h m — , daß das Registergericht nicht auf volle 1 0 0 , — D M lautende Aktiennennbeträge nicht eintragen darf (wiewohl ein Verstoß gegen diese Vorschrift — wegen der im Vergleich zu Abs. 1 Satz 2 fehlenden Sanktion — nicht zur Nichtigkeit führt). Die Bestimmungen des § 8 in der neuen Fassung gelten zwingend für alle Aktien, die nach dem Inkrafttreten des A k t G 1965 ausgegeben werden, § 3 Abs. 1 E G . Aktien mit dem neuen Recht nicht entsprechenden Nennbeträgen, die vor dem Inkrafttreten des A k t G 1965 ausgegeben wurden, behalten ihre Gültigkeit, § 3 Abs. 3 Satz 1 E G . Ubergangsregelungen enthalten § 3 Abs. 2 — 5 (Weitergeltung alter inkonformer Nennbeträge) und § 4 (Vereinigung von Aktien) E G , vgl. unten Anm. 18. Unter die nach § 8 verbotene Ausgabe zählen nicht die Einzelfälle, in denen die A G nach §§ 64 Abs. 4, 72 Abs. 1 (§ 800 BGB), 73 Abs. 3, 74 neue Aktienurkunden anstelle schon ausgegebener ausstellt: In diesen Fällen genügt die A G nur einer gesetzlichen Pflicht, zu deren Erfüllung auch unzweifelhaft ein Bedürfnis besteht.

Anm. 4 II. Rechtsfolgen bei Verstoß (Abs. 1 Vers 3) Nach Abs. 1 Satz s sind Aktien über einen geringeren Nennbetrag nichtig, also über einen Betrag, der nicht 5 0 , — D M erreicht. Dagegen hat die Verletzung des Abs. 2, daß höhere Aktiennennbeträge auf volle 100,— D M lauten müssen, keine Nichtigkeit zur Folge; eine auf 250,— D M lautende Aktie wäre also nicht nichtig (vgl. Regierungsbegründung bei Kropff S. 23). Übrigens besteht kein Zwang, alle Aktien auf denselben Nennwert z u stellen, sofern nur die gesetzlichen Vorschriften innegehalten werden (gl. A . jetzt auch Baumbach-Hueck A n m . 7, a. M . Wieland II 37 Anm. 5 für Aktien derselben Gattung). Die A G kann also nebeneinander Aktien derselben oder einer anderen Gattung ( § 1 1 ) mit Nennbeträgen von 100,— D M und 50,— D M ausgeben. Jedoch müssen die Nennbeträge in der Satzung bestimmt sein (§ 23 Abs. 3 Nr. 4), eine Änderung der Nennbeträge ist nur im Wege einer Satzungsänderung möglich. Zulässig ist auch die Ausstellung zusammenfassender Urkunden über mehrere Aktienrechte, sog. Globalaktien oder Zertifikate (gl. A . jetzt auch Baumbach-Hueck Anm. 7, a. M . Brodmann § 179 Anm. 3). Darin liegt keine Abweichung vom Gesetz, sondern nur eine Vereinfachung des Drucks; der Berechtigte kann jederzeit Umtausch der Globalaktie gegen einfache Aktienurkunden verlangen.

Anm. 5 Nichtigkeit der Aktie nach § 8 Abs. 1 Satz 2 bedeutet lediglich Nichtigkeit der Aktienurkunde. Verletzt die Satzung die zwingenden Vorschriften des § 8, so ist die A G nicht einzutragen. Ist dies dennoch geschehen, sind nur die Aktienurkunden als solche nichtig, sie gewähren jedoch Mitgliedsrechte. Die frühere gegenteilige Auffassung kann nicht mehr aufrechterhalten werden, seit nach § 275 n. F. (vgl. im übrigen § 4 A n m . 6) die A G selbst in diesem Falle nicht mehr unheilbar „nichtig", sondern nach § 144 a F G G i. V . m .

100

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 8

Anm. 6—8

§ 23 Abs. 3 Abs. 4 nur noch von der Auflösung bedroht ist, wenn die Satzung nicht entsprechend geändert wird. Es ist vielmehr heute, so wie es auch schon bisher einhellig für den Fall angenommen wurde, daß zwar in der Satzung, nicht aber auf den Aktienurkunden die gesetzlichen Mindestgrenzen eingehalten wurden, davon auszugehen, daß Mitgliedsrechte entstanden sind, die Aktionäre also von A G die Aushändigung einer gültigen Urkunde verlangen können (vgl. auch § 10 Anm. 2). In keinem Fall sind aber Kauf- oder andere entgeltliche Veräußerungsverträge über solche Aktien nichtig. Nicht die §§ 306 ff. BGB sind anwendbar (Heck, Schuldrecht, S. 286; Schlegelberger-Quassowski Anm. 12, vgl. auch Soergel-Ballerstedt §437 BGB Anm. 2; a. A. Godin-Wilhelmi Anm. 5, Staudinger-Ostler §437 Anm. 17), sondern die Regeln der §§ 437, 445 BGB. Ein Recht, dessen Entstehung überhaupt immöglich ist ( R G 90, 244), kommt hier nicht in Betracht. Vielmehr haftet nach § 437 BGB der Verkaufer für den rechtlichen Bestand der Aktie (vgl. R G 92, 76; D J Z 1914, 825), es sei denn, daß der Käufer die Nichtigkeit beim Kaufabschluß gekannt hat. Der Verkäufer haftet also auf das Erfüllungsinteresse, nicht nur, wie nach § 307 BGB, auf das Vertrauensinteresse.

Anm. 6 III. Schadensersatzpflicht (Abs. 1 Satz 3) 1. Allgemeines Durch die Ausgabe von Aktien über einen geringeren ab den zugelassenen Nennbetrag kann, wie sich aus der vorigen Anm. ergibt, ein erheblicher Schaden angerichtet werden. Für den Schaden macht Abs. 1 Satz 3 die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner haftbar. Es handelt sich dabei ebenso wie bei der ungenehmigten Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen mit bestimmten Geldversprechen nach § 795 BGB um einen Fall von unerlaubter Handlung als Grundlage einer Gefährdungshaftung. Verschulden der Ausgeber (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) wird nicht vorausgesetzt (so auch Baumbach-Hueck, Anm. 6 und Godin-Wilhelmi, Axim. 6; a. M . Schlegelberger-Quassowski, Anm. 12), selbst entschuldbarer Irrtum befreit nicht. Anders steht es natürlich mit der Ordnungswidrigkeit nach § 405 Abs. 1 Nr. 3. Für die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gilt § 852 BGB. Der Einwand; daß der Geschädigte den Schaden schuldhaft mitverursacht habe (§ 254 BGB), ist zulässig.

Anm. 7 2. Verantwortlichkeit der Ausgeber Die Ausgabe besteht in der Ausreichung der nichtigen Aktienurkunden nicht nur an die ersten Aktionäre, sondern an irgend jemand, z. B. durch Umtausch von Namens- in Inhaberaktien (oder umgekehrt) oder durch Übergabe an eine Bank, der sie verpfändet werden (Brodmann § 209 Anm. 2 b). Denn damit ist die Aktie in den Verkehr gebracht und die Gefahr eines Schadens gegeben. Geschieht die Ausgabe noch dazu vor der Eintragung der Gesellschaft, so liegt ein doppelter Nichtigkeits- bzw. Haftungsgrund vor (§ 41 Abs. 4). Die Schadensersatzpflicht beruht alsdann sowohl auf § 8 Abs. 1 Satz 3 als auch auf § 41 Abs. 4 Satz 3 (Ordnungswidrigkeit: § 405 Abs. 1 Nr. 2).

Anm. 8 Ausgeber sind diejenigen, unter deren Verantwortung die Ausgabe geschieht, also in der Regel die Vorstandsmitglieder, denen die Ausgabe satzungsmäßig obliegt, es sei denn, daß die Ausgabe gegen ihren Willen stattgefunden hat und sich von ihnen nicht hat verhindern lassen, so daß sie nicht mehr als, Täter gelten können. Ausgeber sind aber auch diejenigen, welche die Aktienurkunden tatsächlich ausreichen, sofern sie dabei selbständig, wenn auch nicht innerhalb der ihnen zustehenden Verrichtungen handeln, so daß sie dabei ab Täter erscheinen. Mehrere Täter haften ab Gesamtschuldner, mögen sie (ab Mittäter) vorsätzlich zusammenwirken oder (ab Nebentäter) unabhängig voneinander handeln, § 840 BGB ist anwendbar, § 830 Abs. 1 BGB nur bei Vorsatz, § 830 Abs. 2 nur bei vorsätzlicher Haupttat und vorsätzlicher Teilnahme.

101

§8

Anm. 9—12

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 9 3. — nicht der Gesellschaft — Die AG selbst trifft keine Schadensersatzpflicht für die Ausgabe nichtiger Aktienurkunden, auch dann nicht, wenn die Ausgeber als verfassungsmäßige Vertreter in Ausführung der ihnen zustehenden Verrichtungen gehandelt haben. Weder § 3 1 noch §831 BGB ist hier gegen die A G nach aktienrechtlichen Grundsätzen anwendbar, weil die Haftung die Grundlage der Gesellschaft selbst angreifen würde, wie sie auch nicht dafür haftet, daß jemand durch betrügerische Vorspiegelung des Vorstands bestimmt worden ist, eine Aktie zu zeichnen.

Anm. 10 4. gegenüber dem Inhaber Die Schadensersatzpflicht der Ausgeber besteht gegenüber den „Inhabern", wie es jetzt — gegenüber dem früheren Rechtszustand („Besitzern") klarstellend — heißt. Wer infolge von Weiterveräußerung nicht mehr Inhaber im Sinne des § 793 BGB ist, kann den Schadensersatzanspruch nicht geltend machen, er müßte denn zuvor die Aktie zurückerwerben. Das wird man auch dann annehmen müssen, wenn der Kläger die Aktie während des Rechtsstreits veräußert; denn die Klagebefugnis muß bis zu der Verhandlung bestehen, auf Grund deren das Urteil ergeht. Tritt aber der Kläger zugleich mit der Veräußerung der Aktie seinen Schadensersatzanspruch an den Erwerber ab, so kann er nach § 265 Z P O den Rechtsstreit weiterfuhren, indem er unter Änderung seines Klagantrages Leistung an den Erwerber verlangt; ebenso, wenn er den Schadensersatzanspruch abtritt, ohne die Aktie zu veräußern.

Anm. 11 5. Schaden Als Schaden ist jeder Vermögensnachteil zu ersetzen, den der Inhaber infolge der verbotswidrigen Ausgabe der Aktienurkunde erleidet, mit Einschluß entgangenen Gewinns (§§249 bis 25a BGB). Uber die Anwendbarkeit des §254 BGB und die Verjährung s. Anm. 6.

Anm. 12 IV. 1. Unteilbarkeit der Aktie (Abs. 3) Die Unteilbarkeit der Aktie (Abs. 3) bedeutet Unteilbarkeit des Anteilrechts für den Aktionär. D a ß er nicht eine Aktienurkunde über 200,— D M in zwei Urkunden über j e 100,— D M verwandeln kann, ist selbstverständlich; denn nicht er, sondern die A G stellt die Aktienurkunde aus. Die Unteilbarkeit seines Anteilrechts verbietet ihm aber, einen anderen daran in der Weise zu beteiligen, daß dieser auf dieselbe Aktie neben ihm unter entsprechender Verringerung seiner Mitgliedschaft ebenfalls Mitglied der A G werde (a. M . Teichmann-Köhler Anm. 2 b). Das ist an sich nicht selbstverständlich, denn bei der G m b H ist eine solche Teilung, wenn auch regelmäßig nur mit Genehmigung der Gesellschaft, zulässig ( § 1 7 G m b H G ) . Bei der A G ist sie auch mit Genehmigung der Gesellschaft nicht zulässig. Jede Aktie begründet nur eine einheitliche Mitgliedschaft. Daher ist es auch nicht zulässig, daß Mehrere zu ideellen Teilen eine Aktie übernehmen oder zeichnen (§ 2 Anm. 10 mit Anführung der Gegenmeinungen). Die Unteilbarkeit der Aktie hindert aber nicht, daß aus Gründen des bürgerlichen Rechts eine Rechtsgemeinschaft entsteht (§ 69), sei es auf Grund von Miteigentum, wie es z. B. an Inhaberaktien aus Vermischung nach § 948 BGB entspringen kann, sei es zur gesamten Hand wie bei ungeteilter Erbengemeinschaft oder bei ehelicher Gütergemeinschaft. Vgl. die Erläuterungen zu § 69. Die Unteilbarkeit steht auch nicht schuldrechtlichen Verträgen entgegen, durch die ein Aktionär einen anderen im Innenverhältnis teilnehmen läßt, z. B. durch Unterbeteiligung, vgl. dazu Schlegelberger-Quassowski, § 8 Anm. 15.

102

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 8 Arnn. 13—16

Anm. 13 2. Kein Verbot der Stückelung Die Unteilbarkeit hindert die AG nicht, im Wege der Satzungsänderung die Stückelung der Aktien derart zu ändern, daß an Stelle einer Aktie mehrere mit dem entsprechenden Teilbetrag treten, also z. B. an Stelle einer Aktie zu 200,— D M zwei zu j e 100,— D M , sofern nur der gesetzliche Mindestbetrag von 50,— D M (Abs. 1) innegehalten wird ( O L G Hamburg in O L G E 4, 253). Ist das geschehen, so kann der Aktionär über jedes dieser selbständig gewordenen Teilrechte verfügen. Den Umtausch kann aber die A G nicht erzwingen; Kraftloserklärung sieht das Gesetz für diesen Fall nicht vor.

Anm. 14 3. Globalaktie Sind über mehrere Anteilrechte Globalaktien (oben Anm. 4) ausgestellt, so kann der Inhaber einer Globalaktie ebenfalls von sich aus keine Zerlegung vornehmen. Er kann aber die Globalaktie bei der A G gegen Einzelaktien umtauschen und dann über jede einzelne Aktie verfugen.

Anm. 15 4. Keine Abspaltung einzelner Mitgliedschaftsrechte Wie der Aktionär sein Anteilrecht nicht teilen kann und dieses auch nicht teilbar ist (auch nicht bei Eingriffen von hoher Hand, wie Konfiskationen), so kann er auch nicht allgemeine Mitgliederrechte davon abspalten wie z. B. das Recht auf Auskunft, das Stimmrecht u. dgl. ( R G 132, 159). Möglich ist aber die Abtretung von Leistungsansprüchen gegen die A G , auch wenn sie auf der Mitgliedschaft beruhen, so vor allem des Rechts, auch des künftigen, auf den Anteil am verteilten Reingewinn (BaumbachHueck Anm. 1 1 ; a. A . Godin-Wilhelmi § 75 Anm. 5, der offenbar nur die Abtretbarkeit von „Gläubigerrechten" für zulässig hält, also Ansprüche auf bereits beschlossene Dividende oder künftige Dividendenansprüche, wenn Dividendenscheine ausgegeben worden sind, wie h. M . aber Godin-Wilhelmi § 8 Anm. 7). Das Recht auf Benutzung von Einrichtungen der A G ist in der Regel ein allgemeines Mitgliedsrecht und nicht von der Aktie lösbar (§ 1 Anm. 40, 41). Uber die abtretbaren Rechte werden meistens Scheine ausgegeben, über den Anteil am festgestellten Reingewinn Gewinnanteilscheine (Dividendenscheine), über andere Rechte Genußscheine.

Anm. 16 V. Vereinigung mehrerer Aktien Die Vereinigungen mehrerer Aktien in eine einzige, also eine rechtliche Vereinigung mehrerer Anteilrechte, ist etwas anderes wie bei der Globalaktie die Ausstellung einer gemeinsamen Urkunde (Anm. 4). Der Aktionär selbst ist dazu nicht in der Lage, da er weder Aktien noch Aktienurkunden schaffen kann. Die A G bedarf dazu außer einer Satzungsänderung auch der Zustimmung der davon betroffenen Aktionäre (so das Übergangsrecht nach Inkrafttreten des A k t G 1937, nach dem D M B i l G und bei Inkrafttreten des A k t G 1965 ausdrücklich in § 3 der 3. D V O z. A k t G 1937, § 16 des 3. D M B i l E r g G und § 4 EG). Denn bei einer derartigen Vereinigung würden Aktionäre, die nicht die nötige Zahl von Anteilsrechten besitzen, praktisch aus der Gesellschaft hinausgedrängt werden können, es läge also eine Verletzung des unentziehbaren „Rechts auf gleichmäßige Behandlung" vor (§ 1 Anm. 36). Außerdem hätte die Gesellschaft auch keine Möglichkeit, einen Aktienumtausch zu erzwingen; § 73 ist unanwendbar (vgl. Schlegelberger-Quassowski, § 8 Anm. 16). Soweit die Zustimmung der betroffenen Aktionäre nachgewiesen ist, sind keine Bedenken gegen die Eintragung einer entsprechenden Satzungsänderung zu erheben. Dagegen ist der bei Schlegelberger-Quassowski a. a. O . als gangbar bezeichnete Weg abzulehnen, nämlich die Vereinigung der Anteilsrechte auch dann, wenn nicht alle Aktionäre zustimmen, einzutragen, unter der Voraus-

103

§8

Anm. 17, 18

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Setzung, daß Gewähr dafür geboten ist, daß die tatsächliche Lage alsbald mit der neuen Satzungsbestimmung in Einklang gebracht wird; damit würde eine späterhin nicht rückgängig zu machende und unzulässige Beschränkung der betroffenen Aktionäre praktisch ermöglicht werden. Für die Vereinigung von Kleinaktien gelten die Sondervorschriften des § 4 E G (vgl. im einzelnen die diesbezüglichen Erl. und auch unten Anm. 18). Anm. 17 VI. Zwischenscheine (Abs. 4) Die Vorschriften der ersten drei Absätze werden hier auf ¿Zwischenscheine, die früher Interimsscheine genannt wurden, ausgedehnt. Das Gesetz gibt auch die Begriffsbestimmung: es sind Anteilscheine, die den Aktionären vor der Ausgabe der Aktien erteilt werden. Vor der Eintragung der A G können sie aber ebensowenig ausgegeben werden wie Aktien (§ 41 Abs. 4), auch können sie niemals auf den Inhaber, sondern müssen immer auf Namen lauten (§ 10 Abs. 3, 4). Eine Pflicht zur Ausgabe von Zwischenscheinen besteht nicht. Sie müssen erkennbar machen, daß die A G darin das Anteilrecht vor der Ausgabe der Aktien bestätigt (RG 3 1 , 3 1 ; 49, 22). Empfangsbescheinigungen über geleistete Einzahlungen genügen diesem Erfordernis nur dann, wenn in ihnen das Anteilrecht zum Ausdruck kommt (RG 22, 1 1 8 ; 49, 22). Es genügt auch nicht, daß in der Urkunde nur ein Recht auf Bezug von Aktien zugesagt wird, wenn nicht zugleich bescheinigt wird, daß schon ein Anteilrecht besteht (RG 30, 18). Jedoch braucht nicht gerade die Bezeichnung „Zwischenschein" in der Urkunde enthalten zu sein. Andererseits sind Urkunden, die inhaltlich alle Erfordernisse von Aktien erfüllen, sich aber als Zwischenscheine bezeichnen, wegen dieser Bezeichnung, die ihnen die Bedeutung der endgültig zu erteilenden Urkunde nimmt, nicht Aktien, sondern Zwischenscheine (dahingestellt gelassen vom R G J W 1909, 6o w ). Die Frage hatte früher steuerrechtliche Bedeutung; das Kapitalverkehrsteuergesetz i. d. F. vom 24. 7. 1959 (BGBl. I S. 530) macht aber zwischen Aktien und Zwischenscheinen keinen Unterschied. Ein Zwischenschein kann auch über mehrere Anteilrechte lauten ( R G 22, 118), ebenso wie die Globalaktie (Anm. 4). Zwischenscheine werden häufig ausgegeben, wenn die Ausgabe von Inhaberaktien beabsichtigt, aber noch nicht die volle Einzahlung geleistet ist (§ 10 Abs. 2). Es steht aber nichts im Wege, auch nach der vollen Einzahlung zunächst Zwischenscheine auszustellen, bis die Aktienurkunden hergestellt sind. Daß nach der vollen Einzahlung Zwischenscheine nicht mehr ausgegeben werden könnten, hatte das R G (JW 1916, 1 4 1 1 ) aus der Fassung des § 179 HGB entnommen. Die jetzige Fassung des Gesetzes bietet dafür keinen Anhalt. Der Zwischenschein beurkundet das Recht zwar nur vorläufig, gewährt aber das volle Mitgliedsrecht ( R G 5, 193; 36, 40), also volles Stimmrecht — abgesehen vom Fall des § 139 —, volles Anteilrecht am Gewinn und am Abwicklungserlös (RG 33, 17). Er ist ein Wertpapier wie die Aktienurkunde (RG 31, 3 1 ; 36, 38). Der Berechtigte, der im Aktienbuch eingetragen ist (§§ 67 Abs. 4, 68 Abs. 5), kann aber, wenn er seine Einlage voll geleistet hat, die Aushändigung einer Aktienurkunde gegen Rückgabe des Zwischenscheins verlangen. Ob derjenige, der zur Lieferung von Aktien verpflichtet ist, seiner Pflicht durch Lieferung von Zwischenscheinen genügen kann,, ist eine Auslegungsfrage, die sich nach den Umständen verschieden beantworten läßt (vgl. R G Bolze 1 Nr. 1188). Anm. 18 VII. Übergangsregelung Übergangsvorschriften enthalten die §§ 3, 4 EG. § 3 Abs. 2 E G beläßt es für Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln, die vor dem Inkrafttreten des AktG beschlossen und eingetragen wurden, beim alten Recht. § 3 Abs. 3 S. 2 E G läßt bei Aktien mit einem nicht durch 100 teilbaren Nennbetrag über § 215 Abs. 2 hinausgehend allgemein eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln auch durch Erhöhung des Nennbetrags zu. Dabei können die Aktien auf jeden

104

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 9

Anm. 1, 2

durch zehn teilbaren Nennbetrag gestellt werden (§ 3 Abs. 4 S. i), der jedoch, wenn er unter 50,— D M gestellt ist, nicht über 50,— D M , sonst nicht über den nächsten durch 100 teilbaren Betrag hinaus erhöht werden darf, § 3 Abs. 4 S. 8 E G . Für Aktien mit einem Nennbetrag von 50,— D M gelten besondere Regeln, ebenso für teileingezahlte Aktien. § 3 Abs. 5 E G stellt klar, daß ein'unter 50,— D M liegender Nennbetrag als Mindestnennbetrag im Sinne der Vorschriften über die Kapitalherabsetzung (§§ 222 ff.) gilt. § 4 E G erlaubt, daß mit Zustimmung der betroffenen Aktionäre Aktien, die nicht auf 50,— D M oder auf einen durch 100 teilbaren Betrag lauten, zu Aktien, die auf 50,— D M oder auf einen durch 100 teilbaren Betrag lauten, vereinigt werden. Die Regelung entspricht sachlich der des Dritten DMBilErgänzungsG, die aufgehoben wurde, § 30 E G .

§ 0

A u s g a b e b e t r a g der A k t i e n

(1) Für einen geringeren Betrag als den Nennbetrag dürfen Aktien nicht ausgegeben werden. (2) Für einen höheren Betrag ist die Ausgabe zulässig. Ü b ersieht: Anm.

Anm.

1

II. 1. Zulässigkeit der über-pari-Emission (Abs. 2) 6 2. bei Sacheinlagen 7

Einleitung I. Verbot der unter-pari-Emission (Abs. 1) 1. Zweck der Vorschrift 2. Verdeckter Nachlaß 3. Anwendbarkeit nur bei Aktienausgabe 4. Rechtsfolgen bei Verstoß

2 3 4 5

III. Uneinheitlicher Ausgabekurs IV. Formvorschriften

8 9

Anm. 1 Einleitung Die Vorschrift ist unverändert aus dem A k t G 1937 übernommen worden.

Anm. 2 I . Verbot der unter-pari-Emission 1. Zweck der Vorschrift Das Verbot der Aktienausgabe unter pari ist eines der Schutzmittel für die Aufbringung des Grundkapitals. Erhielte die A G die Einlagen der Aktionäre nur mit einem A b z u g (Disagio), so würde der Nennbetrag des Grundkapitals irreführend wirken. Das Grundkapital würde höher erscheinen als es durch die Einlagen der Aktionäre werden soll. Das Verbot ist also für die erste Aktienausgabe nach der Gründung ohne weiteres erklärlich. Es gilt aber auch für spätere Kapitalbeschaffungsmaßnahmen, Kapitalerhöhung (§§ 182 fr.), bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192 fr.) und Ausgabe auf Grund genehmigten Kapitals — auch aus Gesellschaftsmitteln, vgl. Baumbach-Hueck, Anm. 3 — (§§ 202ff.). Bei der Kapitalerhöhung läge es nahe, wenn die alten Aktien unter pari stehen, auch die neuen zum selben Kurs auszugeben. Denn der Pari-Kurs ist bei den neuen Aktien regelmäßig nur dadurch zu erreichen, daß sie mit Vorzügen aus-

105

§9

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 3—5 gestattet oder daß die alten Aktien zuvor zwecks Kapitalherabsetzung zusammengelegt werden. Wenn ohne diese Voraussetzungen Kapitalerhöhungen auch bei einem Börsenkurswert unter pari vorgenommen worden sind, so war dies nur bei Gesellschaften möglich, bei denen ein Großaktionär die überwiegende Mehrheit hatte und nicht nur den auf sein Bezugsrecht fallenden Teil der jungen Aktien, sondern auch einen von den übrigen Aktionären nicht bezogenen Rest zu pari zu übernehmen gewillt war. Das Verbot bedeutet also ein gewisses Hindernis für Beschaffung neuen Kapitals. A u c h das Steuerrecht erkennt eine Unter-Nennwert-Ausgabe nicht an; die Gesellschaftssteuer wird vom vollen Nennbetrag erhoben, § 8 Ziff. i KapVerkStG, vgl. Brönner, § 8 Anm. 5.

Anm. 3 2. Verdeckter Nachlaß Das Verbot macht auch jeden verschleierten Nachlaß von der Einlagepflicht, durch Gewährung von Diskonten, Zinsvergütungen, Provisionen oder dgl., unzulässig. A u c h die Uberbewertung einer Sacheinlage würde auf eine Aktienausgabe unter pari hinauslaufen (vgl. Herbig DNotZ 1936, 332). Hiergegen sind bei der Gründung besondere Schutzmaßnahmen vorgesehen (§§ 27, 32, 33 Abs. 2 Nr. 4, 34 ff., vgl. insbesondere § 38 Abs. 2 Satz 2); bei der Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen kann deren Uberbewertung eher vorkommen (§§ 183, 188 Abs. 4, 194, 195 Abs. 3, 205). Dagegen ist der A G nicht verwehrt, von den Einlagen der Aktionäre Kosten, Steuern, Provisionen an Vermittler, etwa an ein Garantiekonsortium zu zahlen, überhaupt Aufwendungen z u machen, die nicht den Aktionären selbst zugute kommen. In gewissem Umfang können solche Aufwendungen sogar schon von dem vor der Anmeldung einzufordernden Viertel der Bareinlage bestritten werden (§ 36 Abs. 2, § 37 Abs. 1 Satz 4).

Anm. 4 3. Anwendbarkeit nur bei Aktienausgabe Das Verbot betrifft nur die Ausgabe von Aktien, von ursprünglichen oder bei späterer Kapitalbeschaffung von neuen. Hat die A G eigene Aktien erworben (vgl. § 71) und verkauft sie diese wieder, so kann das zum Kurse unter pari geschehen. Darin liegt keine Ausgabe von Aktien.

Anm. 5 4. Rechtsfolgen bei Verstoß Der Ausgabebetrag der Aktien wird nicht in der Satzung festgesetzt, wohl aber bei der Feststellung der Satzung in der darüber aufzunehmenden Urkunde (§ 23 Abs. 2). Würde er unter dem Nennbetrage festgesetzt werden, so würde das die Eintragung der A G hindern. Wird sie jedoch trotzdem eingetragen, liegt kein Nichtigkeits- oder Auflösungsgrund vor (§ 275 bzw. § 144a F G G ) . Ein Nichtigkeitsgrund kommt ebenfalls nicht in Frage, wenn als Ausgabebetrag der Nennbetrag festgesetzt ist, die Festsetzung aber einverständlich nicht innegehalten und den Aktionären in mehr oder weniger versteckter Form ein Nachlaß gewährt wird. Dem Zwecke des Gesetzes entspricht es, daß in allen diesen Fällen die Aktionäre für verpflichtet erachtet werden, den vollen Nennbetrag zu leisten, also auch in dem kaum denkbaren Fall, daß die A G trotz offenen Verstoßes gegen das Verbot eingetragen wird. Die unzulässige Festsetzung nach § 23 Abs. 2 ist ebenso wie die unzulässige Geheimabrede über die Gewährung eines Nachlasses als rechtlich nicht vorhanden anzusehen. Damit wird der Bedeutung der Gründung für die Öffentlichkeit, dem durch die Eintragung hervorgerufenen Rechtsschein (§ 2 Anm. 2 bis 4), Rechnung getragen und der Zweck des Gesetzes, die Aufbringung des Grundkapitals zu sichern, am besten erreicht. Dies gilt namentlich auch bei der Überbewertung von Sacheinlagen; hier ist der Unterschiedsbetrag in bar nachzuzahlen (s. § 27 Anm. 24e sowie übereinstimmend Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Baumbach-Hueck § 9 Anm. 2; z.T. wohl abweichend Godin-Wilhelmi, § 9 Anm. 3; vgl. auch Klette BB 1968, 1101). Die versteckte Unter-pari-Ausgabe von Aktien zieht

106

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 9

Anm. 6—9

Bestrafung nach § 399 Abs. 1 Nr. 1 nach sich, die offene — wenn sie vorkommen sollte — möglicherweise Bestrafung nach § a66 StGB. Die Schadensersatzpflicht ergibt sich aus den §§ 46 fr.

Anm. 6 II. 1. Zulässigkeit der über-pari-Emission (Abs. 2) Die Zulassung der Ausgabe von Aktien zu einem höheren als dem Nennbetrag ist statthaft und ungefährlich, weil sie der A G mehr als das Grundkapital einbringt. Der Mehrbetrag, das Aufgeld oder Agio, erhöht aber nicht das Grundkapital, sondern bildet, soweit er die Kosten der Aktienausgabe übersteigt, einen Teil der gesetzlichen Rücklage (§ 150 Abs. 2 Nr. 2; vgl. § 150 Anm. 16—-23). Der Mehrbetrag muß schon vor Anmeldung der Gesellschaft — oder der Durchführung der Kapitalerhöhung — eingezahlt sein (§§ 36 Abs. 2, 188 Abs. 2) und sich zur freien Verfügung des Vorstands befinden, der dies bei der Anmeldung erklären und nachweisen muß (§§ 37, 188 Abs. 2). Bei Uberpari-Ausgabe ist für die Erhebung der Gesellschaftssteuer der volle Ausgabebetrag maßgebend (§8 Ziff. 1 KapVerkStG).

Anm. 7 2. bei Sacheinlagen Werden Sacheinlagen unterbewertet, so läuft auch das auf eine Uber-pari-Ausgabe der dafür gewährten Aktien hinaus. Diese tritt aber nicht offen in Erscheinung, die A G erhält auf diese Weise eine stille Rücklage, vgl. im einzelnen § 27 Anm. 24b. Die Ausgabe über pari kann aber auch bei Sacheinlagen offen vorgenommen werden. So kann z. B., wenn ein Aktionär eine auf 600000,— D M bewertete Fabrik einbringt, der Betrag der dafür z u gewährenden Aktien auf 500000,— D M zum Kurse von 120% bestimmt werden. Die Vorschriften des § 36 Abs. 2 stehen dem nicht entgegen, da sie den Fall, daß Sacheinlagen vereinbart sind, ausdrücklich ausnehmen. Wird bei Sacheinlagen in dieser Weise verfahren, so ist auch der Betrag des Aufgelds in die gesetzliche Rücklage nach § 150 Abs. 2 Nr. 2 einzustellen, soweit er die Kosten der Ausgabe der als Gegenleistung gewährten Aktien übersteigt. Dieser Betrag ist dann allerdings nicht in bar vorhanden, sondern in Gestalt eines Sachwerts. Aber er bildet zusammen mit der übrigen gesetzlichen Rücklage eine Sperrzahl bei der Feststellung des verteilbaren Bilanzgewinns.

Anm. 8 III. Uneinheitlicher Ausgabekurs Der Ausgabekurs braucht nicht einheitlich zu sein, er kann für die Aktionäre verschieden bestimmt werden. Das kann dadurch geschehen, daß der eine Gründer Aktien zu einem höheren oder niedrigeren Kurse übernimmt als ein anderer. Der Ausgabebetrag muß schon bei der Feststellung der Satzung bestimmt werden (§ 23 Abs. 2). Eine nachträgliche Änderung ist möglich, erfordert aber eine neue Verhandlung und deren Beurkundung in der Form des § 23 Abs. 1. Unbedenklich kann auf diese Weise der Ausgabebetrag nachträglich sowohl erhöht wie gesenkt werden.

Anm. 9 IV. FormvorSchriften Der Ausgabebetrag muß nicht nur in der Urkunde, die nach § 23 zu errichten ist, angegeben werden, sondern auch in der Anmeldung (§ 37 Abs. 1); er wird mit der Bekanntmachung der Eintragung veröffentlicht (§ 40 Abs. I Nr. 2). Bei der Kapitalerhöhung ist der Ausgabebetrag nur dann festzusetzen, wenn die neuen Aktien über pari ausgegeben werden sollen, und zwar als Mindestbetrag (§ 182 Abs. 3); den Ausgabebetrag selbst bestimmt der Vorstand. Auch dieser kann seine Entschließung ändern. Die Zustimmung des Aufsichtsrats kann erforderlich sein ( § 1 1 1 Abs. 4 Satz 2). Bei der bedingten Kapital-

107

§10 A n m . 1, 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

erhöhung ist in dem Beschluß entweder der Ausgabebetrag festzusetzen, oder es sind wenigstens die Grundlagen festzustellen, wonach dieser Betrag errechnet wird (§ 193 Abs. 2 Nr. 3). Im letztgenannten Fall bestimmt wiederum der Vorstand den Ausgabebetrag, gegebenenfalls unter Zustimmung des Aufsichtsrats. Auch beim genehmigten Kapital bestimmt nach § 204 Abs. 1 der Vorstand den Ausgabebetrag mit Zustimmung des Aufsichtsrats. Bei der Kapitalerhöhung und bei der Ausgabe auf Grund genehmigten Kapitals ist der Ausgabebetrag der Aktien ebenfalls in den Zeichnungsschein (§ 185 Abs. 1 Nr. 2, § 203 Abs. 1) und in die Bekanntmachung (§§ 190, 203 Abs. 1), bei der bedingten Kapitalerhöhung sind der Ausgabebetrag oder die Grundlagen seiner Berechnung in die Bekanntmachung (§ 196) aufzunehmen.

§

1 0

Aktien und

Zwischenscheine

( 1 ) Die A k t i e n k ö n n e n a u f den I n h a b e r o d e r a u f N a m e n l a u t e n . ( 2 ) Sie m ü s s e n a u f N a m e n lauten, w e n n sie v o r der vollen L e i s t u n g d e s Nennbetrages oder des höheren Ausgabebetrages ausgegeben w e r d e n ; der B e t r a g d e r Teilleistungen i s t in d e r Aktie a n z u g e b e n . (3) Zwischenscheine m ü s s e n auf N a m e n lauten. ( 4 ) Z w i s c h e n s c h e i n e a u f den I n h a b e r sind n i c h t i g . F ü r den S c h a d e n a u s d e r A u s g a b e sind die A u s g e b e r den I n h a b e r n a l s G e s a m t s c h u l d n e r v e r a n t wortlich. Ubersicht: Anm.

Einleitung I. Rechtsnatur der Aktie als Anteilsrecht II. Inhaber- oder Namensaktien (Abs. 1) 1. Allgemeines 2. Namensaktie 3. Inhaberaktie 4. Übertragung und Verpfändung, IPR

1 2 3 4 5

Anm.

III. Nicht voll eingezahlte Aktien (Abs. 2) 1. Namensaktien kraft Gesetzes 2. Geltung nur bei Bareinlage 3. Recht des Aktionärs auf Aushändigung der Aktien 4. Börsenhandel 5. Teilbetragsangabe in der Aktie

9 10 11

IV. Zwischenscheine (Abs. 3 und 4)

12

7 8

6

Anm. 1 Einleitung Die Vorschrift entspricht bis auf die Überschrift, die durch einen Hinweis auf die Zwischenscheine erweitert wurde, dem § 10 A k t G 1937. In Absatz 4 wurde (wie in § 8) der Begriff „Besitzer" durch „Inhaber" ersetzt (vgl. § 8 Anm. 3). Anm. 2 I. Rechtsnatur der Aktie als Anteilsrecht Während in den §§ 1 bis 9 von der „ A k t i e " fast durchweg im Sinne des Anteilsrechts die Rede ist, in § 8 Abs. 1 und 4 allerdings auch von der Ausgabe von Aktien und Zwischenscheinen, also von Urkunden über das Anteilsrecht, handelt § 10 nur von den Urkunden. D a ß Aktienurkunden überhaupt ausgegeben werden müssen, ist im A k t G nicht ausdrücklich gesagt. Dennoch ergibt es sich aus dem Zusammenhang des Gesetzes,

108

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 10

Anm. 3, 4

z. B. aus § 125 Abs. 2 Ziff. i, wonach jeder Aktionär, der eine Aktie, d. h. Aktienurkunde, bei der Gesellschaft hinterlegt, eine Sondermitteilung über die bevorstehende Hauptversammlung verlangen kann. Also muß er eine Aktienurkunde haben. Es besteht aber kein öffentlichrechtlicher Zwang zur Ausgabe von Aktienurkunden (RGSt. 8, 34). A u c h hängt davon weder der Bestand der A G ab (RGSt. 31, 493) noch der Bestand des Anteilsrechts ( R G 31, 22; 34, 115; 41, 13; 49, 25; 52, 423). Die Aktienurkunde hat nur deklaratorischen, keinen konstitutiven Charakter. Sind keine Aktienurkunden ausgegeben, so wird die Legitimation zur Ausübung der Aktionärrechte auf andere Weise geführt ( R G 34, 116; RGSt. 31, 403; K G J 14, 33). Die Gründer oder die Erwerber junger Aktien aus einer Kapitalerhöhung sind aus der Notariatsurkunde über die Errichtung der Gesellschaft bzw. den Zeichnungsscheinen ersichtlich. Rechtsnachfolger können sich bei Erbfolge durch öffentliches Testament oder Erbschein, bei Verschmelzungen oder Umwandlungen durch Handelsregister-Auszüge, bei rechtsgeschäftlichem Erwerb durch Vorlegung von Abtretungserklärungen legitimieren. Gelegentlich wird zur Kontrolle ein Aktienbuch geführt. Diesem kommt aber die rechtliche Bedeutung des für Namensaktien zu führenden Aktienbuches im Sinn des § 67 Abs. 1 nur zu, wenn die Satzung es vorsieht. Das gilt insbesondere von der Bestimmung des § 67 Abs. 2, nach der nur der im Aktienbuch eingetragene Aktionär Rechte gegenüber der Gesellschaft geltend machen kann. Jeder Aktionär kann aber die Aushändigung einer Aktienurkunde gegen volle Leistung seiner Einlage verlangen ( R G 94, 64), wie er auch zur vollen Leistung nur gegen Aushändigung einer Aktienurkunde verpflichtet ist. Das Recht, die Aushändigung einer Aktienurkunde zu verlangen, ist ein unentziehbares allgemeines Mitgliedsrecht (vgl. dazu § 1 Anm. 40). Allerdings kann es mit Zustimmung aller Aktionäre praktisch außer Wirksamkeit gesetzt werden. Bei Einmanngesellschaften hat das keine Schwierigkeit, auch bei Familiengesellschaften kommt es vor.

Anm. 3 II. Inhaber- oder Namensaktien (Abs. 1) 1. Allgemeines Die Aktienurkunden können auf den Inhaber oder auf den Namen lauten. Wie sie zu lauten haben, bestimmt die Satzung; bestimmt sie nichts darüber, so heißt das nach § 24 Abs. 1, daß sie als Inhaberaktien auszustellen sind. Die A G kann auch beide Arten von Aktien ausgeben (vgl. § 24 Abs. 2). Aktien besonderer Gattung werden damit nicht geschaffen, wenn Namens- und Inhaberaktien gleiche Rechte gewähren. Eine Satzungsänderung, durch die Inhaber- in Namensaktien umgewandelt werden oder umgekehrt, bedarf daher nicht der Abstimmung nach § 1 7 9 Abs. 3. Namens- wie Inhaberaktien sind Wertpapiere mitgliedsschaftlicher Art. Ihre Wertpapiereigenschaft zeigt sich darin, daß nicht nur, wenn Aktienurkunden ausgestellt sind, die Innehabung privatrechtliches Erfordernis für die Ausübung des Anteilsrechts ist, sondern daß auch die A G den mit ihnen verbundenen Rechtsschein nicht unbeachtet lassen, also z. B. niemand zur Hauptversammlung zulassen kann, der sich nicht durch die Urkunde ausweist (vgl. auch § 123 Abs. 2). Die Inhaberaktie ist in Deutschland die Regel. Das wird jetzt auch durch § 24 anerkannt. (Vgl. zum Verhältnis von Inhaberaktien zu Namensaktien und insbes. zu den praktischen Hintergründen der verschiedenen Entwicklungen, v. Rottenburg, Inhaberaktien und Namensaktien im deutschen und amerikanischen Recht, 1967.)

Anm. 4 2. Namensaktien Die Namensaktie muß auf eine bestimmte natürliche oder juristische Person oder auf eine Handelsgesellschaft lauten. Sie kann auf die Firma ( § 1 7 HGB) lauten (vgl. für gebundene Namensaktien § 2 Anm. 11). Steht das Anteilsrecht mehreren zu (§ 69), z. B. einer Erbengemeinschaft, so sind sämtliche Berechtigte in der Namensaktie aufzufuhren.

109

§10 A n m . 5, 6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Die Namensaktie ist nicht Namenspapier, sondern gesetzliches, sog. geborenes Orderpapier (§ 68 Abs. i). Sie bildet in Deutschland die Ausnahme und findet sich namentlich bei Versicherungsgesellschaften mit nicht voll eingezahltem Kapital und im Fall der Bindung (§ 68 Abs. 2). Bei Nebenleistungsaktiengesellschaften ist die gebundene Namensaktie vorgeschrieben (§ 55 Abs. 1), ebenso für Kapitalanlagegesellschaften nach § 1 Abs. 3, 4 G v. 16. 4. 57 (BGBl. I, 378) i. d. F. des G vom 28. 7. 1969 (BGBl. I 986).

Anm. 5 3. Inhaberaktien Die Inhaberaktie ist ein Inhaberpapier über die mitgliedschaftliche Beteiligung. Es ist aber kein Inhaberpapier über ein Leistungsversprechen. Die §§ 793 ff. BGB sind daher nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anwendbar; unanwendbar ist insbesondere die Vorschrift des § 794 BGB über die Entstehung der Verpflichtung des Ausstellers. Werden einer A G Inhaberaktien gestohlen, bevor sie sie ausgegeben hatte, so ist sie aus den gestohlenen Urkunden zu nichts verpflichtet. Sie kann an Stelle der gestohlenen Nummern andere ausgeben und muß nur, um sich selbst zu schützen, durch den Aufdruck dafür sorgen, daß jene mit diesen nicht verwechselt werden. Das Grundkapital der A G kann nicht durch Diebstahl vergrößert werden (vgl. R G S t . in BankA 14, 128). Anwendbar ist § 793 Abs. 1 Satz 2 BGB, insofern die A G Vermögensleistungen an den Inhaber der Aktie mit befreiender Wirkung erbringen kann ( R G bei Holdheim 22, 278); sie kann ihm also den Gewinnanteilschein aushändigen, der seinerseits eine echte Schuldverschreibung auf den Inhaber darstellt. Die Beschränkung der Einwendungen in § 796 BGB ist bei Inhaberaktien insoweit bedeutungslos, als sie aktienrechtlichen Grundsätzen widersprechen würde. Da die Aktie keine konstitutive Urkunde ist, kann sie das Mitgliedschaftsverhältnis nur dann verkörpern, wenn es überhaupt rechtswirksam entstanden ist. Einreden sind unbeschränkt zulässig (Würdinger S. 53). Gültig gefaßte Beschlüsse, welche die allgemeinen Mitgliederrechte, soweit sie antastbar sind, beschränken oder aufheben (§ 1 Anm. 40), muß sich der Inhaber entgegenhalten lassen, ebenso — unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Ausgeber — die Nichtigkeit der Ausgabe, wenn Aktien ohne zugrunde liegenden Beschluß oder über diesen hinaus oder auf Grund eines nichtigen Beschlusses oder vor Eintragung der A G (§ 41 Abs. 4) oder der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals (§§ 191, 197, 203 Abs. 1, 219) ausgegeben worden sind. § 797 BGB ist auf den Gewinnanteilschein anwendbar, aber nicht auf die Aktienurkunde. V o n deren Aushändigung kann die A G auch nicht die letzte in Betracht kommende Zahlung abhängig machen, weil immer noch die Möglichkeit besteht, daß von neuem Mitgliederrechte auszuüben sind (vgl. R G bei Holdheim 22, 279). A n Stelle der §§ 798 bis 800 BGB gelten die damit inhaltlich übereinstimmenden §§ 74 und 72 über die Ersetzung beschädigter und die Kraftloserklärung abhanden gekommener oder vernichteter Aktienurkunden; die §§ 74 und 72 gelten auch für Namensaktien. Die §§ 801 und 802 BGB über die Vorlegungsfrist und die Verjährung kommen für Aktienurkunden nicht in Betracht, weil diese keine Leistung zum Gegenstand haben, für die eine Zeit bestimmt wäre, wohl für Gewinnanteilscheine und andere Inhaberscheine, die über Leistungspflichten der A G , z. B. über Abwicklungsraten, ausgestellt werden. Über die Umwandlung des Inhaberpapiers in ein Namenspapier (§ 806 BGB) trifft § 24 Abs. 2 eine besondere Bestimmung; diese Umwandlung sowie die umgekehrte kann wie nach § 806 BGB nur von der A G als Ausstellerin vorgenommen werden; die Satzung kann sie dazu verpflichten.

Anm. 6 4. Übertragung und Verpfändung, IPR Aus dem Wertpapiercharakter der Urkunde folgt, daß zur Übertragung des verbrieften Mitgliedschaftsrechts die Ubergabe der Aktie erforderlich ist, soweit eine solche ausgegeben worden ist. Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier. Inhaberaktien werden nach sachenrechtlichen Grundsätzen (§§929 ff. BGB) durch Einigung

110

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 10 Anm. 6

und Ubergabe oder Ubergabesurrogat übertragen. Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers ist durch § 935 Abs. 2 BGB, § 366 H G B erweitert. Allerdings wird andererseits durch § 367 H G B für Banken der gutgläubige Erwerb beschränkt. Hingewiesen sei auf die Umkehrung der Beweislast beim gutgläubigen Erwerb von Aktien ohne Lieferbarkeitsbescheinigung in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch 1945 (BGH 23, 86; vgl. im übrigen zum gutgläubigen Erwerb von Inhaberaktien Schindelwick W M i960, Sonderbeilage 5). Namensaktien können durch Indossament (§ 68) und Ubergabe der Aktien übertragen werden. Auch Blankoindossament ist zulässig (§68 Abs. 1 S. 2, Art. 13 W G ) . Eine Ausnahme machen jedoch Aktien von Kapitalanlagegesellschaften, vgl. Anm. 4. Der Vertrauensschutz ergibt sich gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 aus Art. 16 Abs. 2 W G . Neben dieser wertpapierrechtlichen Übertragung kann das in der Aktie verbriefte Mitgliedschaftsrecht auch durch Abtretung nach §§413, 398 BGB mit gleichzeitiger Ubergabe des Papiers übertragen werden. In diesem Fall geht das Eigentum an der Aktie gemäß § 952 Abs. 2 BGB auf den Erwerber über (vgl. R G Z 86, 154; J W 1932, 2599, und die h. M . Baumbach-Hueck § 68 Anm. 4; Godin-Wilhelmi § 68 Anm. 4; a. A . Würdinger § 10 X . 3, der die Anwendung der Zessionsgrundsätze durch die wertpapierrechtliche Verbriefung ausgeschlossen sieht). Einen Schutz des gutgläubigen Erwerbers gibt es bei dieser Form der Übertragung nicht. Ist das Mitgliedschaftsrecht nicht in einer Aktienurkunde verbrieft, erfolgt die Übertragung durch formlose A b tretung gemäß §§ 413, 398 BGB ( R G 86, 154). Gutgläubiger Erwerb ist auch hier nicht möglich. Die Verpfändung des Anteilsrechts vollzieht sich, wenn Inhaberaktien ausgegeben sind, nach sachenrechtlichen Vorschriften (§§ 1293, 1205fr. BGB). Namensaktien können gemäß § 1292 BGB durch Einigung und Ubergabe der indossierten Aktie verpfändet werden. Daneben ist auch die Verpfandung gemäß §§ 1274, 413, 398 BGB möglich, da eine Namensaktie nach h. M . nicht notwendig indossiert werden muß. Ist keine Aktienurkunde ausgestellt, erfolgt die Verpfändung ebenfalls nach §§ 1274, 413, 398 BGB. (Vgl. im einzelnen zu Übertragung, Verpfandung und Verlust von Aktien sowie insbesondere zu den diesbezüglichen Auswirkungen des Depotwesens, v. Rottenburg, a. a. O . S. 20 ff-, 39 fr., 45 ff.) Im internationalprivatrechtlichen Bereich ist zu differenzieren: Das Recht des Sitzes der Hauptverwaltung (vgl. dazu §5 Anm. 7) entscheidet, ob Aktien Wertpapiere sind und welcher Gruppe von Wertpapieren sie zugehören (Raape S.624, Kegel S. 208,250). Ist nach dieser Rechtsordnung, der das in der Aktie verbriefte Recht unterliegt, die Aktie ein Wertpapier, zu dessen Übertragung grundsätzlich eine Ubereignung notwendig ist, — und das gilt für deutsche Inhaber- wie Namensaktien — , so richtet sich diese Ubereignung nach der lex rei (cartae) sitae, dem Recht des Ort^s, an dem sich die Aktie befindet (Raape, S. 624, 688; Kegel a. a. O . ; Bufe, BB 1954, 46; Fikentscher M D R 1957, 71, 73; a. A . Schnorr v. Carolsfeld D N o t Z 1963, 404, 421. Davon zu unterscheiden ist das für Konfiskationen wichtige Problem, ob die Aktie ausschließlich am Sitz der Gesellschaft belegen ist, oder ob eine Ubiquität der Mitgliedschaftsrechte besteht, vgl. dazu Vorauflage § 5 Anm. 10 sowie Serick in Festschrift für Philipp Möhring, S. 127, I43f.). Ist für bestimmte Formerfordernisse (etwa § 68 Abs. 1) ein entsprechendes Ortsrecht (vgl. allg. Art. 11 EGBGB) nicht vorhanden, so ist nach dem Personalstatut der Gesellschaft das anzuwendende Recht zu bestimmen, für deutsche Aktien also deutsches Recht anwendbar ( R G 160, 230). Das der Übertragung der Aktienurkunde zugrunde liegende schuldrechtliche Grundgeschäft (Kauf, Tausch, Schenkung) — in den meisten außerdeutschen Rechtsordnungen fehlt allerdings die Trennung von Schuld- und Sachenrecht — richtet sich nach dem jeweils unter Berücksichtigung der vorhandenen Anknüpfungspunkte (Parteiwille, Abschluß- bzw. Erfüllungsort usw.) zu ermittelnden Schuldstatut (vgl. Fikentscher a. a. O . S. 73f.; wohl auch Kegel S. 208). Die Geltendmachung der aus der Aktienurkunde sich ergebenden Mitgliedschaftsrechte und -pflichten (vgl. § 1 Anm. 34—43) richtet sich jedoch allein nach dem Personalstatut der Gesellschaft, dem Recht des Sitzstaates also, unabhängig davon, wo sich die Aktienurkunde selbst befindet.

111

§10

Anm. 7—10

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7 III. Nicht voll eingezahlte Aktien (Abs. 2) 1. Namensaktien kraft Gesetzes Aktien, die vor der vollen Leistung des Nennbetrages oder, wenn der Ausgabebetrag höher ist (§ 9 Abs. 2), vor der vollen Leistung des Ausgabebetrages ausgegeben werden, müssen stets auf den Namen lauten. Aktien dürfen vor der Vollzahlung nicht als Inhaberaktien ausgegeben werden, weil bei diesen der rückständige Betrag vom Inhaber und seinen zahlungspflichtigen Vormännern (vgl. §§ 63—65) wegen der Schwierigkeit, sie zu ermitteln, kaum jemals zu erlangen wäre. Vorstand und Aufsichtsrat machen sich, wenn sie Inhaberaktien vor der Vollzahlung ausgeben, gegenüber der Gesellschaft und ihren Gläubigern schadensersatzpflichtig (§ 93 Abs. 3 Nr. 4, § 116) und begehen zudem nach § 405 Abs. I Nr. 1 eine Ordnungswidrigkeit. Nichtig ist die Aktie aber nicht (vgl. im übrigen § 24 Anm. 4). Der gutgläubige Erwerber der Inhaberaktie ist zur Zahlung von Rückständen nicht verpflichtet ( R G 144, 145); davor schützt ihn § 796 BGB (vgl. Anm. 5) in Verbindung mit der aktienrechtlichen Vorschrift des § 10 Abs. 2. Der A G kann ein erheblicher Schaden entstehen. Über das Stimmrecht aus nicht voll eingezahlten Aktien vgl. § 134 Abs. 2. Die Vorschrift des Abs. 2 wird durch § 24 nicht berührt, d. h. auch bei Fehlen einer entsprechenden Satzungsbestimmung sind nicht voll eingezahlte Aktien als Namensaktien auszugeben (§ 24 Anm. 3; vgl. auch § 13 Anm. 2 für den Fall, daß der Name des Berechtigten fehlt).

Anm. 8 2. Geltung nur bei Bareinlage Die Zulassung der Ausgabe von Namensaktien vor der vollen Leistung bezieht sich nur auf den Fall der Bareinlage. Das geht schon aus der Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 2 hervor, wonach der Betrag der Teilleistungen in der Aktie anzugeben ist. Hat der Aktionär eine Sacheinlage zu machen, so muß er diese vollständig leisten, bevor ihm eine Aktie dafür gewährt werden darf. Die vorzeitige Ausgabe von Inhaberaktien zieht auch in diesem Fall die in Anm. 7 genannten Folgen nach sich, die vorzeitige Ausgabe von Namensaktien nur Schadensersatzpflicht (§ 93 Abs. 3 Nr. 4, § 116). Möglich ist jedoch, wenn ein Aktionär mehrere Sacheinlagen zu machen hat, ihm für jede eine bestimmte Anzahl von Aktien zu gewähren. Solange er keine Aktienurkunde hat, kann er sein Anteilsrecht formlos veräußern oder verpfänden (oben Anm. 6). Der Erwerber tritt in alle mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte und Pflichten ein. Er haftet also für die Einbringung der Sacheinlage, unbeschadet der Weiterhaftung des ursprünglichen Aktionärs (vgl. Anm. 12).

Anm. 9 3. Recht des Aktionärs auf Aushändigung der Aktien O b die Aktionäre, die mit Bareinlagen beteiligt sind, schon nach Leistung einer Teilzahlung die Aushändigung einer Namensaktie verlangen können, und welche Teilzahlung dafür erforderlich ist, bestimmt sich nach der Satzung. Die Vergünstigung ist damit vom Gesetz der A G gewährt, der Aktionär hat ohne Satzungsbestimmung kein Recht darauf.

Anm. 10 4. Börsenhandel Nach § 4 Nr. 1 der Bekanntmachung vom 4. 7. 10 (RGBl. 917, i. d. F. d. Veröffentl. in BGBl. I I I 1961, Folge 19, S. 16) dürfen Aktien mit Ausnahme der Versicherungsaktien zum Börsenhandel nur dann zugelassen werden, wenn sie voll gezahlt sind oder ihre Vollzahlung jederzeit zulässig ist. Der Erwerb eigener Aktien, soweit kein Erwerbsverbot besteht (vgl. § 71), ist nur bei vollbezahlten Aktien wirksam.

112

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 10 Anm. 11, 12

Anm. 11 5. Teilbetragsangabe in der Aktie Die Angabe des geleisteten Teilbetrages auf der Namensaktie soll den Erwerber darüber unterrichten, welche Einlageverpflichtungen noch auf der Aktie ruhen (KG JW 1927, 24341). Fehlt der Vermerk, so ist die Urkunde nicht nichtig; der gutgläubige Erwerber der Aktie darf annehmen, daß sie voll bezahlt ist. Die Vorschrift ist ein Gesetz zu seinem Schutze, ihre Verletzung gibt ihm gegen die AG eine Einrede; das Indossament (§ 68 Abs. 1) schützt den guten Glauben insoweit an sich nicht (vgl. § 68). Ihn trifft daher keine Einlageverpflichtung mehr, ein Kaduzierungsverfahren nach § 64 kann gegen ihn nicht stattfinden. Der Ubernehmer oder Zeichner der Aktie bleibt aber nach dem Grundgedanken des § 65 haftbar, ebenso haften bösgläubige Zwischenerwerber, denn sie sind in die Einlageschuld eingetreten. Die AG wird daher ohne Kaduzierungsverfahren die bösgläubigen Vormänner in der Reihenfolge des § 65 Abs. 1 in Anspruch zu nehmen haben. Für den etwaigen Schaden, der ihr aus der Weglassung des Vermerks entsteht, haften ihr und ihren Gläubigern Vorstand und Aufsichtsrat nach § 93 Abs. 3 Nr. 4, § n 6. Auch ist die Weglassung des Vermerks eine Ordnungswidrigkeit (§405 Abs. 1 Nr. 1). Anm. 12 IV. Zwischenscheine (Abs. 3 und 4) Zwischenscheine (§ 8 Anm. 17) auszustellen, ist die A G nicht verpflichtet, wenn die Satzung es nicht bestimmt. Werden sie aber ausgestellt, so müssen sie auf den Namen und können nicht auf den Inhaber lauten. Denn der Zwischenschein dient hauptsächlich dazu, die Inhaberaktie zu ersetzen, solange diese, weil noch nicht Vollzahlung geleistet ist, nicht ausgegeben werden darf. Ist Vollzahlung geleistet, so besteht kaum noch ein Bedürfnis für die Ausgabe eines Zwischenscheins (§ 8 Anm. 17), keinesfalls eines auf den Inhaber lautenden. Darum sind Inhaberzwischenscheine nichtig. Daß der Inhaberzwischenschein das Anteilsrecht nicht überträgt (so Schlegelberger-Quassowski Anm. 7), trifft zu. Der Bestand des Anteilrechts wird aber durch den nichtigen Inhaberzwischenschein nicht berührt. In der Ubergabe des nichtigen Inhaberzwischenscheins kann daher die formlose Abtretung des Anteilsrechts (Anm. 6) liegen. Wegen der Schadensersatzpflicht der Ausgeber gegenüber den Inhabern kann auf die Anm. 6 bis 11 zu § 8 verwiesen werden. Der erste Inhaber eines nichtigen Inhaberzwischenscheins kann wie der Aktionär in seinem Falle die Aushändigung eines gültigen Zwischenscheines ver langen, vgl. im einzelnen § 8 Anm. 5. Daß der Betrag der geleisteten Teilzahlung auch auf dem Zwischenschein anzugeben sei, schreibt das Gesetz nicht vor. Der Erwerber eines Zwischenscheins muß daher immer damit rechnen, daß noch Einlageverpflichtungen auf dem Anteilsrecht ruhen. Ebenso muß derjenige damit rechnen, der sich ein Anteilsrecht, über das überhaupt noch keine Urkunde ausgestellt ist, formlos abtreten läßt (vgl. Anm. 6). Diese Erwerber haften also für die Einlagerückstände (KG JW 1927, 24341) im Gegensatz zum gutgläubigen Erwerber einer Inhaberaktie (Anm. 6) und einer Namensaktie, auf welcher der Betrag der Teilleistungen nicht angegeben ist (Anm. 11), unbeschadet der Haftung der Vormänner.

§

1 1

Aktien besonderer Gattung

Die Aktien können verschiedene Rechte gewähren, namentlich bei der Verteilung des Gewinns und des Gesellschaftsvermögens. Aktien mit gleichen Rechten bilden eine Gattung. 8

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

113

§11 Anm. 1, 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft Ü b ersieht:

Einleitung

Anm.

Aom.

i

4. Besondere Pflichten 7 5. Befristung oder Bedingung des Vor8 zugs 6. Verschieden hohe Nennbeträge 9 10 7. Verwaltungsaktien 8. Formerfordernisse 11 III. Vorzugsobligationen 12

I. Allgemeines II. Einzelne Vorrechte (Vorzugsaktien) 1. Nachbezugsrecht 2. Vorzug am Liquidationserlös 3. Mehrstimmrecht

3 4 5 6

Anm. 1 I. Einleitung Die Vorschrift ist sprachlich geändert worden, damit deutlicher z u m Ausdruck kommt, d a ß erst die verschiedenen Rechte die betreffenden Aktien zu einer besonderen Gattung machen (vgl. die Reg.-Begründung bei K r o p f f , S. 24).

Anm. 2 I. Allgemeines A u c h für die A G gilt der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 G G ) , wonach Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln ist. Dieser Grundsatz besagt im Aktienrecht, daß jeder Aktionär bei gleichen V o r aussetzungen ebenso zu behandeln ist wie die übrigen. Innerhalb einer Aktiengattung müssen gleiche Rechte bestehen. Eine ungleiche Behandlung der Aktionäre ist allerdings dann zulässig, wenn sie sachlich berechtigt und nicht willkürlich ist ( B G H 33, 175, 186; vgl. im einzelnen z u m Recht a u f gleichmäßige Behandlung § 1 A n m . 36). Der Gleichheitsgrundsatz bedeutet aber nicht, d a ß alle Aktionäre gleichberechtigt sind und damit unabhängig von den Voraussetzungen Anspruch auf die gleiche Behandlung haben. Das Gesetz sagt in § 11 selbst, d a ß Aktionäre j e nach Aktiengattung verschiedene Rechte haben können. Bestehen Aktien verschiedener Gattungen nicht schon auf Grund der ursprünglichen Satzung (§ 23 Abs. 3 Nr. 4), so bedarf es einer Satzungsänderung, u m Verschiedenheiten zu schaffen. Z u r Beschränkung des Rechts auf gleichmäßige Behandlung bei Kapitalerhöhungen, insbesondere bei Schaffung neuer Aktien mit Vorrechten und bei Ausschluß des Bezugsrechts (§ 186), sowie bei Zuzahlungen (§ 150 Abs. 2 Nr. 4 i. V . m. § 179 Abs. 3), vgl. § 1 A n m . 36 und die Erläuterungen zu den genannten Bestimmungen. Die Verschiedenheit der mit den einzelnen Aktiengattungen verbundenen Rechte begründet unter den Gattungen ein Rangverhältnis. Zur Änderung des Rangverhältnisses, d. h. zur Änderung des bisherigen Verhältnisses nachteilig für eine Gattung, bedarf es einer Satzungsänderung mit Zustimmung der benachteiligten Aktionäre. Erforderlich ist jedoch nicht die Zustimmung jedes einzelnen Aktionärs, sondern ein Sonderbeschluß der gesamten Gattung (§ 179 Abs. 3). Ein Beschluß gemäß § 179 Abs. 3 ist dagegen nicht ausreichend, wenn bisher alle Aktionäre die gleichen Rechte hatten; in diesem Fall findet die allgemeine Vorschrift über Satzungsänderungen (§ 179 A b s . 1 und 2) Anwendung. Allerdings ist auch bei dieser späteren Satzungsänderung der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten, der hier besagt, daß allen Aktionären die Möglichkeit geboten werden muß, unter gleichen Bedingungen gleiche Vorrechte zu erwerben (so auch Baumbach-Hueck § 11 A n m . 2; unklar hierzu Schlegelberger-Quassowski § 11 A n m . 3). Verstößt ein satzungsändernder Beschluß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, so ist er anfechtbar. Ein satzungsändernder Beschluß reicht ebenfalls für die U m w a n d l u n g anderer Aktien in Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§ 139) nicht aus. In diesem Fall bedarf es außerdem der Zustimmung jedes einzelnen Aktionärs, der sein Stimmrecht verliert

114

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 11

Anm. 3, 4 (Baumbach-Hueck Vorb. § 139 Anm. 1). Aktien mit Vorrechten werden als Vorzugsaktien, die übrigen als Stammaktien bezeichnet. Eine Aktiengattung kann durch eine einzige Aktie gebildet werden, mit der andere Rechte verbunden sind wie mit allen anderen Aktien. In der Jahresbilanz sind beim Grundkapital die Gesamtnennbeträge der Aktien jeder Gattung gesondert anzugeben, § 151 Abs. 3 S. 1 (im einzelnen Anm. 94 zu § 151). Uber weitere Erfordernisse des Ausweises der Gattungsverschiedenheit s. Anm. 11 unten. Eine Umschreibung für „Wertpapiere gleicher Gattung" findet sich in § 39 K a p VerkSt D V O i960.

Anm. 3 II. Einzelne Vorrechte (Vorzugsaktien) Als besondere Gattung von Aktien kommt in erster Linie diejenige in Betracht, bei der gewissen Aktien ein Vorrecht bei der Gewinnverteilung eingeräumt wird. Das kann auf verschiedene Weise geschehen. Häufig wird den Vorzugsaktien ein bestimmter Prozentsatz vom Gewinn zugesagt, der Rest verbleibt den Stammaktionären oder wird zwischen ihnen und den Vorzügsaktionären nach einem bestimmten Schlüssel geteilt.

Anm. 4 1. Nachbezugsrecht Mitunter findet sich|auch ein Nachbezugsrecht auf Gewinnanteil für Jahre, in denen kein Gewinn verteilt worden ist, aus den Gewinnverteilungen späterer Jahre. Hierbei ist die Frage aufgetaucht, inwieweit ein solches Nachbezugsrecht durch Beschlüsse der Hauptversammlung beeinträchtigt werden kann. Für die Zukunft ist es auch als Sonderrecht Beeinträchtigungen durch Satzungsänderung ausgesetzt, sofern nur die besondere Beschlußfassung der Berechtigten hinzukommt ( § 1 7 9 Abs. 3; § 1 Anm. 36, oben Anm. 2). Die Zweifel beziehen sich auf die Vergangenheit. Ist in einzelnen Jahren kein Gewinn verteilt worden, und kommt es dann zu einer Gewinnverteilung, so ist die Frage, ob die Hauptversammlung darin freie Hand hat, zu beschließen, was davon den Aktionären zufließen soll, die den Ausfall erlitten haben, und ob ihnen überhaupt etwas zufließen soll. Das R G hat in den Entscheidungen R G 82, 138 und 144 (vgl. auch R G 83, 420) zwischen „selbständigen" und „unselbständigen" Nachbezugsrechten unterschieden. Dem ist der B G H gefolgt (BGH 7, 263; 9, 279, W M 1956, 87; vgl. jetzt auch Godin-Wilhelmi, § 11 Anm. 6; anders Ritter, § 11 Anm. 4 b). Selbständig nennt man das Bezugsrecht, wenn die Nachzahlung dem Inhaber des Gewinnanteilscheins des Ausfalljahrs versprochen ist und die entsprechende Satzungsbestimmung demnach nur noch für die Zukunft eingeschränkt oder abgeändert werden kann, unselbständig und von der Aktie nicht lösbar, wenn es an dem Anteilschein des Gewinnjahrs haftet, vgl. auch § 140 Abs. 3. Im zweiten Fall kann die Hauptversammlung noch über die Nachzahlung beschließen, also auch die Satzung noch insoweit ändern oder aufheben, als bereits Ausfalle eingetreten sind, aber noch nicht nachgezahlt wurden (BGH 9, 284). Diese Unterscheidung war der älteren Rechtsprechung fremd ( R O H G 22, 361; R G 14, 168; 15, 95), die Art des unselbständigen Nachbezugsrechts scheint sich nach R G 82, 140 auch erst später herausgebildet zu haben. O b die eine oder die andere Art vorliegt, ist eine Frage der Auslegung der Satzung. Ergibt diese nicht klar und eindeutig, daß ein selbständiges Nachbezugsrecht geschaffen werden sollte, so muß allerdings im Interesse der Verkehrssicherheit davon ausgegangen werden, daß ein unselbständiges Nachbezugsrecht, wie es auch fast allein in der Praxis vorkommt, gemeint ist. Eine Satzungsbestimmung, die die Nachzahlung in der Reihenfolge der Ausfalle vorsieht oder bestimmt, daß die Nachzahlung auf die Dividendenscheine der Vorzugsaktien nach der Reihenfolge der Ausfalljahre zu leisten ist, gibt ein unselbständiges Nachbezugsrecht (BGH W M 1956, 87). Der Wortlaut des Gewinnanteilscheins kann dabei unterstützend als wichtiges Indiz (BGH 9, 284) herangezogen werden, ist aber nicht entscheidend ( R G 82, 145). Wird die Nachzahlung dem Aktionär des Ausfalljahres versprochen, so erwächst ihm mit dem 8«

115

§ 11

Anm. 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Ausfall ein abtretbarer Anspruch, der freilich dadurch bedingt ist, daß in einem späteren Jahr Gewinn verteilt wird, verbrieft im Dividendenschein des Ausfalljahres (der beim unselbständigen Nachbezugsrecht wertlos wird; B G H 7, 265). Die Abtretbarkeit macht diesen Anspruch, der an sich auf einem Sonderrecht beruht (§ 1 Anm. 35), zu einem echten Gläubigerrecht — B G H 7, 265 — (§ 1 Anm. 37). Die Hauptversammlung hat es daher, wenn später Gewinn verteilt wird, nicht mehr in der Hand, ein Ausfalljahr von der Nachzahlung auszuschließen, sondern der für Nachzahlungen verfügbare Gewinn entfällt auf die Ausfalljahre in ihrer zeitlichen Reihenfolge ( R O H G 22, 371). Anders, wenn die Nachzahlung den Aktionären des Gewinnjahres versprochen wird. Alsdann haben diejenigen, die in den Ausfalljahren Aktionäre waren, überhaupt keinen Anspruch. Das Recht auf Nachzahlung steht nur den Aktionären des Gewinnjahres gemäß dem darüber satzungsgemäß gefaßten Beschluß zu ( R G 82, 146; §§ 58 Abs. 3, 174). Das A k t G erwähnt das Nachbezugsrecht nur im Zusammenhang mit den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§§ 139 fr.): für Aktien, die mit einem nachzuzahlenden Vorzug bei der Verteilung des Gewinns äusgestattet sind, kann das Stimmrecht ausgeschlossen werden, § 139 Abs. 1. Es handelt sich hierbei, wie jetzt § 140 Abs. 3 ausdrücklich klarstellt, um ein unselbständiges Nachbezugsrecht. Das Recht auf den Nachbezug steht dem Aktionär des Gewinnjahres zu. Er hat, auch wenn Gewinn vorhanden ist, aber die Hauptversammlung auf Grund satzungsmäßiger Ermächtigung den Gewinn nicht oder nur teilweise ausschüttet, keinen klagbaren Anspruch auf den Nachbezug, sondern gemäß § 140 Abs. 2 lediglich das Stimmrecht, bis die Rückstände nachgezahlt sind bzw. der Bezug durch Hauptversammlungsbeschluß i. V . m. einem Sonderbeschluß der Vorzugsaktionäre nach § 141 beseitigt wird. Das Nachbezugsrecht des § 139 wird zum Gläubigerrecht erst durch den Verteilungsbeschluß der Hauptversammlung, ohne ausdrückliche abweichende Satzungsbestimmung ist es bis dahin nur Mitgliedsrecht (vgl. im einzelnen die Erl. zu §§ 139 fr.). A u c h Vorzugsaktien mit Stimmrecht können mit einem Nachbezugsrecht ausgestattet werden. Die Satzung ist maßgebend dafür, ob ein selbständiges oder ein unselbständiges Nachbezugsrecht vorliegt. Fehlt eine eindeutige Satzungsbestimmung, so ist auch hier im Interesse der Rechtssicherheit davon auszugehen, daß, wie bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien, regelmäßig ein unselbständiges Nachbezugsrecht gewollt ist ( B G H W M 1956, 87). O b dem Nachbezugsrecht der laufende Gewinnanteil vorgeht ( R G 9, 30), hängt ebenfalls von dem Inhalt der Satzung ab und ist eine Frage von deren Auslegung. Das Nachbezugsrecht kann innerhalb der gesetzlichen Grenzen beliebig gestaltet werden ( R G 68, 238). Die Gewährung fester Zinsen ist jedoch unzulässig (§ 57 Abs. 2). Für das Nachbezugsrecht der Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht kann die Vorschrift des § 140 Abs. 2 durch die Satzung nicht wirksam ausgeschlossen werden. Auch in dem verschiedenen Beginn des Gewinnbezuges kann eine Verschiedenheit der Aktiengattungen bis zu der Zeit liegen, wo alle Aktien gleichmäßig am Gewinn beteiligt sind ( R G 83, 419).

Anm. 5 2. Vorzug am Liquidationserlös Eine andere Art von Bevorzugung findet sich bei dem Anteil am Abwicklungserlös. Das Gegenstück dazu sind Aktien, bei denen der Anteil am Abwicklungserlös und im Fall der Einziehung der Rückzahlungsbetrag auf einen Prozentsatz des Nennbetrags beschränkt ist (sog. schuldverschreibungsähnliche Aktien). Auch das sind Aktien besonderer Gattung. Die Ausgabe derart benachteiligter Aktien kann zweckmäßig und erforderlich werden, wenn bei einer Kapitalerhöhung zu pari, für die das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen wird (§ 186 Abs. 3), eine Verwässerung der alten, über pari stehenden Aktien vermieden werden muß. Hier käme eine Ausgabe der jungen Aktien mit der Maßgabe in Betracht, daß sie nur mit dem Nennbetrag oder nur mit dem Wert ihrer Einlage zur Zeit der Einzahlung am Liquidationserlös beteiligt sind.

116

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 11

Anm. 6—9

Anm. 6

3. Mehrstimmrecht Aktien mit mehrfachem Stimmrecht sind nach § 12 Abs. 2 ausnahmsweise zulässig. Werden sie zugelassen, so bilden sie eine besondere Gattung von Aktien. Ein Mehrstimmrecht kann auch solchen Aktien verliehen werden, die sich sonst nicht von anderen gattungsmäßig unterscheiden. Wird es verliehen, so haben die Aktien, bei denen es geschieht, ein von anderen verschiedenes Recht; sie bilden also nach § 11 eine besondere Gattung von Aktien, § 179 Abs. 3 und die übrigen in Anm. 11 genannten Vorschriften sind auf sie anwendbar.

Anm. 7 4. Besondere Pflichten Der in § 11 gebrauchte Ausdruck, daß einzelne Aktien verschiedene Rechte gewähren können, schließt nicht aus, daß es sich auch um Pflichten handeln kann. Es kommt nur auf die Verschiedenheit der rechtlichen Stellung der Aktionäre an. Daher kann eine Verschiedenheit darin bestehen, daß einigen Aktien die Pflicht z u Nebenleistungen auferlegt ist, andern nicht (§ 55; R G 80, 95), oder daß die A G bei einigen Aktien ein satzungsmäßiges Einziehungsrecht hat (§ 237), bei andern nicht.

Anm. 8 5. Befristung oder Bedingung des Vorzugs Die Besonderheit einer Aktiengattung kann satzungsgemäß an eine Frist gebunden oder auch bedingt sein. So kann ein Vorrecht aufschiebend dadurch bedingt sein, daß Zuzahlungen geleistet werden, wofür der Endzeitpunkt der Bestimmung des Vorstandes überlassen bleiben kann ( O L G Dresden ZB1FG 5, 249), auflösend dadurch, daß die Vorzugsaktionäre abgefunden werden. Auch kann die Form der Umwandlung in Stammaktien in solchen Fällen satzungsmäßig festgesetzt sein, etwa in der Weise, daß der Vorstand die Vorzugsaktien aufzurufen hat. Ist die Besonderheit auflösend befristet oder bedingt, so bedarf es, wenn die Frist abläuft oder die Bedingung eintritt, keines satzungsändernden Beschlusses mehr ( O L G Karlsruhe O L G E 42, 216). Andernfalls ist die Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien nur im Wege der Satzungsänderung mit besonderer Beschlußfassung der benachteiligten Aktionäre möglich (§ 179 Abs. 3). Ist einem einzelnen Aktionär in der Satzung ein Vorrecht als „unentziehbar" verliehen, so bildet seine Aktie schon dadurch eine besondere Gattung; es bedarf zur Aufhebung oder Beschränkung dieses Sonderrechts seiner Zustimmung. Aber auch wenn ein Vorrecht einer ganzen Gruppe von Aktionären als unentziehbar verliehen worden ist, ist die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erforderlich, da insoweit ein echtes Sonderrecht i. S. von § 35 BGB vorliegt (s. § 1 Anm. 35). § 179 Abs. 3 kann hier nicht angewandt werden (Baumbach-Hueck Anm. 7, vgl. auch SchlegelbergerQuassowski Anm. 3; Teichmann-Koehlr \nm. 3). Einer Satzungsänderung bedarf es, v e n n satzungsmäßige Nebenleistungspflichten geändert werden sollen; jede Auferlegung neuer oder Verstärkung bestehender Nebenverpflichtungen verlangt aber nach § 180 Abs. 1 die Zustimmung jedes einzelnen betroffenen Aktionärs (§ 1 Anm. 42). Die Satzungsänderung wird mit der Eintragung ins Handelsregister wirksam (§181 Abs. 3). Die bei der Umwandlung von Aktien gebräuchliche Abstempelung der Aktienurkunden ist kein Gültigkeitserfordernis ( R G 83, 422).

Anm. 9 6. Verschieden hohe Nennbeträge Keine Gattimgsverschiedenheit wird durch Verschiedenheit des Nennbetrags begründet, (§8 Anm. 4), auch dann nicht, wenn Aktien zusammengelegt und zuzahlende Aktionäre von der Zusammenlegung befreit werden. Durch den Nennbetrag wird nur der Umfang des Anteils bestimmt, aber keine Verschiedenheit der mit ihm verbundenen Rechte begründet. Ebensowenig entsteht ein Gattungsunterschied dadurch, daß Aktien teils auf den

117

§11

Anm. 10—12

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Inhaber, teils auf Namen lauten (§ 10 Anm. 3), sofern beideArten gleiche Rechte gewähren. Auch die Verschiedenheit der auf die Aktien zu leistenden Einlagen — Sach- oder Geldeinlagen — sowie der auf die Aktien geleisteten Einzahlungen begründet keinen Gattungsunterschied, wohl aber begründet ihn eine Satzungsbestimmung, nach der die Aktionäre verpflichtet sind, die Einzahlungen in verschiedener Höhe zu leisten (Anm. 7). Uber den Einfluß der Einzahlungen auf das Stimmrecht s. § 134 Abs. 2. Die Verschiedenheit des Ausgabebetrags (§ 9 Anm. 8),- die Zugehörigkeit zu verschiedenen Emissionen machen ebenfalls keinen Gattungsunterschied aus.

Anm. 10 7. Verwaltungsaktien Verwaltungsaktien, Schutz- oder Vorratsaktien, eine in der Nachkriegszeit nach 1918 häufige Erscheinung, bilden keine besondere Aktiengattung. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, daß sich der Ubernehmer oder Zeichner gegenüber der A G schuldrechtlich gebunden hat. Vgl. die Erl. zu § 56 und R G 132, 160.

Anm. 11 8. Formerfordernisse Die Verschiedenheit der Gattung ist in der Satzung (§ 23 Abs. 3 Nr. 4), im Zeichnungsschein (§ 185 Abs. 1), in der Bekanntmachung der Eintragung (§ 40 Abs. 1 Nr. 1, § 44 Abs. 2) und in der Bilanz (§ 152 Abs. 3) zum Ausdruck zu bringen. Sie spielt bei Abstimmungen eine bedeutsame Rolle (§ 179 Abs. 3, § 182 Abs. 2, § 193 Abs. 1 Satz 2, § 202 Abs. 2 Satz 3, § 221 Abs. 1 Satz 4, § 222 Abs. 2, § 229 Abs. 3).

Anm. 12 III. Vorzugsobligationen Von Vorzugsaktien sind Schuldverschreibungen der A G zu unterscheiden. Die Schuldverschreibungen der A G sind keine Aktien, sondern kaufmännische Verpflichtungsscheine (§ 363 HGB), in der Regel aber Schuldverschreibungen auf den Inhaber; diese dürfen, wenn sie auf eine bestimmte Geldsumme lauten, nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden (§ 795 BGB und das G über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen vom 26. 6. 54 — BGBl. I 147). Zur Sicherheit der Gläubiger aus Schuldverschreibungen auf den Inhaber und aus kaufmännischen Verpflichtungsscheinen können Sicherungshypotheken nach den §§ 1187, 1188 BGB eingetragen, für den jeweiligen Gläubiger nach § 1189 BGB ein Grundbuchvertreter bestellt werden. Die Gläubiger der Schuldverschreibungen können ihre gemeinsamen Rechte gemäß dem Gesetz vom 4. 12. 1899 (RGBl. S. 691, in der Fassung des Gesetzes vom 14. 5. 14, RGBl. S. 1 2 1 , der V O v. 24. 9. 32, RGBl. I 447, und des Gesetzes vom 20. 7. 33, R G B l . I 523) wahrnehmen. Ist eine A G Vertreter, so geht ihre Rechtsstellung bei Verschmelzung oder Umwandlung auf die übernehmende Gesellschaft über ( R G 150, 290). Unter den Schuldverschreibungen finden sich solche, in denen den Gläubigern außer einer festen Verzinsung eine veränderliche, nach dem Gewinnanteil der Stammaktionäre berechnete Zusatzzahlung versprochen wird ( R G 118, 152). Die 1935 von der Harpen-Bergbau A G begebenen sog. Harpen-Bonds gewährten den Obligationären darüber hinaus bei Liquidation der Gesellschaft (neben Rückkauf) eine Zusatzzahlung soweit, als der Liquidationserlös der Aktien den Nominalbetrag übersteigt. Die Einlösung der ausgelosten und fälligen Bonds war gleichfalls mit dem Börsenkurs gekoppelt (vgl. dazu BGH 28, 259). Steuerlich wurden daher die auf die Bonds geleisteten Zinsund Uberzinszahlungen nicht als Betriebsausgaben, sondern als Gewinnausschüttungen angesehen ( R F H in RStBl. I I I 1940, 35), die Schuldverschreibungen also Aktien gleichgestellt. Für das Aktienrecht kann das nicht gelten. Schuldverschreibungen sind auch bei Gewinnbeteiligung keine Aktien und gewähren kein Recht auf Teilnahme an den Beschlüssen der A G (Gewinnschuldverschreibungen).

118

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§12

Die Aufnahme von Anleihen ist grundsätzlich kein Geschäft, das gesetzlich eines Beschlusses der Hauptversammlung bedürfte. Es gehört zur Geschäftsführung des Vorstandes, der dabei die A G nach außen vertritt (§§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1). Nach innen kann aber der Vorstand dabei durch die Satzung, den Aufsichtsrat oder durch einen nach § 1 1 9 herbeigeführten Beschluß der Hauptversammlung beschränkt sein; die Beschränkung wirkt nicht nach außen (§82). Die Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen ist nur auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zulässig (§221 Abs. 1); auch dies ist nur eine nach innen wirkende Beschränkung. Näheres über Gewinnschuldverschreibungen, Wandelschuldverschreibungen (convertible bonds) und Genußrechte s. zu § 221 sowie Wedel, Der Partizipationsschein als Kapitalbeschaffungsmittel der Aktiengesellschaften, 1969.

§ 12

S t i m m r e c h t . Keine M e h r s t i m m r e c h t e

(1) Jede Aktie gewährt das Stimmrecht. Vorzugsaktien können nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Aktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden. (2) Mehrstimmrechte sind unzulässig. Die für Wirtschaft zuständige oberste Behörde des Landes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, t«nn Ausnahmen zulassen, soweit es zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange erforderlich ist. Übe

icht:

Anm.

Einleitung I. Stimmrecht (Abs. 1) 1. Allgemeines 2. Stimmrechtslose Vorzugsaktien

I 2

II. Mehrstimmrecht (Abs. 2) 1. Rechtslage vor Inkrafttreten des AktG 1937 2. Bedeutung 3. Heutige Voraussetzlingen 4. Verfahren III. Übergangsrecht

3 4 5 6 7

Einleitung § 12 Abs. 1 AktG 1965 ist gegenüber § 12 Abs. 1 AktG 1937 unverändert geblieben. Während § 12 Abs. 2 S. 1 AktG 1937 ebenfalls ohne Änderung in das neue AktG übernommen worden ist, erhielt §12 Abs. 2 S. 2 AktG 1965 seine heutige Form erst im letzten Stadium der Gesetzgebungsarbeiten. Ziel der Reform war, die Ermächtigung des § 12 Abs. 2 S. 2 AktG 1937 zu beseitigen (so auch schon Klug BB 1955, 234). Der Referentenentwurf und der Regierungsentwurf enthielten daher keine Ausnahmeermächtigung mehr. Weiterhin sah § 5 E G R e g E eine Ubergangsregelung vor, derzufolge bestehende Mehrstimmrechte drei Jahre nach Inkrafttreten des neuen AktG erlöschen sollten. Die Begründung zum Regierungsentwurf setzte sich auch mit den gegen die neue Regelung erhobenen Bedenken auseinander: Der Gefahr einer Überfremdung (dazu Dempewolf DB 1959, 1 3 1 ) durch das Ausland oder inländische Konkurrenz könne durch andere aktienrechtliche Maßnahmen entgegengetreten werden. Auch bei Familiengesellschaften stünden diese Mittel zur Wahrung des Einflusses zur Verfügung (vgl. hierzu auch Uhlenbruck DB 1967, 1927). Schließlich könne auch die öffentliche Hand, wenn sie an privatrechtlichen Gesellschaften beteiligt sei, keine Vorzugsrechte beanspruchen. Gegen die Abschaffung der Mehrstimmrechte hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum R e g E erhebliche Bedenken geäußert wegen der im öffentlichen Inter-

119

§12 Anm. 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

esse notwendige Erhaltung des kommunalen Einflusses bei gemischtwirtschaftlichen Energieversorgungsunternehmen (vgl. BT-Drucksache IV/171, S. 330). Im Hinblick auf die Ubergangsregelung wurden auch verfassungsrechtliche Bedenken laut (vgl. Hamann, Die A G 1962, 287). Der Rechtsausschuß und der Wirtschaftsausschuß des Bundestages griffen die genannten Bedenken auf und schlugen die jetzige Form des § 12 Abs. 2 S. 2 und des § 5 Abs. 1 E G vor, die vom Bundestag in zweiter Lesung angenommen wurde (zur Diskussion während des Gesetzgebungsverfahrens im einzelnen vgl. die Regierungsbegründung und den Ausschußbericht, bei Kropff S. 25 f., 518). Anm. 1 I. Stimmrecht (Abs. 1) 1. Allgemeines Der Grundsatz, daß jede Aktie das Stimmrecht gewährt, besagt, daß „die Aktie ihrem Inhaber das Recht gewährt, sich im Rahmen des Gesetzes und der Satzung an der Verwaltung der A G und ihres Vermögens zu beteiligen und mitbestimmend auf ihr Schicksal einzuwirken" ( R G m , 407). Das Stimmrecht ist der wesentlichste Teil des aus der Aktie fließenden Mitverwaltungsrechts der Aktionäre. Uber die Ausübung des Stimmrechts finden sich nähere Bestimmungen und auch Beschränkungsmöglichkeiten in §§ 134, 136. Von der Legitimation des Abstimmenden wird in §§ 67, 68, 134 gehandelt. Unter Aktie ist im Rahmen des § 1 2 das Anteilsrecht, nicht die Aktienurkunde zu verstehen. Das Gesetz behandelt im vorliegenden Rahmen alle Aktionäre gleich, ohne Rücksicht, ob sie Groß-, Klein-, Volks-, Dauer-, Zufalls- oder nur Spekulationsaktionäre sind (vgl. auch B G H 36, 135 und insbesondere zu Publikumsaktiengesellschaft und Terminologie, Castan DB 1961, 493). Das Gesetz geht davon aus, daß derjenige, der sein Geld der A G zur Verfügung stellt, auch an der Mitverwaltung durch Ausübung des Stimmrechts beteiligt sein muß, gleichgültig, welches Motiv hinter seinem K a u f stand, zumal das Stimmrecht sich nicht aus der Person des Inhabers, sondern aus der Aktie ergibt. Durch keinen Beschluß der Gesellschaftsorgane, auch nicht der Hauptversammlung, kann einem Aktionär sein Stimmrecht entzogen werden. Es ist grundsätzlich ein unentziehbares allgemeines Mitgliedschaftsrecht und im Ausnahmefall des § 12 Abs. 1 S. 2, (§ 139), daß Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden (vgl. Anm. 2), ein unentziehbares Sonderrecht (§ 1 Anm. 35), allerdings mit der sich aus § 179 Abs. 3 ergebenden Einschränkung, daß eine Änderung des Verhältnisses mehrerer Aktiengattungen zum Nachteil einer Gattung — wenn auch nur in gesonderter Abstimmung der benachteiligten Aktionäre — beschlossen werden kann. (Zum Ruhen des Stimmrechts bzw. Ausschluß bei der Abstimmung wegen Interessenkonflikten vgl. allgemein Zöllner S. 128 ff., 145 fr.) In der Rechtswirklichkeit hat das Stimmrecht für den Kleinaktionär eine andere Bedeutung als für den Großaktionär. Gegenüber einem Mehrheitsaktionär ist seine Möglichkeit, durch sein Stimmrecht Einfluß auf die Gesellschaft zu nehmen, praktisch nicht relevant. Die Reform hat der Machtlosigkeit des Kleinaktionärs durch eine Verstärkung der Einzel- und Minderheitenrechte (vgl. die Zusammenstellung bei Würdinger § 25) und durch eine Erweiterung des Rechenschaftspflichten der Verwaltung zu steuern versucht (vgl. dazu Robert Fischer, Minderheitenschutz S. 71, der fordert, daß die Minderheit durch die Rechtsprechung auch gegen objektiv mißbräuchliche Stimmrechtsausübung seitens der Mehrheit geschützt werden muß. Zur bisherigen Bindung des Stimmrechts an das Sittengebot vgl. Zöllner S. 288ff.). Das Gesetz läßt vom Grundsatz, daß jede Aktie ein Stimmrecht, und zwar ein gleiches, gewährt, ausdrücklich nur die Ausnahmen des § 12 Abs. 2 S. 2 zu. Durch stimmrechtslose Vorzugsaktien (§ 139) und durch Stimmrechtsbeschränkungen, also Höchstbetragsstimmrechte, § 134 Abs. 1 S. 2, können aber in der Praxis ähnliche Effekte erzielt werden, zumal die Beschränkungen zwar nicht für einzelne Aktionäre, aber doch für einzelne Aktiengattungen verschieden festgesetzt werden können (vgl. § 134 Abs. 1 S. 5 und den Ausschußbericht über die Streichung einer gegenteiligen

120

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 12

Anm. 2, 3

Bestimmung des R e g E bei Kropff S. 197). In diesem Zusammenhang ist auf das Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk-Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand vom 21. 7. i960 (BGBl. I 585) hinzuweisen: Der beherrschende Einfluß der Minderheit — Bund und Land Niedersachsen halten zusammen nur 4 0 % — wird dadurch erhalten, daß sowohl für den einzelnen Aktionär wie für die Depotbanken Höchstbetragsstimmrechte bestehen, die jedoch — und insoweit durchbricht dieses Gesetz den Rahmen des A k t G — zeitlich befristet nicht für die beiden vorgenannten Großaktionäre gelten.

Anm. 2 2. Stimmrechtlose Vorzugsaktien A n den Grundsatz, daß jede Aktie das Stimmrecht gewährt, wird eine Ausnahme angeschlossen: es ist zulässig, Vorzugsaktien „nach den Vorschriften dieses Gesetzes" als Aktien ohne Stimmrecht auszugeben. Die Vorschriften finden sich in den §§ 139—141. Danach kann das Stimmrecht für Aktien ausgeschlossen werden, die mit einem Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet sind. Dieser Vorzugsbetrag muß, wenn er bei der Verteilung des Gewinns in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt ist, in den folgenden Jahren nachgezahlt werden; geschieht das nicht im nächsten Jahr neben dem vollen Vorzugsbetrag dieses Jahres, so haben die Vorzugsaktionäre das Stimmrecht solange, bis die Rückstände nachgezahlt sind (§140 Abs. a). Vorzugsaktien ohne Stimmrecht dürfen aber nur bis zu einem gewissen Betrage ausgegeben werden (§ 139 Abs. 2). Sie gewähren mit Ausnahme des Stimmrechts die jedem Aktionär zustehenden Rechte (§ 140 Abs. 1), also namentlich das Recht auf Eintragung ins Aktienbuch bei Namensaktien (§ 67 Abs. 1), das Recht auf Zulassung zur Hauptversammlung (§ 118 Abs. 1), auf Auskunft gemäß § 131, auf Einsicht in den Jahresabschluß nebst dem Bericht des Aufsichtsrats und auf Erteilung einer Abschrift der Vorlagen (§ 175 Abs. 2 und 3). Diese Rechte, welche die Vorzugsaktionäre mit allen Aktionären gemein haben, sind unentziehbare allgemeine Mitgliederrechte (§ 1 Anm. 40). D e r Vorzug selbst ist ein Sonderrecht, über dessen Entziehung und Beschränkung § 141 das Nähere enthält. Z u m Schutze des Vorzugs dient auch die Bestimmung in § 204 Abs. 2 bei genehmigtem Kapital. Neben den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bleiben aber auch Vorzugsaktien mit Stimmrecht zulässig. Das Nachbezugsrecht ( § 1 1 Anm. 4) kann satzungsmäßig verschiedenartig gestaltet sein. Aber nur, wenn es so gestaltet ist, wie § 140 Abs. 2 vorschreibt, kann die Vorzugsaktie ohne Stimmrecht ausgegeben werden, andernfalls nur mit Stimmrecht.

Anm. 3 II. Mehrstimmrecht (Abs. 2) 1. Rechtslage vor Inkrafttreten des AktG 1937 Die Mehrstimmrechtsaktien waren ebenso wie die sog. Verwaltungsaktien (§11 A n m . 10) in den 20er Jahren eine sehr häufige Erscheinung. Anfanglich dienten sie damals zum Schutz gegen die Überfremdung durch ausländisches Kapital. Später kam aber der Begriff der „inneren Überfremdung" auf, und die Mehrstimmrechtsaktien wie auch die Verwaltungsaktien wurden schlechthin dazu benutzt, Einflüsse auszuschalten, die den Verwaltungsorganen mißliebig waren. Das führte nicht selten zu Mißbräuchen, und in zahlreichen Fällen entstand die Frage, ob die Grenze der guten Sitten (§ 138 BGB) überschritten worden sei. Die herrschende Meinung legte allerdings § 252 Abs. 1 Satz 4 H G B dahin aus, daß ein erhöhtes Stimmrecht nur solchen Aktien beigelegt werden könne, die sich ohnehin schon durch Rechtsverschiedenheit gegenüber andern als besondere Gattung darstellten, daß es aber nicht zulässig sei, durch Erhöhung des Stimmrechts allein eine Aktiengattung zu schaffen ( R G 119, 254). Indessen wollte das nicht viel besagen, da diesem Erfordernis schon durch geringe Unterschiede genügt werden konnte ( R G 156, 139). Wesentlicher war, daß das R G die mit Mehrstimmrechten erzielte Stimmenmehrheit überall da für

121

§12

Anm. 4, 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

ungenügend erklärte, wo das Handelsgesetzbuch eine gewisse Mehrheit des bei der A b stimmung vertretenen Grundkapitals erforderte ( R G 125, 359). Dennoch hatte sich das Reichsgericht häufig mit der Frage zu beschäftigen, ob die Mehrheit ihre Machtstellung in sittenwidriger Weise gegen die Minderheit ausgenutzt habe. Dabei waren die Gesichtspunkte für die Verwendung von Mehrstimmrechtsaktien und von Verwaltungsaktien im wesentlichen die gleichen (vgl. R G 107, 72, 204; 108, 41, 327; 112, 17; 113, 194; 119, 104,255; 132, 161; J W 1928, 628). Diese Rechtsprechung ist insoweit überholt, als das A k t G 1965 wie auch schon das A k t G 1937 Mehrstimmrechte für unzulässig erklärt und die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien nur noch ausnahmsweise gestattet. Die angeführte Rechtsprechung behält aber noch weiter richtungsweisende Bedeutung für Fälle, in denen sich die Mehrheit auf andere Weise als durch Mehrstimmrechtsaktien ihre Machtstellung zu sichern oder zu erweitern sucht oder Mehrstimmrechte zu anderen Zwecken mißbraucht werden (vgl. im einzelnen Zöllner, S. 288ff.). Die Schaffung verkappter Mehrstimmrechte verhindert § 134 Abs. 2.

Anm. 4 2. Bedeutung Die Bedeutung des Mehrstimmrechts wird vielfach überschätzt. Angesichts der Tatsache, daß das Gesetz bei Beschlußfassungen grundsätzlicher Art neben der Stimmenmehrheit auch bestimmte Kapitalmehrheiten fordert (vgl. etwa §§ 179 Abs. 2; 182 Abs. 1; 193 Abs. 1 ; 222 Abs. 1; 293 Abs. 1; 320 Abs. 1; 340 Abs. 2; 355 Abs. 2; 357 Abs. 2; 360 Abs. 2; 362 Abs. 2; 369 Abs. 2; s. ferner § 16 Abs. 1) beschränken sich seine Wirkungen im wesentlichen auf die Verhandlungsgegenstände der ordentlichen Hauptversammlung: Gewinnverwendung, Entlastung, Wahlen (Godin-Wilhelmi § 12 Anm. 4; Würdinger S. 7 1 ; Obermüller-Werner-Winden S. 133). Allerdings lassen sich mit Hilfe von Mehrstimmaktien Beschlüsse, die auch eine qualifizierte Kapitalmehrheit verlangen, verhindern. Gemäß § 152 Abs. 2 sind in der Jahresbilanz beim Grundkapital die Gesamtstimmzahl der Mehrstimmrechtsaktien und der übrigen Aktien zu vermerken.

Anm. 5 3. Heutige Voraussetzungen Mehrstimmrechtsaktien, d. h. Aktien, denen ein höheres Stimmrecht beigelegt ist als im Verhältnis zu anderen Aktien ihrem Nennwert entspricht, sind grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen sind nur „zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange" zulässig. Im Gegensatz zum A k t G 1937 ist das „ W o h l der Gesellschaft" als solches unerheblich, anders nur, wenn sich allgemeines öffentliches und Geschäftsinteresse decken. Auch die Erhöhung schon bestehender (§ 5 E G enthält insoweit keine Ausnahme) oder bereits genehmigter Mehrstimmrechte ist nur im Rahmen des § 12 Abs. 2 S. 2 zulässig. In den Ausschußberatungen des Bundestages haben „das Interesse der öffentlichen Hand an einer Sicherung ihres Einflusses in Versorgungsunternehmen" und die „ A b wehr einer drohenden Überfremdung" eine entscheidende Rolle gespielt (vgl. oben Einleitung und den Ausschußbericht bei Kropff S. 26). Es ist jedoch zweifelhaft, ob die diesbezüglichen Wünsche im Gesetz ausreichenden Ausdruck gefunden haben: ,,Gesamtwirtschaftliche Belange" können grundsätzlich nur bundesweite sein. Eine Aufspaltung erscheint allenfalls nach einzelnen Wirtschaftszweigen möglich. Die wirtschaftlichen Belange eines Bundeslandes oder einer Gemeinde sind in aller Regel keine gesamtwirtschaftlichen. Dagegen spricht auch nicht, daß die Zuständigkeit für die Ausnahmegenehmigung bei der obersten Landesbehörde liegt, denn diese Zuständigkeitsverteilung erfolgte allein aus verfassungsrechtlichen Gründen (vgl. Godin-Wilhelmi Anm. 4). Der zuständige Landesminister hat also bundesweite Maßstäbe anzulegen. Unter diesen Gesichtspunkten wird jedoch das Schicksal eines kommunalen Versorgungsunternehmens in den seltensten Fällen „überwiegende gesamtwirtschaftliche Belange" berühren. O b die Gefahr der sogenannten inneren Überfremdung, d. h. die Ersetzung der herrschenden Aktionärsgruppe bzw.

122

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 12

Anm. 6, 7 — Mehrheit durch eine neue inländische, nach der neuen gesetzlichen Regelung überhaupt noch, d. h. auch bei einem Unternehmen von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung. Grund für eine Ausnahmegenehmigung abgeben kann, ist zweifelhaft (ähnlich GodinWilhelmi Anm. 4 für die Überfremdung insgesamt). Es müßte schon die Gefahr bestehen, daß die neue Verwaltung das Unternehmen so führt, daß die gesamte Volkswirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei der äußeren Überfremdung, d. h. der Gefahr der Übernahme der Mehrheit durch einen ausländischen Aktionär, wird es darauf ankommen, wie man (politisch) zur Anlage ausländischen Kapitals im Inland steht. Vernünftigerweise wird die internationale Kapitalverflechtung überwiegend positiv gesehen (vgl. Godin-Wilhelmi Anm. 4). In jedem Fall aber müßte es sich auch hier um ein Unternehmen von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung handeln.

Anm. 6 4. Verfahren Die Ausnahme nach § 12 Abs. 2 S. 2 läßt die für die Wirtschaft zuständige oberste Landesbehörde zu, in dem die A G ihren Sitz (§ 5) hat, in der Regel der Minister/ Senator für Wirtschaft. Die Entscheidung der Behörde ist •—• gleichgültig ob die Mehrstimmrechte zugelassen oder abgelehnt werden — ein Verwaltungsakt, der nach verwaltungsgerichtlichen Grundsätzen anfechtbar ist (a. A . die Vorauflage und — hinsichtlich der Gründe der Zulassung — auch Baumbach-Hueck Anm. 5). Bei der „Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange" handelt es sich um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff, d. h. die diesbezügliche Erforderlichkeit der Zulassung ist von den Verwaltungsgerichten voll nachprüfbar. Nicht nur der Mehrheitsaktionär bzw. die Verwaltung können im Falle einer Ablehnung die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage erheben, sondern im Falle einer Zulassung auch die Minderheit, weil sie unmittelbar in ihren (Stimm-) Rechten verletzt wird. Die Behörde darf die Zulassung nicht mit Auflagen versehen (a. A . Godin-Wilhelmi Anm. 4). Dafür findet sich in § 12 keine Ermächtigung, sie widerspräche auch dem Geist des Gesetzes, das Ausnahmeermächtigungen grundsätzlich nicht enthalten sollte (vgl. Regierungsbegründung zu § 7 bei Kropff S. 22). Der Behörde wird ein Zulassungsantrag vorgelegt, auf den sie. lediglich mit Stattgabe oder Ablehnung reagieren kann. Abgesehen davon, daß die Einhaltung von Auflagen unter Umständen schwer nachprüfbar wäre, besteht dafür auch kein reales Bedürfnis: Die Behörde wird bei der Behandlung und Prüfung des Zulassungsantrags zu erkennen geben, bis zu welcher Höhe sie Mehrstimmrechtsaktien für erforderlich hält. Stellt sich die Antragstellerin darauf nicht ein, so hat sie die Folgen der Ablehnung zu tragen. Ließe man allgemein Auflagen zu, so müßte man auch Auflagen dergestalt anerkennen, daß die Zulassung nur für einen gewissen Zeitraum Gültigkeit haben soll. Daran war jedoch offensichtlich nicht gedacht. Faktisch ergibt sich eine gewisse zeitliche Begrenzung der Zulassung jedoch, wenn die hier relevanten Unternehmen einen erneuten Kapitalbedarf entwickeln. Schon deswegen ist auch fraglich, ob Satzungsbestimmungen wirksam sind, denen zufolge sich bei Kapitalerhöhungen das Stimmrecht der Aktien mit Mehrstimmrecht automatisch im Verhältnis zum Betrag des Grundkapitals erhöhen soll (bejahend Obermüller-Werner-Winden 5. I33f.), denn die Anpassung, d. h. in Wirklichkeit Erhöhung der Stimmrechte braucht keineswegs mehr „zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange" erforderlich zu sein. Die Ausnahme in § 216 Abs. 1 S. 2 erklärt sich aus der Rechtsnatur der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, die nur die Form der Aktien ändert, keine neuen schafft (vgl. auch § 6 Abs. 1 S. 3 K a p E r h G — BGBl. 1959 I, 789).

Anm. 7 III. Übergangsrecht Die Übergangsvorschrift enthält rechtsaktien, die gemäß § 252 Abs. rechtmäßig geschaffen worden sind, § 5 Abs. 2 E G , wie schon nach § 10 die Beseitigung oder Beschränkung

§ 5 E G A k t G . Nach § 5 Abs. 1 bleiben Mehrstimm1 S. 4 H G B und nach § 12 Abs. 2 S. 2 A k t G 1937 grundsätzlich weiterbestehen. Allerdings kann nach der 3. D V O z. A k t G 1937, die Hauptversammlung der Mehrstimmrechte beschließen. Für diesen Be-

123

§13

Anm. 1, 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Schluß bedarf es mindestens einer Dreiviertelmehrheit des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals. A u f die Mehrheit der abgegebenen Stimmen kommt es nicht an, so daß bei dieser Beschlußfassung die Mehrstimmrechte keine Wirkung haben. § 5 Abs. 2 S. 3 ff. regelt im Falle einer Entziehung die Entschädigung von Mehrstimmrechtsaktionären, die im Verhältnis zu den anderen Aktionären neben der Einlage auf das Grundkapital besondere Leistungen fiir die Gesellschaft erbracht haben oder erbringen. Es ist ein angemessenes Entgelt zu gewähren. Dieser Anspruch muß innerhalb von zwei Monaten gerichtlich geltend gemacht werden, um möglichst schnell eindeutige Rechtsverhältnisse zu schaffen. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem die Eintragung der Satzungsänderung gemäß § 10 Abs. 2 H G B als bekanntgemacht gilt. Für den Fall, daß der Beschluß angefochten worden ist, beginnt die Frist mit der rechtskräftigen A b weisung der K l a g e oder ihrer Zurücknahme.

§ 1 3 Unterzeichnung der Aktien Zur Unterzeichnung von Aktien und Zwischenscheinen genügt eine vervielfältigte Unterschrift. Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann von der Beachtung einer besonderen Form abhängig gemacht werden. Die Formvorschrift muß in der Urkunde enthalten sein. Übersicht: Anm* Einleitung 1. Form der Unterzeichnung

3. Unterzeichnung durch den Vorstand I

2. Weitere Formerfordernisse der Aktienurkunde 2

Anm, 3

4. Besondere, aus der Urkunde sich ergebende Formvorschriften 4 5. Strafrecht

5

Einleitung Die Vorschrift wurde unverändert aus dem bisherigen Recht (§ 13 A k t G 1937) übernommen.

Anm. 1 1. Form der Unterzeichnung § 13 entspricht der für Inhaberschuldverschreibungen geltenden Vorschrift des § 793 Abs. 2 BGB. Aktienurkunden (vgl. § 10 Anm. 3) und Zwischenscheine (vgl. § 8 Anm. 17) sind schriftliche Urkunden, durch die das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs verbrieft wird. Die Vorschrift des § 126 Abs. 1 BGB findet jedoch bei diesen Schriftstücken keine Anwendung. Das Gesetz stellt klar, daß es keiner eigenhändigen Namensunterschrift bedarf, die bei Massenausgaben auch kaum zu leisten wäre. Die im Wege der Vervielfältigung hergestellte Namensunterschrift genügt. Es muß eine sog. faksimilierte Namensunterschrift sein, gleichviel, ob sie durch Druck oder Stempel hergestellt wird. Dagegen würde eine gedruckte Unterschrift nicht genügen. Die Urkunde wäre nach § 125 BGB nichtig.

Anm. 2 2. Weitere Formerfordernisse der Aktienurkunde Andere Formerfordemisse ergeben sich aus Begriff und Zweck der Urkunde: die Firma der A G muß aus ihr hervorgehen (§ 4); ferner der Nennbetrag der Aktie (§ 6 Abs. 2,

124

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 13

Anm. 3, 4

§ 8). Auch muß die Urkunde sich erkennbar von anderen Aktienrechten derselben Gesellschaft unterscheiden, da sie ein individuelles Recht verbrieft. In der Regel geschieht diese Unterscheidung durch Angaben über Serie und Nummer (vgl. Godin-Wilhelmi § 1 3 Anm. 2; Schlegelberger-Quassowski § 13 Anm. 4; Ritter § 13 Anm. 3). Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Urkunde gleichfalls nichtig (vgl. Godin-Wilhelmi § 13 Anm. 2). Die Anwendung der deutschen Sprache kann nicht als wesentliches Formerfordernis angesehen werden (Ritter § 1 3 Anm. 3; a. A . Schlegelberger-Quassowski § 13 Anm. 4), jedoch kann der Aktionär Abfassung der Urkunde in deutscher Sprache verlangen. Im übrigen bestehen Formvorschriften weder für Aktienurkunden noch für Zwischenscheine. Als Aktien oder Zwischenscheine brauchen sie sich nicht zu bezeichnen. Es genügt für die Aktienurkunde, daß sich aus ihrem Inhalt die Verbriefung des Anteilsrechts, für den Zwischenschein, daß sich aus seinem Inhalt die vorläufige Verbriefung des Anteilsrechts (§ 8 Anm. 17) ergibt. Die Namensaktie muß den Berechtigten nennen. Fehlt der Name des Berechtigten, so muß die Aktie als Inhaberaktie angesehen werden, obwohl die Ausgabe solcher Aktien in diesem Fall gegen die Satzung (§ 24 Abs. 1 Satz 1) und u. U . auch gegen § 10 Abs. 2 verstoßen würde. Die Annahme einer Nichtigkeit würde dem Gebot der Verkehrssicherheit widersprechen (vgl: § 24 Anm. 4). Ort und T a g der Ausgabe brauchen nicht angegeben zu werden. Als T a g der ersten Ausgabe wird in der Regel der T a g einzusetzen sein, an dem die A G ins Handelsregister eingetragen worden ist. Wird ein früherer T a g eingesetzt, so ist das unschädlich, sofern nur die Ausgabe nicht vorher geschieht (so auch Baumbach-Hueck § 4 1 Anm. 13; vgl. zur Aktienausgabe §§41 Abs. 4, 191). Die Vorschriften, daß bei nicht vollbezahlten Namensaktien der Betrag der Teilleistung in den Aktien anzugeben ist (§ 10 Abs. 2), bei Aktien mit Nebenverpflichtungen die Verpflichtung und der Umfang der Leistungen (§ 55 Abs. 1 Satz 3), berühren nicht die Gültigkeit der Urkunde. Der gutgläubige Erwerber ist insofern geschützt (vgl. Baumbach-Hueck § 13 Anm. 4). Die Satzung braucht über die äußere Form der Urkunde nichts zu bestimmen. Enthält sie keine Formbestimmung, entscheidet der Vorstand (Godin-Wilhelmi § 13 Anm. 1). Für Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen vgl. § 221, desgleichen für Genußscheine. Besondere Formvorschriften enthält das A k t G insoweit nicht, sie ergeben sich also aus dem Begriff der Urkunde; faksimilierte Unterschrift ist gemäß § 126 BGB nicht zulässig, da die genannten Urkunden keine Aktien sind (vgl. Godin-Wilhelmi, § 13 Anm. 2), aber nur soweit es sich um Namenspapiere handelt; sind die fraglichen Schuldverschreibungen und Genußrechte auf den Inhaber gestellt, so gilt § 793 Abs. 2 Satz 2 BGB.

Anm. 3 3. Unterzeichnving durch den Vorstand Wer die Aktienurkunden und Zwischenscheine zu unterzeichnen hat, ist im Gesetz nicht besonders gesagt. Es ist dies Sache derjenigen Personen, welche die A G nach außen zu vertreten haben, also in der Regel der sämtlichen Vorstandsmitglieder (§ 78). Die vertretungsberechtigten Personen können aber durch besondere — nicht notwendig schriftliche — Vollmacht einen andern zur Unterzeichnung und Ausgabe ermächtigen. Prokura oder gar nur Handlungsvollmacht würden dazu nicht ausreichen, weil die Ausgabe von Aktienurkunden und Zwischenscheinen kein Geschäft ist, das der Betrieb der A G mit sich bringt, auch nicht im Fall der Kapitalerhöhung (Schlegelberger-Quassowski § 13 Anm. 3; Baumbach-Hueck § 13 Anm. 2; Godin-Wilhelmi § 13 A n m . 1). Es ist ein Verwaltungsgeschäft des Vorstandes der A G , das die Beziehung zu den Mitgliedern betrifft.

Anm. 4 4. Besondere, aus der Urkunde sich ergebende Formvorschriften Satz 2 und 3 gestatten der A G , die Gültigkeit der Unterzeichnung von der Beobachtung einer besonderen Form in der Weise abhängig zu machen, daß die Formvorschrift in der

125

§ 13 Anm. 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

§ 14 Anm. 1 Urkunde enthalten ist. Das vorzuschreiben, ist Sache des Vorstands. In der Regel wird eine besondere Formvorschrift da, wo sie besteht, auch in der Satzung enthalten sein. Dies ist aber weder erforderlich noch genügend. Entscheidend für die Gültigkeit nach außen ist allein die Angabe in der Urkunde selbst. Der Satzung ist nicht die Kraft beigelegt, andere Gültigkeitserfordernisse als die gesetzlichen aufzustellen. Entspricht die Form nicht der in der Urkunde aufgeführten Formvorschrift, so ist die Urkunde, auch wenn sie die faksimilierte Unterschrift des Ausstellungsberechtigten trägt, nichtig ( § 1 2 5 BGB). Als besonderes Formerfordernis kommt namentlich in Betracht, daß trotz § 13 die eigenhändige Unterschrift vorgeschrieben ist oder deren notarielle Beglaubigung (a. A . nur Ritter, § 13 Anm. 1). Weiterhin kann z. B. die Gültigkeit davon abhängig gemacht werden, daß außer dem Vorstand noch ein Kontrollbeamter oder der Aufsichtsrat die Urkunden unterzeichnet, oder daß sie von einem Vorstandsmitglied zusammen mit einem Aufsichtsratsmitglied unterzeichnet werden. Auch die Angabe der Teilleistungen ( § 1 0 Abs. 2), d i e an sich kein Gültigkeitserfordernis (oben Anm. 2) und für Zwischenscheine überhaupt nicht vorgeschrieben ist, kann in den Urkunden zum Gültigkeitserfordernis gemacht werden. Entsprechendes gilt von der Angabe der Nebenverpflichtungen (§ 55 Abs. 1 Satz 3).

Anm. 5 5. Strafrecht In § 14g StGB werden Aktienurkunden, die auf den Inhaber lauten, dem Papiergeld gleichgestellt (vgl. auch § 151 StGB). Fälschung ist also Münzverbrechen. Fälschung von Namensaktien (und auf Namen lautender Zwischenscheine) ist dagegen Urkundenfälschung i. S. von §§ 267 fr. StGB. Nach § 360 Nr. 4 und 5 StGB ist der Druck von Aktienurkunden ohne behördliche Genehmigung strafbar.

§

14

Zuständigkeit

Gericht im Sinne dieses Gesetzes ist, wenn nichts anderes bestimmt ist, das Gericht des Sitzes der Gesellschaft. Übersicht: Anm.

Einleitung 1. Zuständigkeit des Registergerichts

1

Anm

3. Sonstige gerichtliche Zuständigkeiten nach Aktienrecht 3

2. Ersatzzuständigkeit bei enteigneten Gesellschaften 2

Einleitung Die Vorschrift ist nur sprachlich geändert worden.

Anm. 1 1. Zuständigkeit des Registergerichts Der Sitz der A G wird durch die Satzung (§ 23 Abs. 3 Nr. 1) nach den Vorschriften des § 5 bestimmt. § 14 stellt klar, daß überall, wo im A k t G vom Gericht gesprochen wird und sich aus der einzelnen Vorschrift nichts anderes ergibt, das Gericht gemeint ist, in dessen Bezirk die A G ihren Sitz hat.

126

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Meyer-Landrut)

§ 14

Anm. 2, 3

Die Vorschrift hat, wie sich aus dem Zusammenhang des AktG ergibt, nur für das Registergericht Bedeutung. Dabei ist unter Registergericht das Amtsgericht zu verstehen, dem nicht nur die eigentliche Registerführung (§ 125 Abs. 1 F G G ) , sondern auch die in § 145 Abs. 1 F G G (neugefaßt durch § 43 EGAktG 1937) genannten Aufgaben obliegen (vgl. auch §§ 144, 144 a F G G , § 398). Nach § 125 Abs. 2 und § 145 Abs. 2 F G G kann für mehrere Amtsgerichtsbezirke ein Amtsgericht als Registergericht bestellt werden. Für die Anfechtungsklage erklärt § 246 Abs. 3 AktG ausdrücklich das Landgericht für ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die A G ihren Sitz hat.

Anm. 2 2. Ersatzzuständigkeit bei enteigneten Gesellschaften Ist die satzungsmäßige Regelung des Sitzes einer deutschen A G durch die Verhältnisse überholt (etwa durch hoheitliche Eingriffe einer fremden Regierung) und fehlt es demgemäß an einem Sitz in der Bundesrepublik, so ist ein zuständiges Gericht im Sinne von § 14 nicht vorhanden. Eine deutsche A G kann einen Sitz im Ausland nicht haben ( R G Z 107, 97). Für AGs, die ihren Sitz am 8. 5. 45 in Gebieten hatten, in denen die deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, im wesentlichen also in den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie, ist durch das ZustErgG vom 7. 8. 52 (BGBl. I 407) §§ 14 u. 15, als zuständiges Gericht das Gericht einer bestehenden Zweigniederlassung, oder das Gericht, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich der Sitz verlegt werden soll, bestimmt worden. Für deutsche AGs, die in Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 und der in § 1 ZustErgG genannten Gebiete ihren Sitz hatten, hat der BGH in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 1 F G G , „damit gesetzlich festgelegte Rechte (der Aktionäre) ausgeübt werden können", ein nach § 14 zuständiges Gericht bestimmt, BGH 19, 102. Diese Entscheidung ist durch Art. 87 des deutsch-österreichischen Vermögensvertrages vom 15. 6. 1957 (BGBl. 1958 II, 129 fr.) überholt (s. auch BGH W M 1959, 1397). Zur Kritik von BGH 19, 102 s. Anm. 2 a der Vorauflage. Eine Gerichtsstandsbestimmung in entsprechender Anwendung von § 5 F G G kann nicht erfolgen, wenn der Antragsteller ohne gerichtliche Mitwirkung die entsprechende Maßnahme durchführen kann (Sitzverlegung), BGH 19, 108.

Anm. 3 3. Sonstige gerichtliche Zuständigkeiten nach Aktienrecht Wo im AktG mit dem „Gericht" ein anderes als das des Sitzes gemeint ist, geht es aus dem Wortlaut fast überall deutlich hervor. So ist in den §§ 42—44 vom Gericht der Zweigniederlassung, in § 45 vom Gericht des bisherigen, des neuen und des ursprünglichen Sitzes die Rede. Wenn es in § 81 Abs. 2 heißt, die Urkunden seien „für das Gericht des Sitzes" beizufügen und in Abs. 3, die neuen Vorstandsmitglieder hätten ihre Unterschrift zur Aufbewahrung „beim Gericht" zu zeichnen, ähnlich in § 266 Abs. 2 und 4 für die Abwickler, so ergibt diese Gegenüberstellung in Verbindung mit § 43 Abs. 5 genügend klar, daß zwar die Urkunden nur einmal, für das Gericht des Sitzes, beizufügen sind, die Unterschriften aber auch für die Zweigniederlassungen, also in entsprechender Zahl (Schlegelberger-Quassowski, § 14 Anm. 3). Ist im Gesetz vom „gerichtlichen Vergleichsverfahren" die Rede (§§ 92 Abs. 2; 268 Abs. 2; 283 Nr. 14; 401 Abs. 1 Nr. 2), so ist mit dem Gericht das nach der VergleichsO zuständige Gericht gemeint. Ferner hat § 14 dort keine Bedeutung, wo das „Prozeßgericht" genannt oder gemeint ist (z. B. §§ 246 Abs. 3, 249 Abs. 1, 255 Abs. 3, 275 Abs. 4). Das Konkursgericht bestimmt sich ebenfalls nach den allgemeinen Vorschriften (§71 K O ) . Von § 14 werden ebenfalls nicht die Zuständigkeitsregelungen für die im AktG 1965 eingefügten Spruchstellen-Verfahren über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§§ 98, 30 AktG, 27 E G ) , das Auskunftsrecht (§ 132), Meinungsverschiedenheiten zwischen Gesellschaft und Abschlußprüfern (§ 169) und hinsichtlich der Ausgleichsansprüche

127

§§15—19 Vorbemerkung

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

außenstehender Aktionäre (§§ 304, 305, 320; vgl. auch § 12 UmwG) umfaßt. Für diese Verfahren besteht eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte, Zivilkammer oder Kammer für Handelssachen (vgl. § 98 Abs. 1; § 132 Abs. 1; § 169 Abs. 1; § 260 Abs. 1; § 306 Abs. 1; § 304 Abs. 3, § 320 Abs. 6 sowie § 30 UmwG). Zur örtlichen Zuständigkeit sind in den Ländern auf Grund der §§ 98 Abs. 1 S. 2, 99 Abs. 3 S. 8, 132 Abs. 1 S. 3 sowie der weiteren gesetzlichen Ermächtigungen Verordnungen ergangen; s. für N R W v. 15. 2. 1966 (GVOB1. 1966, 65), für Bayern vom 9. 3. 1966 (GVB1. 1966, 118), für Niedersachsen v. 29. 3. 1967 (GVB1. 1967, 102); für Baden-Württemberg v. 10. 10. 1967 (GBl. 1967/218).

V o r b e m e r k u n g z u den § § 1 5 bis 19 I. Die R e c h t s e n t w i c k l u n g 1. Die wirtschaftliche Entwicklung hat in Deutschland schon in der Zeit vor dem ersten Krieg, in steigendem Umfange zwischen den beiden Kriegen, besonders stark aber in der jüngsten Zeit zu Unternehmenskonzentrationen durch Gruppierungen und Verflechtungen von Unternehmungen geführt und auf dem Gebiet des Aktienrechts Erscheinungen bewirkt, welche vom Gesetz nicht mehr unberücksichtigt gelassen werden konnten. Nach Geßler BB 1965, 681 sind zur Zeit etwa 70% aller AGn in irgendeiner Weise konzernmäßig verbunden. Auf Grund des Gesetzes über eine Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft vom 31. Dezember 1960 (BGBl. 1961 I S. 9) ist eine wirtschaftliche Enquete durchgeführt worden, über deren Ergebnis der Bundeskanzler dem Bundestag in seinen beiden Berichten vom 5. J u n i und 9. Oktober 1964 (Bundestags-Drucksache I V 2320 und zu Drucksache I V 2320) berichtet hat. In der Amtl. Begr. zum RegE des AktG 1965 ist in der Vorbemerkung zum Dritten Buch gesagt: „Als Folge dieser Strukturwandlung, die den wirtschaftlichen Zug zur Unternehmenskonzentration widerspiegelt, ist die Rechtsform der Aktiengesellschaft für zahlreiche Unternehmen nur noch die äußere Organisationsform. Bei ihnen haben konzernmäßige Bindungen das aktienrechtliche Kräftespiel zwischen den Organen der Gesellschaft aus den Angeln gehoben. Die Geschicke dieser Gesellschaften werden außerhalb der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung auf Wegen bestimmt, die zum Teil auf Verträgen mit anderen Unternehmen beruhen, sich aber überwiegend jeder rechtlichen Ordnung entziehen . . . Gesellschaftsrechtlich aber noch schwerwiegender als die vertragliche Verlagerung der Unternehmensleitung aufstellen außerhalb der Gesellschaft... ist der in Konzernverhältnissen nicht selten gar nicht begründete tatsächliche Machtübergang auf solche Stellen". 2. Hieraus ergeben sich rechtspolitische Probleme in verschiedener Richtung, die der gesetzlichen Lösung bedürfen. Aus der Unternehmensverbindung ergeben sich zunächst Probleme für die beteiligte AG insofern, als einerseits die an einem Unternehmen beteiligte Gesellschaft oder die ein anderes Unternehmen beherrschende AG zu Maßnahmen befähigt ist, welche bedenklich erscheinen und vom Gesetz zu unterbinden sind und als umgekehrt die von einem anderen Unternehmen beherrschte AG Gefahren ausgesetzt ist, denen das Gesetz zu begegnen hat. Zum anderen ist es erforderlich, die wichtigsten Unternehmensverbindungen als solche zu regeln, insbesondere Konzernen eine rechtliche Verfassung zu geben. a) Die Rechtsentwicklung hat diesen Erscheinungen zunächst nur zögernd Rechnung getragen. In der Zeit vor 1937, als das Aktienrecht noch im H G B geregelt war, führte die Aktienrechtsverordnung vom 19. September 1931 den Begriff „Konzerngesellschaft"' in das Gesetz ein, ohne ihn jedoch zu bestimmen (§§ 246, 260 a, 261 a und d HGB). Ferner wurde eingeführt der Begriff „abhängige Gesellschaft", der in § 226 Abs. 4 HGB umschrieben wurde; ebenso der umfassendere aber nicht definierte Begriff „abhängiges Unternehmen" in § 240 a HGB.

128

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§§ 15—19 Vorbemerkung

b) Das A k t G 1937 ist darin einen Schritt weitergegangen. Es hat in § 15 den Begriff Konzern. und Konzernunternehmen definiert und den Fall der Abhängigkeit eines Unternehmens dem Konzernbegriff untergeordnet, indem auch das herrschende und das abhängige Unternehmen als Konzern galten. Das A k t G 1937 hatte sich jedoch darauf beschränkt, mit diesem Begriff einige wenige Sonderregelungen zu verbinden, welche mißbräuchlichen Praktiken im Aktien- und Konzernwesen entgegenwirken sollten. Für Konzernunternehmen galten folgende Sondervorschriften: Nach § 95 Abs. 2 Satz 1 konnte der Aufsichtsrat vom Vorstand auch Bericht über die Beziehungen zu Konzernunternehmen verlangen; nach § 112 Abs. 1 Satz 2 hatte die Auskunftspflicht gegenüber den Aktionären sich auf die Beziehungen zu einem Konzernunternehmen zu erstrecken; nach § 128 Abs. 2 Nr. 8 war auch im Geschäftsbericht über Beziehungen zu einem Konzernunternehmen zu berichten; in § 131 war der Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Konzernunternehmen geregelt; in § 124 Nr. 2 war eine Ermächtigung zum Erlaß von Vorschriften über die Aufstellung einer Konzernbilanz enthalten, von welcher jedoch kein Gebrauch gemacht worden war. Das Abhängigkeitsverhältnis war von folgenden Vorschriften betroffen: § 51 behandelte die Aktienübernahme durch ein abhängiges Unternehmen oder für Rechnung desselben; § 65 betraf den Erwerb der Aktien der herrschenden Gesellschaft durch ein abhängiges Unternehmen oder für Rechnung desselben; § 80 Abs. 1 Satz 3 regelte Kreditgewährungen von Vorstandsmitgliedern abhängiger oder herrschender Unternehmen; § 114 Abs. 6 hat die Ausübung des Stimmrechts aus Aktien ausgeschlossen, welche der A G oder einem abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung derselben gehören; § 131 schrieb gesonderten Ausweis eigener Aktien von Aktien einer herrschenden Gesellschaft vor, und nach § 137 Abs. 2 waren Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats oder Angestellte einer herrschenden oder abhängigen Gesellschaft von der Wahl und Bestellung zu Abschlußprüfern ausgeschlossen. Da das herrschende und das abhängige Unternehmen zusammen als Konzern galten, kamen auf sie auch die vorgenannten, den Konzern betreffenden Vorschriften zur Anwendung. Eine Sonderregelung des Konzernrechts als solchen hingegen hatte das A k t G 1937 nicht enthalten. Lediglich in § 256 war vorgeschrieben, daß der Vertrag, durch welchen eine A G sich zur Gewinnabführung oder zur Führung ihres Betriebs für fremde Rechnung verpflichtet oder ihren Betrieb verpachtet oder sonst überläßt, zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der H V der sich verpflichtenden Gesellschaft bedarf. Diese Tatbestände aber überschneiden sich mit jenem des Konzerns. c) Das A k t G 1965 hat demgegenüber einen großen Fortschritt gebracht. A n die Stelle des früheren § 15, der sich auf die Konzerndefinition und auf die Einbeziehung des abhängigen Unternehmens als Konzernunternehmen beschränkt hatte, sind in den § § 1 5 bis 19 besondere Gruppen von Unternehmensverbindungen definiert, mit welchen das Gesetz kasuistisch bestimmte rechtliche Konsequenzen verbindet. Diese Definitionen sind Zweckbegriffe, nämlich dazu bestimmt, jene Tatbestände zu umschreiben, an welche das Gesetz mit bestimmten Rechtsfolgen anknüpft. Darüber hinaus hat das A k t G 1965 im Dritten Buch unter dem Titel „Verbundene Unternehmen" eine materielle Regelung der wichtigsten Unternehmensverbindungen, insbesondere der Konzerne gebracht. II. Die Begriffe Unternehmen, rechtlich selbständiges Unternehmen Schrifttum: KropffBB 1965, 1285;Leo AG 1965, 352; Havermann WPg 1966, 30; Brauksiepe BB 1966, 869fr.; Schäfer BB 1966, 229 und NJW 1967, 1741; Boclsmkötter DB 1967, 1098; Müller-Ruker WP?? 1967, 197; Jahnberg-Schlaus AG 1967, 33; Huber ZHR Bd. 131 S. 249; RaischJZ 1966, 554; Haberlandt in Möhring-Schwartz, Die AG und ihre Satzung (2. Aufl. 1966) S. 284; Möhring NJW 1967, 1; Bachelm, Der konzernrechtliche Minderheitsschutz (1969) S. 7ff.; Rasch, Deutsches Konzernrecht (4. Aufl. 1968) S. 36ff.; Würdinger in „Recht und Rechtsleben in der sozialen Demokratie", Festschrift für 0. Kunze (1969) S. i77ff.; Duden, ebenda S. 127fr.; Würdinger, Aktien- und Konzernrecht (1966) S. 261 ff. 9

Akttengesetz I, S. Aull.

129

§§15—19

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Vorbemerkung 1. I n den §§15 bis 19 u n d in den an diese Begriffsbestimmungen anknüpfenden Vorschriften, ferner in den §§ a i u n d 22 u n d im Dritten Buch über „Verbundene Untern e h m e n " spricht das Gesetz von „ U n t e r n e h m e n " bzw. von „rechtlich selbständigen U n t e r n e h m e n " , ohne diesen Begriff zu definieren. I n der Amtl. Begr. zu § 15 RegE ist gesagt: „ V o n einer Umschreibung des Unternehmensbegriffs sieht der Entwurf angesichts der großen praktischen Schwierigkeiten ab. Die hierher gehörenden Unternehmen können alle Rechtsformen, auch die des Einzelkaufmannes, h a b e n " . Die K l ä r u n g dieses Begriffes ist daher der Interpretation überlassen. Sie ergibt, d a ß der Begriff Unternehmen im Gesetz uneinheitlich gebraucht wird, indem er in einzelnen Vorschriften auf eine bestimmte Rechtsform Bezug n i m m t ; so sind z. B. in § 21 Abs. 2 unter Unternehmen nur die in Abs. 1 genannten Gesellschaftsarten gemeint, während in anderen Vorschriften unter dem Begriff Unternehmen sowohl eine Gesellschaft als auch ein Unternehmen im ökonomischen Sinne zu verstehen ist; so z. B. in den §§ 18 Abs. 1, 3 1 1 . Aus der Aufgabe des AktG, die Rechtsverhältnisse der A G bzw. der K o A G (§ 278 Abs. 3) zu regeln, ergibt sich zunächst, d a ß an allen von den einschlägigen Vorschriften betroffenen Unternehmensverbindungen eine A G oder KoAG beteiligt sein m u ß ; denn nur für sie zieht das AktG aus diesen Verbindungen Konsequenzen. W e n n etwa § 17 von herrschenden u n d abhängigen Unternehmen spricht, so gelten, falls die A G ein anderes Unternehmen beherrscht, die §§ 56 Abs. 2, 71 Abs. 4, 136 Abs. 2 usw. Beherrscht ein anderes Unternehmen eine AG, d a n n gelten die §§ 311 ff. Sind sowohl das herrschende u n d das abhängige Unternehmen AGn., so kommen die beiden Gruppen der einschlägigen Vorschriften zur Anwendung; vgl. zur Uberschneidung der Mitteilungspflicht aus § 20 Abs. 3 u. 4 mit § 21 Abs. 1 u. 2, § 21 Anm. 1. Da die jeweils betroffene Position der A G aus den Tatbeständen der einschlägigen Vorschriften zu ersehen ist, können insoweit Zweifel nicht entstehen. Schwierigkeiten dagegen bereitet die Frage, was unter Unternehmen zu verstehen ist, wenn das andere Unternehmen keine A G zu sein braucht u n d wenn das Gesetz auch nicht ausdrücklich auf eine bestimmte andere Rechtsform Bezug nimmt, sondern lediglich von Unternehmen oder rechtlich selbständigen Unternehmen spricht. Die Verwendung dieser Bezeichnungen ist aus rechtstechnischen Gründen erfolgt, nämlich zu dem Zwecke, die Vorschriften jeweils von einer Umschreibung ihres Anwendungsbereiches zu entlasten. Da aber die einschlägigen Vorschriften nur anwendbar sind, wenn ein Unternehmen i. S. derselben vorliegt, indem z. B. die Mitteilungspflicht aus § 20 nur für Unternehmen erwachsen kann oder indem der Abschluß eines Beherrschungsvertrages nur einem Unternehmen vorbehalten ist (§ 291), ist der Begriff Unternehmen zu einem Zentralbegriff des AktG geworden, der auch nur aus dem Zusammenhang des Gesetzes abgeleitet, nicht aber aus anderen Gesetzen entlehnt u n d übernommen werden kann. Es ist daher nicht schlüssig, etwa an den Kaufmannsbegriff i. S. des H G B anzuknüpfen, denn dieser hat nur Bedeutung für die Anwendbarkeit des HGB. 2. U n t e r der Bezeichnung rechtlich selbständiges Unternehmen (z. B. §§ 15, 17 Abs. 1, 18 Abs. 2 u. a. m.) ist dieses zu verstehen, d a ß in dem Unternehmen ein rechtlich selbständiger Wille zur Leitung derselben zuständig ist. Dieses trifft beim Einzelunternehmer in der Person des Geschäftsinhabers zu u n d dasselbe gilt bei allen Gesellschaften oder sonstigen Verbänden für das Willensbildungsorgan. O b die Willensentscheidung faktisch frei ist, spielt keine Rolle. Nach der Verfassung der AG sind deren Organe im R a h m e n ihrer Zuständigkeit zur eigenen Entscheidung berufen; das gilt auch dann, wenn die A G faktisch von einem Alleinaktionär beherrscht wird. Mit der Bezeichnung „rechtlich selbständig" soll nur klargestellt sein, d a ß Betriebsabteilungen, auch wenn sie faktisch selbständig sind, nicht ein Unternehmen i. S. des AktG darstellen. Die mehreren von einer A G betriebenen Fabriken oder die Niederlassungen einer Großbank sind nicht rechtlich selbständige Unternehmen, sondern Unternehmen ist die A G als juristische Person. 3. Für den Begriff Unternehmen ergibt sich aus der Interpretation der einzelnen Vorschriften folgendes: a ) Mit jenen Vorschriften, welche darauf Bezug nehmen, d a ß eine A G an einem anderen Unternehmen beteiligt ist oder dieses beherrscht (z. B. §§ 56 Abs. 2, 71 Abs. 4,

130

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§§ 15—19

Vorbemerkung

136 Abs. 2 und 3 usw.), sollen Manipulationen der A G verhindert werden, welche durch die Herrschaftsmacht der A G ermöglicht, vom A k t G aber mißbilligt werden, z. B. eine Umgehung des Verbots des Erwerbs eigener Aktien oder das Hineinregieren der A G in ihre eigene H V . Hier bedeutet Unternehmen sowohl ein solches im ökonomischen Sinn ohne Rücksicht auf die Rechtsform, als auch eine Rechtsperson, die, ohne ein Unternehmen zu betreiben, von der A G als leerer Mantel beherrscht wird. Eine von der A G beherrschte GmbH, welche lediglich Aktien der Gesellschaft besitzt, soll z. B. mit diesen Aktien in der H V der A G nicht abstimmen können (§ 136 Abs. 2). Uber Versorgungskassen, welche von Konzerngesellschaften in Form eines W a G betrieben werden, s. § 16 A n m . 3. b ) In jenen Fällen, da ein anderes Unternehmen an einer A G beteiligt ist oder diese beherrscht, tritt das Gesetz der Gefahr entgegen, daß dieses Unternehmen seinen Einfluß benutzt, u m die A G sich dienstbar zu machen. Einen solchen Einfluß im Bereich des Vertragskonzerns entweder zu legalisieren (§§291 ff., 308), außerhalb eines Vertragskonzerns aber eine Benachteiligung der A G zu verhindern (§§ 311 ff.) ist der Hauptzweck der Regelung des Dritten Buches. Hier ist unter dem Begriff Unternehmen ein solches im ökonomischen Sinne zu verstehen, welches seine eigenen und eigenständigen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, die der A G gegenüber fremde sind; nur wenn das herrschende Subjekt eigenständige Erwerbsinteressen verfolgt, besteht praktisch die Gefahr, daß die A G diesen dienstbar gemacht wird. Ist eine Person, sei es ein Einzelaktionär oder eine Stiftung, an einer A G beherrschend beteiligt, ohne selbst ein Unternehmen zu betreiben, ohne also eigenständige, von der bloßen Dividendenerwartung unabhängige Erwerbsinteressen zu verfolgen, dann ist nach Auffassung des Gesetzes die genannte Gefahr nicht gegeben. Ein privater Aktionär, der sein Geld in einer A G anlegt, ist am Wohlergehen der Gesellschaft interessiert. A u c h wenn diese Person Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nimmt, ist sie nicht ein Unternehmen. Auch ein Aktionärkonsortium, das sich zwecks einheitlicher Ausübung des Stimmrechts gebildet hat, ist nicht ein Unternehmen (vgl. § 17 Anm. 11). Kein Unternehmen ist ferner ein Bankenkonsortium, welches bei einer Kapitalerhöhung die neuen Aktien übernimmt, u m sie den Aktionären anzubieten (vgl. § 186 Abs. 5; dazu § 20 Anm. 1). Unternehmen i. S. jener Vorschriften, welche die Abhängigkeit einer AG von einem Unternehmen oder die Beteiligung eines Unternehmens an einer AG betreffen (also z. B. im Sinne der §§ 18 Abs. 1, 20, 291, 311) ist die einen eigenen, gegenüber dem Dividendenbezug aus der Beteiligung eigenständigen Erwerbszweck verfolgende, nach außen hin ausgerichtete planmäßige Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr. 4 a ) Unternehmen in diesem Sinne ist nicht der Staat in Ausübung der allgemeinen, auf Daseinsvorsorge gerichteten Verwaltungstätigkeit, mag er auch mittels seiner Beteiligung öffentliche Interessen gegenüber der A G wahren. Gleiches gilt für die Gemeinden (ebenso Brauksiepe a. a. O., S. 872). b ) Es ergibt sich jedoch die Frage, ob der Staat etwa deshalb generell als Unternehmen zu betrachten ist, weil er in eigener Regie auch Unternehmen i S. vorstehender Definition betreibt. Ist die öffentliche Hand, welche als Aktionärin an einem Versorgungsunternehmen beteiligt ist, dieser Gesellschaft gegenüber deshalb ein Unternehmen, weil sie zugleich in eigener Regie eine Porzellanmanufaktur oder eine Brauerei betreibt und insoweit möglicherweise auch Kaufmannseigenschaft besitzt? Diese Frage stellt sich, weil nach § 16 Abs. 4 beim Einzelkaufmann auch die Anteile, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind, als zum Unternehmen gehörend gelten. Sie ist jedoch zu verneinen. Die Regelung des § 16 Abs. 4 soll nur verhindern, daß ein Einzelunternehmer, zu dessen Geschäftsvermögen Aktien gehören, aktienrechtlichen Vorschriften (z. B. den § § 1 7 Abs. 2, 20, 311) dadurch ausweichen kann, daß er einen Teil seiner Aktien als Privatvermögen deklariert. Umgekehrt aber wird nicht jeder Geschäftsinhaber schon dadurch zu einem an einer A G beteiligten Unternehmen, daß er Ersparnisse in Aktien anlegt oder solche erbt. Auch der Staat müßte die Beteiligung im Rahmen des von ihm betriebenen Unternehmens halten, um auch gegenüber der A G als beteiligtes Unternehmen zu erscheinen (s. § 16 Anm. 6). 9*

131

515

Anm. 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

5 . Der bisher ermittelte Unternehmensbegriff bedarf jedoch einer Ergänzung (vgl. W ü r d i n g e r , Festschrift fiir Kunze, a. a. O. S. 183). Die Gefahren, welche sich aus der Beteiligung des Unternehmens an einer A G für diese ergeben u n d denen das Gesetz begegnet, bestehen nämlich auch dann, wenn ein Einzelaktionär, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine juristische Person g l e i c h z e i t i g an zwei oder mehreren AGn. maßgebend beteiligt ist u n d sie unter einheitlicher Leitung i. S. des § 19 zusammenfaßt. Solches trifft insbesondere bei einer Holdinggesellschaft zu, welche ohne eigenen Geschäftsbetrieb sich auf die einheitliche Leitung der von ihr zusammengefaßten Gesellschaften beschränkt. I n diesem Falle ist auch die Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung als ein Unternehmen zu qualifizieren (zustimmend Kropff BB 1965, 1281, Haberlandt in Möhring-Schwartz a. a. O. S. 284; a. A. Boelsenkötter DB 67, 1098). Beschränkt dagegen die Holding ihre Tätigkeit auf die normale Ausübung der Aktienrechte u n d auf den Bezug von Dividende, u m sie ihren eigenen Anteilsbesitzern auszuschütten und deren Interesse gegenüber der Gesellschaft zu wahren, d a n n liegt lediglich eine Effektensubstitution vor (vgl. dazu auch R a s c h a. a. O. S. 82). Die einheitliche Leitung der mittels Beteiligungen zusammengefaßten Gesellschaften durch die Holding hingegen ist unabhängig von ihrer Rechtsform als ein Unternehmen zu qualifizieren u n d unterliegt den §§ 311 ff. Darüber, ob die Holding auch einen Beherrschungsvertrag mit einer oder gar mit allen von ihr beherrschten Gesellschaften schließen kann, s. Erl. zu § 291.

§ 1 5 Verbundene Unternehmen Verbundene Unternehmen sind rechtlich selbständige Unternehmen, die i m Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und m i t Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16), abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17), Konzernunternehmen (§ 18), wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 19) oder Vertragsteile eines Unternehmensvertrags (§§ 291, 292) sind. Anm. 1 I n dieser Vorschrift ist der Begriff „Verbundene U n t e r n e h m e n " definiert. Er ist ein rechtstechnischer Sammelbegriff, dazu bestimmt, jene Arten von Unternehmensverbindungen zusammenzufassen, mit denen sich einheitliche Rechtsfolgen verbinden. Es wird dadurch bei den einschlägigen Rechtsvorschriften die Notwendigkeit vermieden, jene Unternehmensverbindungen jeweils einzeln aufzuzählen, bei denen diese gelten sollen. Da im AktG aus diesen Unternehmensverbindungen rechtliche Folgen nur f ü r die A G b z w . f ü r die K o A G (§ 278 Abs. 3) gezogen werden, erlangt der Begriff „Verbundene U n t e r n e h m e n " nur Bedeutung, wenn dazu eine A G oder KoAG gehört. Gleichgültig dagegen ist, welche Rechtsform das andere Unternehmen hat, das mit einer A G nach § 15 verbunden ist. Es kommt nur darauf an, d a ß der andere Teil ein „ U n t e r n e h m e n " ist. Ü b e r den Begriff Unternehmen s. Vorbemerkung vor §§ 15 bis 19 sub I I . Es kommt ferner darauf an, d a ß das andere Unternehmen auch in der Lage ist, einen j e n e r Tatbestände, welche in § 15 aufgezählt sind, zu erfüllen. Da beispielsweise die wechselseitige Beteiligung nach § 19 Abs. 1 zur Voraussetzung hat, d a ß sie zwischen U n ternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft besteht, würde die Beteiligung einer A G als Kommanditistin an einer K G , welche ihrerseits Aktien der Gesellschaft besitzt, keine wechselseitige Beteiligung im Sinne des § 19 Abs. 1 u n d daher auch nicht Verbundene Unternehmen nach § 15 begründen. Dieses indessen schließt nicht aus, d a ß eine andere der Unternehmensverbindungen, z. B. gemäß §§ 16 oder 17 einschlägig ist. Würde z. B. die K G an welcher eine A G als

132

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 15

Anm. 2

Kommanditistin beteiligt ist, ihrerseits eine Mehrheitsbeteiligung an der A G besitzen, dann wäre § 16 einschlägig; ist die K G auf Grund des damit verbundenen Stimmrechts befähigt, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der A G zu bestimmen und dadurch mittelbar auch Einfluß zu nehmen auf die Beisetzung der Vorstandsposten, so würde eine Abhängigkeit der A G von der K G ' gemäß § 1 7 Abs. 1 vorliegen und beide Gesellschaften wären aus diesem Grunde verbundene Unternehmen i. S. des § 15.

Anm. 2 Folgende Gruppen sind in § 1 5 zusammengefaßt: die Mehrheitsbeteiligung (§ 16); das Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis (§ 17); Konzernunternehmen (§ 18); die wechselseitige Beteiligung ( § 1 9 ) ; die Vertragspartner eines Unternehmensvertrages (§§ 291, 292). Dazu ist im einzelnen folgendes zu bemerken. „Verbundene Unternehmen" sind nach § 1 5 : a) das an einem anderen Unternehmen mit Kapital- oder Stimmenmehrheit beteiligte Unternehmen und das andere in solchem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen, gleichgültig, ob letzteres von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist oder nicht, ob also die Abhängigkeitsvermutung des § 1 7 Abs. 2 widerlegt ist oder nicht. b ) das herrschende und das von ihm abhängige Unternehmen, gleichgültig, worauf die Herrschaftsmacht und die durch sie begründete Abhängigkeit beruht (§ 17). c) Im Abhängigkeitskonzern sind „Verbundene Unternehmen" jedes unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens stehende abhängige Unternehmen mit dem sie beherrschenden und leitenden Unternehmen einerseits, andererseits alle abhängigen Unternehmen untereinander, gleichgültig, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen (§ 18 Abs. 1). Im Gleichordnungskonzern ( § 1 8 Abs. 2) sind Verbundene Unternehmen nur die unter einheitlicher Leitung stehenden Unternehmen, nicht aber auch diese Unternehmen mit der sie einheitlich leitenden Instanz. Es ist aber zu beachten, daß innerhalb eines Gleichordnungskonzerns auch ein Konzernverhältnis der Abhängigkeit vorliegen kann, so, wenn ein zum Gleichordnungskonzern gehörendes Konzernunternehmen eine von ihm beherrschte Tochtergesellschaft besitzt; und es ist umgekehrt auch möglich, daß im Rahmen eines Abhängigkeitskonzerns eine abhängige Konzerngesellschaft mit einem anderen, jedoch nicht abhängigen Unternehmen sich im Verhältnis eines Gleichordnungskonzerns befindet (vgl. § r8 Anm. 15). d) Im Falle der wechselseitigen Beteiligung nach § 19 sind Verbundene Unternehmen die beiden Kapitalgesellschaften bzw. bergrechtlichen Gewerkschaften, welche aneinander mit je mehr als 2 5 % beteiligt sind. Steht einer der beiden wechselseitig beteiligten Gesellschaften an der anderen eine Mehrheitsbeteiligung zu, dann sind sie auch Verbundene Unternehmen nach § 16; sie bleiben also Verbundene Unternehmen auch dann, wenn das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen seine Beteiligung an dem anderen abstoßen sollte. Ist das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen, welches eine wechselseitige Beteiligung mit dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen besitzt, von diesem abhängig und besitzt es zugleich auch eine von ihm abhängige Tochtergesellschaft, dann ist die Tochtergesellschaft nach § 1 7 Abs. 1 nicht nur mit der Muttergesellschaft, sondern auch mit der diese beherrschenden Obergesellschaft verbunden, nicht aber zugleich mit jener anderen Gesellschaft, mit welcher diese Obergesellschaft ihrerseits wechselseitig verflochten ist. e) Verbundene Unternehmen sind sodann die Vertragspartner eines in den §§ 291, 292 genannten Unternehmensvertrages, nicht aber die Partner anderer Verträge. Die in §§291, 292 genannten Verträge sind aa) der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, § 2 9 1 . bb) der Gewinngemeinschaftsvertrag; alle Partner eines solchen Vertrages sind untereinander Verbundene Unternehmen, § 292 Nr. 1 .

133

§15

Anm. 3

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

cc) der Teilgewinnabführungsvertrag, § 292 Nr. 2. Hier ist zu beachten, daß dieser Vertrag nicht ein Vertrag bestimmten Types ist, sondern daß er lediglich durch seine Wirkung, nämlich durch die Verpflichtung zur Abfuhrung eines Gewinnteiles gekennzeichnet ist; dieses trifft z. B. auf die stille Gesellschaft, u. U . auch auf die Dividendengarantie, zu. Es sei hierwegen auf die Erl. zu § 292 Nr. 2 verwiesen. dd) der Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag § 292 Nr. 3 ; vorausgesetzt ist bei beiden Verträgen, daß das Unternehmen der verpachtenden bzw. die Betriebsführung der überlassenden Gesellschaft im ganzen betroffen wird, nicht nur einzelne Unternehmensteile, z. B. eine Betriebsabteilung oder eine unselbständige Filiale. Wegen dieser Verträge, die in verschiedenen Modalitäten möglich sind, sei auf die Erl. zu § 292 Nr. 3 verwiesen.

Anm. 3 Nach der Amtl. Begr. ist § 15 „nicht als materielle Umschreibung einer besonderen Gruppe zu verstehen". Das bedeutet, daß der Anwendungsbereich des § 1 5 nicht über die Tatbestände der aufgezählten Sondergruppen (§§ 16 bis 19) hinausreicht. Eine Verbindung, welche unter keine der genannten Gruppen fallt, begründet also niemals Verbundene Unternehmen. Liegt andererseits eine unter die Gruppe der §§ 16 bis 19 fallende Verbindung vor, dann sind die Unternehmen stets Verbundene Unternehmen. Wenn beispielsweise das herrschende Unternehmen A sowohl die Gesellschaft B als auch C beherrscht, andererseits aber zwischen G und B keine Verbindung besteht, dann sind nach § 17 i. V . mit § 15 nur A und B einerseits und A und C andererseits Verbundene Unternehmen, nicht aber auch B und C. Faßt jedoch das Unternehmen A die beiden von ihm beherrschten Unternehmen B und C unter seiner einheitlichen Leitung zusammen, dann liegt ein Abhängigkeitskonzern nach § 18 Abs. 1 vor; da hier jedes der drei Unternehmen ein Konzernunternehmen ist, sind nach § 15 alle drei Unternehmen Verbundene Unternehmen. Zu beachten ist, daß die in § 17 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 Satz 3 aufgestellten Vermutungen, wenn sie nicht widerlegt werden, auch die Vermutung der Verbundenheit i. S. des § 15 in sich schließt. Beherrscht A das Unternhemen B, dieses wiederum das Unternehmen G (Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft), dann sind nicht nur A mit B und B mit G, sondern auch A mit C verbunden, weil § 17 in den Begriff Abhängigkeit auch die mittelbare Abhängigkeit einbezieht. Besitzt hingegen A eine Mehrheitsbeteiligung an B, wobei B die Abhängigkeitsvermutung widerlegt hat, beherrscht aber B das Unternehmen C, dann ist A mit B nach § 16 verbunden, B mit C nach § 17, nicht aber ist A mit C verbunden, weil zwischen A und B kein Herrschaftsverhältnis besteht. Möglich ist es, daß eine Unternehmensverbindung gleichzeitig mehreren Gruppen des § 15 unterliegt. So sind beispielsweise bei Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung beide Unternehmen nach § 16 verbunden. Wird die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 nicht widerlegt, dann begründet die Mehrheitsbeteiligung auch ein Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis, also Verbundene Unternehmen nach § 17. Wird auch die in diesem Falle Platz greifende Vermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 nicht widerlegt, nämlich die Vermutung der Ausübung einheitlicher Leitungsmacht, dann sind das mit Mehrheit beteiligte und das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen auch als Konzern zu betrachten und auch aus diesem Grunde Verbundene Unternehmen. Diese Verbundenheit aus mehreren Gesichtspunkten ist für die Anwendbarkeit der anknüpfenden Vorschriften insofern von Bedeutung, als mit Wegfall der Voraussetzungen der Zugehörigkeit zu einer Sondergruppe die Unternehmen zwar gleichwohl noch Verbundene Unternehmen im Sinne des § 15 bleiben, andererseits aber bei Wegfall der Zugehörigkeit unter eine der Sondergruppen die speziell auf diese Gruppe bezogenen Vorschriften entfallen. Hat beispielsweise ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 nicht widerlegt, dann gilt es als abhängig und unterliegt allen an die Abhängigkeit anknüpfenden Bestimmungen. Diese aber entfallen bei Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung; es bleiben aber anwendbar die auf die Mehrheitsbeteiligung Bezug nehmenden Bestimmungen.

134

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 15 A n m . 4, 5

Nicht erwähnt wird bei den Unternehmensverträgen die Eingliederung (§§ 319fr.). Die eingegliederte Gesellschaft und die Hauptgesellschaft bilden jedoch stets Verbundene Unternehmen, da die Eingliederung nur bei entsprechendem Mehrheitsbesitz möglich ist, zudem auch unwiderleglich einen Abhängigkeitskonzern ( § 1 8 Abs. 1 S. 2) begründet. Anm. 4 Die an den Begriff Verbundene Unternehmen anknüpfenden Vorschriften. 1. Sie betreffen zunächst Auskunft und Publizität: a) Nach § 90 Abs. 1 hat der Vorstand dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats über Geschäftsvorgänge bei einem verbundenen Unternehmen zu berichten, welche für die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können. Nach § 90 Abs. 3 ist der Aufsichtsrat berechtigt, vom Vorstand Berichterstattung über solche Vorgänge und über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen zu verlangen. b) Nach § 131 Abs. 1 haben auch die Aktionäre in der H V ein Recht auf Auskunft über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen. In § 1 3 1 Abs. 3 Nr. 1 ist die Frage geregelt, inwieweit die Auskunft im Hinblick auf die Interessen eines verbundenen Unternehmens verweigert werden darf. c) In § 145 Abs. 4 ist die Berichtspflicht der Sonderprüfer im Hinblick auf verbundene Unternehmen geregelt. d) In derJahresbilanz sind Forderungen und Verbindlichkeiten der AG gegenüber verbundenen Unternehmen gesondert und als solche auszuweisen, § 151 Abs. 1 sub Aktiva I I I B i o und sub Passiva V I 5; dazu § 151 Abs. 3 und 5. Im Geschäftsbericht sind nach § 160 Abs. 3 Nr. 10 und Abs. 4 Angaben über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu machen und bestimmte Geschäftsvorgänge zu berichten; § 334 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 enthält eine entsprechende Regelung für den Konzerngeschäftsbericht. Es sind ferner die Bezüge, welche Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft von verbundenen Unternehmen erhalten, im Geschäftsbericht besonders anzugeben, § 160 Abs. 3 Nr. 8 und 9. e) Die unrichtige Wiedergabe der Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen ist in § 400 Nr. 1 unter Strafe gestellt. 2. Das Vorliegen eines Verbundenen Unternehmens macht Prüfer für die Prüfung der Gesellschaft inhabil, vgl. §§ 33 Abs. 5, 5a Abs. 4 für die Gründungsprüfer; § 143 Abs. 2 und 3 und § 258 Abs. 4 für die Sonderprüfer; § 164 Abs. 2 und 3 für die Abschlußprüfer. 3. Das Vorliegen von Verbundenen Unternehmen ist sodann von Bedeutung für die Frage, ob die Gesellschaft einem verbundenen Unternehmen, mit dem sie in persönlicher Verpflechtung steht, Kredit gewähren darf, §§ 89 Abs. 4, 1 1 5 Abs. 3. Anm. 5 Internationale Verbindungen Ein inländisches Unternehmen kann auch mit einem Unternehmen im Ausland gemäß § 15 verbunden sein. Hier gilt folgendes: a ) Die in Anm. 4 sub 1 a und b dargelegte Berichterstttung und das Auskunftsrecht der Aktionäre erstreckt sich auch auf die Beziehungen zu einem verbundenen Unternehmen im Ausland. b) Der gemäß Anm. 4 sub 1 d erforderliche getrennte Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten in der Bilanz der inländischen Gesellschaft gilt auch für Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber ausländischen verbundenen Unternehmen.

135

§16

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

c) Im Geschäftsbericht der inländischen Gesellschaft sind jedoch nur die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu inländischen Unternehmen darzulegen. Dasselbe gilt nach § 334 Abs. 3 Nr. 1 für den Konzerngeschäftsbericht. Dagegen sind nach § 160 Abs. 3 Nr. 8 und 9 auch Bezüge von ausländischen verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen. d) Die Strafbarkeit nach § 400 Nr. 1 besteht auch bei falscher Darstellung der Beziehungen zu ausländischen Unternehmen. e) Inhabil ist ein Abschlußprüfer auch dann, wenn eine der in § 164 genannten Verbindungen zu einem ausländischen Unternehmen vorliegt.

§

1 6

In Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen

(1) Gehört die Mehrheit der Anteile eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen oder steht einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte zu (Mehrheitsbeteiligung), so ist das Unternehmen ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen, das andere Unternehmen ein an ihm mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen. (2) Welcher Teil der Anteile einem Unternehmen gehört, bestimmt sich bei Kapitalgesellschaften nach dem Verhältnis des Gesamtnennbetrags der ihm gehörenden Anteile zum Nennkapital, bei bergrechtlichen Gewerkschaften nach der Zahl der Kuxe. Eigene Anteile sind bei Kapitalgesellschaften vom Nennkapital, bei bergrechtlichen Gewerkschaften von der Zahl der Kuxe abzusetzen. Eigenen Anteilen des Unternehmens stehen Anteile gleich, die einem anderen für Rechnung des Unternhemens gehören. (3) Welcher Teil der Stimmrechte einem Unternehmen zusteht, bestimmt sich nach dem Verhältnis der Zahl der Stimmrechte, die es aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann, zur Gesamtzahl aller Stimmrechte. Von der Gesamtzahl aller Stimmrechte sind die Stimmrechte aus eigenen Anteilen sowie aus Anteilen, die nach Absatz 2 Satz 3 eigenen Anteilen gleichstehen, abzusetzen. (4) Als Anteile, die einem Unternehmen gehören, gelten auch die Anteile, die einem von ihm abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens gehören und, wenn der Inhaber des Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, auch die Anteile, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind. Ü b ersieht Anm.

Anm.

I. Begriff Mehrheitsbeteiligung

1,2

II. Beteiligung an sonstigen Verbänden 3 I I I . Berechnung der Anteilsmehrheit bei Kapitalgesellschaften 4—8 I V . Anteilszurechnung beim Einzelkaufmann V . Wirkung der Zurechnung gemäß Abs. 4 V I . Anteilsmehrheit bei Kuxen

136

6 7 g

V I I . Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften

10

V I I I . Stimmenmehrheit in sonstigen Verbänden

11

I X . Rechtsfolgen der Mehrheitsbeteiligung X . Internationale gung

Mehrheitsbeteili-

12 13

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 16

Anm. 1, 2

E i n l e i t u n g : Im R e g E war diese Vorschrift nicht enthalten. Dort war in § 16 Abs. i das abhängige und herrschende Unternehmen entsprechend dem jetzigen § 1 7 Abs. I definiert, und in Abs. 2 war vorgesehen, daß die Mehrheitsbeteiligung eines Unternehmens an einem anderen Unternehmen die unwiderlegliche Vermutung der Abhängigkeit des anderen Unternehmens begründe. Die im jetzigen § 16 Abs. 1 enthaltene Definition des in Mehrheitsbesitz stehenden und des mit Mehrheit beteiligten Unternehmens ist vom Bundestag auf Vorschlag des Rechtsausschusses und des Wirtschaftsausschusses eingefügt worden. Im Ausschußbericht (vgl. KropfF zu § 16) ist dazu gesagt, daß mit einer Mehrheitsbeteiligung zwar in aller Regel, nicht aber schlechthin in allen Fällen ein beherrschender Einfluß verbunden sei; deshalb sei eine Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung zuzulassen; dem ist in § 17 Abs. 2 Rechnung getragen. Indem § 16 die Mehrheitsbeteiligung als eine Sondergruppe definiert und mit ihr besondere Rechtsfolgen verbindet, ist für die Anwendbarkeit dieser Rechtsfolgen lediglich das Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung maßgebend, gleichgültig, ob sie eine Abhängigkeit begründet oder nicht, ob also die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 widerlegt worden ist oder nicht.

Anm. 1 I. Der Begriff Mehrheitsbeteiligung In § 16 Abs. 1 ist vorausgesetzt, daß die Mehrheit der Anteile eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen gehört oder daß einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte zusteht. Beide Tatbestände werden unter dem Begriff „Mehrheitsbeteiligung" zusammengefaßt. Die Mehrheitsbeteiligung kann demnach sowohl auf einer Kapitalmehrheit beruhen, gleichgültig, ob sich damit auch eine Mehrheit der Stimmrechte verbindet, als auch auf einer Mehrheit der Stimmrechte, gleichgültig, ob mit den Stimmrechten auch eine Kapitalmehrheit verbunden ist. Dasjenige Unternehmen, welches die Mehrheit der Anteile besitzt oder dem die Mehrheit der Stimmen zusteht, wird als „mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen" bezeichnet; jenes Unternehmen, an welchem die Beteiligung bzw. die Stimmrechte bestehen, ist das „in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen". Erforderlich ist jedoch, daß die kapitalmäßige oder stimmenmäßige Mehrheit einem Unternehmen zusteht. Unternehmen bedeutet hier jede rechtsfähige Handelsgesellschaft, auch wenn sie keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhält, ferner jedes Unternehmen im ökonomischen Sinne, gleichgültig, in welcher Rechtsform es betrieben wird. Auf einen privaten Aktionär oder eine Wohltätigkeitsstiftung trifft § 16 nicht zu; vgl. Vorbemerkung zu den §§ 1 5 — 1 9 sub. I I .

Anm. 2 Da das Aktiengesetz aus der Mehrheitsbeteiligung nur Folgerungen für die A G (— gemäß § 278 Abs. 3 auch für die K o A G —) ableitet, erlangt § 16 Abs. 1 nur Bedeutung, wenn eines der beiden Unternehmen eine A G ist, wenn also entweder ein Unternehmen an einer A G mit Mehrheit beteiligt ist oder umgekehrt eine A G eine Mehrheitsbeteiligung an einem anderen Unternehmen besitzt. Das andere Unternehmen kann in beiden Fällen selbst wieder eine A G sein, aber auch ein Unternehmen beliebiger anderer Rechtsform. Uber den Begriff „Unternehmen" s. Vorbemerkung vor den § § 1 5 bis ig sub II. Da von der im Mehrheitsbesitz eines anderen Unternehmens stehenden A G nach § 17 Abs. 2 vermutet wird, daß die A G von diesem Unternehmen abhängig ist, und auch umgekehrt die Vermutung gilt, daß ein im Mehrheitsbesitz der A G stehendes anderes Unternehmen von der A G beherrscht wird, greifen, sofern die Vermutung nicht widerlegt wird, neben den lediglich auf die Mehrheitsbeteiligung anknüpfenden Vorschriften auch jene Vorschriften Platz, welche für den Fall der Abhängigkeit der A G von einem anderen Unternehmen bzw. der Abhängigkeit eines anderen Unternehmens von der A G gelten (s. § 17 Anm. 12).

137

§16 Anm. 3, 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 3 II. Beteiligung an sonstigen Verbänden In § 16 Abs. i ist gesagt, daß eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt sowohl bei Besitz der Mehrheit der Anteile als auch bei Besitz der Mehrheit der Stimmen. In Abs. 2 ist die Frage geregelt, wie sich der Anteilsbesitz errechnet, wenn ein Unternehmen an einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft beteiligt ist; Abs. 2 betrifft daher einen besonderen Fall; er besagt dagegen nichts über die Berechnung des Anteilsbesitzes, wenn eine A G an einem anderen Unternehmen beteiligt ist, das keine Kapitalgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft ist. Wenn nun Abs. i von der „Mehrheit der Anteile" spricht, so darf daraus nicht gefolgert werden, daß etwa die Beteiligung der A G an einer Personengesellschaft des Handelsrechts von Abs. i überhaupt nicht erfaßt sei, weil dort ein Gesellschafter nicht mehrere Anteile, sondern nur einen größeren Anteil haben könne. Es kommt vielmehr nur darauf an, daß an dem Unternehmen überhaupt Anteile existieren, daß also das Unternehmen eine rechtliche Struktur hat, gemäß welcher den Gesellschaftern oder Mitgliedern quotenmäßige oder durch Nennbetrag bestimmte Anteile am Gesellschaftsvermögen zustehen. Dieses trifft bei der OHG und K G für den Kapitalanteil zu; er verschafft der A G eine Mehrheitsbeteiligung, wenn der Buchbetrag ihres Kapitalanteils größer ist als die Summe der den übrigen Gesellschaftern zustehenden Anteile. Anteile am Gesamthandsvermögen bestehen auch bei der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, wenn bei ihr ein gemeinsames Vermögen gebildet ist (§§ 719, 725 BGB). Auch ein wirtschaftlicher Verein gemäß § 22 BGB, Art. 82 E G B G B kann eine Struktur haben, nach welcher die Mitglieder mit Anteilen am Vereinsvermögen beteiligt sind. Nicht existieren solche Anteile beim rechtsfähigen idealen Verein, bei einer Stiftung, auch nicht bei einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Die sogenannten Pensions- oder Versorgungskassen, welche innerhalb eines Konzerns von den Konzerngesellschaften in Form eines V V a G errichtet sind, können nicht auf Grund „Anteilsmehrheit" im Mehrheitsbesitz einer Konzerngesellschaft stehen. Dasselbe gilt von der Beteiligung des stillen Gesellschafters. Uber die Frage, ob in diesen Fällen eine auf Stimmenmehrheit beruhende Mehrheitsbeteiligung möglich ist, s. Anm. 1 1 . Die Anteile müssen am Kapital der Gesellschaft bestehen; bloße Gewinnbeteiligungen gehören nicht hierher. Gewinnschuldverschreibungen oder auf Gewinnanteil beschränkte Genußrechte sind nicht Anteil im Sinne des Abs. 1. Auch Bezugsrechte auf Anteile scheiden aus; Wandelschuldverschreibungen können als solche keine kapitalmäßige Mehrheitsbeteiligung verschaffen.

Anm. 4 III. Berechnung der Anteilsmehrheit bei Kapitalgesellschaften, § 16 Abs. 2 Diese Vorschrift wurde lt. Amtl. Begr. aufgenommen um klarzustellen, daß bei der Berechnung der Kapitalbeteiligung nicht die Zahl der Anteile, sondern ihr Nennbetrag im Verhältnis zum Nennkapital maßgebend ist. Zunächst ist der Gesamtnennbetrag der dem beteiligten Unternehmen gehörenden Aktien bzw. Geschäftsanteile (§14 GmbHG) zu ermitteln. Für die Berechnung dieses Betrages ist es ohne Belang, ob die Stimmenzahl etwa nach § 134 Abs. 1 Satz 2 limitiert ist oder ob es sich um stimmrechtslose Vorzugsaktien handelt. Die Vorschrift des § 140 Abs. 2 Satz 2, wonach die stimmrechtslosen Vorzugsaktien bei Berechnung einer nach Gesetz oder Satzung erforderlichen Kapitalmehrheit nur dann zu berücksichtigen sind, wenn diese Aktien das Stimmrecht gewähren, gilt hier nicht, da diese Vorschrift sich nur auf Beschlußfassungen bezieht, bei denen eine Kapitalmehrheit erforderlich ist. In Abs. 1 hingegen kommt es nur auf den Besitz von Beteiligungen an. Es ist daher auch unerheblich, ob diese Beteiligungen voll eingezahlt sind oder nicht oder ob das damit ver-

138

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 16

Anm. 5, 6 bundene Stimmrecht ruht. Es ist ferner unerheblich, ob die dem Unternehmen gehörenden Aktien gemäß § 20 angezeigt sind oder ob sie wegen Unterlassung der Anzeige nach § 20 Abs. 7 keine Rechte gewähren.

Anm. 5 Die Zurechnung gemäß Abs. 4 Nach Abs. 4 sind zu den Anteilen, welche dem an der Gesellschaft beteiligten Unternehmen gehören, auch jene Anteile hinzuzurechnen, welche einem Unternehmen gehören, das von dem beteiligten Unternehmen abhängig ist oder welche einem Dritten gehören, der solche Anteile entweder für Rechnung des beteiligten Unternehmens selbst oder für Rechnung des von diesem abhängigen Unternehmens besitzt. Die Zurechnung trägt dem Umstand Rechnung, daß das herrschende Unternehmen auch über den Anteilsbesitz des von ihm abhängigen Unternehmens verfügen kann. Besitzt die Gesellschaft A und das von ihr abhängige Unternehmen B j e 30 % Anteile der Gesellschaft C, dann ist G von A abhängig, weil A über 60 % Anteile verfügt. Die Zurechnung setzt A b h ä n g i g k e i t des anderen Unternehmens voraus. Soweit die mit dem Mehrheitsbesitz verbundenen Konsequenzen der Vermögenssicherheit der herrschenden Gesellschaft dienen (vgl. §§56 Abs. 2, 71 Abs. 4), käme konsequenterweise nur eine auf finanzieller Beteiligung der herrschenden Gesellschaft beruhenden Abhängigkeit in Betracht. Das Gesetz indessen hat eine solche Einschränkung nicht vorgenommen. Zweifelhaft ist, ob die dem abhängigen Unternehmen B gehörenden Anteile an der Gesellschaft G der herrschenden Gesellschaft A nur zugerechnet werden, wenn A auch selbst an C beteiligt ist oder ob eine Zurechnung unabhängig von einer unmittelbaren Beteiligung der A an C erfolgt. Für die erstere Auffassung spricht die Gesetzesformulierung „gelten a u c h die Anteile", welche daraufschließen läßt, daß das herrschende Unternehmen selbst Beteiligungen an der dritten Gesellschaft besitzen müsse; so Würdinger, Aktienrecht (1966) S. 269; Falkenhausen, BB. 1966, 875; gegenteiliger Meinung jedoch Bernhardt, BB 1966, 68; Müller A G . 1968, 277. Die gegenteilige Meinung fuhrt dazu, daß, wenn A an B, B an C, G wiederum an A jeweils mit Mehrheit beteiligt ist, die Zurechnung zu einem perpetuum mobile wird. Sie führt ferner dazu, daß A gegenüber C mitteilungspflichtig wäre, obgleich A realiter keine Aktie an G besitzt, während ein nur mittelbares Herrschaftsverhältnis der Mitteilungspflicht nicht unterliegt, s. § 20 Anm. 7. Die andere Auffassung aber, daß eine Zurechnung des Anteilsbesitzes des abhängigen Unternehmens zum Besitz der herrschenden Gesellschaft nur dann erfolgt, wenn auch die herrschende Gesellschaft selbst Anteile an G innehat, führt dazu, daß, wenn A an B mit 60 % beteiligt ist und B an G eine ebenso große Beteiligung besitzt, aber die Abhängigkeitsvermutung zwischen B und C widerlegt wird, die Gesellschaft C Anteile der A erwerben darf, weil die Verbote der §§ 56 Abs. 2, 71 Abs. 4 mangels A b hängigkeit der G und mangels Mehrheitsbeteiligung der A an G entfallen. Dieses jedoch kann hingenommen werden, weil C hier mangels Abhängigkeit von A zu biesem Aktienerwerb nicht gezwungen werden kann, sondern auf Grund eigener freier Entschließung handelt. Es verdient daher die Auffassung den Vorzug, daß eine Zurechnung nach Abs. 4 nur stattfindet, wenn auch das herrschende Unternehmen selbst Anteile an der dritten Gesellschaft besitzt. Uber die Mitteilungspflicht s. § 20 Anm. 7.

Anm. 6 IV. Anteilszurechnung beim Einzelkaufmann In Abs. 4 ist für den Fall, daß der Inhaber eines Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, noch bestimmt, daß zu den Anteilen, die zu dem Unternehmen gehören, auch jene Anteile zählen, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind. Es soll damit verhindert werden, daß ein Einzelunternehmer das Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung dadurch soll vermeiden können, daß er einen Teil der Anteile als zu seinem Privatvermögen gehörig deklariert. Die Fassung dieser erst vom Bundestag eingefügten Regelung ist jedoch mißglückt. Z u m einen kanii es nicht darauf ankommen, ob das Einzelunternehmen

139

§16

Anm. 7, 8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

dem Inhaber die Kaufmannseigenschaft gemäß dem H G B verleiht, sondern nur darauf, daß es sich um ein Unternehmen handelt (s. Vorbemerkung vor §§ 15 bis 19 sub II). Z u m anderen besteht Meinungsverschiedenheit darüber, ob diese Vorschrift nur den Fall betrifft, daß überhaupt Anteile im Unternehmen des Einzelkaufmanns liegen (so Schäfer BB1966, 229; Müller A G 1968, S.278) oder ob beim Einzelkaufmann die Zugehörigkeit von Aktien zu seinem Privatvermögen völlig ausgeschlossen ist, da sie stets als zu seinem Unternehmen gehörend gelten (so v. Godin-Wilhelmi § 16 Anm. 5; Baumbach-Hueck §16 Anm.8).Es kann jedoch nicht angehen, daß, wenn der Inhaber eines kleinen Geschäfts Aktien erbt, sein Geschäft und die Gesellschaft dadurch zu Verbundenen Unternehmen werden. Vorausgesetzt ist auch beim Einzelunternehmer, daß ein Teil der Anteile zu seinem Unternehmen gehören. V o n praktischer Bedeutung ist diese Frage insbesondere für die öffentliche Hand, wenn sie in eigener Regie ein Unternehmen betreibt, insoweit vielleicht auch Kaufmannseigenschaft genießt, andererseits auch Aktien einer Gesellschaft besitzt, welche mit dem in eigener Regie betriebenen Unternehmen nichts z u tun haben (s. Vorbemerkung vor §§ 15 bis 19 sub II 1). Soll die Beteiligung eines Einzelkaufmanns oder die Beteiligung der öffentlichen Hand an einer Gesellschaft z u m Betriebsvermögen des Handelsgeschäftes des Kaufmanns gerechnet werden bzw. als zu jenem Unternehmen gehörend gelten, welches die öffentliche Hand in eigener Regie betreibt, dann muß die Beteiligung auch im Rahmen dieses Unternehmens verwaltet und ausgeübt werden, was nur angenommen werden kann, wenn zwischen dem eigenen Unternehmen des Kaufmanns oder der öffentlichen Hand und jener Gesellschaft, an welcher die Beteiligung besteht, entsprechende Geschäftsbeziehungen bestehen. Die für den Einzelkaufmann aufgestellte Regelung gilt nicht, auch nicht entsprechend, für Anteile, die sich im Privatvermögen des Gesellschafters einer Personengesellschaft befinden, selbst wenn dieser die Geschäfte der Gesellschaft führt (ebenso Leo, A G 1965, 353; Schäfer BB 1966, 231; Müller, A G 1968, S. 279 Baumbach-Hueck § 1 6 Anm. 8).

Anm. 7 V. Wirkung der Zurechnung gemäß Abs. 4 Die Zurechnung erfolgt lediglich zum Zwecke der Feststellung und Berechnung der Mehrheitsbeteiligung und der Anwendbarkeit der damit verbundenen Rechtsfolgen (s. unten Anm. 12). Durch die Zurechnung des Anteilsbesitzes des abhängigen Unternehmens B an der Gesellschaft C zum Anteilsbesitz der herrschenden Gesellschaft A an C hört jedoch B nicht auf, selbst an C beteiligt zu sein. B und C bleiben daher verbundene Unternehmen gem. § 15. Besitzt A an C 1 0 % Anteile, das von A beherrschte Unternehmen B 60 % Anteile an C, dann kommen die Rechtsfolgen der Mehrheitsbeteiligung sowohl im Verhältnis B — C , als auch im Verhältnis A — C zur Anwendung und die Abhängigkeit der C besteht hier unmittelbar gegenüber B und mittelbar gegenüber A . Auch die Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 greift sowohl gegenüber B als auch gegenüber A Platz. Uber die Mitteilungspflicht s. § 20 Anm. 7.

Anm. 8 Dem nach A n m . 4 zu ermittelnden Anteilsbesitz ist alsdann das Nennkapital der Gesellschaft gegenüberzustellen. Grundsätzlich ist der in der Satzung (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 A k t G , § 3 Abs. 1 Nr. 3 G m b H G ) genannte Betrag maßgebend, gleichgültig, ob er voll eingezahlt ist oder nicht. Nachschüsse, welche in die G m b H geleistet werden, gehören nicht zum Stammkapital. Außer Betracht bleibt auch genehmigtes, aber noch nicht begebenes Kapital. V o n dem Nennkapital der Gesellschaft sind jedoch nach § 16 Abs. 2 Satz 3 abzuziehen eigene Anteile, welche der Gesellschaft selbst gehören, ebenso Antaile, welche einem Dritten für Rechnung der Gesellschaft gehören. Betragen die dem Unternehmen gehörenden bzw. zuzurechnenden Anteile mehr als die Hälfte des so ermittelten Nennkapitals, dann liegt eine Mehrheitsbeteiligung des Unternehmens vor.

140

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ Ii

Anm. 9—11

Anm. 9 VI. Anteilsmehrheit bei Kuxen Steht die Beteiligung einer bergrechtlichen Gewerkschaft in Frage, dann ist zunächst die Zahl der Kuxe festzustellen, welche dem beteiligten Unternehmen gehören bzw. ihm nach Abs. 4 zugerechnet werden. Sie sind in Beziehung zu setzen zur Gesamtzahl der vorhandenen Kuxe, von welcher jedoch abzurechnen sind eigene Kuxe der Gewerkschaft und Kuxe, welche einem Dritten für Rechnung derselben gehören.

Anm. 10 VII. Mehrheit der Stimmrechte (Abs. 3) Um die Zahl der dem beteiligten Unternehmen zustehenden Stimmen zu ermitteln, ist gemäß Abs. 3 zunächst festzustellen, welche Anteile dem Unternehmen gehören bzw. welche ihm nach Abs. 4 zuzurechnen sind (s. Anm. 4 u. 5). Nur die mit diesen Anteilen verbundenen Stimmrechte kommen in Betracht. Es sind deshalb nicht zu berücksichtigen die Stimmrechte aus Anteilen dritter Personen, über deren Geltendmachung das beteiligte Unternehmen auf Grund vertraglicher Stimmrechtsbindung verfügen kann. Alsdann ist zu ermitteln, wie viele Stimmen das beteiligte Unternehmen aus diesen ihm gehörenden Anteilen auszuüben berechtigt ist. Dieses ist etwas anderes ab die Zahl der mit diesen Anteilen verbundenen Stimmen. Bei Beschränkung der Stimmenzahl gemäß § 134 Abs. 1 Satz 2 sind mit den Anteilen die Stimmrechte sehr wohl verbunden; sie können jedoch nicht ausgeübt werden. Dasselbe gilt für Aktien, deren Besitz von dem Unternehmen der Gesellschaft nicht angezeigt worden ist und aus denen daher gemäß § 20 Abs. 7 Rechte nicht geltend gemacht werden können. Solche Aktien sind zwar bei der Berechnung der Kapitalmehrheit zu berücksichtigen, nicht aber bei der Berechnung der Stimmenmehrheit. Aus Vorzugsaktien ohne Stimmrecht kann ein Stimmrecht nur unter der Voraussetzung des § 140 Abs. 2 ausgeübt werden. Andererseits zählen nur jene Stimmen nicht, welche von den beteiligten Unternehmen dauernd nicht ausgeübt werden können; das Ruhen des Stimmrechts bei bestimmten Beschlüssen (§ 136 Abs. 1) bleibt daher außer Betracht. Die so ermittelte Stimmenzahl der von dem Unternehmen aus seinen Anteilen ausübbaren Stimmen ist in Beziehung zu setzen „zur Gesamtzahl aller Stimmrechte". Diese Formulierung gibt zu Zweifeln darüber Anlaß, ob darunter zu verstehen ist die Gesamtzahl aller mit sämtlichen Anteilen verbundenen Stimmrechte oder nur die Gesamtzahl aller ausübbaren Stimmrechte. Im letzteren Fall würde eine Stimmrechtsbeschränkung gemäß § 134 Abs. 1 Satz 2 auch bei der Gesamtzahl zu berücksichtigen sein, ebenso die Beschränkung der Stimmrechte aus Aktien, welche einem von der Gesellschaft abhängigen Unternehmen gehören; desgleichen die nach § 20 Abs. 7 ruhenden Stimmen in der Hand eines dritten Aktionärs, der seine meldepflichtige Beteiligung nicht angezeigt hat. Da jedoch die Gesamtzahl der „ausübbaren" Stimmen vielfach von Umständen in der Person dritter Aktionäre abhängt, welche nicht feststellbar sind, muß die Gesamtzahl aller Stimmen in abstracto maßgebend bleiben, wobei jedoch auch § 134 Abs. 2 zu berücksichtigen ist. Von dieser Gesamtzahl aller Stimmen sind nur nach Abs. 3 Satz 2 die Stimmen aus eigenen Anteilen sowie aus Anteilen, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören, abzuziehen.

Anm. 11 VIII. Stimmenmehrheit in sonstigen Verbänden Die in Abs. 3 geregelte Methode der Berechnung der Stimmenmehrheit ist jedoch, wie ein Vergleich des Wortlautes mit Abs. 2 ergibt, nicht auf Stimmrechte beschränkt, welche in einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft bestehen. Die Regelung gilt vielmehr auch für jene Fälle, da eine A G ihrerseits an einem Unternehmen anderer Art beteiligt ist. Hier aber ergibt sich folgende Besonderheit. Indem nach Abs. 3

141

§16

Anm. 12

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

nur jene Stimmen maßgebend sind, welche die beteiligte A G „aus den ihr gehörenden Anteilen" ausüben kann, kann eine stimmenmäßige Mehrheitsbeteiligung nur gegeben sein, wenn das Unternehmen eine rechtliche Struktur aufweist, welche Anteile an seinem Vermögen kennt, mit denen sich Stimmrechte verbinden. Dieses ist, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes ergibt, bei der O H G und K G nicht der Fall; auch nicht bei der stillen Gesellschaft; auch nicht beim W a G , an dessen Vermögen nicht einmal Anteile der Mitglieder bestehen. A n einer O H G oder K G kann daher zwar eine kapitalmäßige Mehrheitsbeteiligung der A G bestehen und im Falle einer auf Gesellschaftsvertrag beruhenden Stimmenmehrheit ein Beherrschungsverhältnis nach § 17 vorliegen, grundsätzlich aber nicht eine stimmenmäßige Mehrheitsbeteiligung. A n einem W a G ist eine Mehrheitsbeteiligung überhaupt nicht möglich. Steht hier einem Mitglied auf Grund statutarischer Regelung die Mehrheit der Stimmen zu, dann kommt nur Abhängigkeit nach § 17 Abs. 1 in Betracht. Diese sich aus Abs. 3 ergebende Einschränkung hat ihren guten Grund. Die Vorschriften, welche den Fall betreffen, daß eine A G an einem anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung besitzt, bezwecken den Schutz des Vermögens der beteiligten A G (§§ 56, 71). Dieser Schutz ist nur geboten bei einer kapitalmäßigen Beteiligung der A G an dem anderen Unternehmen.

Anm. 12 IX. Rechtsfolgen der Mehrheitsbeteiligung Die an die Mehrheitsbeteiligung anknüpfenden Vorschriften: a ) Das im Mehrheitsbesitz eines anderen Unternehmens stehende und das an ihm mit Mehrheit beteiligte Unternehmen sind nach § 15 „Verbundene Unternehmen". Sie unterliegen daher den für Verbundene Unternehmen geltenden Vorschriften, s. § 15 Anm. 4. b ) Nach § 20 Abs. 4 hat ein Unternehmen, sobald ihm an einer A G mit Sitz im Inland eine Mehrheitsbeteiligung zusteht, dieses der Gesellschaft mitzuteilen; dieselbe Mitteilungspflicht besteht nach § 2 1 Abs. 2 für die A G , wenn ihr eine Mehrheitsbeteiligung an Kapitalgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft gehört (s. Erl. zu §§'20 und 21). c ) Ein im Mehrheitsbesitz der A G stehendes Unternehmen darf keine Aktien der Gesellschaft zeichnen oder beziehen, § 56 Abs. 2; zeichnet ein Dritter Aktien für Rechnung eines Unternehmens, welches im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft steht, dann gilt § 56 Abs. 1. d ) Nach § 71 Abs. 1 sind in den Gesamtnennbetrag von 1 0 % des Grundkapitals, bis zu welchem der Gesellschaft der Erwerb eigener Aktien erlaubt ist, auch jene Aktien einzubeziehen, welche einem im Mehrheitsbesitz der A G stehenden Unternehmen gehören oder welche ein Dritter für Rechnung desselben besitzt. Nach § 71 Abs. 4 darf ein im Mehrheitsbesitz der A G stehendes Unternehmen Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nur insoweit erwerben oder in Pfand nehmen, als der Erwerb der A G selbst gestattet wäre. Nach § 71 Abs. 5 ist ein Rechtsgeschäft zwischen einem im Mehrheitsbesitz der A G stehenden Unternehmen und einem Dritten, wonach der Dritte berechtigt oder verpflichtet sein soll, Aktien der mehrheitsbeteiligten Gesellschaft für Rechnung der Gesellschaft selbst oder für Rechnung eines im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehenden Unternehmens zu erwerben oder als Pfand zu nehmen, nichtig, soweit der Erwerb nicht zulässig ist. e ) Wenn eine im Mehrheitsbesitz einer anderen Kapitalgesellschaft oder einer bergrechtlichen Gewerkschaft stehende A G ihrerseits Anteile der an ihr mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft besitzt, so sind diese Anteile in der Bilanz der A G gesondert auszuweisen, § 151 Abs. 1 sub Aktiva I I I B 9; sie dürfen gemäß § 151 Abs. 3 nicht unter einem anderen Posten aufgeführt werden.

142

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 16

Anm. 13

f ) Nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 hat die AG im Geschäftsbericht Angaben zu machen über Aktien, welche im Falle der Neuemission ein im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen bzw. ein Dritter für Rechnung desselben übernommen hat. Desgleichen ist zu berichten über den Bestand an Aktien der Gesellschaft, die ein in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein Dritter für Rechnung desselben derivativ erworben hat. Nach § 160 Abs. 3 Nr. 11 hat die AG auch zu berichten, wenn ein an ihr mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen diese Beteiligung nach § 20 Abs. 4 angezeigt hat. g) In § 305 Abs. 2 Nr. 2 ist die bei Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages zu leistende Abfindung geregelt, wenn das Unternehmen, welches mit der AG einen solchen Unternehmensvertrag schließt, seinerseits eine im Mehrheitsbesitz eines dritten Unternehmens stehende AG ist. h) Nach § 329 Abs. 2 ist in den Konzernabschluß grundsätzlich jedes Konzernunternehmen mit Sitz im Inland einzubeziehen, dessen Anteile zu mehr als der Hälfte Konzernunternehmen gehören. Zu a) bis h): Die vorstehend genannten, mit der Mehrheitsbeteiligung verbundenen Rechtsvorschriften kommen zur Anwendung ohne Rücksicht darauf, ob die Mehrheitsbeteiligung eine Abhängigkeit begründet oder nicht, also auch dann, wenn die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 widerlegt worden ist. i) Nach § 17 Abs. 2 wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Wird diese Vermutung nicht widerlegt, dann greifen außer den vorstehencl sub a) bis h) genannten Bestimmungen auch die weitergehenden Vorschriften Platz, welche mit der Abhängigkeit verbunden sind (s. § 17 Anm. 12). k) Wenn im Falle wechselseitiger Beteiligung zwischen Kapitalgesellschaft und bergrechtlicher Gewerkschaft einem der beiden Teile an dem anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung zusteht, dann gilt nach § 19 Abs. 2 das mit Mehrheit beteiligte Unternehmen unwiderleglich als herrschendes und das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen als abhängiges Unternehmen. Gehört jedem der wechselseitig beteiligten Unternehmen an dem anderen eine Mehrheitsbeteiligung, dann gelten nach § 19 Abs. 3 beide Unternehmen unwiderleglich als herrschend und als abhängig.

Anm. 13 X. Internationale Mehrheitsbeteiligung 1 . Ein ausländisches Unternehmen besitzt eine Mehrheitsbeteiligung an einer inländischen AG. Hier kommen folgende Grundsätze zur Anwendung: a) Das ausländische Unternehmen und die inländische Gesellschaft sind verbundene Unternehmen gem. § 15; über die daraus sich ergebenden Rechtsfolgen s. § 15 Anm. 5. b) Das ausländische Unternehmen hat seine Mehrheitsbeteiligung der inländischen Gesellschaft nach § 20 Abs. 4 mitzuteilen, weil diese Mitteilung die Voraussetzung für die Geltendmachung der Rechte im Inland bildet und für die Regelung dieser Voraussetzung das deutsche Recht zuständig ist; s. § 20 Anm. 15. c) Steht eine inländische Gesellschaft in Mehrheitsbesitz einer ausländischen AG., dann beurteilt sich die Frage, ob die inländische Gesellschaft Aktien der ausländischen Gesellschaft zeichnen oder erwerben darf, nach ausländischem Recht. Ob im Ausland ein Verstoß gegen die §§ 56, 71 AG, falls das ausländische Recht entsprechende Verbote nicht enthält, berücksichtigt wird, entscheidet das ausländische Recht. d) Wenn die in Mehrheitsbesitz einer ausländischen Kapitalgesellschaft stehende inländische AG ihrerseits Anteile an dieser Auslandsgesellschaft besitzt, dann hat die inländische Gesellschaft diese Anteile gem. § 151 Abs. 1, Aktiva III B 9, in ihrer Bilanz gesondert auszuweisen.

143

Erstes Buch: Aktiengesellschaft e) Uber die Abfindungsregelung des § 305 Abs. 2 Nr. 2, welche Platz greift, wenn eine im Mehrheitsbesitz stehende ausländische Gesellschaft mit einer inländischen A G einen Beherrschungsvertrag schließt, s. Erl. zu § 305. f) Die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 greift auch gegenüber einem mit Mehrheit beteiligten ausländischen Unternehmen Platz. Uber die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen s. § 17 Anm. 13. g ) Die in § ig Abs. 2 und 3 im Falle wechselseitiger Beteiligung aufgestellten unwiderleglichen Vermutungen der Abhängigkeit bei Vorliegen von Mehrheitsbeteiligungen gelten nicht bei gegenseitigem Anteilsbesitz zwischen einem deutschen und einem ausländischen Unternehmen, da der Begriff wechselseitige Beteiligungen auf Unternehmen mit Sitz im Inland beschränkt ist. Es greift daher nur die widerlegliche Vermutung des § 17 Abs. 2 Platz. 2. Ein deutsches Unternehmen besitzt eine Mehrheitsbeteiligung an einer ausländischen Gesellschaft. a ) Auch hier greift die Abhängigkeitsvermutung des § 1 7 Abs. 2 Platz mit den in § 17 Anm. 5 dargelegten Rechtsfolgen. b ) Die rechtliche Stellung des mit Mehrheit beteiligten inländischen Unternehmens gegenüber der ausländischen Gesellschaft beurteilt sich nach ausländischem Recht. Ist jedoch das inländische Unternehmen eine A G , dann wirken die aus den §§ 56 Abs. 2, 71 Abs. 4 sich ergebenden Schranken auch gegenüber dem ausländischen Unternehmen. Dieses ist zwar nicht den Verboten des deutschen Rechts unterworfen. Selbst wenn jedoch das ausländische Recht in solchen Fällen den Anteilserwerb zuläßt, würde dieser Erwerb innerhalb des deutschen Rechtsbereiches gem. Art. 30 E G B G B soweit nicht anerkannt werden, als das deutsche Recht Schranken setzt. Nach § 56 Satz 2 macht ein Verstoß gegen das Verbot den Erwerb nicht unwirksam. Es greift jedoch gegenüber dem ausländischen Unternehmen die Abhängigkeitsvermutung nach § 17 Abs. 2 und damit das Ruhen des Stimmrechts gem. § 136 Abs. 2 Platz. c ) Die inländische Gesellschaft hat nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 in ihrem Geschäftsbericht Angaben zu machen über Aktien von ihr, welche das ausländische Unternehmen erworben hat.

§

1 7 A b h ä n g i g e und h e r r s c h e n d e U n t e r n e h m e n

(1) Abhängige Unternehmen sind rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. (2) Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Übersicht I. Begriff herrschendes u. abhängiges Unternehmen

1—5

II. Beherrschung mittels Beteiligung

6

III. Beherrschung auf Grund Satzungsregelung IV. Beherrschung mittels Vertrages V. Leitung ohne Beherrschung VI. Mittelbare Beherrschung

144

VII. Beherrschung durch mehrere Unternehmen

11

VIII. Rechtsfolgen der Abhängigkeit

12

IX. Internationale Unternehmens7

Verbindung

13

8

X . Die Abhängigkeitsvermutung

14

9

X I . Widerlegung der Vermutung

15—17

10

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 17 Anm. 1, 2

Einleitung: In § 15 Abs. 2 AktG 1937 war bestimmt, daß, wenn ein rechtlich selbständiges Unternehmen auf Grund von Beteiligungen oder sonst unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluß eines anderen Unternehmens steht, das herrschende und das abhängige Unternehmen zusammen als Konzern gelten. In dieser Vorschrift war einerseits der Begriff Abhängigkeit definiert, andererseits war mit ihr unwiderleglich das Vorliegen eines Konzerns verbunden; hierbei aber war offen geblieben, ob hier für das Vorliegen eines Konzerns die bloße Möglichkeit der Ausübung der Herrschaftsmacht genüge oder ob ebenso, wie nach Abs. 1 dieser Vorschrift, die Ausübung derselben im Sinne einheitlicher Leitung erforderlich war. Das Aktiengesetz 1965 hat diese Frage geklärt. In § 17 ist durch die Schlußworte „Einfluß ausüben kann" geklärt, daß für die Abhängigkeit die bloße Möglichkeit der Herrschaftsausübung genügt. Andererseits ist in § 18 Abs. 1 gesagt, daß für den Konzern die Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung, mithin die Ausübung der Leitungsmacht erforderlich ist. Bei vorliegender Abhängigkeit wird jedoch gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 die Ausübung einheitlicher Leitungsmacht vermutet (s. § 18 Anm. 9). Im übrigen lehnt die in § 17 Abs. 1 umschriebene Abhängigkeit sich an die in § 15 Abs. 2 AktG 1937 enthaltene Begriffsbestimmung an. Verzichtet ist auf die Einbeziehung der Beteiligung als Mittel der Herrschaftsmacht. I . Begriff herrschendes und abhängiges Unternehmen Anm. 1 Der in § 17 Abs. 1 umschriebene Begriff Abhängigkeit ist, da das AktG mit ihm nur Konsequenzen für die A G verbindet, nur von Bedeutung, wenn wenigstens einer der beiden Teile eine A G (bzw. eine KoAG, § 278 Abs, 3) ist. Die A G kann hierbei das herrschende oder das abhängige Unternehmen sein, indem für beide Fälle Konsequenzen gezogen sind (s. Anm. 12). Der Begriff Abhängigkeit setzt voraus, daß auch der andere Teil ein rechtlich selbständiges Unternehmen darstellt. Nur wenn das herrschende Subjekt ein Unternehmen ist, kann eine Abhängigkeit i, S. des § 17 vorliegen. Das gilt auch für die EinmannGesellschaft (s. § 1 Anm. 3off.) gegenüber ihrem Alleingesellschafter. Von einem privaten Aktionär ist die Gesellschaft nicht abhängig i. S. des §17, mag er auch Alleinaktionär sein. Uber den Begriff Unternehmen s. Vorbemerkung vor §§ 15 bis 19 sub II. Anm. 2 An den Zustand der Abhängigkeit knüpfen schwerwiegende Rechtsfolgen an. Ein HV-Beschluß kann anfechtbar sein, weil ein abhängiges Unternehmen aus den ihm gehörenden Aktien unzulässigerweise das Stimmrecht ausgeübt hat (§ 136 Abs. 2). Nach § 164 sind Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bei Abhängigkeit von der zu prüfenden A G inhabile Prüfer; werden sie gleichwohl tätig, dann hat das Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses zur Folge (§ 256 Abs. i,Nr. 3). Bei Abhängigkeit einer A G von einem anderen Unternehmen greifen die Konzernvermutung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 und die §§ 311 ff. Platz, weicht den Status der Gesellschaft berühren. In der amtlichen Begr. zu § 16 RegE ist gesagt: „Häufig wird es zweifelhaft sein, ob ein Unternehmen in der Lage ist, beherrschenden Einfluß auszuüben. Diese Unsicherheit ist für den Rechtsverkehr nicht ungefährlich, weil an den Abhängigkeitsbegriff mehrere Verbotsvorschriften anknüpfen". Die Unsicherheit der Feststellung, ob eine Abhängigkeit vorliegt, ist deshalb groß, weil es nicht darauf ankommt, ob der beherrschende Einfluß tatsächlich ausgeübt wird, sondern die bloße Möglichkeit der Ausübung genügt (s. Anm. 4). Das gilt insbesondere, wenn in den Begriff Abhängigkeit auch der Zustand rein tatsächlicher Abhängigkeit einbezogen wird, wie es nach allgemeiner Auffassung geschieht; vgl. Schlegelberger-Quasowski, § 15 Anm. 13; Großkomm. A G (2. Aufl. 1957) § 15 Anm. 4; auch Godin-Wilhelmi, A G 1965, § 17 Anm. 2. Dem Postulat, den an die Abhängigkeit anknüpfenden Schutzvorschriften und den die Ausschaltung von Mißbrauch bezweckenden 10

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

145

§17 Anm. 3

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Verboten durch weite Ausdehnung des Abhängigkeitsbegriffs weiten R a u m zu geben, steht das Postulat der Rechtssicherheit gegenüber. Es ist daher erforderlich, den Begriff Abhängigkeit soweit als möglich zu präzisieren und übertriebener Ausdehnung Schranken zu setzen. Aus der Verschiedenheit der Zwecke der einzelnen Rechtsfolgen, welche an die Abhängigkeit anknüpfen, ergibt sich auch, daß der Begriff Abhängigkeit nicht notwendig in allen Fällen gleich weit zu interpretieren ist. Die Problematik des Abhängigkeitsbegriffs besteht in der Frage, nach welchen Gesichtspunkten er zu orientieren ist, ob er qualitativ zu erfassen ist als ein Zustand, der durch spezielle Merkmale gekennzeichnet ist, oder ob lediglich Quantitätsmerkmale entscheiden. Die Formulierung des § 1 7 Abs. 1 gibt hierüber Aufschluß insofern, als dort ein „herrschender Einfluß", vorausgesetzt ist, den ein Unternehmen auf ein anderes ausüben kann. Die Abhängigkeit ist demnach nicht nur als ein Zustand der Unfreiheit, also nicht durch ein nur negatives Moment gekennzeichnet, sondern durch ein positives, nämlich durch die Beherrschung. Eine solche liegt nach R G 167, 49 vor, „wenn das herrschende Unternehmen über Mittel verfügt, die es ihm ermöglichen, das andere Unternehmen seinem Willen zu unterwerfen und diesen bei ihm durchzusetzen". Die Abhängigkeit ist demnach, wie auch die Formulierung des § 17 ersehen läßt, die Folge der Beherrschung; weil das Unternehmen seinen Willen durchzusetzen vermag, deshalb ist das andere abhängig i. S. des Gesetzes. Die Prüfung hat daher beim herrschenden Unternehmen zu erfolgen, bei den ihm zu Gebote stehenden Mitteln; denn nur von ihnen hängt es ab, ob alsdann das andere Unternehmen als abhängig gilt. Dieses ist zu unterscheiden von dem umgekehrten Fall, daß ein Unternehmen etwa wirtschaftlich abhängig ist, z. B. von einem marktstarken Unternehmen, oder ein Zulieferer von seinem Großabnehmer, ein Kreditnehmer von seinem Geldgeber oder ein Lohnverarbeitungsunternehmen von seinem Auftraggeber, und wenn der andere Teil wegen dieser wirtschaftlichen Unterlegenheit seines Partners die Vertragsbedingungen diktieren oder diesen in sonstiger Weise beeinflussen kann. Anm. 3 Bei solcher Präzisierung des maßgebenden Kriteriums wird evident, daß die Art der Mittel, welche eine Beherrschungsmöglichkeit i. S. des § 17 Abs. 1 verschaffen, eine beschränkte ist. Einem Unternehmen kann der Wille eines anderen Unternehmens aufgezwungen werden, wenn er innerhalb der Organisation des beherrschten Unternehmens wirksam wird. Dieses läßt sich grundsätzlich nur mit Mitteln organisatorischer Art erreichen (s. Anm. 6 u. 7). Eine Abhängigkeit kann auch durch Vertrag begründet werden, weil es für den Zustand der Beherrschungsmöglichkeit und der damit korrespondierenden Abhängigkeit nicht darauf ankommt, ob er gegen den Willen des abhängigen Unternehmens herbeigeführt wird oder auf Konsens beruht. Erforderlich ist jedoch, daß der Vertragspartner nicht die Möglichkeit hat, sich beliebig von der vertraglichen Bindung zu lösen. Die Tatsache allein, daß ein Unternehmen auf Grund eines Dienstvertrages oder einer Geschäftsbesorgung weisungsgebunden ist, begründet keine Abhängigkeit. Die Weisung kann nicht außerhalb der vertraglichen Bindung zusätzliche Verpflichtungen erzeugen und damit zu einem Mittel der Beherrschung werden — solches trifft lediglich beim Beherrschungsvertrag zu (§ 308) — , sondern die Weisung kann nur die durch Vertrag begründete Tätigkeitspflicht konkretisieren. Es kommt daher auf den Inhalt und Umfang der vertraglichen Bindung an. Hierbei ist insbesondere zu beachten, daß neben dem Vertrag ein Beherrschungsverhältnis bestehen kann und vielfach auch besteht, wobei der Vertrag nur auf Grund desselben zustande kommt. In solchem Falle ist nicht mehr der Vertragsinhalt entscheidend, sondern die faktisch bestehende Abhängigkeit (s. Anm. 8). Die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Unternehmens von einem anderem Unternehmen begründet schwerlich eine Abhängigkeit, jedenfalls nicht im Sinne der §§311 ff. Ein Partner, der nur wirtschaftlich abhängig ist, hat es in seiner Hand, diese Abhängigkeit zu lösen. Z u m andern äußert sich die wirtschaftliche Macht des andern Teiles in

146

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 17

Anm. 4, 5

aller Regel nur bei der Bestimmung der Geschäftsbeziehungen und der Vertragsgestaltung, nicht aber greift sie über auf den sonstigen Dispositionsbereich des anderen Teils. Keine Abhängigkeit liegt insbesondere vor, wenn zwei Unternehmen wegen ihrer wirtschaftlichen Besonderheit faktisch zu einer Kooperation und Verständigimg über ihre geschäftlichen Dispositionen genötigt sind, so z. B., wenn ein Unternehmen lediglich elektrischen Strom erzeugt und das andere Unternehmen ihn über ihr Leitungsnetz vertreibt. Diese Kooperation kann eine gemeinsame, einheitliche Leitung bewirken, nicht aber eine Abhängigkeit (s. § 18 Anm. 14).

Anm. 4 Es genügt die Möglichkeit beherrschender Einflußnahme; nicht kommt es darauf an, ob ein Einfluß tatsächlich ausgeübt wird. Darin liegt der Unterschied zwischen dem Abhängigkeitsbegriff des § 17 und dem Abhängigkeitskonzern des § 18 Abs. 1. Die Möglichkeit der Einflußnahme muß jedoch eine beherrschende, d. h. umfassende sein. Erforderlich ist also, daß das herrschende Unternehmen die Möglichkeit hat, die gesamten geschäftlichen Dispositionen des anderen Unternehmens zu bestimmen und daß es auf Grund dieser Herrschaftsmacht auch die Ausführung beliebiger Einzelmaßnahmen erzwingen kann. Nicht hinreichend dagegen ist eine partiell beschränkte Abhängigkeit, wie sie z. B. bei Zustimmungsbedürftigkeit zu einzelnen Geschäftsmaßnahmen oder Beschlüssen vorliegt oder bei einer auf bestimmte Geschäfte beschränkten Kontrollbefugnis eines Dritten besteht. Die Abhängigkeit wird vor allem darin sichtbar, daß das herrschende Unternehmen in der Lage ist, die Bestellung des Geschäftsfiihrungsorgans oder des Kontrollorgans der abhängigen Gesellschaft nach seinem Willen zu bestimmen, die Satzung zu ändern oder die für die gesamte Leitung des Unternehmens maßgebenden Beschlüsse zu erzwingen.

Anm. 5 Das herrschende Unternehmen muß über die Mittel der Einflußnahme selbst verfügen, d. h. sie müssen dem herrschenden Unternehmen zu Gebote stehen, indem ihr Einsatz vom Willen des herrschenden Unternehmens abhängt. Dieses ist auch dann der Fall, wenn das herrschende Unternehmen auf Grund eines Stimmrechtsbindungsvertrages einseitig nach seinem Belieben über das Stimmrecht des verpflichteten Partners verfügen kann (vgl. über die Vollstreckbarkeit der Stimmrechtsbindung für die G m b H B G H 48, 163); vgl. aber § 136 Abs. 3. Ein Unternehmen verfügt nach R G 167, 49 über Herrschaftsmittel dann nicht, wenn nur zufällige Entwicklungen oder Ereignisse ihm im Einzelfall dazu verhelfen seinen Willen jsur Geltung zu bringen, wenn sie sich aber wegen ihrer Abhängigkeit von der jeweiligen Sachlage einer voraussehenden Lenkung entziehen. Ein Unternehmen ist daher nicht imstande, einen beherrschenden Einfluß auszuüben, wenn es zur Durchsetzung seines Willens auf eine Mitwirkung Dritter angewiesen ist, auf die es nicht mit Bestimmtheit rechnen kann. Eine Herrschaftsmöglichkeit wird daher noch nicht damit begründet, daß Banken mittels ihres Depotstimmrechts Anträge des beteiligten Unternehmens in der H V der anderen Gesellschaft fallweise unterstützen (vgl. jedoch Schlegelberger-Quassowski § 15 Anm. 17); ebenso nicht, wenn das an einer A G beteiligte Unternehmen trotz Minderheitsbeteiligung mit seinen Stimmen im Einzelfall die Beschlußfassung deshalb zu bestimmen vermag, weil das übrige, sich im Streubesitz befindliche Kapital nicht vertreten ist; denn auch diese Passivität der übrigen Beteiligten ist ein Umstand, den das beteiligte Unternehmen nicht beherrscht. V o n einem beherrschenden Einfluß wird man aber dann sprechen können, wenn das Unternehmen mit der Beständigkeit dieses Zustandes sicher rechnen kann. Eine Sperrminorität begründet als solche keine Abhängigkeit; mit ihr können Beschlüsse nur blockiert, nicht aber herbeigeführt werden. O b , wenn zwei Unternehmen an einer A G beteiligt sind, von denen das eine eine Sperrminorität gegenüber dem anderen Unternehmen besitzt, das andere Unternehmen dadurch genötigt werden kann, auch seine Beteiligung an der A G im Sinne des anderen Unternehmens aus10*

147

§17 A n m . 6—8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

zuüben, so daß dieses Unternehmen auf solche Weise die dauernde Herrschaftsmacht über die A G erlangt, ist Tatfrage (vfg. dazu Düringer-Hachenburg Einleitung zu § 178 Anm. 1 3 5 ; auch Ritter § 15 Anm. 4 b). Von der einseitig verpflichtenden Stimmrechtsbindung wohl zu unterscheiden sind die sogenannten Konsortial- oder Stimmenpoolverträge zwecks einheitlicher Ausübung des Stimmrechts, darüber s. Anm. 1 1 .

II. Beherrschung mittels Beteiligung Anm. 6 Die Einflußmöglichkeit wird durch organisatorische Mittel verschafft. Innerhalb dieses Bereiches ist es unerheblich welches verwendet wird, ob ein Mittel allein oder nur das Zusammenwirken mehrerer zur Beherrschung fuhrt. Das klassische Mittel ist die Beteiligung. Ist das beteiligte Unternehmen in der Lage, die Zusammensetzung des Geschäftsführungs- oder Kontorllorgans des anderen Unternehmens zu bestimmen, dann liegt ein beherrschender Einfluß vor. Nach § 17 Abs. 2 begründet die Mehrheitsbeteiligung die Vermutung der Abhängigkeit des in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens (s. Anm. 14). Im Gegensatz zum früheren Recht ist in § 17 Abs. 1 die Beteiligung als Beispiel eines Herrschaftsmittels nicht mehr erwähnt. Lt. Amtl. Begr. zu § 16 R e g E ist die Streichung erfolgt, um den Eindruck zu vermeiden, als sei bei Vorliegen einer Beteiligung alsdann erforderlich, daß diese allein die Abhängigkeit begründe, während es durchaus möglich sei, daß sie, obgleich sie keine Mehrheitsbeteiligung ist, „im Zusammenwirken mit anderen Umständen" Herrschaftsmacht verleiht. Uber die Abhängigkeit im Falle wechselseitiger Beteiligung s. § 19 Anm. 9 u. 10.

III. Beherrschung auf Grund Satzungsregelung Anm. 7 Auch durch die Satzungsbestimmungen eines Unternehmens kann einem anderen Unternehmen ein beherrschender Einfluß gesichert sein. Das gilt insbesondere für die GmbH mit ihrer weitgehenden statutarischen Gestaltungsfreiheit. Bei der A G freilich ist die Möglichkeit, statuarisch einem anderen Unternehmen Einfluß zu verschaffen, durch § 23 Abs. 4 sehr beschränkt (s. Erl. dazu). In Betracht kommt hier nur das Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat nach § 101 Abs. 2 und Mehrstimmrechtsaktien, § 1 2 ; § 5 E G AktG; nichtig dagegen wäre eine Satzungsbestimmung, welche Beschlüsse der H V an die Zustimmung eines Dritten bindet. Auch die öffentliche Hand ist bei Beteiligung an einer A G zur Sicherung ihres Einflusses auf die durch das Aktiengesetz gebotenen Mittel beschränkt. Wohl aber kann durch persönliche Verbindung, nämlich durch Identität der leitenden Persönlichkeiten, durch Besetzung von Vorstands- und Aufsichtsratsstellen ohne besondere Rechtsgrundlage ein Unternehmen das andere beherrschen.

IV. Beherrschung mittels Vertrages Anm. 8 Die Abhängigkeit des Unternehmens kann auch durch Vertrag begründet werden (s. Anm. 3). Der klassische Vertrag zur Unterwerfung einer A G unter ein anderes Unternehmen ist der Beherrschungsvertrag (§ 291). Er ist in seinem Kern nicht ein schuldrechtlich verpflichtender Vertrag, sondern ein Organisationsvertrag, er den Status der Gesellschaft gleich der Satzung regelt (vgl. die Er. zu § 291). Mag er in aller Regel nur Zustandekommen, wenn die sich unterwerfende Gesellschaft von dem anderen Unternehmen bereits aus anderen Gründen beherrscht wird; in jedem Falle verschafft der Beherrschungsvertrag die in § 308 geregelte legale Leitungsmacht.

148

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

Anm. 9

Leistungsaustauschverträge hingegen bewirken keine Abhängigkeit und sie scheiden als geeignetes Mittel zur Begründung einer Herrschaftsmacht und zur Unterwerfung des Vertragspartners unter dieselbe aus. Das gilt beispielsweise für den zwischen zwei selbständigen Partnern geschlossenen Pachtvertrag (§ 392 Nr. 3); der Pächter, der den ihm pachtweise überlassenen Betrieb im eigenen Namen und für eigene Rechnung führt, ist nicht in der Lage, auf die der verpachtenden Gesellschaft verbleibende Geschäftstätigkeit einzuwirken. Dasselbe gilt von einem Darlehensvertrag, bei dem sich der Darlehensgeber Kontrolle und Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung des Darlehensnehmers verschafft, ebenso für Lizenzverträge, bei welchen verschiedenartige Ausschließlichkeitsbindungen vereinbart werden. Wenn bei solchen Verträgen ein Partner etwa unter Ausnutzung seiner wirtschaftlichen Macht aus egoistischen Interessen den anderen Teil sich so weitgehend unterwirft, wie es nach R G 167, 49 (s. Anm. 2) für den Begriff A b hängigkeit erforderlich ist, dann wäre der Vertrag wegen Knebelung nichtig (vgl. zur vertraglichen Selbstentmündigung einer A G R G 2, 129; 82, 308, auch 83, 382). Anders ist es bei den Tatbeständen der Geschäftsbesorgung. Wenn ein notleidender Darlehensnehmer den Darlehensgeber zugleich mit der Unternehmensführung zum Zwecke der Sanierung des Unternehmens beauftragt, dann wird, obgleich rechtlich das Weisungsrecht beim Darlehensnehmer als dem Auftraggeber liegt, der gesamte Geschäftsbetrieb vom Darlehensgeber als dem Beauftragten bestimmt. D a der Begriff A b hängigkeit an den tatsächlichen Zustand, nicht aber an das Weisungsrecht anknüpft, liegt hier eine Abhängigkeit des Darlehensnehmers vor. Dieses gilt allgemein für Betriebsführungsverträge, bei denen der betriebführende Partner es übernimmt, den Betrieb der überlassenden Gesellschaft in deren Namen und auf deren Rechnung und Gefahr zu führen (vgl. Mestmäcker, a. a. O . S. 320). Obgleich das betriebsführende Unternehmen als Geschäftsbesorger weisungsgebunden ist, bestimmt es faktisch die gesamte Aktivität des von ihm geführten Unternehmens. Vielfach kommen Verträge erst auf der Grundlage eines bereits bestehenden Beherrschungs- und Abhängigkeitsverhältnisses zustande. Das gilt in der Regel vom Beherrschungsvertrag, ebenso von dem Vertrag, durch welchen eine Gesellschaft sich verpflichtet, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen (des herrschenden) Unternehmens zu fuhren (Gewinnabführungsvertrag, § 291 Abs. 1 Satz 2); Gleiches gilt für den Betriebsüberlasstmgsvertrag, wonach der überlassene Betrieb von dem ihn übernehmenden Unternehmen fiir eigene Rechnung, jedoch auf Grund entsprechender Vollmachten im Namen der überlassenden Gesellschaft gefuhrt wird (vgl. Rasch, Konzernrecht S. 107; Mestmäcker, a. a. O . S. 317; auch den Fall in R G 142, 223). Wie immer hier das Weisungsrecht gestaltet sein mag, bleibt für den Begriff Abhängigkeit die Tatsache maßgebend, daß der Vertrag die Eingliederung des Unternehmens der überlassenden Gesellschaft in das Unternehmen des herrschenden Vertragspartners bezweckt und die A b hängigkeit faktisch besteht. Gleiches kann bei konzerninternen Pachtverträgen zutreffen.

V. Leitung ohne Beherrschung Anm. 9 Aus § 18 Abs. 2 ergibt sich, daß die Unterstellung unter einheitliche Leitung auch ohne Abhängigkeit erfolgen kann; auch in § 291 Abs. 2 ist gesagt, daß die vertragliche Unterstellung von Unternehmen unter einheitliche Leitung möglich ist, „ohne daß dadurch eines von ihnen von einem anderen vertragschließenden Unternehmen abhängig w i r d " (vgl. dazu § 18 Anm. 12). Aus dieser Vorschrift ergibt sich jedoch nur, daß die Unterstellung von Unternehmen unter einheitliche Leitung nicht per se eine Abhängikeit begründet, so z. B. wenn durch einen Interessengemeinschaftsvertrag die Vertragspartner sich zur Ergebnispoolung und zur Harmonisierung ihrer Geschäftspolitik gegenseitig verpflichten, oder wenn die einheitliche Leitung durch gegenseitigen Austausch von Vorstandsmitgliedern (Personalunion) bewirkt wird.

149

§17

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 10, 11 VI. Mittelbare Beherrschung Anm. 10

Unerheblich ist nach § 17 Abs. 1, ob das herrschende Unternehmen seinen Einfluß unmittelbar oder nur mittelbar auszuüben vermag. Die Mittelbarkeit kann sowohl darin bestehen, daß das herrschende Unternehmen nur mit Hilfe eines Dritten, über dessen Einflußmöglichkeit es verfügt, zur Herrschaftsmacht gelangt (s. Anm. 5). Eine mittelbare Herrschaft liegt ferner vor, wenn das herrschende Unternehmen über das unmittelbar von ihm beherrschte Unternehmen ein drittes Unternehmen beherrscht (Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft). In diesem Fall ist das Tochterunternehmen von der Muttergesellschaft, die Enkelgesellschaft von der Tochtergesellschaft, aber auch von der Muttergesellschaft selbst abhängig. Es liegt in diesem Falle eine mehrstufige Abhängigkeit vor, wobei die unmittelbare Abhängigkeit der Enkelgesellschaft von der Tochtergesellschaft die gleichzeitige mittelbare Abhängigkeit derselben von der Muttergesellschaft weder verdrängt noch aufhebt. Auch wenn die Tochtergesellschaft von ihrer Beherrschungsmöglichkeit gegenüber der Enkelgesellschaft Gebrauch macht und Weisungen auf Grund eigener Entschließung erteilt, wird dadurch die mittelbare Abhängigkeit der Enkelgesellschaft von der Muttergesellschaft nicht unterbrochen. Es greift daher auch die Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 sowohl gegenüber der Tochtergesellschaft, wie auch gegenüber der Muttergesellschaft Platz (vgl. Kronstein, BB 1967, 637 und § 18 Anm. 8 und 9).

VII. Unmittelbare Beherrschung durch mehrere Unternehmen Anm. 11 (Vgl. dazu Schulze W P g 1968, 85fr.; Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer, Sonderausschuß „neues Aktienrecht" N A 2 1967, W P g 1967, 489; Leo, W P g 1968, 395). Wenn eine A G unter Ausschöpfung der Möglichkeit des § 139 Abs. 2 Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ausgegeben hat und sowohl die gewöhnlichen Aktien als auch die Vorzugsaktien sich auf zwei beteiligte Unternehmen verteilen, dann ist es möglich, daß das eine Unternehmen eine kapitalmäßige, das andere eine stimmenmäßige Mehrheitsbeteiligung besitzt, daß also die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 gegenüber beiden beteiligten Unternehmen Platz greift. Dasselbe kann der Fall sein, wenn der kapitalmäßigen Mehrheitsbeteiligung eine Mehrheit der Stimmen durch Mehrstimmrechtsaktien gegenübersteht. Wird hier die Abhängigkeitsvermutung gegenüber dem nur kapitalmäßig beteiligten Unternehmen nicht widerlegt, dann läge eine gleichzeitige unmittelbare Abhängigkeit von beiden Unternehmen vor (s. dazu § 18 Anm. 8). Auch die Zurechnung der Anteile der Tochtergesellschaft zum Anteilsbesitz der Muttergesellschaft kann eine Abhängigkeit des dritten Unternehmens von beiden Gesellschaften herbeiführen (s. § 16 Anm. 7). Hier aber ist die eine Abhängigkeit eine mittelbare, die andere eine unmittelbare i. S. des § 1 7 . Sind zwei selbständige Unternehmen an einer Gesellschaft mit je 5 0 % Kapital und Stimmen beteiligt, dann ist die Gesellschaft von keinem der beiden Unternehmen abhängig, es sei denn, daß eines der beiden Unternehmen aus anderen Gründen gezwungen ist, sich dem anderen Unternehmen bei der Stimmabgabe anzuschließen, so daß das andere Unternehmen auch über diese Stimmen verfugt (s. oben A n m . 5; R G 167» 5 0 Dieses gilt selbst dann, wenn die beiden Unternehmen sich von Fall z u Fall über die Ausübung ihres Stimmrechts verständigen; denn hier ist keines der beiden beteiligten Unternehmen in der Lage, über das Stimmrecht des anderen z u verfugen. Dasselbe gilt selbst dann, wenn die beiden Unternehmen in einem Konsortialvertrag sich verpflichten, ihr Stimmrecht nur einheitlich auszuüben. A u f Grund eines solchen Vertrages entsteht zwischen den beiden Unternehmen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem alleinigen Gesellschaftszweck, sich über die gemeinsame Stimm-

150

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 17

Anm. 12 rechtsausübung zu verständigen. Durch diese Verpflichtung wird jedoch keinem der beiden Unternehmen die Möglichkeit verschafft einseitig z u bestimmen, wie der andere Teil sich verhalten soll. Es ist also auch hier keines der beiden Unternehmen in der Lage, über das Stimmrecht des anderen Teils zu verfügen und damit seine Herrschaftsmacht zu begründen. Darin liegt der wesentliche Unterschied des Konsortialvertrages zur einseitigen Stimmrechtsbindung, welche dem Berechtigten die Verfügung über das fremde Stimmrecht nach seinem Belieben verschafft. Der Fall läge selbst dann nicht anders, wenn die Unternehmen ihre Beteiligungen in die durch den Konsortialvertrag gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu gesamthändlerischen Eigentum einbringen. M a n kann alsdann die Gesamthandsgemeinschaft als die an der A G beteiligte Aktionärin auffassen. Da die bürgerlichrechtliche Gesellschaft aber lediglich den Zweck verfolgt, die Rechte aus den Beteiligungen und den durch sie vermittelten Einfluß auf die A G einheitlich ausüben, diese Tätigkeit des Alleinaktionärs aber, der lediglich an einer Gesellschaft beteiligt ist, noch nicht als Unternehmen zu qualifizieren ist (s. Vorbemerkung vor den §§ 15 bis 19 sub II), liegt auch eine Abgängigkeit der A G von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht vor. Die Tatsache, daß die Gesellschafter der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft außerhalb derselben und unabhängig von ihr zugleich eigene Unternehmen betreiben, ist hier ohne Belang (im Ergebnis übereinstimmend Leo, a . a . O . ) . Bei einem Gemeinschaftsunternehmen ist es häufig der Fall, daß die Quoten der an ihm beteiligten Unternehmen verschieden sind, daß also eines der beteiligten Unternehmen an den Gemeinschaftsunternehmen möglicherweise eine Mehrheitsbeteiligung besitzt, sich jedoch im Konsortialvertrag verpflichtet hat, das Stimmrecht aus dieser Mehrheitsbeteiligung nicht einseitig auszuüben, sondern sich mit den übrigen Konsorten zwecks einheitlicher Ausübung aller Stimmrechte zu verständigen. Ein solcher Vertrag enthält alsdann eine doppelte Verpflichtung, nämlich einerseits, das Mehrstimmrecht nicht allein und auch nicht nach eigenem Gutdünken geltend zu machen, welche zur Entkräftung der A b hängigkeitsvermutung führt; denn die Verflichtung zur Nichtausübung des Stimmrechts ist im Ausschußbericht zu § 16 R e g E ausdrücklich als ein Fall bezeichnet, der die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung begründet. Andererseits enthält der Vertrag die Verpflichtung zur Verständigung über die gemeinsame und einheitliche Geltendmachung aller Stimmrechte, wobei jedoch der mehrheitsbeteiligte Partner nicht in der Lage sein darf, das Ergebnis dieser Verständigung einseitig bestimmen zu können. Alsdann liegt auch dieser Fall nicht anders, als wenn eine paritätische Beteiligung gegeben wäre. Steht jedoch dem mehrheitsbeteiligten Konsortialpartner die Möglichkeit offen, die Willensbildung innerhalb des Konsortiums allein z u bestimmen (vgl. auch R G 167, 51), dann ist auch die Abhängigkeitsvermutung aus § 17 Abs. 2 nicht widerlegbar.

VIII. Die Rechtsfolgen der Abhängigkeit Anm. 12 1 . a ) Das abhängige und herrschende Unternehmen sind zusammen Verbundene Unternehmen im Sinne des § 15. Verbunden ist nicht nur das herrschende und das unmittelbar von ihm beherrschte Unternehmen, sondern auch das herrschende und das über das unmittelbar abhängige Unternehmen mittelbar beherrschte dritte Unternehmen, also auch die Mutter- und Enkelgesellschaft. Es kommen mithin die mit § 15 verbundenen Rechtsfolgen zur Anwendung (s. § 15 Anm. 4). b ) Liegt der Abhängigkeit eine Mehrheitsbeteiligung zugrunde, dann kommen auch die an die Mehrheitsbeteiligung (§ 16) anknüpfenden Vorschriften zur Anwendung (s. § 16 Anm. 12). Einige dieser Vorschriften sind zwar, indem in ihrem Tatbestand sowohl die Mehrheitsbeteiligung als auch die Abhängigkeit einbezogen ist, auch bei Abhängigkiet anzuwenden, die nicht auf einer Mehrheitsbeteiligung beruht (vgl. §§ 56, 71 Abs. 1, 4, 5, 305 Abs. 2). Das gilt jedoch nicht für alle mit der Mehrheitsbeteiligung verbundenen Vorschriften. Die in den §§ 20 Abs. 4, 21 Abs. 2 genannte Mitteilungspflicht

151

§17

Anm. 12

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

besteht nur bei Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung, nicht aber für ein herrschendes Unternehmen, dessen Herrschaftsmacht nicht auf Mehrheitsbeteiligung beruht. Auch die Einbeziehung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft in den Konzernabschluß ist nach § 329 Abs. 2 nur für den Fall einer kapitalmäßigen Mehrheitsbeteiligung vorgeschrieben, nicht aber für den Fall der Abhängigkeit, die auf bloßer Stimmenmehrheit oder auf sonstigen Gründen beruht. Im übrigen ist zu unterscheiden, ob eine A G eine anderes Unternehmen (eine andere A G oder sonstiges Unternehmen) beherrscht oder ob umgekehrt eine A G von einem anderen Unternehmen beherrscht wird.

2. Eine AG beherrscht ein anderes Unternehmen a ) Durch § 56 Abs. 1 und 2 wird die Zeichnung und der Neubezug von Aktien der herrschenden Gesellschaft durch ein abhängiges Unternehmen verhindert. b) § 71 Abs. 1, 4 und 5 betreffen den derivaten Erwerb von Aktien der herrschenden Gesellschaft durch ein von ihr abhängiges Unternehmen bzw. die Inpfandnahme solcher Aktien. c ) Nach § 134 Abs. 1 Satz 4 können in die Stimmrechtsbeschränkung auch Aktien eines abhängigen Unternehmens mit einbezogen werden. d) Nach § 136 Abs. 2 kann das Stimmrecht für Aktien der Gesellschaft, die einem von der abhängigen Unternehmen gehören, nicht ausgeübt werden. Nach § 136 Abs. 3 ist ein Vertrag, durch den ein Aktionär sich verpflichtet, nach Weisung eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens zu stimmen, nichtig. e) Nach § 100 Abs. 2 Nr. 2 kann ein gesetzlicher Vertreter eines von der A G abhängigen Unternehmens nicht Mitglied des Aufsichtsrats der A G sein. £) In den §§ 89 Abs. 2, 1 1 5 Abs. 1 ist die Kreditgewährung im Falle der Abhängigkeit geregelt. g ) Nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 und 2 ist im Geschäftsbericht der A G über Aktien der Gesellschaft zu berichten, welche ein abhängiges Unternehmen oder ein Dritter für Rechnung desselben erworben hat. h ) Nach §§ 145 Abs. 3, 165 Abs. 4 haben die Abschlußprüfer und Sonderprüfer der A G auch Informationsrechte gegenüber einem von der Gesellschaft abhängigen Unternehmen; vgl. dazu die Strafvorschrift in § 400 Nr. 3 ; s. auch § 168 Abs. 1 Satz 3.

3. Eine AG wird von einem anderen Unternehmen beherrscht a ) In den §§ 89 Abs. 2, 1 1 5 Abs. 1 Satz 2 ist die Kreditgewährung der Gesellschaft an Personen des herrschenden Unternehmens geregelt. b) Nach §§ 145 Abs. 3, 165 Abs. 5 haben die Abschlußprüfer der abhängigen A G auch Informationsrechte gegenüber dem herrschenden Unternehmen. c) Nach § 151 Abs. 1 sub Aktiva I I I B 9 sind in der Bilanz der abhängigen A G die ihr gehörenden Anteile an der sie beherrschenden Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft besonders auszuweisen. d) In den §§ 3 1 1 ff. sind die Beziehungen zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen, insbesondere Beschränkung der Herrschaftsmacht, Erstattung des Abhängigkeitsberichts, näher geregelt. e) Uber den Beherrschungsvertrag s. die §§ 291 ff. f ) § 302 Abs. 2 betrifft die Ausgleichspflicht der Pächterin, falls eine abhängige A G ihr Unternehmen dem herrschenden Unternehmen verpachtet. g ) § 305 Abs. 2 Nr. 2 betrifft die Regelung der Abfindung, wenn die abfindungspflichtige Gesellschaft von einem anderen Unternehmen abhängig ist.

152

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 17 A n m . 13, 14

4. Nach § 18 Abs. 3 Satz 3 wird von einem abhängigen Unternehmen vermutet, daß es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. I X . Internationale H e r r s c h a f t s - und Abhängigkeitsverhältnisse A n m . 13 a) Unter den in § 17 Abs. 1 definierten Begriff abhängiges und herrschendes Unternehmen und unter die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 fallen auch Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen inländischen und ausländischen Unternehmern. Bei den mit der Abhängigkeit verbundenen Rechtsfolgen ist jedoch zu beachten, daß das Aktiengesetz Unternehmen, welche außerhalb seines Geltungsbereiches liegen, seinen Gebots- und Verbotsvorschriften nicht unterwerfen kann. Das Informationsrecht der Abschlußprüfer und Sonderprüfer gem. §§ 145 Abs. 3, 165 Abs. 4 besteht daher gegenüber ausländischen Unternehmen nicht. Sofern jedoch gesetzliche Verbote, welche dem von einer A G abhängigen Unternehmen auferlegt sind, verhindern sollen, daß die herrschende Gesellschaft Maßnahmen, welche ihr selbst untersagt sind, durch ein von ihr abhängiges Unternehmen vollziehen läßt, würde einer solchen von dem abhängigen ausländischen Unternehmen vollzogenen Maßnahme, welche das deutsche Recht verbietet, selbst wenn das ausländische sie zuläßt, im Inland die Anerkennung der Rechtswirksamkeit gem. Art. 30 E G B G B insoweit zu versagen sein, als das inländische Verbot reicht. Das gilt von dem in § 56 Abs. 2 dem abhängigen Unternehmen auferlegten Verbot der Ubernahmen von Aktien der inländischen herrschenden Gesellschaft durch ein abhängiges Unternehmen; desgleichen von dem in § 71 Abs. 4 und 5 statuierten Verbot des Erwerbs oder der Empfangsnahme von Aktien der inländischen herrschenden Gesellschaft durch ein abhängiges Unternehmen (s. auch § 16 Anm. 13 zu 2 b). Jene Vorschriften des Aktiengesetzes hingegen^ welche die Stellung der Aktionäre und die Rechte und Pflichten derselben betreffen, gelten unmittelbar, auch wenn der Aktionär seinen Sitz im Ausland hat. Es können deshalb in die Stimmrechtsbeschränkung des § 134 Abs. 1 Satz 4 auch Aktien eines abhängigen Unternehmens im Ausland einbezogen werden. Auch das abhängige ausländische Unternehmen unterliegt dem Stimmrechtsverbot des § 136 Abs. 2; ebenso dem Ausschluß von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gem. § 100 Abs. 2 Nr. 2. Die inländische Gesellschaft hat nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 und 2 im Geschäftsbericht auch über Aktien zu berichten, welche ein abhängiges ausländisches Unternehmen erworben hat. Wird eine inländische A G von einem ausländischen Unternehmen beherrscht, dann greifen die zum Schutze der beherrschten Gesellschaft dienenden Vorschriften der §§311 ff., insbesondere die Schadensersatzpflicht aus § 3 1 7 auch gegenüber dem ausländischen Unternehmen Platz. Uber den von einem ausländischen Unternehmen mit einer inländischen A G geschlossenen Beherrschungsvertrag s. Erl. zu § 291. b) Beherrscht ein inländisches Unternehmen eine A G im Ausland, dann ist für den Schutz dieser Gesellschaft das ausländische Recht zuständig. A n m . 14 X . Die Abhängigkeitsvermutung ( § 1 7 A b s . 2) V o n einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig sei. Das gilt sowohl für die auf bloßer Kapitalmehrheit als auch für die auf Stimmenmehrheit beruhenden Mehrheitsbeteiligung. Die Vermutung greift also auch gegenüber stimmrechtslosen Vorzugsaktien und gegenüber einer nicht angezeigten Mehrheitsbeteiligung (§ 20 Abs. 4 u. 7) Platz. Darüber, daß die Abhängigkeitsvermutung gleichzeitig gegenüber zwei herrschenden Unternehmen Platz greifen kann, s. § 16 Anm. 7 und oben Anm. 11. Nur bei bestehender Mehrheitsbeteiligung gemäß § 16 greift die Vermutung ein; nicht dagegen bei Vorliegen anderer Umstände, welche eine Abhängigkeit begründen

163

Anm. 15, 16

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

können; und es wird im Falle der Mehrheitsbeteiligung auch nur das Bestehen einer Abhängigkeit i. S. des Abs. i vermutet, nicht auch die Vermutung der Ausübung von Leitungsmacht. Letzteres ist der Inhalt der in § 18 Abs. i Satz 3 enthaltenen Vermutung. Die Abhängigkeitsvermutung gilt auch nur im Bereich des A k t G , nicht auch für andere Gesetze, es sei denn, daß diese auf das A k t G verweisen oder die Frage besonders regeln.

XI. Widerlegung der Vermutung Anm. 15 Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn trotz der Mehrheitsbeteiligung realiter eine Herrschaftsmacht nicht besteht. Wird die Vermutung nicht widerlegt, dann ist das in .Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen als von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig zu betrachten, so daß nicht nur die an den Mehrheitsbesitz anknüpfenden Vorschriften zur Anwendung kommen (s. § 16 Anm. 12), sondern auch die mit der Abhängigkeit verbundenen Konsequenzen (s. oben Anm. 12). Dabei kommt es nur darauf an, daß die Vermutung nicht widerlegt worden ist; gleichgültig dagegen ist, ob realiter eine Herrschaftsmacht besteht oder nicht. Es gibt auch keine Verpflichtung, die Vermutung im Falle ihrer Widerlegbarkeit zu widerlegen. Deshalb hat auch der Abschlußprüfer bei Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung nicht zu prüfen, ob sie tatsächlich eine Abhängigkeit bewirkt; auch für ihn ist nur maßgebend, ob die Vermutung wirderlegt worden ist oder nicht. Da die Abhängigkeitsvermutung auch dann Platz greift, wenn die Anteile des mit Mehrheit beteiligten Unternehmens kein Stimmrecht gewähren, z. B. bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien oder wegen Unterlassung der Mitteilung gem. § 20 Abs. 7, ist auch hier die Widerlegung zu ihrer Entkräftung erforderlich; sie bereitet in diesen Fällen keine Schwierigkeiten.

Anm. 16 Die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung erfolgt durch den Nachweis, daß das mehrheitsbeteiligte Unternehmen nicht in der Lage ist, das in seinem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen auf Grund des Beteiligungsbesitzes zu beherrschen. Es muß also der Nachweis erbracht werden, daß der Beteiligungsbesitz dem mehrheitsbeteiligten Unternehmen nicht die Möglichkeit verschafft, dem anderen Unternehmen seinen Willen aufzuzwingen. Nicht dagegen genügt der Hinweis, daß das mehrheitsbeteiligte Unternehmen einen Einfluß faktisch nicht ausübt; denn der Begriff Abhängigkeit setzt eine Einflußnahme nicht voraus (s. Anm. 4). Im Ausschußbericht zu § 16 RegE ist gesagt: „ A l s Beispiel für einen Sachverhalt, der eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung gestatten sollte, wurde der Fall genannt, daß die Kapitalmehrheit zu einem erheblichen Teil aus Vorzugsaktien ohne Stimmrecht besteht. V o r allem dachte man aber an den namentlich bei internationalen Gemeinschaftsgründungen sowie beim Ubergang der Kapitalmehrheit einer Familiengesellschaft auf ein familienfremdes Unternehmen gelegentlich vorkommenden Fall, daß ein mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen sich im Verhältnis zu anderen Gesellschaftern vertraglich verpflichtet, die Verwaltungsrechte nur aus einem Teil seiner Aktien auszuüben". Im Falle einer nur kapitalmäßigen Mehrheitsbeteiligung, mit welcher sich keine Stimmenmehrheit verbindet, weil sie auf stimmrechtslosen Vorzugsaktien beruht oder weil die Stimmrechte gemäß § 134 Abs. 1 Satz 2 limitiert sind, reicht es jedoch z u m Widerlegungsbeweis nicht aus, lediglich auf die fehlende Stimmenmehrheit hinzuweisen; denn damit wäre die Abhängigkeitsvermutung, welche auch eine nur kapitalmäßige Mehrheitsbeteiligung betrifft, als solche ignoriert. Es ist vielmehr noch etwa darzulegen, daß dem mehrheitsbeteiligten Unternehmen kein maßgebender Einfluß im Aufsichtsrat oder Vorstand bzw. keine maßgebende Einwirkungsmöglichkeit auf die Geschäftsführung des Unternehmens zusteht, die etwa statuarisch begründet sein könnte. Ist jedoch das mehrheitsbeteiligte Unternehmen in der Lage, die Zusammensetzung von Aufsichtsrat und Vorstand zu bestimmen, dann liegt eine Beherrschungsmöglichkeit realiter vor, welche auch nicht widerlegt werden kann und es ist gleichgültig, ob das mehrheits-

164

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 17 Anm. 17 §18

beteiligte Unternehmen davon Gebrauch macht oder nicht. Andererseits begründet eine Stimmenmehrheit nicht notwendig eine Abhängigkeit, nämlich dann nicht, wenn das mehrheitsbeteiligte Unternehmen sich in einem Konsortialvertrag verpflichtet hat, sein Stimmrecht ganz oder teilweise nicht geltend zu machen, oder sich verpflichtet hat, sein Stimmrecht nur gemeinsam und einheitlich mit den übrigen Konsorten auszuüben und wenn es bei dieser Beschlußfassung auch nicht in der L a g e ist, das Beschlußergebnis einseitig zu bestimmen (s. oben Anm. n ) .

Anm. 17 Das Gesetz sagt nicht, wer den Widerlegungsbeweis zu führen hat. Es ergibt sich, daß dieser Beweis j e nach dem Zusammenhang, in welchem die Abhängigkeit rechtliche Bedeutung erlangt, bald dem in Mehrheitsbesitz stehenden, bald dem mehrheitsbeteiligten Unternehmen obliegt. So hat die in Mehrheitsbesitz stehende A G den Widerlegungsbeweis gegenüber dem Abschlußprüfer zu führen, der im R a h m e n der Abschlußprüfung auch zu prüfen hat, ob ein Bericht über die Beziehungen zu abhängigen Unternehmen ( § 3 1 2 ) erstattet werden muß (vgl. Ausschußbericht zu § 16 R e g E ) . Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Gesellschaft und dem Abschlußprüfer über das Beweisergebnis kann gemäß § 169 eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden, der jedoch keine absolute Rechtskraft zukommt (vgl. § 169 Abs. 2 i. V . mit § 99 Abs. 5 Satz 1). Die Notwendigkeit des Widerlegungsbeweises kann sich aber auch für die mehrheitsbeteiligte Gesellschaft in einem Anfechtungsprozeß ergeben, wenn geltend gemacht wird, daß in der H V dieser Gesellschaft das in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen mit seinen Aktien abgestimmt hat (§ 1 3 6 Abs. 2). D a es hiernach möglich ist, daß die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung im Zusammenhang mit verschiedenen Rechtsfolgen der Abhängigkeit von verschiedenen Instanzen zu beurteilen ist, ist es möglich, daß die Entscheidungen, welche jeweils nur für den Einzelfall Bedeutung haben, divergieren.

§ 1 8 Konzern und Konzernunternehmen (1) Sind ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt, so bilden sie einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag (§ 291) besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist (§ 319), sind als unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt anzusehen. Von einem abhängigen Unternehmen wird vermutet, daß es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. (2) Sind rechtlich selbständige Unternehmen, ohne daß das eine Unternehmen von dem anderen abhängig ist, unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt, so bilden sie auch einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. Übei

icht Anm.

Anm.

I. Der Unterordnungskonzern 1.Begriff 2. Abhängigkeit 3. Mittel der Beherrschung 4. Einheitliche Leitung 5. Vertrags- u. faktischer Konzern 6. Leitung durch mehrere Obergesellschaften 7. Konzernvermutung 8. Konzernunternehmen

1 2 3 4—6 7 8 9 10

9. Rechtsfolgen des Unterordnungskonzems

11

II. Der Gleichordnungskonzern 1.Begriff 2. Einheitliche Leitung 13, 3. Konzernunternehmen 4. Rechtsfolgen des Gleichordnungskonzerm I I I . Ausländische Konzerngesellschaften

12 14 15 16 17

155

§18 Anm. 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

E i n l e i t u n g : Die in § 18 Abs. i und 2 enthaltenen Definitionen des Unterordnungsund des Gleichordnungskonzerns stimmen mit der Definition des § 15 A k t G 1937 insoweit überein, als in beiden Vorschriften die Zusammenfassung zweier oder mehrerer Unternehmen unter einheitlicher Leitung das wesentliche Kriterium des Konzerns darstellt. Während aber nach § 15 Abs. 2 des früheren Rechts das herrschende und abhängige Unternehmen stets als Konzern galten, wobei es offenblieb, ob auch hier die Ausübung einheitlicher Leitung erforderlich war, hat das A k t G 1965 dieses geklärt, indem es in § 17 die lediglich die Möglichkeit der Ausübung einer Herrschaftsmacht voraussetzende Abhängigkeit definiert hat und ihr in § 18 Abs. 1 den Unterordnungskonzern gegenüberstellt, bei welchem die Ausübung der Leitungsmacht erforderlich ist (s. auch Einleitung zu § 17). Es wird jedoch bei Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses in § 18 Abs. 1 Satz 3 das Vorliegen eines Konzerns widerleglich vermutet. Dem Unterordnungskonzern ist sodann in Abs. 2 der Gleichordnungskonzern gegenübergestellt, der ebenfalls durch die Zusammenfassung von Unternehmen unter einheitlicher Leitung gekennzeichnet ist, bei welchem aber die zusammengefaßten Unternehmen untereinander unabhängig sind. I m Gegensatz zum früheren Recht wird in § 18 nicht mehr gesagt, daß die Zusammenfassung der Unternehmen unter der einheitlichen Leitung „ z u wirtschaftlichen Zwecken" erfolge; dieses ist selbstverständlich und deshalb der ausdrückliche Hinweis darauf überflüssig (s. Amtl. Begr. zu § 17 RegE). Ebenso wie im früheren Recht ist in § 18 auf eine Umschreibung der einheitlichen Leitung hinsichtlich ihres Ausmaßes und der Form der Ausübung verzichtet, weil, wie in der Amtl. Begr. zu § 17 R e g E dargelegt, eine Umschreibung desselben angesichts der vielfaltigen Formen, welche die Wirtschaft für die Konzernleitung herausgebildet hat, nicht möglich ist. Neu ist in § 18 Abs. 1 Satz 2 der Hinweis, daß Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist, stets als unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt gelten.

I. Der Unterordnungskonzern § 18 Abs. 1 Anm. 1 1. Der Begriff Er ist dadurch gekennzeichnet, daß ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sind. Da das A k t G aus dem Konzernbegriff nur Rechtsfolgen für die A G ableitet, erlangt der Begriff nur Bedeutung, wenn eine A G (bzw. eine K o A G , § 327 Abs. 3) beteiligt ist, gleichgültig, ob als herrschendes Unternehmen (Konzernspitze) oder als abhängiges Unternehmen. Für die Aufstellung des Konzernabschlusses gemäß §§ 329, 330 und § 28 E G A k t G ist es jedoch von Belang, in welcher Position die A G sich im Konzern befindet. Die anderen beteiligten Unternehmen können beliebige Rechtsform haben. Es muß sich jedoch u m rechtlich selbständige Unternehmen handeln. Es sei hierwegen auf die Vorbemerkung vor §§ 15 bis 19 sub I I verwiesen. Dort ist dargelegt, daß insbesondere eine Holdinggesellschaft, die kein eigenes Unternehmen betreibt, sondern deren Tätigkeit sich auf die einheitliche Leitung der von ihr beherrschten Unternehmen beschränkt, ein Unternehmen i. S. des Konzernbegriffs bildet (s. jedoch Anm. 6), Ein einzelner Aktionär, der mittels seiner Beteiligung Einfluß nimmt auf die Geschäftsführung der Gesellschaft, ist um deswillen noch kein Unternehmen; wohl aber ist es als ein Unternehmen zu qualifizieren, wenn dieser Großaktionär zwei oder mehrere Gesellschaften beherrscht und unter seiner Leitung zusammenfaßt. Solchenfalls liegt ein Abhängigkeitskonzern vor. Dasselbe gilt bei Zusammenfassung abhängiger Gesellschaften unter der Leitung einer Personengesellschaft, mag sie auch ohne eigenen Geschäftsbetrieb sein und ihre Tätigkeit sich lediglich auf die einheitliche Leitung der beherrschten Gesellschaften beschränken. Hierbei ist es unerheblich, ob dieser Personengesellschaft § 5 H G B zugute kommt; die geschäftsleitende Tätigkeit als solche ist i. S. des A k t G als Unternehmen zu qualifizieren. Über Stiftungen und über die öffentliche Hand s. Vorbemerkung vor § § 1 5 bis 19 sub II.

156

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 18 A n m . 2, 3

Die Unternehmen müssen rechtlich selbständig sein; dieses ist in Abs. 2 nur für den Gleichordnungskoniern ausdrücklich gesagt; für Abs. i ergibt sich dasselbe Erfordernis aus § 17 Abs. 1. Uber den Begriff rechtliche Selbständigkeit s. Vorbemerkung vor § § 1 5 bis 19 sub II. Eine A G , welche mehrere Fabriken betreibt, ist kein Konzern; mögen diese Fabriken auch wirtschaftlich selbständige Produktionseinheiten darstellen, so sind sie doch nicht rechtlich selbständig. Auch Zweigniederlassungen sind nicht rechtlich selbständig, wiewohl sie wirtschaftlich weitgehende Selbständigkeit genießen können; daher ist eine Großbank mit ihrem weitverzweigten Netz von Niederlassungen und Depositenkassen kein Konzern, sondern ein einheitliches Unternehmen. Unterhält und leitet ein Unternehmen dagegen Betriebsstätten in Form von GmbH, deren Anteile ihm allein gehören, dann sind diese G m b H rechtlich selbständige Unternehmen und bilden mit dem Hauptunternehmen einen Konzern. Wenn ein Unternehmen den gesamten Fabrikationsbetrieb einer anderen Gesellschaft pachtet und ihn im eigenen Namen und für eigene Rechnung weiterführt, dann scheidet der gepachtete Betrieb aus der Zuständigkeit der rechtlich selbständig verbleibenden Veräpchterin aus und wird in das Unternehmen der Pächterin einbezogen und der Zuständigkeit der Organe derselben unterstellt. Damit hört er auf, rechtlich selbständig zu sein. Die Verpächterin aber behält im Bereich der ihr verbleibenden Tätigkeiten und Zuständigkeiten ihre Unabhängigkeit. Ein Konzern wird durch die Pacht nicht begründet. Verpflichtet sich eine Gesellschaft, ihren Betrüb im eigenen Namen, aber för Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen (§ 291 Abs. 1 Satz 2), welches mittels der aus der Geschäftsbesorgung entspringenden Weisungsbefugnis die Aktivität des anderen Unternehmens bestimmen kann, dann bleibt das betriebsführende Unternehmen rechtlich selbständig. Hier aber erhebt sich die Frage, ob eine einheitliche Leitung des anderen Unternehmens vorliegt (s. Anm. 4 bis 6 und Anm. 12).

Anm. 2 2. Abhängigkeit Zwischen den beteiligten Unternehmen muß ein Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis i. S. des § 17 Abs. 1 vorliegen. Das Abhängigkeitsverhältnis besteht neben der einheitlichen Leitung, also unabhängig von ihr. Die Tatsache der einheitlichen Leitung als solche begründet noch keine A b hängigkeit (s. Anm. 12). Leitung und Herrschaftsmacht bzw. Abhängigkeit sind mithin wohl zu unterscheiden. Der dem herrschenden Unternehmen zustehende Machtbereich, welcher die Beherrschung des abhängigen Unternehmens ermöglicht, muß latent gegeben sein. Die Leitung dagegen, welche in Ausübung dieser Herrschaftsmacht erfolgt, kann demgegenüber sehr viel beschränkter sein, um noch als Leitung zu gelten (s. Anm. 4). Anm. 3 Wegen der Mittel, durch welche eine Herrschaftsmacht begründet und die Ausübung der einheitlichen Leitung ermöglicht wird, sei auf § 1 7 Anm. 3, 6 bis 8 verwiesen. Dort ist ausgeführt, daß die Beteiligung, welche es dem beteiligten Unternehmen ermöglicht, die Besetzung des Geschäftsführungs- oder Kontrollorgans des anderen Unternehmens zu bestimmen, das klassische Mittel zur Beherrschung dieses Unternehmens bildet. V o n einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird daher gemäß § 17 Abs. 2 vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig sei. Wird diese Vermutung nicht widerlegt, dann greift auch die in § 18 Abs. 1 Satz 3 aufgestellte Vermutung Platz, daß beide Unternehmen einen Konzern bilden (s. A n m . 9). Stets abhängig ist eine A G , die durch Beherrschungsvertrag seine Leitung dem Vertragspartner unterstellt hat ( § 2 9 1 ) ; ferner die eingegliederte Gesellschaft (§319), weshalb hier auch die Ausübung der Leitungsmacht unwiderleglich angenommen wird (s. Anm. 7).

157

§18

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 4—6

Anm. 4 3. Einheitliche Leitung Das herrschende und das oder die mehreren abhängigen Unternehmen müssen sodann unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sein. Im Gegensatz zum R F H (StuW 1930 Nr. 321), der den Konzern umschrieben hat als ein „Gesamtunternehmen, welches unter einheitlicher Leitung steht und dessen einzelne Teile als autonome Einheiten aus sich selbst nicht mehr begriffen werden können", spricht § 18 nicht von einer Zusammenfassung der Unternehmen zu einem Gesamtunternehmen, sondern von der Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung. Dieses besagt, daß die Unternehmen von der einheitlichen Leitung erfaßt werden, ihr also unterstehen müssen, daß die Zusammenfassung mithin durch die einheitliche Leitung bewirkt wird. Gewiß werden dadurch die Unternehmen der rechtlich selbständigen Gesellschaften in der Regel wirtschaftlich zu einem Gesamtunternehmen, in welches die Betriebe der Gesellschaften als mehr oder weniger unselbständige Betriebsabteilungen integriert sind. Indessen ist, wie auch in der Amtl. Begr. zu § 17 R e g E hervorgehoben wird, der Konzernbegriff nicht auf eine so straffe Organisation beschränkt und die Frage, ob die unter der einheitlichen Leitung zusammengefaßten Unternehmen ein Gesamtunternehmen bilden, ist für den Konzernbegriff unerheblich.

Anm. 5 Unter Leitung ist zu verstehen die unternehmerische Entscheidung über die Unternehmensführung. Es genügt die Festlegung des Gesamtplanes, also etwa die Bestimmung der Geschäftspolitik und der Investitionen. Keineswegs verlangt der Begriff Leitung die Ausschöpfung des mit dem Herrschaftsverhältnis verbundenen Machtbereiches. Nicht erforderlich ist insbesondere die laufende Erteilung von konkreten Einzelanweisungen. Die Leitung muß sodann eine einheitliche sein; sie ist es, wenn das herrschende Unternehmen sie auch gegenüber dem abhängigen Unternehmen ausübt und dieses dadurch mit dem eigenen Unternehmen zusammenfaßt und der gemeinsamen Planung unterstellt. Dieser Planungseinheit entspricht die Zusammenfassung der Rechnungslegung in dem Konzernabschluß (Amtl. Begr., Vorbemerkung vor §3291?.; Leo A G 1965. 355; derselbeWPg 1968, 396). Keineswegs aber brauchen die getroffenen Entscheidungen oder Dispositionen als solche einheitlich, d. h. übereinstimmend zu sein; sie können sogar völlig divergieren. Unerheblich ist für den Begriff einheitliche Leitung, wie diese Leitung zustande kommt und auf welche Weise sie ausgeübt wird. Die Konzernleitung kann als Diktat erscheinen; in der Regel ist sie das Ergebnis einer Beratung des Geschäftsfuhrungsorgans des herrschenden Unternehmens mit den Geschäftsführern der abhängigen Unternehmen, auf Grund welcher das herrschende Unternehmen letztlich die Entscheidung trifft. Es kommt nur darauf an, daß diese Entscheidungen von den abhängigen Unternehmen vollzogen werden, mag dieses im Wege der Weisung, durch Personalunion oder über die H V erfolgen. Beruht die Abhängigkeit des beherrschten Konzernunternehmens auf Mehrheitsbeteiligung des herrschenden Unternehmens, dann wird die Ausübung der Konzernleitung durch die mit der Beteiligung regelmäßig verbundene faktische Herrschaftsmacht ermöglicht. Beim Beherrschungsvertrag gilt § 308. Nicht erforderlich ist es, daß die Leitung von dem herrschenden Unternehmen gegenüber dem abhängigen Unternehmen unmittelbar ausgeübt wird, sie kann bei mittelbarer Abhängigkeit, also gegenüber einer Enkelgesellschaft auch über die Tochtergesellschaft bewirkt werden (s. Anm. 8 sub b).

Anm. 6 Die einheitliche Leitung muß tatsächlich ausgeübt werden. Dieses ist ein wesentliches Erfordernis des Konzernbegriffs. Es genügt also nicht die bloße Möglichkeit der Leitungsausübung, wenn von ihr kein Gebrauch gemacht wird. Es liegt daher kein K o n zern vor, wenn etwa der Staat Aktienpakete verschiedener Gesellschaften in eine Hol-

158

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 18

Anm. 7, 8

ding einbringt (Effektensubstitution), die Beteiligungen an der Holding im Publikum streut, wenn aber die Holding sich auf die normale Ausübung der Verwaltungsrechte unter Wahrung der Interessen ihrer eigenen Anteilseigner beschränkt. Z u einem Konzern wird dieses Gebilde erst, wenn die Holding dazu übergeht, die bisher nur durch Beteiligungsbesitz zusammengefaßten Gesellschaften auch unter ihrer Leitung zusammenzufassen. Vgl. über die verschiedenen Arten der Holding insbes. Delvaux-Reiffers, Les Sociétés „Holding" au Grand-Duche de Luxembourg (Paris 1969).

Anm. 7 4. Vertrags- und faktischer Konzern In Abs. 1 Satz 2 ist klargestellt, daß Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag (§ 291) besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist (§319), als unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt anzusehen sind. Dieses kann als eine Selbstverständlichkeit gelten, weil sowohl der Beherrschungsvertrag (s. § 308) als auch die Eingliederung (s. § 323) nur wegen der dadurch verschafften Leitungsmacht erfolgen. Ein Beweis, daß gleichwohl eine Leitung nicht ausgeübt wird, ist ausgeschlossen. Für den auf Beherrschungsvertrag beruhenden Konzern hat sich die Bezeichnung Vertragskonzern eingebürgert. Dem stehen die sog. faktischen Konzerne gegenüber, zu denen alle Konzerne gehören, bei denen kein Beherrschungsvertrag besteht, mag hier auch ein Unternehmensvertrag anderer Art bestehen. Die Unterscheidung von Vertragskonzern und faktischem Konzern ist von Bedeutung für die materielle Regelung des Konzernverhältnisses, die in den §§ 291fr. einerseits und in den §§ 311 ff. andererseits enthalten ist. Für die Konzerndefinition des § 18 Abs. 1 und für die Anwendbarkeit der daran anknüpfenden Rechtsfolgen ist diese Unterscheidung ohne Belang.

Anm. 8 5. Leitung durch mehrere Obergesellschaften a) Wie in § 17 Anm. 11 dargelegt, ist die unmittelbare Abhängigkeit eines Unternehmens von zwei einander sich selbständig gegenüberstehenden Unternehmen denkbar. Sie schließt sich logisch nicht aus, weil für den Begriff Abhängigkeit die bloße Möglichkeit der Beherrschung genügt. Nicht möglich indessen ist es, daß hierdurch zwei verschiedene Konzerne entstehen; denn der Konzernbegriff setzt die Ausübung der einheitlichen Leitung voraus, also die Einbeziehung der Leitung des abhängigen Unternehmens in die Leitung des eigenen Unternehmens der Obergesellschaft. Hierdurch aber wird zwangsläufig eine gleiche einheitliche Leitung durch die andere Obergesellschaft ausgeschlossen. Kein Unterordnungskonzern liegt vor bei einem Gemeinschaftsunternehmen, an welchem zwei oder mehrere Unternehmen als Gesellschafter beteiligt sind, die sich über die Führung des Gemeinschaftsunternehmens verständigen. In der Regel fehlt hier schon die Voraussetzung der Abhängigkeit des Gemeinschaftsunternehmens von einem ihrer Gesellschafterunternehmen (s. § 17 Anm. 11). Es kommt hinzu, daß die Verständigung über die Führung des Gemeinschaftsunternehmens keine einheitliche Leitung i. S. des § 18 darstellt, weil der Begriff einheitliche Leitung die Einbeziehung des abhängigen Unternehmens in die Leitung des eigenen Unternehmens der Obergesellschaft zur Voraussetzung hat, eine solche aber beim Gemeinschaftsunternehmen nicht vorliegt (vgl. auch Leo, W P g 1968, 395; auch die Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer, N A 2/1967, W P g 1967, 489; hingegen wird das Vorliegen eines Konzerns bejaht von Schulze W P g 1968, 85 fr.). Durch die einheitliche Leitung des Gemeinschaftsunternehmens wird aber auch kein Gleichordnungskonzern begründet. Dieser setzt nach § 18 Abs. 2 die Zusammenfassung rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung voraus. Beim Gemeinschaftsunternehmen hingegen verständigen sich die Gesellschafter desselben lediglich über die Führung dieses Unternehmens, während die Gesellschafter hinsichtlich ihrer eigenen Unternehmen keine einheitliche Leitung ausüben. b) Eine einheitliche Leitung durch mehrere Obergesellschaften ist jedoch möglich im Falle unmittelbarer und mittelbarer Abhängigkeit des Unternehmens, also bei Vor-

159

§18

Anm. 9, 10

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

liegen von Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft (s. § 17 Anm. 10); sog. mehrstufiger Konzern. Hier ist die Muttergesellschaft in der Lage, über die Tochtergesellschaft auch die Enkelgesellschaft in die Leitung des eigenen Unternehmens einzubeziehen. Dieses aber schließt nicht aus, daß auch die Tochtergesellschaft eine Leitung gegenüber der Enkelgesellschaft ausübt, sei es in Vollzug ihr erteilter Weisungen der Muttergesellschaft oder sei es, daß sie auf Grund eigener Entschließung handelt. Uber Erstattung des Abhängigkeitsberichts in diesem Fall und über die Haftung der Obergesellschaft aus § 3 1 7 s. Erl. zu den §§312, 3 1 7 ; ferner Kronstein BB 1967, 637.

Anm. 9 6. Die Konzernvermutung Nach § 18 Abs. 1 Satz 3 wird von einem abhängigen Unternehmen vermutet, daß es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. Vermutet wird also, daß das herrschende Unternehmen das abhängige Unternehmen unter seiner Leitung zusammenfaßt, die Leitung mithin tatsächlich ausübt. Diese Vermutung ist dadurch gerechtfertigt, daß im Wirtschaftsleben sich zeigt, „daß herrschende Unternehmen ihren Einfluß in aller Regel zur Konzernbildung ausnutzen" (Amtl. Begr. zu § 17 RegE). Die gesetzliche Vermutung ist jedoch widerleglich; dazu ist der Nachweis erforderlich, daß das herrschende Unternehmen eine Leitung nicht ausübt oder daß etwaige Einzelanweisungen seitens des herrschenden Unternehmens nicht die Bedeutung einer Leitung i. S. der Anm. 4 haben. Wird die Vermutung nicht widerlegt, dann ist das herrschende und abhängige Unternehmen ohne Rücksicht auf die tatsächliche Lage als Abhängigkeitskonzern aufzufassen. Bei mittelbarer und unmittelbarer Abhängigkeit eines Unternehmens greift die Konzer nvermutung sowohl gegenüber der unmittelbaren wie auch gegenüber der mittelbaren Obergesellschaft Platz. Zu dem Verhältnis der beiden Vermutungen in § 17 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 Satz 3 ist folgendes zu bemerken. Da von dem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet wird, daß es von dem an ihm mit Mehrheit bteiligten Unternehmen abhängig ist, aus diesem Grunde aber weiter vermutet wird, daß das mehrheitsbeteiligte Unternehmen auch eine Leitung ausübt, ist also, wenn keine der beiden Vermutungen widerlegt wird, dieses Verhältnis als Konzern zu behandeln. Es kommen daher nicht nur die an den Mehrheitsbesitz und an die Abhängigkeit anknüpfenden, sondern auch die auf den Konzern bezogenen Vorschriften zur Anwendung. Wird die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 widerlegt, dann wird damit zwangsläufig auch die Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 gegenstandslos, denn mangels Abhängigkeit kann kein Abhängigkeitskonzern bestehen. Dieses aber schließt nicht aus, daß die beiden Unternehmen gleichwohl unter einheitlicher Leitung stehen und einen Gleichordnungskonzern bilden. Dafür aber besteht keine gesetzliche Vermutung. Wird dagegen nur die Konzernvermutung widerlegt, also das Fehlen einheitlicher Leitung dargetan, dann bleibt die Abhängigkeitsvermutung des § 1 7 Abs. 2 bestehen.

Anm. 10 7. Konzernunternehmen Beim Abhängigkeitskonzern sind sowohl das herrschende als auch das oder die mehreren von ihm geleiteten abhängigen Unternehmen „Konzernunternehmen". Die Bedeutung dieser Feststellung besteht darin, daß das Gesetz in mehreren Vorschriften an die Eigenschaft Konzernunternehmen anknüpft. Insbesondere sind nach § 1 5 die Konzernunternehmen „Verbundene Unternehmen". Verbunden sind hier nicht nur das herrschende und das oder die mehreren abhängigen Unternehmen, sondern auch die abhängigen Gesellschaften untereinander, selbst wenn zwischen ihnen eine unmittelbare Verbindung nicht besteht.

160

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 18

Anm. 11—13

A n m . 11 a) Rechtsfolgen des Unterordnungskonzerns Die mit dem Abhängigkeitskonzern verbundenen Rechtsfolgen: a ) Da die Konzerngesellschaften nach § 15 „verbundene Unternehmen" sind, kommen die an § 15 anknüpfenden Vorschriften zur Anwendung (s. § 15 Anm. 4). b ) Wegen der beim Unterordnungskonzern bestehenden Abhängigkeit der beherrschten Gesellschaft von der Konzernspitze gelten für das herrschende und das oder die von ihm abhängigen Unternehmen auch die mit § 17 Abs. 1 verbundenen Rechtsfolgen (s. § 17 A n m . 12). c ) Da das Herrschaftsverhältnis in aller Regel auf Mehrheitsbeteiligung der Konzernspitze beruht, sind auch die auf § 16 Bezug nehmenden Vorschriften anzuwenden (s. § 16 Anm. 12). d ) Das Gesetz enthält sodann Sondervorschriften, welche an den Konzernbegriff oder an den Begriff Konzernunternehmen anknüpfen. Sie gelten gleichermaßen fiür den Unterordnungs- wie für den Gleichordnungskonzern. Sie sind in Anm. 16 sub 1 zusammengestellt. e ) Die materielle Regelung des auf Beherrschungsvertrag beruhenden sogenannten Vertragskonzerns ist in den §§ 291fr. enthalten; über den durch Eingliederung gebildeten Konzern s. §§ 319fr.; über den sogenannten faktischen Konzern s. §§ 3 i l f f .

II. Der Gleichordnungskonzern § 18 Abs. 2 Anm. 12 1. Begriff Er ist dadurch gekennzeichnet, daß rechtlich selbständige Unternehmen, welche voneinander unabhängig sind, unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt werden. Uber den Begriff rechtlich selbständiges Unternehmen s. Vorbemerkung vor § § 1 5 bis 19 sub I I ; ferner oben Anm. 1. Die unter einheitlicher Leitung stehenden Unternehmen müssen voneinander unabhängig sein; es darf also zwischen ihnen kein Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis i. S. des § 17 bestehen. Unabhängigkeit besteht auch dann, wenn ein Unternehmen an dem anderen mit Mehrheit beteiligt ist, die damit verbundene Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 aber widerlegt worden ist. A u c h die Tatsache, daß die Unternehmen unter einheitlicher Leitung stehen oder sich ihr durch Vertrag unterstellen, begründet als solche keine Abhängigkeit. Das ergibt sich sowohl aus § 18 Abs. 2 als auch aus § 291 Abs. 2, der davon spricht, daß Unternehmen, die untereinander unabhängig sind, sich durch Vertrag unter einheitliche Leitung stellen, ohne daß dadurch eines von ihnen von dem anderen vertragschließenden Unternehmen abhängig wird.

A n m . 13 2. Einheitliche Leitung Die Unternehmen müssen einheitlich geleitet werden; ihre Geschäftsführung muß also einer einheitlichen Gesamtplanung unterliegen. Gleichgültig ist, wie die einheitliche Leitung zustande kommt und auf welchem Wege sie ausgeübt wird. Da mangels Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis die Durchsetzung einheitlicher Leitung auf Grund einer bestehenden Machtposition nicht möglich ist, wird sie beim Gleichordnungskonzern in der Regel auf Vertrag beruhen bzw. sich als Konsequenz eines Vertrags ergeben, worauf § 291 Abs. 2 Bezug nimmt. Das ist z. B. der Fall, wenn Unternehmen sich zu einer Interessengemeinschaft zusammenschließen, bei welcher sie sich neben der vielfach damit verbundenen Poolung ihrer Ge-

ll Aktiengesetz I, 3. Aufl.

161

§18

Irrstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 14—16 schäftsergebnisse auch zu einer Harmonisierung ihrer Geschäftspolitik (Investitionen, Produktionsprogramm usw.) verpflichten; darin ist alsdann die einheitliche Leitung zu erblicken; sie kommt in der gemeinsamen einheitlichen Leitung zum Ausdruck. Sie kann faktisch auch durch Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen bewirkt werden. Möglich ist auch, daß die Leitung einem der beteiligten Unternehmen allein zusteht. Das kann z. B. der Fall sein, wenn ein Unternehmen sich vertraglich verpflichtet, seine Aktivität fiir Rechnung eines anderen Unternehmens zu betreiben. Hier ist es möglich, daß die andere Gesellschaft die Leitung des eigenen Unternehmens und jenes der geschäftsführenden Gesellschaft einheitlich zusammenfaßt. Beide Unternehmen bilden alsdann, sofern das seinen Betrieb für Rechnung des anderen betreibende Unternehmen nicht abhängig ist, einen Gleichordnungskonzern. Erforderlich ist in allen Fällen, daß die Dispositionen die minimalen Erfordernisse des Begriffs einheitliche Leitung erfüllen (s. Anm. 5). Das trifft z. B. nicht zu, wenn bei einem Lohnveredelungs- oder bei einem Zulieferverhältnis der Auftraggeber lediglich die auszuführenden Arbeiten oder die zu liefernden Objekte bestimmt.

Anm. 14 Die einheitliche Leitung kann auch ohne Vertrag sich daraus ergeben, daß zwei Unternehmen auf Grund einer so engen wirtschaftlichen Kohärenz faktisch gezwungen sind sich in den wesentlichen Fragen ihrer Geschäftsführung aufeinander abzustimmen (s. Amtl. Begr. zu § 17 RegE), sich also in all jenen Geschäftsbereichen zu verständigen, welche zum Begriff der einheitlichen Leitung gehören. Auch diese faktisch erforderliche Abstimmung der geschäftlichen Aktivität stellt alsdann eine einheitliche Leitung dar. Ein Gleichordnungskonzern kann auch bei wechselseitiger Beteiligung vorliegen, wenn keines der beiden Unternehmen von dem anderen abhängig ist. Möglich ist sogar ein Gleichordnungskonzern unter einheitlicher Leitung einer A G als Holding, nämlich dann, wenn die in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 widerlegt haben, sich gleichwohl aber auf Grund Konsenses der Leitung durch die Holding unterstellen. Kein Gleichordnungskonzern liegt vor, wenn mehrere Unternehmen ein Gemeinschaftsunternehmen betreiben und sich über die Geschäftsführung desselben verständigen (s. Anm. 8).

Anm. 15 3. Konzernunternehmen Beim Gleichordnungskonzern sind die unter der Leitung zusammengefaßten Unternehmen Konzernunternehmen. Abhängigkeitskonzern und Gleichordnungskonzern können innerhalb derselben verbundenen Unternehmensgruppe vorhanden sein (Amtl. Begr. zu § 17 RegE). Das ist der Fall, wenn ein zu einem Gleichordnungskonzern gehörendes Unternehmen eine Tochtergesellschaft beherrscht, welche über die Muttergesellschaft in die Konzernleitung einbezogen ist. Hier ist die Tochtergesellschaft auch mit den übrigen zum Gleichordnungskonzern gehörenden Unternehmen konzernverbunden, weil sie mit ihnen unter der Leitung zusammengefaßt wird. Möglich ist umgekehrt, daß Mutter- und Tochtergesellschaft einen Abhängigkeitskonzern bilden und daß die Tochtergesellschaft mit Mehrheit an einer dritten Gesellschaft beteiligt ist, welche die Abhängigkeitsvermutung widerlegt hat, jedoch gleichwohl unter der einheitlichen Leitung der Tochtergesellschaft steht. Dann ist auch das dritte Unternehmen mit den beiden anderen konzernverbunden.

Anm. 16 4. Die an den Konzernbegriff (Unterordnungs- und Gleichordnungskonzern) bzw. an den Begriff Konzerngesellschaft anknüpfenden Rechtsvorschriften 1 . a ) Die §§ 97 Abs. 1, 104 Abs. 4 Satz 5 betreffen die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Hinblick auf die Arbeitnehmervertreter; vgl. auch § 40 E G A k t G .

162

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 18 A n m . 17

b) § 100 Abs. 2 betrifft die zulässige Höchstzahl von Aufsichtsratssitzen einer Person bei Konzernen. c) Nach § 134 Abs. i Satz 4 können bei Limitierung des Stimmrechts auch Aktien im Besitz von Konzerngesellschaften einbezogen werden. d) Nach §§ 145 Abs. 3, 165 Abs. 4 haben die Sonderprüfer und Abschlußprüfer auch Informationsrechte gegenüber Konzernunternehmen; vgl. dazu die Strafvorschrift des § 400 Nr. 3. Über Verantwortlichkeit der Prüfer gegenüber Konzemunternehmen vgl. §§ 49, 53 i. V. mit 144, 168 Abs. 1. e ) Die §§ 329fr. regeln die Aufstellung eines Konzernabschlusses; vgl. dazu die Strafvorschrift § 405 Abs. 1 Nr. 4. f ) Falsche Darstellung von Konzernverhältnissen ist nach § 400 Nr. 2 strafbar. 2 . Da auch beim Gleichordnungskonzern die unter der Leitung zusammengefaßten Konzernunternehmen Verbundene Unternehmen sind, finden auch die an § 15 anknüpfenden Vorschriften Anwendung (s. § 15 Anm. 4). 3. I m Gegensatz zum abhängigen Vertragskonzern (§§ 291fr.) enthält das Gesetz für den Gleichordnungskonzern, bei dem mangels Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis die Funktionen der Organe nicht beeinträchtigt sind, keine Regelung der Konzernbeziehungen unter den Gesellschaften; vgl. über Interessengemeinschaften mit Gewinnpoolung §§ 292 Abs. 1 Nr. 1 und §§ 293 fr. A n m . 17 III. A u s l ä n d i s c h e Konzerngesellschaften Die Frage, inwieweit internationale Konzerne der im Dritten Buch des AktG enthaltenen materiellen Regelung des Konzernrechts unterliegen, ist bei den Vorschriften des Dritten Buches zu erörtern; über Abschluß eines Beherrschungsvertrages zwischen einem herrschenden Unternehmen im Ausland mit einer inländischen A G vgl. Würdinger, Aktien- und Konzernrechts (1966) S. 21. Die nachstehenden Hinweise beschränken sich auf dieFrage, inwieweit die an die Begriffe Konzern und Konzernunternehmen anknüpfenden Vorschriften auch im Hinblick auf ausländische Konzerngesellschaften anwendbar sind. a ) Nach der in § 18 enthaltenen Definition Konzern und Konzernunternehmen ist es unerheblich, wo die einheitliche Leitung ausgeübt wird und wo die einzelnen Konzernunternehmen ihren Sitz haben. Die daran anknüpfenden Vorschriften betreffen jedoch nur die dem AktG unterliegenden Konzernunternehmen. Da andererseits nach § 15 alle Konzernunternehmen verbundene Unternehmen sind, ist für die inländische Konzerngesellschaft auch ein ausländisches Konzernunternehmen ein verbundenes Unternehmen. Auf die inländische Gesellschaft kommen daher die in § 15 Anm. 5 genannten Vorschriften auch mit Bezug auf das ausländische Konzernunternehmen zur Anwendung. b ) Da die Definition der Mehrheitsbeteiligung (§16) und des abhängigen und herrschenden Unternehmens (§ 17) auch Mehrheitsbeteiligungen und Abhängigkeitsverhältnisse über die Grenzen erfassen, sind die in § 16 Anm. 13 und § 17 Anm. 13 dargelegten Grundsätze auch bei internationalen Unterordnungskonzernen einschlägig. c) Uber die Verpflichtung der inländischen Konzerngesellschaft zur Aufstellung eines Konzernabschlusses s. die Erl. zu §§ 329, 330. d) Unter den in den §§ 97 Abs. 1, 104 Abs. 4 Satz 5 genannten Konzernunternehmen sind nur inländische Gesellschaften zu verstehen. e) Bei § 100 Abs. 2 sind Aufsichtsratssitze in ausländischen Gesellschaften nicht mitzuzählen; vgl. Godin-Wilhelmi, § 100 Anm. 3; Baumbach-Hueck, § 100 Anm. 3; Möhring-Schwartz S. H 3 f . A. A. jedoch Schütze, AG 1937, S. 342. ix*

163

§ 18 Anm. 18

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

§19 f ) Bei der in § 134 Abs. 1 Satz 4 geregelten Limitierung des Stimmrechts können auch Aktien einbezogen werden, welche ausländischen Konzernunternehmen gehören, weil das Stimmrecht im Inland ausgeübt wird, daher der Zuständigkeit des AktG unterliegt. g ) Ausländische Konzernunternehmen können durch das deutsche Recht nicht verpflichtet werden, den Abschlußprüfern und Sonderprüfern der inländischen Gesellschaft gemäß §§ 145 Abs. 3, 165 Abs. 4 Auskunft zu erteilen. Anm. 18 Die für Konzerne aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sich ergebenden Probleme sind hier nicht zu erörtern; es sei auf das Schrifttum zum G W B verwiesen.

§ 19

Wechselseitig beteiligte Unternehmen

(1) Wechselseitig beteiligte Unternehmen sind Unternehmen mit Sitz im Inland in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft, die dadurch verbunden sind, daß jedem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört. Für die Feststellung, ob einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört, gilt § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4. (2) Gehört einem wechselseitig beteiligten Unternehmen an dem anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung oder kann das eine auf das andere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben, so ist das eine als herrschendes, das andere als abhängiges Unternehmen anzusehen. (3) Gehört jedem der wechselseitig beteiligten Unternehmen an dem anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung oder kann jedes auf das andere unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben, so gelten beide Unternehmen als herrschend und als abhängig. (4) § 328 ist auf Unternehmen, die nach Absatz 2 oder 3 herrschende oder abhängige Unternehmen sind, nicht anzuwenden. Einleitung: Die Vorschrift ist neu. Ihre Aufnahme ist erfolgt wegen der mit der wechselseitigen Beteiligung verbundenen Gefahren für die Aufbringung, Erhaltung und den richtigen Ausweis des Kapitals und wegen der durch sie ermöglichten Einflußnahme der Verwaltungen auf die Willensbildung in der H V . „Zeichnen zwei A G n wechselseitig ihre Aktien, so kann die gleiche zwischen beiden Gesellschaften hin- und herwandernde Einlage mehrfach zur Kapitalerhöhung verwendet werden, obgleich diese Kapitalerhöhung tatsächlich nicht durch einen echten Vermögenszuwachs gedeckt ist. Erwerben zwei A G n wechselseitig ihre Aktien, so liegt darin im Ergebnis eine Rückgewähr der Einlage an die Aktionäre; auch hier ist das weiterhin in der ursprünglichen Höhe ausgewiesene Grundkapital beider Gesellschaften nicht mehr durch echte Vermögenswerte belegt" (Amtl. Begr. zu § i 8 R e g E ) . Die wechselseitige Beteiligung kann ferner, wenn sie eine entsprechend hohe ist, zu einer Herrschaft der Verwaltungen in der Gesellschafterversammlung führen und die Verwaltungen der verflochtenen Unternehmen von der Kontrolle ihrer Aktionäre freistellen (vgl. Mestmäcker S. 1 1 5 ; Zöllner S. i 3 3 f . ; Rasch S. 7 1 ; ferner die Entscheidung in R G 149, 305, welche eine

164

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 19

Anm. 1—5

wechselseitige Beteiligung zweier A G n betrifft, die beiderseits mehr als 90% ihres K a pitals betragen hat). Diese Gefahren verbieten es gemäß Amtl. Begr. a. a. O., die wechselseitige Beteiligung als angemessene Grundlage der Zusammenarbeit zweier Gesellschaften anzuerkennen. Durch die Einbeziehung der wechselseitigen Beteiligung in den Kreis der Verbundenen Unternehmen ( § 1 5 ) sind die für Verbundene Unternehmen geltenden Berichtsund Auskunftspflichten anwendbar. Durch die §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 1 soll das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung aufgedeckt werden. Durch § 328 wird die Ausübung der Rechte künftig entstehender wechselseitiger Beteiligungen beschränkt, während für bereits bestehende wechselseitige Beteiligungen § 6 E G AktG eine Sonderregelung enthält. § 19 Abs. 2 betrifft den Fall, daß eines der beiden Unternehmen im Mehrheitsbesitz des anderen steht oder von ihm abhängig ist, während § 19 Abs. 3 die beiderseitige Abhängigkeit zum Gegenstand hat.

Anm. 1 I. Der Begriff Abs. 1 Wechselseitig beteiligt i. S. der Begriffsbestimmung des § 19 Abs. 1 können nur Unternehmen bestimmter Rechtsform sein, nämlich Kapitalgesellschaften oder bergrechtliche Gewerkschaften. Keine wechselseitige Beteiligung liegt daher vor, wenn eine A G Gesellschafterin einer Personengesellschaft oder stille Gesellschafterin ist und die Personengesellschaft bzw. bei der stillen Gesellschaft der Geschäftsinhaber Aktien der Gesellschaft besitzt. In solchen Fällen können jedoch die §§ 16 und 17 einschlägig sein.

Anm. 2 Der Begriff wechselseitige Beteiligung setzt ferner voraus, daß die beteiligten Unternehmen ihren Sitz im Inland haben. Die gegenseitige Beteiligung zwischen einer inländischen Gesellschaft und einer Gesellschaft mit Sitz außerhalb des Geltungsbereiches des AktG wird von § 19 nicht erfaßt; vgl. jedoch für den Fall der Mehrheitsbeteiligung oder Abhängigkeit über die Grenzen § 16 Anm. 13 und § 17 Anm. 13.

Anm. 3 Der Begriff wechselseitige Beteiligung beschränkt sich auf die gegenseitige Beteiligung zweier Gesellschaften. Drei- und Mehrecksverhältnisse fallen nicht unter Abs. 1. Sie sind jedoch in Abs. 2 und 3 mit einbezogen (s. Anm. 9 sub c). Wenn das Gesetz in anderen Vorschriften von wechselseitiger Beteiligung spricht, ist nur die zwischen zwei Gesellschaften bestehende gegenseitige Beteiligung zu verstehen.

Anm. 4 Nach Abs. 1 liegt eine wechselseitige Beteiligung nur vor, wenn jedem der beiden Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört. Indem das Gesetz mehr als 2 5 % gegenseitiger Beteiligung verlangt, hat es dem Schachtelprivileg im Körperschaftssteuerrecht Rechnung getragen. Daher keine wechselseitige Beteiligung gemäß Abs. 1, wenn beide Gesellschaften nur 2 5 % oder weniger Anteile besitzen, oder wenn eine Gesellschaft mehr als 2 5 % , die andere dagegen nur 2 5 % oder weniger Anteile innehat.

Anm. 5 Bei der Feststellung, ob einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört, ist § 16 Abs. 4 zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich folgendes. Ist A an B mit 1 0 % , B an A mit 26% beteiligt, beherrscht aber A eine Tochtergesellschaft T , welche ihrerseits an B mit 20% beteiligt ist, dann werden die der T gehörenden Aktien der A zugerechnet, so daß A an B als mit 3 0 % beteiligt gilt. Besitzt A

166

§19

Anm. 6—9

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

an B i o % , T an B 5 0 % , B an A 2 6 % , dann gilt A an B als mit 6 0 % beteiligt, so daß B gemäß § 19 Abs. 2 als von A abhängig zu betrachten ist. Dadurch wird jedoch die A b hängigkeit der B von T gemäß § 17 Abs. 2 nicht aufgehoben, vielmehr wird i. S. des § 17 B von A mittelbar, von T dagegen unmittelbar beherrscht (s. § 16 Anm. 7). Keine Zurechnung der Aktien der T zu A findet statt, wenn A selbst an B nicht beteiligt ist, wenn also ein Dreiecksverhältnis vorliegt, bei dem A 6 0 % von T , T 6 0 % von B und B 6 0 % von A besitzt (s. § 16 Anm. 5).

Anm. 6 Die Beteiligungsquote errechnet sich gemäß Abs. 1 Satz 2 i. V . mit § 16 Abs. 2 Satz 1 bei Kapitalgesellschaften nach dem Verhältnis des Nennbetrages der dem Unternehmen gehörenden und der ihm zuzurechnenden Anteile zum Nennkapital des anderen Unternehmens; bei bergrechtlichen Gewerkschaften ist maßgebend die Zahl der K u x e (vgl. dazu § 16 Anm. 3). Nicht anwendbar ist § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3; eigene Anteile und die ihnen gleichgestellten Anteile vermindern hier das Nennkapital bzw. die Gesamtzahl der K u x e nicht.

Anm. 7 Die Definition des § 19 Abs. 1 stellt lediglich auf das Vorliegen wechselseitiger Beteiligung a b ; der Gesichtspunkt der einheitlichen Leitung ist ohne Belang. K o m m t sie zur wechselseitigen Beteiligung hinzu, dann liegt ein Konzern (§18) vor, der sowohl ein Gleichordnungs- als auch ein Unterordnungskonzern sein kann. Letzterer würde im Falle des § 19 Abs. 2 vorliegen; im Falle des Abs. 3 jedoch wird der Ausschluß der Stimmrechte gemäß § 136 Abs. 2 in der Regel einen Gleichordnungskonzern bewirken.

Anm. 8 II. Die mit der wechselseitigen Beteiligung verbundenen Rechtsfolgen a ) Die wechselseitig beteiligten Unternehmen sind Verbundene Unternehmen nach § 15, unterliegen also den hieran anknüpfenden Vorschriften (s. § 15 Anm. 4). b ) Das Vorliegen einer wechselseitigen Beteiligung ist durch § 151 Abs. 1 sub Aktiva I I I B 9 in der Bilanz ersichtlich; nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 ist sie im Geschäftsbericht darzulegen. c ) Die in den §§ 20 Abs. 3 ü. 21 und in § 328 Abs. 3 statuierten Mitteilungspflichten dienen der Feststellung des Vorliegens einer wechselseitigen Beteiligung und ihrer Höhe. d ) Die Sanktion der Mitteilungspflichten aus den §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 1 ist in § 328 Abs. 1 u. 2 geregelt (vgl. dazu § 20 Anm. 4 und 13); für wechselseitige Beteiligungen, die bei Inkrafttreten des A k t G bereits bestehen, gilt § 6 E G A k t G . e ) Uber wechselseitig beteiligte Unternehmen als Konzern s. Anm. 7.

Anm. 9 III. Sonderregelung in Abs. 2 Hierunter fallen folgende Tatbestände. a ) Wenn einem der beiden wechselseitig beteiligten Unternehmen an dem anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung zusteht, dann gilt — im Gegensatz zu § 17 Abs. 2 — das mit Mehrheit beteiligte Unternehmen unwiderleglich als herrschendes und das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen als abhängiges Unternehmen. Gleichgültig ist, ob die Mehrheitsbeteiligung nach § 20 Abs. 4 mitgeteilt worden ist oder nicht. Die Frage, ob eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt, beurteilt sich nach § 16. Hierbei ist die Zurechnung des Anteilbesitzes eines abhängigen Unternehmens zum Anteilsbesitz des herrschenden Unternehmens gem. § 16 Abs. 4 zu beachten. Sie setzt, wie § 16 A n m . 5

166

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 19 A n m . 10

§ 20—22 Vorbemerkung darlegt, voraus, daß das herrschende Unternehmen selbst an der dritten Gesellschaft beteiligt ist, welche ihrerseits Anteile des herrschenden Unternehmens besitzt. Wenn die Gesellschaft A 8 o % Anteile an B, B 6 o % Anteile an C und G 6 o % Anteile an A besitzt, dann ist B von A , C von B und A wiederum von C abhängig. Es liegt aber keine wechselseitige Beteiligung vor, weil eine Zurechnung gem. § 16 Abs. 4 nicht erfolgt. Besitzt B an A 3 0 % , A an G 15°/0, die von A abhängige B 4O°/0 Anteile der C, dann liegt zwischen A und G eine wechselseitige Beteiligung vor, wobei A gegenüber C als mit 5 5 % mehrheitsbeteiligt und G als von A abhängig gilt. Indem das mehrheitsbeteiligte Unternehmen als herrschendes, das andere als abhängig gelten, sind sie den an § 17 anknüpfenden Vorschriften unterstellt, insbesondere greift das Ruhen des Stimmrechts gemäß §136 Abs. 2 und der Ausschluß des Bezugsrechts gemäß § 56 Abs. 2 Platz (s. § 17 Anm. 12). Die Anwendbarkeit des § 328 hingegen ist gemäß Abs. 4 ausgeschlossen; dasselbe gilt für § 6 E G A k t G . Uber die Mitteilungspflicht s. §20 Anm. 7. b ) Wenn bei Vorliegen wechselseitiger Beteiligung das eine Unternehmen ohne Mehrheitsbeteiligung auf das andere unmittelbar einen herrschenden Einfluß ausüben kann, dann greifen ebenfalls die an das Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis des § 17 anknüpfenden Vorschriften Platz. § 328 und § 6 E G A k t G gelten hier nicht, wohl aber die in Anm. 8 sub a und b dargelegten Rechtsfolgen. c ) Einbezogen ist auch der Fall, daß ein Unternehmen auf das andere nur mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann, wenn also eine Abhängigkeit im Dreioder Mehrheitsverhältnis besteht, mithin A die Gesellschaft B, B die Gesellschaft C, C wiederum die Gesellschaft A beherrscht. Diese Verbindung fallt jedoch nicht mehr unter den Begriff wechselseitige Beteiligung gemäß Abs. 1. Es kommen jedoch die für abhängige Unternehmen geltenden Vorschriften zur Anwendung (s. § 17 Anm. 12 u. 13).

Anm. 10 IV. Sonderregelung In Abs. 3 Wenn jedem der beiden wechselsietig beteiligten Unternehmen an dem anderen eine Mehrheitsbeteiligung zusteht, dann gelten beide Unternehmen unwiderleglich als herrschendes und abhängiges Unternehmen. Dasselbe gilt, wenn jedes auf das andere ohne Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. Indem das Gesetz beide Unternehmen als herrschend und abhängig erklärt, tritt es der in der Amtl. Begr. des Gesetzes von 1937 auf Grund der Entscheidung in R G 149, 305 (Iduna-Fall) zugrunde liegenden Auffassung entgegen, daß beiderseitige Abhängigkeit sich aufhebe. Beide Unternehmen unterliegen daher den Rechtsfolgen, welche das Gesetz mit der Abhängigkeit gemäß § 17 verbindet (s. § 17 Anm. 12). Im übrigen gilt das in Anm. 9 Gesagte. A u c h hier ist der Fall mittelbarer Beherrschung mit einbezogen; Beispiel: A besitzt an G 1 0 % ; die von A beherrschte Tochtergesellschaft T A besitzt an C 6 0 % ; C besitzt an A 1 0 % ; die von C beherrschte Tochtergesellschaft C T besitzt an A 60%.

Vorbemerkung zu den §§ 20 bis 22 Schrifttum: Geßler BB 65, 678; Schäfer BB 66, 2 2 9 f r . ; Obermüller- Werner-Winden A k t G S. 232; Schmidt, Z K W 66, 1046fr; i o 8 i f f ; Bernhard BB 66, 678; Möhring-Schwartz-Rohwedder-Haberlandt, Die Aktiengesellschaft und ihre Satzimg ( 2 . A u f l . 1966) S. 2 8 8 f r . In den §§ 2 0 bis 2 2 ist die Verpflichtung zur Mitteilung größerer Beteiligungen vorgeschrieben, welche dem früheren Recht unbbkannt war. Die Mitteilung soll dazu dienen „die Aktionäre, die Gläubiger und die Öffentlichkeit über geplante und bestehende Konzernverbindungen besser zu unterrichten und das mehrfach auch für die Unternehmensleitung selbst nicht erkennbare Machtverhältnis in der Gesellschaft deutlicher hervortreten zu lassen. Ferner soll durch diese Mitteilungspflicht die Rechtssicherheit bei der Anwendung derjenigen Vorschriften, die an die Höhe einer Beteiligung anknüpfen, erhöht werden" (Amtl. Begr. zu § 19 RegE). Die Mitteilungspflicht gehört

167

§20

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

zu den am meisten umstrittenen Fragen der Aktienrechtsreform. In § ig R e g E war sie auf Kapitalgesellschaften und bergrechtliche Gewerkschaften beschränkt und auch mit einer nur beschränkten Sanktion versehen. Im Rechtsausschuß des Bundestages hat die Mehrheit sich für die Streichung dieser Bestimmung ausgesprochen. Im Wirtschaftsausschuß war die Mehrheit für Einfuhrung derselben, jedoch in einer gegenüber dem R e g E abgewandelten Form; es sei hierwegen auf den Ausschußbericht (s. KropfF zu § 20) verwiesen. Die Mitteilungspflicht besteht nur für Unternehmen, welche Beteiligungen erwerben. Der Vorschlag, daß sie auch auf private Aktionäre auszudehnen sei, wurde nicht gebilligt. Im Gegensatz zum Referentenentwurf, welcher die Mitteilungspflicht bei Besitz von 20% der Anteile vorgesehen hatte, setzt sie nach der Gesetzesregelung erst bei einem Besitz von mehr als 2 5 % der Anteile ein. Es wurde damit der qualifizierten Minderheit Rechnung getragen, die zur Verhinderung von Satzungsänderungen ausreicht, und auch dieses berücksichtigt, daß erst der Besitz von mehr als 2 5 % der Anteile zu einer wechselseitigen Beteiligung fuhren kann. Dagegen ist von einer Ausdehnung der Mitteilungspflicht auf Beherrschungsverhältnisse ohne Mehrheitsbeteiligung im Interesse der Rechtssicherheit abgesehen worden. § 20 betrifft die Beteiligung eines Unternehmens beliebiger Rechtsform an einer A G (bzw. K o A G , § 278 Abs. 3); § 21 regelt die Beteiligung einer A G an einer anderen Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft. Die Beteiligung einer A G an einer anderen A G wird daher sowohl von § 20 als auch von § 2 1 betroffen. Die Mitteilungspflicht ist nicht eine durch Klage erzwingbare Rechtspflicht, sondern eine Obliegenheit, deren Erfüllung Voraussetzung für die Ausübung der Rechte aus den Aktien bildet (§§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4).

§ 30

Mitteilungspflichten

(1) Sobald einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland gehört, hat es dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Für die Feststellung, ob dem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Aktien gehört, gilt § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4. (2) Für die Mitteilungspflicht nach Absatz 1 rechnen zu den Aktien, die dem Unternehmen gehören, auch Aktien, 1. deren Übereignung das Unternehmen, ein von ihm abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens verlangen kann; 2. zu deren Abnahme das Unternehmen, ein von ihm abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens verpflichtet ist. (3) Ist das Unternehmen eine Kapitalgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft, so hat es, sobald ihm ohne Hinzurechnung der Aktien nach Absatz 2 mehr als der vierte Teil der Aktien gehört, auch dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (4) Sobald dem Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung (§ 16 Abs. 1) gehört, hat es auch dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (5) Besteht die Beteiligung in der nach Absatz 1, 3 oder 4 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr, so ist dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (6) Die Gesellschaft hat das Bestehen einer Beteiligung, die ihr nach Absatz 1 oder 4 mitgeteilt worden ist, unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen; dabei ist das Unternehmen anzugeben, dem die 168

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 20 Anm. 1—3

Beteiligung gehört. Wird der Gesellschaft mitgeteilt, daß die Beteiligung in der nach Absatz 1 oder 4 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr besteht, so ist auch dies unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. (7) Rechte aus Aktien, die einem nach Absatz 1 oder 4 mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören, können für die Zeit, für die das Unternehmen die Mitteilung nicht gemacht hat, durch das Unternehmen, ein von i h m abhängiges Unternehmen oder einen anderen für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens nicht ausgeübt werden. Anm. 1 I. Mitteilungspflicht nach Abs. 1 Das Gesetz spricht von einer Mitteilungspflicht. Es handelt sich indessen nicht um eine echte, d. h. durch Klage erzwingbare Rechtspflicht, sondern um eine Obliegenheit, also um eine Voraussetzung für die Geltendmachung der mit den Anteilen verbundenen Rechte. Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, dann greift die Sanktion des Abs. 7 ein. In § ao ist die Mitteilungspflicht für den Fall geregelt, daß ein Unternehmen sich an einer A G beteiligt. Gleichgültig ist, welche Rechtsform das sich beteiligende Unternehmen hat. Wegen des Begriffes Unternehmen sei auf die Vorbemerkungen vor §§15 bis 17 sub II verwiesen. Dort ist ausgeführt, daß ein Einzelaktionär, der auf Grund seiner Mehrheitsbeteiligung eine A G beherrscht, auch wenn er auf die Geschäftsführung Einfluß nimmt, kein Unternehmen darstellt. Kein Unternehmen ist ferner eine an einer A G beteiligte Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die keinen eigenen Geschäftsbetrieb führt, z. B. ein Aktionärkonsortium mit Aktien als Gesamthandsvermögen und Stimmrechtspoolung; ebenso nicht ein Bankenkonsortium, welches eine Kapitalerhöhung gemäß § 186 Abs. 5 finanziert. Wohl aber ist eine GmbH ohne eigenen Geschäftsbetrieb, deren Vermögen lediglich aus Aktien besteht, ein mitteilungspflichtiges Unternehmen. Ist dagegen ein Rechtssubjekt, also eine Einzelperson oder juristische Person oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an zwei oder mehreren AGn beteiligt und faßt sie diese Gesellschaften unter ihrer einheitlichen Leitung zusammen, dann ist diese Tätigkeit als Unternehmen zu qualifizieren. Es liegt in solchem Falle ein Unterordnungskonzern vor (s. § 18 Anm. 1) und Zweck der hier Platz greifenden Mitteilungspflicht ist es, dieses bekanntzumachen. Anm. 2 Die Mitteilungspflicht nach Abs. 1 greift Platz, sobald einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Aktien einer inländischen A G gehört, im Falle eines allmählichen Aufkaufs also, sobald der Erwerb diesen Betrag erreicht. Die Aktien müssen dem Unternehmen gehören, d. h. in dessen Eigentum stehen. Fremdbesitz (z. B. der Banken an Depotaktien) ist nicht anzeigepflichtig. Hiervon aber gibt es wichtige Ausnahmen (s. folg. Anm.). Anm. 3 Für die Berechnung des Aktienbesitzes (§ 20 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2) gilt folgendes. a ) Zu den Aktien, welche dem Unternehmen gehören, sind gemäß § 16 Abs. 4 auch die Aktien zu rechnen, die einem von ihm abhängigen Unternehmen oder einem Dritten für Rechnung des Unternehmens oder des von ihm abhängigen Unternehmens gehören. Handelt es sich um einen Alleinunternehmer, zu dessen Geschäftsvermögen Aktien gehören, so kann er nicht geltend machen, daß ein Teil der ihm gehörenden Aktien Privatvermögen seien (s. § 16 Anm. 5U.6). b) Zu den dem Unternehmen gehörenden Aktien rechnen nach Abs. 2 auch solche Aktien, die zwar weder dem Unternehmen noch einem von ihm abhängigen Unternehmen oder einem Dritten für Rechnung derselben gehören, deren Ubereignung jedoch von einem der Genannten verlangt werden kann bzw. zu deren Abnahme eine

169

§20 Anm. 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Verpflichtung besteht. Diese Regelung betrifft Vereinbarungen, die bei gezieltem Aktienaufkauf zwecks Paketbildung vorkommen, indem das Unternehmen sich Aktien, ohne sie bereits zu erwerben, dadurch sichert, daß es deren Übereignung verlangen kann (Godin-Wilhelmi § 20 Anm. 4). Sie betrifft ferner den Fall, daß Aktien im Wege stückeloser Giroumbuchung gekauft worden sind. Eine Abnahmeverpflichtung kann beruhen auf vereinbartem Aktientausch, wobei der andere Teil berechtigt ist zu erklären, wann er durchzuführen sei. Mit Abs. a soll auch die Umgehung der Mitteilungspflicht durch Verkauf von Aktien unter Einbehaltung von Optionsrechten oder Rückerwerbspflichten vereitelt werden. Nicht erforderlich ist, daß dem Unternehmen auch bereits die Disposition über die Ausübung der Rechte aus solchen Aktien zusteht; denn bei solcher Einschränkung würde der Unterschied zwischen Abs. 2 und dem in Abs. 1 genannten Besitz für Rechnung der Gesellschaft verwischt werden, den das Gesetz gerade besonders hervorhebt. Zweck der Einbeziehung der Aktien nach Abs. 2 ist es, die Möglichkeit einer Paketbildung durch die Mitteilungspflicht schon frühzeitig bekanntzumachen. Nach Godin-Wilhelmi § 20 Anm. 4 soll aus diesem Grunde nur das Unternehmen mitteilungspflichtig sein, während Obermüller-Werner-Winden A k t G S. 232, Baumbäch-Hueck § 20 Anm. 9 eine Mitteilungspflicht auch für den Eigentümer der Aktien bejahen. Richtig ist, daß für den Eigentümer (Verkäufer) der Aktien schon zu einem früheren Zeitpunkt wegen seines Besitzes eine Mitteilungspflicht erwachsen sein kann. Beschafft aber der Dritte die in Frage stehenden Aktien selbst erst, um sie für die Gesellschaft nach § 20 Abs. 2 bereitzuhalten, dann genügt Anzeige durch die Gesellschaft. Nicht mitteilungspflichtig ist ferner ein Dritter, der Aktien für Rechnung des Unternehmens erwirbt, welche deshalb dem Unternehmen zugerechnet werden. Keine Mitteilungspflicht besteht für Aktien, welche dem Unternehmen ohne Abnahmeverpflichtung zum Erwerb nur angeboten sind (a. A. Schäfer BB 66, 229); s. auch unten Anm. 7. c ) Für die Berechnung des Quotenverhältnisses ist nach § 16 Abs. 2 Satz 1 maßgebend das Verhältnis des Gesamtnennbetrages der dem Unternehmen gehörenden und ihm zuzurechnenden Aktien zum Nennbetrag des Grundkapitals der Gesellschaft. Da in Abs. 1 Satz 2 nur verwiesen ist auf § 16 Abs. 2 Satz 1, werden in diesem Falle eigene Aktien der Gesellschaft und ihnen gleichgestellte Aktien von dem Nennbetrag des Grundkapitals nicht abgezogen, da dieser Bestand sich einer Feststellung durch den Mitteilungspflichtigen entzieht.

Anm. 4 I I . Die Mitteilungspflicht n a c h A b s . 3 Sie dient der Feststellung, ob eine wechselseitige Beteiligung vorliegt und entspricht der Mitteilungspflicht aus §21 Abs. 1. Da die Definition des § 19 nur Kapitalgesellschaften und bergrechtliche Gewerkschaften mit Sitz im Inland umfaßt, ist auch die Mitteilungspflicht aus Abs. 3 auf sie beschränkt. Für ausländische Unternehmen besteht jedoch die Mitteilungspflicht nach Abs. 1. Für die Berechnung der Mehrheit ist Abs. 1 maßgebend, an welchen Abs. 3 anknüpft. Das in Anm. 3 sub a und c Gesagte gilt auch hier. Eine Zurechnung der Aktien gemäß Abs. 2 findet hier naturgemäß nicht statt, weil auch bei der wechselseitigen Beteiligung eine solche nicht Platz greift. Die nach Abs. 3 erforderliche Mitteilung wird nicht dadurch hinfallig, daß eine Mitteilung nach Abs. 1 erfolgt ist, bei welcher Aktien gemäß Abs. 2 hinzugerechnet worden sind. Sie entsteht in diesem Falle als neue Verpflichtung, wenn das Unternehmen die nach Abs. 2 zugerechneten Aktien nachträglich tatsächlich erworben hat. Dieses ergibt sich auch aus § 328, welcher auf § 20 Abs. 3 verweist. Wenn jedoch eine Mitteilung nach Abs. 1 ohne Hinzurechnung von Aktien gemäß Abs. 2 erfolgt und dieses aus der Mitteilung auch ersichtlich ist, ist sie mit jener aus Abs. 3 identisch (s. dazu wegen der Sanktion unten Anm. 13).

170

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 20 A n m . 5—7

Anm. 5 III. Die Mitteilungspflicht nach Abs. 4 Eine weitere Verpflichtung zur Mitteilung entsteht ferner dann, sobald dem Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung gehört. Diese Verpflichtung obliegt ebenso wie jene aus Abs. i wiederum allen Unternehmen, gleichgültig, welche Rechtsform sie haben. Der in Abs. 4 enthaltene Hinweis auf § 16 Abs. 1 macht deutlich, daß es hier im Gegensatz zu Abs. 1, der nur auf die Anteilsquote abstellt, unerheblich ist, ob die Mehrheitsbeteiligung auf Kapital- oder Stimmenmehrheit beruht. Für die Berechnimg der Mehrheitsbeteiligung gelten die Voraussetzungen des § 16 in vollem Umfange (ebenso Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Rn. 1 1 ; a. A. Bernhard BB 66, 680). Die in Abs. 4 vorgesehene Verpflichtung zur Mitteilung besteht selbständig neben den Mitteilungspflichten aus Abs. 1 und 3. Es kann also im Falle allmählichen Aufkaufs von Aktien eine dreimalige Mitteilungspflicht entstehen. Möglich ist aber auch, daß die Mitteilungspflicht nur nach Abs. 4, nicht aber nach Abs. 1 entsteht, indem die Mehrheitsbeteiligung auf Stimmenmehrheit beruht, während der Kapitalbetrag hinter Abs. 1 zurückbleibt. Die Mitteilungspflicht nach Abs. 4 ist von besonderer Bedeutung, weil mit der Mehrheitsbeteiligung gemäß § 17 Abs. a die Vermutung der Abhängigkeit und mit der Abhängigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 die Konzernvermutung verbunden ist. Anm. 6 IV. Mitteilungspflicht nach Abs. 5 Eine Mitteilung ist auch dann erforderlich, wenn die Beteiligung in der nach Abs. 1, 3 und 4 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr besteht. Ist freilich die vorherige Anzeige des Bestehens solcher Beteiligungen unterblieben, dann bedarf es auch keiner Anzeige ihres nachträglichen Wegfalls. War eine Mehrheitsbeteiligung angezeigt und wird lediglich deren Wegfall mitgeteilt, dann bleibt eine etwa vorhergegangene Anzeige nach Abs. 1 weiterhin bestehen. Nur die Vollaufgabe der Beteiligung ist als solche in der Mitteilung erkenntlich zu machen, weil alsdann auch der von Abs. 1 betroffene Anteilsbesitz, welcher bekanntgemacht war, entfallen ist. Anm. 7 V. Die Mitteilungspflicht obliegt dem Unternehmen, dem die Aktien gehören. Da zu diesen Aktien auch die einem abhängigen Unternehmen bzw. einem Dritten für Rechnung derselben gehörenden Aktien hinzuzurechnen sind, erhebt sich die Frage, ob das abhängige Unternehmen bzw. der Dritte, wenn deren Anteilsbesitz 25% übersteigt, ebenfalls mitteilungspflichtig sind, ob also eine doppelte Mitteilungspflicht Platz greift (s. auch oben Anm. 3 sub b). Diese Frage ist sehr zweifelhaft und die daraus sich ergebende Rechtsunsicherheit ist wegen der in Abs. 7 verhängten Sanktion belastend. Die Entscheidung hängt zunächst von der Vorfrage ab, wann eine Zurechnung des Anteilbesitzes eines abhängigen Unternehmens zum Anteilbesitz des herrschenden Unternehmens erfolgt. Wie in § 16 Anm. 5 dargelegt, greift die Zurechnung nach § 16 Abs. 4 nur Platz, wenn auch das herrschende Unternehmen selbst an der dritten Gesellschaft beteiligt ist. Hierbei sind folgende Möglichkeiten gegeben : 1. Fall: A beherrscht B; A ist an C mit 10°/0, B an C mit 20°/0 beteiligt. Hier ist A wegen der Zurechnung der der B gehörenden Beteiligung gegenüber C mit 30 °/0 mitteilungspflichtig. 2. Fall: A beherrscht B; A besitzt an G 1 0 % , B an C 30%, welche der A zugerechnet werden. In diesem Falle muß es genügen, wenn A gegenüber G 40 °/0 Anteilsbesitz anzeigt, da A auch über die Beteiligung der B verfügt. Gleiches gilt, wenn A an G mit 4o°/0, 171

§20 A n m . 8, 9

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

B an C mit 2 6 % beteiligt ist. Hier genügt es, wenn A der C Mitteilung von der ihr zur Verfügung stehenden Mehrheitsbeteiligung macht, da A mit Hilfe der B die G beherrschen kann. Der Zweck der Mitteilungspflicht wäre dagegen nicht erfüllt, wenn hier lediglich B gegenüber C Anzeige von 2 6 % Beteiligung erstatten würde. 3. Fall: A beherrscht die Tochtergesellschaft B, B die Enkelgesellschaft C ; A ist an C hingegen nicht beteiligt. Hier findet eine Zurechnung der Beteiligung der B an C gegenüber A nicht statt. A kann C nicht immittelbar, sondern nur über B beherrschen. Nach allgemeiner Auffassung soll jedoch die Muttergesellschaft A gegenüber C anzeigepflichtig sein; vgl. Obermüller-Werner-Winden A G S. 232; Schäfer BB 66, 230; Bernhardt BB 66, 681; Möhring-Schwartz, Satzung S. 289; Godin-Wilhelmi § 20 A n m . 4; Baumbach-Hueck § 20 RNr. 8. Unzweifelhaft wird der Zweck der Mitteilungspflicht dadurch erfüllt. Sachlich aber obliegt die Mitteilung der B, weil nur B an G unmittelbar beteiligt ist, andererseits das mittelbare Herrschaftsverhältnis von A einer Mitteilungspflicht nicht unterliegt. Die Beteiligung von A an B wird dadurch publik, daß A auch gegenüber B meldepflichtig ist. 4. Fall: Eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 findet auch bei wechselseitiger Beteiligung gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 statt. Ist C an A mit 3 0 % , A an C mit 1 0 % , die von A beherrschte B an C mit 3 0 % beteiligt, dann liegt wegen der Zurechnung der Anteile der B an C zum Anteilsbesitz der A eine wechselseitige Beteiligung zwischen A und C vor. Hier sind A und C wechselseitig mitteilungspflichtig und die Mitteilung durch A kommt auch der B im Verhältnis zu C zugute.

Anm. 8 VI. Form und Inhalt der Mitteilung Die Mitteilung hat unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) nach Eintritt des meldepflichtigen Tatbestandes zu erfolgen. Sie hat schriftlich zu geschehen. Sie wird nicht dadurch überflüssig, daß der Tatbestand der Gesellschaft bekannt ist, denn sie ist ein Formalakt, welcher nach Abs. 6 für die die Mitteilung empfangende Gesellschaft die Verpflichtung zur Veröffentlichung begründet. Auch telefonische Mitteilung genügt nicht. Da andererseits aber die Mitteilung nur dem Zwecke dient, das Bestehen großer Beteiligungen publik zu machen, muß es, will man den Formalismus nicht übertreiben, genügen, wenn die Gesellschaft beispielsweise auf Grund einer Anmeldung von Namensaktien zur Umschreibung (§ 67) eine Bekanntmachung gemäß Abs. 6 bewirkt (vgl. für die Einmann-Gesellschaft Leo A G 65, 352; dagegen Godin-Wilhelmi Anm. 8) oder wenn sie die Bekanntmachung vollzieht, nachdem bei einer Kapitalerhöhung einem Unternehmen die von ihm gezeichneten Aktien zugeteilt werden. Die Gesellschaft darf freilich eine solche Veröffentlichung nicht ohne Konsens des Unternehmens herbeiführen. Mitteilungspflichtig ist nach Abs. I nur die Tatsache, daß eine Beteiligung von mehr als 2 5 % besteht. Es muß aber auch genügen, wenn die Mitteilung sich auf den Inhalt beschränkt, daß hiermit Anzeige gemäß § 20 Abs. 1 erstattet wird. Nicht erforderlich ist hingegen die Angabe der Höhe der Beteiligung, auch nicht dieses, ob hierbei Aktien gemäß Abs. 2 hinzugerechnet sind. Wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine Zurechnung nach Abs. 2 nicht Platz greift, dann entspricht diese Mitteilung auch der aus Abs. 3 sich ergebenden Verpflichtung. Inhalt der Mitteilung nach Abs. 4 ist die Anzeige von dem Bestehen der Mehrheitsbeteiligung, wobei wiederum nicht erforderlich ist, anzugeben, ob sie auf Kapital- oder Stimmenmehrheit beruht; s. jedoch § 22. Uber die Mitteilung der Veränderung der angezeigten Beteiligung s. Anm. 6.

Anm. 9 Eine besondere Mitteilungspflicht gilt für wechselseitig beteiligte Unternehmen, wenn eine A G mit einer anderen Kapitalgesellschaft wechselseitig beteiligt i. S. des § 19 ist. Hier haben diese Unternehmen gemäß § 328 Abs. 3 die Höhe ihrer Beteiligung und jede Änderung derselben einander unverzüglich mitzuteilen. Die beiden Unternehmen sollen dadurch stets über den Stand und über die Entwicklung ihrer gegenseitigen Beteili-

172

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 20

Anm. 10, 11

gung unterrichtet sein. Eine Veröffentlichung dieser Mitteilungen, wie sie in § 20 Abs. 6 vorgeschrieben ist, findet hier nicht statt; s. dazu die Erl. zu § 328, dort auch über die Ubergangsregelung in § 6 EG AktG.

Anm. 10 VII. Veröffentlichung der Mitteilung Abs. 6

Die Gesellschaft, der eine Mitteilung nach Abs. 1, 4 oder 5 zugegangen ist, hat dieses unverzüglich in den Gesellschaftsblättern (§ 25) bekanntzumachen. Die Verlautbarung in den Gesellschaftsblättern hat nur einmal zu erfolgen. Uber die Berichterstattung auch im Geschäftsbericht s. § 160 Abs. 3 Nr. 11. Nicht vorgeschrieben ist die Bekanntmachung einer Mitteilung nach Abs. 3, welche ebenso wie jene aus §21 nur der Feststellung dient, ob eine wechselseitige Beteiligung vorliegt. Wenn die Voraussetzungen des Abs. 3 mit jener des Abs. 1 sich jedoch decken, wenn also eine in Abs. 1 genannte Beteiligung ohne Zurechnung der in Abs. 2 genannten Aktien vorliegt, dann besteht auch die Mitteilungspflicht nach Abs. I, welche der Veröffentlichung unterliegt (s. oben Anm. 4). Es ist in diesem Falle nicht möglich, die Veröffentlichung dadurch zu vermeiden, daß das beteiligte Unternehmen darauf hinweist, eine Mitteilung lediglich nach Abs. 3 erstatten zu wollen. Zwar dürfte die Gesellschaft solchenfalls diese Mitteilung nicht von sich aus, also ohne Konsens des Unternehmens bekanntmachen. Die Mitteilung hätte jedoch nur Wirkung gemäß § 328, während das Unternehmen von der Sanktion des Abs. 7 betroffen bliebe (s. Anm. 11). Ist andererseits Mitteilung nach Abs. 1 unter Hinzurechnung der Aktien gemäß Abs. 2 ergangen und veröffentlicht worden und hat das Unternehmen nachträglich die nach Abs. 2 bereits zugerechneten Aktien erworben und dieses alsdann nochmals nach Abs. 3 mitgeteilt, dann unterliegt diese neue Mitteilung nicht der Veröffentlichung. In der Bekanntmachung ist das Unternehmen so anzugeben, daß eine Verwechselung ausgeschlossen ist; bekanntzumachen ist also stets die Firma, regelmäßig auch der Sitz des Unternehmens und ferner ist bekanntzumachen im Falle des Abs. 1, daß eine Beteiligung von mehr als 25% besteht, im Falle des Abs. 4, daß eine Mehrheitsbeteiligung des Unternehmens vorliegt. Nicht dagegen ist die reale Höhe der Beteiligung oder dieses bekanntzumachen, ob die Mehrheitsbeteiligung auf Kapital- oder auf Stimmenmehrheit beruht, und zwar selbst dann nicht, wenn dieses aus der Mitteilung des Unternehmens ersichtlich oder der Gesellschaft sonst bekannt ist. In der Bekanntmachung einer Mitteilung nach Abs. 5 wegen Wegfalls der Beteiligung, die ebenfalls nur erforderlich ist in bezug auf bekanntgemachte Beteiligungen nach Abs. 1 und 4, ist nur zu verlautbaren, daß die Beteiligung von mehr als 25% oder daß die Mehrheitsbeteiligung nicht mehr besteht. War im letzteren Fall der Bekanntmachung nach Abs. 4 eine solche nach Abs. 1 vorausgegangen, dann bleibt mit Verlautbarung des Wegfalls der Mehrheitsbeteiligung die nach Abs. 1 erfolgte Bekanntmachung weiterhin bestehen. Bei Totalaufgabe der Beteiligung ist daher sowohl der Wegfall der Voraussetzungen nach Abs. 4 als auch jene nach Abs. 1 anzuzeigen und bekanntzumachen. War der Mitteilung und Verlautbarung der Mehrheitsbeteiligung keine solche nach Abs. 1 vorausgegangen, dann bedeutet die Bekanntmachung ihres Wegfalls nur dieses, daß eine Mehrheitsbeteiligung nicht mehr besteht, wobei offenbleibt, welche Restbeteiligung noch vorhanden ist. Die Verpflichtung der Gesellschaft zur Verlautbarung der ihr zugegangenen Mitteilung ist im AktG nicht sanktioniert; Abs. 6 ist auch nicht ein „Schutzgesetz" i. S. des § 823 Abs. 2 BGB. Da die Gesellschaft das Bestehen einer ihr mitgeteilten Beteiligung nach § 160 Abs. 3 Nr. ix jedoch auch im Geschäftsbericht zu verlautbaren hat, besteht, wenn auch diese Berichterstattung unterbleibt, Strafbarkeit nach § 400 Nr. 4.

Anm. 11 VIII. Sanktion, Abs. 7

Solange eine nach Abs. 1 oder 4 erforderliche Mitteilung nicht gemacht ist, können die Rechte aus diesen Aktien nicht ausgeübt werden, gleichgültig, ob die Aktien dem

173

§20

Anm. 12, 13

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

mitteilungspflichtigen Unternehmen selbst gehören oder einem von diesem abhängigen Unternehmen oder einem Dritten für Rechnung derselben. Auch ein Vertreter oder die Depotbank kann die Rechte nicht ausüben; s. dazu § 405 Abs. 3 Nr. 5. Nicht einbezogen in diese Sanktion dagegen sind jene Aktien, welche dem Unternehmen nach Abs. 2 zugerechnet werden. Diese Sanktion greift Platz, solange die Mitteilung nicht gemacht ist. Sie entfallt also mit Erstattung der Mitteilung an die Gesellschaft, nicht erst mit Bekanntmachung derselben durch die Gesellschaft. Zur Frage, ob Unterlassung der Mitteilung auch eine Schadensersatzpflicht aus § 823 Abs. 2 BGB begründen kann, vgl. Schmidt, ZfgesK 1966 S. 1046 fr.; 1081 ff. Zweifel können sich ergeben, wenn ein Unternehmen bei Aufkäufen von Aktien zunächst die Beteiligungshöhe des Abs. 1 erreicht, ohne dieses mitzuteilen, später zur Mehrheitsbeteiligung gelangt und nur diese alsdann nach Abs. 4 anzeigt. Entfallt damit auch die wegen Unterlassung der Anzeige nach Abs. 1 bestehende Sanktion? Dieses könnte verneint werden, weil die Anzeigepflichten aus Abs. 1 und Abs. 4 selbständig nebeneinender bestehen und weil eine Mehrheitsbeteiligung auf Grund Stimmenmehrheit auch ohne Beteiligungshöhe nach Abs. 1 gegeben sein kann. Es müßte also in diesem Fall mit der Anzeige nach Abs. 4 zugleich jene nach Abs. 1 verbunden und nachgeholt werden. Gleichwohl verdient die Auffassung den Vorzug, daß die Anmeldung nach Abs. 4 alleine genügt, weil es auf die Zeitspanne des Erwerbs der Mehrheitsbeteiligung nicht ankommt und die Mitteilung auch nicht ersichtlich zu machen braucht, ob eine kapitel- oder stimmenmäßige Mehrheit vorliegt.

Anm. 12 Die Sanktion besteht in dem Ruhen aller Rechte aus den Aktien, also sowohl der Vermögens- als auch der Verwaltungsrechte. Bezieht das Unternehmen gleichwohl Dividende, so greift bei Vorliegen des erforderlichen Verschuldens § 62 Satz 2 Platz. Bezieht das Unternehmen neue Aktien, so erlangt es diese Beteiligungsquote ungerechtfertigt auf Kosten der übrigen Aktionäre. Ausübung des ruhenden Stimmrechts kann Anfechtbarkeit des HV-Beschlusses bewirken (s. Erl. zu § 243). Uberläßt das Unternehmen die Aktien zwecks Umgehung des Stimmrechtsverbots einem Dritten, dann handelt es ordnungswidrig nach § 405 Abs. 3 Nr. 5. Zur Streitfrage, unter welchen Voraussetzungen auch die Depotbank sich der Ordnungswidrigkeit schuldig macht, s. Obermüller-Werner-Winden, Die Hauptversammlung der A G (3. Aufl. 1967) S. 125 Nr. 79 mit weiteren Angaben; ferner die Erl. zu § 405. Auch die Gesellschaftsverwaltung hat, wenn ihr die pflichtwidrige Unterlassung der Mitteilung bekannt ist, auf Grund ihrer Sorgfaltspflicht gemäß §§ 93, 1 1 6 das Ruhen der Rechte aus den Aktien zu berücksichtigen.

Anm. 13 Verhältnis des Abs. 7 zu § 328 Abs. 1 u. 2 Unter die Sanktion des Abs. 7 fallt nicht die Unterlassung der Anzeige nach Abs. 3 ; das gilt jedoch nur für den Fall, daß ursprünglich eine Anzeige nach Abs. 1 wegen Hinzurechnung von Aktien nach Abs. 2 erfolgt war und das Unternehmen diese Aktien nachträglich erworben hat, deshalb also nach Abs. 3 noch einmal anzuzeigen hätte. In diesem Falle greift lediglich die Sanktion aus § 328 Platz. Wenn jedoch die Voraussetzungen des Abs. 3 von Anfang an sich mit jenen des Abs. 1 decken, — also ohne Zurechnung von Aktien nach Abs. 2 —, dann ist Anzeige sowohl nach Abs. 1 als auch nach Abs. 3 erforderlich. Solange die Anzeige nach Abs. 1 unterbleibt, ruhen sämtliche Rechte und daran würde auch dieses nichts ändern, wenn das Unternehmen statt dessen eine nach Abs. 3 nicht publizitätspflichtige Mitteilung machen würde. Das Ruhen der Rechte würde sich auch gegenüber der Regelung des § 328 Abs. 1 u. 2 auswirken. Wird jedoch die Anzeige nach Abs. r nachgeholt, welche dann stets auch die Anzeige nach Abs. 3 mit enthält, dann bewendet es bei den aus § 328 sich ergebenden Folgen; es sei hierwegen auf die Erl. zu § 328 verwiesen.

174

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger) § 2 0 A n m . 14, 15 § 21 A n m . 1 A n m . 14 Übergangsregelung § 7 E G A k t G Der in § 20 geregelten Mitteilungspflicht unterliegen nach § 7 E G AktG auch Beteiligungen, welche bei Inkrafttreten des AktG, also am 1. Januar 1966, bestanden haben. Diese Beteiligungen waren binnen eines Monats nach Inkrafttreten des Gesetzes mitzuteilen. Ist diese Mitteilung unterblieben, so greift auch hier die Sanktion des § ao Abs. 7 Platz. A n m . 15 I X . I n t e r n a t i o n a l e Beteiligung Der aus Abs. 1, 4 und 5 sich ergebenden Mitteilungspflicht unterliegen, weil es sich nur um eine Voraussetzung für die Ausübimg der mit den Anteilen verbundenen Rechten handelt (s. Anm. 1), auch Unternehmen mit Sitz im Ausland. Auch für sie gilt bei Unterlassung der Mitteilung die Sanktion gemäß Abs. 7. Die Zuständigkeit des AktG ergibt sich daraus, daß die Rechte aus den Aktien am Sitz der inländischen Gesellschaft ausgeübt werden. Etwas anderes gilt für die Mitteilungspflicht aus Abs. 3, welche lediglich der Feststellung des Vorliegens einer wechselseitigen Beteiligung dient. Da die Definition des § 19 sich auf inländische Gesellschaften beschränkt, die wechselseitige Beteiligung daher nach dem Gesetz nur rechtliche Konsequenzen nach sich zieht, wenn sie zwischen inländischen Gesellschaften besteht, entfällt für inländische Unternehmen die Mitteilungspflicht nach Abs. 3. Es ist jedoch zu beachten, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 3 zugleich der Tatbestand des Abs. 1 erfüllt sein kann, dann nämlich, wenn ohne Zurechnung aus Abs. 2 die Beteiligungshöhe 35 % übersteigt. In diesem Falle unterliegt auch das ausländische Unternehmen der aus Abs. 1 sich ergebenden Mitteilungspflicht. Die Meldepflicht aus § 338 Abs. 3 gilt für ausländische Unternehmen nicht.

§ 21

Mitteilungspflichten der

Gesellschaft

(1) Sobald der Gesellschaft m e h r als der vierte Teil der Anteile einer anderen Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft m i t Sitz Im I n l a n d g e h ö r t , h a t sie dies d e m U n t e r n e h m e n , a n d e m die Beteiligung b e s t e h t , u n v e r z ü g l i c h s c h r i f t l i c h m i t z u t e i l e n . F ü r die F e s t s t e l l u n g , o b d e r G e s e l l s c h a f t m e h r a l s d e r v i e r t e Teil d e r A n t e i l e g e h ö r t , g i l t § 1 6 A b s . 2 S a t z 1, A b s . 4 sinngemäß. (2) S o b a l d d e r G e s e l l s c h a f t eine M e h r h e i t s b e t e i l i g u n g (§ 1 6 A b s . 1) a n e i n e m a n d e r e n U n t e r n e h m e n g e h ö r t , h a t sie d i e s d e m U n t e r n e h m e n , a n d e m die M e h r h e i t s b e t e i l i g u n g b e s t e h t , u n v e r z ü g l i c h s c h r i f t l i c h m i t z u t e i l e n . (3) B e s t e h t die Beteiligung i n d e r n a c h A b s a t z 1 o d e r 2 m i t t e i l u n g s p f l i c h tigen Höhe n i c h t m e h r , h a t die G e s e l l s c h a f t d i e s d e m a n d e r e n U n t e r n e h m e n unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (4) R e c h t e a u s A n t e i l e n , die e i n e r n a c h A b s a t z 1 o d e r 2 m i t t e i l u n g s p f l i c h t i g e n G e s e l l s c h a f t g e h ö r e n , k ö n n e n f ü r die Zeit, f ü r die sie die M i t t e i l u n g n i c h t gemacht hat, nicht ausgeübt werden. Anm. 1 Zweck dieser Vorschrift ist die Aufdeckung einer etwa bestehenden wechselseitigen Beteiligung. Die Regelung des § 21 ist daher enger als jene des § ao und dem § 19 angepaßt.

175

§21

Anm. 2—6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Die Vorschrift betrifft den Fall, daß eine A G an einer anderen Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft mit Sitz im Inland beteiligt ist. Ist diese andere Kapitalgesellschaft ebenfalls eine A G , dann liegt eine Uberschneidung des § 21 mit den aus § ao sich ergebenden Mitteilungspflichten vor, und zwar mit Abs. 1, sofern sich daraus eine Mitteilungspflicht ohne Hinzurechnung von Aktien gemäß Abs. 2 ergibt, ferner mit Abs. 3, 4 und 5. In diesen Fällen greifen daher die weitergehenden Bestimmungen des § 20 Abs. 6 und 7 auch dann Platz, wenn die mitteilende Gesellschaft sich auf § 21 beruft. Es kann-also weder die Veröffentlichung der erfolgten Mitteilung noch die Sanktion aus § 20 Abs. 7 bei Unterlassung der Mitteilung dadurch umgangen werden, daß die mitteilungspflichtige Gesellschaft auf § 21 verweist (ebenso Godin-Wilhelmi § 21 Anm. 5).

Anm. 2 Die Mitteilungspflicht nach Abs. I entspricht jener, die sich aus § 20 Abs. 3 ergibt. Sie entsteht für die A G , wenn ihr mehr als der vierte Teil der Anteile einer anderen Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft mit Sitz im Inland gehört. Hinzugerechnet werden nach § 16 Abs. 4 auch jene Anteile, welche einem von der A G abhängigen Unternehmen bzw. einem Dritten für Rechnung der A G oder des von ihr abhängigen Unternehmens gehören. Hierin stimmt die Regelung mit § 19 Abs. 1 Satz 2 und mit § 20 Abs. 1 und 3 überein (s. § 16 Anm. 4 u. 5; § 1 9 Anm. 5 und § 20 Anm. 3 sub a). Für die Feststellung, ob die Beteiligungsquote die erforderliche Höhe erreicht, gilt § 16 Abs. 2 Satz 1 ; maßgebend ist also das Verhältnis des Gesamtnennbetrages der der A G gehörenden Aktien bzw. der ihr zuzurechnenden Aktien zum Nennkapital des anderen Unternehmens. 6ei bergrechtlichen Gewerkschaften ist abzustellen auf die Zahl der Kuxe (s. § 16 Anm. 4 u. 9). Eine Absetzung eigener Anteile und der ihnen gleichstehenden vom Nennkapital, wie sie in § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 vorgesehen ist, findet hier nicht statt.

Anm. 3 Unabhängig von der Mitteilungspflicht nach Abs. 1 ist nach Abs. 2 ebenfalls mitzuteilen, sobald der Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung gehört. Der gesetzliche Hinweis auf § 16 Abs. 1 will nur klarstellen, daß hier im Gegensatz zur bloßen Anteilsquote nach Abs. 1 auch die Stimmenmehrheit einbezogen ist. Im übrigen aber gilt für die Berechnung der Mehrheitsbeteiligung § 16 uneingeschränkt. Abs. 2 spricht von einer Mehrheitsbeteiligung „ a n einem anderen Unternehmen"; dadurch soll jedoch der Kreis der in Abs. 1 genannten Unternehmen (Kapitalgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft) nicht erweitert werden; denn auch der Begriff wechselseitige Beteiligung in § 19 ist auf diese Unternehmen beschränkt.

Anm. 4 Mitzuteilen ist auch dieses, wenn die Beteiligung in der nach Abs. 1 und 2 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr besteht. Diese Vorschrift entspricht dem § 20 Abs. 5 (s. § 20 Anm. 6).

Anm. 5 Ist beiden beteiligten Unternehmen das Vorliegen einer wechselseitigen Beteiligung bekannt oder wird sie durch die erfolgten Mitteilungen aus §§ 20, 21 aufgedeckt, dann haben beide beteiligte Unternehmen sich gegenseitig nach § 328 Abs. 3 auch die Höhe ihrer Beteiligung und jede Änderung derselben unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

Anm. 6 Eine Veröffentlichung der Mitteilung durch das sie empfangende Unternehmen ist in § 21 nicht vorgesehen. Auch hierin stimmt die Vorschrift mit § 20 Abs. 3 und 6 über-

176

Erster Teil: Allgemeine Vorschriften (Würdinger)

§ 21

Anm. 7—9

ein. Sofern jedoch auf beiden Seiten A G n beteiligt sind, greift für die mitteilungspflichtige Gesellschaft auch § ao ein, denn die in § 21 Abs. 1 genannte Beteiligungshöhe, welche auch dem § 20 Abs. 3 entspricht, unterliegt, da hier eine Zurechnung nach Abs. 2 nicht in Betracht kommt, zugleich dem § 20 Abs. 1. Es ist also die die Mitteilung nach § 21 Abs. 1 empfangende Gesellschaft auch zur Veröffentlichung verpflichtet. Dasselbe gilt bei Beteiligung zweier AGn, wenn eine der beiden der anderen Mitteilung von dem Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung gemacht hat; denn auch dieses unterliegt alsdann dem § 20 Abs. 4 und 6 (s. oben Anm. 1).

Anm. 7 Sanktion Nach Abs. 4 können Rechte aus Anteilen, die einer nach Abs. 1 und 2 mitteilungspflichtigen Gesellschaft gehören, für die Zeit, für die die Mitteilung nicht gemacht ist, nicht ausgeübt werden. Die Vorschrift entspricht dem § 20 Abs. 7, weicht jedoch von ihm insofern ab, als dort gesagt ist, daß nicht nur das Unternehmen selbst die Rechte aus den ihm gehörenden Aktien nicht ausüben kann, sondern daß auch die Rechte aus jenen Aktien ruhen, welche einem abhängigen Unternehmen oder einem Dritten für Rechnung derselben gehören. Es ist jedoch anzunehmen, daß dadurch ein Unterschied zwischen beiden Vorschriften nicht gemacht werden sollte, so daß § 2 1 Abs. 4 sinngemäß durch § 20 Abs. 7 zu ergänzen ist; über Ordnungswidrigkeit der Umgehung der Sanktion s. § 405 Abs. 3 Nr. 5. In einem Falle ist, wenn auch die andere Gesellschaft, welcher Mitteilung nach § 21 zu erstatten ist, eine A G ist, die nach § 21 Abs. 1 mitteilungspflichtige A G schlechtergestellt gegenüber dem Fall, daß das mitteilungspflichtige Unternehmen keine A G , sondern eine bergrechtliche Gewerkschaft ist. Ist nämlich das mitteilungspflichtige Unternehmen eine bergrechtliche Gewerkschaft, dann gilt nur §20, nicht aber § 2 1 . Hat hier die Gewerkschaft Mitteilung nach § 20 Abs. 1 unter Hinzurechnung der Aktien gemäß Abs. 2 erstattet, nachträglich aber die von Abs. 2 betroffenen Aktien erworben, dann ergibt sich eine neue Mitteilungspflicht aus § 20 Abs. 3. Ihre Unterlassung aber hat nur Wirkung im Rahmen des § 328, nicht aber für die Sanktion aus Abs. 7. Ist die mitteilungspflichtige Gesellschaft jedoch eine A G , dann greift in diesem Fall auch § 21 Abs. 1 und mit ihm zugleich Abs. 7 Platz.

Anm. 8 Übergangsregelung § 7 E G AktG Die Mitteilungspflichten aus § 2 1 gelten auch für Beteiligungen, die bei Inkrafttreten des AktG bestehen. Die Mitteilungen waren hier bis zum 3 1 . Januar 1966 zu erstatten. Dasselbe gilt fiir die Mitteilungen nach § 328 Abs. 3.

Anm. 9 Internationale Beteiligung Da die Mitteilungspflichten aus § 21 der Feststellung des Vorliegens wechselseitiger Beteiligung dienen, eine wechselseitige Beteiligung aber nach § 19 rechtlich nur von Bedeutung ist, wenn sie zwischen inländischen Gesellschaften besteht, wird eine ausländische A G von § 21 nicht betroffen. Ist jedoch die inländische Gesellschaft, an welcher die ausländische Gesellschaft beteiligt ist, eine A G , dann unterliegt die ausländische Gesellschaft der aus § 20 Abs. 1, 4 und 5 sich ergebenden Mitteilungspflicht; vgl. § 20 Anm. 15.

12 Aktiengesetz I, 3. Aufl.

177

§ 22 A n m . 1 , 2 §23 § 22

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Nachweis mitgeteilter Beteiligungen

Ein Unternehmen, dem eine Mitteilung nach § 20 Abs. 1, 3 oder 4, § 21 Abs. 1 oder 2 gemacht worden ist, kann jederzeit verlangen, daß ihm das Bestehen der Beteiligung nachgewiesen wird. Anm. 1 Die Vorschrift ergänzt die Mitteilungspflichten aus §§ ao und 21. Sie gibt dem Empfanger einer solchen Mitteilung den Anspruch auf Nachweis des Bestehens der mitgeteilten Beteiligungen. Nicht gewährt sie einen Anspruch auf Nachweis einer nach § 20 Abs. 5 oder § 21 Abs. 3 mitgeteilten Veränderung derselben. Wird eine Veränderungsanzeige bewußt unrichtig abgegeben, so kann eine Haftbarkeit aus § 826 BGB entstehen. Aus § 22 ergibt sich ferner kein Recht auf den Nachweis einer pflichtwidrig nicht mitgeteilten Beteiligung. Anm. 2 Das Gesetz sagt nicht, wie der Nachweis zu erbringen ist. Die bloße Erklärung des Unternehmens, daß die Mitteilung richtig sei, würde dazu nicht ausreichen. Der Nachweis kann also z. B. bei GmbH-Anteilen durch Vorlage der Abtretungsurkunden, bei verbrieften Anteilen durch Vorlage der Briefe oder einer Bankbescheinigung erbracht werden, aus der sich ergibt, daß dem Unternehmen mehr als 25 % der Aktien oder eine Mehrheitsbeteiligung zusteht. Die Bescheinigung braucht jedoch nicht die Zahl der Anteile oder der Stimmen zu enthalten. Es genügt die Erklärung, daß die Voraussetzungen der Mitteilungspflicht vorliegen. Es braucht auch nicht etwa nachgewiesen zu werden, ob hierbei Anteile zugerechnet werden oder nicht. Nur das Unternehmen, dem die Mitteilung gemacht worden ist, kann den Nachweis gemäß § 22 verlangen, nicht auch ein Abschlußprüfer oder Sonderprüfer. Sie haben nur die Aufklärungsrechte gegen den Vorstand bzw. gegenüber verbundenen Unternehmen gemäß §§ 165 Abs. 4, 145 Abs. 3. Der Anspruch auf Nachweis ist mittels Klage erzwingbar. Ausländischen Unternehmen kann das AktG eine Verpflichtung zum Nachweis nicht auferlegen.

Zweiter Teil Gründung der Gesellschaft § 3 3

Feststellung der Satzung

(1) Die Satzung muß durch notarielle Beurkundung festgestellt werden. Bevollmächtigte bedürfen einer notariell beglaubigten Vollmacht. (2) In der Urkunde sind der Nennbetrag, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien anzugeben, die jeder Gründer übernimmt. (3) Die Satzung muß bestimmen 1. die F i r m a und den Sitz der Gesellschaft 2. den Gegenstand des Unternehmens; namentlich ist bei Industrie- und Handelsunternehmen die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt und gehandelt werden sollen, näher anzugeben; 3. die Höhe des Grundkapitals; 178

Zweiter T e i l : G r ü n d u n g der Gesellschaft (Barz)

§ 23

Anm. 1

4. die Nennbeträge der einzelnen Aktien und die Zahl der Aktien jeden Nennbetrags sowie, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der einzelnen Aktien. (4) Die Satzung muß ferner Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft enthalten. (5) Die Satzung kann von den Vorschriften dieses Gesetzes nur abweichen, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Ergänzende Bestimmungen der Satzung sind zulässig, es sei denn, daß dieses Gesetz eine abschließende Regelung enthält. Übersicht: Anm

Anm.

8. Abweichende und ergänzende

Einleitung I. Beurkundungsform für die Feststellung der Satzung

3—5

II. Feststellung der Satzung durch Bevollmächtigte oder gesetzliche Vertreter

6

III. Übernahmeerklärung

Satzungsbestimmungen

7—8

IV. Inhalt der Satzung 1. Allgemeines 9 2. Die Firma und der Sitz der Gesellschaft io 3. Der Gegenstand des Unternehmens 11—13 4. Die Höhe des Grundkapitals 14 5. Der Nennbetrag der einzelnen Aktien 15 6. Form der Bekanntmachungen 16 7. Keine Angaben über Zusammensetzung von Vorstand und Aufsichtsrat 17

V . Die Auslegung der Satzung V I . Beurkundung Rechtsfolgen bei Mängeln der 1. Vor der Eintragung 2. Nach der Eintragung

18 ig

20 21

V I I . Der Vorgründungsvertrag 1. Erfordernis der genügenden Bestimmtheit 22 2. Formerfordernis für den Vorgründungsvertrag 23—25 3. Wirkungen des Vorgründungsvertrages 26 4. Vereinbarungen aus Anlaß der Gründung einer A G 27 V I I I . Kosten der Gründung

28

Anm. 1 Die Vorschriften betreffen die Feststellung der Satzung (Abs. 1 und 3) oder, wie es früher hieß, des Gesellschaftsvertrages (vgl. § 2 A n m . 2) und die Übernahme von Aktien (Abs. 2). Die Feststellung des Gesellschaftsvertrags, die schon durch A r t . 209 des Gesetzes von 1884 als notwendig erster A k t der Gründung herausgestellt worden war, enthält g e m ä ß A b s . 2 auch die Ü b e r n a h m e der Aktien durch die Gründer. D a die Sukzessivoder Stufengründung der §§ 189 ff. H G B und des § 30 A k t G 37 im neuen Aktiengesetz gestrichen ist — die Praxis kannte sie in den letzten Jahrzehnten überhaupt nicht mehr — , sind bei der Feststellung der Satzung heute sämtliche Aktien durch die Gründer z u übernehmen. D u r c h die A u f h e b u n g der Stufengründung hat sich also ein Inhaltswandel des A b s . 2 ergeben, der heute nicht nur besagt, d a ß die Ü b e r n a h m e von Aktien durch einen Gründer in die Feststellung der Satzung gehört, sondern auch, d a ß bei der Feststellung der Satzung sämtliche Aktien durch die an der Feststellung beteiligten Personen — gem ä ß der Definition des § 28 „ d i e G r ü n d e r " — übernommen werden müssen, und weiterhin, d a ß es außerhalb der Feststellung der Satzung keine Aktienübernahme bei der Gründung gibt, und z w a r weder vorher noch hinterher. § 23 A k t G 65 hat die Vorschrift des § 16 A k t G 37 in A b s . 1, 2 und 3 Ziff. 5 sprachlich geändert und in A b s . 3 Ziff. 2 und 4 ergänzt. Der letzte Absatz ist neu eingefügt. D u r c h 12»

179

§ 23

Anm. 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

die Ergänzung des Abs. 3 Ziff. 2 soll eine deutliche Anweisung gegeben werden, den Gegenstand des Unternehmens nicht durch ganz farblose Bezeichnungen zu bestimmen. Durch den Zusatz in Abs. 3 Nr. 4 ist klargestellt, daß auch die Zahl der Aktien jeden Nennbetrages anzugeben ist. Der letzte Absatz versucht die Frage der Zulässigkeit ergänzender und abweichender Satzungsbestimmungen zu kodifizieren, ohne damit aber die der herrschen den Lehre entsprechende Rechtslage ändern zu wollen. Nach Erlaß des Aktiengesetzes ist § 23 durch das Gesetz zur Durchführung der ersten Richtlinie des Rates der E W G zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15. 8. 1969 geändert worden. Der Grund für diese Änderung liegt in § 11 der ersten Richtlinie der E W G zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts. Sie erlaubt eine Nichtigkeit der Gesellschaft nurmehr in den Fällen des Fehlens oder der Nichtigkeit der Bestimmungen über den Unternehmensgegenstand (Ziff. 2), über die Firma (Ziff. 1) oder die Höhe des Grundkapitals (Ziff. 3). D a § 275 die Nichtigkeit der Gesellschaft von dem Fehlen oder der Nichtigkeit der Bestimmungen des § 23 Abs. 3 abhängig machte, mußte der gesetzliche A u f b a u auch in § 23 Abs. 3 grundsätzlich geändert werden. Zwar sind unverändert in § 23 Abs. 3 die Satzungsbestimmungen zusammengefaßt, deren Fehlen auch nach Errichtung der Aktiengesellschaft Sanktionen auslöst. Jedoch macht nur noch das Fehlen der satzungsmäßigen Bestimmungen über die Höhe des Grundkapitals (Ziff. 3) und des Unternehmensgegenstandes (Ziff. 2) sowie die Nichtigkeit der letzteren Bestimmung die Gesellschaft gemäß § 275 nichtig. Das Fehlen der Bestimmungen über Firma und Sitz der Gesellschaft (Ziff. 1) und über Nennbeträge, Zahl und Gattung der Aktien (Ziff. 4) sowie die Nichtigkeit einer dieser Bestimmungen oder der Bestimmung über die Höhe des Grundkapitals (Ziff. 3) verpflichten das Registergericht zur Feststellung des Satzungsmangels, die, wenn sie nicht erfolgreich angefochten wird, einen Auflösungsgrund gemäß § 262 Abs. 1 Ziff. 5 darstellt. Für die Tatbestände der bisherigen Ziff. 5 und 6 des § 23 Abs. 3 differenziert das neue Gesetz. A u f das Verlangen einer satzungsmäßigen Bestimmung über die Zusammensetzung des Vorstandes hat der Gesetzgeber mit Rücksicht auf § 76 Abs. 2 S. 1 verzichtet. Die Pflicht zur satzungsmäßigen Bestimmung der Form der Bekanntmachungen der Gesellschaften ist dagegen durch Übernahme in Abs. 4 aufrechterhalten worden, jedoch durch Herausnahme aus § 23 Abs. 3 ohne Sanktion geblieben. A u f diese konnte der Gesetzgeber verzichten, weil § 25 auch bei Fehlen einer Satzungsbestimmung ausreicht. Durch das Beurkundungsgesetz v. 28. 8. 1969 ist in Abs. 1 S. 1 und S. 2 die bisher neben der notariellen zugelassene gerichtliche Beurkundung bzw. Beglaubigung gestrichen worden.

Anm. 2 I. Beurkundungsform für die Feststellung der Satzung (Abs. 1) Nach § 182 Abs. I H G B war der Gesellschaftsvertrag in gerichtlicher oder notarieller „Verhandlung" festzustellen. Da sich dieser Ausdruck nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch findet, waren Zweifel entstanden, was darunter zu verstehen sei. § 16 Abs. I A k t G 37 hatte diesen Zweifeln ein Ende gemacht, indem es gerichtliche oder notarische „Beurkundung" vorgeschrieben hatte. Das stimmte mit § 128 BGB überein; nur war „notarisch" statt „notariell" gesagt. Abs. 1 gibt diese Abweichung von § 128 auf. Durch das Beurkundungsgesetz v. 28. 8. 6g ist nunmehr die notarielle Beurkundung ausschließlich vorgeschrieben Wie die notarielle Beurkundung erfolgt, regelt sich nach §§ 6 ff. des Beurkundungsgesetzes v. 28. 8. 69. Die Gründer, die die Satzung feststellen, müssen also ihre Erklärungen vor einem Notar abgeben. Aus der Tatsache, daß die Satzungsfeststellung vertragliche Beziehungen unter den Gründern hervorruft (§ 2 Anm. 2), kann nun aber nicht gefolgert werden, daß die Satzungsfeststellung in ein Vertragsangebot und dessen Annahme getrennt und in dieser Trennung gesondert beurkundet werden könnte. Denn die Feststellung der Satzung, die § 2 j a nach wie vor als Gesellschaftsvertrag bezeichnet, ist, wenn auch ein Vertragselement hineinspielt, nicht schlechthin die Beurkundung eines Vertragsschlusses (§ 2 A n m . 2), sondern ein körperschaftsrechtlicher Akt, wie schon die Bezeichnung des Gesellschaftsvertrags a b Satzung zum Ausdruck

180

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 23

Anm. 3—6

bringt. Dieser A k t ist einheitlich und nicht in Antrag und Annahme zerlegbar. Das bedingt aber nicht notwendig, daß eine Aufteilung in mehrere Urkunden unzulässig und die Feststellung der Satzung in einer einheitlichen und gleichzeitigen Urkunde erfolgen müßte (so 2. A u f l . § 16 A n m . 2, die allerdings die Fortsetzung der Verhandlung mit denselben Personen zu einer anderen Zeit für zulässig ansah; Godin-Wilhelmi, § 23 Anm. 22; Möhring-Tank, Handbuch der Aktiengesellschaft! Rn. 43/44). Unter der Voraussetzung, daß die mehreren Urkunden aufeinander Bezug nehmen und jede als Teil eines Ganzen erkennbar ist, das erst in seiner Zusammenfassung die Satzungsfeststellung darstellt, ist die Satzungsfeststellung auch in mehrere Urkunden aufteilbar, und zwar sowohl inhaltlich als auch personell (so auch Baumbach-Hueck, § 23 R n . 16; Schlegelberger-Quassowski, § 16 Anm. 6; Schnorr v. Carolsfeld, D N o t Z 63, 415 und — für die gleichlautende Frage des GmbH-Rechts — Hachenburg-Schilling, § 2 Anm. 1; Scholz, § 2 Anm. 15). Wenn das Gesetz eine personelle Aufteilung der Beurkundung nicht will, so schreibt es wie bei der Auflassung gemäß § 925 BGB gleichzeitige Anwesenheit der Parteien vor, was in § 23 Abs. 1 nicht geschehen ist. Sicher mag wegen der Möglichkeit einer Vertretung gemäß Abs. 1 Satz 2 im Regelfall kein besonderes Bedürfnis für eine derartige Beurkundung getrennt nach Personen bestehen; das macht sie aber nicht unzulässig. Die inhaltliche Aufteilung eines Rechtsgeschäfts auf mehrere Urkunden ist gesetzlich nirgends untersagt. Warum sollte sie es gerade bei § 23 Abs. 1 sein? Für sie besteht sogar ein praktisch erhebliches Interesse; wenn bei der Festsetzung einer Satzung z. B. eine nach § 23 Abs. 3 oder § 27 notwendige Bestimmung übersehen worden ist, muß ihre Aufnahme in die Satzung durch eine Nachtragsurkunde möglich sein, ohne daß der gesamte Feststellungsvorgang wiederholt werden müßte (vgl. auch § 276).

Anm. 3 Es ist nicht erforderlich, daß der Wortlaut der Satzung (Abs. 3) und der sonst abzugebenden Erklärungen (Abs. 2) erst in der Verhandlung vor dem Notar festgestellt wird. Alles das kann in einer vorher angefertigten Schrift niedergelegt werden, die bei der Verhandlung überreicht und dem Protokoll als Anlage beigefügt wird. Die Erschienenen haben dann in ihren Erklärungen auf die Schrift Bezug zu nehmen, sie bildet einen T e i l des Protokolls (§ 9 Abs. 1 im Beurkundungsgesetz v. 28. 8. 69).

Anm. 4 Der Landesgesetzgebung war bisher überlassen, entweder nur die Gerichte oder nur die Notare für zuständig zu erklären (Art. 141 E i n f G z . BGB, § 189 F G G ) . Das ist überholt, nachdem § 20 BNotO die Notare als für Beurkundungen jeder Art für zuständig erklärt hat und § 56 des Beurkundungsgesetzes v. 28. 8. 69 die gerichtliche Zuständigkeit beseitigt hat. Die notarielle Zuständigkeit ist jetzt eine ausschließliche.

Anm. 5 Die Beurkundung kann von irgendeinem deutschen Notar vorgenommen werden. Der Sitz der künftigen A G spielt dabei keine Rolle ( § 1 4 Anm. 3). Auch ein ausländischer Notar kann, sofern seine Funktionen denen des deutschen Notars vergleichbar sind, die Beurkundung nach den Formen seines Landes vornehmen (so R G 888,231, oben, für einen schweizerischen Notar). I m einzelnen vgl. Blumenwitz, Z u m Kollisionsrecht der notariellen Urkunden (DNotZ 68, 7i2ff.). Nach dem Gesetz vom 1. 5. 1878 (RGBl. 89) muß die ausländische Urkunde legalisiert sein. In einzelnen Fällen ist die Legalisierung durch Staatsverträge für nicht erforderlich erklärt, wozu auf den Überblick bei Keidel ( F G G 9. A u f l . Vorbem. 167 R n . 48 fr.) verwiesen sei.

Anm. 6 II. Feststellung der Satzung durch Bevollmächtigte oder gesetzliche Vertreter Bis 1937 enthielt das Aktienrecht für die Vollmacht bei der Feststellung des Gesellschaftsvertrages keine Formvorschrift. Die herrschende Meinung hatte daher den § 167

181

§23

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 6 Abs. 2 BGB angewandt, wonach die Erteilung der Vollmacht nicht der Form bedarf, die für das vorzunehmende Rechtsgeschäft bestimmt ist. Dagegen verlangte das G m b H G in § 2 Abs. 2 gerichtliche oder notarielle Beglaubigung. Diese Vorschrift hatte § 16 Abs. i S. 2 A k t G 37 übernommen und § 23 Abs. 1 S. 2 A k t G 65 unverändert beibehalten; das Beurkundungsgesetz v. 28. 8. 6g hat die gerichtliche Zuständigkeit zur Beglaubigung gestrichen, so daß nur notarielle Beglaubigung der Unterschrift ausreicht. Der £weck dieser Formoorschrift besteht ausschließlich darin, Zweifel an der Legitimation des Bevollmächtigten auszuschließen und damit die dem Registerrichter obliegende Prüfung vor Eintragung der Gesellschaft zu erleichtern (vgl. K G O L G E 3, 259). Diesem Zweck ist genügt, wenn der Bevollmächtigte bei der formgerechten Feststellung der Satzung nur eine formlose Vollmacht hat, jedoch eine notariell beglaubigte Vollmacht nachreicht (herrsch. Ansicht, auch für das GmbH-Recht). Darüber hinaus muß man es auch für ausreichend erachten, wenn der Vertreter im Zeitpunkt der Feststellung der Satzung noch keine Vollmacht hatte, seine Erklärungen jedoch später von dem Vertretenen in formgerechter Weise genehmigt werden (ebenfalb herrsch. Ansicht, auch für das GmbH-Recht). Denn die Genehmigung nach § 177 BGB macht die bis dahin schwebend unwirksamen Erklärungen des Vertreters ohne Vertretungsmacht wirksam, wie wenn der Vertreter von vornherein mit Vertretungsbefugnis gehandelt hätte, so daß auch die Einheitlichkeit des Rechtsakts (vgl. Anm. 2) gar nicht angesprochen wird. A u c h wird auf diese Weise der Zweck der Formvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 nicht in Frage gestellt; er wird gewahrt, wenn nur die Genehmigung notariell beglaubigt ist. Eine Anwendung des § 182 Abs. 2 BGB, wonach die Genehmigung keiner Form bedarf (so Möhring-Tank I Rn. 44), ist nicht möglich, weil seine Anwendung dem Grundgedanken des § 23 Abs. 1 Satz 2 widersprechen würde, nämlich Zweifel an der Legitimation des Vertreters hervorrufen könnte. Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) — seine Anwendbarkeit wird von Schnorr v. Carolsfeld (DNotZ 63, 415 N 53) mit der Begründung in Abrede gestellt, die Satzung entstehe durch Parallelerklärungen, die nicht gegeneinander gerichtet seien — ist auch hier zulässig. Im Zweifel wird in einer besonderen Vollmacht an einen Mitgründer auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis eine stillschweigende Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens zu erblicken sein (Godin-Wilhelmi A n m . 4 ; ebenso für G m b H Scholz G m b H G § 2 Anm. 20). Eine Genehmigung des Selbstkontrahierens ist möglich, sie bedarf jedoch wie die Genehmigung nach § 177 BGB der notariellen Beglaubigung. Nicht erforderlich ist eine Spezialvollmacht, es kann auch eine Generalvollmacht ausreichend sein. Bei ihr ist es lediglich eine Frage der Auslegung, ob sie im Einzelfall auch die Feststellung der Satzung einer A G umfaßt. Eine gewöhnliche Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) enthält diese Befugnis nicht, dagegen jedoch die Prokura (herrsch, Ansicht; a. M . Brodmann § 182 Anm. 3 h). Nach überwiegender Ansicht benötigt der Prokurist keine notariell beglaubigte Vollmacht, sondern es genügt die Vorlage eines Registerauszuges (a. M . Ritter § 2 Anm. 3 b). Dem ist beizutreten, allerdings nicht, weil es sich bei der Prokura um eine „gesetzliche Vollmacht" handelt (so Scholz G m b H G § 2 Anm. 18), sondern deshalb, weil dem Legitimationszweck des § 23 Abs. 1 Satz 2, nämlich dem zweifelsfreien Nachweis von dem Vorliegen einer Prokura, durch Vorlage eines Registerauszuges Genüge getan ist und außerdem der Eintragung der Prokura im Handelsregister in der notariell beglaubigten Anmeldung (§§ 53, 12 HGB) eine der Formvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 genügende Erklärung zugrunde liegt. Eine Beschränkung der Prokura, die die Feststellung der Satzung einer A G ausschließen würde, ist nicht zulässig. A u f gesetzliche Vertreter findet die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 keine Anwendung. Solche Vertreter müssen jedoch ihre Vertretungsbefugnis durch Registerauszug (Vorstandsmitglieder einer A G , G m b H usw.; vertretungsberechtigte Gesellschafter einer O H G oder K G ) oder durch Bestallungsurkunde (Vormund, Pfleger) nachweisen. Entsprechendes gilt für die gesetzlichen Vertreter öffentlicher Korporationen ( K G O L G E 3, 259). A u c h in diesen Fällen ist das Verbot des Selbstkontrahierens zu beachten.

182

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 23 A n m . 7, 8

Anm. 7 III. Übernahmeerklärung Abs. a bestimmt den Inhalt, den die Urkunde außer der Feststellung der Satzung zu enthalten hat. Er betrifft die Aktien, die nach der Streichung der Stufengründung nur von den bei der Feststellung der Satzung beteiligten Personen, den Gründern (§§ 2, 29), übernommen werden können. Während gemäß Abs. 3 Ziff. 4 Nennbeträge, Aktienzahl und -gattung allgemein in der Gesamtsumme als Teil der Satzung genannt werden müssen, verlangt Abs. 2 diese Angabe nebst dem Ausgabebetrag auch für den einzelnen Gründer. Sie ist hier nicht Bestandteil der Satzung, sondern des die Aktienübernahme beurkundenden Teils des Gründungsprotokolls. Damit entfallt dann auch die Notwendigkeit einer besonderen Urkunde, die früher die Stufengründung und heute noch die Kapitalerhöhung in Form des Zeichnungsscheins (§ 185) kennt. Sie ist dort notwendig, weil die Personen, die Aktien übernehmen, bei der Kapitalfeststellung noch nicht feststehen müssen. Da die jetzt einzig zugelassene Form der Simultangründung die Übernahme sämtlicher Aktien durch die Gründer verlangt (vgl. § 29), müssen die sonst dem Zeichnungsschein vorbehaltenen Erklärungen hier in das Gründungsprotokoll aufgenommen werden. Im einzelnen sind anzugeben: 1. Der Nennbetrag der Aktien (§ 8), den jeder Gründer übernimmt. Nachdem der Zeichnungsschein gemäß § 185 Abs. 1 auch die Zahl der übernommenen Aktien enthalten muß und § 23 Abs. 3 Ziff. 4 ebenfalls die Angabe der Zahl der Aktien jeden Nennbetrags verlangt, hätte es nahe gelegen, auch in Abs. 2 die Zahl der Aktien jeden Nennbetrags, die der einzelne Gründer übernimmt, zu verlangen. Das tut das Gesetz aber nicht, so daß für § 23 Abs. 2 die Angabe des Gesamtnennbetrags der von einem Gründer übernommenen Aktien auch dann ausreicht, wenn Aktien verschiedenen Nennbetrags ausgegeben werden. Aus der Angabe des Gründungsprotokolls über die Aktienübernahme läßt sich also nicht ersehen, wie die Aktien verschiedener Nennbeträge von den einzelnen Gründern übernommen worden sind. 2. Der Ausgabebetrag (§9). Er ist auch dann anzugeben, wenn er dem Nennbetrag entspricht. Eine Angabe über die Fälligkeit der Zahlung braucht jedoch die Ubernahmeerklärung nicht zu enthalten, ebenso keine Angaben über Sacheinlagen und -übernahmen gemäß § 27. Sie erscheinen in der Gründungsurkunde nur als Bestandteil der Satzung, nicht aber der Ubernahmeerklärung. 3. D i e G a t t u n g (§ 1 1 ) d e r übernommenen A k t i e n , sofern mehrere G a t t u n g e n be-

stehen. Dabei begründet die Eigenschaft als Inhaber- oder Namensaktie keine Gattung, so daß hierüber in der Ubernahmeerklärung nichts anzugeben ist. Anm. 8 Von den mindestens 5 Gründern muß jeder mindestens eine Aktie übernehmen, was sich aus § 28 ergibt, der die Gründer als die die Satzung feststellenden Aktionäre definiert, mithin davon ausgeht, daß der Gründer Aktionär ist, was den Besitz mindestens einer Aktie erfordert (vgl. § 28 Anm. 2). Die Ubernahmeerklärung ist unbeschadet ihres Charakters als Vertragselement (vgl. Anm. 2) auch eine der Allgemeinheit gegenüber abgegebene Erklärung, das Kapital der neu gegründeten Gesellschaft in dem angegebenen Umfange aufzubringen (vgl. § 2 Anm. 3 ff.) und muß als solche unbedingt und unbeschränkt sein (vgl. § 2 Anm. 7). Das gilt mindestens für den Zeitpunkt, in dem sie der Öffentlichkeit zugeht, also bei ihrer Einreichung zum Handelsregister, so daß der Erklärung beigefügte Bedingungen und Beschränkungen sich zwischenzeitlich nachweislich erledigt haben müssen. Andernfalls ist die Ubernahmeerklärnng nichtig und verhindert die Eintragung, wenn nicht durch zusätzliche, dem Handelsregister eingereichte Erklärungen, die die Bedingungen und Beschränkungen beseitigen, die Nichtigkeit behoben wird. Ist aber trotzdem eingetragen, so kann sich der Gründer auf die Bedingungen und Beschränkungen insoweit nicht berufen, als dadurch das Aufbringen des Grund-

183

§23 Anm. 9—11

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

kapitals irgendwie beeinträchtigt würde. Wegen Willensmängel der Ubernahmeerklärung vgl. § a Anm. 4. Die Gesamtheit der Ubernahmeerklärungen der Gründer müssen das gesamte Kapital belegen. Vorher ist die Gesellschaft nicht errichtet (§ 29). Allerdings ist es möglich, die Übernahme der Aktien von der Feststellung der Satzung ganz oder teilweise zu trennen. Bei der späteren Übernahme müssen dann aber alle Gründer mitwirken und, wenn Aktien von Personen übernommen werden, die bei der Feststellung der Satzung nicht mitgewirkt haben, muß die Feststellung der Satzung von allen Gründern mit den neu beitretenden Aktionären wiederholt werden (vgl. § 29 Anm. 15). Andererseits ist es unschädlich, wenn an der Feststellung der Satzung Personen teilnehmen, die keine Aktien übernehmen und damit keine Gründer sind (§ 2 Anm. 6).

Anm. 9 IV. Inhalt der Satzung 1. Allgemeines Die in Abs. 3 aufgeführten Erfordernisse sind unentbehrlich. Während nach dem bisherigen Recht das Fehlen oder die Nichtigkeit einer dieser als Satzungsinhalt erforderlichen Bestimmungen die Nichtigkeitsklage gemäß § 275 begründete und dem Registergericht die Möglichkeit der Amtslöschung nach § 144 F G G gab, ist nunmehr, wie in Anm. 1 ausgeführt, zu differenzieren. Das Fehlen oder die Nichtigkeit einer Bestimmung gemäß Ziff. 2 (Gegenstand des Unternehmens) oder das Fehlen — nicht auch die Nichtigkeit — einer Bestimmung gemäß Ziff. 3 (Höhe des Grundkapitals) begründet unverändert die Nichtigkeitsklage, die gemäß § 276 bei Mängeln der Bestimmungen über den Unternehmensgegenstand durch Satzungsänderung geheilt werden kann. Fehlen oder Nichtigkeit einer Bestimmung gemäß Ziff. I (Firma und Sitz) oder Ziffer 4 (Aktiennennbeträge, -zahl sowie -gattung) oder Nichtigkeit der Bestimmungen gemäß Ziff. 3 (Höhe des Grundkapitals) verpflichtet den Registerrichter zur Feststellung eines Satzungsmangels, wenn er nicht vorher durch Satzungsänderung behoben wird (§ 144a F G G ) . Die rechtskräftige Feststellung eines derartigen Mangels ist ein Auflösungsgrund für die Gesellschaft gemäß § 262 Abs. 1 Ziff. 5.

Anm. 10 2. Die Firma und der Sitz der Gesellschaft

Hierzu kann auf die Anmerkungen zu den §§ 4 und 5 verwiesen werden.

Anm. 11 3. Der Gegenstand des Unternehmens Darunter ist der Inhalt der von der A G zu betreibenden Tätigkeit zu verstehen, nicht dagegen der Zweck der juristischen Person (Rud. Fischer EhrenbHdb. I I I 1 S. 89). Dieser Zweck kann in Anlehnung an § 33 Abs. 1 S. 2 BGB nur mit Zustimmung aller Mitglieder geändert werden; er wird aber nur betroffen, wenn eine A G die Absicht der Gewinnerzielung aufgibt und gemeinnützig wird (vgl. Pleyer AktG 1959, 10), vielleicht auch durch Abschluß eines Beherrschungsvertrags, wobei dann die Geltung des § 33 BGB durch die aktienrechtlichen Konzernvorschriften als Spezialvorschrift ausgeschlossen ist (Würdinger AktG 67, 341, Pleyer a . a . O . ) . In Abs. 3 Ziff. 2 ist die Umschreibung der von der Aktiengesellschaft konkret betriebenen Tätigkeit gemeint, ebenso wie in § 179 Abs. 2 S. 2, der die Änderung des Gegenstands nur mit einer Mehrheit zuläßt, die mindestens % des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt und die durch die Satzung zwar erhöht, nicht aber vermindert werden kann, und in § 276, der Mängel bei der Bestimmung des Gegenstands des Unternehmens als durch Satzungsänderung heilbar erklärt. Während das Schrifttum schon seit langem allgemeine und farblose Angaben über den Unternehmensgegenstand nicht ausreichen ließ, sondern eine möglichste Individualisierung verlangte

184

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§23

A n m . 11

(Fischer in der Vorauflage § 16 Anm. n und die dortigen Literaturangaben), hat die Praxis die Gegenstandsangabe meist sehr großzügig behandelt und Formulierungen zugelassen wie „Handel mit Waren aller A r t " (Dresden in O L G 36, 286), „Betrieb anderer kaufmännischer Geschäfte" ( R G Z 62, 96), „Handelsgeschäfte jeder A r t " (HachenburgSchilling, GmbH-Gesetz § 3 Anm. 9) oder „Beteiligung an anderen Unternehmungen". Zwar ist die Angabe des Unternehmensgegenstands im deutschen Recht anders als nach der angelsächsischen ultra-vires-Lehre für die Handlungsfähigkeit der A G und ihrer Organe nach außen ohne Bedeutung (§82 Abs. 1); die Angabe des Unternehmensgegenstands hat aber den Zweck, der Geschäftstätigkeit der Verwaltung Grenzen zu ziehen und damit die Umstellung des Geschäftsbetriebs auf einen anderen oder abweichenden Geschäftszweig der Zustimmung der Hauptversammlung zu unterwerfen. Das kommt besonders in der Bestimmung des § 179 Abs. 2 S. 2 zum Ausdruck. Um seiner bereits in der früheren Gesetzesfassung zum Ausdruck gekommenen Auffassung über eine konkrete Angabe des Unternehmenszwecks stärkeres Gewicht zu verleihen, hat der Gesetzgeber nunmehr eine deutlichere Anweisung gegeben und bei Industrie- und Handelsunternehmen die nähere Angabe der erzeugten und gehandelten Produkte und Waren verlangt. Das bedeutet nun nicht, daß bei anderen Unternehmen, z. B. Banken, Dienstleistungsbetrieben, Holding-Gesellschaften und dgl. die bisherige lasche Praxis weitergeführt werden könnte; denn die konkrete Angabe der Erzeugnisse und Waren wird für Industrie- und Handelsunternehmen nur beispielhaft verlangt und gilt gleichermaßen für alle anderen Unternehmen, so daß auch auf eine genaue Umgrenzung, was das Gesetz unter Industrie- und Handelsunternehmen versteht, verzichtet werden kann. Die von Abs. 3 Ziff. 2 verlangte Angabe der Erzeugnisse und Waren erfordert nicht, wie man dies aus angelsächsischen Satzungen kennt, eine Einzelauffuhrung sämtlicher erzeugten oder gehandelten Produkte und Waren. Es genügt die Angabe der Art, so daß also die Produkte oder Handelswaren auch zu allgemeinen Gattungen zusammengefaßt werden können. Allerdings dürften Verallgemeinerungen wie „Erzeugung von Metallwaren" oder „Handel mit Holzwaren" grundsätzlich nicht ausreichen, wenn eine konkretere Formulierung des Unternehmensgegenstands möglich ist. Entscheidend wird es immer darauf ankommen, den Unternehmensgegenstand so konkret wie möglich zu bezeichnen, um das Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft klar und eng entsprechend den tatsächlichen oder geplanten Verhältnissen abzugrenzen. Allerdings kann die Konkretisierung in der Gegenstandsangabe nicht weiter gehen, als sie der Betätigung der Gesellschaft entspricht; wenn z. B. ein Importunternehmen wirklich Waren aller Art importiert, wird man gegen eine Gegenstandsangabe „Import von Waren aller A r t " aus § 23 Abs. 3 Ziff. 2 kaum etwas einwenden können (vgl. Lange AktG 59, 90), sondern höchstens noch zu verlangen haben, daß unter „insbesondere" das Schwergewicht der importierten Warenarten angegeben wird. Für einen Warenhaus-Konzern dürfte aber die Bezeichnung „Handel mit Waren aller A r t " nicht ausreichen (so Dresden in O L G 36, 286 und Fischer in der früheren Auflage § 16 Anm. 1 1 ) ; es muß vielmehr einmal zum Ausdruck gebracht werden, daß dieser Handel in Form des Betriebs von Warenhäusern geschieht, und zum anderen, daß es sich um Waren zur Deckung des persönlichen und Haushaltsbedarfs handelt. Bei einer Bank reicht die Bezeichnung „Betrieb von Bank- und Börsengeschäften aller Art" nur aus, wenn es sich wirklich um eine Universalbank handelt, die mit allen Wirtschafts- und Bevölkerungskreisen Bank- und Börsengeschäfte aller Art betreibt. Hat sie sich aber in der Art ihrer Geschäfte oder in dem von ihr angesprochenen Kundenkreis spezialisiert, so muß das in der Gegenstandsangabe der Satzung zum Ausdruck kommen. Im übrigen darf auch zur Bezeichnung des Unternehmensgegenstands das Wort „ B a n k " oder „Sparkasse" nur unter den Voraussetzungen der §§ 39, 40 K W G verwendet werden. Für die Versicherungsaktiengesellschaften müssen schon nach § 9 V A G die einzelnen Versicherungszweige angegeben werden, die die Gesellschaft betreibt. Wenn in den Satzungen die Angabe des Unternehmensgegenstands meist noch dahin ergänzt wird, daß die Gesellschaft befugt sei, Zweigniederlassungen zu errichten, Beteiligungen und andere Unternehmen zu erwerben und überhaupt sämtliche Geschäfte abzuschließen, die dem Geschäftszweck der Gesellschaft förderlich sind, so sind derartige Bestimmungen im Grunde überflüssig (Barz AktG 66, 40), insbesondere auch für

185

§ 23

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 12, 13 die Verantwortlichkeit der Gesellschaftsorgane; denn diese Bestimmungen verstehen sich stets nur innerhalb der Grenzen des Unternehmensgegenstands, was allerdings zweckmäßigerweise zum Ausdruck zu bringen ist. Auch die Erstreckung des Unternehmensgegenstands auf „verwandte Geschäfte" ist noch zulässig (Möhring-Schwarz, 2. A u f l . S. 22); sie macht nur die Grenzen des Unternehmensgegenstands etwas flexibler, nimmt ihm aber nicht seine Konkretisierung und Bestimmbarkeit. Die Einhaltung der Bestimmung des Abs. 3 Ziff. 2 ist für bei Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 bereits bestehende Gesellschaften durch § 8 E G dadurch gesichert worden, daß zwar nicht eine Änderung der Satzung unmittelbar verlangt wurde, die Eintragung irgendeiner sonstigen Satzungsänderung aber davon abhängig gemacht worden ist, daß mindestens gleichzeitig die Satzungsbestimmung über den Gegenstand des Unternehmens an § 23 Abs. 3 Ziff. 2 angepaßt wird. Fehlt eine Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens in der Satzung oder ist sie — z. B. wegen Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen wie §§ 39, 40 K W G — nichtig, so ist die Satzung nichtig, so daß die A G nicht eingetragen werden darf. Wird sie trotzdem eingetragen, so unterliegt sie der Nichtigerklärung nach § 275 oder der Amtslöschung nach § 144 F G G , es sei denn, daß der Fehler durch Satzungsänderung gemäß § 276 geheilt wird. Das gilt aber nicht schon dann, wenn zwar ein Gegenstand angegeben ist, diese Angabe aber den Bestimmtheitsanforderungen des Abs. 3 Ziff. 2 nicht genügt (ebenso Baumbach-Hueck, R n . 1 1 ; Werner A k t G 68,181). Denn einmalzieht § 8 E G für bei Inkrafttreten des A k t G 65 bestehende Gesellschaften aus der Tatsache, daß die Gegenstandsbestimmung dem § 23 Abs. 3 Ziff. 2 nicht entspricht, offensichtlich nicht die Konsequenz einer Nichtigkeit gemäß § 275, weil sonst schärfer, als in § 8 E G geschehen, hätte reagiert werden müssen, und zum anderen stellt es § 275 nicht auf die Erfüllung des § 23 Abs. 3 Ziff. 2 ab, sondern nur darauf, ob die nach dieser Bestimmung wesentlichen Angaben, also eine Gegenstandsangabe, überhaupt vorhanden sind. Diese Auffassung hat zur Folge, daß die Bestimmung des § 23 Abs. 3 Ziff. 2 ihre Sanktion wohl nur im Gründungsstadium durch Zurückweisung des Eintragungsantrags und im späteren Gesellschaftsleben durch die Organverantwortlichkeit gemäß §§ 93, 116 äußert. Die Änderung des Unternehmensgegenstands erfordert gemäß § 179 Abs. 2 Ziff. 2 eine Kapitalmehrheit von mindestens % . Diese durch die Satzung nicht herabsetzbare Mehrheit ist nicht nur erforderlich, wenn durch die Satzungsänderung tatsächlich der Unternehmensgegenstand verändert werden soll, sondern auch dann, wenn durch die Satzungsänderung nur ihre Fassung mit den tatsächlichen Verhältnissen in Einklang gebracht werden soll, also z. B. auch dann, wenn gemäß § 8 E G die Satzungsbestimmung über den Unternehmensgegenstand mit der neuen Vorschrift des § 23 Abs. 3 Ziff. 2 in Einklang gebracht werden soll (a. M . Möhring-Schwarz 2. Aufl., S. 23f.). Gerade darin liegt j a der Sinn für eine genauere Gegenstandsangabe in der Satzung.

Anm. 12 Darüber, daß der Gegenstand nicht wirtschaftlicher Art zu sein braucht, s. § 1 A n m . 4, § 3 Anm. 2. Gesetzlich zulässig muß er selbstverständlich sein, andernfalls wäre die Bestimmung des Gegenstandes nichtig ( K G O L G E 24, 133). Damit wäre die A G selbst nichtig (§275), doch wäre die Nichtigkeit heilbar, indem im Wege der Satzungsänderung ein erlaubter Gegenstand bestimmt würde (§ 276).

Anm. 13 Unter einer Vorrats-, Mantel- oder Fassongründung versteht man die Gründung einer A G , bei welcher der angegebene Gegenstand des Unternehmens gar nicht verwirklicht werden soll. Die Gründung soll die Hülle für ein künftiges Unternehmen bilden, bei dem dann nur die Satzung geändert und die Erfüllung der Gründungsvorschriften insbesondere der Nachgründungsvorschriften erspart wird. Ist ein derartiger Umgehungszweck nachweisbar, so ist eine solche auf Täuschung berechnete Gründung aus §§ 134, 138 BGB von der Eintragung zurückzuweisen (vgl. K G in H R R 33, 833; O L G 43, 296). Eine Scheingründung ( § 1 1 7 Abs. 1 BGB) wird aber wohl kaum jemals vorliegen. D a ß

186

Zweiter Teil: Gründving der Gesellschaft (Barz)

§ 23

Anm. 14—16

ein Wille zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs vorhanden sei, ist nicht Voraussetzung der Gründung (Hachenburg-Schilling § 3 Anm. 1 2 a ; Scholz GmbH-Gesetz § 3 A n m . 6) und infolgedessen vom Registergericht auch nicht als Voraussetzung der Eintragung nachzuprüfen.

Anm. 14 4. Die Höhe des Grundkapitals Die Satzung muß die Höhe des Grundkapitals angeben. Es ist begrifflich gleich der Summe der Nennbeträge aller Aktien (§ 1 Anm. 5, 6), muß aber zahlenmäßig angegeben werden ( K G J 37 A 148). Uber die Mindesthöhe s. § 7. Werden Aktien über ihren Nennbetrag ausgegeben (§ 9 Abs. 2, § 23 Abs. 2), so wird dadurch nicht das Grundkapital erhöht, der Uberschuß gehört in die gesetzliche Rücklage (§ 150 Abs. 2 Nr. 2). Zulässig ist es, bereits bei der Gründung ein genehmigtes Kapital festzusetzen mit der Wirkung, daß zunächst nur ein Teil der Aktien ausgegeben werden soll, der andere (genehmigte) Teil erst später im Bedarfsfall. Nur der alsbald auszugebende Teil bildet das Grundkapital im Sinne des § 23 und muß die Mindesthöhe des § 7 erreichen. Das A k t G behandelt in § 202 ff. das genehmigte Kapital, und zwar im Zusammenhang einer K a pitalerhöhung. Die Formulierung des § 202 Abs. 1 zeigt aber, daß es auch in der ursprünglichen Satzung geschaffen werden kann, wobei materiell die gleichen Bestimmungen gelten wie für seine Schaffung durch Satzungsänderung. Die Ermächtigung muß also Bestandteil der Satzung sein, kann nur auf höchstens fünf Jahre von der Eintragung der Gesellschaft ab laufen und darf 5 0 % des ausgegebenen Grundkapitals nicht übersteigen. Zulässig ist ferner die Bestimmung, daß auf eine Serie von Aktien vorläufig nur der gesetzliche Mindestbetrag einzuzahlen ist, auf andere Serien ein höherer Betrag. Die Höhe des Grundkapitals wird dadurch nicht berührt.

Anm. 15 5. Der Nennbetrag der einzelnen Aktien Ferner sind die Nennbeträge der einzelnen Aktien (§ 8), die Zahl der Aktien jeden Nennbetrages und, wenn mehrere Gattungen bestehen (§ 11), die Gattung der einzelnen Aktien anzugeben. Darüber, daß die Nennbeträge verschieden sein können, sofern nur der Mindestnennbetrag eingehalten wird, s. § 8 Anm. 4. Es genügt also nicht, lediglich anzugeben, auf welche Nennbeträge die Aktien lauten, sondern es muß — das klarzustellen ist der Sinn der Einfügung der „ Z a h l der Aktien jeden Nennbetrags" durch das A k t G 65 — zahlenmäßig angegeben werden, wieviel Aktien jeden Nennbetrags vorhanden sind. Diese Zahl multipliziert mit den jeweiligen Nennbeträgen ergibt dann insgesamt das Grundkapital. Unter Gattungen von Aktien sind durchweg Aktien mit verschiedener Berechtigung oder Verpflichtung zu verstehen. Dahin gehört nicht die Verschiedenheit der Nennbeträge, wohl aber die in Anm. 14 genannte Verschiedenheit der Einzahlungspflicht (§ n Anm. 9). O b einige Aktien auf den Namen, andere auf den Inhaber lauten, würde, weil dadurch keine Gattungsverschiedenheit begründet wird ( § 1 1 Anm. 9), nicht anzugeben sein, wenn nicht § 24 Abs. 1 vorschriebe, daß alle Aktien mangels anderer Satzungsbestimmung als Inhaberaktien auszustellen sind.

Anm. 16 6. Die Form der Bekanntmachungen Die Satzung muß gemäß Abs. 4 die Form der Bekanntmachungen der A G bestimmen. Darunter ist zu verstehen, ob die Bekanntmachungen durch die Gesellschaftsblätter (§ 25), durch eingeschriebenen Brief od. dgl. geschehen sollen. Die Bekanntmachung durch öffentliche Blätter — und hier gemäß § 25 Satz 1 beschränkt auf den Bundesanzeiger — ist in der Praxis die so gut wie ausschließliche Regelung. Soweit das Gesetz keine Vorschriften trifft, hat die Satzung freie Hand, muß aber eine Bestimmung treffen. Andere Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen, insbesondere über die

187

§23

Anm. 17

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Art, wie sie zu unterzeichnen sind, kann die Satzung enthalten, muß es aber nicht. Die Unterzeichnung „Der Vorstand" ohne Angabe der Namen genügt, wenn nichts anderes bestimmt ist (Bolze 5 Nr. 755). Die Vorschrift, daß die Satzung die Form der Bekanntmachung regeln muß, ist nicht mehr, wie bisher, Teil der Aufzählung der zwingenden Satzungsbestimmung gemäß Abs. 3 sondern Inhalt eines besonderen Abs. 4. Wie in Anm. 1 ausgeführt, beruht das darauf, daß das Gesetz auf eine Sanktion für das Fehlen dieser Bestimmung verzichtet hat, während für die Aufführung der in Abs. 3 genannten Merkmale unverändert Sanktionen bestehen (vgl. Anm. 9). Der Gesetzgeber konnte für das Fehlen einer Satzungsbestimmung über die Form der Bekanntmachungen auf eine Sanktion verzichten, weil auch für diesen Fall § 25 eine ausreichende Regelung enthält. Der Verzicht des Gesetzgebers auf besondere Sanktionen für den Fall der Mißachtung des Abs. 4 bedeutet aber nur, daß die einmal ins Leben getretene A G keiner Nichtigkeitsklage gemäß § 275, keiner Amtslöschung gemäß § 144 F G G und keiner Auflösungsdrohung gemäß §§ 144 a F G G , 265 Ziff. 5 unterliegt. Unverändert bedingt aber eine Verletzung des Abs. 4 einen Mangel des Gründungsvertrages, dessen Vorliegen vom Registergericht gemäß § 38 Abs. 1 zu prüfen und bei Feststellung mit Ablehnung der Eintragung zu ahnden ist. Anm. 17 7. Uber die Art der Zusammensetzung des Vorstandes braucht dagegen die Satzung nunmehr keine Bestimmungen mehr zu enthalten. Während in § 182 H G B eine Bestimmung über die Art der Bestellung des Vorstandes gefordert wurde, hatte § 16 Abs. 3 Ziff. 5 AktG 37 sich mit einer Bestimmung über die Art der Zusammensetzung des Vorstandes begnügt, da j a § 23 Abs. 2 AktG 37 die Bestellung des ersten Vorstandes und § 75 AktG 37 die späteren Vorstandsbestellungen zwingend dem Aufsichtsrat übertrugen. Es blieb also nur die Art der Zusammensetzung des Vorstandes, die § 23 Abs. 3 Ziff. 5 sprachlich dahin abänderte, daß eine Bestimmung über die Zusammensetzung des Vorstandes verlangt wurde. Es sollte also gesagt werden, aus wieviel Personen der Vorstand zusammenzusetzen sei. Im Grunde war diese Bestimmung überflüssig, weil § 76 Abs. 2 bestimmt, daß der Vorstand aus einer oder mehreren Personen besteht, bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als D M 3 Millionen aus mindestens 2 Personen bestehen muß, wenn die Satzung nicht den Einmann-Vorstand vorschreibt, und die Mitbestimmungsvorschrift über den Arbeitsdirektor unberührt bleibt. In dieser Bestimmung ist also alles Erforderliche gesagt, so daß eine satzungsmäßige Bestimmung nur dann notwendig ist, wenn bei einer Gesellschaft mit einem Grundkapital über D M 3 Millionen der Vorstand nur aus einer Person bestehen soll. Das zu bestimmen, kann man aber der Gesellschaft, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will, überlassen. Die Folge war dann auch, daß die Satzungen in der Praxis nur die Bestimmungen des § 76 Abs. 2 Satz 1 wiederholten. Das wurde als hinreichende Erfüllung des § 23 Abs. 3 Ziff. 5 angesehen. Der Gesetzgeber konnte also nicht nur auf jedwede Sanktion für das Fehlen einer satzungsmäßigen Bestimmung über die Zusammensetzung des Vorstandes verzichten, sondern diese Bestimmung selbst streichen. Künftig sind in den Satzungen keine Bestimmungen über die zahlenmäßige Zusammensetzung des Vorstandes mehr erforderlich, es sei denn, daß eine Gesellschaft mit einem Grundkapital von mehr als D M 3 Millionen einen Einmannvorstand haben will. Das Fehlen einer Bestimmung über die Zusammensetzung des Vorstandes berechtigt den Registerrichter nicht mehr, die Eintragung der Gesellschaft als nicht ordnungsgemäß abzulehnen. Uber die Vertretungsbefugnis der Mitglieder eines mehrgliedrigen Vorstandes braucht in der Satzung nur dann etwas bestimmt zu werden, wenn von der Regel des § 78 abgewichen werden soll. Darüber, ob der Vorstand aus Aktionären oder aus anderen Personen, ob er aus Inländern bestehen, besoldet werden soll oder nicht, braucht ebenfalls nicht bestimmt zu werden. Es ist nicht einmal unzweifelhaft, ob darüber etwas bestimmt werden kann, da das Aktiengesetz die Bestellung dem Aufsichtsrat überläßt. Indessen kann im Sinne des Abs. 5 nicht angenommen werden, daß das Gesetz dem Aufsichtsrat hierin eine unbeschränkbare Befugnis hat einräumen wollen; er kann in

188

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 23 Anm. 18

der Aviswahl der zu bestellenden Personen, was insbesondere bei Familiengesellschaften von Bedeutung ist, satzungsmäßig beschränkt werden, ebenso auch in der Vereinbarung der Einstellungsbedingungen (so auch Godin-Wilhelmi Anm. 12; Möhring-Schwartz S. 68). Uber Aufsichtsratsmitglieder braucht die Satzung nichts zu enthalten. Wahl und Abberufung sind in den §§ 30, 31, 95 fr. geregelt. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates regelt § 96. Satzungsbestimmungen sind nur in beschränktem Umfange zulässig. Anm. 18 8. Abweichende und ergänzende Satzungsbestimmungen Der neu eingefügte Abs. 5 besagt nichts Neues und stellt im Sinne der bisherigen herrschenden Meinung den Grundsatz klar, daß von den Bestimmungen des AktG nur dort abgewichen werden darf, wo es ausdrücklich zugelassen ist, und daß die Bestimmungen des AktG nur dort ergänzt werden können, wo das Gesetz keine abschließende Regelung enthält. Die Formulierung, wonach Satz 1 des Abs. 5 die Abweichung von der ausdrücklichen Zulassung abhängig macht, während Satz 2 Ergänzungen für zulässig erklärt, „es sei denn, daß" vom Gesetz eine abschließende Regelung gewollt ist, ist für die Anwendung von Gesetz und Satzung belanglos, weil sie keiner Beweislastregelung unterliegt, läßt aber immerhin erkennen, daß das Gesetz gegenüber Abweichungen kritischer eingestellt ist als gegenüber Ergänzungen. Abs. 5 zeigt die im Grundsatz bereits vom AktG 37 vollzogene Entwicklung der Aktiengesellschaft von der weitgehend durch Satzungsautonomie gestaltbaren juristischen Persönlichkeit, wie es heute noch Personengesellschaft, GmbH, Verein und Stiftung sind, zur zwangsgeregelten Rechtsperson, deren Satzung die gesetzlichen Vorschriften nur mehr konkretisiert und höchstens ergänzt. Insbesondere in der Abgrenzung der Zuständigkeit der Gesellschaftsorgane, ihrer Zusammensetzung und inneren Organisation und der Reingewinnermittlung ist die Satzungsautonomie fast völlig verschwunden (vgl. Barz AktG 65, 39), vielleicht mit Ausnahme der KGaA, wo § 278 Abs. 2 das Verhältnis zwischen Komplementär und Kommanditaktionär durch Bezugnahme auf die Vorschriften des HGB noch der freien Satzungsgestaltung unterwirft. Die Regelung des Abs. 5 bedeutet dementsprechend die Absage an das Prinzip der Vertragsfreiheit. Von der gesetzlichen Regelung darf nur dort abgewichen werden, wo es ausdrücklich zugelassen ist. Dabei sollte man dem Wort „ausdrücklich" nicht zu große Bedeutung beilegen und es genügen lassen, wenn eine sinngemäße Gesetzesauslegung die Abweichung als statthaft erkennen läßt. Ob das Gesetz eine abschließende Regelung will, muß sich ebenfalls nicht aus dem Wortlaut ergeben, sondern kann einer sinnentsprechenden Gesetzesinterpretation entnommen werden (vgl. R G 65, 91; 120, 180). Auch sind die Grenzen zwischen Abweichung und Ergänzung durchaus flüssig (Würdinger S. 41), so daß auch deshalb eine scharfe Grenzziehung zwischen Abs. 5 Satz 1 und 2 sich verbietet. Die bisherige Praxis hat an Beispielen für die Unzulässigkeit von Abweichungen und Ergänzungen u. a. folgende Fälle ergeben: das Recht zur Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern kann durch die Satzung nicht dem Vorsitzenden oder seinem Stellvertreter übertragen werden (OLG Stuttgart in AktG 67, 237); die Bewilligung von Aufsichtsratsvergütungen kann auch, wenn es sich um eine außerordentliche Tätigkeit oder eine besondere Aufgabe handelt, nicht dem Aufsichtsrat selbst überlassen werden (OLG Düsseldorf in BB 67, 2155 — nicht rechtskräftig —; ebenso R. Fischer in BB 67, 859; Bernhardt BB 67, 863 fr.; a. M. Lehmann BB 66, 1757). Als zulässig sind u. a. angesehen worden: die Schaffung fakultativer Organe, wie Beraterkreis, Beirat, Verwaltungsrat, jedoch ohne die Möglichkeit der Übernahme von Zuständigkeiten des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung (Obermüller-WernerWinden 3. Aufl. S. 72); eine Satzungsbestimmung, die für die Universalversammlung den Verzicht auf sämtliche Form- und Fristvorschriften gestattet (LG Koblenz in AktG 67, 183). 189

§ 23 A n m . 19

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 19 V. Die Auslegung der Satzung Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Auslegung der Satzung einer AG in ihren körperschaftsrechtlichen Bestimmungen der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (RG 164, 140; 165, 73; 170, 366; ebenso O G H 3, 93). Der Bundesgerichtshof ist ihm darin gefolgt (BGH 9, 281; 14, 36; 15, 328; 36, 314). Diese Auffassimg wird durch die Erwägung bestimmt, daß die Auslegung der Satzung einer AG nicht von der Ermittlung der subjektiven Vorstellungen der Beteiligten im Wege einer tatsächlichen Feststellung und einer konkreten Beweiswürdigung abhängig ist, sondern daß für sie — ähnlich wie bei den Normenverträgen — Grundsätze maßgeblich sind, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (so auch Ritter Anm. 8 und Vorauf 1.). Dieser entscheidende Unterschied zu der Auslegung eines individuellen Vertrages, die ihrerseits im wesentlichen stets eine Tatfrage ist, ist dadurch bedingt, daß sich die Satzung einer AG an einen unbestimmten Personenkreis wendet, daß bei ihr also die Allgemeinheit als Erklärungsempfanger zu betrachten ist und daß demgemäß die Auslegung der Satzung nach objektiven, für die Allgemeinheit voll übersehbaren Gesichtspunkten vorgenommen werden muß (a. M. Schnorr v. Carolsfeld DNZ 63, 417, soweit „Internas" wie Geschäftsführungsfragen des Vorstands in Betracht kommen). Deshalb muß die Satzung grundsätzlich aus sich heraus ausgelegt werden, und zwar so, daß stets eine einheitliche Auslegung der Satzung gewährleistet ist (RG J W 1939, 354; BGH Urt. v. 11. 7. 55 — I I ZR 96/54), und des weiteren dürfen bei der Auslegung für die Allgemeinheit nicht erkennbare Gedanken und Absichten der Gründer nicht verwertet werden (RG 159, 326). Umstände, die nicht aus der Satzung ersichtlich sind, können bei der Auslegung nur Berücksichtigung finden, soweit sie auch für die Allgemeinheit zugänglich und erkennbar sind, wie etwa Gründererklärungen, die dem Registergericht als Anlagen eingereicht sind (RG 127, 193). Solche Umstände sind als Auslegungsbehelfe ähnlich wie die Materialien eines Gesetzes zu dessen Auslegung verwertbar (R. Fischer, Anm. zu BGH L M Nr. 2 zu § 17 GmbHG). Andererseits müssen mündliche Nebenabreden, die in der Satzung keinen Ausdruck gefunden haben und auch sonst für die Allgemeinheit nicht ersichtlich sind, unberücksichtigt bleiben (RG J W 1939, 354; Godin-Wilhelmi Anm. 17). Unbedenklich ist es auch, die Satzung bei der Möglichkeit einer mehrfachen Deutung in dem Sinn auszulegen, daß die Gültigkeit der betreffenden Satzungsbestimmung bejaht werden kann (RG 165, 78; J W 1939, 354; kritisch Bartholomeyczik DR 1941, 337). Denn so wie jede Gesetzesanwendung die in Betracht kommende Bestimmung nach ihrem billigen und vernünftigen Sinn auszulegen hat, so ist auch hier ein solches Ergebnis bei mehrfacher Deutung nur zu erreichen, wenn die Auslegjung zur Gültigkeit der fraglichen Satzungsbestimmung gelangt. Das Reichsgericht hat die Auslegung einer Satzung stets unter Anwendung der §§ 133) r 57 BGB vorgenommen (RG 140, 360; 159, 326; 165, 73). Das ist mißverständlich, wenn man damit die Möglichkeit bejaht, auch hier wie bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen die subjektiven Vorstellungen und Erwägungen der Gründer als Erkenntnisquelle für die Auslegung heranzuziehen. Damit würde man dem besonderen Charakter der Satzung nicht gerecht werden (vgl. dazu Ritter Anm. 8). Andererseits ist gegen die Anwendung des § 133 BGB nichts einzuwenden, wenn damit zum Ausdruck gebracht wird, daß für die Auslegung nicht der Wortlaut, sondern der Sinnzusammenhang entscheidend ist, so wie auch für die Auslegung von Gesetzen letzten Endes nicht der Wortlaut, sondern der Zweck und Sinn des Gesetzes entscheidend ist (vgl. R G 142, 40; BGH 2, 184; 17, 276; 18, 49). Der Notwendigkeit einer solchen Einschränkung bei der Heranziehung der Auslegungsgrundsätze des § 133 BGB muß man sich bewußt sein (ähnlich Godin-Wilhelmi Anm. 17; Scholz § 3 Anm. 27). Das Reichsgericht hat abweichend von den vorstehenden Ausführungen bei der Auslegung zweifelhafter Satzungsbestimmungen vielfach auch solche Umstände verwertet, die nicht aus dem Gesellschaftsvertrag, dem Handelsregister oder den Registerakten ersichtlich sind (RG 79, 422; 159, 326; 165, 73; J W 1939, 354). Das ist bedenklich, soweit es sich um die körperschaftsrechtlichen Bestimmungen der Satzung handelt.

190

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 23

Anm. 20, 21

Vertretbar erscheint das nur, wenn die Satzung — was freilich bei der A k t G nur im Ausnahmefall, bei der G m b H immerhin häufiger vorkommen wird — auch noch Bestimmungen enthält, die eine Regelung bestimmter Rechtsbeziehungen eines oder bestimmter Gesellschafter zur Gesellschaft zum Gegenstand haben. Diese Bestimmungen sind dann nicht körperschaftsrechtlicher, sondern rein individueller Art. Für sie können dann unter Umständen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB voll zur Anwendung kommen; sie unterliegen dann aber auch nicht der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BGH L M Nr. 25 zu § 549 Z P O ) .

Anm. 20 VI. Rechtsfolgen bei Mängeln der Beurkundung 1. Vor der Eintragung Entspricht die Beurkundung nicht den Erfordernissen des Abs. 1 oder enthält die Urkunde nicht alle nach Abs. 2, 3 und 4 erforderlichen Angaben, so hat der Registerrichter die Eintragung abzulehnen. Die Mängel müssen dann unter Aufnahme einer neuen Urkunde behoben werden. Dabei ist eine Bezugnahme auf die erste Urkunde, wenn diese wenigstens formgerecht war, nicht ausgeschlossen, so daß nicht alles wiederholt zu werden braucht. Beide Urkunden bilden dann zusammen die dem Registergericht einzureichende Gründungsurkunde. In derselben Form können auch vor der Eintragung noch Änderungen vereinbart werden, z. B. Erhöhung oder Herabsetzung des Grundkapitals, sonstige Änderungen der Satzung, Ersetzung von Bareinlagen durch Sacheinlagen und umgekehrt, aber nur mit Einstimmigkeit ( R G L Z 1918, 8 5 6 " ; „ R e c h t " 1910 Nr. 3695; K G O L G E 43, 293).

Anm. 21 2. Nach der Eintragung Ist die A G trotz Verletzung des § 23 eingetragen, so bestimmen sich die Folgen aus § 275fr. A k t G , 144a F G G in Verbindung mit § 262 Abs. 1 Ziff. 5; vgl. Anm. 1, 9 und 16. Welche Folgen durch Satzungsänderung abwendbar sind, ergibt sich aus diesen Bestimmungen erschöpfend. Danach ist die Rechtslage folgende: Fehlt es an der formgerechten Beurkundung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 überhaupt oder ist — was eher vorkommen kann — ein Beurkundungsfehler unterlaufen, der die Urkunde nichtig macht, so wollen Schlegelberger-Quassowski (§ 16 Anm. 4, § 216 Anm. 3), obwohl dieser Nichtigkeitsgrund in § 275 nicht genannt ist, Nichtigkeit der A G annehmen. Sie folgern so: § 216 (jetzt § 275) erklärt die A G zwar nur dann für'nichtig, wenn die Satzung nicht die nach § 23 Abs. 3 wesentlichen Bestimmungen enthält, oder wenn eine dieser Bestimmungen nichtig ist. Ist nun die ganze Urkunde nichtig, so sind es auch diese wesentlichen Bestimmungen, also ist die A G nichtig. Sie nennen das „mittelbare" Nichtigkeit und könnten sich für diesen Gedankengang auf R G 54, 418; 114, 80 berufen. Diese für § 309 H G B allenfalls mögliche Gesetzesauslegung ist aber nach der Fassung des § 216 Ä k t G 37 = § 275 A k t G 65 nicht mehr möglich. D a ß ein bei der Feststellung der Satzung unterlaufener Beurkundungsmangel nur unwesentliche Satzungsbestimmungen betreffe und sich nicht auch auf die wesentlichen erstrecke, ist ein kaum denkbarer Fall. Wenn daher Verstöße gegen Abs. 1 des § 23 ebenfalls die Nichtigkeit der A G hätten begründen sollen, so hätte Abs. 1 in § 275 angeführt werden müssen. Da in § 275 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich gesagt ist, daß die Nichtigkeitsklage auf andere als die aufgeführten Gründe nicht gestützt werden könne, so scheiden Verstöße gegen § 23 Abs. 1 aus. Ist die A G trotz eines solchen Verstoßes eingetragen worden, so ist die Nichtigkeit geheilt (ebenso Baumbach-Hueck R n . 4; Ritter Anm. 2; Gessler Anm. 1; Möhring-Tank I 4 Ö R n 4 9 ; Würdinger S. 107; a. M . Godin-Wilhelmi Anm. 3; Schnorr v. Carolsfeld D N o t Z 63, 411 N. 36). Es fehlt hierin bei Schlegelberger-Quassowski aber auch an der Folgerichtigkeit. Was für Satz 1 des § 23 Abs. 1 gilt, muß doch auch für Satz 2 gelten. Beide Vorschriften sind zwingend (Anm. 2 a. a. O . zu § 16). Hat es an der vorgeschriebenen Form der Vollmacht

191

§23 Anm. 22, 23

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

gefehlt, so sind die wesentlichen Satzungsbestimmungen des Abs. 3 nicht weniger nichtig als bei einem Beurkundungsmangel. Dennoch wird in Anm. 8 a. a. O. zu § 16 angenommen, daß die Eintragung den Mangel der Form der Vollmacht heile. Warum dieser Unterschied gemacht wird, ist nicht einzusehen. Richtig ist, daß auch dieser Mangel durch die Eintragung geheilt wird, denn auch er ist in § 275 nicht aufgeführt. Ist ein Vertreter ohne Vertretungsmacht aufgetreten, vielleicht mit gefälschter Vollmacht, und ist auch keine Genehmigung erteilt worden, so kann zwar der Vertretene nicht als Gründer behandelt werden, wohl aber in entsprechender Anwendung des § 179 BGB nach der Eintragung der A G der falsus procurator (a. M . Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 418). Er haftet für die Erfüllung der übernommenen Pflichten; eine Beschränkung der Haftung auf das negative Interesse nach § 179 Abs. 2 BGB oder ein Wegfall der Haftung nach § 179 Abs. 3 BGB kommt nach aktienrechtlichen Grundsätzen (§ 2 Anm. 4a) nicht in Frage (a. M . hinsichtlich der Anwendung des § 179 Abs. 2 und 3 BGB für das Recht der GmbH Hachenburg-Schilling § 2 Anm. 2 1 ; Scholz § 2 Anm. 2 1 ; Feine EhrenbHdb. I I I 3 S. 212, die in diesem Fall den Geschäftsanteil ins Leere fallen lassen). Vgl. auch § 275 Anm. 3.

VII. Der Vorgründungsvertrag Uber den Vorgründungsvertrag, d. h. den Vorvertrag auf Errichtung einer A G , enthält das Aktiengesetz nichts. Es gelten hier dieselben Regeln wie bei Vorverträgen überhaupt.

Anm. 22 1. Erfordernis der genügenden Bestimmtheit Wie jeder Vorvertrag, so muß auch der Vorgründungsvertrag, um eine Verpflichtung zum Abschluß des Hauptvertrags begründen zu können, so bestimmte Vereinbarungen enthalten, daß das etwa noch Fehlende vom Gericht durch Auslegung ergänzt werden kann ( R G 6 6 , 1 2 1 ; 1 0 6 , 1 7 4 ; 1 5 6 , 1 3 8 ; BGH L M § 705 BGB Nr. 3 ; O L G München in GmbHRdsch. 58, 195; Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag 1965 S. 132fr.). Es ist nicht notwendig, daß der Vorgründungsvertrag unter allen Umständen die gleiche Vollständigkeit aufweist, die nach den gesetzlichen Bestimmungen für den vorgesehenen Errichtungsakt bei Gründung der A G zu verlangen ist. Es genügt, wenn der Vorvertrag und die gesamten Umstände des Einzelfalls einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür bieten, um etwa noch fehlende Bestimmungen unter Berücksichtigung des vermutlichen Parteiwillens nach § 287 Z P O zu ergänzen ( R G SeuffA 92 Nr. 138). Es kann daher in dem Vorgründungsvertrag noch die Festlegung der Firma offengeblieben sein (BGH L M Nr. 3 zu § 705 BGB), j a sogar die Höhe des Grundkapitals oder des Nennbetrags der Aktien müssen noch nicht endgültig bestimmt sein, wenn sie nur bestimmbar sind, z. B. nach der Bilanz des einzubringenden Unternehmens ( R G 156, 138). Letzteres wird häufig vorkommen, wenn in dem Gesellschaftsvertrag einer Personalhandelsgesellschaft für bestimmte Fälle die Umwandlung in eine A G vorgesehen ist; hier werden dann auch Sitz und Gegenstand des Unternehmens aus den gesamten Umständen bestimmbar sein. Es ist auch denkbar, daß die Beteiligten vorsehen, daß die Festsetzung der noch offengebliebenen Punkte durch Mehrheitsbeschluß der Gesellschaftsgründer erfolgen soll, wobei dann die Grenzen des § 3 1 5 Abs. 1 BGB einzuhalten sind.

Anm. 23 2. Formerfordernis für den Vorgründungsvertrag Der Vorgründungsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit derselben Form, die für die Errichtung der A G vorgeschrieben ist. Das ergibt sich zwar nicht daraus, daß jeder Vorvertrag zu seiner Rechtswirksamkeit ganz allgemein die Einhaltung der für den Hauptvertrag vorgesehenen Form erfordert (so R G 43, 139; 106, 176; ähnlich auch noch R G 169, 189). Denn einen solchen ausnahmslosen Rechtssatz gibt es nicht. Viel-

192

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§23 Anm. 23

mehr hängt es immer von Inhalt und Zweck der Formvorschrift ab, ob dieser sich auch auf einen Vorvertrag zu dem formbedürftigen Hauptvertrag erstreckt. So hat das Reichsgericht die Formvorschrift des § 566 BGB nicht auf einen Vorvertrag angewendet, weil diese nach ihrem Inhalt und Zweck nur dem Interesse des Grundstückserwerbers dient und daher nur für den Hauptvertrag sinnvoll ist ( R G 86, 32; 104, 3 1 ; J W 1938, 1247; ebenso B G H L M § 566 BGB Nr. 1). Aus der gleichen Erwägung hat das Reichsgericht die Formvorschrift des § 873 Abs. 2 BGB nur auf den dinglichen Vertrag, nicht aber auch auf den obligatorischen Vorvertrag bezogen ( R G SeuffA 58 Nr. 9). Mit dem Reichsgericht wird man aber davon ausgehen müssen, daß Inhalt und Zweck der Formvorschrift, die für den Gründungsvertrag einer A G vorgeschrieben ist, einerseits den Beteiligten die Bedeutsamkeit der von ihnen abgegebenen Willenserklärungen zum Bewußtsein bringen und andererseits die Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses für Dritte erkennbar machen sollen ( R G 66, 120). Die Formvorschrift besitzt also u. a, eine Schutzfunktion für die Gesellschaftsgründer, denen sie auch die fachmännische juristische Beratung sichern soll (so Henrich a. a. O. S. 164). Dieser Zweck der Formvorschrift würde umgangen werden, wenn sich die Gesellschaftsgründer formlos wirksam zur Errichtung einer A G verpflichten könnten. Daher muß nach Inhalt und Zweck der Formvorschrift ein formloser Vorgründungsvertrag als unwirksam erachtet werden (vgl. dazu näher Rob. Fischer GmbHRdsch. 1954, 129). Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts ( R G 43, 136; 66, 120; 106, 176; 130, 75; 149, 395; 156, 138; L Z 1920, 484; J W 1929, 645; Recht 1929 Nr. 258) und der herrschenden Ansicht im Schrifttum (Rud. Fischer EhrenbHdb. I I I 1 S. 1 1 9 und Anm. J W 1924, 170; Schlegelberger-Quassowski Anm. 33; Staudinger-Kessler Vorbem. 49 vor §§ 705 ff.; Godin-Wilhelmi Anm. 2; Baumbach-Hueck Rn. 18; Henrich a . a . O . ; für die gleichliegende Frage bei der GmbH ebenso Scholz § 2 Anm. 14; Vogel § 2 Anm. 5). Die erwägenswerten Argumente, die im Schrifttum gegen diese Auffassung vorgebracht worden sind (Ritter § 2 Anm. 5; Bing Anm. J W 1929, 645; Schreiber, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1925 S. 8 1 ; Hachenburg-Schilling § 2 Anm. 22; Feine EhrenbHdb. I I I 3 S. 188), können demgegenüber nicht durchgreifen. Der von diesen Schriftstellern angeführte Vergleich zu der Möglichkeit, sich formlos zur Begründung einer Wechselverbindlichkeit zu verpflichten, ist nicht beweiskräftig. Diese Möglichkeit folgt, wie auch bei anderen Skripturverpflichtungen, ohne weiteres aus Inhalt und Zweck der Formvorschrift für die Begründung einer Wechselverbindlichkeit. Diese hat die Aufgabe, einen umlauffähigen Rechtsträger für die im Wechsel verbriefte Forderung zu schaffen. Inhalt und Zweck dieser Formvorschrift beschränken sich also auf die Wechselverbindlichkeit und erstrecken sich nicht auf den obligatorischen Vorvertrag. Auch der namentlich von Hachenburg-Schilling a. a. O. herangezogene Vergleich zwischen einem formbedürftigen dinglichen Vertrag und einem grundsätzlich formfreien obligatorischen Vorvertrag erscheint nicht durchschlagend. Denn bei der Frage nach der Formbedürftigkeit eines Vertrages kommt es stets entscheidend darauf an, ob sich der formfreie Abschluß eines Vertrages mit Inhalt und Zweck der jeweils in Betracht kommenden Formvorschrift vereinbaren läßt. Ohne eine Beurteilung von Inhalt und Zweck der Formvorschrift des § 23 Abs. 1 läßt sich daher für die Frage nach der Formbedürftigkeit eines Vorvertrages nichts sagen. Wesentlich erscheint daher nur das Argument von Schreiber a.a.O., daß das Formerfordernis für den Gründungsakt nicht deshalb aufgestellt worden sei, um Unerfahrene vor Unbesonnenheiten zu bewahren, sondern daß der Zweck dieser Formvorschrift lediglich in der Publizitätswirkung und in dem Zwang zur Einholung juristischen Rats bei der Formulierung und genauen Festlegung des Errichtungsakts bestehe. Jedoch läßt eine nähere Beurteilung dieser Auffassung erkennen, daß die Funktion der Formvorschrift auch den Schutz der Gesellschaftsgründer mitumfaßt. Denn die Publizitätswirkung und der Zwang zur Einholung juristischen Rats kann nicht auf einen Schutz der Interessen der Gesellschaft und ihrer Gläubiger beschränkt werden, wenn man nicht den engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Interessen der Gesellschaft und den Interessen der Gesellschaftsgründer im Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft außer acht läßt. Dient aber die Formvorschrift zugleich dem Schutz der Gesellschaftsgründer, so ist damit der Gegenmeinung die rechtlich allein mögliche Grundlage entzogen. Zur Zulässigkeit formloser Vereinba13 Aktlengesetz I, 3. Aufl.

193

§23

Anm. 24—26

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

rangen zwischen den Gesellschaftsgründern aus Anlaß der Errichtung einer A G vgl. Anm. 27. Dagegen bedarf die Vollmacht zum Abschluß eines Vorgründungsvertrages trotz § 23 Abs. 1 Satz 2 keiner notariellen Beglaubigung, denn die Formvorschrift für die Vollmacht dient lediglich dazu, Zweifel an der Legitimation des Bevollmächtigten auszuschließen und dem Registerrichter die Prüfung zu erleichtern (Anm. 6). Dieser Inhalt und Zweck der Formvorschrift erfordert ihre Übertragung auf eine für den Vorgründungsvertrag ausgestellte Vollmacht nicht (so auch B G H in D B 69, 1336).

Anm. 24 Verlangt man aber schon für den bindenden Vorgründungsvertrag die notarische Beurkundung, dann läßt sich allerdings nicht, wie es das Reichsgericht J W 1929, 645 10 angenommen hat, in formlosen Abreden zum Zweck der Gründung einer G m b H (oder A G ) die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts finden und auf die Verletzung von Gesellschafterpflichten ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gründen (vgl. auch Bing Anm. 24, 1929, 645; Hachenburg-Schilling § 2 Anm. 14 a . E . ; Rob. Fischer G m b H Rdsch. 1954, 129ff.). Eine Gesellschaft, dann aber doch wohl nur eine offene Handelsgesellschaft (§ 29 Anm. 3), könnte zwar angenommen werden, wenn schon vor der Gründung ein Geschäftsbetrieb beabsichtigt und die Gründung selbst erst fiir später in Aussicht genommen ist. Hat aber die Vereinbarung nur die Gründung z u m Zweck, so ist sie wegen Formmangels nichtig und kann nur Schadensersatzansprüche aus Verschulden beim Vertragsschluß oder aus unerlaubter Handlung (§ 826 BGB) erzeugen; § 826 BGB hätte in jenem vom Reichsgericht entschiedenen Fall unbedenklich zu einer befriedigenden Lösung geführt.

Anm. 25 Verpflichtet sich im Vorgründungsvertrage einer der Gründer, ein Grundstück in die A G einzubringen, so bedarf diese Verpflichtung schon nach § 313 BGB der notariellen Beurkundung, ganz abgesehen von den Erörterungen in Anm. 23 (vgl. R G Gruchot 71, 527).

Anm. 26 3. Wirkungen des Vorgründungsvertrages Ist ein rechtswirksamer Vorgründungsvertrag geschlossen worden, so besteht zwischen den Gründern bis zur Entstehung der A G eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Zweck einer solchen Vorgründungsgesellschaft beschränkt sich auf die Errichtung der vorgesehenen A G und begründet zwischen den Beteiligten die Verpflichtung, bei den für die Gründung der A G notwendigen Handlungen mitzuwirken. Mit der Entstehung der A G findet diese Gesellschaft ihr Ende (§ 726 BGB), sie ist also nicht mit der später gegründeten Gesellschaft identisch; sie ist insoweit von einer Gründergesellschaft zu unterscheiden, deren Zweck nicht nur die Errichtung der beabsichtigten Kapitalgesellschaft ist, sondern die auch schon vor der formgerechten Entstehung der Kapitalgesellschaft Geschäfte in dem vorgesehenen Geschäftszweig aufnimmt (zu diesem Unterschied vgl. Staudinger-Kessler Anm. 49,50 vor §§ 705 fr., ebenso Hachenburg-Schilling § 2 Anm. 16; Feine EhrenbHdb. I I I 3 S. 190). Wie bei jedem Vorvertrag begründet auch die Vorgründungsgesellschaft für die Beteiligten nur die Verpflichtung zum Abschluß des beabsichtigten Vertrages, hier also die Verpflichtung zur formgerechten Errichtung der vorgesehenen AG und zur Mitwirkung bei allen Handlungen, die hierfür erforderlich sind. Insoweit hat jeder Gesellschaftsgründer einen klagbaren Anspruch gegen seinen Mitgesellschafter. Inwieweit dieser Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung zu realisieren ist, ist Frage des Einzelfalls. Es kommt dabei nicht nur die Vorschrift des § 894 Z P O , sondern auch die Vorschrift des § 888 Z P O in Betracht, nämlich j e nachdem ob es sich bei der einzelnen Mitwirkungshandlung nur um die Abgabe einer Willenserklärung oder darüber hinaus auch u m die Vor-

194

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 23 Anm. 27

nähme einer unvertretbaren Handlung handelt (vgl. dazu Stein-Jonas-Schönke Komm. ZPO § 894 zu Fußnote 24 und 33). Die weitergehende Auffassung von Schreiber (Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1925 S. 8if.), der'die Gründungserklärungen bei der Errichtung einer Korporation in jedem Fall dem Anwendungsbereich des § 894 ZPO entzieht, erscheint nach dem geltenden Recht nicht vertretbar. Bei der Anwendung der §§ 705 ff. BGB ist stets der besondere Zweck der Vorgründungsgesellschaft zu beachten. Daraus folgt für die Kündigung, daß sie zwar aus wichtigem Grund zulässig ist, dagegen im allgemeinen nicht ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, da eine Vorgründungsgesellschaft nicht als eine Gesellschaft für unbestimmte Zeit (§ 723 Abs. 1 Satz 1 BGB) betrachtet werden kann. Das verkennt Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 4 1 1 , wenn er den jederzeitigen Amtritt für möglich und deshalb die Wahrung einer Form für überflüssig hält. Erweist sich die Durchführung der beabsichtigten Gründung als unmöglich, dann bedarf es keiner Kündigung; die Gesellschaft endigt nach § 726 BGB. Beim Tode eines Gesellschaftsgründers ist es Frage der Auslegung, ob dadurch die Vorgründungsgesellschaft gemäß § 727 BGB aufgelöst wird; angesichts des reinen Kapitalcharakters der A G wird eine abweichende Vereinbarung häufig dem Willen der Gesellschaftsgründer entsprechen (OLG Bamberg L Z 1910,872; Schlegelberger-Quassowski § 16 Anm. 24). Für die GmbH wollen HachenburgSchilling § 2 Anm. 16 allerdings im allgemeinen an der Auslegungsregel des § 727 BGB festhalten; das mag bei dieser Gesellschaftsform zutreffend sein, für die AG ist das aber in der Regel nicht angebracht. Da auch auf eine bürgerlichrechtliche Gesellschaft die Grundsätze der faktischen Gesellschaft Anwendung finden (RG DR 1943, 801; vgl. auch BGH 13, 320), kann auch hier im Einzelfall die Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung ausgeschlossen sein; in diesem Fall tritt dann aber im allgemeinen an die Stelle des Anfechtungsrechts das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund (BGH 3, 285).

Anm. 27 4. Vereinbarungen aus Anlaß der Gründung einer AG Zu unterscheiden vom Vorgründungsvertrag sind Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftsgründern, die nicht den Abschluß des Gründungsvertrages zum Gegenstand haben, diesen Abschluß vielmehr voraussetzen und für diesen Fall ihre Beziehungen zueinander regeln (RG 130, 75). Diese Vereinbarungen sind formlos wirksam, nach ihrem Inhalt können sie eine Umgehung der Formvorschrift für die Gründung der AG nicht darstellen. Als Vereinbarung dieser Art kann eine Wettbewerbsvereinbarung zwischen den Gesellschaftsgründern in Betracht kommen (RG J W 1936, 2676). Es ist auch denkbar, daß die Gesellschaftsgründer eine solche Vereinbarung zugunsten der zu errichtenden AG abschließen, so daß diese nach ihrer Entstehung daraus unmittelbare Ansprüche gegen die einzelnen Gesellschaftsgründer erwirbt. Eine solche Vereinbarung ist freilich nur dann formlos wirksam, wenn durch sie keine gesellschaftsrechtlichen Nebenverpflichtungen geschaffen werden, es sich bei der AG also nicht um eine sog. NebenleistungsAG (§ 55) handelt; denn die Begründung solcher Nebenleistungspflichten muß in der Satzung der A G Aufnahme finden, sie unterliegt also ihrerseits der Formvorschrift des § 23, so daß eine formlose Vereinbarung insoweit eine Umgehung dieser Formvorschrift darstellen würde (RG 112, 282; J W 1930, 2676; Rob.Fischer GmbHRdsch. 1954, 132)Anderer Art ist auch der sog. Begebungs- oder Konsortialvertrag. Dieser, meist mit Banken geschlossene Vertrag bezweckt die Unterbringung von Aktien nach der Entstehung der AG. Die Bank, welche künftig Aktien zu übernehmen verspricht, will sich also an der Gründung selbst nicht beteiligen. Dieser Vertrag ist begrifflich von dem Vorgründungsvertrag klar unterschieden, im Einzelfall wird jedoch die Abgrenzung von dem Vorgründungsvertrag schwierig sein, weil beide Verträge ohne scharfe Grenze ineinander übergehen können (Brodmann § 182 Anm. 6 c). Ein solcher Vertrag ist ebenfalls keiner Form bedürftig. 13»

195

§ 23 A n m . 28

§ 2 4 Anm. 1 Anm. 28

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

VIII. Die Kosten der Gründung Bei den Gründungskosten handelt es sich um die durch die Gründung entstehenden Notariatskosten, die Kosten der Gründungsprüfung, die Gesellschaftssteuer, die durch die Einbringung der Sacheinlagen etwa anfallenden Verkehrssteuern (z. B. Grunderwerbsteuer für Grundbesitz, Börsenumsatzsteuer für Wertpapiere), die Gerichtsgebühren für die Eintragung sowie die Kosten für die Veröffentlichung und den Aktiendruck. Im Verhältnis nach außen muß diese Kosten tragen, wer nach Auftrag oder Gesetz Schuldner der Kosten ist. Die Notariatskosten (LG Bochum in J W 26, 634) und wohl auch die Kosten der Gründungsprüfung (vgl. § 35 Anm. 5) gehen zu Lasten der Gründer, die Gerichts- und Veröffentlichungskosten — diese letzteren erscheinen in der Praxis als Auslagen des Gerichts, das die Veröffentlichung veranlaßt — treffen die Gesellschaft ebenso die Kosten für den Druck der Aktien; die Verkehrssteuern treffen den Einleger und die Aktiengesellschaft gemeinsam und damit gemäß § 426 BGB jeden zur Hälfte, die Gesellschaftssteuer dagegen die Gesellschaft ( § 1 0 Abs. 1 K V S t G 59). Im Innenverhältnis sind aber die gesamten Gründungskosten von den Gründern zu tragen, wenn nicht eine dem § 26 Abs. 2 genügende Festsetzung des Gründungsaufwands erfolgt, die sie zu Lasten der Gesellschaft nimmt (§ 26 Anm. 10). Die in der Vorauflage herangezogene Rechtsprechung des R F 2, 90; 7, 1 2 ; 1 1 , 196; 12, 339; J W 26, 398 ist zu dieser Frage ebenso unergiebig wie die Regelung des § 8 Ziff. 1 K V S t G 59. Sie besagt nur, daß die von den Gründern übernommenen Kosten der Gesellschaftsgründung mit Ausnahme der Gesellschaftssteuer selbst Berechnungsgrundlage für die Gesellschaftssteuer sind, betrifft aber die hier interessierende Frage, wer die Kosten zu tragen hat, wenn niemand sie übernommen hat, überhaupt nicht.

§ 24:

I n h a b e r - und N a m e n s a k t i e n

(1) Die Aktien sind als Inhaberaktien auszustellen, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. § 10 Abs. 2 bleibt unberührt. (2) Die Satzung kann bestimmen, daß auf Verlangen eines Aktionärs seine Inhaberaktie in eine Namensaktie oder seine Namensaktie in eine Inhaberaktie umzuwandeln ist. Übersicht:

Einleitung I. Aktien sind im Zweifel Inhaberaktien II. Die Umwandlung von Aktienarten

1,2 3, 4

1. Das Verlangen des Aktionärs auf Umwandlung 5,6 2. Die Umwandlung durch Satzungsänderung

7

Anm. 1 Nach Art. 209 des Gesetzes von 1884 mußte der Gesellschaftsvertrag die Art der Aktien, ob Inhaber- oder Namensaktien, oder bei Ausgabe beider die Zahl der Aktien jeder Art bestimmen; Bestimmungen, nach denen die Aktienart umgewandelt werden konnte, bedurften nach Art. 209 a der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. Das wurde dahin ausgelegt, daß die Umwandlung in jedem Fall eine Satzungsänderung sei. Das H G B hat das in § 183 geändert und bestimmt, daß die Aktien, wenn die Satzung

196

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 24

Anm. 2—4

nichts anderes sagt, Namensaktien sind und daß durch die Satzung jedem Aktionär die Befugnis geben kann, die Art seiner Aktien umzuwandeln. Dem war § 17 A k t G 37 gefolgt. Das A k t G 65 beläßt es zwar bei der Satzungsbefugnis für die Gewährung eines Umwandlungsrechts, erklärt aber, daß die Aktien, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, als Inhaberaktien auszustellen sind unbeschadet der Vorschrift des § 10 Abs. 2, wonach die Aktien Namensaktien sein müssen, wenn sie vor voller Leistung der Einlage ausgegeben werden. Für diejenigen Gesellschaften, die vor Inkrafttreten des A k t G 67 keine Satzungsbestimmung getroffen und demnach Namensaktien ausgegeben haben, gibt § 9 E G eine Übergangsvorschrift, die die erforderliche Satzungsänderung erleichtert.

Anm. 2 Namens- und Inhaberaktien sind, wenn mit ihnen keine Verschiedenheit der Rechte verbunden ist, keine Aktiengattungen ( § 1 1 A n m . 9), sondern tragen nur den weniger bedeutenden Unterschied der Aktienart an sich.

Anm. 3 I. Die Aktien sind im Zweifel Inhaberaktien und keine Namensaktien Die Satzung braucht nichts darüber zu bestimmen, welche von beiden Arten ausgegeben werden soll. Bestimmt sie nichts darüber, so sind die Aktien auf den Inhaber zu stellen. Dies entspricht den tatsächlichen Verhältnissen in Deutschland, wo die Inhaberaktie heute bei weitem das Ubergewicht hat. Namensaktien sind im allgemeinen nur dort üblich, wo die Aktie eine Daueranlage sein soll, wie etwa in Familien-Aktiengesellschaften, sodann nach zwingender Vorschrift auch dort, wo die Übertragung der Aktie an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist (§ 68 Abs. 2), also namentlich bei den Nebenleistungs-Aktiengesellschaften. Nach dem Zusammenbruch ist von den Besatzungsmächten im Zusammenhang mit der Entflechtung vielfach die Ausgabe von Namensaktien vorgeschrieben worden, um die Durchführung der Entflechtung besser übersehen zu können (dazu kritisch Herold N J W 1952, 81). In der Zwischenzeit sind diese Aktien jedoch weitgehend wieder in Inhaberaktien umgewandelt worden, ein weiteres Zeichen dafür, wie stark die Inhaberaktie in Deutschland eingebürgert ist (vgl. dazu Ziganke W M 1954, 2 2 ff. sowie die Denkschrift der Arbeitsgemeinschaft der Schutz Vereinigungen für Wertpapierbesitz zur Reform des Aktienrechts S. 42 fr.). Die Satzung kann auch bestimmen, daß ein gewisser Teil der Aktien auf den Namen zu stellen sei. Die übrigen sind dann, mag es ausdrücklich gesagt sein oder nicht, auf den Inhaber zu stellen. Die Satzung kann auch dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat das Recht einräumen, nach seinem Ermessen zu bestimmen, ob Inhaber- oder Namensaktien, oder ob beide Arten und in welchem Verhältnis sie ausgegeben werden sollen. Ohne solche Ermächtigung durch die Satzung würden aber die Verwaltungsträger nicht befugt sein, eine derartige Wahl zu treffen. Die Grundsatzregelung, daß die Aktien als Inhaberaktien auszustellen sind, ändert nichts an der Vorschrift des § 10 Abs. 2, wonach Aktien, die vor voller Leistung des Nennbetrags oder des höheren Ausgabebetrags ausgegeben werden, Namensaktien sein müssen. Wenn § 24 Abs. 1 S. 1 den § 10 Abs. 2 unberührt läßt, so ist das wohl dahin zu verstehen, daß auch bei Fehlen einer Satzungsbestimmung nicht voll eingezahlte Aktien entgegen § 24 Abs. 1 Satz 1 als Namensaktien auszugeben sind (GodinWilhelmi Anm. 2). Ihnen fehlt dann zwar die satzungsmäßige Verankerung; der Schutzzweck des § 10 Abs. 2 ist aber stärker.

Anm. 4 Werden gesetz- oder satzungswidrig Namensaktien statt Inhaberaktien ausgegeben oder umgekehrt, so hat das nicht die Folge der Nichtigkeit ( § 1 0 A n m . 7; Schlegelberger-Quassowski § 17 Anm. 2; Baumbach-Hueck Rn. 3; Teichmann-Koehler Anm. zu § 17). Die gegenteilige Auffassung, die solche Aktien für nichtig ansieht oder ihnen

197

§24

Anm. 5—7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

jedenfalls die Legitimationskraft als Wertpapier versagt (Ritter § 1 7 A n m . 1; GodinWilhelmi A n m . 5), berücksichtigt nicht in dem erforderlichen Umfang die Verkehrssicherheit, die einen Schutz durch Anerkennung solcher Aktien verlangt. Die von Godin-Wilhelmi a. a. O . hervorgehobene „Folgerichtigkeit" der von ihnen vertretenen Auffassung vermag demgegenüber kein entscheidendes Gewicht zu erlangen. Für eine solche gesetz- oder satzungswidrige Aktienausgabe muß der Vertrauensschutz auf Grund des durch die Ausgabe der Aktien begründeten Rechtsscheins durchgreifen. Wenn Godin-Wilhelmi weiter meinen, die Gegenmeinung könne, nachdem die Inhaberaktie die Regel sei, wegen fehlender Gefahrdung der Verkehrssicherheit nicht mehr aufrechterhalten werden, so ist das irrig. Die Verkehrssicherheit steht unabhängig davon, welche Aktien die Regel sind, in Gefahr; denn auch Inhaberaktien können im Falle des § 10 Abs. 1 S. 2 gesetzeswidrig und im Falle, daß die Satzung Namensaktien vorsieht, auch satzungswidrig sein. Sie wären dann aber nach Auffassung von GodinWilhelmi nichtig, und die Aktionäre wären in dem Vertrauen, der Gesellschaft gegenüber Aktionär zu sein, ohne im Aktienbuch eingetragen zu sein, getäuscht. A u c h zeigt die Übergangsregelung des § 9 E G , daß der Gesetzgeber nicht von der Nichtigkeit satzungswidrig ausgegebener Aktien ausgegangen ist; denn dann hätte man sich mit einer so zahmen und die Nichtigkeit der Aktien nicht beachtenden Übergangsregelung nicht zufrieden geben können. Für eine gesetz- oder satzungswidrige Ausgabe von Inhaberoder Namensaktien ist keine Ordnungsstrafe angedroht, es sei denn, daß zugleich § 10 Abs. 2 verletzt ist (§ 405 Abs. 1 Ziff. 1). Der Vorstand und der Aufsichtsrat würden sich dadurch aber nach den §§ 93, 116 schadensersatzpflichtig machen.

Anm. 5 II. Die Umwandlung von Aktienarten 1. Das Verlangen des Aktionärs auf Umwandlung Die Satzung, auch eine Satzungsänderung, kann den Aktionären das Recht einräumen, die Umwandlung der einen Aktienart in die andere für die Aktien jedes einzelnen zu verlangen. Das Recht kann auch mit Beschränkungen eingeräumt werden ( H u e c k R n . 4). Ohne solche Satzungsbestimmung hat der einzelne Aktionär dieses Recht nicht. Das Recht, die Umwandlung selbst vorzunehmen, kann den Aktionären nicht eingeräumt werden. Wird auf Grund jener Satzungsbestimmung die Umwandlung verlangt, so ist deren Vornahme eine reine Verwaltungshandlung des Vorstandes, keine Satzungsänderung, wie nach dem ehemaligen Art. 209 a angenommen wurde (Anm. 1). Die Kosten trägt der Aktionär. Wer das Umwandlungsrecht ausüben will, m u ß sich der Gesellschaft gegenüber als Aktionär entweder durch Inhaberschaft der Aktienurkunde oder durch Eintragung im Aktienbuch (§ 68 Abs. 2) ausweisen.

Anm. 6 Nicht zulässig ist eine Satzungsbestimmung, wonach der Nennwert verändert, etwa für fünf Aktien zu 1000 D M eine Aktie zu 5000 D M eingetauscht werden könnte. Da der Nennbetrag der einzelnen Aktien nach § 23 Abs. 3 Nr. 4 in der Satzung bestimmt sein muß, so würde ein solcher Umtausch eine Satzungsänderung voraussetzen. Ebensowenig könnte eine Aktiengattung ohne Satzungsänderung verändert werden (§§ 11, 23 Abs. 3 Nr. 4), hier wäre außerdem § 179 Abs. 3 zu beachten. Wegen Globalaktien vgl. § 8 Anm. 4 u. 14.

Anm. 7 2. Die Umwandlung durch Satzungsänderung Eine Satzungsänderung, durch die alle Aktien aus Inhaber- in Namensaktien umgewandelt werden oder umgekehrt, ist zulässig. Ein Sonderrecht der Aktionäre kommt dabei nicht in Frage, sondern nur ein allgemeines Mitgliedsrecht, für dessen Unantastbarkeit nichts entscheidend spricht (§ 1 Anm. 40; Stuttgart O L G E 43, 298). Ein Sonder-

198

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§25

Anm, 1 recht könnte nur dann in Frage kommen, wenn ein Teil der Aktionäre Namensaktien, ein anderer Inhaberaktien hat, sei es durch Erwerb, sei es durch Umwandlung nach Abs. 2. Allein auch in diesem Fall wird man kein Sonderrecht anzunehmen haben. Das Gesetz sieht in dem Unterschied zwischen Namens- und Inhaberaktien, sofern sie gleiche Rechte gewähren, keine Gattungsverschiedenheit (Anm. 2), § 179 Abs. 3 wäre also nicht anwendbar. Daß wegen des weniger bedeutenden Artunterschieds jeder einzelne von der Umwandlung betroffene Aktionär seine Zustimmung geben müßte, erscheint nicht annehmbar. Gegen eine solche Zwangsumwandlung werden im Schrifttum Bedenken geltend gemacht (Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III. 1 S. 151; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Teichmann-Koehler Anm. zu § 17; Möhring-Schwarz Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht 1938 S. 29). Diese Bedenken stützen sich im wesentlichen darauf, daß jedenfalls bei einer Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien eine Beschränkung in der Verkehrsfähigkeit der Aktien eintrete und daß es sich hierbei um eine vergleichbare Beschränkung wie bei der Bindung der Namensaktie im Fall des § 68 Abs. 2 handele, die ebenfalls der Zustimmung der betroffenen Aktionäre bedürfe. Der Hinweis auf § 68 Abs. 2 ist nicht beweiskräftig, da es sich bei dem Zustimmungserfordernis des § 68 Abs. 2 um einen sehr viel weitergehenden Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht handelt. Der Fehler der Gegenmeinung besteht darin, daß es insoweit kein unantastbares allgemeines Mitgliedschaftsrecht gibt; nur dieses vermöchte das Erfordernis der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre zu rechtfertigen. Auch der häufig erhobene Einwand, daß die A G kein Mittel habe, bei einer Zwangsumwandlung die Einreichung der Aktien zu erzwingen, kann angesichts des § 73 nicht durchdringen. Die daselbst zugelassene Kraftloserklärung von Aktienurkunden setzt nicht mehr voraus, als daß deren Inhalt „durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden" ist. Das ist ein weitgefaßter Ausdruck, unter den sich unbedenklich auch die Fälle bringen lassen, daß die Inhaberaktie, die ein Aktionär in Händen hat, durch Satzungsänderung zur Namensaktie geworden ist und umgekehrt (so auch Herbig DJ 1935, 114; Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Rn. 2, jetzt auch Möhring-Schwarz 2. Aufl. S. 33; ebenso Schnorr- v. Carrolsfeld DNotZ 63, 417; Schmidt DB 55, 162; Wiedemann, Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten 1965, S. 143). — Bei der Zwangsumwandlung von Aktien muß aber in jedem Fall der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre gewahrt werden. Der Umwandlungsbeschluß muß sich daher auf alle Aktien oder wenigstens auf alle Aktien einer bestimmten Gattung beziehen; tut er das nicht, dann muß für eine solche Umwandlung die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre verlangt werden (Ritter Anm. 3).

B e k a n n t m a c h u n g e n der G e s e l l s c h a f t Bestimmt das Gesetz oder die Satzung, daß eine Bekanntmachung der Gesellschaft durch die Gesellschaftsblätter erfolgen soll, so ist sie in den Bundesanzeiger einzurücken. Daneben kann die Satzung andere Blätter als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Anm. 1 Die Vorschrift entspricht § 18 AktG 37 und paßt den früheren Wortlaut in Satz I „Deutscher Reichsanzeiger" gemäß § 1 des Gesetzes vom 17. 5. 1950 (BGBl. 50 1,183) durch „Bundesanzeiger" der derzeitigen Rechtslage an. Die Bestimmung des § 25 sagt, wie schon ihre Vorgängerin in § 18 AktG 37, deutlich, daß sie eingreift, wenn Gesetz oder Satzung bestimmen, daß eine Bekanntmachung durch die „Gesellschaftsblätter" erfolgen soll. Handelt es sich um Bekanntmachungen, für die weder Gesetz noch Satzung

199

§25

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 2—6 Veröffentlichung durch die Gesellschaftsblätter vorschreiben, z. B. um Bekanntmachungen, zu denen sich die A G in Anleihebedingungen oder bei der Ausgabe von Genußscheinen verpflichtet hat, oder die ihr durch die Zulassungsstelle der Börse auferlegt sind, so ist § 25 nicht anwendbar; die Blätter können alsdann anders bestimmt werden. Der Anregung, den Begriff des Gesellschaftsblattes fallen zu lassen und statt dessen schlechthin die Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorzuschreiben, ist A k t G 65 nicht gefolgt. Entscheidend dafür war die Erwägung, den Gesellschaften freie Hand in der Art der Veröffentlichung zu lassen, insbesondere auch für kleinere und Familiengesellschaften die satzungsmäßige Zulassung des eingeschriebenen Briefes nicht einzuschränken. Anm. 2 Die Vorschrift besagt, daß eine Bekanntmachung, die nach Gesetz oder Satzung durch die Gesellschaftsblätter erfolgen soll, in jedem Fall durch den Bundesanzeiger zu veröffentlichen ist. Über den Rechtszustand in der Zeit zwischen dem Zusammenbruch und dem Gesetz vom 17. M a i 1950 vgl. Godin-Wilhelmi 2. A u f l . Anm. zu § 18. Etwas anderes kann die Satzung für die Fälle, in denen nach ihrem Inhalt oder nach dem Gesetz die Bekanntmachung durch die Gesellschaftsblätter erfolgen soll, nicht wirksam bestimmen. Eine abweichende Bestimmung wäre nichtig, könnte aber durch Satzungsänderung nach § 276 geheilt werden. O b die Satzung daneben noch andere Blätter a b Gesellschaftsblätter bezeichnen will, bleibt ihr überlassen. Nicht aber kann die Satzung die Bestimmung darüber wirksam den Gesellschaftsorganen — Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung — übertragen; auch das wäre nichtig. Die Nichtigkeit könnte ebenso geheilt werden. Als Gesellschaftsblatt kann auch ein fremdsprachiges Blatt bezeichnet werden ( K G SeuffA 56, 10), aber nur ein in Deutschland erscheinendes. Auch muß die Bekanntmachung darin, wie in allen Gesellschaftsblättern gleichlautend, in deutscher Sprache abgefaßt sein.

Anm. 3 Die Satzung kann auch bestimmen, daß die Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern oder auch nur im Bundesanzeiger genügen, daneben aber noch in anderen Blättern vorgenommen werden solle, deren Auswahl dem Vorstand überlassen bleiben kann. Solche anderen Blätter sind dann keine Gesellschaftsblätter, für die Gültigkeit der Bekanntmachung sind sie bedeutungslos. So kann die Bekanntmachung auch in ausländischen Zeitungen und in fremder Sprache veröffentlicht werden.

Anm. 4 Soweit gesetzlich keine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern vorgeschrieben ist, die Satzung also freie Hand hat, ob sie überhaupt öffentliche Blätter dafür bestimmen will, kann sie auch ein Blatt bestimmen, ohne es als „Gesellschaftsblatt" zu bezeichnen, und kann dann auch anordnen, daß die Veröffentlichung im Bundesanzeiger unterbleiben soll (so z. B. bei der Zahlungsaufforderung nach § 63; Schlegelberger-Quassowski § 16 Anm. 25). Bezeichnet sie aber ein Blatt als Gesellschaftsblatt, so ist damit die Bekanntmachung im Bundesanzeiger untrennbar verbunden (Anm. 2).

Anm. 5 Geht eins der Gesellschaftsblätter ein, so genügt die Bekanntmachung in den anderen, bleibt nur der Bundesanzeiger noch übrig, in diesem ( K G J 4, 44).

Anm. 6 Wo in Satzungen, namentlich in solchen von älteren Gesellschaften, Bekanntmachung durch „öffentliche Blätter" oder durch „Tageszeitungen" vorgeschrieben ist, wird der Ausdruck regelmäßig als gleichbedeutend mit dem Ausdruck „Gesellschaftsblätter" anzusehen sein (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6, Baumbach-Hueck Rn. 2), Klarstellung durch Änderung der Satzung wird sich jedoch empfehlen.

200

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 36

§ 26

Anm. 1

Sondervorteile. Gründungsaufwand

(1) Jeder einem einzelnen Aktionär eingeräumte besondere Vorteil muß in der Satzung unter Bezeichnung des Berechtigten festgesetzt werden. (2) Der Gesamtaufwand, der zu Lasten der Gesellschaft an Aktionäre oder an andere Personen als Entschädigung oder als Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung gewährt wird, ist in der Satzung gesondert festzusetzen. (3) Ohne diese Festsetzung sind die Verträge und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden. (4) Die Festsetzungen können erst geändert werden, wenn die Gesellschaft fünf Jahre im Handelsregister eingetragen ist. (5) Die Satzungsbestimmungen über die Festsetzungen können durch Satzungsänderung erst beseitigt werden, wenn die Gesellschaft dreißigJahre im Handelsregister eingetragen ist und wenn die Rechtsverhältnisse, die den Festsetzungen zugrunde liegen, seit mindestens fünf Jahren abgewickelt sind. Ubersicht:

Einleitung I. Die Sondervorteile 1. Der Begriff der Sondervorteile 2. Die Abtretung der Sondervorteile 3. Der Inhalt der Sondervorteile 4. Die Festsetzung der Sondervorteile

Anm.

Anm.

I, 2

3. Die Festsetzung des Gründungsaufwands 12—14 III. Die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Abs. 1 und des Abs. 2 15 IV. Die nachträgliche Festsetzung von Sondervorteilen und des Gründungsaufwands 1. Vor der Eintragung der AG 16 2. Nach der Eintragung der AG 17—18 V. Die Änderung der festgesetzten Sondervorteile und des festgesetzten Gründungsaufwands (Abs. 4 und 5) 19—20

3 4 5 6

II. Der Gründungsaufwand 1. Der Begriff des Gründungsaufwands . 7—9 2. Der Inhalt des Gründungsaufwands 10, 11

Anm. 1 Die §§ 26 und 27 sind aus der Zerlegung der Vorschriften in § 186 HGB durch §§ 19,20 AktG 37 entstanden. § 26 betrifft Sondervorteile für einzelne Aktionäre und den Gründungsaufwand, § 27 Sacheinlagen und Sachübernahmen. Die Hauptschwierigkeiten waren in der früheren Praxis mit Sacheinlagen und Sachübernahmen verbunden. Das AktG 37 hatte mehrere Zweifelsfragen beseitigt. Es hatte aber daran festgehalten, daß die in den §§ 19, 20, jetzt § 26, 27 genannten Besonderheiten, welche die Gefahr unsolider Gründungen in sich bergen, zwar nicht verboten sind, jedoch offengelegt werden müssen, damit von Anfang an die Verwendung des Vermögens der A G für alle Beteiligten erkennbar ist und zum Gegenstand bewußter Entschließung gemacht werden kann. An dieser Regelung hat AktG 65 festgehalten und nur unwesentliche Änderungen gebracht. § 26 Abs. 1—3, die dem bisherigen § 19 entsprechen, bringen nur einige sprachliche Verbesserungen, stellen insbesondere in Abs. 1 nunmehr auch bereits im Wortlaut klar, daß diese Bestimmung auch auf den nur einem Aktionär eingeräumten Vorteil anwendbar ist. § 26 bezieht in Abs. 4 und 5 die Regelungen ein, die in § 145 Abs. 3 AktG 37 und in § 12 der 3. D V O z. AktG 37 vom 31.12.1938 (RGBl. 38, I, 1839) enthalten waren. Die Einbeziehung ist wegen des engen Zusammenhangs mit § 26

201

§26 Anm. 2, 3

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Abs. i—3 erfolgt und ändert zwar die sprachliche Fassung, nicht aber den Inhalt der früheren Bestimmungen. Die Vorschrift des § 26 ebenso wie die des § 27 dienen ausschließlich dem Interesse der Öffentlichkeit, sie sind Rechtspolizeivorschriften (Teichmann-Koehler, § 19 Anm. 1) und bilden in erster Linie eine Schutzmaßnahme gegen solche Gründungen, die die Gesellschaft und die Allgemeinheit benachteiligen können ( R G 1 1 4 , 81). Dieser Zweck muß auch für die Auslegung dieser Vorschriften entscheidend sein.

Anm. 2 Abs. 1 befaßt sich mit den besonderen Vorteilen, die aus Anlaß der Gründung zugunsten eines einzelnen Aktionärs bedungen werden, während Abs. s Vorschriften über den Gründungsaufwand, über die Gründungskosten und die Entlohnung für die Tätigkeit bei Gründung der Gesellschaft enthält. Diese Bestimmungen ermöglichen es erst, daß die Gesellschaft mit den Kosten ihrer Entstehung belastet werden kann, da sich hierfür im Gegensatz zu den Verpflichtungsgeschäften, die auf den Betrieb des künftigen Unternehmens gerichtet sind, in allgemeinen Vorschriften keine ausreichende Rechtsgrundlage findet (vgl. § 23 Anm. 28; Ritter Anm. 2). Im übrigen unterscheiden sich diese Bestimmungen. Sondervorteile können nur zugunsten von Aktionären bedungen werden, während der Gründungsaufwand sowohl Aktionären wie auch Dritten gewährt werden kann. Erstattung von Gründungsaufwand ist Gegenleistung für Aufwendungen der Gründer oder Dritter oder Gegenleistung für die Gründungstätigkeit. Besondere Vorteile werden dagegen nur aus Anlaß der Gründung für die Beteiligung der Gründer an der Gesellschaft festgesetzt, sie bilden insoweit keine echte Gegenleistung. Dieser Unterschied ist wichtig für die Abgrenzung der Sondervorteile von der Entlohnung fiir die Gründungstätigkeit (vgl. Anm. 7, 10); auch rechtfertigt es dieser Unterschied allein, daß Sondervorteile nur an Aktionäre gewährt werden können und die Erstattung des Gründungsaufwands auch Dritten zugesagt werden kann. Dagegen ist es unzutreffend, wenn ein weiterer Unterschied zwischen beiden Bestimmungen darin erblickt wird, daß die' Sondervorteile nicht zu Lasten der Gesellschaft, sondern nur der übrigen Gesellschafter, der Gründungsaufwand jedoch zu Lasten der Gesellschaft gehe; denn auch die Sondervorteile sind von der Gesellschaft nach ihrer Entstehung zu gewähren (Anm. 5).

Anm. 3 I. Die Sondervorteile 1. Der Begriff der Sondervorteile Die Sondervorteile werden einzelnen Aktionären persönlich zugesagt, sie werden nicht zugunsten der Aktie, sondern zugunsten der einzelnen Aktionäre festgesetzt. Sie sind nur in ihrer Entstehung, nicht in ihrem Fortbestand davon abhängig, daß der Berechtigte Mitglied der Gesellschaft ist. Sie unterscheiden sich dadurch von Vorteilen, die wie bei den Vorzugsaktien unauflöslich mit der Mitgliedschaft verknüpft sind. Solche Aktien sind Aktien besonderer Gattung, für die die Vorschriften der §§ 1 1 , 23 Abs. 3 Nr. 4 gelten. Die Sondervorteile dagegen sind auf das Mitgliedschaftsrecht des Berechtigten, auf seine Aktie ohne Einfluß. Die Rechtsnatur der Sondervorteile ist umstritten. Die Frage rührt an das umstrittene Problem der Sonderrechte (§ 35 BGB; vgl. dazu § 1 Anm. 35fr). Die herrschende Lehre in dem Schrifttum erblickt in dem Sondervorteil ein reines Gläubigerrecht (Schlegelberger-Quassowski § 19 Anm. 3 ; Teichmann-Koehler § 19 Anm. 2; Baumbach-Hueck Rn. 4; Godin-Wilhelmi Anm. 2; ebenso K G J W 1938, 2754). Dagegen sahGadow in der 1. Aufl. (Anm. 2) in dem Sondervorteil ein Sonderrecht, weil es zu seiner Entstehung die Mitgliedschaft in der Gesellschaft voraussetzt. Aber dieser formale Anknüpfungspunkt an den Entstehungstatbestand rechtfertigt eine solche Annahme nicht. Ein Sonderrecht im Sinn des § 35 BGB ist stets mit der Mitgliedschaft unauflöslich verbunden, es ist Ausfluß der Mitgliedschaft und setzt diese notwendigerweise für seinen weiteren Bestand voraus. Diese Eigenschaft kommt aber dem Sondervorteil gerade nicht zu; er beruht gerade

202

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 26

Anm. 4, 5

nicht auf der Mitgliedschaft, sondern auf einem anderen Rechtsverhältnis. Der Sondervorteil kann nicht, wie Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. I I I i S. iao meint, mitgliedschaftlicher Natur sein. Die Aufnahme in der Satzung muß nur kraft besonderer Vorschrift zum Schutz der Öffentlichkeit erfolgen, seine Festsetzung ist gleichwohl nicht Bestandteil der körperschaftlichen Verfassung der A G . Mit dem Wesen und A u f b a u der A G hat eine solche Festsetzung nichts zu tun (Teichmann-Koehler § 19 Anm. 1). Dem entspricht es, daß der Berechtigte nach allgemeiner Auffassung sein Recht auf den Sondervorteil durch Erlaßvertrag mit der A G zum Erlöschen bringt, ohne daß es dazu einer Satzungsänderung bedarf ( R G J W 1917, 468). Mit dem Wesen des Sondervorteils ist es auch vereinbar, daß dieser in gleicher Weise allen Gründern zugesagt wird (so allgemeine Ansicht), eine Auffassung, die mit der Annahme eines Sonderrechts im Sinn des § 35 BGB wohl kaum in Einklang zu bringen wäre. Dagegen steht diese Annahme mit der Auffassung eines besonderen Vorteils durchaus in Ubereinstimmung, weil solche Ansprüche von den Ansprüchen aus der Aktie abgesondert werden können und insoweit eben besondere Vorteile sind.

Anm. 4 2. Die Abtretung der Sondervorteile Sondervorteile gehen mit der Übertragung der Aktie nicht ohne weiteres auf den Erwerber über, hierzu bedarf es vielmehr einer besonderen Abtretung; anderenfalls verbleiben sie grundsätzlich dem Berechtigten. Sie können grundsätzlich auch ohne Übertragung der Aktie an einen Dritten abgetreten werden. Aus dem Inhalt der Sondervorteile kann sich jedoch für die Abtretbarkeit der Sondervorteile etwas anderes ergeben. Der Sondervorteil kann seinem Inhalt nach dergestalt sein, daß er dem Berechtigten höchstpersönlich zustehen soll, also einer Abtretung überhaupt nicht zugänglich ist, wobei die beiden Gestaltungen denkbar sind, daß sie nämlich dem Berechtigten entweder nur für die Zeit seiner Mitgliedschaft zur A G oder auch unabhängig von seiner Mitgliedschaft zustehen sollen. Andererseits ist es denkbar, daß die Sondervorteile nicht höchstpersönlicher Art sind, daß sie aber mit der Übertragung erlöschen sollen, wenn sie nicht auf den Erwerber der Aktie übertragen werden. Schließlich kommt eine Gestaltung in Betracht, wonach die Sondervorteile ihrem Inhalt nach weder an die Person des Berechtigten noch in ihrem Bestand an die Mitgliedschaft in der Gesellschaft gebunden sind. In diesem Fall bestehen gegen ihre unbeschränkte Abtretbarkeit mit oder ohne Ubertragung der Aktie keine Bedenken. Welche dieser Gestaltungen im Einzelfall vorliegt, ist Frage der Auslegung (Baumbach-Hueck Rn. 5). Sind die Sondervorteile ihrem Inhalt nach solche rein vermögensrechtlicher Art, so werden sie im allgemeinen nicht höchstpersönlicher Art sein; etwas anderes könnte freilich in Betracht kommen, wenn es sich dabei um Rechte auf Lieferung und Abnahme von Waren handelt da diese zumindest an den Geschäftsbetreib des Berechtigten gebunden sein können. Sondervorteile, die ihrem Inhalt nach eine besondere Einflußmöglichkeit auf den Betrieb des Gesellschaftsunternehmens gewähren (sog. Herrschaftsrechte, vgl. Anm. 5) werden dagegen häufig höchstpersönlicher Art oder solcher Art sein, daß sie entweder mit der Übertragung der Aktie an einen Dritten erlöschen sollen oder zu ihrem Fortbestand der besonderen Übertragung auf den Erwerber der Aktie bedürfen. Wie die Gestaltung der Sondervorteile auch immer im einzelnen sein mag, stets ist an dem Grundsatz festzuhalten, d a ß sie — anders wie bei der Vorzugsaktie -— niemals mit der Übertragung der Aktie ohne weiteres auf den Erwerber übergehen.

Anm. 5 3. Der Inhalt der Sondervorteile Als Sondervorteile kommen sowohl solche rein vermögensrechtlicher Art wie auch solche einer bestimmten Mitwirkung und Mitbestimmung im Rahmen der A G in Betracht. Z u den Sondervorteilen rein vermögensrechtlicher Art gehören Gewinnanteile ( R G J W 1917, 468), feste Zahlungen, Umsatzprovision ( K G J W 1938, 2754), Ansprüche bei der Abwicklung, freier Eintritt in Anlagen der A G , freie Naturalleistungen usw. Nicht selten werden über derartige Rechte, soweit sie übertragbar sind, Genußscheine ausgestellt; diese

203

§26

Anm. 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

können unter den Voraussetzungen des § 363 H G B als kaufmännische Verpflichtungsscheine an Order lauten. Auch die Verpflichtung der A G , Waren von einem Aktionär zu beziehen oder einem Aktionär die Erzeugung der A G zu verkaufen, die Einräumung eines Wiederkaufsrechts an einer eingebrachten Sache ( R G 81, 409), also Verpflichtungen zum Abschluß gegenseitiger Verträge, können Sondervorteile sein, selbst wenn die Abrede zugleich für die A G vorteilhaft ist ( R G L Z 1908, 297). Das wird allerdings im Schrifttum z. T . mit der Begründung bestritten, daß Sondervorteile im Unterschied zu dem Gründungsaufwand nicht zu Lasten der Gesellschaft, sondern nur zu Lasten der übrigen Gesellschafter gehen dürfen. Dabei wird diese Annahme aus Abs. 2 entnommen, der im Unterschied zu Abs. 1 ausdrücklich betont, daß der Gründungsaufwand zu Lasten der Gesellschaft zu leisten ist. Allein, diese Unterscheidung ist nicht gerechtfertigt. Auch die Festsetzung besonderer Vorteile begründet eine Verpflichtung der Gesellschaft, diese ist allein zur Erfüllung der Ansprüche auf die eingeräumten Sondervorteile verpflichtet. D a ß eine solche Erfüllung bei der Verteilung des Reingewinns oder bei der Ausschüttung des Abwicklungserlöses letzten Endes die nicht bevorzugten Aktionäre wirtschaftlich belastet, ändert nichts daran, daß die Erfüllung dieser Ansprüche zu Lasten der Gesellschaft und auf Kosten des Gesellschaftsvermögens geht. Aus der unterschiedlichen Formulierung in Abs. 1 und 2 wird man lediglich soviel entnehmen können, daß die Sondervorteile (z. B. der Gewinnvorzug) auch zu Lasten der übrigen Aktionäre gehen kann. Eine notwendige Einschränkung erfahren die Sondervorteile nur dort, wo sie mit zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften in Widerspruch stehen würden (etwa mit § 57; vgl. dazu unten). Hingegen gehören zu den Sondervorteilen nicht Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen; der Sondervorteil kann nur in einer einseitigen Zusage zu Lasten der Gesellschaft bestehen, die aus Anlaß der Gründung der A G gemacht wird und die ihre Rechtfertigung nicht in einer anderen Gegenleistung des Aktionärs findet. Ist die Leistung jedoch als Entgelt für eine verlangte Arbeit zugesagt und nicht als Vorteil für die Teilnahme an der Gründung, ist sie auch nicht mit Rücksicht auf die Gründerstellung übermäßig hoch bemessen, so liegt ein Sondervorteil nicht vor (BGH in L M , A k t G 34 Nr. 2). Durch die Einseitigkeit der Zusage unterscheidet sich der Sondervorteil auch von der Gründungsentschädigung oder der Gründungsbelohnung, die für eine Gegenleistung des Gründers oder eines Dritten gewährt wird. Daher handelt es sich nicht um einen Sondervorteil, wenn ein Aktionär der A G Darlehn gewährt, deren Rückzahlung aus künftigen Gewinnen versprochen wird ( R G 81, 20; J W 1915, 1430). Anders ist es dagegen bei den erwähnten Bezugs- oder Lieferungsrechten, die einem Aktionär als Sondervorteil eingeräumt werden. Diese beruhen nicht auf einem gegenseitigen Vertrag, sondern auf der einseitigen Zusage zu Lasten der Gesellschaft und begründen erst ihrerseits einen Anspruch auf Abschluß entsprechender Verträge. Die Sondervorteile können auch darin bestehen, daß dem Berechtigten ein Recht auf Auskunft oder auf Einsicht in die Bücher der Gesellschaft gewährt wird (Würdinger S. 29; a. M . Godin-Wilhelmi Anm. 2) oder daß ihm das Recht eingeräumt wird, in den Grenzen des § 101 Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden (Schlegelberger-Quassowski § 19 Anm. 5; Baumbach-Hueck Rn. 3). Wenn sich Godin-Wilhelmi Anm. 2 dagegen mit der Erwägung wenden, daß Herrschaftsrechte notwendig mit der Mitgliedschaft zusammenhängen, Sondervorteile aber nur in ihrer Entstehung, nicht auch in ihrem Fortbestand von der Mitgliedschaft abhängig sind, so kann dem nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß Abs. 1 eine Beschränkung auf vermögensrechtliche Sondervorteile nicht erkennen läßt, sind Herrschaftsrechte auch ohne Aktionärsstellung denkbar und sinnvoll; es sei z. B. an das Recht bestimmter Familienmitglieder auf Bestellung des Komplementärs einer K G a A gedacht, das durchaus nicht vom Besitz von Aktien abhängig zu sein braucht. Auch Informationsrechte können berechtigte Bedürfnisse erfüllen, die nicht vom Fortbestand des Aktienbesitzes aus der Gründung abzuhängen brauchen, z. B. das Bucheinsichtsrecht eines Fachverbandes, der Gründer war, später aber seinen Aktienbesitz weitergegeben hat. Auch das Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat kann seine Grundlage durchaus in § 26 Abs. 1 haben, wenn für seine Ausgestaltung §101 Abs. 2 auch zwingende Grenzen zieht; denn auch diese Grenzen geben noch die Möglichkeit ergänzender Ausgestaltung (§ 23 Abs. 5) z. B. dahin, daß das Ent-

204

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 26 Anm. 6, 7

sendungsrecht als Sondervorteil verzichtbar ist, auf den Nachfolger in die Aktionärsstellung nicht automatisch, sondern nur auf Grund besonderer Abtretung übergeht und dgl. mehr. Soweit bei Sondervorteilen die Mitgliedschaft in der AG notwendig ist, kann das lediglich den Schluß rechtfertigen, daß sie in der Person des Berechtigten bei Übertragung erlöschen, es sei denn, daß sie durch eine besondere Abtretung auf den Erwerber der Aktie übertragen wurden (vgl. Anm. 4). Wie hervorgehoben, findet die Zulässigkeit von Sondervorteilen ihre Grenze in zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften (allg. Ansicht). So dürfen Sondervorteile ihrem Inhalt nach nicht eine — wenn auch nur verschleierte — Zusage auf Rückzahlung der Einlage enthalten (§ 57 Abs. 1). Unzulässig ist auch die Zusage fester Zinsen (§ 57 Abs. 2), ausgenommen Bauzinsen (§ 57 Abs. 3) und Zinsen aus der Liquidationsmasse nach dem Beginn der Abwicklung (s. hierüber § 57 Anm. 3). Unzulässig sind ferner die Gewährung von Freiaktien (vgl. §212) und Bezugsrechten der Gründer auf Aktien späterer Ausgabe (§ 187 Abs. 2; für ältere Bezugsrechte dieser Art vgl. § 12 EinfG 37, aber auch R G H R R 1936 Nr. 748). Aus dem gleichen Grunde kommt heute die Zusicherung von Vorstandsposten oder das Recht auf Vorstandsernennung als Sondervorteil nicht mehr in Betracht, weil das einen unzulässigen Eingriff in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats darstellen würde (§§ 30 Abs. 4, 84 Abs. 1). Auch das Recht auf Bestellung anderer leitender Angestellter (z. B. Filialleiter) ist als Inhalt eines Sondervorteils unzulässig, weil darin ein gesetzlich nicht vorgesehener Eingriff in die Geschäftsiuhrungsaufgabe des Vorstandes zu erblicken wäre. Der Spielraum für Herrschaftsrechte als Sondervorteil ist also sehr eng. Auch bei vermögensrechtlichen Sondervorteilen zieht § 57 enge Grenzen. Es geht aber zu weit, wenn Würdinger, S. 39, meint, Sondervorteile dürften nur Leistungen sein, die zu Lasten des Gewinns oder Liquidationserlöses gehen, wenn das dahin zu verstehen sein sollte, daß sie nur aus einem Gewinn oder nur aus einem Liquidationserlös zu zahlen sind. Die einem Gründer als Vorteil zugesagte Umsatzprovision (vgl. K G in J W 38, 2754) ist auch dann zu zahlen, wenn die AG in einem Jahr keinen Gewinn erzielt hat. Eine derartige Regelung ist weder durch Abs. I noch durch sonstige gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere nicht durch § 57 verboten. Anm. 6 4. Die Festsetzung von Sondervorteilen Jeder besondere Vorteil muß in der Satzung unter Bezeichnung des Berechtigten festgesetzt werden. Die Verträge über Gewährung von Sonder vorteilen sind nach § 37 Abs. 2 Nr. 2 der Anmeldung beizufügen, aber nur, wenn solche außerhalb der Festsetzung noch urkundlich niedergelegt sind (§37 Anm. 5). Das Gesetz verbietet Sondervorteile also nicht, sondern erfordert nur, daß sie in der Satzung festgesetzt werden, womit ihre Offenlegung gewährleistet ist; denn die Satzung kann jederzeit beim Registergericht eingesehen werden. Die Regelung des Abs. 5 gewährleistet auch, daß die satzungsmäßige Festsetzung frühestens fünf Jahre nach Abwicklung des Sondervorteilsverhältnisses beseitigt wird. Auch die Auslegung der den Sondervorteil betreffenden Satzungsbestimmungen unterliegt den allgemeinen Auslegungsregeln für die Satzung (§23 Anm. 19). Es kommt also auch hier nicht auf die Vorstellung der Gründer an; als Auslegungsmaterial darf nur hinzugezogen werden, was aus der Satzung selbst an Gedanken und Absichten der Gründer erkennbar ist. In der Praxis werden Sondervorteile immer seltener, was wohl auch der Grund dafür ist, daß sie heute kaum mehr in der Rechtsprechung abgehandelt werden. Die Gewährung eines Sondervorteils macht eine Gründungsprüfung erforderlich, wenn der bevorteilte Gründer Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats ist (§33 Abs. 2 Ziff. 3). Anm. 7 II. Der Gründungsaufwand 1. Der Begriff des Gründungsaufwands Der Gründungsaufwand umfaßt die Gründungskosten und den Gründungslohn. Er stellt eine echte Gegenleistung für eine vorausgegangene Tätigkeit des Berechtigten dar, 205

§26

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 8—11 entweder eine Entschädigung für Auslagen oder eine Vergütung für die Gründung oder deren Vorbereitung. Hierin besteht der innere Grund, weshalb im Unterschied zu den Sondervorteilen der Gründungsaufwand nicht nur Aktionären, sondern auch Dritten gewährt werden kann. Denn für die Zahlung einer Entschädigung oder einer Vergütung für eine Gegenleistung ist es gleich, von wem diese erbracht worden war. Die Höhe der Entlohnung muß in einem angemessenen Verhältnis zur Tätigkeit des Gründers stehen (vgl. Anm. 5), sonst wäre sie insoweit keine Gegenleistung mehr und müßte als Sondervorteil im Sinn des Abs. 1 angesehen werden. Die Abgrenzung kann im einzelnen schwierig sein, sie ist Aufgabe der Gründungsprüfung. Ihre praktische Bedeutung liegt darin, daß Sondervorteile nicht für Dritte festgesetzt werden können und Sondervorteile einer Festsetzung unter Bezeichnung des Berechtigten bedürfen; auch findet die Gewährung von Sondervorteilen ihre Schranke an der Vorschrift des § 57 (Anm. 5).

Anm. 8 Der Gründungsaufwand stellt im Rechnungswesen eine Aufwendung dar, er ist nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in Deutschland keiner Aktivierung fähig. Er kann daher nicht in der Jahresbilanz als Aktivposten eingesetzt werden (§ 153 Abs. 4 S. 1; vgl. § 153 Anm. 83).

Anm. 9 Seiner Rechtsnatur nach ist auch dieser Anspruch ein reines Gläubigerrecht. Das ist für den Fall, daß ein Dritter berechtigt ist, unzweifelhaft, gilt aber in gleicher Weise auch für den Fall, daß ein Aktionär berechtigt ist (vgl. auch A n m . 3).

Anm. 10 2. Der Inhalt des Gründungsaufwands Als Gründungsaufwand kommen zunächst die Gründungskosten in Betracht. Dahin gehören die Kosten für Anwalt, Notar, Gericht, Gründungsprüfung, Bekanntmachungen, Aktiendruck, Steuern usw. Der Auffassung von Godin-Wilhelmi Anm. 5 und Ritter § 28 Anm. 5d (anders freilich § 19 Anm. 4 b), daß hierher nicht die gerichtlichen Kosten für die Eintragung und die Steuern gehörten, kann nicht gefolgt werden. § 26 Abs. 2 regelt abschließend, daß die Gründer im Innenverhältnis zur Tragung dieser Kosten verpflichtet sind, wenn nicht eine besondere Festsetzung nach Maßgabe dieser Bestimmung erfolgt (im Ergebnis ebenso Schlegelberger-Quassowski § 19 Anm. 7; BaumbachHueck Rn. 6; Ruth Anm. J W 1934, 994; Heim Z H R 108, 207; Dienst, Aktienrechtliche externe Gründungsprüfung, Diss. S. 130/31). Ferner gehört zum Gründungsaufwand der Gründungslohn. Derartige Belohnungen können in Geld oder in geldwerten Leistungen (auch fortlaufenden Bezügen) bestehen, sie werden als Entgelt für den wirtschaftlichen Gedanken, für Werbung und Vorarbeiten gewährt. Sie sind nicht zu beanstanden, sie müssen nur verlautbart werden; das verlangt das Gesetz im Interesse der Solidität des Unternehmens. Werden diese Belohnungen aber übermäßig hoch festgesetzt, so daß sie bei wirtschaftlich verständiger Beurteilung nicht mehr als Entgelt für die Gründertätigkeit angesehen werden können, dann verlieren sie insoweit den Charakter als Gründerlohn und stellen sich rechtlich als ein Sondervorteil (Abs. 1) dar (vgl. Anm. 7; über verschleierten Gründungsaufwand s. Anm. 14). Als Gründungslohn kommt nicht die Gewährung von Freiaktien in Betracht, weil eine solche Zusage gesetzlich unzulässig ist (Schlegelberger-Quassowski § 19 Anm. 7; Godin-Wilhelmi Anm. 3).

Anm. 11 Nicht zu dem Gründungsaufwand gehören die Ausgaben, die bereits vor der Entstehung der A G für den künftigen Betrieb gemacht werden (Godin-Wilhelmi A n m . 5, Dienst a. a. O. N. 1). Diese Ausgaben können daher auch nicht durch Festsetzung in der Satzung der A G aufgebürdet werden; für sie gibt vielmehr die Vorschrift des § 41 die abschließende Regelung. Das gilt nicht nur für Kauf-, Miet- und Pachtverträge, die im

206

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 26 Anm. 12—15

Hinblick auf den künftigen Betrieb der A G abgeschlossen werden, sondern auch für Anstellungsverträge.

Anm. 12 3. Die Festsetzung des Gründungsaufwands Der gesamte Gründungsaufwand, der zu Lasten der A G geht, ist in der Satzung festzusetzen, und zwar gesondert von den besonderen Gründervorteilen des Abs. i. Soweit er sich noch nicht feststellen läßt, ist er zu schätzen. Eine Einzelberechnung ist in der Satzung nicht erforderlich, wohl aber in der Beilage zur Anmeldung (§ 37 Abs. 2 Nr. a); dort ist auch der Gründerlohn nach Art, Höhe und Empfanger ebenso wie andere Vergütungen einzeln aufzuführen, die Verträge sind beizufügen (Anm. 6).

Anm. 13 Die Verpflichtung der Gesellschaft zur Erstattung des Gründungsaufwands entsteht nur insoweit, als eine Bezifferung des Aufwands im Gesellschaftsvertrag erfolgt ist. Schwierigkeiten können sich aus dieser Rechtslage ergeben, wenn der Betrag unrichtig berechnet und der Aufwand tatsächlich höher gewesen ist. In diesem Fall kann eine Haftung der Gesellschaft für den Fehlbetrag nicht angenommen werden; das würde dem Grundgedanken des § 26 widersprechen. Hier verbleibt es sodann allein bei der Haftung der Gründer, die somit alles Interesse an einer zahlenmäßig genauen A n gabe haben. O b man mit Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 61 davon ausgehen muß, daß die Gesellschaft nicht verpflichtet ist, den zu ihren Lasten gebliebenen Betrag unter alle Anspruchserhebenden verhältnismäßig zu verteilen, sondern daß sie diese befriedigen kann, wie sie sich melden, erscheint sehr zweifelhaft.

Anm. 14 Ein verschleierter, zu Lasten der A G gehender Gründungsaufwand kann bei der Uberbewertung einer Sacheinlage vorliegen. Wenn z. B. ein Aktionär ein Grundstück, das 150000 D M wert ist, gegen 200000 D M Aktien einbringt und 50000 D M Aktien davon als Provision an den Vermittler abgibt, so geht die Provision scheinbar zu Lasten des Aktionärs, in Wirklichkeit aber zu Lasten der A G , die das Grundstück zu teuer erwirbt. Wird dies nicht in der Satzung klargelegt, so ist gegen § 26 verstoßen ( R G L Z 1912, 393 1 ; 1916, 1475 18 ). Das gleiche gilt, wenn ein Gründungsaufwand in Gestalt eines erhöhten Entgelts für eine Sachübernahme gewährt wird, wobei von vornherein vorgesehen ist, daß der Empfänger einen Teil des Entgelts an die Gründer weiterleiten soll ( B G H Urt. v. 28. 5. 1956 — II Z R 251/55). Ubernehmen aber die Gründer den Gründungsaufwand aus eigenen Mitteln, so bedarf es keiner Verlautbarung des Aufwands in der Satzung. Zur Vermeidung von Rückfragen empfiehlt es sich jedoch, in der Satzung klarzustellen, daß oder inwieweit die Gründer den Gründungsaufwand übernehmen. Z u dem von den Gründern übernommenen Aufwand gehört dann auch die Kapitalverkehrssteuer, die bei späterer Einzahlung auf das Grundkapital entsteht (§ 2 Ziff. 2 K V S t G 59). Soll die Aktiengesellschaft diese Steuer im Innenverhältnis tragen, so gehört dieser Betrag zu dem in der Satzung festzusetzenden Gründungsaufwand. D a ß diese Gesellschaftssteuer erst nach der Gründung auf Grund der zur Resteinzahlung aufgerufenen Beträge entsteht, ändert nichts daran, daß es sich um einen Aufwand für die Gründung handelt, der den gesamten Steueraufwand für das Grundkapital ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt seiner Einzahlung umfaßt.

Anm. 15 III. Die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Abs. 1 und Abs. 2 Ist ein zugunsten eines Aktionärs bedungener Sondervorteil (Abs. 1) oder ein auf Abkommen beruhender Posten des Gründungsaufwands (Abs. 2) nicht in der Satzung

207

§ 26

Anm. 16, 17

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

festgesetzt, so sind solche Abkommen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Die Unwirksamkeit besteht nur im Verhältnis zwischen der A G und dem Parther und kann von beiden Teilen geltend gemacht werden, ist auch von Amts wegen zu beachten ( § 2 7 Anm. 26). Dagegen ergreift die Unwirksamkeit nicht das Verhältnis zwischen den Gründern. Insoweit kann der Berechtigte einen Schadensersatzanspruch gegen die anderen Gründer haben, wenn nämlich die Festsetzung in der Satzung durch ihr Verschulden unterblieben ist. Außerdem bleibt die etwaige Haftung der Gründer, die vor der Entstehung der A G gehandelt haben, unberührt. Die Unwirksamkeit erstreckt sich auch nur auf den nicht in der Satzung festgestellten Teil der Abkommen, das in der Satzung Festgestellte ist gültig. Auch wird, wenn die Feststellung des ganzen Abkommens unterblieben ist, die Wirksamkeit des übrigen Satzungsinhalts dadurch nicht berührt; § 139 BGB findet insoweit keine Anwendung ( R G 114, 81). Die Unwirksamkeit ergreift aber im Verhältnis zur A G nicht nür das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, sondern auch das dingliche Erfüllungsgeschäft. Das war schon nach § 186 H G B angenommen worden ( R G 130, 252) und ist seit AktG 37 im Gesetzeswortlaut („die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung") klargestellt. Hat also die A G einen in der Satzung nicht festgesetzten Gründerlohn ausbezahlt, so ist das nicht nur ohne Rechtsgrund geschehen, sondern die A G ist auch Eigentümerin des von ihr ausbezahlten Geldes geblieben, soweit sich nicht durch Vermischung ihr Eigentum in Miteigentum verwandelt hat (§ 948 BGB). In jedem Fall hat die A G Bereicherungsansprüche. Das Unterbleiben der in § 26 vorgeschriebenen Festsetzungen kann Anlaß zu einer Sonderprüfung des Gründungsvorgangs (§ 142) und zu Strafen (§ 399 Abs. 1 Ziff. 1) geben. Die Schadensersatzpflicht ist in § 46fr. geregelt; § 47 Ziff. 1 trifft den Empfanger einer vorschriftswidrig in den Gründungsaufwand nicht aufgenommenen Vergütung. Der Registerrichter hat nach § 38 die Eintragung abzulehnen, wenn er zu der Uberzeugung kommt, daß gegen § 26 verstoßen worden ist.

Anm. 16 IV. Die nachträgliche Festsetzung der Sondervorteile und des Gründungsaufwands 1. Vor der Eintragung der AG kann die unterbliebene Festsetzung der Sondervorteile und des Gründungsaufwands jederzeit mit Zustimmung aller Gründer nachgeholt werden. Es ist in diesem Fall aber die Vorschrift des § 23 über die Feststellung der Satzung einzuhalten (§ 23 Anm. 2).

Anm. 17 2. Nach der Eintragung der AG kann die unterbliebene Festsetzung der Sondervorteile und des Gründungsaufwands nicht mehr nachgeholt werden. Das war früher umstritten, ist aber durch Abs. 3 Satz 2 klargestellt worden. Wenn Ritter § 19 Anm. 3 c, 4 d , 6 diese Vorschrift nicht auf den Fall angewendet wissen will, daß zunächst überhaupt kein Abkommen über die Gewährung von Sondervorteilen oder die Erstattung eines Gründungsaufwands getroffen war, und glaubt, aus § 145 Abs. 3 AktG 37, jetzt § 26 Abs. 4 nicht nur die Möglichkeit einer Änderung (Verminderung oder Verbesserung), sondern auch die Möglichkeit einer Neufestsetzung entnehmen zu können, so verstößt das gegen den klaren Sinn des Abs. 3 Satz 2. Diese Bestimmung will zum Schutz der Allgemeinheit, die mit der A G in Rechtsbeziehungen tritt, eine völlige Klarstellung darüber, welche Belastungen der A G aus ihrer Entstehung aufgebürdet werden. Mit diesem Grundgedanken würde eine spätere Festsetzung in jedem Fall in Widerspruch stehen (im Ergebnis ebenso SchlegelbergerQuassowski § 19 Anm. 10, 12; Godin-Wilhelmi Anm. 7; Teichmann-Koehler § 19 Anm. 5; Barz Anm. D R 1941, 506; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 8 6 ; ebenso für die G m b H unter entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 3 Satz 2 Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 6 0 ; insoweit a. M . R G 165, 129; SeufEA. 97 Nr. 60).

208

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 26 A n m . 18, 19

A n m . 18 Eine völlig andere Frage ist es, ob die AG nach ihrer Eintragung durch ihren Vorstand einzelnen Aktionären Sondervorteile gewähren oder Gründungsaufwand erstatten kann. Das richtet sich, wie Brodmann § 186 Anm. 6 b mit Recht hervorhebt (einschränkend insoweit Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III. i S. 125; Wieland Handelsrecht II S. 69), nach den Grundsätzen über Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis des Vorstandes. In dieser Hinsicht werden gegen die Einräumung von Rechten auf Bezug der Produktion der A G zugunsten einzelner Aktionäre oder gegen die Begründung von Pflichten zur Abnahme von Waren einzelner Aktionäre durch die A G keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Andererseits hat der Vorstand nicht die Möglichkeit, einzelnen Aktionären ein Gewinnvorrecht oder ein Vorrecht auf den Abwicklungserlös einzuräumen, weil ein solches Abkommen von seiner Vertretungsmacht nicht mehr gedeckt wäre. Hinzuweisen ist jedoch darauf, daß die Einräumung von Vorteilen zugunsten einzelner Aktionäre, soweit sie von der Vertretungsmacht des Vorstandes gedeckt sind, eine Pflichtverletzung des Vorstandes gegenüber der Gesellschaft sein und entsprechende Schadensersatzansprüche auslösen kann (§84). — Gründungsaufwand wird der Vorstand der A G einzelnen Aktionären nachträglich niemals erstatten können. Nachdem die Festsetzung zur Erstattung von Gründungsaufwand in der Satzung unterblieben war, ist die AG ohne eine entsprechende Erstattungspflicht ins Leben getreten. Eine nunmehr erst durch den Vorstand vorgenommene Vergütung der Gründungskosten an die Gründer würde eine Verkürzung des eingebrachten Kapitals darstellen und zu einem Verstoß gegen § 57 führen. Daher kann durch den Vorstand die Rückerstattung eines nicht festgesetzten Gründungsaufwands an einzelne Aktionäre niemals erfolgen. A n m . 19 V. Die Änderung der festgesetzten Sondervorteile und des festgesetzten Gründungsaufwands (Abs. 4 und 5) Die Möglichkeit einer Änderung der festgesetzten Sondervorteile und des festgesetzten Gründungsaufwands sieht Abs. 4 ausdrücklich vor. Wie besonders in Anm. 17 dargelegt worden ist, bleibt für die Anwendung des Abs. 4 nur ein geringer Raum, zumal auch die Beseitigung von gegenstandslos gewordenen Satzungsbestimmungen über wirksam getroffene, aber inzwischen abgewickelte Festsetzungen nicht unter diese Bestimmung fällt, sondern unter Abs. 5 (Anm. 20). Da ein voller oder teilweiser Verzicht auf die Sondervorteile und die Rechte aus der Festsetzung des Gründungsaufwands keinerlei aktienrechtlichen Bedenken begegnet, mithin weder durch Abs. 3 Satz 2 noch durch Abs. 4 verboten sein kann, bleibt für die Anwendung des Abs. 4 das eigentliche Gebiet der reinen Änderung, die jedenfalls keine Vermehrung der Belastungen für die A G bedeutet. Sie wird auf die Dauer von 5 Jahren nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister untersagt. Darunter fällt z. B. die Abgeltung eines auf Naturalleistungen gehenden Sondervorteils durch entsprechende Geldzahlungen, die Genehmigung einer von der Satzung an sich nicht vorgesehenen Abtretung des Anspruchs auf einen Sondervorteil, die vergleichsweise Bereinigung eines ernsten Streits über die Rechte, die dem Gründer aus der Festsetzung zukommen. Die Pflichten der Aktiengesellschaft aus der Festsetzung der Sondervorteile und des Gründungsaufwands dürfen durch eine nachträgliche Änderung nicht erweitert werden (KG in JW 38, 2754; vgl. auch Anm. 17), und zwar auch nicht nach Ablauf von 5 Jahren. § 26 Abs. 1 bis 3 wollen nun einmal, daß die Gesamtbelastung der AG aus Sondervorteilen und Gründungsaufwand aus der Satzung hervorgeht und der Gründungsprüfung unterliegt (§ 34 Abs. 1 Satz 1); das würde umgangen, wenn die Festsetzungen nach Ablauf von 5 Jahren für die Gründer verbessert werden könnten (Godin-Wilhelmi Anm. 7; Baumbach-Hueck Rn. 9). Die Bestimmung des Abs. 4 bedeutet also lediglich eine Sperrvorschrift für eine die Gesellschaft nicht belastende Änderung der Festsetzungen gemäß Abs. 1 und 2, während eine Aufhebung oder Ermäßigung der Leistungen der Gesellschaft jederzeit zulässig ist. Eine nachträgliche Änderung der festgesetzten Sondervorteile oder des festgesetzten 14

Aktiengesetz I, 3. Aull.

209

§ 26 A n m . 20

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

§27 Gründungsaufwands zu Lasten des Berechtigten ist nur mit seiner Zustimmung möglich, weil eine solche Änderung zu einer Beeinträchtigung seines Gläubigerrechts fuhrt. In diesem Fall ist aber die Einhaltung der in Abs. 4 festgesetzten Frist nicht erforderlich, auch ist insoweit eine Satzungsänderung nicht notwendig. Vielmehr genügt hierzu ein (Teil-) Erlaßvertrag zwischen dem Berechtigten und der Gesellschaft, der ohne weiteres das Erlöschen oder die Herabsetzung herbeiführt (vgl. Anm. 3). A n m . 20 Die Satzungsfestsetzungen können durch Satzungsänderung erst beseitigt werden, wenn die ihnen zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse seit mindestens 5 Jahren abgewickelt sind und außerdem die Gesellschaft seit 30 Jahren im Handelsregister eingetragen ist. Von einer Abwicklung der Rechtsverhältnisse kann man erst dann sprechen, wenn keine Leistungen aus den Festsetzungen mehr erfolgen und auch nach Auffassung beider Partner nicht mehr zu erfolgen brauchen. Von diesem Zeitpunkt ab muß noch 5 Jahre zugewartet werden. Außerdem muß im Zeitpunkt der Beseitigung der Festsetzung die Aktiengesellschaft selbst 30 Jahre im Handelsregister eingetragen sein. Diese Frist wird auch dann gelten müssen, wenn die Aktiengesellschaft in die Rechtsform einer G m b H umgewandelt wird, so daß die Festsetzungen in das GmbH-Statut zu übernehmen sind. Im Falle einer Verschmelzung entfallt die Bestimmung allerdings für die eingeschmolzene A G . Als eine Beseitigung der Festsetzung durch die Satzung muß es auch angesehen werden, wenn eine Neufassung der Satzung lediglich die Bestimmung enthält, daß die alten Bestimmungen über Sondervorteile und Gründungsaufwand in Kraft geblieben seien (a. M . K G in Ring 2, 257). Der Vorschrift des § 26 ist nur genügt, wenn sich die Festsetzung in der Satzung — wenn auch in einer Anlage — befindet.

Sacheinlagen. Sachübernahmen (1) Sollen Aktionäre Einlagen machen, die nicht durch Einzahlung des Nennbetrags oder des höheren Ausgabebetrags der Aktien zu leisten sind (Sacheinlagen), oder soll die Gesellschaft vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände übernehmen (Sachübernahmen), so müssen in der Satzung festgesetzt werden der Gegenstand der Sacheinlage oder der Sachübernahme, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien oder die bei der Sachübernahme zu gewährende Vergütung. (2) Ohne diese Festsetzung sind Verträge über Sacheinlagen und Sachübernahmen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Ist die Gesellschaft eingetragen, so wird die Gültigkeit der Satzung durch diese Unwirksamkeit nicht berührt. Ist die Vereinbarung einer Sacheinlage unwirksam, so ist der Aktionär verpflichtet, den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktie einzuzahlen. (3) Nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden. (4) Für die Änderung rechtswirksam getroffener Festsetzungen gilt § 26 Abs. 4, für die Beseitigung der Satzungsbestimmungen § 26 Abs. 5.

210

§ 27

Zweiter T e i l : G r ü n d u n g der Gesellschaft (Barz)

Anm. 1 Ubersicht:

Einleitung I. Die Sacheinlage i . Die Rechtsnatur des Einbringungsvertrags a. Der Gegenstand der Sacheinlage a) Welche Vermögenswerte sind als Sacheinlage geeignet? b) Welche Vermögenswerte sind als Sacheinlage nicht geeignet? c) DasHandelsgeschäft alsSacheinlage d) Noch nicht entstandene Sachen und künftige Forderungen als Sacheinlage e) Gegenseitige Verträge als Sacheinlage f) Gebrauchsüberlassung als Sacheinlage g) Forderungen gegen die Gesellschaft als Sacheinlage 3. Mängel des Einbringungsvertrages a) Willensmängel und ihre Rechtsfolgen b) Formmängel und ihre Rechtsfolgen c) Die anfängliche Unmöglichkeit d) Die nachfolgende Unmöglichkeit e) Der Verzug des einlagepflichtigen Aktionärs f) Die Haftung für Rechtsmängel g) Die Haftung für Sachmängel 4. Die gemischte Sacheinlage II. Die Sachübernahme 1. Der Begriff der Sachübernahme 2. Der Gegenstand der Sachübernahme 3. Der Übernahmevertrag

Anm.

Aam.

i

III. Die Bewertung von Sacheinlagen und -übernahmen 1.Allgemeines 24 a 2. Unterste Grenze der Bewertung 24b u.c 3. Oberste Grenze derBewertung 24d 4. Folge einer Überbewertung 24 c

2 3,4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 ig 20 21

I V . Die Festsetzung der Sacheinlage und der Sachübernahme in der Satzung V . Die Unwirksamkeit der Vereinbarung bei fehlender oder bei mangelhafter Festsetzung 1 . D i e Unwirksamkeit gegenüber der Gesellschaft 2. Der Umfang der Unwirksamkeit 3. Keine Unwirksamkeit im Verhältnis zwischen den Gründern sowie zwischen diesen und Dritten 4. Keine Eintragung durch den Registerrichter 5. Sonstige Folgen fehlender oder mangelhafter Festsetzung V I . Gültigkeit der Satzung und Verpflichtung der Aktionäre zur Entrichtung der Bareinlage V I I . Heilung eines Verstoßes

25

26 27

28 29 30

31 32» 33

V I I I . Änderung der getroffenen Festsetzungen 1. Die Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage 34, 35 2. Die Umwandlung einer Bareinlage in eine Sacheinlage 36 3. Beseitigung der Festsetzungen aus der Satzung 37

22 23 24

Einleitung Anm. 1 U b e r die Entstehung der §§ 26 u n d 27 s. § 26 A n m . 1. A k t G 65 h a t die in der A k t i e n rechtsreform 37 erheblich veränderten Bestimmungen über Sacheinlagen u n d -übern a h m e n sachlich unverändert gelassen. Es hat in A b s . 2 Satz 1 nur den A u s d r u c k „ V e r e i n b a r u n g e n " durch „ V e r t r ä g e " ersetzt u n d in Satz 3 eine sprachlich bessere Formulierung gewählt. D e r neu zugesetzte A b s . 4, der a u f § 26 A b s . 4 und 5 verweist, bringt a u c h hier nichts Neues, sondern gliedert nur die Vorschriften des § 145 A b s . 3 A k t G 37 u n d des § 12 der 3. D V O z. A k t G 37 in den sachlichen Z u s a m m e n h a n g der satzungsm ä ß i g e n Festsetzung v o n Sacheinlagen u n d -übernahmen ein. § 27 betrifft die sog. 14»

211

§27

Anm. 2—4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

„qualifizierten Gründungen", bei denen am meisten Neigung zu Verschleierungen hervorgetreten ist. Es sind die Fälle der S a c h g r ü n d u n g , worunter zweierlei verstanden wird: Gründungen mit Sacheinlagen eines Aktionärs unter Gewährung von Aktien und Gründung mit Übernahme von Sachen ohne rechtlichen Zusammenhang mit Schaffung von Aktien. In beiden Fällen wird volle Offenheit verlangt.

I. Die Sacheinlage Anm. 2 Die Einlage des Aktionärs kann in barem Gelde, aber auch in anderen Gegenständen, in beweglichen Sachen anderer Art, in Grundstücken oder in Rechten, bestehen. Das bleibt der Abrede unter den Gründern überlassen. Besteht die Einlage in Höhe des Nennbetrags der zu übernehmenden Aktien und des etwa höheren Ausgabebetrags nicht ausschließlich in barem Gelde, so nennt das Gesetz den nicht in barem Gelde zu leistenden Teil nach dem üblichen Sprachgebrauch eine Sacheinlage. Vorschriften über die Offenlegung von Sacheinlagen kehren bei der Kapitalbeschaffung wieder, wo solche Einlagen ebenfalls vorkommen (§§ 183, 194, 205).

Anm. 3 I. Die Rechtsnatur des Einbringungsvertrages Die Abrede, in welcher Form die einzelnen Aktionäre ihre Einlage zu leisten haben, ob als Bar- oder Sacheinlage, ist ein Teil der Satzung. Denn diese Abrede regelt die Voraussetzungen für die Entstehung der Mitgliedschaft, sie ist ein Teil des Körperschaftsrechts. Aber auch der Inhalt des Sacheinlagevertrages selbst bildet einen Teil der Satzung; denn er muß nach seinem wesentlichen Inhalt in der Satzung festgesetzt werden, um wirksam zu sein (vgl. dazu im einzelnen Anm. 25). Das ist auch die herrschende Ansicht im Schrifttum (vgl. Schlegelberger-Quassowski §20 Anm. 8; Godm-Wilhelmi Anm. 2; Baumbach-Hueck Rn. 5); anders nur Ritter § 20 Anm. 2 a, der in dem Einbringungsvertrag zwar einen gesellschaftsrechtlichen Akt (körperschaftsrechtlichen Vertrag), aber keinen Teil der Satzung erblickt; was dieser Unterschied bedeuten soll, wird allerdings bei den Ausführungen von Ritter nicht ganz deutlich). Seinem rechtlichen Gehalt nach ist der Einbringungsvertrag kein Kauf ( R G 2, 303; 45, 101; J W 1929, 3006; R F H 2, 161; II, 256; B a y O b L G 22 A 247; K G J W 1928, 1822 BGBl. 45, 345; Schnorr v. Carrolsfeld D N o t Z 63, 418; vgl. Sengelmann, Die Sachübernahme im Aktienrecht, Diss. S. 16), sondern ein Verpflichtungsvertrag eigener Art. Er begründet für die betreffenden Gründer die Einbringungsverpflichtung, enthält aber noch nicht den Vollzug der Einbringung. Hierzu bedarf es vielmehr noch besonderer Vollzugshandlungen, für die die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Vorschriften maßgeblich sind, also bei beweglichen Sachen Einigung und Ubergabe, bei Grundstücken Auflassung und Eintragung ( K G J 11, 134), bei Rechten Übertragung, und zwar, wo sie einer Form bedarf, formgerechte Übertragung. Bei Orderpapieren kann Indossierung verlangt werden, damit der Schuldner in seinen Einwendungen beschränkt ist (§ 364 HGB, Art. 17 W G ) . Bei einem Wechsel oder Scheck kann der einbringende Aktionär, wenn nichts anderes bedungen ist, seine wechseloder scheckrechtliche Haftung durch einen Vermerk bei seinem Indossament ausschließen (Art. 15 Abs. 1 W G , Art. 18 Abs. 1 SchG).

Anm. 4 Eine Sacheinlage liegt begrifflich nur dann vor, wenn sie zur Erlangung der Mitgliedschaft, also behufs Schaffung von Aktien hergegeben wird. Wenn ein Aktionär schenkungsweise eine Schuld der A G befreiend übernimmt ( K G „ R e c h t " 1928 Nr. 569), so macht er damit keine Einlage. Andererseits gehört zur Einlage auch das, was über den Nennwert der Aktie hinaus als Aufgeld vom Aktionär geleistet wird (§ 1 Anm. 5 , 6 ; § 9 Anm. 7).

212

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 27

Anm. 5, 6

Anm. 5 2. Der Gegenstand der Sacheinlage

Entgegen den Ausführungen der Amtlichen Begründung 1937 gibt § 27 keine gesetzliche Begriffsbestimmung über den Gegenstand der Sacheinlage. Denn Abs. 1 Satz 1 sagt lediglich negativ, daß Einlagen, die nicht durch Einzahlung des Nennbetrages oder des höheren Ausgabebetrages der Aktien zu leisten sind, Sacheinlagen seien. Damit läßt also diese Bestimmung offen, welche Vermögenswerte im einzelnen Gegenstand einer Sacheinlage sein können. Uber diese Frage besteht keine Einigkeit.

Anm. 6 a) Welche Vermögenswerte sind als Sacheinlage geeignet ?

Rechtsprechung und Schrifttum haben die Eignung vermögenswerter Rechte, Gegenstand einer Sacheinlage zu sein, in einem außerordentlich weiten Umfang anerkannt. Die Definition der Motive z. AktG 1884 (S. 151), die als Sacheinlage jeden übertragbaren Gegenstand anerkannte, der einen bilanzfahigen Vermögenswert darstellt, steckt im Prinzip auch heute noch die Grenzen des Begriffs „Sacheinlage" ab. Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil des Schrifttums lassen als Gegenstand der Sacheinlage nicht nur übertragbare bewegliche und unbewegliche Sachen zu, sondern auch Rechte wie Urheberrechte (RG J W 36, 42; BGH 29, 304), Patentrechte, Lizenzrechte, Gebrauchs- und Geschmacksmuster, übertragbare Konzessionen, Mitgliedschaftsrechte wie Aktien, GmbH-Anteile, Anteile an einem Bergwerk (KGJ 36 A 135), Beteiligungen an einer Personengesellschaft, soweit übertragbar, Ansprüche aus obligatorischen Rechtsverhältnissen, z. B. Pachtvertrag auf Ausbeute einer Sandgrube oder eines Steinbruchs, über eine Inseratenvertretung (KGJ 44 A 146), über eine Generalvertretung (KG in OLG 24, 163) sowie patentrechtlch nicht geschützte Fabrikationsgeheimnisse und Herstellungsverfahren und Know-how (RG J W 36, 42 und Barz Festschrift für W.Schmidt S. 157fr.; zweifelnd Ballerstedt ZHR 127,97) u n d sogar Rechte aus einem Vertragsangebot, das durch Annahme seitens der Gesellschaft wirksam werden kann (RG Seuff A. 87 Nr. 71; K G RJA 12, 58). Dabei darf man das Tatbestandsmerkmal der Ubertragbarkeit nicht rein rechtlich sehen. Wesentlich ist, daß durch den Ubertragungsakt die Ausnutzung des eingebrachten Vermögenswerts der Gesellschaft unangefochten möglich wird, so daß auch ein Know how ebenso ein übertragbarer Gegenstand sein kann wie ein von der AG ausnutzbares günstiges Vertragsangebot. Der eingebrachte Vermögenswert muß aus der Rechtssphäre seines Inhabers lösbar sein, womit eine gewisse Selbständigkeit und damit Rechtsverkehrsfähigkeit gegeben sein muß (vgl. Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, S. 228ff.). Es darf sich nicht nur, wie Ballerstedt a. a. O. mit Recht betont, um eine Kapitalisierung künftigen Gewinns eines Unternehmens handeln, sondern — gerade das kommt in dem Erfordernis der Selbständigkeit des Wirtschaftsgutes zum Ausdruck — um eine verkehrstypische Nutzbarkeit. Diese ist aber nicht nur beim Know how gegeben, sondern auch bei einer Firmen- oder Handelsmarke, einerlei, ob sie ihre Entstehung einer langjährigen Tradition oder einem einmaligen aufwendigen Reklamefeldzug verdankt. Ob man allerdings so weit gehen kann, wie Lutter a. a. O., und als Einlage nur Werte anerkennt, in die eine Fremdvollstreckung möglich ist (so auch Würdinger S. 37), erscheint doch sehr zweifelhaft. Dann wären Lizenz- und Ausbeuterechte, Rechte auf eine Inseratenvertretung und Markenrechte wohl kaum jemals ein geeigneter Gegenstand einer Sacheinlage, und zwar trotz ihres ggf. erheblichen Wertes. Für die Frage der Bilanzfähigkeit des Vermögensgegenstands kommt es nicht darauf an, ob der Gegenstand in der Bilanz des Einbringers bewertungsfahig ist, was z. B. nicht auf selbst geschaffene immaterielle Werte zutrifft (vgl. § 153 Abs. 3), sondern entscheidend ist, ob die Gegenstände im Wirtschaftsverkehr einen in Geld ausdrückbaren Wert haben. Das trifft auf den selbstgeschaffenen Firmenwert ebenso zu wie für einen ohne besondere Anschaffungskosten abgeschlossenen Pacht- oder Lizenzvertrag, wenn nur über die nach dem Vertrag zu erbringende Pacht- oder Lizenzzahlung, hinaus ein Ver-

213

§27

Anm. 7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

kehrswert des Vertrags vorhanden ist. Das ist es dann wohl auch, was B G H 29, 304 im Anschluß an Fischer in der Vorauflage als „faßbaren Vermögenswert" bezeichnet und bei der Einbringung der Operette eines noch unbekannten Komponisten als gegeben ansah. Dabei ist ein gesundes Mißtrauen geboten, und zwar je mehr die Faßbarkeit des Vermögenswertes zweifelhaft ist. So stellen Ansprüche aus obligatorischen Rechtsverhältnissen, die jederzeit kündbar sind, im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft keinen feststellbaren Vermögenswert dar und sind daher als Sacheinlage nicht geeignet. Dasselbe gilt für Rechte aus einem Vertragsangebot, wenn der angebotene Vertrag ebenfalls kurzfristig kündbar ist. Bei Fabrikationsgeheimnissen und Herstellungsverfahren wird es einer besonderen Prüfung bedürfen, ob hier in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen einer Wahrung des Geheimnisses gegeben sind. Sind diese Voraussetzungen tatsächlich nicht feststellbar, so wird man einen faßbaren Vermögenswert nicht annehmen können. Nur wenn man sich dieser notwendigen Einschränkungen bewußt ist, wird man der weitherzigen Auffassung der Rechtsprechung und der herrschenden Ansicht im Schrifttum über die Eignung vermögenswerter Gegenstände als Sacheinlage aus rechtlichen und wirtschaftlichen Erwägungen folgen können.

Anm. 7 b) Welche Vermögenswerte sind als Sacheinlage nicht geeignet Höchst umstritten ist die Eignung von Rechten aus Dienstverträgen. Sicher ist, daß Dienstleistungen anläßlich der Gründung keine Sacheinlage darstellen können; denn sie gehören zum Gründungsaufwand und sind vor Entstehung der A G bereits verbraucht (Godin-Wilhelmi Anm. 1 2 ; Baumbach-Hueck Rn. 3). Zweifelhaft ist die Eignung als Sacheinlage bei einem Anspruch auf Dienstleistung des Einbringers selbst. Sie wird überwiegend abgelehnt (Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 34; Brodmann § 186 Anm. 5 c ; Schlegelberger-Quassowski § 20 Anm. 4; Hachenburg-Schilling GmbH-Gesetz § 5 Anm. 2 1 ; Baumbach-Hueck § 27 Rn. 3 ; Godin-Wilhelmi Anm. 12 für unvertretbare Dienstleistungen, nicht auch für vertretbare; Würdinger S. 37; Schnorr von Carolsfeld DNotZ 63, 418 und Festschrift für Hueck S. 265 N 8; a. M . Ritter § 20 Anm. 2 b; Sudhoff N J W 64, 1249ff.). Die Begründungen schwanken. Teils wird daraufhingewiesen (so HachenburgSchilling a. a. O.), es handele sich um keinen Sachwert; da jedoch auch Rechte im weiten Umfange (Anm. 6) als einlagefahig anerkannt sind, ist die Bezugnahme auf eine fehlende Sachwerteigenschaft nicht überzeugend. Teils wird auf die Kurzfristigkeit von Dienstverträgen abgestellt, die die Annahme eines feststellbaren Vermögenswerts verbiete (so Ritter a. a. O. und Fischer in der Vorauflage). Da jedoch für Dienstverträge eine Bindung bis zu 5 Jahren gestattet ist (§ 624 BGB), kann man kaum mehr von Kurzfristigkeit sprechen. Teils wird auf die mangelnde Bilanzfahigkeit abgestellt (so Hueck a. a. O.). Zwar hat der Hinweis Ritters, es könne wegen der Bilanzierung kein Unterschied zwischen Dienst- und Sachmiete gemacht werden, etwas für sich; aber die Aktivierung des Anspruchs auf künftige Dienste erfaßt weniger den Wert dieser Dienste, sondern dient vielmehr der Festhaltung eines transitorischen Postens ( § 1 1 2 Abs. 9 Ziff. 1), während dem Anspruch auf Dienstleistung die Bewertung als selbständiges Wirtschaftsgut weitgehend fehlt. Das wird im Grunde auch von denen anerkannt, die die Einlagefähigkeit von Diensten bejahen, da sie stets betonen, daß diese Forderung in der Regel weniger wert sei, so daß sie nur mit Vorsicht bewertet und mit besonderer Sorgfalt überprüft werden müsse. Hinzu kommt noch, daß sich die Einbringung eigener Dienste als die Begründung einer gegen den Einbringer selbst gerichteten Forderung auf künftiges Handeln ohne jede Sachbezogenheit darstellt. Hier kann und muß man einen „faßbaren Vermögenswert" ablehnen (vgl. Anm. 6). Auf die Frage der Vertretbarkeit der Dienstleistungen (so Godin-Wilhelmi a. a. O.) wird man dagegen kaum abstellen können; sie ändert nichst an dem transitorischen Charakter des Anspruchs auf Dienste und die Möglichkeit einer Ersatzvollziehung gemäß § 887 Z P O gegenüber der Nichtvollstreckbarkeit für unvertretbare Dienste gemäß § 888 Abs. 2 Z P O ändert an der Charakterisierung als faßbaren Vermögenswert auch nichts Entscheidendes.

214

Zweiter Teil: Gründling der Gesellschaft (Barz)

§ 27 Anm. 8

Soll dagegen ein bereits begründeter Anspruch auf Dienstleistung eines Dritten eingebracht werden, so entscheidet sich die h. M., wenn auch mit Vorbehalten wegen der Bewertung, meist für die Anerkennung der Einlagefahigkeit (Düringer-HachenburgBing a. a. O . ; Brodmann a. a. O . ; Hachenburg-Schilling a. a. O.). Jedoch kann hier kaum etwas anderes als beim Anspruch auf eigene Dienste gelten, wenn auch der Gesichtspunkt, daß ein Anspruch auf eigenes künftiges Verhalten durch die Einbringung erst begründet wird, in Fortfall kommt. Ungeeignet als Sacheinlage sind auch Ansprüche auf Herstellung eines Werkes, z. B. auf Errichtung eines Fabrikationsgebäudes, also Ansprüche aus einem Werkvertrag (so die herrschende Ansicht im Schrifttum; a. M. Brodmann § 186 Anm. 5c; Godin-Wilhelmi Anm. 13; Mann, Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 53] Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 418). Schließlich ist als Sacheinlage auch ungeeignet das Wechselakzept des einlagepflichtigen Aktionärs (RG 49, 26; RGSt. 36, 186; K G O L G E 22, 26), allerdings nicht deshalb, weil es in der Hand des Aktionärs keinen Vermögenswert darstellt; denn daraufkommt es nicht an, sondern allein darauf, ob die Sacheinlage für die Gesellschaft einen Vermögenswert darstellt. Entscheidend ist, daß das Wechselakzept seinem rechtlichen Inhalt nach ebenfalls nur eine, wenn auch rechtlich besonders gestaltete Zahlungsverpflichtung des Akzeptanten ist; es will also der Aktionär in einem solchen Fall seiner Einlageverpflichtung — im Ergebnis — ebenfalls nur durch Zahlung in Geld nachkommen. Die Eignung des Wechselakzepts als Sacheinlage würde also bedeuten, daß der verpflichtete Aktionär sich zunächst mit einem reinen Zahlungsversprechen begnügen und auf diese Weise die Vorschrift des § 36 Abs. 2 umgehen könnte. Der Versuch von Ritter § 20 Anm. 2 b, mit begrifflichen Erwägungen die Akzeptforderung als Sacheinlage einem reinen Zahlungsversprechen gegenüberzustellen und damit die Eignung des Wechselakzepts als Sacheinlage darzutun, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen (wie hier auch die herrschende Ansicht im Schrifttum). Hieraus folgt des weiteren, daß das Wechselakzept des verpflichteten Aktionärs auch nicht dadurch zu einer geeigneten Sacheinlage werden kann, daß ein Dritter die Bürgschaft für die Erfüllung dieser Wechselverpflichtung übernimmt; denn maßgeblich ist insofern die Hauptschuld, nicht die Sicherung für die Hauptschuld (ebenso Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 26). Was für das Wechselakzept des Aktionärs gilt, gilt auch für alle sonstigen, seine Zahlungsverpflichtung zum Ausdruck bringenden oder bestärkenden Skripturverpflichtungen des einlagepflichtigen Aktionärs. Anm. 8 c) Das Handelsgeschäft als Sacheinlage Ein Handelsgeschäft kann in seiner Gesamtheit Gegenstand einer Sacheinlage sein (RG 70, 223; JW 1911, 495; BGH 45, 338). Dabei kann auch das Firmenrecht zusammen mit einem Geschäft eingebracht werden, ebenso die Kundschaft, der „goodwill", die „Fasson" (RFH 15, 50; R G L Z 1915, 231). Ein Gründer kann sein Geschäft mit Aktiven und Passiven, ein anderer seine Forderungen gegen jenen einbringen (LG Frankfurt/M. Holdheim 2, 100; vgl. R G 155, 212). Bei der Einbringung eines Handelsgeschäfts mit Aktiven und Passiven ergibt sich eine Schwierigkeit dadurch, daß sich der Wert dieser Sacheinlage zwischen der Vereinbarung und deren Ausführung verändert, weil ein Geschäft nicht stillsteht und tagtäglich Gewinn oder Verlust macht. Wird als Stichtag der Tag der tatsächlichen Einbringung gewählt, so ist ein etwaiger Mehrwert gegenüber dem Tage der Vereinbarung zugunsten des Einbringenden durch Barzahlung seitens der A G auszugleichen, umgekehrt ein etwaiger Minderwert durch bare Zuzahlung des Einbringenden. Diese Zuzahlung ist nicht als Bareinlage anzusehen, sondern als Erfüllung des Sacheinlageversprechens. Häufig wird aber in den Satzungen dem Wert der Sacheinlage die Bilanz eines bestimmten in der Vergangenheit liegenden Tages zugrunde gelegt und abgemacht, daß von diesem Tage ab das Geschäft als für Rechnung der A G geführt gelten soll. Auch das ist zulässig. Die Verlustgefahr der Zwischenzeit geht dann zu Lasten der A G (BGH 45, 349), ein Gewinn der Zwischenzeit ist nicht Gewinn der A G , sondern Erhöhung des Werts des eingebrachten Geschäfts (RFHJW 1932,10294). Ein etwaiger Verlust ist in der

215

§ 27

Anm. 9

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Eröffnungsbilanz durch Abschreibung von den Anschaffungskosten zum Ausdruck zu bringen (BGH 45, 349; Würdinger S. 99 für Umsatzgeschäfte; a. M. Godin-Wilhelmi Anm. 13, die insoweit eine Gewährleistung des Einlegers verlangen), ein etwaiger Gewinn gehört in die gesetzliche Rücklage (§ 150 Abs. 2 Nr. 2; vgl. § 9 Anm. 7) und ist nicht etwa zu verteilen. Eine Unterpariemission, wie sie Godin-Wilhelmi a. a. O. befürchten, läge nur dann vor, wenn bei der Festsetzung der Sacheinlage der Verlust der Zwischenzeit erkennbar gewesen und trotzdem bei der Bewertung der Einlage nicht berücksichtigt worden wäre. Ist der Verlust aber unerwartet eingetreten, dann ist er die unvermeidbare Auswirkung der Tatsache, daß Vermögensübertragungen eines Stichtages bedürfen, der, um der AG und dem einbringenden Gründer sofort zahlenmäßig Sicherheit zu geben, nur in der Vergangenheit liegen kann (vgl. Ballerstedt Z H R 127, 102). Eine aus der Unzulässigkeit einer Unterpariemission zu folgernde Notwendigkeit einer Gewährleistung des Einlegers für Verluste zwischen Einbringungsstichtag und Einbringung, für die Bonität der Außenstände und das Nichtvorhandensein nichtberücksichtigter Passiven, wie sie Godin-Wilhelmi Anm. 13 annehmen, besteht nicht. Diese Fragen können in dem Einbringungsvertrag von den Partnern beliebig geregelt werden; erforderlich ist nur, daß der sich aus der nun einmal getroffenen Regelung ergebende Wert dem Ausgabenbetrag der Aktien entspricht (vgl. § 34 Abs. 1 Ziff. 2). Die Auffassung von Würdinger S. 99, der nur die Verluste aus Umsatzgeschäften zu Lasten der AG, alle anderen Verluste, Aufwendungen und Wertminderungen jedoch zu Lasten der Gründer gehen lassen will, führt nicht nur zu großen Schwierigkeiten wegen der Notwendigkeit, der Entstehung von Wertminderungen und Verlusten nachzugehen, sondern verkennt auch die Bedeutung des Abrechnungsstichtages, der endgültige Klarheit über die Bewertung geben soll. Seine Auffassung steht auch im Widerspruch zu der S. 104 vertretenen Meinung, das einzubringende Handelsgeschäft werde bis zur Eintragung der AG für deren Rechnung geführt. Welcher Stichtag gewählt wird, ist in der Satzung festzusetzen, wobei aber, um die Richtigkeit der. Einbringungsbewertung nicht zu gefährden, nur soweit in die Vergangenheit zurückgegangen werden darf, ab es sich nach dem Zahlenwerk des einzubringenden Geschäfts als notwendig erweist. Ebenso ist in der Satzung festzusetzen, ob alle Forderungen und Schulden übernommen werden. Uber alles das entscheidet die Satzung und deren nach den Grundsätzen der Anm. 19 zu § 23 vorzunehmende Auslegung (RG L Z 1916, 742 15 ); abweichende Abreden der Gründer kommen für die AG nicht in Betracht (RG Bauer 12, 186; München OLGE 32, 135). Forderungen und Schulden können auch mit gewissen Beschränkungen übernommen werden, z. B. „die in dem anliegenden Verzeichnis aufgeführten" (RG Bauer 19, 84). Der Einbringer kann auch für den Eingang von Forderungen derart garantieren, daß er die bis zu einem bestimmten Tage nicht eingegangenen wieder zu übernehmen und bar auszuzahlen hat (RG 79, 271). Ebenso kapn er dafür garantieren, daß nur bestimmte Schulden vorhanden seien. Die für Veräußerungsverträge über Sachen geltenden Gewährleistungsvorschriften werden vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung auch auf solche über Geschäftsunternehmungen angewandt (RG 63, 57; 67, 86; 98, 292; 100, 203; 138, 356). Wird das Geschäft mit Firma eingebracht, so gelten die zu § 4 in Anm. 4 dargestellten Grundsätze.

Anm. 9 d) Noch nicht entstandene Sachen und künftige Forderungen als Sacheinlage Im Schrifttum wird im allgemeinen der Standpunkt vertreten, daß Sachen, die noch nicht vorhanden sind, nicht Gegenstand einer Sacheinlage sein könnten, weil sie rechtlich noch nicht selbständig bestehen (vgl. Schlegelberger-Quassowski § 20 Anm. 4). Diese Begründung erscheint nicht völlig zwingend. Denn es ist aus Rechtsgründen möglich, daß sich der Aktionär zur Einlage solcher Sachen verpflichtet und daß somit die Forderung auf Leistung der noch nicht vorhandenen Sachen Gegenstand der Sacheinlage ist (Ritter § 20 Anm. 2 b). Das bedeutet, daß z. B. die Früchte auf dem Halm zwar nicht ohne das Grundstück, auf dem sie wachsen, Gegenstand einer Sacheinlage sein können,

216

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 27

Anm. 10—12

wohl aber die Forderung auf Lieferung der Ernte. Andererseits ist ein Baugrundstück mit einem erst zu errichtenden Gebäude nicht zur Sacheinlage geeignet, weil hier in Wahrheit die Werkleistung Gegenstand der Sacheinlage sein würde, diese aber aus Rechtsgründen als solche nicht in Betracht kommen kann (vgl. Anm. 7). Künftige Forderungen scheiden als Sacheinlage aus, weil sie im allgemeinen einen feststellbaren Vermögenswert im Zeitpunkt der Einbringung nicht haben und deshalb als Sacheinlage nicht geeignet sind. Anders ist es dagegen bei Forderungen auf künftige Leistungen; bei ihnen besteht dieses Hindernis nicht, und sie können daher als Sacheinlage in Betracht kommen.

Anm. 10 e) Gegenseitige Verträge als Sacheinlage Ist ein gegenseitiger Vertrag Gegenstand einer Sacheinlage, so ist zu unterscheiden, ob die Gesellschaft nur die Ansprüche aus diesem Vertrag erhalten soll und der einlegende Gesellschafter die Verpflichtungen aus dem Vertrag weiter zu erfüllen hat, oder ob die Gesellschaft auch die Verpflichtungen mit übernehmen soll. Beide Gestaltungen sind rechtlich denkbar; welche von beiden gewählt ist, ist eine Frage der Auslegung. Für die Bewertung der Sacheinlage ist es naturgemäß von wesentlicher Bedeutung, welche dieser beiden denkbaren Gestaltungen in Betracht kommt. Im Zweifel wird die Bewertung, wie sie von den Gründern vorgenommen worden ist, einen geeigneten Anhaltspunkt für die erforderliche Auslegung bieten.

Anm. 11 f) Gebrauchsüberlassung als Sacheinlage Auch eine Gebrauchsüberlassung kann Gegenstand einer Sacheinlage sein (a. M . Brodmann § 186 Anm. 5 a). Es ist also nicht notwendig, daß der einlagepflichtige Aktionär die einzubringende Sache der Gesellschaft zu Eigentum überträgt. Daher ist z. B. die Überlassung von Geschäftsräumen zur Benutzung durch die Gesellschaft als Sacheinlage zulässig (RGSt. 61, 260). In diesem Fall ist es für die Bewertung der Einlage von Bedeutung, die Dauer der Gebrauchsüberlassung festzulegen (vgl. Anm. 6). Andererseits ist es nicht erforderlich, daß der Einbringer Eigentümer der Sache oder Inhaber des Rechts ist, die er einbringt ( R G 118, 120; J W 1936, 42; R F H 10, 22). Er kann seine Einlageverpflichtung dadurch erfüllen, daß er den Eigentümer oder Inhaber veranlaßt, den Gegenstand unmittelbar an die A G zu übertragen; er selbst bleibt Einleger, jener ist nur sein Erfüllungsgehilfe ( B a y O b L G Holdheim 11, 26). Gehört der einzubringende Gegenstand mehreren, so können sie sämtlich als Einbringer auftreten und vereinbaren, welche Zahl von Aktien jedem zuzuteilen ist. Diese Vereinbarung ist, wenn sie in der Satzung festgestellt wird, auch gegenüber der A G gültig.

Anm. 12 g) Forderungen gegen die Gesellschaft als Sacheinlage Auch eine Forderung, die dem Einbringer gegen die werdende Gesellschaft zusteht, kann den Gegenstand einer Sacheinlage bilden (a. M . Schnorr v. Garolsfeld DNotZ 63, 418). Notwendig ist es jedoch, daß die Gesellschaft die gegen sie gerichtete Forderung im Gründungsvertrag übernimmt. Künftige Forderungen gegen die Gesellschaft, z. B. erst künftige Gewinnansprüche, können nicht als Sacheinlage dienen. Bei der Errichtung der Gesellschaft wird die Einbringung einer Forderung als Sacheinlage nur verhältnismäßig selten in Betracht kommen, häufiger wird das bei Kapitalerhöhungen der Fall sein, weil dann die Möglichkeit bestehender Verbindlichkeiten aus dem zurückliegenden Geschäftsbetrieb der Gesellschaft eine ungleich größere ist. Bei der Errichtung der Gesellschaft werden als einlageföhige Forderungen gegen die Gesellschaft nur solche in Betracht kommen, mit denen die Gesellschaft durch die Sacheinlage eines anderen Aktionärs unmittelbar belastet wird, so z. B. bei der Einlage eines Handelsgeschäfts die mit dem Geschäft zusammenhängenden Verbindlichkeiten oder bei der Einlage eines 217

§ 27 A n m . 13, 14

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Grundstücks die auf diesem ruhenden Lasten (insbesondere Hypotheken). Ohne praktische Bedeutung ist es, ob in einem solchen Fall die Einlage dadurch erbracht wird, daß der Einleger mit der Gesellschaft einen Erlaßvertrag über diese Forderung schließt (§ 397 BGB) oder ob er mit seiner Forderung gegenüber der Gesellschaft gegen den Anspruch der Gesellschaft auf den Gegenwert der Aktien aufrechnet u n d diese Aufrechnung als Sacheinlage gilt (RG 42, 4; K G J W 1935, 2899; a. M . Flume DB 64, 21). In jedem Fall ist das ein in der Satzung festzustellender Vorgang, der jedoch von dem Verbot der Aufrechnung gegen eine geschuldete Bareinlage (§ 66) nicht betroffen wird. Aus § 27 ergibt sich ohne weiteres, daß auch dieser Vorgang unter den Begriff der Sacheinlage fallt (ebenso Lutter a. a. O . 240). Aufgegeben ist daher in § 183 die in § 279 HGB noch gemachte Unterscheidung zwischen einer Einlage, die nicht durch Barzahlung zu leisten ist, und der Anrechnung einer Vergütung für Gegenstände, welche die AG übernimmt. Hervorzuheben ist jedoch noch, daß die Forderung auf einen Gründerlohn (§ 26) nicht geeignet ist, als Sacheinlage zu dienen. Das würde auf die Ausgabe von Freiaktien hinauslaufen u n d daher mit zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften in Widerspruch stehen. Der Umstand, daß Forderungen gegen die Gesellschaft den Gegenstand einer Sacheinlage bilden können, ist bedeutsam für die Frage, inwieweit die Gesellschaft ihrerseits aufrechnen kann (vgl. dazu § 66 Anm. 15).

A n m . 13 3. Die Mängel d e s Einbringungsvertrages u n d ihre R e c h t s f o l g e ! Der Einbringungsvertrag ist kein rein schuldrechtlicher Vertrag, sondern ein Akt des Körperschaftsrechts, er ist ein notwendiger Stein im Aufbau der Gesellschaft (BGH 45, 345). Wenn er auch Verpflichtungen für den einlegungspflichtigen Aktionär begründet, so können doch auf ihn die allgemeinen Vorschriften des BGB über Verträge nicht angewendet werden (so auch Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 418; Lutter a. a. O. 269/70; grundsätzlich anders M a n n Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 47 fr.; nicht unbedenklich auch Crisolli Z H R 93, 231fr.). Immer ist bei ihm die besondere Eigenart zu beachten, daß er ein notwendiger Teil der Satzung ist. Es ist daher vor allem eine Anwendung der Vorschriften des BGB nicht möglich, die den Einbringungsvertrag vernichten, nachdem der Aktionär durch Abschluß des Vertrages seine Beteiligung an der Gesellschaft nach außen zum Ausdruck gebracht hat. Diese Besonderheit der Rechtslage führt bei Mängeln des Einbringungsvertrages zu einer Reihe einschneidender Abweichungen gegenüber dem allgemeinen Vertragsrecht.

A n m . 14 a) W i l l e n s m ä n g e l u n d ihre R e c h t s f o l g e n Kein Aktionär kann sich nach Eintragung der AG auf Willensmängel seiner Erklärung bei Abschluß des Einbringungsvertrages berufen. Eine Anfechtung wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder Drohung ist ausgeschlossen, weil diese der entstandenen AG ihre Rechtsgrundlage entziehen würde (a. M. nur Teichmann-Koehler § 20 Anm. 5 e, die sich dabei zu Unrecht auf R G D R 1940, 2009 = H R R 1940 Nr. 1354 berufen; diese Entscheidung besagt entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts für den Sacheinlagevertrag gerade das Gegenteil). Eine solche Möglichkeit verbietet der aktienrechtliche Grundsatz der Erhaltung der Kapitalgrundlage (§ 2 Anm. 4, § 275). Auch die Berufung auf die Nichtigkeit wegen Vorliegens einer Scheinoder Scherzerklärung oder eines geheimen Vorbehalts ist aus den gleichen Gründen ausgeschlossen (RG Warn. 1931 Nr. 4 1 ; BGH 21,382). Ebensowenig kann sich ein Aktionär auf die Nichtigkeit eines Einbringungsvertrages berufen, weil er sittenwidrig ausgebeutet worden sei (RG 123, 107).

218

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 27

Anm. 15—17

Anm. 15 b) Formmängel und ihre Rechtsfolgen Der Einbringungsvertrag kann an Formmängeln leiden, da für ihn die allgemeinen Formvorschriften, z. B. die Vorschriften der § § 3 1 3 , 3 1 1 BGB, maßgeblich sind. Ein solcher Formmangel kommt freilich dann nicht in Betracht, wenn der Einbringungsvertrag mit seinem ganzen Inhalt Aufnahme in der Satzung findet, da dann die für die Satzung geltende Form (§ 23) auch die Formvorschriften der §§ 3 1 1 , 3 1 3 BGB erfüllt. Aber der Einbringungsvertrag braucht nicht seinem vollen Inhalt nach Aufnahme in der Satzung zu finden (vgl. Anm. 25). In diesem Fall kann dann eine Nichtigkeit des Einbringungsvertrages wegen Verletzung der für ihn geltenden Formvorschrift in Betracht kommen ( § 1 2 5 BGB). Diese Nichtigkeit bewirkt, daß ein Anspruch der Gesellschaft auf die Sacheinlage nicht entsteht. Das würde aber nach der Eintragung der Gesellschaft mit dem aktienrechtlichen Grundsatz der Erhaltung der Kapitalgrundlage nicht in Einklang stehen. In diesem Fall muß sich daher der Aktionär an seine Erklärung, daß er Mitglied der Gesellschaft sei und der Gesellschaft eine Einlage von einem bestimmten Wert mache, festhalten lassen. Die in dieser Erklärung liegende Deckungszusage bewirkt, daß er in diesem Fall dann eine dem Wert der zugesagten Sacheinlage entsprechende Bareinlage zu machen verpflichtet ist (vgl. dazu auch die folgenden Anmerkungen sowie Anm. 3 1 ; so jetzt auch Godin-Wilhelmi Anm. 5).

Anm. 16 c) Die anfängliche Unmöglichkeit Ist der Einbringungsvertrag von Anfang an auf eine unmögliche Leistung gerichtet, die A G aber gleichwohl durch Eintragung zur Entstehung gelangt, so würde die Anwendung des § 306 BGB zur Nichtigkeit des Einbringungsvertrages führen. Auch das ist mit dem aktienrechtlichen Grundsatz der Erhaltung der Kapitalgrundlage nicht vereinbar. Zwar kann in einem solchen Fall von dem einlagepflichtigen Aktionär aus Rechtsgründen nicht die Erbringung seiner Einlage verlangt werden, aber er muß an seine Erklärung insoweit festgehalten werden, als er erklärt hat, Mitglied der Gesellschaft zu sein und ihr dafür eine Einlage von einem bestimmten Wert zu machen. Das führt dann notwendigerweise zu der Verpflichtung des Aktionärs, der Gesellschaft eine entsprechende Bareinlage zu machen (Würdinger S. 65; Ritter § 20 Anm. 2 f . ; Baumbach-Hueck Rn. 7; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 28 sowie in grundsätzlichen Ausführungen Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 58fr.; jetzt auch Godin-Wilhelmi Anm. 6). Das ist freilich nicht unbestritten. Eine beachtliche Gegenmeinung ( R G 6 8 , 275/76; DüringerHachenburg-Bing § 186 Anm. 46; Schlegelberger-Quassowski §20 Anm. 1 5 ; TeichmannKoehler § 20 Anm. 6 a) nimmt hier Nichtigkeit des Einlageversprechens an und läßt die Gesellschaft, falls ihr nicht nach § 307 BGB oder nach § 46 ein Schadensersatzanspruch zusteht, mit einer Unterbilanz ins Leben treten. Diese Folgerung läßt sich auf keinen Fall mit dem Grundsatz der Erhaltung der Kapitalgrundlage in Einklang bringen und trägt dem besonderen Haftungscharakter der Beitrittserklärung nicht Rechnung. Wenn das Reichsgericht ( R G 68, 275/76) zudem meint, daß in einem solchen Fall eine Mitgliedschaft von vornherein nicht zur Entstehung gelange und die Anwendung des § 306 BGB daher auch nicht eine schon vorhandene Mitgliedschaft zerstöre, so gehen diese Erwägungen an den hier allein entscheidenden Gesichtspunkt vorbei und setzen sich zudem auch in Widerspruch zu der Auffassung, daß die Vorschriften der §§ 116/18, 138 Abs. 2 BGB hier keine Anwendung finden (Anm. 14).

Anm. 17 d) Die nachfolgende Unmöglichkeit Wird die Leistung der zugesagten Sacheinlage nachträglich unmöglich, so ist bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit eine völlige Freistellung des Aktionärs nach § 275 BGB ebenfalls unhaltbar. Hier tritt dann aus den gleichen Erwägungen wie bei einer anfanglichen Unmöglichkeit (Anm. 16), an Stelle der Verpflichtung zur Sacheinlage

219

§27

Anm. 18—20

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

die Verpflichtung zur Leistung einer Bareinlage in der angenommenen Höhe. Ist die Unmöglichkeit dagegen von dem Aktionär zu vertreten, so kann der Gesellschaft das Recht zum Rücktritt (§ 325 BGB) nicht zustehen (allg. Ansicht). Denn die Zubilligung eines solchen Rechts würde wiederum die Kapitalgrundlage der Gesellschaft in Frage stellen und zudem darauf hinauslaufen, daß der Vorstand den Aktionär aus der Gesellschaft ausschließen könnte. Aber eine solche Befugnis steht der Gesellschaft nur im Rahmen und nach Maßgabe des § 64 zu. Dagegen wird man das Recht der Gesellschaft, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, in diesem Fall nicht verneinen können (Ritter § 20 Anm. 2 f.; Baumbach-Hueck Rn. 7). Denn durch die Ausübung eines solchen Rechts wird nicht die Beitrittserklärung des Aktionärs in Frage gestellt oder wieder beseitigt; sie bleibt dadurch vielmehr unberührt. Auch wird durch das Verlangen nach Schadensersatz die Kapitalgrundlage der Gesellschaft nicht beeinträchtigt, da ein solcher Anspruch seiner Höhe nach nicht geringer ist als der Anspruch auf die Bareinlage in Höhe des angenommenen Werts der Sacheinlage. Daneben bleibt freilich auch hier das Recht der Gesellschaft, den Anspruch auf die Bareinlage geltend zu machen; in diesem Fall ist sie auf den Nachweis eines Schadens nicht angewiesen.

Anm. 18 e) Der Verzug des einlagepflichtigen Aktionärs Befindet sich der Aktionär mit der Leistung seiner Einlage in Verzug, so kann der Gesellschaft das Recht zum Rücktritt nicht zustehen. M a n muß ihr aber auch hier das Recht, die Bareinlage zu fordern, zubilligen (a. M . R G J W 1934, 3196), wobei in diesem Fall jedoch die Ausübung des Rechts von der vorherigen Setzung einer angemessenen Frist abhängig ist. A n Stelle dieses Rechts kann die Gesellschaft neben der Leistung der Sacheinlage auch ihren Verzugsschaden wegen der verspäteten Leistung verlangen ( R G J W 1934, 3196).

Anm. 19 f) Die Haftung für Rechtsmängel Für den Umfang der Haftung des einlagepflichtigen Aktionärs für Rechtsmängel ist in erster Linie der Einbringungsvertrag selbst maßgeblich. Es kann die Haftung über das gesetzliche M a ß hinaus verschärft, so bei Einbringung von Rechten die Haftung für den rechtlichen Bestand (§ 437 BGB) zu einer Haftung für die Güte des Rechts gesteigert werden (§ 438 BGB). O b sich die Haftung auch beschränken oder ausschließen läßt, erscheint zweifelhaft; in jedem Fall ist eine solche Beschränkung oder Ausschließung ohne Wirkung, wenn ein Rechtsmangel arglistig verschwiegen ist. In allen Fällen einer Haftung des einlagepflichtigen Aktionärs für Rechtsmängel ist der Rücktritt der Gesellschaft vom Einbringungsvertrag ausgeschlossen; auch hier hat die Gesellschaft nur das Recht, Schadensersatz zu verlangen, vgl. B G H 45, 345.

Anm. 20 g) Die Haftung für Sachmängel Die Rechtsfolgen einer Haftung für Sachmängel sind in Rechtsprechung und Schrifttum außerordentlich umstritten. Gegen die Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs bei arglistigen Verschweigens eines Mangels oder bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft bestehen keine Bedenken. Hier gelten die gleichen Erwägungen, die für einen Schadensersatzanspruch bei zu vertretender nachträglicher Unmöglichkeit sprechen (Anm. 17). Auch der entsprechenden Anwendung des §480 BGB steht hier nichts im Wege; die Gesellschaft kann bei vertretbaren Sachen Ersatzleistung verlangen (ebenso GodinWilhelmi Anm. 5; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 28). Zweifelhaft dagegen ist es, ob die Gesellschaft Wandlung oder Minderung verlangen kann. Das Reichsgericht versagt der Gesellschaft das Recht zur Wandlung, und zwar, weil es ebenso wie der Rücktritt zu einer unzulässigen Ausschließung des Aktionärs führen und zudem die Kapitalgrundlage der Gesellschaft durch Rückgewähr der Sacheinlage beeinträchtigen würde ( R G 68,

220

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 27 Anxn. 2 1

2 7 1 ; Schlegelberger-Quassowski § 20 Anm. 10; CrisolliZHR93, 239ff.; SchönleNJW65, 2133fr. u. 66, 2161 f., der allerdings §493 BGB für nicht anwendbar erklärt). Allein dieses Ergebnis ist unbefriedigend; es führt dazu, daß der Gesellschaft Ansprüche wegen Sachmängel abgeschnitten werden und daß sie die mangelhafte Sache als mangelfreie behalten muß. Auch ist dieses Ergebnis nicht mit der Tatsache zu vereinbaren, daß der einlegungspflichtige Aktionär mit Abschluß des Einbringungsvertrages nach außen erklärt hat, eine mangelfreie Sache einzubringen und daß durch die Leistung einer mangelhaften Sache unter Umständen die Kapitalgrundlage in weitgehendem Maße beeinträchtigt wird. Es muß sich daher angesichts dieser Deckungszusage des Aktionärs (Boesebeck D R 1939, 435) die Sacheinlagepflicht des Aktionärs auf Verlangen der Gesellschaft in eine Bareinlagepflicht des Aktionärs umändern, mit der Folge, daß der Aktionär gegen Rückgabe der mangelhaften Sache eine Bareinlage in Höhe des angenommenen Wertes seiner Sacheinlage zu leisten hat (ebenso BGH 45, 345; Ritter § 20 Anm. 2f.; Baumbach-Hueck Rn. 7; Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 66; Boesebeck a. a. O.; für das Recht der GmbH Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 28; Scholz § 5 Anm. 17; Rob. Fischer J Z 1954, 428; Wiedemann, Festschrift f. Hirsch S 264/65; EnsslinStauder GmbH Rdsch 68, 156 fr.; vgl. auch "Schönle a. a. O., der sich grundsätzlich gegen die Anwendung der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung wendet, u. Lutter a. a. O. 278fr., der die Konstruktion einer Deckungszusage ablehnt, im Ergebnis aber trotzdem zu ähnlichen Schlußfolgerungen kommt). Dementsprechend ist auch ein Minderungsrecht der Gesellschaft in der Weise zu bejahen, daß der einlegungspflichtige Aktionär den Minderwert seiner mangelhaften Leistung in Geld aufzufüllen hat. Eine entsprechende Anwendung des § 464 BGB ist in jedem Fall abzulehnen, weil es nicht angängig erscheint, daß die Gesellschaft durch eine vorbehaltlose Annahme einer mangelhaften Sacheinlage ihrer Ansprüche auf Erhaltung ihrer Kapitalgrundlage verlustig gehen kann (ebenso Godin-Wilhelmi Anm. 5; Boesebeck D R 1939, 437; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 28; a. M. R G 159, 333; Scholz § 5 Anm. 17). Auch ist eine Mängelrügepflicht der Gesellschaft in entsprechender Anwendung des § 377 HGB nicht anzunehmen (so Ritter § 20 Anm. 2f.; Crisolli Z H R 93, 231 ff.), da es sich bei der Sacheinlage nicht um ein Umsatzgeschäft des Handelsverkehrs handelt und daher der Grundgedanke des § 377 HGB hier nicht zutrifft (wie hier Godin-Wilhelmi Anm. 5; Mann a. a. O. S. 52). Anm. 21 4. Die gemischte Sacheinlage Unter einer gemischten Sacheinlage ist eine Sacheinlage zu verstehen, bei der der einlegungspflichtige Aktionär für seine Sacheinlage zu einem Teil Aktien und für den anderen Teil von der Gesellschaft eine Zahlung in Geld bekommt. Es handelt sich also um eine Sacheinlage, die mit einer Sachübernahme verbunden ist (Godin-Wilhelmi Anm. 10). Auf eine solche gemischte Sacheinlage finden ausschließlich die Vorschriften über die Sacheinlage Anwendung. Es geht also nicht an, das einheitliche Rechtsgeschäft in eine Sacheinlage und in eine Sachübernahme aufzuspalten und demgemäß auf dieses Rechtsgeschäft die jeweils verschiedenen Rechtsgrundsätze über die Sacheinlage und die Sachübernahme getrennt anzuwenden ( K G J W 1928, 1822; Godin-Wilhelmi Anm. 10; Baumbach-Hueck Rn. 5; Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. ioff.; Boesebeck D R 1939, 435; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 34; a. M. Ritter § 20 Anm. 6; Schlegelberger-Quassowski § 20 Anm. 6; Teichmann-Koehler § 20 Anm. 3). Liegt bei einer gemischten Sacheinlage ein Sachmangel vor und macht die Gesellschaft von ihrem Recht zur Minderung Gebrauch, so führt das zunächst zu einer entsprechenden Minderung der Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft. Nur wenn die Minderung über den Umfang der Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft hinausgeht oder wenn die Gesellschaft ihrer Zahlungsverpflichtung bereits nachgekommen war, wird durch das Minderungsverlangen der Gesellschaft eine entsprechende Zahlungsverpflichtung des Aktionärs begründet. Soll der einlegende Aktionär einen Anspruch auf Ersatz des Mehrwertes in Geld haben, so muß ihm dieses Recht in der Satzung oder in dem ihr beigefügten Vertrag ausdrücklich eingeräumt werden. 221

§27

Anm. 22, 23

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 22 II. Die Sachübemabme 1. Der Begriff der Sachübernahme Die Sachübernahme ist von der Sacheinlage zu unterscheiden. Bei der Sachübernahme besteht die Leistung der Gesellschaft nicht in der Einräumung v o n Mitgliedschaftsrechten. I m Unterschied zu der Sacheinlage bildet sie für den Veräußerer nicht das Mittel, u m sich an der Gründung der Gesellschaft durch Übernahme von Aktien zu beteiligen ( R G 130, 254; L Z 1907, 346; H R R 1940 Nr. 1354). „ D i e Sachübernahme ist kein notwendiger Stein im Bau der Gesellschaft wie die Einlage, sondern nur ein äußerlich angefügter Zusatz. Die Gesellschaft kann rechtlich ohne sie entstehen. Sie enthält einen A k t des Individualrechts" (Düringer-Hachenburg-Bing § 186 A n m . 15). Der Veräußerer braucht daher überhaupt nicht Aktionär zu sein. Ist er es, so steht doch die Veräußerung mit seiner Aktionäreigenschaft in keinerlei Zusammenhang; er veräußert, wie wenn er nicht Aktionär wäre. Seine Verpflichtung zur Leistung seiner Bareinlage wird dadurch nicht berührt. Die Festsetzung des Übernahmevertrages in der Satzung ist nicht aus innerer Notwendigkeit vorgeschrieben. Der Ubernahmevertrag erhält durch diese Festsetzung auch nicht körperschaftlichen Charakter wie der Vertrag über die Sacheinlage. Die Festsetzung in der Satzung dient nur dazu, im Interesse der Öffentlichkeit Gefahren zu bannen, die erfahrungsgemäß hier in ähnlicher Weise wie bei den Sacheinlagen auftreten. Nur aus diesem Grunde ist die Festsetzung in der Satzung Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ubernahmevertrag. Der Gegenwert bei der Sachübernahme ist also niemals die Schaffung von Aktien, sondern Geld oder ein anderer Tauschwert. D e m steht nicht entgegen, d a ß der Gegenwert im Einzelfall ganz oder neben Geld auch in Aktien der Gesellschaft besteht, die sie nicht schafft, sondern sich im Hinblick auf die Sachübernahme als schon vorhandene Aktien von Aktionären verschafft ( R G 121, 99; 130, 254).

Anm. 23 2. Gegenstand der Sachübernahme Gegenstand der Sachübernahme können zunächst alle Vermögenswerte sein, die auch den Gegenstand einer Sacheinlage bilden können (Anm. 5 fr.; Müller W P g 64, 435 fr.; Sengelmann Die Sachübernahme im Aktienrecht, Diss. S. 66ff.). Darüber hinaus können nach ausdrücklicher Vorschrift auch erst noch herzustellende Anlagen Gegenstand einer Sachübernahme sein. W e n n dabei im Schrifttum (Schlegelberger-Quassowski § 20 A n m . 7) zuweilen die Einschränkung gemacht wird, d a ß hierzu nur solche Werkverträge gehörten, bei denen der Unternehmer auch das Material liefert, so findet diese Einschränkung im Gesetz keine Stütze. Diese Unterscheidung erscheint überdies nutzlos, wenn man mit Schlegelberger-Quassowski gleichwohl auch die Aufnahme reiner Werkverträge in der Satzung verlangt, u m eine Verpflichtung der Gesellschaft zu begründen. M i t Godin ( Z i v A 147, 34) wird m a n davon ausgehen müssen, d a ß zu den Sachübernahmen nur solche Geschäfte gehören, durch die die Gesellschaft Vermögensgegenstände von Aktionären oder von Dritten erwirbt, nicht aber solche Geschäfte, durch die die Gesellschaft ihrerseits zu Warenlieferungen oder Kreditaufnahmen verpflichtet wird. Diese Geschäfte bedürfen daher für ihre Wirksamkeit nicht der Festsetzung in der Satzung g e m ä ß § 27; für sie gelten vielmehr die Vorschriften des § 41 A b s . 1 und 2. W e n n Godin (a. a. O . S. 35 fr.; vgl. auch Godin-Wilhelmi A n m . 2) darüber hinaus im Hinblick auf § 41 Abs. 3 den Begriff der Sachübernahme einzuschränken versucht und ihn nur auf eine solche Übernahme von Vermögensgegenständen bezieht, die zwischen den Veräußerern und den Gründern, nicht dagegen auf eine solche, die zwischen dem Veräußerer und dem Vorstand vereinbart ist, so ist der Ausgangspunkt Godins sicherlich zu billigen. In der T a t würde es vielfach unerträglich sein, für die Wirksamkeit von Verträgen, die auf den Bezug von Waren, Rohstoffen und Betriebsmaterialien gerichtet sind, stets die Festsetzung in der Satzung zu verlangen. Die notwendigen Vorbereitungsgeschäfte für den Geschäftsbetrieb der in der Gründung befindlichen

222

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 27

Anm. 24—24b

Gesellschaft könnten dadurch in einer schwerlich zu rechtfertigenden Weise erschwert oder sogar unterbunden werden. M a n wird daher unter diesem Gesichtspunkt die Dienstverträge nicht als möglichen Gegenstand einer Sachübernahme ansehen können. Aber auch die weitere Einschränkung der Sachübernahme im Sinn der Ausführungen von Godin ist im Grundsatz zu billigen (Näheres § 41 Anm. 28).

Anm. 24 3. Der Übernahmevertrag Der Übernahmevertrag ist ein solcher des Individualrechts, er besitzt keinen körperschaftsrechtlichen Charakter. Er hat mit der Mitgliedschaft in der Gesellschaft nichts zu tun. Es handelt sich bei der Sachübernahme nicht um die Schaffung des Grundkapitals, sondern um die Verwendung des Vermögens der Gesellschaft. Daher besteht hier — im Unterschied zu dem Vertrag über die Sacheinlage (Anm. 13 ff.) — kein Grund, die Vorschriften des bürgerlichen Rechts auszuschließen. Der Übernahmevertrag kann daher durch Anfechtung wegen Irrtums usw. wieder vernichtet werden; die Folgen einer anfänglichen oder nachfolgenden Unmöglichkeit richten sich nach den allgemeinen Vorschriften, wie auch die Haftung für Rechts- und Sachmängel im vollen Umfang zur Anwendung gelangt (zur Anwendung von § 139 BGB vgl. Anm. 25). Die nachträgliche Vernichtung oder Aufhebung des Übernahmevertrages berührt die Existenz der Gesellschaft nicht, so wie auch die Rückgewähr übernommener Vermögensgegenstände nicht mit zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften in Widerspruch steht. Der Ubernahmevertrag ist entsprechend seinem jeweiligen Inhalt ein Kauf- oder Werkvertrag und unterliegt ohne Einschränkungen den für diese geltenden Vorschriften.

III. Die Bewertung von Sacheinlagen und Sachübernahmen Anm. 24a 1. Über die Bewertung der Sacheinlagen und Sachübernahmen enthält das Aktienrecht keine Bestimmungen. Die §§ 34 Abs. 1 Nr. 2 und 38 Abs. 2 ergeben aber, daß der Wert der Sacheinlagen den Nennbetrag und im Falle einer Uber-pari-Emission den Ausgabebetrag der zu gewährenden Aktien und der Wert der Sachübernahmen den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreichen muß, während § 32 Abs. 2 von der Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen und Ubernahmen spricht, die das A k t G 65 in den §§ 34 und 38 eliminiert hat (§ 32 Anm. 1). Da die Grundlage für die Bemessung des Nennbetrages der für die Sacheinlage zu gewährenden Aktien die Bewertung der Sacheinlage ist, ist diese Bewertung Inhalt des Einbringungsvertrages und der Satzungsfeststellung (Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften S. 75); bei der Sachübernahme ist die Bewertung Bestandteil des schuldrechtlichen Individualvertrages (Anm. 22, 24) und in der Satzung nur festzustellen, um die Gefahr eines der Öffentlichkeit nicht bekannten Abflusses der eingelegten Vermögenswerte zu bannen.

Anm. 24b 2 . Welcher Wert der Sacheinlage als maßgeblich zugrunde zu legen ist, ist streitig. Ballerstedt a. a. O. S. 78 (ebenso Döllerer WPfg 69,333) verlangt, daß der volle Wert einzusetzen ist, da eine willkürliche Unterbewertung beim Anlagevermögen die künftigen Abschreibungen verringern und bei Gegenständen des Umlaufvermögens zu Scheingewinnen führen, damit aber Substanz zu ausschüttbarem Gewinn machen würden. Ballerstedt hat sich mit dieser Auffassung aber nicht durchsetzen können (Döllerer a. a. O. S. 334). Vielmehr wird unverändert weitgehend Bewertungsfreiheit eingeräumt (§ 9 Anm. 7, Adler-Düring-Schmaltz4. Aufl., § 153 Anm. 55; Godin-Wilhelmi Anm. 14; Schlegelberger-Quassowski § 20 Anm. 3; BGH 29,306). Die früher oft verwendete Begründung, die aktienrechtlichen Bewertungsvorschriften enthielten nur Höchstbewertungsgrenzen und ließen Unterbewertungen zu, kann nach der Änderung des Bewer-

223

§27 A n m . 24c—24e

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

tungsrechts durch das AktG 65 allerdings nicht mehr verwendet werden. Jedoch hat das neue AktG die weitere Begründung f ü r die h. M . unberührt gelassen, nämlich, d a ß bei Sacheinlagen von Anschaffungskosten im Sinne des § 153 nicht gesprochen werden könne u n d d a ß die Funktion der Anschaffungskosten durch den Ausgabebetrag der Aktien ersetzt werde. Dem ist zuzustimmen. Abgesehen davon, d a ß für die vielen Fälle der Rechtsformänderung eines Unternehmens die sogenannte Buchwertverknüpfung, d. h. die Einbringung zum Buchwert und damit ohne Auflösung stiller Reserven, einer langen Ü b u n g der deutschen Wirtschaftspraxis entspricht (vgl. Gutachten des BFH in BFH 68, 78), vom Gesetzgeber zur Grundlage seiner mehrfachen Umwandlungssteuergesetze gemacht worden ist u n d vom AktG 65 trotz der Umstellung der aktienrechtlichen Bewertungsvorschriften von Höchstwerten zu bestimmten Werten nicht untersagt worden ist, wird von Ballerstedt die aktienrechtlich vorgesehene Kapitalsicherung überschätzt; sie bezieht sich immer nur auf das ausgewiesene, niemals aber auf das wirkliche Kapital. Das ausgewiesene Kapital bleibt aber auch d a n n gesichert, wenn bei der Bewertung der Sacheinlage durch Unterbewertung stille Reserven gebildet werden. Allerdings braucht die Gesellschaft derartige stille Reserven nicht zu bilden; selbst wenn sie das Nominalkapital dem wirklichen Wert der Sacheinlage nicht anpassen will, kann sie einen über dem Nennwert der Aktien liegenden höheren Ausgabebetrag festsetzen; d a n n ist die Sacheinlage zu diesem Ausgabebetrag zu bewerten u n d — vorausgesetzt, d a ß er den wirklichen Wert der Sacheinlage nicht übersteigt — der Differenzbetrag zwischen Nennwert u n d Ausgabebetrag in die gesetzliche Reserve gemäß § 150 Abs. 2 Ziff. 2 einzusetzen, womit er einer aktienrechtlichen Bindung unterworfen wird, die der des Grundkapitals fast entspricht. Allerdings erfordert dies dann — insofern mißverständlich Adler-Düring-Schmaltz § 153 Anm. 5 — die satzungsmäßige Festsetzung eines über den Nennbetrag hinausgehenden Ausgabebetrages. A n m . 24c Für die Bewertung der Sachübernahmen bestehen die bei den Sacheinlagen vorhandenen Schwierigkeiten nicht. Die Sachübernahme ist ein schuldrechtliches Anschaffungsgeschäft (Anm. 22, 24), bei dem die zugesagte Gegenleistung die Anschaffungskosten darstellt (so auch Ballerstedt S. 8 1 ; Döllerer S. 335; BFH 90, 171). A n m . 24 d 3. Die oberste Grenze der Bewertung von Sacheinlagen und -übernahmen ist der sich aus § 153 ff. ergebende Wert. Das folgt daraus, d a ß für die AG, sobald sie ins Leben getreten ist, die Bewertungsvorschriften der §§ 153 fr. gelten und deshalb alles dafür spricht, diese Bewertungsvorschriften als Höchstgrenzen auch für die Gründung gelten zu lassen, weil sich sonst für die Bilanz des ersten Geschäftsjahres Abschreibungserfordernisse ergeben könnten, die nichts mit dem Gang der Geschäfte zu tun haben. Der Bericht über u n d die Prüfung der Bewertung für Sacheinlagen und -übernahmen gemäß §§ 32 Abs. 2, 34 Abs. 1 Ziff. 2 u n d 38 Abs. 2 hat also unter Zugrundelegung der §§ 153 ff. zu erfolgen mit der Maßgabe, d a ß bei Sacheinlagen an die Stelle der Anschaffungskosten der Nennwert oder höhere Ausgabebetrag der Aktien tritt. Daraus ergibt sich d a n n d a ß die A G bei der Sacheinlage auch einen Fasson- oder Geschäftswert bezahlen darf (ebenso Godin-Wilhelmi Anm. 14). § 153 Abs. 3 steht nicht entgegen, weil die Einbringung im Sinne dieser Bestimmung ein entgeltlicher Erwerb ist (Adler-Düring-Schmaltz § 153 Anm. 16). Allerdings kann sich entgegen dem Wahlrecht des § 153 Abs. 3 ein Aktivierungszwang ergeben, wenn nur durch Aktivierung des Firmenwertes ein Aktivvermögen ausweisbar wird, das dem Nennbetrag oder höheren Ausgabebetrag der Aktien entspricht. A n m . 24e 4. Ist die Bewertung der Sacheinlage oder -Übernahme „nicht unwesentlich" falsch, so kann der Registerrichter — wenn er es erkennt, m u ß er — die Eintragung der Gesellschaft ablehnen (§ 38 Abs. 2). Trägt er trotzdem ein, so verbietet § 275 die An-

224

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 27

Anm. 25

nähme der Nichtigkeit der A G , weil keine Vorschrift des § 23 Abs. 3 Ziff. 2 und 3 fehlt oder nichtig ist; denn zu diesen Bestimmungen, die allein die Nichtigkeit der A G begründen könnten, gehören die Vorschriften des § 27 über Sacheinlagen und -übernahmen nicht. Auch eine Nichtigkeit des Einbringungsvertrages wegen Überbewertung der Sacheinlage (so Herbig DNotZ 1936,332) tritt nicht ein (§9 Anm. 5, vgl. auch B G H 29,307; wenn diese Entscheidung für die GmbH eine Nichtigkeit für den Fall eines „groben öffentlichen Verstoßes gegen gesunde kaufmännische Grundsätze" annimmt, so kann daraus für die A G keinerlei Schlußfolgerung gezogen werden, weil hier der Gründungsschutz anders gestaltet ist). Es greift vielmehr auch hier die Deckungszusage ein (vgl. Anm. 15fr., 3 1 ) .

Anm. 25 IV. Die Festsetzung der Sacheinlage und der Sachübernahme in der Satzung Bei der Sacheinlage und bei der Sachübernahme sind die in den Verträgen getroffenen Abmachungen in der Satzung festzusetzen. Das bedeutet jedoch nicht, daß die gesamten Abmachungen in die Satzung aufzunehmen seien. Vielmehr genügt es nach ausdrücklicher Vorschrift, wenn der Gegenstand und die Person, von welcher die A G erwirbt, ferner bei der Sacheinlage der Nennbetrag der zu gewährenden Aktien, bei der Sachübernahme die zu gewährende Vergütung festgesetzt werden. Der Gegenstand muß genau bezeichnet sein, bei einer Sachgesamtheit die etwa ausgenommenen Stücke (München O L G 32, 135), bei einer nicht in einer Sachgesamtheit bestehenden Mehrheit die bestimmte oder doch bestimmbare Zahl („alle meine Schiffe", K G O L G 22, 25). Uber die Identität der Sachen darf ebensowenig ein Zweifel bestehen, wie über die Person ( K G J 44 A 146; R G J W 1916, 1413 4 ). Das Bestimmtheitserfordernis gilt auch für die gewährten Aktien und die gewährte Vergütung ( R G 81, 409; 125, 328), namentlich auch für die übernommenen Schulden (BayObLG L Z 1919, 60 1 ). Unbegründet erscheint es, wenn demgegenüber Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 21 bei der Sacheinlage im Unterschied zu der Sachübernahme auch die Festsetzung sämtlicher Nebenabreden verlangen. Für eine solche unterschiedliche Behandlung der Sacheinlage und der Sachübernahme gibt das Gesetz keinen Anhalt. Bei der eindeutigen gesetzlichen Regelung läßt sich ein solcher Unterschied auch nicht aus dem besonderen Charakter der Sacheinlage rechtfertigen (wie hier auch Ritter § 20 Anm. 2 h). Auch Schlegelberger-Quassowski §20 Anm. 8 gehen zu weit, wenn sie in jedem Fall die Festsetzung aller die Gesellschaft verpflichtenden Nebenabreden verlangen. Behält sich allerdings in einer solchen Nebenabrede der Aktionär ein dingliches Recht an dem einzubringenden Grundstück vor (z. B. Wegerecht oder Wohnrecht), so muß das in der Satzung festgesetzt werden; in diesem Fall ist die Rechtslage ähnlich, wie wenn von einer einzubringenden Sachgesamtheit einzelne Stücke ausgenommen werden sollen. Im übrigen genügt es, wenn über die Nebenabreden besondere Urkunden vorliegen und diese dem Handelsregister miteingereicht werden ( R G J W 1933, 52; Godin-Wilhelmi Anm. 2; Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 22ff.; bedenklich die älteren Entscheidungen R G 81, 404; 1 1 4 , 77; 118, 1 1 7 ) . Sind die Abmachungen in der Satzung ordnungsgemäß festgesetzt und kann diese Festsetzung unter Berücksichtigung der überreichten Anlagen auch nicht durch zulässige Auslegung ergänzt werden (§ 23 Anm. 19), so gilt nur das in der Satzung Festgesetzte. Hierdurch wird bei der Sacheinlage entgegen der Vorschrift des § 139 BGB die Gültigkeit der Einlageverpflichtung, soweit diese aus der Satzung zu ersehen ist, nicht berührt ( R G 1 1 4 , 82; 118, 1 1 7 ) . Anders bei der Sachübernahme. Denn auf den Sachübernahmevertrag finden die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts Anwendung (Anm. 24), somit auch die Vorschrift des § 139 BGB; hier kann also die Unwirksamkeit von Nebenabreden zur Unwirksamkeit des ganzen Sachübernahmevertrages führen (ebenso Mann a. a. O. S. 24). Auch die Gesellschaft kann sich bei einer Sacheinlage nicht auf ihr günstige Zusicherungen berufen, sofern sich diese nicht wenigstens aus den zur Auslegung verwendbaren Anlagen, namentlich aus der Gründererklärung, ergeben. Liegt zwischen der Festsetzung in der Satzung und dem zum Handelsregister eingereichten Vertrag ein Widerspruch über den Einlagegegenstand 15

Aktlengesetz I , 3. Aufl.

225

§27

Anm. 26, 27

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

vor, so ist die Satzung maßgeblich (Ritter § ao Anm. 2 h ; Mann a. a. O . S. 26; unzutreffend R G 127, 193). Streitig ist, wie weit die Einlage- oder Übernahmevereinbarung rechtlich gediehen sein muß, um in der Satzung gem. § 27 festgesetzt werden zu müssen. Die Rechtsprechung geht dahin, daß in der Satzung alles festzusetzen ist, was so feste Gestalt angenommen hat, daß mit der Verwirklichung der Einlage- oder Ubernehmeabsicht bestimmt gerechnet werden kann ( R G 121, 102; 167, 108; K G in J W 24, 199; 32, 2670; O L G 43, 305; ebenso Fischer in der Vorauflage § 20 Anm. 25; a. M . O L G 43, 294; Heim Z H R 108, 198fr.; vgl. auch Mann a . a . O . S. 35). Für die Sacheinlagevereinbarung stellt sich dieses Problem nicht. Ist sie in die Gründungsurkunde nicht aufgenommen, so besteht eine Bareinzahlungsverpflichtung, und zwar auch dann, wenn der Gründer die Ubernahmeerklärung in bar nur zum Schein abgegeben hat. Der Bestimmung des Abs. 2 Satz 2 bedarf es hier gar nicht (Ballerstedt Z H R 127, 99). Eine Sachübernahme muß sicherlich dann satzungsmäßig festgelegt werden, wenn sie verbindlich verabredet und allgemeine Formvorschriften, die für sie gelten, erfüllt sind. O b man darüber hinausgehen soll, ist problematisch. Fehlt es an der vollen Rechtsverbindlichkeit, so kann die Bekanntgabe durch die Satzungsfeststellung leicht auch zu einer Irreführung der Öffentlichkeit über die Kapitalgrundlage der Gesellschaft führen (Ballerstedt a. a. O.), so daß gegenüber geplanten aber noch nicht verbindlichen Ubernahmen mit der Satzungsfeststellung Zurückhaltung geboten ist und die herrschende Rechtsprechung eher zu weit als zu eng ist. Beruht die fehlende rechtliche Verbindlichkeit auf der Nichtbeachtung einer allgemeinen Formvorschrift, so würde das Absehen von der satzungsmäßigen Feststellung dazu führen, daß die Heilung des Formverstoßes z. B. durch § 313 Satz 2 BGB oder § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbH-Gesetz, nicht nur die allgemeine, sondern auch die aktienrechtliche Formverletzung heilen würde. Ein derartiges Ergebnis ist von Fischer in der Vorauflage § 20 Anm. 25 mit Recht als unannehmbar bezeichnet, ebenso Ballerstedt a. a. O . S. 99, so daß das Fehlen einer satzungsmäßigen Festsetzung zur endgültigen, nicht heilbaren Nichtigkeit gemäß Abs. 2 S. i führt.

Anm. 26 V. Die Unwirksamkeit der Vereinbarung bei fehlender oder mangelhafter Festsetzung 1. Die Unwirksamkeit gegenüber der Gesellschaft Was über Sacheinlagen oder Sachübernahmen vereinbart, aber nicht in der Satzung festgesetzt ist oder nicht ordnungsgemäß festgesetzt ist, ist der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Das bedeutet einerseits nicht absolute Nichtigkeit der Verträge, andererseits aber auch nicht, daß die Unwirksamkeit nur zugunsten der Gesellschaft besteht. Vielmehr kann die Unwirksamkeit nicht nur von der A G , sondern auch vom Gegner geltend gemacht werden und ist von Amts wegen zu beachten ( R G 121, 103; 130, 251; J W 1904, 182**; JRdsch. 1926 Nr. 2355). Beide Teile können sich auf die Unwirksamkeit berufen, sobald sie feststeht. Das ist der Fall, wenn die Abmachungen bei Eintragung der A G nicht in der Satzung festgesetzt sind. Ist die Eintragung in letzter Instanz abgelehnt, so ist kein Teil mehr an den Vertrag gebunden. Da die Ablehnung der Eintragung nur mit der einfachen Beschwerde angefochten werden kann, die nur der Gesamtheit der Anmelder zusteht (§ 38 Anm. 10), so wird man dem Vertragsgegner das Recht einräumen müssen, den Anmeldern eine Frist zur Einlegung der Beschwerde, gegebenenfalls auch der weiteren Beschwerde zu setzen, mit deren Ablauf die Bindung aufliört.

Anm. 27 2. Der Umfang der Unwirksamkeit Die Unwirksamkeit ergreift nicht nur das Verpflichtungsgeschäft, sondern auch die „Rechtshandlungen zur Ausführung", also das Erfiillungsgeschäft. Ist z. B. die ganze Sacheinlage oder Sachübernahme in der Satzung übergegangen, der A G aber auf Grund der Abmachung ein Grundstück übereignet worden, so ist das Eigentum nicht wirksam auf die A G übergegangen. Das war, weil sich anders der volle Zweck des Gesetzes nicht

226

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 27

Anm. 28, 29

erreichen läßt, schon bisher angenommen worden ( R G 130, 253). § 27 Abs. 2 hat es klargestellt. Gleichwohl kann ein Aktionär eine geleistete, aber nicht wirksam festgesetzte Sacheinlage nicht ohne weiteres mit der Eigentumsklage usw. auch verlangen. Da das Gesetz in einem solchen Fall nach der Eintragung der Gesellschaft die scheinbare Begründung als wirklich aufrechterhalten will und darum der Aktionär zur Leistung der Bareinlage verpflichtet ist (Anm. 31),steht der Gesellschaft ein Zurückbehaltungsrecht am Gegenstand der Sacheinlage nach § 273 BGB zu, bis der Aktionär die Bareinlage geleistet hat. Es ist denkbar, daß in besonders gelagerten Fällen einem Aktionär die Einrede der unerlaubten Rechtsausübung entgegengehalten werden kann, wenn er eine geleistete Sacheinlage unter Berufung auf die Unwirksamkeit zurückfordert ( R G SeuffA 85, 188).

Anm. 28 3. Keine Unwirksamkeit im Verhältnis zwischen den Gründern sowie zwischen diesen und Dritten Das Rechtsverhältnis zwischen den Gründern sowie zwischen diesen und einem an dem Sachübernahmevertrag beteiligten Dritten wird von der Unwirksamkeitsfolge des Abs. 2 Satz 1 nicht ohne weiteres berührt. Vielmehr richtet sich der rechtliche Bestand dieses Rechtsverhältnisses nach seinem eigenen Inhalt. Dabei werden die Vereinbarungen zwischen den Gründern im allgemeinen davon ausgehen, daß die Gesellschaft zur Entstehung gelangt und die Gesellschaft in die Rechte und Pflichten des Abkommens über die Sacheinlage oder die Sachübernahme eintritt. Die Unwirksamkeit dieses Abkommens gegenüber der Gesellschaft würde damit die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung zwischen den Gründern berühren und diese Vereinbarungen damit ebenfalls gegenstandslos machen. Aber denkbar ist es durchaus, daß sich im Einzelfall für die beteiligten Gründer aus diesen Vereinbarungen vertragliche Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung ergeben. Häufiger wird das freilich bei einem Sachübernahmevertrag mit einem Dritten, der nach Abs. 2 Satz 1 gegenüber der Gesellschaft unwirksam ist, der Fall sein. Der Dritte hat keinen Einfluß darauf, daß die Gründer die Sachübernahme ordnungsgemäß in der Satzung'festsetzen. Die Unterlassung einer solchen Festsetzung wird im allgemeinen eine Verletzung der vertraglichen Pflichten der Gründer gegenüber dem Dritten darstellen und diese zum Schadensersatz verpflichten. Auch eine Haftung der Gründer aus unerlaubter Handlung kann in Betracht kommen. Dagegen kann der Dtitte nicht verlangen, daß die Gründer selbst in den Ubernahmevertrag eintreten; eine Anwendung der Vorschriften über den vollmachtlosen Vertreter ist ausgeschlossen.

Anm. 29 4. Keine Eintragung durch den Registerrichter Ob der Registerrichter die Eintragung der AktG abzulehnen hatte, wenn er zu der Uberzeugung gelangt, daß gegen § 186 H G B verstoßen worden sei, war streitig; die Praxis hatte es angenommen ( K G Ring 1, 208; J W 1924, 199 1 ; O L G Dresden R G 16, 81). § 38 Abs. 1 stellt das außer Zweifel. Der Registerrichter kann die Eintragung sogar dann ablehnen, wenn nach der Erklärung der Gründungsprüfer oder offensichtlich die Leistungen der A G für Sacheinlagen oder Sachübernahmen unangemessen hoch sind. Eine Ablehnung der Eintragung durch den Registerrichter kommt auch dann in Betracht, wenn es zu festen, in der Satzung nicht festgesetzten Abmachungen über Sacheinlagen oder Sachübernahmen gekommen ist (Schlegelberger-Quassowski § 3 1 Anm. 10; vgl. dazu auch oben Anm. 25). Wenn demgegenüber Heim ( Z H R 108, 215) geltend macht, daß die Ablehnung der Eintragung auch bei nicht rechtsverbindlichen Abmachungen über Sacheinlagen und Sachübernahmen zu dem ungewöhnlichen Ergebnis fuhren würde, daß sich die Beteiligten unter dem Druck einer Ablehnung der Eintragung erst zum Abschluß wirksamer Vereinbarungen entschließen müßten, so bleibt bei Zugrundelegung der zu Anm. 25 vertretenen Auffassung nur der Fall des Verstoßes gegen eine allgemeine Formvorschrift bei Sachübernahmen übrig. Hier scheint es aber nicht 15»

227

§27 Anm. 30, 31

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

unbillig, wenn unter dem Druck einer Ablehnung der Eintragung die allgemeine Formvorschrift gewahrt wird. Es ist auch nicht so, daß die Beteiligten erst unter dem Druck einer Ablehnung der Eintragung zur Durchführung solcher Vereinbarungen veranlaßt werden, vielmehr ist die feste Absicht zur Durchführung der Vereinbarungen Voraussetzung für die Ablehnung der Eintragung durch den Registerrichter.

Anm. 30 Sonstige Folgen fehlender oder mangelhafter Festsetzung: Das Unterbleiben der in § 27 vorgeschriebenen Festsetzungen kann zu einer Sonderprüfung des Gründungsvorgangs nach § 14a, zum Schadensersatz nach den §§ 46 fr. — nach § 47 Nr. 2 auch für den, der an einer Schädigung wissentlich mitgewirkt hat — und zur Bestrafung nach § 399 Abs. 1 Nr. 1 Anlaß geben.

Anm. 31 VI. Gültigkeit der Satzung und Verpflichtung des Aktionärs zur Bareinlage Es könnte der Zweifel entstehen, ob die Unwirksamkeit nach § 27, etwa die gänzliche Weglassung der vereinbarten Sacheinlage oder Sachübernahme, die Satzung ungültig und die A G , auch wenn sie eingetragen worden ist, nichtig macht. In der Tat ist diese Ansicht für das frühere Recht vertreten, vom Kammergericht allerdings abgelehnt worden ( K G Ring 1, 204; O L G E 43, 305). Das AktG lehnt sie ausdrücklich ab. Übrigens würde sich das schon aus § 275 ergeben, denn die Bestimmung über die „ H ö h e " des Grundkapitals wird nicht dadurch berührt, daß Einlagen auf das Grundkapital anders als durch Einzahlung zu leisten sind, geschweige dadurch, daß das Vermögen der A G zu Anschaffungen verwendet wird. Die Gültigkeit der Satzung wird nach § 27 Abs. 2 Satz 2 durch die Unwirksamkeit des Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfts nicht berührt, folglich auch nicht der Bestand der A G . Für Sacheinlagen wird zugleich noch eine mögliche Zweifelsfrage gelöst: ist die Vereinbarung einer Sacheinlage in der Satzung nicht wirksam festgesetzt, so bleibt, wenn die Gesellschaft eingetragen ist, der Aktionär verpflichtet, den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktie einzuzahlen. Bis er das tut, hat die A G ein Zurückbehaltungsrecht am Gegenstand der Sacheinlage (Anm. 27). Ein entgegenstehender Wille des Aktionärs, der keine Bareinlage, sondern eine Sacheinlage hat machen wollen, wird rechtlich nicht beachtet. Das gilt in erster Linie dann, wenn die Vereinbarung über die Sacheinlage in der Satzung überhaupt fehlt und demgemäß der Rechtsschein erweckt wird, als sei eine Bareinlage beabsichtigt gewesen. Es gilt jedoch auch dann, wenn die Vereinbarung zwar in der Satzung enthalten, aber nach Gegenstand oder Person des Gründers so wenig bestimmt ist, daß auch mit Hilfe zulässiger Auslegung eine genügende Bestimmung nicht möglich ist (§ 23 Anm. 19, oben Anm. 25). In allen diesen Fällen ist Einzahlung zu leisten. Ist der Nennbetrag der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien nicht genügend bestimmt und auch nicht durch Auslegung zu ermitteln, so ist das nur denkbar unter gleichzeitigem Verstoß gegen § 33 Abs. 3 Ziff. 4. Alsdann ist freilich Abs. 2 Satz 2 Halbsatz a nicht anwendbar, weil die zu leistende Einzahlung nicht zu bestimmen ist. Zugleich liegt aber dann ein unheilbarer Nichtigkeitsgrund nach den §§ 275, 276 vor (Godin-Wilhelmi Anm. 15). — Bei einer Sachübernahme kommen diese Erwägungen nicht in Frage, weil bei ihr der Veräußerer keine Einlage zu machen hat. Es bewendet dort bei der Unwirksamkeit des Verpflichtungs- und Erfullungsgeschäfts, die aber die Gültigkeit der Satzung und den Bestand der A G nicht berührt. Die Bestimmung des Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz, wonach bei fehlender oder mangelhafter Festsetzung einer Sacheinlage der Aktionär zur Leistung eine Bareinlage verpflichtet bleibt, ist nicht eine Ausnahmevorschrift in dem Sinn, daß nur in diesem Fall der Aktionär statt der vorgesehenen Sacheinlage eine Barleistung zu erbringen hat (so Schlegelberger-Quassowski § 20 Anm. 1 5 ; wie hier jetzt Godin-Wilhelmi Anm. 15). Diese Bestimmung setzt keine Ausnahme von einer sonst etwa bestehenden Regel, sondern stellt eine Rechtsfolge klar, die sich bereits aus allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen,

228

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 27

Anm. 32—34

nämlich aus der Haftung des Aktionärs für seine Deckungszusage, ergibt. Es ist daher auch nicht möglich, aus dieser Bestimmung im Wege des Umkehrschlusses die Folgerung zu ziehen, daß es im Fall einer anderweiten Nichtigkeit des Abkommens über eine Sacheinlage (etwa wegen Formmangel oder anfanglicher Unmöglichkeit) bei dieser Nichtigkeit sein Bewenden hat (Anm. 15, 16).

Anm. 32 VII. Hellung eines Verstoßes Die Frage nach der Möglichkeit einer Heilung des Verstoßes gegen die Vorschriften über die Festsetzung der Sacheinlage und Sachübernahme war nach dem H G B lebhaft umstritten und Gegenstand zahlreicher Auffassungen. Die Frage war nach der damaligen gesetzlichen Regelung kaum zu lösen (vgl. über den Stand der damaligen Meinungen 1. A u f l . Anm. 19 und R G 167, 111). Das A k t G 37 hat diesen Fragenkomplex völlig neu geregelt und damit die alten Streitfragen endgültig erledigt. Das A k t G läßt nunmehr eine Heilung des Verstoßes durch eine Nachgründung zu. Es hat die früheren Bedenken gegen diesen Weg dadurch ausgeräumt, daß es auch für die Nachgründung eine Prüfung durch Gründungsprüfer und zudem Eintragung des Vertrages ins Handelsregister vorgeschrieben hat (§ 52 Abs. 4, 6, 7, 8). Nach § 52 Abs. 10 ist die Wirksamkeit der Nachgründung nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine vorangegangene Vereinbarung der Gründer über denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist. So kann eine Sachübernahme geheilt und eine beabsichtigte Sacheinlage durch eine Sachübernahme ersetzt werden. Die Gläubiger der A G erscheinen damit genügend gesichert. Die Neuvornahme heilt allerdings auch dann, wenn sie erst nach mehr als zwei Jahren seit der Eintragung der A G vorgenommen wird (§ 52 Abs. 10), wobei dann die Sicherungen der Nachgründung wegfallen. Alsdann erscheinen sie aber auch entbehrlich, weil die A G schon längere Zeit besteht und ihre Kapitalgrundlage dem Werte nach nicht verändert wird. Ein Anspruch auf Mitwirkung bei der Heilung läßt sich auf die unwirksam getroffene Abrede (Anm. 27) nicht gründen, es bedarf dazu beiderseitiger Bereitwilligkeit (a. M . Baumbach-Hueck R n . 12; Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 409 N. 25).

Anm. 33 Dagegen hat § 27 Abs. 3 den von der Rechtsprechung des Reichsgerichts als Notbehelf eingeschlagenen Weg einer Heilung durch Satzungsänderung ausgeschlossen. Nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann die Unwirksamkeit nicht mehr durch Satzungsänderung geheilt werden. Die Heilung durch Satzungsänderung ist also nur noch vor der Eintragung möglich (§ 26 Anm. 16). In diesem Fall entsteht die A G schon mit der abgeänderten Satzung. Es müssen vor der Eintragung aber auch die übrigen Sicherungen nachgeholt werden, die für Festsetzungen nach § 27 vorgeschrieben sind: Gründungsbericht nach § 32 Abs. 2, Prüfung durch Gründungsprüfer, Vorstand und Aufsichtsrat (§ 33 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 34 Abs. 1 Nr. 1), Beifügung der Verträge (§ 37 Abs. 2 Nr. 2).

Anm. 34 VII. Änderung der getroffenen Festsetzungen 1. Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage Abs. 4 läßt durch Bezugnahme auf § 26 Abs. 4, dem früheren § 145 Abs. 3, die Änderung einer Sacheinlagefestsetzung im Wege der Satzungsänderung zu. Hierzu gehört die Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage. Die früher möglichen Bedenken gegen die Zulässigkeit einer solchen Umwandlung sind heute angesichts der Vorschrift des Abs. 4 nicht mehr gerechtfertigt (Schlegelberger-Quassowski § 20 Anm. 20; Ritter § 20 Anm. 2k; ebenso für die G m b H K G J W 1937, 321; Scholz § 5 Anm. 30). Allerdings ist bei einer solchen Umwandlung zu beachten, daß diese nicht zu einer teilweisen

229

§ 27 A n m . 35—37 § 28 A n m . I

.

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Befreiung des einlagepflichtigen Aktionärs von seiner Leistungsverpflichtung fuhrt (§ 66). Daher muß in jedem Fall die Bareinlage, falls die Sacheinlage tatsächlich einen höheren Wert gehabt hat, auch diesem höheren Wert entsprechen. Den Gläubigern darüber hinaus auch noch einen unentziehbaren Anspruch darauf zuzubilligen, daß die in der Satzung angegebene Vermögensgrundlage nicht nur mit ihrem Wert, sondern auch mit den angeführten Vermögensgegenständen wirklich vorhanden ist, ist nicht gerechtfertigt. Wie das Kammergericht (JW 1937, 321) mit Recht hervorhebt, mögen die Gläubiger zwar ein Interesse an der Erhaltung einer Sacheinlage haben, ein Anspruch darauf steht ihnen aber nicht zu, so wie sie auch nicht verhindern können, daß die Gesellschaft die Vermögensgegenstände veräußert, die den Gegenstand einer Sacheinlage gebildet haben. Anm. 3 5 Die Satzungsänderung setzt in jedem Fall die Zustimmung des einlagepflichtigen Aktionärs voraus, weil die Satzungsänderung zugleich eine Änderung des Einbringungsvertrages in sich schließt und diese nicht ohne Zustimmung des betreffenden Aktionärs erfolgen kann (Ritter § 20 Anm. 2 k). Im übrigen ist eine solche Änderung erst nach 5 Jahren, also erst nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 51 zulässig. A n m . 36 2. Umwandlung einer Bareinlage in eine Sachelnlage Sie ist nicht zulässig. Auch Abs. 4 bietet für eine solche Umwandlung keine geeignete Grundlage, da diese Vorschrift nur die Änderung rechtswirksam getroffener Festsetzungen über Sacheinlagen gestattet. Eine solche Umwandlung würde zudem mit der zwingenden Schutzvorschrift des § 27 in Widerspruch stehen, weil dann auch eine Bareinlagepflicht, die wegen Unwirksamkeit des Sacheinlagevertrages gemäß Abs. 2 entstanden ist, durch eine einfache Satzungsänderung in eine Sacheinlagepflicht geändert werden könnte (allg. Ansicht). Anm. 37 Für die Beseitigung der dem § 27 entsprechenden Satzungsfeststellungen über Sacheinlage und -Übernahme gilt § 26 Abs. 5 entsprechend (vgl. § 26 Anm. 20). Infolgedessen muß auch eine später abgeänderte und neugefaßte Satzung, die durch § 27 gebotenen Festsetzungen mit späteren Änderungen (Anm. 34 und 35), übernehmen. Obwohl die Vorgänge in der Vergangenheit liegen und vielleicht nicht mehr interessieren, gehört ihre Wiedergabe doch zur Vollständigkeit der Satzung.

§ SS

Gründer

Die Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben, sind die Gründer der Gesellschaft. Anm. 1 Die Vorschrift bestimmt den Begriff der Gründer. Dieser Begriff ist für mehrere andere Vorschriften, insbesondere für die Frage nach der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Haftung, von Bedeutung (z. B. § 32, § 33 Abs. 2 Nr. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 1, §§ 46, 29g; vgl. § 2 Anm. 6). Die Bestimmung entspricht S. 1 des § 21 AktG 37, während der bisherige Satz 2, der den Gründerbegriff für die Stufengründung bestimmte, wegen Wegfalls der Stufengründung gestrichen worden ist.

230

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 28 Anm. 2—*

Anm. 2 Das Gesetz kennt nach Fortfall der Stufengründung nur noch eine Gruppe von Gründern, nämlich diejenigen Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben. D a es Aktionäre sind, so muß jeder auch mindestens eine Aktie übernommen haben. Personen, die sich etwa sonst noch — überflüssigerweise — an der Feststellung der Satzimg beteiligen, ohne Aktien zu übernehmen, gehören nicht zu den Gründern (§ a Anm. 6). Z u den Gründern gehören sowohl diejenigen, welche die Satzung festgestellt haben und Bareinlagen machen, als auch diejenigen, welche die Satzung festgestellt haben und Sacheinlagen machen. Es gehören dazu ferner diejenigen, welche bei einer noch vor der Eintragung einstimmig vorgenommenen Kapitalerhöhung oder anderen Satzungsänderung die abgeänderte Satzung festgestellt und — sei es mit Bareinlage, sei es mit Sacheinlage — Aktien übernommen haben ( K G O L G E 43, 300). Anm. 3 Andere Personen sind nicht Gründer, also namentlich nicht diejenigen, von denen im Fall der Sachübernahme (§ 27 Anm. 22) die A G Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände erwirbt. Eine Verantwortlichkeit für den Gründungshergang kann aber auch solche „Gründergenossen" nach § 47 treffen. V g l . auch § 46 Abs. 5. Anm. 4 Uber die Gründer s. im übrigen § 2 Anm. 5 ff. A n die Stelle verstorbener Gründer treten, wenn die errichtete Gesellschaft nicht durch den T o d aufgelöst wird (§29 Anm. 13), gemäß § 1922 BGB die Erben, so Baumbach-Hueck R n . 3 ; vgl. auch § 36 Anm. 6; a . M . GodinWilhelmi § 29 Anm. 5, die Höchstpersönlichkeit der Gründerstellung und damit ihre Unvererblichkeit, trotzdem aber Bindung an die Ubernahmeerklärung ohne Gründereigenschaft annehmen. Dahinter steckt die Überlegung, daß der oder die Erben für die vom Erblasser bereits begründeten zivilrechtlichen Haftungen auf den Nachlaß beschränkbar gemäß §§ 1967 ff. BGB haften, daß aber, wenn sie vom Erblasser noch nicht abgegebene Erklärungen nun ihrerseits abgeben, wie z. B. den Gründerbericht oder die Anmeldung zum Handelsregister, eine persönliche Haftung, ggfs. sogar eine strafrechtliche Haftung eintritt, für die es eine Beschränkbarkeit auf den Nachlaß nicht gibt. Aber wenn Godin-Wilhelmi selbst die Bindung der Erben an die Ubernahmeerklärung betonen,'sind sie auch an die aus der Satzungsfestsetzimg und der Ubernahmeerklärung sich konkludent ergebende Verpflichtung gebunden, bei der Gründung der A G mitzuwirken und damit auch die zur Eintragung der A G erforderlichen Erklärungen abzugeben. Daß, wenn der Erblasser vor der Anmeldung oder vor der Abgabe des Gründungsberichtes gestorben ist, diese Erklärungen von den Erben unter eigener Verantwortung abgegeben werden müssen, kann diese nicht von ihrer Abgabe befreien. Wenn ein Erblasser auf Grund eines Vorvertrages die Verpflichtung übernommen hatte, ein Gebäude zu errichten oder eine Gesellschaft zu gründen, so kann der Erbe die beschränkte Erbenhaftung nicht in Anspruch nehmen, wenn er die Verträge über die Errichtung des Gebäudes und den Gesellschaftsvertrag abschließt. Er kann auch die Erfüllung des Vorvertrages nicht wegen einer für ihn aus dem endgültigen Vertragsschluß entstehenden Haftung ablehnen. Für die Erfüllung der Verpflichtung, zur Gründung der A G beizutragen, kann dann nichts anderes gelten. Im übrigen vgl. Anm. 6 zu § 36.

231

§ 29 A n m . 1, 2

§ 29

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Errichtung der G e s e l l s c h a f t

Mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer ist die Gesellschaft errichtet. Übersicht: Anm.

Einleitung 1. Die rechtliche Natur des Errichtungsakts 2. Die Rechtsnatur der errichteten Gesellschaft 3. Die rechtliche Behandlung der errichteten Gesellschaft a) Firmenschutz und Namensschutz b) Parteifähigkeit und Konkursfähigkeit c) Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften

I

3—5

Anm.

d) Die Haftung aus Rechtsgeschäften und aus unerlaubter Handlung e) Anfechtung und Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages f) Änderung der Satzung g) Die Beendigung der errichteten Gesellschaft >3. 14 4. Die nachträgliche Übernahme von Aktien 15

Anm. 1 Einleitung Nachdem das AktG 65 die Stufengründung gestrichen hat, entfiel in dem im wesentlichen dem § 188 HGB entnommenen § 22 AktG 37 der zweite Absatz. Der erste Absatz ist gegenüber 37 völlig unverändert.

Anm. 2 1. Die rechtliche Natur des Errichtungsakts Mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer tritt die Gesellschaft in ein Stadium, welches das Gesetz damit kennzeichnet, daß die Gesellschaft damit als „errichtet" gilt. Die Errichtung der A G ist nicht mit dem Abschluß eines wirksamen Vorgründungsvertrages (§ 23 Anm. 22 ff.) zu verwechseln. Dieser ist ein Vertrag zwischen den zukünftigen Gesellschaftern, in dem diese sich zur Gründung einer A G gegenseitig verpflichten. Dieser Vertrag, der stets die Bildung einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft zum Gegenstand hat, findet mit der Entstehung der A G ihr Ende, wobei diese bürgerlichrechtliche Gesellschaft mit der späteren A G nicht identisch ist (§ 23 Anm. 26). Die Errichtung der A G hingegen ist etwas anderes; sie ist bei der Entstehung der A G ein notwendiger und besonderer Abschnitt, dem auch eine besondere rechtliche Wirksamkeit zukommt. Die A G ist aber mit der Errichtung noch nicht „entstanden", d. h. als Rechtspersönlichkeit vorhanden. Sie entsteht erst mit der Eintragung (§ 34). Wenn Ritter § 22 Anm. 2 dem Errichtungsakt keinen rechtlichen Eigenwert zumißt und die Bedeutung des Abs. 1 nur in einer Erläuterung des in § 38 Ate. 1 gebrauchten Wortes „errichtet" erblickt, so kann dem nicht gefolgt werden. Mit der Errichtung der Gesellschaft ist diese als eine werdende A G bereits vorhanden. Ob der Vergleich des Reichsgerichts (RG 105, 228) mit dem nasciturus das Richtige zutreffend zum Ausdruck bringt, mag zweifelhaft sein (vgl. dazu kritisch Kuhn W M Sonderbeilage 5/1956 S. 5). Jedenfalls sind schon in diesem Stadium für die Gesellschaft und zum Schutz der Gesellschaft ihre Verwaltungsorgane, der Aufsichtsrat und der Vorstand zu bestellen (§ 30), es sind die in § 36 Abs. 2 genannten Teilbeträge der Bareinlagen der Gesellschaft zu leisten (§ 54 Abs. 3), und es kann in diesem Zeitpunkt auch schon die Mitteilung gemäß § 25 Abs. 2 HGB ergehen, daß die A G Verbindlichkeiten oder Forderungen eines von ihr erworbenen Handelsgeschäfts, das sie unter der bisherigen Firma fortführen werde, nicht übernommen habe (RG 131, 30).

232

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 29

Anm. 3, 4

Anm. 3 2. Die Rechtsnatur der errichteten Gesellschaft Diese ist in Rechtsprechung und Schrifttum lebhaft umstritten. Zunächst wurden vornehmlich zwei Auffassungen vertreten. Die eine von diesen geht dahin, daß mit der Errichtung der Gesellschaft unter den Gründern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts entstehe, wobei diese Gesellschaft die Entstehung der A G zum Ziele habe und die Gesellschafter demgemäß verpflichtet seien, zur Erreichung dieses Zwecks mitzuwirken ( R G 58, 56; 8a, 290; 83, 373; 87, 249; 105, 229; 131, 3 1 ; 144, 356; 151, 9 1 ; K G J 40 A 68; O L G Tübingen D R Z 1950,18; ebenso 1. A u f l . § 22 Anm. 7; Düringer-Hachenburg §200 Anm. 12; Brodmann § 200 Anm. i a ; Wieland Handelsrecht II S. 73; SchlegelbergerQuassowski § 22 Anm. 4; Teichmann-Koehler § 16 Anm. 2 a ; Godin-Wilhelmi 2. A u f l . Anm. 9; Scholz J W 1938, 3149fr.; Gadow IherJ 87, 248; Lobedanz Einfluß von Willensmängeln auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte 1938 S. 133; Würdinger S. 103fr., der der Gesellschaft b. R . aber jede Identität mit der späteren A G abspricht). Demgegenüber geht die andere Ansicht davon aus, daß die errichtete Gesellschaft entsprechend ihrem Wesen als eine werdende Korporation körperschaftlichen Charakter habe und daher als nichtrechtsfähiger Verein angesprochen werden müsse (Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. I I I 1 S. 109; Baumbach-Hueck R n . 4 ; Lehmann Gesellschaftsrecht S. 188; Haupt-Reinhardt Gesellschaftsrecht S. 117; Heymann IherJ75,417; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 189; Baur D R Z 1950, 10; BayerJZ 1952, 552; Haberkorn BB 62, 1408; ähnlich auch StaudingerCoing § 54 Anm. 72). Wenn angesichts dieses Meinungsstreits gelegentlich geäußert wird (vgl. Hueck a . a . O . ) , daß dieser für die praktische Rechtsanwendung keine allzu große Bedeutung habe, weil in beiden Fällen die Vorschriften der §§ 705 ff. BGB, nämlich entweder unmittelbar oder auf dem Wege über § 54 Satz 1 BGB, Anwendung finden, so erscheint das nicht richtig (zustimmend Ganssmüller GmbH.Rdsch. 1955, 211). Praktisch bedeutsame Unterschiede ergeben sich bei der Frage nach einem etwaigen Namensschutz für die errichtete Gesellschaft, nach ihrer passiven Parteifahigkeit und ihrer Konkursfahigkeit sowie nach einer etwaigen Anwendung des § 3 1 BGB, der nach wohl zutreffender Ansicht auch für den nichtrechtsfähigen Verein (vgl. etwa R G R K BGB § 54 Anm. 15 m. w. N.), aber auf keinen Fäll für die bürgerlichrechtliche Gesellschaft gilt. Die Bedeutsamkeit dieses Meinungsstreits wird für die praktische Rechtsanwendung noch stärker, wenn für Rechnung der errichteten Gesellschaft bereits in diesem Stadium ein als Sacheinlage eingebrachtes Handelsgeschäft geführt wird und sich damit der Zweck der errichteten Gesellschaft nicht nur auf die Entstehung der künftigen A G , sondern auch auf die vorläufige Führung des eingebrachten Geschäfts während dieses Zeitraums bezieht. In diesem Fall erscheint eine vor allem neuerdings vielfach vertretene Ansicht, daß nämlich die bürgerlichrechtliche Gesellschaft in Wahrheit eine offene Handelsgesellschaft sei (so O L G Frankfurt NJW 1947/48, 429; Paul, ebenda 419; Scholz § 2 Anm. 10 a. E . ; Merkert BB 1951, 322; O L G Celle NJW 1951, 36; O L G Hamburg Betr. 1952, 460; L A G Mannheim J Z 1952, 436; L A G Stuttgart Betr. 1954, 107; BGHSt. 3, 26; O L G Oldenburg BB 1955, 713; Haberkorn BB 62, 1411; ähnlich Schultze-v. Lassaulx J Z 1952, 390; dagegen eingehend Otto BB 1954, 573f.), nur folgerichtig. Dann führt aber die Annahme, daß die errichtete Gesellschaft eine offene Handelsgesellschaft sei, notwendigerweise zu der unbeschränkten Haftung aller Gesellschafter (§ 128 H G B ) , während bei der Annahme eines nichtrechtsfähigen Vereins grundsätzlich nur von einer beschränkten Haftung der nicht handelnden Gesellschafter auszugehen ist.

Anm. 4 Der grundsätzliche Ausgangspunkt all dieser Meinungen, daß nämlich die errichtete Gesellschaft einer bestimmten T y p e des bürgerlichen Rechts oder des Handelsrechts unterzuordnen sei, erscheint unrichtig. Das wird besonders offenbar, wenn man sich vor Augen hält, daß die Vertreter dieser Meinungen der gleichen Ansicht für die werdende G m b H und für die werdende Genossenschaft sind. Es kann nicht richtig sein, diese verschiedenartigen Gebilde rechtlich gleich zu behandeln und damit die wesent-

233

§29 Anm. 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

liehen Unterschiede ihrer Gestaltungs- und Organisationsformen außer acht z u lassen. Es ist daher auch kein Zufall, daß selbst einige Vertreter dieser Meinungen der Auffassung sind, daß sich die Eigenart der werdenden A G nicht durchweg in eine bestimmte Form pressen lasse (Wieland Handelsrecht II S. 73 Anm. 16) und daß demgemäß die anzuwendenden Vorschriften ohnehin abgewandelt und dem besonderen Zweck der Gründungsvereinigung angepaßt werden müßten (Hueck Gesellschaftsrecht S. 123; vgl. auch die Begründung, mit der in R G 82, 290 die Anwendung des § 728 BGB abgelehnt wird). Die genannten Typen des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts sind als in sich fertige, endgültige Rechtsformen geregelt, und ihre Anwendung auf die errichtete A G läßt gerade das entscheidende Merkmal der werdenden A G , ihren noch unfertigen, nur vorläufigen, also nicht endgültigen Zustand, außer acht (vgl. Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1924 S. 65). Daher ist es auch rechtlich nicht möglich, die werdende A G in eine dieser fertigen Organisationsformen einzuordnen und damit womöglich ihre besondere Eigenart völlig unberücksichtigt zu lassen. Es erscheint vielmehr, will man nicht dem Begriffsschema und der begrifflichen Zuordnung einen bedenklichen Eigenwert zubilligen, allein richtig, die werdende A G rechtlich als das zu sehen und rechtlich als das zu behandeln, was sie ist, nämlich als eine nicht eingetragene A G , d. h. eine A G abzüglich derjenigen Eigenschaften, die erst durch die Eintragung erworben werden, also als einen Verband, auf den alle Rechtssätze über die A G Anwendung finden mit Ausnahme derjenigen, die durch die Eintragung bedingt sind, und derer, die durch andere Vorschriften besonders ersetzt sind (so Feine Ehrenb. Hdb. I I I 3 S. 201). Das bedeutet, daß die werdende AG nicht einer bestimmten Vereinigungsform des bürgerlichen Rechts oder des Handelsrechts zugeordnet werden kann, sondern daß sie grundsätzlich dem für ihre Organisationsform geltenden Sonderrecht untersteht, wobei die besondere Lage, der noch unfertige und noch nicht endgültige Zustand der werdenden A G , eine besondere Berücksichtigung erfordert (ebenso außer Schreiber a. a. O und Feine a. a. O . B G H 20, 281; 21, 242545, 347; B G H in L M § 34 A k t G . N. 2; § 11 G m b H G Nr. 12; B A G N J W 63, 680; B a y O b L G A k t G 66, 132; O L G Nürnberg W M 59, 1274; Hachenburg-Schilling § 1 1 Anm. 2; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 6gff.; Mentzel-Kuhn K o m m K O §207 Anm. 2; Ganssmüller G m b H Rdsch. 1953, 116ff.; 1955, 210; 1963, 101; D B 55, 713; N J W 56, 1186; Erman Z i v A 152, 284; Schnorr Arb. u. R . 1953, 68; Kalter Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1955, 4 1 ; K u h n W M Sonderbeilage 5/1956 S. 3; W M 57, 1142; Reinecke A k t G 62, 67; Ballerstedt Z H R 127, 101; Dilcher J u S 66, 90; Siegelmann D B 64, 1179 u. GmbH-Rdsch. 68, 116; ebenso jetzt Godin-Wilhelmi Anm. 4; vgl. auch Büttner, Identität und Kontinuität bei der Gründung jur. Personen S. 4 7 — 5 1 , 70 fF.).

Anm. 5 Diese rechtliche Beurteilung bedarf jedoch noch einer Ergänzung. Es kommt namentlich bei der Gründung einer G m b H — bei der Gründung einer A G sind diese Fälle wohl selten — immer wieder vor, daß vor der Eintragung der G m b H nicht nur der volle Geschäftsbetrieb namens der in der Gründung befindlichen G m b H im vollen Umfang aufgenommen wird, sondern daß sich der Geschäftsbetrieb in dieser Form auch zu einem Dauerzustand entwickelt. In Fällen dieser Art ist es nicht möglich, von einer Anwendung der Vorschriften über die offene Handelsgesellschaft Abstand zu nehmen, es also insbesondere zuzulassen, daß ein solcher Geschäftsbetrieb grundsätzlich unter einer beschränkten Haftung der Beteiligten (Anm. 10; § 4 1 Anm. 19, 21) durchgeführt wird. Denn anderenfalls könnte die zwingende Vorschrift des § 128 H G B über die unbeschränkte persönliche Haftung eines jeden Gesellschafters einer O H G allzu leicht umgangen werden. Auch würden auf diesem Wege die bei der Gründung einer A G (oder G m b H ) einzuhaltenden Schutzvorschriften zugunsten der Gesellschaftsgläubiger praktisch gegenstandslos werden. Insoweit, aber auch nur insoweit ist den Ausführungen von Schultze-v. Lassaulx J Z 1952, 390 daher durchaus zuzustimmen. Der Bundesgerichtsh o f h a t diesem Rechtsgedanken in der Form Ausdruck gegeben, daß er eine Anwendung des § 128 H G B dann bejaht, wenn die Gründer bei der Führung ihres Geschäftsbetriebs die Rechtsform der von ihnen ins Auge gefaßten juristischen Person mißbrauchen (BGH

284

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 29

Anna. 6—8

ao, 281 mit Anm. bei L M Nr. 3 zu § 13 G e n G ; K u h n W M Sonderbeilage 5/1956 S. i 6 f . ; Reinecke A k t G 62, 68; B a y O b L G A k t G 66, 134; Baumbach-Hueck R n . 6; Würdinger S. 103; im Ergebnis ähnlich, wenngleich mit gewissen Abweichungen, auch untereinander Hachenburg-Schilling § 11 Anm. 15; Dregger GmbH-Rdsch. 1952, 187; Ganssmüller GmbH-Rdsch. 1953, i29/3of.; D B 55, 715 u. N J W 56, 1187; vgl. auch B G H in W M 65, 246).

Anm. 6 3. Die rechtliche Behandlung der errichteten Gesellschaft Besondere Bedeutung erhält die Frage nach der rechtlichen Behandlung der errichteten Gesellschaft, wenn für Rechnung der Gesellschaft ein als Sacheinlage eingebrachtes Handelsgeschäft gefuhrt und damit schon in diesem Stadium eine umfangreiche Tätigkeit für die werdende Gesellschaft entfaltet werden muß. Es erscheint nicht angängig, in einem solchen Fall bei der rechtlichen Behandlung der errichteten Gesellschaft von dieser besonderen Aufgabe und diesem Tätigkeitsbereich abzusehen. Der Zweck der Gesellschaft beschränkt sich in einem solchen Fall nicht nur auf die Entstehung der rechtsfähigen A G , sondern er umfaßt auch den Betrieb des eingebrachten Handelsgeschäfts, soweit dieser ohne entscheidende Einbußen in der Zwischenzeit nicht stilliegen kann (dazu auch § 4 1 Anm. 12). Bei einer solchen Sachlage ergeben sich sodann im einzelnen fiir die errichtete Gesellschaft nachstehende Rechtsfragen:

Anm. 7 a) Firmenschutz und Namensschutz Die werdende A G ist noch kein Kaufmann, da diese Eigenschaft bei ihr die Rechtsfähigkeit voraussetzt. Sie kann deshalb auch noch keinen Firmenschutz genießen. Es erscheint nicht möglich, einen solchen Schutz unter Berücksichtigung der Vorschriften über die O H G zu bejahen, weil hierbei der grundsätzliche Unterschied zwischen der werdenden A G , die ihrerseits allein — nicht ihre Gründer — Kaufmann werden soll, und der Personenverbindung in Gestalt der O H G , bei der die Gesellschafter die Kaufleute sind, übersehen werden würde. Andererseits erscheint es aber nicht ausgeschlossen, der werdenden A G in diesem Stadium wenigstens einen Namensschutz zu gewähren. Das Gesetz (§41 Abs. 2) sieht selbst vor, daß bereits vor der Entstehung der rechtsfähigen A G in ihrem Namen Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden, daß sie also am Rechtsverkehr teilnimmt. Da sie in diesem Zeitpunkt schon eine Organisationsform mit eigenen Verwaltungsorganen (vgl. § 30) besitzt, die einen körperschaftsrechtlichen Charakter aufweist, und da der Namensschutz, wie der nichtrechtsfähige Verein lehrt ( R G 78, 101), nicht die Rechtsfähigkeit der fraglichen körperschaftsrechtlichen Vereinigung voraussetzt, so steht einer Anerkennung des Namensschutzes nichts entgegen (ebenso Feine Ehrenb. Hdb. I I I 3 S. 202; Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1924 S. 67; Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 410 N 29; Büttner a. a. O . S. 121; Baumbach-Hueck R n . 6).

Anm. 8 b) Parteifähigkeit und Konkursfähigkeit Die aktive Parteifähigkeit ist im Recht der Personenvereinigungen grundsätzlich an die Rechtsfähigkeit der betreffenden Personenvereinigung gebunden. Die für die Personalhandelsgesellschaften geltende Ausnahme ist durch die besondere Wirksamkeit dieser Gesellschaften im Handelsverkehr bedingt und wesentlich davon abhängig, daß sie eine fertige Personenvereinigung ist und ihr Auftreten im Handelsverkehr für die Dauer bestimmt ist. Daher kann der werdenden A G die aktive Parteifahigkeit nicht zugesprochen werden (a. M . Büttner a. a. O . S. 120). Dasselbe muß für die Wechselfähigkeit gelten; auch sie steht der werdenden A G nicht zu, zumal sie j a auch der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft und dem nichtrechtsfähigen Verein versagt wird (Baumbach-Hefermehl W G 9. Aufl., Einleitung W G Anm. 18). Die Zuerkennung der Grundbuchfahig-

235

§29

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 9

keit ist zweifelhaft; während die Auflassung an die künftige Rechtsperson seit längerem anerkannt ist ( O L G 6 . 4 6 8 ; R G i n J W 1925,1109; D R 4 i , i o 8 7 ; Baumbach-Hueck § 41 R n . 6 ; Scholz GmbH-Ges. § 7 Anm. 11; Hachenburg-Schilling GmbH-Ges. § 7 Anm. 16), hat erstmals BGH 45,348 die gegründete G m b H vor ihrer Registereintragung u n d damit vor ihrer Entstehung als grundbuchfahig anerkannt (ebenso Büttner a. a. O. S. 120; a. M . Godin-Wilhelmi § 41 Anm. 8). Davon ausgehend, d a ß für die errichtete A G nichts anderes als f ü r die errichtete G m b H gelten kann, bedeutet diese Entscheidung zwar eine wesentliche Einschränkung des §41 Abs. 1 S. 1, ist aber eine logische Konsequenz der Erfassung der errichteten Gesellschaft als eines interimistischen Rechtsträgers, zumal bei Annahme der Gründergesellschaft als bürgerlichrechtliche Gesellschaft die Eintragung für die Gründergesellschafter unter ihrer Zusammenfassung als Mitglieder einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft im Grundbuch zulässig wäre. Dagegen ist die passive Parteifahigkeit ohne Bedenken anzuerkennen (so auch BAG in A P Nr. 1 zu § 11 G m b H Ges. mit Anm. von Hueck; Ganssmüller GmbH-Rdsch. 63, 104; Bay.ObLG in AktGes. 66, 133 u n d L G München in M D R 64, 604). Hier bietet die Vorschrift des § 50 Abs. 2 Z P O den geeigneten Anknüpfungspunkt. Aus dem gleichen Grund wird m a n die Konkursfähigkeit der werdenden A G bejahen können (vgl. § 213 K O ; ebenso Bayr. O b L G AktG 66,135; O L G N ü r n b e r g A k t G 67,362; Baumbach-Hueck R n . 6 ; Büttner a . a . O . S. i24ff. a . M . Godin-Wilhelmi Anm. 4), wofür sich im übrigen bei den werdenden Kapitalgesellschaften und Genossenschaften wiederholt ein praktisches Bedürfnis ergeben hat. D a ß der Gesetzgeber insoweit eine ausdrückliche Vorschrift nicht aufgenommen hat, ist entgegen der Auffassung von K u h n ( W M Sonderbeilage 5/1956 S. 8) sicherlich kein ausreichendes Gegenargument. Denn der Gesetzgeber hat n u n einmal — leider — eine ausreichende Regelung der Vorgesellschaft überhaupt unterlassen (§41 Anm. 2). Das kann aber kein Grund sein, diese notwendige— von K u h n jedenfalls auch als wünschenswert bezeichnete — Folgerung nicht zu ziehen (wie hier Feine a. a. O. S. 202; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 79; Ganssmüller GmbH-Rdsch. 1953, 117; derselbe GmbH-Rdsch. 1955, 210; Kalter Konkurs-, Treuhand- u n d Schiedsgerichtswesen 1955, 41 und jedenfalls diejenigen, die in der werdenden AG einen nichtrechtsfähigen Verein oder eine O H G erblicken (vgl. Anm. 3); verneinend hinsichtlich der passiven Parteifahigkeit u n d der Konkursfahigkeit Schreiber a. a. O. S. 67, 76).

Anm. 9 c) Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften Zweifelhaft mag es erscheinen, ob auf die Rechtsgeschäfte, die namens u n d für Rechnung der werdenden A G im R a h m e n des eingebrachten Handelsgeschäfts abgeschlossen werden, die Vorschriften des Handelsrechts, insbesondere die Bestimmungen der §§ 343fr. H G B Anwendung finden. Schreiber a. a. O. S. 7of. u n d Feine a. a. O. S. 204 bejahen diese Frage, ebenso Ballerstedt Z H R 127, 102; Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 23, 410 N 29; Büttner a. a. O. S. 121; sie meinen, die Geschäfte eines werdenden Formkaufmanns müßten ebenfalls als Handelsgeschäfte gelten. Das ist aber wohl doch bedenklich, weil die Kaufmannseigenschaft der A G in engen Zusammenhang mit der Rechtspersönlichkeit der A G steht. Für die Frage nach dem Vorliegen eines Handelsgeschäfts ist nicht der Charakter des Geschäfts oder der Wille der Vertragschließenden, sondern allein die persönliche Eigenschaft der Vertragspartner entscheidend. Diese Beurteilung führt auf den engen Zusammenhang zwischen der Kaufmannseigenschaft der A G u n d ihrer Rechtspersönlichkeit zurück, so d a ß man eine Anwendung der Vorschriften der §§ 343 ff- H G B auf die Rechtsgeschäfte, die namens und f ü r Rechnung der A G im R a h m e n des eingebrachten Handelsgeschäfts abgeschlossen werden, nicht wird bejahen können. Das gleiche gilt sodann auch für die Frage, ob in diesem Stadium bereits eine Prokura oder eine Handlungsvollmacht erteilt werden k a n n ; auch diese Frage ist zu verneinen (so die herrsch. Ansicht im Schrifttum; anders auch hier Schreiber a, a. O. u n d Feine a. a. O.). Dagegen wird m a n in diesem Stadium bereits die Pflicht zur Buchführung annehmen müssen (im Ergebnis ebenso BGHSt. 3, 26); denn wenn es zu den Aufgaben des Vorstands gehört, schon im Gründungsstadium das eingebrachte Handelsgeschäft f ü r Rechnung der Gesellschaft zu führen, d a n n m u ß wegen des engen Zusammenhangs

236

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 29 Anm. 10, 11

mit dieser Aufgabe dazu auch die Buchführung gerechnet werden (Kalter Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1955, 41). Etwas ausgefallen, aber doch interessant und in diesem Zusammenhang zu erwähnen ist die Entscheidung des OLG Nürnberg in AktG 67, 362, wonach inländisches Recht auf eine errichtete AG auch dann anwendbar ist, wenn ihr Sitz zwar im Ausland vorgesehen war, die tatsächliche Verwaltungsführung aber im Inland lag. Anm. 10 d) Die Haftung aus Rechtsgeschäften und aus unerlaubter Handlung Eine unmittelbare Verpflichtung der AG aus Rechtsgeschäften, die namens der werdenden AG abgeschlossen werden, tritt nur in besonderen Fällen ein (dazu § 41 Anm. 7fF., insbesondere 1 1 / 1 3 ; vgl- auch Horn NJW 64, 86ff.). Eine unmittelbare Verpflichtung der AG aus einer unerlaubten Handlung, die ein Vorstandsmitglied im Gründungsstadium bei Ausübung der ihm zustehenden Verrichtungen begangen hat, kann nicht eintreten; eine entsprechende Anwendung des § 31 BGB, wie sie auf den nichtrechtsfähigen Verein wohl möglich ist (vgl. R G R K BGB § 31 Anm. 6 m. w. N.), ist nicht zulässig (RG 154,286; Baumbach-Hueck § 41 Rn.5; Hachenburg-Schilling § 11 Anm.6a; a.M. Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S.82/83; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 189; Ganssmüller GmbH-Rdsch. 1953,119 Anm. 19; Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 410 N. 29; Büttner a. a. O. S. 122). Sie kann allenfalls nur in Betracht kommen, wenn sich die AG nach ihrer Entstehung den Zustand zu eigen macht, den vor ihrer Entstehung der Vorstand durch eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung geschaffen hat, wenn also der Vorstand das schadenstiftende Verhalten nach der Eintragung der AG fortsetzt (RG 151, 90). Die Frage, in welchem Umfang die nicht handelnden Gesellschafter durch Rechtsgeschäfte des Vorstands verpflichtet werden, stellt sich für den Fall, daß die werdende AG nicht zur Entstehung gelangt. Da der Vorstand Vertretungsbefugnis besitzt und sich diese im Gründungsstadium auf eine Vertretung der Gründer erstreckt, so kann die Möglichkeit einer Verpflichtung der nicht handelnden Gesellschafter durch den Vorstand nicht zweifelhaft sein. Fraglich erscheint es nur, in welchem Umfang eine Verpflichtung dieser Gesellschafter eintritt, ob sie nämlich wie bei der OHG unbeschränkt oder ob sie wie bei einem nichtrechtsfähigen Verein nur beschränkt verpflichtet werden. Unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der werdenden AG und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich die Gesellschafter durch die Gründung einer Kapitalgesellschaft offensichtlich nur in Höhe ihrer Einlage — also beschränkt — binden wollen, wird man hier die für den nichtrechtsfähigen Verein herausgebildeten Grundsätze einer grundsätzlich nur beschränkten Haftung ihrer Mitglieder heranzuziehen haben. Die Vertretungsmacht des Vorstandes ist also insoweit beschränkt (Feine Ehrenb. Hdb. I I I 3 S. 205; Gadow IherJ 87, 250; Teichmann-Koehler § 34 Anm. 4; Paul NJW 1947/48, 418; Ganssmüller GmbH-Rdsch. 1953, 119; 1955, 228; DB 55, 715; Reinecke AktG 62, 68; Otto BB 1954, 572; etwas zweifelnd BGH L M § 34 AktG Nr. 2; a. M. Ritter § 34 Anm. 4d; Heymann IherJ 75, 418 und naturgemäß alle diejenigen, die in der errichteten AG, in deren Namen und für deren Rechnung ein eingebrachtes Handelsgeschäft geführt wird, eine OHG erblicken, vgl. dazu Anm. 3). — Etwas anderes gilt dann, wenn nicht namens der in der Gründung befindlichen Gesellschaft, sondern namens der Gründer persönlich gehandelt wird (vgl. dazu BGH 15, 206). Anm. 11 e) Anfechtung und Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages Die herrschende Ansicht im Schrifttum nimmt an, daß bis zur Eintragung der A G Willensmängel oder sonstige Nichtigkeitsgründe bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts geltend gemacht werden können (1. Aufl. §22 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski §22 Anm. 4; TeichmannKoehler § 16 Anm. 2 a). Das ist jedoch so allgemein nicht zutreffend. Ist im Gründungs-

237

§29

Anm. 12, 13

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Stadium die Führung eines eingebrachten Handelsgeschäfts für Rechnung der Gesellschaft aufgenommen worden, so müssen schon in diesem Stadium die in der Rechtsprechung entwickelten und im Schrifttum anerkannten Grundsätze über die faktische Gesellschaft Anwendung finden. Es kann also in diesem Fall die Auflösung des Rechtsverhältnisses nur nach Maßgabe dieser Grundsätze erfolgen (BGH 13, 320; Rob. Fischer J Z 1954, 427; Ganssmüller GmbH-Rdsch. 1955, 173; Baumbach-Hueck Ubers, vor § 23 Anm. 2), und es muß sich daran eine Auseinandersetzung anschließen.

Anm. 12 f) Änderung der Satzung Für eine Änderung der Satzung einer bestehenden A G ist ein Beschluß der Hauptversammlung erforderlich, der grundsätzlich mit einer %-Mehrheit zu fassen ist (§ 179 Abs. 2). Eine entsprechende Anwendung des § 179 im Gründungsstadium nach Errichtung der A G ist nicht möglich. Das würde den besonderen Verhältnissen der werdenden A G nicht gerecht; für eine Änderung der Satzung bis zur Entstehung der A G ist vielmehr Einstimmigkeit erforderlich (herrsch. Ansicht; vgl. Bayer J Z 1952, 551 ff. und K u h n W M Sonderbeilage 5/1956 S. 6/7 m. w. N . ; a. M . Schnorr v. Carolsfeld D N o t Z 63, 408 N. 19 und teilweise Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1924 S. 72). Ä u c h ein Mitgliederwechsel stellt sich in diesem Stadium sachlich als eine Änderung der Satzung dar. Die freie Übertragung der Anteilsrechte ist daher ausgeschlossen (§ 41 Abs. 4; vgl. § 41 Anm. 29); es kann also nur durch einen übereinstimmenden Beschluß aller Beteiligten an die Stelle eines Gründers ein anderer treten. Dabei ist es notwendig, daß die Satzungsfeststellung neu vorgenommen oder ergänzt wird (§ 23 Anm. 2).

Anm. 13 g) Beendigung der errichteten Gesellschaft Es ist nicht möglich, die Vorschriften der §§ 723 fr. BGB über die Beendigung der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft ohne eine Berücksichtigung der besonderen Eigenart der werdenden A G heranzuziehen. Ein Endigungsgrund für die errichtete Gesellschaft liegt jedenfalls dann vor, wenn sich die Eintragung der errichteten Gesellschaft als unmöglich herausstellt; denn die Eintragung ist stets ein Zweck der errichteten Gesellschaft, so daß insoweit gegen eine entsprechende Anwendung des § 726 BGB keine rechtlichen Bedenken bestehen (allg. Ansicht). Schwieriger ist die Frage nach einer entsprechenden Anwendung des § 723 BGB. Auch hier wird man jedoch eine Kündigung aus wichtigem Grund sicherlich bejahen müssen (Schnorr v. Carolsfeld D N o t Z 63, 410 N. 30; a. M . Ruth Z H R 88, 544»; K u h n W M I V B, Sonderbeilage 5/1956 S. 7); denn dieser Beendigungsgrund ist jeder Personenvereinigung ohne Rechtsfähigkeit eigen und selbst bei rechtsfähigen Personenvereinigungen muß jedes Mitglied bei wichtigem Grund die Möglichkeit eines Ausscheidens in dieser oder in jener Form haben. Dagegen wird man ein Recht zur Kündigung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht annehmen können; es gehört gerade zum Wesen der Bindung durch Errichtung der Gesellschaft, daß nunmehr die Gründer auch alle Maßnahmen ergreifen, die zur Entstehung der rechtsfähigen A G gehören. Zweifelhaft kann sein, in welcher Form die Kündigung aus wichtigem Grund auszuüben ist, ob durch Gestaltungserklärung des Kündigungsberechtigten oder durch Erhebung einer Auflösungsklage mit anschließendem Gestaltungsurteil. Feine (Ehrenb. Hdb. I I I 3 S. 208) will insoweit bei einer errichteten G m b H die Vorschrift des § 61 G m b H G heranziehen und die Kündigung nur in Form einer Auflösungsklage zulassen. Allein dies wird dem lediglich vorübergehenden Charakter einer nur errichteten, aber noch nicht rechtsfähigen A G nicht gerecht, selbst wenn für ihre Rechnung der Betrieb eines eingebrachten Handelsgeschäfts aufgenommen worden ist. Insoweit liegen bei ihr die Verhältnisse gerade grundlegend anders wie bei einer rechtsfähigen Kapitalgesellschaft oder einer Personalhandelsgesellschaft. Der endgültige Charakter einer solchen Gesellschaft ist neben anderen Gründen gerade wesentlich für die Form der Auflösung solcher Handelsgesellschaften durch Erhebung einer Klage. Es ist also hier die Kündigung durch Gestaltungserklärung des Kündigungsberechtigten zu-

238

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 29

Anm. 14, 15 zulassen (so auch Schnorr v. Carolsfeld D N o t Z 63, 410 N. 30). Tod und Konkurs eines Gründers werden dagegen im allgemeinen nicht als Beendigungsgrund angesehen werden können, es sei denn, daß die besonderen Umstände des einzelnen Falls etwas anderes ergeben. Es kann bei Berücksichtigung der Eigenart der errichteten A G insoweit keinen Unterschied machen, ob der T o d eines Gesellschafters kurz vor oder nach der Eintragung der A G eingetreten ist. A u c h die Tatsache, daß die errichtete Gesellschaft noch keine Rechtsfähigkeit besitzt, rechtfertigt hier nicht die entsprechende Anwendung der §§ 727/28 BGB (ebenso für den Konkurs eines Gesellschafters R G 82, 296; wie hier auch Feine a . a . O . S. 208; Godin-Wilhelmi Anm. 5; Hachenburg-Schilling § 1 1 A n m . 8; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 70/71; K u h n a. a. O . S. 7; a. M . 1. A u f l . § 22 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski § 22 Anm. 4).

Anm. 14 In allen Fällen, in denen die errichtete Gesellschaft aufgelöst wird, muß eine Auseinandersetzung erfolgen. Das gilt vor allem dann, wenn für Rechnung der Gesellschaft ein eingebrachtes Handelsgeschäft geführt worden war. In diesem Fall kommt auch eine Abwicklung der noch schwebenden Geschäfte in Betracht. In Abweichung zu den Vorschriften im Recht der O H G wird man hier die Vorschrift des § 733 Abs. 2 BGB entsprechend anwenden müssen, weil die Rückgabe der Einlagen im Zweifel dem nur vorübergehenden Charakter der errichteten Gesellschaft am ehesten gerecht wird. Als Liquidatoren sind, wenn keine andere Einigung zustande kommt, alle Gründer gemeinschaftlich berufen (vgl. § 730 Abs. 2 S. 2 BGB; § 146 Abs. 1 S. 1 H G B ) ; denn infolge der Auflösung muß der personalistische Z u g der Gründergesellschaft stärker hervortreten, nachdem die kapitalistischen Elemente durch die nunmehr feststehende Nichteintragung zurücktreten (so B G H in NJW 63, 859; B a y . O b L G A k t G 66, 133ff.; Dilcher JuS 66, 90; Ganssmüller GmbH-Rdsch. 63, 101; Horn N J W 64, 90; Baumbach-Hueck Rn. 6 und A P Nr. 1 zu § 11 GmbHGes.; a . M . B A G in N J W 63, 680, Büttner a. a. O . S. 73). Die Möglichkeit der Bestellung eines gerichtlichen Abwicklers besteht nicht (so auch Bay. O b L G a. a. O . ; vgl. auch B G H W M 65, 246).

Anm. 15 4. Die nachträgliche Übernahme von Aktien Die heute alleinig anerkannte Einheitsgründung verlangt nicht, daß alles bis zur Errichtung der Gesellschaft in einer einzigen Verhandlung zu Ende geführt werde. Zwar ist die Feststellung der Satzung notwendig ein einheitlicher, wenn auch in mehrere Urkunden trennbarer Vorgang (§23 Anm. 2). Die Übernahme der Aktien läßt sich aber ganz trennen. Dann müssen aber sämtliche Gründer, die die Satzung festgestellt haben, auch bei der nachträglichen Aktienübernahme mitwirken, und dieser muß die festgestellte Satzung zugrunde gelegt werden ( K G O L G E 43, 300). Nicht erforderlich ist, daß die unmittelbar Mitwirkenden dieselben Personen sind wie bei der vorangegangenen Feststellung der Satzung. Die Gründer können sich auch durch Bevollmächtigte vertreten oder einen Wechsel in der Person des Bevollmächtigten eintreten lassen. Die Vollmacht bedarf hier nicht der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung; die Vorschrift in § 23 Abs. 1 Satz 2 gilt nur für die Feststellung der Satzung und braucht auf eine nachträglich beurkundete Aktienübernahme nicht bezogen zu werden. Treten zu den bisherigen Gründern andere Personen hinzu, die Aktien übernehmen, so muß mit ihnen die Satzung von neuem festgestellt werden.

239

§ 30 Anm. 1, 2 § 3 0

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

B e s t e l l u n g d e s A u f s i c h t s r a t s , d e s V o r s t a n d s und d e r Abschlußprüfer

(1) Die Gründer haben den ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft und die Abschlußprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr zu bestellen. Die Bestellung bedarf notarieller Beurkundung. (2) Auf die Zusammensetzung und die Bestellung des ersten Aufsichtsrats sind die Vorschriften über die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht anzuwenden. (3) Die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats können nicht für längere Zelt als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt. Der Vorstand hat rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats bekanntzumachen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der nächste Aufsichtsrat nach seiner Ansicht zusammenzusetzen i s t ; § § 96 bis 99 sind anzuwenden. (4) Der Aufsichtsrat bestellt den ersten Vorstand. Ü b ersieht: Anm» Einleitung I. Bestellung des ersten Aufsichtsrates 1. Die Voraussetzungen für die Bestellung 2. Bestellung für das erste Geschäftsjahr 3. Der Bestellungsakt 4. Die Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrates

Anm. 5. Höchstfrist für die Bestellung 6. Die Aufgaben des ersten Aufsichtsrates 7. Bekanntmachung über die Zusammensetzung des zweiten Aufsichtsrates II. Bestellung des ersten Abschlußprüfers III. Bestellung des ersten Vorstandes und seine Aufgaben

7 8 9 10 11

Einleitung Anm. 1 § 23 A k t G 37 bestimmte lediglich, d a ß die G r ü n d e r z u gerichtlichem oder notariellem Protokoll den ersten Aufsichtsrat zu bestellen hatten, der seinerseits den ersten V o r stand z u berufen hatte. Diese R e g e l u n g wird in § 30 A b s . 1 u n d 4 beibehalten. Weiterhin übernimmt § 30 A b s . 1 S. 1 und A b s . 3 S. 1 die R e g e l u n g des § 87 A b s . 3 S. 1 A k t G 37 u n d bringt zu dieser Bestimmung einige Klarstellungen. D a r ü b e r hinaus verlangt A b s . 1 S. i zwingend die Bestellung des ersten Abschlußprüfers, regelt A b s . 2 a u ß e r d e m die bisher im Gesetz offengebliebene F r a g e der Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrates u n d bestimmt schließlich A b s . 3 S. 2 die Pflicht des Vorstandes z u r Bek a n n t m a c h u n g der Zusammensetzung des zweiten Aufsichtsrates. D a b e i ist die R e g e l u n g des § 31 zu beachten, die für den Fall der Sacheinlage oder -Übernahme eines U n t e r nehmens oder Unternehmensteils eine Sonderregelung trifft, so d a ß die aus § 30 zu entnehmende Zusammensetzung des Aufsichtsrates nur dann gilt, w e n n es sich u m eine Bargründung oder eine S a c h g r ü n d u n g ohne Einlage oder Ü b e r n a h m e eines Unternehmens oder Unternehmensteils handelt. D u r c h § 56 des Beurkundungsgesetzes v . 28. 8. 69 ist in A b s . 1 S. 2 die gerichtliche Beurkundung gestrichen und d a m i t eine ausschließliche notarielle Zuständigkeit begründet worden.

Anm. 2 D a ß die Gesellschaft vor ihrer Entstehung einen Vorstand und einen Aufsichtsrat haben muß, ergibt sich aus den A u f g a b e n , die ihnen zugewiesen sind; denn sie müssen den

240

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 30 Anm. 3, 4

Hergang der Gründung prüfen (§ 33) und mit den Gründern die Gesellschaft zur Eintragung anmelden (§ 36). Die Reihenfolge der Bestellung ist so, daß zuerst der Aufsichtsrat und von diesem dann der Vorstand bestellt wird. Auch später bestellt immer der Aufsichtsrat den Vorstand (§ 84 Abs. 1 S. 1); diese Vorschriften sind zwingend. Die Bestellung des Abschlußprüfers für das erste Geschäftsjahr ist keine Notwendigkeit des Gründungsvorganges selbst. Wird sie aber nicht im Gründungsakt vorgenommen, dann könnte sie gemäß § 163 nur durch eine Hauptversammlung erfolgen oder durch gerichtliche Bestellung ersetzt werden. Ersteres verursacht nicht unerhebliche Kosten, letzteres ist unbefriedigend. Deshalb verlangt Abs. 1 S. 1 auch die Bestellung der Abschlußprüfer durch die Gründer. Damit werden zwar die Aktionäre, die während des ersten Geschäftsjahres Aktien der Gesellschaft erwerben, von der Mitwirkung bei der Bestellung des Abschlußprüfers ausgeschlossen. Das kann aber in Kauf genommen werden, zumal ihnen die Rechte aus § 163 Abs. 5 bleiben. Anm. 3 I. Die Bestellung des ersten Aufsichtsrats 1. Die Voraussetzungen für die Bestellung Den ersten Aufsichtsrat bestellen die Gründer. Der Name „Aufsichtsrat" ist zwingend ( K G J W 1932, 2620 1 ). Ebenso wie die Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1) und die Übernahme der Aktien (§ 23 Abs. 2) bedarf auch die Bestellung des ersten Aufsichtsrats gerichtlicher oder notarieller Beurkundung (hierzu vgl. § 23 Anm. 4 u. 5). Die Bestellung kann mit jenen Akten verbunden, aber auch gesondert von ihnen vorgenommen werden. Zweckmäßig wird das erst geschehen, wenn die Gesellschaft durch Übernahme sämtlicher Aktien errichtet ist (§ 29). Indessen ist das kein Gültigkeitserfordernis. Es steht nicht im Wege, daß die Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben und damit Gründer geworden sind, den ersten Aufsichtsrat bestellen und dann erst die noch nicht übernommenen Aktien übernehmen. Anm. 4 2. Bestellung für das erste Geschäftsjahr Als Zeit, für die der erste Aufsichtsrat zu bestellen ist, schreibt Abs. 1 S. 1 jetzt das erste volle oder Rumpf-Geschäftsjahr vor. Das ist nicht ganz genau; denn wie sich aus Abs. 3 S. 1 ergibt, läuft die Frist auf die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das erste Geschäftsjahr beschließt, und ist außerdem eine Höchstfrist, die die Gründer verkürzen können. Eine kürzer gewählte Zeit sollte zweckmäßigerweise aber an die Eintragung gebunden sein und soviel Zeit überlassen, daß ausreichend Gelegenheit für die Bestellung der Arbeitnehmervertreter im zweiten Aufsichtsrat bleibt. Eine Verkürzung, die das Amt des ersten Aufsichtsrates vor Eintragung der A G im Handelsregister enden ließe, würde die Neubestellung des Aufsichtsrates durch die Gründer, die Neuerstellung eines Gründerberichtes durch die neuen Aufsichtsratsmitglieder und deren Mitwirkung bei der Anmeldung erfordern. Eine Beendigung unmittelbar nach der Eintragung, ohne daß die Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Neuwahl besteht, müßte zu einem Eingreifen des Gerichts nach § 104 fuhren. Für die Bestimmung des Geschäftsjahres gilt die Vorschrift des § 39 Abs. 2 S. 1 Halbs, 2 HGB, so daß es 12 Monate nicht überschreiten, aber kürzer sein darf. Es beginnt mit der Entstehung der Gesellschaft, also ihrer Eintragung, und läuft, wenn die Satzung nichts anderes sagt, von diesem Tage ab ein volles Jahr, endet also an dem Kalendertag, der dem Tag der Eintragung vorausgeht. Es ist keineswegs erforderlich, daß er Ende eines Monats oder gar eines Quartals ist. Deshalb enthalten die Satzungen fast aller Gesellschaften eine Bestimmung über das Geschäftsjahr (z. B. Kalenderjahr; i. 10.—30. 9. oder 1. 7.—30. 6.). Um den Anschluß zwischen dem satzungsmäßigen Geschäftsjahr und dem Tag der Eintragung zu gewinnen, ergibt sich automatisch ein Rumpfgeschäftsjahr, das vom Tage der Entstehung der Gesellschaft bis zum satzungsmäßigen Geschäftsjahrende läuft und niemals länger als 12 Monate sein kann. Ergibt 16

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

241

§30 Anm. 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

sich ein derartiges Rumpfgeschäftsjahr, so hat die Bestellung des Aufsicbtsrates für dieses Rumpf-Geschäftsjahr zu erfolgen und darf gemäß Abs. i S. i darüber nicht hinausgreifen. Nur wenn die Eintragung zufallig zum Stichtag des Geschäftsjahres erfolgt oder wenn die Satzung keine Bestimmung eines Geschäftsjahres enthält und damit gemäß § 39 Abs. 2 H G B das Geschäftsjahr jeweils mit der Wiederkehr des Eintragungstages endet, gilt die Bestellung des ersten Aufsichtsrates für ein volles Jahr.

Anm. 5 3. Der Bestellungsakt Der erste Aufsichtsrat wird durch Wahl der Gründer bestellt, später, d. h. nach Eintragung der A G , geschieht das durch Wahl der Hauptversammlung (§ i o i ) . Die Gründer brauchen nicht persönlich zur Wahl zu erscheinen, sondern können sich vertreten lassen; Schriftlichkeit der Bevollmächtigung wird, entsprechend § 134 Abs. 3, zu erfordern sein (Godin-Wilhelmi Anm. 2). Für die Bestellung bedarf es nicht der Einstimmi gkeit, vielmehr erfolgt die Wahl mit der Mehrheit der Anteile, j edoch unter Mitwirkung sämtlicher Gründer (Godin-Wilhelmi Anm. 2; a. M . Baumbach-Hueck R n . 4); würde die Möglichkeit zur Mitwirkung genügen, so würde die Beurkundungsvorschrift des Abs. 1 S. 2 nicht die Sicherheit für die Wahl geben, die sie geben soll. Die Vorschrift des § 709 BGB m u ß gegenüber aktienrechtlichen Grundsätzen zurücktreten (so auch die herrschende Ansicht; a. M . Ritter § 23 Anm. 3c, der Einstimmigkeit bei der Wahl fordert, ebenso Brox A k t G 66, 348; die 1. A u f l . überließ diese Frage der Disposition der Beteiligten). Schon daraus ergibt sich, daß es unzweckmäßig ist, den Aufsichtsrat zu bestellen, bevor sämtliche Aktien übernommen sind und damit die Anteile feststehen (Anm. 3). Für die Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrats gelten die §§ 95 fF. mit den sich aus Abs. 2 (Anm. 6) und § 30 ergebenden Abweichungen; auch das Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 kann schon für den ersten Aufsichtsrat ausgeübt werden, wobei dann aber entsprechend Abs. 1 S. 2 notarielle Beurkundung für die Ausübung des Entsendungsrechts erforderlich ist (Schlegelberger-Quassowski § 23 Anm. 4 ; Godin-Wilhelmi Anm. 3; Baumbach-Hueck R n . 4). Die Anwesenheit der Gewählten bei der Wahl ist weder vorgeschrieben noch aus einem inneren Grunde erforderlich (a. M . Brodmann § 190 H G B Anm. i b ) . Die Gewählten müssen die Wahl annehmen; die Bestellung ist kein einseitiger Akt. Dem gewählten Aufsichtsratsmitglied können die Pflichten seines Amtes nicht gegen oder ohne seinen Willen auferlegt werden (ebenso Düringer-Hachenburg § 190 Anm. 4 ; Ritter § 23 Anm. 3 d ; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 41 A n m . 1; ein Vergleich mit der einseitigen Vollmachtserteilung — so Staudinger-Coing K o m m . BGB § 27 Anm. 10 m. w. N. —1 ist nicht möglich). Allerdings bedarf die Annahme nicht der notariellen Beurkundung, da diese Formvorschrift nicht für den Bestellungsz>«rtaz£ gilt, sondern sich nur auf die Erklärungen der Gründer (die Wahl) bezieht (Ritter § 23 Anm. 3d). Immerhin bedarf es bei der Anmeldung des Nachweises der Annahme. Deshalb ist die Aufnahme der Annahmeerklärung in die Beurkundung der Wahl zu empfehlen. Die Annahme der W a h l kann aber darin erblickt werden, daß die Gewählten die ihnen obliegende Tätigkeit (§ m ) aufnehmen, insbesondere den Vorstand bestellen und bei der Anmeldung mitwirken. Eine Abberufung und Neuwahl durch die Gründer ist nicht ausgeschlossen (a. M . Brauksiepe BB 67, 484), nur muß dieser Vorgang wiederum notariell beurkundet werden. D a die Bestimmung des § 87 Abs. 3 S. 2 A k t G 37, der die Abberufung des ersten Aufsichtsrates mit einfacher Mehrheit zuließ, bei Übernahme des § 87 Abs. 3 in § 30 Abs. 3 A k t G 65 gestrichen worden ist, unterliegt auch die Abberufung des ersten Aufsichtsrates der allgemeinen Vorschrift des § 103 Abs. 1, erfordert also %-Mehrheit. Der Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages begründet diese Neuregelung damit, es könne heute entgegen der noch im A k t G 37 zugrunde gelegten Auffassung nicht mehr davon ausgegangen werden, daß die Gründer ihre Aktien alsbald nach der Entstehung der A G ganz oder teilweise veräußern, damit ihren Einfluß auf die Gesellschaftsorgane verlieren und der neue Aufsichtsrat nicht mehr unter dem ausschließlichen Einfluß der Gründer steht. Die Neuregelung zeigt jedenfalls, daß nach dem Willen des Gesetzgebers für den ersten Aufsichtsrat keine

242

Zweiter Teil: Gründving der Gesellschaft (Barz)

§30 Anm. 6

Sonderregelung mehr gelten soll. Dann aber spricht alles dafür, auch vor Entstehung der A G den Widerruf der Bestellung von einer %-Mehrheit abhängig zu machen (GodinWilhelmi Anm. 7 und schon für das frühere Recht Schlegelberger § 23 Anm. 4, a. M . Baumbach-Hueck R n . 7). Regelt sich d i e Abberufimg des Aufsichtsrates nach dem Recht der ins Leben getretenen A G , so muß das auch für die Niederlegung des Amtes gelten (so Baumbach-Hueck Rn. 7; Godin-Wilhelmi Anm. 8; a. M . Fischer in der Vorauf!. § 33 Anm. 4). Die Niederlegung ist also, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, grundsätzlich nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund gegeben ist (vgl. Anm. zu § 102). Kommt durch Abberufung, Niederlegung oder Tod der gesamte Aufsichtsrat in der Frist des § 30 Abs. 3 in Fortfall, so muß er neu bestellt werden, sei es durch die Gründer, sei es nach Eintragung durch die Hauptversammlung, bleibt aber dann immer noch „erster Aufsichtsrat" im Sinne des § 30; seine Amtszeit läuft nur auf die für ihn vorgesehene Höchstdauer (vgl. Anm. 7). Eine Bestellung durch das Gericht (§ 104) kommt für den ersten Aufsichtsrat nicht in Frage, ebensowenig eine Bekanntmachimg von Änderungen im Aufsichtsrat und Anmeldung des Vorsitzers (§§ 106, 107 Abs. 1 S. 2, ebenso Ritter § 23 Anm. 3 b ; Schlegelberger-Quassowski § 23 Anm. 4). Eine Vergütung kann den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats für ihre Tätigkeit nur durch die Hauptversammlung bewilligt werden, und zwar erst durch diejenige, die über seine Entlastung beschließt ( § 1 1 3 Abs. 2), eine Regelung, in der das Mißtrauen des Gesetzgebers gegen ein Zusammenspiel der Gründer mit den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats noch aufrechterhalten ist.

Anm. 6 4. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates Die gesetz- und satzungsmäßigen Bestimmungen über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates gelten grundsätzlich auch für den ersten Aufsichtsrat (vgl. Anm. 5). Aus dieser Regelung waren nach Inkrafttreten der Mitbestimmungsregelung des § 76 BetrV G und der Mitbestimmungsgesetze vom 2 1 . 5. 51 und 7. 8. 56 lebhafte Meinungsverschiedenheiten darüber entstanden, ob die Arbeitnehmer im ersten Aufsichtsrat zu beteiligen seien und wie diese Beteiligung durchzuführen sei (vgl. die Literaturzusammenstellung bei Brox AktG 66, 347 N. 2). Nunmehr bestimmt Abs. 2, daß auf den ersten Aufsichtsrat die Vorschriften über die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht anwendbar sind. Das gilt aber gemäß § 31 nur, wenn nicht in der Satzung als Gegenstand einer Sacheinlage oder Sachübemahme die Einbringung oder Übernahme eines Unternehmens oder eines Teils eines Unternehmens festgesetzt worden ist. Liegt der Ausnahmefall des § 31 nicht vor, so wird die in Gründung befindliche Gesellschaft durchweg auch keine oder höchstens sehr wenige Arbeitnehmer beschäftigen. Dadurch rechtfertigt es sich von der Sache her, den Gründern allein die Bildung des ersten Aufsichtsrates zu überlassen, und zwar unabhängig davon, wie hoch die Satzung die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder festsetzt. Ist sie z. B. auf 9 festgesetzt, so müssen die Gründer auch 9 Aufsichtsratsmitglieder bestellen und können nicht mit Rücksicht darauf, daß von der Hauptversammlung ab, die für das erste Geschäftsjahr Entlastung erteilt, drei Vertreter der Arbeitnehmer hinzutreten, die Zahl der von ihnen bestellten Aufsichtsratsmitglieder auf 6 beschränken. Der Aufsichtsrat ist dann unvollständig, aber nicht beschlußunfähig; da Abs. 1 den Gründern die Bestellung eines vollständigen Aufsichtsrats auferlegt, ist mit der Wahl eines unvollständigen Aufsichtsrat die Gründung nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 38 Abs. 1. Jedoch kann in der Satzung festgelegt werden, daß für den ersten Aufsichtsrat die Zahl der Mitglieder 6, für die spätere Zeit 9 beträgt. Mit einer derartigen Regelung wird nicht gegen § 95 Abs. 1 S. 2 verstoßen; denn die Mitgliederzahl ist nicht beweglich, sondern bestimmt. Ihre Variierung hängt nicht vom Belieben der Hauptversammlungsmehrheit, sondern von einem in der Satzung festgelegten objektiven Moment, der Wahl des zweiten oder späteren Aufsichtsrates ab. Jedoch kann man damit bei unter § 76 BetrVG fallenden Gesellschaften das angestrebte Ziel der Kontinuität der Aktionärsvertreter nur erreichen, wenn ihre Zahl selbst durch 3 teilbar ist, da § 95 Abs. 1 S. I naturgemäß auch für den ersten ohne Arbeitnehmer bestehenden Aufsichtsrat gilt. Eine derartig variie16*

243

§30

Anm. 7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

rende Regelung empfiehlt sich insbesondere, wenn die zu gründende Gesellschaft später der erweiterten Mitbestimmung nach den Gesetzen vom 2 1 . 5. 51 und 7. 8. 56 unterliegt.

Anm. 7 5. Höchstfrist für Bestellung U m den Arbeitnehmern die ihnen zustehende Mitbestimmung im Aufsichtsrat so schnell wie möglich zu gewährleisten, beschränkt § 30 Abs. 3 die Amtszeit des ersten gemäß Abs. 2 ohne Arbeitnehmer arbeitenden Aufsichtsrates. § 87 Abs. 3 S. 1 AktG 37 setzte die Amtszeit des ersten Aufsichtsrates zwingend, d. h. ohne die Möglichkeit einer Verlängerung oder Verkürzung ( R G Z 24, 54; Vorauflage § 87 Anm. 15), auf die Zeit bis zur Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf eines Jahres seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zur Beschlußfassung über die Entlastung stattfindet, fest. Grund für diese Regelung war, wie in Anm. 4 bemerkt, die Annahme, nach Ablauf eines Jahres seit Eintragung sei der Gründereinfluß auf die Gesellschaft gewichen. Die Formulierung dieser Regelung gab zu Zweifeln Anlaß : einmal dahin, ob es für die Beendigung des Amtes genüge, wenn die Entlastung auf der Tagesordnung stehe oder ob die Entlastung tatsächlich beschlossen sein müsse, und zum anderen, ob die Beendigung auch mit der Abhaltung einer anderen Hauptversammlung nach Ablauf eines Jahres seit Eintragung ende (vgl. Voraufl. Anm. 1 5 zu § 87). Diese Streitfragen hat die neue Regelung des § 30 Abs. 3 S. 2 beseitigt. a ) Die Amtszeit des ersten Aufsichtsrates ist nicht mehr als eine unabänderliche feste Frist vorgesehen, sie ist vielmehr eine Höchstfrist und dauert, wenn die gesetzlichen Fristen eingehalten werden, höchstens 20 Monate. Denn ein Geschäftsjahr kann nicht länger als ein volles J a h r dauern; die Hauptversammlung, die über die Entlastung der Organe für das erste Geschäftsjahr beschließt, muß gemäß § 175 Abs. 1 S. 2 spätestens 8 Monate nach Beendigung des Geschäftsjahres stattfinden. Die Satzung kann bestimmen, daß die Amtszeit kürzer ist, z. B. 5 Monate nach Eintragung der Gesellschaft im Register. Auch ohne satzungsmäßige Bestimmung einer kürzeren Frist und ohne Ermächtigung der Satzung zur Bestimmung einer kürzeren Amtszeit können die Gründer selbst bei der Bestellung die Amtszeit des Aufsichtsrates auf eine kürzere Zeit als bis zur Beendigung der ordentlichen Hauptversammlung für das erste Geschäftsjahr festlegen (vgl. Brauksiepe BB 67, 485). Das folgt daraus, daß der Wortlaut des Abs. 3 S. 1 auf den Bestellungsakt abstellt und keine satzungsmäßige Grundlage für die Abkürzung der gesetzlichen Höchstfrist verlangt. Die kürzere Bestellungszeit muß allerdings im Bestellungsakt klar zum Ausdruck kommen, sonst wird man annehmen müssen, daß die Bestellung auf die gesetzliche Höchstfrist erfolgt. b) Abs. 3 S. 1 erfordert nicht mehr eine Hauptversammlung, die nach Ablauf eines Jahres seit Eintragung stattfindet. Ohne Rücksicht auf die seit Eintragung der A G abgelaufene Zeit genügt jede Hauptversammlung, die über die Entlastung für das erste volle oder Rumpf-Geschäftsjahr beschließt. Wenn also eine A G z. B. im September eingetragen wird und als Geschäftsjahr das Kalenderjahr bestimmt hat, so läuft von Eintragung bis 3 1 . 12. zwingend ein Rumpf-Geschäftsjahr (Anm. 4). Die Hauptversammlung, die für dieses Rumpf-Geschäftsjahr z. B. im April des folgenden Jahres stattfindet und die Entlastung beschließt, ist der gesetzliche Schlußtermin für die längstmögliche Amtszeit des ersten Aufsichtsrates, obwohl seit Eintragung der Gesellschaft noch kein volles J a h r abgelaufen ist. c ) Schließlich bestimmt Abs. 3 S. 1 als gesetzlichen Endtermin der Amtszeit des ersten Aufsichtsrates die Hauptversammlung, die über die Entlastung Beschluß faßt. Da § 87 Abs. 3 S. 1 AktG 37 darauf abstellte, daß die Hauptversammlung „zur Beschlußfassung über die Entlastung stattfindet", hatte man gerade aus der Abweichung gegenüber der Bestimmung für die Amtszeit der späteren Aufsichtsräte — hier sprach § 87 Abs. 1 S. 2 davon, daß die Hauptversammlung „über die Entlastung beschließt" — geschlossen, das Amt des ersten Aufsichtsrates ende auch dann, wenn die Hauptversammlung die Entlastung entgegen der Tagesordnung nicht beschließe. Diese Auslegung ist jetzt nicht mehr möglich (so Baumbach-Hueck Rn. 6; a. M . Brauksiepe

244

Zweiter Teil: Gründune der Gesellschaft (Barz)

§ 30

Anm. 8, 9

BB 67, 485). Nur wenn die Hauptversammlung für das erste Geschäftsjahr die Entlastung auch tatsächlich beschließt, endet die Amtszeit. Als Beschluß über die Entlastung gilt auch die Versagung der Entlastung, nicht aber die Versagung des Beschlusses; es ist unerheblich, ob der Entlastungsbeschluß anfechtbar ist und erfolgreich angefochten wird. Die Tatsache der Beschlußfassung ist das Kriterium, an das die Beendigung der Amtszeit des ersten Aufsichtsrates geknüpft ist. d) Die Charakterisierung als erster Aufsichtsrat geht nicht dadurch verloren, daß als Ersatz für ausgeschiedene Mitglieder — einerlei, ob das Ausscheiden durch Tod, Abberufung oder Niederlegung erfolgt — vor der Eintragung im Handelsregister durch die Gründer und nach Entstehung der Gesellschaft durch die Hauptversammlung oder durch das Gericht gemäß § 104 neue Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden. Das gilt auch dann, wenn die personelle Zusammensetzung gegenüber dem zuerst bestellten Aufsichtsrat völlig gewechselt hat und keines der ursprünglich von den Gründern bestellten Aufsichtsratsmitgliedern mehr im Amt ist. Man wird auch keinen Unterschied machen können, ob anstelle des Gerichts eine außerordentliche Hauptversammlung die Ersatzwahl vornimmt. Entscheidend ist die Wahl für die satzungsmäßige oder bei der Bestellung durch die Gründer bestimmte erste Amtszeit ( R G Z 24, 57; BaumbachHueck Rn. 7).

Anm. 8 6. Die Aufgaben des ersten Aufsichtsrats Für das Gründungsverfahren überträgt das Gesetz dem ersten Aufsichtsrat eine Reihe von Aufgaben, die dem Gründungszweck dienen (vgl. Abs. 4, §§ 33, 36). In diesem Aufgabenbereich erschöpfen sich nicht die Aufgaben des ersten Aufsichtsrats. Ihm obliegt auch schon in diesem Stadium die Aufgabe, den Vorstand zu überwachen (Schlegelberger-Quassowski § 2 3 Anm. 4; Godin-Wilhelmi Anm. 5 ; R G 144, 352; a. M . Düringer-Hachenburg § 190 Anm. 7; Ritter Anm. 3 a, nach denen sich die Aufgaben des ersten Aufsichtsrats nur nach den besonderen Vorschriften richten sollen, die für den ersten Aufsichtsrat und für das Gründungsstadium gegeben sind). Das ist bedeutsam, weil der Vorstand vor der Entstehung der A G auch schon zur Geschäftsführung verpflichtet sein kann, sofern ein Unternehmen als Sacheinlage eingebracht ist und dieses schon in diesem Zeitpunkt für Rechnung der Gesellschaft geführt werden muß (Anm. 12). In diesem Fall sind für den Umfang der Uberwachungsaufgaben die fiir den Aufsichtsrat allgemein geltenden Vorschriften heranzuziehen.

Anm. 9 7. Bekanntmachung über die Zusammensetzung des zweiten Aufsichtsrates U m die nach Ablauf der Amtszeit des ersten Aufsichtsrates erforderliche Neuwahl des Aufsichtsrates ordnungsgemäß vorzubereiten, legt Abs. 3 S. 2 dem Vorstand die Pflicht auf, rechtzeitig bekanntzumachen, nach welchen gesetzlichen Bestimmungen sich der nächste Aufsichtsrat nach Auffassung des Vorstandes zusammensetzt. Es handelt sich hier um eine entsprechende Übertragung der Vorschriften der §§ 96—99 auf die Wahl des zweiten Aufsichtsrates, der, wenn nicht der Fall des § 31 vorliegt, durch die erstmalige Beteiligung von Arbeitnehmern — es sei denn, daß es sich um eine Familien-AG gemäß § 76 Abs. 5 oder einen Tendenzbetrieb gemäß § 81 BetrVG handelt — immer eine andere Zusammensetzung als der erste Aufsichtsrat hat. Während § 97 die Bekanntmachungspflicht nur fiir den Fall anordnet, daß der Vorstand der Auffassung ist, der Aufsichtsrat sei nicht nach den für ihn geltenden Bestimmungen zusammengesetzt, ordnet Abs. 3 S. 2 eine unbedingte und von der Auffassung des Vorstandes über die richtige Zusammensetzung unabhängige Bekanntmachungspflicht an. Die Bekanntmachung hat auch dann zu ergehen, wenn nach Auffassung des Vorstandes eine Änderung in der Zusammensetzung des ohne Arbeitnehmer bestehenden ersten Aufsichtsrates nicht zu erfolgen hat. Das kann nur der Fall sein bei einer Familien-AG mit weniger als 500 Arbeitnehmern, für die eine Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht vorgesehen ist (vgl. § 76 Abs. 5 BetrVG), und bei Tendenzbetrieben (vgl. §81 BetrVG). Auch in diesen Fällen muß die Bekanntmachung gemäß Abs. 3 S. 2 245

§ 30

Anm. 10

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

seitens des Vorstandes ergehen. Wegen der Einzelheiten dieser Bekanntmachungspflicht, der gerichtlichen Entscheidung über die Zusammensetzung und des dazu bestimmten Verfahrens vgl. die Erläuterungen zu §§ 97—99. Die Bekanntmachung hat rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit zu erfolgen. Für die Rechtzeitigkeit ist einmal zu beachten die Frist des § 97 Abs. 1 S. 3, innerhalb deren das Gericht angerufen werden kann, zum anderen der Lauf des etwa eingeleiteten Gerichtsverfahrens und schließlich die Zeit, die für die Verfahren erforderlich sind, nach denen die Arbeitnehmervertreter gewählt oder bestellt werden. Von einer rechtzeitigen Bekanntmachung wird man deshalb nur sprechen können, wenn sie etwa 4—5 Monate vor der beabsichtigten Hauptversammlung ergeht, die den zweiten Aufsichtsrat wählen soll. Ergeht die Bekanntmachung nicht rechtzeitig, so riskiert der Vorstand die Verspätung der Wahlvorschläge nach dem Mitbestimmungsrecht oder eine verspätete Durchführung der Wahl der Arbeitnehmervertreter mit der Folge, daß gegebenenfalls eine weitere Hauptversammlung erforderlich wird oder der Aufsichtsrat zunächst nicht ordnungsgemäß zusammengesetzt ist. Durch die Notwendigkeit einer zweiten Hauptversammlung oder einer gerichtlichen Entscheidung gemäß § 104 können Kosten entstehen, die in die Ersatzpflicht des Vorstandes gemäß §93, ggfs. auch des Aufsichtsrates gemäß § 1 1 6 fallen. [ Erlischt die Amtszeit des Aufsichtsrates, während ein eingeleitetes Verfahren gemäß § 98 noch nicht rechtskräftig erledigt ist, so ist der Aufsichtsrat, wenn eine außerordentliche Hauptversammlung keine Neubestellung vornimmt, gemäß § 104 durch das Gericht zu bestellen. In beiden Fällen entsteht aber die Frage, nach welchen Vorschriften dieser Interims-Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist. Obermüller-Werner-Winden S. 35 meinen, die bisherige Zusammensetzung sei maßgebend, während Dietz BetrVG 4. Aufl. § 76 Anm. 4 c die bisherige Zusammensetzung nur gelten lassen will, wenn der Vorstand keine anderweiten Bestimmungen getroffen hat, mögen diese auch angefochten sein. Da aber die Anfechtung die Bekanntmachung des Vorstandes zum mindesten sistiert, bleibt gar nichts anderes übrig, als den Interims-Aufsichtsrat ebenso zusammenzusetzen wie den ersten Aufsichtsrat.

Anm. 10 II. Die Bestellung der Abschlußprüfer Die Jahresabschlüsse, die eine A G erstellt, sind durch Abschlußprüfer zu prüfen (§ 162). Der erste Jahresabschluß ist auf das Ende des ersten Geschäftsjahres der Gesellschaft (Anm. 4) zu erstellen. Bis dahin aber wird üblicherweise keine Hauptversammlung stattgefunden haben, die die Abschlußprüfer gemäß § 163 zu wählen hat. Um hier eine außerordentliche Hauptversammlung gemäß § 163 Abs. 1 oder eine gerichtliche Bestellung nach § 163 Abs. 3 zu vermeiden, verlangt Abs. 1 S. 1 jetzt auch die Bestellung der ersten Abschlußprüfer (vgl. Anm. 2). Wer Abschlußprüfer sein kann, bestimmt auch für die Bestellung im Gründungsstadium § 164; ebenso gelten für die von den Gründern berufenen Abschlußprüfer die übrigen Vorschriften der §§ 162—169. Die Bestellung bedarf der notariellen oder gerichtlichen Beurkundung, einerlei, ob sie mit der Satzungsfeststellung und der Aufsichtsratsbestellung zusammengefaßt wird oder gesondert erfolgt. An ihr müssen sämtliche Gründer teilnehmen. Es gilt das gleiche wie für die Bestellung des ersten Aufsichtsrates (vgl. Anm. 5). Eine gerichtliche Bestellung ist ebensowenig wie beim Aufsichtsrat vor der Eintragung möglich (a. M . GodinWilhelmi Anm. 9). Die Abberufung des bestellten Wirtschaftsprüfers und alsdann die Bestellung eines neuen Wirtschaftsprüfers bedarf, solange die A G noch nicht entstanden ist, des Mehrheitsbeschlusses der Gründer, ohne daß dem Abschlußprüfer gemäß § 163 Abs. 5 S. 1 Halbs. 2 Gelegenheit zur Stellungsnahme vor der Gründerversammlung zu geben wäre. Denn diese Vorschrift geht doch offensichtlich vom Bestand einer A G und der durch Hauptversammlungsbeschluß und Einreichung des Hauptversammlungsprotokolls zu den Gerichtsakten ( § 1 3 0 Abs. 5) geschaffenen besonderen Lage aus; die Bestellung lediglich durch die Gründer dagegen trägt noch stärker privaten Charakter und ist deshalb ohne Stellungnahme des Abschlußprüfers solange widerruflich und abänderbar, als die A G nicht eingetragen ist. Ist sie aber eingetragen, so ist der Widerruf gemäß § 163 Abs. 5 S. 2 nur durch die Hauptversammlung möglich, vor der dem

246

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 30

Anm. 11, 12

Abschlußprüfer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Die Bestellung des Wirtschaftsprüfers bedeutet noch nicht seine Beauftragung. Das ist eine Pflicht des Vorstandes, wie § 163 Abs. 2 S. 3 zum Ausdruck bringt. Infolgedessen hat der erste Vorstand nach Eintragung der A G im Handelsregister dem von den Gründern bestellten Abschlußprüfer einen Prüfungsaufitrag in gleicher Weise zu erteilen, wie wenn der Abschlußprüfer von der Hauptversammlung bestellt worden wäre (vgl. § 163 Anm. 7). Die Gründer selbst brauchen diesen Auftrag noch nicht zu erteilen, weil j a die Prüfungspflicht erst mit Eintragung der A G entsteht, dann aber der Vorstand ausschließlich zur Erteilung berufen ist. Aus dem Prüfungsauftrag ergibt sich dann auch der Vergütungsanspruch der Abschlußprüfer, so daß insoweit für die von den Gründern bestellten Abschlußprüfer nichts Besonderes gilt. Die Bestellung der Abschlußprüfer gilt nur für das auf die Eintragung der Gesellschaft folgende Geschäftsjahr. Ist es ein Rumpf-Geschäftsjahr, so muß für das daran anschließende volle Geschäftsjahr von der Hauptversammlung eine neue Bestellung erfolgen.

Anm. 11 III. Die Bestellung des ersten Vorstands und seine Aufgaben 1. Nach § 190 Abs. 3 H G B hatten die Gründer auch den ersten Vorstand zu bestellen, sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrage die Bestellung in anderer Weise als durch Wahl der Generalversammlung zu geschehen hatte. Häufig war die Bestellung dem Aufsichtsrat zugewiesen. Nach § 84 wird der Vorstand nunmehr nur noch vom Aufsichtsrat bestellt, und nach Abs. 4 des § 30 auch der erste Vorstand. Bei der Bestellung ist Einstimmigkeit nicht erforderlich, es entscheidet wie stets bei den Beschlüssen des Aufsichtsrats Stimmenmehrheit (Godin-Wilhelmi Anm. 10). Eine besondere Form ist weder für die Bestellung des ersten Vorstands noch für spätere Bestellungen vorgeschrieben. Es bedarf also keiner gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, jedoch „soll" nach § 107 Abs. 2 über die Beschlüsse des Aufsichtsrats eine Niederschrift angefertigt werden, also auch über die Bestellung des Vorstands. Diese Niederschrift ist der Anmeldung der A G beizufügen (§37 Abs. 2 Nr. 3). Der Vorstand muß die Bestellung annehmen; für die Annahme gilt dasselbe wie für die Annahme der Bestellung durch die Mitglieder des Aufsichtsrats (Anm. 5). Die Annahme kann also auch stillschweigend, z. B. durch Mitwirkung bei der Anmeldung erfolgen. Der Aufsichtsrat kann die Bestellung aus wichtigem Grunde widerrufen (§ 84 Abs. 3 Satz 3). Weder für die Mitglieder des Aufsichtsrats noch für die des Vorstands schreibt das Gesetz vor, daß sie dem Kreise der Aktionäre angehören müßten. Die Satzung hat darin freie Hand (vgl. § 23 Anm. 16). Wegen der Bestellung eines Arbeitsdirektors vgl. § 31 Anm. 4.

Anm. 12 2 . Auch die Aufgaben des ersten Vorstandes beschränken sich nicht allein auf die Maßnahmen, die zur Entstehung der A G erforderlich sind und für die das Gesetz besondere Vorschriften aufgestellt hat. Dem Vorstand steht mit einer durch § 41 Abs. 2 bedingten Einschränkung die Befugnis zu, im Namen der Gesellschaft zu handeln (§ 29 Anm. 9, § 41 Anm. 12). Ist eine solche Tätigkeit im Einzelfall erforderlich, etwa weil ein eingebrachtes Handelsgeschäft schon jetzt für Rechnung der Gesellschaft geführt werden muß, so hat der Vorstand diese Geschäftsführungstätigkeit ebenfalls auszuüben (Schlegelberger-Quassowski § 23 Anm. 5; Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ; a. M . DüringerHachenburg § 190 Anm. 1 3 ; Ritter § 23 Anm. 4). Den Mitgliedern des Vorstands kann vom Aufsichtsrat eine besondere Vergütung zugesagt werden. Diese Vergütung wird man, soweit sie nicht im Rahmen der Weiterführung eines in die A G eingebrachten Unternehmens erfolgt, auch zum Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2) zu rechnen haben; für die Wirksamkeit einer solchen Zusage ist daher die Festsetzung in der Satzung erforderlich. Denn diese Vergütung wird dem Vorstand für seine Mitwirkung bei der Gründung gewährt (Godin-Wilhelmi Anm. 1 2 ; Baumbach-Hueck Rn. 10; a. M . Heim Z H R 108, 208f.; Ritter § 24 Anm. 5).

247

§ 31 j

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft

Anm. 1 § 31

B e s t e l l u n g des A u f s i c h t s r a t s b e i S a c h g r ü n d u n g

(1) Ist in der Satzung als Gegenstand einer Sachelnlage oder Sachübernahme die Einbringung oder Übernahme eines Unternehmens oder eines Teils eines Unternehmens festgesetzt worden, so haben die Gründer nur so viele Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen, wie nach den gesetzlichen Vorschriften, die nach ihrer Ansicht nach der Einbringimg oder Übernahme für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats maßgebend sind, von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge zu wählen sind. Sie haben jedoch, wenn dies nur zwei Aufsichtsratsmitglieder sind, drei Aufsichtsratsmltglieder zu bestellen. (2) Der nach Absatz 1 Satz 1 bestellte Aufsichtsrat ist, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, beschlußfähig, wenn die Hälfte, mindestens jedoch drei seiner Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. (3) Unverzüglich nach der Einbringung oder Übernahme des Unternehmens oder des Unternehmensteils hat der Vorstand bekanntzumachen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften nach seiner Ansicht der Aufsichtsrat zusammengesetzt sein muß. §§ 97 bis 99 gelten sinngemäß. Das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erlischt nur, wenn der Aufsichtsrat nach anderen als den von den Gründern für maßgebend gehaltenen Vorschriften zusammenzusetzen ist oder wenn die Gründer drei Aufsichtsratsmitglieder bestellt haben, der Aufsichtsrat aber auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen hat. (4) Absatz 3 gilt nicht, wenn das Unternehmen oder der Unternehmensteil nach der Bekanntmachung des Vorstands nach § 30 Abs. 3 Satz 2 eingebracht oder übernommen wird. (5) § 30 Abs. 3 Satz 1 gilt auch für die nach Absatz 3 bestellten Aufsichtsratsmitglieder. Ü b ersieht:

Einleitung 1. Voraussetzung für die Geltung der MitbeStimmung auf den ersten Auisichtsrat (Abs. 1) 2. Bestellung der Aktionärsvertreter 3. Handlungs- und Beschlußfähigkeit des von den Gründern bestellten Aufsichtsrates (Abs. 2)

i 2 3

4. Ergänzung des Aufsichtsrates durch Arbeitnehmervertreter (Abs. 3) 5. Amtsdauer des ergänzten Aufsichtsrates (Abs. 5) 6. Verhältnis des Abs. 3 zu § 30 Abs. 3 S. 2 (Abs. 4)

4

Anm. 1 Einleitung § 2 3 A k t G 3 7 enthielt keine Bestimmung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, die nach Inkrafttreten der Mitbestimmung, sei es nach § 76 B e t r V G , sei es nach den Mitbestimmungsgesetzen v o m 2 1 . 5 . 5 1 u n d 7. 8. 5 6 für den Gründungs-Aufsichtsrat höchst streitig geworden w a r (vgl. § 3 0 A n m . 6). Nunmehr ist diese F r a g e in den neu eingefugten Bestimmungen des § 3 0 A b s . 2 und § 3 1 geregelt. Die Regelung geht dahin, daß nur in den Fällen, in denen die Gesellschaft im Gründungsstadium ein U n t e r nehmen oder einen Unternehmensteil erwirbt — eine andere F o r m der S a c h g r ü n d u n g reicht entgegen der Überschrift des § 3 1 nicht aus — die Mitbestimmung bereits f ü r den ersten Aufsichtsrat gilt, während sie in allen, anderen Fällen ausscheidet. Die völlig neue Vorschrift des § 3 1 regelt die Voraussetzungen für das Eingreifen der Mitbestimmungsvorschriften auf den Gründungs-Aufsichtsrat und ihre auf eine in G r ü n d u n g befindliche A G abgestellte A r t der A n w e n d u n g .

248

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

[§ 31

Anm. 2, 3

Anm. 2 1. Voraussetzung f ü r die Geltung der Mitbestimmung auf den ersten Aufsichtsrat (Abs. 1) Die Mitbestimmungsvorschriften greifen für die Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrates dann ein, wenn eine Sacheinlage oder Sachübernahme gemäß § 27 in der Satzung festgesetzt ist und wenn Gegenstand der Sachgründung ein Unternehmen oder ein Unternehmensteil ist. Es kommt also nicht darauf an, ob eine Sacheinlage oder -Übernahme vorgesehen und ggfs. sogar abgesprochen ist, sondern nur darauf, ob sie gemäß § 27 in der Satzung festgesetzt und damit der Gesellschaft gegenüber rechtswirksam ist. Daraus folgt dann auch, daß das, was eingelegt oder übernommen wird, nach der Festsetzung in der Satzung die Charakterisierung als Unternehmen oder Unternehmensteil verdient. Es erübrigt sich, hier lange Erwägungen über den Unternehmensbegriff und seine Bedeutung anzustellen. Aus dem Zweck des § 3 1 ergibt sich ganz eindeutig, daß es hier auf den Arbeitnehmerstamm ankommt, der in seinen Mitbestimmungsbefugnissen auch dann nicht beeinträchtigt werden soll, wenn die neue Rechtsform sich noch im Gründungsstadium befindet. Es muß sich also bei dem Unternehmen um eine organisatorische Zusammenfassimg von sachlichen und personellen Mitteln zu gewerblichen und/ oder sonstigen Zwecken handeln, die mit dem dazu gehörenden Arbeitnehmerstamm in die A G eingelegt oder von ihr übernommen wird. Ergibt die Satzungsfestsetzung einen derartigen Gegenstand als Inhalt der Einlage oder Übernahme, so greift § 31 ein. Dabei kommt es immer entscheidend auf die Einlage oder Übernahme der Arbeitnehmerschaft an (vgl. Brox AktG 66, 347). Wird ein Unternehmen ohne die Arbeitnehmer z. B. zum Zwecke der gewerblichen Ausbeutung des realen Vermögens oder als Grundlage für den Aufbau eines anderen, mit einer völlig neu zu gewinnenden Arbeitnehmerschaft aufzubauenden Unternehmens übernommen, so fehlt es an den Voraussetzungen des § 31 und greift § 30 Abs. 2 ein. Ob das eingelegte oder übernommene Unternehmen in seiner früheren Rechtsform Mitbestimmungsrechte in Form der Beteiligung an einen Aufsichtsrat hatte, ist dabei ebenso gleichgültig wie die Frage, ob die Rechtsform der A G dem den Gegenstand der Sachgründung bildenden Unternehmen oder Unternehmensteil effektiv eine Mitbestimmung gewährt, was z. B. nicht der Fall ist, wenn es sich um ein Familienunternehmen im Sinne des § 76 Abs. 5 BetrVG mit weniger als 500 Arbeitnehmern oder einen Tendenz betrieb im Sinne des § 81 BetrV G handelt. Auch in diesen Fällen ist im Gründungsstadium § 31 zu beachten, selbst wenn er nicht zu einer Aufnahme von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat fuhren kann. Der Sinn dieser Regelung liegt darin, daß für den Fall von Meinungsverschiedenheiten der Weg der gerichtlichen Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates gemäß § 98 so schnell wie möglich eröffnet werden soll.

Anm. 3 2. Bestellung der Aktionärvertreter (Abs. 1) Sind die Voraussetzungen des § 3 1 gegeben, so haben die Gründer mindestens 3 und darüber hinaus noch so viele Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen, wie sie nach Gesetz und Satzung ohne Bindung an Wahlvorschläge von der späteren Hauptversammlung der A G zu wählen sind. Es scheiden also aus der Zahl der satzungsmäßig vorgesehenen Aufsichtsratsmitglieder aus: a ) diejenigen Aufsichtsratsmitglieder, die gemäß § 76 Abs. 1 und 2 BetrVG von den Arbeitnehmern der Betriebe der Gesellschaft unmittelbar gewählt werden, b ) diejenigen Aufsichtsratsmitglieder, die gemäß §§ 6, 9 Mitbestimmungsgesetz vom 2 1 . 5. 51 nach dem Wahlvorschlag der Betriebsräte zu wählen oder gemäß §§ 6, 7 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes vom 7. 8. 56 entsandt werden, c) dasjenige Aufsichtsratsmitglied, das gemäß § 8 Mitbestimmungsgesetz vom 2 1 . 5 . 51 und § 5 Abs. 3 des Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetzes vom 7. 8. 56 auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt wird.

249

§31

Anm. 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Das bedeutet: Bei den unter das Betriebsverfassungsgesetz fallenden Aufsichtsräten sind jeweils nur */» der in der Satzung gemäß § 95 festgesetzten Aufsichtsratsmitglieder und bei den unter die Mitbestimmungsgesetze fallenden Unternehmen jeweils nur die Hälfte der um ein Mitglied geminderten satzungsmäßigen Gesamtzahl von 1 1 , 15 oder 21 Mitgliedern zu bestellen (Brox AktG 66, 247). Bei den mitbestimmten Gesellschaften sind also von den gesetz- und satzungsmäßig möglichen 1 1 , 15 oder 21 Aufsichtsratsmitgliedern durch die Gründer 5, 7 oder 10 zu bestellen, bei den dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegenden Gesellschaften */, der satzungsmäßig vorgesehenen Zahl, mindestens aber 3. Handelt es sich dagegen um Unternehmen, für die nach Auffassung der Gründer die Mitbestimmungsgesetze nicht gelten und für die wegen §§ 76 Abs. 6, 81 Betr.VG auch die Aufsichtsratsvertretung nach Betriebsverfassungsgesetz ausscheidet, so haben die Gründer so viele Mitglieder zu bestellen, wie in § 95 bzw. der Satzung festgesetzt sind. Dabei ist für die Frage, wie nach den gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, ausschließlich die Ansicht der Gründer maßgebend. Diese Ansicht kann weder durch den über die Eintragung der Anmeldung entscheidenden Registerrichter beanstandet noch durch den Vorstand oder Aufsichtsrat oder die Gründungsprüfer mit Erfolg bezweifelt werden. Selbst wenn der Registerrichter der Auffassung ist, die Ansicht der Gründer sei nicht zu vertreten oder wenn die Gründungsprüfer darlegen, daß das eingebrachte oder übernommene Unternehmen den Mitbestimmungsgesetzen statt dem Betriebsverfassungsgesetz unterliege, muß die Aufsichtsratsbestellung so, wie sie nach der von den Gründern für richtig gehaltenen Ansicht zu erfolgen hat, hingenommen werden, und kann nicht zu einer Ablehnung der Eintragung wegen nicht ordnungsgemäßer Errichtung oder Anmeldung gemäß § 38 Abs. 1 führen. Die vom Gesetz vorgesehene einzige Korrektur für die Ansicht der Gründer über die Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrates liegt in dem in Abs. 3 behandelten Verfahren (Anm. 5). Die Mindestzahl von 3 Mitgliedern steht dann in Frage, wenn bei einem unter das Betriebsverfassungsgesetz fallenden Aufsichtsrat die Satzung die Regelung des § 95 Abs. 1 S. 1 sachlich nicht geändert hat. Dann wären von der Hauptversammlung nur 2 Mitglieder zu wählen. U m aber die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrates auch im Gründungsstadium sicherzustellen — sie ist für die Bestellung des Vorstandes (§30 Abs. 4), für die Gründungsprüfung (§ 33 Abs. 1) und für die Registeranmeldung (§ 36 Abs. 1) wesentlich —, müssen 3 Mitglieder (§ 108, Abs. 3 S. 3) vorhanden sein. Infolgedessen haben die Gründer in diesem Fall nicht nur 2, sondern 3 Mitglieder zu wählen. Es gilt dann später Abs. 3 S. 2 letzter Halbsatz.

Anm. 4 3. Funktions- und Beschlußfähigkeit des von den Gründern bestellten Aufsichtsrates (Abs. 2) Der von den Gründern bestellte Aufsichtsrat übt alle Funktionen des ersten Aufsichtsrates aus. Er ist der Aufsichtsrat, mag er auch im Sinne des für das später bei der A G maßgeblichen Mitbestimmungsrechts wegen fehlender Mitwirkung der Arbeitnehmer unvollständig oder — bei dem 3 er Aufsichtsrat der dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegenden Gesellschaft — falsch zusammengesetzt sein. Auf Grund des § 31 gelten diese Mitbestimmungsvorschriften im Gründungsstadium zunächst noch nicht; ihre spätere Geltung wirkt sich nur in der Zahl der von den Gründern zu bestellenden Aufsichtsratsmitgliedern aus (vgl. Anm. 3). Der so bestellte Aufsichtsrat ist im Sinne des Gesetzes im Gründungsstadium vollständig und damit voll funktionsfähig. Er hat die dem Aufsichtsrat obliegenden Pflichten zu erfüllen (§30 Anm. 8), insbesondere den Vorstand zu bestellen. Jedoch braucht ein Arbeitsdirektor gemäß § 13 Mitbestimmungsgesetz vom 2 1 . 5 . 5 1 und Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz vom 7.8. 56 noch nicht bestellt zu werden (so auch Begr. Reg.E zu §§ 30, 31 Ziff. 2; Baumbach-Hueck Rn. 4); denn seine Bestellung ohne Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, gegen deren Stimmen er nach Mitbestimmungsrecht nicht bestellt werden kann, wäre völlig sinn- und systemwidrig. Obwohl sich aus der Tatsache, daß der gemäß Abs. 1 bestellte Aufsichtsrat den gesetzlichen Bestimmungen voll entspricht und mithin auch vollständig ist, eine

250

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§31 Anm. 5

besondere Regelung über die Beschlußfähigkeit erübrigte und die allgemeine Regelung des § 108 Abs 2 S. i und 3 ausgereicht hätte, hat der Gesetzgeber in Abs. 2 eine besondere Bestimmung über die Beschlußfähigkeit für erforderlich erachtet. Wenn die Begründung zum RegE dazu ausfuhrt, der von den Gründern bestellte Aufsichtsrat „sei noch nicht vollständig besetzt" müsse aber trotzdem seine Aufgaben erfüllen, so geht das fehl, denn der gemäß § 3 1 Abs. 1 besetzte Aufsichtsrat >st im Sinne des Gesetzes ordnungsgemäß und damit vollständig besetzt; die der vollständigen Besetzung etwa entgegenstehende einfache oder erweiterte Mitbestimmung gilt j a nach § 31 Abs. 1 im Gründungsstadium noch nicht. Auch der Sache nach enthält Abs. 2 nur insoweit eine Abweichung von § 108 Abs. 2 S. 1 bis 3, als er eine anderweite gesetzliche Regelung, wie sie in § 10 Mitbestimmungsgesetz und § 11 Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz enthalten ist, beiseite schiebt. Das ergibt sich daraus, daß nach § 108 Abs. 2 S. 1 die Satzung die Beschlußfähigkeit regeln kann, soweit sie nicht gesetzlich geregelt ist, während § 31 Abs. 2 die Beschlußfähigkeit nur vorbehaltlich einer anderweiten satzungsmäßigen, nicht aber auch gesetzlichen Regelung bestimmt. § 31 Abs. 2 geht also anderweiten gesetzlichen Regelungen der Beschlußfähigkeit vor (Begr. RegE zu §§30, 3 1 ; GodinWilhelmi Anm. 3, Baumbach-Hueck Rn. 4). Jedoch gilt auch im Gründungsstadium eine etwaige satzungsmäßige Bestimmung, wonach der Aufsichtsrat nur beschlußfähig ist, wenn der Vorsitzende oder sein Stellvertreter anwesend sind. Im übrigen ist auf die Kommentierung zu § 108 Abs. 2 zu verweisen. Macht die Satzung allerdings — von der Mitgliederzahl des Aufsichtsrates nach dem Gründungsstadium ausgehend — die Beschlußfähigkeit von einer Teilnehmerzahl abhängig, die der geringeren Besetzung des Aufsichtsrates gemäß § 31 Abs. 1 nicht entspricht, so muß man durch Auslegung der Satzung die für die Beschlußfähigkeit erforderte Teilnehmerzahl im Gründungsstadium entsprechend dem Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder im Gründungsstadium einerseits und in der späteren Zeit andererseits ermäßigen. Anm. 5 4. Ergänzung des Aufsichtsrates durch Arbeitnehmervertreter (Abs. 3) Während im Regelfall des § 30 Abs. 2 und 3 die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat erst bei der Wahl des zweiten Aufsichtsrates Platz greift, erfordert § 3 1 Abs. 3 die sofortige Ergänzung des ersten Aufsichtsrates. Im Falle der Einbringung oder Übernahme eines Unternehmens oder Unternehmensteils brauchen also die Arbeitnehmer nicht bis zu 20 Monaten (§30 Anm. 7) zu warten, ehe sie zu der ihnen nach dem Mitbestimmungsrecht zustehenden Vertretung im Aufsichtsrat kommen. Dazu legt Abs. 3 dem Vorstand die Verpflichtung auf, unverzüglich nach der Einbringung oder Übernahme des Unternehmens oder Unternehmensteils eine Bekanntmachung herauszugeben, nach welchen gesetzlichen Bestimmungen nach seiner Ansicht der Aufsichtsrat sich zusammensetzt. Es ist also nicht die in Abs. 1 angezogene Ansicht der Gründer entscheidend, der Vorstand hat sich vielmehr seine eigene Ansicht über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates zu bilden und sie, und nur sie, bekanntzumachen. Für die Bekanntmachung gilt § 97 sinngemäß. Der Zeitpunkt der Bekanntmachung ist nicht von der Eintragung der Gesellschaft abhängig, sondern die Bekanntmachung hat unverzüglich nach Einbringung oder Übernahme zu erfolgen. Damit ist die Vollziehung der Einlage oder Übernahme unabhängig von der Entstehung der Gesellschaft für maßgebend erklärt. Von diesem Zeitpunkt ab gehören die Arbeitnehmer den Betrieben der in Gründung befindlichen A G an und sind nach Betriebsverfassungsgesetz dort beschäftigt bzw. von diesem Augenblick an sind die in den Betrieben bestehenden Betriebsräte solche des Unternehmens der in Gründung befindlichen AG. Da für die Durchführung der Einlage oder Übernahme gesetzlich keine Fristen vorgeschrieben sind, braucht die Bekanntmachung ggfs. auch erst nach der Eintragung zu ergehen und könnte dann sogar nach der Bekanntmachung liegen, die gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 zu ergehen hat (für diesen Fall vgl. Abs. 4, Anm. 7). Binnen eines Monats nach der Bekanntmachung kann das nach § 98 zuständige Gericht zur Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates angerufen werden, und zwar von den in § 98 Abs. 2 genannten Antragsberechtigten, zu denen auch jeder Gründer als Aktionär gehört. Bestätigt die unange-

251

§31 Anm. 6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

fochten bleibende Bekanntmachung oder die gerichtliche Entscheidung die Ansicht der Gründer über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, dann bleiben — vorbehaltlich eines 3-köpfigen, § 76 Abs. 1 BetrVG unterliegenden Aufsichtsrates — die von den Gründern bestellten Personen Aufsichtsratsmitglieder und findet nur eine Ergänzung nach dem Mitbestimmungsrecht statt. § 97 Abs. 2 S. 3 über das Erlöschen des Amtes sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder ist infolge der Regelung des § 31 Abs. 3 S. 3 nicht anwendbar (Brox AktG 66, 348). Die Zuwahl der Arbeitnehmermitglieder hat unverzüglich zu erfolgen, wie sich aus dem Sinn des § 31 ergibt. Für den Fall des 3-köpfigen unter § 76 BetrVG fallenden Aufsichtsrates — hier sind im Gründungsstadium gemäß Abs. 1 S. 2 insgesamt 3 Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen, obwohl die Hauptversammlung nur 2 zu bestellen hätte, vgl. Anm. 3 — bestimmt § 31 Abs. 1 S. 3 das Erlöschen des Amtes aller Aufsichtsratsmitglieder, und zwar um Unklarheiten darüber zu vermeiden, welches Aufsichtsratsmitglied dem neu hinzutretenden Arbeitnehmervertreter zu weichen hat. Es ist aber kein Grund einzusehen, warum das Erlöschen des Amtes aller 3 Aufsichtsratsmitglieder auch dann Platz greifen soll, wenn die Gründer bei der Bestellung gleich festgelegt haben, welches Mitglied dem hinzugewählten Arbeitnehmervertreter Platz zu machen hat (ebenso Brox a. a. O. 349; Dietz BetrVG 4. Aufl. § 76 Anm. 4 e ; Baumbach-Hueck Rn. 5; a . M . Godin-Wilhelmi Anm. 4). Bei einer Einigung der 3 Aufsichtsratsmitglieder über den Rücktritt eines von ihnen zwecks Freigabe eines Sitzes für den Arbeitnehmervertreter wird das aber nicht gelten können, da man zwar den Gründern, nicht aber den Aufsichtsratsmitgliedern selbst es überlassen kann, wie der Aufsichtsrat zusammengesetzt werden soll (ebenso Brox a. a. O., Godin-Wilhelmi a. a. O.). Haben die Gründer zu Beginn die von ihnen zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder nicht vollständig bestellt — z. B. beim 6-köpfigen, § 76 BetrVG unterliegenden Aufsichtsrat nur 3 Mitglieder — so erlischt entgegen dem Wortlaut des letzten Teils des Abs. 3 S. 3 das Amt der gewählten 3 Mitglieder nicht, sondern haben die Gründer oder die Hauptversammlung nur ein viertes Mitglied zuzuwählen. Der gesetzliche Wortlaut greift in dieser Hinsicht etwas über den Zweck dieser Bestimmung hinaus und muß einschränkend ausgelegt werden (so mit Recht Brauksiepe BB 67, 484). Teilt die unangefochten bleibende Bekanntmachung des Vorstandes oder die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung die Auffassung der Gründer über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nicht, dann erlischt das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder, und zwar spätestens 6 Monate nach Ablauf der Frist für die Anrufung des Gerichts gegen die Bekanntmachung des Vorstandes, für den Fall einer früheren Abhaltung einer Hauptversammlung mit dieser. Solange die A G noch nicht eingetragen ist, treten die Gründer an die Stelle der Hauptversammlung, so daß ihre Neuwahl (wegen der Mehrheitserfordernisse vgl. § 30 Anm. 5) das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder zum Erlöschen bringt. Die Meinung von Brauksiepe a. a. O., das Amt der von den Gründern bestellten Aufsichtsratsmitglieder erlösche nur dann, wenn zuviele, nicht aber auch, wenn zuwenig Aufsichtsratsmitglieder bestellt worden wären, verkennt, daß eine von den Ansichten der Gründer abweichende Zusammensetzung des Aufsichtsrates möglicherweise zu einer ganz anderen personellen Besetzung geführt hätte; hier muß man deshalb die Gründer oder die Hauptversammlung nochmals über die gesamte von den Aktionären zu berufenden Mitglieder entscheiden lassen (so auch Obermüller-Werner-Winden S. 36).

Anm. 6 5. Amtsdauer des ergänzten Aufsichtsrates (Abs. 5) Auch der ergänzte Aufsichtsrat bleibt erster Aufsichtsrat im Sinne des § 30. Das stellt Abs. 5 klar, indem er ausdrücklich bestimmt, daß die Amtsdauerbestimmung des § 30 Abs. 3 S. 1 auch für die nach Abs. 3 bestellten Aufsichtsratsmitglieder Geltung hat. Das betrifft nicht nur die Arbeitnehmervertreter und die unparteilichen Mitglieder gemäß den Mitbestimmungsgesetzen vom 2 1 . 5. 51 und 7. 8. 56, sondern auch die Aufsichtsratsmitglieder, die gemäß Abs. 3 S. 2 an die Stelle von Aufsichtsratsmitgliedern getreten sind, die wegen der Geltung des Mitbestimmungsrechts ausgeschieden sind

252

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 31 A n m . 7 §32

(Brauksiepe BB 67, 485; Brox AktG 66, 350; Baumbach-Hueck R n . 6; Godin-Wilhelmi Anm. 6). Insbesondere dann, wenn dieAmtszeit des ersten Aufsichtsrates auf eine kürzere als die nach § 30 Abs. 3 S. 1 längst mögliche bestimmt ist, kann es auch hier geschehen, d a ß die Amtszeit abgelaufen ist, bevor die rechtskräftige Entscheidung des gegen die Vorstands-Bekanntmachung gemäß Abs. 3 angerufenen Gerichts vorliegt (vgl. § 30 Anm. 9). D a n n bleibt auch in diesem Fall keine andere Möglichkeit, als einen interimistischen Aufsichtsrat zu bestellen und ihn in gleicher Weise zusammenzusetzen, wie der erste Aufsichtsrat zusammengesetzt war, also ohne Arbeitnehmervertreter (so auch Obermüller-Werner-Winden S. 36). Ist durch die Bekanntmachung gemäß Abs. 3 S. 1 oder die gerichtliche Entscheidung die Zusammensetzung des Aufsichtsrates klargestellt, so entfallt eine nochmalige Bekanntmachungspflicht gemäß § 30 Abs. 3 S. 2. Das ist der Grund, w a r u m Abs. 5 zwar auf § 30 S. I, nicht aber auch S. 2 verweist. Eine neue Bekanntmachung kommt also alsdann nur mehr unter den Voraussetzungen des § 97 Abs. 1 S. 1 in Frage. Anm. 7 6. V e r h ä l t n i s d e s A b s . 3 z u § 30 A b s . 3 S . 2 ( A b s . 4) Es kann aber auch vorkommen, d a ß bei einer festgesetzten Sacheinlage oder -Übern a h m e die Pflicht zur Bekanntmachung, die an die Vollziehung der Einlage oder Übern a h m e angehängt ist (Anm. 5), erst entsteht, wenn die Bekanntmachung des Vorstandes gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 erfolgt ist. Das wird insbesondere d a n n gelten, wenn die Einlage oder Ü b e r n a h m e erst zu einem späteren Termin vorgesehen ist oder sich aus irgendwelchen Gründen verzögert. § 3 1 Abs. 3 schränkt die Bekanntmachungspflicht des Vorstandes aus § 30 Abs. 3 S. 1 nicht ein. Ist diese letztere Bekanntmachung ergangen, bevor durch Vollziehung der Einlage oder Ü b e r n a h m e die Bekanntmachungspflicht aus § 31 Abs. 3 zur Entstehung gelangt ist, so entfallt auf Grund ausdrücklicher Vorschrift in § 31 Abs. 4 die Bekanntmachungspflicht aus Abs. 3 S. 1. Der gesetzgeberische Grund dafür liegt darin, d a ß vor Beendigung der Amtszeit des ersten Aufsichtsrates geklärt sein muß, wie der zweite Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist. Die Bekanntmachung aus § 30 Abs. 3 oder die ergehende gerichtliche Entscheidung ist d a n n für die Besetzung des zweiten Aufsichtsrates maßgebend, der n u n seinerseits, weil er j a kein erster Aufsichtsr a t mehr ist, nicht unter § 3 1 Abs. 1 fallt und gemäß §31 Abs. 3 zu ergänzen wäre. Erfolgt später die Einlage oder Ü b e r n a h m e des Unternehmens oder Unternehmensteils, so regelt sich die Besetzung des Aufsichtsrates nicht mehr nach § 31, sondern ausschließlich n a c h §§ 97—995 in diesem Verfahren ist d a n n zu entscheiden, ob der Aufsichtsrat anders zusammenzusetzen ist.

§ 33

Gründungsbericht

(1) D i e G r ü n d e r h a b e n e i n e n s c h r i f t l i c h e n B e r i c h t ü b e r d e n H e r g a n g d e r Gründung zu erstatten (Gründungsbericht). (2) I m G r ü n d u n g s b e r i c h t s i n d die w e s e n t l i c h e n U m s t ä n d e d a r z u l e g e n , v o n d e n e n die A n g e m e s s e n h e i t der L e i s t u n g e n f ü r S a c h e i n l a g e n o d e r S a c h übernahmen abhängt. Dabei sind anzugeben 1. die v o r a u s g e g a n g e n e n R e c h t s g e s c h ä f t e , die a u f d e n E r w e r b d u r c h die G e s e l l s c h a f t hingezielt h a b e n ; 2. die A n s c h a f f u n g s - u n d H e r s t e l l u n g s k o s t e n a u s d e n letzten b e i d e n J a h ren; 3. b e i m Ü b e r g a n g e i n e s U n t e r n e h m e n s auf die G e s e l l s c h a f t die B e t r i e b s erträge aus den letzten beiden Geschäftsjahren. 253

§ 32

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1, 2 (3) Im Gründungsbericht ist ferner anzugeben, ob und in welchem Umfang bei der Gründung für Rechnung eines Mitgliedes des Vorstandes oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden sind und ob und in welcher Weise ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat. Übersicht AnfPt Einleitung i 1. Allgemeines 2 2. Der Gründungsbericht bei der Sachgründung 3,4

^ntri, 3. Notwendiger Inhalt bei jedem Gründungsbericht 4. Notwendiger Inhalt in besonderen Fällen

5 6

Anm. 1 Einleitung § 191 H G B verlangte eine „Gründererklärung" nur im Fall der Sachgründung, bei der die Gefahr unlauterer Machenschaften allerdings besonders groß ist, nicht jedoch auch bei Ausbedingung besonderer Vorteile zugunsten einzelner Aktionäre und nicht für den Gründungsaufwand mit Einschluß des Gründerlohns. § 24 A k t G 37 ließ alle diese Unterschiede fallen und verlangte in jedem Fall, gleichviel ob die besonderen Voraussetzungen der §§ 26, 27 vorlagen oder nicht, einen schriftlichen Bericht der Gründer über den Hergang der Gründung, und zwar als Grundlage für die nachfolgenden Prüfungen (§§ 33ff.). § 32 A k t G 65 entspricht im wesentlichen § 24 A k t G 37, nur ist Abs. 2 klarer und übersichtlicher gefaßt, wobei in Ziff. 3 nicht mehr von „Betriebsertrag aus den letzten beiden Geschäftsjahren" die Rede ist, sondern die Angabe der „Betriebserträge" verlangt wird, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, daß die Angabe für jedes Jahr gesondert zu machen ist. Bemerkenswert ist, daß in Abs. 2 noch von der „Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen oder Sachübernahmen" die Rede ist, während das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit in §§ 34 Abs. 1 Ziff. 2, 38 Abs. 2 gestrichen ist. Diese Streichung erfolgte im Rechtsausschuß; die Koordinierung des § 32 Abs. 2 mit § 34 Abs. 1 Ziff. 2 und § 38 Abs. 2 wurde offensichtlich übersehen, da nicht einzusehen ist, warum die Gründer die Angemessenheit dartun sollen, wenn es bei der Prüfung auf die Wertgleichheit zwischen Einlage oder Übernahme einerseits und Aktiennennbetrag oder Ubernahmepreis andererseits ankommt. Sollte die Änderung der §§ 34 Abs. 1 Ziff. 2, 38 Abs. 2 gegenüber §§ 26 Abs. 1 Ziff. 2, 31 Abs. 2 A k t G 37 wirklich in einem konkreten Fall praktische Bedeutung erlangen, so muß man den Begriff der Angemessenheit im Sinne der Neufassung der §§ 34 Abs. 1 Ziff. 2, 38 Abs. 2 auslegen.

Anm. 2 1. Allgemeines Die Gründer (§ 28) haben den Gründungsbericht persönlich zu erstatten. Während sie sich bei der Gründung selbst durch Bevollmächtigte vertreten lassen können (§ 23 Abs. 1 Satz 2; vgl. § 2 Anm. 14, § 23 Anm. 6, § 30 Anm. 5), ist hier eine Bevollmächtigung unzulässig (vgl. K G J 28 A 235), da die Erstattung des Gründungsberichts keine Willenserklärung ist, für die es eine Bevollmächtigung gibt (Ritter § 24 Anm. 2 a). Selbstverständlich bewendet es aber bei der gesetzlichen Vertretung, für juristische Personen und Handelsgesellschaften genügt daher die Mitwirkung der Vertretungsberechtigten. Sind die Gründer oder ihre gesetzlichen Vertreter nicht sachverständig genug, einen ausreichenden Bericht erstatten z u können, so müssen sie sich von der Gründung fernhalten (vgl. R G Z 144, 355). Persönliche Unfähigkeit befreit sie nicht von der

264

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 32 Anxn. 3

Pflicht zur Beobachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns (§ 46 Abs. 3). Die strafrechtliche Verantwortung regelt § 399 Nr. 1. Für den Gründungsbericht ist Schriftform erforderlich (§ 126 BGB). Die Gründer können den Bericht gemeinsam erstatten, müssen es aber nicht; jeder Gründer muß den Bericht, für den er die Verantwortung übernimmt, unterschreiben. Für den Inhalt des Berichts sind nicht etwa nur die Vorschriften des Abs. 2 und 3 maßgeblich (so Ritter § 24 Anm. 2; dagegen mit Recht Godin-Wilhelmi Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 4), vielmehr sind alle für den Hergang der Gründung maßgeblichen Vorgänge anzugeben (Abs. 1 ; Einzelheiten dazu vgl. Anm. 6, 7). Die Bedeutung der Vorschriften des Abs. 2 und 3 erschöpft sich darin, daß bei der Sachgründung noch ein besonderer Inhalt vorgeschrieben ist (Abs. 2) und daß im übrigen jeder Bericht Angaben über die im Abs. 3 genannten Vorgänge enthalten muß, sei es auch nur die Angabe, daß im Einzelfall derartige Vorgänge nicht gegeben sind. Anm. 3 2. Der Gründungsbericht bei der Sachgründung Handelt es sich um eine Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 27), so ist für den Bericht ein besonderer Inhalt vorgeschrieben (Abs. 2). Er muß die wesentlichen Umstände darlegen, von denen die Angemessenheit der für eingelegte oder übernommene Gegenstände gewährten Leistungen abhängt, und zwar objektiv, nicht nur die, welche für die Entschließung der Gründer bestimmend gewesen sind, sondern alle, die von den Gründern bei sachgemäßer Prüfung für wesentlich angesehen werden müssen. Dahin gehören auch Zusagen, die der Gesellschaft über die Beschaffenheit der Gegenstände gemacht worden sind (RG 18, 68). Die Leistungen der AG sind bei der Sacheinlage die zu gewährenden Aktien, bei der Sachübernahme die zu gewährende Vergütung (§ 20 Abs. 1). Damit die Angemessenheit geprüft werden kann, sind im einzelnen anzugeben: 1. Die vorausgegangenen Rechtsgeschäfte, die auf den Erwerb durch die Gesellschaft gezielt haben und zwar gleichgültig, wie lange sie zurückliegen, sofern nur ein ursächlicher Zusammenhang des vorausgegangenen Geschäfts mit dem Gründungsvorgang besteht. So gehört zu den anzugebenden Geschäften z. B. ein Kauf, der von einem Gründer oder einem Nichtgründer in der Absicht geschlossen worden ist,den einzulegenden oder zu übernehmenden Gegenstand an die Gesellschaft zu veräußern. Solche „Zwischengeschäfte" können für die Gesellschaft von Vorteil sein, sie können aber auch dem Veräußerer einen ungerechtfertigten Gewinn zum Schaden der Gesellschaft bringen. Sind keine Zwischengeschäfte gemacht worden, so ist das anzugeben. Nicht hierher gehören die zwischen den Gründern oder zwischen ihnen und einem Bankhaus geschlossenen Konsortialgeschäfte, die sich lediglich mit der Verwertung der Aktien befassen. Solche Geschäfte haben nichts mit den Umständen zu tun, von denen die Angemessenheit der Leistungen abhängt. 2. Ferner sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten der einzulegenden oder zu übernehmenden Gegenstände aus den letzten beiden Jahren anzugeben. Es soll dadurch klargelegt werden, wie die Gegenstände in den letzten 2 Jahren bei Umsatzgeschäften bewertet worden sind und wieviel der Veräußerer durch die Veräußerung an die Gesellschaft verdient. Hat er z. B. Hypotheken unter dem Nennwert und dann das belastete Grundstück erworben, sich aber auf den Kaufpreis für das Grundstück den vollen Nennbetrag der Hypotheken anrechnen lassen, so würde dieser Hergang angegeben werden müssen, damit die Anschaffungskosten richtig berechnet werden. Die Angabepflicht besteht aber nur für Anschaffungs- und Herstellungskosten der letzten beiden Jahre; sind solche nicht vorhanden, so ist das anzugeben. Bei dem, was weiter zurückliegt, wird die Möglichkeit eines Zusammenhangs mit der Gründung nicht mehr angenommen; auch entfallt wegen der Länge der Zeit das Gewicht der früheren Bewertung. Die beiden Jahre werden vom Tage der Feststellung der Satzung mit den darin

255

§32

Anm. 4, 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

festgesetzten Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 27 Abs. 1) zurückgerechnet (so die herrschende Ansicht; a. M . Ritter § 24 A n m . 3e, der insoweit den T a g des Gründungsberichts für maßgeblich hält; das kann aber zur Irreführung der Öffentlichkeit und der Prüfer Anlaß geben, wenn die Gründer die Erstellung des Berichts aus diesem Grunde hinausschieben). 3. Wird ein Unternehmen in die Gesellschaft eingebracht oder von ihr übernommen, so sind außer den Angaben zu 1 und 2 auch die Betriebserträge aus den letzten beiden Geschäftsjahren anzugeben. Das gilt auch dann, wenn es sich nur um einen Teil eines Unternehmens handelt, z. B. wenn von einem Hauptgeschäft vorher einzelne Verkaufsstellen abgezweigt werden (Jena O L G E 2, 435). Unter dem Geschäftsjahr ist dasselbe zu verstehen wie in § 39 H G B (vgl. § 30 Anm. 4), es müssen also zwei Bilanzen berücksichtigt werden. Eine Angabe über den Geschäftswert (goodwill, § 153 Abs. 5) kann gemacht werden, um die Angemessenheit des Entgelts zu begründen. Vorgeschrieben ist solche Angabe nicht; wird sie gemacht, so ist sie jedenfalls von den übrigen Angaben klar zu trennen. Was unter Betriebserträgen zu verstehen ist, sagt das Gesetz weder hier noch an anderer Stelle; insbesondere enthält die Gliederungsvorschrift des § 157 für die Gewinn- und Verlustrechnung diesen Begriffnicht. U m einen wirklichen Aussagewert zu haben, dürfen aber nur Ziffern angegeben werden, die für das eingebrachte oder übernommene Unternehmen oder Teilunternehmen möglichst die Bedeutung der Ziff. 28 des § 157 (Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag) haben und die selbstverständlich den Grundsätzen ordnungsgemäßer kaufmännischer Buchführung für die Rechtsform, in der das Unternehmen oder Teilunternehmen geführt wird, entsprechen, wobei gegebenenfalls außerordentliche Posten, die für die Beurteilung der Erträge wesentlich sind, besonders hervorzuheben sind. Wie sich an sich von selbst versteht, durch die Änderung des Abs. 2 Ziff. 3 aber nochmals klargestellt worden ist, kann der Betriebsertrag der beiden Geschäftsjahre nicht in einem Betrag angegeben werden, sondern muß aufgegliedert für jedes der beiden Geschäftsjahre genannt werden.

Anm. 4 Wie in A n m . 1 erwähnt, ist das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit in § 32 Abs. 2 wohl nur versehentlich stehen geblieben und kommt es, wenn man von den Prüfungskriterien der §§ 34 Abs. 1 Ziff. 2, 38 Abs. 2 ausgeht, darauf an, daß der Wert der Sacheinlage den Nennbetrag oder höheren Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien und der Wert der Sachübernahme den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreicht. I m Grunde ist der Unterschied, wenn auch der Ausschußbericht zu § 34 anderer Meinung war, nicht sehr groß. Denn schon Fischer in der Vorauflage definierte die Angemessenheit dahin, daß die eingelegten Gegenstände keineswegs weniger wert sein dürften als der Nennbetrag der Aktien. In der T a t ist der Wert der Sacheinlage oder Sachübernahme, der unter dem Ausgabebetrag der Aktien oder dem Wert der Gegenleistung für die Sachübernahme liegt, nicht angemessen im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 1. Diese Wertgleichheit ist deshalb von den Gründern in ihrem Gründerbericht darzutun.

Anm. 5 3. Notwendiger Inhalt bei jedem Gründungsbericht U m den Gründungsvorgang durchsichtiger zu machen, verlangt Abs. 3 unabhängig davon, ob eine Sachgründung vorliegt und Angabeh nach Abs. 2 zu machen sind, Angaben darüber: 1. ob und in welchem Umfang bei der Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien — von einem Strohmann — übernommen worden sind (vgl. § 33 Abs. 2 Nr. 2), 2. ob und in welcher Weise ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat (vgl. § 33 Abs. 2 Nr. 3). Hierbei kommt es nicht

256

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 32 A n m . 6

§33

darauf an, ob das Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich die Vorteile usw. als Aktionär oder als Nichtaktionär zu Lasten der Gesellschaft oder eines anderen ausbedungen hat, so daß es auch auf die Voraussetzungen des § 26 nicht ankommt; es soll das Interesse des Empfangers am Zustandekommen der Gründung klargestellt werden. Liegt ein solcher Fall (1 oder 2) vor, so ist auch der Name des beteiligten Mitglieds und der Umfang der Aktienübernahme, des Vorteils usw. für jeden einzelnen anzugeben (a. M . Godin-Wilhelmi Anm. 8). Ohne das würde der Zweck der Vorschrift nur unvollkommen erreicht werden. O b man es darauf abstellen soll, daß in dem später zu erstattenden Prüfungsbericht (§ 33 Abs. 1, § 34) ggf. abweichende Auffassungen der einzelnen Organmitglieder zum Ausdruck kommen können und es dann von Bedeutung ist, wer mittelbar beteiligt oder wer eine Entschädigung bekommen hat (so Vorauflage § 24 Anm. 5) mag dahinstehen. Für die Durchsichtigkeit einer Gründung kann es jedenfalls entscheidend darauf ankommen, welches — evtl. prominente und gewichtige — Organmitglied sich eine Vergütung hat zahlen lassen oder selbst mittelbar beteiligt ist.

Anm. 6 4. Notwendiger Inhalt in besonderen Fällen Gehören Gründer, zu deren Gunsten ein besonderer Vorteil oder ein Gründerlohn ausbedungen worden ist, weder zum Vorstand noch zum Aufsichtsrat, so fallt das nicht unter Abs. 3, daher ist insoweit eine Angabe nicht erforderlich. Indessen ergibt sich schon aus Abs. 1, daß auch derartige Vereinbarungen, wenn sie zu Lasten der Gesellschaft gehen (§ 26), im Gründungsbericht anzuführen sind. Gehört ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern (§ 33 Abs. 2 Nr. 1), so ist auch das anzugeben; aus der Namensgleichheit kann es nicht ohne weiteres entnommen werden. M a n würde an sich noch weitergehen und mit Rücksicht auf § 46 Abs. 5 und auf § 56 Abs. 1 bei jeder Beteiligung eines Strohmanns die Angabe des Hintermanns zu verlangen haben. Indessen ergibt die Fassung des Abs. 3, die diese Angabe nur dann verlangt, wenn der Hintermann ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats ist, daß das Gesetz nicht so weit hat gehen wollen. Fraglich kann sein, ob ein besonderer Vorteil oder ein Gründerlohn, die nicht in der Satzung festgesetzt und daher gegenüber der Gesellschaft nicht wirksam sind, ebenfalls im Gründungsbericht anzugeben sind. M a n wird das im Hinblick auf die zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung der Gründer (§§ 46, 399 Nr. 1) wohl mit Ritter (Anm. 5) bejahen müssen. Wird etwas von dem geändert, worauf sich der Gründungsbericht zu erstrecken hat, so muß der Bericht auch auf die Änderungen eingehen, nötigenfalls in einem Nachtrage ( K G O L G E 43, 299).

§ 33

Gründungsprüfung. A l l g e m e i n e s

(1) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben den Hergang der Gründung zu prüfen. (2) Außerdem hat eine Prüfung durch einen oder mehrere Prüfer (Gründungsprüfer) stattzufinden, wenn 1. ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern gehört oder 2. bei der Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden sind oder 17

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

257

§ 33 A n m . 1, 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

3. ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat oder 4. eine Gründung m i t Sacheinlagen oder Sachübernahmen vorliegt. ( 3 ) Die Gründungsprüfer bestellt das Gericht nach Anhörung der Industrie- und Handelskammer. Gegen die Entscheidung ist die sofortige B e schwerde zulässig. (4) Als Gründungsprüfer sollen, wenn die Prüfung keine anderen Kenntnisse fordert, nur bestellt werden 1. Personen, die in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sind; 2. Prüfungsgesellschaften, von deren gesetzlichen Vertretern mindestens einer in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren ist. (5) Als Gründungsprüfer d a r f nicht bestellt werden, w e r nach § 143 Abs. 2 und 3 nicht Sonderprüfer sein kann. Gleiches gilt für Personen und Prüfungsgesellschaften, auf deren Geschäftsführung die Gründer oder Personen, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben, maßgebenden Einfluß haben. Ubersicht:

Einleitung I. Die Gründungsprüfung durch Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats

Anm.

Anm.

i

III. Die Bestellung der Gründungsprüfer durch das Gericht 5,6

a

IV. Die Auswahl der Gründungsprüfer

II. Die Gründungsprüfung durch Gründungsprüfer 3, 4

7

V. Ausschluß vom Amt der Gründungsprüfer 8, 9

Anm. 1 § 33 übernimmt im wesentlichen die Regelung des § 25 AktG 37, die allgemein eine Gründungsprüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat, in besonderen Fällen aber zusätzlich durch unabhängige Gründungsprüfer verlangte. In Abs. 3 S. 2 ist die Zulassung der sofortigen Beschwerde gegen die Bestellung der Gründungsprüfer ins Gesetz aufgenommen entsprechend der Grundhaltung des Rechtsausschusses, die Beschwerdefähigkeit überall dort zu regeln, wo eine Entscheidung im freiwilligen Gerichtsverfahren vorgesehen ist (Ausschußbericht zu § 33). Abs. 4 und 5 ändert etwas die Bestimmungen über die sachlichen und personellen Voraussetzungen, die ein Gründungsprüfer haben muß. Da diese Voraussetzungen erschöpfend geregelt sind, entfallt die bisher in § 47 Ziff. 1 AktG 37 enthaltene Ermächtigung, die Befähigung als Gründungsprüfer von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen. Auch ist die Bestimmung des § 7 der ersten D V O zum AktG 37, die die Justizminister ermächtigte, für einzelne Gesellschaften abweichende Anordnungen über die Bestellung von Gründungsprüfern sowie die Einreichung und Einsicht des Berichts zu erlassen — sie wurde von Fischer in der Vorauf 1. § 25 Anm. 7 und Ritter § 25 Anm. 8 mit Recht wegen mangelnder gesetzlicher Ermächtigung für unwirksam gehalten — nicht übernommen worden. Anm. 2 I. Die Gründungsprüfung durch Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats In jedem Fall haben die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats den Hergang der Gründung zu prüfen, und zwar ebenso wie die Gründer bei ihrem Gründungs258

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 33 A n m . 3, 4

bericht (§ 32 Anm. 2) jedes einzelne Mitglied unter persönlicher Verantwortung und ohne Zulässigkeit einer Vertretung. Mitglieder, die zugleich Gründer sind, haben die Prüfung ebenfalls vorzunehmen. Es genügt, wenn ein gemeinsamer Prüfungsbericht aufgesetzt und von allen unterschrieben wird. Weigert sich ein Mitglied, so kann es abberufen und ein anderes bestellt werden (§ 30 Anm. 5, 1 1 ) ; bei einem Aufsichtsratsmitglied geschieht dies durch die Gründer, bei einem Vorstandsmitglied durch den Aufsichtsrat. Auch diese Weigerung und der dafür angegebene Grund gehören aber zum Hergang der Gründung und sind im Prüfungsbericht mit zu erwähnen. Das ist zwar in § 34 nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber aus der Natur der Sache (so jetzt auch Baumbach-Hueck Rn. 2). Der Umstand, daß ein Mitglied des Vorstands zu einem ungünstigen Prüfungsergebnis gelangt, wird in der Regel für sich allein noch keinen „wichtigen Grund" zu seiner Abberufung geben (§ 84 Abs. 3); für die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsrats bedarf es keines wichtigen Grundes, vgl. § 103, wohl aber einer Dreiviertelmehrheit der Gründer (§30 Anm. 5). — Die Verantwortung regeln die §§48, 399 Abs. 1 Nr. 1. Anm. 3 II. Die Gründlingsprüfung durch G r ü n d u n g s p r ü f e r Für besondere Fälle sieht das Gesetz außer der Prüfung durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer vor. Sind es mehrere, so ist, soweit das Gericht nichts anderes anordnet, eine Arbeitsteilung unter ihnen nicht ausgeschlossen, so daß jeder für einen Teil der Prüfung die Verantwortung übernimmt, z. B. bei Einbringung einer Fabrik und eines Handelsgeschäfts der eine für die Fabrik, der andere für das Handelsgeschäft (OLG Dresden Holdheim 7, 313). Anm. 4 Es sind 4 Fälle, in denen eine besondere Gründungsprüfung stattzufinden hat, und zwar: 1. Ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats gehört zu den Gründern (§ 28). Nach dem Zweck des Gesetzes genügt es, wenn eine Personalhandelsgesellschaft Gründerin ist, daß einer ihrer vertretungsberechtigten Gesellschafter, wenn eine A G oder andere juristische Person Gründerin ist, daß eines ihrer Vorstandsmitglieder zum Vorstand oder Aufsichtsrat der zu gründenden Gesellschaft gehört (KG OLGE 24, 1 7 1 ; K G J 41 A 123). Dagegen liegt die Voraussetzung der Nr. 1 nicht schon dann vor, wenn sich ein Mitgründer bei der Gründung durch ein nicht zum Gründerkreis gehöriges Vorstandsmitglied, soweit zulässig, auf Grund rechtsgeschäftlicher Vollmacht vertreten läßt (Ritter §25 Anm. 3; Baumbach-Hueck Rn. 3 ; Godin-Wilhelmi Anm. 3; dahingestellt gelassen in R G 154, 283; a. M. SchlegelbergerQuassowski § 25 Anm. 3 a, Dienst, Die aktien-rechtliche externe Gründungsprüfung Diss. 1959 S. 70/71)2. Bei der Gründung sind für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden, das Mitglied ist also Hintermann eines Strohmanns (vgl. § 32 Anm. 5 Nr. 1). Es genügt die Übernahme einer einzigen Aktie fürRechnung des Mitglieds. 3. Ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats hat sich einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen (vgl. § 32 Anm. 5 Nr. 2). Das gilt auch dann, wenn nicht die Gesellschaft, sondern ein anderer die Entschädigung usw. zahlt (allg. Ansicht). 4. Es liegt eine Gründung mit Sacheinlage oder Sachübernahme vor (§27). Hierbei ist es nicht erforderlich, daß ein Verwaltungsträger selbst an der Sachgründung beteiligt ist. Dagegen ist einePrüfung durch Gründungsprüfer nicht erforderlich, wenn die Einlagegegenstände in der Satzung mangelhaft festgesetzt worden sind (a. M. Schlegelberger-Quassowski § 25 Anm. 2d). In diesem Fall muß der Registerrichter die Eintragung der A G ohnehin ablehnen (§27 Anm. 29), so daß eine besondere Prüfung durch Gründungsprüfer entfallen kann (ebenso Ritter § 25 Anm. 3). 17*

269

§ 33 Anm. 5—7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Ob einer dieser Fälle gegeben ist, muß aus dem Gründungsbericht hervorgehen (§ 32 Anm. 3, 5, 6). In den Fällen 1 bis 3 ist Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit, im Falle 4 die Schwierigkeit der Prüfung der Grund dafür, daß eine Sonderprüfung angeordnet ist. Anm. 5 III. Die Bestellung der Gründungsprüfer durch das Gericht Die Bestellung der Gründungsprüfer ist ausschließlich dem Gericht (§14) übertragen worden, das aber die Industrie- und Handelskammer — in § 25 Abs. 3 war noch von der amtlichen Vertretung des Handelsstands die Rede — vorher anzuhören hat. Die Tätigkeit des Registergerichts fallt nicht unter § 8 HGB in Vbdg. mit § 125 F G G und gehört damit nicht zu den eigentlichen Aufgaben des Registergerichts, sondern ist unter § 145 F G G einzuordnen (KropfFRpfl. 66, 33; Saage DNotZ 60, 577), woraus sich dann auch gemäß § 146 Abs. 2 FGG ergibt, daß an die Stelle der sonst gegebenen einfachen Beschwerde die sofortige Beschwerde tritt; das hat Abs. 3 S. 2 jetzt ins AktG selbst übernommen, nicht um das gegebene Rechtsmittel zu ändern, sondern um die Rechtslage deutlich zu machen (vgl. Anm. 1). Das Gericht bestellt die Gründungsprüfer auf Antrag der Gründer, nicht der Vorstandsmitglieder (a. M. insoweit Brodmann § 192 Anm. 3 und Dienst a. a. O. S. 79), und kann die Bestellung jederzeit widerrufen. Niemand ist verpflichtet, die Tätigkeit zu übernehmen.

Anm. 6 Die Gründungsprüfer üben ein Amt aus, ähnlich wie der Konkursverwalter, Zwangsverwalter oder Vormund (vgl. dazu OLG Darmstadt J W 1934, 1517 mit Anm. Lehmann). Sie stehen zur Gründungsgesellschaft in keinem Vertragsverhältnis, anders als die Prüfer bei einer Sonderprüfung (§ 42) oder Abschlußprüfung (§ 16 a. M. Dienst a. a. O. S. 95, der ein Vertragsverhältnis mit gesetzlich vorgeschriebenem Inhalt annimmt) ; deshalb können sie hier auch nicht von den Gründern gekündigt werden. Allerdings ist die Gründungsgesellschaft Schuldnerin der vom Gericht festzusetzenden Auslagen und Vergütungsansprüche, u. U. die AG, sobald sie eingetragen ist (§ 35 Anm. 5). Aber daraus ergibt sich noch kein Vertragsverhältnis, ebensowenig wie beim Konkursverwalter usw. Die bürgerlichrechtliche Verantwortlichkeit der Gründungsprüfer und ihrer Gehilfen ist in § 49 durch Bezugnahme auf § 168 Abs. 1 bis 4 geregelt. Von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit handelt § 403.

Anm. 7 IV. Die Auswahl der Gründungsprüfer Für die Auswahl der Gründungsprüfer wird die Regel aufgestellt, daß sie in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sein sollen. Prüfungsgesellschaften sollen nur bestellt werden, wenn von ihren gesetzlichen Vertretern mindestens einer in der Buchführung ausreichend vorgebildet oder erfahren ist. Dies sind jedoch nur Richtlinien für das Gericht, von denen es aus besonderen Gründen auch abweichen kann, insbesondere wenn die Prüfung andere Kenntnisse fordert. Das kann dann in Frage kommen, wenn z. B. Patente, Know how, Grundstücke und dergl. zu bewerten sind. Gegebenenfalls empfiehlt sich dann die Gestellung mehrerer Gründungsprüfer mit Aufgabenverteilung (vgl. Anm. 3). In all dem hat das Gericht freies Ermessen. Für die Abschlußprüfer ist die Auswahl in § 164 auf öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beschränkt. Für die Gründungsprüfer — wie auch nach § 143 für die Sonderprüfer — gilt diese Beschränkung nicht. 260

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 33 A n m . 8, 9

Anm. 8

V. Ausschluß vom Amt der Gründungsprüfer Abs. 5 bezeichnet, und zwar im wesentlichen durch Bezugnahme auf die entsprechenden Bestimmungen fiir die Sonderprüfer, die Personen, die nicht zu Gründungsprüfern bestellt werden dürfen. Es sind: 1. Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Gesellschaft. Diese haben nach Abs. i ohnehin die Gründung zu prüfen. Da in den Fällen des Abs. 2 „außerdem" eine Gründungsprüfung stattzufinden hat, so wäre es schon deshalb sinnwidrig, damit dieselben Personen zu betrauen (§ 143 Abs. 2 Ziff. 1). 2. Angestellte der zu gründenden Gesellschaft. Von ihnen ist keine unparteiische Prüfung zu erwarten. Ob sie eine leitende oder untergeordnete Stellung bekleiden, ist gleichgültig. Ist ein Unternehmen oder Unternehmensteil eingebracht oder überlassen, so scheiden auch Personen aus, die in den letzten drei der Bestellung vorausgehenden Jahren Angestellte in dem Unternehmen oder Unternehmensteil waren (§ 143 Abs. 2 Ziff. 1). 3. Natürliche Personen, auf die die Gründer oder die Hintermänner von Gründern maßgebenden Einfluß haben. Ob der maßgebende Einfluß tatsächlich ausgeübt wird oder nur die Möglichkeit dazu besteht, ob er auf rechtlichen oder tatsächlichen Beziehungen beruht, ist gleichgültig. Verwandtschaft, nahe Bekanntschaft mit einem Gründer, mit dem Hintermann eines Gründers, wirtschaftliche Abhängigkeit von einer dieser Personen durch Darlehen, Unterstützung, häufige Inanspruchnahme oder gar Angestelltenverhältnis, auch Beziehungen aus einem nicht mehr bestehenden Angestelltenverhältnis können von Bedeutung sein (§ 33 Abs. 5 S. 2). 4. Prüfungsgesellschaften, auf deren Geschäftsführung die Gründer oder die Hintermänner von Gründern maßgebenden Einfluß haben. Beziehungen der zu 3. genannten Art zwischen Gründern oder Hintermännern von Gründern einerseits zu Mitgliedern oder leitenden Persönlichkeiten der Prüfungsgesellschaft andererseits kommen, nachdem die konzernrechtlichen Bindungen durch die Bezugnahme auf § 143 Abs. 2 und 3 erfaßt sind, hier in erster Linie in Betracht (§ 33 Abs. 5 S. 2). 5. Gesetzliche Vertreter und Aufsichtsratsmitglieder, Komplementäre und Kommanditisten, Alleininhaber oder Angestellte von Unternehmen, die mit der in Gründung befindlichen A G verbunden im Sinne des § 15 sind (§ 143 Abs. 2 Ziff. 2 und 3). Das dürfte insbesondere vorkommen, wenn ein bestehendes Unternehmen seine Rechtsform durch Neugründung in eine A G ändert oder wenn zu den Gründern Unternehmen gehören, die allein oder zusammen mit ihnen selbst wieder verbundenen Unternehmen die Mehrheit des Gründungskapitals übernehmen. 6. Schließlich Prüfungsgesellschaften, die selbst oder durch ein ihnen verbundenes Unternehmen mit der zu gründenden A G verbunden sind oder bei denen ein gesetzlicher Vertreter, ein Aufsichtsratsmitglied, ein Komplementär oder Kommanditist selbst von der Prüfungsmöglichkeit auf Grund der Ziff. 1, 2 oder 5 ausgeschlossen ist (§ 143 Abs. 3). Erschöpfen lassen sich die Fälle zu 3 bis 6 überhaupt nicht, das Angeführte dient nur zu Beispielen. Eine weite Auslegung entspricht dem Zweck des Gesetzes, das auf eine unparteiische Gründungsprüfung aus gutem Grunde großes Gewicht legt. Auch über die Ausschließungsvorschriften des Abs. 5 hinaus hat das Gericht bei der Bestellung die Besorgnis der Befangenheit zu berücksichtigen (ebenso Baumbach-Hueck Rn. 6; Schlegelberger-Quassowski § 25 Anm. 6; einschränkend wohl Ritter § 25 Anm. 6 c).

Anm. 9 Wird ein Prüfer oder eine Prüfungsgesellschaft entgegen den Ausschließungsvorschriften des Abs. 5 bestellt, so muß das Gericht, sobald es den Fehler bemerkt, die Bestellung widerrufen und einen anderen Prüfer oder eine andere Prüfungsgesellschaft bestellen ( § 1 8 F G G ) . Ist der Prüfungsbericht schon erstattet, so muß ein neuer angefertigt werden. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht aus einem anderen Grund nachträglich

261

§ 34 Anm. 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anlaß findet, die Befangenheit zu besorgen (Anm. 8 a. E.). Ein Beschwerderecht gegen die Bestellung steht jedem Gründer sowie dem Vorstand zu, nicht aber dagegen, daß das Gericht eine Persönlichkeit oder Prüfungsgesellschaft für ungeeignet erachtet. Ist die A k t G eingetragen, so bildet die Ungeeignetheit dessen, der den Prüfungsbericht erstattet hat, keinen Nichtigkeitsgrund (§ 275). Wohl aber kann sie Anlaß zu einer Sonderprüfung nach § 14s und zu Schadensersatzforderungen nach den §§ 46 fr. geben.

§ 34

U m f a n g der G r ü n d u n g s p r ü f u n g

(1) Die Prüfung durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie die Prüfung durch die Gründungsprüfer haben sich namentlich darauf zu erstrecken, 1. ob die Angaben der Gründer über die Übernahme der Aktien, über die Einlagen auf das Grundkapital und über die Festsetzungen nach §§ 26 und 27 richtig und vollständig sind; 2. ob der Wert der Sachelnlagen oder Sachübernahmen den Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreicht. (2) Über jede Prüfung Ist unter Darlegung dieser Umstände schriftlich zu berichten. (3) J e ein Stück des Berichts der Gründungsprüfer ist dem Gericht, dem Vorstand und der Industrie- und Handelskammer einzureichen. Jedermann kann den Bericht bei dem Gericht und bei der Industrie- und Handelskammer einsehen. Ü b ersieht: Anco.

Einleitung I. Der Inhalt des Prüfungsberichts

I 3

Anm.

II. Die Form des Prüfungsberichts III. Die Einreichung des Prüfungsberichts

3 4

Anm. 1 Die Vorschrift entspricht mit einer Änderung in Abs. 1 Ziff. 2 dem A k t G 37, das sie seinerseits im wesentlichen dem § 193 H G B entnommen hatte. Die Änderung in Abs. 1 Ziff. 2 betrifft die Streichung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit der Leistung für eingelegte oder übernommene Gegenstände, das nunmehr außer in dieser Bestimmung auch in § 38 Abs. 2 — nicht aber auch in § 32 Abs. 2 S. 1 (vgl. § 32 A n m . 1) — dadurch ersetzt worden ist, daß der Wert der Einlage oder Übernahme den Nennbetrag oder höheren Ausgabebetrag der Aktien, bzw. den Wert, der als Gegenleistung der Übernahme zu gewährenden Leistungen erreichen muß. Entgegen der Auffassung des Rechtsausschusses, auf den diese Änderung zurückgeht, hatte die bisherige Fassung keine wesentlichen Schwierigkeiten gebracht; die Änderung ist auch nicht sehr schwerwiegend (§ 32 A n m . 4). Die Bestimmung des § 34 umschreibt den Inhalt der zu erstattenden Berichte und gilt gleichmäßig für die von den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats wie für die von den Gründungsprüfern in den Fällen des § 33 Abs. 2 vorzunehmende Prüfung. Über die Bedeutung der Prüfungsberichte für die Eintragung der A G vgl. § 38.

262

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 34 Anm. 2 , 3

Anm. 2 I . Der Inhalt des Prüfungsberichts Die Prüfung hat sich nach § 33 auf den ganzen Hergang der Gründung zu erstrecken, vgl. Voss, Die Gründungsprüfung, WPfg. 64, 439 ff., 443 ff- und Dienst, Die aktienrechtliche externe Gründungsprüfung Diss. 58 S. 109 ff.), also auf die Feststellung und den Inhalt der Satzung, die Aktienübernahme, Vorliegen einer etwa unzulässigen Strohmanngründung (§ 2 Anm. 16), Bestellung des Aufsichtsrats und Vorstands, Gründungsbericht, Erteilung einer etwa erforderlichen Staatsgenehmigung usw. Das Gesetz hebt aber einige Umstände „namentlich" hervor, die keinesfalls im Prüfungsbericht übergangen werden dürfen. Es sind zu prüfen: 1. die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben der Gründer a) über die Übernahme der Aktien (§ 23 Abs. 2), b) über die Einlagen auf das Grundkapital — ob Bareinlagen und in welcher Höhe, ob Sacheinlagen — , c) über die in den § 26 (besonderer Vorteil, Gründungsaufwand mit Einschluß von Gründerlohn) und § 27 (Sacheinlagen und Sachübernahmen) vorgeschriebenen Festsetzungen. Zu b) braucht der Nachweis über die Einzahlung von 25% und des Aufgelds (§ 36 Abs. 2) nicht schon bei der Gründungsprüfung, sondern erst bei der Anmeldung zum Handelsregister erbracht zu werden. Die Zahlungsfähigkeit ist nur insoweit zu prüfen, als der Gründungsbericht darüber Angaben enthält, oder als Umstände, die den Prüfenden bekannt sind oder bei pflichtmäßiger Sorgfalt nicht entgehen können, ein Eingehen darauf erforderlich machen (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 26 Anm. 3; Godin-Wilhelmi Anm. 2; Baumbach-Hueck Rn.4, weitergehend Düringer-Hachenburg §i93Anm.7; Dienst a.a.O. S.113; Ritter §26Anm.2). Zu c) ist, wenn Festsetzungen fehlen, einem etwaigen Verdacht der Verschleierung nachzugehen. Auch die Angemessenheit der Sondervorteile und des Gründungsaufwands (§ 26) muß geprüft werden (Düringer-Hachenburg § 193 Anm. 19; Ritter § 26 Anm. 3; Dienst a. a. O. S. 125ff.). Wenn demgegenüber Schlegelberger-Quassowski § 26 Anm. 4 eine solche Prüfung offenbar überhaupt nicht für zulässig halten, so kann dem nicht gefolgt werden. Bei der Bedeutung, die vor allem ein unangemessen hoher Gründungsaufwand für die Anwendung des § 26 hat (vgl. § 26 Anm. 7), muß eine Erörterung dieser Frage für einen sorgfaltigen Prüfungsbericht verlangt werden. 2. der Wert der Sacheinlage und Sachübernahme daraufhin, ob er bei den Einlagen den Nennbetrag oder höheren Ausgabebetrag der dafür gewährten Aktien und bei den Sachübernahmen den Wert der dafür erbrachten Leistungen erreicht. Es ist also nicht schlechthin die Adäquanz der Werte zu prüfen, die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu erstrecken, daß Sacheinlagen und -übernahmen mindestens dem Ausgabebetrag der Aktien und dem Wert der Leistungen entsprechen, m. a. W., daß keine Unterbewertung erfolgt, wegen der für die Bewertung geltenden Grundsätze vgl. § 27 Anm. 24 äff. Im Rahmen des Berichts über die Bewertung ist auch über die Angaben nach § 32 Abs. 2 zu berichten; 295; KG J W 1924, 11781; ebenso Schlegelberger-Quassowski § 31 Anm. 11). Anm. 6 2. P r ü f u n g d e r sachlichen Vollständigkeit u n d Richtigkeit Insoweit gibt Abs. 2 Beispiele, worauf sich die richterliche Prüfung zu erstrecken hat, und bringt darin gegenüber der früheren Rechtsprechung Neues. Zwar ist es nicht neu, daß das Gericht die Eintragung auch dann ablehnen kann, wenn nach der Erklärung der Gründungsprüfer oder offensichtlich der Gründungsbericht (§ 32) oder der Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 33 Abs. 1, § 34 Abs. 2) „den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht". Denn'das wäre ja ein Fall, von Gesetzwidrigkeit, der die Eintragung nach Abs. 1 (Anm. 2, 3) ohne weiteres ausschließen würde. Auf welchem Wege die Gesetzwidrigkeit zur Kenntnis des Richters kommt, ist gleichgültig. Neu ist aber, daß die Eintragung auch dann versagt werden kann, wenn nach der Erklärung der Gründungsprüfer oder offensichtlich der Gründungsbericht oder der Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats auch nur unrichtig oder unvollständig ist. Es braucht also durch die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nicht gerade eine Gesetzwidrigkeit verschleiert zu sein (Anm. 3). Dahin würde es z. B. gehören, wenn der Gründungsbericht sich über die Frage der Zahlungsfähigkeit der Gründer vollständig ausschwiege, obwohl den Beteiligten bekannt ist, daß die Gründer zur Erfüllung der Einlagepflicht gar nicht in der Lage sind (§ 34 Anm. 2), oder wenn in dem Gründungsbericht der Eindruck erweckt würde, daß die Sacheinlagep oder -übernahmen erhebliche stille Reserven enthielten (§27 Anm. 24 b), obwohl in Wahrheit ein Wertausgleich nur gerade erreicht ist. Derartige Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten können im Einzelfall so große Zweifel an der Seriosität der Gründung hervorrufen, daß der Richter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen sich verpflichtet fühlt, die Eintragung abzulehnen, auch wenn eine Gesetzwidrigkeit im Sinne des Abs. 1 nicht vorliegt. Von besonderer Bedeutung ist, daß die Eintragung auch dann abgelehnt werden kann, wenn sich nach dem Bericht der Gründer ergibt oder es dem Richter offensichtlich ist, daß Sacheinlagen oder -übernahmen „nicht unwesentlich" überbewertet sind. Mit dieser Formulierung sollen Bewertungsdifferenzen in der üblichen Bandbreite ausgeschaltet werden; sobald jedoch die Beachtung des Verbots der Unter-pari-Emission ernsthaft in Frage gestellt ist, kann das Gericht ablehnen, und zwar unbeschadet des möglichen Eingreifens der Deckungszusage (§27 Anm. 20). Anm. 7 Die „Offensichtlichkeit" braucht in den Fällen des Abs. 2 nicht auf den ersten Blick vorhanden zu sein; offensichtlich heißt nicht offenkundig. Findet der Richter Anlaß zu Ermittlungen (Anm. 3), so kann sich auch durch deren Ergebnis die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Berichte sowie bei Sachgründungen die Überbewertung als „offensichtlich" nämlich als zweifelsfrei herausstellen (Schlegelberger-Quassowski § 31 Anm. 8; Baumbach-Hueck Rn. 4; a. M. Ritter §31 Anm. 3; Godin-Wilhelmi Anm. 2). Die in Abs. 2 gewählte Formulierung („Offensichtlichkeit") beruht wohl darauf, den Registerrichter nicht zu überfordern; denn es geht in Abs. 2, insbesondere bei den Bewertungsfragen hauptsächlich um wirtschaftliche Fragen. Sie unabhängig vom Bericht der Gründungsprüfer oder sogar gegen ihn zu entscheiden, geht über die Entscheidung der Rechtsfragen gemäß Abs. 1 weit hinaus und führt in Gebiete, in denen der Registerrichter nicht zu Hause sein kann. Deshalb mutet ihm Abs. 2 gegen den Prüfungsbericht eine Entscheidung auf Ablehnung der Eintragung nur zu, wenn ihm die Voraussetzungen für eine derartige Entscheidung „offensichtlich", d. h. zweifelsfrei sind. Ein derartiger Tatbestand wird, wenn sich nicht aus den Ermittlungen des Registerrichters ein vom Gründungsprüfungsbericht abweichendes Tatbestandsbild ergeben hat, wohl 282

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 38 A n m . 8, 9 § 39 A n m . 1

kaum jemals vorliegen können. Denn wenn neutrale Prüfer eine Bewertung fiir ordnungsmäßig erklären, wird es bei gleichem Tatbestand wohl kaum zweifelsfrei sein können, daß diese Bewertung falsch ist. Anm. 8 3. Ablehnung der Eintragung Während bei Gesetzwidrigkeit nach Abs. i der Richter die Eintragung abzulehnen „hat", sie also ablehnen muß, heißt es in den Fällen des Abs. 2, daß er die Eintragung ablehnen „kann". Der Unterschied ist ohne große praktische Bedeutung. Auch in den Fällen des Abs. 2 steht die Entscheidung über die Eintragung nicht im freien Ermessen der Richter. Vielmehr muß er auch in diesen Fällen die Eintragung ablehnen, wenn das pflichtgemäße Ermessen es verlangt. Das richterliche Recht ist insoweit zugleich eine richterliche Pflicht. Es wird daher kaum vorkommen, daß trotz offensichtlicher Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit die Eintragung der Gesellschaft angezeigt ist (allgem. Ansicht). Anm. 9 4. B e s c h w e r d e g e g e n A b l e h n u n g Wird die Eintragung abgelehnt, so haben die Anmelder, aber nur alle zusammen (KG RJA 14, 45; OLGE 41, 208; Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 419), nach § 20 FGG dagegen das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde. Wird diese zurückgewiesen, so ist die weitere Beschwerde nur zulässig, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG).

§ 39

Inhalt der Eintragung

(1) B e i der Eintragung der G e s e l l s c h a f t s i n d die F i r m a u n d der Sitz der G e s e l l s c h a f t , der Gegenstand d e s U n t e r n e h m e n s , die H ö h e d e s Grundkapitals, der T a g der F e s t s t e l l u n g der S a t z u n g u n d die V o r s t a n d s m i t glieder anzugeben. F e r n e r i s t einzutragen, w e l c h e V e r t r e t u n g s b e f u g n i s die V o r s t a n d s m i t g l i e d e r haben. (2) Enthält die S a t z u n g B e s t i m m u n g e n ü b e r die Dauer der G e s e l l s c h a f t oder ü b e r d a s g e n e h m i g t e Kapital, s o sind auch diese B e s t i m m u n g e n e i n z u tragen. Übersicht: Anm.

Einleitung 1. Notwendiger Inhalt der Eintragung

I 2

Anm.

2. Möglicher Inhalt der Eintragung 3. Mängel der Eintragung

3 4

Anm. 1 Was im einzelnen einzutragen ist, bestimmt das AktG in Ubereinstimmung mit dem HGB. Neu war nur die Hinzufügung des „genehmigten Kapitals" in Abs. 2. § 39 hat die Bestimmung des § 32 AktG 37 völlig unverändert übernommen. Durch das Gesetz zur Durchführung der ersten Richtlinie des Rates der EWG zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15. 8. 1969 wurde dem Abs. 1 die Bestimmung des S. 2 eingefügt, so daß nunmehr die Vertretungsbefugnis, der einzelnen Vorstandsmitglieder ein-

283

§39 Anm. 2—4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

zutragen ist. Demgemäß wurde in Abs. a das Eintragungserfordernis für die Satzungsbestimmungen über die Vertretung des Vorstandes gestrichen. Vgl. im einzelnen § 37 Anm. 1. Die Bestimmungen über die Vertretungsbefugnisse der Abwickler konnte wegen § 266 S. 1 gestrichen werden. Anm. 2 1. Notwendiger Inhalt der Eintragung Im einzelnen sind jedesmal einzutragen: 1. 2. 3. 4. 5.

die Firma der Gesellschaft (§§ 4, 23 Abs. 3 Nr. 1), der Sitz der Gesellschaft (§§ 5, 23 Abs. 3 Nr. 1), der Gegenstand des Unternehmens (§§ 3, 23 Abs. 3 Nr. 2; § 23 Anm. 1 1 ) , die Höhe des Grundkapitals (§§ 7, 23 Abs. 3 Nr. 3; § 23 Anm. 14), der Tag der Feststellung der Satzung. Ist die Satzung nicht an einem Tage festgestellt worden (§ 23 Anm. 2), so sind alle die Tage anzugeben, an denen Feststellungen erfolgt sind, mag es sich um die zeitlich auseinandergezogene Feststellung (§ 23 Anm. 2) oder um spätere Abänderungen handeln (§ 23 Anm. 20); denn der Sinn der Eintragung des Feststellungsdatums in das Handelsregister kann doch nur der sein, datumsmäßig alle Urkunden zu erfassen, die der Feststellung zugrunde liegen. Auf den Tag der Aktienübernahme kommt es nicht an (§ 23 Anm. 8, § 29 Anm. 15). 6. die Mitglieder des Vorstands, auch die stellvertretenden (AG Stuttgart in N J W 60, 2150). Die Angabe von Ruf- und Familiennamen genügt, Beruf und Wohnort brauchen nicht eingetragen zu werden. Der Vorsitzer des Vorstandes (§24 Abs. 2) ist als solcher nur dann kenntlich zu machen, wenn ihm eine besondere Vertretungsbefugnis beigelegt ist (Anm. 3 Nr. 8). Aufsichtsratsmitglieder werden zwar bei der Anmeldung mit angegeben (§ 37 Abs. 2 Nr. 3), aber nicht eingetragen, ihre Namen werden jedoch veröffentlicht (§ 40 Abs. 1 Nr. 4). 7. die Vertretungsbefugnis der einzelnen Vorstandsmitglieder (§ 37 Anm. 4). Es ist also gemäß der Angabe in der Anmeldung gemäß § 37 Abs. 2 einzutragen, wie die einzelnen Vorstandsmitglieder die Gesellschaft vertreten. Ob diese Befugnis auf Gesetz, Satzung oder Aufsichtsratsbestimmung beruht, ist gleichgültig. Der für die Entstehung der Gesellschaft gemäß § 41 so wesentliche Tag der Eintragung ist ebenfalls Inhalt der Eintragung. Das ergibt sich allerdings nicht aus § 39, sondern aus der allgemeinen Vorschrift des § 130 Abs. 1 F G G , wonach bei jeder Eintragung der Tag, an dem sie erfolgt ist, angegeben werden muß. Anm. 3 2. Möglicher Inhalt der Eintragung Außer den in jedem Fall vorzunehmenden Eintragungen sind noch andere zu bewirken, zu denen im Einzelfall die Satzung Anlaß geben kann, nämlich: 8. eine Bestimmung über die Ze^dauer der Gesellschaft. Ist die Zeit bestimmt, so ist mit deren Ablauf die A G ohne besonderen Beschluß aufgelöst (§ 262 Abs. 1 Nr. 1). 9. eine Bestimmung über genehmigtes Kapital (§§ 202ff.). Es gehört, solange von der Genehmigung kein Gebrauch gemacht und die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals nicht eingetragen ist (§§ 189, 203), nicht zum Grundkapital^ ist also im Handelsregister nicht in der Spalte „Grund- oder Stammkapital' 1 einzutragen (vgl. § 23 Anm. 14), sondern in der Spalte „Rechtsverhältnisse". Anm. 4 3. Mängel der Eintragung Die Eintragung bringt die Gesellschaft zur Entstehung (§41). Streitig war nach bisherigem Recht, ob diese Wirkung auch dann eintritt, wenn die Eintragimg Mängel

284

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 40 Anm. 1

aufweist. Daß Mängel der nach Abs. 2 nur auf Grund besonderer Satzungsbestimmungen vorzunehmenden Eintragrungen (Anm. 3) die Entstehung der A G nicht hindern können, versteht sich von selbst. Die Nichteintragung oder fehlerhafte Eintragung der Zeitdauer oder des genehmigten Kapitals ist rechtlich bedeutungslos, es entscheidet die Satzung. Die Berichtigung der Eintragung ist aber anzustreben und jederzeit möglich, gegebenenfalls unter Anwendung der § 14 HGB. Zweifelhafter liegt es bei den nach Abs. 1 zwingend vorgeschriebenen Eintragungen (Anm. 2). Aus § 275 ist dafür nichts zu entnehmen. Auch bei den zwingend vorgeschriebenen Eintragungen muß das für die Entstehung Wesentliche vom Unwesentlichen unterschieden werden, und wesentlich ist allein eine Bezeichnung, die über die Identität der Gesellschaft keinen Zweifel läßt. Unter dieser Voraussetzung werden selbst Ungenauigkeiten in der Eintragung der Firma die Entstehung der A G nicht hindern können (ähnlich Brodmann § 198 Anm. 1 Nr. 1), ebensowenig eine unrichtige Eintragung des Sitzes, wenn nicht dadurch eine Verwechslung mit einer anderen A G ermöglicht wird (ebenso Baumbach-Hueck Rn. 3 ; anders zum Teil Düringer-Hachenburg-Bing § 198 Anm. 4, aber das ist zu formal und sachlich nicht gerechtfertigt). Die unrichtige Eintragung des Gegenstands des Unternehmens könnte nur unter besonderen Umständen Zweifel an der Identität des Unternehmens begründen, die unrichtige Eintragung der Höhe des Grundkapitals könnte dies wohl kaum jemals. Unrichtige Eintragung und Bekanntmachung der Vorstandsmitglieder oder ihrer Vertretungsbefugnis kann nach § 1 5 H G B nachteilige Folgen für die A G gegenüber Gutgläubigen haben, ist aber für die Entstehung der Gesellschaft bedeutungslos. In allen Fällen muß ihr daran gelegen sein, den Fehler berichtigen zu lassen. Ist die Gesellschaft versehentlich ohne Anmeldung eingetragen worden, so muß die Eintragung nach § 142 F G G von Amts wegen gelöscht werden (Schlegelberger-Quassowski § 32 Anm. 3).

§ 4 0

Bekanntmachung der Eintragung

(1) I n die B e k a n n t m a c h u n g d e r E i n t r a g u n g s i n d a u ß e r d e r e n I n h a l t a u f zunehmen 1. die F e s t s e t z u n g e n n a c h § 23 A b s . 3 u n d 4, § § 24, 25 S a t z 2, § § 26 u n d 27 s o w i e B e s t i m m u n g e n d e r S a t z u n g ü b e r die Z u s a m m e n s e t z u n g d e s Vorstands; 2. der A u s g a b e b e t r a g d e r A k t i e n ; 3. N a m e , B e r u f u n d W o h n o r t der G r ü n d e r ; 4. N a m e , B e r u f u n d W o h n o r t d e r M i t g l i e d e r d e s A u f s i c h t s r a t s . (2) Z u g l e i c h i s t b e k a n n t z u m a c h e n , d a ß die m i t der A n m e l d u n g e i n g e r e i c h t e n S c h r i f t s t ü c k e , n a m e n t l i c h die P r ü f u n g s b e r i c h t e d e r M i t g l i e d e r d e s V o r s t a n d s u n d d e s A u f s i c h t s r a t s s o w i e der G r ü n d u n g s p r ü f e r , b e i d e m Gericht, d e r P r ü f u n g s b e r i c h t der G r ü n d u n g s p r ü f e r a u c h b e i d e r I n d u s t r i e und Handelskammer eingesehen werden können. Anm. 1 Den Inhalt der Bekanntmachung regelt § 40 sachlich unverändert gegenüber § 33 AktG 37. Das Gesetz zur Durchführung der 1. Richtlinie des Rates der E W G zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15. 8. 1969 hat Abs. I Nr. 1 an die Änderung des § 23 Abs. 3 und 4 angepaßt (vgl. § 23 Anm. 1 u. 17). Zu veröffentlichen sind nach den §§ 10, 1 1 H G B im Bundesanzeiger und in dem daneben für gerichtliche Bekanntmachung bestimmten Blatt oder in den dafür bestimmten Blättern, die andere sein können als die Gesellschaftsblätter (§ 25), a) die Eintragung nach ihrem ganzen Inhalt, b) gewisse unter Nr. 1 bis 4 aufgeführte Zusätze. 285

§ 40 A n m . 2 — 4 §41

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 2 Soweit der Inhalt der Eintragung bekanntgemacht wird, treten die Wirkungen des § 15 HGB ein, aber nur für die vorgesehenen Eintragungen (§ 39 A n m . a u. 3; R G 78, 363). Wer die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit nicht kennt, kann sich auf die unberichtigt gebliebene Eintragung verlassen, andererseits wirkt die eingetragene und bekanntgemachte Tatsache gegen jedermann, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte. Für die Entstehung der A G ist die Bekanntmachung ihrer Eintragung nicht wesentlich, diese Wirkung tritt schon mit einer genügenden Eintragung ein (§ 39 Anm. 4).

Anm. 3 Die außer dem ganzen Inhalt der Eintragung bekanntzumachenden Zusätze — die selbst nicht einzutragen sind, und für die daher § 1 5 H G B nicht in Betracht kommt — sind: 1. die in den § 23 Abs. 3 und 4, §§ 24, 25 Satz 2, §§ 26, 27 vorgesehenen Festsetzungen, außerdem etwaige Satzungsbestimmungen über die Zusammensetzung des Vorstandes, die heute zwar kein notwendiger Teil der Satzung mehr sind, aber immerhin so bedeutsam, daß sie bekanntzumachen sind (vgl. § 23 A n m . 19). Eine wörtliche Wiedergabe ist nicht erforderlich, zusammenfassende Angaben genügen. 2. der Ausgabebetrag der Aktien (§§ 9, 23 Abs. 2.) Werden die Aktien zum Nennbetrage ausgegeben, so ist das bekanntzumachen. 3. Name, Beruf und Wohnort der Gründer (§ 28), also mehr, als bei den Vorstandsmitgliedern einzutragen ist (§ 39 Anm. 2 Nr. 6). Wieviel Aktien jeder Gründer übernommen hat, wird nicht bekanntgemacht. 4. Name, Beruf und Wohnort der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (§§30, 31), also auch bei ihnen mehr, als bei den Vorstandsmitgliedern eingetragen wird (§39 Anm. 2 Nr. 6). Wer Vorsitzer des Aufsichtsrats ist, wird nicht bekanntgemacht, sondern nur zum Handelsregister angemeldet, aber nicht eingetragen (§ 107 Abs. 1). Ein Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder wird vom Vorstand in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht; die Bekanntmachung ist zum Handelsregister einzureichen (§ 106).

Anm. 4 Die Einsicht in die Beilagen der Anmeldung wird jedem gewährt (§ 9 H G B ) . Das ist mit der Bekanntmachung gemäß Abs. 1 ebenfalls bekanntzumachen, wobei die mit der Anmeldung überreichten Schriftstücke namentlich zu bezeichnen sind und zugleich anzugeben ist, daß, wenn Gründungsprüfer tätig geworden sind, ihr Prüfungsbericht auch bei der Industrie- und Handelskammer eingesehen werden kann.

§ 41

Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe

(1) Vof der Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. Wer vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem Namen handelt, haftet persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner . (2) Übernimmt die Gesellschaft eine vor ihrer Eintragung in ihrem Namen eingegangene Verpflichtung durch Vertrag mit dem Schuldner in der Weise, daß sie an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, so bedarf es zur Wirksamkeit der Schuldübernahme der Zustimmung des Gläubigers nicht, wenn die Schuldübernahme binnen drei Monaten nach der Eintragung der Gesellschaft 286

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 41

Anm. 1 vereinbart und dem Gläubiger von der Gesellschaft oder dem Schuldner mitgeteilt wird. (3) Verpflichtungen aus nicht in der Satzung festgesetzten Verträgen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen oder Sachübernahmen kann die Gesellschaft nicht übernehmen. (4) Vor der Eintragung der Gesellschaft können Anteilsrechte nicht übertragen, Aktien oder Zwischenscheine nicht ausgegeben werden. Die vorher ausgegebenen Aktien oder Zwischenscheine sind nichtig. Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. Ubersicht: Anm.

Anm.

Einleitung I. Allgemeines 1. Die Einheitstheorie 2. Die Gegner der Einheitstheorie 3. Eigene Stellungnahme

I» 2

3> 4 5 6

II. Der selbsttätige Übergang von Rechten und Verbindlichkeiten auf die entstandene A G 1.Bei Sacheinlagen und Sachübernahmen, beim Gründungsaufwand 7, 8 2. Bei sonstigen Verträgen a) Zahlung der Bareinlage 9 b) Verpflichtungen aus weiteren rechdich notwendigen Geschäften 10 c) Verpflichtungen aus wirtschaftlich notwendigen Geschäften 11,12,13 d) Finnen- und bilanzmäßige Folgerungen 13a I I I . Der Eintritt der A G in Rechte und Verbindlichkeiten durch Rechtsgeschäft 1. Durch Schuldübernahme bei den Verbindlichkeiten

a) Allgemeines b) Form der Schuldübernahme c) Die Wirkung der Schuldübernahme 2. Durch Genehmigung bei den in ihrem Namen begründeten Rechten 3. Durch Genehmigung bei den in ihrem Namen abgeschlossenen Rechtsgeschäften

14 15 16 17 18

IV. Die Haftung des Handelnden (Abs. 1 Satz 2) 1.Allgemeines 19 2. Voraussetzungen der Haftung 20—23 3. Inhalt der Haftung 24, 25 4. Fordall der Haftung 26 V. Verbotene Schuldübernahme 1. Bedeutung des Verbots 2. Einschränkung des Verbots

27 28

V I . Keine Übertragung von Anteilsrechten vor Eintragimg der A G

29

V I I . Keine Ausgabe von Aktienurkunden und Zwischenscheinen vor Eintragung der A G

30

Anm. 1 Einleitung Die heutige Regelung des § 4 1 Abs. 1 ist inhaltlich bereits in Art. 2 1 1 des alten H G B enthalten gewesen. Das Gesetz von 1870 fugte den Teil des Abs. 4 bei, wonach Aktien und Zwischenscheine nicht vor Eintragung der Gesellschaft ausgegeben werden dürfen, trotzdem ausgegebene nichtig sind und die Ausgeber schadensersatzpflichtig werden. § aoo Abs. 2 H G B fügte das Übertragungsverbot vor Eintragung (Abs. 4 Satz 1 ) hinzu. § 34 A k t G 37 fügte dann die Absätze 2 und 3 bei. Dieser § 34 wurde inhaltlich von § 4 1 übernommen; nur in Abs. 3 wurden einmal die Sondervorteile und der Gründungsaufwand eingefügt und zum anderen wurde entsprechend dem Zweck des Abs. 3, eine U m gehung der Vorschriften über die Sach- und Nachgründung zu verhindern, deutlicher gemacht, daß Verbindlichkeiten aus nicht in der Satzung festgesetzten Verträgen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen nicht übernommen werden können.

287

§41

Anm. 2, 3

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 2 Sämtliche Vorschriften des § 41 haben es mit dem Rechtszustand vor der Eintragung der Gesellschaft zu tun und hängen dadurch miteinander zusammen. A b e r das ist eigentlich auch der einzige Zusammenhang, der zwischen diesen Vorschriften besteht. Eine erschöpfende Regelung der schwierigen Fragen, die sich namentlich für die Zeit zwischen der Errichtung der Gesellschaft (§ 29) und der Eintragung der Gesellschaft ergeben, enthält § 41 nicht. Vielmehr sind insoweit nur einzelne Punkte, und diese zusammenhanglos, herausgegriffen worden. V o r allem läßt § 41 bei der wichtigen Frage völlig offen, ob vor der Eintragung der Gesellschaft über einzelne gesetzliche Gründungsbestimmungen hinaus (§§ 26, 27, 30, 36 Abs. 2, 37 Abs. 1) noch weitere Rechte und V e r bindlichkeiten mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die A G begründet werden können, und in welchem U m f a n g dieses bejahendenfalls möglich ist. A u c h die im Schrifttum so sehr umstrittene Frage, in welchem Verhältnis die entstandene A G z u der errichteten A G steht, bleibt bewußt offen und damit auch die weitere Frage, wer bis zur Eintragung Träger der namens der A G begründeten Rechte und Verbindlichkeiten ist, und auf welchem Wege die entstandene A G solche Rechte und überhaupt das ihr zugedachte Vermögen erwirbt. Es erscheint nicht verwunderlich, d a ß bei dieser Sachlage die Neuregelung des § 34 A k t G 37 entgegen der Erwartung Gadows (JherJ 87, 268) nicht zur Klarheit über den Rechtszustand vor der Eintragung der Gesellschaft beigetragen hat, sondern d a ß sie sich als eine der problematischsten und zweifelhaftesten V o r schriften des Aktienrechts erwiesen hat, an die sich eine Fülle von Streitfragen und U n klarheiten anschließt. Die Begründung z u R e g . E. § 38, der mit einer Ausnahme in Abs. 4 dem § 41 wörtlich entspricht, erklärt, es werde von einer Regelung der namentlich z u Abs. 1 bestehenden Streitfragen abgesehen, da es zweckmäßig erscheine, sie der Wissenschaft und Rechtsprechung zur K l ä r u n g z u überlassen.

Anm. 3 I. Allgemeines 1. Die Einheltstheorie In Übereinstimmung mit der im Vereinsrecht herrschenden Auffassung, wonach die Erlangung der Rechtsfähigkeit die Identität zwischen dem zuvor nicht rechtsfähigen Verein und dem nunmehr rechtsfähig gewordenen Verein nicht berührt ( R G 85, 256; Staudinger-Coing § 21 A n m . 34 m. w. N . ; a. M . Enneccerus-Nipperdey § 107 V I I m. w. N.), wird auch im Aktienrecht die Frage nach dem Verhältnis zwischen der errichteten Gesellschaft und der entstandenen Gesellschaft (der rechtsfähigen A G ) und damit die Frage nach dem Übergang der im Gründungsstadium namens der A G begründeten Rechte und Verbindlichkeiten unter dem Gesichtspunkt der Identität zu lösen versucht. Für diese Auffassung ist die errichtete Gesellschaft mit der entstandenen Gesellschaft identisch. Die Rechtsform der Gesellschaft hat sich mit der Eintragung zwar insofern geändert, als diese nunmehr rechtsfähig geworden ist, aber die Vereinigung als solche ist gleichwohl dieselbe geblieben (Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1925 S. 65fr.; Feine Ehrenb. Hdb. I I I . 3 S. 201 ff.; Müller-Erzbach Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 188ff.; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. soff., 63fr.; Scholz G m b H R d s c h . 1956, 3 ff.; Dilcher IuS. 66, 89 ff.; Bültner, Identität u. Kontinuität bei der Gründung jur. Personen S. 131—133). Aus dieser Beurteilung wird sodann gefolgert, daß die entstandene A G grundsätzlich ohne weiteres alle Rechte der errichteten Gesellschaft übernimmt und grundsätzlich auch ohne weiteres mit allen Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft belastet wird. Einer besonderen Übertragung dieser Rechte und einer besonderen Übernahme der Verbindlichkeiten bedarf es grundsätzlich nicht; denn die Gesellschaft ist und bleibt auch nach der Eintragung dieselbe, die sie schon vorher gewesen ist. Nur eine Einschränkung wird in dieser Hinsicht gemacht. Diese ergibt sich aber nicht aus der A u f fassung von der Einheit der errichteten und der entstandenen Gesellschaft, sondern aus besonderen aktienrechtlichen Vorschriften, den §§ 26, 27. M i t dem Gründungsaufwand, den Sacheinlagen und den Sachübernahmen kann die entstandene Gesellschaft nur be-

288

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 41

Anm. 4, 5

lastet werden, wenn dabei die besonderen, erschwerenden Voraussetzungen, nämlich die Festsetzung in der Satzung, eingehalten sind.

Anm. 4 Das Reichsgericht, das ebenfalls grundsätzlich auf dem Boden der Einheitstheorie steht (Horn in N J W 64, 86 ff. sieht in der Anerkennung der Einheitstheorie durch das R G nur obiter dicta), hat jedoch in der Rechtsanwendung aus aktienrechtlichen Gründen wesentliche Einschränkungen vorgenommen. Es geht davon aus, daß die Organe der errichteten Gesellschaft vor der Eintragung nur eine beschränkte Vertretungsbefugnis haben und daß demzufolge die entstandene Gesellschaft nur Rechte und Verbindlichkeiten aus solchen Handlungen der Organe ohne weiteres übernimmt, die von der Vertretungsbefugnis dieser Organe gedeckt werden. Dabei meint das Reichsgericht, daß die Vertretungsbefugnis dieser Organe entsprechend dem Zweck der Gründungsgesellschaft auf die Vornahme der zur Entstehung der A G rechtlich unumgänglich notwendigen Maßnahmen beschränkt sei und daß die übrigen im Namen der Gesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäfte die entstandene A G nur berechtigen und verpflichten, wenn diese nach Maßgabe der §§ 177 fr. BGB hierzu ihre Genehmigung erteilt hat ( R G 8a, 290; 83, 373; 105, 229; 134, 121; 143, 372; 151, 91; 154, 286). Dieser Auffassung ist das Schrifttum z . T . gefolgt (v. Gierke Handelsrecht 6. Aufl. § 4 1 I V , 2; Teichmann-Koehler § 3 4 Anm. 2, 3; Scholz J W 1938, 3152; Haberkorn M D R 62, 350ff.; für die G m b H Scholz § 11 Anm. 8), teilweise jedoch nur mit gewissen Einschränkungen (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 9, 10; Schlegelberger-Quassowski § 34 Anm. 2, 3: auch notwendige Rechtsgeschäfte können die A G nicht ohne weiteres belasten) und teilweise auch mit gewissen Erweiterungen (Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III, 1 S. 110; für die G m b H Hachenburg J W 1924, 199; Hachenburg-Schilling § 11 Anm. 4: auch die Vorbereitungsgeschäfte sind als notwendige Geschäfte in diesem Sinn anzusehen).

Anm. 5 2. Die Gegner der Einheitstheorie V o n einem Teil des Schrifttums wird die Einheitstheorie für das Aktienrecht abgelehnt (Brodmann § 200 Anm. i a ; Ritter § 34 Anm. 3 b ; Gadow JherJ 87, 251fr. und 1. Aufl. Anm. 17; Heim Z H R 108, 192fr.; Georgakopoulos, Die Gründung der A G S. 146/47; Würdinger S. 103/4; Horn NJW 64, 87fr.; wohl auch Godin-Wilhelmi A n m . 7). Diese ablehnende Ansicht hat nach Erlaß des A k t G 37 an Boden gewonnen, sie beruft sich dabei vor allem auf dessen § 34 Abs. 2, jetzt § 41 Abs. 2. Die Möglichkeit und die Notwendigkeit einer Schuldübernahme, durch die die A G erst Schuldnerin der zwar in ihrem Namen, aber vor ihrer Entstehung begründeten Verbindlichkeiten wird, schließe die Annahme der Einheitstheorie aus, daß die A G grundsätzlich schon ohne weiteres Schuldnerin dieser Verbindlichkeiten geworden sei. Auch könne von einer Anwendung der §§ 177 fr. BGB und damit von einer Genehmigung seitens der A G nicht gesprochen werden, wenn Abs. 2 diesen Vorgang als eine Schuld Übernahme bezeichne (Gadow a. a. O.). Die Konstruktion einer Vertretung ohne Vertretungsmacht scheitere auch daran, daß es nicht an der Vertretungsmacht fehle (der Vorstand einer nicht eingetragenen A G sei zum gesetzlichen Vertreter bestellt), sondern am Vertretenen, also ein anderer Sachverhalt vorliege, wie ihn die §§ 177 fr. BGB voraussetzten (GodinWilhelmi Anm. 7). Die Gegner der Einheitstheorie weichen in der positiven Beantwortung der Frage, wie der Übergang der im Namen der A G begründeten Rechte und Verbindlichkeiten auf die entstandene A G zu erfolgen habe, nicht unerheblich voneinander ab. Würdinger S. 105/106 läßt mit der Eintragung der A G alle Rechte und Pflichten aus Einlagen und Ubernahmeverträgen sowie aus Gründungsaufwand ipso jure in der A G entstehen, ebenso Rechte aus Verträgen, die im Gründungsstadium zu ihren Gunsten geschlossen worden sind; im übrigen soll sich nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen entscheiden, inwieweit schon vorher Vermögensgegenstände aufschiebend bedingt übertragen werden können. Verpflichtungen dagegen sollen, soweit sie nicht aus Sachgrün19

Aktiengesetz I, 3. Aufl.

289

§ 41

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm, 6 dung und Gründungsaufwand im Rahmen der §§ 26, 27 herrühren, nur durch Übernahme übergehen können (ebenso Sengelmann Die Sachübernahme im Aktienrecht, Diss. Seite 32ff.; Ähnlich auch Godin-Wilhelmi Anm. 14). Demgegenüber l ä ß t G a d o w a. a. O. (ebenso Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 10; Schlegelberger-Quassowski § 34 Anm. 4; Teichmann-Koehler § 34 Anm. 3 b, c) es zu, daß auch andere als die in §§ 26, 27 bezeichneten Verbindlichkeiten mit unmittelbarer Wirkung gegen die A G dann begründet werden können, wenn sie ebenfalls in der Satzung festgesetzt werden. Darüber hinaus bejahen Brodmann § 200 Anm. 1 b; Gadow a. a. O . ; Baumbach-Hueck R n . 5, wohl auch Ritter § 34 Anm. 2 (a. M . insoweit Godin-Wilhelmi Anm. 7; v. Godin Z i v A 147, 33; Heim Z H R 108, a n ; Horn N J W 64, 90; auch Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 15) die Möglichkeit, daß die entstandene A G nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem Handelnden auch dann schuldrechtlich verpflichtet wird, wenn die zwar vor ihrer Entstehung, aber für ihre Rechnung abgeschlossenen Rechtsgeschäfte der Vorschrift des § 683 BGB genügen, also der Abschluß dieser Rechtsgeschäfte dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen der A G entsprochen haben. Einen selbsttätigen Übergang der im Namen der A G vor ihrer Entstehung begründeten Rechte bejahen die meisten Gegner der Einheitstheorie insoweit, als diese auf ordnungsgemäß festgesetzten Sacheinlagen und Sachübernahmen beruhen (a. M . insoweit Gadow JherJ 87, 266 und 1. Aufl. Anm. 21). Darüber hinaus lassen sie einen solchen selbsttätigen Ubergang dann zu, wenn Rechte durch einen Vertrag zugunsten der A G nach § 328 BGB begründet worden sind (vgl. Brodmann § 200 Anm. 1 b ; Ritter § 34 Anm. 3; noch weitergehend Godin-Wilhelmi Anm. 2).

Anm. 6 3. Eigene Stellungnahme Bei einer Beurteilung der verschiedenartigen Begründungen fällt einmal auf, daß nicht nur die Anhänger der Einheitstheorie, sondern auch ihre Gegner untereinander im Ergebnis zu praktisch recht wesentlichen Abweichungen gelangen, sodann aber vor allem auch, daß im Ergebnis ein Teil der Anhänger und ein Teil der Gegner der Einheitstheorie zu praktisch gar nicht erheblichen Abweichungen und der andere Teil im Ergebnis zu nicht entscheidenden Unterschieden gelangt. Das wird besonders deutlich, wenn man die Ergebnisse der unbedingten Anhänger der Einheitstheorie und die ihrer Gegner, soweit sie die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag anwenden, miteinander vergleicht. Jene lassen im wesentlichen alle Rechtsgeschäfte, die vor der Entstehung der A G in ihrem Namen geschlossen worden sind, ohne weiteres mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die A G gelten, aber, wenn man insoweit die Worte Müller-Erzbachs (a. a. O . S. 191) heranzieht, nur dann, wenn sie für die A G „zweckförderlich" sind. Die Gegner der Einheitstheorie hingegen bejahen eine Befreiungsverpflichtung der entstandenen A G gegenüber dem Handelnden, also auch eine bindende schuldrechtliche Verpflichtung derselben, soweit die abgeschlossenen Rechtsgeschäfte für die A G nützlich (§ 683 BGB) sind. Das ist im Ergebnis kein großer Unterschied, nur die konstruktive Begründung ist grundlegend verschieden (vgl. auch SchlegelbergerQuassowski § 34 Anm. 2, wonach dem Streit um die Einheitstheorie jetzt im wesentlichen seine Bedeutung genommen ist). M a n sollte daher dem Streit um die Einheitstheorie für die Beantwortung der praktisch allein bedeutsamen Fragen, wann und unter welchen Voraussetzungen die A G aus den vor ihrer Entstehung in ihrem Namen abgeschlossenen Rechtsgeschäften Rechte erwirbt und mit Verbindlichkeiten belastet wird, kein entscheidendes Gewicht beimessen (so auch Godin-Wilhelmi Anm. 4; Baumbach-Hueck Rn. 2). Denn so viel ist klar, daß einerseits die Anhänger der Einheitstheorie sich zu mehr oder weniger wichtigen Einschränkungen eines selbsttätigen Ubergangs der Rechte und Verbindlichkeiten veranlaßt sehen und daß andererseits ihre Gegner in einem mehr oder weniger großen Umfang die unmittelbare Berechtigung und Belastung der A G aus dem Abschluß von Rechtsgeschäften vor ihrer Entstehung bejahen. A u f diese Einschränkungen, die sowohl die Anhänger wie die Gegner der Einheitstheorie voll ihrem jeweils gewählten Prinzip machen, kommt es praktisch allein an. Dabei ist es bedeutsam, daß diese Einschränkungen in beiden Fällen im Grunde genommen auf aktien-

290

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 41

Anm. 7

rechtlichen Erwägungen beruhen, so daß diese auch bei der Beantwortung der hier praktisch allein bedeutsamen Fragen entscheidend sein sollten.

II. Der selbsttätige Übergang von Rechten und Verbindlichkeiten auf die entstandene AG Anm. 7 I. Bei Sacheinlagen und Sachübernahmen, beim Gründungsaufwand Sind Sacheinlagen und Sachübernahmen nach Maßgabe des § 27 in der Satzung festgesetzt, so haben diese Abkommen unmittelbare Wirkung gegenüber der entstandenen A G . Das ist der Sinn des § 27. Diese Bestimmung ist zwar negativ gefaßt, indem sie derartige Abkommen ohne ordnungsgemäße Festsetzung in der Satzung gegenüber der Gesellschaft als unwirksam bezeichnet. Aber aus dieser Fassung ist der Umkehrschluß zwingend, daß bei ordnungsgemäßer Festsetzung derartige Abkommen wirksam sind, und zwar gegenüber der entstandenen A G , wie sich ebenfalls aus diesem Umkehrschluß zwingend ergibt. Bei Sachübernahmen wird daher die A G mit ihrer Entstehung durch den nach Maßgabe des § 27 abgeschlossenen individualrechtlichen Vertrag (§ 27 Anm. 22, 24) unmittelbar verpflichtet (allg. Ansicht; vgl. A n m . 3, 5), aber auch berechtigt. Das gegen letztere Annahme geäußerte Bedenken Gadows (JherJ 87, 266 und 1. Aufl. Anm. 21), die Festsetzung von Verträgen in der Satzung sei nicht zur Regelung des Rechtserwerbs bestimmt, kann nicht durchgreifen. Schon das Ergebnis der abweichenden Auffassung von Gadows sollte stutzig machen. Aus dem gegenseitigen Vertrag, den das Abkommen über die Sachübernahme darstellt, würde gegenüber dem Dritten die A G lediglich verpflichtet, der Handelnde (oder die Gründergesellschaft?) dagegen berechtigt sein, und zwar auf Grund einer Vorschrift, die eine besondere Schutzmaßnahme für die A G darstellt. Die A G hätte wohl bei dieser Auffassung auch nicht einmal einen Anspruch auf Abtretung dieses Rechts gegen den Handelnden; denn nach der gegebenen Begründung könnte sie auch nicht einmal einen solchen Anspruch auf Grund des § 27 erworben haben. Spricht somit schon das Ergebnis gegen Gadow, so ist auch sein Ausgangspunkt falsch. Das Schwergewicht des § 27 liegt, wie seine negative Fassung zeigt, darin, die Unwirksamkeit der in der Satzung nicht oder nicht ordnungsgemäß festgesetzten Sachübernahmeabkommen gegenüber der Gesellschaft auszusprechen, und zwar zum Schutz der Gesellschaft. Ist aber eine solche ordnungsgemäße Festsetzung in der Satzung erfolgt und damit das Abkommen gegenüber der Gesellschaft wirksam, so muß das auch für die Rechte gelten, die aus diesem A b kommen gegenüber dem Dritten bestehen. Die Festsetzung in der Satzung ist zur Regelung der Wirksamkeit dieser Abkommen und damit zur Regelung der unmittelbaren Berechtigung und Verpflichtung der A G erfolgt. Die Unhaltbarkeit der Auffassung Gadows erweist sich besonders deutlich, wenn man sie auch auf die Sacheinlagen überträgt und den Anspruch auf die Sacheinlage nicht unmittelbar der Gesellschaft, sondern (zunächst?) dem Handelnden (oder den Gründern?) zusprechen wollte. Ordnungsgemäß festgesetzte Sacheinlagen und Sachübernahmen begründen also Ansprüche und Verpflichtungen der A G , die sie mit ihrer Entstehung unmittelbar erwirbt und die sie mit ihrer Entstehung unmittelbar belasten. Dasselbe gilt für den Gründungsattfwand und für Sondervorteile, soweit diese nach § 26 ordnungsgemäß in der Satzung festgesetzt sind. In dieser Hinsicht erweist sich also — im Sinn der Einheitstheorie — ein enger rechtlicher Zusammenhang zwischen der errichteten Gesellschaft (Gründergesellschaft) und der entstandenen Gesellschaft (vgl. Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 40). Andererseits ergibt sich aber aus dieser Regelung auch, daß alle A b kommen über die in §§ 26, 27 genannten Sachgegenstände, die in der Satzung nicht oder nicht ordnungsgemäß festgesetzt sind — mögen solche Verträge auch im übrigen nach allgemeinen Grundsätzen wirksam (formgerecht) abgeschlossen sein, — keine unmittelbare Wirkung gegenüber der entstandenen A G haben. In dieser Hinsicht wird also die entstandenen A G — entgegen der Auffassung der Einheitstheorie — nicht mit Verbindlichkeiten belastet, die die Gründer oder der Vorstand namens der A G begründet haben, und die sie selbst unter Umständen persönlich weiterbelasten. 19«

291

§ 41

Anm. 8, 9 Anm. 8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Sind Abkommen über Sacheinlagen und Sachübernahmen nach Maßgabe der Satzung schon vor der Eintragung der A G in der Weise ausgeführt worden, daß die in Beträcht kommenden Gegenstände nach der Errichtung der Gesellschaft dieser zu Händen ihres Vorstandes übertragen worden sind, so wird die A G mit ihrer Entstehung unmittelbar Träger dieser Rechte (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 18; Teichmann-Koehler § 34 Anm. 3 c, 6; Godin-Wilhelmi Anm. 5; Baumbach-Hueck Rn. 3 ; Heim Z H R 108, 190; Schnorr von Carolsfeld DNotZ 63, 408; Horn N J W 64, 90; Haberkorn M D R 64, 557; v. Godin ZivA 147, 40 und die Vertreter der unbedingten Einheitstheorie; a. M . auch hier Gadow J h e r J 87, 266 und 1. Aufl. Anm. 2 1 ; ferner Ritter § 20 Anm. 2 d und wohl auch Schlegelberger-Quassowski § 34 Anm. 9). Denn wer sollte sonst Träger dieser Rechte geworden sein, von dem sie nach der Entstehung der A G auf diese erst übertragen werden müßten ? Die handelnden Vorstandsmitglieder persönlich oder die Mitglieder der Gründungsgesellschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit? Eine solche Annahme entspricht gewiß nicht dem Willen der Beteiligten, die für die künftige A G erwerben'und die künftige A G berechtigen wollen, so wie die A G j a auch aus dem fraglichen Abkommen unmittelbar mit ihrer Entstehung verpflichtet wird. In Ubereinstimmung mit dieser Auffassung bejaht das Reichsgericht die Möglichkeit einer Auflassung an die künftige A G ( R G J W 1925, 1 1 0 9 ; ebenso K G D R 1941, 1087 — J F G 22, 217 und die herrschende Ansicht im Schrifttum sowie selbst Gadow J h e r J 87, 268), und neuerdings in BGH 45, 348 (fiir eine GmbH) die Grundbucheintragung der errichteten Körperschaft (zustimmend Gansmüller GmbH Rundschau 67, 25fr., 75ff.). Diese Entscheidung muß, auch wenn bei der GmbH die Sacheinlage anders als bei der A G vor der Anmeldung zu leisten ist, für die errichtete A G ebenfalls gelten; denn die Grundbuchfahigkeit wird nicht auf diese Besonderheit des GmbH-Rechts gestützt, sondern darauf, daß die gegründete aber noch nicht eingetragene GmbH zwar noch nicht rechtsfähig, aber doch mehr als eine bürgerlich rechtliche Gesellschaft sei, die in der Form der Zusammenfassung ihrer Gesellschafter als Gesellschaft im Grundbuch eingetragen werden könne. Diese Begründung trifft in gleicher Weise für die errichtete A G zu. Damit ist dann auch die Inkonsequenz beseitigt, die Ritter § 34 Anm. 3 b und Gadow J h e r J 87, 266/67 an der bisherigen Handhabung gerügt haben. Die Folge ist, daß die A G mit ihrer Entstehung durch Eintragung im Handelsregister Grundstückseigentümer in gleicher Weise wie Eigentümer der ihr im Wege der Sacheinlage oder Übernahme überlassenen Mobilien oder der ihr zu Händen ihres Vorstandes im Wege der Bareinlage übergebenen Geldscheine ist. Es bedarf dann nicht einmal einer Grundbuchberichtigung hinsichtlich der Eigentümerstellung, sondern nur einer Berichtigung in der Bezeichnung des eingetragenen Eigentümers. Damit entfällt dann auch die Streitfrage, ob bei Eintragung der als Gründergesellschaft zusammengefaßten Gründer nach Entstehung der A G eine neue Auflassung nebst Eintragung oder nur eine Berichtigung erforderlich ist (im ersteren Sinne Köhler-Teichmann § 34 Anm. 3 c, im letzteren Sinne Baumbach-Hueck Rn. 6).

Anm. 9 2. Bei sonstigen Verträgen a) Zahlung der Bareinlage: Nach § 36 Abs. 2 müssen vor der Anmeldung der errichteten Gesellschaft von der Bareinlage mindestens 2 5 % und ein etwaiges Aufgeld eingezahlt worden sein. Diese Einzahlung ist für die Entstehung der Gesellschaft rechtlich unumgänglich notwendig, die künftigen Aktionäre sind demgemäß zur Einzahlung verpflichtet. Bei dieser Rechtslage kann es keinem Zweifel unterliegen, daß solche gesetzlich notwendigen Einzahlungen gegenüber der A G unmittelbar wirksam sind, sobald sie entstanden ist. Das bedeutet, daß die A G nach ihrer Entstehung einerseits nicht nochmals Zahlung in dieser Höhe verlangen kann und daß sie andererseits mit ihrer Entstehung unmittelbar ein Recht an den erbrachten Leistungen (Eigentum oder bei Bankguthaben ein entsprechendes Forderungsrecht) erlangt. Das ist in Rechtsprechung und Schrifttum unbestritten (vgl. da-

292

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 41

Anm. 10

zu R G 58, 55; 83, 370; 149, 303; J W 1922, 94). Dieselben Gesichtspunkte müssen auch für solche Zahlungen auf die Bareinlage gelten, die über den gesetzlichen Mindestbetrag hinaus auf Grund einer entsprechenden Satzungsbestimmung oder schlicht auf Anfordern des Vorstandes (vgl. § 36 Anm. 13) vor der Entstehung der Gesellschaft geleistet worden sind. Die Zulässigkeit solcher Zahlungen sieht § 36 Abs. 2 Satz 2 mit dem Wort „mindestens" selbst vor. Die Zahlung des angeforderten Betrages muß auch vor der Anmeldung der A G erfolgen, da § 36 Abs. 2 den Vorstand als Voraussetzung der Anmeldung zu der Erklärung verpflichtet, daß der eingeforderte Betrag voll — anders auf Grund des § 7 Abs. 2 GmbH Ges., wo die Erklärung immer nur für 25% abzugeben ist, auch wenn sofort mehr eingezahlt wird — zur endgültig freien Verfügung des Vorstandes steht. Es kann von einem künftigen Aktionär, der auf Grund der Satzung zu einer solchen Einzahlung über den gesetzlichen Mindestbetrag hinaus in zulässiger Weise besonders verpflichtet worden ist, nicht verlangt werden, daß er insoweit nach der Entstehung der A G nochmals eine Zahlung an diese erbringt (vgl. auch BGH 15, 66 mit Anm. bei L M Nr. 1 zu § 13 GenG). Ob man eine dahingehende unmittelbare Wirkung gegenüber der entstandenen A G auch dann anzunehmen hat, wenn der Gründer zu einer solchen Einzahlung nicht verpflichtet war und sie gleichwohl geleistet hat, ist streitig. Die Rechtsprechung verneint es und bürdet damit das Risiko der Mehrzahlung dem Gründer auf, der nach Entstehung der A G nochmals zahlen muß, wenn der eingezahlte Mehrbetrag bei der Entstehung der A G nicht mehr in Geld zur Verfügung steht (so R G 83, 370; R G in J W 22, 94; R G Z 149, 303; BGH 37, 78; BGH in L M Nr. 1 zu § 57 GmbH-G). Dem haben sich weite Teile des Schrifttums angeschlossen (Ritter § 20 Anm. 2 d ; Godin-Wilhelmi § 36 Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Rn. 7; Wiedemann GmbH Rdsch 6 7 , 1 4 7 ; Hofmann AktG 63, 261 ff.; Ballerstedt Z H R 127, 100; Fischer in L M Nr. 13 zu § 1 1 GmbH-G; Wolany AktG 66, 79fr., n 8 f f . , 1483".; ebenso Pleyer GmbH Rdsch 62, 156; Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG S. 127 und Ulbrich GmbH Rdsch 66, 249, welch letztere Schuldbefreiung eintreten lassen, wenn im Zeitpunkt der Entstehung der Gesellschaft statt des Geldes gleichwertige Sachwerte zur Verfügung stehen). Eine gegenteilige Meinung vertreten O L G Saarbrücken in J Z 51, 446 mit zustimmender Anmerkung von Schilling; Scholz GmbH-G § 7 Anm. 8c und GmbH Rdsch 56, 5; Hachenburg-Schilling § 7 Anm. 2b; Gottschling GmbH Rdsch 63, 147; Brunn BB 56, 261; Barz GmbH Rdsch 62, 189; Sudhoff GmbH Rdsch 65, 110. Da die Zulässigkeit einer vorzeitigen Zahlung wohl nur über § 271 Abs. 2 BGB zu begründen ist, kann die streitige Frage bei der A G nicht entstehen. Denn hier hat die Höhe der Einzahlung anders als gemäß §§ 29 Abs. 2 und 47 Abs. 2 GmbH-G eine Veränderung des Gewinnbezugs- und Stimmrechts zur Folge (vgl. §§ 60 Abs. 2, 164 Abs. 2), die der einzelne Aktionär nicht von sich aus willkürlich beeinflussen darf. Ist aber die vorzeitige Einzahlung nicht angeforderter Beträge unzulässig, so darf sie der Vorstand jedenfalls im Gründungsstadium nicht annehmen, da sich hier seine Befugnis auf die rechtlich notwendigen und wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Geschäfte beschränkt (vgl. Anm. 10ff.).

Anm. 10 b) Verpflichtungen aus weiteren rechtlich notwendigen Geschäften: Das R G (vgl. Anm. 4) ist der Auffassung, daß die entstandene A G ganz allgemein aus solchen Rechtsgeschäften unmittelbar verpflichtet wird, deren Abschluß für ihre Entstehung rechtlich unumgänglich notwendig ist. Es begründet diese Auffassung damit, daß der Abschluß solcher Rechtsgeschäfte von der Vertretungsbefugnis der vor ihrer Entstehung bestellten Organe umfaßt werde. Zu diesen Geschäften werden im Schrifttum (vgl. Staub-Pinner § 200 Anm. 5; Teichmann-Koehler § 34 Anm. 3 a) die Zahlung der mit der Gründung verbundenen Kosten für Gericht, Notar, Anwalt, die Steuern u. a. gerechnet. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Bei den Verpflichtung aus diesen sog. rechtlich unumgänglichen Rechtsgeschäften handelt es sich um solche, die zum Gründungsaufwand gehören und für die in § 26 eine besondere, abschließende Regelung getroffen ist. Denn es sind in diesem Zusammenhang irgendwelche Verbindlich293

§41

Anm. 11

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

keiten kaum denkbar, die nicht unter den Gründungsaufwand fallen (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. io; Heim Z H R 108, 2 1 2 ; v. Godin ZivA 147, 34; Gadow J h e r J 87, 263/64). Es muß daher für die Wirksamkeit solcher Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft gefordert werden, daß sie nach Maßgabe des § 26 in der Satzung festgesetzt werden (außer den vorstehenden ebenso auch v. Gierke Handelsrecht 6. Aufl. § 41 I V 2c; Schlegelberger-Quassowski §34 Anm. 3 ; Baumbach-Hueck R n . 3). Bemerkenswert ist, daß auch das R G trotz -seiner weitreichenden Begründung niemals Verbindlichkeiten, die zum Gründungsaufwand gehören, ohne Einhaltung des § 36 als unmittelbar wirksam gegenüber der entstandenen A G betrachtet hat. Seine Entscheidungen befassen sich vielmehr immer mit der Wirksamkeit vorher geleisteter Zahlungen auf die zugesagte Bareinlage oder mit solchen Geschäften, die es nicht zu den rechtlich unumgänglich notwendigen Geschäften rechnet.

Anm. 11 c) Verpflichtungen aus wirtschaftlich notwendigen Geschäften Die schwierigste Frage in diesem Zusammenhang ist die, ob die A G mit ihrer Entstehung aus solchen Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, die im Gründungsstadium von dem bestellten Vorstand in ihrem Namen abgeschlossen worden sind und die zur Vorbereitung des Geschäftsunternehmens oder zur Erhaltung der erbrachten Sacheinlagen oder Sachübernahmen aus wirtschaftlichen Gründen unumgänglich notwendig sind. Für die Beantwortung dieser Frage gibt das Gesetz keinen unmittelbaren Aufschluß. Das liegt wohl vor allem daran, daß das AktG bei seiner Regelung von dem Fall der Bargründung als dem typisch regelmäßigen Fall ausgeht und nicht beachtet, daß in der Rechtswirklichkeit die Sachgründung, und zwar eine solche unter Einbringung oder Übernahme eines Handelsgeschäfts, den Regelfall bildet (Godin-Wilhelmi Anm. 1 7 ; unrichtig insoweit Lobedanz Einfluß von Willensmängeln auf Gründungsund Beitrittsgeschäfte 1938 S. 132) und daß sich gerade bei diesem Regelfall aus wirtschaftlichen Gründen die Notwendigkeit zum laufenden Abschluß von Rechtsgeschäften von der Zeit der Einbringung eines solchen Handelsgeschäfts bis zur Entstehung der A G ergibt. Denn ein solches Handelsgeschäft kann nicht auf Zeit stillgelegt werden. Damit würde vor allem der künftigen A G , ihren Gläubigern und etwaigen späteren Aktionären am wenigsten gedient sein. In einem solchen Fall kann nicht bis zur Eintragung der Gesellschaft gewartet, es muß vielmehr laufend, und zwar im wesentlichen auch rechtsgeschäftlich gehandelt werden. Dieser wirtschaftlichen Notwendigkeit steht der in den §§ 26, 27, 36, 37 zum Ausdruck gekommene Grundsatz gegenüber, daß die Belastung der A G mit Verbindlichkeiten im Zeitpunkt ihrer Entstehung durch Festsetzung in der Satzung allgemein ersichtlich und der Prüfung im Gründungsstadium zugänglich sein muß. Auch ist zu berücksichtigen, daß es nicht erwünscht sein kann, vor der Eintragung der A G die Aufnahme eines Geschäftsbetriebs mit unmittelbarer Wirkung gegenüber der A G zu ermöglichen. Derartiges könnte dazu führen, daß die Beteiligten unter Umständen für eine längere Zeit das Handelsgeschäft mit beschränkter Haftung führen, ohne insoweit den einengenden Vorschriften über die Gründung einer A G unterworfen zu sein (vgl. dazu auch Heim Z H R 108, 182; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 56 fr.). Man hat versucht diesen Konflikt dadurch zu lösen, daß man über den Wortlaut der §§ 26, 27 hinaus auch die Festsetzung noch weiterer Verträge in der Satzung zugelassen und diesen so festgesetzten Verträgen sodann ebenfalls unmittelbare Wirkung für und gegen die entstanden A G beigelegt hat (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 10; Gadow J h e r J 87, 264; Schlegelberger-Quassowski § 34 Am. 4; Teichmann-Koehler § 34 Anm. 3b, c). Allein dieser Versuch erweckt Bedenken (ablehnend auch Godin-Wilhelmi Anm. 4). Zunächst läßt er sich mit dem Wortlaut der §§ 26, 27 nur schwer vereinbaren; insbesondere hätte es in diesem Falle der kasuistischen Aufgliederung in Gründungsaufwand und Sondervorteile, in Sacheinlagen und Sachübernahmen wohl kaum bedurft (vgl. dazu Dregger a. a. O. S. 55). Entscheidend erscheint aber, daß dieser Weg im Ergebnis nicht weiter führt, insbesondere nicht geeignet ist, solchen Rechtsgeschäften unmittelbare Wirkung für und gegen die entstandene A G zu verschaffen, welche bei Übernahme eines

294

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 41

Anm. 12

Handelsgeschäfts vor der Entstehung der A G aus wirtschaftlich unabweisbaren Gründen abgeschlossen werden müssen. Denn es ist nicht möglich, diese Verträge nach Maßgabe des § 27 schon bei der Feststellung der Satzung festzusetzen, da die hierzu notwendigen Angaben in diesem Zeitpunkt meist noch gar nicht gemacht werden können. A u c h eine entsprechende Anwendung des § 26 (so Düringer-Hachenburg a. a. O.) hilft nicht weiter, weil ebenso auch die Gesamtsumme des Aufwands in diesem Zeitpunkt noch nicht angegeben werden kann.

Anm. 12 In diesem Zusammenhang ist vielmehr anzuknüpfen an die Frage, welche Aufgaben der bereits im Gründungsstadium bestellte Vorstand hat. Für den Fall der Bargründung wird man im allgemeinen mit d e m R G ( R G 83, 373; 105, 229; 134, 122; 154, 286) sagen können, daß sich seine Aufgabe darin erschöpft, die gesetzlich ihm auferlegten Maßnahmen vorzunehmen, die für die Entstehung der A G erforderlich sind (so auch Ballerstedt Z H R 127, 100). Bei einer Sachgründung oder einer Sachübernahme, bei der ein Handelsgeschäft schon im Gründungsstadium eingebracht oder übernommen wird (also in dem Regelfall, vgl. A n m . 11), wird man die Aufgabe des Vorstands nicht in der gleichen Weise beschränken dürfen. Die Einstellung von Lohn- und Gehaltszahlungen an die übernommenen Arbeiter und Angestellten, die Unterbrechung laufender Lieferungsverträge, die Unterlassung notwendiger Geschäftsabschlüsse für die Fortführung des Unternehmens könnten das eingebrachte oder übernommene Handelsgeschäft zum Erliegen bringen oder müßten ihm wenigstens schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen. Der Vorstand muß in einem solchen Fall handeln, will man nicht um eines aktienrechtlichen Dogmas willen ein völlig wirklichkeitsfremdes Ergebnis hinnehmen. Der Vorstand muß in einem solchen Fall als verpflichtet angesehen werden, die wirtschaftlich notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Handelsgeschäft in seinem wirtschaftlichen Wert zu erhalten und es der A G bei ihrer Entstehung in einem solchen Zustand zuzuführen (vgl. auch § 48 Anm. 3). Die gleiche Erhaltungspflicht besteht auch für andere Einbringungsoder Ubernahmegegenstände wie Grundstücke, Wertpapiere u. dgl. (so mit Recht Ballerstedt Z H R 127, 102). Insoweit beschränkt sich der Zweck der Gründungsgesellschaft nicht darauf, die A G formal juristisch zur Entstehung zu bringen, sondern umschließt auch die Aufgabe, das eingebrachte oder übernommene Unternehmen oder sonstige Sachvermögen wirtschaftlich für die A G bis zum Zeitpunkt ihrer Entstehung zu erhalten (§ 29 A n m . 3). Diese Beurteilung zwingt — ohne daß es insoweit einer Auseinandersetzung mit der Einheitstheorie bedarf (vgl. Anm. 6) — zu dem Schluß, daß solche Geschäfte unmittelbare Wirkung für und gegen die A G haben, sobald diese zur Entstehung gelangt ist. Denn man kann nicht den Vorstand einerseits für verpflichtet halten, solche Geschäfte im Gründungsstadium im Namen der künftigen A G abzuschließen, ihn andererseits aber mit einer persönlichen Haftung aus solchen Geschäftsabschlüssen belasten, wenn die A G nach ihrer Entstehung die Verbindlichkeiten aus diesen Geschäften nicht übernimmt. Deshalb ist auch die Ansicht von Würdinger S. 104 verfehlt, das einzubringende Handelsgeschäft werde zwar „für Rechnung", nicht aber im Namen der künftigen A G geführt, es sei denn daß er eine Pflicht der entstandenen A G zur Übernahme der bis zur Eintragung begründeten Verbindlichkeiten annähme. T u t man das nicht, so wäre die Folge, daß das wirtschaftliche Wagnis solcher Geschäfte, die der Vorstand im Namen der A G abschließen muß, auf diesen allein abgewälzt werden würde. Seine Pflichterfüllung würde also bestraft werden (wenn K u h n W M , Sonderbeilage 5/1956 S. 6 — freilich in einem etwas anderen Zusammenhang — das deshalb zu leugnen sucht, weil die Haftung des persönlich Handelnden keine Strafe sei, so ist das wohl keine ausreichende Begründung). Zur Übernahme einer derartig undankbaren Aufgabe wird kaum jemand bereit sein. Mit der Bejahung einer unmittelbaren Wirkung solcher Geschäftsabschlüsse für und gegen die A G im Zeitpunkt ihrer Entstehung (so auch B G H i n N J W 63, 859; B G H 45, 343 K u h n AktGes. 56, 19; vgl. auch Dilcher J u S S. 66, 89 ff.) erweist sich auch in dieser Hinsicht — wie bei den Sacheinlagen, den Sachübernahmen und dem Gründungsaufwand (Anm. 7) — der enge rechtliche Zusammenhang zwischen der Gründungsgesellschaft und der entstandenen A G . Der durchaus an-

295

§41

Anm. 13

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

zuerkennende aktienrechtliche Grundsatz, daß die A G bei ihrer Entstehung nach Möglichkeit nur mit aus dem Gründungshergang ersichtlichen Verbindlichkeiten belastet sein soll, muß insoweit zurücktreten. Andernfalls würde der Schutzcharakter dieses Grundsatzes in sein Gegenteil verkehrt werden (die Entscheidung B G H 17, 385 gibt zu dieser Frage nichts her; vgl. dazu im einzelnen Rob. Fischer in Anm. bei L M Nr. 2 zu § 13 GenG). Im Hinblick auf die §§ 26, 27 muß sich aber die unmittelbare Wirkung der wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Geschäfte auf die A G auf solche Geschäfte beschränken, die der Vorstand abgeschlossen hat. Geschäftsabschlüsse von Gründern dürfen nach dem Grundgedanken der §§ 26, 27 in diesen Kreis nicht hineingezogen werden, da das Gesetz den Gründern im Gründungsstadium — ob mit Recht, sei dahingestellt — ein besonderes Mißtrauen entgegenbringt. Die weitgehende Haftung des Vorstands für sein Verhalten im Gründungsstadium (§ 48) muß insoweit als Schutzmaßnahme für die entstandene A G ausreichen. Zu den wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Rechtsgeschäften können grundsätzlich Rechtsgeschäfte aller Art, also nicht nur Verträge, sondern auch einseitige Rechtsgeschäfte, wie Kündigung eines Anstellungsvertrages, Rücktritt von einem Kaufvertrag usw. gehören. Ferner fallen darunter auch Verfügungen, z. B. die Veräußerung von zum eingebrachten Handelsgeschäft gehöriger Sachen wie auch der Erwerb solcher Sachen für das Handelsgeschäft. Diese Verfügungen, soweit sie wirtschaftlich unumgänglich notwendig sind, wirken ebenfalls unmittelbar zugunsten und zu Lasten der A G . Mußte schon gegenüber dem AktG 37 der Vorwurf erhoben werden, die Vorschriften des § 34 Abs. 1 und 2 stellten „keine Bewältigung des gesetzgeberischen Problems dar, das mit der Uberführung eines Unternehmens auf eine in Gründung befindliche Gesellschaft gestellt ist" (Ballerstedt Z H R 127, 101), so gilt dieser Vorwurf gegenüber dem AktG 67 noch stärker. Denn die zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Erörterungen zu § 34 haben diesen Vorwurf eindeutig als richtig erwiesen. Die Begründung des Reg. E., man sähe von einer Regelung der Streitfragen um § 34 ab und halte es für zweckmäßiger, sie der Wissenschaft und Rechtsprechung zur Klärung zu überlassen (Anm. 2), ist nichts anderes als ein Verschließen der Augen vor der sich aus der Sache ergebenden Problematik und ein Ungenügen des Gesetzgebers. Immerhin gibt aber diese Bemerkung der Begründung des Reg. E. Wissenschaft und Rechtsprechung freie Hand, soweit nicht der Wortlaut des § 41 zwingend eingreift, den Rechtszustand vor Eintragung der Gesellschaft und seine Uberleitung auf die entstandene Gesellschaft nach sachlichen Notwendigkeiten zu erfassen.

Anm. 13 Die Beschränkung der unmittelbaren Wirkung auf die wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Rechtsgeschäfte (ähnlich Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. I I I , 1 S. 1 1 0 ; für die GmbH Hachenburg J W 1924,199; Hachenburg-Schilling § 1 1 Anm. 4; unter Anwendung des § 683 BGB (vgl. Anm. 5, 6) im Ergebnis nicht wesentlich abweichend Brodmann § 200 Anm. 1 b; Gadow J h e r J 87, 257 und 1. Aufl. Anm. 1 7 ; Baumbach-Hueck Rn. 5 ; a. M., nämlich ohne jede Beschränkung, Scholz GmbH-Rdsch 1956, 5; Dilcher IuS. 66, 99; Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 409) ist zum Schutz der A G geboten. Diese Beschränkung mag im Einzelfall für den am Geschäftsabschluß beteiligten Dritten eine gewisse Unsicherheit mit sich bringen (Müller-Erzbach Das Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 191). Aber das muß im Interesse der A G hingenommen werden, zumal der am Geschäftsabschluß beteiligte Dritte dadurch nicht unbillig belastet wird; ihm ist in jedem Fall entweder die entstandene A G oder das persönlich handelnde Vorstandsmitglied (Abs. 1 Satz 2) aus dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft verpflichtet. Die Beschränkung der unmittelbaren Wirkung auf die wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Rechtsgeschäfte ist auch nicht, wie Dregger (Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 47 ff., 54f.) meint, deshalb willkürlich und nutzlos, weil der Vorstand solche Rechtsgeschäfte im Unterschied zu den Vereinbarungen über Sacheinlagen, Sachübernahmen usw. (Abs. 3) ohnehin sofort nach der Eintragung der A G abschließen könnte und weil es angesichts dieser Möglichkeit nicht darauf ankommen dürfte, ob er solche Rechtsgeschäfte eine Stunde vor oder eine Stunde nach der Eintragung abgeschlossen habe. Dieses Argument erscheint allzu theoretisch und überspitzt und wird den

296

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 41

Anm. 13 a, 14

tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Die Notwendigkeit eines noch stärkeren Schutzes der A G gegenüber Vereinbarungen von Sacheinlagen, Sachübernahmen usw., die auch noch für die Zeit nach der Entstehung der A G fortbesteht (vgl. Abs. 3, § 52), kann und darf nicht dazu führen, die A G im übrigen aus allen Rechtsgeschäften unmittelbar zu verpflichten, die vor ihrer Entstehung in ihrem Namen abgeschlossen worden sind. Zudem würde dies bei der gegenteiligen Auffassung von Dregger Abs. 2 keinen rechten Sinn mehr haben.

Anm. 13a d) Firmen- und bilanzmäßige Folgerungen Wird aber das eingebrachte oder übernommene Unternehmen in der Zeit von der Einbringung oder Übernahme ab bis zur Eintragung der A G im Handelsregister unverändert weitergeführt, dann entsteht — das ist die Konsequenz der Ausführungen in Anm. 1 1 bis 13 — für die Zwischenzeit, die mehr oder minder lang sein kann, die Frage der Firmierung. Da der bisherige Inhaber des Unternehmens schon aus Haftungsgründen Wert darauf legen wird, daß das Unternehmen vom Stichtag der Übergabe ab nicht mehr auf den bisherigen, seine Haftung begründenden Namen geführt wird, die in Gründung befindliche A G aber noch keinen registerlich anerkannten Firmennamen hat, hilft sich die Praxis meist damit, daß sie den Namen der errichteten Gesellschaft verwendet und den Zusatz „in Gründung" beifügt. Das ist, wie Ballerstedt Z H R 127, 102 mit Recht bemerkt, eine „gleichsam vorwegzunehmende Zulässigkeit einer Sachfirma". Diese praktische Lösung ergibt sich gewissermaßen zwingend aus der gegebenen Situation und sollte deshalb, da der Gesetzgeber der Regelung auch dieser Frage aus dem Wege geht, rechtlich anerkannt werden. Die Tätigkeit der in Gründung befindlichen A G ist, soweit sie ein eingebrachtes oder übernommenes Unternehmen führt, kaufmännisch, so daß die §§ 343 fr. H G B gelten. Nimmt man die Sache ganz genau, so müßte nicht nur zum Tage der Eintragung der A G im Handelsregister, sondern auch zum Tage der Übergabe des eingebrachten oder übernommenen Unternehmens eine Eröffnungsbilanz aufgestellt werden. Die Praxis läßt es meist mit letzterer genügen. Auch dem wird die Anerkennung nicht versagt werden könen, zumal, wenn man an die steuerlichen Auswirkungen der Eröffnungsbilanz denkt. Der Zeitpunkt der Eintragung ist j a in der Tat nurmehr ein zwar rechtlich markanter, im Wirtschaftsleben des Unternehmens aber untergeordneter Stichtag (so wohl auch Ballerstedt a. a. O.).

Anm. 14 III. Der Eintritt der AG in Rechte und Verbindlichkeiten durch Rechtsgeschäft 1. Durch Schuldübernahme bei den Verbindlichkeiten a) Allgemeines Abs. 2 regelt den Eintritt der entstandenen A G in solche Verbindlichkeiten, die in ihrem Namen während des Gründungsstadiums begründet worden sind. Diese Vorschrift greift nur insoweit ein, als die im Namen der A G begründeten Verbindlichkeiten die A G nicht schon ohne weiteres mit ihrer Entstehung unmittelbar treffen. Denn insoweit bedarf es keiner Schuldübernahme mehr. Das ist im Schrifttum allgemein anerkannt, nur so viel ist streitig, in welchem Ausmaß die schon im Gründungsstadium begründeten Verbindlichkeiten gegen die A G unmittelbar wirken (dazu Anm. 7ff.). Daher ist das Argument, das Gadow (vgl. Anm. 5) aus dieser Bestimmung gegen die Einheitstheorie, und zwar auch in der abgeschwächten Form des R G herleitet, wohl nicht durchschlagend, weil immer vor der Anwendung des Abs. 2 zu prüfen ist, ob die A G nicht schon aus einem anderen Grunde ohne weiteres aus der in ihrem Namen begründeten Verbindlichkeit verpflichtet ist. Darüber hinaus besteht die Besonderheit dieser Vorschrift darin, daß sie die Voraussetzungen regelt, unter denen der Handelnde von seiner persönlichen Haftung (Abs. 1 Satz 2; dazu Anm. 19 ff.) frei wird. Insofern unterscheidet sich die Schuldübernahme des Abs. 2 von einer Genehmigung, die unter ent297

§ 41 A n m . 15, 16

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

sprechender Anwendung der §§ 177 ff. BGB ebenfalls möglich ist (Anm. 17, 18). Denn eine solche Genehmigung führt nicht ohne weiteres zu einer Freistellung des Handelnden von seiner Haftung. Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß die Regelung des Abs. 2 über die Schuldübernahme von vornherein die Zulässigkeit einer Genehmigung ausschließe (Ritter § 34 Anm. 5; Teichmann-Koehler § 34 Anm. 6; Heim Z H R 108, 187 f., 194; Dregger a. a. O. S. 80). — Dagegen ist die Schuldübernahme in bestimmten Fällen unzulässig (Abs. 3; dazu Anm. 27, 28). A n m . 15 b) F o r m der Schuldübernahme Die Schuldübernahme des Abs. 2 unterscheidet sich von der Schuldübernahme des § 415 BGB. Sie bedarf nicht der Zustimmung des Gläubigers; denn dieser hatte ja von vornherein mit der A G gerechnet und wollte diese als Schuldnerin seiner Forderung. Der Handelnde ist auch nicht deshalb zunächst Schuldner geworden, weil er die Verbindlichkeit im eigenen Namen eingegangen war, sondern er ist es nur auf Grund der besonderen Vorschrift des Abs. 1 Satz 2 geworden. Deshalb ist die Erleichterung bei der Schuldübernahme des Abs. 2 gegenüber der Schuldübernahme des § 415 BGB auch innerlich gerechtfertigt. Die Schuldübernahme bedarf einer Vereinbarung zwischen der A G und dem Handelnden, der nach Abs. 1 Satz 2 zunächst haftet. Warum das Gesetz insoweit eine Vereinbarung, also die Zustimmung des Handelnden verlangt, ist unklar. Eine einfache Anzeige der A G an den Handelnden von der erfolgten Schuldübernahme müßte bei den gegebenen Verhältnissen an sich schon ausreichend sein, weil der Handelnde ohnehin die A G verpflichten wollte (v. Godin ZivA 147, 29). Aber der Gesetzeswortlaut ist in dieser Hinsicht eindeutig. Immerhin sind insoweit keine strengen Anforderungen zu stellen. Die Vereinbarung der Schuldübernahme braucht nicht ausdrücklich getroffen zu werden (a. M . Schlegelberger-Quassowski § 34 Anm. 3); auch eine solche durch schlüssige Handlungen, ja durch schlüssiges Schweigen muß ausreichend sein (Gadow JherJ 87, 260/61). Das gilt vor allem bei Dauerverträgen, in die die A G eintritt ( R G Z 116, 74; BGH in L M Nr. 6 zu § n GmbHG). Da das Gesetz nun einmal eine Vereinbarung zwischen der A G und dem Handelnden verlangt, kann diese im Hinblick auf § 181 BGB nicht zwischen dem Handelnden einerseits und diesem als Vorstandsmitglied der A G andererseits getroffen werden. Ist kein anderes Vorstandsmitglied vorhanden, das nicht zugleich als Handelnder haftet, so muß der Aufsichtsrat die Vereinbarung mit dem Handelnden treffen (§ 112; ebenso SchlegelbergerQuassowski § 34 Anm. 7; ähnlich auch Scholz J W 1938, 3153 für die GmbH). Aber auch in dieser Hinsicht wird man an das Vorliegen einer Vereinbarung auf Seiten des Aufsichtsrats keine strengen Anforderungen zu stellen haben. Gegenüber dem Gläubiger genügt für die Wirksamkeit der Schuldübernahme eine einfache Mitteilung. Diese kann zwar nicht stillschweigend erfolgen, das wäre ein Widerspruch in sich (vgl. Gadow JherJ 87, 261). Aber sie kann formlos geschehen, auch durch schlüssige Handlungen ( R G H R R 1929, 1723); ein Zugeständnis der Schuldübernahme genügt (RG 125, 104). Innerhalb einer Frist von drei Monaten seit der Eintragung muß die Schuldübernahme vereinbart und dem Gläubiger mitgeteilt sein. Ist die Frist versäumt, so bewendet es für die befreiende Schuldübernahme bei der Regel des § 415 BGB. Übrigens schließt § 415 BGB nicht die Möglichkeit aus, daß der Gläubiger von vornherein in die befreiende Schuldübernahme einwilligt, bevor sie noch vereinbart ist. Dann wird sie ohne weiteres mit der Vereinbarung wirksam, ohne daß es noch einer Mitteilung bedürfte ( R G 60, 415; Warn. 1911 Nr. 262; 1919 Nr. 29). Das gilt auch im Fall des Abs. 2; denn diese Bestimmung dient dazu, die befreiende Schuldübernahme zu erleichtern, nicht, sie zu erschweren. A n m . 16 c ) Die Wirkung d e r S c h u l d ü b e r n a h m e Die Wirkung der befreienden Schuldübernahme besteht einmal darin, daß die A G nunmehr Schuldnerin der in ihrem Namen eingegangenen Verbindlichkeiten wird und daß andererseits der Handelnde von seiner persönlichen Haftung (Abs. 1 Satz 2) gegen-

298

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§41

Anm. 17

über dem Dritten frei wird. Mit dieser gesetzlichen Regelung erledigen sich die Angriffe gegen die frühere Rechtsprechung des R G (vgl. Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 20), daß zur Freistellung des Handelnden von seiner persönlichen Haftung es noch einer besonderen, wenn auch stillschweigenden Vereinbarung mit dem Dritten bedürfe, daß also die Genehmigung des Vertragse durch die A G nach ihrer Eintragung dazu noch nicht ausreiche ( R G 72, 4 0 1 ; 116, 72; 159, 43). Die Rechtsprechung des R G hat auch heute noch Bedeutung, falls die Schuldübernahme nicht innerhalb von 3 Monaten vereinbart und dem Gläubiger mitgeteilt ist. Hier bedarf es zur Freistellung des Handelnden nach der jetzigen Regelung jedenfalls einer — wenn auch schlüssigen — Zustimmung des Gläubigers (Anm. 26).

Anm. 17 2. Durch Genehmigung bei den in ihrem Namen begründeten Rechten Ein selbsttätiger Eintritt der A G in die in ihrem Namen für sie begründeten Rechte tritt nach allgemeinen Grundsätzen dann ein, wenn ein solches Recht durch einen Vertrag zugunsten der A G (§ 328 BGB) geschaffen worden ist. Das gilt jedoch nicht für gegenseitige Verträge (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 14), soweit diese nicht nach den in Anm. 7 ff. dargelegten Grundsätzen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die A G abgeschlossen worden sind. Denn die gegenseitigen Verträge können nicht derart aufgespalten werden, daß die Begründung von Rechten als Vertrag zugunsten der A G (§ 328 BGB) anzusehen ist und damit die A G unmittelbar berechtigt wird (so im Ergebnis Godin-Wilhelmi Anm. 7), die Begründung von Verbindlichkeiten dagegen die A G nur trifft, wenn sie in diese durch eine Schuldübernahme selbst eintritt. Andererseits ist es aber auch nicht möglich, daß die A G solche Rechte durch eine besondere Rechtsübertragung erwirbt (so Brodmann § 200 Anm. i b ; Gadow J h e r J 87, 266 und i.Aufl. Anm. 2 1 ; Schlegelberger-Quassowski §34 Anm. 9). Denn eine solche Rechtsübertragung könnte nur seitens des Handelnden, den die persönliche Haftung nach Abs. 1 Satz 2 trifft, vorgenommen werden. Dieser hat aber aus einem solchen gegenseitigen Vertrag keinen Erfüllungsanspruch gegen den Dritten auf Leistung an sich selbst (Anm. 24). Es ist daher auch nicht denkbar, daß dieser bei einer Schuldübernahme den Erfüllungsanspruch auf die A G überträgt. Hier kann sich der Eintritt der A G in die in ihren Namen begründeten Rechte nur unter entsprechender Anwendung der §§ 177 ff. BGB vollziehen (Ritter § 34 Anm. 4 c ; Teichmann-Koehler § 34 Anm. 5 a ; Heim Z H R 108, 190; Haberkorn M D R 64, 557). Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß ein Handeln im Namen der A G vor ihrer Entstehung begrifflich ausgeschlossen sei (so Gadow J h e r J 87, 254 und 1. Aufl. Anm. 1 7 ; Godin-Wilhelmi Anm. 7, wobei jedoch Godin ZivA 147, 41 und Godin-Wilhelmi Anm. 18 die Genehmigung einseitiger Rechtsgeschäfte, wie z. B. einer Kündigung für zulässig halten), da § 41 selbst ein Handeln „ i m Namen" (und nicht für Rechnung, wie Gadow den Text einfach ändert) der Gesellschaft voraussetzt, dieses damit rechtlich als möglich und zulässig ansieht. Welche Bedeutung die Möglichkeit eines solchen Handelns im Namen der Gesellschaft während des Gründungsstadiums für den Streit um die Einheitstheorie hat, braucht auch in diesem Zusammenhang nicht erörtert zu werden (vgl. dazu Anm. 6). Es genügt einfach die Tatsache, daß § 41 ein solches Handeln als möglich ansieht. Demgegenüber ist der Versuch, ein solches Handeln aus begrifflichen Gründen als unmöglich zu erklären, von vornherein aussichtslos. Da des weiteren ein solches Handeln im Namen der A G — abgesehen von den unter Anm. 7 ff. erörterten, hier aber nicht in Betracht kommenden Rechtsgeschäften — aus aktienrechtlichen Gründen nicht die Wirkung hat, daß dadurch die vertretene A G unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, bevor sie nach ihrer Entstehung eine dahingehende freiwillige Entschließung trifft, liegt es nahe, in dieser Hinsicht die Vorschriften der §§ 177 ff. BGB in entsprechender Anwendung heranzuziehen. Eine nur entsprechende Anwendung ist deshalb geboten, weil insoweit die Anwendung der § 177 ff. BGB aus der Besonderheit der hier gegebenen Rechtslage gewissen Abweichungen unterliegen muß (vgl. dazu Anm. 18). Durch die Genehmigung tritt die A G unmittelbar in die in ihrem Namen begründeten Rechte ein; sie erwirbt dadurch gegenüber dem Dritten unmittelbar das Forderungsrecht. In der Mitteilung

299

§ 41 Anm. 18, 19

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

einer vereinbarten Schuldübernahme an den Gläubiger liegt zugleich auch eine solche Genehmigung, da davon ausgegangen werden muß, daß die A G mit der Übernahme der Verbindlichkeiten aus einem gegenseitigen Vertrag auch Träger der darin für sie begründeten Rechte werden will. Anm. 18 3. Die Genehmigung von i m Namen der A G abgeschlossenen Rechtsgeschäfte durch die A G Die Schuldübernahme nach Abs. 2 schließt nicht aus, daß die A G nach ihrer Entstehung ein in ihrem Namen abgeschlossenes Rechtsgeschäft in entsprechender Anwendung der §§ 177 ff. BGB genehmigt (Anm. 17). Gegen die Zulässigkeit einer solchen Genehmigung bestehen keine Bedenken. Im Unterschied zur Schuldübernahme führt sie nicht zu einer Freistellung des Handelnden von seiner persönlichen Haftung (Abs. 1 Satz 2). Sie hat besondere Bedeutung, wenn die 3-Monatsfrist für die Vereinbarung der Schuldübernahme und die Mitteilung an den Gläubiger verstrichen ist und der Gläubiger seine Zustimmung zu einer Schuldübernahme nach § 415 BGB nicht erteilt. Dann kann auf diesem Wege die A G unmittelbar in den in ihrem Namen abgeschlossenen Vertrag eintreten. Eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmungen ist nicht möglich, weil sich die Rechtslage hier in einer Reihe von Punkten von derjenigen unterscheidet, die in den §§ 177fr. BGB vorausgesetzt wird (grundsätzlich anders Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 115ff.)- So wird im Fall des § 41 der Handelnde selbst Schuldner des Geschäftsgegners; er haftet gemäß Abs. 1 Satz 2 auf Erfüllung und nicht nur auf Schadensersatz (Anm. 24). Auch tritt seine Haftung ohne Rücksicht darauf ein, ob der Geschäftsgegner wußte oder wissen mußte, daß die A G noch nicht zur Entstehung gelangt ist (herrsch. Ansicht; vgl. dazu Anm. 21). Schließlich hat der Geschäftsgegner nicht das Recht zum Widerruf gemäß § 178 BGB (Godin ZivA 147, 32; abw. z . T . Teichmann-Koehler §34 Anm. 5 b). Diese Abweichungen, die sich aus der Rechtslage im Fall des § 41 ergeben, rechtfertigen es aber nicht, eine Genehmigung des Vertrages unter entsprechender Anwendung der §§ 177 ff. BGB überhaupt auszuschließen. Denn in dem entscheidenden Punkt, der für eine Genehmigung des Vertrages durch den Vertretenen nach § 177 BGB maßgeblich ist, ist hier die Rechtslage gleich oder so rechtsähnlich, daß eine Heranziehung des § 177 BGB in entsprechender Anwendung geboten ist (Amn. 17). Des weiteren ist es auch möglich, daß die A G Verfügungen, die während des Gründungsstadiums in ihrem Namen, etwa über eingebrachte oder übernommene bewegliche Sachen, vom Vorstand vorgenommen worden sind und die, weil sie wirtschaftlich nicht unumgänglich notwendig waren (Anm. 1 1 f.), gegenüber der A G nicht ohne weiteres wirksam sind, in entsprechender Anwendung des § 185 BGB genehmigt (in diesem Punkt ebenso Godin-Wilhelmi Anm. 19). Die Genehmigungserklärung dem Dritten gegenüber wird im Namen der A G vom Vorstand abgegeben. Da sie aber die Übernahme eines mit Verpflichtungen behafteten Rechtsverhältnisses auf die A G bedeutet, wird man Abs. 2 anwenden und, wenn kein anderes Vorstandsmitglied vorhanden ist, das nicht zugleich Handelnder war, den Aufsichtsrat zwecks entsprechender Ubernahmevereinbarung mit dem Vorstand bemühen müssen (vgl. Anm. 155 a. M. GodinWilhelmi Anm. 19). Anm. 19 IV. Die Haftung des Handelnden (Abs. 1 Satz 2) 1. Allgemeines Die Vorschrift über die persönliche Haftung des Handelnden für Verbindlichkeiten, die er vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem Namen begründet hat, ist alt; sie befand sich schon im Art. 2 1 1 des alten HGB und wurde sodann auch in das Gesetz von 1884 (Art. 2 1 1 ) und in das HGB (§ 200) übernommen (vgl. auch die entsprechende Vorschrift in § 11 Abs. 2 GmbH und in § 54 Satz 2 BGB). Diese Vorschrift wurde zunächst als eine Strafvorschrift verstanden; sie sollte verhindern, daß vor der Erteilung der

300

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§41

Anm. 20

Rechtsfähigkeit im Namen der Gesellschaft gehandelt werde. Auch das R G hat die Vorschrift zunächst in diesem Sinn ausgelegt und angewendet ( R G 32, 99; 47, 1 ; J W 1901, 253). Im Laufe der Zeit wurde aber dieser Gesichtspunkt immer mehr in den Hintergrund gerückt. Man erblickte in dieser Vorschrift auch eine Vorschrift zum Schutz des anderen Teils ( R G 55, 303; 70, 298) und bestimmte sodann die Bedeutung und den Sinn dieser Vorschrift ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt ( R G 75, 205). Denn man erkannte, daß es entgegen der ursprünglichen Auffassung mitunter aus wirtschaftlichen Gründen geboten ist, daß schon während des Gründungsstadiums der Gesellschaft Rechtsgeschäfte in ihrem Namen abgeschlossen werden und daß daher die persönliche Haftung des Handelnden nicht die Bedeutung einer Bestrafung haben könne ( R G 159, 43). Auch die erleichterte Form einer Freistellung des Handelnden von seiner persönlichen Haftung durch Vereinbarung einer Schuldübernahme spr,icht gegen den Strafcharakter dieser Vorschrift (vgl. Ritter § 34 Anm. 4 c ; Schlegelberger-Quassowski § 34 Anm. 6; a. M . freilich Scholz J W 1938, 3 1 5 3 ; auch Brodmann (§ 200 Anm. 2 b) spricht noch von dem „rechtspolizeilichen" Charakter dieser Vorschrift und läßt mehrere Mitglieder des Vorstandes „als Mittäter" haften). Diese Beurteilung ist für die Auslegung des Abs. I Satz 2 von unmittelbarer Bedeutung. Die Haftung des persönlich Handelnden kann nicht weiter ausgedehnt werden, als dieses zum Schutz des anderen Teils erforderlich ist. Das wird praktisch wichtig für die Frage, wer als anderer Teil dieses Schutzes teilhaftig wird (Anm. 21), ob abweichende Vereinbarungen über die Haftung zwischen den Beteiligten zulässig sind (Anm. 23) und wann die Haftung des Handelnden wieder entfallt (Anm. 26).

Anm. 20 2. Voraussetzungen der Haftung Es muß vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem Namen gehandelt worden sein, auch soweit das Handeln unter §§ 26, 27 fallt (vgl. jedoch Anm. 21 und auch 26). Dabei ist es nicht erforderlich, daß ausdrücklich im Namen der künftigen A G gehandelt worden ist, auch ein Handeln im Namen der Gründergesellschaft genügt; denn im Rechtsverkehr werden in dieser Hinsicht keine Unterschiede gemacht (das ist für die Anhänger der Einheitstheorie selbstverständlich, aber auch die Gegner machen insoweit meist keinen Unterschied, vgl. etwa Gadow J h e r J 87, 250/51; a. M . Scholz J W 1938, 3 1 5 1 und Komm. GmbH § 1 1 Anm. 6 b und zuletzt GmbH Rdsch. 1956, 3). Schließt der Handelnde dagegen im Gründungsstadium ein Rechtsgeschäft im eigenen Namen (wenn auch für Rechnung der künftigen AG) ab, so tritt die persönliche Haftung des Abs. 1 Satz 2 nicht ein; der Handelnde ist vielmehr als unmittelbarer Vertragspartner nach allgemeinen Grundsätzen selbst berechtigt und verpflichtet. Im Zeitpunkt des Handelns muß die künftige A G schon „im K e i m " vorhanden sein ( R G 122, 172; 1 5 1 , 9 1 ; K G J W 1926, 2100; O L G Stuttgart DB 59, 936; B G H in L M Nr. 1 1 zu § 1 1 GmbHG). Es genügt daher ein gültiger, wenn auch vielleicht sachlich zu beanstandender Gründungsvertrag ( R G 70, 298), j a es ist nicht einmal der Abschluß eines formell gültigen Gesellschaftsvertrages erforderlich, wenn nur die Verhandlungen über die Errichtung der A G so weit gediehen sind, daß nach der allgemeinen Verkehrsanschauung kein Zweifel daran besteht, für wen der Handelnde auftreten will, wenn er im Namen der Gesellschaft handelt (Ritter §34 Abm. 4c; Schlegelberger-Quassowski § 3 4 Anm. 6; Godin-Wilhelmi Anm. 9; Baumbach-Hueck Anm. 8; Kuhn WM, Sonderbeilage 5/1956 S. 1 2 ; Reinecke AktG62,69; SudhofTGmbH Rdsch.65,107; dagegen ohne jede zeitliche Einschränkung 1. Aufl. Anm. 7; Gadow J h e r J 87, 259; Scholz J W 1938, 3 1 5 0 ; mit der Einschränkung, daß erst mit der Errichtung der Gesellschaft die persönliche Haftung eingreift; Düringer-Hachenburg §200 Anm. 27; unrichtig O L G Bremen W M 1956, 1532, das den Abschluß eines förmlichen Vorvertrages verlangt). — Die Haftung tritt nur bei rechtsgeschäftlichem Handeln ein; eine Haftung des Handelnden für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung scheidet daher aus (BGH Urt. v. 12. 7. 1952 — I I Z R 19/52; Kuhn a. a. O.).

301

§41 A n m . 21, 2 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 21 Aus der Schutzfunktion des Abs. i Satz 2 zugunsten Dritter folgt, d a ß die persönliche Haftung des Handelnden nicht gegenüber Gesellschaftern, sondern nur gegenüber Dritten eingreift (RG105,153; BGH 15,206; BGH in L M Nr. 1 zu § 11 G m b H G ; L M Nr. 2 zu § 34 AktG 37; allg. Ansicht im Schrifttum). Auch gilt die Haftung nicht für körperschaftsrechtliche Akte, die während des Gründungsstadiums vorgenommen werden; es haften daher die Aufsichtsratsmitglieder, die den ersten Vorstand bestellen, diesem nicht aus Abs. 1 Satz 2 (Düringer- Hachenburg § 200 Anm. 24; Ritter § 34 Anm. 4; a. M . wohl Godin-Wilhelmi Anm. 12). Gleichgültig ist dagegen für die Haftung, ob der Dritte im Augenblick des Handelns gewußt hat oder nicht gewußt hat, daß die AG noch nicht entstanden ist ( R G 47, 1; 55, 305; 70, 299; 72, 403; 122, 1 7 5 ; B G H in L M Nr. 10 zu § 11 G m b H G ; O L G Köln DB 66, 1349; herrsch. Ansicht; kritisch insoweit Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 1 1 6 ; Scholz GmbHRdsch. 1956, 4). Insoweit unterscheidet sich die Haftung des Handelnden grundlegend von der H a f t u n g des vollmachtlosen Vertreters (vgl. § 179 BGB). Auch ist es für die H a f t u n g des Handeiden ohne Bedeutung, wenn er zu Unrecht angenommen hat, d a ß die A G im Zeitpunkt seines Handelns schon durch Eintragung zur Entstehung gelangt sei. Die H a f t u n g tritt auch d a n n ein, wenn die Gesellschaft nicht eingetragen wird ( R G 70, 297; O L G H a m b u r g LZ 1927, 62). I n diesem Fall ist der Dritte des Schutzes besonders bedürftig. A n m . 22 Die persönliche H a f t u n g trifft nur den Handelnden. Insoweit kommen im wesentlichen nur die Gründer u n d hauptsächlich die Vorstandsmitglieder in Betracht. Bedient sich ein Vorstandsmitglied einer Hilfsperson, so ist nicht diese, sondern das Vorstandsmitglied Handelnder im Sinn des Abs. 1 Satz 2 (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 23). Es trifft also „ d e n eigentlichen Urheber des Handelns" die Haftung (SchlegelbergerQuassowski § 34 Anm. 6). Insofern kann — etwa bei mehreren Vorstandsmitgliedern — neben dem Handelnden auch derjenige zur Haftung herangezogen werden, der durch sein Verhalten (Zustimmung) den Anstoß zum Handeln gegeben hat. Die Rechtsprechung des R G ging in dieser Hinsicht weiter; sie sah schon jede vorhergehende Zustimmung zur Begründung der Haftung als ausreichend an, wobei nicht einmal die Zustimmung zu dem konkreten Geschäftsabschluß gefordert, sondern schon das allgemeine Einverständnis mit der Geschäftseröffnung als ausreichend angesehen wurde ( R G 55, 303; 7°, 301; BGH (4. ZivSen.) L M Nr. 6 zu § 11 G m b H G , BGH (7. ZivSen) W M 62, 3 9 1 ; BAG in N J W 63, 680; BSG in N J W 67, 2031; ebenso K G J W 1926, 2100; ähnlich Schlegelberger-Quassowski § 34 Anm. 6; Teichmann-Koehler § 34 Anm. 4 a ; Düringer-Hachenburg §200 Anm. 25; Heymann J h e r J 75, 4 i g f . ; Hachenburg-Schilling G m b H G § 1 1 Anm. n ; Schilling A n m . J Z 1955, 6 1 5 ; Riedel-Rabe N J W 66; 1006ff. u. N J W 68, 873ff.; Reinecke AktG 62, 6gf.; Ballerstedt Z H R 127, 103). Aber diese Ausweitung, die ihren Grund in der früheren A n n a h m e von dem Strafcharakter dieser Vorschrift haben dürfte, ist bei Beachtung der Schutzfunktion dieser Vorschrift schwerlich gerechtfertigt. Nachdem BGH in Nr. 10 zu § 11 G m b H G zwar kein unmittelbares Handeln in eigener Person verlangt, sondern noch denjenigen als Handelnden angesehen hat, der den Handelnden ermunterte u n d die Triebfeder seines Handelns war, hat der BGH (2. Ziv. Sen.) in BGH 47, 27fr., u n d zwar in Ubereinstimmung mit dem 4. Ziv. Sen., erklärt, Handelnder sei jedenfalls nicht der Gründer, der sich lediglich mit der Eröffnung des Geschäftsbetriebs einverstanden erklärt u n d sonst keinen Einfluß auf die Geschäftsführung genommen hat (ebenso Dregger G m b H R d s c h . 1952, 185; K u h n W M Sonderbeilage 5/1956 S. 10 und W M 57, 1176; noch weiter einschränkend, also auch jeden Auftraggeber von der Haftung freistellend Ritter § 34 Anm. 4 ; Scholz G m b H G Anm. 3 b u n d GmbHRdsch. 1956, 5; Schultze-v. Lassaulx J Z 1952, 392; ähnlich auch M D R 1955, 729; wohl auch Ganßmüller G m b H R d s c h . 1955, 228 u n d DB 55, 715 sowie Pleyer GmbHRdsch. 6 1 , 127). Auf keinen Fall trifft die persönliche H a f t u n g denjenigen, der nur nachträglich dem Handeln zugestimmt hat (so schon R G 70, 302; BGH in N J W 57, 462 mit zust. Anm. von Scholz; auch R A r b G J W 1930, 3790 u n d allgem. Ansicht im Schrifttum).

302

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 41 Anm. 23—25

A n m . 23 Abweichende Vereinbarungen über die persönliche Haftung des Handelnden sind zulässig. Die Haftung kann eingeschränkt oder ausgeschlossen werden ( R G 72, 4 0 1 ; 1 1 6 , 73; Recht 1933 Nr. 37a; B G H 15, 206; L M Nr. 2, 6 zu § 1 1 GmbHG). Sie ist ausgeschlossen, wenn ein Vertrag unter der Bedingung geschlossen wird, daß die künftige A G ihn genehmige ( R G 32, 97), x oder wenn aus der Natur des Rechtsgeschäfts hervorgeht, daß es erst unter dieser Bedingung wirksam werden soll ( O L G Dresden in Sächs. O L G E 38, m ) . In diesem Fall erlangt der geschlossene Vertrag überhaupt keine Wirksamkeit, wenn die vereinbarte Bedingung nicht eintritt. Über die Möglichkeit eines nachträglichen Verzichts auf die Haftung des Handelnden vgl. Anm. 26.

Anm. 24 3. Inhalt der Haftung Die persönliche Haftung des Handelnden richtet sich nach dem abgeschlossenen Vertrag. Der Haftende hat ihn so zu erfüllen, wie die Gesellschaft ihn zu erfüllen hätte, wenn er mit ihr nach der Eintragung abgeschlossen worden wäre ( R G 1 1 7 , 194; K G J W 1926, 2100; GmbHRdsch. 1928, 4 1 3 ; O L G Köln DB 66, 1349; Sudhoff GmbHRdsch. 65, 107). Er ist gegenüber dem Dritten so lange der Schuldner aus dem Vertrag, bis die A G durch Schuldübernahme an seine Stelle in den Vertrag eintritt. Er haftet also nicht wie der vollmachtlose Vertreter wahlweise auf Erfüllung oder Schadensersatz (a. M . Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 32). Der Dritte hat demgemäß einen Schadensersatzanspruch nur, wenn dem Handelnden gegenüber die Voraussetzungen der §§ 323 fr. BGB gegeben sind ( R G L Z 1927, 1473; Teichmann-Koehler § 34 Anm. 4b). Das gilt auch für den Fall, daß der Dritte nicht gewußt hat, daß die A G noch nicht entstanden war. Neben dem Rechtsbehelf aus Abs. 1 Satz 2 kann sich der Dritte nicht auch auf § 179 Abs. 1 BGB berufen (Anm. 18; a. M. insoweit Teichmann-Koehler § 34 Anm. 5 b ; Dregger a. a. O. S. 116). Die Haftung erstreckt sich nur auf die Erfüllung des abgeschlossenen Vertrages, nicht auf Geschäfte, die von der Gesellschaft nach ihrer Eintragung auf Grund des Vertrages vorgenommen werden ( R G 1 1 7 , 194). Sie erstreckt sich auch auf Ansprüche, die daraus entstehen, daß der Vertragsgegner nach der Eintragung zurücktritt ( R G Recht 1927 Nr. 1668). Enthält der namens der Gesellschaft abgeschlossene Vertrag eine Schiedsgerichtsabrede, so gilt diese auch für die Haftung des Handelnden ( K G J W 1929, 2163). Neben dem Handelnden kann auch die A G haften, nämlich dann, wenn sie die Schuld nicht befreiend (durch Schuldübernahme gemäß Abs. 2) übernimmt, sondern durch Genehmigung des Vertrages in diesen eintritt (Anm. 18). Dann sind beide Gesamtschuldner (§§ 421 ff. BGB). Die in § 425 Abs. 2 BGB genannten Umstände — Kündigung, Verzug, Fristsetzung nach § 326 BGB ( R G L Z 1924, 466), Verschulden, rechtskräftiges Urteil ( R G 72, 406) usw. — treffen nur den Gesamtschuldner, in dessen Person sie vorliegen. Die Verjährung richtet sich nach den Grundsätzen, die gelten würden, wenn der Vertrag mit der Gesellschaft abgeschlossen worden wäre ( R G 75, 206); sie läuft aber für jeden Gesamtschuldner besonders (§ 425 Abs. 2 BGB).

Anm. 25 Der Handelnde haftet nur, er kann seinerseits grundsätzlich nicht Erfüllung des Vertrages vom Dritten verlangen, auch nicht Leistung an die A G . Da er nicht im eigenen Namen gehandelt hat, ist er nicht Vertragspartei geworden. Abs. I Satz 2 statuiert nur seine Haftung, er wird also nur Schuldner und grundsätzlich nicht auch Gläubiger des Dritten (BayObLG J F G 2, 340; O L G Frankfurt M D R 1952, 363; Teichmann-Koehler § 3 4 Anm. 5 b ; Kuhn W M , Sonderbeilage 5/1956 S. 1 2 ; a. M . K G J W 1937, 46; Scholz, § 1 1 Anm. 5 ; GmbHRdsch. 1956, 4; Sudhoff a. a. O. S. 109). Dagegen wird man dem Handelnden, wenn er vor der endgültigen Entschließung der A G über die Vereinbarung einer Schuldübernahme oder über den Ausspruch einer Genehmigung in Anspruch genommen wird, gegenüber dem Dritten die Einrede des nicht erfüllten Ver-

303

§41

Anm. 26, 27

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

träges wegen der noch ausstehenden Gegenleistung zubilligen müssen (insoweit gilt also das gleiche wie für den vollmachtlosen Vertreter; vgl. dazu R G 120, 129; ebenso H e i m Z H R 108, 183; Godin-Wilhelmi A n m . 10). A u c h dürften keine Bedenken bestehen, dem Handelnden dann, wenn die A G nach ihrer Eintragung endgültig die Vereinbarung einer Schuldübernahme oder die Genehmigung des Vertrages abgelehnt hat, und wenn er darauf von dem Dritten in Anspruch genommen wird, den Anspruch zuzubilligen (Hachenburg-Schilling § 11 A n m . 13; Scholz G m b H - R d s c h . 1952, 109).

Anm. 26 4. Fortfall der Haftung Die persönliche Haftung des Handelnden soll dem Dritten das Risiko abnehmen, d a ß die A G überhaupt zur Entstehung gelangt, und das Risiko, d a ß der V e r t r a g gegen die entstandene A G Wirksamkeit erlangt. Aus dieser Schutzfunktion der Vorschrift zugunsten des Dritten folgt, d a ß die Haftung des Handelnden nicht schon von vornherein entfallt, wenn der geschlossene V e r t r a g seinem Inhalt nach mit der Eintragung ohne weiteres Wirksamkeit erlangen wird. In diesen Fällen besteht gleichwohl die persönliche H a f t u n g des Handelnden; sie entfällt jedoch, wenn die A G zur Entstehung gelangt und damit der V e r t r a g ohne weiteres für und gegen d i e A G wirksam wird (Ritter § 34 A n m . 4 b ; Schlegelberger-Quassowski §34 A n m . 8; B a u m b a c h - H u e c k A n m . 3 ; Scholz § 11 A n m . 1 1 ; a. M . K u h n W M Sonderbeilage 5/1956 S. 1 1 ; Hachenburg-Schilling § 11 A n m . 12; die von letzteren für ihre Auffassung in Anspruch genommene Entscheidung B G H N J W 1953) 219 = L M N r . 2 zu § 11 G m b H G besagt zu dieser Frage nichts). Anders ist es dagegen in den Fällen, in denen die A G erst auf Grund einer rechtsgeschäftlichen Erklärung als Schuldner in den V e r t r a g eintritt. Hier tritt eine Freistellung des Handelnden von seiner Haftung ohne Zustimmung des Dritten nach Abs. 2 nur ein, wenn innerhalb von drei Monaten zwischen der A G und dem Handelnden eine Schuldübernahme vereinbart und diese Vereinbarung innerhalb dieser Frist dem Dritten mitgeteilt ist, vgl. A n m . 1 4 — 1 6 . Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt — z. B. wenn die Frist verstrichen ist oder die A G den V e r t r a g nur genehmigt hat — , dann kann eine Freistellung des Handelnden nur eintreten, wenn der Dritte auf diese Haftung verzichtet ( R G 72, 406; 116, 72; B G H L M N r . 2, 6 zu § 11 G m b H G und die herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M . Scholz § 11 A n m . 11, und G m b H - R d s c h . 1956, 6, der einen Fortfall der H a f t u n g auch ohne Verzicht annimmt, eine Auffassung, die angesichts der Regelung i m A b s . 2 jedenfalls für das Aktienrecht nicht vertretbar erscheint). Die Freistellung von der Haftung kann auch stillschweigend erfolgen; besonders strenge Anforderungen wird man in dieser Hinsicht vor allem bei Dauerschuldverhältnissen nicht zu stellen haben ( R G 122, 74; 159, 43; vgl. auch B G H 20, 286; nicht unbedenklich in der Formulierung B G H L M Nr. 6 und Nr. 14 zu § 11 G m b H G ) . W i e Ballerstedt Z H R 127, 103 mit R e c h t betont, kann aus dem Wissen des Kontrahenten, die A G befinde sich noch in G r ü n d u n g , ein stillschweigender Haftungsausschluß noch nicht gefolgert werden.

Anm. 27 V. Verbotene Schuldübernahme (Abs. 3) 1. Bedeutung des Verbotes Die Bedeutung des Abs. 3 des § 34 A k t G 37, der schlechthin die Ü b e r n a h m e von Verpflichtungen aus Vereinbarungen über Sacheinlage und Sachübernahme verbot, w a r im alten Aktienrecht nicht recht verständlich und sehr umstritten (vgl. Fischer in V o r auflage A n m . 27 und 28 zu § 34). Die Neufassung des Abs. 3 im A k t G 65 soll klarstellen, d a ß er eine U m g e h u n g der Vorschriften über die Sach- und Nachgründung verhindern will. Deshalb verbietet er der Gesellschaft die Ü b e r n a h m e von Verbindlichkeiten aus in der Satzung nicht oder nicht ordnungsgemäß festgesetzten Sacheinlagen und Sachübernahmen und will damit eine U m g e h u n g des § 27 Abs. 3 verhindern. Gleichzeitig erstreckt die Neufassung das Ubernahmeverbot auch auf nicht in der Satzung festge-

304

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 41 A n m . 28

setzte Verträge über Sondervorteile und Gründungsaufwand. Jedoch folgt das, was das Gesetz in Abs. 3 sagt, im Grunde bereits aus den §§ 26 Abs. 3, 27 Abs. 2 und 52 (so Fischer Vorauflage § 34 Anm. 27; Baumbach-Hueck Rn. 11). Abs. 3 umfaßt Verpflichtungen aus Verträgen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen, die in der Satzung nicht festgesetzt sind. Sie sind gemäß §§ 26 Abs. 3, 27 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber rechtsunwirksam (§ 26 Anm. 15; § 27 Anm. 26ff.). Abs. 3 stellt ausdrücklich klar, daß die A G nach ihrer Entstehung derartige Verpflichtungen nicht übernehmen kann, um ihnen damit im Endergebnis doch Rechtswirksamkeit zu verleihen. Ein Handeln gegen diese Bestimmung macht die Ubernahmeerklärung nichtig und verpflichtet den Vorstand zum Schadensersatz gemäß § 93, ggf. auch den Aufsichtsrat gemäß § 116. Soweit überhaupt eine Heilung der nichtigen Vereinbarung über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Einlagen und Übernahme möglich ist, geht sie ausschließlich über die Nachgründung gemäß §52-

A n m . 28 2. Einschränkung des Verbots Godin (ZivA 147, 35 fr.) hat mit Recht daraufhingewiesen, daß die Vorschrift des Abs. 3 zu überaus unerwünschten Folgerungen fuhrt, wenn damit der entgeltliche Erwerb von Vermögensgegenständen vor der Eintragung der A G schlechthin ausgeschlossen ist, ein solcher Erwerb also in keinem Fall nach der Eintragung der Gesellschaft von dieser genehmigt werden kann. Es könnte bei einem eingebrachten Unternehmen dann zwar im Gründungsstadium etwa die Produktion verkauft, aber wirtschaftlich dringend erforderliche Ankäufe, etwa der Ankauf von Rohstoffen für die laufende Produktion, nicht vorgenommen werden. Das müßte zu Weiterungen führen, die mit dem Schutzgedanken der §§ 27, 52, 41 Abs. 3 überhaupt nicht mehr im Einklang stehen und erhebliche Schäden für das eingebrachte Unternehmen der künftigen A G zur Folge haben. Andererseits ist nicht zu verkennen, wie Godin ebenfalls zutreffend hervorhebt, daß jede Einschränkung des Verbots Bedenken erwecken muß, wenn nicht die Gewähr besteht, daß eine solche Einschränkung nicht zu einer gefahrvollen Durchbrechung der wichtigen Schutzvorschriften der §§ 27, 52, 41 Abs. 3 führt. Godin glaubt, die notwendige Ausnahme auf die Fälle beschränken zu können, in denen die Übernahme von Vermögensgegenständen (also niemals die Vereinbarung von Sacheinlagen) zwischen dem Veräußerer und dem Vorstand (also nicht den Gründern) während des Gründungsstadiums vereinbart wird. Dieser Auffassung wird man in ihrem Grundsatz zustimmen können. Aus § 52 Abs. g ergibt sich, daß das Gesetz aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen das Verbot von Sachübernahmen im Unterschied zu dem Verbot nicht festgesetzter Sacheinlagen oder eines nicht festgesetzten Gründungsaufwands nicht auf die Zeit nach der Entstehung der A G erstreckt, soweit der Erwerb von Vermögensgegenständen den Gegenstand des Unternehmens bildet. Diese Bestimmung muß nach ihrem Grundgedanken auch auf die Zeit des Gründungsstadiums angewendet werden, wenn ein Unternehmen während dieses Stadiums eingelegt oder übernommen ist und wenn aus wirtschaftlichen Gründen eine Führung dieses Unternehmens durch den Vorstand schon im Gründungsstadium erforderlich ist. Das Gesetz, das bei der Regelung der Gründungsvorschriften von der Bargründung als dem typischen Fall ausgeht (Anm. 11), hat an die notwendige Einschränkung der Vorschriften der §§ 27, 52, 41 Abs. 3 für den Fall der Sachgründung während des Gründungsstadiums nicht gedacht, und es erscheint bei dieser Sachlage daher gerechtfertigt, die gesetzliche Regelung des § 52 Abs. g in diesem Fall auch auf das Gründungsstadium anzuwenden. Dagegen besteht für eine Übernahme auch des § 52 Abs. 1 insoweit keine Notwendigkeit. Daß sich danach die Zulässigkeit von Sachübernahmeverträgen nur auf solche bezieht, die vom Vorstand und nicht auch von den Gründern namens der künftigen A G abgeschlossen worden sind, ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 52 Abs. 9 ohne weiteres. Gegenüber der Auffassung Godins bedeutet die hier vertretene Ansicht nur eine noch etwas weitergehende Einschränkung, nämlich insofern, als bei einer entsprechenden Anwendung von § 52 Abs. g der Erwerb von Vermögensgegenständen im Gründungsstadium nur dann zulässig ist, wenn er den Gegenstand des Unternehmens bildet. 20

Aktiengesetz I, 3. Aufl.

305

§41

Anm. 29, 30

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

In allen Fällen, in denen hiernach auch schon im Gründungsstadium vom Vorstand namens der A G Verträge über den Erwerb von Vermögensgegenständen gegen Geld abgeschlossen werden können, bestimmt sich die Wirksamkeit dieser Verträge gegenüber der A G nach den allgemeinen Grundsätzen.

Anm. 29 VI. Keine Übertragung von Anteilsrechten vor Eintragung der AG Jede Übertragung von Anteilsrechten vor der Eintragung der A G ist unwirksam, und zwar nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber. Die insoweit früher bestehende Streitfrage ist durch den jetzigen Gesetzeswortlaut unzweideutig klargestellt. Abgesehen von dem Fall, daß beim Tod eines Gründers dessen Erben an seine Stelle treten (§ 29 Anm. 13), kann während des Gründungsstadiums ein neuer Gründer nur durch Neuvornahme der Satzungsfeststellung und des Vertragsschlusses eintreten. Auch die Abtretung eines Anteilsrechts unter der Bedingung, daß die Gesellschaft eingetragen werde, ist unwirksam (Schlegelberger-Quassowski§34Anm. 10; Baumbach-Hueck Rn. 12; K u h n W M Sonderbeilage 5/1956, S. 7; Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten S. 56). Die Gründe der Gegenmeinung (Godin-Wilhelmi Anm. 23; Ritter § 34 Anm. 7 a) sind vom wirtschaftlichen Standpunkt aus an sich verständig, müssen jedoch an dem klaren Gesetzeswortlaut scheitern (angesichts einer fehlenden gesetzlichen Regelung bei der G m b H mögen sie dort durchgreifen; vgl. Hachenburg-Schilling § 15 A n m . 41). Demgemäß wird stets nur der Übernehmer oder Zeichner der Aktie, nicht der Abtretungsempfänger Aktionär, und es kann somit auch nur jener, nicht auch dieser von der A G die Herausgabe der Aktienurkunde verlangen ( R G J W 1928, 621). Immer bedarf es in diesen Fällen nach der Eintragung der A G einer neuen Abtretung. Für diese ist allerdings, solange dem Aktionär eine Aktienurkunde noch nicht erteilt ist, eine Form nicht notwendig (§ 10 Anm. 2). Die Unwirksamkeit der Übertragung bedeutet aber nicht, daß auch das schuldrechtliche Geschäft unwirksam sei, das die Übertragung zum Gegenstand hat ( R G 123, 404; 154, 71). Ein solches Geschäft wird regelmäßig dahin auszulegen sein, daß es für den Fall der Eintragung der Gesellschaft geschlossen werde (§ 308 BGB). Der Übergang durch Erbschaft oder andere Gesamtrechtsnachfolge ist keine „Übertragung". Die Unübertragbarkeit des Anteilsrechts vor der Eintragung schließt auch die Verpfändung aus, auch die des „künftigen" Anteilsrechts (§ 1274 Abs. 2 BGB), und ebenso die Pfändung (§ 857 Abs. 3 Z P O a. M . Wiedemann a. a. O . S. 57). Nach der Eintragung der Gesellschaft kann das Anteilsrecht mit dem Anspruch auf Erteilung einer Aktienurkunde nach § 857 Z P O gepfändet werden. Auch dieser Anspruch ist vor der Eintragung nicht pfandbar (a. M . anscheinend Schlegelberger-Quassowski § 34 Anm. 10), weil er in dem Anteilsrecht enthalten und von ihm nicht lösbar ist.

Anm. 30 VII. Keine Ausgabe von Aktienurkunden und Zwischenscheinen vor der Eintragung der AG Vor der Eintragung der A G können auch Aktienurkunden oder Zwischenscheine nicht ausgegeben werden. Die Folgen sind die gleichen wie bei der Ausgabe von Aktien über einen geringeren als den gesetzlich zulässigen Nennbetrag (§8 Abs. 3) und bei der Ausgabe von Zwischenscheinen auf den Inhaber (§10 Abs. 4). Die verbotswidrig ausgegebenen Aktienurkunden und Zwischenscheine sind nichtig, die Ausgeber haften als Gesamtschuldner den Besitzern für den Schaden und machen sich nach § 405 Nr. 2 einer Ordnungswidrigkeit schuldig. Es kann hierzu auf § 8 Anm. 5 bis 11 verwiesen werden. Mit der Eintragung der A G wird die Nichtigkeit der vorzeitig angegebenen Urkunden nicht, wie in R G 10, 72 angenommen worden ist, ohne weiteres geheilt. Statt der Einziehung und Neuausgabe genügt aber eine Erklärung der A G , daß die Urkunden als nach der Eintragung ausgegebene gelten sollen. Die Erklärung braucht nicht einmal ausdrücklich zu sein, namentlich genügt die Eintragung ins Aktienbuch ( R G i n J W 1896, 189 ; 1933, 1012 ; vgl. Schlegelberger-Quassowski § 34 A n m . 11).

306

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 4:2

§ 42

Anm. 1

Errichtung einer Zweigniederlassung

(1) Die Errichtung einer Zweigniederlassung hat der Vorstand beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung anzumelden; der Anmeldung ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Satzung beizufügen. Das Gericht des Sitzes hat die Anmeldung unverzüglich mit einer beglaubigten Abschrift seiner Eintragungen, soweit sie nicht ausschließlich die Verhältnisse anderer Zweigniederlassungen betreffen, an das Gericht der Zweigniederlassung weiterzugeben. (2) Die Vorstandsmitglieder sowie die Prokuristen, deren Prokura nicht ausschließlich auf den Betrieb einer anderen Niederlassung beschränkt ist, haben ihre Namensunterschrift, die Prokuristen auch die Firma, zur Aufbewahrung beim Gericht der Zweigniederlassung zu zeichnen. (3) Das Gericht der Zweigniederlassung hat zu prüfen, ob die Zweigniederlassung errichtet und § 30 des Handelsgesetzbuchs beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Zweigniederlassung einzutragen und dabei die ihm mitgeteilten Tatsachen nicht zu prüfen, soweit sie im Handelsregister des Sitzes eingetragen sind. Die Eintragung hat die Angaben nach § 39 und den Ort der Zweigniederlassung zu enthalten; ist der Firma für die Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser einzutragen. (4) In die Bekanntmachung der Eintragung sind außer deren Inhalt die in § 23 Abs. 3 und 4, §§ 24, 25 Satz 2 vorgesehenen Bestimmungen sowie Bestimmungen der Satzung über die Zusammensetzung des Vorstands aufzunehmen. Wird die Errichtung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren eingetragen, nachdem die Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes eingetragen worden ist, so sind in der Bekanntmachung der Eintragung alle Angaben nach § 40 zu veröffentlichen; in diesem Fall hat das Gericht des Sitzes bei der Weitergabe der Anmeldung ein Stück der für den Sitz der Gesellschaft ergangenen gerichtlichen Bekanntmachung beizufügen. (5) Die Eintragung der Zweigniederlassung ist von Amts wegen dem Gericht des Sitzes mitzuteilen und in dessen Register zu vermerken; ist der Firma für die Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser zu vermerken. Der Vermerk wird nicht veröffentlicht. (6) Die vorstehenden Vorschriften gelten sinngemäß für die Aufhebung einer Zweigniederlassung. Ü b ersieht: Einleitung 1. Die Hauptniederlassung 2. Die Zweigniederlassung a) Der Begriff der Zweigniederlassung b) Die Rechtsnatur der Zweigniederlassung c) Die Vertretung der Zweigniederlassung d) Die Firma der Zweigniederlassung e) Die Errichtung der Zweigniederlassung

Anm.

Anm.

i 2

3. Die Anmeldung der Zweigniederlassung 9—11 4. Die Zeichnung der Unterschrift durch den Vorstand 12 5. Die Prüfung und Eintragung durch das Gericht der Zweigniederlassung 13, 14 6. Die Bekanntmachung der Eintragung 15 7. Die Mitteilung der Eintragung an das Gericht der Hauptniederlassung 16 8. Die Aufhebung der Zweigniederlassung 17

3 4 5 6 7, 8

Anm. 1 Einleitung Die Anforderungen, welche die Errichtung, das Bestehen und die Aufhebung von Zweigniederlassungen an die A G stellt, sind vom AktG 37 gegenüber § 201 H G B in den 20»

307

§ 42 Anm. 2, 3

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

§§ 35 und 36 erheblich vereinfacht worden. Sie sind in die §§ 42, 43 AktG 65 sachlich unverändert mit sprachlichen Verbesserungen in Abs. 2 und 5 übergegangen. Durch Artikel 2 Ziffer 5 des Gesetzes zur Durchführung der ersten EWG-Richtlinie zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 5. 8. 1969 ist Abs. 4 Satz 1 an die Neufassung des § 23 Abs. 3 und 4 dahingehend angepaßt worden, daß die in der Satzung enthaltenen Bestimmungen über die Zusammensetzung des Vorstandes künftig auch von der Zweigniederlassung bekanntzumachen sind. Nach der derzeitigen Regelung hat es der Vorstand unmittelbar nur noch mit dem Gericht der Hauptniederlassung zu tun; dieses leitet die Anmeldung, soweit erforderlich, an die für die einzelnen Zweigniederlassungen zuständigen Gerichte weiter, es führt somit eine Art von Zentralhandelsregister. Die Zahl der Veröffentlichungen ist zudem in § 42 wesentlich herabgesetzt worden. Nach dem Vorbild dieser Neuregelung hatte das Gesetz vom 10. 8. 37 (RGBl. I 897) auch den § 13 HGB umgestaltet und damit den Fortschritt verallgemeinert. Die §§ 42, 43 betreffen, wie der Zusammenhang ergibt, nicht ausländische Zweigniederlassungen, für die kein deutsches Register besteht (a. M. Danielcik § 37 Anm. 7). Anm. 2 1. Die Hauptniederlassung Wo die A G ihren Sitz hat (§ 5), hat sie auch ihre Hauptniederlassung (§ 5 Anm. 5), das Gesetz nennt die Hauptniederlassung „die Niederlassung am Sitz der Gesellschaft". Mehrere Hauptniederlassungen kann die A G nicht haben, so wie sie auch nicht einen mehrfachen Sitz haben kann. Das war bis zum Zusammenbruch für die A G wohl unbestritten, im Unterschied zum bürgerlichen Vereinsrecht, wo schon immer von einem Teil des Schrifttums die Möglichkeit eines mehrfachen Sitzes für eine juristische Person bejaht worden ist (vgl. etwa Staudinger-Coing § 24 Anm. 5; Enneccerus-Nipperdey § 108 Anm. 15 S. 427). Nach dem Zusammenbruch ist aber auch vielfach die Möglichkeit eines mehrfachen Sitzes der A G angenommen und vom Gesetzgeber hingenommen worden näheres § 5 Anm. 5 a und BayObLG in BB 62, 497; O L G Celle Rpfl. 63, 354f.; O L G Hamm Rpfl. 65, 120; vgl. auch K G in DNotZ 57, 330; Eppig DNotZ 47, 385. Jede andere Niederlassung, die die A G räumlich getrennt von ihrer Hauptniederlassung, namentlich an einem anderen Ort hat, ist eine Zweigniederlassung (BayObLG LZ 1915, 147; O L G Nürnberg JW 1927, 1708). In der Wahl ihres Sitzes und damit ihrer Hauptniederlassung ist die A G nicht mehr so frei wie früher (§ 5 Anm. 1,2). Anm. 3 2. Die Zweigniederlassung a) Der Begriff der Zweigniederlassung Wesentlich für eine Zweigniederlassung ist eine gewisse Selbständigkeit, die sich in einer räumlichen Trennung von der Hauptniederlassung und einer eigenen Organisation mit der Befugnis zu selbständigen Geschäftsabschlüssen zeigt, wobei sie auch mit einem besonderen Geschäftsvermögen ausgestattet ist und eine eigene Buchführung aufweist (vgl. dazu K G O L G E 14, 332; 45, 97). Bei der räumlichen Trennung ist es nicht erforderlich, wie früher angenommen wurde, daß sich die Zweigniederlassung an einem anderen Ort wie die Hauptniederlassung befinden muß (KG JW 1929, 671). Bei der Befugnis zu selbständigen Geschäftsabschlüssen darf es sich nicht um die Befugnis zur Vornahme von bloßen Hilfsgeschäften für die Geschäfte der Hauptniederlassung handeln, also z. B. nicht nur zur Vornahme von Vorbereitungs-, Vermittlungs- und Ausführungsgeschäften. In einem solchen Fall würde es sich nicht um eine Zweigniederlassing, sondern etwa um Fabrikations-, Auslieferungs- oder Versandstellen handeln. Die eigene Organisation der Zweigniederlassung muß derart sein, daß sie eine äußerlich selbständige Leitung besitzt und daß sie nach Art ihres Geschäftsbetriebes beim Fortfall der Hauptniederlassung als selbständige Handelsniederlassung fortbestehen könnte. Ob sie stets auch mit einem eigenen Geschäftsvermögen ausgestattet sein und eine eigene Buch-

308

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 42

Anm. 4

führung aufweisen muß, ist umstritten; in der Regel werden aber auch diese beiden Voraussetzungen vorliegen (vgl. Würdinger in Großkom. H G B § 13 Anm. 8). Da jede Zweigniederlassung ihren eigenen Geschäftsbereich hat, ist es auch nicht möglich, daß die eine ohne weiteres in den Geschäftsbereich der anderen eingreifen kann ( R G 108, 2 1 1 ) . Andererseits ist zu beachten, daß die Selbständigkeit der Zweigniederlassung gegenüber der Hauptniederlassung nicht eine vollständige sein darf. Das gilt zunächst in rechtlicher Hinsicht. Rechtlich verselbständigte Unternehmen sind niemals Zweigniederlassungen; die sog. Tochtergesellschaften einer A G mögen zwar wirtschaftlich einer Zweigniederlassung gleichstehen, rechtlich sind sie aber selbständige Rechtspersonen. Aber auch im übrigen darf die Selbständigkeit der Zweigniederlassung nicht eine unbeschränkte sein. Die „gewisse" Selbständigkeit der Zweigniederlassung umfaßt zugleich auch eine gewisse Abhängigkeit der Zweigniederlassung von der Hauptniederlassung ( R G D R 1941, 1549). Diese zeigt sich in einer Weisungsbefugnis der Hauptniederlassung, wobei die Ausgestaltung im einzelnen meist Gegenstand besonderer organisatorischer Anordnungen sein wird. Aber auch beim Fehlen solcher Anordnungen kann nicht angenommen werden, daß die Leitung der Zweigniederlassung eine völlig freie und unabhängige Stellung hat.

Anm. 4 b) Die Rechtsnatur der Zweigniederlassung Die Zweigniederlassung ist niemals ein eigenes Rechtssubjekt ( R G J W 1924, 97; K G J W 1924, 7 1 4 ; O G H 2, 146; BGH 4, 65), sie unterscheidet sich insoweit von den sog. Tochtergesellschaften. Sie ist stets nur ein Bestandteil des Unternehmens der A G . So wie die A G Träger der Hauptniederlassung ist, ist sie es in gleicher Weise bei der Zweigniederlassung. Die Zweigniederlassung ist deshalb auch nicht selbständiger Träger des Geschäftsvermögens, mit dem sie ausgestattet ist ( R G 107, 46); vielmehr ist dieses Vermögen nur ein Bestandteil des der A G gehörenden Vermögens. Rechte, die die Zweigniederlassung erwirbt, sind Rechte der A G ( R G J W 1904, 297); die von einer Zweigniederlassung begründeten Verbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten der A G . Demgemäß sind Rechtsgeschäfte zwischen der Zweigniederlassung und der Hauptniederlassung oder zwischen mehreren Zweigniederlassungen nicht denkbar; es kann sich insoweit nur um einen Rechtsverkehr nicht rechtsgeschäftlicher Art handeln, dem lediglich eine interne betriebswirtschaftliche Bedeutung für das Unternehmen zukommt. Die Zuweisung von Vermögensgegenständen aus dem Geschäftsvermögen der Hauptniederlassung in das Geschäftsvermögen einer Zweigniederlassung oder umgekehrt ist ein rein tatsächlicher Vorgang ohne jeden rechtsgeschäftlichen Gehalt. Ferner ist eine Klage zwischen mehreren Niederlassungen einer A G nicht denkbar; Streitigkeiten zwischen Niederlassungen entscheiden die satzungsmäßigen Organe der A G , auch insoweit handelt es sich um einen innerbetrieblichen Vorgang. Diese Beurteilung erfahrt keine Einschränkung dadurch, daß die Zweigniederlassung im Rechtsverkehr unter einer eigenen Firma auftreten kann (Anm. 6). Auch die Möglichkeit, daß die Zweigniederlassung einer A G — und zwar im Unterschied zu der Zweigniederlassung eines Einzelkaufmanns — im Grundbuch unter ihrer Firma als Berechtigte eingetragen werden kann ( R G 62, 8; K G J W 1937, 1743; a. M . Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 63, 420), ändert nichts daran, daß immer nur die A G selbst Träger des eingetragenen Rechts ist. Die Umschreibung eines unter der Firma der Hauptniederlassung eingetragenen Rechts auf die Firma der Zweigniederlassung ist lediglich eine Berichtigung des Grundbuchs im Sinn des § 22 GBO ( K G J W 1937, 1743). Die Zweigniederlassung kann unter ihrer eigenen Firma klagen und verklagt werden (BGH 4, 65); aber auch in diesem Fall ist immer nur die A G selbst die Partei des Rechtsstreits, nicht etwa die Zweigniederlassung. Parteivertreter sind demgemäß hier stets die Vorstandsmitglieder der A G , der Filialleiter kommt nur als Prozeßvertreter in Betracht (Anm. 5). Ist eine A G unter der Firma ihrer Zweigniederlassung verurteilt, so bedarf es zur Vollstreckung in das Vermögen der Hauptniederlassung nicht einer Umschreibung des Titels, Bei einer Klage gegen die A G begründet eine Zweigniederlassung einen besonderen Gerichtsstand (§21 ZPO). Voraussetzung ist insoweit, daß der geltend gemachte Anspruch auf den Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung Bezug hat; dazu bedarf es eines unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhangs ( R G L Z 1917, 926).

309

§42

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 5—7

Anm. 5 c) Die Vertretung der Zweigniederlassung Die Zweigniederlassung kann keinen besonderen Vorstand haben. Der Vorstand der A G ist für alle ihre Niederlassungen derselbe (RGSt. 47, 4 1 ; K G J 53 A 97). Eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes in der Weise, daß er für den Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung nicht handeln kann, ist nicht möglich. Daneben kommen besondere Vertreter für den Bereich der Zweigniederlassung in Betracht, und zwar Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte. Die Prokura kann auf den Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung beschränkt werden, wenn die Zweigniederlassung unter einer besonderen Firma betrieben wird (§ 50 Abs. 3 HGB), wobei aber schon die Beifügung eines Filialzusatzes genügt. Ist dem sog. „Direktor einer Zweigniederlassung" nicht Prokura erteilt, so ist er als Handlungsbevollmächtigter anzusehen; er kann als solcher nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Für den Umfang einer solchen Handlungsvollmacht gilt zunächst § 54 Abs. 1 H G B . Bei den „Filialdirektoren" wird aber häufig eine Erweiterung der Handlungsvollmacht nach § 54 Abs. 2 H G B in Betracht kommen; hierzu bedarf es keiner ausdrücklichen Ermächtigung, auch eine solche durch schlüssiges Verhalten ist ausreichend (Würdinger in Großkom. H G B § 54 Anm. 6 m. w. N.). Wenn nämlich, was meist der Fall sein wird, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Begründung von Darlehn und namentlich die Prozeßführung zum Betrieb der Zweigniederlassung erforderlich ist, dann umfaßt bei den Filialdirektoren ihre Handlungsvollmacht auch die Vornahme dieser Rechtshandlungen. Ist in der Satzung die Errichtung von Zweigniederlassungen vorgesehen, so ist der Leiter der Zweigniederlassung besonderer Vertreter im Sinn des § 30 BGB. Die A G haftet daher für ihn nach § 31 BGB und nicht nur nach § 831 BGB ( R G 91, 1; 117, 64; J W 1930, 2927; H R R 1936 Nr. 864).

Anm. 6 d) Die Firma der Zweigniederlassung Für die Firma der Zweigniederlassung gilt zunächst die Vorschrift des § 30 HGB. Die Firma der Zweigniederlassung muß sich von allem am selben Ort oder in derselben Gemeinde bestehenden und im Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Notfalls ist das durch einen Zusatz zur Firma der Zweigniederlassung zu erreichen (§ 30 Abs. 3 HGB). Darüber hinaus muß die Firma der Zweigniederlassung erkennen lassen, daß es sich bei dem Geschäftsbetrieb um eine Filiale der A G handelt. Im übrigen ist es jedoch nicht erforderlich, daß die Firma der Zweigniederlassung mit der Firma der Hauptniederlassung identisch ist oder daß sie jedenfalls als Kern die Firma der Hauptniederlassung enthält. Die früher gegenteilige Auffassung in der Rechtsprechung ( R G 113, 215 m. w. N.) kann jetzt als überholt angesehen werden ( K G J F G 8, 146; O L G München H R R 1937 Nr. 460; vgl. auch § 4 Anm. 4; a. M . jetzt noch Teichmann-Koehler § 35 Anm. 1).

Anm. 7 e) Die Errichtung der Zweigniederlassung Hierbei handelt es sich um einen rein tatsächlichen Vorgang. Er gehört zur Verwaltungstätigkeit des Vorstands und erfordert keine Satzungsänderung (Baumbach-Hueck R n . 3 ; Schlegelberger-Quassowski§35Anm. 7; a . M . Düringer-Hachenburg § 201 Anm. 11). Das gleiche gilt hinsichtlich der Firmengebung und Firmenänderung für die Zweigniederlassung (Dresden O L G E 2, 516), und zwar — entgegen der Voraufl. § 35 Anm. 7 — auch dann, wenn die Firma der Zweigniederlassung im Kern anders ist wie die Firma der A G . Eine Satzungsbestimmung, die die Errichtung von Zweigniederlassungen zuläßt, ist zwar für die Errichtung einer Zweigniederlassung ohne Bedeutung — der Vorstand kann eine solche Niederlassung auch ohne eine derartige Bestimmung wirksam errichten — , sie ist aber gleichwohl rechtlich nicht ohne Belang. Denn nur, wenn die Errichtung in der Satzung vorgesehen ist, ist ihre Leitung Vertreter im Sinn des § 30 BGB (Anm. 6).

310

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 42

Amn. 8—11

Anm. 8 f) Die Prüfung und Eintragung durch das Gericht der Zweigniederlassung Die Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister ist ohne Bedeutung für den rechtlichen Bestand sowohl der A G als der Zweigniederlassung ( R G L Z 1917, 926"). Die A G entsteht mit ihrer Eintragung im Register ihres Sitzes (§ 41), die Zweigniederlassung entsteht mit dem Beginn ihres Geschäftsbetriebs. Ihre Eintragung entspricht einer Ordnungsvorschrift und ist im Geschäftsverkehr mit der Zweigniederlassung für die Anwendung des § 15 Abs. 3 H G B von Bedeutung, kann aber durch Ordnungsstrafen erzwungen werden (§ 14 HGB), auch wenn die Zweigniederlassung im selben Gerichtsbezirk errichtet wird, wo sich der Sitz der A G befindet (vgl. B a y O b L G L Z 1919, 273). Die Eintragung ist erst zulässig, nachdem die A G selbst eingetragen ist.

Anm. 9 3. Die Anmeldung der Zweigniederlassung (Abs. 1) Der Vorstand hat die Errichtung einer Zweigniederlassung beim Gericht des Sitzes der A G anzumelden. Die Anmeldung kann nach § 14 H G B erzwungen werden; zuständig dafür ist das Gericht des Sitzes (§43 Anm. 8). Die Anmeldung ist also nicht mehr, wie unter der Geltung des § 201 H G B (Anm. 1), an das Gericht zu richten, in dessen Bezirk die Zweigniederlassung betrieben wird. Es ist auch nicht mehr erforderlich, daß sämtliche Vorstandsmitglieder die Anmeldung unterzeichnen; es genügt die Anmeldung durch die Vertretungsberechtigten (§ 78). Nur die zur Aufbewahrung bestimmten Unterschriften müssen von allen geleistet werden (Abs. 2; unten Anm. 12). Obwohl das Gesetz Anmeldung durch den „Vorstand" anordnet, sind Prokuristen bei unechter Gesamtvertretung (§ 78 Abs. 3) nicht ausgeschlossen ( K G BankA 36, 232; vgl. R G 134, 307; a. M . Groschuff J W 1937, 890); dagegen sind Prokuristen allein nicht zur Anmeldung befugt (herrsch. Ansicht; die Gegenansicht von Ritter § 35 Anm. 4 b läßt sich angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht begründen). Die Form der Anmeldung richtet sich nach § 12 H G B . Beizufügen ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Satzung in ihrer zur Zeit der Anmeldung gültigen Fassung ( K G J 26, 225).

Anm. 10 Ist die Zweigniederlassung im selben Gerichtsbezirk errichtet, wo sich der Sitz der A G befindet, so hat das Gericht die Errichtuung in seinem Register, jedoch auf besonderem Registerblatt und unter Anlegung besonderer Registerakten, einzutragen; das Gericht des Sitzes ist in diesem Fall zugleich Gericht der Zweigniederlassung (Abs. 1 Satz 1). Eine Pflicht zur Ubersendung (Abs. 1 Satz 2) kommt nicht in Frage, wohl aber besteht die Pflicht der Bekanntmachung nach Abs. 4, unabhängig von der Bekanntmachung nach § 40. Auch im übrigen gelten die Vorschriften des § 42 entsprechend (Anm. 11 ff.).

Anm. 11 Ist die Zweigniederlassung im Bezirk eines andern Gerichts errichtet, so prüft das Gericht des Sitzes die Anmeldung auf formelle Mängel, veranlaßt gegebenenfalls deren Behebung und übersendet die Anmeldung unverzüglich dem Gericht der Zweigniederlassung. Beizufügen ist die mit der Anmeldung eingereichte beglaubigte Abschrift der Satzung sowie eine beglaubigte Abschrift der Eintragungen im Hauptregister. Wegzulassen sind nur diejenigen Eintragungen, die ausschließlich die Verhältnisse anderer Zweigniederlassungen betreffen. Auch die Errichtung anderer Zweigniederlassungen wird unter den „Verhältnissen" zu verstehen sein, denn es ist für das Gericht der Zweigniederlassung bedeutungslos, welche andern Zweigniederlassungen noch bestehen; ferner Änderung der Firma einer andern Zweigniederlassung, die auf eine andere Zweigniederlassung beschränkte Prokura (§ 50 Abs. 3 HGB) u. dgl. Sinngemäß sind ferner diejenigen Eintragungen wegzulassen, die nur für die Hauptniederlassung von Bedeutung und für die Zweigniederlassung bedeutungslos sind, also eine auf die Hauptniederlassung beschränkte Prokura. Besteht die Möglichkeit, daß die Zweigniederlassung noch innerhalb der in

311

§ 42

Anm. 12—14

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Abs. 4 genannten zweijährigen Frist eingetragen wird, so ist bei der Weitersendung der Anmeldung auch ein Stück der nach § 40 ergangenen Bekanntmachung beizufügen {Abs. 4 a. E.).

Anm. 12 4. Die Zeichnung der Unterschrift durch den Vorstand (Abs. 2) Durch die in ihrer Zweckbestimmung kaum mehr verständliche Vorschrift wird verlangt, daß die Vorstandsmitglieder, und zwar sämtliche, auch die stellvertretenden, ihre Unterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht der Zweigniederlassung zu zeichnen haben (vgl- § 37 A n m . 7). Das gleiche gilt für Prokuristen, soweit sie nicht ausschließlich für den Betrieb einer andern Zweigniederlassung — oder der Hauptniederlassung (vgl. Anm. 11) — bestellt sind. Prokuristen, die für alle Niederlassungen oder doch für die angemeldete Zweigniederlassung bestellt sind, haben also zu zeichnen. Bei welchem Gericht die Zeichnungen einzureichen sind, ob bei dem des Sitzes oder der Zweigniederlassung, sagt Abs. a nicht. Der Gesamtregelung der Zweigniederlassung — vgl. namentlich § 43 Abs. 5 — entspricht es aber, daß es beim Gericht des Sitzes geschieht und daß dieses die Unterschriften mit der Anmeldung und deren Anlagen (Anm. 11) dem Gericht der Zweigniederlassung übersendet, gegebenenfalls nachsendet. Das Gericht des Sitzes muß alle Unterschriften haben, die zu zeichnen sind, die der Vorstandsmitglieder nach § 37 Abs. 3, § 81 Abs. 3, die der Prokuristen, auch derjenigen, die nur für den Betrieb einer Zweigniederlassung bestellt sind (§ 50 Abs. 3 HGB), nach § 53 Abs. a H G B . Die Unterschriften sind also, wenn Zweigniederlassungen bestehen, mehrmals zu zeichnen. Nach § 53 Abs. a H G B hat der Prokurist auch die Firma zu zeichnen; es ist anzunehmen, daß das auch nach § 4a Abs. a gelten soll (Groschuff J W 1937, 363a; so jetzt auch Godin-Wilhelmi Anm. 6).

Anm. 13 5. Die Prüfung und Eintragung durch das Gericht der Zweigniederlassung (Abs. 3) Uber die Frage, was das Gericht der Zweigniederlassung zu prüfen hat, bestand früher Zweifel. Das Kammergericht hat geschwankt. Zunächst hatte es angenommen, es sei nur das zu prüfen, was die Zweigniederlassung angehe ( O L G E 14, 33a; K G J 31 A 175), später ( O L G E 43, 29a) legte es dem Gericht der Zweigniederlassung auch die Prüfungspflicht, mindestens das Prüfungsrecht für die Eintragung der Gesellschaft bei. Der Zweifel ist nunmehr durch eine ausdrückliche Vorschrift behoben. Das Gericht der Zweigniederlassung hat nur zweierlei zu prüfen: erstens, ob die Zweigniederlassung errichtet, und zweitens, ob bei der ihr erteilten Firma § 30 H G B beachtet worden ist. Diese beiden Fragen hat nur das Gericht der Zweigniederlassung, nicht das Gericht des Sitzes zu prüfen. Andererseits hat das Gericht der Zweigniederlassung nicht die ihm vom Gericht des Sitzes mitgeteilten Eintragungen, also namentlich nicht die Entstehung der A G , zu prüfen (dazu Anm. 6). Das schließt aber nicht aus, daß jedes Gericht das andere auf Bedenken hinweist, die in die Prüfungspflicht des anderen fallen; nur hat jedes die Entscheidung lediglich innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenkreises.

Anm. 14 Findet das Gericht der Zweigniederlassung bei der ihm obliegenden Prüfung (Anm. 13) nichts zu beanstanden, so hat es die Zweigniederlassung einzutragen. Der Inhalt der Eintragung hat ebenso zu lauten wie der, mit dem die A G im Hauptregister eingetragen steht (§ 39), unter Berücksichtigung der seit ihrer Entstehung eingetretenen, vom Gericht des Sitzes mitgeteilten Änderungen. Hinzuzufügen ist der Ort der Zweigniederlassung. Als Firma wird nicht die der A G eingetragen, sondern nur die der Zweigniederlassung in der für diese bestimmten Form (Schlegelberger-Quassowski § 35 A n m . 11). Jede Zweigniederlassung erhält ein eigenes Registerblatt.

312

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 42 Anm. 15—17

Anm. 15 6. Die Bekanntmachung der Eintragung (Abs. 4) Die Bekanntmachung (§§ io, n HGB, vgl. §40 Anm. 1) der Eintragung im Register des Gerichts der Zweigniederlassung ist im wesentlichen wie nach § 201 Abs. 4 HGB vereinfacht, wenn die Zweigniederlassung erst nach Ablauf von zwei Jahren eingetragen wird, nachdem die AG in das Register ihres Sitzes eingetragen worden war. In diesem Fall sind in die Bekanntmachung außer dem Inhalt der Eintragung selbst (Anm. 14) nur die sonstigen in den § 23 Abs. 3 und 4, §§ 24, 25 S. 2 vorgesehenen Festsetzungen aufzunehmen, also nicht die Festsetzungen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen, Sachübernahmen (§§26 ff.) und nicht die in § 40 sonst noch genannten Angaben; aufzunehmen sind weiterhin die Satzungsbestimmungen über die Zusammensetzung des Vorstands. Wird die Zweigniederlassung aber in den ersten zwei Jahren eingetragen, nachdem die AG in das Register ihres Sitzes eingetragen worden ist, so gilt die Beschränkung nicht. Denn bei einem jungen Unternehmen ist das Bedürfnis nach Offenlegung größer. In diesem Fall ist alles zu veröffentlichen, was § 40 vorschreibt, auch der Hinweis nach § 40 Abs. 2, der aber so zu fassen ist, daß sich erkennen läßt, die Schriftstücke könnten beim Gericht des Sitzes — nicht bei dem der Zweigniederlassung, das sie nicht erhält — eingesehen werden. Das Gericht des Sitzes hat in diesem Fall der Anmeldung ein Stück seiner eigenen Bekanntmachung beizufügen (Anm. 11), woraus das Gericht der Zweigniederlassung das Erforderliche entnehmen kann. Anm. 16 7. Die Mitteilung der Eintragung an das Gericht der Hauptniederlassung (Abs. 5) § 131 FGG bestimmte bereits, daß die Eintragung und Aufhebung einer Zweigniederlassung von Amts wegen dem Registergericht der Hauptniederlassung mitzuteilen und in dessen Register zu vermerken sei. Das AktG 37 hatte das schon übernommen und hinzugefügt, daß ein der Zweigfirma beigefugter Zusatz — d. h. überhaupt jede Abweichung der Zweigfirma von der Hauptfirma — ebenfalls zu vermerken ist und daß der (ganze) Vermerk nicht veröffentlicht wird. Der Vermerk dient dem Gericht des Sitzes als Unterlage für die nach § 43 zu treffenden Maßnahmen, hat aber sonst keine rechtliche Bedeutung. Nachdem das in Anm. 1 genannte Gesetz vom 10. 8. 37 die gleiche Vorschrift in § 13 (Abs. 4, 5) HGB eingefügt hat, ist § 131 FGG durch § 38 der 1. DVO zum AktG vom 29. 9. 37 (RGBl. I 1026) aufgehoben worden. Anm. 17 8. Die Aufhebung der Zweigniederlassung (Abs. 6) Für die Aufhebung einer Zweigniederlassung gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 sinngemäß. Der Aufhebung steht es gleich, wenn die Stelle die Selbständigkeit verliert, die sie zur Zweigniederlassung gemacht hatte (Anm. 3). Der Vorstand ist verpflichtet, die Aufhebung behufs Löschung anzumelden (KG „Recht" 1915 Nr. 2335). Zuständig für die Erzwingung der Anmeldung nach § 14 HGB ist wiederum das Gericht des Sitzes (§ 43 Anm. 8), an das die Anmeldung zu richten ist (§ 43 Anm. 8). Bleibt das Zwangsverfahren erfolglos, so hat das Gericht der Zweigniederlassung das Amtslöschungsverfahren nach § 31 Abs. 2 Satz 2 HGB, § 141 FGG einzuleiten (vgl. Waldmann DJ 1940, 362). Das Gericht des Sitzes prüft nur, ob die Anmeldung formell in Ordnung ist, veranlaßt gegebenenfalls die Beseitigung formeller Mängel und gibt dann die Anmeldung an das Gericht der Zweigniederlassung weiter. Das Gericht der Zweigniederlassung hat lediglich zu prüfen, ob sie aufgehoben ist. Trifft das zu, so hat es die Aufhebung in sein Register einzutragen, die Eintragung nach § 10 HGB bekanntzumachen und dem Gericht des Sitzes mitzuteilen. Dieses vermerkt die Eintragung der Aufhebung in seinem Register. Der Vermerk wird nicht veröffentlicht. Das Gericht der Zweignieder313

§ 43

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1

lassung rötet auf deren Registerblatt alle Eintragungen, das Gericht des Sitzes rötet den Vermerk über die Errichtung der Zweigniederlassung und die übrigen nur sie betreffenden Eintragungen. Befindet sich die Zweigniederlassung im Gerichtsbezirk des Sitzes (Anm. io), so wird auf dem Registerblatt der Zweigniederlassung die Aufhebung eingetragen und, daß dies geschehen, auf dem Registerblatt der Hauptniederlassung vermerkt. Für die Bekanntmachung und Rötung gilt das Entsprechende.

§ 4 3

Behandlung bestehender Zweigniederlassungen

(1) Ist eine Zweigniederlassung in das Handelsregister eingetragen, so sind alle Anmeldungen, welche die Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder eine eingetragene Zweigniederlassung betreffen, beim Gericht des Sitzes zu bewirken; es sind so viel Stücke einzureichen, wie Niederlassungen bestehen. (2) Das Gericht des Sitzes hat in der Bekanntmachung seiner Eintragung Im Bundesanzeiger anzugeben, daß die gleiche Eintragung für die Zweigniederlassungen bei den namentlich zu bezeichnenden Gerichten der Zweigniederlassungen erfolgen wird; ist der Firma für eine Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser anzugeben. (3) Das Gericht des Sitzes hat sodann seine Eintragung unter Angabe der Nummer des Bundesanzeigers, in der sie bekanntgemacht ist, von Amts wegen den Gerichten der Zweigniederlassungen mitzuteilen; der Mitteilung ist ein Stück der Anmeldung beizufügen. Die Gerichte der Zweigniederlassungen haben die Eintragung ohne Nachprüfung in ihr Handelsregister zu übernehmen. In der Bekanntmachung der Eintragung im Register der Zweigniederlassung ist anzugeben, daß die Eintragung im Handelsregister des Gerichts des Sitzes erfolgt und in welcher Nummer des Bundesanzeigers sie bekanntgemacht ist. Im Bundesanzeiger wird die Eintragung im Handelsregister der Zweigniederlassung nicht bekanntgemacht. (4) Betrifft die Anmeldung ausschließlich die Verhältnisse einzelner Zweigniederlassungen, so sind außer dem für das Gericht des Sitzes bestimmten Stück nur so viel Stücke einzureichen, wie Zweigniederlassungen betroffen sind. Das Gericht des Sitzes teilt seine Eintragung nur den Gerichten der Zweigniederlassungen mit, deren Verhältnisse sie betrifft. Die Eintragung im Register des Sitzes wird in diesem Fall nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. (5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten sinngemäß für die Einreichung von Schriftstücken und die Zeichnung von Namensunterschriften. Vorbemerkung § 43 entspricht dem § 36 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen und einer Angleichung des Abs. 4 an § 13 a HGB.

Anm. 1 (Abs. 1) Bei den laufenden Eintragungen sind alle Anmeldungen, sie mögen die Hauptniederlassung, eine eingetragene Zweigniederlassung oder mehrere betreffen, an das Gericht des Sitzes zu richten, dem zunächst die Behandlung obliegt. Bei Doppelsitz sind die Anmeldungen zum Handelsregister beider Sitze zu bewirken (BayerObLG BB 62, 497). U m dem Gericht des Sitzes die erforderlichen Mitteilungen an die Gerichte der Zweigniederlassungen zu ermöglichen, ist die Anmeldung in der entsprechenden Zahl von Stücken einzureichen. Grundsätzlich sind so viel Stücke einzureichen, wie Nieder-

314

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 43 A n m . 2—4

lassungen bestehen. Betrifft jedoch die Eintragung nur die Verhältnisse einzelner Zweigniederlassungen (Abs. 4), so genügt die Einreichung eines Stücks für das Hauptregister und so vieler Stücke für die Zweigregister, als Zweigniederlassungen von der Eintragung betroffen werden (Anm. 4). Für Eintragungen, die sich bei Doppelsitz auf Zweigniederlassungen beziehen, dürfte die Einreichung der für die Zweigniederlassungen erforderlichen Stückzahl bei dem Gericht eines Hauptsitzes ausreichen (Eppig DNotZ 57, 385). Zweckmäßigerweise werden sich die Register der Hauptsitze darüber verständigen, wer von ihnen den Verkehr mit den Gerichten der Zweigniederlassungen übernimmt. Für die Form der Anmeldung gilt § 12 HGB. Was an Anlagen beizufügen ist, richtet sich nach dem einzutragenden Vorgang (Anm. 5).

Anm. 2 (Abs. 2) Das Gericht des Sitzes prüft die Anmeldung nach ihrer Form und gemäß der ihm nach dem Gegenstand obliegenden sachlichen Prüfungspflicht, trägt, falls nichts zu beanstanden ist, die angemeldeten Tatsachen in sein Register ein und macht die Eintragung nach § 10 H G B im Bundesanzeiger und in dem daneben bestimmten Blatt oder in den daneben bestimmten Blättern bekannt. In der Bekanntmachung im Bundesanzeiger — nicht in den andern Blättern — gibt es dabei an, daß die gleiche Eintragung für die Zweigniederlassungen bei deren Gerichten erfolgen werde; diese Gerichte sind namentlich zu bezeichnen. Ist der Firma für eine Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt — d. h. unterscheidet sie sich überhaupt irgendwie von der Hauptfirma (§ 4 Anm. 4, § 42 Anm. 13) — so ist die Firma der Zweigniederlassung anzugeben.

Anm. 3 (Abs. 3) Sodann teilt das Gericht des Sitzes den Gerichten der Zweigniederlassungen seine Eintragung von Amts wegen, also ohne Antrag, mit. Dabei gibt es die Nummer des Bundesanzeigers bekannt und fügt ein Stück der Anmeldung bei, von der es j a nach Abs. 1 die erforderliche Zahl besitzen muß. Die Gerichte der Zweigniederlassungen haben die Eintragung ebensowenig wie bei der Errichtung (§ 42 Anm. 13) nachzuprüfen, sondern haben sie ohne weiteres in ihre Register zu übernehmen. Ihre Eintragung haben sie, abweichend von § 10 HGB, nicht wieder im Bundesanzeiger bekanntzumachen, sondern nur in dem daneben bestimmten Blatt oder in den daneben bestimmten Blättern. In der Bekanntmachung ist anzugeben, daß die Eintragung im Register des Gerichts des Sitzes erfolgt ist, auch ist die Nummer des Bundesanzeigers anzugeben, in der jene Eintragung bekanntgemacht worden ist.

Anm. 4 (Abs. 4) Noch einfacher gestaltet sich das Verfahren, wenn die Eintragung ausschließlich die Verhältnisse einzelner Zweigniederlassungen betrifft, z. B. Änderung der Firma einer Zweigniederlassung, Bestellung eines Prokuristen für den Betrieb einer Zweigniederlassung (§ 50 Abs. 3 HGB). In diesem Fall wird die Eintragung zwar auch — wie immer — zunächst im Register des Gerichts der Hauptniederlassung vorgenommen. Die Anmeldung ist also wie immer (Abs. 1) dorthin zu richten. Aber das Gericht des Sitzes macht seine Eintragung nur im Bundesanzeiger bekannt, nicht auch in dem daneben bestimmten Blatt oder in den daneben bestimmten Blättern ( § 1 0 HGB), und es teilt seine Eintragung nur den Gerichten der Zweigniederlassungen mit, deren Verhältnisse sie betrifft. Daraus folgt: 1. Von Anmeldungen sind nur so viel Stücke einzureichen, als Eintragungen vorzunehmen sind (Abs. 1 ; Anm. 1). 2. In der Bekanntmachung des Gerichts des Sitzes sind nur diejenigen Gerichte zu bezeichnen, bei denen die Eintragungen erfolgen werden (Abs. 2). Die Zweigniederlassungen, denen die Eintragung mitgeteilt wird, haben nach Abs. 3 zu verfahren, haben also die Eintragung ohne Nachprüfung in ihr Register zu übernehmen. Eine Nachprüfung steht ihnen auch nicht nach der Richtung zu, ob die

315

§ 43

Anm. 5—7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Eintragung gerade die Zweigniederlassung betrifft, die in ihrem Register eingetragen ist. Bedenken können sie selbstverständlich geltend machen (§ 42 Anm. 13), aber die Entscheidung steht dem Gericht des Sitzes zu. Das Gericht der Zweigniederlassung hat seine Eintragung wie nach Abs. 3 bekanntzumachen, also nicht im Bundesanzeiger. Es hat in seiner Bekänntmachung anzugeben, daß die Eintragung im Register des Sitzes erfolgt ist; auch hat es die Nummer des Bundesanzeigers anzugeben, in der jene Eintragung bekanntgemacht worden ist. Betrifft die Eintragung nur die Niederlassung am Sitz, so geschieht die Bekanntmachung sinngemäß im Bundesanzeiger und in den anderen Blättern; den übrigen Gerichten wird nichts mitgeteilt.

Anm. 5 (Abs. 5) Die Vorschriften der Absätze 1, 3 und 4 gelten sinngemäß für die Einreichung von Schriftstücken und die Zähnung von Unterschriften, mag es sich um Beilagen zu Anmeldungen handeln oder nicht. Alles dieses ist beim Gericht des Sitzes einzureichen, und zwar in so viel Stücken, als Niederlassungen bestehen (Abs. 1), wenn es aber nur für einzelne Zweigniederlassungen in Betracht kommt (Abs. 4), in entsprechend weniger Stücken. Das Gericht der Hauptniederlassung behält für sich ein Stück und gibt die andern an die in Betracht kommenden Gerichte weiter. Nicht immer sind jedoch die der Anmeldung beizufügenden Schriftstücke auch für Zweigniederlassungen bestimmt. Nach § 81 Abs. 2 und § 266 Abs. 2 sind die daselbst genannten Urkunden nur „ f ü r das Gericht des Sitzes", also in einem Stück, beizufügen. Ebenso wird der Bericht der Sonderprüfer (§ 145 Abs. 3 S. 3), der Jahresabschluß mit Bestätigungsvermerk (§ 177 Abs. 1) und die Bekanntmachung des Jahresabschlusses (§ 177 Abs. 2) nur dem Gericht des Sitzes eingereicht. An anderen Stellen des Gesetzes ist das zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber aus dem Sinn zu entnehmen, weil die Urkunden nur dem Gericht des Sitzes ermöglichen sollen, die Ordnungsmäßigkeit einer Anmeldung zu prüfen, so in den Fällen des § 188 Abs. 3, § 195 Abs. 2, § 201 Abs. 2 (Schlegelberger-Quassowski § 36 Anm. 3). Uber die Zeichnung von Unterschriften vgl. § 42 Anm. 12.

Anm. 6 Soweit die Eintragung rechtsbegründend wirkt, kommt es nur auf die Eintragung im Hauptregister an. Das gilt für die Entstehung der A G (§41; vgl. §42 Anm. 8), so auch für den Nachgründungsvertrag (§ 52 Abs. 6), für Satzungsänderungen ( § 1 8 1 Abs. 3), für die Durchfuhrung der Kapitalerhöhung (§§ 189, 203), für die Kapitalherabsetzung (§ 224, § 229 Abs. 3, § 238), für den Fortsetzungsbeschluß (§ 274 Abs. 4), für die Nichtigkeit (§ 77 Abs. 1), für die Verschmelzung (§ 346 Abs. 4) und die Umwandlung (§§ 365, 368, 372, 381, 385, 387, 391). Auch die Frist nach § 242 Abs. 2 beginnt mit der Eintragung ins Hauptregister (vgl. zu alledem Schlegelberger-Quassowski § 36 Anm. 4). Ist aber eine Satzungsänderung ins Hauptregister eingetragen worden, z. B. eine Änderung der Vertretungsbefugnis des Vorstandes (§81), und handelt es sich überhaupt darum, inwieweit jemand nach § 15 H G B das Handelsregister gegen sich gelten lassen muß, so ist für den Geschäftsverkehr mit einer eingetragenen Zweigniederlassung das Register des Gerichts der Zweigniederlassung und die Veröffentlichung daraus entscheidend, nicht das Hauptregister (§ 15 Abs. 3 H G B ; § 42 Anm. 8),

Anm. 7 Befindet sich eine Zweigniederlassung im Bezirk des Gerichts des Sitzes (§ 42 Anm. 10, 17), so daß dieses zugleich Registergericht für die Zweigniederlassung ist, so sind die Vorschriften des § 43 diesem Umstand entsprechend anzuwenden. Die Zahl der Anmeldungen sowie der einzureichenden Schriftstücke und Zeichnungen (Abs. 1 und 5) bleibt davon unberührt, weil für die Zweigniederlassung besondere Registerakten geführt werden. Die Bekanntmachung im Bundesanzeiger (Abs. 2) lautet dahin, daß die gleiche Eintragung im Register der Zweigniederlassung erfolgt sei (SchlegelbergerQuassowski § 36 Anm. 19). Die Mitteilung nach Abs. 3 ergeht zu den Registerakten der Zweigniederlassung. Im Fall des Abs. 4 gilt alles das nur, wenn die Eintragung auch die Zweigniederlassung betrifft, die sich im Bezirk des Gerichts des Sitzes befindet.

316

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 43 A n m . 8 §44

Anm. 8 Die §§ 42, 43 regeln nur das Verfahren auf Anmeldung, sind aber sinngemäß auch anzuwenden, soweit Eintragungen oder Löschungen von Amts wegen vorzunehmen sind. Alles das hat grundsätzlich vom Gericht des Sitzes auszugehen. Ist jedoch eine Zweigniederlassung, die in Wirklichkeit nicht besteht, dennoch eingetragen worden, so hat der örtliche Registerrichter nach § 42 Abs. 3 AktG, § 142 FGG die Eintragung von Amts wegen zu löschen und die Löschung dem Gericht des Sitzes mitzuteilen, das sie in seinem Register vermerkt (Schlegelberger-Quassowski § 36 Anm. 15). Dieses ist auch zuständig, Zwangsmaßnahmen nach § 14 HGB anzuwenden, soweit Anmeldungen erzwungen werden können (§ 407), oder soweit eine bestimmte Stückzahl von Anmeldungen (§ 407 Abs. 2 Satz 2) oder andere Schriftstücke einzureichen oder Unterschriften zu zeichnen sind. Das gilt auch für den Zwang, die Errichtung oder Aufhebung einer Zweigniederlassung anzumelden (§ 42 Anm. 9, 17), obwohl das Gericht der Zweigniederlassung, nachdem ihm das Gericht des Sitzes die Anmeldung hat zugehen lassen, die Fragen, ob die Zweigniederlassung errichtet oder aufgehoben ist, zuständigkeitsgemäß entscheidend zu prüfen hat (§42 Anm. 13, 17). Über das Amtslöschungsverfahren in dem Fall, daß die Löschung einer aufgehobenen Zweigniederlassung nicht hat erzwungen werden können, s. § 42 Anm. 17. Nachteilige Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Gerichten sind kaum zu besorgen, da das Gericht des Sitzes, bevor es ein Ordnungsstrafverfahren einleitet, um die Anmeldung der Errichtung oder Aufhebung einer Zweigniederlassung zu erzwingen, sich mit dem örtlichen Registergericht in Verbindung setzen wird; meistens wird sogar von diesem die Anregung zur Einleitung eines Zwangsverfahrens in solchen Fällen ausgehen. In den Fällen des § 43 kann ein ähnlicher Konflikt überhaupt nicht in Betracht kommen, da nach Abs. 3 die Gerichte der Zweigniederlassungen die Eintragung ohne Nachprüfung zu übernehmen haben. Im übrigen setzt das Gesetz das Bestreben der Gerichte nach Zusammenarbeit als selbstverständlich voraus. Auch für das Firmenmißbrauchsverfahren (§ 37 Abs. 1 HGB) ist grundsätzlich das Gericht des Sitzes zuständig, das örtliche Gericht jedoch dann, wenn die Firma der Zweigniederlassung — gleichviel, ob die Zweigniederlassung schon in seinem Register eingetragen ist oder nicht — dem § 30 HGB nicht entspricht (Schlegelberger-Quassowski § 36 Anm. 16).

§ 4 4 Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit schem Sitz

ausländi-

(1) Befindet s i c h der Sitz der G e s e l l s c h a f t i m A u s l a n d , s o i s t die G e s e l l s c h a f t z u r Eintragung i n d a s H a n d e l s r e g i s t e r d e s Gerichts, In d e s s e n B e z i r k sie eine Z w e i g n i e d e r l a s s u n g besitzt, durch alle V o r s t a n d s m i t g l i e d e r anzum e l d e n . D e r A n m e l d u n g i s t die Satzung i n öffentlich beglaubigter A b s c h r i f t beizufügen. § 37 A b s . 1 und 3 i s t nicht a n z u w e n d e n . (2) B e i der A n m e l d u n g i s t das B e s t e h e n der A k t i e n g e s e l l s c h a f t a l s s o l c h e r und, w e n n der G e g e n s t a n d d e s U n t e r n e h m e n s oder die Z u l a s s u n g z u m Gewerbebetrieb i m Inland der staatlichen G e n e h m i g u n g b e d a r f , a u c h diese n a c h z u w e i s e n . S o w e i t nicht d a s a u s l ä n d i s c h e Recht eine A b w e i c h u n g n ö t i g m a c h t , sind i n die A n m e l d u n g die i n § 23 A b s . 3 u n d 4, § § 24, 25 S a t z 2 v o r g e s e h e n e n B e s t i m m u n g e n , B e s t i m m u n g e n der S a t z u n g ü b e r die Z u s a m m e n s e t z u n g d e s V o r s t a n d e s u n d , w e n n die A n m e l d u n g i n d e n e r s t e n z w e i J a h r e n n a c h der Eintragung der G e s e l l s c h a f t i n d a s H a n d e l s r e g i s t e r i h r e s S i t z e s e r folgt, a u c h die w e i t e r e n A n g a b e n n a c h § 40 A b s . 1 a u f z u n e h m e n . D e r A n m e l dung i s t die für d e n Sitz der G e s e l l s c h a f t e r g a n g e n e gerichtliche B e k a n n t m a c h u n g beizufügen.

317

§ 44 Anm. 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

(3) D i e E i n t r a g u n g h a t die A n g a b e n n a c h § 39 u n d d e n Ort der Z w e i g n i e d e r l a s s u n g z u e n t h a l t e n ; i s t der F i r m a f ü r die Z w e i g n i e d e r l a s s u n g e i n Z u s a t z beigefügt, s o ist auch dieser einzutragen. (4) I n die B e k a n n t m a c h u n g der E i n t r a g u n g s i n d a u ß e r d e r e n I n h a l t a u c h die A n g a b e n n a c h § 40 A b s . 1 a u f z u n e h m e n , s o w e i t s i e n a c h d e n v o r s t e h e n d e n V o r s c h r i f t e n i n die A n m e l d u n g a u f z u n e h m e n s i n d . (5) I m ü b r i g e n g e l t e n f ü r die A n m e l d u n g e n , Z e i c h n u n g e n u n d E i n t r a g u n gen, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig m a c h t , sinng e m ä ß die V o r s c h r i f t e n f ü r N i e d e r l a s s u n g e n a m S i t z der G e s e l l s c h a f t . Ü b ersieht: Vorbemerkung Anm.

Anm.

1. Die Aktiengesellschaft mit ausländischem Sitz 2. Die inländische Zweigniederlassung 3. Die Verpflichtung zur Eintragung der Zweigniederlassung 4. Die anmeldepflichtigen Personen

i, 2 3 4 5

5. 6. 7. 8.

Der Inhalt der Anmeldung 6—8 Der Inhalt der Eintragung 9 Der Inhalt der Bekanntmachung 10 Die entsprechende Anwendung der Vorschriften für eine inländische A G 1 1 , 1 2 9. Die Buchführungspflicht 13

Vorbemerkung § 44 entspricht dem § 37 AktG 37 mit kleinen sprachlichen Änderungen und einer sachlichen Änderung in Abs. 1 Satz 2. Hier hieß es früher, die Gesellschaft sei in das Handelsregister „eines" Gerichtes, in dessen Bezirk sie eine Zweigniederlassung besitze, anzumelden. Jetzt heißt es „des" Gerichts, um klarzustellen, daß es bei der Errichtung mehrerer inländischer Zweigniederlassungen nicht genügt, wenn die Anmeldung bei einem Gericht erfolgt, daß vielmehr jede einzelne Zweigniederlassung zur Eintragung bei dem Gericht anzumelden ist, in dessen Bezirk sie besteht. Durch das Gesetz zur Durchführung der ersten EWG-Richtlinie zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15. 8. 1969 ist Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 im Wortlaut an die Neufassung des §§ 23, 37 angepaßt. Anm. 1 1. D i e A k t i e n g e s e l l s c h a f t m i t a u s l ä n d i s c h e m S i t z In § 44 wird von Aktiengesellschaften mit ausländischem Sitz gehandelt. Die Bezeichnung „ausländische A G " , die im Aktiengesetz 37 noch in § 392 — diese Bestimmung ist im AktG 65 entfallen — wiederkehrte, ist in § 44 bewußt vermieden, nach Schlegelberger-Quassowski § 37 Anm. 1, um in den Theorienstreit über die sogenannte Staatsangehörigkeit der Gesellschaft nicht einzugreifen. Der Begriff der Staatsangehörigkeit ist in diesem Zusammenhang wohl nicht ganz zutreffend (vgl. Serick Rechtsform und Realität juristischer Personen Seite 120 ff.), weil es nicht darum geht, ob die Gesellschaft den Bürgern eines bestimmten Staates gleichgestellt wird, sondern darum, nach welchem Recht die Gesellschaft entsteht, lebt und vergeht. Dieses Personalstatut verleiht die Rechtsfähigkeit nur für das eigene Staatsgebiet. Wie das zutreffende Personalstatut bestimmt wird, ist streitig. Nach der Sitztheorie ist die Rechtsordnung maßgebend, in deren Bereich die juristische Person ihren Sitz hat, wobei wiederum streitig ist, ob es auf den satzungsmäßigen oder auf den tatsächlichen Sitz ankommt. Nach der Gründungstheorie ist die Rechtsordnung maßgebend, nach der die juristische Person errichtet wird. Die in diesem Zusammenhang gelegentlich genannte Kontrolltheorie hat mit der Bestimmung des Personalstatuts nichts zu tun, sondern nur mit der völkerrechtlichen Zuordnung insbesondere im Kriegs- und auch im Devisenrecht (vgl. Artikel 74 Abs. 1 und 297 b Abs. 1 des Versailler Vertrages). Im einzelnen über die Bestimmung des maßgebenden Statuts vgl. § 5 Anm. 7.

318

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 44

Anm. 2

Die Bindung des Personalstatuts an den Sitz bedingt, daß eine Gesellschaft ihren Sitz nicht über die Grenzen verlegen kann — eine derartige Verlegung einer A G mit deutschem Sitz gilt notwendig nach deutschem Recht als Auflösung (§45 Anm. 9) — und zwar weder vom Ausland ins Inland noch umgekehrt ( R G Z 88, 54; 107, 97), und daß eine nach deutschem Recht errichtete Gesellschaft ihren satzungsmäßen Sitz nicht im Ausland haben kann (BGH 19, 105). Hat ein ausländisches Recht einer in seinem Geltungsbereich errichteten Aktiengesellschaft die Rechtsfähigkeit zuerkannt, so wird sie auch in Deutschland als rechtsfähig anerkannt, und zwar ohne daß es eines förmlichen Anerkennungsverfahrens wie früher gemäß Artikel 10 E G B G B für ausländische Vereine bedürfte ( R G Z 7 3 , 3 6 7 ; 83>367; 1 5 9 , 4 7 ; BGH 2 5 , 1 4 4 ; Raape Internationales Privatrecht Seite 198/99; Palandt-Lauterbach Artikel 10 E G B G B Anm. 4). Allerdings kann sich aus Artikel 30, 31 E G B G B etwas anderes ergeben, auch dann, wenn die Wahl des ausländischen Sitzes rein willkürlich ist; hat z. B. eine A G ihren Betrieb, ihre Geschäftsleitung und ihre Verwaltung im Inland, so kann der willkürlich im Ausland begründete Sitz als Scheinsitz betrachtet werden mit der Folge, daß der A G die Anerkennung als rechtmäßige A G zu versagen ist, weil sie nicht in ein deutsches Register eingetragen ist, sondern die deutschen Gründungsvorschriften umgangen hat (vgl. O L G Frankfurt in N J W 64, 2355; des weiteren O L G Nürnberg in AktG 67, 362, wo inländisches Recht im Gründungsstadium auf eine mit ausländischem Sitz errichtete Gesellschaft angewandt wurde, deren tatsächliche Verwaltungsführung im Inland lag).

Anm. 2 Die Rechtsverhältnisse einer A G mit ausländischem Sitz bestimmen sich grundsätzlich nach dem Recht, nach dem sie lebt, also grundsätzlich dem Recht ihres Sitzes ( R G Z 73, 367; BGH 25, 144; M. Wolff Internationales Privatrecht, S. H 7 f . ; SoergelSiebert-Kegel Artikel 10 E G B G B Anm. 8 und 21). Das gilt namentlich auch für den Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft. Steht aber nach ausländischem Recht fest, daß Inhaberaktien wie bewegliche Sachen zu behandeln sind, so gilt für den Erwerb des Eigentums an ihnen die lex rei sitae ( R G Seuff A 88, 194; M. WolfFa. a. O.; Schindelwick W M 60 Sonderbeil. 10, 25; Maier W M 61, 619). Das gleiche wird auch für eine Namensaktie (Orderpapier) zu gelten haben, wenn das Recht am Sitz der Gesellschaft ein Blankoindossament für die Übertragung des Gesellschaftsrechts und der Urkunde zuläßt. Wird aber ein gewöhnliches Indossament oder daneben auch die Eintragung in ein Register verlangt, so ist das Recht des Sitzes der Gesellschaft zu beachten (Maier a. a. O.). Nach dem Recht des Sitzes richten sich grundsätzlich auch die Befugnisse der einzelnen Gesellschaftsorgane. Dabei braucht eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes nach außen nicht gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes (Artikel 30 EGBGB) zu verstoßen und z. B. die Eintragung einer Zweigniederlassung zu verhindern. Auch steht der Eintragung nicht die im anglo-amerikanischen Rechtskreis herrschende ultra-vires-Lehre entgegen, nach der der Vorstand die Gesellschaft nur im Rahmen des Unternehmensgegenstandes, die seine Handlungsfähigkeit beschränkt, vertreten kann. Wenn jedoch die ausländische Gesellschaft im Inland durch ihr Vertretungsorgan tätig wird, beurteilt sich zum Schutz der Rechtsverkehrssicherheit der Umfang der Vertretungsmacht und damit indirekt auch der Rechtsfähigkeit der ausländischen A G nach deutschem Recht (§ 5 Anm. 7; Würdinger S. 20). U m eine A G mit ausländischem Sitz als Aktiengesellschaft anzuerkennen, ist keine völlige Ubereinstimmung des ausländischen Rechts mit den Bestimmungen für eine deutsche A G erforderlich. Es genügt, daß die A G mit Auslandssitz die wesentlichsten Merkmale einer A G nach deutschen Begriffen aufweist. Dabei ist die Festsetzung eines festen Grundkapitals ebensowenig erforderlich wie die freie Ubertragbarkeit der Anteile oder die Ausstellung von Aktienurkunden, auch nicht eine dem deutschen Aktienrecht entsprechende Aufgabenteilung zwischen Vorstand undAufsichtsrat. Der deutschen A G entspricht z. B. in Großbritannien die Company limited by shares, limited Company genannt, und zwar in der Form der public Company, während die private Company mehr dem Erscheinungsbild der deutschen GmbH entspricht (vgl. Seiler in AktG 67,

319

§44

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 3—5

72) ; in Frankreich die Société anonyme, in Italien die società per azioni, in Schweden die actiebolag, in Holland die Naamloze Venootschap und in den U S A die corporation.

Anm. 3 2. Die Inländische Zweigniederlassung V o n den Rechtsverhältnissen ausländischer Aktiengesellschaften regelt das A k t G nur die Errichtung inländischer Zweigniederlassungen in § 44. Was eine Zweigniederlassung ist, bestimmt sich nach inländischem Recht (§ 4a Anm. 3; vgl. K G J 35 A 355). Sie ist kein selbständiges Rechtssubjekt, so wenig wie die Zweigniederlassung einer inländischen A G . Daher gilt die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen A G als Ausländerin und hat, wenn sie klagt, nach den §§ 110ff. Z P O Sicherheit zu leisten ( R G 38, 406 oben; vgl. Hamburg O L G E 15, 17a).

Anm. 4 3. Die Verpflichtung zur Eintragung der Zweigniederlassung Eine A G , die ihren Sitz im Ausland, aber im Inland eine Zweigniederlassung hat, ist nach § 44 verpflichtet, eine Eintragung im Handelsregister herbeizuführen. Unterbleibt die Anmeldung, so wird dadurch nicht die Zulässigkeit des Betriebes der Zweigniederlassung und auch nicht die Zulässigkeit ihrer Firmenführung berührt ( K G H R R 1934 Nr. 1046). Einzutragen ist, da für die Gesellschaft kein Hauptregister im Inland geführt wird, die Gesellschaft als solche in das Register des Gerichts, in dessen Bezirk sie eine Zweigniederlassung besitzt. Besitzt sie Zweigniederlassungen in mehreren Gerichtsbezirken, so ist sie zum Register eines jeden dieser Gerichte anzumelden und daselbst einzutragen. Die Anmeldung kann durch Ordnungsstrafen (§ 14 HGB) nur dann erzwungen werden, wenn sich anmeldepflichtige Vertreter der A G im Inland aufhalten; gegen Bevollmächtigte der anmeldepflichtigen Personen kann «das Ordnungsstrafverfahren nicht gerichtet werden ( B a y O b L G R J A 9, 39; Balser-Pichura Zweigniederlassung ausländischer Kapitalgesellschaften in Deutschland S. 30). Die Ansicht von Schlegelberger-Quassowski § 37 Anm. 2, daß sich das Gericht mit dem Ordnungsstrafverfahren an die im Inland befindlichen Leiter der Zweigniederlassung halten könne, erscheint in dieser Allgemeinheit bedenklich. Das Gesetz hätte j a die Leiter der Zweigniederlassung für anmeldepflichtig erklären können, hat es aber nicht getan (Anm. 5). Die Eintragung liegt jedoch schon wegen der Vorschriften des § 1 5 H G B im eigenen Interesse der ausländischen Gesellschaften. A u c h steht nichts im Wege, bei der Zulassung zum Gewerbebetrieb, soweit dieser einer Genehmigung bedarf, die Genehmigung unter der Bedingung zu erteilen, daß eine im Inland errichtete Zweigniederlassung ordnungsmäßig angemeldet und eingetragen werde.

Anm. 5 4. Die anmeldepflichtigen Personen Anmeldepflichtig sind, anders als nach den §§ 4a, 43, sämtliche Mitglieder des Vorstands, die sich auf Grund einer Spezialvollmacht vertreten lassen können, allerdings nicht bei der Unterschriftszeichnung (Balser-Pichura a. a. O . S. 30f.). Die Anmeldung ist in deutscher Sprache abzufassen. Beizufügen ist die Satzung oder das, was ihr nach dem Recht des Heimatstaates entspricht, und zwar in öffentlich beglaubigter Abschrift. Für englische A G werden außer dem „memorandum of association", das nur die Grundzüge enthält, auch die „articles of association", die den Ausbau der Gesellschaft näher regeln, beizufügen sein (vgl. Bender Deutsches und englisches Aktienrecht 1937 5. 15 ff.). Das Gericht kann von dieser Anlage sowie von allen sonst noch zu beschaffenden ausländischen Unterlagen beglaubigte Ubersetzungen verlangen. Die Absätze 1 und 3 des § 37 sind nur auf inländische Gesellschaften zugeschnitten und werden daher ausdrücklich für unanwendbar erklärt. Daraus ergibt sich zugleich, daß der zweite, vierte und fünfte Absatz des § 37 anzuwenden sind: die Vorstandsmitglieder haben ihre Namensunterschriften zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen (§37 Anm. 7), und die eingereichten Schriftstücke werden beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder

320

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 44 A n m . 6—8

beglaubigter Abschrift aufbewahrt (§37 Anm. 8). Außerdem ist anzugeben, welche Vertretungsbefugnis die Vorstandsmitglieder haben (§ 37 Anm. 4). Wegen des inländischen Hauptbevollmächtigten eines ausländischen Versicherungsunternehmens vgl. L G Hamburg in VersR 58, 747; A G Hamburg in M D R 66, 334; Balser-Pichura a. a. O. S.31. Anm. 6 5. Der Inhalt der Anmeldung (Abs. 2) Bei der Anmeldung ist das Bestehen der AG als solcher nach den in Anm. 1 und 2 entwickelten Grundsätzen nachzuweisen, nicht aber die Ordnungsmäßigkeit des Gründungshergangs. Diesen hat der inländische Richter nicht nachzuprüfen (KGJ 13 A 50). Wird die A G in ihrem Heimatstaat eingetragen, so wird in der Regel der beglaubigte Nachweis der Eintragung genügen, andernfalls werden Konsulatsbescheinigungen oder dergl. beizubringen sein. Nach dem letzten Satz des Abs. 2 ist auch die für den Sitz der Gesellschaft ergangene gerichtliche Bekanntmachung beizufügen, aber selbstverständlich nur dann, wenn eine solche ergangen oder nach dem Recht des Heimatstaates erforderlich ist. Bedarf der Gegenstand des Unternehmens (§ 37 Anm. 4 Nr. 5) oder die Zulassung zum Gewerbebetrieb im Inland der staatlichen Genehmigung, so ist auch diese nachzuweisen. Anm. 7 In die Anmeldung ist ferner mehreres aufzunehmen, was bei inländischen A G nach § 40 bekanntgemacht wird. Das AktG nimmt hierbei aber auf das ausländische Recht Rücksicht, indem es Abweichungen zuläßt, die jenes Recht erforderlich macht. Mit dieser Beschränkung sind die in den § 23 Abs. 3 und 4, §§ 34, 25 Satz 2 vorgesehenen Festsetzungen sowie die Satzungsbestimmungen über die Zusammensetzung des Vorstandes in die Anmeldung aufzunehmen, wenn aber die Anmeldung in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes erfolgt, sämtliche Angaben nach § 40 Abs. 1 (nicht Abs. 2). Wird die Gesellschaft nach dem Recht ihres Heimatstaates nicht in ein Handels- oder ähnliches Register eingetragen, besteht sie aber dennoch, so wird die zweijährige Frist von ihrer Entstehung zu rechnen sein. Im übrigen kann das Gericht eine tunliche Anpassung an die deutschen Vorschriften verlangen, denn auf das ausländische Recht wird nur insoweit Rücksicht genommen, als dieses eine Abweichung „erforderlich" macht. Wenn daher die A G nach dem Recht ihres Heimatstaats die Form ihrer Bekanntmachungen in der Satzung (§ 23 Abs. 4) nicht bestimmen muß, wohl aber bestimmen kann, so wird das deutsche Gericht eine solche Bestimmung zu verlangen haben (KGJ 26 A 65). Anm. 8 Im einzelnen ist hierzu noch folgendes zu bemerken: § 23 Abs. 3 Nr. 1. Es genügt, daß die Firma dem ausländischen Recht entspricht. Daß sie dem § 4 oder dem Art. 22 E G z. H G B genüge, kann nicht gefordert werden, namentlich nicht, daß sie die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" oder eine entsprechende enthalte, wenn das ausländische Recht einen solchen Zusatz nicht verlangt. Dagegen sind täuschende Zusätze nach § 18 Abs. 2 HGB, Art. 30 E G z. BGB nicht zuzulassen (KGJ 42 A 160). § 23 Nr. 2. Der Gegenstand des Unternehmens muß nach deutschem Recht erlaubt sein (Art. 30 E G z. BGB). § 23 Nr. 3. Das Grundkapital kann in ausländischer Währung angegeben werden. Nur das gezeichnete, nicht auch das autorisierte (genehmigte) Grundkapital ist anzugeben. Wo kein festes Grundkapital besteht (Anm. 2), ist das anzugeben. § 23 Nr. 4. Haben die Aktien keinen Nennwert (§ 1 Anm. 6), so ist das anzugeben. § 25 Sind Gesellschaftsblätter für Bekanntmachungen bestimmt, so müssen diese für die inländische Zweigniederlassung auch im Bundesanzeiger, und zwar hier in deutscher Sprache veröffentlicht werden. 21

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

321

§44

Anm. 9—12

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

§ 40 Abs. 1 Nr. 3. Ist dem ausländischen Recht der Begriff" der „Gründer" unbekannt, so sind die Personen anzugeben, die die ersten Aktien übernommen haben. § 40 Abs. 1 Nr. 4. Ist nach ausländischem Recht kein Aufsichtsrat vorhanden, so ist das anzugeben. Das Gericht kann verlangen, daß ihm die Abweichungen des ausländischen Rechts vom inländischen nachgewiesen werden. Wegen Einzelfällen vgl. Balser-Pichura a. a. O . s . 31—36-

Anm. 9 6. Der Inhalt der Eintragung (Abs. 3) Die Vorschrift entspricht dem § 4a Abs. 3 Satz 3. Vgl. § 42 A n m . 14.

Anm. 10 7. Der Inhalt der Bekanntmachung (Abs. 4) Die Bekanntmachung geschieht wie nach § 4a Abs. 4 mit dem Unterschied, daß die Bekanntmachung nach § 40 Abs. 2 in jedem Fall wegfallt. V g l . § 42 Anm. 15.

Anm. 11 8. Die entsprechende Anwendung der Vorschriften für Zweigniederlassungen einer inländischen AG I m übrigen erklärt das Gesetz, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht, für Anmeldungen, Zähnungen und Eintragungen die Vorschriften sinngemäß für anwendbar, die für Niederlassungen am Sitz der Gesellschaft gelten. Die ausländische A G hat also für ihre Zweigniederlassung grundsätzlich die Vorschriften zu erfüllen, die eine deutsche A G gegenüber dem Registergericht ihres Sitzes zu erfüllen haben würde; jede Zw&gnüderlassung wird in dieser Hinsicht so behandelt wie eine inländische Hauptniederlassung ( K G D R 1940, 2007). Bestehen mehrere Zweigniederlassungen, so vervielfältigen sich danach die Anmeldungen usw. Keiner Anmeldung, Zeichnung oder Eintragung bedarf es, wenn solche zwar nach dem ausländischen Recht erforderlich wäre, nicht aber nach deutschem Recht erforderlich ist. Dagegen bedarf es zur Eintragung in das Register der Zweigniederlassung nicht einer vorherigen Eintragung in das ausländische Register, wenn diese — etwa bei einer Satzungsänderung — nach ausländischem Recht nicht notwendig ist ( K G D R 1940, 2007). Aus Abs. 5 ergibt sich, daß sämtliche Vorstandsmitglieder ihre Unterschrift zu zeichnen haben (oben A n m . 5); der Prokurist hat die Firma nebst seiner Namensunterschrift zu zeichnen (§ 53 Abs. 2 H G B ) . Die Löschungen haben entsprechend zu geschehen. § 1 5 H G B gilt in vollem Umfang (oben A n m . 4).

Anm. 12 Das Gesetz spricht nur von Anmeldungen, Zeichnungen und Eintragungen, nicht auch von der Einreichung von Schriftstücken. D a ß auch dafür die deutschen Vorschriften „sinngemäß" gelten sollen — so Schlegelberger-Quassowski § 37 Anm. 6, 8 — , ist nicht zuzugeben. Die ausländische A G ist daher nicht genötigt, eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Niederschriften über ihre Hauptversammlungen z u m Handelsregister ihrer deutschen Zweigniederlassung einzureichen, wenn daselbst nichts einzutragen ist (§ 130 Abs. 5). Zur Einreichung ihrer Jahresabschlüsse beim deutschen Registergericht (§ 177 Abs. 1) ist sie ebensowenig verpflichtet. Macht sie aber satzungsmäßig ihre Jahresabschlüsse in den Gesellschaftsblättern bekannt (vgl. § 177 A.bs. 2), so hat das, da der Bundesanzeiger zu den Gesellschaftsblättern gehört (oben Anm. 8), auch darin zu geschehen. Falls das ausländische Recht derartige Pflichten „nicht kennt", so würde das, wenn man die deutschen Vorschriften auch hierin sinngemäß anzuwenden hätte, zur Befreiung davon noch nicht genügen, wie Schlegelberger-Quassowski § 37 A n m . 8

322

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 44 Anm. 13

§45

meinen; das ausländische Recht muß Abweichungen „nötig machen". Zuzugeben ist aber, daß der ausländischen AG bei der Erteilung der Genehmigung oder bei der Zulassung gewisse Pflichten auferlegt werden können. Anm. 13 9. Die Buchführungspflicht Die Buchführungspflicht mit ihren zivil- und strafrechtlichen Folgen trifft auch eine ausländische AG in ihren inländischen Zweigniederlassungen (RG bei Bauer 22, 2).

§ 4:5

Sitzverlegung

(1) Wird der Sitz der Gesellschaft im Inland verlegt, so ist die Verlegung beim Gericht des bisherigen Sitzes anzumelden. (2) Wird der Sitz aus dem Bezirk des Gerichts des bisherigen Sitzes verlegt, so hat dieses unverzüglich von Amts wegen die Verlegung dem Gericht des neuen Sitzes mitzuteilen. Der Mitteilung sind die Eintragungen für den bisherigen Sitz sowie die bei dem bisher zuständigen Gericht aufbewahrten Urkunden beizufügen. Das Gericht des neuen Sitzes hat zu prüfen, ob die Verlegung ordnungsgemäß beschlossen und § 30 des Handelsgesetzbuches beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Sitzverlegung einzutragen und hierbei die ihm mitgeteilten Eintragungen ohne weitere Nachprüfung in sein Handelsregister zu übernehmen. Mit der Eintragung wird die Sitzverlegung wirksam. Die Eintragung ist dem Gericht des bisherigen Sitzes mitzuteilen. Dieses hat die erforderlichen Löschungen von Amts wegen vorzunehmen. (3) Wird in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister des ursprünglichen Sitzes eine Sitzverlegung aus dem Bezirk des Gerichts des bisherigen Sitzes eingetragen, so sind in der Bekanntmachung der Eintragung alle Angaben nach § 40 Abs. 1 zu veröffentlichen. (4) Wird der Sitz an einen anderen Ort innerhalb des Bezirks des Gerichts des bisherigen Sitzes verlegt, so hat das Gericht zu prüfen, ob die Sitzverlegung ordnungsgemäß beschlossen und § 30 des Handelsgesetzbuchs beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Sitzverlegung einzutragen. Mit der Eintragung wird die Sitzverlegung wirksam. Ubersicht:

Einleitung 1. Die Anmeldung der Sitzverlegung 2. Die Eintragung der Sitz Verlegung 3. Die Bekanntmachung der Sitzverlegung 4. Die Prüfungsbefugnis des Registerrichters nach durchgeführter Sitzverlegung 5. Die gleichzeitige Anmeldung der Sitzverlegung und anderer Tatsachen

21»

Anm.

Anm.

1, 2 3 4

6. Die Sitzverlegung an den Ort einer Zweigniederlassung 8 7. Die Sitzverlegung ins Ausland 9 8. Die Sitzverlegung aus dem Ausland, den abgetrennten Gebieten und aus der Sowjetzone 10,11 9. Die Sitzverlegung bei einer Zweigniederlassung 12

5 6 7

323

§45

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1—4

Anm. 1 Einleitung Die für die Zweigniederlassungen in den §§ 42, 43 getroffene Regelung wird im § 45 für die Sitzverlegung verwertet. Die Vorschrift war in § 38 A k t G 37 neu konzipiert worden. Bis dahin gab es bei Sitzverlegungen erhebliche Schwierigkeiten, da die Sitzverlegung mit Eintragung im Register des alten Sitzes wirksam wurde, alsdann eine Neuanmeldung beim neuen Registergericht erforderlich war und in der Zwischenzeit eine Eintragung der A G in einem Register überhaupt nicht bestand. Die Regelung des § 38 A k t G 37 ging dahin, die Sitzverlegung zwar beim bisherigen Gericht anzumelden, das sie dem Gericht des neuen Sitzes mitteilte. Dieses prüfte und trug die Gesellschaft ein, womit die Sitzverlegung wirksam wurde und die Eintragung der Gesellschaft am Gericht des alten Sitzes nur noch zu löschen war. Diese Regelung hat sich bewährt und ist in § 44 A k t G 65 unverändert übernommen worden. Nur für den Fall, daß die Sitzverlegung keinen Gerichtswechsel erfordert, der neue Sitz also innerhalb des Bezirkes des Gerichts des bisherigen Sitzes verlegt wird, waren Zweifel entstanden, die nunmehr dadurch beseitigt sind, daß die Absätze 2 und 3 die Sitzverlegung aus dem Gerichtsbezirk des bisherigen Sitzes heraus und Abs. 4 die Sitzverlegung innerhalb des bisherigen Gerichtsbezirkes behandelt. Im letzteren Falle entfällt die Mitteilung der Verlegung von dem Gericht des bisherigen Sitzes an das des neuen Sitzes und die Löschung im bisherigen Register.

Anm. 2 Der Sitz einer A G kann nur durch Satzungsänderung verlegt werden (§ 179), nicht in anderer Form. Denn der Sitz gehört nach § 23 Abs. 3 zu den wesentlichen Bestandteilen der Satzung. Eine Satzungsbestimmung, die etwa den Aufsichtsrat oder den Vorstand zur Sitzverlegung ermächtigen würde, wäre nichtig.

Anm. 3 1. Die Anmeldung der Sitzverlegung Die Verlegung des Sitzes im Inland — über Verlegung ins Ausland und vom Ausland s. § 5 Anm. 6, 6a, unten Anm. 9ff. — ist beim Gericht des bisherigen Sitzes anzumelden, um ihre Wirksamkeit herbeizufuhren; ein öffentlich-rechtlicher Zwang zur Anmeldung besteht nicht (§ 407 Abs. 2). Die Streitfrage, ob die Anmeldung durch sämtliche Mitglieder des Vorstands geschehen müsse, ist erledigt; es genügt die Anmeldung durch die Vertretungsberechtigten (§ 78); bei unechter Gesamtvertretung sind Prokuristen nicht ausgeschlossen (§ 42 Anm. 9). Die Niederschrift über die Hauptversammlung, in der die Sitzverlegung beschlossen worden ist, ist in öffentlich beglaubigter Abschrift (§130 Abs. 5) beizufügen, wenn sie nicht schon vorher eingereicht worden ist. Das Gericht des bisherigen Sitzes prüft, sofern die Verlegung in einen anderen Gerichtsbezirk erfolgt, nichts, sondern leitet unverzüglich die Anmeldung an das Gericht des neuen Sitzes weiter ( L G Düsseldorf BB 66, 1036 auch für den Fall der Begründung eines Doppelsitzes). Es fügt der Mitteilung die Eintragungen für den bisherigen Sitz bei, also einen beglaubigten Auszug aus seinem Handelsregister, und außerdem die bei ihm aufbewahrten Urkunden in der Gestalt, wie sie sich bei ihm befinden, also mit einem Wort die Registerakten. Z u den Urkunden gehören auch die eingereichten Zeichnungen von Unterschriften; diese brauchen daher beim neuen Gericht nicht wiederholt zu werden. Die Mitteilung unter Ubersendung des Registerauszugs und der Akten entfallt naturgemäß, wenn der neue Sitz im bisherigen Gerichtsbezirk liegt, eine neue Gerichtszuständigkeit also nicht begründet wird (vgl. Abs. 4).

Anm. 4 2. Die Eintragung der Sitzverlegung Wie nach § 42 Abs. 3 ist die Prüfungspflicht des neuen Gerichts beschränkt. Es hat außer der Anmeldung nur zu prüfen, ob die Sitzverlegung — formell und sachlich

324

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 45 Anm. 5, 6

(§ 5) — ordnungsmäßig beschlossen worden ist und ob die Firma der A G sich von allen im selben Ort oder in derselben Gemeinde bestehenden, in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet (§30 HGB). Nötigenfalls muß nochmals eine Satzungsänderung beschlossen werden. Ist nichts zu beanstanden, so hat das Gericht die Sitzverlegung einzutragen und die ihm mitgeteilten Eintragungen zu übernehmen, und zwar „ohne weitere Nachprüfung". Damit ist gemeint, daß es bei der Eintragung der Sitzverlegung die ihm mitgeteilten Eintragungen nicht zu prüfen hat; später kann es noch geschehen (Anm. 6). Mit der Eintragung im Register des neuen Sitzes wird die Sitzverlegung wirksam; ein Zwischenzustand, während dessen die Gesellschaft nirgends eingetragen wäre (Anm. 1), kann daher nicht mehr entstehen. Die geschehene Eintragung der Sitzverlegung wird dem Gericht des bisherigen Sitzes mitgeteilt. Dieses vermerkt nach § 20 H R V die Sitzverlegung in seinem Register, rötet die Eintragungen und verweist auf das neue Registerblatt, in dem auf das alte verwiesen wird. Erfolgt die Sitzverlegung innerhalb des gleichen Gerichtsbezirkes, so versteht sich von selbst, daß das Registergericht nur die formelle und sachliche Ordnungsgemäßheit des Verlegungsbeschlusses und die Beachtung des § 30 HGB für den Ort oder die Gemeinde des neuen Sitzes prüft. Denn alle früheren Eintragungen beruhen j a auf einer Entscheidung desselben, unverändert zuständigen Gerichts. Ist nichts zu beanstanden, so wird die Sitzverlegung wie jede andere Sitzverlegung auf dem bisherigen Registerblatt eingetragen, womit sie erfolgt ist. Die Löschung der bisherigen Eintragung entfallt. Anm. 5 3. Die Bekanntmachung der Sitzverlegung Die Bekanntmachungen der bei Sitzverlegung in einen anderen Gerichtsbezirk beteiligten beiden Gerichte bestimmen sich nach § 10 HGB. Das Gericht des neuen Sitzes macht die Eintragungen bekannt, die es in sein Register übernommen hat, sowie die Sitzverlegung; das Gericht des bisherigen Sitzes macht die Sitzverlegung und die Löschung der A G bekannt. Wird aber die Sitzverlegung in den ersten beiden Jahren eingetragen, nachdem die Gesellschaft in das Register ihres ursprünglichen Sitzes eingetragen worden war, so besteht wie bei der Errichtung von Zweigniederlassungen so junger Unternehmen (§ 42 Abs. 4 Satz 2, § 44 Abs. 2 Satz 2) ein Bedürfnis fiir eine umfassendere Veröffentlichung. In diesem Falle sind vom Gericht des neuen Sitzes alle Angaben nach § 40 Abs. 1 zu veröffentlichen, nicht aber der Hinweis nach § 40 Abs. 2. Läßt die Sitzverlegung das bisherige Gericht unverändert zuständig, so ist lediglich die Sitzverlegung wie jede andere Satzungsänderung bekanntzumachen. Da keine Neueintragung der Gesellschaft im Register des neuen Sitzes und keine Löschung im Register des alten Sitzes erforderlich ist, entfallen entsprechende Bekanntmachungen; es ist lediglich die Sitzvertlegung als Satzungsänderung bekanntzumachen. Auch die Veröffentlichung gemäß Abs. 3 entfallt, da sie für den unverändert zuständigen Gerichtsbezirk ja bereits anläßlich der Ersteintragung erfolgt ist. Anm. 6 4. Die Prüfungsbefugnis des Registerrichters nach durchgeführter Sitzverlegung Wenn nach Abs. 2 das Gericht des neuen Sitzes die ihm vom Gericht des bisherigen mitgeteilten Eintragungen „ohne weitere Nachprüfung" zu übernehmen hat, so kann das nicht heißen, daß es sie auch nach der Übernahme nicht mehr nachprüfen dürfte. Das Nachprüfungsrecht des Registerrichters nach § 144 F G G wird vom AktG nicht berührt, wie sich aus § 241 Nr. 6 und aus § 275 Abs. 3 ergibt. Der Registerrichter des neuen Sitzes ist aber der einzige, der zu solcher Nachprüfung noch imstande ist; denn der des alten Sitzes hat seine Eintragungen gelöscht und seine Akten abgegeben. Die Sitzverlegung soll selbstverständlich diese Nachprüfung nicht vereiteln (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 38 Anm. 3; vgl. aych K G J 44 A 152). Für den Fall der Verlegung innerhalb desselben Gerichtsbezirks entsteht diese Frage nicht. Hier bleibt dasselbe Registergericht zuständig und es versteht sich von selbst, daß seine Befugnisse aus § 144 F G G erhalten bleiben.

325

§45

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7—10

Anm. 7 5. Die gleichzeitige Anmeldung der Sitzverlegung und anderer Tatsachen Werden zugleich mit der Sitzverlegung noch andere Tatsachen zur Eintragung angemeldet und wird durch die Sitzverlegung ein neues Gericht zuständig, so wird, wenn nicht das Gericht des bisherigen Sitzes noch die anderen Tatsachen einträgt, das Gericht des neuen Sitzes für zuständig zu erachten sein, zugleich mit der Sitzverlegung diese Tatsachen einzutragen und die Bekanntmachung entsprechend zu fassen. O b das Gericht des bisherigen Sitzes die weiteren Tatsachen noch einzutragen hat, bestimmt sich nach der vom Anmelder angegebenen Reihenfolge, mangels einer solchen nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Registerrichters (Godin-Wilhelmi Anm. 3).

Anm. 8 6. Die Sitzverlegung an den Ort einer Zweigniederlassung Wird der Sitz an den Ort einer Zweigniederlassung verlegt und diese zur Hauptniederlassung, so ist die damit verbundene Aufhebung der Zweigniederlassung nach § 42 Abs. 6 zu behandeln; die Bekanntmachungen sind zu verbinden und entsprechend zu fassen. Wird die bisherige Hauptniederlassung durch die Sitzverlegung zur Zweigniederlassung, so ist diese als solche anzumelden (Schlegelberger-Quassowski § 38 A n m . 7)

Anm. 9 7. Die Sitzverlegung ins Ausland Eine Sitzverlegung ins Ausland hat die Bedeutung eines Auflösungsbeschlusses (§ 5 Anm. 6; B G H 25, 144; K u h n W M 57, 1142; Carl A C P 159, 306). Die dabei auftauchenden Fragen sind im A k t G nicht geregelt, wie sie auch im H G B nicht geregelt waren. Jedenfalls sind § 262 Abs. 1 Nr. 2 und § 263 zu beobachten. Auch eine Abwicklung wird stattzufinden haben, jedoch dadurch begrenzt, daß das Vermögen nicht verteilt, sondern die A G im Ausland fortgesetzt werden soll, vgl. § 262 Anm. 45.

Anm. 10 8. Die Sitzverlegung aus dem Ausland, den abgetrennten Gebieten und aus der Sowjetzone Eine Sitzverlegung aus dem Ausland in das Inland ist grundsätzlich nicht möglich. Insoweit muß eine Neugründung vorgenommen werden, die ihrerseits in jeder Hinsicht den deutschen Vorschriften über die Errichtung einer A G unterworfen ist (Schlegelberger-Quassowski § 38 Anm. 8; Teichmann-Koehler § 1 Anm. 7; Godin-Wilhelmi Anm. 7; Raape Intern. Priv. Recht S. 204; Carl A C P 159, 307; grundsätzlich gegenteiliger Ansicht Süß Festschrift für Hans Lewald 1954 S. 603 fr.). V o n diesem Grundsatz hat das Reichsgericht nach dem 1. Weltkrieg eine Ausnahme für den Fall zugelassen, daß eine in den abgetrennten Gebieten Deutschlands domizilierte A G nach Deutschland verlegt wurde ( R G 107, 97; K G J W 1926, 1351). Diese Ausnahme hat nach dem 2. Weltkrieg für Sitzverlegungen aus den Gebieten ostwärts der Oder-Neiße, dem Sudetenland, Elsaß-Lothringen usw. erneut praktische Bedeutung gewonnen, und zwar mit der Maßgabe, daß die Anmeldung und Eintragung beim Gericht des neuen Sitzes ohne weiteres zuzulassen ist, da eine Mitwirkung des Registergerichts an dem bisherigen Sitz der A G nicht mehr möglich ist ( O L G Hamburg M D R 1947, 126; O L G Gera H E Z 1, 60; O L G N ü r n b e r g N J W i g 5 2 , 1 0 9 ; Godin-Wilhelmi Anm. 7; Baumbach-Hueck Einl. Rn. 15; Brüggemann in Großkomm. H G B Allg. Einl. Anm. 80). Diese Auffassung hat auch gesetzliche Anerkennung gefunden (§ 14 des Zuständigkeitsergänzungsgesetzes vom 7. 8. 52 — BGBl. I S. 407), allerdings mit der Einschränkung, daß dies nicht für Sitzverlegungen aus Österreich gilt. M a n muß angesichts dieser gesetzlichen Regelung davon ausgehen, daß jedenfalls vom Zeitpunkt des Erlasses dieses Gesetzes eine Sitzverlegung aus Österreich nicht mehr möglich ist, hier demgemäß bei Verlegungen nur noch die Möglichkeit einer Neugründung gegeben ist. Die Sitzverlegung tritt aber nicht automatisch ein; vielmehr behalten Aktiengesellschaften, die keinen formellen Sitzverlegungsbeschluß

326

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 45

Anm. 11, 12

in Gestalt einer Satzungsänderung fassen, ihren Sitz in dem bisherigen Gebiet (so für C S S R und Polen B G H 33, ¡204 und 38, 40; K G in N J W 58, 1924 und 1926; SeidlHohenveldern J Z 61, 129; teilweise abweichend Carl A C P 159, 309, der infolge Auflösung der Gesellschaft im jetzigen Ausland eine Sitz Verlegung überhaupt nicht mehr für möglich hält, und Beitzke J Z 63, 359, der einen faktischen Sitz in der Bundesrepublik oder mindestens einen Hilfsgerichtsstand annimmt).

Anm. 11 Anders ist an sich die Rechtslage bei Sitzverlegungen aus dem Gebiet der Sowjetzone. Hier handelt es sich nicht um Ausland, und es wäre daher eine unmittelbare Anwendung des § 45 möglich. Infolge der politischen Verhältnisse in der Sowjetzone ist es jedoch dazu gekommen, daß die gebotene Mitwirkung des Registergerichts am bisherigen Sitz der Hauptniederlassung in der Sowjetzone bei Sitzverlegungen in das Gebiet der Bundesrepublik versagt wird und daher das Verfahren nach § 45 nicht eingehalten werden kann. Deshalb wird es in diesen Fällen, zumal die Mitwirkung des Gerichts des bisherigen Sitzes eine mehr formelle ist (Godin-Wilhelmi Anm. 6), als ausreichend angesehen, wenn die Sitzverlegung beim Gericht des neuen Sitzes angemeldet und eingetragen wird (BGH in L M Nr. 1 zu § 38 A k t G 3 7 ; L G Göttingen NdsRpfl. 1948, 39; O L G Düsseldorf N J W 1950, 470 und BB 62, 268; L G München N J W 1953, 465). Die gelegentlich aufgestellte Voraussetzung für ein solches Verfahren, daß nämlich zunächst der Beschwerdeweg wegen der versagten Mitwirkung seitens des sowjetzonalen Registergerichts ausgeschöpft sein müsse (so O L G Celle M D R 1948, 360) oder daß wenigstens die Versagung der Mitwirkung nachgewiesen werde (Drobnig N J W 1953, 465), wird man nicht verlangen können. Es kann mittlerweile als allgemein bekannt angesehen werden, daß die sowjetzonalen Gerichte bei Sitzverlegungen ihre Mitwirkung nach § 45 ablehnen, so daß es insoweit eines besonderen Nachweises nicht mehr bedarf (BGH in L M Nr. 1 zu § 38 A k t G 37; O L G Düsseldorf N J W 1950, 470; L G München N J W 1953,465; Beitzke M D R 1949, 761; W. Schmidt J R 1949, 553; Wendel Betrieb 1951, 267; Brüggemann in Großkom. H G B Allg. Einl. Anm. 80). Voraussetzung ist aber auch in diesem Fall, daß eine Sitzverlegung durch Satzungsänderungsbeschluß erfolgt, vgl. Anm. 10. Der Sitzverlegungsbeschluß erfordert nicht, daß die A G im Zeitpunkt der Verlegung in der Sowjetzone noch als bestehend anerkannt wird. A u c h wenn ihr Vermögen enteignet und die A G daraufhin im Handelsregister der Zone gelöscht worden ist, kann die Sitzverlegung doch noch beschlossen und angemeldet werden; denn sie ist durch die Beschlagnahme und Löschung, die außerhalb der Sowjetzone nicht anerkannt wird, nur für das Gebiet der sowjetischen Zone untergegangen, besteht aber im Gebiet der Bundesrepublik fort und kann durch eine Satzungsänderung unmittelbar einen Sitz in der Bundesrepublik begründen. O b man zur Sitzverlegung oder Sitzneubegründung in der Bundesrepublik „einen besonderen konstitutiven Akt der Gesellschaft" genügen lassen soll (so B G H in N J W 59, 673 und O L G Düsseldorf in D B 62, 268) ist zweifelhaft, auch welcher Art dieser konstitutive A k t zu sein hätte. Da eine Sitzverlegung in der Form einer Satzungsänderung den ost-enteigneten Gesellschaften durchaus möglich und zumutbar ist, besteht keine Veranlassung, von dem Erfordernis eines derartigen Beschlusses Abstand zu nehmen (so auch Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Einleitung Rn. 15). O b man allerdings den satzungsändernden Beschluß als Sitzverlegung oder Sitzneubegründung durch Satzungsänderung bezeichnen will, ist eine belanglose Formalität; denn jede Sitzverlegung ist die Neubegründung eines Sitzes durch satzungsändernden Beschluß. Hat die enteignete A G dagegen kein Vermögen in der B R D , hat also die Enteignung in der Sowjetzone ihre volle Vermögenslosigkeit herbeigeführt, so ist sie endgültig untergegangen (Beitzke N J W 1952, 842). Sie kann dann in der Bundesrepublik nur durch eine Neugründung wieder entstehen.

Anm. 12 9. Sitzverlegung bei einer Zweigniederlassung Bei einer Zweigniederlassung kommt eine Anwendung des § 45 grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Zweigniederlassung wird im Rechtssinn nicht verlegt, sie wird vielmehr

327

§46

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

am bisherigen Niederlassungsort aufgehoben und an dem anderen Ort neu errichtet (Baumbach-Hueck R n . 3 ; Hildebrandt-Schlegelberger§i3c Anm. 1; a . M . Würdinger in Großkomm. HGB § 13 c Anm. 9 ; ebenso AG Stuttgart in BB 63,1152 und AG MönchenGladbach in BB 58, 929, beide allerdings nicht für AG). Dabei handelt es sich wie auch sonst um einen rein tatsächlichen Vorgang ( § 4 2 Anm. 7). Eine abweichende Beurteilung ist bei der Zweigniederlassung einer ausländischen AG in registerrechtlicher Hinsicht gerechtfertigt. Diese wird insoweit wie eine inländische Hauptniederlassung behandelt (§ 44 Anm. u ) , so daß auch ihre Verlegung in registerrechtlicher Hinsicht nach den Vorschriften über die Verlegung der Hauptniederlassung zu erfolgen hat (LG Köln N J W I 9 5 I > 75)- Das bedeutet eine erhebliche Vereinfachung des Verfahrens vor dem Registergericht. Nur kann diese Gleichstellung der Zweigniederlassung einer ausländischen A G mit der inländischen Hauptniederlassung einer A G nicht zur Folge haben, daß materiellrechtlich die Sitzverlegung einer solchen Zweigniederlassung nach Abs. 2 Satz 5 erst mit der Eintragung im Handelsregister des neuen Sitzes wirksam wird. Insoweit verbleibt es auch hier bei dem allgemeinen Grundsatz, daß die Verlegung einer Zweigniederlassung ein rein tatsächlicher Vorgang ist, weil in materiellrechtlicher Hinsicht eine Gleichstellung der Zweigniederlassung einer ausländischen AG mit einer inländischen Hauptniederlassung nicht in Frage kommt.

§ 4:6

V e r a n t w o r t l i c h k e i t der Gründer

(1) Die Gründer sind der Gesellschaft als Gesamtschuldner verantwortlich für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Gründung der Gesellschaft über Übernahme der Aktien, Einzahlung auf die Aktien, Verwendung eingezahlter Beträge, Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen gemacht worden sind. Sie sind ferner dafür verantwortlich, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf das Grundkapital bestimmte Stelle (§ 54 Abs. 3) hierzu geeignet ist und daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Sie haben, unbeschadet der Verpflichtung zum Ersatz des sonst entstehenden Schadens, fehlende Einzahlungen zu leisten und eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen. (2) Wird die Gesellschaft von Gründern durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gründer als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gründer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen mußte. (4) Entsteht der Gesellschaft ein Ausfall, weil ein Aktionär zahlungsunfähig oder unfähig ist, eine Sacheinlage zu leisten, so sind ihr zum Ersatz als Gesamtschuldner die Gründer verpflichtet, welche die Beteiligung des Aktionärs in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit oder Leistungsunfähigkeit angenommen haben. (5) Neben den Gründern sind in gleicher Weise Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben. Sie können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gründer kannte oder kennen mußte. 328

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§46

Anm. 1—3 Ü b ersieht: Ajud.

Anm.

Ginleitung I. Allgemeines 1. Rechtsnatur der Haftung 2. Verhältnis zur Haltung aus anderem Rechtsgrund 3. Haftung gegenüber Aktionären und Gesellschaftsgläubigern

1 2

3 4

II. Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben Abs. i S. i 1. Der Haftungstatbestand 5,6 2. Berichtigung unrichtiger Angaben 7 8—11 3. Inhalt der Haftung III. Haftung für Eignung der Zahlstelle und freie Verfügung Abs. 1 S.2

12

IV. Haftung für Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand Abs. 2 1. Der Haftungstatbestand 2. Inhalt der Haftung

13 14

V. Haftung für die Leistungsunfähigkeit eines Aktionärs Abs. 4 15—18 VI. Verschulden. Entlastungsbeweis. Abs. 3 u. 4 1.Das Verschulden des haftenden Gründers 2. Die Vermutung eines Verschuldens

19,20 31

VII. Gesamtschuldverhältnis bei einer Mehrheit von haftenden Gründern

22

VIII. Haftung anderer Personen Abs. 5

23

Anm. 1 Einleitung § 39 regelt die Verantwortlichkeit der Gründerfiirden Gründungshergang. Die Vorschriften sind im § 39 AktG 37 gegenüber § 202 H G B verschärft worden. In das A k t G 65 sind sie mit zwei kleinen Änderungen übernommen worden. In Abs. 1 Satz 2 ist durch die Neufassung klargestellt worden, daß es sich bei der Haftung für die Eignung der Bank als Einzahlungsstelle einerseits und bei der Haftung für die freie Verfugung des Vorstandes über die eingezahlten Beträge andererseits, um zwei verschiedene Haftungstatbestände handelt. Außerdem ist Abs. 4 auch ausdrücklich auf Sacheinlagen ausgedehnt worden, auf die er aber fast allgemein auch bisher schon angewandt wurde (vgl. Vorauflage Anm. 7).

Anm. 2 I. Allgemeines 1. Die Rechtsnatur der Haftung Die Haftung der Gründer für den Gründungshergang besteht nach § 46 nur gegenüber der Gesellschaft. Sie setzt daher stets die Eintragung der Gesellschaft voraus. Die Haftung ist eine außervertragliche Haftung, sie bedeutet ihrem Inhalt nach im wesentlichen, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, eine Gewähr dafür, daß das Grundkapital der Gesellschaft entsprechend den gemachten Angaben aufgebracht und im Gründungsstadium erhalten wird. Sie steht sachlich der Haftung wegen unerlaubter Handlung nahe und kann insofern als deliktsähnlich bezeichnet werden. Daher Anwendung des § 32 Z P O (Gerichtsstand der unerlaubten Handlung) möglich, nicht dagegen die Anwendung des § 852 BGB, weil insoweit § 5 1 eine besondere Regelung für die Verjährung enthält.

Anm. 3 2. Verhältnis zur Haftung aus anderem Rechtsgrund Die Haftung der Gründer aus § 46 ist nicht ausschließlich in dem Sinn, daß daneben eine Haftung der Gründer gegenüber der Gesellschaft, etwa unter dem Gesichtspunkt

329

§ 46

Anm. 4, 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

einer unerlaubten Handlung, nicht in Betracht kommen könnte. Erfüllen die in § 46 behandelten Verfehlungen z. B. zugleich den Tatbestand des § 826 BGB, so kann die Gesellschaft auch nach § 826 BGB Schadensersatz verlangen; für einen solchen Anspruch gilt dann die Verjährungsvorschrift des § 852 BGB und nicht die des § 5 1 . Die Anwendung des § 826 BGB ist aber nicht einmal an die in § 46 genannten Tatbestände gebunden. Die Gesellschaft kann also auch in anderen Fällen, wenn die Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen, vom Schädiger Ersatz verlangen (vgl. R G 100, 177). Auch die Haftung aus Verträgen namentlich aus Einbringungsverträgen kann neben der Haftung aus § 46 bestehen.

Anm. 4 3. Haftung gegenüber Aktionären und Gesellschaftsgläubigern Die Vorschrift des § 46 — das gleiche gilt für die §§ 47 ff. — bezweckt den Schutz der Gesellschaft, nicht den Schutz der Aktionäre oder der Gesellschaftsgläubiger;'denn nur jene, nicht auch diese sind anspruchsberechtigt. Daraus folgt, daß diese Vorschriften als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. s BGB auch nur zugunsten der Gesellschaft, nicht auch zugunsten der Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger angesehen werden können ( R G 1 5 9 , 2 2 3 ; Ritter §39 Anm. 1 1 ; Brodmann §203 Anm. 3). Es erscheint aber nicht möglich, aus dieser Regelung auch die Folgerung zu ziehen, daß das gleiche ebenfalls für die Strafvorschrift des § 309 Abs. 1 Nr. 1 gelten müsse (so 1. Aufl. Anm. 3 ; Teichmann-Koehler § 39 Anm. 1). Der Schutzzweck dieser Bestimmung würde, ebenso wie der der anderen Strafbestimmungen, in untragbarer Weise eingeengt werden, wenn er allein unter Heranziehung des § 46 bestimmt werden würde. Es muß daher auch den Aktionären und den Gesellschaftsgläubigern auf dem Wege über § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 399 Abs. 1 Nr. 1 ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch zugebilligt werden, wenn sie durch ein mit Strafe bedrohtem Verhalten der Gründer in ihrem eigenen Vermögen geschädigt werden ( R G Z 157, 2 1 7 ; 159, 223; J W 1935, 3 3 0 1 ; 1938, 3297 und herrsch. Ansicht im Schrifttum; vgl. dazu auch §93 Anm. 68). Gewisse Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang die Frage, wieweit der Kreis der Personen zu ziehen ist, die durch § 399 Abs. 1 Nr. 1 geschützt werden. Mit GodinWilhelmi Vorbem. 4 wird man nicht nur die ersten Zeichner von Aktien als geschützt anzusehen haben, vielmehr wird man die Grenze zwischen den geschützten und den nicht geschützten Personen unter dem Gesichtspunkt des. adäquaten ursächlichen Zusammenhangs zu ziehen haben, so daß sich also nicht jeder, der irgendwann einmal Aktionär oder Gläubiger der A G wird, auf den Schutz des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 399 Abs. 1 Nr. 1 berufen kann. Daneben kann zugunsten einzelner Personen auch ein Schadensersatzanspruch nach §826 BGB gegeben sein ( R G Z 1 1 5 , 296 oben). Zu beachten ist jedoch in diesem Zusammenhang, daß mit der Entschädigung der Gesellschaft im allgemeinen auch der Schaden eines einzelnen Aktionärs oder Gläubigers beseitigt ist ( R G Z 157, 266; Ritter § 39 Anm. 1 1 ; Godin-Wilhelmi Vorbem. 4; vgl. dazu auch § 47 Anm. 18).

Anm. 5 II. Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben (Abs. 1 S. 1) 1. Der Haftungstatbestand

Es muß sich hier zunächst stets um Angaben handeln, die zum Zweck der Gründung gemacht worden sind. Gegenüber der früheren Fassung in § 202 H G B — „Angaben zum Zweck der Eintragung" (so noch jetzt § 399 Abs. I Nr. 1) — bedeutet das eine Klarstellung, daß es sich hierbei nicht nur um Angaben gegenüber dem Gericht handeln muß. Auch Angaben gegenüber den prüfenden Gesellschaftsorganen (RGSt. 18, 1 1 2 ) einschließlich der Gründungsprüfer gehören hierher und des weiteren selbst Angaben gegenüber einer Behörde, um die erforderliche Konzession zu erlangen (Brodmann §202 Anm. 4 b ; Ritter §39 Anm. 2 b ; Godin-Wilhelmi Anm. 2; a. M . DüringerHachenburg § 202 Anm. 12). Freilich werden in erster Linie hier die Angaben im

330

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 46

Anm. 6, 7

Gründungsbericht ( R G 26, 42) und in der Anmeldung (RGSt. 30, 310) in Betracht kommen. Nicht notwendig ist, daß die Angaben gesetzlich vorgeschrieben sind (RGSt. 33, 252; 43, 324; J W 1911, 257) oder daß sie geeignet sind, die Gründung der Gesellschaft herbeizuführen; es reicht stets aus, wenn die Angaben diesem Zweck zu dienen bestimmt sind. Insofern müssen sie daher im Gründungsverfahren gemacht sein; gelegentliche Äußerungen außerhalb des Verfahrens fallen nicht unter § 46. Ferner ist es nicht notwendig, daß die Angaben von den Gründern selbst gemacht worden sind; das ist angesichts der Erweiterung der Haftung in § 46 gegenüber der Regelung in § 202 H G B zweifelsfrei. Die Gründer können also auch für die Richtigkeit und Vollständigkeit von Angaben dritter Personen haftbar gemacht werden. Eine uferlose Ausdehnung der Haftung für Angaben dritter Personen wird durch das Erfordernis des Verschuldens (Anm. 19) verhütet.

Anm. 6 Die Gegenstände der in Betracht kommenden Angaben führt das Gesetz abschließend auf; es wird daher für die Richtigkeit und Vollständigkeit nur dieser gegenständlich bezeichneten Angaben gehaftet. Es handelt sich dabei um folgende: a) Die Übernahme der Aktien. § 202 H G B sprach von Zeichnung des Grundkapitals. Der jetzige Ausdruck ist umfassender und deckt die Übernahme von Aktien durch die Gründer. Z u den Angaben über die Übernahme der Aktien gehört auch die unmittelbare oder mittelbare Übernahme durch Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder, die j a nach § 33 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 eine Gründungsprüfung auslöst. b) Die Einzahlung auf die Aktien. Bisher hieß es „Einzahlung des Grundkapitals". Eingezahlt wird aber auch das Aufgeld (§ 36 Abs. 2); auch drückt die jetzige Fassung klarer aus, daß die Angaben über die Einzahlung auf jede einzelne Aktie richtig und vollständig sein müssen (§ 26 Anm. 14, § 37 Anm. 2 Nr. 2). Die Angabe, daß die Beträge zur freien Verfügung des Vorstandes ständen, fallt ebenfalls hierunter, während S. 2 die freie Verfügung selbst und nicht nur die Angabe darüber erfaßt (vgl. Anm. 12). c) Die Verwendung eingezahlter Beträge. Dies hängt damit zusammen, daß Einzahlungen zur Bezahlung der bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt werden dürfen (§ 36 Abs. 2) und daß diese Verwendung in der Anmeldung nachzuweisen ist (§37 Abs. 1 letzter Satz). d) Sondervorteile, Gründungsaiifwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen, also das, was in den §§ 26 und 27 behandelt ist. Hierunter fallen auch Angaben im Gründungsbericht, die die Angemessenheit der Leistungen für eingelegte oder übernommene Gegenstände betreffen, also z. B. Angaben über Rentabilität, Beginn des Geschäftsbetriebs, Konzessionserteilung, vorausgegangene, auf den Erwerb durch die Gesellschaft hinzielende Geschäfte. Verheimlichter Gründerlohn kann in zu hoher Anrechnung eines eingebrachten Werks liegen ( R G 26, 37; L Z 1912, 393 1 ).

Anm. 7 2. Berichtigung unrichtiger Angaben Unrichtige Angaben können bis zur Eintragung der Gesellschaft berichtigt werden. Damit entfallt die Haftung aus § 4 6 ( R G Z 127, 193). Zweifelhaft ist jedoch, wann im Einzelfall eine Berichtigung unrichtiger Angaben angenommen werden kann. Die im Schrifttum vertretene Auffassung (vor allem Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 1 1 ; Pinner J W 1930, 3724), eine Berichtigung liege schon immer dann vor, wenn sich z. B. aus der Gesamtheit der dem Registergericht eingereichten Unterlagen die Unrichtigkeit einer einzelnen Angabe ergebe, erscheint zu weitgehend. Die Berichtigung muß vielmehr klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden und damit ohne weiteres für einen Außenstehenden ersichtlich sein, ohne daß dieser mit einer umfassenden Prüfung aller Unterlagen und den Zweifeln einer oft schwierigen und vieldeutigen Auslegung belastet wird (ähnlich Cohn J W 1930, 3733; Ritter § 39 Anm. 2e; Godin-Wilhelmi A n m . 2.)

331

§46

Anm. 8—10

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 8 3. Inhalt der Haftung Uberwiegend wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, daß es sich hier um einen echten Schadensersatzanspruch im Sinn der §§ 249 fr. BGB handele, daß also die Gründer der Gesellschaft den ihr entstandenen Schaden zu ersetzen haben (Brodmann § 202 Anm. 2 b ; Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 49; Ritter § 39 Anm. 5; SchlegelbergerQuassowski § 39 Anm. 2; Teichmann-Koehler § 39 Anm. 3). Das ist jedoch nur mit Einschränkungen richtig. Es ist denkbar, daß der Gesellschaft durch eine unrichtige Angabe überhaupt kein Schaden erwachsen ist und daß die Gründer gleichwohl zur Haftung herangezogen werden (vgl. dazu Godin-Wilhelmi Anm. 13). Die Gründer haben nämlich mit ihrer Ersatzpflicht nicht wie bei einem echten Schadensersatzanspruch den Zustand wiederherzustellen, der ohne ihr haftungsbegründendes Verhalten, also bei richtiger Angabe des Sachverhalts, bestehen würde. Sie müssen sich vielmehr so behandeln lassen, als ob ihre unrichtige Angabe richtig wäre. Sie haben also für die Angaben, so wie sie gemacht sind, einzustehen. Ihre Haftung ist damit in ihrem Inhalt eine Gewährleistung, ein Einstehen für die gemachte Angabe (BGH 29, 306; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG S. 278; zweifelnd Ballerstedt Z H R 127, 103), wobei freilich ein Verschulden des Haftenden (vgl. Anm. 19) Voraussetzung ist. Eine Anwendung der §§ 249 f r BGB kommt hier somit nur mit der Maßgabe in Betracht, daß die Gründer den Zustand herzustellen haben, der bestehen würde, wenn die Angaben, so wie sie gemacht sind, richtig gewesen wären ( R G 144, 357). Insofern haften sie auch für einen entgangenen Gewinn (§ 252 BGB). Auch einer Anwendung des § 255 BGB steht grundsätzlich nichts im Wege. Dagegen kommt nach dem Grundgedanken der §§ 46 fr. eine Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB nicht in Betracht, so daß die Gesellschaft ein mitwirkendes Verschulden des Vorstands oder des Aufsichtsrats in der Zeit vor ihrer Eintragung nicht zu vertreten hat ( R G 154, 268); dagegen erscheint eine Anwendung des § 254 Abs. 2 BGB für die Zeit nach der Eintragung der Gesellschaft nicht als ausgeschlossen ( R G 154, 290; herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M. Ritter § 39 Anm. 2a). Anm. 9 Bei unrichtigen Angaben hinsichtlich der Übernahme von Aktien haben die Gründer für den ungedeckt gebliebenen Teil des Grundkapitals selbst aufzukommen. Sie haben also die nicht übernommenen Aktien selbst zu übernehmen. Die Gesellschaft muß ihnen andererseits nach Erstattung des Fehlbetrages auch die offen gebliebene Beteiligung einräumen (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 49). Allerdings ist ein derartiger Tatbestand nach Aufhebung der Stufengründung kaum mehr vorstellbar, weil j a die Gründungsurkunden die Übernahme sämtlicher Aktien durch die Gründer ergeben müssen. Haben aber die Gründer z. B. die Übernahme von Aktien für Rechnung von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern nicht angegeben und ist deshalb eine Gründungsprüfung unterblieben, so haften die Gründer gemäß den Ausführungen in Anm. 8 für alle Schäden, die der Gesellschaft aus der Beteiligung des Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedes entstehen, z. B. wenn dieser und seine Treuhänder vor Volleinzahlung der Aktien in Konkurs geraten. Anm. 10 Unrichtige Angaben über die vorgenommenen Einzahlungen auf die, Aktien führen gemäß S. 3 zur gesamtschuldnerischen Verpflichtung sämtlicher Gründer, die fehlenden Einzahlungen selbst zu leisten. Die Gründer können dabei nicht verlangen, daß sich die Gesellschaft zunächst an den von der falschen Angabe betroffenen Gründer wendet oder gar ein Kaduzierungsverfahren durchführt. Die Gründer haben auch nicht einen Anspruch auf die Aktie. Das Rechtsverhältnis zwischen Aktienübernehmer und Gesellschaft wird durch die Haftung der Gründer für unrichtige Angaben über die Einzahlungen auf Aktien überhaupt nicht berührt. Nur wenn ein von der Gesellschaft in Anspruch

332

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 46

Anm. 11, 12

genommener Gründer auf Grund seiner Haftungsverpflichtung zahlt, erfüllt er damit eine Leistung, die dem Aktienübernehmer gegenüber der Gesellschaft obliegt. Uber die daraus sich ergebenden Ausgleichsansprüche vgl. Anm. 22.

Anm. 11 Bei unrichtigen Angaben über Sondervorteile, Sacheinlagen usw. ist zu beachten, daß in der Satzung nicht festgesetzte Vereinbarungen über Sondervorteile usw. nicht angegeben zu werden brauchen. Derartige Vereinbarungen sind nach §§ 26, 27 ohne weiteres nichtig. Werden sie also z. B. bei der Anmeldung nicht erwähnt, so sind die Angaben in diesem Punkt auch nicht unvollständig (Düringer-Hachenburg §202 Anm. 27; Ritter § 39 Anm. 2f.). Etwas anderes gilt auf Grund ausdrücklicher Vorschrift in S. 3 für den Gründungsaufwand. Ist ein solcher nämlich nicht festgesetzt, aber gleichwohl an einen gutgläubigen Dritten gezahlt worden, so wird dieser geschützt. Es mußte daher auf dem Wege der Haftung nach § 46 die Gewähr dafür geschaffen werden, daß die Gesellschaft einen Ersatz für die nicht festgesetzte und angegebene Auszahlung eines Gründerlohns erhält (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 54). Eine Haftung der Gründer ist gegeben, wenn eine Sacheinlage angegeben, die Vereinbarung über die Sacheinlage jedoch fehlerhaft ist und die Gesellschaft statt der erwarteten Sacheinlage nur eine Geldeinlage erhält (vgl. dazu §27 Anm. 15ff.).

Anm. 12 III. Haftung für Eignung der Zahlstelle und freie Verfügung (Abs. 1 S. 2) L..

Neben die Verantwortlichkeit für unrichtige und unvollständige Angaben stellt Abs. 1 als zweiten Tatbestand die Verantwortlichkeit dafür, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf das Grundkapital bestimmte Stelle hierzu geeignet ist und — was das A k t G 65 besonders klargestellt hat — daneben auch dafür, daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstandes stehen. Da Einzahlungen durch Gutschriften auf ein besonderes Bankkonto der Gesellschaft oder des Vorstandes geleistet werden können (§ 54 Abs. 3), sind die Gründer dafür verantwortlich, daß die zur Einzahlung bestimmte Bank zahlungsfähig und zuverlässig ist. Allerdings ergibt sich nirgends, daß die Gründer für die Bestimmung der Einzahlungsstelle zuständig wären; im Gegenteil, hier handelt es sich um eine eindeutige Zuständigkeit des Vorstandes, der j a die Einzahlung auch auf seinen Namen anfordern kann (vgl. § 54 Abs. 3 Satz 2). Aus der Haftung der Gründer für die Auswahl der Einzahlungsstelle muß aber gefolgert werden, daß sie die von den Vorstandsmitgliedern bestimmten Zahlstellen nicht einfach a b gegeben hinnehmen, sondern sich selbst zu überzeugen haben, daß sie geeignet sind, und ggf. durch Einwirkung auf den Vorstand für die Auswahl einer anderen Einzahlungsstelle zu sorgen haben. Die Haftung besteht im Grundsatz auch, wenn die Deutsche Bundesbank oder ein Postscheckkonto zur Einzahlung bestimmt wird. Jedoch scheidet hier wegen der unbezweifelbaren Bonität der Einzahlungsstelle praktisch jedwede Haftung aus. Die Haftung für die Eignung der Zahlstelle begründet eine reine Schadenersatzpflicht für Verschulden bei der Auswahl. Die weitere Haftung erstreckt sich darauf, daß die eingezahlten Beträge tatsächlich auch zur freien Verfügung des Vorstandes stehen. Dazu gehört (§ 36 Anm. 15; § 37 Anm. 3) einmal, daß die Beträge in der T a t ordnungsgemäß eingezahlt sind, zum anderen, daß der Vorstand über die eingezahlten Beträge frei, insbesondere ohne Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrecht der Bank oder irgendeine Sperre verfügen kann, und schließlich, daß über die Beträge bis zur Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister nicht unzulässig, also für andere Ausgaben als Steuern und Gebühren, verfügt ist. Es geht hier nicht um die Richtigkeit der Angaben des Vorstandes über diesen Tatbestand, sondern um die Richtigkeit dieses Tatbestandes selbst. Für ihn stehen nicht nur der Vorstand und ggf. der Aufsichtsrat gemäß § 48 ein und in beschränktem M a ß e auch die Bank entsprechend ihrer Bestätigung gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3, sondern auch die Gründer. Aus dieser Verantwortung ist zu folgern, daß sie nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet sind, sich von diesen Tatbeständen zu überzeugen und sich ein eigenes Urteil hierüber zu bilden. Ist die freie Verfügung des

333

§46 Anm. 13, 14

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Vorstandes über die eingezahlten Beträge nicht gegeben, so sind die Gründer g e m ä ß Satz 3 verpflichtet, die nicht zur freien V e r f u g u n g stehenden Beträge zu zahlen. Diese Haftung ist eine echte Gewährleistung. Ein Schaden braucht der Gesellschaft durch das haftungsbegründende Verhalten der Gründer nicht entstanden z u sein (GodinWilhelmi A n m . 8, 14; Wolany A k t G 66, 121).

Anm. 13 IV. Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand (Abs. 2) 1. Der Haftungstatbestand Der dritte Haftungsgrund ist die vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand. Dieser T a t bestand ist unabhängig davon, ob die gemachten A n g a b e n unrichtig oder unvollständig sind. A u c h bei deren Richtigkeit und Vollständigkeit tritt die H a f t u n g ein, aber nur, wenn die Schädigung von einem Gründer vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist. § 202 H G B beschränkte sich auf Sacheinlagen und Sachübernahmen und setzte eine „bösliche" Handlungsweise voraus. Das A k t G 37 erweiterte den Tatbestand objektiv und subjektiv. Die „ E i n l a g e " umfaßt auch die Bareinlage (Scheinzahlungen). Die Gründer können nicht mehr jeden beliebigen A u f w a n d bewilligen, wenn sie ihn nur offenbaren, sondern müssen auch dabei vermeiden, die Gesellschaft zu schädigen. O b der Sacheinleger schon ohne Rücksicht auf sein oder eines anderen Gründers V e r schulden für den vollen Wert seiner Sacheinlage haftet und sich an seine Deckungszusage — ähnlich wie in den Fällen eines mangelhaften Einbringungsvertrages ( § 2 7 A n m . 15 fr.) — halten lassen muß, ist für den Haftungstatbestand aus Abs. 2 belanglos, beseitigt gegebenenfalls aber den Schaden ganz oder teilweise (vgl. B G H 29, 306).

Anm. 14 2. Der Inhalt der Haftung Der Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Gründer nach A b s . 2 ist ein echter Schadensersatzanspruch; die Gesellschaft ist so zu stellen, wie sie ohne das haftungsbegründende Verhalten gestanden haben würde. Der Gesellschaft ist im allgemeinen bei einer Uberwertung der Sacheinlage oder der Sachübernahme der Unterschiedsbetrag zwischen Wert und Bewertung zu ersetzen und bei einem überhöhten Gründungsaufw a n d die entsprechende Differenz zu erstatten. Eine Naturalherstellung kommt hier im allgemeinen nach L a g e der Dinge nicht in Betracht. Dagegen kann die Gesellschaft bei einer überbewerteten Sacheinlage grundsätzlich nicht verlangen, d a ß die Sacheinlage unter Verzicht auf die Beteiligung zurückgenommen wird. O b in einem solchen Verlangen allerdings ein Rücktritt v o m Einbringungsvertrag zu erblicken ist (so DüringerHachenburg § 202 A n m . 57), der nach allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen nicht zulässig wäre (§ 27 A n m . 17), erscheint immerhin zweifelhaft. D e n n eine rückwirkende K r a f t würde ein solches Verlangen nicht haben. Das wird besonders deutlich, wenn zwischen der Gesellschaft und dem Sacheinleger eine dahingehende Vereinbarung getroffen wird, die beim Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Ziff. 1 als zulässig angesehen werden m u ß (Düringer-Hachenburg, a. a. O . ; SchlegelbergerQuassowski § 39 A n m . 4). Entscheidend für die Unzulässigkeit eines solchen einseitigen Verlangens ist vielmehr, d a ß dieses einen einseitigen Ausschluß des Sacheinlegers darstellen würde. O b freilich die Gesellschaft im Einzelfall gegen den ersatzpflichtigen Sacheinleger nach T r e u und Glauben einen Anspruch auf Zustimmung zu einer solchen Vereinbarung (Rücknahme der Sacheinlage gegen Übertragung des Beteiligungsrechts) hat, erscheint nicht ausgeschlossen, und zwar dann nicht, wenn der Sacheinleger den Schadensersatz nicht leisten kann, die Gesellschaft aber die Aktie z u m vollen Nennbetrag verwerten könnte. Bei einer überbewerteten Sachübernahme kann die Gesellschaft statt des Unterschiedsbetrags zwischen Wert und Bewertung von dem ersatzpflichtigen Gründer auch verlangen, d a ß dieser den überbewerteten Gegenstand abnimmt und den bezahlten Betrag in voller Höhe erstattet (Düringer-Hachenburg § 202 A n m . 58).

334

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 46 Anm. 15—17

Anm. 15 V. Haftung für die Leistungsunfähigkelt eines Aktionärs (Abs. 4) Diese Haftung setzt für Geldleistungspflichten, mag es sich um die eigentliche Einzahlung oder um die Deckungszusage handeln, Zahlungsunfähigkeit eines Gründers voraus. Hierunter wird im Schrifttum im allgemeinen Zahlungsfähigkeit im Sinn des § ioa K O verstanden, also das auf Mangel flüssiger Mittel beruhende, andauernde Unvermögen, sofort zu erfüllende Geldschulden noch im wesentlichen zu berichtigen oder für Sachschulden Geldersatz zu leisten (vgl. Jaeger K o m m . K O § 102 A n m . 2). Diese Einschränkung erscheint jedoch bedenklich. Nach dem Sinnzusammenhang der Vorschrift, die auch für diesen Fall die rechtzeitige und vollständige Aufbringung des Grundkapitals sicherstellen will, wird man das einfache Unvermögen eines Aktionärs, die zugesagte Bareinlage aufzubringen, als ausreichend ansehen müssen (so auch Godin-Wilhelmi Anm. 10). Die Zahlungsunfähigkeit muß nach dem Wortlaut des Abs. 4 schon in dem Zeitpunkt bestanden haben, in dem die Gründer die Beteiligung des Aktionärs angenommen haben; das ist der Zeitpunkt, in dem die übrigen Gründer mit dem Zahlungsunfähigen die Übernahme der Aktien vereinbaren. Trotz des Wortlauts kann nach dem Grundgedanken dieser Haftung eine erst nachher, aber vor der Eintragung der Gesellschaft eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Aktionärs nicht ohne Belang sein. Da die Gründer in diesem Fall das Recht haben, von der Gründungsvereinbarung mit dem bankrotten Mitgründer zurückzutreten oder die Vereinbarung anzufechten (vgl. § 29 Anm. 11 und 13), so muß man auch ihre Pflicht bejahen, von diesem Recht bei Kenntnis einer erst nachträglich bekanntgewordenen Zahlungsunfähigkeit Gebrauch zu machen. Daraus ergibt sich sodann die Folgerung, daß die Gründer auch dann haften, wenn sie das in einem solchen Fall nicht tun (Düringer-Hachenberg § 202 Anm. 30; Godin-Wilhelmi Anm. 10; Baumbach-Hueck Rn. 8; a . M . Ritter § 39 Anm. 8 b ; Schlegelberger-Quassowski § 39 Anm. 5; TeichmannKoehler § 39 Anm. 4).

Anm. 16 Die Neufassung des Abs. 4 (Anm. 1) stellt klar, daß er nicht nur auf die Zahlungsunfähigkeit des Aktionärs bei Geldzahlungsverpflichtungen sondern auch auf die Leistungsunfähigkeit bei einer Sacheinlage anzuwenden ist. Diese Leistungsunfahigkeit braucht keinesfalls auf einer Zahlungsunfähigkeit zu beruhen, sondern kann auch andere Gründe haben, z. B. mangelnde Verfügungsbefugnis über den Einbringungsgegenstand, anfängliche Unmöglichkeit der Leistung und dergleichen mehr. Es mag sein, daß sich durch diese Gründe die Sacheinlageverpflichtung des Gründers in eine Geldeinzahlungspflicht wandelt. Auch wenn der Gründer zu ihrer Deckung gerade noch in der Lage ist, kann doch aus der Leistungsunfahigkeit für die Sacheinlage bei der Gesellschaft ein erheblicher Ausfall entstehen, z. B. dann, wenn in dem Einbringungswert eine hohe stille Reserve steckte, die nun, da die Geldzahlungsverpflichtung j a nur auf den Nennbetrag oder höheren Ausgabebetrag der übernommenen Aktien geht, der Gesellschaft verloren geht. Kann dieser Schaden durch den Einbringer nicht gedeckt werden oder steht dieser aus irgendwelchen Gründen dafür nicht ein, so handelt es sich um einen Schaden, der der Aktiengesellschaft aus der Unfähigkeit des Gründers, die Sacheinlage zu leisten, entstanden ist, und für den die Gründer, die in Kenntnis dieser Unfähigkeit den Einbringungsvertrag abgeschlossen haben, der Gesellschaft gegenüber einzustehen haben.

Anm. 17 Die Gesellschaft muß durch die Leistungsunfahigkeit im Sinne der Anm. 15 u. 16 einen Ausfall erlitten haben; zum Nachweis eines solchen Ausfalls bedarf es nicht unbedingt einer fruchtlosen Zwangsvollstreckung gegen den Gründer. Der Ausfall kann sowohl bei der ersten Rate wie auch bei einer späteren eintreten; denn wenn der Gründer auch gerade noch die erste Rate hat aufbringen können, so schließt das doch

335

§ 46 Anm. 18, 19

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

nicht notwendig aus, daß er zahlungsunfähig war. Hat ein Bareinleger seine Aktie veräußert, so steht der Ausfall nicht eher fest, als bis das Kaduzierungsverfahren (§§ 64, 65) durchgeführt ist (allg. Ansicht). Zweifelhaft ist dagegen, ob ein Kaduzierungsverfahren auch dann notwendig ist, wenn der Bareinleger seine Aktie nicht veräußert hat. Der Wortlaut des Abs. 4 gibt für die Beantwortung dieser Fragen keinen greifbaren Anhalt. Eine Ansicht im Schrifttum (1. Aufl. Anm. 11; Ritter § 39 Anm. 8 c) hält ein Kaduzierungsverfahren nicht für erforderlich und nimmt dabei in Kauf, daß dem säumigen Gründer oder seiner Konkursmasse unverdientermaßen die von dem in Anspruch genommenen Gründer voll eingezahlte Aktie zufallt und der zahlende Gründer auf einen fragwürdigen Regreßanspruch (vgl. dazu Anm. 22) gegen den zahlungsunfähigen Mitgründer oder dessen Konkursverwalter verwiesen wird. Das erscheint so unbillig und durch den Zweck der Haftung so wenig gerechtfertigt — denn die vorherige Durchführung eines Kaduzierungsverfahrens ist auch hier der Gesellschaft durchaus zumutbar — , daß man das nicht billigen kann (ebenso Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 55; Brodmann § 202 Anm. 7; Godin-Wilhelmi Anm. 17 und jetzt auch Baumbach-Hueck Rn. 8). Diese Ansicht führt dann auch zu dem sinnvollen Ergebnis, daß es insoweit ohne Belang ist, ob der Gründer die Aktie weiterveräußert hat oder nicht. Da bei Nichtleistung einer Sachlage ein Kaduzierungsverfahren gemäß §§ 64, 65 ausscheidet (§ 64 Anm. 2), erfordert bei der Sacheinlage die Feststellung des Ausfalles kein derartiges Verfahren; es scheidet auch deshalb aus, weil die etwa an die Stelle der Sacheinlage getretene Geldeinzahlungsverpflichtung von dem zur Einbringung verpflichteten Gründer erfüllt sein kann, trotzdem aber für die A G ein Ausfall entstanden sein kann (Anm. 16). Anm. 18 Hervorzuheben ist, daß sich die Haftung des Gründers für die Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs grundsätzlich von der Haftung des Mitgesellschafters einer GmbH nach § 24 GmbHG unterscheidet. Die Haftung des Gründers nach Abs. 4 ist gegenüber der Regelung nach § 24 GmbHG außerordentlich stark eingeschränkt. Die für § 24 GmbHG geltenden Grundsätze werden daher für den Anwendungsbereich des § 46 Abs. 4 im allgemeinen nicht herangezogen werden können. Anm. 19 VI. Verschulden. Entlastungsbeweis 1. Das Verschulden der haftenden Gründer Grundsätzlich ist in allen Fällen Voraussetzung für die Haftung eines einzelnen Gründers Verschulden. Dabei ist für eine Haftung des Gründers in den Fällen des Abs. 1 (Anm. 5—12) und des Abs. 2 (Anm. 13, 14) Vorsatz oder Fahrlässigkeit ausreichend. Hat der in Anspruch genommene Gründer die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen gekannt oder hätte er sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen müssen, so haftet er der Gesellschaft (Abs. 3). Das bedeutet bei einer Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben (Abs. 1), daß der in Anspruch genommene Gründer von seiner Haftung nur frei kommt, wenn er die Unrichtigkeit der von ihm oder einem anderen gemachten Angaben nicht gekannt hat und auch nicht erkennen konnte oder wenn ihm die von einem Dritten gemachten unrichtigen Angaben überhaupt unbekannt waren und ihm auch nicht bekannt sein mußten. Bei der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Schädigung der Gesellschaft durch Sacheinleger usw. kann unter Tatsachen, was hier besonders hervorzuheben ist, nur der objektive Tatbestand, also die Ursache der Schädigung, verstanden werden. Hatte ein anderer Gründer diese gekannt oder hätte er sie kennen müssen, so ist er haftbar, auch wenn ihm der Vorsatz oder die grobe Fahrlässigkeit des unmittelbaren Schädigers nicht erkennbar gewesen sein sollte. Er hätte eingreifen und den Schaden verhindern müssen. Nur dann, wenn es ihm bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht mehr möglich gewesen wäre, den Eintritt des Schadens zu verhindern, kann er nicht haftbar gemacht werden. Er haftet also aus einfacher Fahrlässigkeit mit für die vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungsweise des unmittelbaren Schädigers. Soweit

336

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 46

Anm. 20—22

er sich auf Taxen einwandfreier Sachverständiger verlassen hat, wird in der Regel eine Fahrlässigkeit nicht angenommen werden können. Als Maßstabför eine Fahrlässigkeit ist in den Fällen des Abs. i und 2 die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns — nicht wie in § 347 H G B die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, da die Gründung einer A G nicht notwendig ein kaufmännisches Geschäft ist — zugrunde zu legen. Es kann also nicht von den individuellen Verhältnissen des in Anspruch genommenen Gründers ausgegangen, auf seine persönliche Unfähigkeit keine Rücksicht genommen werden. Die anzuwendende Sorgfalt bestimmt sich vielmehr nach den Erfordernissen einer Gründung und dem Gegenstand des Unternehmens. Wer nicht die erforderliche Vorbildung hat, ein Unternehmen der beabsichtigten Art in Form einer A G zu gründen, muß sich davon fernhalten ( R G 95, 17).

Anm. 20 Im Unterschied zu der Haftung aus Abs. 1 und 2 genügt für die Haftung eines Gründers für die Zahlungs- oder Leistungsunfahigkeit eines Aktionärs Fahrlässigkeit nicht. Hier ist stets positive Kenntnis des einzelnen Gründers von der Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs erforderlich. Uber den Zeitpunkt, in dem diese Kenntnis vorliegen muß, vgl. A n m . 15.

Anm. 21 2. Die Vermutung eines Verschuldens nach Abs. 3 Hinsichtlich des Verschuldens ist in den Haftungsfallen des Abs. 1 und 2 die Beweislast umgekehrt. Die Gesellschaft hat lediglich das Vorliegen des objektiven Haftungstatbestandes darzutun und zu beweisen, wozu im Fall des Abs. 2 allerdings auch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des unmittelbaren Schädigers gehören. Der in Anspruch genommene Gründer hingegen muß sich seinerseits entlasten und beweisen, daß ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt. Unklarheiten, die insoweit bestehenbleiben, treffen ihn. Die Umkehrung der Beweislast gilt nicht bei der Haftung des Gründers für die Leistungsunfahigkeit eines Aktionärs. Hier m u ß also die Gesellschaft nicht nur den objektiven Haftungstatbestand, sondern auch die Kenntnis des in Anspruch genommenen Gründers von der Zahlungs- oder Leistungsunfahigkeit dartun und beweisen.

Anm. 22 VII. Gesamtschuldverhältnis bei einer Mehrheit von haftenden Gründern Für die Haftung des Gründers gegenüber der Gesellschaft ist es ohne Belang, ob der eine von ihnen wegen vorsätzlichen Verhaltens, der andere aber nur wegen fahrlässigen Verhaltens ersatzpflichtig ist. Sie haften der Gesellschaft stets als Gesamtschuldner im Sinn der §§ 421 ff. BGB. Im Innenverhältnis haben sie daher das Recht des Rückgriffs gemäß § 426 BGB. Bei dieser Ausgleichung ist in jedem Fall die Stärke der Verursachung und des Verschuldens nach § 254 BGB zu berücksichtigen ( R G 75, 256; 87, 67; 102, 32). Danach kann einer von ihnen den ganzen Schaden allein tragen, z. B. der vorsätzlich Handelnde, wenn die übrigen Gründer nur wegen eigener Fahrlässigkeit haften. Die Streitfrage, ob ein solches echtes Gesamtschuldverhältnis auch dann vorliegt, wenn ein Gründer wegen unrichtiger Angaben für fehlende Einzahlungen neben dem Ubernehmer der Aktie zu haften hat (bejahend Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 5 1 ; verneinend Ritter § 39 Anm. 5; Godin-Wilhelmi Vorbem. 5), hat nur konstruktive Bedeutung. Denn Einigkeit besteht über die einzig wesentliche Frage, daß nämlich auch in diesem Fall der Gründer gegen den Mitgründer einen Erstattungsanspruch in voller Höhe hat, wobei es wiederum nur von konstruktivem Interesse ist, ob der Anspruch der Gesellschaft gegen den Aktienübernehmer auf den zahlenden Gründer unter Anwendung des § 255 BGB (so Ritter a. a. O.) oder ob er kraft Gesetzes (§ 426 Satz 1 BGB) auf ihn übergeht (so Düringer-Hachenburg a. a. O.). Haften mehrere Gründer wegen unrichtiger Angaben hinsichtlich der Übernahme der Aktien, so ist auch diese Haftung eine Gesamthaftung (a. M . Brodmann § 202 Anm. 5). Die 22

Aktlengesetz I , 3. Aufl.

337

§ 46 Anm. 23 §«7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Gesellschaft kann einen der Gründer auf den vollen Betrag in Anspruch nehmen, muß ihm freilich dann auf sein Verlangen die offen gebliebene Beteiligung einräumen (Anm. 9). Nimmt der in Anspruch genommene Gründer sodann Rückgriff gegen die übrigen Gesamtschuldner, so muß er einem jeden einen entsprechenden Anteil an der eingeräumten Beteiligung überlassen. Anm. 23 VIII. Haftung anderer Personen (Abs. 5) Neben den Gründern sind in gleicher Weise die Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben, neben den Strohmännern also auch deren Hintermänner (Abs. 5). Diese Regelung stellt eine überaus zweckmäßige Ergänzung dar. Die Gründerhaftung könnte leicht dadurch umgangen werden, daß vermögenslose Strohmänner, deren Haftung wertlos wäre, die Gründung vornähmen. Die Auftraggeber können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gründer kannte oder kennen mußte. Da sie aber in gleicher Weise haften wie die für ihre Rechnung handelnden Gründer, so können sie sich auch nicht darauf berufen, daß die Gründer Umstände weder gekannt haben, noch hätten kennen müssen, wenn sie selbst diese Kenntnis besessen haben oder hätten besitzen müssen. Damit ist der Anreiz zum Vorschieben von Strohmännern erheblich abgeschwächt und eine recht brauchbare Waffe gegen Unredlichkeiten geschaffen. Diese Vorschrift ist entsprechend anzuwenden auf Bevollmächtigte und gesetzliche Vertreter, eine Heranziehung der insoweit unzulänglichen Bestimmung des § 166 BGB bedarf es jetzt nicht mehr (so schon Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 39).

§ 4:7

V e r a n t w o r t l i c h k e i t a n d e r e r P e r s o n e n n e b e n den G r ü n d e r n

Neben den Gründern und den Personen, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben, ist als Gesamtschuldner der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, 1. wer bei Empfang einer Vergütung, die entgegen den Vorschriften nicht in den Gründungsaufwand aufgenommen ist, wußte oder nach den Umständen annehmen mußte, daß die Verheimlichung beabsichtigt oder erfolgt war, oder wer zur Verheimlichung wissentlich mitgewirkt hat; 2. wer im Fall einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Schädigung der Gesellschaft durchEinlagen oder Sachübernahmen an der Schädigung wissentlich mitgewirkt hat; 3. wer vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung die Aktien öffentlich ankündigt, um sie in den Verkehr einzuführen, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Gründung der Gesellschaft gemacht worden sind (§ 46 Abs. 1), oder die Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen mußte. 338

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§47

Anm. 1, 2

Übersicht: Anm.

Einleitung

i

I. Die Haftung für Schädigung der Gesellschaft durch Gründungsaufwand (Nr. i) 1. Allgemeines 2. Der objektive Haftungstatbestand 3. Die subjektiven Voraussetzungen der Haftung II. Die Haftung für Schädigung derGesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen (Nr. 2)

2 3 4

5

III. Die Haftung für öffentliche Ankündigung von Aktien (Nr. 3) 1. Allgemeines 6 2. Der Begriff der öffentlichen Ankündigung 7—9 10, 11 3. Der Haftungstatbestand 4. Entsprechende Anwendung bei Kapitalerhöhung 12

Anm.

5. Die strafrechtliche Verantwortung bei öffentlicher Ankündigung

13

I V . Die Haftung für unrichtige Angaben im Prospekt nach § 45 BörsG

14

V . Die Haftung nach § 40 1. Die Haftung „gegenüber der Gesellschaft" 2. Der Inhalt der Haftung 3. Das Gesamtschuldverhältnis bei einer Mehrheit von haftenden Personen

15 16

17

V I . Zusammentreffen der Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber Aktionären oder anderen Per18

Anm. 1 Einleitung Neben den Gründern machte unter gewissen Voraussetzungen das H G B in § 202 Abs. 4 sogenannte Gründergenossen für Schädigung der A G verantwortlich. Dazu trat in § 203 H G B die Haftbarkeit für öffentliche Ankündigungen. Diese Vorschriften faßte § 40 A k t G 37 unter der Überschrift „Verantwortlichkeit neben den Gründern" unter drei Nummern zusammen. Die Verantwortlichkeit besteht aber, wie das Gesetz klarstellt, nicht nur neben den Gründern, sondern auch neben ihren Hintermännern (§46 Abs. 5), also neben allen Personen, die von § 46 betroffen werden. Die Mithaftung ist ebenfalls gesamtschuldnerisch. § 47 A k t G 65 hat diese Regelung des § 40 A k t G 37, abgesehen von sprachlichen Änderungen, unverändert übernommen.

Anm. 2 I. Die Haftung für Schädigung der Gesellschaft durch Gründungsaufwand (Nr. 1) 1. Allgemeines Empfangt jemand eine Vergütung, die entgegen der Vorschrift des § 26 Abs. 2 nicht in den Gründungsaufwand aufgenommen worden ist, so würde der Empfanger diese Vergütung nach den allgemeinen Vorschriften der Gesellschaft als ungerechtfertigte Bereicherung zurückgewähren müssen. Denn die Verletzung des § 26 Abs. 2 fuhrt dazu, daß die Abrede über die Gewährung der Vergütung gegenüber der Gesellschaft unwirksam ist (§ 26 Anm. 15). Diese Folgerung, die sich aus dem bürgerlichen Recht ergeben würde, ist jedoch zum Schutz solcher Personen, deren Hilfe bei der Gründung einer A G in Anspruch genommen wird, untragbar. Diese Personen können vielfach gar keine Gewißheit darüber erlangen, ob die Gründer die ihnen zugesagte Vergütung ordnungsgemäß in den festgesetzten Gründungsaufwand aufgenommen haben, ob insbesondere die Gesamtsumme des festgesetzten Gründungsaufwands ihre Vergütung mitumfaßt. Aus diesem Grund enthält die Nr. 1 eine wesentliche Einschränkung der Haftung desjenigen, der eine im Gründungsaufwand nicht aufgenommene Vergütung empfangen hat (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 60; so jetzt auch Godin-Wilhelmi A n m . 4). Das be22*

339

§47 Anm. 3—5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

deutet, daß angesichts der Vorschrift des § 47 eine Anwendung der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung nicht möglich ist. Im Fall einer Haftung nach Nr. 1 kann die Ersatzpflicht des Empfangers allerdings über den Umfang eines Anspruchs nach §§ 812, 819 BGB hinausgehen, weil diese auf vollen Schadensersatz geht (Anm. 16). Anm. 3 2. Der objektive Haftungstatbestand Die Haftung nach der Nr. 1 setzt voraus, daß eine gewährte Vergütung in den Gründungsaufwand nicht aufgenommen worden ist, daß also insoweit die Vorschrift des § 26 Abs. 2 verletzt ist. Dabei ist es nicht notwendig, daß die Gründer dieses von vornherein beabsichtigt hatten, also nicht notwendig, daß die Gründer die gewährte Vergütung verheimlichen wollten. Der in diesem Zusammenhang recht unglücklich gewählte Ausdruck „Verheimlichung" darf nicht in einem solchen Sinn verstanden werden. Da es das Gesetz als gleichgültig betrachtet, ob die Verheimlichung „beabsichtigt" oder nur „erfolgt" war, ist das Wort Verheimlichung im Sinn von Weglassung aufzufassen. — Neben dem Empfänger einer nicht im Gründungsaufwand aufgenommenen Vergütung trifft auch denjenigen die Haftung aus Nr. 1, der bei der Verheimlichung (Weglassung) der Vergütung im Zusammenhang mit der Festsetzung des Gründungsaufwands mitgewirkt hat. Dabei genügt zur Mitwirkung jede Förderung der — möglicherweise von den Gründern nicht beabsichtigten — Gesetzwidrigkeit. Die Haftung nach Nr. 1 setzt nicht voraus, daß auch einer der Gründer nach § 46 haftet. Anm. 4 3. Die subjektiven Voraussetzungen der Haftung Für die Haftung des Empfangers ist es erforderlich, daß dieser wußte oder den Umständen nach annehmen mußte, daß die ihm gewährte Vergütung in dem Gründungsaufwand nicht aufgenommen war. In diesem subjektiven Erfordernis liegt die praktisch bedeutsame Einschränkung der Haftung nach § 40 gegenüber der Haftimg nach §§ 812 ff. BGB (vgl. Anm. 2). Gleichzeitig führt dieses Erfordernis dazu, daß im Ergebnis Gründer und Nichtgründer insoweit unterschiedlich behandelt werden; denn es läßt sich, wie Düringer-Hachenburg mit Recht hervorheben (§ 202 Anm. 60), nur schwer ein Fall denken, in dem ein Gründer nicht wußte oder nicht wissen mußte, daß die ihm gewährte Vergütung in den Gründungsaufwand nicht aufgenommen worden war. Der Ausdruck „nach den Umständen annehmen mußte" kann nicht in Anlehnung an § 25g StGB dahin verstanden werden, daß damit nur eine gesetzliche Beweisregel begründet werde, die die Feststellung des Wissens entbehrlich macht (so 1. Aufl. Anm. 2); vielmehr wird man diesen Ausdruck in Anlehnung an die Umschreibung in § 122 Abs. 2 BGB dahin zu verstehen haben, daß damit die fahrlässige Nichtkenntnis gemeint ist (ebenso Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 60; Schlegelberger-Quassowski § 40 Anm. 2; Baumbach-Hueck Rn. 3 sowie jetzt auch Godin-Wilhelmi Anm. 2). Den Empfangern, die selbst nicht Gründer sind, wird man im allgemeinen eine besondere Nachforschungspflicht nicht auferlegen können; sie können in der Regel darauf vertrauen, daß die Feststellung des Gründungsaufwands ordnungsgemäß erfolgt (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 6 1 ; Schlegelberger-Quassowski §40 Anm. 2). Die Haftung für die Mitwirkung bei der Verheimlichung (Weglassung) einer im Gründungsaufwand nicht aufgenommenen Vergütung setzt eine wissentliche, also vorsätzliche Mitwirkung voraus. Hier würde also ein fahrlässiges Verhalten noch keine Haftung des Mitwirkenden begründen können. Anm. 5 II. Die Haftung für Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen (Nr. 2) Der zweite Fall setzt voraus, daß Gründer (oder Hintermänner, § 46 Abs. 5) vorsätzlich oder grob fahrlässig die A G durch Einlagen oder Sachübernahmen geschädigt

340

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 47

Anm. 6, 7 haben. Einlage umfaßt wiederum Bar- wie Sacheinlage (§ 46 Anm. 13), während § 202 H G B sowohl in Abs. 1 als auch in Abs. 4 Nr. 2 nur Sacheinlagen im Auge hatte. Der Gründungsaufwand ist hier nicht genannt; für diesen bewendet es bei der Haftung nach Nr. 1. Für mithaftend wird in Nr. 2 derjenige erklärt, der an der Schädigung wissentlich mitgewirkt hat, z. B. der Veräußerer bei der Sachübernahme. Wissentliche Mitwirkung bedeutet dasselbe wie im Fall Nr. 1 (Anm. 4). Eine Alleinhaftung des wissentlich Mitwirkenden kann im Fall der Nr. 2 nicht eintreten, weil vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung durch mindestens einen Gründer (oder Hintermann) vorausgesetzt wird, dessen Haftung nach § 40 Abs. 2 (oder 5) begründet ist.

Anm. 6 III. Die Haftung für öffentliche Ankündigung von Aktien (Nr. 3) 1. Allgemeines Die öffentliche Ankündigung von Aktien ist üblich, u m sie in den Verkehr einzuführen. Bei der Stufengründung wurde von ihr Gebrauch gemacht, um Aktienzeichner herbeizuziehen. Aber auch bei der Übernahme sämtlicher Aktien durch die Gründer und nach der Eintragung der AGerfolgt sie, um dieAktien in Umlauf zu bringen. Insoweit kommen als Ankündiger praktisch wohl nur Banken in Betracht, wobei Begebungskonsortien nicht selten sind. M a g die Ankündigung auch meist — nach der Übernahme sämtlicher Aktien — auch nicht mehr zur Gründung im Rechtssinn gehören, so steht sie doch im wirtschaftlichen Sinn in einem überaus engen Zusammenhang mit dieser; im wirtschaftlichen Sinn vollendet erst der Ankündiger die Gründung, in diesem Sinn ist die Ankündigung der Schlußakt der Gründung (Düringer-Hachenburg § 203 A n m . 10). Es ist daher auch durchaus gerechtfertigt, die Haftung für die öffentliche Ankündigung von Aktien in einem entsprechenden Zusammenhang mit der Gründerhaftung zu rücken und den Ankündiger als Gründergenossen haften zu lassen. Durch diese Haftung wird dem Ankündiger eine Verantwortung für den Gründungsvorgang auferlegt, und zwar in der Weise, daß ihn im Hinblick auf die öffentliche Ankündigung eine Prüfungspflicht trifft. Er hat insofern ebenfalls für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben beim Gründungshergang einzustehen, weil er erst dann zur Beteiligung und Übernahme von Aktien auffordern soll, nachdem er geprüft hat, ob er eine solche Aufforderung auch verantworten kann. Die Haftung des Ankündigers ist daher auch unabhängig von der Richtigkeit seiner eigenen Angaben in der öffentlichen Ankündigung.

Anm. 7 2. Begriff der öffentlichen Ankündigung Die Ankündigung muß öffentlich, also geeignet sein, einem unbegrenzten Personenkreis bekannt zu werden ( R G 39, 248). In Betracht kommen insoweit Zeitungsanzeigen, öffentlicher Aushang, Rundfunkmitteilungen. Die öffentliche Ankündigung kann auch auf brieflichem Weg geschehen, z. B. wenn eine Großbank ihrer ausgedehnten Kundschaft Rundschreiben zuleitet, die in ihrer Form (Druckschrift) und in ihrem Inhalt keine persönlich gehaltene Mitteilung an den einzelnen Empfanger enthält, sondern nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als eine Mitteilung an einen nicht mehr individuell bestimmten Personenkreis betrachtet wird (ähnlich Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 8; Brodmann § 203 Anm. 2; Schlegelberger-Quassowski § 40 A n m . 4 ; a. M . wohl Teichmann-Koehler §40 Anm. 5). M a n wird auch mündliche Empfehlungen, die die Angestellten einer Bank auf Grund einer allgemein gehaltenen Anweisung ihrer Vorgesetzten dem anlagesuchenden Publikum zwecks Übernahme neu herausgekommener Aktien geben, hierunter zu rechnen haben (a. M . insoweit Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 8). — Die öffentliche Ankündigung muß nicht unterschrieben sein ( R G 80, 198). Es muß jedoch aus ihr hervorgehen, von wem sie herrührt (herrsch. Ansicht; a. M . 1. A u f l . Anm. 5). Insofern können auch Mitteilungen im redaktionellen Teil einer Zeitung als öffentliche Ankündigung angesehen werden, sofern sie nur erkennen lassen, wer hinter ihnen steht (a. M . Ritter § 40 Anm. 2 Nr. 3 a); in einem solchen Fall kann man aber wohl nicht auch den Schriftleiter der Zeitung zur Haftung heranziehen (a. M . 1. A u f l . Anm. 5; wie hier Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 8; Brodmann § 203 Anm. 1).

341

§47

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 8—11 Anm. 8 Die öffentliche Ankündigung muß zu dem Zweck erfolgen, die Aktien in den Verkehr einzuführen. Gleichgültig ist, ob sich Aktien derselben Gesellschaft schon im Verkehr befunden haben; nur die angekündigten Aktien selbst dürfen noch nicht im Verkehr gewesen sein. Aktien befinden sich im Verkehr, sobald ihr Inhaber sie freiwillig veräußert hat. Verkauf durch den Gerichtsvollzieher zum Zweck der Zwangsvollstreckung oder durch den Konkursverwalter behufs Verwertung der Konkursmasse ist kein Einführen in den Verkehr im Sinn des § 47 Nr. 3. — Die öffentliche Ankündigung muß sich auf Aktien beziehen; § 4 7 Nr. 3 ist unanwendbar bei der Ankündigung von Schuldverschreibungen. Bei der öffentlichen Ankündigung von Wandelschuldverschreibungen (§ 19a) ist jedoch wohl entsprechende Anwendung des §47 Nr. 3 geboten (a. M . insoweit Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 14).

Anm. 9 Ankündiger ist nicht nur, wer die Ankündigung unmittelbar hinausgehen läßt, sondern auch derjenige, von dem sie ausgeht (so ausdrücklich § 45 BörsG für die dort geregelte Prospekthaftung; vgl. dazu Anm. 13), der sie also veranlaßt, kurz jeder Urheber der Ankündigung. Als Urheber können mehrere in Betracht kommen, so neben der Emissionsbank, die die Ankündigung erscheinen läßt, auch der Vorstand der Gesellschaft oder ein anderer, welcher der Bank die Unterlagen für die Ankündigung übergeben hat. Zeichenstellen sind in der Regel nur Werkzeuge des Avisgebers der Aktien zur Entgegennahme von Zeichnungen ( R G J W 1908, 480). Nur unter besonderen U m ständen sind sie selbständig und können als Urheber einer Ankündigung in Betracht kommen ( R O H G 20, 251). O b der Ausgeber der Aktien im eigenen Namen, als Kommissionär oder im fremden Namen als Vermittler handelt, ist gleichgültig. In diesen Fällen ist auch derjenige, für dessen Rechnung die Ankündigung erfolgt, als Ankündiger anzusehen,- also z. B. auch der Kommitent (Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 7; a. M . Ritter § 40 Anm. 2 Nr. 3 a). Erfolgt die Ankündigung durch ein Begebungskonsortium, so ist jeder Konsorte Ankündiger im Sinn des § 40 Nr. 3. Die Konsorten haften daher insoweit als Gesamtschuldner.

Anm. 10 3. Der Haftungstatbestand § 47 Nr. 3 gibt als Haftungsgrund zwei verschiedene Tatbestände. Der eine ist, daß unrichtige oder unvollständige Angaben zum Zweck der Gründung gemacht worden sind. Die Verweisung auf § 46 Abs. 1 besagt, daß die zum Zweck der Gründung gemachten Angaben über Übernahme von Aktien usw. gemeint sind (§ 46 Anm. 5, 6). Ebenso wie dort ist es gleichgültig, wer die Angaben gemacht hat. Es wird auch nicht vorausgesetzt, daß die Angaben in der Ankündigung selbst wiederkehren; für die Haftung des Ankündigers ist es daher ohne Bedeutung, was er in seiner Ankündigung angegeben hat. Der andere Tatbestand ist Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen — Bar- oder Sacheinlagen (§ 46 Anm. 13) — oder durch Sachübernahmen. In beiden Fällen ist es nicht notwendig, daß zwischen der Ankündigung und dem Schaden ein Kausalzusammenhang besteht, es genügt ein solcher zwischen dem Verhalten der Gründer und dem Schaden (Schlegelberger-Quassowski § 40 Anm. 7; Teichmann-Koehler § 40 Anm. 6). Die Haftung nach Nr. 3 setzt nicht voraus, daß auch einer der Gründer nach § 46 haftet. A u c h wenn sich alle Gründer nach § 46 Abs. 3 exkulpieren können, kann eine Haftung für die öffentliche Ankündigung in Betracht kommen (Düringer-Hachenburg §203 A n m . 10; Schlegelberger-Quassowski §40 Anm. 7; Baumbach-Hueck R n . 6; a. M . Godin-Wilhelmi Anm. 6; abweichend z. T . auch die 1. Aufl. Anm. 10).

Anm. 11 In subjektiver Hinsicht wird vorausgesetzt, daß der Ankündiger die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben oder die Schädigung durch Einlagen oder Sachüber-

342

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 47

Anm. 12—14

nahmen kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns (§ 46 Anm. 19) kennen mußte. Wieweit die Prüfungspflicht des Ankündigers reicht, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung ( R G 80, 196). Jedenfalls kann er sich nicht einfach darauf berufen, daß er auf die Zuverlässigkeit der ihm bekannten Gründer vertraut habe. Sämtliche Voraussetzungen, auch die subjektiven, müssen dem Ankündiger bewiesen werden; er braucht sich — anders als die Gründer nach § 46 Abs. 3 — nicht zu entlasten. Immerhin wird man aber von dem Ankündiger, da ihn grundsätzlich eine Prüfungspflicht trifft, die Darlegung verlangen müssen, ob und in welcher Weise er sich über die Richtigkeit und Vollständigkeit der zum Zweck der Gründung gemachten Angaben usw. unterrichtet hat (ebenso Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 10).

Anm. 12 4. Entsprechende Anwendung bei Kapitalerhöhung Wenn sich die Haftung für die öffentliche Ankündigung unmittelbar auch nur auf Ankündigungen im Zusammenhang mit der Gründung einer A G bezieht, so wird man eine solche Haftung unter Berücksichtigung des für sie maßgebenden Grundgedankens auch auf die öffentliche Ankündigung neuer (junger) Aktien anläßlich einer Kapitalerhöhung ausdehnen müssen. In diesem Fall können zwar nicht die Gründer, wohl aber Vorstand und Aufsichtsrat unrichtige Angaben über Zeichnung und Einzahlung machen und dadurch die Eintragung der Kapitalerhöhung herbeiführen. Der Beginn der Zweijahresfrist muß hier in entsprechender Anwendung des § 47 Nr. 3 von der Eintragung der Kapitalerhöhung an laufen (Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 1 2 ; BaumbachHueck Rn. 6; a. M. Schlegelberger-Quassowski §40 Anm. 5; Brodmann § 203 Anm. 1, der in dieser Vorschrift nur eine Ergänzung der Gründerhaftung erblickt, für die bei einer Erhöhung des Grundkapitals kein Raum sei). Wenn einige (Ritter § 40 Anm. 2 Nr. 3 c ; Godin-Wilhelmi Anm. 6; wohl auch die 1. Aufl. Anm. 9) diese Vorschrift auch auf die Ankündigung neuer (junger) Aktien anwenden, aber nur unter der Voraussetzung, daß eine solche Ankündigung innerhalb von zwei Jahren seit der Eintragung der A G erfolgt, so ist das widerspruchsvoll und nur durch ein äußeres Haften am Gesetzeswortlaut erklärlich.

Anm. 13 5. Die strafrechtliche Verantwortung bei öffentlicher Ankündigung Uber die strafrechtliche Verantwortung des Urhebers der Ankündigung s. § 399 Abs. 1 Nr. 3; dort ist Unrichtigkeit oder Verschweigen in der Ankündigung selbst vorausgesetzt. Im Fall des § 47 Nr. 1 kann strafbare Beihilfe zum Vergehen gegen § 399 Abs. 1 Nr. 1 vorliegen.

Anm. 14 IV. Die Haftung f ü r unrichtige Angaben im Prospekt nach § 45 BörsG Unabhängig und selbständig neben der Haftung für die öffentliche Ankündigung von Aktien nach § 47 Nr. 3 steht die Haftung für unrichtige Angaben, die in einem Prospekt zwecks Zulassung der Aktien zum Börsenhandel (vgl. dazu § 38 Abs. 2 BörsG und die mehrfach geänderte Bekanntmachung über die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel vom 4. 7. 10 — RGBl. S. 917) gemacht worden sind. Diese Haftung ist in den §§45—49 BörsG geregelt. Vgl. hierzu Erman, AktG 64, 327fr. Die Bestimmungen §§ 45—49 BörsG lauten: § 4 5 . Sind in einem Prospekt, auf Grund dessen Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen sind, Angaben, welche für die Beurteilung des Wertes erheblich sind, unrichtig, so haften diejenigen, welche den Prospekt erlassen haben, sowie diejenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht, wenn sie die Unrichtigkeit gekannt haben oder ohne grobes Verschulden hätten kennen müssen, als Gesamtschuldner jedem Besitzer eines solchen Wertpapieres für den Schaden, welcher demselben aus

343

§47 A n m . 15

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

der von den gemachten Angaben abweichenden Sachlage erwächst. Das gleiche gilt, wenn der Prospekt infolge der Fortlassung wesentlicher Tatsachen unvollständig ist u n d diese Unvollständigkeit auf böslichem Verschweigen oder auf der böslichen Unterlassung einer ausreichenden Prüfung seitens derjenigen, welche den Prospekt erlassen haben, oder derjenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht, beruht. Die Ersatzpflicht wird dadurch nicht ausgeschlossen, d a ß der Prospekt die Angaben als von einem Dritten herrührend bezeichnet. § 4 6 . Die Ersatzpflicht erstreckt sich nur auf diejenigen Stücke, welche auf Grund des Prospekts zugelassen u n d von dem Besitzer auf Grund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts erworben sind. Der Ersatzpflichtige kann der Ersatzpflicht dadurch genügen, d a ß er das Wertpapier gegen Erstattung des von dem Besitzer nachgewiesenen Erwerbspreises oder desjenigen Kurswerts übernimmt, den die Wertpapiere zur Zeit der Einführung hatten. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer des Papiers die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerbe kannte. Gleiches gilt, wenn der Besitzer des Papiers bei dem Erwerbe die Unrichtigkeit der Angaben des Prospekts bei Anwendung derjenigen Sorgfalt, welche er in eigenen Angelegenheiten beobachtet, kennen mußte, es sei denn, d a ß die Ersatzpflicht durch bösliches Verhalten begründet ist. § 4 7 . Der Ersatzanspruch verjährt in fünf J a h r e n seit der Zulassung der Wertpapiere. § 4 8 . Eine Vereinbarung, durch welche die nach den §§ 45 bis 47 begründete Haftung ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam. Weitergehende Ansprüche, welche nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes auf Grund von Verträgen erhoben werden können, bleiben unberührt. § 49. Für die Entscheidung der Ansprüche aus den §§ 45 bis 48 ist ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich das Landgericht des Ortes zuständig, a n dessen Börse die Einführung des Wertpapiers erfolgte. Besteht an diesem Landgericht eine K a m m e r f ü r Handelssachen, so gehört der Rechtsstreit vor diese. Die Revision sowie die Beschwerde gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts gehen an den Bundesgerichtshof. I m Unterschied zur Haftung nach § 47 Nr. 3 setzt diese Haftung unrichtige oder unvollständige Angaben in dem Prospekt voraus. Ursächlicher Zusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben u n d dem entstandenen Schaden ist hier erforderlich, anders bei der Haftung nach § 47 Nr. 3 (Anm. 10). H a f t b a r ist jeder, von dem der Prospekt mit den unrichtigen oder unvollständigen Angaben ausgeht (dazu oben Anm. 9). Die Haftung nach § 45 BörsG ist nicht an die 2-Jahresfrist geknüpft; sie greift unzweifelhaft auch bei der Einführung neuer (junger) Aktien anläßlich einer Kapitalerhöhung ein. Sie besteht im Unterschied zu § 47 Nr. 3 gegenüber jedem, der Aktien erworben hat. In subjektiver Hinsicht setzt § 45 BörsG mehr voraus. Bei Unrichtigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben wird nur f ü r Vorsatz und grobes Verschulden gehaftet, bei U n vollständigkeit sogar nur für bösliches Verschweigen oder für bösliches Unterlassen einer ausreichenden Prüfung. Uber einen Fall von grobem Verschulden der Emissionsbank vgl. R G 80, 200. Uber den Einwand mitwirkenden Verschuldens trifft § 46 Abs. 3 BörsG eine besondere Regelung, die die Anwendung des § 254 BGB ausschließt.

Anm. 15 V. Die Haftung nach § 47 1. Die Haftung gegenüber der Gesellschaft Die H a f t u n g besteht in allen Fällen des § 47 ebenso wie in denen des § 46 zunächst nur gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber Aktionären, Gesellschaftsgläubigern u n d

344

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 47

A n m . 16—18

anderen Personen. Z u beachten ist aber, daß in den Tatbeständen des § 47 unter Umständen die Strafvorschrift des § 399 Abs. 1 Nr. 3 eingreifen kann (Anm. 13) und daß diese Bestimmung ebenso wie § 399 Abs. 1 Nr. 1 als Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB auch zugunsten der Aktionäre, Gesellschaftsgläubiger usw. angesehen werden muß (vgl. dazu § 46 Anm. 4). In einem solchen Fall sind dann neben der Gesellschaft auch die Aktionäre, Gesellschaftsgläubiger usw. anspruchsberechtigt.

A n m . 16 2. Der Inhalt der H a f t u n g Soweit im Fall des § 47 Nr. 3 die Haftung darauf beruht, daß unrichtige oder unvollständige Angaben zum Zweck der Gründung gemacht worden sind, handelt es sich auch hier wie im Fall des § 46 um eine Gewährleistungspflicht (Godin-Wilhelmi Anm. 6). Der Ankündiger hat also neben dem Gründer für den Zustand einzustehen, der bestehen würde, wenn die Angaben richtig und vollständig wären (Einzelheiten vgl. bei § 46 Anm. 8). In den anderen Fällen der Haftung nach § 47 handelt es sich u m eine echte Schadensersatzpflicht. Zur Möglichkeit einer Anwendung des § 254 BGB vgl. ebenfalls § 46 Anm. 8.

A n m . 17 3. D a s Gesamtschuldverhältnis bei einer Mehrheit von haftenden Personen Zwischen den nach § 46 haftenden Gründern und ihren Hintermännern sowie den nach § 47 haftenden Personen besteht ein Gesamtschuldverhältnis. Die Gesellschaft kann also von diesen Personen nur einmal Ersatz ihres Schadens verlangen. Dagegen können anspruchsberechtigte Aktionäre, Gesellschaftsgläubiger usw. (§ 46 Anm. 4; oben Anm. 14, 15) ihren Anspruch grundsätzlich unabhängig von dem Anspruch der Gesellschaft geltend machen (vgl. dazu Anm. 18). Aktionär und Gesellschaft sind also insoweit nicht Gesamtgläubiger. Für das Verhältnis zwischen mehreren haftenden Personen gilt grundsätzlich §426 BGB; danach sind diese im Innenverhältnis grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet, so daß der Zahlende in diesem Verhältnis auf die anderen zurückgreifen kann. Die Anwendung des § 254 BGB kann aber insoweit zu einer anderen Aufteilung zwischen mehreren haftenden Personen führen (§46 Anm. 22). Der ebenfalls haftende Empfanger einer nicht im Gründungsaufwand aufgenommenen Vergütung (Nr. 1) wird im Innenverhältnis grundsätzlich zur Rückerstattung des vollen Betrages verpflichtet sein, weil er anderenfalls auf Kosten der übrigen haftenden Personen grundlos bereichert bliebe (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 62).

A n m . 18 VI. Z u s a m m e n t r e f f e n der Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Aktionären oder anderen Personen Sind außer der Gesellschaft auch Aktionäre oder andere Personen ersatzberechtigt (§ 46 Anm. 4; oben Anm. 14, 15), so stehen diese Ansprüche grundsätzlich selbständig nebeneinander. Im allgemeinen wird jedoch dadurch, daß der Anspruch der Gesellschaft befriedigt wird, der Schaden des ersatzberechtigten Aktionärs behoben sein (§ 46 Anm. 4 a. E.). Das gilt in der Regel auch für einen Anspruch aus § 45 BörsG. Ist jedoch der Anspruch eines Aktionärs erfüllt, so wird dadurch der Anspruch der Gesellschaft nicht berührt. O b in einem solchen Fall der Haftende nach Erfüllung des Anspruchs der Gesellschaft von dem zunächst befriedigten Aktionär nach § 812 BGB Rückzahlung verlangen kann (so Ritter Anm. 2 Nr. 3d), erscheint nicht unzweifelhaft.

345

§ 48 A n m . 1, 2 § 4:8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Verantwortlichkeit des Vorstands und des A u f s i c h t s r a t s

M i t g l i e d e r d e s V o r s t a n d s u n d des A u f s i c h t s r a t s , die bei d e r G r ü n d u n g i h r e Pflichten v e r l e t z e n , sind d e r G e s e l l s c h a f t z u m E r s a t z d e s d a r a u s e n t stehenden S c h a d e n s a l s G e s a m t s c h u l d n e r v e r p f l i c h t e t ; sie sind n a m e n t l i c h d a f ü r v e r a n t w o r t l i c h , d a ß eine z u r A n n a h m e von E i n z a h l u n g e n a u f die Aktien b e s t i m m t e Stelle ( § 5 4 A b s . 3 ) hierzu geeignet i s t , u n d d a ß die eingezahlten B e t r ä g e z u r freien V e r f ü g u n g des V o r s t a n d s s t e h e n . F ü r die Sorgfaltspflicht und V e r a n t w o r t l i c h k e i t d e r Mitglieder d e s V o r s t a n d s u n d d e s A u f s i c h t s r a t s bei d e r G r ü n d u n g gelten i m ü b r i g e n § § 9 3 u n d 116 m i t A u s n a h m e v o n § 9 3 A b s . 4 S a t z 3 u n d 4 und A b s . 6 . Ü b ersieht: Anm.

Einleitung i 1. Der Haftungstatbestand 2—5 2. Die Haftung „gegenüber der Gesellschaft" 6 3. Der Inhalt der Haftung 7

Anm.

4. Die Beweislast 5. Das Gesamtschuldverhältnis 6. Der Gerichtsstand 7. Die strafrechtliche Verantwortung

8 9 10 11

Anm. 1 Einleitung Das H G B (§ 204) ließ die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats für Verletzung ihrer Prüfungspflicht nur hilfsweise haften, soweit nämlich von Gründern, Gründergenossen und Ankündigern kein Schadensersatz zu erlangen war. Das A k t G 37 hatte diese Beschränkung beseitigt und die Haftungsvoraussetzung erweitert. Schlegelberger-Quassowski (Anm. 1, ähnlich auch Teichmann-Koehler Anm. zu § 4 1 ) wollten in § 41 nur noch einen Anwendungsfall der §§ 84, 99 sehen, während Fischer in der Voraufl. § 41 Anm. 1 und Baumbach-Hueck § 41 Anm. 1 in § 41 lediglich die Regelung der Organhaftung bei der Gründung sahen, die mit den §§ 84, 99 nichts zu tun habe, da diese nur die nicht mit der Gründung zusammenhängenden Pflichten betreffe. Bedeutung hatte diese Streitfrage insbesondere für die Frage, ob die Haftung aus § 41 auch den Gesellschaftsgläubigern gegenüber bestehe. § 48 A k t G 65 klärt die Frage im letzteren Sinne, in dem es für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat „ i m übrigen" die §§ 93, 116 für anwendbar erklärt und nur die mit Verzicht, Vergleich und Verjährung zusammenhängenden Bestimmungen ausnimmt, weil hierfür im Gründungsstadium die §§ 50, 51 gelten sollen. Im Satz 1 ist im übrigen nur entsprechend § 46 Abs. 1 Satz 2 klargestellt, daß die Auswahl der Einzahlungsstelle und die freie Verfügbarkeit über die Einlage zwei getrennte Haftungstatbestände sind. Anm. 2 1. D e r H a f t u n g s t a t b e s t a n d Haftbar sind die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats. Sind sie schon aus § 46 oder aus § 47 haftbar, so trifft ihre Haftung aus § 48 damit zusammen. Die Haftung gründet sich darauf, daß Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats ihre Pflichten „bei der Gründung" außer acht gelassen haben. Das H G B (§ 204) sagt enger: „bei der ihnen durch Art. 209h (§§ 192, 193 HGB) auferlegten Prüfung". Die jetzige Fassung beschränkt sich nicht auf die Prüfung, sondern umfaßt alle Obliegenheiten bei der Gründung, also bis zur Eintragung. Dahin gehören namentlich auch die Gründungsprüfung und die Anmeldung. Das Gesetz hebt die Auswahl der Stelle hervor, die nach § 54 Abs. 3 zur Annahme von Einzahlungen auf die Aktien bestimmt ist,

346

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 48 A n m . 3—6

und macht die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder besonders dafür verantwortlich, daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Dies sind nur Anwendungsfalle der bei der Gründung zu beobachtenden Sorgfalt; der Zusatz dient der Klarstellung (etwas abweichend Wolany AktG 66, 122). Anm. 3 Im Schrifttum (Düringer-Hachenburg § 204 Anm. 1; Schlegelberger-Quassowski § 41 Anm. 2) wird die Auffassung vertreten, daß sich die Vorstandsmitglieder nicht dadurch nach § 48 verantwortlich machen könnten, daß sie vor der Eintragung der Gesellschaft keine Geschäfte für sie abschließen. Diese Auffassung wird mit der Erwägung begründet, daß es den Vorstandsmitgliedern nicht zumutbar sei, die persönliche Haftung nach § 41 Abs. 1 Satz 2 zu übernehmen. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Wie in Anm. 12 zu § 41 näher dargelegt ist, muß davon ausgegangen werden, daß die Vorstandsmitglieder auch schon vor der Eintragung der AG verpflichtet sind, für die werdende AG die wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Geschäfte abzuschließen, daß sie aber andererseits insoweit von ihrer persönlichen Haftung mit der Eintragung der AG ohne weiteres frei werden (§ 41 Anm. 26). Daraus folgt, daß diese Verpflichtung der Vorstandsmitglieder auch unter der Haftungssanktion des § 48 steht. Anm. 4 Die Haftung nach § 48 ist zwingend, sie kann also vertraglich nicht vorher ausgeschlossen werden. In entsprechender Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 1 — er ist durch Satz 2 von der Heranziehung für die Gründungszeit nicht ausgeschlossen — entfallt die Haftung aber der Gesellschaft gegenüber — nicht auch den Gesellschaftsgläubigern gegenüber —, wenn die Handlung von Vorstand und Aufsichtsrat auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Gründer beruht, während die Billigung durch den Aufsichtsrat den Vorstand nicht von seiner Verantwortlichkeit der Gesellschaft gegenüber befreit. Anm. 5 In subjektiver Hinsicht wird für die Haftung Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorausgesetzt. Als Maßstab für die Annahme einer Fahrlässigkeit ist von der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitgliedes bzw. Aufsichtsratsmitglieds auszugehen. Ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats kann sich nicht damit entlasten, daß er den normalerweise zu stellenden Anforderungen nicht gerecht zu werden vermöge. Dann hätte er eben ein solches Amt nicht übernehmen dürfen (RG 144, 355). Es erscheint daher auch nicht angängig, einen Rechtsirrtum bei einem nicht rechtskundigen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied ohne weiteres als Entschuldigungsgrund anzusehen. Ein Rechtsirrtum als Entschuldigungsgrund kann vielmehr nur beim Vorliegen besonderer Umstände, etwa bei der Auslegung unklarer Rechtssätze, in Betracht kommen (so jetzt klarstellend auch Godin-Wilhelmi Anm. 3). Anm. 6 2. Die Haftung „gegenüber der Gesellschaft" Auch die Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder besteht zunächst nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber den Aktionären, Gesellschaftsgläubigern oder anderen Personen. Jedoch ist auch hier wie in den Fällen des § 45 und des §47 (v8l- §46 Anm. 4; §47 Anm. 15) zu beachten, daß die Vorschriften des §399 Abs. 1 Nr. 1 Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB auch zugunsten der Aktionäre, der Gesellschaftsgläubiger usw. sind, und daß daher diesen Personen danach ebenfalls ein selbständiger Schadensersatzanspruch zustehen kann. Daneben kann auch ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB in Betracht kommen. Außerdem ist jetzt durch Bezugnahme „im übrigen" auf §§ 93, 116 in Beseitigung der früheren Streitfrage (Anm. 1) klargestellt, daß auch für die Erfüllung der Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat im Gründungsstadium eine Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gemäß § 93 Abs. 5 besteht. 347

§48

Anm. 7—11

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7 3. Der Inhalt der Haftung Die Haftung geht auf Leistung von Schadensersatz. Dabei hat der Ersatzpflichtige den Zustand herzustellen, der den gesetzlichen Erfordernissen der Eintragung entspricht; sind also z. B. die nach § 36 vorgeschriebenen Einzahlungen nicht geleistet, so hat sie das ersatzpflichtige Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied zu leisten ( R G 144, 357). In keinem Fall kann sich der Ersatzpflichtige darauf berufen, daß ohne sein schuldhaftes Verhalten die A G nicht eingetragen worden wäre ( R G 144, 357). Auch die Leistung entgangenen Gewinns kann in Betracht kommen. Der Einwand mitwirkenden Verschuldens der Gesellschaft könnte nur dann erhoben werden, wenn nach ihrer Entstehung der Vorstand gewechselt und der neue Vorstand es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 BGB; vgl. § 46 A n m . 8).

Anm. 8 4. Die Beweislast Die Gesellschaft hat die Entstehung eines Schadens zu beweisen. Dagegen trifft die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats die Beweislast dafür, daß sie die erforderliche Sorgfalt aufgewendet haben. Das ergibt sich heute ganz eindeutig aus der Geltung des § 93 Abs. 2 S. 2. O b es daneben, wie die Voraufl. § 41 Anm. 8 annahm, auch daraus, daß die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats in einem Dienstvertragsverhältnis stehen, das eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, zu folgern wäre, kann heute dahinstehen; vgl. hierzu aber R G 144, 352 und auch B G H L M Nr. 1 zu § 116 HGB).

Anm. 9 5. Das Gesamtschuldverhältnis Sind mehrere Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. Zwischen den nach §§ 46, 47 haftenden Personen und den haftenden Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats ist ebenfalls ein Gesamtschuldverhältnis anzunehmen, wenngleich der Entstehungsgrund der beiderseitigen Haftung ein verschiedener ist. Das Gesamtschuldverhältnis wird hier durch die Einheit des Zwecks der Haftung bestimmt (vgl. dazu R G 77, 323; 82, 439; 159, 89; B G H L M Nr. 9 zu § 426 BGB). Für das Rückgriffsrecht desjenigen, der die Gesellschaft befriedigt hat, gilt § 426 BGB, wobei gegebenenfalls auch § 254 BGB zu berücksichtigen ist (vgl. dazu § 46 Anm. 22, § 47 Anm. 17).

Anm. 10 6. Der Gerichtsstand Da die Haftung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats auf einem Geschäftsbesorgungsverhältnis und damit auf Vertrag beruht, ist grundsätzlich der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 Z P O gegeben (§ 93 Anm. 76). Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 Z P O ) ist nur dann gegeben, wenn zugleich der Tatbestand einer strafbaren Handlung (Anm. 11) vorliegt. Unberührt bleibt eine Inanspruchnahme aus den allgemeinen Vorschriften (§ 826 BGB) und ein sich daraus ergebender Gerichtsstand nach § 32 Z P O . Nimmt die Gesellschaft neben Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats zugleich auch Personen, die nach den §§ 46, 47 haften, in Anspruch, so muß unter Umständen nach § 36 Nr. 3 Z P O das zuständige Gericht bestimmt werden.

Anm. 11 7. Die strafrechtliche Verantwortung Uber die strafrechtliche Verantwortlichkeit s. § 399 Abs. 1 Nr. 1 und § 266 StGB, der die sog. aktienrechtliche Untreue mitumfaßt.

348

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 49

§49

Anm. 1, 2

Verantwortlichkeit der G r ü n d u n g s p r ü f e r

§ 168 Abs. 1 bis 4 über die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer gilt sinngemäß. Ü b ersieht: Anm.

Einleitung I. Die Haltung der Gründungsprüfer 1. Allgemeines 2. Der Haftungstatbestand a) Pflicht zur gewissenhaften und imparteiischen Prüfung b) Pflicht zur Verschwiegenheit 4—9 c) Das Verbot einer Verwertung 10 d) Der Sorgfaltsmaßstab 11 3. Der Inhalt der Haftung 12 4. Die Haftung für die Erfüllungsgehilfen 13» 14 5. Die Beweislast '5 II. Die Haftung der Gehilfen

III. Die Haftimg der gesetzlichen Vertreter

17

IV. Das Gesamtschuldverhältnis bei der Haftung mehrerer Personen

18

V . Die Beschränkung der Haftung bei Fahrlässigkeit ig, 20 VI. Die Geltung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat einer Prüfungsgesellschaft VII. Die Vorschrift des § 168 als zwingendes Recht

21 22

16

Anm. 1 Einleitung Das H G B in seiner Fassung von 1897 enthielt noch keine Vorschriften über die Haftung von Revisoren. Erst die Aktienrechtsverordnung vom 19. 9. 31 brachte in Anlehnung an die §§ 63, 137 VersAufsG Vorschriften über die Verantwortlichkeit von Bilanzprüfern (vgl. § 263g HGB). Für Gründungsprüfer fehlte es an einer entsprechenden Vorschrift. Das A k t G 37 füllte mit § 42 die Lücke aus und stellte Gleichmäßigkeit mit den nach § 118 bestellten Prüfern (§ 120) und den Abschlußprüfern (§ 141) her, in § 302 auch Gleichmäßigkeit der strafrechtlichen Verantwortung. Daran hat A k t G 65 sachlich nichts geändert. Nur hat es in § 49 darauf verzichtet, die Voraussetzungen und den Inhalt der Haftung für die Gründungsprüfer selbständig, wenn auch gleichlautend mit § 168 zu regeln, sondern begnügt sich aus Gründen der Vereinfachung mit einer Verweisung auf § 168 Abs. 1 bis 4. Damit gelten die Änderungen, die die Haftung des Abschlußprüfers in § 168 gegenüber dem § 141 A k t G 37 erfahren hat, automatisch auch für die Gründungsprüfung (Ausdehnung der Haftung auf Konzern-, herrschende und abhängige Unternehmen; Erhöhung des Haftungsbetrages; Verschärfung der Verschwiegenheitspflicht). Die Verjährungsvorschrift des § 168 Abs. 5 ist nicht angezogen, weil sie durch die auf die Gründung abgestellte Verjährung gemäß § 5 1 ersetzt werden soll.

I. Die Haftung der Gründungsprüfer Anm. 2 1. Allgemeines Gründungsprüfer sind nach § 33 entweder Einzelpersonen oder Prüfungsgesellschaften. Sie werden vom Gericht bestellt, ähnlich wie ein Konkurs- oder Zwangsverwalter (§ 33 Anm. 5, 6), das Gericht setzt auch ihre erstattungsfahigen Auslagen und ihre Vergütung fest (§35 Abs. 2). Niemand ist genötigt, die amtsähnliche Aufgabe eines Gründungsprüfers zu übernehmen. Für denjenigen aber, der sie übernimmt, er-

349

§49 A n m . 3—6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

geben sich die daraus entspringenden Pflichten im Grunde genommen von selbst. Diese Pflichten sind nicht vertraglicher, sondern gesetzlicher Art (vgl. Dienst Die aktienrechtliche externe Gründungsprüfung, Diss. 1959 S. 86ff.). Zwischen den Gründungsprüfern einerseits und den Gründern und der Gesellschaft andererseits besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, auf das sinngemäß auch die für das Vertragsrecht geltenden Vorschriften anzuwenden sind, soweit das A k t G eine besondere Regelung nicht enthält (Schlegelberger-Quassowski § 42 Anm. 2; vgl. auch Brönner § 168 Anm. 1).

2. Der Haftungstatbestand Verletzt der Gründungsprüfer schuldhaft eine der ihm obliegenden gesetzlichen Pflichten, so begründet das seine Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft; mehrere Personen haften als Gesamtschuldner (§ 168 Abs. 1 S. 3).

Anm. 3 a) Pflicht zur unparteiischen Prüfung Diese Pflicht ist im wesentlichen dieselbe, wie sie einem Sachverständigen obliegt. Unparteilichkeit verlangt eine sittliche Haltung, die nur sachliche Gesichtspunkte gelten läßt und alles Persönliche ausscheidet. Der Prüfer muß diese Unparteilichkeit namentlich gegenüber den Gründern und gegenüber den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern wahren, er darf ihnen nicht gefällig sein, sofern sich ein solches Verhalten sachlich nicht rechtfertigen läßt. Seine Prüfungspflicht besteht in dieser Hinsicht nicht in der einseitigen Wahrnehmung der Interessen der Gesellschaft, sondern sie dient auch und vor allem den Interessen der Gesellschaftsgläubiger und der Allgemeinheit. Das wird mit dem Ausdruck Unparteilichkeit besonders unterstrichen. Unter Prüfung ist zunächst die Vornahme der Prüfung selbst, aber auch ihre rechtzeitige und vollständige Erledigung wie überhaupt die Erfüllung aller Aufgaben zu verstehen, die nun einmal mit einer sachgerechten Prüfung verbunden sind (vgl. dazu B G H 16, 25).

Anm. 4 b) Pflicht zur Verschwiegenheit Die Prüfer sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht verbietet es den Prüfern, irgend etwas von dem, was sie bei Gelegenheit der Prüfung über die Gründung selbst, über die dabei beteiligten Personen oder über irgendwelche Verhältnisse der künftigen A G in Erfahrung gebracht haben, einem Unbeteiligten bekannt zu geben, sofern die Gesellschaft auch nur das geringste Interesse an einer Geheimhaltung haben kann. Die Verschwiegenheitspflicht wird nicht dadurch aufgehoben, daß von anderer Seite, etwa in der Presse, über Vorgänge berichtet wird, die sich bei der Prüfung herausgestellt haben; auch die Bestätigung einer wahrheitsgemäßen Darstellung solcher Vorgänge würde die Verschwiegenheitspflicht verletzen.

Anm. 5 Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alle wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft und vor allem auf die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der künftigen A G . Wegen der Einzelheiten vgl. Brönner § 168 Anm. 5.

Anm. 6 Die Verschwiegenheitspflicht hat grundsätzlich kein zeitliches Ende. Darüber ob sie entfallt, wenn die geheim zu haltenden Tatsachen durch andere bekannt geworden sein sollten, vgl. Brönner § 168 Anm. 6. Auch kann die Gesellschaft die zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen von dieser Pflicht entbinden. Denn nur ihrem Schutz dient die Verschwiegenheitspflicht. Sie kann das aber erst, nachdem sie eingetragen ist. Zuständig ist der Vorstand. Mit der Erteilung einer solchen Erlaubnis ist aber noch nicht gesagt, daß ungünstige, wenn auch wahre Tatsachen beliebig ohne Rücksicht auf Per-

350

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 49 A n m . 7—10

sonen und Umstände verbreitet werden dürften. Das kann gegen § 826 BGB verstoßen und Schadensersatzansprüche einzelner davon Betroffener begründen ( R G 76, 1 1 2 ; 1 1 5 , 4 1 7 ; SeufFA 82 Nr. 122; Warn. 1914 Nr. 186).

Anm. 7 Wer nach § 49 zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, hat nach § 383 Abs. 1 Nr. 5 Z P O ein Zeugnisverweigerungsrecht, von dem er in der Regel Gebrauch machen muß (RG. 53, 317). Eine entsprechende Regelung gilt im Strafverfahren nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO und im Finanzgerichtsverfahren nach § 84 Abs. 1 F G O in Verbindung mit § 177 Abs. 1 Ziff. 3 AO, allerdings nur dann, wenn es sich um Wirtschaftsprüfer oder sonstige in diesen Bestimmungen namentlich genannte Berufsgruppen handelt, keineswegs aber schlechthin für den Gründungsprüfer als solchen. Dagegen entspricht die Regelung in § 15 Abs. 1 F G G , § 46 Abs. 2 ArbGG, § 98 V w G O , § 1 1 8 Abs. 1 S G G und § 28 Abs. 1 BVerfGG (mit vier Ausnahmen) der Regelung der ZPO.

Anm. 8 Grenzen der Verschwiegenheitspflicht: Die Verschwiegenheitspflicht der Gründungsprüfer kann selbstverständlich nicht gegenüber denjenigen bestehen, zu deren Kenntnis der Prüfungsbericht bestimmt ist. Das ist außer dem Gericht und der Industrie- und Handelskammer in erster Linie der Vorstand der in der Gründung begriffenen Gesellschaft. Aus der Aufgabe des Aufsichtsrats, darüber zu wachen, daß alles ordnungsmäßig zugeht (§ 30 Anm. 4c), wird ferner zu schließen sein, daß die Gründungsprüfer sich zur Aufklärung verdächtiger oder überhaupt aiifklärungsbedürftiger Umstände auch mit Mitgliedern des Aufsichtsrats der in der Gründung befindlichen Gesellschaft in Verbindung setzen können. Im übrigen gilt die Verschwiegenheitspflicht auch gegenüber Aktionären und Angestellten der Gesellschaft. Ist eine Prüfungsgesellschaft Gründungsprüfer, so besteht die Verschwiegenheitspflicht selbstverständlich nicht gegenüber dem Vorstand der Prüfungsgesellschaft. Denn dieser ist ja, auch wenn er einen Gehilfen (Angestellten) mit der Prüfung beauftragt, derjenige, der die Prüfung leitet und den Prüfungsbericht unter eigener Verantwortung erstattet. Zum Umfang der Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat der Prüfungsgesellschaft vgl. Anm. 21 ff.

Anm. 9 Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, daß die Verschwiegenheitspflicht auch dort ihre Grenze finde, wo der Gründungsprüfer zur Wahrnehmung eigenen Rechts genötigt sei, Geheimnisse zu offenbaren (1. Aufl. § 42 Anm. 8; Baumbach-Hueck § 168 Rn. 4). Diese Ansicht erscheint nicht unbedenklich. Man wird hier wohl die einander widerstreitenden Interessen nach einem objektiven Maßstab abwägen müssen und dem Gründungsprüfer in einem solchen Fall ein Recht zur Offenbarung nur dann zubilligen können, wenn ihm mit Rücksicht auf das Verhalten der Gesellschaft die Pflicht zur Verschwiegenheit nicht zuzumuten ist (ähnlich Ritter § 42 Anm. 3). Hierbei wird man einerseits das wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft an der Geheimhaltung des im Einzelfall in Frage stehenden Geheimnisses und andererseits das wirtschaftliche Interesse des Gründungsprüfers an der Wahrnehmung des ihm zustehenden Rechts abzuwägen haben. Auch erscheint es sachgerecht, daß der Gründungsprüfer in einem solchen Fall zunächst der Gesellschaft die Offenbarung androht und ihr damit die Gelegenheit gibt, diese Offenbarung abzuwenden.

Anm. 10 c) Das Verbot einer Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen Das Verwertungsverbot ist von der Pflicht zur Verschwiegenheit zu unterscheiden, es steht selbständig neben dieser. Im einzelnen vgl. Brönner § 168 Anm. 9.

351

Anm. 11—13 Anm. 11

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

d) Der Sorgfaltsmaßstab Der Gründungsprüfer ist zu einer gewissenhaften Prüfung verpflichtet. Gewissenhaftigkeit verlangt Anwendung jeder erdenklichen Sorgfalt; es sind dabei hohe Anforderungen zu stellen, wie sie die Standespflichten eines angesehenen Berufs mit sich bringen (Baumbach-Hueck § 168 Rn. 2; vgl. auch Richtlinien für die Berufsausübung der Wirtschaftsprüfer) . Wenn der Gründungsprüfer auch nicht Wirtschaftsprüfer zu sein braucht, wird sich die Gewissenhaftigkeit seiner Prüfung an den Pflichten des Wirtschaftsprüfers zu orientieren haben. Das Bewußtsein einer Schädigung der Gesellschaft ist nicht erforderlich. Schwierig ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie der Rechtsirrtum eines Prüfers zu behandeln ist. Schlegelberger-Quassowski § 42 Anm. 7 wollen bei bestrittenen rechtsoder betriebswissenschaftlichen Grundsätzen die Möglichkeit einer Exkulpation mit Rechtsirrtum in der Mehrheit der Fälle bejahen. Man wird dieser Meinung insoweit zustimmen können, als der Rechtsirrtum im Einzelfall durchaus die Annahme einer Fahrlässigkeit ausschließen kann. Jedoch erscheint in dieser Richtung eine gewisse Zurückhaltung geboten. Auszugehen ist zunächst davon, daß dem Gründungsprüfer eine gewissenhafte Prüfung der in Betracht kommenden rechts- oder betriebswissenschaftlichen Fragen obliegt. Sodann ist er gehalten, bei mehreren rechtlich oder betriebswirtschaftlich ernsthaft vertretbaren Möglichkeiten diejenige zu wählen, die sicherer und zweifelsfrei ist (vgl. R G 152, 344 für die insoweit recht ähnliche Pflicht des Rechtsanwalts), die also in einer umfassenderen Weise dem Zweck der Gründungsprüfung gerecht wird. In solchen Fällen muß er also bei seiner Prüfung im allgemeinen die strengere Auffassung berücksichtigen, nämlich diejenige, die dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger und der Allgemeinheit in einem weiteren Umfang Rechnung trägt. Daher wird man nur dort, wo zwischen verschiedenen ernsthaft vertretbaren Möglichkeiten eine Auswahl unter diesem Gesichtspunkt nicht erfolgen kann und wo auch die höchstrichterliche Rechtsprechung keinen geeigneten Anhaltspunkt für die Auswahl bietet, eine Exkulpation des Prüfers wegen Rechtsirrtums bejahen können.

Anm. 12 3. Der Inhalt der Haftung Die Haftung der Gründungsprüfer ist auf eine echte Schadensersatzpflicht im Sinne der §§ 249 fr. BGB gerichtet. Die Gründungsprüfer haben den Schaden zu ersetzen, den die Gesellschaft durch die Verletzung der ihnen obliegenden Verpflichtungen erlitten hat, außerdem auch den Schaden, den ein Konzern-, abhängiges oder herrschendes Unternehmen durch die Pflichtverletzung gegenüber der geprüften Gesellschaft erlitten hat. Insoweit unterscheidet sich die Haftung der Gründungsprüfer von der Haftung der Gründer, die ihrem Inhalt nach wesentlich eine Gewährleistungspflicht ist (§ 46 Anm. 8; vgl. auch § 47 Anm. 16). Die Haftung besteht gegenüber der Gesellschaft, dem Konzern-, abhängigen oder herrschenden Unternehmen; nur sie haben den Schadensersatzanspruch aus § 44, also nicht auch die Aktionäre oder Gesellschaftsgläubiger. Letztere können allerdings gegen den Gründungsprüfer einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB haben, da §§ 403, 404 Abs. 1 Ziff. 2 auch Schutzgesetze zu ihren Gunsten sind (vgl. B G H in BB 61, 652). Insoweit gilt das gleiche wie zu § 46 Anm. 4. Für den Einwand des mitwirkenden Verschuldens gegenüber der Gesellschaft gilt ebenfalls das gleiche wie bei § 46 Anm. 8. Im übrigen vgl. auch Brönner § 168 Anm. iofF.

Anm. 13 4. Die Haftung für die Erfüllungsgehilfen Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, daß der Gründungsprüfer für die von ihm bei der Prüfung zugezogenen Gehilfen nicht nach § 278 BGB hafte (1. Aufl. Anm. 2; Ritter § 42 Anm. 4; Godin-Wilhelmi § 168 Anm. 5). Das wird im wesentlichen damit begründet, daß es sich bei den Pflichten des Gründungsprüfers um

352

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 49

Anm. 14, 15

solche höchstpersönlicher 'Art handele, daß man sich insbesondere fiir die bei der Prüfung anzuwendende Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit keiner Erfüllungsgehilfen bedienen könne. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden (ebenso Brönner § 168 Anm. 15; Schlegelberger-Quassowski § 141 Anm. 3, 9; Baumbach-Hueck § 1 6 8 Rn. 6; Adler-Düring-Schmaltz § 141 Rn. 12a). Zwar wird man der Gegenmeinung darin zustimmen müssen, daß bei höchstpersönlichen Leistungen eines Schuldners für die Anwendung des § 278 BGB kein R a u m ist. Das hat seinen Grund darin, daß die Heranziehung eines Gehilfen zur Erbringung einer höchstpersönlichen Leistung bereits eine Vertragsverletzung des Schuldners darstellt und dieser daher für jeden Schaden, der durch eine solche Heranziehung entstanden ist — und zwar unabhängig von einem Verschulden des Gehilfen — z u haften hat. Eine Anwendung des § 278 BGB bei höchstpersönlichen Leistungen würde sich also mit dem besonderen Inhalt der Schuldnerverpflichtung überhaupt nicht vertragen. Bei der Gründungsprüfung kann aber von einer höchstpersönlichen Leistung in diesem Sinne nicht gesprochen werden. Denn es ist anerkannt, daß sich ein Prüfer, vor allem eine Prüfungsgesellschaft, bei der Vornahme der Prüfung im allgemeinen auch vertrauenswürdiger Angestellter als Erfüllungsgehilfen bedienen kann. Damit entfällt in diesem Umfang der höchstpersönliche Charakter der Prüfungspflichten, so daß insoweit die Anwendung des § 278 BGB nicht nur möglich, sondern auch geboten ist.

Anm. 14 Schwieriger erscheint die Frage einer Anwendung des § 278 BGB bei der Verschwiegenheitspflicht des Prüfers, also dann, wenn ein bei der Prüfung zugezogener Erfüllungsgehilfe geheimzuhaltende Umstände einem Unbeteiligten mitteilt. Zwar ist die Anwendung des § 278 BGB bei Unterlassungspflichten nicht grundsätzlich ausgeschlossen ( R G 63, 116; 79, 42; 160, 314; B G H L M Nr. 1 zu § 827 BGB, insoweit allerdings nicht abgedruckt) ; es ist aber erforderlich, daß sich in einem solchen Fall der Schuldner des Erfüllungsgehilfen zur Erbringung seiner Unterlassungspflicht bedient. Mellerowicz Vorauf!. § 141 A n m . 11 meinte, daß diese Voraussetzung bei einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch einen Erfüllungsgehilfen nicht bejaht werden könne. Das erscheint jedoch nicht richtig. M a n muß die Verschwiegenheitspflicht des Prüfers in den notwendigen Zusammenhang mit dem Umstand, daß die geheim zu haltenden Tatsachen dem Prüfenden erst durch die Prüfung bekannt wurden, bringen und demgemäß wohl sagen, daß der Prüfer nach dem Grundgedanken des § 278 BGB auch dafür einzustehen hat, daß sein Erfüllungsgehilfe die ihm bei der Prüfung und nur durch die Prüfung bekannt gewordenen und geheim zu haltenden Umstände nicht schuldhaft Unbeteiligten mitteilt; so jetzt auch Brönner § 168 Anm. 15.

Anm. 15 5. Die Beweislast Die Gesellschaft oder das klagende Konzern-, herrschende oder abhängige Unternehmen tragen die Beweislast zunächst dafür, daß ihnen ein Schaden entstanden ist. Darüber hinaus müssen sie auch beweisen, daß der Gründungsprüfer oder sein Erfüllungsgehilfe die ihm obliegenden Verpflichtungen verletzt hat (Anm. 3ff.). Beruft sich in diesem Zusammenhang der Gründungsprüfer darauf, daß er zur Offenbarung geheim zu haltender Umstände oder zur Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen berechtigt gewesen sei, so muß er dieses seinerseits beweisen. Schließlich muß die Gesellschaft auch beweisen, daß der Gründungsprüfer die ihm obliegende Gewissenhaftigkeit nicht beobachtet hat (Baumbach-Hueck § 1 6 8 Rn. 6; a. M . Adler-Düring-Schmaltz § 141 R n . 15; wohl auch Ritter § 141 Anm. 6). Die Verhältnisse liegen hier insoweit grundsätzlich anders als im Fall des § 48. Die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder trifft die Beweislast für die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt, weil sie der Gesellschaft für ihre Geschäftsbesorgung rechnungslegungspflichtig sind, also u. a. auch darzutun haben, wie sie die ihnen obliegenden Aufgaben erfüllt haben (§ 93 Anm. 17 u. § 48 23

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

353

§49

Anm. 16, 17

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 8). Eine solche Rechnungslegungspflicht obliegt den Gründungsprüfern nicht, so daß es hier bei der allgemeinen Regel verbleibt, daß die Gesellschaft das Vorliegen der Voraussetzungen ihres Anspruchs, also auch das Verschulden der Gründungsprüfer, z u beweisen hat. Wenn im Schrifttum dazu die Ansicht vertreten wird, daß der Gesellschaft der ihr obliegende Beweis durch den Beweis des ersten Anscheins erleichtert werden könne (i. A u f l . Anm. 15), so begegnet das Bedenken. A u c h beim Nachweis des Verschuldens ist für den Beweis des ersten Anscheins nur bei typischen Vorgängen Raum, also nur bei solchen Vorgängen, die nach den Erfahrungssätzen des Lebens einen bestimmten Verlauf nehmen, und bei denen daher in einem konkreten Einzelfall eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen ebensolchen Verlauf der Dinge begründet ist (vgl. dazu B G H L M Nr. 2, 4, 7, 15 zu § 286 (C) Z P O ; Nr. 2 zu § 61 V V G ) . Davon kann bei einer Gründungsprüfung im allgemeinen nicht gesprochen werden, da die Verletzung individueller Prüfungspflichten in der Regel nicht einen typischen Geschehensablauf auslöst oder selbst darstellt.

Anm. 16 II. Die Haftung der Gehilfen Zwischen den Gehilfen eines Gründungsprüfers und der Gesellschaft besteht nach den allgemeinen Vorschriften kein Schuldverhältnis, so daß der Gehilfe danach der Gesellschaft auch nicht unmittelbar wegen fahrlässigen Verhaltens haften würde. § 168 Abs. 1 stellt jedoch ein solches Schuldverhältnis zwischen dem Prüfungsgehilfen und der Gesellschaft her und verpflichtet die Prüfungsgehilfen ebenfalls z u einer unparteiischen und gewissenhaften Prüfung. Als Gehilfen kommen nicht nur die Angestellten in Betracht, die mit der Prüfung selbst ganz oder teilweise beauftragt werden, wie z. B. ein Angestellter, der einen Warenbestand aufnimmt, sondern auch frei angenommene Hilfskräfte, auch solche untergeordneter Art, z. B. eine zur Niederschrift des Prüfungsberichts verwandte Schreibhilfe. Wenn auch nach dem Wortlaut des § 168 Abs. 1 allen Gehilfen eines Gründungsprüfers die gleichen Pflichten wie diesem obliegen, so muß man doch nach der Art der Tätigkeit dieser Gehilfen Unterschiede machen. Jeder zugezogene Gehilfe kann von der Gesellschaft nur für die schuldhafte Verletzung der ihm übertragenen Aufgaben verantwortlich gemacht werden, wobei der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab nach der Art der jeweils in Betracht kommenden Tätigkeit ein verschiedener sein kann. Schreibkräfte werden praktisch wohl nur wegen schuldhafter Verletzung der auch ihnen obliegenden Verschwiegenheitspflicht oder wegen schuldhaften Verstoßes gegen das auch fiir sie geltende Verbot einer Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen der Gesellschaft ersatzpflichtig sein. Neben der Haftung der Gehilfen aus § 49 kann auch ihre Haftung wegen unerlaubter Handlung in Betracht kommen (§§ 403, 404 Abs. 1 Ziff. 2 in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB, § 826 BGB).

Anm. 17 III. Die Haftung der gesetzlichen Vertreter Nach Abs. 1 können auch die gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft unmittelbar und persönlich verantwortlich gemacht werden. Ohne diese Vorschrift würden auch sie — genau wie die Prüfungsgehilfen — nur aus unerlaubter Handlung haften können. Sie sind der Gesellschaft auch persönlich zu einer gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet. Hierbei sind an sie die gleichen Anforderungen wie an einen Einzelprüfer zu stellen. Ritter (§42 Anm. 4) will den § 168 Abs. 1 bei einer O H G und einer K G sinngemäß anwenden und demgemäß nicht alle Mitglieder, sondern nur die geschäftsfuhrenden prüfenden Mitglieder neben der Gesellschaft haften lassen. Dem ist zuzustimmen, soweit es sich um die persönliche Prüfungspflicht eines einzelnen Gesellschafters, also um seine Pflicht zur persönlichen Vornahme einer gewissenhaften und

354

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 49

Anm. 18—20

unparteiischen Prüfung handelt; abzulehnen ist diese Ansicht jedoch, soweit diese eine Beschränkung der Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter (§ 128 HGB) gegenüber der in der Gründung befindlichen A G für die Verbindlichkeit der Prüfungsgesellschaft zur Folge haben würde.

Anm. 18 IV. Das Gesamtschuldverhältnis bei der Haftung mehrerer Personen Haften mehrere Personen der Gesellschaft nach § 49, so haften sie dieser als Gesamtschuldner. Die Ausgleichspflicht der Gesamtschuldner im Innenverhältnis bestimmt sich nach § 426 BGB. Dabei kann auch hier (vgl. dazu § 46 A n m . 22) die Anwendung des § 254 BGB zu einer wesentlich anderen Aufteilung im Innenverhältnis fuhren. Für das Verhältnis zwischen dem nach § 278 BGB haftenden Prüfer und seinem Erfüllungsgehilfen, der durch sein schuldhaftes Verhalten den Schaden herbeigeführt hat, kann nach dem Inhalt des Anstellungsvertrages im allgemeinen angenommen werden, daß der Erfüllungsgehilfe im Innenverhältnis den von ihm schuldhaft verursachten Schaden allein zu tragen hat ( R G 75, 256; J W 1936, 2066; Schlegelberger-Quassowski § 141 Anm. 7). V g l . auch Brönner § 168 A n m . 17. Auch im Verhältnis zu solchen Personen, die nach §§ 46/48 haften, besteht ein Gesamtschuldverhältnis, wenngleich der Entstehungsgrund der Haftung in den einzelnen Fällen der §§ 46 fr. ein verschiedener ist und wenngleich die Haftung im Fall des § 49 auf echten Schadensersatz und in den anderen Fällen mitunter auf eine Gewährleistung gerichtet ist (vgl. § 4 8 Anm. 9).

Anm. 19 V. Die Beschränkung der Haftung bei Fahrlässigkeit (§ 168 Abs. 2) Bei Fahrlässigkeit bestimmt § 168 Abs. 2 für die Haftung eine Höchstgrenze. Für eine Prüfung wird nur bis zum Betrage von 500000 D M gehaftet, und zwar auch dann, wenn an der Prüfung mehrere Personen beteiligt gewesen oder mehrere z u m Ersatz verpflichtende Handlungen begangen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich gehandelt haben. Alle wegen Fahrlässigkeit Verantwortlichen haften also zusammen nur auf 500000 D M , die wegen Vorsatzes Verantwortlichen unbeschränkt. Haben bei einer und derselben Prüfung mehrere an einer schadenverursachenden Unrichtigkeit im Prüfungsbericht mitgewirkt, zwei Gehilfen vorsätzlich, zwei andere fahrlässig, und beträgt der Schaden 900000 D M , so haften alle vier in Höhe von 500000 D M als Gesamtschuldner, die beiden vorsätzlich handelnden Gehilfen darüber hinaus für nochmals 400000 D M als Gesamtschuldner. Zweck dieser Beschränkung ist nach der Begründung zu § 63 Abs. 2 V e r s A G (Reichstagsdrucksache Nr. 848 von 1930 S. 16) der Schutz des Prüfers vor der drückenden Besorgnis unbegrenzter Ersatzpflicht und die Verbilligung der Prämie für die Haftpflichtversicherung des Prüfers. Es mag zweifelhaft erscheinen, ob diese Begründung die Vorschrift des Abs. 2 wirlich ausreichend rechtfertigt. Denn wie Ritter § 42 Anm. 9 mit Recht hervorhebt, könnte das gleiche für die Berufshaftung der Richter, Rechtsanwälte, Notare und Ärzte gesagt werden, ohne daß der Gesetzgeber für diesen Personenkreis eine gleiche Folgerung gezogen hat.

Anm. 20 Haftet ein Gründungsprüfer für das vorsätzliche Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB, so muß man ihm nach dem Grundgedanken des § 168 Abs. 2 den Schutz dieser Vorschrift ebenfalls zuteil werden lassen. Denn wenn der Prüfer nach § 278 BGB für den Vorsatz seines Erfüllungsgehilfen auch wie für eigenen Vorsatz einzustehen hat, so kann man doch nicht sagen, daß damit der Prüfer selbst vorsätzlich gehandelt habe und daher im Sinn des Abs. 2 nicht schutzwürdig sei (ebenso Brönner § 168 Anm. 18; Schlegelberger-Quassowski § 141 Anm. 9; a. M . 1. A u f l . Anm. 14; Ritter § 42 Anm. 9). 23»

355

§49

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 21, 22 Dagegen ist schuldhaftes Verhalten von verfassungsmäßigen Vertretern einer Prüfungsgesellschaft als schuldhaftes Verhalten der Prüfungsgesellschaft selbst anzusehen. Sie haftet dafür nach § 31 BGB, also unbeschränkt bei Vorsatz, beschränkt bei Fahrlässigkeit.

Anm. 21 VI. Die Geltung der Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat einer Prüfungsgesellschaft Die Verschwiegenheitspflicht (Anm. 4 fr.) besteht, wenn eine Prüfungsgesellschaft Gründungsprüfer ist, auch gegenüber dem Aufsichtsrat der Prüfungsgesellschaft und dessen Mitglieder. Das Gesetz befürchtet, daß bei der verschiedenartigen Zusammensetzung der Aufsichtsräte die Geheimhaltung nicht gewährleistet sei, wenn beliebige Mitglieder des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft Einblicke in die Prüfungsberichte erhielten. §§ 42 und 141 Abs. 3 AktG 37 glaubten, um einen wichtigen Teil der Geschäftsführung einer Prüfungsgesellschaft, nämlich die Erstattung von Prüfungsberichten, nicht der Aufsicht des Aufsichtsrates zu entziehen, dem Vorsitzer des Aufsichtsrates und seinem Stellvertreter ein Einsichtsrecht geben zu müssen, wobei die Verwertung der durch die Einsicht erlangten Kenntnisse auf die Erfüllung der Uberwachungspflicht des Aufsichtsrates beschränkt war. Diese Einschränkung der Verschwiegenheitspflicht hat § 168 Abs. 3 AktG 65 gestrichen, und zwar deshalb, weil man glaubte, die Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zugunsten einer streng durchgeführten Verschwiegenheitspflicht bei Wirtschaftsprüfern in Kauf nehmen zu müssen. Damit ist die bisherige Ausnahme, die für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und auch für andere Gründungsprüfungsgesellschaften galt, ersatzlos weggefallen. Allerdings hatte dieses Einsichtsrecht bei der Gründungsprüfungsgesellschaft keine allzu große Bedeutung; denn sobald der Gründungsprüfungsbericht erstattet und zum Registergericht eingereicht war, hatte gemäß § 34 Abs. 3 jedermann Einsichtsrecht, auch die Aufsichtsratsmitglieder der Prüfungsgesellschaft selbst. Die Verschärfung der Verschwiegenheitspflicht durch AktG 65 hat also für die Gründungsprüfung keine allzu große Bedeutung.

Anm. 22 VII. Die Vorschrift der §§ 168, 49 als zwingendes Recht § 168 Abs. 4 erlaubt keinen Ausschluß und keine Beschränkung der Ersatzpflicht aus § 168. Sinn dieser Vorschrift kann nur der Schutz der Gesellschaft sein, so daß dieser zwingende Charakter des § 168 nur relative Auswirkung hat. Der Schutz beschränkt sich auch nur darauf, daß die Ersatzpflicht nicht vorher durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Ist eine Schadensersatzpflicht einmal begründet, so steht im Unterschied zu den Haftungsansprüchen der Gesellschaft aus §§ 46 bis 48 einem vertraglichen Erlaß (§ 397 BGB) nichts entgegen; denn § 50 gilt nicht für Ansprüche aus §§49, 168. Aus dem nur relativ zwingenden Charakter dieser Vorschrift folgt, daß eine Verschärfung der Haftung vertraglich grundsätzlich vereinbart werden kann. So kann z. B. die Haftungsgrenze bei Fahrlässigkeit (§ 168 Abs. 2; Anm. 19) erhöht oder überhaupt aufgehoben werden (Brönner § 168 Anm. 19; Ritter §49 Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck § 168 Rn. 9; Adler-Düring-Schmaltz § 141 Rn. 18; a . M . Schlegelberger-Quassowski § 141 Anm. 10 mit der durch nichts begründeten Annahme, daß Abs. 2 auch eine Schutzvorschrift zugunsten der Prüfer sei; unklar insoweit Godin-Wilhelmi § 168 Anm. 7). Das Verbot einer Beschränkung oder eines Ausschlusses der Haftung muß sich nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift auch auf die Haftung der Gründungsprüfer für seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB; vgl. dazu Anm. 13, 14) beziehen (a.M. Ritter § 42 Anm. 1 1 ) ; denn andernfalls würde die Haftungsregelung des §49 wesentlich an Wert verlieren und der durch § 168 Abs. 4 gerade bezweckte Schutz der Gesellschaft wesentlich eingeschränkt werden können.

356

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 50

§50

Aom. 1

Verzicht und Vergleich

Die Gesellschaft kann auf Ersatzansprüche gegen die Gründer, die neben diesen haftenden Personen und gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§§ 46 bis 48) erst drei Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und nur dann verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkursverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. Ü b ersieht: Aflm.

Anm.

Einleitung

i

I. Die Unzulässigkeit von Verzicht und Vergleich i. Allgemeines 2 • 2. Vergleich und Verzicht 3 a) Der Vergleich 4 b) Der Verzicht 5, 6 3. Prozessuale Fragen a) Zahlungsklage der Gesellschaft 7 b) Feststellungsklage des Schuldners 8 c) Klage auf Erteilung der Entlastung 9

d) Wirkung eines rechtskräftigen Urteils

10

II. Ausnahmenach Ablauf von 3jahren 11 1. Die Sperrfrist von 3 Jahren 12 2. Die Zustimmung der Hauptversammlung 13—15 3. Widerspruch einer Minderheit 16, 17 III. Zulässigkeit von Vergleich und Verzicht bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners

18

IV. Keine Anwendung des § 50 im Konkurs des Schuldners

19

Anm. 1 V o r dem Gesetz von 1884 war es nicht selten vorgekommen, daß die mit der Gründung befaßten Personen sich alsbald, mitunter schon in der Errichtungsversammlung, für ihre ganze Gründungstätigkeit Entlastung erteilen ließen. Diesem Mißbrauch trat das Gesetz entgegen, indem es in Art. 213 d Bestimmungen traf, die in § 205 H G B übergingen und vom A k t G 37 in § 43 übernommen worden sind. Die Frist betrug ursprünglich drei Jahre, war aber schon in § 205 H G B auf fünf Jahre verlängert worden. § 50 A k t G 65 hat die Regelung des § 43 mit drei Änderungen übernommen. Einmal ist die Frist, innerhalb deren ein Vergleich oder Verzicht unzulässig ist, von 5 wieder auf 3 Jahre ermäßigt worden, und zwar mit Rücksicht auf die gemäß § 51 nur 5 Jahre betragende Verjährungsfrist, und weil der Einfluß der Gründer der A G , gegen den § 50 die Gesellschaft schützen will, nach 3 Jahren beendet sein wird, wenn die Gründer überhaupt ihre Aktien veräußern wollen. Z u m anderen ist das Widerspruchsrecht der Minderheit dadurch erleichtert worden, daß nicht mehr 1/5 sondern bereits 1/10 des Grundkapitals ausreicht. Den weiteren Vorschlag des Reg. E., unabhängig von der Höhe des Grundkapitals einen Nennbetrag von 2 Millionen D M ausreichen zu lassen, haben Rechts- und Wirtschaftsausschuß abgelehnt und damit seine Aufnahme in das Gesetz verhindert. Da in § 50 in die Durchsetzung der Minderheitsrechte die ordentlichen Gerichte nicht eingeschaltet sind, wie z. B. in §§ 142 Abs. 2, 265 Abs. 3, die Ausübung des Minderheitsrechts aber anders als in § 120 Abs. 1 nicht nur vorübergehende verfahrensmäßige Wirkungen hat, befürchteten die Ausschüsse von einer weiteren Erleichterung des Widerspruchsrechts der Minderheit bleibende Nachteile fiir die Gesellschaft im Falle einer mißbräuchlichen Ausübung (vgl. im einzelnen Begr. Reg. E. und Ausschußbericht zum jetzigen §50). Schließlich enthält die Neufassung des § 5 0 eine

357

§50

Anm. 2—4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Klarstellung dahingehend, daß für den Widerspruch eine besondere Erklärung zur Hauptversammlungsniederschrift abzugeben ist und das bloße Neinstimmen einer Minderheit von i o % nicht genügt. Die Vorschrift des § 50 deckt sich im wesentlichen mit der Regelung über die Ersatzansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (§§ 93 Abs. 4 S. 3ff., 1 1 6 ) , wobei diese jedoch eine praktisch ungleich größere Bedeutung besitzt. Ergänzt wird die Vorschrift des § 50 durch die Bestimmungen des § 147, der sich mit der Geltendmachung der hier behandelten Ansprüche befaßt.

Anm. 2 I. Die Unzulässigkeit von Verzicht und Vergleich 1. Allgemeines Die Vorschrift betrifft die Ersatzansprüche gegen alle in den §§ 46, 47 und 48 für verantwortlich erklärten Personen, nicht aber Ansprüche gegen Gründungsprüfer, deren Gehilfen und gesetzliche Vertreter einer Prüfungsgesellschaft nach § 49. Die Vorschrift gilt auch nur für Ansprüche, die sich auf die §§ 46 bis 48 stützen, nicht für Ansprüche, die lediglich aus Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, sei es aus unerlaubten Handlungen, sei es aus Verträgen, hergeleitet werden. Ein Gründer, der im Einbringungsvertrag eine Gewährleistung übernommen, aber die Gesellschaft nicht durch Minderwert des Eingebrachten geschädigt hat, haftet aus der Gewährleistung, nicht aus § 46, und kann sich darüber ohne Rücksicht auf § 50 vergleichen. Anders ist es im allgemeinen, wenn die Haftung aus Gewährleistung mit der Haftung aus den §§ 46/48 zusammentrifft — z. B. der Einbringer leistet Gewähr dafür, daß er nur Selbstkostenpreise berechnet habe, hat aber in Wirklichkeit einen Zuschlag berechnet, der noch dazu den angemessenen Preis übersteigt und insoweit die Gesellschaft schädigt. In diesem Fall fallt freilich nur der Vergleich über den Schaden unter § 50, nicht aber auch der Vergleich über die darüber hinausgehende Gewährleistung, also über die Spanne zwischen Selbstkostenpreis und angemessenem Preis. Trotzdem wird man hier im Zweifel den ganzen Vergleich als nichtig ansehen müssen (a. M . 1. Aufl. Anm. 2), da im allgemeinen nicht angenommen werden kann, daß der Schuldner die zugesagte Leistung nur zur Befreiung von dem einen Haftungsgrund erbringen will ( § 1 3 9 B G B ; ebenso Düringer-Hachenburg §205 Anm. 3 ; Godin-Wilhelmi Anm. 4).

Anm. 3 2. Vergleich und Verzicht Vergleiche und Verzichtleistungen über die Ersatzansprüche der §§ 46/48 sind grundsätzlich (Ausnahmen vgl. Anm. 1 1 ff.) absolut nichtig. Sie können durch keinerlei Umstände zur Wirksamkeit gebracht werden.

Anm. 4 a) Der Vergleich Gemeint ist zunächst der Vergleich im Sinne des § 779 BGB, also der rechtsgeschäftliche Vergleich, nicht jedoch der Zwangsvergleich im Konkurs und der gerichtliche Vergleich zur Abwendung des Konkurses (hierzu Anm. 18). Darüber hinaus wird von § 50 auch jede Vereinbarung erfaßt, die ihrem sachlichen Inhalt nach ein Element des Vergleichs in sich schließt. Das gilt namentlich für die Abtretung, wenn die Gesellschaft hierbei nicht den entsprechenden Gegenwert erhält und wenn die Abtretung damit die Gefahr einer Umgehung des Verbots in sich schließt (Baumbach-Hueck Rn. 6). Das bedeutet jedoch keineswegs, daß die Abtretung in allen Fällen unwirksam sei; denn ein solches Verfügungsverbot enthält § 50 nicht (a. M. Brodmann § 205 Anm. 2 a). Darüber hinaus wird man die Abtretung eines Anspruchs gegen einen zahlungsunfähigen Gründer auch dann für zulässig ansehen müssen, wenn die Gesellschaft hierbei nicht den vollen Nominalwert erhält, die Verwertung des Anspruchs gegen das vereinbarte Entgelt jedoch wirtschaftlich

358

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 50 Anm. 5—7

sinnvoll ist (ebenso Düringer-Hachenburg § 205 Anm. 9). Die Annahme einer Sachleistung an Erjullungs Statt kann einem Vergleich im Sinne des § 50 gleichstehen, muß es aber nicht. Auch hier kommt es darauf an, ob die Gesellschaft auf diesem Wege den vollen Gegenwert für ihren Anspruch erhält oder ob eine solche Vereinbarung ihrem sachlichen Inhalt nach ein Element des Vergleichs (Nachgeben der Gesellschaft) in sich schließt. Ähnlich ist die Frage bei einer Schuldumschaffung (Novation) zu beurteilen.

Anm. 5 b) Der Verzicht Hieninter ist zunächst der Erlaßvertrag im Sinne des § 397 BGB zu verstehen, aber auch das Anerkenntnis der Gesellschaft, keine Ansprüche gegen eine der nach §§ 46/48 ersatzpflichtigen Personen zu haben (§ 397 Abs. 2 BGB). Einem Verzicht im Sinne des § 50 ist ferner die Stundung gleichzustellen; denn Stundung ist teilweiser Verzicht ( R G 133, 38). Weiterhin gehören auch einseitige Verzichtserklärungen, wie der Verzicht auf eine Aufrechnungsbefugnis hierher (Ritter § 43 Anm. 2). Anm. 6 Zweifelhaft ist die Frage, ob auch die Verjährung als Verzicht im Sinne des § 50 anzusehen ist. In ihrer tatsächlichem Wirkung steht sie einem Verzicht (Erlaß) sicherlich gleich oder doch sehr nahe. Trotzdem erscheint es bedenklich, die Verjährung hier dem Verzicht gleichzustellen und damit dem Schuldner die Einrede der Verjährung zu nehmen. Denn das ließe sich schwerlich mit § 47 vereinbaren, weil eine solche Auffassung praktisch zu einer Beseitigung der Verjährungseinrede führen und damit den § 51 gegenstandslos machen würde. Gegen die Untätigkeit des Vorstands bei der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach §§ 46/48 und gegen die dadurch bedingte Gefahr einer Verjährung besteht nur der Rechtsbehelf des § 147; § 50 selbst gewährt nur einen Schutz gegen rechtsgeschäftliche Abmachungen und nicht auch gegen ein rein tatsächliches Verhalten des Vorstands. Die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung (Rechtsmißbrauch) wird dem Schuldner daher gegenüber seiner Einrede der Verjährung nur entgegengehalten werden können, wenn er mit dem Vorstand böslich zusammengewirkt hat (im Ergebnis ebenso die herrsch. Ansicht im Schrifttum).

3. Prozessuale Fragen In dieser Hinsicht bestehen im Schrifttum erhebliche Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten.

Anm. 7 a ) Klagt die Gesellschaft gegen den ersatzpflichtigen Schuldner auf Zahlung, so kann die Gesellschaft einen Vergleich nicht schließen. Das Verbot des § 50 erfaßt wie den außergerichtlichen, so auch den gerichtlichen (Prozeß-) Vergleich. Dieser ist nach dem in der Rechtsprechung vertretenen Standpunkt nicht eine reine Prozeßhandlung, sondern zugleich auch ein privatrechtlicher Vertrag (vgl. dazu B G B - R G R K § 779 Anm. 41). Dasselbe muß aber auch für den Verzicht im Sinn des § 306 Z P O gelten; auch er ist nicht nur Prozeßhandlung, sondern zugleich auch ein privatrechtliches Rechtsgeschäft (Stein-Jonas-Schönke Komm. Z P O § 306 Anm. 2 m. w. N.). Ein im Prozeß erklärter Verzicht über den Klaganspruch ist daher nichtig, so daß daraufhin nicht ein klagabweisendes Urteil auf Antrag des Beklagten ergehen kann. Die prozeßrechtlichen Vorschriften bedürfen, soweit sie unter dem Gesichtspunkt der Verhandlungsmaxime von der materiellrechtlichen Dispositionsbefugnis des Klägers über den geltend gemachten Anspruch ausgehen, einer Einschränkung, weil gerade diese Voraussetzung im Anwendungsbereich des § 50 nicht besteht (vgl. dazu B G H L M Nr. 1 zu § 199 A k t G m. A n m . ; § 246 Anm. 11). Anders steht es mit den reinen Prozeßhandlungen und mit der Wirkung eines bestimmten prozessualen Verhaltens; diesen kann ihre prozeßrechtliche Bedeutung und ihre prozeßrechtliche Wirksamkeit nicht abgesprochen werden. Das gilt zunächst für die Klagrücknahme, für das Geständnis und für den Rechtsmittelverzicht. Beim

359

§50 Anm. 8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Geständnis könnte das allerdings im Hinblick auf seine bindende Wirkung zweifelhaft sein. A b e r auch mangelhafter und lückenhafter Sachvortrag der klagenden Gesellschaft m u ß hier die allgemeinen prozessualen Wirkungen haben und gegebenenfalls zur A b weisung der K l a g e führen; es ist nicht möglich, wegen des Schutzgedankens des § 50 die Verhandlungsmaxime völlig preiszugeben und für Prozesse dieser Art die Untersuchungsmaxime einzuführen. Deshalb m u ß das Geständnis die Wirkungen der §§288 ff. Z P O haben (ebenso Godin-Wilhelmi A n m . 3 ; a. M . Schilling § 246 A n m . 11 für die Anfechtungsklage aus § 246). Den notwendigen Schutz können auch h i e r — ähnlich wie bei der V e r j ä h r u n g (Anm. 6) — nur die Rechtsbehelfe des §147, insbesondere des §147 A b s . 3 gewähren. Aus dem gleichen Grund m u ß man auch die Zulässigkeit eines Versäumnisurteils bejahen (herrsch. Ansicht). M a g auch hier die Wirkung eines solchen U r teils (Anm. 10) einem Verzicht tatsächlich gleichstehen oder wenigstens sehr nahe kommen, so kann daraus noch kein Schluß gegen die Unzulässigkeit des Versäumnisurteils gezogen werden. D e n n die Säumnis einer Partei ist nur ein Unterfall mangelhafter Prozeßführung. So wie ein klagabweisendes Urteil bei einem entscheidend lückenhaften Sachvortrag der klagenden Gesellschaft nicht verhindert werden kann, ohne d a ß m a n den Grundsatz der Verhandlungsmaxime aufgibt, so ist auch bei dem Ausbleiben der Gesellschaft im T e r m i n die Folge unabweisbar, d a ß auf Antrag des Beklagten ein V e r säumnisurteil ergehen muß. A u c h hier kann nur der Rechtsbehelf des § 147 Abs. 3 praktisch Abhilfe gewähren. Anm. 8 b) Feststellungsklage des Schuldners K l a g t der Schuldner auf Feststellung, d a ß eine Forderung gegen ihn nicht bestehe, so setzt eine solche K l a g e zunächst voraus, d a ß der Schuldner ein Feststellungsinteresse hat. Dieses von Amts wegen z u berücksichtigende Rechtsschutzinteresse wird in der Regel nur gegeben sein, wenn die Gesellschaft sich vorher eines entsprechenden Ersatzanspruchs berühmt hat. Dieses Feststellungsinteresse m u ß auch noch am Schluß der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein; es wird daher in der Regel in Fortfall kommen, wenn die Gesellschaft im L a u f des Rechtsstreits ausdrücklich davon Abstand nimmt, sich des Ersatzanspruchs weiterhin zu berühmen. I m Regelfall ist daher bei der negativen Feststellungsklage ein Anerkenntnis im Sinn des § 307 Z P O schon aus prozessualen Gründen gar nicht denkbar; in einem solchen Fall erledigt sich die Hauptsache, so d a ß für ein Anerkenntnisurteil schon aus diesem Grunde kein R a u m ist. Immerhin läßt sich für einen Ausnahmefall eine abweichende Fallgestaltung denken (vgl. dazu R G 95, 260; J W 1936, 2546; D R 1939, 1916). In einem solchen Ausnahmefall ist der Erlaß eines Anerkenntnisurteils nicht zulässig (a. M . schlechthin Düringer-Hacheburg § 205 A n m . 7 ; Brodmann § 205 A n m . 4 ; Ritter § 4 3 A n m . 5 ; nur z . T . abweichend Godin-Wilhelmi A n m . 3). Das Anerkenntnis im Sinn des § 307 Z P O ist zugleich ein privatrechtliches Rechtsgeschäft, das deshalb gem ä ß § 50 unwirksam ist (Anm. 5) und deshalb auch nicht die Wirkungen eines Anerkenntnisses nach § 307 Z P O zeitigen kann. Denn auch im Anwendungsbereich des § 307 Z P O ist der Richter nicht der Prüfung enthoben, ob der Anerkennende rechtlich überhaupt in der L a g e ist, über den im Streit befindlichen Anspruch wirksam zu verfügen ( B G H 10, 333; Stein-Jonas-Schönke K o m m . Z P O §307 A n m . I I I 2). Insoweit gilt also völlig das gleiche wie für den Verzicht g e m ä ß § 306 Z P O (vgl. dazu A n m . 7). Ein Versäumnisurteil gegen die Gesellschaft ist hier aus dem gleichen G r u n d wie im Fall der A n m . 7 zulässig (herrsch. Ansicht). Die Tatsache, d a ß die Sperrfrist von 3 Jahren abgelaufen ist, kann m a n nicht als klagbegründende Tatsache einer solchen Feststellungsklage ansehen (ebenso wohl auch Düringer-Hachenburg § 205 A n m . 7) Denn es ist durchaus möglich, d a ß sich die Gesellschaft während der Sperrfrist zu Unrecht eines Ersatzanspruchs nach §§ 46/48 gegen einen Gründer oder Gründergenossen berühmt. Es wäre ungerechtfertigt, in einem solchen Fall einem Gründer die Möglichkeit zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage zu versagen. Der Umstand allein, d a ß auf diesem W e g e eine Gefährdung des durch § 50 bezweckten Schutzes der Aktionäre oder der Allgemeinheit eintreten könnte,

360

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 50

Anm. 9—12

rechtfertigt eine solche Versagung nicht. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn die Klage darauf gestützt wird, daß der Vorstand innerhalb der Sperrfrist auf den Anspruch verzichtet habe. Dann ist die Klage nicht schlüssig und unterliegt auch beim Ausbleiben der Gesellschaft im Termin der Abweisung.

Anm. 9 c) Klage auf Erteilung der Entlastung Die K l a g e einer nach den §§ 46/48 verantwortlichen Person auf Erteilung der Entlastung wäre, wenn man sie überhaupt für zulässig ansehen wollte (hierzu § 120 A n m . 5; Baumbach-Hueck Rn. 9) nur dann schlüssig begründet, wenn darin behauptet würde, daß die Voraussetzungen des § 50 vorlägen, daß also die dreijährige Frist abgelaufen sei und die Hauptversammlung mit der erforderlichen Mehrheit der Entlastung zugestimmt habe.

Anm. 10 d) Wirkung eines rechtskräftigen Urteils Ergeht auf die Zahlungsklage der Gesellschaft oder auf die negative Feststellungsklage eines angeblichen Schuldners ein rechtskräftiges Urteil, also auch ein rechtskräftiges Versäumnisurteil gegen die Gesellschaft, so steht einer späteren K l a g e der Gesellschaft nach allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsätzen in der Regel die Einrede der Rechtskraft entgegen. Das gilt grundsätzlich auch dann,' wenn sich das rechtskräftige Urteil später als sachlich falsch erweist und ein Wiederaufnahmegrund nicht gegeben ist. Nur in äußersten Ausnahmefallen kann der Rechtskraft des Urteils mit der Einrede der Arglist begegnet werden. Dabei ist hervorzuheben, daß der B G H in dieser Hinsicht, vielleicht im Gegensatz zu der Rechtsprechung des R G , eine besondere Zurückhaltung für angebracht hält (BGH 13, 7 1 ; B G H L M Nr. 10 zu § 332 Z P O ; Nr. 3 zu § 826 (Fa) BGB).

Anm. 11 II. Ausnahme nach Ablauf von 3 Jahren Nach Ablauf von 3 Jahren seit Eintragung der Gesellschaft können Vergleiche und Erlaßverträge über die in den §§ 46/48 geregelten Ansprüche wirksam geschlossen werden, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile den 10. Teil des Grundkapitals erreichen, widerspricht.

Anm. 12 1. Die Sperrfrist von 3 Jahren Der Vergleich oder der Verzicht muß nach Ablauf von 3 Jahren zustande gekommen sein; maßgeblich ist insoweit der "Vertragsabschluß, nicht vorherige Verhandlungen oder die Abgabe eines Angebots. Ein vor Abschluß der Sperrfrist abgeschlossener Vergleich (Verzicht) kann auch nicht dadurch wirksam werden, daß in ihm die Zustimmung der Hauptversammlung nach Ablauf der Frist vorbehalten und sodann später die Zustimmung erteilt wird ( R G 133, 38); denkbar wäre höchstens, daß der Ersatzpflichtige ein ihn einseitig bindendes Vertragsangebot macht und die Bindungsfrist über den Ablauf der 3 Jahre erstreckt (vgl. R G 133, 39). Dagegen ist eine irgendwie geartete Bindung der Gesellschaft vor Ablauf der Sperrfrist nicht zulässig; innerhalb dieser Frist muß sie stets die Möglichkeit zur Geltendmachung ihrer Ersatzansprüche haben, auch ein unter Vorbehalt abgeschlossener Vergleich darf sie daran nicht hindern können. Nach Ablauf von 5 Jahren kommt mit Rücksicht auf die Verjährungsfrist des § 51 ein Vergleich oder Erlaßvertrag nur dann in Betracht, wenn die Verjährung gehemmt oder unterbrochen worden war oder wenn die Verjährungseinrede nicht erhoben wird.

361

§50 Anm. 13—16

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 13 2. Die Zustimmung der Hauptversammlung Die Zustimmung ist für einen Vergleich oder Verzicht nach A b l a u f von 3 Jahren Wirksamkeitserfordernis. Das bedeutet jedoch nicht, daß ein solcher Vergleich oder Verzicht ohne die Zustimmung der Hauptversammlung absolut nichtig sei, er ist vielmehr schwebend unwirksam. Ohne diese Zustimmung fehlt dem Vorstand die Vertretungsmacht beim Abschluß des Vergleichs oder Verzichts. Es ist dies einer der Fälle, in denen die Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands nach außen wirkt. Der Vorstand befindet sich hierbei in ähnlicher Lage wie ein gesetzlicher Vertreter, dem die erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts fehlt (§§ 1643, 1829 BGB). Der Schuldner ist in einem solchen Fall an den abgeschlossenen Vergleich so lange gebunden, bis die Zustimmung der Hauptversammlung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang eingeholt werden kann; die kurzen Fristen der §§ 177 Abs. 2 Satz 2, 1829 Abs. 2 BGB können hier nicht gelten. Die Zustimmung kann als Einwilligung auch schon vor A b schluß des Vergleichs oder des Verzichts erklärt werden; doch setzt das bei der Einwilligung zu einem Vergleich voraus, daß sich die Einwilligung auf einen Vergleich mit einem bestimmten Inhalt bezieht. Die Hauptversammlung kann dem Vorstand nicht im voraus freie Hand zum Abschluß irgendeines Vergleichs geben (Düringer-Hachenburg § 205 Anm. 14).

Anm. 14 Erteilt die Hauptversammlung einem Vergleich oder Verzicht nur teilweise ihre Zustimmung, so ist es eine Frage der Auslegung (§ 139 BGB), ob der Vergleich oder der Verzicht wenigstens insoweit (teilweise) wirksam ist. Bei einem Vergleich wird man das im Zweifel nicht annehmen können, anders beim Verzicht, weil hier davon ausgegangen werden kann, daß der Schuldner wenigstens einen teilweisen Erlaßvertrag abgeschlossen haben würde.

Anm. 15 Das Erfordernis der Zustimmung gilt im gleichen Umfang auch für einen Prozeßvergleich (herrsch. Ansicht). A u c h dieser wird daher ohne die Zustimmung der Hauptversammlung nicht wirksam. Die gegenteilige Auffassung von Brodmann (§ 205 Anm. 4), die Beschränkung der Vertretungsmacht gelte nicht für die prozessualen Bestimmungen über die Vertretung einer Partei im Prozeß, ist durch nichts gerechtfertigt; § 51 Z P O ergibt vielmehr das Gegenteil. Uber die Mehrheitsverhältnisse bei Erteilung der Zustimmung vgl. A n m . 16, über die Stimmrechtsbefugnis Anm. 17.

Anm. 16 3. Widerspruch einer Minderheit Weiteres Erfordernis für die Wirksamkeit eines Vergleichs oder Verzichts nach A b lauf der Sperrfrist ist es, daß nicht eine Minderheit von 1 0 % des vorhandenen (nicht des vertretenen) Grundkapitals widerspricht. Da § 43 A k t G 37 nur vom Widerspruch einer Minderheit sprach, war streitig geworden, ob für den Widerspruch eine besondere ausdrückliche Erklärung erforderlich war oder ob die bloße stimmenmäßige Ablehnung der Minderheit ausreiche. Die Neufassung des § 53 ist der ersteren Meinung gefolgt. Neben dem Mehrheitsbeschluß der Hauptversammlung ist also ein Widerspruch zu notariellem Protokoll in der Hauptversammlung erforderlich, der von einer Minderheit getragen wird, die mindestens 1 0 % des gesamten Grundkapitals — nicht nur des vertretenen — umfaßt. Für den Widerspruch gilt das zu § 245 Ziffer 1 Geltende (vgl. Erläuterungen dazu). Es kann also z. B. nur der Aktionär Widerspruch einlegen, der nicht vorbehaltlos für den Beschluß gestimmt hat. D a ß der Notar den Widerspruch ordnungsgemäß protokolliert hat, ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Andererseits ist abweichend von der Regelung des § 245 Ziff. 1 eine Rücknahme oder ein Verzicht auf den

362

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 50 Anm. 17, 18

einmal erklärten Widerspruch nicht möglich; denn dadurch, daß io% des Grundkapitals dem Vergleich oder Verzicht widersprochen haben, ist — anders als bei einem Widerspruch gegen einen Hauptversammlungsbeschluß als Voraussetzung einer Anfechtungsklage — eine endgültige Entscheidung gefallen, die nicht durch Verzicht oder Rücknahme einzelner Aktionäre, die die widersprechende Minderheit auf unter io% herabdrückt, beseitigt werden kann. Da das Widerspruchsrecht kein Ausfluß und Folgerecht des Stimmrechts ist, sondern selbständig neben ihm steht (vgl. hinsichtlich des Anfechtungsrechts § 245 Anm. 3), wird man das Widerspruchsrecht aus § 50 auch den stimmrechtslosen Vorzugsaktien gewähren müssen (so Godin-Wilhelmi Anm. 6), was dann aber zur Folge hat, daß die 10% des Grundkapitals auch unter Einrechnung des stimmrechtslosen Vorzugskapitals zu berechnen sind. Wird gegen einen Vergleich oder gegen einen Verzicht nur teilweise Widerspruch erhoben, so gilt hier das gleiche, wie wenn nur eine teilweise Zustimmung erteilt wird (Anm. 12); der weitergehenden Ansicht, daß dann der vom Widerspruch nicht betroffene Teil in jedem Fall bestehenbleibe (Schlegelberger-Quassowski §84 Anm. 17; Teichmann-Koehler §43 Anm. 3), kann im Hinblick auf § 13g BGB nicht gefolgt werden. Hat eine Minderheit von 10% des vorhandenen Grundkapitals nach § 147 das Verlangen auf Geltendmachung der Ersatzansprüche gestellt, so kann die Gesellschaft nur noch verzichten oder sich vergleichen, wenn von den die Minderheit bildenden Aktionären so viele zustimmen, daß die Aktien der übrigen nicht mehr den 10. Teil des vorhandenen Grundkapitals erreichen (so früher ausdrücklich § 124 AktG 37). Anm. 17 Für die Abstimmung gelten die allgemeinen Vorschriften. Danach sind von der Abstimmung die Aktionäre ausgeschlossen, mit denen der Vergleich geschlossen oder denen gegenüber verzichtet werden soll (§ 136 Abs. 1). Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats wie überhaupt gesamtschuldnerisch Mithaftende können mitstimmen, wenn sie Aktien besitzen und der Vergleich oder Verzicht sie selbst nicht umfaßt (Düringer-Hachenburg § 205 Anm. 12; Ritter § 43 Anm. 3; Teichmann-Koehler § 43 Anm. 3; a. M. Schlegelberger-Quassowski §43 Anm. 3). Ob ein Verzicht (Erlaßvertrag), den die Gesellschaft mit einem der als Gesamtschuldner haftenden ersatzpflichtigen Personen geschlossen hat, auch zugunsten der übrigen Gesamtschuldner wirkt, bestimmt sich nach § 423 BGB. Anm. 18 III. Die Zulässigkeit von Vergleich und Verzicht bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Die zeitliche Beschränkung von 3 Jahren für den Abschluß eines Vergleichs oder Verzichts gilt nicht, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkurses mit seinen Gläubigern vergleicht. In diesem Fall kann die Gesellschaft also auch schon vor Ablauf von 3 Jahren einen Vergleich oder Verzicht wirksam abschließen. Diese Voraussetzungen sind ohne weiteres bei einem Zwangsuergleich im Konkurs und bei einem gerichtlichen Zwangsvergleich zur Abwendung des Konkurses gegeben. In diesen Fällen tritt eine Bindung der Gesellschaft selbst dann ein, wenn die Hauptversammlung einem solchen Vergleich ihre Zustimmung nicht gegeben hat (§193 KO, § 82 VerglO). Auch ein außergerichtlicher Vergleich kann hierher gehören. Er setzt freilich Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (vgl. dazu § 102 KO) voraus. Ferner muß der Vergleich der Abwendung des Konkurses dienen und von dem Schuldner „mit seinen Gläubigern" geschlossen sein. Damit ist allerdings nicht verlangt, daß sich alle Gläubiger an dem Vergleichsabschluß beteiligen; es genügt bereits die große Mehrheit der Gläubiger. Ob das mit allen zugleich oder mit jedem einzeln geschieht, ob schon ein Konkursantrag gestellt worden war oder nicht, ob die Gläubiger gleichmäßig befriedigt oder ob einzelne bevorzugt werden, ist gleichgültig. In allen diesen Fällen kommt aber nur die zeitliche

363

§ 50 Anm. 19 § 51 Anm. 1, 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Beschränkung in Wegfall, dagegen bleibt das Erfordernis bestehen, daß die Hauptversammlung mit der vorgeschriebenen Mehrheit zustimmen m u ß ; ohne diese Zustimmung kann der Vorstand nicht für irgendeinen Vergleich mit dem Ersatzpflichtigen stimmen.

Anm. 19 IV. Keine Anwendung von § 50 i m Konkurs der Gesellschaft Ist die A G selbst im Konkurs, so fallen die Beschränkungen, die sich aus § 50 ergeben, nach konkursrechtlichen Grundsätzen ganz weg.

§ 51

Verjährung der E r s a t z a n s p r ü c h e

Ersatzansprüche der Gesellschaft nach den §§ 46 bis 49 verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. Ubersicht: Anm.

Einleitung

1

1. Der Anwendungsbereich des § 51

2

Anm.

2. Die Anwendung der allgemeinen Verjährungsvorschriiten 3 3. Der Beginn der Verjährung 4

Anm. 1 Einleitung Die ßinfjährige Verjährungsfrist für die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Gründer, Gründergenossen, Ankündiger sowie Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats kannte schon das H G B (§ 206), das A k t G 37 hat sie beibehalten und A k t G 65 übernommen. Nur ist der Beginn der Verjährungsfrist etwas geändert. Während § 44 A k t G 37 nach seinem Wortlaut die Verjährungsfrist immer mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister beginnen ließ, sieht § 51 für den Fall, daß die schädigende Handlung erst später begangen wird, den Verjährungsbeginn erst mit der Vornahme der Handlung vor. Das hatte im Wege einer ergänzenden Auslegung schon unter der Herrschaft des § 206 H G B und § 44 A k t G 37 eine beachtliche Meinung im Schrifttum angenommen (vgl. Vorauflage § 44 Anm. 4).

Anm. 2 1. Der Anwendungsbereich des § 51 Die Vorschrift trifft alle in den §§ 46, 47, 48 und 49 geregelten Ersatzansprüche, also, abweichend von § 50, auch die Ansprüche gegen die Gründungsprüfer und die ihnen Gleichgestellten. Sie trifft aber nur Ersatzansprüche, die auf den §§ 46 bis 4g beruhen, nicht solche, die nur in allgemeinen Vorschriften ihre Grundlage haben, sei es in unerlaubter Handlung, sei es in vertraglichen Zusicherungen. Erfüllt ein Verhalten zugleich einen der nach den §§ 46 bis 49 die Ersatzpflicht begründenden Tatbestände und den Tatbestand einer unerlaubten Handlung, so gilt die Sondervorschrift des § 51, die dem § 852 BGB vorgeht. Ausgleichsansprüche verjähren nach § 195 BGB in dreißig Jahren ( R G 69, 426).

364

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 51 A m n . 3 , 4 §52

Anm. 3 2. Die Anwendung der allgemeinen Verjährungsvorschriften Die Vorschrift regelt nur den Beginn der Verjährung und die Dauer der Verjährungsfrist. Die allgemeinen Vorschriften, namentlich über Hemmung und Unterbrechung, bleiben daneben anwendbar. Zu beachten ist auch die in der Rechtsprechung des R G entwickelte Gegeneinrede der unstatthaften Rechtsausübung gegen die Einrede der Verjährung ( R G 143, 240 u. 253; 153, 107; 156, 3 0 1 ; 157, 227; BGH L M Nr. 2 und 6 zu § 222 BGB; Nr. 2 und 4 zu § 242 BGB [Cb]).

Anm. 4 3. Der Beginn der Verjährung Der Beginn der Verjährung wird auf den Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft bestimmt. Es kommt also nicht darauf an, ob schon ein Schaden entstanden ist, geschweige darauf, wann die Gesellschaftsorgane von dem Schaden Kenntnis erlangt haben (§§ 198, 852 BGB). Das Gesetz will nach Ablauf von fünf Jahren seit der Eintragung einer Klage begegnen, die sich auf Verfehlungen aus der Gründungszeit stützt. Da aber die Ersatzansprüche aus §§46 ff. ggf. erst nach Eintragung der Gesellschaft entstehen, z. B. die Haftung wegen Ankündigung gemäß § 47 Ziff. 3 oder Geheimnisverrat eines Gründungsprüfers gemäß §§49, 168 Abs. 1 Satz 2, eine Verjährung aber nicht, wie § 198 BGB ergibt, vor Entstehung des Anspruches einsetzen kann, beginnt nach Satz 2 die Verjährung erst mit der Vornahme der zum Ersatz verpflichtenden Handlung, wenn diese erst nach Eintragung ins Handelsregister vorgenommen worden ist. Auch hier kommt es nicht auf die Entstehung des Schadens und die Kenntnis von Tat, Täter und Schaden durch die A G an, sondern maßgebend ist die Vornahme der Handlung, was wohl identisch ist mit „Begehung der Handlung" in § 852 Abs. 1 BGB. Für die unter § 51 fallenden Ansprüche ist die Geltung des § 852 BGB ausgeschlossen, und zwar sowohl was den Beginn der Verjährung wie die Dauer der Verjährungsfrist anlangt. Das gilt auch für Ansprüche aus unerlaubter Handlung, sofern sich diese aus dem Verstoß gegen §§ 46 bis 49 ergeben ( R G 87, 306; § 93 Anm. 56; BaumbachHueck Rn. 2; a. M . Godin-Wilhelmi Anm.). Erfüllt dagegen eine Handlung unabhängig von den §§ 46 bis 49 einen vertraglichen oder gesetzlichen Haftungstatbestand, so unterfällt der daraufgestützte Anspruch nicht der Verjährungsfrist des § 51.

§ 52

Nachgründung

(1) Verträge der Gesellschaft, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, und die in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden, werden nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und durch Eintragung in. das Handelsregister wirksam. Ohne die Zustimmung der Hauptversammlung oder die Eintragung i m Handelsregister sind auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung unwirksam. (2) Ein Vertrag nach Absatz 1 bedarf der schriftlichen Form, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist. Er ist von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung beschließen soll, in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift zu erteilen. In der Hauptversammlung ist der Vertrag auszulegen. Der Vorstand hat ihn zu Beginn der Verhandlung zu erläutern. Der Niederschrift ist er als Anlage beizufügen. (3) Vor der Beschlußfassung der Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat den Vertrag zu prüfen und einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Nachgründungsbericht). Für den Nachgründungsbericht gilt sinngemäß § 32 Abs. 2 und 3 über den Gründungsbericht. 365

§52

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

(4) Außerdem hat vor der Beschlußfassung eine P r ü f u n g durch einen oder m e h r e r e G r ü n d u n g s p r ü f e r stattzufinden. § 33 Abs. 3 bis 5, § § 34, 35 ü b e r die G r ü n d u n g s p r ü f u n g gelten sinngemäß. (5) Der Beschluß der H a u p t v e r s a m m l u n g bedarf einer Mehrheit, die m i n destens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals u m f a ß t . Wird der Vertrag i m ersten J a h r e nach der Eintragung d e r Gesellschaft In das Handelsregister geschlossen, so m ü s s e n a u ß e r d e m die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten G r u n d kapitals erreichen. Die Satzung k a n n a n Stelle dieser Mehrheiten größere Kapitalmehrheiten und weitere Erfordernisse b e s t i m m e n . (6) Nach Z u s t i m m u n g der H a u p t v e r s a m m l u n g h a t der Vorstand den Vert r a g zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung ist der Vertrag in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift m i t d e m Nachgründungsbericht und d e m Bericht der G r ü n d u n g s p r ü f e r m i t den urkundlichen Unterlagen beizufügen. (7) Bestehen gegen die Eintragung Bedenken, weil die G r ü n d u n g s p r ü f e r erklären oder weil es offensichtlich ist, d a ß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder d a ß die f ü r die zu erwerbenden Vermögensgegenstände gewährte Vergütung unangemessen hoch ist, so k a n n das Gericht die Eintragung a b lehnen. (8) Bei der Eintragung genügt die Bezugnahme auf die eingereichten U r kunden. In die Bekanntmachung der Eintragung sind aufzunehmen der T a g des Vertragsabschlusses und der Zustimmimg der H a u p t v e r s a m m l u n g sowie der zu erwerbende Vermögensgegenstand, die Person, von der die Gesells c h a f t ihn erwirbt, und die zu gewährende Vergütung. (9) Vorstehende Vorschriften gelten nicht, wenn der E r w e r b der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet oder wenn sie in der Zwangsvollstreckung erworben werden. (10) Ein Vertrag nach Absatz 1 ist, gleichviel ob er vor oder n a c h Ablauf von zwei J a h r e n seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen ist, nicht deshalb u n w i r k s a m , weil ein Vertrag der G r ü n d e r ü b e r denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber u n w i r k s a m Ist. Übersicht: Anm.

Einleitung I. Der Nachgründungsvertrag 1. Die rechtlichen Voraussetzungen und Form 2. Schwebende Unwirksamkeit 3. Das Erfüllungsgeschäft 4. Der Konkurs der Gesellschaft 5. Entsprechende Anwendung bei Kapitalerhöhung

2,3 4

V . Ausnahmen 1. Der Erwerb von Gegenständen, die den Gegenstand des Unternehmens bilden 2. Der Erwerb von Gegenständen in der Zwangsvollstreckung

II. Die Zustimmung der Hauptversammlung 1. Die Form der Zustimmung 2. Die Beschlußfassung mit qualifizierter Mehrheit III. Die Prüfung durch Aufsichtsrat und Gründungsprüfer 1. Allgemeines 2. Das Fehlen der Prüfung

366

Anm.

IV. Die Eintragung in das Handelsregister 1. Die Einreichung der Unterlagen 2. Die Prüfung durch den Registerrichter 3. Die Eintragung und Bekanntmachung

10 11

12 13 14

15 16

V I . Die Heilung einer unwirksamen Sachgründung 1.Die Heilung durch Nachgründung 17, 18 2. Die einfache Heilung 19

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 52

Anm. 1, 2

Anm. 1 Einleitung Schon der Gesetzgeber von 1884 hatte die Notwendigkeit erkannt, die der Offenlegung von Sachgründungen dienenden Vorschriften durch solche zu ergänzen, die in die erste Zeit des Bestehens der A G hineinreichen. Denn es liegt allzu nahe, jene Vorschriften dadurch zu umgehen, daß zunächst eine Bargründung vorgenommen wird und nach der Eintragung die Verträge geschlossen werden, deren Offenlegung die Gründer hatten vermeiden wollen. So entstanden die in Art. 2i3f. enthaltenen Vorschriften über die „Nachgründung". Das Gesetz blieb aber auf halbem Wege stehen. Es erschwerte zwar die Nachgründung, indem es sie an die Zustimmung der Generalversammlung mit verschärftem Mehrheitserfordernis band, auch eine vorgängige Prüfung durch den Aufsichtsrat und Erstattung eines Prüfungsberichts vorschrieb sowie Gründern und Gründergenossen unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Gründung eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft auferlegte, wenn die Nachgründung auf eine schon vor der Entstehung der Gesellschaft von den Gründern getroffene Vereinbarung zurückging. Aber das wesentlichste Stück der für die Sachgründung getroffenen Sicherungen ließ das Gesetz bei der Nachgründung weg, nämlich die Prüfung durch unparteiische Revisoren. Das H G B übernahm diese Vorschriften im wesentlichen unverändert (§§ 207, 208 HGB). § 45 A k t G 37 hat die vielfach beklagte Lücke ausgefüllt. Es verlangte eine Prüfimg durch Gründungsprüfer und glich die Erfordernisse der Nachgründung denen der Sachgründung auch dadurch an, daß es zur Wirksamkeit der Nachgründung deren Eintragung ins Handelsregister verlangte. Das setzte wiederum eine Prüfung durch den Registerrichter voraus, die diesem in entsprechender Weise wie bei der Gründung auferlegt wurde. § 52 A k t G 65 übernimmt die Neuregelung des § 45 A k t G 37, fügt allerdings drei kleinere sachliche Änderungen oder Klarstellungen bei. In Abs. 1 ist durch eine Umstellung im Satzbau klargestellt, daß der Abschluß der sogenannten Nachgründungsverträge innerhalb von zwei Jahren seit Gründung keine Bedingung der Wirksamkeit des Nachgründungsvertrages, sondern nur eine Voraussetzung der qualifizierten Wirksamkeitsmerkmale für das Erfordernis der Hauptversammlungs-Zustimmung und Registereintragung ist. In einem neuen Abs. 2 ist für Nachgründungsverträge die schriftliche Form ausdrücklich verlangt und damit eine Streitfrage des bisherigen Rechts beseitigt; außerdem ist die Auslegung des Vertrages von der Einberufung der Hauptversammlung ab und in der Hauptversammlung sowie die Erteilung von Abschriften auf entsprechendes Aktionärsverlangen, die Erläuterung durch den Vorstand in der Hauptversammlung und die Beifügung als Anlage zum Hauptversammlungsprotokoll vorgeschrieben. Schließlich ist die besondere Vorschrift, der Gesellschaft Gelegenheit zu geben, Beanstandungen zu beseitigen (§45 Abs. 6 Satz 2 A k t G 37), als neben § 26 der Handelsregisterverfügung entbehrlich gestrichen.

Anm. 2 I. Der Nachgründungsvertrag 1. Die rechtlichen Voraussetzungen und Form Als Nachgründungsvertrag unterliegt den Vorschriften des § 52 jeder Vertrag, den die Gesellschaft in den ersten 2 Jahren seit ihrer Eintragung abschließt (nicht nur erfüllt, R G 130, 253), der den Erwerb von Vermögensgegenständen zum Inhalt hat, und bei dem die von der Gesellschaft zu leistende Vergütung den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigt. Unter dem Grundkapital ist hier wie immer deren satzungsmäßiger Nennbetrag zu verstehen, nicht der Betrag der geleisteten Einzahlungen und auch nicht der Ausgabebetrag. Wird das Grundkapital erhöht, so entscheidet der zur Zeit des Vertragsschlusses geltende Betrag. Die Vergütung braucht nicht in Geld zu bestehen; besteht sie in einer anderen Vermögenswerten Leistung, so ist ihr Wert zu schätzen. Gegenstand des Nachgründungsvertrages sind vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände. Der Ausdruck ist so umfassend wie nur möglich und bedarf keiner weiteren Erläuterung (Beispiele s. § 27 Anm. 6, 7, 23). V o n der Gesellschaft selbst her-

367

§52

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 3, 4 zustellende Anlagen fallen aber nicht unter § 52 (a. M . Dienst W P g 64, i5of.), es sei denn, daß die zur Material- oder Arbeitsbeschaffung mit Dritten abzuschließenden Verträge selbständig unter § 52 fallen. Wird ein einheitlicher Vertrag in mehrere Verträge zerlegt, so fallen diese gleichwohl insgesamt unter § 52. Anders dagegen, wenn selbständige Verträge mit verschiedenen Vertragsgegnern geschlossen werden, mögen sie auch eine gemeinsame Beziehung zueinander aufweisen oder eine wirtschaftliche Einheit miteinander bilden, etwa der Errichtung derselben Produktionsanlage dienen (herrsch. Ansicht; a. M . Godin-Wilhelmi Anm. 3). Liegt jedoch in einem solchen Fall offenbar eine Umgehungsabsicht vor, dann kann auch die Zerlegung in mehrere selbständige Verträge für die Anwendung von § 52 nicht von Bedeutung sein. Abs. 2 schreibt für den Nachgründungsvertrag nunmehr ausdrücklich schriftliche Form vor, läßt damit aber Vorschriften, die eine strengere Form vorschreiben, unberührt. Werden also Grundstücke erworben, so bewendet es bei § 3 1 3 BGB. Wird die Formvorschrift des Abs. 2 S. 1 nicht beachtet, so ist der Nachgründungsvertrag rechtsunwirksam und wird auch nicht dadurch wirksam, daß er von der Hauptversammlung genehmigt und vom Registergericht eingetragen wird. Die Nichtigkeit kann aber dadurch geheilt werden, daß der Nachgründungsvertrag nachträglich in schriftlicher Form abgeschlossen wird. Sofern sein schriftlicher Wortlaut mit dem übereinstimmt, der den Gründungsberichten und der Gründungsprüfung zugrunde lag, von der Hauptversammlung genehmigt und dem Registergericht mitgeteilt war, braucht dann das Verfahren nach § 52 nicht wiederholt zu werden, zumal Abs. 1 von Zustimmung und nicht von Genehmigung spricht und eine nochmalige Eintragung nach ordnungsgemäßer schriftlicher Vollziehung eine bloße Formalität wäre (vgl. Anm. 8).

Anm. 3 Seiner rechtlichen Natur nach ist der Nachgründungsvertrag ein einfacher schuldrechtlicher Vertrag, der mit dem Gründungsakt in keinem rechtlichen Zusammenhang steht. Er wird jedoch seinem Inhalt nach dadurch gekennzeichnet, daß er nach § 27 in der Satzung hätte festgesetzt werden müssen, wenn er bei der Gründung der A G abgeschlossen worden wäre. Daher der Name Nachgründungsvertrag (Schlegelberger-Quassowski § 45 Anm. 2). In dieser Hinsicht ist jedoch eine Einschränkung geboten, die sich aus dem Zweck des § 52 ergibt. Erforderlich ist, daß die Vergütung aus dem Kapital der Gesellschaft, nicht aus dem späteren Gewinn der Gesellschaft gezahlt wird; daher fallt der Erwerb eines Vermögensgegenstandes (z. B. Patent) gegen Gewährung eines Gewinnanteils nicht unter § 52 (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 10). Im übrigen gilt aber inhaltlich für den Nachgründungsvertrag alles, was für den Ubernahmevertrag nach § 27 gilt (§ 27 Anm. 23, 6). Danach können nicht nur Kauf- und Werkverträge, sondern auch Mietverträge Nachgründungsverträge im Sinn des § 52 sein (ebenso Ritter § 45 Anm. 2 a). Die gegenteilige Auffassung, die mit Rücksicht auf den Wortlaut des Gesetzes einen Vertrag verlangt, der auf den Erwerb eines dinglichen Rechts gerichtet ist (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 1 1 ; Teichmann-Koehler § 4 5 Anm. 2b), übersieht insoweit den engen Zusammenhang zwischen § 27 und § 52. — Vorverträge fallen ebenfalls unter § 52, wenn durch sie eine Verpflichtung der Gesellschaft begründet werden soll (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 10).

Anm. 4 2. Schwebende Unwirksamkeit Nachgründungsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung (Anm. 8, 9) und der Eintragung in das Handelsregister (Anm. 12ff.). Das ist auch dann notwendig, wenn inzwischen die Zwei-Jahresfrist abgelaufen ist. Sie können dann nur durch einen erneuten Abschluß zu voller Wirksamkeit gelangen. Durch diese Wirksamkeitserfordernisse wird die an sich unbeschränkte Vertretungsmacht des Vorstandes sachlich beschränkt (wie im Fall des § 50, vgl. dort Anm. 13 und Stoldt WPg 6!, 123).

368

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 52 A n m . 5, 6

Nachgründungsverträge sind bis zur Erteilung der Zustimmung und bis zur Vornahme der Eintragung nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam. Der Vertragsgegner ist an einen solchen Vertrag innerhalb einer angemessenen Frist gebunden. Eine entsprechende Anwendung des § 178 BGB ist nicht möglich, der Vertragsgegner hat also kein einseitiges Widerrufsreckt. Eine solche Annahme würde mit dem Zweck des § 52, Schutz der Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger, in Widerspruch stehen und die hier typisch anders gelagerte Interessenlage gegenüber dem Vertrag mit einem Vertreter ohne Vertretungsmacht außer acht lassen. Der Vertragsgegner kann hier lediglich in entsprechender Anwendung des § 1829 BGB eine angemessene Frist zur Beibringung der Zustimmung der Hauptversammlung und zur Eintragung in das Handelsregister setzen; nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist wird der Vertragsgegner von seiner Bindung frei (Düringer-Hachenburg §207 Anm. 20; Schlegelberger-Quassowski §45 Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Rn. 6; Geiler J W 1929, 2925; Flechtheim J W 1929, 2944; Stoldt a. a. O.; a . M . R G 1 2 1 , 104; J W 1929, 2944; Ritter §45 Anm. 2 b ; Godin-Wilhelmi Anm. 9; abweichend auch Ury J W 1930, 1 3 5 3 ; Abraham J W 1930, 1354). Wird die Zustimmung von der Hauptversammlung verweigert oder die Eintragimg in das Handelsregister abgelehnt, so wird der Vertrag endgültig unwirksam.

Anm. 5 3. Das Erfüllungsgeschäft Nach ausdrücklicher Vorschrift sind auch die Ausfuhrungsgeschäfte ohne Zustimmung der Hauptversammlung und ohne Eintragung in das Handelsregister unwirksam. Das bedeutet aber auch hier wie bei den Verpflichtungsgeschäften nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam. Die Ausführungsgeschäfte bedürfen also nach Zustimmung und nach Eintragung nicht der Wiederholung. Das ist bedeutsam für die Auflassung; dem steht auch § 925 Abs. 2 BGB nicht entgegen, da eine rechtsbedingte Auflassung wirksam ist (BGH L M Nr. 1 zu § 1477 BGB). Trägt der Grundbuchrichter vor Erteilung der Zustimmung die beantragte Eigentumsänderung ein, so wird das Grundbuch unrichtig (Brodmann § 207 Anm. 4 b ; Godin-Wilhelmi Anm. 10). Wird die Zustimmung von der Hauptversammlung verweigert oder die Eintragung in das Handelsregister abgelehnt, so ist das Ausfuhrungsgeschäft endgültig unwirksam. Die Gesellschaft hat bei beweglichen Sachen das Erlangte nach § 985 BGB herauszugeben, bei Grundstücken zudem der Berichtigung des Grundbuchs zuzustimmen. Einer Anwendung der §§ 812 ff. BGB bedarf es im allgemeinen nicht.

Anm. 6 4. Der Konkurs der Gesellschaft Fällt die Gesellschaft vor Erteilung der Zustimmung in Konkurs, so bedarf es nur noch der Zustimmung des Konkursverwalters (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 24; Ritter § 45 Anm. 2 b ; Schlegelberger-Quassowski § 45 Anm. 10; jetzt auch Baumbach-Hueck Rn.6). Der Gegenmeinung ( B a y O b L G J W 1925, 1646; i.Aufl. Anm.7; Brodmann § 207 Anm. 4 a ; Jaeger Komm. K O §§ 207/08 Anm. 10; Menzel-Kuhn Komm. K O § 207 Anm. 1 3 ; Jaeger J W 1926, 596), die neben der Zustimmung des Konkursverwalters auch weiter die Zustimmung der Hauptversammlung für erforderlich hält, kann nicht gefolgt werden. Zunächst kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß der Konkursverwalter nach Konkurseröffnung in der selbständigen Verwertung des Gesellschaftsvermögens frei und nicht an die Zustimmung der Hauptversammlung gebunden ist; er kann also solche Verwertungsverträge, die ohne Konkurseröffnung Nachgründungsverträge wären, selbständig abschließen (so auch Jaeger J W 1926, 596). Das folgt einerseits zwingend aus dem Konkurszweck und andererseits aus der Tatsache, daß mit der Konkurseröffnung der Schutzgedanke des § 42, Schutz der Aktionäre usw. gegen Gründereinflüsse, gegenstandslos geworden ist. Warum sollte hier nun etwas anderes gelten, wenn der Vertrag vor der Konkurseröffnung noch vom Vorstand abgeschlossen worden war? Auch hier entfallt mit der Konkurseröffnung der Grundgedanke des § 52; die Gefahr eines ungerechtfertigten Gründereinflusses besteht nun nicht mehr. Wenn dem24

Aktlengesetz I, 3. Aufl.

369

§ 52 Anm. 7, 8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

gegenüber Jaeger (JW 1926, 596) in dieser Hinsicht einen Vergleich mit Satzungsänderungen und körperschaftsrechtlichen Beschlüssen zieht und meint, so wie in diesen Fällen die Zuständigkeit der Hauptversammlung durch die Konkurseröffnung nicht berührt werde, so müsse das gleiche für die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 52 gelten, so erscheint auch das nicht richtig. Denn es ist gerade der entscheidende Unterschied, daß es sich bei den sog. Nachgründungsverträgen um reine Verkehrsgeschäfte handelt, die zum Aufgabenbereich des Konkursverwalters gehören und deshalb z. B. einer Satzungsänderung nicht gleichgestellt werden können. Anm. 7 5. Entsprechende Anwendung bei Kapitalerhöhung Der Zweck des § 52 erfordert es, diese Bestimmung auch bei Kapitalerhöhungen entsprechend anzuwenden, wenn diese innerhalb der Zwei-Jahresfrist nach Eintragung der Gesellschaft vorgenommen wird. Denn für die Anwendung des § 52 kann es, wie Schlegelberger-Quassowski § 45 Anm. 3 mit Recht bemerken, keinen Unterschied machen, ob die Gesellschaft als Gegenleistung junge Aktien oder ein anderes Entgelt hingibt (ebenso Godin-Wilhelmi Anm. 2; Dienst, Die aktienrechtliche externe Gründungsprüfung, Diss. S. 50; a. M. Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG S. 310). Anm. 8 I I . Die Zustimmung der Hauptversammlung 1. Die F o r m der Zustimmung Die Zustimmung der Hauptversammlung muß ausdrücklich durch einen besonderen Beschluß erteilt werden. Dabei muß sich die Hauptversammlung ihres Prüfungsrechts und der daraus entspringenden Pflicht bewußt sein und von sämtlichen Bedingungen des Vertrages eingehend Kenntnis erhalten haben (RG 121, 104; HRR 1929 Nr. 1033; Schlegelberger-Quassowski Anm. 5; Teichmann-Koehler Anm. 3c; Cohnitz JW 1930, 2644). Es gilt insoweit das gleiche wie für die Genehmigung des § 184 BGB, die die Kenntnis und den Willen des Genehmigenden voraussetzt, daß der Vertrag erst mit seiner Genehmigung wirksam wird(BGH 2, 153). Das hat der neue Abs. 2 des § 52 dadurch unterstrichen, daß er für den Vorstand eine Reihe von Pflichten zwecks Information der Aktionäre ausdrücklich aufgestellt hat. Einmal ist der Nachgründungsvertrag ab Einberufung der Hauptversammlung, die über die Zustimmung beschließen soll, in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen (vgl. § 175 Abs. 2 Satz 1 hinsichtlich des Jahresabschlusses und die Erläuterungen dazu). Jedem Aktionär ist, wenn er es verlangt, unverzüglich eine Abschrift zu erteilen (vgl. § 175 Abs. 2 Satz 2 mit Erläuterungen). Die Kosten der Abschrift gehen zu Lasten der Gesellschaft, die der Zusendung zu Lasten des Aktionärs. Die Pflicht zur Auslegung und zur Ubersendung einer Abschrift ist durch Ordnungsstrafen gemäß § 407 erzwingbar, ggf. kann sie auch Gegenstand einer einstweiligen Verfügung sein, wenn die Erzwingung durch Ordnungsstrafen keinen Erfolg vor der Hauptversammlung mehr verspricht. Auch in der Hauptversammlung ist der Vertrag auszulegen, so daß jeder Aktionär ihn einsehen und sich von seinem Inhalt überzeugen kann. Zu Beginn der Verhandlung hat der Vorstand den Nachgründungsvertrag zu erläutern, d. h. Zweck und Inhalt des Vertrages und seiner einzelnen Bestimmungen zu begründen und in ihrer Tragweite darzulegen. Schließlich ist der Vertrag dem Protokoll der Hauptversammlung als Anlage beizufügen. Die im Reg.E. vorgesehene Pflicht zur Verlesung des Vertrages in der Hauptversammlung haben Rechts- und Wirtschaftsausschuß gestrichen, und zwar aus der zutreffenden Erwägung heraus, daß damit unwichtige Einzelheiten zu große Aufmerksamkeit erhielten und wichtige Bestimmungen überhört werden könnten. Die Verletzung der Vorschriften des Abs. 2 Satz 2 bis 5 macht den Hauptversammlungsbeschluß anfechtbar, berührt aber, wenn nicht angefochten wird, die Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung nicht.

370

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 52 A n m . 9—11

Im Schrifttum wird fast einhellig die Ansicht vertreten, die Zustimmung könne auch vor Abschluß des Vertrages als Einwilligung erteilt werden. D e m ist entgegen Fischer in der Vorauflage § 45 Anm. 8 und Godin-Wilhelmi Anm. 7 zuzustimmen. Denn § 52 spricht nicht von Genehmigung, sondern von Zustimmung, worunter gemäß §§ 183, 184 BGB auch die vorherige Zustimmung, also die Einwilligung, zu verstehen ist. D a ß der Aufsichtsrat (Abs. 3) und die Gründungsprüfer (Abs. 4) den Vertrag zu prüfen haben, und daß ihre Berichte der Hauptversammlung bei ihrer Beschlußfassung vorzulegen sind, spricht nicht gegen die Zulässigkeit einer Einwilligung; denn auch ein erst im Entwurf vorliegender Vertrag kann geprüft und zum Gegenstand von Berichten gemacht werden (so auch Baumbach-Hueck Rn. 6; vgl. auch oben Anm. 2). Eine stillschweigende oder schlüssige Zustimmung der Hauptversammlung genügt nicht. Das Gesetz verlangt einen Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung, der nur ausdrücklich ergehen kann. Die Genehmigung einer Jahresbilanz, in der sich der Nachgründungsvertrag ausgewirkt hat, genügt selbst dann nicht, wenn er im Geschäftsbericht geschildert wird. Ebensowenig reicht eine darauf erteilte Entlastung aus ( R G Z 121, 164; J W 29, 2945).

Anm. 9 2. Die Beschlußfassung mit qualifizierter Mehrheit Der Beschluß muß mit einer besonders gearteten Mehrheit gefaßt werden. Erstens muß die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§§ 133, 134) für die Zustimmung sein. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen muß aber zugleich mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals (nach dem Nennbetrag, ohne Rücksicht auf die Höhe der Einzahlungen) umfassen. Wird der Beschluß schon im ersten Jahr nach der Eintragung der Gesellschaft gefaßt, so liegt der Verdacht eines Zusammenhangs mit der Gründung noch näher. In diesem Fall müssen die Anteile der zustimmenden Mehrheit nicht nur drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfassen, sondern außerdem noch mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals (ebenfalls nach dem Nennbetrag, ohne Rücksicht auf die Höhe der geleisteten Einzahlungen) erreichen, gleichviel, wieweit es bei der Beschlußfassung vertreten ist. Nach den jetzigen Vorschriften über die Abstimmung (§ 136) ist der Vertragsgegner, wenn er selbst Aktionär ist, von der Abstimmung nicht ausgeschlossen. Unter Umständen kann der Beschluß nach § 243 Abs. 2 angefochten werden. Die Satzung könnte den Vertragsgegner von der Abstimmung ausschließen, wie sie überhaupt das Mehrheitserfordernis verschärfen und noch andere Erfordernisse für die Zustimmung der Hauptversammlung aufstellen kann. Dagegen kann sie die gesetzlichen Erfordernisse nicht abmildern.

Anm. 10 III. Die Prüfung durch Aufsichtsrat und Gründungsprüfer 1. Allgemeines Der Beschlußfassung der Hauptversammlung haben zwei Prüfungen vorauszugehen: eine durch den Aufsichtsrat, die zweite durch Gründungsprüfer. Uber beide Prüfungen sind schriftliche Berichte zu erstatten. Für den vom Aufsichtsrat zu erstattenden Bericht, den das Gesetz den „Nachgründungsbericht" nennt, gilt sinngemäß § 32 Abs. 2 und 3 ; er hat also wie der Gründungsbericht sehr eingehende Angaben zu enthalten. Für die Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer gelten sinngemäß § 33 Abs. 3 bis 5, und die §§ 34 und 35. Es kann auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften verwiesen werden.

Anm. 11 2. Das Fehlen der Prüfung O b diese beiden Prüfungen vorgenommen worden sind, hat der Registerrichter vor der Eintragung des Nachgründungsvertrags festzustellen. Fehlt eine der Prüfungen, so 24*

371

§52 A n m . 12, 1 3

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

hat er die Eintragung abzulehnen. Die Prüfungen sind aber kein unmittelbares Gültigkeitserfordernis für den Vertrag. Hat die Hauptversammlung zugestimmt und hat der Registerrichter — was kaum vorkommen wird — den Vertrag versehentlich eingetraggen, obwohl es an einer der Prüfungen oder an beiden gefehlt hat, so ist der Zustimmungsbeschluß nichtig. Denn er ist dann in beiden Fällen unter Verletzung einer im öffentlichen Interesse gegebenen Vorschrift ergangen, so daß § 241 Nr. 3 eingreift. Die im Schrifttum zumeist angenommene Unterscheidung, wonach der Zustimmungsbeschluß beim Fehlen einer Prüfung durch den Aufsichtsrat anfechtbar, beim Fehlen einer Prüfung durch die Gründungsprüfer nichtig sei (so auch 1. A u f l . § 45 Anm. 6), erscheint nicht gerechtfertigt (wie hier auch Teichmann-Koehler § 4 5 Anm. 3 a, b; gegen die Unterscheidung wenden sich auch Godin-Wilhelmi A n m . 7, sie halten jedoch den Zustimmungsbeschluß in beiden Fällen nur für anfechtbar). Ist der Beschluß aus dem einen oder anderen Grunde nichtig, so tritt wiederum der oben (Anm. 4) genannte Schwebezustand ein, dem der Vertragsgegner ein Ende machen kann. O b die Prüfungsberichte ungünstig lauten, ist für die Wirksamkeit des zustimmenden Beschlusses gleichgültig, kann aber einen Grund geben, die Eintragung abzulehnen (Anm. 13).

Anm. 12 IV. Die Eintragung in das Handelsregister 1. Die Einreichung der Unterlagen Nach der Zustimmung der Hauptversammlung hat der Vorstand den Vertrag dem Registergericht zur Eintragung einzureichen, um die Nachgründung wirksam zu machen; ein Zwang zur Einreichung besteht nicht (§407 Abs. 2). Es ist nicht wie bei der Anmeldung der Gesellschaft nötig, daß sämtliche Vorstandsmitglieder mitwirken; Einreichung durch die Vertretungsberechtigten (§ 78) genügt, auch unechte Gesamtvertretung ist zulässig (vgl. § 42 Anm. 9). Diese Einreichung ist eine Art der Anmeldung; sie hat in beglaubigter Form zu geschehen ( § 1 2 H G B ) . Der Vertrag ist in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift einzureichen; der Bericht des Aufsichtsrats (Nachgründungsbericht) und der Bericht der Gründungsprüfer nebst den urkundlichen Grundlagen der Berichte (§ 37 Anm. 4 Nr. 4) sind beizufügen. Eine öffentlich beglaubigte Abschrift der über den Hauptversammlungsbeschluß aufgenommenen Niederschrift ist nach § 130 Abs. 5 einzureichen.

Anm. 13 2. Die Prüfung durch den Registerrichter . | D i e Prüfungspflicht des Registerrichters ist im wesentlichen die gleiche wie im Fall des § 38. Es kann im allgemeinen auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden. Das Gericht hat also in erster Linie zu prüfen, ob die gesetzlichen Formvorschriften erfüllt sind, d. h. außer der Ordnungsmäßigkeit der Einreichung, ob der Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats und der Bericht der Gründungsprüfer erstattet, ob die Hauptversammlung ordnungsmäßig berufen, ob ordnungsmäßig abgestimmt und der Beschluß mit der erforderlichen Mehrheit gefaßt worden ist. Dahin gehört auch die Prüfung, ob der Nachgründungsbericht den gesetzlichen Vorschriften entspricht; es bedarf in diesem Punkt keiner Erklärung der Gründungsprüfer, daß das nicht der Fall sei; durch solche Erklärung kann der Registerrichter allerdings auf Verstöße gegen das Gesetz hingewiesen werden. Fehlt eine gesetzliche Voraussetzung, so muß die Eintragung abgelehnt werden. Darüber hinaus „ k a n n " das Gericht sie aber auch ablehnen, wenn die Gründungsprüfer erklären oder wenn es „offensichtlich" ist, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig oder daß die Vergütung für die zu erwerbenden Gegenstände unangemessen hoch ist. Uber die „Offensichtlichkeit" s. § 38 Anm. 7, über das „ k a n n " § 38 Anm. 8. Wenn der Registerrichter Mängel zu finden glaubt, ist es ihm unbenommen, der Gesellschaft Gelegenheit zur Abhilfe zu geben; vgl. § 26 der Handelsregisterverfugung.

372

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 52 Anm. 14, 15

Anm. 14 3. Die Eintragung und Bekanntmachung Nach dem HGB wurde der Vertrag nicht eingetragen, die Einreichung zum Handelsregister genügte nur einer Ordnungsvorschrift und war kein Gültigkeitserfordernis. Da nach dem AktG die Eintragung Rechtsbedingung für die Wirksamkeit des Vertrags ist, so bedurfte es näherer Vorschriften über die Eintragung und deren Bekanntmachung. Bei der Eintragung selbst genügt die Bezugnahme auf die eingereichten Urkunden. Mehr ist in die Bekanntmachung (§ io HGB) aufzunehmen, die aber kein Gültigkeitserfordernis für den Vertrag ist. In die Bekanntmachung sind aufzunehmen: i. der Tag des Vertragsabschlusses, 2. der Tag der Zustimmung der Hauptversammlung, 3. der zu erwerbende Vermögensgegenstand, 4. die Person, von der die Gesellschaft erwirbt, 5. die zu gewährende Vergütung. Da sich alles dies aus den Urkunden ergibt, auf welche die Eintragung Bezug nimmt, so wird hier angenommen werden müssen, daß die Wirkungen des § 15 HGB im vollen Umfang der Bekanntmachung eintreten (vgl. dagegen § 40 Anm. 2). Nach der in § 43 getroffenen Regelung ist der Vertrag nebst Anlagen in so vielen Stücken, als Niederlassungen bestehen, beim Gericht des Sitzes einzureichen. Dieses teilt seine Eintragung den einzelnen Gerichten der Zweigniederlassungen unter Beifügung der entsprechenden Stücke mit; diese Gerichte haben die Eintragung ohne Nachprüfung in ihre Register zu übernehmen. Im übrigen kann auf die Erläuterungen zu § 43 verwiesen werden. V. Ausnahmen Von den Vorschriften über die Nachgründung macht das AktG, im wesentlichen übereinstimmend mit dem bisherigen Recht, zwei Ausnahmen. Anm. 15 1. Der Erwerb von Gegenstanden, die den Gegenstand des Unternehmens bUden Die erste Ausnahme betrifft Gesellschaften, bei denen der Erwerb der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet (vgl. RG JW 1910, 8oo'). § 207 Abs. 5 HGB sprach nur von Grundstücken; auch heute wird das einer der Hauptfalle sein. Es wäre ungerechtfertigt, bei solchen Gesellschaften innerhalb der ersten zwei Jahre ihres Bestehens in dem Erwerb eines jeden Grundstücks eine Nachgründung zu sehen, während sie in Wirklichkeit nur ihrem Gewerbe nachgeht. Die Ausnahme ist aber streng auf solche Gesellschaften zu beschränken (vgl. Voss WPg 64, 440). Es genügt nicht, daß eine Gesellschaft zum Betriebe eines andersartigen Unternehmens irgendwelcher Grundstücke bedarf (RG JW 1929, 2944"), auch wenn sie den Erwerb dieser Grundstücke neben dem Betrieb, dem sie dienen sollen, mißbräuchlich als Gegenstand des Unternehmens mitbezeichnet. Gerade für solche Gesellschaften sind die Vorschriften über die Nachgründung bestimmt (KGJ 10, 33; BayObLG Holdheim 5, 201). Es genügt auch nicht, daß in der Satzung der Erwerb einer bestimmten Betriebsstätte und anderer Grundstücke als Gegenstand des Unternehmens bezeichnet ist, geschweige die überhaupt unzulässige Bezeichnung „Betrieb von Handelsgeschäften aller Art" (§ 23 Anm. 11). Es müssen wirklich „Grunderwerbsgesellschaften" sein, also Gesellschaften, deren Unternehmen darauf gerichtet ist, Grundstücke zu erwerben, um durch den Erwerb Geschäfte zu machen. Hauptsächlich gehören dahin Siedlungsgesellschaften, die Grundstücke erwerben, um sie zu veräußern oder zu verpachten. Was hier für Grundstücke gesagt ist, gilt entsprechend für andere Vermögensgegenstände, deren Erwerb den Gegenstand des Unternehmens bildet. Hierher ist vor allem der Ankauf von Rohstoffen oder von Halbfertigfabrikaten zu rechnen, die für den Fabrikationsbetrieb der Gesellschaft benötigt werden. Auch hier würde eine Einschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes den laufenden, satzungsmäßig vorgesehenen Geschäftsbetrieb der 373

§ 52 Anm. 16, 17

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Gesellschaft behindern. Uber die Bedeutung dieser Ausnahme für die Zeit zwischen Entstehung und Eintragung der Gesellschaft vgl. § 41 Anm. 28. Anm. 16 2. Der Erwerb von Gegenständen in der Zwangsvollstreckung Die zweite Ausnahme wird für den Erwerb in der Zwangsvollstreckung gemacht. Das entspricht dem Art. 2i3f. des Ges. von 1884, während § 207 Abs. 5 HGB vom Erwerb im Wege der „Zwangsversteigerung" sprach; beide Gesetze hatten dabei nur Grundstücke zum Gegenstand. Auch das AktG 37 hatte in der ersten Veröffentlichung das Wort „Zwangsversteigerung", durch Bekanntmachung des Reichsministers der Justiz vom I i . 5. 37 (RGBl. I 588) ist es in „Zwangsvollstreckung" berichtigt worden. Damit erledigen sich Zweifelsfragen des bisherigen Rechts. Ein Erwerb in einer beliebigen Zwangsversteigerung, an der die Gesellschaft nicht anders beteiligt war, als daß sie mitbot, konnte nicht wohl gemeint sein; das wurde allgemein angenommen. Zweifelhaft war aber, inwieweit die Gesellschaft beteiligt sein mußte. Der Begriff einer Zwangsversteigerung in das unbewegliche Vermögen geht in mancher Hinsicht über den einer Zwangsvollstreckung hinaus. Dieser ist (nach Schlegelberger-Quassowski § 45 Anm. 4) gewählt worden, weil die Nachgründung Vermögensgegenstände aller Art umfassen kann. An diesen Begriff muß man sich nunmehr halten. Kommt nur ein Erwerb in der „Zwangsvollstreckung" in Frage, so ist klar, daß dies keine fremde, sondern eine eigene Zwangsvollstreckung sein, die Gesellschaft also einen vollstreckbaren Titel haben muß. Ob das ein persönlicher oder dinglicher ist, ob sie die Vollstreckung an erster Stelle oder als beigetretene Gläubigerin betreibt, bleibt sich gleich. Die Versteigerung zwecks Aufhebung einer Gemeinschaft (§ 753 BGB, §§ 180 ff. ZVG) fallt zwar bei Grundstücken unter den Begriff der Zwangsversteigerung, aber weder bei ihnen noch bei anderen Gegenständen immer unter den Begriff der Zwangsvollstreckung (a. M. SchlegelbergerQuassowski § 45 Anm. 4), sondern nur dann, wenn sie auf Grund eines vollstreckbaren Titels von der Gesellschaft betrieben wird. Ähnlich steht es mit einem Pfandverkauf; betreibt ihn die AG auf Grund eines vollstreckbaren Titeb (§ 1233 Abs. 2 BGB), so kann sie den Gegenstand ohne Rücksicht auf § 52 AktG erwerben, beim Erwerb im Privatverkauf müßte sie § 52 beachten. Hat sie ein Absonderungsrecht und einen vollstreckbaren Titel, so kann sie im Konkurs des Schuldners auch aus einer vom Konkursverwalter betriebenen Zwangsversteigerung in unbewegliches oder Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen (§§ 126, 127 KO) den Gegenstand des Absonderungsrechts erwerben, ohne durch § 52 behindert zu sein. Von einem vollstreckbaren Titel wird man aber in keinem Fall absehen können, wenn man den Begriff der Zwangsvollstrekkung nicht gänzlich verflüchtigen will. Es besteht auch kein Bedürfnis, die Ausnahmevorschrift weit auszulegen. Anm. 17 VI. Die Heilung einer unwirksamen Sachgründung 1. Die Hellung durch Nachgründung Der letzte Absatz des § 52 beendigt den Streit darüber, ob die Nachgründung dazu dienen könne, eine Sachgründung zu heilen, die entgegen der gesetzlichen Vorschrift nicht in der Satzung verlautbart worden war (§ 27 Anm. 32). Das Gesetz erklärt die Wirksamkeit eines Nachgründungsvertrags nicht dadurch für ausgeschlossen, daß eine Vereinbarung der Gründer über denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist. Danach kann also über eine in der Satzung nicht festgesetzte Sacheinlage oder Sachübernahme ein Nachgründungsvertrag geschlossen werden, der wirksam ist, wenn — bei Abschluß innerhalb der ersten zwei Jahre seit der Eintragung — die Vorschriften des § 52 beachtet werden. Damit wird aber die Bareinlage nicht schlechthin zur Sacheinlage, weil Aufrechnung nur in beschränktem Umfang möglich ist (§ 66). Auch wird auf diesem Wege lediglich die Heilung einer mangelhaften Sachgründung ermöglicht; die Heilung eines nach § 26 Abs. 2 nichtigen Gründungsabkommens ist auf diesem Wege nicht möglich (RG 167, 117). 374

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)§ 52 A n m . 18, 19 §53

Anm. 18 Wie steht es aber mit den Erfüllungsgeschäften, die nach § 27 Abs. ¿ebenfalls unwirksam sind? Es ist z. B. auf Grund einer in der Satzung nicht festgesetzten Sachübernahme der Gesellschaft ein Grundstück übereignet worden, sie hat dem Veräußerer Barzahlung geleistet. Alles das ist unwirksam. Der Veräußerer ist trotz der Auflassung an die Gesellschaft und deren Eintragung im Grundbuch Eigentümer des Grundstücks geblieben, das Grundbuch ist unrichtig. Die Gesellschaft hat am baren Gelde kein Eigentum auf den Veräußerer übertragen und ist durch Vermischung des Geldes mit dem semigen Miteigentümerin seines Barbestandes geworden (§948 BGB). Wird nun der schuldrechtliche Vertrag unter Beachtung des § 52 wiederholt, so daß er nunmehr wirksam geschlossen ist, so hat sich damit die dingliche Rechtslage noch nicht geändert. Die A G ist nach wie vor nur Bucheigentümerin, nicht wirkliche Eigentümerin. Sie hat aber gegen den Berichtigungsanspruch des Veräußerers nunmehr eine Einrede (§§ 894, 986 Abs. 2 BGB), auch kann der Veräußerer auf seinen Berichtigungsanspruch durch formlosen Vertrag verzichten, und ein solcher Verzicht wird regelmäßig schon im Nachgründungsvertrag, als stillschweigend darin enthalten, gefunden werden können. Die Gesellschaft wird mit alledem zwar nicht wirkliche Eigentümerin, hat aber den Berichtigungsanpruch nicht mehr zu fürchten und kann über das Grundstück vermöge der unwiderruflichen Einwilligung des wahren Eigentümers (§§ 183, 185 Abs. 1 BGB) wirksam verfugen, es belasten oder veräußern. Genügt ihr das alles nicht, will sie wahre Eigentümerin werden, so müßte freilich das Grundbuch berichtigt und es müßten Auflassung und Eintragung wiederholt werden. Einfacher liegt es mit der Vergütung. Bei ihr genügt eine formlose Einigung nach § 929 Satz 2 BGB, den Grundstücksveräußerer zum Eigentümer des Geldes zu machen. Ist die Vergütung durch Banküberweisung geleistet worden, so macht ein formloser Vertrag den Unberechtigten zum Berechtigten. Stillschweigendes Einverständnis genügt in beiden Fällen.

Anm. 19 2. Die einfache Heilung Das Gesetz läßt ohne die Sicherungen des § 52 eine Heilung der Sachgründung auch dann zu, wenn seit der Eintragung der Gesellschaft mehr als zwei Jahre vergangen sind oder wenn die Vergütung den zehnten Teil des Grundkapitals nicht übersteigt (Schlegelberger-Quassowski § 4 5 Anm. 12, 13; Baumbach-Hueck R n . 11, Herbig D N o t Z 1937, 202; Sengelmann, Die Sachübernahme im Aktienrecht, Diss. S, 601 u ; a . M . GodinWilhelmi Anm. 13). In diesen Fällen erscheint das Schutzbedürfnis geringer.

§ 53

E r s a t z a n s p r ü c h e bei der N a c h g r ü n d u n g

Für die Nachgründung gelten die §§ 46, 47, 49 bis 51 über die Ersatzansprüche der Gesellschaft sinngemäß. An die Stelle der Gründer treten die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Sie haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Soweit Fristen mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister beginnen, tritt an deren Stelle die Eintragung des Vertrags über die Nachgründung. Übersicht: Einleitung 1. Die haftpflichtigen Personen 2. Der Haftungstatbestand 3. Verzicht und Vergleich

Anm.

Anm.

2 3 4

4. Die Verjährung 5. Ausnahme 6. Die Strafbarkeit schwindeis

des

Nachgründungs-

5 6 7

376

§ 53 Anm. 1—3 Anm. 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Einleitung Art. 2 i 3 f . des Gesetzes von 1884 ließ in Abs. 5 die Gründer und Gründergenossen für eine Schädigung der Gesellschaft nach den für die Gründung geltenden Vorschriften haften, wenn der Erwerb eines Vermögensgegenstandes innerhalb der ersten zwei J a h r e in Ausfuhrung einer vor der Errichtung der Gesellschaft von den Gründern getroffenen Vereinbarung stattgefunden hatte. Ähnlich bestimmte § 208 H G B eine Ersatzpilicht von Gründern und Gründergenossen, wenn die Gesellschaft vor dem Ablauf der zweijährigen Frist Vermögensgegenstände in Ausführung einer vor ihrer Eintragung von Gründern getroffenen Vereinbarung erworben hatte. § 46 AktG 37 hatte diese Vorschrift grundsätzlich umgestaltet und an die Stelle der Haftung von Gründern und Gründergenossen die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates gesetzt. § 53 AktG 65 hat diese Bestimmung übernommen und durch einen Satz 4 ergänzt, wonach im Falle der Nachgründung die Fristen der §§ 50, 51 nicht schon mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, sondern erst mit der Eintragung des Vertrages über die Nachgründung beginnen.

Anm. 2 1. Die haftpflichtigen Personen Nach § 53 sind folgende Personen haftpflichtig: 1. Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Wo in den §§ 46, 47 und 50 von den Gründern die Rede ist, sind statt ihrer die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats einzusetzen. 2. Personen, für deren Rechnung Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen haben (§ 46 Abs. 5). 3. Wer bei Empfang einer vorschriftswidrig in den Nachgründungsaufwand nicht aufgenommenen Vergütung wußte oder den Umständen nach annehmen mußte, daß die Verheimlichung beabsichtigt oder erfolgt war, oder wer zur Verheimlichung wissentlich mitgewirkt hat (§47 Nr. 1). Ob auch § 47 Nr. 1 hier gelten soll, ist freilich nicht unzweifelhaft, weil das Gesetz für den Nachgründungsaufwand keine Festsetzung in der Satzung vorschreibt wie für den Gründungsaufwand (§ 26). Dennoch ist auch der Nachgründungsaufwand klarzulegen, z. B. eine für das Zustandekommen des Nachgründungsvertrags zu Lasten der Gesellschaft gewährte Belohnung. Das ergibt sich schon aus dem Sinn und Zweck der vorgeschriebenen Berichte (§ 52 Abs. 2 und 3). Zum mindesten erscheint eine entsprechende Anwendung des § 47 Nr. 1 geboten (a. M . Teichmann-Koehler § 46 Anm. 2). 4. Wer im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Schädigung der Gesellschaft durch den Nachgründungsvertrag an der Schädigung wissentlich mitgewirkt hat (§ 47 Nr. 2). 5. Wer vor der Eintragung des Nachgründungsvertrags in das Handelsregister oder in den ersten zwei Jahren nach dieser Eintragung die Aktien öffentlich ankündigt, um sie in den Verkehr einzuführen, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Nachgründung gemacht worden sind, oder die Schädigung der Gesellschaft durch den Nachgründungsvertrag kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns kennen mußte (§ 47 Nr. 3). 6. Die mit der Prüfung der Nachgründung befaßten Gründungsprüfer, ihre Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft (§49).

Anm. 3 2. Der Haftungstatbestand Die Tatbestände, an die § 53 die Ersatzpflicht der in Anm. 2 aufgeführten Personen knüpft, sind die in den §§ 46, 47, 49 genannten, jedoch durchweg übersetzt in die bei

376

Zweiter Teil: Gründung der Gesellschaft (Barz)

§ 53 Anm. 3—7

der Nachgründung entwickelte Tätigkeit. Bei den zu 3, 4, 5 aufgeführten Personen ist es schon in Anm. 2 zum Ausdruck gebracht worden, es gilt entsprechend auch von den Personen zu 1, 2 und 6. Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haften also für die Richtigkeit und Vollständigkeit der zum Zwecke der Nachgründung gemachten Angaben (§46 Abs. 1), sie sind ersatzpflichtig, wenn von einem ihrer Mitglieder die AG durch die Sacheinlage (Sachkapitalerhöhung) oder die Sachübernahme oder durch Nachgründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt wird (§ 46 Abs. 2). Sie haben sich zu entlasten (§ 46 Abs. 3) und dabei nachzuweisen, daß sie die Sorgfalt „eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters" — statt „eines ordentlichen Geschäftsmanns", wie es für die Gründer heißt — angewandt haben. Neben ihnen sind in gleicher Weise ihre etwaigen Hintermänner (§ 46 Abs. 5) ersatzpflichtig. Die Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit der Gründungsprüfer und der ihnen gleichgestellten Personen (§49) hat der Prüfung der Nachgründung zu gelten; ihre Pflicht zur Verschwiegenheit und das Verbot, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu verwerten, betrifft die Kenntnisse, die sie bei der Prüfung der Nachgründung erworben haben. Anm. 3 3. Verzicht und Vergleich Die Vorschriften über Verzichte und Vergleiche (§ 50) gelten auch für Ersatzansprüche aus der Nachgründung. Die dreijährige Frist, innerhalb deren Verzichte und Vergleiche, abgesehen von dem im letzten Satz des § 50 genannten Ausnahmefall, nicht geschlossen werden können, wird hier nicht von der Eintragung der Gesellschaft, sondern von der Eintragung des Nachgründungsvertrags gerechnet (S. 4). Anm. 5 4. Die Verjährung Ebenso gilt die Vorschrift des § 51 auch für die Ersatzansprüche aus der Nachgründung. Die Verjährungsfrist ist wie die Frist des § 50 (s. vorige Anm.) von der Eintragung des Nachgründungsvertrags zu berechnen, was Satz 4 nunmehr ausdrücklich bestimmt. Anm. 6 5. Ausnahme Die Vorschriften des § 53 gelten nur für die Nachgründung im Sinne des § 5s, also nicht für Verträge über Vermögensgegenstände, deren Vergütung den zehnten Teil des Grundkapitals nicht übersteigt, und nicht für Verträge, die erst später als zwei Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft geschlossen werden. Auch solche Verträge haben zwar nach § 52 Abs. 10 heilende Wirkung (§ 52 Anm. 19), Sicherungen sind aber für sie nicht vorgeschrieben. Eine Schadensersatzpflicht kann jedoch auch in diesen Fällen nach allgemeinen Vorschriften begründet sein, z. B. bei Untreue des Vorstands oder bei einem Verstoß gegen § 826 BGB. Anm. 7 6. Die Strafbarkeit des Nachgründungsschwindels Über Strafbarkeit des Nachgründungsschwindels vgl. §§ 399 Abs. 1 Ziff. 1—3, 400 Ziff. 1, 403.

25

Aktiengeaetz I, 3. Aufl.

377

Dritter Teil Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§

54:

Hauptverpflichtung der Aktionäre

(1) Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien begrenzt. (2) Soweit nicht in der Satzung Sacheinlagen festgesetzt sind, haben die Aktionäre den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. (3) Der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag kann nur in gesetzlichen Zahlungsmitteln, in von der Deutschen Bundesbank bestätigten Schecks, durch Gutschrift auf ein Konto im Inland bei der Deutschen Bundesbank oder einem Kreditinstitut oder auf ein Postscheckkonto der Gesellschaft oder des Vorstands zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden. Forderungen des Vorstands aus diesen Einzahlungen gelten als Forderungen der Gesellschaft. Übersicht Anm.

Einleitung I. Die Verpflichtungen des Aktionärs 1. Der Umfang der Einlagepflicht 2. Keine weiteren Verpflichtungen des Aktionärs a) Verbot einer Nachzahlungspflicht b) Verbot der Begründung weiterer Verpflichtungen c) Verbot der Verwirkung von Mitgliedschaftsrechten d) Ausnahme bei Begründung von Hilfspflichten e) Freiwillige Leistungen der Aktionäre 3. Persönliche Verpflichtungen des Aktionärs a) Grundsätzlich zulässig

i 2 3 4,5 6 7 8 g

10

b) Ausnahmen c) Übernahme durch Erwerber

11 12

II. Die Erfüllung der Einlageverpflichtung 1. Die Erfüllung der Sacheinlagepflicht 13 2. Die Erfüllung der Bareinlagepflicht 14 a) Zahlungen vor Eintragung der AG 15 58, 66). Nicht erforderlich ist es, daß die Nebenverpflichtungen allen Aktionären auferlegt werden; in einem solchen Fall werden verschiedene Aktiengattungen geschaffen ( § 1 1 Anm. 7 ) ; denn die unterschiedliche Ausstattung der Aktien braucht nicht nur in der Ausstattung mit verschiedenen Rechten zu bestehen, sondern kann sich auch in der Ausstattung mit verschiedenen Lasten zeigen (Düringer-HachenburgFlechtheim § 212 Anm. 9 ; Schlegelberger-Quassowski § 50 Anm. 10; Baumbach-Hueck R n . 4 ; vgl. auch R G 80, 9 5 ; Braunschweig O L G 36, 278).

Anm. 4 2. Die Begründung der Nebenleistungspfllcht a ) Die Festsetzung in der Satzung Die Nebenleistungspflicht muß, um wirksam zu sein, in der Satzung festgesetzt werden ( R G 79, 335; 83, 218). Ihre Aufnahme in einem besonderen Vertrag genügt nicht, um die Nebenleistungspflicht als mitgliedschaftliche zu begründen ( K G O L G 27, 345). Dagegen ist es nicht notwendig, daß die Satzung eine Regelung der Nebenleistungspflichten in allen Einzelheiten enthält ( R G 87, 261; 121, 243; 136, 318; J W 1937, 2836). Es genügt vielmehr, wenn gesagt ist, ob die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sind, und der Inhalt der Nebenleistungspflichten nach der in der Satzung erfolgten Festsetzung bestimmbar ist. Dem in § 55 Abs. 1 Satz 2 neu eingeführten (vgl. Anm. 1) Erfordernis einer Bestimmung über Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Nebenleistung ist Genüge getan, wenn die Satzung nur sagt, ob die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich sein sollen. Eine konkrete Angabe der Gegenleistung der Gesellschaft ist nicht erforderlich. Denn diese Vorschrift soll nur dem Erwerber einer Aktie an einer Nebenleistungs-AG durch den Blick in die Satzung die Feststellung ermöglichen, ob er einen Gegenwert für die von ihm beim Aktienerwerb zu übernehmenden Nebenleistungen erhält. O b diese Gegenleistung angemessen ist und wie sie bestimmt wird, braucht nicht Gegenstand der Satzung zu sein; das mag der Erwerber, wenn er erst durch die Satzung auf die Entgeltlichkeit der Nebenleistungen hingewiesen worden ist, selbst feststellen. I m übrigen dürfte aber die Pflicht, in der Satzung etwas über die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit zu sagen, in der Regel dazu führen, daß im Falle der Entgeltlichkeit auch bestimmt wird, wie das Entgelt aussehen soll oder wer es festzusetzen hat. Der Umfang der Nebenleistungspflicht muß aber aus der Satzung hervorgehen; denn nur dann ist dem Erfordernis des § 55 Abs. 1 Satz 1 genügt, daß die Satzung die Nebenleistungspflicht aufzuerlegen hat. Eine Satzungsbestimmung dahingehend, daß die Aktionäre verpflichtet seien, neben ihrer Einlage auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen, würde nicht genügen, sondern mangels der erforderlichen satzungsmäßigen Bestimmtheit und Bestimmbarkeit nichtig sein. Das bedingt aber nun nicht, daß die Nebenleistungspflicht in ihren Einzelheiten satzungsmäßig geregelt sein müßte. Es genügt, wenn sich aus der Satzung der Rahmen für den Umfang der Nebenleistungspflicht ergibt (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 212 Anm. 10; Flechtheim Anm. J W 1916, 126; vgl. auch Hachenburg-Schilling G m b H G § 3 Anm. 25). Innerhalb dieses Rahmens kann die Bestimmung dem billigen Ermessen der Verwaltungsträger oder auch eines Dritten gemäß §§ 315 fr. B G B überlassen werden ( R G 87, 266; Braunschweig O L G 36, 278; Schlegelberger-Quassowski § 50 Anm. 11). Die Auffassung, daß in solchen Fällen eine gerichtliche Nachprüfung des Ermessens nach dem § 3 1 5 B G B nicht möglich sei, die Bestimmung der Nebenleistungspflichten durch die Verwaltungsträger vielmehr nur bei einem Verstoß gegen die guten Sitten oder bei einer Verletzung des Gleichheitssatzes nichtig sei (so Düringer-HachenburgFlechtheim § 212 Anm. 7; ähnlich auch Brodmann § 212 Anm. 2 b), kann nicht gefolgt

388

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 55

Anm. 5—7

werden. D i e Satzung kann ihren Verwaltungsträgern nicht eine so weitgehende A u t o nomie einräumen.

Anm. 5 b) Die Angabe in der Aktie D i e Nebenverpflichtungen u n d der U m f a n g der Leistungen sind g e m ä ß A b s . i S. 3 in den A k t i e n und Zwischenscheinen anzugeben. Fehlt die A n g a b e , so hat das aber nicht die Nichtigkeit der Aktienurkunde oder des Zwischenscheins z u r Folge. Die unterbliebene A n g a b e ist f ü r die V e r p f l i c h t u n g des ersten Nehmers der A k t i e ohne j e d e Bed e u t u n g ; er ist also a u c h in einem solchen Fall z u r E r b r i n g u n g der satzungsmäßigen Nebenleistungen verpflichtet. J e d o c h kann das Unterbleiben der vorgeschriebenen A n gabe im Fall einer V e r ä u ß e r u n g der Aktie von Bedeutung werden (vgl. d a z u A n m . 18).

Anm. 6 c ) Die nachträgliche Feststellung oder Erhöhung durch Satzungsänderung Nebenleistungspflichten können a u c h im W e g e einer späteren Satzungsänderung b e g r ü n d e t werden. F ü r sie gilt zunächst im vollen U m f a n g das in A n m . 4 Gesagte. A u ß e r d e m ist z u r Wirksamkeit die Z u s t i m m u n g aller davon betroffenen Aktionäre erforderlich (§ 180 A b s . 1 und Erl. dazu). Das gleiche gilt, w e n n bestehende Nebenleistungspflichten durch spätere Satzungsänderung ihrem Inhalt nach erhöht oder verschärft werden. Als eine solche Erhöhung oder Verschärfung bestehender Nebenleistungspflichten ist es anzusehen, w e n n eine V e r g ü t u n g (vgl. d a z u A n m . 9) gemindert (Braunschweig O L G 36, 278) oder eine Vertragsstrafe eingeführt oder erhöht wird ( R G I2i, 242), und w o h l auch, w e n n die Satzung dahin geändert wird, d a ß n u n m e h r die Z u s t i m m u n g z u r Aktienveräußerung a u c h ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes versagt werden darf (Schlegelberger-Quassowski § 50 A n m . 10; R o b . Fischer J Z 1956, 363; vgl. d a z u a u c h § 68 A n m . 6). O b auch die V e r l ä n g e r u n g der satzungsmäßigen Lebensdauer der Gesellschaft hierher z u rechnen ist (so R G 136, 188 und die herrsch. Ansicht im Schrifttum), erscheint zweifelhaft. Sinnvoller dürfte es sein, in einem solchen Fall d e m nicht zustimmenden Gesellschafter ein Kündigungsrecht (vgl. d a z u A n m . 27) einzuräumen (Rob. Fischer G m b H . R d s c h . 1955, 168). D a g e g e n ist es ohne Z u s t i m m u n g aller Aktionäre möglich, bestehende Nebenleistungspflichten allgemein aufzuheben oder einzuschränken. H i e r z u ist lediglich eine Satzungsänderung erforderlich (Anm. 21).

Anm. 7 Der- satzungsändernde Beschluß über die nachträgliche Begründung, E r h ö h u n g oder Verschärfung der Nebenleistungspflichten ist weder nichtig noch anfechtbar, er ist vielmehr schwebend unwirksam, solange die erforderliche Z u s t i m m u n g der dadurch betroffenen Aktionäre noch nicht erteilt ist ( R G 121, 244; 136, 189; J W 1931, 2975; vgl. a u c h R G 148, 186). Der Beschluß wird endgültig unwirksam, w e n n nur einer der v o m Beschluß betroffenen Aktionäre seine Z u s t i m m u n g verweigert ( R G 121, 244). Die für die G m b H vielleicht haltbare Auslegung, d a ß ein derartiger Beschluß in einem solchen Fall wenigstens gegenüber den zustimmenden Gesellschaftern wirksam ist (so R G 136, 189), k o m m t f ü r die A G im allgemeinen nicht in Betracht; denn es w ü r d e n d a n n verschiedene Aktiengattungen geschaffen werden ( A n m . 3), was insbesondere bei der A b s t i m m u n g z u weittragenden Folgerungen führen w ü r d e (§§ 179 A b s . 3, 182 A b s . 2, 222 Abs. 2), und was im allgemeinen nicht dem Willen der zustimmenden Gesellschafter entsprechen wird (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 A n m . 8). Die Zustimmung der betroffenen Aktionäre kann in jeder beliebigen F o r m vor, bei oder n a c h der Hauptversammlung, a u c h durch schlüssige H a n d l u n g erklärt werden ( R G 121, 244; 136, 189; J W 1931, 2975). So kann die Z u s t i m m u n g darin erblickt werden, d a ß d e m Beschluß über die Satzungsänderung zugestimmt wird. D e r Beschluß bedarf z u

389

§55 A n m . 8, 9

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

seiner Wirksamkeit der Eintragung in das Handelsregister (§ 181 Abs. 3). Bei der Anmeldung zur Eintragung muß die Zustimmung der betroffenen Aktionäre nachgewiesen werden. Hierfür ist abgesehen von dem Fall, daß die betroffenen Aktionäre dem Beschluß über die Satzungsänderung selbst zugestimmt haben, Nachweis in öffentlich beglaubigter oder beurkundeter Form erforderlich (RG 136, 192; Godin-Wilhelmi Anm. 3; ähnlich Brodmann § 276 Anm. 1 ; unklar insoweit die 1. Aufl. Anm. 13). Die abweichende Meinung von Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 8, der Registerrichter könnte sich unter Umständen auch mit einer einfachen Bescheinigung des Vorstands oder mit der Bestätigung eines Angestellten begnügen, läßt sich mit der Bedeutung der Eintragung schlechterdings nicht vereinbaren. Anm. 8 3. Der Inhalt der Nebenleistungspflicht Die nach § 55 zulässigen Nebenverpflichtungen können nur auf Leistungen gerichtet sein, die nicht in Geld bestehen und wiederkehrender Art sind. Unter diesen Voraussetzungen kann jede Leistung in Frage kommen. Nach § 241 BGB, der auf Nebenverpflichtungen der Aktionäre entsprechend anwendbar ist, braucht die Leistung keinen Vermögenswert zu haben (anders R G 49, 78); es genügt ein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft. Denn der A G ist ein wirtschaftlicher Zweck überhaupt nicht wesentlich (§3 Anm. 2). Allerdings gehören hierher hauptsächlich Leistungen von Vermögenswert wie die Lieferung oder Herstellung von Sachen. Unzulässig sind Verpflichtungen, bei denen der Aktionär eine Leistung in Geld machen müßte, also z. B. die Verpflichtung, der A G Waren (Rübensamen) gegen Kaufpreiszahlung abzunehmen, in Häusern der A G gegen Mietzins zu wohnen oder sich bei seinen Geschäften der Vermittlung der Gesellschaft (Bank, Spedition) zu bedienen (vgl. auch R G 84, 328; ebenso herrsch. A. im Schrifttum). Ferner sind auch solche Verpflichtungen unzulässig, die eine Leistung von Nachschüssen oder Garantieübernahmen irgendwelcher Art zum Gegenstand haben. Da die Leistungen wiederkehrende sein müssen, sind sowohl einmalige als dauernde ausgeschlossen. Daher kann den Aktionären weder die Zugehörigkeit zu einem Verein noch die Pflicht zur Übernahme von Gesellschaftsämtern, etwa als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als kaufmännischer Angestellter, nach § 55 auferlegt werden. Soweit die Dienste wiederkehrender Art sind, steht aber kein Bedenken entgegen, so z. B. bei Revisionen, die in gewissen Zeitabständen vorzunehmen sind. Nach § 241 BGB kann die Leistung auch in einem Unterlassen bestehen. Da es aber nach § 55 wiederkehrende Leistungen sein müssen, so kommen Unterlassungen hier nur in Frage, wenn ein wiederkehrender Anlaß zum Handeln besteht (SchlegelbergerQuassowski § 50 Anm. 6 schließen Unterlassungspflichten überhaupt aus). So kann bei Verkäufen eine Abweichung von vorgeschriebenen Bedingungen verboten werden ( R G 87, 265, allerdings für die GmbH, bei der die Beschränkung nicht gilt). Dagegen würde ein Wettbewerbsverbot eine Verpflichtung zu dauernder Unterlassung begründen; es ist daher wohl für die GmbH zulässig (RG J W 1930, 2675),! aber nicht für die A G (vgl. K G O L G 27, 345 am Schluß). Das gleiche gilt für die Verpflichtung, etwa das Rübengrundstück für die Dauer der Zugehörigkeit zur Gesellschaft nicht zu veräußern oder sich solange nicht an einer anderen Zuckerfabrik zu beteiligen (Ritter § 50 Anm. 3 c ; Godin-Wilhelmi Anm. 4; Baumbach-Hueck Rn. 6; a. M. Düringer-HachenburgFlechtheim § 212 Anm. 6, die ohne Begründung auch die Verpflichtung zu einem Dauer-Unterlassen als Inhalt einer Nebenleistungspflicht für zulässig halten; a. M. für den Fall einer Verpflichtung, das Rübengrundstück nicht zu veräußern, auch 1. Aufl. Anm. 10). Anm. 9 4. Das Entgelt für die Nebenleistungspflicht Wie § 55 Abs. 1 Satz 2 ergibt, können die Nebenleistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sein; die Satzung muß nur eine Bestimmung über die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit enthalten. Das ist aber nicht im Sinne einer Alternative

390

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 55 Anm. 10, 11 zu verstehen dahin, daß die Nebenleistung entweder nur entgeltlich oder nur unentgeltlich sein könnte; es ist vielmehr auch zulässig, die Gegenleistung bewußt unter dem Wert der Nebenleistung festzusetzen und damit teils entgeltlich, teils unentgeltlich auszugestalten. Nur darf das Entgelt, wenn eine Entgeltlichkeit in der Satzung bestimmt wird, den Wert der Leistung nicht übersteigen, braucht aber auch nicht so bemessen zu werden, daß der Jahresabschluß einen Bilanzgewinn ergibt (§ 6i). Die Gegenleistung kann in der Satzung bestimmt oder bestimmbar festgesetzt, die Bestimmung kann aber auch den Verwaltungsträgern oder der Hauptversammlung überlassen werden; § 119 Abs. 2 steht der Überlassung an die Hauptversammlung nicht entgegen (ebenso Ritter § 50 Anm. 3a; Godin-Wilhelmi Anm. 7; Baumbach-Hueck Rn. 7). Die Bestimmung ist alsdann im Zweifel in den Grenzen des § 61 nach billigem Ermessen zu treffen (§315 BGB). Eine gerichtliche Nachprüfung im Rahmen des § 315 BGB ist also in einem solchen Fall statthaft (RG 87, 266; Braunschweig OLG 36, 278). Der gegenteiligen Auffassung von Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 212 Anm. 7 kann aus den bereits in Anm. 4 dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. Zulässig ist auch eine Satzungsbestimmung, nach der die Gegenleistung herabgesetzt werden kann, wenn der Reingewinn nicht genügt, sie in der bestimmten Höhe auszuzahlen. Zulässig ist ferner eine Satzungsbestimmung, nach der der Reingewinn oder ein gewisser Teil davon den Aktionären, die ihre Lieferpflicht erfüllen, überlassen wird (vgl. R G 104, 350). Es steht aber auch nichts im Wege, die Nebenleistungspflicht ohne jedes Entgelt in der Satzung festzulegen. Ob der Leistungspflicht des Aktionärs auch eine Pflicht der AG entspricht, die Leistung entgegenzunehmen, ist eine Frage der Auslegung der Satzung (DüringerHachenburg-Flechtheim § 212 Anm. 16; Godin-Wilhelmi Anm. 11). Anm. 10 5. Die Nebenleistungspflicht als Teil des Mitgliedschaftsverhältnisses a ) Allgemeines Die Nebenleistungspflicht ist eine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung, sie beruht auf der Mitgliedschaft zur AG und trifft den Aktionär als solchen (RG 80, 98; 136, 315). Wird für die Nebenleistung von der AG ein Entgelt entrichtet (Anm. 9), so ist das Rechtsverhältnis insoweit zwar ein gegenseitiges, aber gleichwohl kein Kauf, kein Werkvertrag oder Dienstvertrag. Eine entsprechende Anwendung der §§ 320 ff. BGB ist allerdings möglich und geboten (Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Rn. 12; a. M. Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 323), soweit nicht aktienrechtliche Grundsätze entgegenstehen (dazu Anm. 11 ff.). Ein Zurückbehaltungsrecht an dem zugesagten Entgelt steht der Gesellschaft zu. Der Gesellschafter selbst hat bei der Erfüllung seiner Verpflichtung nach § 276 BGB für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen (also keine Anwendung von § 708 BGB, unter Umständen aber Anwendung von § 347 HGB) und gegebenenfalls das Verschulden seiner Gehilfen zu vertreten (§ 278 BGB). Anm. 11 b) Die Anfechtung der Nebenleistungspflicht Im Unterschied zum Recht der GmbH (vgl. dazu Scholz § 3 Anm. 29; Hachenburg-Schilling § 3 Anm. 25 a; Baumbach-Hueck § 3 Anm. 8 C; a. M. Rob. Fischer J Z 1954, 428) nimmt die herrschende Meinung im Schrifttum bei der Nebenleistungs-AG an, daß eine selbständige Anfechtung der Nebenleistungspflicht durch einen einzelnen Aktionär nach Eintragung der AG nicht möglich ist (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 212 Anm. 13; Brodmann § 212 Anm. 2e; Ritter § 50 Anm. 4a; Schlegelberger-Quassowski § 50 Anm. 7; Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Rn. 1 1 ; a. M. Lobedanz Einfluß von Willensmängel auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte 1938 S. 170 fr.). Die hierbei zumeist gewählte Begründung, die Verpflichtung zur Nebenleistung sei insoweit der Verpflichtung zur Sacheinlage (vgl. dazu § 27 Anm. 14) gleichzustellen, erscheint jedoch, wie schon die Stellungnahme des Schrifttums zu der gleichen Frage bei

391

§ 55

Anm. 12, 13

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft

der G m b H erweist, fragwürdig. D e n n die Nebenleistungen dienen gerade nicht der A u f bringung der K a p i t a l g r u n d l a g e ( A n m . 3 ) ; a u c h würde hier die A n f e c h t u n g nicht rechtlich zwingend der A G ihre Rechtsgrundlage entziehen, wie das bei der A n f e c h t u n g der Sacheinlageverpflichtung der Fall sein würde. Schließlich greift hier a u c h nicht der Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes durch, d a die H a u p t v e r s a m m l u n g jederzeit i m W e g e der Satzungsänderung eine A u f h e b u n g der Nebenleistungspflichten beschließen kann (Lobedanz a. a. O . S. 172; a. M . Bergmann Z H R 99, 389). Richtiger erscheint daher schon die v o n Düringer-Hachenburg-Flechtheim a. a. O . gegebene Begründung, d a ß es der einzelne A k t i o n ä r nicht in der H a n d haben könne, durch eine A n f e c h t u n g seiner Nebenleistungspflicht ohne den Willen der übrigen Aktionäre für seine A k t i e n eine besondere G a t t u n g gegenüber den anderen A k t i e n ( A n m . 3) z u begründen. Entscheidend für den Ausschluß der A n f e c h t u n g einer Nebenleistungspflicht ist aber der a u c h für die Personalhandelsgesellschaften geltende Gesichtspunkt, d a ß solche i m Gesellschaftsverhältnis wurzelnde und tatsächlich ausgeführte Vereinbarungen nicht mit rückwirkender K r a f t im Rechtssinn wieder beseitigt werden können. M i t dieser Begründung (vgl. d a z u R o b . Fischer J Z 1954, 428) ist a u c h heute an der schon v o m R G ( R G 88, 187) vertretenen Auffassung, d a ß eine A n f e c h t u n g von Nebenleistungspflichten nicht zulässig ist, festzuhalten (ebenso G a n ß m ü l l e r G m b H R d s c h . 1955, 172 f r . ) . D a b e i ist es a u c h ohne Bedeutung, ob die A G schon eingetragen ist; denn a u c h schon vor der Eintragung der A G k a n n die A n f e c h t u n g nach allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen sein (vgl. d a z u § 29 A n m . 11).

Anm. 12 c) Die Rechtsbehelfe bei Nichterfüllung und bei mangelhafter Erfüllung Erfüllt der A k t i o n ä r seine Nebenleistungspflicht nicht und hat er nach §§ 280, 286, 276 B G B hierfür einzustehen, so kann die Gesellschaft unter entsprechender A n w e n d u n g der §§ 325/26 B G B Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Dieses V e r l a n g e n k a n n sich j e d o c h nur auf die jeweils fällige Einzelleistung des Aktionärs beziehen; die V e r pflichtung des Aktionärs zur E r b r i n g u n g seiner später fällig werdenden Leistungen wird dadurch nicht berührt. Die Gesellschaft hat also durch ihr V e r l a n g e n auf Leistung v o n Schadensersatz nicht die Möglichkeit, die Nebenleistungspflicht als solche z u m Erlöschen z u bringen (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 A n m . 14; Godin-Wilhelmi A n m . 8). Das w ü r d e die G r u n d l a g e der Gesellschaft und den Inhalt ihrer Satzung berühren, weil d a d u r c h A k t i e n verschiedener G a t t u n g ( A n m . 3, 11) geschaffen würden. M i t dieser Einschränkung ist a u c h ein Rücktritt der Gesellschaft für zulässig z u erachten (a. M . 1. A u f l . A n m . 1 1 ; Schlegelberger-Quassowski § 50 A n m . 8), weil dadurch die Nebenleistungspflicht des Aktionärs als solche nicht berührt wird. Soweit nach d e m Inhalt der Nebenleistungspflicht Grundsätze des Kaufrechts entsprechende A n w e n d u n g finden können, steht der Gesellschaft bei mangelhafter Leistung a u c h das Recht auf Minderung z u (Brodmann § 212 A n m . 2 d ; Schlegelberger-Quassowski § 50 A n m . 8; Godin-Wilhelmi A n m . 8; B a u m b a c h - H u e c k R n . 12). Das gleiche gilt für das Recht auf Wandlung, j e d o c h mit derselben Einschränkung wie beim Rücktritt, d a ß sich nämlich die W a n d l u n g nicht auf das ganze Nebenleistungsverhältnis, sondern nur auf die jeweils mangelhafte Einzelleistung bezieht. A u c h gegen die entsprechende A n w e n d u n g der Vorschriften über die Mängelrüge werden im allgemeinen keine Bedenken bestehen (Godin-Wilhelmi A n m . 8; B a u m b a c h - H u e c k R n . 12; a. M . Düringer-Hachenb u r g § 212 A n m . 15). — D e r A k t i o n ä r hat die Nichterfüllung der Nebenleistungspflicht insbesondere dann z u vertreten, w e n n sie darauf beruht, d a ß er bei einer Rübengesellschaft sein R ü b e n g u t verkauft hat. E i n solcher V e r k a u f führt also nicht d a z u , d a ß der A k t i o n ä r v o n seiner Nebenleistungspflicht frei wird, d a ihn diese Pflicht in seiner Eigenschaft als A k t i o n ä r trifft.

Anm. 13 H a t der A k t i o n ä r die Nichterfüllung nicht z u vertreten (nachträgliche objektive U n möglichkeit), so wird der A k t i o n ä r v o n seiner Leistungsverpflichtung frei. A u c h das bezieht sich j e d o c h grundsätzlich nur auf die jeweils fällig werdende Einzelleistung. D e n n

392

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 55

Anm. 14—16

in aller Regel läßt sich nicht übersehen, ob die Leistung dem einzelnen Aktionär für alle Zukunft unmöglich sein werde (Ritter § 50 Anm. 4 b). Es wird dann also auch in diesem Fall durch den Eintritt einer nachträglich objektiven Unmöglichkeit nicht eine besondere Aktiengattung f ü r den von seiner Einzelleistung frei werdenden Aktionär geschaffen. Schwierigkeiten können sich in dieser Hinsicht unter Umständen freilich dann ergeben, wenn dem Aktionär z. B. infolge der Spaltung Deutschlands und der Enteignungsmaßnahmen in der Sowjetzone die Erfüllung der ihm obliegenden Leistung endgültig unmöglich geworden ist (vgl. dazu GmbHRdsch. 1955, 1 3 1 ) . O b die Gesellschaft in all diesen Fällen das zugesagte Entgelt zu zahlen hat, richtet sich nach den §§ 323/24 B G B . — Z u m Eintritt einer nachträglich eintretenden objektiven Unmöglichkeit f ü r die Nebenleistungspflichten aller Aktionäre vgl. Anm. 22.

Anm. 14 Die Erfüllung der Nebenleistungspflichten kann durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe gesichert werden (vgl. dazu Anm. 29). Dagegen ist es nicht zulässig, f ü r den Fall der Nichterfüllung oder der mangelhaften Erfüllung den Ausschluß des Aktionärs vorzusehen (allg. Ansicht, a. M . Schnorr v. Carolsfeld D N o t Z 63, 4 1 9 N. 49; vgl. auch in Festschrift f ü r Hueck 1959 S. 278). § 64 regelt den Tatbestand der Ausschließung eines Aktionärs erschöpfend; er kann durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung oder durch eine Satzungsbestimmung nicht erweitert werden. Dagegen ist es zulässig, f ü r einen solchen Fall die Einziehung der Aktie nach § 237 anzudrohen (herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M . R u d . Fischer EhrenbHdb. I I I 1 S. 3 8 5 ; Weipert § 192 Anm. 13). Denn die Einziehung der Aktie darf nur dann nicht angedroht werden, wenn dadurch Ziele erreicht werden sollen, die nicht als aktienrechtliche Verpflichtungen begründet werden können, oder f ü r die — wie im Fall des § 64 — eine anderweitige gesetzliche Regelung abschließend vorgesehen ist (vgl. auch Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften 1965 S. 87).

Anm. 15 Auch der Aktionär hat seinerseits eigene Rechtsbehelfe, wenn die Gesellschaft ihre Verpflichtungen aus dem Nebenleistungsverhältnis nicht erfüllt. Insoweit finden die Vorschriften der §§ 320fr. B G B ebenfalls entsprechende Anwendung (§68 A n m . 6; Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ) . Z u dem Fall einer umfassenden nachträglichen objektiven Unmöglichkeit vgl. Anm. 22, zu den Ansprüchen des Aktionärs im Fall des Konkurses der A G vgl. Anm. 24.

Anm. 16 d) Die Übertragung der Aktie M i t der Übertragung der Aktie, f ü r die die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist (vgl. dazu Anm. 2 ; Einzelheiten darüber Anm. 17), geht die Verpflichtung aus den Nebenleistungen auf den Erwerber ohne weiteres, also ohne besondere Schuldübernahme, über. Das ergibt sich allein daraus, daß die Nebenleistungspflicht eine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung ist und den Aktionär als solchen trifft (Anm. 10). Eine abweichende Vereinbarung, wonach der Erwerber mit der Übertragung der Aktie f ü r die Nebenleistungspflicht nicht haften soll, ist wirkungslos, und zwar selbst dann, wenn die Gesellschaft einer solchen Vereinbarung ihre Zustimmung gibt. Denn eine solche Vereinbarung läuft auf die Schaffung von Aktien ohne Nebenleistungspflicht und auf die Begründung einer persönlichen Verpflichtung des Verkäufers hinaus. Dieses Ziel ist aber nur durch eine Satzungsänderung zu erreichen (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 1 8 ; Schlegelberger-Quassowski § 50 A n m . 7). Für rückständige Leistungen haftet mangels abweichender Vereinbarungen unter den Beteiligten in allen Fällen freilich der Veräußerer allein weiter (Godin-Wilhelmi Anm. 1). 26

Aktiengesetz I, 3. Aufl.

393

§55

Anm. 17—19

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 17 Z u r rechtsgeschäftlichen Übertragung ist die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich (Anm. a). Solange diese Zustimmung nicht vorliegt, ist die Übertragung schwebend unwirksam. Es gilt insoweit das gleiche wie für die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils oder eines Anteils an einer Personalhandelsgesellschaft, die von der Zustimmung der Gesellschaft oder der Gesellschafter abhängig ist (vgl. dazu B G H 13, 182). Die Gesellschaft kann, falls die Satzung nicht etwas anderes vorsieht, die Erteilung ihrer Zustimmung von A u f l a g e n abhängig machen, so etwa davon, d a ß der Veräußerer die Garantie oder die Bürgschaft für die Erfüllung der Nebenleistungspflichten durch den Erwerber übernimmt, oder d a ß der Veräußerer bei einer Rübengesellschaft gleichzeitig mit der Aktie auch sein Rübengrundstück an den Erwerber der Aktie überträgt, oder auch d a ß der Erwerber die Haftung f ü r etwaige Rückstände übernimmt (Godin-Wilhelmi A n m . 2). Ferner kann die Satzung die Gründe bestimmen, aus denen die Zustimmung verweigert werden darf, z. B. nur bei Vorliegen von wichtigen Gründen (§ 68 Abs. 2 S. 4 ; § 68 A n m . 9, 10). Die Zustimmung der Gesellschaft ist nur bei rechtsgeschäftlicher Übertragung erforderlich, nicht dagegen bei einer Universalnachfolge, die kraft Gesetzes eintritt. Daher bedarf der Erbe z u m Erwerb nicht der Zustimmung; er haftet daher auch mit der A n n a h m e der Erbschaft ohne weiteres für die Nebenleistungspflichten. Inwieweit bei der U m w a n d l u n g einer Erbengemeinschaft in eine Personalgesellschaft, bei der U m w a n d l u n g einer Personalgesellschaft in eine andere Gesellschaft sowie bei der Auseinandersetzung einer Gesellschaft die Zustimmung der A G erforderlich ist, vgl. R o b . Fischer J Z 1956, 363.

Anm. 18 Sind entgegen A b s . 1 Satz 3 in der Aktie oder in dem Zwischenschein die Nebenverpflichtungen und der U m f a n g der Leistungen nicht oder nicht richtig angegeben, so kann der gutgläubige Erwerber einer Aktie wegen der Nebenleistungen nicht in A n spruch genommen werden, soweit diese nicht aus der Aktie oder dem Zwischenschein ersichtlich sind ( R G 82, 73; herrsch. Ansicht im Schrifttum, anders wohl nur Ritter § 50 A n m . 3 h). Das bedeutet jedoch nicht, d a ß dadurch eine Aktie ohne Nebenleistungsverpflichtung geschaffen wird und dadurch verschiedene Aktiengattungen entstehen (ebenso wohl auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 212 A n m . 12). Vielmehr bleibt die Aktie auch in der H a n d des gutgläubigen Erwerbers eine solche mit einer Nebenleistungsverpflichtung, nur steht dem Erwerber nach § 823 Abs. 2 B G B eine persönliche Einrede gegen den Anspruch auf Erfüllung der Nebenverpflichtung zu, d a Abs. 1 Satz 3 ein Gesetz z u m Schutz des gutgläubigen Erwerbers ist. Hieraus folgt weiter, d a ß in einem solchen Fall den Veräußerer eine aktienrechtliche Verpflichtung auf Erfüllung der Nebenleistung nicht mehr trifft, da diese notwendigerweise mit der Aktie als solcher verbunden ist (herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M . Godin-Wilhelmi A n m . 13). Eine andere Frage ist es, ob der Veräußerer sich in einem solchen Fall der Gesellschaft gegenüber nach § 826 B G B schadensersatzpflichtig macht. A u c h kann eine Schadensersatzpflicht des Vorstands und gegebenenfalls des Aufsichtsrats aus §§ 93, 116 wegen der unterbliebenen oder unvollständigen A n g a b e der Nebenleistungen in der Aktienurkunde in Betracht kommen.

Anm. 19 Die Möglichkeit einer Abtretung des Anspruchs auf die Nebenleistungen ist zu verneinen. Insoweit findet § 399 B G B A n w e n d u n g ( R G 136, 3 1 5 ; Godin-Wilhelmi A n m . 10; Baumbach-Hueck R n . 10; a. M . Ritter § 50 A n m . 3 a). Denn der Z w e c k der Nebenleistungen, die für die A G bestimmt sind, ist so sehr mit der Gesellschaft und ihrem U n ternehmen verbunden, d a ß es sich schon danach als eine Änderung ihres Inhalts darstellen würde, wenn die Gesellschaft diesen Anspruch abtreten und die Nebenleistungen damit von dem Betrieb ihres Unternehmens loslösen würde. Der von Ritter a. a. O . gezogene Vergleich mit dem Einlegungsanspruch kann bei dieser Besonderheit, die für die Nebenleistung gilt, nicht überzeugen.

394

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 55 A n m . 20—24 A n m . 20 6. Die Beendigung der Nebenleistungspflicht Die Nebenleistungspflicht ist nicht in der Weise mit der Aktie verbunden, daß sie auch unauflöslich mit dem Mitgliedschaftsrecht bestehenbleiben muß. Sie kann zwar nicht von dem Mitgliedschaftsrecht gelöst werden (Anm. io), sie kann aber unbeschadet des Fortbestands des Mitgliedschaftsrechts selbst untergehen. Solche Beendigungsgründe sind: A n m . 21 a ) Aufhebung der Nebenleistungspflicht d u r c h Satzungsänderung Die einzelnen Aktionäre haben kein unentziehbares Recht darauf, daß die Nebenleistungspflichten allgemein bestehen bleiben. Die Gesellschaft hat vielmehr das Recht, sie durch einen satzungsändernden Beschluß ganz allgemein aufzuheben. Anders ist es, wenn die Nebenleistungspflichten nur für einzelne oder für eine Gruppe von Aktionären aufgehoben werden; hier kann der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre verletzt sein (dazu § 11 Anm. 2). Von der Aufhebung der Nebenleistungspflicht durch Satzungsänderung zu unterscheiden ist der Verzicht (Erlaßvertrag) auf eine Einzelleistung. Dieser ist zulässig, da insoweit § 66 nicht gilt (Anm. 3; vgl. auch Bergmann Z H R 99, 391). Er ist vom Vorstand auszusprechen und berührt die Nebenverpflichtung als solche nicht, sondern bezieht sich nur auf die in Frage stehende Einzelleistung. A n m . 22 b ) Aufhebung der Nebenleistungspflicht d u r c h n a c h t r ä g l i c h e U n m ö g l i c h keit Die Nebenleistungspflichten können auch dadurch erlöschen, daß ihre Erbringung nachträglich, etwa durch gesetzliche Bestimmungen, ganz allgemein objektiv unmöglich werden. Der Tatbestand in R G 104, 349 bietet hierfür ein kennzeichnendes Beispiel. Der Bestand der Gesellschaft wird dadurch nicht ohne weiteres berührt; die Mitgliedschaftsrechte der einzelnen Aktionäre bleiben dann ohne die Nebenleistungspflicht weiter bestehen. Anm. 23 c ) Aufhebung der Nebenleistungspflicht d u r c h Auflösung der A G Im allgemeinen erlöschen die Nebenleistungspflichten mit der Auflösung der Gesellschaft (RG 125, 114; J W 1931, 3112), dagegen grundsätzlich nicht bei der Fusion (RG 136, 316 mit Anm. J W 1932, 2599). Freilich bleibt auch bei der Auflösung die Verpflichtung zur Erbringung der rückständigen Leistungen bestehen. Beim Vorliegen besonderer Umstände kann jedoch auch bei der Auflösung ausnahmsweise die Annahme gerechtfertigt sein, daß die Nebenleistungspflicht auch noch während des Liquidationsstadiums bestehenbleibt ( R G 72, 236; Brodmann § 212 Anm. 2f.; Ritter § 50 Anm. 4 c ; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 212 Anm. 17; 1. Aufl. Anm. 11). Anm. 24 Für den Fall des Konkurses der A G gilt folgendes. Sind bei Konkurseröffnung Nebenleistungen noch rückständig, so kann der Konkursverwalter entsprechend § 17 K O (dazu Anm. 25) von dem Aktionär Erfüllung verlangen; der Anspruch des Aktionärs auf das zugesagte Entgelt ist dann Masseschuld (§ 59 Nr. 2 K O ) . Hat die A G für erbrachte Nebenleistungen noch nicht in voller Höhe das geschuldete Entgelt entrichtet, 26*

395

§ 55

Anm. 25—27

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

so wird diese Forderung des Aktionärs zur Konkursforderung. Eine Leistungspflicht für erst nach Konkurseröffnung fällig werdende Nebenleistungen besteht nicht; die Nebenleistungspflicht findet mit Konkurseröffnung ihr Ende, und zwar auch dann, wenn der Konkursverwalter das Unternehmen für Rechnung der Masse gemäß § 1 3 2 K O fortführen will (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 1 7 ; SchlegelbergerQuassowski § 203 A n m . 1 3 ; Mentzel-Kuhn K o m m . K O § 1 7 Anm. 9; a. M . Jaeger-Lent K o m m . K O § 17 Anm. 8; mit Einschränkungen auch Ritter § 50 Anm. 4 c). Die gegenteilige Annahme erscheint auch unter Würdigung der Interessen, die f ü r eine Fortführung des Unternehmens sprechen können, vom Standpunkt der einzelnen Aktionäre aus nicht vertretbar.

Anm. 25 d) Der Konkurs des Aktionärs Der Konkurs eines Aktionärs führt nicht zum Erlöschen der diesen Aktionär treffenden Nebenleistungspflicht. Es findet jedoch § 17 K O mit der Maßgabe Anwendung, daß der Konkursverwalter die Erfüllung der jeweils fällig werdenden Einzelleistung ablehnen kann (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 2 1 ; Ritter § 5 0 A n m . 4 c ; Schlegelberger-Quassowski § 203 Anm. 1 3 ; Jaeger-Lent K o m m . K O § 1 7 Anm. 8). Dagegen kann sich seine ablehnende Erklärung niemals auf die Gesamtheit der Nebenleistungspflichten f ü r alle Zukunft erstrecken ( R G 108, 20). Lehnt der Konkursverwalter die Erfüllung im Einzelfall ab, so hat die A G einen Schadensersatzanspruch als einfache Konkursforderung. Andererseits kann sich eine Erfüllungserklärung des Konkursverwalters gemäß § 17 K O ebenfalls immer nur auf die jeweils fällig werdende Einzelleistung beziehen.

Anm. 26 7. Das Ausscheiden des Aktionärs a) Durch Verzicht (Abandon) Der einzelne Aktionär kann sich nicht dadurch von seinen Nebenleistungspflichten lösen, daß er einseitig auf seine Mitgliedschaft in der A G verzichtet (allg. Ansicht im Schrifttum; vgl. aber Schnorr v. Carolsfeld, Festschr. f. Hueck 1959 S. 279). V o n der Aufnahme einer dahingehenden Bestimmung ist, wie die Beratung zu § 2 1 2 H G B ergeben, ausdrücklich abgesehen worden; das ist auch heute noch für die Auslegung des § 55 von Bedeutung.

Anm. 27 b) Durch Kündigung I m Schrifttum ist die Frage, ob sich ein Aktionär beim Vorliegen eines wichtigen Grundes von seinen Verpflichtungen in einer Nebenleistungs-AG einseitig lösen kann, außerordentlich umstritten. M a n kann diese Frage sicherlich nicht mit Ritter § 50 Anm. 4 b deshalb verneinen, weil für ein solches Gestaltungsrecht kein Bedürfnis bestehe. Ein solches Bedürfnis wird man vielmehr immer bejahen müssen, wenn f ü r den Aktionär keine andere Möglichkeit besteht, sich von den f ü r ihn völlig unzumutbar gewordenen Fesseln der Nebenleistungspflicht zu lösen (so schon R G 128, 1 6 ; DüringerHachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 20; Herzog Z B 1 H R 1929, 3 1 3 ; 1930, 2 0 1 ) . Darüber hinaus kann es auch nicht zweifelhaft sein, daß eine solche Lösungsmöglichkeit bei untragbar gewordenen Verhältnissen unserem heutigen Rechtsempfinden allein entspricht (vgl. dazu namentlich Scholz Ausschließung und Austritt aus der G m b H 3. Aufl. 1950 S. i o f f . , 42fr.; auch B G H 9, 162/63). Es kann sich daher nur fragen, ob eine solche Möglichkeit zur einseitigen Lösung hier deshalb versagt werden muß,

396

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 55 A n m . 28—30 weil sie sich mit der Rechtsnatur der A G schlechterdings nicht verträgt (so im Ergebnis Schlegelberger-Quassowski § 50 A n m . 7 ; wohl auch Brodmann § 212 A n m . ae). Diese Frage m u ß man verneinen. Nachdem die Vorschrift des § 55 das streng kapitalistische Prinzip der A G durchbrochen hat, m u ß man bei der Beurteilung der Nebenleistungs-AG auch das in ihr liegende personalistische Element entsprechend berücksichtigen und daher dem einzelnen Aktionär auch die Befugnis zur einseitigen Lösung durch K ü n d i g u n g aus wichtigem Grund gewähren. Freilich sind dabei an die V o r aussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes strenge Anforderungen z u stellen ( R G 128, 1 7 ; Godin-Wilhelmi A n m . 9; Baumbach-Hueck R n . 13; insoweit nicht unbedenklich Herzog Z H R 97, 426f.).

Anm. 28 II. Die Sicherung der Nebenleistungspflicht 1. Durch Hilfspflichten V o n der eigentlichen Nebenleistungspflicht zu unterscheiden sind die sog. Hilfspflichten, die nur der Ergänzung oder Sicherstellung der Nebenleistungspflicht dienen. So ist es bei den Rübengesellschaften üblich, den Aktionären die Verpflichtung z u m Bezug des Rübensamens und des Kunstdüngers aufzuerlegen, u m dadurch die einheitliche Qualität der abzuliefernden Ernte z u gewährleisten. Gegen die Begründung solcher Hilfspflichten bestehen keine rechtlichen Bedenken. Hierdurch wird auch nicht in unzulässiger Weise der Aktionär zu Geldzahlungen verpflichtet (vgl. dazu A n m . 8), sondern durch den Bezug des Samens oder des Düngers mindert sich nur das Entgelt für die abzuliefernde Ernte (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 A n m . 5 ; Schlegelberger-Quassowski § 50 A n m . 6; etwas einschränkend Godin-Wilhelmi A n m . 5 ; a. M . Brodmann § 2 1 2 A n m . 2 a).

Anm. 29 2. Durch Vertragsstrafe W e n n es auch nicht zulässig ist, in irgendeiner Form Nebenleistungen in Geld festzulegen (Anm. 8), so ist es doch deshalb nicht ausgeschlossen, die Erfüllung wirksam begründeter Nebenleistungspflichten durch Vertragsstrafen z u sichern. Das stellt A b s . 2 ausdrücklich klar. Diese Vorschrift ist nicht eine Ausnahme von dem allgemeinen V e r bot, Geldleistungen als Nebenleistungen zu bestimmen. Die Vertragsstrafe dient nur der Sicherung bestehender Nebenleistungen und steht insoweit einem etwaigen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft wegen Nichterfüllung oder Verzugs gleich (vgl. Brodmann § 212 A n m . 7 ; Ritter § 50 A n m . 5; vgl. auch § 54 A n m . 2). Als Vertragsstrafen kommen aber immer nur Leistungen der davon betroffenen Aktionäre in Betracht. Daher kann auf dem W e g über eine Vertragsstrafe nicht der Ausschluß des Aktionärs vorgesehen werden (Anm. 14). A u f die Vertragsstrafe finden die allgemeinen V o r schriften der §§ 339/45 BGB, § 348 H G B A n w e n d u n g .

Anm. 30 III. Die persönliche Nebenleistungspflicht Die einschränkenden Vorschriften für die Begründung und für den Inhalt der mitgliedschaftlichen Nebenleistungspflichten (Anm. 2—8) finden auf die Begründung rein persönlicher Verpflichtungen der einzelnen Aktionäre keine Anwendung. Für sie gelten vielmehr die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts (hierzu vgl. i m einzelnen § 54 A n m . 1 0 — 1 2 ) .

397

§ 56 Anm. 1

§

SO

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft

Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft oder d u r c h ein a b h ä n g i g e s o d e r in M e h r h e i t s b e s i t z s t e h e n d e s Unternehmen

(1) Wer als Gininder oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts eine Aktie für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens übernommen hat, kann sich nicht darauf berufen, daß er die Aktie nicht für eigene Rechnung übernommen hat. E r haftet ohne Rücksicht auf Vereinbarungen mit der Gesellschaft oder dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen auf die volle Einlage. Bevor er die Aktie für eigene Rechnung übernommen hat, stehen ihm keine Rechte aus der Aktie zu. (2) Ein abhängiges Unternehmen darf keine Aktien der herrschenden Gesellschaft, ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen keine Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts übernehmen. Durch einen Verstoß gegen diese Vorschrift wird die Übernahme nicht unwirksam. Übersicht Anm. Einleitung I. Die Übernahme von Aktien für Rechnung der Gesellschaft 1.Die Übernahme für Rechnung der Gesellschaft 2. Die aktienrechtlichen Pflichten des Übernehmers 3. Der Übernehmer hat keine Rechte 4. Umwandlung in Übernahme auf eigene Rechnung II. Die Übernahme von Aktien für Rechnung einer abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Gesellschaft

i

2 3 4

Anm. III. Die Übernahme von Aktien durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen 1. Allgemeines 2. Die Übernahme ist wirksam 3. Kein Stimmrecht, kein Bezugsrecht

7 8 9

5

I V . Die Übernahme von Aktien für Rechnung der Gesellschaft durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen 10

6

V I . Gebundene Aktien (Schutz- oder Herrschaftsaktien) 12

V . Berichterstattung über Vorratsaktien 11

Anm. 1 Einleitung Die Vorschriften des ersten Absatzes sind durch die Aktienrechtsreform 1937 als § 56 A b s . 1 neu aufgenommen w o r d e n ; dagegen hatte der G r u n d g e d a n k e des A b s . 2 bereits in § 226 A b s . 4 Satz 2 H G B in der Fassung der Aktienrechtsverordnung v o m 19. 9. 31 seinen Niederschlag gefunden. A n l a ß und Ziel des A b s . 1 sind in der amtlichen Begründung 1937 ausführlich dargelegt. Sie wenden sich gegen eine in der Zeit n a c h dem 1. Weltkrieg aufgekommene und bis in die 30er J a h r e nicht wieder verschwundene Erscheinung, die sogenannten Vorratsaktien. Die durch den Währungsverfall gebotene Gelegenheit, mit Papiermarkbeträgen v o n h o h e m Nennwert, aber geringem Geldwert, Einzahlungen z u leisten, w u r d e v o n vielen Gesellschaften d a z u benutzt, Personen z u gewinnen, welche die Einzahlungen leisteten u n d die A k t i e n z u r V e r f ü g u n g der Gesellschaft hielten. V o n diesen Vorratsaktien machten d a n n die Verwaltungsorgane z u r A b s t i m m u n g oder zur Weitergabe an befreundete U n t e r n e h m u n g e n vielfach einen willkürlichen G e b r a u c h , der nicht i m Interesse der Aktionäre lag. N a c h Beendigung des Währungsverfalls k a m es sogar vor, d a ß Gesellschaften den z u r E i n z a h l u n g er-

398

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 56

Anm. 2

forderlichen Betrag der übernehmenden Stelle zur Verfügung stellten oder ihn sofort nach der Einzahlung an sie zurückfließen ließen. Inwieweit ein solches Verfahren sich schon nach früherem Recht hätte unterbinden lassen (vgl. R G 132, 161), bedarf keiner Untersuchung mehr. Das AktG 37 tritt der Einrichtung der Vorratsaktien überhaupt entgegen. Sie führen der Gesellschaft kein neues Kapital zu, höchstens einen unsicheren Gegenwert, wenn der Strohmann sie veräußert. Wie sie verwertet werden, wie der Gegenwert sichergestellt wird, läßt sich nicht überwachen, Gläubiger u n d Aktionäre werden dadurch gefährdet (vgl. Wilhelmi DieAG 65, 249 u n d Förschner DieAG 64, 6g). Ein wirtschaftlich vertretbarer Zweck der Vorratsaktien lag allenfalls darin, d a ß sie der A G ermöglichten, eine gute Lage des Kapitalmarkts schnell auszunutzen. D a aber durch das AktG 37 die KapitalbeschafFungsmöglichkeiten vermehrt worden sind u n d namentlich genehmigtes Kapital zugelassen wurde (§§ 169fr.), sind die Vorratsaktien entbehrlich. Das AktG 37 hat sie aber weder verboten noch ihre Ausgabe f ü r nichtig erklärt, sondern hat es vorgezogen, ihnen jeden Anreiz zu nehmen. Es behandelt sie als gültig u n d vermeidet damit, die Kapitalgrundlage der A G zu gefährden. AktG 65 hat an der bewährten Regelung des § 51 AktG 37 festgehalten. Es hat nur die im Schrifttum umstrittene Frage, ob die Vorschrift auch die Ausübung eines Umtauschrechts aus Wandelschuldverschreibungen betreffe, durch ausdrückliche Einbeziehung des Umtauschrechts bejaht und im übrigen entsprechend der neuen Konzernterminologie dem abhängigen Unternehmen das im Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen gleichstellt. Auch ist aus sprachlichen Gründen die Fassung des Abs. 2 geändert worden.

I. Die Übernahme von Aktien für Rechnung der Gesellschaft Anm. 2 1. Die Übernahme für Rechnung der Gesellschaft Hierbei handelt es sich u m den Fall, d a ß j e m a n d als Gründer (§29) oder Zeichner bei der Kapitalerhöhung (§ 185), bei genehmigtem Kapital (§ 203) oder in Ausübung eines Umtausch- oder Bezugsrechts nach § 198 (bei der bedingten Kapitalerhöhung) eine Aktie „für Rechnung" der Gesellschaft übernommen hat. Dabei wird es sich im allgemeinen insoweit nur u m den Zeichner neuer Aktien (§§ 185, 198, 203) handeln, da nur in Ausnahmefallen ein Gründer f ü r Rechnung der noch nicht entstandenen A G Aktien übernehmen wird (Ritter § 51 Anm. 3). Durchweg ist hier nur von der ersten Übernahme die Rede, der abgeleitete Erwerb wird in § 71 behandelt. Die Ü b e r n a h m e f ü r Rechnung eines andern setzt regelmäßig einen unentgeltlichen Auftrag oder einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) voraus; aber auch Geschäftsf ü h r u n g ohne Auftrag oder ein Gesellschaftsverhältnis können in Frage kommen. Bei der Kommission im engeren Sinne (§ 383 HGB) ist das Ausfuhrungsgeschäft Kauf oder Verkauf; die hier in Rede stehende erste Übernahme von Aktien kann nur Gegenstand eines kommissionsähnlichen Geschäfts (§ 406 HGB) sein. Wesentlich ist jedenfalls, d a ß der Ubernehmer verpflichtet ist, die Aktien der Gesellschaft, dem von ihr abhängigen oder dem in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen zur Verfügung zu halten (§ 667 BGB) u n d sich von den Weisungen (§ 665) oder dem Interesse u n d dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen (§ 677) der Geschäftsherrin leiten zu lassen, hauptsächlich aber, d a ß die Gesellschaft die Kosten zu tragen hat, daß also jener f ü r Aufwendungen würde Ersatz verlangen können (§§670, 683 BGB; vgl. § 713 BGB). Die Bindung des Aktionärs an Weisungen der Verwaltungsträger allein — sei es hinsichtlich der Verwertung (wie z. B. bei Ubernahmekonsortien) sei es hinsichtlich der Stimmausübung — genügt freilich noch nicht, u m schon eine Übernahme „ f ü r R e c h n u n g " der A G anzunehmen. Hinzutreten muß, d a ß die Gesellschaft auch das Risiko fiir die Ü b e r n a h m e trifft, die Gesellschaft also die Vorteile und Nachteile des Geschäfts im Verhältnis zum Übernehmer allein tragen soll. Es ist daher nicht jede „Schutz-", „Verwaltungs-" oder „Herrschaftsaktie" (Anm. 10) zugleich eine „Vorratsaktie". Keinen Unterschied macht es, ob derjenige, der eine Aktie für Rechnung der Gesellschaft übernimmt, dies selbst oder durch eine Hilfsperson tut, die er seinerseits vorschiebt.

399

§ 56

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 3, 4 Anm. 3 2. Die aktienrechtlichen Pflichten des Übernehmers Übernimmt j e m a n d Aktien für Rechnung der Gesellschaft, so kann sich der Ubernehmer gegenüber der Gesellschaft auf dieses Rechtsverhältnis nicht berufen. Seine Pflichten sind genau dieselben, als wenn das Rechtsverhältnis nicht bestände. Er haftet daher auf die volle Einlage. Der Vorstand hat sie von ihm einzufordern, das Rechtsverhältnis gibt dagegen keinen Einwand.Jede Rückforderung, etwa unter dem Gesichtspunkt der Auslagenerstattung, ist ausgeschlossen; hat die Gesellschaft ihrerseits Mittel zur Übernahme ^vorgestreckt, so kann und m u ß sie diese zurückfordern. Der Vorstand würde sich, wenn er die Geltendmachung dieser Rechte der A G versäumte, nach § 93 schadensersatzpflichtig, bei vorsätzlicher Unterlassung sogar nach § 266 StGB strafbar machen. Diese Rechtslage dauert so lange, bis das Rechtsverhältnis beendet ist (dazu Anm. 5).

Anm. 4 3. Der Übernehmer hat keine Rechte Dem Übernehmer stehen nach Abs. 1 Satz 3 keine Rechte aus der Aktie zu. Vielmehr ruhen alle Rechte aus der Aktie, das Recht auf den Gewinnanteil, das Stimmrecht und sämtliche Hilfsrechte. So hat er auch nicht das Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen, eine Anfechtungsklage zu erheben oder ein Recht auf den Bezug neuer Aktien geltend zu machen. J a selbst bei der Berechnung des vertretenen Grundkapitals, auf die in zahlreichen Bestimmungen des Gesetzes abgehoben wird, werden seine Aktien nicht mitgezählt (Godin-Wilhelmi Anm. 3). Auch von der Gesellschaft können diese Rechte nicht geltend gemacht werden, und zwar schon deshalb nicht, weil die Aktie nicht ihr, sondern dem Übernehmer zusteht. Zweifelhaft könnte in diesem Zusammenhang lediglich die Frage sein, ob der Ubernehmer ein Recht auf den Abwicklungserlös hat (dazu Anm. 5). Auch wird m a n in Analogie des § 215 Abs. 1 die Beteiligung der übernommenen Aktien an einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zulassen müssen. Abs. 1 bestimmt also nicht — was gesetzestechnisch auch möglich wäre — , d a ß das Rechtsverhältnis auf Übernahme der Aktien für Rechnung der Gesellschaft nichtig wäre. Er läßt vielmehr das Rechtsverhältnis bestehen, ändert es aber kraft Gesetzes in den die Kapitalgrundlagen der Gesellschaft gefährdenden Punkten u m : Der Ubernehmer m u ß aus eigener Tasche zahlen, hat also nicht den für ein Auftragsverhältnis typischen Anspruch auf Aufwendungsersatz und auch keinerlei Einwand gegen den Anspruch der Gesellschaft auf Erbringung der Einlage. Da dem Ubernehmer auch keine Rechte aus den Aktien zustehen, ist das Rechtsverhältnis ein höchst einseitiges und erschöpft sich praktisch darin, daß der Ubernehmer in der Verfügung über die Aktien an die Weisungen der Gesellschaft gebunden ist, so daß es sich insoweit wirklich um Verwertungsaktien handelt. Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung u n d Kapitalerhaltung in den Aktien- u n d G m b H Rechten der E W G S. 102 N 208 und S. 103 meint, die Gesellschaft bleibe aus dem Innenverhältnis zur derivativen Übernahme der Aktien im Rahmen dessen, was ihr nach §71 gestattet sei, verpflichtet. Dem kann jedoch insoweit nicht zugestimmt werden, als es sich u m den Tatbestand des § 71 Abs. 1 Ziffer 1 handelt. Denn die A G kann sich schwerlich auf die Notwendigkeit zur Abwendung eines schweren Schadens berufen, wenn sie die Erwerbspflicht selbst willkürlich geschaffen hat. Auch die Tatbestände der Ziffern 4 bis 6 sind im Zusammenhang des § 56 kaum vorstellbar. Es bleibt also nur die Übernahme neu geschaffener Aktien zwecks Angebots an die Arbeitnehmer und zwecks Weitergabe an nach §§ 3°5 Abs. 5 und 320 Abs. 5 abfindungsberechtigte Aktionäre. In diesem engen Rahmen dürfte Lutter zuzustimmen sein. Dem durch § 56 Abs. 1 umgestalteten Auftragsverhältnis kommen die sogenannten Übernahme-Konsortien nahe, bei denen Banken die neuen Aktien übernehmen u n d sich verpflichten, sie auf Anweisung der Gesellschaft an Dritterwerber zu übertragen,

400

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 56

Anm. 5, 6

vgl. das sogenannte mittelbare Bezugsrecht des § i86 Abs. 5 (hierzu Muster 188 und 189 im bankgeschäftlichen Formularbuch 18. Aufl.). Derartig gebundene Aktien heißen heute meist „Verwertungsaktien". Über sie vgl. Lutter in D i e A G 70, 185. Das Konsortium übernimmt allerdings gerade wegen der Regelung des § 56 nicht auf Rechnung der A G sondern auf eigene Rechnung. Soweit Mehrerlöse über den Ausgabekurs und die Vergütung des Konsortiums hinaus entstehen, insbesondere also wenn neue Aktien nicht von den Bezugsberechtigten bezogen und deshalb auf Weisung der Gesellschaft anderweit auf dem Markt zum vollen Wert verwertet werden, werden diese Mehrerlöse an die Gesellschaft abgeführt, die sie der gesetzlichen Rücklage zuzuführen hat (vgl. § 150 Anm. 18).

Anm. 5 4. Umwandlung in Übernahme auf eigene Rechnung Sobald das Rechtsverhältnis, auf Grund dessen die Übernahme der Aktien auf Rechnung der Gesellschaft erfolgt ist, endet und der Übernehmer die Aktien also nicht mehr f ü r Rechnung der Gesellschaft hat, fallen alle Beschränkungen des Abs. 1 fort. Eine Beendigung dieses Zustandes kann freilich noch nicht darin gesehen werden, daß der Übernehmer die Einlage vollständig leistet. Denn das kann immer noch für Rechnung der Gesellschaft geschehen sein. Eine Beendigung dieses Rechtsverhältnisses tritt dann ein, wenn beide Parteien, der Übernehmer und die Gesellschaft, eine dahingehende Vereinbarung treffen und der Übernehmer die Aktien nunmehr für eigene Rechnung besitzt. Eine einseitige Aufhebung des Rechtsverhältnisses durch den Ubernehmer wird im allgemeinen nicht in Betracht kommen, da hierfür nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen an sich keine Handhabe besteht (Schlegelberger-Quassowski § 51 Anm. 8; Baumbach-Hueck R n . 7; a. M . Godin-Wilhelmi Anm. 4). Nur beim Vorliegen besonderer Umstände ist eine solche einseitige Aufhebung möglich, etwa wenn die Voraussetzungen einer Anfechtung gegeben sind, wenn der Ubernehmer sich über die Tragweite einer Übernahmeerklärung (eigene Pflichten und keine eigenen Rechte) nicht im klaren w a r und man insofern von einem Fehlen der Geschäftsgrundlage sprechen kann (ähnlich, aber wohl noch weitergehend Ritter § 51 Anm. 4), oder wenn die Gesellschaft ihrer Verpflichtung zu derivativer Übernahme gemäß § 71 (vgl. A n m . 4) nicht ordnungsgemäß nachkommt (Lutter a. a. O.). I m übrigen ist eine einseitige Lösung des Übernehmers von dem auch ihn verpflichtenden Rechtsverhältnis nicht zulässig. Hieraus könnte mit der Vorauflage Anm. 5 und Schlegelberger-Quassowski § 51 Anm. 8 gefolgert werden, daß der Ubernehmer auch kein Recht auf den Abwicklungserlös hat, weil in seiner Geltendmachung eine unzulässige einseitige Lossagung von dem Auftragsverhältnis liege. Das ginge aber, soweit der Ubernehmer seine Einzahlung aus eigener Tasche geleistet hat, über den Schutzzweck •— vielleicht auch Strafzweck — des § 56 Abs. 1 hinaus; man wird deshalb im Falle der Liquidation eine einseitige Lösung von dem Auftragsverhältnis mindestens insoweit zulassen müssen, als der Ubernehmer den Abwicklungserlös im Verhältnis der aus eigenen Mitteln erfolgten Einzahlung geltend machen kann. Das gilt um so mehr, als der Zweck des Auftragsverhältnisses im Zeitpunkt der Liquidation sowieso meist hinfällig geworden sein wird.

Anm. 6 II. Die Übernahme von Aktien für Rechnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens Es macht keinen Unterschied, ob die Übernahme von Aktien f ü r Rechnung der Gesellschaft oder f ü r Rechnung eines von ihr abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens erfolgt. D a bei Übernahme der Aktien durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz befindliches Unternehmen die Kapitalaufbringung jedenfalls in Höhe des Satzes, in dem die Gesellschaft an dem abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmen beteiligt ist, aus dem eigenen Vermögen der Gesellschaft erfolgt, muß die Übernahme für Rechnung eines derartigen Unter-

401

§56

Anm. 7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

nehmens der Übernahme durch die Gesellschaft selbst gleichgestellt werden. Die Meinung von Baumbach-Hueck Rn. 6, daß die Einbeziehung des abhängigen Unternehmens in § 56 darin ihre Begründung finde, daß die A G das Stimmrecht der für Rechnung des abhängigen Unternehmens erworbenen Aktien genau so beeinflussen könne wie das aus eigenen Aktien, scheitert an § 136 Abs. 2, der für eigene Aktien ebenso gilt wie für die eines abhängigen Unternehmens. Der gesetzgeberische Grund für die Einbeziehung abhängiger und in Mehrheitsbesitz befindlicher Unternehmen liegt ausschließlich — wie bei Übernahme für Rechnung der A G selbst — in dem Prinzip der Kapitalerhaltung und -Sicherung. Der Begriff des abhängigen Unternehmens ergibt sich aus § 17, der des in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens aus § 16; vgl. Erl. dazu.

III. Die Übernahme von Aktien durch ein abhängiges oder ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen Anm. 7 1. Allgemeines Nach § 226 Abs. 4 S. 2 HGB, eingefügt durch die Aktienrechtsverordnung vom 19. 9. 31 (RGBl. 1 4 9 3 ) , durfte eine abhängige Gesellschaft Aktien der herrschenden Gesellschaft nicht zeichnen; jedoch wurde die Wirksamkeit der Zeichung durch einen Verstoß gegen diese Vorschrift nicht berührt. Da § 226 H G B im übrigen nur Fälle abgeleiteten Erwerbs von Aktien betraf, es sich bei Abs. 4 S. 2 aber um einen ursprünglichen Erwerb handelt, stand die Vorschrift nicht am richtigen Ort. Das AktG 37 hat sie aus jenem Zusammenhang gelöst und in § 5 1 übernommen; gleichzeitig hat es sie inhaltlich erweitert, indem es an die Stelle des Begriffs der abhängigen Gesellschaft den umfassenderen Begriff des abhängigen Unternehmens ( § 1 5 AktG 37) setzte, und indem es an die Stelle der Zeichung von Aktien alle Fälle der Aktienübernahme, sei es daß das abhängige Unternehmen als Gründerin und als Zeichnerin auftritt, sei es auf Grund eines Bezugsrechts nach § 165 übernimmt. Dabei handelt es sich aber in allen Fällen nur um den ursprünglichen Erwerb, während der abgeleitete Erwerb in §65 AktG 37 behandelt wurde. AktG 65 hat (vgl. Anm. 1) dem abhängigen Unternehmen entsprechend der Definition des § 16 das in Mehrheitsbesitz stehende gleichgestellt und neben der Übernahme auf Grund eines Bezugsrechts auch die Übernahme auf Grund eines Umtauschrechts ausdrücklich aufgeführt. Demnach darf ein abhängiges Unternehmen keine neuen Aktien des herrschenden und ein im Mehrheitsbesitz befindliches Unternehmen keine Aktien des mehrheitsbeteiligten Unternehmens übernehmen. Der Grund liegt (vgl. Anm. 6) darin, daß dann die neuen Aktien in dem Verhältnis, in dem das herrschende oder mehrheitsbeteiligte Unternehmen an dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen beteiligt ist, nicht mit der A G fremden Mitteln sondern aus eigenem Vermögen übernommen werden, so daß insoweit aus der Kapitalerhöhung gegen Einlagen kein neues Kapital zugeführt wird. Das aber verstößt gegen den Grundsatz der Sicherung und Erhaltung des Grundkapitals. Abs. 2 richtet sich gegen jede Übernahme neuer Aktien, sofern sie gegen Einlagen erfolgt. Gleichgültig ist, ob ein Bezugs- oder Umtauschrecht ausgeübt oder ohne ein Bezugsrecht übernommen wird, ob es sich um Übernahme anläßlich einer Gründung oder einer Kapitalerhöhung, auch einer bedingten gemäß § 192 ff. handelt, und ob es sich um genehmigtes Kapital handelt. Jedenfalls ist der Tatbestand des Abs. 2 auch bei einer Gründung denkbar, wenn z. B. ein Unternehmen, das abhängige Unternehmen hat, im Wege der Sachgründung in eine A G eingebracht wird. Dagegen wird von § 56 Abs. 2 nicht betroffen der Anfall von Aktien anläßlich einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Das folgt einmal daraus, daß in diesem Falle der Zweck des Verbots des § 56 Abs. 2 nicht angesprochen wird, da j a eine derartige Kapitalerhöhung gar kein neues Kapital zuführen soll, sondern nur als freie Rücklagen ausgewiesenes Vermögen der Gesellschaft in Grundkapital umgewandelt wird. Zum anderen können Aktien abhängiger oder in Mehrheitsbesitz befindlicher Unternehmen nicht schlechter als eigene

402

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 56

Anm. 8, 9 Aktien der A G behandelt werden, f ü r die § 2 1 5 Abs. 1 ausdrücklich bestimmt, d a ß sie an einer Kapitalberichtigung teilnehmen. Wenn zwei Gesellschaften wechselseitig originär Kapital übernehmen, was wohl nur bei einer beiderseitigen Kapitalerhöhung praktisch werden kann, wird in Höhe der wechselseitigen Beteiligung die Kapitalerhöhung wieder beseitigt und handelt es sich insoweit materiell u m einen Verstoß gegen den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung. Ebenso wie bei einem A u f b a u der wechselseitigen Beteiligung aus derivativem Erwerb (§ 57 Anm. 13), kann m a n hierin schwerlich einen Verstoß gegen § 56 sehen (so auch Lutter a. a. O. S. i8gfF. 194/96). Denn trotz breiter Erörterung der Probleme der wechselseitigen Beteiligung in der Reformliteratur hat der Gesetzgeber die Fassung des § 56 auf diesen Tatbestand nicht erstreckt. O b m a n davon bei einem allzu hohen Prozentsatz der wechselseitigen Beteiligung vielleicht doch eine Ausnahme machen muß, steht dahin.

Anm. 8 2. Die Übernahme ist wirksam Die Vorschrift geht davon aus, d a ß eine AG nicht ihre eigenen Aktien übernehmen kann, u n d will verhindern, d a ß das dadurch umgangen wird, d a ß ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen Aktien der herrschenden oder der mehrheitsbeteiligten A G übernimmt. Abs. 2 verbietet daher eine solche Übernahme. Abweichend von der Regel des § 134 BGB wird aber an die Übertretung des Verbots nicht die Nichtigkeit geknüpft, sondern ausdrücklich angeordnet, daß die Wirksamkeit der Übernahme durch einen Verstoß gegen die Vorschrift nicht berührt wird. Die Kapitalbeschaffung und die Erhaltung der Kapitalgrundlage soll unter dem Verbot nicht leiden. Das abhängige U n ternehmen wird also durch die verbotswidrige Übernahme Aktionär der herrschenden AG. Dagegen ist der Registerrichter befugt, die verbotswidrige Aktienübernahme zu beanstanden (Schlegelberger-Quassowski § 51 Anm. 1 2 ; Godin-Wilhelmi Anm. 8; a . M . 1. Aufl. Anm. 7; Baumbach-Hueck Rn. 8). Denn das steht dem Grundgedanken des Abs. 2, der der Ü b e r n a h m e lediglich im Interesse der Erhaltung der Kapitalgrundlage u n d im Interesse der Rechtssicherheit die Wirksamkeit nicht versagt, nicht entgegen. Das Verbot äußert seine Wirkung weiter in einer Schadensersatzpflicht f ü r den Fall, d a ß ein Schaden entsteht. Die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats des abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens sind, wenn dieses eine A G ist, nach § 93 Abs. 3 Nr. 3, § 116 für die Übertretung des Verbots und den Schaden der abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden AG verantwortlich, die der herrschenden oder mehrheitsbeteiligten A G f ü r ihre Mitwirkung und den Schaden der herrschenden oder mehrheitsbeteiligten A G nach denselben Vorschriften.

Anm. 9 3. Kein Stimmrecht, kein Bezugsrecht Dem abhängigen Unternehmen, das Aktionär der herrschenden A G geworden ist, versagt § 136 Abs. 2 die Ausübung des Stimmrechts. Das gilt aber nicht auch für das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen; es ist in § 136 Abs. 2 nicht erwähnt, d a das Fehlen des beherrschenden Einflusses eine eigene, vom Willen der Obergesellschaft unabhängige Stimmrechtsausübung gestattet. Wegen der Vermutung des § 17 Abs. 2, d a ß das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen abhängig ist, dürfte die Unterscheidung nicht von großer praktischer Bedeutung sein. Da nach Abs. 2 S. 1 weder das abhängige noch das in Mehrheitsbesitz befindliche Unternehmen Aktien der Obergesellschaft zeichnen darf, so sind sie auch von der Ausübung des Bezugsrechts auf neue Aktien ausgeschlossen, ausgenommen, wenn sie aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stammen (vgl. Anm. 4). Der Ausschluß gilt nicht nur vom unmittelbaren Bezugsrecht, sondern auch von dem mittelbaren Bezugsrecht (vgl. § 186 Abs. 5). Das Bezugsrecht ist aber regelmäßig von der Aktie lösbar (§ 1 Anm. 37) u n d dadurch einer selbständigen Verwertung fähig. Das abhängige u n d das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen kann es daher durch Veräußerung an einen Dritten verwerten,

403

§56

Anm. 10—12

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

d e m nicht verboten ist, die A k t i e n z u zeichnen (allg. Ansicht im Schrifttum). D i e übrigen R e c h t e aus der Aktie, insbesondere das R e c h t auf Beteiligung a m G e w i n n und das R e c h t auf den Abwicklungserlös, stehen d e m abhängigen und dem in Mehrheitsbesitz befindlichen U n t e r n e h m e n zu. Insoweit ist die Rechtsstellung nach A b s . 2 ungleich günstiger als die nach Abs. i .

Anm. 10 IV. Die Übernahme von Aktien für Rechnung der Gesellschaft durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen D i e Voraussetzungen der beiden A b s ä t z e des § 56 treffen zusammen, w e n n ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes U n t e r n e h m e n eine A k t i e der herrschenden oder mehrheitsbeteiligten Gesellschaft für deren Rechnung übernimmt. A l s d a n n treten die W i r k u n g e n des ersten Absatzes ein: das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende U n t e r n e h m e n hat nur die Pflichten, nicht die R e c h t e des Aktionärs (SchlegelbergerQuassowski § 51 A n m . 1 1 ; B a u m b a c h - H u e c k R n . 8; Godin-Wilhelmi A n m . 9). Es bedarf einer A u f h e b u n g des Rechtsverhältnisses, indem das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende U n t e r n e h m e n die A k t i e nach den Grundsätzen in A n m . 5 f ü r eigene R e c h n u n g übernimmt, u m diese W i r k u n g e n z u beseitigen. D i e Beschränkungen, denen das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende U n t e r n e h m e n nach A n m . 9 unterliegt, bleiben j e d o c h bestehen, bis es die A k t i e an j e m a n d veräußert, der den Beschränkungen nicht unterworfen ist.

Anm. 11 V. Berichterstattung über Vorratsaktien G e m ä ß § 160 A b s . 3 Ziffer 1 sind in j e d e m Geschäftsbericht A n g a b e n ü b e r Bestände u n d Z u g ä n g e an A k t i e n z u machen, die unter die Vorschrift des § 56 fallen. W e n n derartige Vorratsaktien im L a u f e des Geschäftsjahres verwertet worden sind, m u ß a u c h darüber unter A n g a b e des Erlöses und seiner V e r w e n d u n g berichtet werden. I m einzelnen vgl. § 160 A n m . 24. D a Vorratsaktien nicht unzulässig sind, der ihrer S c h a f f u n g zugrunde liegende V e r t r a g z w a r einseitig z u Lasten des Übernehmers der Vorratsaktien geht, aber nicht nichtig ist ( A n m . 4), m u ß der Gesetzgeber damit rechnen, d a ß derartige A k t i e n a u c h heute noch gelegentlich vorkommen. U m die aus ihnen f ü r die A k tionäre und Gläubiger drohenden Gefahren ( A n m . 1) unter Kontrolle z u bringen, w i r d deshalb eine laufende u n d umfassende Unterrichtung über derartige Vorratsaktien im Geschäftsbericht verlangt. „ V o r r a t s a k t i e n " entstehen in der Praxis allerdings meist nicht über den T a t b e s t a n d des § 56 sondern entweder durch E r w e r b g e m ä ß § 71 A b s . 1 Ziffer 1 oder dadurch, d a ß eine A G die Beteiligung an einem anderen U n t e r n e h m e n erwirbt, in dessen Besitz sich mehr oder minder große Pakete an A k t i e n der erwerbenden A G befinden (vgl. § 71 A n m . 4). Derartige A k t i e n haben z w a r den wirtschaftlichen Charakter v o n Vorratsaktien, fallen aber nicht unter § 56, weil sie nicht originär i m A u f t r a g der A G oder durch ein beim originären E r w e r b bereits abhängiges oder in Mehrheitsbesitz befindliches U n t e r n e h m e n erworben w o r d e n ist. Sie fallen deshalb nicht unter § 160 A b s . 3 Ziffer 1, w o h l aber unter A b s . 3 Ziffer 2.

Anm. 12 VI. Gebundene Aktien D e n Begriff der „ g e b u n d e n e n A k t i e n " (vgl. A n m . 2) — a u c h Schutz- oder Herrschaftsaktien genannt — hatte § 260 a A b s . 3 Ziffer 3 H G B in der Fassung der A k t i e n rechtsverordnung v o n 1931 in das Aktiengesetz eingeführt und bestimmt, d a ß über derartige A k t i e n i m Geschäftsbericht A n g a b e n z u m a c h e n seien. U n t e r gebundenen A k t i e n w u r d e n A k t i e n verstanden, deren Inhaber durch ausdrückliche oder stillschweigende V e r einbarung zugunsten der Gesellschaft, einer Konzerngesellschaft oder einer abhängigen

404

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 56 §57

Gesellschaft in der Ausübung der Aktienrechte und in der Verfügung über die Aktien gebunden waren. Gedacht war dabei an schuldrechtliche Bindungen, wie sie von der Rechtsprechung grundsätzlich als gültig anerkannt worden waren, soweit sie nicht gegen die guten Sitten oder eine gesetzliche Vorschrift verstießen ( R G 107, 67; 1 1 3 , 1 1 8 ; 1 ig, 388; 1 3 3 , 95, 148, 183). Die Vorschrift, daß über gebundene Aktien im Geschäftsbericht Angaben zu machen seien, hatte das AktG. 37 bereits gestrichen, allerdings die Pflicht zur Berichterstattung über Vorratsaktien (Anm. 1 1 ) beibehalten. Soweit die Bindungen eine Ausübung des Stimmrechts nach Weisungen der Gesellschaft, ihres Vorstandes oder Aufsichtsrates oder nach Weisung eines abhängigen Unternehmens betreffen oder die Verpflichtung begründen, f ü r die jeweiligen Vorschläge des Vorstandes oder Aufsichtsrates der Gesellschaft zu stimmen, ist die frühere Rechtsprechung durch § 136 Abs. 3 überholt; diese Vorschrift erklärt derartige Verträge f ü r nichtig. Dabei ist es gleichgültig, ob der Vertrag zwischen einem Aktionär und der Gesellschaft oder zwischen Aktionären selbst abgeschlossen worden ist. I m einzelnen vgl. Erl. zu § 1 3 6 Abs. 3. Außerhalb der Ausübung des Stimmrechts sind aber, sei es zwischen Aktionär und Gesellschaft, sei es zwischen Aktionären zugunsten der Gesellschaft, Vereinbarungen zulässig, die die Ausübung von Aktionärsrechten oder die Verfügung über Aktien beschränken. Das gilt insbesondere für Vereinbarungen, in denen sich Inhaber größerer Aktienpakete verpflichten, ihre Aktien nur im Einvernehmen mit der Gesellschaft an Dritte zu veräußern, oder in denen sich die Mitglieder eines Kapitalerhöhungs-Konsortiums verpflichten, die von ihnen übernommenen Aktien entsprechend § 186 Abs. 5 den Aktionären zum Bezüge anzubieten und nicht bezogene Aktien nach Weisung der Gesellschaft zu verwerten (Anm. 4), oder in denen sich Aktionäre verpflichten, ihre Aktien teilweise der Gesellschaft für Zwecke des § 7 1 Abs. 1 Ziffer 2 oder 3 zur Verfügung zu stellen. N u r wenn besondere Umstände vorliegen, könnten derartige Vereinbarungen nichtig sein.

§

57

Keine R ü c k g e w ä h r , keine Verzinsung der Einlagen

(1) Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Als Rückgewähr von Einlagen gilt nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien. (2) Den Aktionären dürfen Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden. (3) Für den Zeitraum, den die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfang des vollen Betriebs erfordert, können den Aktionären in der ursprünglichen Satzung Zinsen von bestimmter Höhe zugesagt werden. Die Satzung muß den Zeitpunkt bezeichnen, mit dem die Entrichtung von Zinsen spätestens aufhört. Ubersicht Einleitung

Aom. 1

I. Das Verbot einer Einlagenrückgewähr 1. Der Begriff der Einlage 2. Die unzulässige Rückgewähr a) Allgemeines b) Die Rückgewähr als solche c) Die Leistung für Rechnung der Gesellschaft d) Umsatzgeschäfte des Aktionärs mit der Gesellschaft

2 3 4, 5 6 7, 8

Anm. e) Rückgewähr bei Kapitalherabsetzung

g

3. Der Rückforderungsanspruch a) Nichtigkeit von Rückgewährsversprechen und Rückgewähr b) Rechtsnatur des Rückforderungsanspruchs c) Die Abtretung des Rückforderungsanspruchs

12

4. Der Kauf eigener Aktien durch die Gesellschaft und die Begründung wechselseitiger Beteiligungen

13

10 11

405

§57

Anm. 1, 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft Anm.

5. Leistungen im Konzernverhälthältnis 6. Keine Lockerung des Verbots II. Verbot einer Verzinsung von Einlagen 1. Allgemeines 2. Umfang des Verbots 3. Nichtigkeit einer Zinszusage III. Dividendengarantie 1. Allgemeines 2. Rentengarantie

14 15

16 17 18 19, 20 21—24

3. Rentabilitätsgarantie 4. Einfluß späterer Änderungen IV. Die Zusage von Bauzinsen 1. Allgemeines 2. Anspruch auf Bauzinsen 3. Voraussetzungen a) Festsetzung in der ursprünglichen Satzung b) Festsetzung der Zeitdauer 4. Zeitliche Begrenzung für den Anspruch 5. Bilanzmäßige Behandlung

25 26 27 28

3° 31

32

33

Anm. 1 Einleitung § 57 normiert zusammen mit § 58 Abs. 5 den Grundsatz der Erhaltung des Stammkapitals. Er vereinigt in sich aus § 52 A k t G 37 das Verbot der Einlagenrückgewähr und aus § 54 A k t G 37 das Verbot einer Verzinsung der Einlagen (mit Ausnahme der sogenannten Bauzinsen). Das Verbot der Einlagenrückgewähr war in § 213 H G B nur unvollkommen damit ausgedrückt, daß der Aktionär seine Einlage „nicht zurückfordern" könne. Das wurde aber früher schon so ausgelegt, daß die Einlagen überhaupt nicht, auch nicht freiwillig, zurückgewährt werden durften. § 52 A k t G 37 hatte dann so formuliert, wie es in Abs. 1 Satz 1 des § 57 A k t G 65 übernommen worden ist. Aus § 52 Satz 2 A k t G 37 ist auch die Bestimmung des Abs. 1 Satz 2 wörtlich übernommen worden, wonach die Zahlung des Kaufpreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien nicht als Einlagenrückgewähr gilt. Ähnliche Bestimmungen sind in § 291 Abs. 3 und § 292 Abs. 3 für Leistungen der Gesellschaft auf Grund eines Unternehmensvertrags und in § 323 Abs. 2 für Leistungen einer eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft enthalten. Das Verzinsungsverbot des § 54 Abs. 1 Hs. 2 ist unverändert in Abs. 2 übernommen. Bei der Ausnahme der Bauzinsen in Abs. 3 ist die Streitfrage klargestellt worden, ob bei Finanzierung einer Erweiterung eines bestehenden Unternehmens durch Kapitalerhöhung Bauzinsen gewährt werden dürfen. Mit der bisher herrschenden Meinung (vgl. Vorauflage § 54 Anm. 17) ist diese Frage durch Aufnahme der Bestimmung verneint worden, daß die Zusage der Zinsen nur in der ursprünglichen Satzung erfolgen kann. Das Verbot der Einlagenrückgewähr, dem auch das Verzinsungsverbot einzuordnen ist, ist einer der Grundpfeiler des Aktienrechts. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 S. 2, wonach für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern gegenüber nur das Gesellschaftsvermögen haftet, erfordert als Korrelat das Verbot, Einlagen zurückzugewähren und damit die Haftungsmasse zu Lasten der Gläubiger zu vermindern. A n die Aktionäre darf außer den Bauzinsen im engen Rahmen des Abs. 3 vor Auflösung der Gesellschaft nur der Bilanzgewinn verteilt werden (§ 58 Abs. 5) und das sonstige Vermögen erst nach Auflösung, nach Gläubigeraufruf und nach Berichtigung der Verbindlichkeiten (§271).

I. Verbot einer Einlagenrückgewähr Anm. 2 1. Der Begriff der Einlage Unter Einlage ist jede Zahlung zu verstehen, die der Aktionär in seiner Stellung als Gesellschafter an die A G leistet, also nicht nur der Betrag, den er auf den Nennbetrag oder als Aufgeld (§ 9 Abs. 2) gezahlt hat, sondern auch freiwillige Zahlungen, die er in

406

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 57

Anm, 3

seiner Stellung als Gesellschafter (§ 54 Anm. 9), z. B. zur Erlangung von Vorrechten gemäß § 150 Abs. 2 Nr. 4 leistet. Für die Anwendung des § 57 macht es keinen Unterschied, ob es sich bei den Einlagen tun eine Bareinlage oder um eine Sacheinlage handelt; auch die Rückgewähr einer Sacheinlage fallt unter das Verbot des § 57 (vgl. dazu aber auch Anm. 8).

2. Die unzulässige Rückgewähr Anm. 3 a) Allgemeines Das Verbot einer Rückgewähr der Einlage dient der Erhaltung der Vermögenssubstanz der Gesellschaft. Es soll jeden Anspruch des Aktionärs als solchen auf etwas anderes als den bilanzmäßigen Gewinn gegenüber der Gesellschaft ausschließen (§ 58 Abs. 4). Aus diesem Grundgedanken folgt, daß „Rückzahlung der Einlage gleichbedeutend ist mit einer Zahlung auf die Einlage bzw. auf Rechnung der Beteiligung an der Gesellschaft, soweit es sich dabei nicht um Ausschüttung der festgestellten Jahresdividende handelt" ( R G J W 1932, 3732; s. auch R G 107, 168). Der Schutzgedanke des § 57 geht also erheblich weiter als bei der entsprechenden Vorschrift des § 30 GmbHG (vgl. dazu den Schlußabsatz dieser Anm. und auch Anm. 16; eingeschränkt ist der Schutz im Aktienrecht freilich bei Auszahlung des festgestellten Gewinnanteils, vgl. § 58 Anm. 32). Bei der GmbH ist nur das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft vor Auszahlungen an die Gesellschafter geschützt, bei der A G dagegen das gesamte Vermögen, auch soweit es den Betrag des Grundkapitals und der gesetzlichen Reserven übersteigt, es sei denn, daß es sich bei der Auszahlung um eine Ausschüttung von Reingewinn in gesetzlich und satzungsmäßig zulässiger Form handelt (Schlegelberger-Quassowski § 52 Anm.3; Ritter § 52 A n m . 3 b ; Baumbach-Hueck R n . 3 ; Ballerstedt: Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften 194g S. I22f.). Eine Rückgewähr der Einlage ist somit jede Zahlung, die die Gesellschaft an die Aktionäre in ihrer Eigenschaft als solche leistet, soweit es sich dabei nicht um Ausschüttung von Reingewinn handelt. „ E i n Drittes außer Zahlung von Dividende und Rückzahlung auf Einlage gibt es nicht" (Brodmann § 213 Anm. 1 a). Die gegenteilige Ansicht, die eine Rückgewähr der Einlage nur dann annimmt, wenn die Zahlung bilanzmäßig gesehen aus dem Grundkapital erfolgt (so Breit Z H R 76, 449; Wieland Handelsrecht I I S. 25/26), läßt sich nach dem Wortlaut und dem Grundgedanken des § 57 nicht halten. Der Tatbestand der Rückgewähr einer Einlage wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie unter einem anderen Rechtstitel erfolgt (z. B. überhöhte Gehaltszahlungen an einen als Vorstand oder Angestellten beschäftigten Aktionär, unangemessen billige Preise für Warenlieferungen oder Leistungen der Gesellschaft an einen Aktionär; im einzelnen vgl. Aufstellung in § 9 der Körperschaftssteuerdurchführungsverordnung 1968 in BGBl. 68 I S. 270). Im Anschluß an die steuerliche Terminologie nennt man eine derartige Rückgewähr eine „verdeckte Gewinnausschüttung" (vgl. dazu Döllerer BB 67, 1437; Mestmäker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre 1958 S. 224 fr., insbesondere S. 233 ff.; Weißer Der Gewinn der A G im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Aktionären 1962 S.g6ff.; vgl. im übrigen auch unten Anm. 15). Selbst wenn die verdeckte Gewinnausschüttung aus Gewinnen erfolgt — was nicht notwendig ist, da eine „Rückgewähr" j a auch in Verlustjahren erfolgen kann und damit nicht den Gewinn schmälert, sondern einen sowieso vorhandenen Verlust vergrößert — bleibt sie verbotene Rückgewähr, weil sie nicht in den gesetz- und satzungsmäßigen Formen der Ausschüttung des Bilanzgewinns erfolgt. Erforderlich für eine verdeckte Gewinnausschüttung ist aber, daß sie an den Empfanger in seiner Eigenschaft als Aktionär erfolgt, daß also z. B. das erhöhte Gehalt oder der verbilligte Preis um deswillen festgesetzt worden ist, weil der Vertragspartner Aktionär ist. Das bedingt, daß der handelsrechtliche Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung anders als im Steuerrecht nicht nur objektiv eine Vorteilszuwendung erfordert, sondern subjektiv das Bewußtsein des für die A G handelnden Vorstandes, dem Vertragspartner, weil er Aktionär ist, einen durch seine Gegenleistung nicht gerechtfer-

407

§ 57

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 4 tigten Vorteil zukommen zu lassen (so auch Weißer a. a. O. S. 107 fr.). Das ist allerdings sehr bestritten. Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 213 Anm. 4 erfordern bei der Gesellschaft und dem Aktionär den Willen, eine Leistung auf die Beteiligung zu machen; dem stimmt Ballerstedt a. a. O. S. 118 grundsätzlich zu, erfordert aber von dem Aktionär auf Grund seiner Treupflicht eine Mehrleistung als verdeckte Gewinnausschüttung behandeln zu lassen. Mestmäker S. 233 fr. verlangt unter Heranziehung des amerikanischen Gesellschaftsrechts eine grundsätzlich objektive Betrachtungsweise, in die aber sehr stark subjektive Momente einfließen. Döllerer a. a. O. S. 1443 will im Anschluß an das Steuerrecht danach entscheiden, ob der Vorstand die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters wahrnimmt. Angesichts der Tatsache, d a ß die Bewertung von Leistungen u n d Lieferungen niemals zu einer festen Summe, sondern immer nur zu einer gewissen Bandbreite „richtiger" Beträge führt, wird m a n u m eine Berücksichtigung der subjektiven Seite jedenfalls beim Vorstand der AG nicht herumkommen. Es ist allerdings eine Frage der Beweiswürdigung, wieweit aus einem besonders deutlichen Mißverhältnis zwischen Leistung oder Gegenleistung oder aus der Bemessung der Leistung gegenüber Nichtaktionären dieses subjektive Erfordernis einer verdeckten Gewinnausschüttung entnommen werden kann. Der abweichenden Regelung des § 57 gegenüber der des § 30 G m b H G liegt neben dem Gedanken einer möglichst weitgehenden Erhaltung der Vermögenssubstanz der Gesellschaft noch ein weiterer Gesichtspunkt zugrunde. Es soll auf diese Weise außer dem unverkürzten Ausweis des Gewinns der AG die organisatorische Kompetenzverteilung zwischen dem Vorstand und der Hauptversammlung gewahrt werden. Die Entscheidung über die Gewinnverteilung steht ausschließlich der Hauptversammlung zu (§ 174). Das Verbot des § 57 ermöglicht es, eine Aushöhlung dieses ausschließlichen u n d zwingenden Zuständigkeitsbereichs der Hauptversammlung zu verhindern. Dem Vorstand wird es durch § 57 verwehrt, in Form von verschleierten Gewinnausschüttungen der Gewinnverteilung durch die Hauptversammlung vorzugreifen (vgl. dazu Ballerstedt a. a. O. S. 133, 144fr.). Davon kann keine Rede sein, wenn der Vorstand bei Ausgabe neuer Aktien auf Grund eines genehmigten Kapitals jungen Aktien eine Dividendenberechnung auch f ü r ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr gewährt (Simon AktG i960 S. 148fr.; Wündisch AktG 60 S. 320f.); in diesem Falle handelt der Vorstand auf G r u n d der ihm von der Hauptversammlung verliehenen Ermächtigung, die Ausgabebedingungen festzusetzen. I m Grunde wird hier der Ausgabebetrag herabgesetzt, so daß die Grenze f ü r die Gewährung einer derartigen Dividendenberechtigung das Verbot der Unter-pari-Emission (§ 9 )ist. Eine verdeckte Gewinnausschüttung und damit eine verschleierte Einlagen-Rückgewähr erfordert nicht, d a ß die Zahlung zu Lasten des Grundkapitals geht. Sie kann auch aus dem aufgespeicherten Reingewinn vergangener J a h r e oder des laufenden Jahres erfolgen (ebenso Mestmäker a. a. O. S. 233). Denn § 57 dient zugleich auch dazu, die gesetzlichen u n d satzungsmäßigen Gewinnverteilungsvorschriften (§ 60) sicherzustellen und in diesem R a h m e n das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre zu gewährleisten (vgl. dazu Ballerstedt a. a. O. S. 132, 139 fr.), ein Gesichtspunkt, auf den das R G bereits im J W 1932, 733 zutreffend hingewiesen hat. Es ist notwendig, bei der Auslegung des § 57 auch diese f ü r das Verbot einer Rückgewähr der Einlage maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Da dem Aktionär seine Einlage nicht zurückgewährt werden darf, so folgt daraus, d a ß er mit seinem Anspruch auf den Abwicklungserlös den Gläubigern der A G nachsteht. Erst wenn nach Beobachtung der Gläubigerschutzvorschriften noch Vermögen vorhanden ist, kann es unter die Aktionäre verteilt werden (RG 149, 297; Warn. 1932, Nr. 64). Bis dahin müssen die M a ß n a h m e n der A G darauf zugeschnitten sein, d a ß das Vermögen erhalten bleibt.

Anm. 4 b) Die Rückgewähr als solche Unter Rückgewähr der Einlage ist jede Zuwendung zu verstehen, die einem Aktionär als solchem außerhalb der ordnungsgemäßen Gewinnausschüttung von der Gesellschaft gewährt wird (vgl. Anm. 3). Auf die rechtliche Einkleidung einer solchen Zuwendung

408

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 57

Anm. 5, 6

kommt es nicht an; maßgeblich ist der sachliche Inhalt und die A r t des Geschäfts ( R G 149, 400). So sind als eine Rückgewähr der Einlage anzusehen übermäßige Vergütungen für entgeltliche Leistungen der Aktionäre (§ 61), der H ö h e nach nicht gerechtfertigte Provisionen, zinslose Darlehn, Erlaßverträge zugunsten von Aktionären, Vorauszahlungen auf den noch nicht festgestellten Jahresgewinn ( R G 107, 168; H R R 1937 Nr. 13), A b f ü h r u n g von Teilen des Verkaufserlöses aus der A G gehörenden Gegenständen an einen Aktionär ( B G H in W M 5 7,61), kurz alle Leistungen, in denen eine verdeckte Gewinnausschüttung erblickt werden kann ( R G 146, 93; 149, 400). Hierzu gehören auch Bürgschaften, die die Gesellschaft zugunsten eines Aktionärs übernimmt, oder andere Sicherheiten, die sie bestellt ( R G J W 1930, 3730; 1932, 2602), ferner Zusagen fester Zinsen (Ausnahme Abs. 3) oder Dividendengarantien ( R G 121, 106; H R R 1936 Nr. 814). Ein besonders wichtiger Fall der Rückgewähr einer Einlage ist der Kauf eigener Aktien durch die Gesellschaft (vgl. dazu Anm. 13). A b e r auch dann, wenn ein Aktionär seine Aktie an einen Dritten verkauft, darf die Gesellschaft nicht die Mittel für die Bezahlung des Kaufpreises zur V e r f ü g u n g stellen, auch nicht in Form eines Darlehns; denn hierin wäre ebenfalls eine verschleierte Form der Rückgewähr z u erblicken ( R G 146, 93; unten A n m . 13). O h n e Bedeutung ist es auch, ob die Einlage dem ersten Aktienzeichner oder einem späteren Aktienerwerber zurückgewährt wird. Die insoweit abweichende Rechtsprechung des R G (vgl. R G 146, 88 m. w . N.) wird heute mit R e c h t allgemein als überholt betrachtet (vgl. dazu 1. Aufl. A n m . 4). Besonderes gilt lediglich dann, wenn j e m a n d eine Aktie etwa durch K a u f von der Gesellschaft selbst erworben hat (dazu A n m . 7). Die verbotene Rückgewähr erfordert nicht die Leistung an den Aktionär selbst; es reicht aus, d a ß die Leistung auf Veranlassung des Aktionärs an eine andere Person erfolgt, z. B. einen Verwandten, an eine Gesellschaft, an der der Aktionär beteiligt ist ( B G H in W M 57, 61), oder eine sonstige einem Aktionär nahestehende Person (Weißer a. a. O . S. 1 1 5 ; Döllerer a. a. O . S. 1441). Jedoch genügt es für die Anwendung des § 57 nicht, d a ß der Empfanger der A G , nicht aber einem Aktionär nahesteht (Mestmäker a. a. O . S. 240; Döllerer a. a. O.). D e n n dann fehlt es an der auf der Gesellschafterstellung basierenden Rückgewähr an oder zugunsten eines Aktionärs.

Anm. 5 D a die Zeichnung einer Aktie nicht wegen Willensmängeln angefochten werden kann (§ 2 A n m . 4), hat der Zeichner einer Aktie in einem solchen Fall auch nicht einen A n spruch auf Rückzahlung seiner Einlage. Wird ihm jedoch aus diesem A n l a ß gleichwohl die Einlage von der Gesellschaft erstattet, so ist das eine unzulässige Rückgewähr der Einlage (Schlegelberger-Quassowski § 52 A n m . 5 ; Baumbach-Hueck R n . 5), anders nur, wenn j e m a n d in der irrigen Annahme, er sei Aktionär, eine Zahlung geleistet hat. Hier hat der Zahlende einen Rückforderungsanspruch nach § 813 B G B ; die Erstattung einer solchen Zahlung ist keine Rückgewähr einer Einlage im Sinn des § 57, weil eine solche Zahlung keine Einlage im Rechtssinn ist.

Anm. 6 c) Die Leistung für Rechnung der Gesellschaft V o n dem V e r b o t des § 57 werden grundsätzlich nicht Leistungen betroffen, die ein Dritter einem Aktionär erbringt. A u s aktienrechtlichen Gründen ist es irrelevant, wenn ein Dritter einem Aktionär die von ihm geleistete Einlage erstattet. Denn nicht die Rückgewähr der Einlage als solche, sondern die Rückgewähr der Einlage durch die Gesellschaft, richtiger z u Lasten ihres Vermögens ist es, die nach dem Grundgedanken des § 57 verhindert werden soll. Daher m u ß die Leistung, die ein Dritter für Rechnung der Gesellschaft einem Aktionär erbringt, unter das V e r b o t des § 57 fallen, weil eine solche Lesitung letzten Endes die Gesellschaft belastet (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 213 A n m . 9; Schlegelberger-Quassowski § 52 A n m . 6; Ritter § 52 A n m . 3 b). Darüber hinaus gilt das Verbot des § 57 auch für Leistungen, die ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen dem Aktionär eines herrschenden Unternehmens erbringt. Die 27

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

409

§ 57

Anm. 7, 8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

insoweit gegenteilige Auffassung von Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 3 Anm. 9 kann jedenfalls heute nicht mehr aufrechterhalten werden, nachdem durch die §§ 56, 71 Abs. 4 im Rahmen des Gläubigerschutzes eine weitgehende Gleichstellung zwischen dem herrschenden und dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vorgenommen worden ist (Schlegelberger-Quassowski § 52 Anm. 6; Baumbach-Hueck Rn. 6).

Anm. 7 d) Umsatzgeschäfte des Aktionärs mit der Gesellschaft Umsatzgeschäfte, die ein Aktionär mit der Gesellschaft abschließt, fallen grundsätzlich nicht unter das Verbot des § 57. Hier tritt der Aktionär nicht in seiner Eigenschaft als solcher, sondern wie ein Dritter der Gesellschaft gegenüber. Zahlungen oder Leistungen, die der Aktionär in Ausführung solcher Umsatzgeschäfte erhält, werden daher von § 57 im allgemeinen nicht berührt. Das gilt auch dann, wenn er von der Gesellschaft Aktien kauft. Einem solchen Erwerb liegt ein gewöhnlicher Kaufvertrag zu Grunde, auf den die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften Anwendung finden (unstreitig; vgl. dazu Werneburg Z H R 90, 211 ff.). Das bedeutet, daß ein solcher Kaufvertrag wegen Willensmängeln anfechtbar oder aus einem sonstigen gesetzlichen Grund nichtig sein kann. Daher muß die A G in einem solchen Fall dem Käufer den Kaufpreis erstatten ( R G 68, 309; 88, 272; 121, 106). Die Rückerstattung des Kaufpreises ist dann nicht eine Rückgewähr der Einlage im Sinn des § 57, weil der Käufer nicht Aktionär geworden ist. Dagegen kann sich die A G beim Verkauf eigener Aktien im allgemeinen nicht vertraglich zu einem Wiederkauf verpflichten. Das verbietet sich aus § 71. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze über den K a u f eigener Aktien durch die A G (Anm. 13). Die A G kann beim Verkauf eigener Aktien dem Käufer auch nicht eine Kursgarantie geben, um so dem Käufer die Vollwertigkeit ihrer Leistung zu gewährleisten (vgl. dazu auch Anm. 16; § 71 Anm. 40). Eine solche Garantie ist der Verpflichtung zum Wiederkauf gleichzuachten (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 3 Anm. 6; a. M . R G 87, 340). Gewöhnliche Umsatzgeschäfte zwischen der Gesellschaft und einem Aktionär können dann gegen das Verbot des § 57 verstoßen, wenn sie sich als verdeckte Gewinnausschüttung (Anm. 3, 4) darstellen, also namentlich dann, wenn dem Aktionär auf diesem Wege mit Rücksicht auf seine gesellschaftliche Beteiligung eine wirtschaftlich nicht gerechtfertigte (zu hohe) Vergütung für seine Leistung versprochen oder gewährt wird. Ein Verstoß gegen § 57 liegt deshalb stets vor, wenn die A G mit einem Aktionär einen Austauschvertrag schließt und die vertraglichen Leistungen so bemessen sind, daß dem Aktionär ein Vorteil allein mit Rücksicht auf seine Aktionärstellung zufließt (Mestmäker a. a. O. S. 221). Das gilt grundsätzlich auch im Konzernverbund; allerdings kann nicht jeder niedrigere Preis, der für konzerninterne Lieferungen oder Leistungen berechnet wird, als Verstoß gegen § 57 betrachtet werden, wenn er der Obergesellschaft zugute kommt. Denn die Vorteile der Konzernzugehörigkeit, wie verbilligte Materialeinkaufspreise, Stetigkeit der Beschäftigung, Austausch von Erfahrungen und Verfahren usw. kann ohne Verstoß gegen § 57 in die Konzernpreise einkalkuliert werden (ebenso Saage D i e A G 6 i , 223). Im übrigen haben die Konzernvorschriften weitgehend Vorrang vor § 57, und zwar nicht nur soweit die Leitungsmacht vertraglich untermauert ist (§ 308), sondern auch im Rahmen des § 311 beim faktischen Konzern; gerade hier ist ein auf die Besonderheiten des faktischen Konzerns abgestelltes Sicherungssystem geschaffen, neben dem die starre Rechtsform des § 57 nicht mehr sinnvoll erscheint (Kropff DB 67, 2147fr. und 2204fr.; ähnlich Döllerer BB 67, 1437fr.; vgl. auch Goerdeler W P 66, 113, 125).

Anm. 8 Im Anschluß an R G 81, 404 wird im Schrifttum zum Teil die Ansicht vertreten, daß es ein unzulässiges Versprechen zur Rückgewähr der Einlage sei, wenn dem Sacheinleger ein Wiederkaufsrecht an seiner Sacheinlage eingeräumt wird (1. Aufl. § 52 Anm. 7;

410

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 57 Anm. 9 , 1 0 Schlegelberger-Quassowski §52 Anm. 5). Dies erscheint unrichtig. §57 schützt nicht den Einlagegegenstand als solchen, sondern bezweckt den Wert des Gesellschaftsvermögens zu erhalten. Es kann daher ein Rückkauf des Sacheinlagegegenstandes gegen ein angemessenes Entgelt nach § 57 nicht beanstandet werden, weil dadurch der Wert des Gesellschaftsvermögens nicht berührt wird (ebenso Düringer-HachenburgFlechtheim § 213 Anm. 5; Brodmann § 213 Anm. i d ; Teichmann-Koehler § 52 Anm. 1; Godin-Wilhelmi Anm. 6; Breit ZHR 76, 448; Ballerstedt a. a. O. (Anm. 3) S. 123; vgl. auch BGH WM 1955, 1251). Etwas anderes ist es, wenn der Aktionär als Entgelt für den Sacheinlagegegenstand die Aktie der Gesellschaft (teilweise) zurückgibt; das wäre eine unzulässige Rückgewähr der Einlage (insofern ist die Entscheidung RG 81, 404 im Ergebnis richtig). Gegen den Rückkauf des Sacheinlagegegenstandes für ein angemessenes Entgelt bestehen auch keine allgemeinen aktienrechtlichen Bedenken, weil die Gläubiger keinen unentziehbaren Anspruch darauf haben, daß die erbrachte Sacheinlage der Gesellschaft erhalten bleibt (§ 26 Anm. 34). Anm. 9 e) Rückgewähr bei Kapitalherabsetzung Wird das Grundkapital durch Satzungsänderung herabgesetzt (§ 222), so kann es zu Zurückzahlungen an die Aktionäre kommen. Dies ist der einzige Fall, wo die Zurückzahlung zulässig ist. Aber den Aktionären gehen dabei die Gläubiger vor. Soweit diese sich fristgemäß melden, sind sie zunächst zu befriedigen oder sicherzustellen (§ 225). Und nur im Fall der ordentlichen Kapitalherabsetzung kann es zu Zurückzahlungen von Grundkapital an die Aktionäre kommen, nicht bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung (§ 230). Bei der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien entfallt der Gläubigerschutz nur in den Fällen des § 237 Abs. 3, wenn nämlich die Aktien entweder unentgeltlich zur Verfügung gestellt oder zu Lasten des Reingewinns oder einer freien Rücklage eingezogen werden, also mit frei verfügbaren Mitteln. Anm. 10 3. Der Rückforderungsanspruch a) Nichtigkeit von Rückgewährsversprechen und Rückgewähr Ein Geschäft, das gegen das Verbot der Rückgewähr von Einlagen verstößt, ist nichtig (§ 134 BGB). Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats machen sich durch Zuwiderhandlung gegen das Verbot schadensersatzpflichtig (§ 93 Abs. 3 Nr. 1, § 116), und zwar nicht nur der Gesellschaft, sondern auch den Gläubigern gegenüber (§93 Abs. 5). Auch die Aktionäre haften für verbotswidrig empfangene Zahlungen den Gläubigern (§62). Allerdings greift die Ausnahme des § 139 BGB ein, wenn anzunehmen ist, daß das die Rückgewähr verbergende Umsatzgeschäft auch ohne den nichtigen Bestandteil vorgenommen worden wäre (Weisser a. a. O. 116). Wie das unmittelbar auf Rückgewähr der Einlage gerichtete Geschäft nichtig ist, so ist auch ein schuldrechtliches Geschäft nichtig, durch das die AG sich zu solcher Rückgewähr verpflichtet (§ 309 BGB; RG 149, 400), so z. B. ein Vertrag, durch den die AG sich verpflichtet, einem Aktionär die von ihm übernommenen Aktien gegen Entgelt wieder abzunehmen (RG 77, 71). Solche Verträge sind bisweilen von Gesellschaften mit ihren Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern für den Fall der Beendigung des Verhältnisses geschlossen worden; derartige Verträge sind nichtig (RG J W 1912, 876), nicht nur im Konkurse der Gesellschaft, wie das OLG Jena gemeint hatte (LZ 1912, 406*). Der Verstoß gegen § 57 wird in der Regel auch ein Verstoß gegen §117 darstellen. Uber das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander vgl. Mestmäker a. a. O. S. 238fr.; Weisser a . a . O . S. n g f . Soweit §117 eingreift, bestehen Schadensersatzansprüche (vgl. Erl. zu §117). 27'

411

§ 57

Anm. 11—13

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Aum. 11 b) Rechtsnatur des Rückforderungsanspruchs Aus der Nichtigkeit einer unzulässigen Rückgewähr folgt, daß die A G einen Anspruch gegen den Empfänger hat. Während § 56 AktG 37 von diesem Anspruch ausging, ihn aber nicht ausdrücklich erwähnte, hat § 62 Abs. I Satz 1 diesen Anspruch nunmehr ausdrücklich normiert. Damit ist der Rückforderungsanspruch im Anschlußan Godin-Wilhelmi 2. Aufl. § 52 Anm. 4 als typisch aktienrechtlicher Anspruch charakterisiert und der frühere Streit über seine Rechtsnatur (vgl. Voraufl. § 52 Anm. 1 1 und zusätzlich BGH in W M 57, 61 f.; Mestmäker a . a . O . S. 234; Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbHRechten der E W G S. 378 N. 192 und S. 444 N. 65; Weisser a. a. O. 1 1 7 sowie Voran Die Vorschriften über eigene Aktien und ihre Auswirkung auf eine wechselseitige Verflechtung von Aktiengesellschaften Dis. 1960 S. 15 fr.) hinfällig. Im einzelnen vgl. Erl. zu § 62. Die aus § 57 herzuleitende Nichtigkeit nicht nur des Verpflichtungssondern auch des Erfüllungsgeschäftes (Anm. 10) macht jedenfalls den Anspruch aus § 62 zum dinglichen Herausgabeanspruch und Rückgewähranspruch, der unabhängig von Verschulden und Bereicherung durchgreift, der Einwendungen aus §§814, 817 BGB nicht zuläßt, und der außerdem, weil er die Einlagepflicht der A G sichert, den Schutz des §66 genießt (vgl. Anm. 12).

Anm. 12 c) Die Abtretung des Rückforderungsanspruchs Der Zweck des § 57 (Anm. 3) würde vereitelt werden, wenn die A G über den Rückforderungsanspruch in der Weise verfugen könnte, daß sie dem verpflichteten Aktionär diesen Anspruch erläßt. Ein derartiger Erlaß wird daher allgemein als unzulässig angesehen. Dasselbe gilt für eine Abtretung dieses Anspruchs an einen Dritten dann, wenn die A G dabei nicht ein vollwertiges Entgelt für ihren Rückforderungsanspruch erhält ( R G J W 1930, 3732); die Vorschrift des § 66 findet auch insoweit ebenfalls Anwendung (§ 66 Anm. 2). Es ist auch denkbar, daß die Gesellschaft den verpflichteten Aktionär anweist, an einen Dritten (an ihre Bank oder an einen ihrer Gläubiger) zu zahlen. Insoweit ist ebenfalls der Gesichtspunkt der Vollwertigkeit zu beachten. Deshalb ist eine solche Anweisung nicht wirksam, wenn die Forderung des Dritten gegen die Gesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nichts wert ist (Ritter § 52 Anm. 3 e ; Baumbach-Hueck Rn. 8; vgl. dazu auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 221 Anm. 7).

Anm. 13 4. Der Kauf eigener Aktien durch die Gesellschaft Einer der wesentlichsten Anwendungsfälle des § 57 ist der Ankauf eigener Aktien durch die Gesellschaft. Hier erhält der Aktionär seine Einlage in Form des Kaufpreises von der Gesellschaft zurück. Dabei ist es für die Anwendung des § 57 ohne Bedeutung, ob der Kaufpreis ein vollwertiges Entgelt für die Aktie darstellt oder ob der Kaufpreis zu hoch bemessen ist. Im Unterschied zu den Umsatzgeschäften (Anm. 7) ist hier die Vollwertigkeit des Entgelts für die Anwendung des § 57 ohne Belang, da die Zahlung eines Kaufpreises für die Rückgabe von Aktien immer eine Rückgewähr der Einlage ist. Gleichgültig ist es, ob die Gesellschaft die Aktien von dem ersten Zeichner oder von einem späteren Erwerber zurückkauft. Die ältere Rechtsprechung des R G zu § 2 1 3 HGB, die insoweit einen Unterschied gemacht hatte (vgl. R G 146, 88 m. w. N.), wird heute mit Recht allgemein als überholt betrachtet (vgl. dazu 1. Aufl. Anm. 4). Dem Ankauf eigener Aktien ist bei der Anwendung des § 57 der Fall gleichzuachten, daß die A G zwar nicht die Aktien selbst kauft und erwirbt, aber für den Käufer der

412

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 57

Anm. 14

Aktien den Kaufpreis zahlt oder Sicherheiten für die Kaufpreisforderung bestellt ( R G 146, 93; J W 1930, 3730; 1932, 2602; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 3 Anm. 9; Ritter § 52 Anm. 3 c). Durch § 57 Abs. 1 Satz 2 ist eine Streitfrage aus früherer Zeit abschließend geregelt, nämlich die Frage, in welchem Verhältnis das Verbot einer Rückgewähr der Einlage zu dem der Gesellschaft unter Umständen erlaubten Erwerb eigener Aktien steht. Die Regelung geht dahin, daß das Verbot des § 57 nicht eingreift, soweit es sich um einen nach § 71 erlaubten Erwerb eigener Aktien handelt. Bei einem solchen erlaubten Erwerb ist es daher zulässig, daß die Gesellschaft dem Veräußerer ein angemessenes Entgelt entrichtet. Insoweit wird also der nach § 57 Abs. 1 S. 1 umrissene Anwendungsbereich des § 57 eingeschränkt. Darüber gibt es heute im Schrifttum keinen Streit mehr. Zu der Frage, ob die Begründung wechselseitiger Beteiligungen ein Verstoß gegen § 57 darstellt, schweigt das Gesetz. Im Schrifttum besteht Einigkeit darüber, daß wechselseitiger Aktienbesitz mit dem Erwerb eigener Aktien verwandt ist und im Ergebnis Einlage-Rückgewähr darstellt (vgl. Boesebeck ZfgesK 56, 766; Würdinger DB 57, 961; Schilling J Z 57, 5 3 1 ; Kropff DB 59, 15fr. und N J W 59, 173, 176; Winter Die wechselseitige Beteiligung von Aktiengesellschaften i960, S. 39ff.; Havermann WP 66, 70). Nach dem AktG 37 war streitig, ob § 52 die Bildung einer wechselseitigen Beteiligung verbiete (so Winter a. a. O. S. 51 ff.) oder auf diesen Tatbestand überhaupt nicht zutreffe (so Lutter a. a. O. S. 460; Voran a. a. O. S. 96; Georgakopoulos Rabeis Z. 28, 584/85). Nachdem die Erörterung der wechselseitig beteiligten Unternehmen in der Reform-Literatur der 50er und 60er Jahre den wirtschaftlichen Charakter der in der wechselseitigen Beteiligung liegenden Kapital-Rückgewähr herausgestellt hat, der Gesetzgeber des AktG 65 daraus aber für die Formulierung des § 57 keine Konsequenzen gezogen hat, kann man heute wohl annehmen, daß sie nicht unter § 57 fallen soll. Dagegen bestehen insoweit jedenfalls keine Bedenken, als die gegenseitige Beteiligung nicht über 25% hinausgeht (so Boesebeck BB 59, 15, 1 7 ; Havermann WP 66, 70). Innerhalb dieses Rahmens von 25% wäre wegen Fehlens jeder Mitteilungspflicht, worauf Kropff DB 59 S. 15, 17 mit Recht hinweist, § 57 auch kaum praktizierbar.

Anm. 14 5. Leistungen im Konzern Verhältnis Bestimmungen ähnlich dem § 57 Abs. 1 S. 2 finden sich im Konzernrecht. Hier bestimmt § 291 Abs. 3, daß Leistungen auf Grund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages nicht als Verstoß gegen § 57 gelten, und § 292 Abs. 3, daß ein Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag und der ihn genehmigende Hauptversammlungsbeschluß — unbeschadet einer etwaigen Anfechtbarkeit — nicht deshalb nichtig sei, weil der Vertrag gegen § 57 verstoße; § 323 Abs. 2 erweitert dies auf Leistungen einer eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft. Im einzelnen vgl. hierzu die Erl. zu den genannten Vorschriften. Diese Bestimmungen gehen darauf zurück, daß nach dem AktG 37 die Zulässigkeit von sog. Organverträgen gerade im Hinblick auf § 52 AktG 37 sehr umstritten war (vgl. Vorauf!. § 52 Anm. 18 und § 54 Anm. 7 sowie Hueck DB 59, 223). Um jeden Zweifel auszuschließen, ist trotz der gesetzlichen Anerkennung von Unternehmensvertrag und Eingliederung durch die angegebenen Bestimmungen ausdrücklich klargestellt worden, daß das Verbot der Einlage-Rückgewähr der Zulässigkeit dieser Maßnahmen grundsätzlich nicht entgegensteht. Der Gesetzgeber konnte diese Regelung treffen, weil der Schutz der Aktionäre und Gläubiger durch die besonderen Sicherungen des Konzernrechts, beim Betriebspacht- und Überlassungsvertrag durch die Anfechtbarkeit übernommen wird. Bei einer Gewinngemeinschaft oder einem Teilgewinnabführungsvertrag dagegen — sie werden weder von § 291 Abs. 3 noch von § 292 Abs. 3 erfaßt — greift die Nichtigkeit ein, wenn sie auf eine verdeckte Gewinnausschüttung und damit auf einen Verstoß gegen § 57 hinauslaufen (vgl. Kropff BB 65, 1286 und DB 67, 2147fr.; Havermann WP 66, 92).

413

§ 57

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 15, 16 Anra. 15 6. Keine Lockerung des Verbots Ballerstedt (Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften 1947 S. 128 ff.) meint, daß man an den strengen Grundsätzen für das Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung nicht festhalten sollte. Dabei sind es namentlich zwei Gesichtspunkte, die ihn zu einer solchen Lockerung des Verbots bewegen, einmal der Umstand, daß die nichtigen Formen der Gewinnverteilung im Wirtschaftsleben einen breiten Raum einnehmen, und sodann die Erwägung, daß die starre Nichtigkeitsfolge für verdeckte Gewinnausschüttungen keineswegs immer von dem Grundgedanken für dieses Verbot gefordert werde. In diesen Gedankengängen liegt eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Dem Umstand, daß das Verbot im Wirtschaftsleben, namentlich bei kleinen Aktiengesellschaften vielfach nicht beachtet wird, sollte man bei der weittragenden Bedeutung dieser Schutzvorschrift — Ballerstedt selbst rechnet sie zum ordre public des Aktienrechts — keine Beachtung schenken; vielmehr ist hier die gleiche Beurteilung wie gegenüber der Schutzvorschrift des § 30 GmbHG am Platz, die zu umgehen im Wirtschaftsleben auch immer wieder versucht wird, und an deren strenge Beachtung die Rechtsprechung gleichwohl mit Recht immer festgehalten hat (vgl. dazu B G H 13, 49; Lind.-Möhr. Nr. 1 zu §30 GmbHG). Was die weiteren Erwägungen Ballerstedts anlangt, daß nämlich die starre Nichtigkeitsfolge nicht immer von dem Grundgedanken dieses Verbots erfordert werde, daß namentlich unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung des Gesellschaftskapitals die Nichtigkeit der verdeckten Gewinnausschüttung dann nicht notwendig sei, wenn eine solche Ausschüttung von dem am Ende des Geschäftsjahres ausgewiesenen Reingewinn gedeckt werde, so sollte man auch diesen Gedankengängen nicht folgen. Das würde nämlich sonst dazu führen, Vorauszahlungen auf einen noch nicht festgestellten und ausgewiesenen Reingewinn zunächst als schwebend wirksam zu betrachten und damit für diesen Zeitraum die Rechtstellung der Gesellschaftsgläubiger und der Gesellschaft zu gefährden. Das könnte eine bedenkliche Aufweichung der Schutzvorschrift des § 57 zur Folge haben. Im übrigen beachtet Ballerstedt bei seiner Kritik an der starren Nichtigkeitsfolge, die für das Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen gilt, wohl nicht im genügenden Maß die Vorschriften der §§ 946 fr. BGB. Hat nämlich die A G einem ihrer Aktionäre mit Rücksicht auf seine Gesellschaftereigenschaft Waren zu einem verbilligten Preis abgegeben, so werden diese Waren nach einem längeren Zeitraum in ihrem ursprünglichen Zustand nicht mehr bei dem Aktionär erhalten sein, so daß die Eigentumsklage gegen den Aktionär schon aus diesem Grunde nicht mehr durchdringt. Dann ist der Rückforderungsanspruch ein Anspruch auf Erstattung des Werts, den der Aktionär durch die Vereinbarung eines zu niedrigen Kaufpreises zu viel erhalten hat und es wird dadurch — auch im Sinn der Ausführungen von Ballerstedt (S. 134/35) — dem Begriff des durch die §§ 57) 58 Abs. 4 geschützten Gesellschaftskapitals als eines Wertbegriffs in sachgerechter Weise Rechnung getragen. Gegen die Auffassung Ballerstedts äußern sich auch Lutter a. a. O. S. 429f.; Mestmäker a. a. O. S. 234fr.; Weisser a. a. O. S. i26f., jedoch mit Zweifeln wegen der de facto-Anerkennung. Vgl. zur Kritik in der Vorauf!. Ballerstedt selbst in Z H R 127, 107 N. 4.

II. Verbot einer Verzinsung von Einlagen Anm. 16 1. Allgemeines Der Zweck der Vorschrift des Abs. 2 ist, ebenso wie der des Abs. 1 das Gesellschaftsvermögen im Interesse der Gläubiger möglichst unversehrt zu erhalten. Die Gewährung fester Zinsen kann, wenn kein genügender Reingewinn vorhanden ist, auf eine Rückgewähr der Einlage hinauslaufen und würde alsdann nach Abs. 1 (Anm. 4) ohnehin unzulässig sein. Das Verbot geht aber darüber hinaus; es gilt auch da, wo in der Gewährung fester Zinsen keine Rückgewähr der Einlage liegt. Das ist der Fall, wenn die A G eigene Aktien, die sie erworben hat, veräußert. Hierin liegt ein reines Verkaufs-

414

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 57

Anm. 17, 18

geschäft (Anm. 7), der Erwerber macht keine Einlage, sondern zahlt einen Kaufpreis. N a c h Abs. 1 wäre es daher denkbar, d a ß die A G — z w a r nicht sich z u m Wiedererwerb verpflichtete, wohl aber — dem Käufer einen Gewinnanteil garantierte. Das wird durch Abs. 2 unmißverständlich verboten (vgl. R G 72, 30; 107, 168; 121, 106; H R R 1936 Nr. 814; Darmstadt O L G 12, 429); das ist heute auch allgemeine Ansicht im Schrifttum. A u c h in diesem Zusammenhang ist hervorzuheben (wie schon A n m . 3), d a ß die bei jeder Kapitalgesellschaft notwendige Sicherung der Gesellschaftsgläubiger gegenüber Zugriffen der Gesellschafter oder gegenüber Ausschüttungen an die Gesellschafter im Aktienrecht eine grundsätzlich andere wie im G m b H - R e c h t ist. I m G m b H - R e c h t besteht diese Sicherung darin, d a ß jede Auszahlung an die Gesellschafter verboten ist, sofern dadurch das Stammkapital angegriffen wird ( § § 3 0 , 3 1 G m b H G ) ; im Aktienrecht dagegen ist bereits jede Zahlung an die Aktionäre verboten, die sich nicht mehr als eine Auszahlung auf den Gewinnanteil darstellt, wie es sich aus dem gesetzlich ausgewiesenen Reingewinn ergibt (vgl. d a z u Ballerstedt, a. a. O . S. 89 fr.; HachenburgSchmidt § 30 A n m . 1). Daraus ergibt sich auch, d a ß das für das G m b H - R e c h t ebenfalls entwickelte V e r b o t einer Auszahlung fester Zinsen an die Gesellschafter (vgl. dazu Hachenburg-Schmidt § 29 A n m . 11 m. w. N.) sich nach anderen Grundsätzen wie die Vorschrift des § 57 Abs. 2 ausrichtet.

Anm. 17 2. Umfang des Verbots Unter Zinsen im Sinn des Abs. 2 sind feste laufende Erträgnisse z u verstehen, die dem Aktionär als solchem geleistet werden; daß es sich daher hier nicht wie bei echten Zinsen u m eine Vergütung fiir eine Kapitalnutzung handelt — eine Schuld der Gesellschaft, für die sie Zinsen zahlen könnte, besteht nicht — ist gleichgültig. Unter den Begriff „ Z i n s e n " fallen auch „garantierte Dividenden" (Anm. 19, 20), d. h. Erträgnisse, die auch dann z u zahlen sind, weijn ausreichende ausschüttungsfähige Gewinne nicht vorhanden sind, sowie sämtliche v o m ausgeschütteten Gewinn unabhängigen laufenden Bezüge jeder Art, sofern sie ihre Grundlage in der Aktionärstellung haben. Was nur aus dem Reingewinn versprochen wird, sind keine Jeinsen, wenn es auch so genannt wird. Mitunter ist in Satzungen bestimmt, d a ß Vorzugsaktien aus dem Reingewinn z. B. 5°/0 „ Z i n s e n " vorweg erhalten, der Rest an alle Aktien oder auch allein an die Stammaktien verteilt wird. Hierbei handelt es sich u m Gewinnanteil, ebenso beim Nachbezugsrecht ( R G 68, 238; B G H 7, 264; § 11 A n m . 4). Nicht unter das V e r b o t fallt es, wenn Vorzugsaktionären aus dem Abwicklungserlös der Nennbetrag ihrer Aktien mit einem Aufgeld oder auch mit einer Verzinsung für die Abwicklungsperiode zugesagt wird ( R G 68, 239). Dabei ist natürlich vorausgesetzt, d a ß der Erlös unter Beobachtung des Gläubigerschutzes dazu ausreicht; andernfalls ist der auszuzahlende Betrag entsprechend niedriger. N u r in diesem Sinne läßt sich sagen, d a ß das V e r b o t für die Zeit nach der Auflösung nicht mehr gelte ( R G W a r n . 1932 Nr. 64; vgl. A n m . 3). D a nur der aus der Jahresbilanz sich ergebende Reingewinn verteilt werden darf (§58 Abs. 4, 5), und zwar auf Grund eines von der Hauptversammlung gefaßten Verteilungsbeschlusses (§ 174), mußte zwecks Zulassung von Abschlagsdividenden vor dieser Beschlußfassung § 59 ins A k t G 65 aufgenommen werden, während derartige Auszahlungen mangels einer derartigen Bestimmung nach A k t G 37 unzulässig waren.

Anm. 18 3. Nichtigkeit einer Zinszusage W i r d einem Aktionär gegen das Verbot des Abs. 2 von der A G ein fester Gewinnanteil garantiert, so ist das Versprechen nichtig, nicht aber die Ü b e r n a h m e der Aktie, auch wenn das Versprechen in Verbindung damit gegeben wird (vgl. O L G Jena L Z 1912, 406); denn das würde das Grundkapital gefährden, also dem Zweck des § 57 gerade entgegenlaufen. V o n der Nichtigkeit werden auch entsprechende Satzungsbestimmun-

415

§57

Anm. 19

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

gen und Hauptversammlungsbeschlüsse erfaßt; letztere bedürfen also nicht erst der Anfechtung (vgl. § 241 Nr. 3). W i r d aber eine solche Garantie von der A G beim V e r kauf eigener Aktien dem K ä u f e r gegeben (Anm. 16), so ist nach der Regel des § 139 B G B das ganze Rechtsgeschäft nichtig, es sei denn, d a ß aus besonderen Gründen anzunehmen ist, der K a u f würde auch ohne die Garantie abgeschlossen worden sein. Werden von der A G an Aktionäre feste Zinsen gezahlt, so begründet das eine Haftung der Aktionäre nach § 62 sowie eine Haftung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats nach § 93 Abs. 3 Nr. 2, § 1 1 6 .

III. Die Dividendengarantie Anm. 19 1. Allgemeines § 57 Abs. 2 verbietet lediglich, d a ß die Gesellschaft selbst ihren Aktionären Zinsen gewährt oder verspricht. Diese Bestimmung umfaßt ihrem Grundgedanken nach allerdings auch den Fall, d a ß ein Dritter für Rechnung der Gesellschaft Zinsen gewährt oder verspricht (Ritter § 5 4 A n m . 2 b). Dagegen ergreift das V e r b o t des § 57 Abs. 2 nicht solche Zusagen (Garantien), die ein Dritter für eigene Rechnung abgibt. Solche Z u sagen (Garantien) spielen im heutigen Wirtschaftsleben eine große Rolle (vgl. auch § 304) und dienen dabei, „einem dringenden Bedürfnis" ( R G J W 1929,642); sie werden unter dem Begriff der Dividendengarantie zusammengefaßt (kritisch zu diesem Ausdruck Flume Betr. 56, 462). Hierbei haben sich zwei Hauptarten der Dividendengarantie herausgebildet, die Rentengarantie und die Rentabilitätsgarantie (vgl. dazu R G 147, 47). M i t der Rentengarantie wird den Aktionären — unmittelbar oder mittelbar — die Gewähr dafür geleistet, d a ß sie auf ihre Aktien einen bestimmten Betrag beziehen. Bei der Rentabilitätsgarantie dagegen übernimmt der Garant die Gewähr dafür, d a ß die Gesellschaft in j e d e m Geschäftsjahr einen verteilbaren Reingewinn von einer bestimmten Höhe hat. Die Dividendengarantie dient den verschiedensten Zwecken. In den seltensten Fällen wird sie unentgeltlich gewährt; geschieht das allerdings i m Ausnahmefall doch einmal, dann bedarf sie zu ihrer Wirksamkeit der Form des § 518 BGB. Ihre eigentliche Bedeutung liegt auf dem Gebiet des Konzernrechts. Sie ist eines der Sicherungsmittel, mit denen der Gesetzgeber den außenstehenden Aktionär gegen die vertragsmäßige Einbeziehung der A G in ein Konzern Verhältnis schützt. Deshalb m u ß gemäß §304 Abs. 1 ein Gewinnabfiihrungsvertrag einen angemessenen Ausgleich für außenstehende Aktionäre in Form einer auf die Aktiennennbeträge bezogenen wiederkehrenden Geldleistung (Ausgleichzahlung) vorsehen und ein zur A b f ü h r u n g des Gesamtgewinns nicht verpflichtender Beherrschungsvertrag den außenstehenden Aktionären als angemessenen Ausgleich einen bestimmten jährlichen Gewinnanteil garantieren. Eine Dividendengarantie kann sich ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach auch einem Pachtzins annähern, z. B. in der Form, d a ß eine A G ihren Betrieb verpachtet und den Pachtzins in Form einer Dividende erhält ( R F H 14, 303; R F H St. u. W . 1932 Nr. 526; Rasch Deutsches Konzernrecht 4. A u f l . 1968 S. 1 1 2 ; Mestmäker a. a. O . S. 319). N a c h d e m die Unternehmensverträge im R a h m e n des Konzernrechts ihre gesetzliche Anerkennung gefunden haben, erledigen sich die im früheren Recht gelegentlich geäußerten Bedenken, die ihre Grundlage allerdings nicht in der Dividendengarantie sondern darin fanden, d a ß die Dividendengarantie meist die Gegenleistung für die Überlassung des Gewinns der Gesellschaft an den Großaktionär war. Darin sah D u d e n BB 57, 49 fr. (so auch Fischer in der V o r a u f l . § 5 4 A n m . 7 ; B G H in L M Nr. 1 z u § 256 äußert z w a r Bedenken, entscheidet sich aber nicht; Mestmäker a. a. O . S. 332 bejaht die Nichtigkeit, wenn kein angemessenes Entgelt vereinbart ist) einen Verstoß gegen § 54 A k t G 37. Ballerstedt D B 57, 837 und Z H R 127, 106 sowie J Z 68, 397, Zartmann D i e A G 64, S. 87 fr. und S. 118 ff., Erlinghagen Organschaftsverträge S. 115 fr., Rasch in Verhandlungen des 42. D J T Band 1 Teil 3 S. 13fr. und Bachmayer BB 62, 891 nehmen Gültigkeit aus der normativen K r a f t des Faktischen heraus an. Diese Frage hat heute nurmehr Bedeutung für die vor dem Inkrafttreten des A k t G 65 a m 1. 1. 66

416

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 57

Anm. 20—22

abgeschlossenen Verträge, da der Rechts- und Wirtschaftsausschuß die im Reg. E. vorgesehenen Bestimmungen, die die Gültigkeit früherer Organ-Verträge vorsorglich heilen sollten, gestrichen hat (vgl. Erl. zu § 22 E. G.; Gessler DB 66, 2 1 5 ; v. Falkenhausen BB 66, 190; O L G Karlsruhe in NJW 67, 8 3 1 ; a. M. Schilling BB 65, 1438 und BB 66, 190, der Heilung annimmt). Da aber § 256 AktG die Gewinnabführung anerkannt hatte und für diese Abführungen in aller Regel nur der Mehrheitsaktionär in Frage kommen konnte, kann man nicht daraus, daß der abzuführende Gewinn nicht der aus der Jahresbilanz sich ergebende Reingewinn ist und über seine Verteilung nicht die Hauptversammlung beschlossen hat, auf die Unzulässigkeit der sog. Organschaftsverträge schließen (so Hueck DB 59, 223; Schilling Vorauf!. §256 Anm. 1 1 ) . U m derartige Zweifel für die nach dem 1. 1. 66 abgeschlossenen Unternehmensverträge ein für allemal auszuschließen, ist in §§ 291 Abs. 3, 292 Abs. 3 und 323 Abs. 2 ähnlich dem Abs. 1 S. 2 ausdrücklich klargestellt, daß ein Verstoß gegen § 57 nicht vorliegt.

Anm. 20 Ihrem rechtlichen Gehalt nach ist die Dividendengarantie ein unmittelbares Leistungsversprechen, und nicht eine Bürgschaft; denn es fehlt insoweit schon an einer Hauptschuld, die für das Vorliegen einer Bürgschaft stets notwendig ist. Die Dividendengarantie kann so erteilt werden, daß sie entweder eine zahlenmäßig festgelegte Rente für die Aktionäre oder einen zahlenmäßig festgelegten Reingewinn für die Gesellschaft (beide in Prozentzahlen ausdrückbar) sicherstellt oder daß sie die gleiche Rente (Dividende) oder den gleichen Gewinn gewährleistet, den das garantierende Unternehmen selbst in dem jeweiligen Geschäftsjahr an seine Gesellschafter zahlt oder erarbeitet. Was gemeint ist, ist eine Frage der Auslegung ( R G Z 147, 48; Baumbach-Hueck Rn. 13). Im Zweifel wird man bei einer Dividendengarantie davon ausgehen können, daß es sich bei ihr um eine Renten- und nicht um eine Rentabilitätsgarantie handelt ( K G O L G 28, 358; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 5 Anm. 8; Ritter § 54 Anm. 2 c; Schlegelberger-Quassowski § 54 Anm. 7; Rasch a. a. O. S. 1 1 2 ; a. M . in dem Sinn, daß sich eine allgemeine Auslegungsregel insoweit nicht aufstellen lasse: 1. Aufl. Anm. 1 7 ; zweifelnd Baumbach-Hueck Rn. 13). Eine solche Auslegungsregel ist deshalb gerechtfertigt, weil die Rentabilitätsgarantie für den Garanten eine außerordentlich viel weitgehendere Haftung mit sich bringen, unter Umständen für den Garanten sogar ein von vornherein gar nicht übersehbares Risiko in sich tragen kann (Anm. 25). Bei dieser Sachlage erscheint es nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen angebracht, im Zweifel die in ihrer Wirkung geringere Garantie als vereinbart anzunehmen.

Anm. 21 2. Die Rentengarantie Mit der Rentengarantie übernimmt der Garant die Gewähr dafür, daß die Aktionäre auf ihre Aktien eine bestimmte Rente (Dividende) erhalten. Die Haftung des Garanten erstreckt sich dabei im äußersten Fall auf den vollen Betrag der garantierten Dividende. Darüber hinaus kann die Haftung aus der Rentengarantie niemals gehen, weil sie nicht auch die Gewähr dafür enthält, daß die A G keine Verluste erleidet. Der Ausgleich solcher Verluste ist nicht Gegenstand der Rentengarantie.

Anm. 22 Die Rentengarantie wird begründet, entweder durch Vertrag zwischen dem Garanten und den Aktionären oder durch Vertrag zwischen dem Garanten und der Gesellschaft. Der erste Fall ist selten. Hier erwerben allein die Aktionäre die Ansprüche aus der Garantie, die Gesellschaft selbst hat keinen Anspruch. Wird in einem solchen Fall die Zahlung des garantierten Dividendenbetrages an die Gesellschaft geleistet, so nimmt sie diesen Betrag lediglich als Beauftragte der Aktionäre entgegen. Die gezahlte Summe

417

§ 57

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 23, 24 fließt nicht in das V e r m ö g e n der Gesellschaft, sie ist daher auch in dem Jahresabschluß nicht z u berücksichtigen. Die Gesellschaft ist ihrerseits den Aktionären gegenüber verpflichtet, den erhaltenen Betrag an diese abzuführen. Hierbei kommen selbstverständlich die Vorschriften über die Ausschüttung von Reingewinn nicht zur A n wendung, weil eine solche Weiterleitung keine Ausschüttung von Reingewinn im Sinne des § 174 ist. Änderungen eines solchen Garantievertrages sind nur durch Vereinbarung zwischen dem Garanten und den Aktionären möglich, die Beteiligung der Gesellschaft an einer solchen Vereinbarung ist nicht notwendig, aber auch nicht ausreichend, falls die Aktionäre selbst nicht zustimmen.

Anm. 23 W i r d die Rentengarantie durch Vertrag zwischen dem Garanten und der Gesellschaft begründet —• so im Falle des § 304 — dann ist es eine Frage der Auslegung, ob aus diesem Vertrag lediglich die Gesellschaft oder auch die Aktionäre gegenüber dem Garanten berechtigt sind. I m Zweifel wird das erstere anzunehmen sein ( R F H St. u. W . 1929 Nr. 1025; vgl. auch R G 147, 47). A u c h in einem solchen Fall kann der an die Gesellschaft gezahlte Garantiebetrag nicht z u m Augleich eines Verlustes oder zur Bildung gesetzlicher oder freier Rücklagen in der Gesellschaft dienen ( K G O L G 6, 28); er ist für die Jahresrechnung der Gesellschaft nichts anderes wie ein Durchgangsposten (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 5 A n m . 10; Flume Betr. 1956, 463), der von vornherein zur Ausschüttung an die Aktionäre bestimmt ist. Daher ist den Aktionären, auch wenn sie nicht einen unmittelbaren Anspruch gegen den Garanten haben, ein schuldrechtlicher Anspruch gegen die Gesellschaft auf Weiterleitung des an sie gezahlten Garantiebetrages zuzubilligen ( R G H R R 1935 Nr. 1606; Düringer-HachenburgFlechtheim a. a. O . ; Ritter § 54 A n m . 2 b ; Baumbach-Hueck R n . 13). Soweit den Aktionären aus einer Rentengarantie Ansprüche, sei es gegen den Garanten sei es gegen die Gesellschaft, zustehen, stehen sie den jeweiligen Aktionären zu. Gleichwohl beruhen sie nicht auf der Mitgliedschaft, sondern auf dem besonderen schuldrechtlichen V e r t r a g mit dem Garanten. Es kann daher schon aus diesem Grunde nicht davon gesprochen werden, d a ß diese Ansprüche Sonderrechte der begünstigten Aktionäre seien (so 1. A u f l . A n m . 10); denn die Tatsache, daß sie durch den Inhalt des (schuldrechtlichen) Garantievertrages mit der Mitgliedschaft verknüpft worden sind, berechtigt nicht z u einer solchen Annahme. Vielmehr wird der hier gegebenen Rechtslage durch die auf Flechtheim zurückgehende Formel „akzessorische Rechte der Aktionäre" (ZB1HR 1930, 271 ff.; vgl. auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 5 A n m . 10) sinnfälliger Ausdruck verliehen.

Anm. 24 Abgesehen von den in A n m . 26 erörterten Umständen erlischt die Rentengarantie durch Zeitablauf, durch K ü n d i g u n g , gegebenenfalls auch aus wichtigem Grund sowie durch Vereinbarung zwischen den Vertragschließenden. H a t der Garant den Garantievertrag mit der Gesellschaft abgeschlossen, so müssen die Aktionäre einer vertraglichen A u f h e b u n g der Rentengarantie im Zweifel zustimmen, falls sie gegen den Garanten einen eigenen Anspruch aus dem Garantievertrag haben (Düringer-HachenburgFlechtheim § 2 1 5 A n m . 10; Ritter § 5 4 A n m . 2 b ; Schlegelberger-Quassowski § 5 4 A n m . 7). Haben die Aktionäre jedoch gegen den Garanten einen solchen unmittelbaren Anspruch nicht, dann genügt zur A u f h e b u n g der Rentengarantie eine dahingehende Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Garanten. In einem solchen Fall ist daher die Rechtsposition der Aktionäre gefährdet, falls der Garant die Gesellschaft beherrscht; die Sicherung der Minderheitsaktionäre durch die Vorschriften der §§ 117, 243 ist verhältnismäßig gering. I m konzernrechtlichen Bereich erfolgt der Schutz der außenstehenden Aktionäre durch das Erfordernis eines nur von ihnen z u fassenden Sonderbeschlusses (§ 295—297, jeweils Abs. 2).

418

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 57

Anm. 25—27 Anm. 25 3. Die Rentabilitätsgarantie Durch diese Garantie wird der A G die Rentabilität ihres Unternehmens in der Weise garantiert, daß die Gewähr für einen verteilbaren Reingewinn in einer bestimmten Höhe übernommen wird. Das Risiko dieser Garantie ist im Unterschied zur Rentengarantie unübersehbar, weil durch sie nicht nur ein etwaiger Betriebsverlust gedeckt wird (KG O L G 6, 28; 28, 358), sondern weil außerdem die gesetzlich und die satzungsmäßig vorgeschriebenen Rücklagen usw. vorgenommen werden müssen, da erst dann der garantierte Reingewinn ausgewiesen werden kann (vgl. § 58 Abs. 4). Wegen dieses weitgehenden Risikos kann eine solche Garantie im allgemeinen nur übernommen werden, wenn der Garant die Möglichkeit hat, einen bestimmenden Einfluß auf die Geschäftsführung der A G auszuüben, wenn er also das Risiko einigermaßen zu beherrschen vermag (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 215 Anm. 8). Im Rahmen eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrages ist diese Voraussetzung gegeben. Hier trägt der Vertragspartner sowieso auf Grund des § 302 den Verlust und muß aus dem Gewinn gemäß § 300 auch die gesetzliche Rücklage dotieren. Trotzdem verlangt § 304 eine Renten- und nicht eine Rentabilitätsgarantie. Denn bei der Rentabilitätsgarantie erwerben die Aktionäre keine eigenen Ansprüche; ihre Rechtsstellung ist eine verhältnismäßig schwache. Sie haben nicht einmal einen Anspruch darauf, daß der garantierte Reingewinn zur Ausschüttung gelangt. Soweit nämlich die Hauptversammlung das Recht hat, von der Ausschüttung des ausgewiesenen Reingewinns abzusehen (§ 58 Anm. 10ff., 22 ff.), kann sie dies auch bei der Rentabilitätsgarantie tun. Des weiteren sind sie —• abgesehen von den §§ 117, 243 — auch nicht davor geschützt, daß die Rentabilitätsgarantie durch Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Garanten wieder aufgehoben wird.

Anm. 26 4. Einfluß späterer Änderungen Wieweit der Eintritt von Veränderungen die Garantie berührt, ist eine Frage der Auslegung des Garantievertrags, wofür sich bestimmte Regeln nicht aufstellen, sondern höchstens Fingerzeige geben lassen. Mit einiger Sicherheit läßt sich sagen, daß eine Rentabilitätsgarantie durch freiwillig vorgenommene nachträgliche Satzungsänderungen, die durch Steigerung von Rücklagen u. dgl. den Reingewinn schmälern, die Verpflichtung des Garanten nicht erweitern kann. Ob eine Rentengarantie nur den derzeitigen Aktionären oder im Fall der Kapitalerhöhung auch den neu hinzugekommenen zugute kommen soll, wird bei Unklarheit des Vertrags davon abhängen, ob der Garant Anlaß hatte, die weitergehende Garantie zu übernehmen. Umgekehrt hat das R G bei einer durch Aktienzusammenlegung vorgenommenen Herabsetzung des Grundkapitals die auf die Umstände der Garantieübernahme gestützte Vertragsauslegung gebilligt, daß die Rente so weiter zu gewähren war, als ob keine Zusammenlegung stattgefunden hätte (RG 147, 49). Wird die Gesellschaft durch Zeitablauf aufgelöst, so erlischt die Garantie. Dasselbe ist anzunehmen, wenn sie durch Beschluß aufgelöst wird, es sei denn, daß der Garant selbst die Auflösung wider Treu und Glauben herbeigeführt hat (§162 BGB). Die Auflösung durch Eröffnung des Konkurses oder durch einen Beschluß, der die Eröffnung mangels Masse ablehnt, hat aber ein Erlöschen der Rentengarantie nicht unter allen Umständen zur Folge ; ist die Garantie für eine bestimmte Zeitdauer übernommen, so kann die Auslegung gerechtfertigt sein, daß die Rente für diese Zeit trotz jener Auflösungsgründe weiterzuzahlen ist (RG 147» 57)-

IV. Die Zusage von Bauzinsen Anm. 27 1. Allgemeines Von der Vorschrift, daß den Aktionären feste Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden dürfen, macht das AktG im Anschluß an das bisherige Recht (Anm. 1 )

419

§57

Anm. 28—31

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

eine einzige Ausnahme, indem es die Gewährung sogenannter „Bauzinsen" gestattet. Die Ausnahme hat sich als notwendig erwiesen, weil manche Unternehmungen, namentlich solche von Eisenbahnen, für die Vorbereitung längerer Zeit bedürfen und die Beteiligung von Aktionären nur gering sein würde, wenn sie für diese ganze Zeit keinerlei Vergütung für ihre Einlage erhielten (Begründung zum Gesetz von 1884 S. 117).

Anm. 28 2. Der Anspruch auf Bauzinsen Bauzinsen sind nicht wirkliche Zinsen, denn es fehlt an einer Kapitalschuld. Sie haben mit Zinsen nur gemeinsam, daß sie nach einem festen Hundertsatz berechnet werden. Rechtlich sind sie eine gesetzlich gestattete Rückgewähr von Teilen der Einlage. Der Anspruch beruht auf der Mitgliedschaft; er ist wie der Anspruch auf den festgesetzten Gewinnanteil (§58 Anm. 32) ein reines Gläubigerrecht und nicht, wie die 1. Aufl. Anm. 10 annahm, ein Sonderrecht. Es ist daher abtretbar, pfändbar und verpfändbar. Auch durch den Konkurs der A G erlischt der einmal entstandene Anspruch (für die zurückliegende Zeit) nicht, er begründet eine einfache Konkursforderung. Ferner kann er nicht ohne Zustimmung des berechtigten Aktionärs durch einen Beschluß der Hauptversammlung in seinem Bestand beeinträchtigt werden. Alles das liegt wie beim Anspruch auf den festgesetzten Gewinnanteil (vgl. dazu § 58 Anm. 32). Bei den Bauzinsen ist immer nur eine Verzinsung der Einlagen, nicht auch eine Verzinsung der Nennbeträge der übernommenen Aktien möglich.

Anm. 29 3. Voraussetzungen Die Zulassung von Bauzinsen ist eng begrenzt. Die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen müssen unbedingt eingehalten werden. Auch läßt sich die Rechtsstellung des berechtigten Aktionärs nicht nachträglich verbessern, weil das die Gläubiger der A G gefährden würde. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind folgende:

Anm. 30 a) Festsetzung In der ursprünglichen Satzung Die Zusage muß in der ursprünglichen Satzung enthalten sein, denn Bauzinsen sind nur für den Anfang zulässig. Durch eine Satzungsänderung läßt sich das Recht nicht wirksam begründen, auch nicht in einem Beschluß über Kapitalerhöhung ( B a y O b L G Z H R 40, 475; K G J 20 A 42). Das R G (77, 255) hatte allerdings auch bei einer Erweiterung des Unternehmens in Verbindung mit einer Kapitalerhöhung die Zusage von Bauzinsen zugelassen, was im Schrifttum überwiegend abgelehnt wurde (vgl. Vorauf!. § 54 Anm. 17). Diese Streitfrage ist nunmehr durch die Neufassung des Abs. 3 geklärt. Satz 1 verlangt ausdrücklich die Festsetzung der Bauzinsen in der ursprünglichen Satzung. Bauzinsen müssen in der Satzung in bestimmter Höhe festgesetzt werden. Es ist nicht gestattet, eine Höchstgrenze festzusetzen und das Nähere den Gesellschaftsorganen zu überlassen. Eine solche Satzungsbestimmung wäre nach ihrem ganzen Inhalt nichtig.

Anm. 31 b) Festsetzung der Zeltdauer Es muß kalendermäßig ein Zeitpunkt bestimmt sein, mit dem die Entrichtung der Bauzinsen spätestens aufhört. Es genügt nicht, daß die „Bauzeit" als Frist genannt ist, auch nicht, daß die staatliche Konzessionsurkunde eine Frist für die Fertigstellung enthält ( R O H G 22, 22). Mit dem bestimmten Tage hört die Zahlung auf, auch wenn die Vorbereitung des Unternehmens noch nicht beendet ist. Fehlt die Angabe des Tages, so ist die Satzungsbestimmung gleichfalls im vollen Umfang nichtig.

420

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 5 7 A n m . 3 2 , 3 3 §58 A n m . 32 4. Zeitliche B e g r e n z u n g f ü r d e n A n s p r u c h Der Zeitraum, den die Vorbereitung des Unternehmens erfordert, setzt die andere Grenze. Ist die Vorbereitung vor dem bestimmten Zeitpunkt (Anm. 31) beendet, so hört die Zahlung ebenfalls auf. Satzungsbestimmungen, welche die Zahlung darüber hinaus erstrecken — etwa bis zum Ablauf des Jahres oder Halbjahres, in dem die Vorbereitung beendet sein werde —, sind insoweit nichtig. Wird die Vorbereitung des Unternehmens endgültig oder f ü r längere Zeit eingestellt, so d a ß sich von einem Zeitraum, den „die Vorbereitung erfordert", nicht mehr sprechen läßt, so ist die Zahlung gleichfalls einzustellen. O b die Vorbereitung beendet ist, ist eine Frage, die objektiv festzustellen, nötigenfalls gerichtlich zu entscheiden ist, und die nicht der Hauptversammlung überlassen werden kann. A n m . 33 5. B i l a n z m ä ß i g e B e h a n d l u n g Bilanzmäßig rechnete schon nach d e m H G B die herrsch. M . die Bauzinsen zu den Herstellungskosten, die der Bewertung der Anlagen zugrunde gelegt werden konnten (§ 261 Nr. 1 H G B ; K G J 20 A 4^). Das ist auch heute noch anzunehmen (so Schlegelberger-Quassowski § 5 4 Anm. 8; Ritter § 5 4 Anm. 3f.; Godin-Wilhelmi Anm. 10; Baumbach-Hueck R n . 17) Bauzinsen gehören zu den Anschaffungs- oder Herstellkosten im Sinne des § 153 Abs. 1. Der Grund dafür liegt allerdings nicht darin, d a ß sie, wie die Vorauflage § 54 Anm. 20 annahm, die Hereinnahme von Leihkapital ersparen; denn das ist gerade nicht die Funktion des Eigenkapitals. Entscheidend ist, d a ß aus § 57 Abs. 3 der Wille des Gesetzgebers entnommen werden muß, sie zu aktivieren. Denn andernfalls müßten sie zu Lasten des Ergebnisses genommen werden u n d würden damit auf dem Wege über den Verlustvortrag die Dividendenzahlungen auch für einen Zeitr a u m ausschließen, in dem keine Bauzinsen mehr gezahlt werden. Voraussetzung ist allerdings, d a ß die Bauzinsen im R a h m e n der Zinsen für Fremdkapital liegen und d a ß die Ertragsaussichten des Unternehmens die spätere Amortisation der Bauzinsen im R a h m e n der Abschreibungen gesichert erscheinen lassen (so auch Adler-DüringSchmaltz 4. Aufl. § 153 R n . 46). Wegen der steuerrechtlichen Beurteilung u n d Behandlung von Bauzinsen vgl. BFH in DB 70, 1204. Soweit sie f ü r abgelaufene Geschäftsjahre unbezahlt geblieben sind, ist ein Gegenposten unter die Passiven zu stellen (Schlegelberger-Quassowski § 54 Anm. 8).

§

5 8

Verwendung des Jahresüberschusses

(1) Die S a t z u n g k a n n n u r f ü r d e n Fall, d a ß die H a u p t v e r s a m m l u n g d e n Jahresabschluß feststellt, b e s t i m m e n , daß Beträge aus d e m Jahresüberschuß i n freie R ü c k l a g e n e i n z u s t e l l e n s i n d . A u f G r u n d einer s o l c h e n S a t z u n g s b e s t i m m u n g k a n n h ö c h s t e n s die H ä l f t e d e s J a h r e s ü b e r s c h u s s e s i n freie R ü c k l a g e n e i n g e s t e l l t w e r d e n . Dabei s i n d B e t r ä g e , die i n die g e s e t z l i c h e R ü c k l a g e einzustellen sind, und ein Verlustvortrag vorab v o m Jahresüberschuß abzuziehen.

421

§ 58

Erstes B u c h : A k t i e n g e s e l l s c h a f t

(2) Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß fest, so können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in freie Rücklagen einstellen. Die Satzung kann Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren Teils als der Hälfte des Jahresüberschusses ermächtigen. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung dürfen Vorstand und Aufsichtsrat keine Beträge in freie Rücklagen einstellen, wenn die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nach der Einstellung die Hälfte übersteigen würden. Absatz 1 Satz 3 gilt sinngemäß. (3) Die Hauptversammlung kann im Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns weitere Beträge in offene Rücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen. Sie kann ferner, wenn die Satzung sie hierzu ermächtigt, auch eine andere Verwendung als nach Satz 1 oder als die Verteilung unter die Aktionäre beschließen. (4) Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß nach A b satz 3 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist. (5) Vor Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden. Übersicht Anm. Einleitung

I

I. Grundsätzliches zur Rücklagenbildung und Gewinnbeteiligung des Aktionärs 1. Notwendigkeit der Rücklagenbildung

4. Recht auf Gewinnbeteiligung

1. Allgemeines

20

2. Satzungsregelungen

21

3. Bildung von Rücklagen

22

4. Gewinnvortrag

23

I V . Anspruch des Aktionärs auf den Bilanzgewinn (Abs. 4 u. 5)

I I . Rücklagenbildung als Teil der Feststellung des Jahresabschlusses (Abs. 1 u. 2) 1. Allgemeines

1. Allgemeines 2. Voraussetzungen des Anspruchs a) Feststellung des Jahresabschlusses b) Beschluß über die Gewinnverwendung

2. Begriff der freien Rücklagen 3. Zahlenmäßige Beschränkung des Rücklagebetrages

422

19

5. Anderweite Gewinnverwendung 24. 25 26 6. Folge von Verstößen gegen Abs. 3

5. Beteiligung dritter Personen am Gewinn

5. Rücklagenbildung durch die V e r waltung (Abs. 2) a) Gesetzliche Ermächtigung (S. 1) b) Satzungsmäßige Erweiterung der Ermächtigung (S. 2) aa) Zahlenmäßige Bestimmung

17 18

I I I . Verwendung des Bilanzgewinns (Abs. 3)

2. Aktionärsinteresse an Ausschüttung 3. Kompromißregelung zwischen den beiden Anliegen

4. Rücklagenbildung durch Beschluß der Hauptversammlung (Abs. 1) a) Satzungsmäßige Verpflichtung b) Betragsangabe c) Zwingende Höchstgrenze

Anm. bb) Erstreckung auf den ganzen Jahresüberschuß c) Höchstgrenze (S. 3) 6. Folgen eines Verstoßes

3. Die Rechtsnatur des Anspruchs 4. Der Inhalt des Anspruchs 12 13

14 15 16

5. Die Verjährung des Anspruchs V . Der Gewinn- und Erneuerungsschein 1. Der Gewinnschein a) Die Rechtsnatur des Gewinnscheins b) Die Veräußerung des Gewinnscheins c) Bei Übertragung der Aktie 2. Der Erneuerungsschein

27 28 29 30, 31 32 33 34 35 36 37 38 39

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 58 Anm. 1,2

Anm. 1 Einleitung § 58 Abs. i und 2 sowie Abs. 3 S. 2 sind neu. Abs. 3 S. 1 ändert die Vorschrift des § 126 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 AktG 37. Abs. 3 S. 2 ist neu, Abs. 4 übernimmt mit Änderungen die Vorschrift des § 52 S. 1 Hs. 2 und Abs. 5 enthält im Kern die Bestimmungen des § 54 Abs. 1 Hs. 1 AktG 37. Während unter der Überschrift „Gewinnverwendung" durch den allein den § 174 umfassenden Unterabschnitt das Verfahren für die Verwendung des Bilanzgewinns geregelt ist, nämlich ein Hauptversammlungsbeschluß mit genau umschriebenem Inhalt erfordert und seine Bindung an den festgestellten Jahresabschluß festgelegt wird, ist in § 58 unter der Uberschrift „Verwendung des Jahresüberschusses" die Regelung darüber zusammengefaßt, wozu der Jahresüberschuß verwendet werden kann und wer die jeweilige Verwendung zu bestimmen hat. Damit grenzt diese Bestimmung auch den Gewinnanspruch des Aktionärs, genauer gesagt das Gewinnausschüttungsrecht des Aktionärs gegen die anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten des Jahresüberschusses, insbesondere die Rücklagenbildung ab. Das schafft dann auch die Grundlage für das Anfechtungsrecht aus § 254. Eine Ubergangsbestimmung enthält § 15 E G .

I. Grundsätzliches zur Rücklagenbildung und Gewinnausschüttung Anm. 2 1 . Die Notwendigkeit der Rücklagenbildung besteht für jedes Unternehmen. Es bleibt auf die Dauer von Rückschlägen nicht verschont. Um sie aufzufangen, sind Rücklagen erforderlich. Zum anderen wächst ein gesundes Unternehmen; das Wachstum aber muß finanziert werden. Auch wenn dazu Fremdmittel zur Verfügung stehen, ist doch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital erforderlich, das zwar von Branche zu Branche verschieden ist, das aber mit dem Größerwerden des Unternehmens stets ein Anwachsen des Eigenkapitals erfordert. Nicht in jedem Falle und zu jeder Zeit kann neues Eigenkapital durch Kapitalerhöhung beschafft werden. Außerdem macht die Ausgabe neuer Aktien die Erhöhung der Dividendenausschüttungsbeträge erforderlich. Damit rechtfertigt sich das Bestreben jeder Unternehmensleitung, die Unternehmensgewinne zu einem mehr oder minder großen Teil zur Verstärkung der Eigenkapitalbasis des Unternehmens zu verwenden. Das geschieht durch Bildung von Rücklagen. Sie können einmal offen und zum anderen still gebildet werden. Die offenen Rücklagen sind entweder gesetzlich vorgeschriebene Rücklagen (vgl. § 150) oder freie Rücklagen, d. h. solche, für deren Bildung eine gesetzliche Verpflichtung nicht besteht (vgl. auch Anm. 8). Eine satzungsmäßige Verpflichtung zur Rücklagenbildung (vgl. Abs. 1 S. 1) ändert ihren Charakter als freie Rücklagen nicht; auch wenn ihnen ein bestimmter Verwendungszweck beigelegt wird, z. B. ab „Aufbaurücklage" zum Aufbau eines neuen Werkes oder einer neuen Produktions-Abteilung, als „ E r neuerungsrücklage" für die Deckung des durch Abschreibungen nicht gedeckten Bedarfs des Unternehmens auf Erneuerung seiner Produktionsanlagen oder als „Rücklage für Kapitalberichtigung", womit die Verwendung der Rücklage für eine Kapitalerhöhung aus Eigenmitteln (§§ 207 fr.) zum Ausdruck gebracht wird, sind sie im Sinne des Gesetzes freie Rücklagen, eben deshalb, weil zu ihrer Bildung und zu ihrer Verwendung kein gesetzlicher Zwang besteht (Anm. 8 und § 150 Anm. 2). Neben den offenen Reserven stehen die stillen Rücklagen (vgl. hierzu § 150 Anm. 2 und 3 sowie Vorbem. zu §§ 153 bis 156 Anm. 8ff.). Sie entstehen entweder automatisch dadurch, daß die einzelnen Vermögensgegenstände über den bilanzmäßig zulässigen Buchansatz wertmäßig steigen — z. B. das im Jahre 1950 zu 100 gekaufte Fabrikgelände ist in Folge Wertanstiegs des Geländes oder allgemeiner Inflationierung auf 1000 gestiegen, muß aber gemäß § 153 Abs. 1 unverändert mit dem Anschaffungswert von 100 in der Bilanz eingesetzt bleiben — oder werden mehr oder minder bewußt gelegt, z. B. als Ermessensreserve, wenn bei Bilanzerstellung an der unteren Grenze der Bewertungsbandbreite geblieben wird, oder als Willkür-Reserve, wenn der Buchansatz bewußt den zulässigen Ansatz bei Aktivwerten unter- und bei Passivposten überschreitet. 423

§ 58 A n m . 3, 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Die Bildung offener u n d stiller Rücklagen mit Ausnahme der sich auf G r u n d des aktienrechtlichen Bewertungssystems von selbst ergebenden stillen Reserve erfolgt zu Lasten des Jahresüberschusses und/oder des Bilanzgewinns. W ä h r e n d aber die offenen Rücklagen sowohl bei ihrer Bildung wie bei ihrer Auflösung aus der Bilanz ersichtlich sind, läßt sich die Bildung u n d Auflösung stiller Reserven nicht oder n u r sehr schwer aus d e m Jahresabschluß entnehmen, was bei ihrer Auflösung der Verwaltung die Möglichkeit gibt, eingetretene Verluste in der Gewinn- u n d Verlustrechnung zu verheimlichen. Trotzdem hat das A k t G 37 die Bildung stiller Rücklagen wie auch ihre stille Auflösung grundsätzlich zugelassen (Vorauf!. § 129 Anm. 13). Auch offene Rücklagen konnten von der Verwaltung, wenn sie den Jahresabschluß feststellte (§ 125 Abs. 3 AktG 37), u n d auch von der andernfalls zur Feststellung des Jahresabschlusses berufenen H a u p t v e r sammlung i m R a h m e n der Bilanzfeststellung beliebig gebildet werden, wenn nicht ein Aushungerungstatbestand vorlag, also die Absicht, die Aktionäre von j e d e m ausschüttbaren Gewinn auszuschließen u n d sie damit zur Abgabe ihrer Aktien geneigt zu machen (vgl. Schilling Vorauf!. § 202 A n m . 6). Die Regelung des AktG 37 wahrte damit die Interessen des Unternehmens a n der offenen u n d verdeckten Eigenkapitalbildung höchst einseitig. Anm. 3 2. Das Interesse der Aktionäre a n der Gewinnausschüttung k a m im AktG 37 viel zu kurz. Zwar verliert der Aktionär im G r u n d e kein Vermögen, w e n n der erzielte Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern im U n t e r n e h m e n zurückgehalten wird. Der zurückbehaltene Gewinn vergrößert das Eigenvermögen der A G u n d d a m i t entsprechend auch den Wert der Aktien, nicht immer aber auch ihre Einschätzung an der Börse. D e m auf eine Dividendenausschüttung nicht angewiesenen Aktionär, der ü b e r hinreichendes anderes Einkommen verfügt u n d Dividenden sowieso mit den höchsten Einkommensteuer-Sätzen versteuern m u ß , m a g das recht sein. Der Durchschnittsaktionär aber legt Wert auf die Dividende, weil er auf sie angewiesen ist. Dementsprechend honoriert auch die Börse höhere Ausschüttungen meist d u r c h bessere Kurse. Das A k t G 37 gab aber d e m einzelnen Aktionär keine Möglichkeit, sein Ausschüttungsinteresse gegenüber der Rücklagenpolitik einer an starker Eigenkapitalbildung interessierten Verwaltung durchzusetzen. Das Ausschüttungsinteresse des Aktionärs war kein Nichtigkeitsgrund gemäß § 202 gegenüber d e m vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats festgestellten Jahresabschluß, u n d die Rücklagenpolitik der Aktienmehrheit bewegte sich innerhalb der gesetzlichen u n d satzungsmäßigen Möglichkeiten u n d gab d a m i t auch keinen Anfechtungsgrund. Trotz dieser gesetzlichen Situation h a t es unter der Geltung des AktG 37 keine ernsten Mißbrauchsfalle gegeben. Die Verwaltungen jedenfalls der größeren Publikumsgesellschaften hatten das Interesse, d u r c h eine angemessene Dividendenpolitik ihre Aktien attraktiv zu machen, u m bei entsprechendem Bedarf Kapitalerhöhungen leichter im Aktionärskreis unterzubringen. Trotz der im großen u n d ganzen vernünftigen H a n d h a b u n g der Rücklagenbildung einerseits u n d der Beachtung der Ausschüttungsbedürfnisse der Aktionäre andererseits in der Praxis machten die Reformbestrebungen unter dem Schlagwort vom „ E i g e n t u m des Aktionärs" die Unausgeglichenheit der gesetzlichen Regelung zu einem ihrer Hauptangriffspunkte (vgl. Fischer A c P 154, 230ff.; Schäffer BB 58, 1253 u n d DieAG 59, 57; Klose DieAG 59, 85fr.; andererseits HengelerKreifels in „Beiträge zur Aktienrechtsreform" S. 13 ff.; Kronstein-Claussen „Publizität u n d Gewinnverwendung" i960). Sie hatten damit auch Erfolg, wobei allerdings die endgültig gefundene Kompromißlösung erst Ergebnis der Ausschußberatungen w a r (vgl. Erl. zu § 58 bei Kropff, Aktiengesetz). Anm. 4 3. Die f ü r den Konflikt zwischen Rücklagenbildung u n d Ausschüttung im A k t G 65 gefundene Kompromißlösung, die eine der wesentlichen Neuerungen des A k t G 65 darstellt, ist in einer Kombination verschiedener Bestimmungen enthalten, zu denen auch § 58 gehört. 424

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 58 Anm. 5

a ) Die bewußte Legung stiller Reserven wird grundsätzlich für unzulässig erklärt; deshalb verlangen §§ 153, 155 die Bewertung des Anlage- u n d Umlaufvermögens zu den Anschaffungs- oder Herstellkosten und nicht mehr, wie § 133 AktG 37, „höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellkosten" und beschränken §§ 154, 155 Abs. 2 u n d 3 die außerplanmäßigen Abschreibungen und Wertberichtigungen auf die Anpassung an den niederen Wiederbeschaffungswert oder an den steuerlichen Wert sowie bei Umlaufvermögen auf die Berücksichtigung der in nächster Zukunft eintretenden Wertschwankungen. Zwar bestehen immer noch, wenn auch in sehr beschränktem Maße, Möglichkeiten f ü r die Bildung stiller Reserven (vgl. dazu Zusammenstellung in der Vorbem. zu § 153 bis 156 Anm. 19ff.). I m Grundsatz ist aber der erzielte Gewinn auszuweisen u n d kann nicht still durch Rücklagenbildung gemindert werden, so d a ß eine heimliche Eigenkapitalbildung unzulässig ist. b ) Vorstand u n d Aufsichtsrat dürfen, wenn sie den Jahresabschluß feststellen — das geschieht in der Praxis fast stets — höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses (§ 158 Ziff. 28) in freie Rücklagen einstellen (Abs. 2). Die Satzung kann allerdings die Verwaltung ermächtigen, einen größeren Prozentsatz als 5 0 % in freie Rücklagen einzustellen; von einer derartigen Ermächtigung kann aber nur so lange Gebrauch gemacht werden, als die freien Rücklagen nicht größer sind oder werden als 5 0 % des Grundkapitals (Abs. 2). Für den Fall, d a ß die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, kann die Satzung bindend vorschreiben, d a ß bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einzustellen ist (Abs. 1). c ) Uber die in b) genannten Grenzen hinaus kann eine Bindung der Hauptversammlung in der Verwendung des Jahresüberschusses nicht geschaffen werden. Das besagt allerdings nicht, d a ß die Hauptversammlung die von b) nicht erfaßten Beträge ausschütten müsse. Sie kann es im R a h m e n des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinnes (Abs. 3), ist dazu aber nicht gezwungen. Das ist eine Auswirkung des demokratischen Mehrheitsprinzips, dem sich der einzelne Aktionär beugen muß. Jedoch baut § 254 eine Grenze auf: grundsätzlich müssen mindestens 4 % des Grundkapitals ausgeschüttet werden, andernfalls der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns für jeden Aktionär anfechtbar wird. Das Entscheidende dieses Kompromisses ist die Beschränkung der Verwaltung in der Bildung von Rücklagen, indem die Bildung stiller Rücklagen grundsätzlich verboten ist und, sofern die Verwaltung den Jahresabschluß feststellt, die Bildung offener Rücklagen nur bis zur Hälfte des Jahresüberschusses gestattet ist, zu einem von der Satzung etwa zugelassenen höheren Prozentsatz nur so lange, als die freien Rücklagen insgesamt die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen.

Anm. 5 4. Mit dieser Regelung hat das Recht des Aktionärs an dem erzielten Gewinn der Gesellschaft nicht nur schärfere Konturen, sondern auch stärkeres Gewicht erhalten (etwas skeptisch hierzu allerdings Baumbach-Hueck R n . 18). An seiner Rechtsnatur im allgemeinen aber hat sich nichts geändert. Es bleibt ein allgemeines Mitgliedschaftsrecht u n d ist kein Sonderrecht. Infolgedessen kann es von vornherein in der Satzung für alle Aktien oder f ü r eine besondere Gruppe von Aktien ausgeschlossen oder beschränkt werden. Daraus folgt aber noch nicht, wie die bisher herrschende Meinung annahm, d a ß es — allerdings nur im R a h m e n des Grundsatzes der Gleichbehandlung —- durch satzungsändernden Beschluß nachträglich beseitigt oder geschmälert werden könnte (so Vorauf!. § 52 Anm. 16; Baumbach-Hueck § 52 Anm. 4 C; Godin-Wilhelmi 2. Aufl. § 5 2 Anm. 6; Ritter §52 Anm. 4 b ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 3 Anm. 15; a. M . Brodmann § 213 Anm. 7 a ; Rud. Fischer in Ehrenb. H d b . I I I 1 S. 344; Gierke Handelsrecht § 94 I I I 1 b ß). Die Beseitigung des Gewinnbeteiligungsrechts der Aktionäre ändert den Zweck der Gesellschaft als einer auf mittelbare Gewinnerzielung f ü r die Aktionäre gerichteten Organisation und erfordert deshalb Einstimmigkeit (§ 23 Anm. 11). Die teilweise Beseitigung des Gewinnbeteiligungsrechts durch Satzungsänderung (z. B. durch eine Bestimmung, jeweils die Hälfte des Bilanzgewinns mildtätigen oder wissenschaftlichen Zwecken zuzuführen), ist ein nachträglicher Eingriff in das We28

Aktiengesetz I, 3. Aufl.

425

§ 58 Anm. 6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

sen der AG, die dann nicht mehr voll im Interesse ihrer Aktionäre tätig wird. Ein Satzungsänderungsbeschluß dagegen, der lediglich die Höhe der Ausschüttung beschränkt, den nicht ausschüttbaren Teil des Jahresüberschusses aber im Vermögen der Gesellschaft und damit den Aktionären durch Werterhöhung ihrer Aktien beläßt, verändert das Wesen der AG nicht, ist aber an die Höchstgrenzen des § 58 gebunden. Das allgemeine Mitgliedschaftsrecht auf Gewinnbeteiligung bedeutet nicht auch einen über § 254 hinausgehenden Anspruch auf Beteiligung an dem Reingewinn des einzelnen Jahres. Ein derartiger Anspruch wird durch Abs. 3 S. 1 verneint, der der Hauptversammlung die Möglichkeit gibt, im Beschluß über die Verwendung des Reingewinns weitere Beträge in die offene Rücklage einzustellen oder als Gewinn vorzutragen. Damit ist das Urteil des BGH in BGHZ 23, 150, wonach der Aktionär einen unabdingbaren Anspruch auf Gewinnausschüttung habe, wenn die Satzung die Hauptversammlung nicht ermächtige, den festgestellten Gewinn von der Ausschüttung auszuschließen und in Rücklage oder Gewinnvortrag einzustellen, überholt; die in dieser Entscheidung vom BGH für erforderlich erachtete Ermächtigung der Hauptversammlung zum Ausschluß des Bilanzgewinns von der Verteilung ist nun in § 58 Abs. 3 S. 1 enthalten. Das bedeutet dann gleichzeitig, daß außerhalb des § 254 ein Gewinnanspruch des einzelnen Aktionärs immer nur im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung besteht. Insoweit ist die Rechtslage gegenüber dem AktG 37 (vgl. dazu Vorauf!. §52 Anm. 20ff.) nicht geändert, allerdings vorbehaltlich der Anfechtungsmöglichkeit aus § 254. Anm. 6 5. Die Beteiligung dritter Personen an dem Gewinn der Gesellschaft bedeutet im Rechtssinn keine Einschränkung des allgemeinen Mitgliedschaftsrechts auf Gewinnbeteiligung, auch wenn Vorstandsmitglieder gewinnbeteiligt sind (vgl. § 86). Sie bedarf daher zu ihrer Wirksamkeit auch nicht eines satzungsändernden Beschlusses (RG 83, 377; J W 1930, 3735; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §213 Anm. 17; Ritter §52 Anm. 4 d; Schlegelberger-Quassowski § 52 Anm. 12; a. M. Brodmann § 213 Anm. 6 b; Wieland HR II S. 219 Anm. 22; Bondi DJZ 1914, 912; Roth ZBIHR 1930, 70; Rauch, Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 1947 S. 136 Fußnote 2, S. 141; Hefermehl Betr. 1954, 1037 fr., ioöif.). Der Vorstand ist kraft seiner Vertetungsmacht befugt, dritten Personen durch schuldrechtlichen Vertrag eine solche Gewinnbeteiligung einzuräumen. Die Gegenmeinung ist schon deshalb nicht richtig, weil der Abschluß solcher Verträge nicht einen Eingriff in die körperschaftsrechtliche Verfassung der AG darstellt, die einer Satzungsänderung bedürfen würde, sondern weil er in den Rahmen einer normalen Geschäftsführung gehört. Die Berechnung des Entgelts — ob nämlich in Form eines Fixums oder einer partiarischen Beteiligung — kann den Charakter derartiger Verträge nicht berühren und muß daher auch für die Vertretungsmacht des Vorstands ohne Einfluß sein. Das ist bei einer Tantiemebeteiligung höherer Angestellter (Prokuristen) oder bei einer Patent-Gebrauchsüberlassung gegen Gewinneinräumung ganz offensichtlich, gilt aber in gleicher Weise auch für die Aufnahme partiarischer Darlehn oder für die Beteiligung stiller Gesellschafter. Eine solche Tantieme gehört zu den Geschäftsunkosten und mindert daher wie jedes andere Passivum den zu verteilenden Reingewinn; durch eine solche Tantieme wird zwar der Gewinn der Gesellschaft geschmälert, aber nicht durch einen Eingriff in die statutarische Gewinnverteilungsregelung, sondern durch eine Erhöhung der Geschäftsunkosten (BGH LM Nr. 2 zu § 53 GmbHG), die aber auch eintreten würde, wenn die Tantieme nicht nach dem Gewinn der Gesellschaft, sondern nach anderen Kriterien bemessen würde. Die Unternehmensverträge unterliegen heute gemäß §§ 291 ff. besonderen Rechtsbestimmungen und können deshalb in diesem Zusammenhang nicht eingeordnet werden. § 292 Abs. 2 stellt aber ausdrücklich klar, daß die besonderen Vorschriften keine Anwendung finden auf die Gewinnbeteiligung von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern oder Arbeitnehmern, sowie auf die Gewinnbeteiligung im Rahmen von Verträgen des laufenden Geschäftsverkehrs oder Lizenzverträgen. 426

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 58 A n m . 7, 8 II. Rücklagenbildung als Teil der Feststellung des Jahresabschlusses (Abs. 1 und 2) Anm. 7 1. Allgemeines: Gemäß § 172 wird der Jahresabschluß durch den Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates festgestellt; jedoch können Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen. Dann wird gemäß § 173 Abs. 1 die Hauptversammlung zur Feststellung zuständig; das gleiche gilt, wenn der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß nicht billigt. Schließlich ist gemäß § 286 Abs. 1 bei der KGaA die Hauptversammlung ausschließlich zur Feststellung des Jahresabschlusses berufen. Unter Feststellung ist der Rechtsakt zu verstehen, der den Jahresabschluß, der vorher nur als Vorschlag des Vorstandes existiert, für die Gesellschaft verbindlich und grundsätzlich unabänderbar macht. Soweit die Bildung von offenen Rücklagen Bestandteil der Feststellung des Jahresabschlusses ist — sie gehören dann in Ziff. 3 1 b des in § 157 vorgeschriebenen Gliederungsschemas für die Gewinn- und Verlustrechnung und unter I I 2 der Passivseite gemäß der in § 151 vorgeschriebenen Bilanzgliederung —, entscheiden die den Jahresabschluß feststellenden Organe über die Rücklagenbildung. Es liegt im Rahmen der Tendenzen des AktG 65 (Anm. 4), daß den Feststellungsorganen hier abweichend von der Regelung des AktG 37 keine freie Hand gelassen wurde, sondern im Interesse der Gewinnausschüttung an die Aktionäre Schranken gezogen wurden. Es ist auch verständlich und sinnvoll, daß diese Schranken verschieden gezogen werden, je nachdem, ob die Verwaltung oder die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt. Denn die Vorstellung des Gesetzgebers geht dahin, daß der Verwaltung die Interessen des Unternehmens näher liegen und sie mithin möglichst hohe Rücklagen bilden will, während der Hauptversammlung als dem unmittelbaren Aktionär-Organ das Interesse der Aktionäre an einer möglichst großen Ausschüttung näher am Herzen liegt. Daraus ergibt sich eine Differenzierung bei der Rücklagenbildung als Teil der Feststellung des Jahresabschlusses danach, ob die Hauptversammlung — das ist der Fall des Abs. 1 — oder die Verwaltung — das wird in Abs. 2 geregelt — Feststellungsorgan ist. Eine andere Frage ist es allerdings, ob von dieser grundsätzlichen Warte her gesehen die Schranken für die Rücklagenbildung in den beiden Fällen zutreffend gezogen sind. Denn im Falle der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung erfordert die Rücklagenbildung immer eine durch Satzungsbestimmung begründete Pflicht, während die Verwaltung auch ohne Satzungsbestimmung die Ermächtigung zur Rücklagenbildung hat. Aus der vom Gesetzgeber gesehenen Interessenlage heraus wird es allerdings verständlich, daß im Falle der Feststellung durch die Hauptversammlung ein Zwang zur Rücklagenbildung besteht, während bei Feststellung durch die Verwaltung nur eine Ermächtigung zur Rücklagenbildung angeordnet ist. Die grundsätzliche Höchstgrenze für die Rücklagenbildung ist in beiden Fällen die Hälfte des Jahresüberschusses (§ 157 Ziff. 28). Während aber für die Feststellung durch die Hauptversammlung über diese Grenze nicht hinausgegangen werden kann, sieht Abs. 2 vor, daß die Verwaltung durch die Satzung ermächtigt werden kann, zur Rücklagenbildung auch mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses zu verwenden, wobei diese satzungsmäßige zusätzliche Befugnis nicht genutzt werden darf, soweit die offenen Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen. Die Stellung der Verwaltung kann also durch die Satzung stärker gemacht werden als die der Hauptversammlung. Dabei ist jedoch zu beachten, daß gemäß Abs. 3 — allerdings ohne Rücksicht darauf, ob die Verwaltung oder die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt — die Hauptversammlung im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses den Bilanzgewinn (§157 Ziff. 32) nach ihrem Ermessen in offene Rücklagen einstellen kann und dabei nur an die Grenzen des § 254 gebunden ist. Anm. 8 2. Der Begriff der freien Rücklage wird gesetzlich nirgends definiert. Auch im Schrifttum finden sich nur selten Begriffsbestimmungen (vgl. § 150 Anm. 1; AdlerDüring-Schmaltz 4. Aufl. § 151 Rn. 201 ff.). Der Begriff der Rücklage entstammt dem 28»

427

§58

Anm. 9

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Bilanzwesen. Die Rücklage ist ein abstrakter Posten auf der Passivseite u n d zeigt als Gegenposten f ü r die auf der Aktivseite verbuchten Vermögenswerte an, in welcher H ö h e die Aktivseite außer dem Grundkapital durch Eigenvermögen gedeckt ist. Ist ein Vermögensgegenstand auf der Aktivseite der Bilanz unter seinem derzeitigen Verkehrswert eingesetzt, so ist der Unterschied zwischen dem Buch- und dem tatsächlichen Wert ebenfalls eine Rücklage; denn auch insoweit wird j a ein tatsächlich vorhandener Wert durch Eigenkapital gedeckt. D a diese Tatsache aber in der Bilanz nicht offen in Erscheinung tritt, handelt es sich hier u m eine stille Rücklage. Während Bildung u n d Auflösung einer offenen Rücklage in der Gewinn- und Verlustrechnung in der Form der Einstellung aus dem Jahresüberschuß als Minderung des Bilanzgewinns und in der Form der E n t n a h m e als Mehrung des Bilanzgewinns erscheint, ist die stille Rücklage ihrem Wesen nach aus der Gewinn- u n d Verlustrechnung nicht, z u m mindesten nicht unmittelbar zu erkennen. Durch Minderbewertung von Aktiven und ebenso auch durch Höherbewertung von Passiven bildet sie sich u n d löst sich durch Änderung der Bewertung oder Veräußerung auf, beeinflußt damit den Gewinnausweis, ohne aber als besonderer Posten zu erscheinen; auch hier ist sie also „still". Die offenen Rücklagen sind einzuteilen in gesetzliche und freie Rücklagen. Sofern die Rücklagenbildung gesetzlich vorgeschrieben ist — in diesem Falle m u ß logischerweise auch die E n t n a h m e aus der Rücklage gesetzlich geregelt sein — nennt m a n die Rücklage eine gesetzliche. Das AktG 65 schreibt eine derartige Rücklagenbildung in § 1 5 0 vor und regelt die Zuweisung zu ihr auch in einigen anderen Vorschriften, nämlich §§ 23a, 237 Abs. 2, 300. Außerhalb des AktG ist die Bildung einer gesetzlichen Rücklage vorgeschrieben in §§ 35, 47 DM-BilG. Als freie Rücklagen bezeichnet m a n alle Rücklagen, die ohne jeden gesetzlichen Zwang gebildet und aufgelöst oder verwendet werden können. Deshalb ist die in § 218 Abs. 2 LAG vorgesehene und auch heute noch zulässige Rücklage f ü r die Vermögensabgabe keine freie Rücklage. Es steht zwar in der freien Entscheidung des Unternehmens, ob es eine derartige Rücklage bilden will; ist sie aber einmal gebildet, so ist das U n t e r n e h m e n in ihrer Auflösung nicht frei, sondern darf sie nur zur Ablösung der Vermögensabgabe, zur Entrichtung der ^ - j ä h r lich fällig werdenden einzelnen Abgabe-Beträge u n d z u m Ausgleich von Wertminderungen sowie zur Deckung von sonstigen Verlusten verwenden. Da kein Zwang zur Bildung der Rücklage für die Vermögensabgabe besteht, ist sie auch keine echte gesetzliche Rücklage, sie hat vielmehr eine Zwitterstellung und wird in der Bilanzgliederung wohl auch zwischen gesetzlichen Rücklagen u n d freien Rücklagen ausgewiesen ( § 1 5 1 Anm. 98, 100; Adler-Düring-Schmaltz 4. Aufl. § 1 5 1 R n . 204 fr.). U n t e r die Vorschrift des § 58 fällt die Rücklage f ü r Vermögensabgabe, weil sie in ihrer Auflösung nicht frei ist, nicht (so auch N a u m BB 68, 1465; Lüthke W P 69, 189). Ihre Bildung untersteht somit dem freien Ermessen der Verwaltung oder der Hauptversammlung, ohne an die Voraussetzungen und Schranken des Abs. 1 und 2 gebunden zu sein. Das folgt auch daraus, d a ß die Vermögensabgabe bis zur H ö h e ihres Barwertes gemäß § 218 Abs. 1 L A G passiviert werden kann, womit sich automatisch eine entsprechende Schmälerung des Jahresüberschusses ergibt. Bei einer derartigen Passivierung schmälert sich allerdings auch der gemäß Ab. 1 und 2 grundsätzlich bis zur Hälfte f ü r Rücklagen zur Verfügung stehende Jahresüberschuß. Aus dieser Sicht heraus wird man, wie Lüthke a. a. O . will, den Schluß ziehen müssen, d a ß die in Rücklage für Vermögensabgabe eingestellten Beträge in entsprechender Anwendung des § 58 Abs. 1 Satz 3 u n d Abs. 2 Satz 4 vom Jahresüberschuß abzuziehen sind.

Anm. 9 3 . Ausgangspunkt f ü r die Befugnis zur Bildung von Rücklagen im R a h m e n der Feststellung des Jahresabschlusses ist der Jahresüberschuß. Dieser Begriff wird in § 157 Ziff. 28 definiert. Diese Definition ist f ü r das gesamte AktG, also auch für § 58, bindend (Baumbach-Hueck § 157 R n . 35; Adler-Düring-Schmaltz 4. Aufl. § 157 R n . 186). Er stellt d e n Rohertrag (Ziff. 6) zuzüglich sämtlicher sonstigen Erträge (Ziff. 7—-15) u n d abzüglich sämtlicher Aufwendungen (Ziff. 16—27) dar (§ 157 Anm. 74).

428

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 58 A n m . 10 Jede Rücklagenbildung setzt naturgemäß voraus, daß der Jahresüberschuß eine positive Summe ist, weil Rücklagen nur aus Gewinnen, nicht aber aus Verlusten (Jahresfehlbetrag) gebildet werden können. Gemäß Abs. i S. 3 und Abs. 2 S. 4 muß der Jahresüberschuß noch berichtigt werden, und zwar nach unten a ) durch die Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind. Das sind gemäß § 150 Abs. 2 Ziff. 1 jährlich 5 % des Jahresüberschusses, bis die Rücklagen den 10. oder einen in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreichen. Die übrigen, in die gesetzliche Rücklage gemäß § 150 Abs. 2 Ziff. 2—4 einzusetzenden Beträge berühren die Gewinn- und Verlustrechnung nicht (§ 158 Abs. 5) und spielen somit bei der Feststellung des für § 58 maßgebenden Jahresüberschusses keine Rolle. Der abzusetzende Betrag ist aus der Gewinn- und Verlustrechnung ohne weiteres abzulesen, da er dort gemäß § 157 Ziff. 3 1 a betragsmäßig auszuweisen ist. b ) durch den Verlustvortrag (§ 157 Ziff. 29). Das ist der in der Bilanz des Vorjahres ausgewiesene, durch Entnahmen aus offenen Rücklagen nicht gedeckte Jahresfehlbetrag. Ein etwaiger Gewinnvortrag ist dagegen dem Jahresüberschuß nicht zuzuschlagen; denn er ist in dem Jahresüberschuß der Vorjahre enthalten, hat also bereits in einem Vorjahr als Bemessungsgrundlage für die Rücklagenbildung gedient und kann deshalb im laufenden Jahre nicht nochmals für die Rücklagenbildung berücksichtigt werden. c ) durch die Einsetzungen in die Rücklagen für die Vermögensabgabe (vgl. Anm. 7). Die Hälfte des so errechneten Betrages ist die grundsätzliche Grenze für die jährliche Bildung freier Rücklagen im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses gemäß Abs. 1 und 2, also unabhängig davon, ob die Verwaltung oder die Hauptversammlung die Feststellung beschließt. Sonstige zahlenmäßige Grenzen für die Rücklagenbemessung im Rahmen der Bilanzfeststellung kennt das Gesetz nicht. Insbesondere kann aus § 254 nicht entnommen werden, daß die Rücklagenbildung im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses einen verteilbaren Bilanzgewinn von 4 % übriglassen müsse. § 254 bezieht sich nur auf den Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung, betrifft also lediglich den Fall des Abs. 3. Er kann auf Abs. 1 und 2 auch nicht analog angewendet werden (so Naum DieAG 67, 128; a. M. Schäfer BB 66, 233; Staber BB 66, 1254). Denn die der Bestimmung des §58 zugrundeliegende gesetzliche Kompromißlösung (Anm. 4) wie auch der gezielte Wortlaut des § 254 (vgl. Ausschußbericht zu § 254) gewähren die Anfechtungsbefugnis des Einzelaktionärs bewußt nur für den Gewinnverwendungsbeschluß (vgl. auch Begründung RegE zu § 173), verlangen aber im Rahmen der Bilanzfeststellung keine Rücklagenbildung, die eine 4%ige Dividende freiläßt. Eine Rücklagenbildung, die sich im Rahmen des § 58 Abs. 1 und 2 hält, dient nach Auffassung des Gesetzgebers der Sicherung der Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft und kann deshalb im übrigen auch die Voraussetzungen des § 254 überhaupt nicht erfüllen.

A n m . 10 4. Erfolgt die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung (Abs. 1), so ist grundsätzlich die Bildung freier Rücklagen bei der Feststellung unzulässig. Ob diese Regelung angesichts der gesetzlichen und unentziehbaren Ermächtigung der Verwaltung zur Rücklagenbildung gemäß Abs. 2 S. 1 konsequent ist, steht dahin. Die Unzulässigkeit ist aber deshalb nicht allzu störend, weil sie einmal durch entsprechende Satzungsbestimmung beseitigt werden kann (Anm. n ) und zum anderen im Gewinnverwendungsbeschluß gemäß Abs. 3 eine freie Rücklagenbildung zulässig ist. Allerdings unterliegt diese letztere Rücklagenbildung der Anfechtungsmöglichkeit aus § 254 und führt nicht zu einer Berücksichtigung der Zuweisung in dem vorliegenden Jahresabschluß (§ 174 Abs. 3), sondern wird erst in dem nächsten Abschluß berücksichtigt. Bildet der von der Hauptversammlung festgestellte Jahresabschluß ohne satzungsmäßige Ermächtigung freie Rücklagen, so ist der Jahresabschluß gemäß § 256 Abs. 1 Ziff. 4 wegen Verletzung gesetzlicher Bestimmungen nichtig.

429

§ 58

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 11, 12 Anm. 11 a ) Durch Satzungsbestimmung kann die Rücklagenbildung im Rahmen der Bilanzfeststellung auch der Hauptversammlung zugesprochen werden. Diese Zuständigkeit gilt aber erst von dem Augenblick ab, in dem die Satzung eine entsprechende Bestimmung enthält. Die Hauptversammlung, die eine dem Abs. i entsprechende Satzungsänderung beschließt, kann also noch keine freien Rücklagen bilden, weil die Satzungsänderung gemäß § 181 Abs. 3 erst durch Eintragung im Handelsregister rechtswirksam wird. Nur für den Ubergang zum AktG 65 bestimmte § 15 E G eine Ausnahme. Die satzungsmäßige Bestimmung, die Abs. 1 für die Zulässigkeit einer Rücklagenbildung fordert, muß einen Zwang zur Rücklagenbildung enthalten und darf sich nicht mit einer Ermächtigung begnügen. Das wird bei einem Vergleich des Wortlauts in Abs. 1 S. 1 einerseits und in Abs. 2 S. 1 und 2 andererseits ganz klar und ist auch in dem Ausschußbericht zu § 58 (vgl. Kropff S. 77) deutlich angesprochen. Auch der Wortlaut des § 173 Abs. 2 S. 2 stützt diese Auslegung. Eine Ermächtigungsbestimmung reicht also nicht aus (anders Godin-Wilhelmi Anm. 4; wie hier Adler-Düring-Schmaltz 4. Aufl. § 150 Rn. 4; Möhring-Tank Handbuch der AktG I Rz. 164; Barz DieAG66, 43; Obermüller-Werner-Winden Die Hauptversammlung 3. Aufl. S. 195).

Anm. 12 b) Fraglich ist, ob die Satzungsbestimmung, die die Pflicht zur Rücklagenbildung bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung begründet, einen festen Betrag oder Prozentsatz nennen muß, der damit gleichzeitig Mindest- und Höchstbetrag ist (so Obermüller-Werner-Winden AktG S. 103 und 290; Minz-Koll WP 68, 145). Möhring-Tank a. a. O. begründen die Notwendigkeit eines festen Betrages mit der Erwägung, daß der Zwang zur Rücklagenbildung eine Rahmenbestimmung, die die Rücklagenbildung im zugelassenen Rahmen wieder zur Ermessensentscheidung mache, verbiete, Baumbach-Hueck § 174 Rn. 4 mit der weiteren Erwägung, daß der Gesetzgeber einen scharfen Trennungsstrich zwischen Feststelllung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendung habe ziehen wollen. Obermüller-Werner-Winden Die Hauptversammlung S. 196/97 anerkennen zwar diese Begründungen, die durch die Motive und Entstehungsgeschichte verstärkt würden, halten aber diese Regelung für zu unflexibel und neigen deshalb der von Werther DieAG 66, 302 und Gail WP 66, 428 insbesondere für die K G a A — hier gibt es keine Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung — vertretenen freieren Auffassung zu, wonach eine Satzungsbestimmung zulässig ist, daß ein den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechender Teil des Jahresüberschusses, höchstens 50 % , in die Rücklagen einzustellen sei. Der Wortlaut sowohl des § 58 Abs. 1 S. 1 wie auch des § 173 Abs. 2 S. 1 lassen diese letztere Auslegung zu, da „Beträge" nicht zwingend nur Ziffern- oder prozentmäßig bestimmt werden können. Der in der Begründung zu § 173 enthaltene Hinweis auf § 254 würde allerdings viel von seinem Sinn verlieren, wenn die Satzungsbestimmung des § 58 Abs. 1 S. 1 keine feste Zahl sondern nur einen mit Ermessensspielraum feststellbaren Betrag verlangte. Der Gesetzgeber hat offensichtlich an starre Beträge gedacht, weil er die erforderliche Flexibilität in den Möglichkeiten der Hauptversammlung gemäß Abs. 3 gesehen hat. Das stimmt aber nur begrenzt. Wenn eine Satzungsbestimmung die Hauptversammlung verpflichtet, 5 0 % des Jahresüberschusses in offene Rücklagen einzusetzen, so muß sie das zur Vermeidung einer Nichtigkeit des Jahresabschlusses aus § 256 Abs. 1 Ziff. 4 heraus selbst dann tun, wenn sie davon überzeugt ist, daß diese Rücklage nicht erforderlich ist. Eine derartige Konsequenz kann aber nicht als dem Willen des Gesetzgebers entsprechend angenommen werden. Die Verlagerung der Ermessensentscheidung in die Rücklagenbildung im Rahmen der Gewinnverwendung soll dem Schutz der einzelnen Aktionäre nach § 254 dienen und eine übermäßige Rücklagenbildung verhindern, aber keinen Zwang zur Rücklagenbildung begründen, der über das von der Hauptversammlung für erforderlich gehaltene Maß hinausgeht. Daraus folgt zwar nicht, wie Werther und Gail a. a. O. annehmen, daß eine Satzungsbestimmung zulässig ist, die vorsieht, den Betrag rein nach den wirtschaftlichen und

430

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 58 A n m . 13, 14 finanziellen Notwendigkeiten der Gesellschaft zu bemessen; es ist vielmehr ein fester Betrag, sei es als Summe, sei es als Prozentsatz, anzugeben, jedoch muß eine Satzungsbestimmung als gesetzeskonform angesehen werden, die auf der Basis dieses festen Betrages der Hauptversammlung die Befugnis gibt, hinter diesem Betrag zurückzubleiben, wenn keine wirtschaftliche oder finanzielle Notwendigkeit zur Bildung einer so hohen Rücklage gesehen wird. A n m . 13 c ) Die auf Grund der Satzungsbestimmung zu bildende Rücklage darf höchstens 50 % des Jahresüberschusses — über die Berechnung dieses Betrages vgl. Anm. 9 — betragen. Ist also z. B. in der Satzung vorgeschrieben, daß die Hauptversammlung jährlich DM 1 Million in die freien Rücklagen einzusetzen hat, so kann von dieser Bestimmung nur Gebrauch gemacht werden, wenn der unter Berücksichtigung des Abs. 1 S. 3 errechnete Jahresüberschuß mindestens DM 2 Millionen beträgt. Will die Hauptversammlung trotzdem bei einem jährlichen Uberschuß von nur DM 1,5 Millionen einen Betrag von DM 1 Million der freien Rücklage zuführen, so kann sie dies im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses nur in Höhe von DM 750000,—. Die restlichen DM 250000,— muß sie im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses gemäß Abs. 3 bilden. Soweit die Rücklage dieser DM 250000,— aber eine 4%ige Dividende unmöglich macht, ist die Bildung der freien Rücklage gemäß § 254 anfechtbar. A n m . 14 5. Erfolgt die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat (Abs. 2), so ist die Rechtslage eine andere und freiere. a) Eine satzungsmäßige Ermächtigung zur Rücklagenbildung, wie sie Abs. 1 für die Rücklagenbildung im Feststellungsbeschluß der Hauptversammlung erfordert, ist nicht notwendig. Auf Grund der gesetzlichen Regelung des Abs. 2 S. 1 sind Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses zur Rücklagenbildung — allerdings nur in Höhe von 5 0 % des Jahresüberschusses (vgl. Anm. 9) — ermächtigt. Eine entsprechende satzungsmäßige Ermächtigungsbestimmung wäre zwar nicht nichtig, aber wegen Wiederholung einer kraft Gesetzes bestehenden Befugnis überflüssig. Die gesetzliche Ermächtigung ist auch zwingend, da der Wille des Gesetzgebers (vgl. Ausschußbericht zu § 58 bei KropfF S. 77) dahin ging, die Zuständigkeit zur Rücklagenbildung zwingend anzuordnen. Der zwingende Charakter der Ermächtigung besagt ein Doppeltes: Einmal müssen Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses frei in ihrer Entschließung sein, ob sie bis zu 5 0 % des Jahresüberschusses in die Rücklage einlegen wollen. Sie können also nicht gezwungen werden, bis zu 5 0 % zurückzulegen (Ausschußbericht zu §58 bei KropfF AktG S. 77; § 150 Anm. 69; in der Formulierung etwas irreführend: Obermüller-Werner-Winden AktG S. 103). Der Gesetzgeber will gerade das freie Entscheidungsrecht der Verwaltung über die Rücklagenbildung, das aber beseitigt wäre, wenn die Rücklagenbildung eine Pflicht wäre. Eine Pflicht zur Rücklagenbildung besteht nur im Rahmen der Vorschriften zur Bildung der gesetzlichen Rücklage (§§ 150, 232, 237 Abs. 2, 300). Da die Rücklage für die Vermögensabgabe keine freie Rücklage im Sinne des § 58 ist (vgl. Anm. 8), kann die Satzung ihre Bildung der Verwaltung zur Pflicht machen. Die Ermächtigung kann, und das ist die weitere Folge aus ihrem zwingenden Charakter, satzungsmäßig nicht beseitigt oder auch nur beschränkt werden, z. B. durch die Bestimmung, daß die Ermächtigung nur bis zu 2 5 % oder 4 0 % des Jahresüberschusses ausgeübt werde dürfen (Möhring-Schwartz „Die Aktiengesellschaft und ihre Satzung" 2. Aufl. S. 230). Damit sind auch Satzungsbestimmungen unzulässig, die die Grundsätze festzulegen versuchen, nach denen die Verwaltung die Frage der Rücklagenbildung zu entscheiden hat. Denn sie führen zu einer Einschränkung des vom Gesetzgeber gewollten freien Ermessens der Verwaltung und bedeuten entweder einen Zwang zu oder eine Beschränkung in der Rücklagenbildung. Derartige Bestim-

431

§58

Anm. 15, 16

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

mungen sind unwirksam. Werden sie von der Verwaltung bei der Feststellung des Jahresabschlusses trotzdem beachtet, so ist die Feststellung des Jahresabschlusses gemäß § 256 Abs. 1 Ziff. 4 nichtig.

Anm. 15 b ) Zulässig ist jedoch eine Erweiterung der gesetzlichen Ermächtigung dahingehend, daß ein größerer Teil als die Hälfte des Jahresüberschusses in die freie Rücklage eingesetzt werden kann. Das läßt S. 2 ausdrücklich zu. Voraussetzung ist eine rechtswirksame und bei Feststellung des Jahresabschlusses bereits in Geltung befindliche Satzungsbestimmung. Infolgedessen genügt ein die Erweiterung der gesetzlichen Ermächtigung einführender Satzungsänderungsbeschluß der Hauptversammlung, der der festgestellte Jahresabschluß vorgelegt wird, nicht. Denn diese Satzungsänderung tritt erst nach Beschlußfassung und Registerein tragung in K r a f t ( § 1 8 1 Abs. 3) und kann sich mangels gesetzlicher Ermächtigung auch keine rückwirkende Geltung zulegen. Streitig sind hinsichtlich der satzungsmäßigen Ermächtigung zwei Fragen.

Anm. 16 a a ) Wenn Abs. 2 S. 2 dahin formuliert, die Satzung könne die Verwaltung „ z u r Einstellung eines größeren Teils als der Hälfte des Jahresüberschusses ermächtigen", so läßt diese Formulierung nicht einwandfrei erkennen, ob der größere Betrag in der Satzung zahlenmäßig bestimmt sein muß oder ob die Satzung einfach auch dahin formulieren kann, die Verwaltung dürfe mehr als 5 0 % in die offene Rücklage einstellen. Die Meinungen im Schrifttum gehen sehr auseinander. Für eine bezifferte Obergrenze entscheiden sich: Adler-Düring-Schmaltz 4. Aufl. § 1 5 0 R n . g6; Barz D i e A G 66, 4 3 ; Döllerer BB 65, 1 4 1 5 ; Eckardt N J W 67, 370; Gessler BB 66, 2 1 6 und 69, 2 3 5 ; v. Gleichenstein BB 66, 1047; Goerdeler W P 66, 1 1 8 ; K r o p f f R p f l . 66, 3 5 ; Peupelmann D B 6 5 , 1 4 5 0 ; Tiefenbacher BB 65, 1 1 9 8 ; Schreib Das Wertpapier 66, 506 und 6 7 , 1 3 6 . Dagegen lassen eine ziffernmäßig nicht beschränkte Ermächtigung, etwa im Wortlaut des Abs. 2 S. 2, zu: Baumbach-Hueck R n . 4 ; Becker B B 66, 765; Godin-Wilhelmi Anm. 3 ; K n u r D N o t Z 66, 3 6 1 ; Möhring N J W 67, 1899; Nauss A k t G 67, 1 3 0 ; Obermüller-Werner-Winden A k t G S. 289f.; Schäfer Z f K 66, 278; Staber BB 66, 1 2 5 4 ; Werner A G 67, 104 und 68, 1 8 2 ; Werther D i e A G 66, 306. Entscheidend ist die Uberlegung, daß die Ermächtigung, einen vom Gesetz ziffernmäßig festgelegten Bruchteil zu erhöhen, doch wohl nur dahin verstanden werden kann, daß die Erhöhung auch ziffernmäßig bestimmt sein muß (so besonders Gessler a. a. O.), und des weiteren, daß die Ermächtigung zur Rücklagenbildung einen Verzicht der Hauptversammlung auf ihrer Verfügung unterliegende Gewinnbeträge bedeutet und ein derartiger Verzicht angesichts der scharfen Zuständigkeitsabgrenzung im R a h m e n der Verwendung des Jahresüberschusses bestimmt sein sollte. Das gilt insbesondere, da der „höhere T e i l " j a den Gesamtgewinn ausmachen kann (Anm. 17) und damit die Gewinnverwendungsbefugnis der Hauptversammlung ganz entfallen kann. Sicher ist der gemäß Abs. 2 S. a festgesetzte Teil immer nur eine Höchstgrenze für die Ermächtigung der Verwaltung, die diese nicht auszunutzen braucht, so daß die Situation hier eine andere als bei der Rücklagepflicht der Hauptversammlung auf Grund einer Satzungsbestimmung gemäß Abs. 1 ist (Anm. 12). Aber Grenzen für die Zuständigkeit erfordern feste M a ß stäbe und sollten nicht selbst wieder dem Ermessen der in ihrer Zuständigkeit begrenzten Verwaltung überlassen werden. Wenn die Aktionäre eine Rücklagenermächtigung f ü r die Verwaltung bis zur vollen Höhe des Jahresüberschusses wollen, so soll dies zumindest klar ziffernmäßig aus der Satzung hervorgehen. Daraus folgt, daß eine Satzungsbestimmung, die die Verwaltung schlechthin ermächtigt, einen höheren Betrag als die Hälfte des Jahresüberschusses in die offenen Rücklagen einzustellen, nichtig ist und die gesetzliche Grenze f ü r die Rücklagenbildung mit 5 0 % des Jahresüberschusses bei Bestand läßt.

432

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 58 Anm. 17, 18 Die ziffernmäßige Angabe des Teils kann wohl nicht in einem festen DM-Betrag bestehen, sondern muß in einem Bruchteil oder Prozentsatz des Jahresüberschusses erfolgen. Das ergibt sich aus der Verwendung des Wortes „Teil" in Abs. a S. 2 gegenüber „Betrag" in Abs. i und entspricht auch der in der Praxis herrschenden Übung. Anm. 17 bb) Die Fassung des Abs. 2 S. 2 läßt des weiteren offen, wie hoch der größere Betrag des Jahresüberschusses, der von der Verwaltung in freie Rücklagen eingesetzt werden kann, sein darf, ob er auch den ganzen Jahresüberschuß erfassen kann. Natürlich ist auch ein „größerer Teil" weniger als das Ganze. Wenn der Teil aber bis auf 99, 9 % gehen kann — im Schrifttum werden willkürliche Prozentsätze von 75, 90 und 95% genannt —, dann ist kein vernünftiger Grund einzusehen, warum dann nicht auch der ganze Jahresüberschuß der Verwaltung zur Rücklagenbildung zur Verfügung gestellt werden kann, so Baumbach-Hueck Rn. 4; Godin-Wilhelmi Anm. 3; MöhringTank Rz. 161; Obermüller-Werner-Winden, AktG S. 289; Barz DieAG 66, 43; Müller NJW 67, 1899; Nauss DieAG 67, 131; Schäfer ZfK 66, 278; Werner DieAG 67, 103 und 68, 182; Werther DieAG 66, 306; die Gegenmeinung wird vertreten von Becker BB 66, 765; Döllerer BB 65, 1415; Eckardt NJW 67, 369; Gessler DB 66, 216; v. Gleichenstein BB 66, 1047; Goerdeler WP 66, 118; Kropff Rpfl. 66, 35; Peupelmann DB 65, 1450; Schäfer BB 66, 233; Schreib Das Wertpapier 66, 506 und 67, 136; Staber BB 66, 1254. Da dem Gesetz keinerlei Entscheidungskriterien für eine Zahl zwischen 50 und 100 zu entnehmen ist und auch nicht, wie Adler-Düring-Schmaltz 4. Aufl. § 150 Rn. 97 glauben, dem § 254, der für die Fälle des Abs. 1 und 2 nicht gilt (Anm. 9) und im übrigen, weil der Jahresüberschuß im Verhältnis zum Grundkapital ständig schwankt, auch keinen für die Anwendung des § 58 Abs. 2 S. 2 brauchbaren Prozentsatz hergibt, muß man schon im Interesse der Praktikabilität der Auslegung des Abs. 2 S. 2 sich dafür entscheiden, daß ein „größerer Teil" auch das Ganze sein kann. Anm. 18 c) Von der satzungsmäßigen Erweiterung der Befugnis zur Rücklagenstellung kann die Verwaltung gem. S. 3 aber nur insoweit Gebrauch machen, als dadurch der Gesamtbetrag der freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigt. Damit ist einer ständigen Thesaurierung des Gesamtgewinns durch die Verwaltung bei der Feststellung des Jahresabschlusses eine Höchstschranke gesetzt, die aber nur für den über 5 0 % des Jahresüberschusses hinausgehenden Betrag gilt. Haben die Rücklagen die Höhe des Grundkapitals erreicht, so kann von der Verwaltung nur noch die Hälfte des Jahresüberschusses in die Rücklagen eingestellt werden. Diese Grenze kann dadurch beseitigt werden, daß die angesammelten Rücklagen zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß §§ 207 fr. verwendet werden. Das kann aber die Verwaltung nicht von sich aus tun, sondern erfordert einen Beschluß der Hauptversammlung gemäß §§ 207, 182 und damit ein Tätigwerden der Aktionäre, in deren Händen es also liegt, die Schranken für eine Einbehaltung größerer Gewinnbeträge zu beseitigen. Maßgebend für die Höchstgrenze ist das Grundkapital. Das ist der Betrag, der unter I der Passivseite der Bilanz gemäß § 151 einzusetzen ist. Ob das Grundkapital voll eingezahlt ist, bleibt unerheblich, auch wie viele Teile des Grundkapitals sich als eigene Aktien im Besitz der Gesellschaft befinden. Eine bereits beschlossene, aber noch nicht als durchgeführt im Handelsregister eingetragene Kapitalerhöhung (§ 189), eine bedingte Kapitalerhöhung vor Ausgabe der Bezugsaktien (§ 200) oder die Schaffung genehmigten Kapitals verändern das Grundkapital noch nicht, sind also bei der Berechnung der Höchstgrenze nicht zu berücksichtigen. Maßgebender Stichtag ist auch hier (vgl. Anm. 15) die Feststellung des Jahresabschlusses, also der Zeitpunkt des Aufsichtsratsbeschlusses, der den Jahresabschluß billigt (§ 172). In den Gesamtbetrag der freien Rücklagen ist die Rücklage für Vermögensabgabe nicht einzurechnen, weil sie wegen ihrer Bindung in der Verwendungsmöglichkeit keine echte freie Rücklage ist (Anm. 8), wohl aber sind einzurechnen die freien Rücklagen, denen satzungsmäßig

438

§58 Anm. 19—21

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

oder durch das Feststellungsorgan ein bestimmter Verwendungszweck beigegeben worden ist, z. B. Erneuerungsrücklagen (Anm. 2). Einzurechnen sind selbstverständlich auch die Rücklagen, die die Hauptversammlung, sei es gemäß Abs. 1 bei der Feststellung des Jahresabschlusses, sei es gemäß Abs. 3 im Rahmen der Verwendung des Bilanzgewinns in den früheren Jahren gebildet hat. Anm. 19 6. Wird gegen die Vorschriften des Abs. 1 oder 2 verstoßen, so ist die Feststellung des Jahresabschlusses gemäß § 256 Abs. 1 Ziff. 4 nichtig. Die Nichtigkeit ist mittels Feststellungsklage geltend zu machen, und zwar binnen einer Frist von 6 Monaten seit Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger. Wird binnen dieser Frist keine Klage erhoben, so ist der Mangel geheilt. III. Verwendung des Bilanzgewinns (Abs. 3) Anm. 20 1. Allgemeines Der Bilanzgewinn ergibt sich aus dem Jahresüberschuß nach Verrechnung des Gewinn- und Verlustvortrags aus dem Vorjahr, der Entnahmen aus offenen Rücklagen und der Einstellung in offene Rücklagen. Unter die letztere Rubrik fallen aber nur die Einstellungen, die im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses erfolgen, also die Einstellung in die gesetzliche Rücklage oder in die offenen Rücklagen gemäß Abs. 1 und 2. Denn die Rücklagenbildung gemäß Abs. 3 erfolgt nicht in der Jahresbilanz (§ 174 Abs. 3). Auf den Bilanzgewinn haben die Aktionäre weder einen mitgliedschaftsrechtlichen noch einen schuldrechtlichen Anspruch. Der Bilanzgewinn steht vielmehr der Hauptversammlung zur Verfügung, die folgende Verwendungsarten beschließen kann: Bildung von Rücklagen, Vortrag auf neue Rechnung, Verteilung als Dividende oder, wenn eine entsprechende Satzungsermächtigung vorliegt, anderweite Verwendung. Keine dieser Verwendungsarten ändert den festgestellten Jahresabschluß mehr (§ 174 Abs. 3), sondern wirkt sich erst im folgenden Jahresabschluß aus. § 126 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 AktG 37 gab der Hauptversammlung zwar auch die Befugnis, den Reingewinn ganz oder teilweise von der Verteilung auszuschließen. BGH 23, 150 hatte diese Bestimmung aus ihrem Zusammenhang mit der in Abs. 3 S. 1 vorgesehenen Bindung der Hauptversammlung an den festgestellten Jahresabschluß aber dahin ausgelegt, daß die Hauptversammlung den Reingewinn nur insoweit von der Verteilung ausschließen könne, als sie dazu durch Gesetz oder Satzung ermächtigt werde. Dadurch, daß § 58 Abs. 3 S. 1 aus dem Zusammenhang mit der Bindung der Hauptversammlung an den festgestellten Jahresabschluß (jetzt § 174 Abs. 1 S. 2) herausgenommen und auch etwas klarer formuliert ist, wird jetzt eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß die Freiheit der Hauptversammlung in der Verwendung des Bilanzgewinns keiner zusätzlichen gesetzlichen oder satzungsmäßigen Bestimmung mehr bedarf, sondern sich aus Abs. 3 selbst ergibt (vgl. auch Begründung RegE zu § 58 Abs. 3 bei Kropff S. 77). Anm. 21 2. Streitig ist, ob durch Satzungsbestimmungen in die freie Befugnis der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns eingegriffen werden kann. Derartige Satzungsbestimmungen wären denkbar einmal als Verpflichtung zur Bildung weiterer Rücklagen, zum anderen als Verpflichtung zur Ausschüttung bestimmter Mindest-Dividenden und schließlich als Verpflichtung (und nicht nur Ermächtigung) zur anderweiten Verwendung des Bilanzgewinns, z. B. Zuweisung für gemeinnützige Zwecke. Sind derartige Satzungsbestimmungen eine Abweichung vom Gesetz, die, weil nicht ausdrücklich zugelassen, unzulässig ist, oder eine Ergänzung auf einem Gebiet, auf dem das Gesetz keine abschließende Regelung enthält (§ 23 Abs. 4) ? Godin-Wil-

434

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 58 Anm. 22 helmi § 174 Anm. 3 a. E. meinen — allerdings ohne nähere Begründung —, daß die Gewinnverwendung ohne jede Einschränkung ausschließlich bei der Hauptversammlung liegen müsse; Adler-Düring-Schmaltz 4. Aufl. § 150 Rn. 104 halten eine Beschränkung in der Rücklagenbildung für unzulässig, Baumbach-Hueck Rn. 9 unter Billigung von Gessler BB 59, 235 für zulässig. Obermüller-Werner-Winden, Die Hauptversammlung 3. Aufl. S. 203 und Müller WP 69, 247 halten sowohl einen Rücklage- wie einen Ausschüttungszwang für zulässig, während Gessler a. a. O. einen Rücklagezwang ablehnt. Man wird die Frage für die verschiedenen Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit der Hauptversammlung wohl gleichbehandeln müssen. Aus der gesetzlichen Begründung ist schwerlich ein Argument „für" oder „gegen" zu gewinnen. Von der Logik her liegt die Argumentierung sehr nahe, daß die Einschränkung einer im Gesetz dem freien Ermessen der Hauptversammlung überlassenen Befugnis keine Gesetzesergänzung sondern eine Abänderung im Sinne des § 23 Abs. 4 ist. Trotzdem sollte man sich für die Zulässigkeit derartiger Satzungsbestimmungen entscheiden. Es ist nicht einzusehen, warum der Schutz der Minderheit bei der Gewinnausschüttung nicht über § 254 hinaus sollte erweitert werden können, und für den Rücklagezwang spricht Abs. 4, wenn er der Satzung ganz allgemein und nicht nur, wie Gessler a. a. O. meint, unter Beschränkung auf Fälle, wie die Gewinnbeteiligung des Aufsichtsrats, die Befugnis zuerkennt, den Bilanzgewinn von der Verteilung unter die Aktionäre auszuschließen. Die Freiheit der Hauptversammlung in ihrer Beschlußfassung über die Verwendung des Reingewinns ist kein „eherner Grundsatz" des Aktiengesetzes (Müller a. a. O.), sondern, wie aus dem Gesetz selbst ableitbar, eine nachgiebige Regelung, die zwar nicht zugunsten anderer Organe wohl aber in ihrer materiellen Handhabung eingeschränkt werden kann. Anm. 22 3. Weitere Rücklagenbildung Die Hauptversammlung kann nicht nur dann, wenn sie zur Feststellung des Jahresabschlusses berufen ist (Anm. 7), sondern auch dann, wenn die Verwaltung den Jahresabschluß für, sie bindend festgestellt hat (§174 Abs. 1 S. 2), mit einfacher Kapitalmehrheit aus dem Bilanzgewinn weitere Rücklagen bilden, und zwar auch dann, wenn bereits im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses gemäß Abs. 1 und 2 freie Rücklagen gebildet worden sind. Einer satzungsmäßigen Ermächtigung bedarf es dazu nicht (Anm. 20), so daß die früher üblichen satzungsmäßigen Bestimmungen dahingehend, der Reingewinn stehe zur Verfügung der Hauptversammlung (vgl. Voraufl. § 52 Anm. 27), heute überflüssig sind. Die Befugnis der Hauptversammlung zur Rücklagenbildung aus dem Bilanzgewinn findet eine Grenze nur in der Vorschrift des § 254, wonach ein Gewinnverwendungsbeschluß angefochten werden kann, wenn keine Mindestdividende von 4% verteilt wird und die Verhältnisse der Gesellschaft die Rücklagenbildung aus dem Bilanzgewinn nicht notwendig machen. Wegen der Beschränkung durch satzungsmäßige Bestimmungen vgl. Anm. 21. Die Befugnis zur Bildung weiterer Rücklagen ermächtigt auch zur Einstellung weiterer Beträge in die gesetzliche Rücklage (Obermüller-Werner-Winden Die Hauptversammlung 3. Aufl. S. 201); denn auch sie ist eine offene Rücklage. Aus § 150 kann auch nicht geschlossen werden, daß in die gesetzliche Rücklage nur die Beträge eingestellt werden dürften, für die ein gesetzlicher Zwang zur Einstellung besteht. Zwar kann im Rahmen des Abs. 1 und 2 keine Einstellung in die gesetzliche Rücklage über § 150 Abs. 2 Ziff. i hinaus erfolgen, weil diese Bestimmungen nur die Befugnis zur Einstellung in freie Rücklagen geben. Bei der Beschlußfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns gemäß Abs. 3 ist aber jede Einstellung in offene Rücklagen, mithin auch in die gesetzliche, zulässig. Meist wird man das nicht tun, weil die Verwendung der gesetzlichen Rücklage zu sehr beschränkt ist. Es kann aber dann ein Interesse an einer derartigen Zuweisung bestehen, wenn man für die folgenden Jahre vom Zuweisungszwang des § 150 Abs. 2 Ziff. 1 freikommen will, indem man bis zur gesetzlichen oder satzungsmäßigen Grenze auffüllt. Eine Einschränkung der Befugnis zur Einstellung in offene Rücklagen kann sich daraus ergeben, daß der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates gemäß § 59 eine

435

§ 58 A n m . 23

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Abschlagsdividende an die Aktionäre geleistet hat. Für diesen Fall muß angenommen werden, daß die Hauptversammlung einen so großen Teil des Bilanzgewinns für die Ausschüttung an die Aktionäre freilassen muß, daß die Abschlagszahlung gedeckt wird. Da die Rückforderung von Abschlagszahlungen, die durch den ausgeschütteten Gewinn nicht gedeckt wären, höchst problematisch ist (§ 59 Anm. 10) wird man die Hauptversammlung für gebunden halten müssen, aus einem ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn mindestens so viel auszuschütten, wie zur Deckung der Abschlagszahlung erforderlich ist. Andernfalls ergäben sich wegen § 62 Abs. 1 S. 2 Ausfälle für die AG, die im laufenden Geschäftsjahr als Verluste zu behandeln wären, so daß die Rücklagenbildung für das Vorjahr entweder im Vorgriff auf Gewinne des laufenden Jahres oder gar aus Verlusten des laufenden Jahres erfolgte. Etwas Derartiges kann nicht als ordnungsgemäße Gewinnverwendung angesehen werden (vgl. auch Baumbach-Hueck § 59 Rn. 7). Infolge des gespaltenen Körperschaftssteuersatzes, d. h. dadurch, daß sich für Gewinnausschüttungen die Körperschaftssteuer von 51 auf 15% ermäßigt, erhöht sich, wenn der Bilanzgewinn nicht voll ausgeschüttet wird, die Körperschaftssteuer für die in Rücklage gestellten Teile des Bilanzgewinns. Diese Körperschaftssteuer ist ein sog. zusätzlicher Aufwand im Sinne des § 174 Abs. 2 Ziff. 5 und im Gewinnverwendungsbeschluß besonders auszuweisen. Er vermindert den für eine zusätzliche Rücklagenbildung zur Verfügung stehenden Bilanzgewinn und ist insoweit durch Gesetz von der Thesaurierung und auch Gewinnausschüttung im Sinne des Abs. 4 ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten und insbesondere auch der Berechnung vgl. Kohlstruck WP 69, 162 und Trenhol DB 69, 1353. Auch die von der Hauptversammlung im Rahmen der Verwendung des Bilanzgewinns gebildeten freien Rücklagen haben den gleichen Charakter wie die im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses von der Verwaltung oder Hauptversammlung gebildeten Rücklagen. Ihre Auflösung lallt damit auch ausschließlich in die Zuständigkeit des den Jahresabschluß feststellenden Organs. Wird der Jahresabschluß von der Verwaltung festgestellt, so kann die Hauptversammlung keine von ihr selbst in früheren Jahren gebildeten Rücklagen auflösen (Godin-Wilhelmi § 174 Anm. 3). A n m . 23 4. Gewinnvortrag Der Bilanzgewinn kann auch dadurch von der Verteilung ausgeschlossen werden, daß er auf neue Rechnung vorgetragen wird. Ein derartiger Vortrag bedeutet wirtschaftlich nichts anderes als die Bildung einer freien Rücklage. Denn der entsprechende Teil des Bilanzgewinns bleibt als Eigenkapital in der Gesellschaft, ohne in die Bindung des Grundkapitals und der gesetzlichen Rücklage zu geraten. Er unterscheidet sich von einer freien Rücklage nur dadurch, daß er in der Gewinn- und Verlustrechnung des folgenden Jahres automatisch dem Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag zugerechnet wird, ohne daß eine Entnahme notwendig wäre (vgl. § 157 Ziff. 29). In der Praxis wird üblicherweise ein Gewinnvortrag nur in Höhe der Gewinnspitze gebildet, die zur Belegung eines vollen Prozent Dividende nicht ausreicht. Diese Übung dürfte auch der Grund sein, warum der Gewinnvortrag in § 254 nicht ausdrücklich genannt ist, obwohl Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht dadurch umgangen werden kann, daß der Bilanzgewinn statt in Rücklage gestellt als Gewinn vorgetragen wird. Godin-Wilhelmi Anm. 7 stimmen dem für den Fall zu, daß der Gewinnvortrag ungewöhnlich hoch ist, was immer dann der Fall sein dürfte, wenn er über eine Gewinnspitze hinausgeht. Nur scheinbar stehen damit die Ausführungen Godin-Wilhelmi § 174 Anm. 3 in Widerspruch, wo die Anwendbarkeit des § 254 außerdem noch davon abhängig gemacht wird, daß die Reservebildung im Sinne des § 254 erschöpft ist und ein Umgehungsfall vorliegt. Aber § 254 greift überhaupt nur dann ein, wenn die Möglichkeit zur Reservebildung erschöpft ist. Dann aber liegt in einem über die Gewinnspitze hinausgehenden Gewinnvortrag immer eine „Umgehung", wenn keine Dividende von 4% erreicht wird. 436

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 58 Anm. 24/25, 26 Auch beim Gewinnvortrag entsteht wie bei der Rücklagebildung durch den gespaltenen Körperschaftssteuersatz eine höhere körperschaftssteuerliche Belastung, die allerdings nur insoweit zusätzlichen Aufwand im Sinne des § 174 Abs. 2 Ziff. 5 darstellt, als sie nicht auf die Gewinnspitze entfällt (vgl. Kohlstruck a. a. O.; Trenhol a. a. O.). Da der Gewinnvortrag nicht zu einer Änderung der festgestellten Bilanz führt (§174 Abs. 3), muß die Hauptversammlung als befugt angesehen werden, noch im Laufe des Geschäftsjahres in einem neuen Gewinnverwendungsbeschluß den Gewinnvortrag zur Dividendenausschüttung an die Aktionäre zu bringen (RGZ 103, 370; 167, 70). Soweit der Bilanzgewinn durch Abschlagszahlungen gemäß § 59 bereits ausgezahlt ist, ist die Befugnis der Hauptversammlung zum Gewinnvortrag ausgeschlossen (Anm. 22). Anm. 24/25 5. Anderweite Gewinnverwendung Sie gibt es in der Praxis so gut wie nie. Die Begründung des RegE zu § 58 Abs. 3 (Kropff S. 78) spricht von der Zuwendung an einen Dritten, insbesondere eine gemeinnützige Anstalt. Derartige Zuwendungen erfolgen aber in der Praxis innerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung durch den Vorstand. Meilicke NJW 59, 409 ff., der sich im wesentlichen mit politischen Spenden beschäftigt, vertritt allerdings die Meinung, diese Zuwendungen seien ihrer Natur nach Gewinnverwendungen, und verlangt deshalb entweder Zustimmung sämtlicher Aktionäre oder satzungsmäßige Zulassung durch Mehrheitsbeschluß, was nach dem AktG 65 also gerade ein notwendiger Anwendungsfall des § 58 Abs. 3 S. a wäre. BGH 23, 157 a. E. hat aber zutreffend ausgesprochen, daß sozialpolitische und gemeinnützige Zuwendungen — das gleiche muß dann auch für politische Zuwendungen gelten — in den Aufgabenbereich des Vorstandes fallen. Das gibt zwar keinen Freibrief für ihre Hergabe in beliebiger Höhe. Aber auch eine juristische Person ist trotz ihrer politischen und weltanschaulichen Neutralität ein Bestandteil des Sozialgefüges und im vernünftigen Verhältnis zu ihren Gesamtaufwendungen zumindest befugt, Spenden für gemeinnützige, mildtätige, kirchliche und politische Zwecke zu machen. Derartige Spenden sind gesellschaftsrechtlich keine Gewinnausschüttungen oder Gewinnverwendungen sondern schlicht Aufwand. Abs. 3 S. 2 gestattet aber derartige Zuwendungen nunmehr auch in Form der Verwendung des Bilanzgewinns durch die Hauptversammlung. Voraussetzung ist, daß die Satzung eine entsprechende Ermächtigung enthält. Diese Ermächtigung muß im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses rechtswirksam Bestandteil der Satzung sein; jedoch wäre wohl nichts dagegen einzuwenden, daß die Hauptversammlung eine derartige Satzungsermächtigung und gleichzeitig eine von der Eintragung der Satzungsänderung abhängige entsprechende Gewinnverwendung beschließt. Dann wird diese Gewinnverwendung erst mit Eintragung der Satzungsermächtigung wirksam; bis dahin würde der entsprechende Teil des Bilanzgewinns als Gewinnvortrag anzusehen sein. Wegen der Notwendigkeit einer Einstimmigkeit für eine derartige Satzungsbestimmung auf anderweite Verwendung des Bilanzgewinns vgl. Anm. 5 und § 23 Anm. 1 1 . Wegen der Möglichkeit, die Pflicht und nicht nur Ermächtigung zu einer derartigen Gewinnverwendung zu schaffen, vgl. Anm. 21. Anm. 26 6. Verstößt ein Gewinnverwendungsbeschluß gegen die Vorschriften des Abs. 3, wird also z. B. eine anderweite Verwendung ohne entsprechende Satzungsermächtigung beschlossen oder werden die für den Gewinnverwendungsbeschluß maßgebenden Satzungsbestimmungen nicht eingehalten, so ist der Beschluß wegen Verstoß gegen Gesetz oder Satzung nach § 243 anfechtbar, während eine Nichtigkeit gemäß § 241, wenn kein gesetzlicher Formverstoß vorliegt, eigentlich kaum vorstellbar ist. Stellt der 437

§ 58

Anm. 27, 28

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Gewinnverwendungsbeschluß über die Schranken des § 254 hinaus Beträge in Rücklage oder auch Gewinnvortrag (Anm. 23), so kann auch eine Anfechtbarkeit g e m ä ß § 254 eingreifen.

IV. Anspruch des Aktionärs auf Bilanzgewinn (Abs. 4 u. 5) Anm. 27 1. Allgemeines A b s . 5 ist neben der Vorschrift des § 57 Abs. 1 der tragende Gesetzespfeiler für das Prinzip der Kapitalerhaltung der A G ( § 5 7 A n m . 1). Entgegen dem System der Kapitalerhaltung bei der G m b H — hier dürfen gem. § 30 G m b H G die Beträge, die zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich sind, nicht an Gesellschafter ausgeschüttet werden — verbietet das A k t G in § 57 Abs. 1 die Rückgewähr der Einlagen und gestattet in § 58 Abs. 5, so lange die Gesellschaft nicht aufgelöst ist, lediglich die Verteilung des Bilanzgewinns an die Aktionäre. D a Bilanzgewinn immer nur vorhanden sein kann, wenn das Grundkapital nicht angegriffen ist und die gesetz- und satzungsmäßig vorgeschriebenen Rücklagen gemacht sind, ist mit den Bestimmungen der §§ 57 A b s . 1 und 58 Abs. 5 eine perfekte Kapitalerhaltung gewährleistet. W e n n es in § 58 Abs. 5 allerdings heißt, d a ß an die Aktionäre vor A u f l ö s u n g der Gesellschaft „ n u r der Bilanzgewinn" verteilt werden dürfe, so ist das nicht ganz richtig. Es kommen insoweit auch noch andere Zuwendungen in Betracht, wie Bauzinsen (§ 57 Abs. 3) und Vergütungen von Nebenleistungen ( § 6 1 ) . A u c h ist es der A G nicht verwehrt, den Aktionären in der Satzung noch andere Vorteile z u gewähren, durch die die Substanz des Gesellschaftsvermögens nicht angegriffen wird. So finden sich Benutzungsrechte wie das Recht freien Zutritts in den Garten (Zoologischer Garten) oder das Theater der A G , das R e c h t jederzeitiger Besichtigung ihrer Fabrik. Die Bestimmung des § 58 Abs. 5 findet nur dann ihren rechten Sinn, wenn man sie in notwendigen Zusammenhang mit dem V e r b o t der Rückgewähr von Einlagen in § 57 stellt. Abs. 5 betrifft auch nicht Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn gem. § 59. Ebenso gilt er nicht für Leistungen gem. §§ 291 Abs. 3, 292 Abs. 3 und 323 Abs. 2 (§ 57 A n m . 14). Während § 52 Satz 1 Hs. 2 A k t G 37 davon sprach, die Aktionäre hätten, „ s o lange die Gesellschaft besteht", nur Anspruch auf den Reingewinn, formuliert Abs. 5 richtiger, d a ß an die Aktionäre vor Auflösung der Gesellschaft nur der Reingewinn verteilt werden dürfe. Die bisherige Formulierung in § 52 hätte genau genommen Abschlagszahlungen während des Laufs der Liquidation, während deren die Gesellschaft j a noch besteht, auch nach Gläubigeraufruf und -befriedigung ausgeschlossen. A u c h werden durch Abs. 5 nicht Geldauszahlungen an Aktionäre auf Grund einer ordnungsgemäßen K a p i talherabsetzung (§§222 ff.) betroffen. Der Anspruch auf den Bilanzgewinn ist z u unterscheiden von dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs, an dem Gewinn der A G teilzuhaben (Anm. 5). Der Anspruch auf den Bilanzgewinn ist gewissermaßen die Konkretisierung des allgemeinen Mitgliedschaftsrechts einer Teilhabe an dem Gewinn der Gesellschaft für den Einzelfall. E r entsteht durch den Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung (§ 174 in V e r b i n d u n g mit § 58 Abs. 4) und ist gerichtet auf Zahlung der Dividende nach M a ß g a b e des Gewinnverwendungsbeschlusses.

Anm. 28 2. Die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs Der Anspruch auf den Bilanzgewinn setzt zu seiner Entstehung voraus, d a ß zunächst von den dazu zuständigen Organen der Gesellschaft der Jahresabschluß festgestellt wird, und d a ß sodann die Hauptversammlung über die V e r w e n d u n g des im Jahresabschluß ausgewiesenen Bilanzgewinns einen Beschluß faßt. Dieser Verwendungsbeschluß bildet sodann den notwendigen Entstehungstatbestand (Rechtsgrundlage) für den Anspruch des einzelnen Aktionärs auf seinen so konkretisierten Gewinnanteil. I m Gegensatz z u m

438

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 58

Anm. 29

AktG 37, das in §§ 52, 54, 126 vom „Reingewinn" sprach, heißt es nunmehr in §§ 58 Abs. 3 und 4, 59, 170, 174 „Bilanzgewinn". Diese Bezeichnung weicht von dem Ergebnis des einzelnen Jahres, das „Jahresüberschuß / Jahresfehlbetrag" heißt, durch Gewinn- oder Verlustvortrag sowie Entnahmen aus und Einstellung in offene Rücklagen ab (vgl. § 157 Ziff. 28—32) und macht den Posten als bilanztechnischen Verrechnungsposten, nämlich als Überschuß der Aktivposten und Passivposten der Bilanz deutlich. Er bringt gleichzeitig zum Ausdruck, daß der sich aus der Bilanz ergebende Überschußbetrag mit dem an die Aktionäre auszuschüttenden Betrag keineswegs identisch zu sein braucht, da j a noch die in Abs. 4 genannten Beträge in Abzug zu bringen sind. Das, was effektiv an die Aktionäre verteilt wird, nennt § 174 Abs. 2 Ziff. 2 den „an die Aktionäre auszuschüttenden Betrag". Das ist der Betrag, auf den sich das Mitgliedschaftsrecht auf Gewinnbeteiligung für das einzelne J a h r konkretisiert.

Anm. 29 a) Die Feststellung des Jahresabschlusses Die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt bei der K G a A stets durch die Hauptversammlung (§ 286 Abs. 1), bei der A G grundsätzlich durch den Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats (§ 172) und ausnahmsweise durch die Hauptversammlung, und zwar dann, wenn Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, die Feststellung der Hauptversammlung zu überlassen, oder wenn der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß nicht billigt (§ 173). Der Bilanzgewinn ergibt sich aus dem Jahresabschluß, der die Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung umfaßt (§ 148). Nur der in dem Jahresabschluß ausgewiesene Bilanzgewinn kann zur Ausschüttung an die Aktionäre gelangen, mehr niemals. Hierin liegt die entscheidende Bedeutung des Jahresabschlusses für den Anspruch des einzelnen Aktionärs. In der Jahresbilanz sind bereits die Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rücklagen —- dies im Rahmen des § 58 Abs. 1 und 2 — und Rückstellungen vorzunehmen ( § 1 5 1 Abs. 4). Neuerdings ist die Frage entstanden, ob der sich bei einer Verschmelzung unter Buchwertverknüpfung (§ 348 Abs. 1) aus den Aktien der übernehmenden an der übertragenden Gesellschaft entstehende Verschmelzungsgewinn in der Gewinn- und Verlustrechnung unter Ziff. 1 1 des § 157 oder im Wege der erweiterten Gliederung gesondert auszuweisen oder als Vermögensumschichtung nur in der Bilanz abzuwickeln ist (vgl. Goerdeler in der Festschrift für Schmaltz S. 60 ff). Würde man im ersteren Sinne entscheiden, so könnte der volle Verschmelzungsgewinn durch die Verwaltung nur im Rahmen des Abs. 2 und durch die Hauptversammlung nach Abs. 3 von der Gewinnverteilung ausgeschlossen werden. Das wäre aber sinnwidrig; denn die Ausschüttung des Verschmelzungsgewinns wäre eine Auflösung zulässigerweise gebildeter offenen und vielleicht sogar gesetzlichen Reserven; gerade unter dem Blickpunkt des § 58 ist es deshalb richtiger, den Verschmelzungsgewinn allein über die Bilanz abzuwickeln (so auch Goerdeler a. a. O.). Er erscheint also gar nicht im Jahresüberschuß oder Reingewinn, sondern wird in der Bilanz in die Rücklagen übertragen, so daß eine Ausschüttung nicht in Frage kommt und § 58 überhaupt nicht berührt wird (vgl. auch Erl. zu § 348). Aus dem Ausdruck „Jahresabschluß" darf nicht gefolgert werden, daß eine Gewinnverteilung nur in Jahresabständen zulässig sei. Das „ J a h r " , das beim Jahresabschluß gemeint ist, ist nicht das Kalenderjahr, sondern das Geschäftsjahr. Dieses kann kürzer sein als 12 Monate ( R G Recht 1909 Nr. 3283; R F H 2, 179; herrsch. Ansicht auch im Schrifttum, abweichend Brodmann § 2 1 3 Anm. 5 a), nur nicht länger (§39 Abs. 2 HGB). Kürzere Geschäftsjahre kommen namentlich vor, wenn der Beginn der A G in ein Kalenderjahr fällt und die Satzung das Kalenderjahr als Geschäftsjahr bestimmt, ferner wenn das Geschäftsjahr verlegt wird. Auch in solchen Fällen ist ein Jahresabschluß aufzustellen, und es besteht kein rechtliches Bedenken dagegen, daß der in der Bilanz ausgewiesene Reingewinn verteilt wird (OLG Hamburg Z H R 37, 551). Das gilt besonders auch in dem Falle, daß in die neu errichtete Gesellschaft ein bestehendes Unternehmen

439

§ 58 A n m . 30

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

eingebracht und von ihr weitergeführt wird. Ist als ihr Geschäftsjahr das Kalenderjahr bestimmt, so ist nach Ablauf des Kalenderjahrs, gleichviel, ob die A G erst kurzen Bestand gehabt hat, ein Jahresabschluß aufzustellen. Der Verteilung des in der Bilanz ausgewiesenen Bilanzgewinns steht das Gesetz nicht entgegen; ob die Hauptversammlung beschließt, ihn für das nächste Jahr vorzutragen, ist eine andere Frage. Unzulässig ist es aber, mit rückwirkender Kraft ein bereits abgeschlossenes Geschäftsjahr zu verlegen (RG DR 1942, 735; KGJ 53 A 99; O L G Hamburg J R 1925 Nr. 153; R F H JW 1929, 695») • A n m . 30 b ) Der Beschluß über die Gewinnverwendung Die Verwendung des Bilanzgewinns ist Sache der Hauptversammlung geblieben (§ 174). Diese Befugnis kann ihr durch die Satzung nicht entzogen werden. Die Hauptversammlung ist bei ihrer Entschließung nicht an den Vorschlag gebunden, den der Vorstand der Hauptversammlung zusammen mit dem Bericht des Aufsichtsrats vorzulegen hat (§§ 170 Abs. 2, 175 Abs. 2, 176 Abs. 1). Die Bindung der Hauptversammlung erstreckt sich nur auf den festgestellten Jahresabschluß (§ 174 Abs. 1 S. 2), sodaß sie nicht mehr zur Ausschüttung an die Aktionäre bringen kann, als in dem festgestellten Jahresabschluß als Bilanzgewinn ausgewiesen ist. Jedoch kann die Hauptversammlung sehr wohl einen geringeren Betrag als den Bilanzgewinn zur Ausschüttung bringen und damit Teile des Bilanzgewinns von der Verteilung unter die Aktionäre ausschließen. Abs. 4 nennt vier Fälle: aa) den Ausschluß durch Gesetz, bb) den Ausschluß durch Satzung, cc) den Ausschluß durch einen Hauptversammlungsbeschluß gem. Abs. 3 und schließlich dd) die Verwendung als zusätzlichen Aufwand. a a ) Was unter einem gesetzlichen Ausschluß von der Verteilung zu verstehen ist, bleibt unklar. Nicht darunter fallen kann der Fall, daß der festgestellte Jahresabschluß im Sinne des § 256 Abs. 1 nichtig ist, sodaß die etwa zu Unrecht im Jahresabschluß nicht gemachten Wertberichtungen und Rückstellungen nunmehr zulasten des Bilanzgewinns vorzunehmen wären. Wenn die Hauptversammlung der Uberzeugung ist, daß der ihr vorgelegte festgestellte Jahresabschluß nichtig sei, so kann sie daraus nur die Konsequenz ziehen, von einem Gewinnverwendungsbeschluß ganz abzusehen, weil es an seiner Voraussetzung, einem rechtswirksam festgestellten Jahresabschluß, fehlt. Sie kann aber nicht sich selbst nunmehr an die Stelle des Feststellungsorgans setzen und einen anderen Jahresabschluß feststellen oder auch nur die Abschreibungen und Rückstellungen, die ihrer Auffassung nach fehlen, von sich aus beschließen. Das widerspräche eindeutig der Bindung der Hauptversammlung an den fesgestellten Jahresabschluß. Entweder liegt ein rechtswirksam festgestellter Jahresabschluß nicht vor, dann bleibt nur die Vertagung des Gewinnverwendungsbeschlusses, bis ein rechtswirksamer Abschluß vorgelegt ist, oder aber es besteht die Bindung an dem vorgelegten Abschluß. Dann aber können unter einem gesetzlich begründeten Ausschluß der Gewinnausschüttung nur zur Zeit nicht existierende Gewinnausschüttungsverbote verstanden werden wie z. B. ein gesetzlicher Dividendenstop (vgl. Anleihestockgesetz v. 4. 12. 1934 RGBl. I 1222). bb) Unter einem satzungsmäßigen Ausschluß von der Verteilung können im Anschluß an die Ausführungen in Anm. 21 nur Satzungsbestimmungen verstanden werden, die einen Rücklagezwang vorschreiben. Der Hinweis von Geßler in BB 69, 235, hier habe der Gesetzgeber Beträge, wie die durch die Satzung festgesetzten Aufsichtsratsvergütungen im Auge gehabt, kann nicht richtig sein, da diese Beträge bereits im Jahresabschluß zurückgestellt werden müssen, oder wenn z. B. höhere Aufsichtsratsvergütungen zulasten des Bilanzgewinns beschlossen werden, „als zusätzlicher Aufwand" zu behandeln sind (vgl. dd)). c c ) Hinsichtlich des Hauptversammlungsbeschlusses gemäß Abs. 3 ist auf Anm. 22 bis 24 zu verweisen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß eine besondere satzungsmäßige Ermächtigung, von einer ganzen oder teilweisen Ausschüttung des ausgewie-

440

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 58 Anm. 31, 32 senen Reingewinns abzusehen, heute wegen der eindeutigen Bestimmung des Abs. 3 nicht mehr erforderlich ist. Damit ist auch die Entscheidung BGH 23, 150 in ihrem Grundtenor Makulatur geworden (Anm. 5). dd) Als zusätzlicher Aufwand gilt insbesondere der Körperschaftssteueraufwand bei einer über den Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstandes hinausgehenden Reservebildung (vgl. Anm. 22) oder auch eine zusätzliche Aufsichtsratsvergütung, die dadurch anfällt, daß die Hauptversammlung eine höhere Dividende als vom Vorstand vorgeschlagen, beschließt. Anm. 31 Die Hauptversammlung ist verpflichtet, ihren Beschluß über die Verteilung des ausgewiesenen Bilanzgewinns innerhalb der in § 175 Abs. 1 bezeichneten Frist zu fassen. Die Aktionäre haben darauf einen Anspruch; ihr Interesse an einer fristgemäßen Beschlußfassung beruht darauf, daß sie ohne einen solchen Beschluß den Anspruch auf ihren Gewinnanteil noch nicht haben (Anm. 28). Verzögert die Hauptversammlung den Gewinnverteilungsbeschluß über Gebühr oder weigert sie sich gar, einen solchen zu fassen, so kann der einzelne Aktionär die Gesellschaft auf Herbeiführung eines solchen Beschlusses verklagen. Die Bedenken, die Brodmann § 213 Anm. 5 b mit dem Hinweis vorbringt, nicht die Gesellschaft, sondern die Hauptversammlung als ihr Organ sei in diesem Fall verpflichtet, sind, wie schon Ritter § 52 Anm. 4 e betont hat, unbegründet. Denn in allen Fällen sind die Verpflichtungen einer juristischen Person notwendigerweise durch ein Verhalten ihrer Organe, die gerade dazu da sind, zu erbringen. Die Klage ist eine Leistungsklage, und zwar darauf gerichtet, daß die Gesellschaft durch ihre Hauptversammlung den Gewinnverwendungsbeschluß herbeiführt. Die Vollstreckung eines der Klage stattgebenden Urteils muß dann nach § 888 ZPO, nicht etwa nach § 894 ZPO erfolgen (ebenso Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. I I I 1 S. 292, 391; Ritter §52 Anm. 4e; Baumbach-Hueck Rn. 19). Anm. 32 3. Die Rechtsnatur des Anspruchs Hat die Hauptversammlung den Beschluß über die Ausschüttung des ausgewiesenen Bilanzgewinns gefaßt und den Gewinnanteil festgesetzt, so ist damit der Anspruch des einzelnen Aktionärs auf den Gewinnanteil entstanden. Dieser Anspruch ist ein reines Gläubigerrecht (BGH 7, 264; BGH 23, 154; herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M. Coenen DB 58, 328 fr.). Er ist kein „Sonder"recht eines einzelnen Aktionärs oder einer Gruppe von Aktionären; auch bedarf er zu seiner Entstehung nicht wie bei der Begründung eines echten Sonderrechts einer Zustimmung der insoweit benachteiligten Aktionäre (Rob. Fischer Anm. bei L M Nr. 1 zu § 51 GenG). Die Tatsache allein, daß dieser Anspruch aus dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre erwachsen ist, genügt für die Annahme eines Sonderrechts nicht; vielmehr muß das Sonderrecht mit dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht unauflöslich verbunden sein, weil es dieses notwendigerweise fiir seinen weiteren Bestand voraussetzt. Der Anspruch ist abtretbar, pfandbar und verpfandbar (RG 98, 320). Auch im voraus kann er abgetreten werden. Er kann nach seiner Entstehung nicht mehr durch irgendwelche Maßnahmen (Beschlüsse) der AG in seinem Bestand oder in seinem Umfang beeinträchtigt werden (RG 87, 386; BGH 23, 154). Das folgt ohne weiteres aus dem Umstand, daß dieser Anspruch mit seiner Entstehung ein reines Gläubigerrecht geworden ist. Ein Hauptversammlungsbeschluß, der gleichwohl in den Bestand dieses Anspruchs einzugreifen sucht, ihn in seinem Umfang mindert oder in seinem Inhalt sonstwie ändert, ist völlig wirkungslos. Der Anfechtung eines solchen Beschlusses bedarf es daher nicht; der berechtigte Aktionär kann ohne weiteres auf Zahlung des ihm zustehenden Gewinnanteils klagen (RG 87, 386). Für die Durchsetzung des Anspruchs ist es auch ohne Belang, ob die AG inzwischen (in dem laufenden Geschäftsjahr) Verluste erlitten hat und den Gewinnanteil daher nur noch zuLasten des Grundkapitals auszahlen könnte. Eine Schutzvorschrift wie die des § 30 GmbHG 29

Aktiengesetz I, 3. Aufl.

441

§58

Anm. 33, 34

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

gibt es im Aktienrecht nicht. Hier wird der notwendige Schutz der Gläubigerinteressen zum Zweck der Erhaltung der Vermögenssubstanz durch die im allgemeinen weitergehende Vorschrift des § 57 Abs. 1 S. 1 (vgl. § 57 Anm. 3) gewährleistet; diese greift aber hier nicht ein, weil die Auszahlung eines ordnungsgemäß festgestellten Gewinnanteils niemals Rückzahlung einer Einlage ist. Anders liegt es nur, wenn sich ein solcher Verlust schon vor dem Verwendungsbeschluß herausstellt. In einem solchen Fall muß der Jahresabschluß berichtigt werden, was keinem rechtlichen Bedenken begegnet, solange die Verwendung des Bilanzgewinns noch nicht beschlossen ist. Das alles entspricht allgemeiner Auffassung im Schrifttum. Der Anspruch auf den Gewinnanteil ist im Konkurs der A G — auch dieses ist eine an sich selbstverständliche Folge aus der Rechtsnatur dieses Anspruchs — eine gewöhnliche Konkursforderung, die also gleichberechtigt neben anderen nicht bevorrechtigten Forderungen sonstiger Gesellschaftsgläubiger geltend gemacht werden kann (a. M. insoweit Brodmann § 213 Anm. 5 b). Ein „Bonus", der bisweilen über die Dividende hinaus verteilt wird, ist seinem Wesen nach nicht von der Dividende verschieden. Auch er darf nur aus dem Reingewinn gezahlt werden. Die Bezeichnung soll andeuten, daß es sich nur um eine einmalige Mehrausschüttung handelt, die nicht auf eine dauernde Erhöhung der Dividende schließen läßt. Ist der Verwendungsbeschluß rechtskräftig für nichtig erklärt worden (§ 48), so verliert damit der Anspruch auf den Gewinnanteil seine rechtliche Grundlage. Das muß im Fall der Abtretung auch der Erwerber gegen sich gelten lassen; er kann sich nur an den Veräußerer halten (§ 437 BGB). Ist aber der Gewinnanteil schon ausgezahlt, so schützt den gutgläubigen Empfänger § 62 Abs. 1 S. 2.

Anm. 33 4. Der Inhalt des Anspruchs Der Anspruch auf den Bilanzgewinn ist auf Zahlung in barem Geld gerichtet, er ist ein reiner Geldanspruch. Die Gesellschaft kann daher den berechtigten Aktionär nicht ohne weiteres mit anderen Werten abfinden. Sie kann das grundsätzlich nur tun, wenn der Aktionär damit einverstanden ist. Ob aus der in Abs. 3 verankerten Befugnis der Hauptversammlung, weitere Beträge in Rücklage zu stellen, zu folgern ist, daß sie auch befugt ist, die Gewinnausschüttung anders als in barem Geld zu beschließen (so Vorauf!. § 52 Anm. 30), erscheint zweifelhaft. Es mag sein, daß eine Abgeltung der Dividende in Sachwerten ein Mehr gegenüber einem Ausfall der Dividende infolge entsprechender Rücklagebildung ist. Aber einmal würde ein Beschluß auf Auszahlung einer Sachwertdividende, da er keine Bardividende von 4 % freiläßt, wohl mit § 254 kollidieren, zum anderen hat sich entsprechend der allgemeinen Handhabung doch wohl auch der Gesetzgeber die Gewinnausschüttung als Barzahlung vorgestellt. Dagegen wird nichts entgegenstehen, dem Aktionär die Wahl zwischen Geld und anderen Vermögenswerten, z. B. eigenen Aktien der Gesellschaft zu lassen (Baumbach-Hueck Rn. 21). Uber den zu dem der Gewinnanteil auszuzahlen ist, trifft das Gesetz in Ubereinstimmung mit dem bisherigen Recht keine ausdrückliche Bestimmung. Aus § 58 ist aber, ebenso wie bisher aus § 213 HGB, zu entnehmen, daß die Aktionäre Anspruch auf sofortige Auszahlung haben, sobald diese nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang möglich ist. Soweit jedoch die Hauptversammlung gemäß Abs. 3 freie Hand hat, den Bilanzgewinn überhaupt nicht auszuschütten, liegt darin als das Mindere auch die Ermächtigung, die Verteilung hinauszuschieben. Auch hier kann aber § 254 eingreifen, der dem allgemeinen Brauch entsprechend, wohl von einer sofort falligen Dividende ausgeht.

Anm. 34 5. Die Verjährung des Anspruchs Der Anspruch auf den ausgeschütteten Bilanzgewinn verjährt, wenn kein Gewinnanteilschein auf den Inhaber ausgegeben ist, in 30 Jahren (§ 195 BGB). Das ist in R G 88, 46 — allerdings nur für den Gewinnanteil eines Gesellschafters, nicht eines Ak-

442

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 58

Anm. 35, 36

tionärs — mit der überzegenden Begründung angenommen worden, daß Gewinnanteile keine regelmäßig wiederkehrenden Leistungen sind, der Gewinnanteil auch in § 197 BGB im Gegensatz zu § 101 Nr. 2 BGB (vgl. R G Gruch. 52, 1093) nicht genannt ist, und daß die beiden Vorschriften verschiedenen Rechtsgebieten angehören. Ist ein Gewinnanteil auf den Inhaber ausgestellt, so gelten die besonderen Vorschriften des § 801 BGB. Er muß innerhalb der Vorlegungsfrist von 4 Jahren, die mit dem Schluß des Fälligkeitsjahres beginnt, vorgelegt, oder es muß der Anspruch in dieser Zeit gerichtlich geltend gemacht werden. Die Frist ist eine Ausschlußfrist. Ist sie ohne Vorlegung oder gerichtliche Geltendmachung verstrichen, so ist der Anspruch erloschen. Ist die Frist gewahrt, so verjährt der Anspruch vom Ende der Vorlegungsfrist in 2 Jahren. Dauer und Beginn der Vorlegungsfrist können von der A G im Gewinnanteilschein auch andere bestimmt werden. Einer Satzungsbestimmung bedarf es dazu nicht, wie überhaupt die ganze Einrichtung der Gewinnanteilscheine nicht in der Satzung vorgesehen zu sein braucht; selbstverständlich können aber diese Dinge in der Satzung geregelt werden. Die Vorlegungsfrist kann kürzer oder länger bestimmt, aber nicht ausgeschlossen werden. Manchmal heißt es in der Satzung falschlich, daß die Gewinnanteile in 4 Jahren „verjähren", während in Wirklichkeit damit die Vorlegungsfrist gemeint ist. Der Verlust des Rechts ist nicht davon abhängig, daß die Versäumung der Ausschlußfrist verschuldet ist.

V. Der Gewinn- und der Erneuerungsschein Anm.^35 1. Der Gewinnschein Über den Anspruch auf den Bilanzgewinn pflegt ein Wertpapier ausgestellt zu werden, der Gewinn-(Dividenden-) schein. Notwendig ist die Ausgabe solcher Scheine nicht ( O L G Hamburg L Z 1917, 1103 11 ), die Geltendmachung des Anspruchs kann von der A G auch an die Vorlegung der Aktienurkunde geknüpft werden. O b Gewinnscheine auszugeben sind, bestimmt die Satzung, mangels einer Satzungsvorschrift der Vorstand. Die Satzung kann die Bestimmung darüber auch dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung übertragen, denn es handelt sich dabei nicht um eine Frage der Geschäftsführung ( § 1 1 1 Abs. 4, § 119 Abs. 2), sondern um das Verhältnis der A G zu ihren Mitgliedern (W. Schmidt, Umgestaltung der Satzungen der A G S. 125). Die Gewinnscheine sind heute so üblich, daß der Aktionär sie im Zweifel, also beim Fehlen entgegenstehender Bestimmungen in der Satzung, von der A G verlangen kann (Ritter §'52 Anm. 5; Baumbach-Hueck Rn. 25; a. M . Godin-Wilhelmi Anm. 12).

Anm. 36 a ) Die Rechtsnatur des Gewinnscheins Der Gewinnschein lautet nach allgemeiner Übung auf den Inhaber, auch bei Namensaktien. Ein Wertpapier ist er, weil seine Vorlegung, wenn er ausgestellt ist, zur Ausübung des Rechts notwendig ist, und weil sich andererseits die A G von ihrer Schuld,'abgesehen von dem Fall, daß der Schein nach § 804 BGB seine Wirkung verloren hat, 'nur gegen seine Rückgabe befreit. Der Schein ist daher kein Legitimationspapier. Läßt die A G den Schein in den Händen des Empfangers der Zahlung, so muß sie, wenn dieser den Schein weiterveräußert, dem Erwerber nochmals Zahlung leisten, es sei denn, daß sie ihm wegen Unredlichkeit die Einrede unerlaubter Rechtsausübung (§ 826 BGB) entgegensetzen kann. Der Gewinnschein wird unter den Vorschriften des BGB über Schuldverschreibungen auf den Inhaber mehrmals genannt (§§ 799, 801, 804 BGB). Er ist aber keine Schuldverschreibung auf den Inhaber in dem Sinne, daß für ihn die Beschränkung der Einwendungen nach § 796 BGB ausnahmslos gelte. Denn außer den daselbst als zulässig genannten Einwendungen, — die die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder der A G unmittelbar gegen den Inhaber zustehen — , muß der Inhaber sich auch solche Einwendungen entgegenhalten lassen, 29*

443

§58 Anm. 37, 38

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

die sich aus dem Aktienrecht ergeben. Dahin gehört der Einwand, daß die Aktie vor dem Verteilungsbeschluß kaduziert (§64 Abs. 3), das Mitgliedrecht also schon vorher erloschen gewesen, die Aktienurkunde nach § 72 (vgl. Abs. 2 das.) vor Fälligkeit des Scheins für kraftlos erklärt oder der Verteilungsbeschluß nichtig sei (Anm. 32). Mit Forderungen, die nicht mit der Mitgliedschaft zusammenhängen, kann die AG jedoch nicht aufrechnen; insoweit schützt den Inhaber § 796 BGB (ebenso Brodmann § 213 Anm. 5 c ; weitergehend Ritter § 52 Anm. 5 und Baumbach-Hueck Rn. 26, die die Anwendung des § 406 BGB überhaupt ausschließen, also jede Aufrechnung als unzulässig ansehen). Weil dem Inhaber der Schutz des § 796 BGB nicht im vollen Umfang gewährt wird, hat man den Gewinnanteilschein ein „Inhaberpaier im weiteren Sinne" genannt (RG 77, 335; 82, 145; K G DNotZ 1926, 28). Der Gewinnanteilschein lautet auch nicht auf eine bestimmte Geldsumme, da der Betrag des Anspruchs von dem jeweiligen Verteilungsbeschluß abhängt. Es bedarf daher für die Ausstellung von Gewinnanteilscheinen keiner staatlichen Genehmigimg nach § 795 BGB. Der Gewinnanteilschein bedarf auch keiner Unterschrift (vgl. KG DNotZ 1926, 28). Auf gestohlene, verlorengegangene oder sonst abhanden gekommene Gewinnanteilscheine ist § 935 Abs. 2 BGB anwendbar. Sie können also gutgläubig erworben werden, nach § 367 Abs. 3 HGB mit der daselbst bestimmten Einschränkung selbst von einem Bankier. Ein Aufgebotsverfahren ist ausgeschlossen (§ 799 BGB; a. M. v. Rothenburg, Inhaberaktie und Namensaktie im deutschen und amerikanischen Recht 1967, S. 2i7f. für den Fall, daß Dividendenscheinbogen oder eine große Zahl von Dividendenscheinen verlorengeht). Statt dessen kann aber nach § 804 BGB, wenn ein Gewinnanteilschein abhanden gekommen oder vernichtet ist, der bisherige Inhaber des Scheins der AG den Verlust innerhalb der vierjährigen Vorlegungsfrist (§ 801 Abs. 2 BGB) anzeigen und dann nach Ablauf der Frist den Anspruch geltend machen, wenn der Schein nicht innerhalb der Frist der AG vorgelegt oder der Anspruch gegen sie gerichtlich geltend gemacht worden ist. Die AG kann übrigens, wenn sie dem Vorleger des Scheins unredlichen Erwerb nachweisen kann, nach § 242 BGB nicht mit befreiender Wirkung an ihn zahlen.

Anm. 37 b ) Die Veräußerung des Gewinnscheins Der Gewinnanteilschein ist ebenso wie der Anspruch, den er verbrieft, selbständig ohne die Aktie veräußerlich, wie auch umgekehrt die Aktie ohne ihn. Der Inhaber gilt der AG gegenüber als Gläubiger des Anspruchs (RG 4, 142 oben; 77, 335). Wird der Schein vor dem Verteilungsbeschluß veräußert, so hat, da er keinerlei Mitgliedrecht überträgt, beim Verteilungsbeschluß der Aktionär, nicht der Inhaber des Scheins mitzuwirken (RG 15, 99; OLG Hamburg Bauer, 20, 108). Der Aktionär, nicht der Inhaber des Scheins kann den Beschluß, wenn dieser anfechtbar ist, anfechten (RG 14, 170; 98, 320). Andererseits kommt die eingetretene Unantastbarkeit des Anspruchs (Anm. 32) dem Inhaber des Scheins ebenso zugute, wie sie dem Aktionär zugute kommen würde, wenn er den Schein nicht veräußert hätte (RG 22, 114). Anm. 38 c ) Der Gewinnschein bei Übertragung der Aktie Wird die Aktie veräußert, so geht mit dem Eigentum an der Aktie nicht ohne weiteres auch das Eigentum am Gewinnanteilschein über (RG 77, 335); es bedarf für diesen der Einigung und Mitübergabe (oder eines Ubergabeersatzes, §§ 929ff. BGB). Auch wenn die Aktie verpfändet wird, ist der Gewinnanteilschein nur dann mitverpfandet, wenn er mitübergeben wird (§ 1296 BGB). Beim Nießbrauch ist es anders; da der Nießbraucher ohne weiteres Gläubiger des Anspruchs auf den Gewinnanteil ist (§§ 954, 1030, 1068 BGB; R G Holdheim 25, 204), so ist er auch Eigentümer des Gewinnanteilscheins (§ 952 BGB), auch ohne daß dieser ihm übergeben wird; er kann ihn herausverlangen

444

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 58 Anm. 39 §59 (§ 1081 Abs. I Satz 2 BGB). Zwischen dem Nießbraucher und dem Aktionär gilt für die Frage, von wann ab dem einen oder andern der Gewinnanteil gebührt, §101 Nr. 2 BGB: es findet eine Teilung pro rata temporis statt, auf den Zeitpunkt des Verteilungsbeschlusses der Hauptversammlung kommt es nicht an (RG J W 1913, 1931; Gruch. 52, 1093). Bei der Veräußerung der Aktie wird aber nach Börsenbrauch nicht in dieser Weise geteilt. Vielmehr behält im Zweifel der Verkäufer die bereits falligen Gewinnanteilscheine, die noch nicht fälligen hat er dem Käufer zu liefern, die noch nicht festgesetzte Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr gilt als durch den Kaufpreis mitabgegolten. Als Zubehör der Aktie sind die Gewinnanteilscheine nicht anzusehen, weil sie nicht dem wirtschaftlichen Zweck der Aktienurkunde zu dienen bestimmt sind (Ritter §52 Anm. 5; Baumbach-Hueck Rn. 26). Auf das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft ist daher § 314 BGB nicht anwendbar. Ist die Aktie Gegenstand eines Vermächtnisses, so ist nach § 2184 BGB anzunehmen, daß die Dividende für die bis zum Tode des Erblassers abgelaufene Zeit dem Erben, für die spätere dem Vermächtnisnehmer gebührt.

Anm. 39 2. Der Erneuerungsschein Die Gewinnanteilscheine werden meistens in Form von Bogen ausgegeben, an denen die einzelnen Scheine („Coupons") abtrennbar sind. Das Hauptpapier, die Aktienurkunde, pflegt man im Gegensatz zu den Bogen den „Mantel" zu nennen. Den Schluß des Bogens pflegt der „Emenerungsschein" oder „Talon" zu bilden, gegen dessen Vorlegung ein neuer Bogen ausgegeben wird. Der Erneuerungsschein ist kein Wertpapier, sondern nur ein Legitimationspapier (RG 3, 154; 31, 147; 74, 341). Die AG kann gegen Vorlegung des Erneuerungsscheins einen neuen Bogen avisgeben, ohne daß sie die Berechtigung des Inhabers zu prüfen braucht. Aber ein Recht auf Aushändiging eines neuen Bogens wird man dem Inhaber des Erneuerungsscheins nicht zugestehen können (so jetzt allgemeine Ansicht im Schrifttum), da schon der einfache Widerspruch des Besitzers der Haupturkunde genügt, der Ausgabe des neuen Bogens an den Inhaber des Erneuerungsscheins die befreiende Wirkung zu nehmen (§ 75, vgl. für Zins- und Rentenscheine § 805 BGB; RG 77, 336; in LZ 1916, 10071). Weil der Erneuerungsschein kein Wertpapier ist, kann er nicht selbständig veräußert oder verpfändet werden (KG 3, I 55» 4> '4*5 74> 34 1 ) " > das Eigentum an ihm steht demjenigen zu, der berechtigt ist, den neuen Bogen zu fordern (§ 952 BGB). In der Ubergabe des Erneuerungsscheins kann aber die stillschweigende Abtretung dieses Rechts liegen. Zubehör der Aktienurkunde ist der Erneuerungsschein so wenig wie der Gewinnanteilschein (Anm. 38); § 314 BGB ist daher auch auf den Erneuerungsschein nicht anwendbar. In der Regel wird aber anzunehmen sein, daß der Verkäufer der Aktie dem Käufer mit den diesem gebührenden Gewinnanteilscheinen (Anm. 37) auch den Erneuerungsschein zu liefern hat. Mit der Kraftloserklärung der Aktienurkunde verliert der Erneuerungsschein jede Bedeutung (§ 72 Abs. 2). Er selbst kann nicht für kraftlos erklärt werden.

§

5 0

A b s c h l a g s z a h l u n g auf den B i l a n z g e w i n n

(1) Die Satzung kann den Vorstand ermächtigen, nach Ablauf des Geschäftsjahrs auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn einen Abschlag an die Aktionäre zu zahlen. (2) Der Vorstand darf einen Abschlag nur zahlen, wenn ein vorläufiger Abschluß für das vergangene Geschäftsjahr einen Jahresüberschuß ergibt. Als Abschlag darf höchstens die Hälfte des Betrags gezahlt werden, der von dem Jahresüberschuß nach Abzug der Beträge verbleibt, die nach Gesetz oder

445

§ 59

Anm. 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Satzung in offene Rücklagen einzustellen sind. Außerdem darf der Abschlag nicht die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns übersteigen. ¡«V (3) Die Zahlung eines Abschlags bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats. Übersicht: Anm,

1.Einleitung 2. Voraussetzungen der Abschlagszahlung a) Ablauf des Geschäftsjahres b) Satzungsmäßige Zulassung c) durch vorläufigen Abschluß ausgewiesener Jahresüberschuß d) Vorstandsentscheidung e) Aufsichtsratszustimmung

i 2 3 4 5 6

Asm. 3. Höhe der Abschlagszahlung a) Hälfte d. vorläufig. Jahresüberschusses 7 b) Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns 8 4. Rechtsfolgen a) Gläubigeranspruch des Aktionärs auf Auszahlung 9 b) Rückzahlungspflicht bei geringerer Schlußdividende? 10 c) Haftung der Verwaltungsorgane 11

Anm. 1 1. Einleitung Diese in das System der Kapitalsicherung'des deutschen Aktiengesetzes nicht so ganz hineinpassende Vorschrift ist in das A k t G 65 neu aufgenommen worden, weil man glaubte, die nur einmal im J a h r erfolgende Dividendenausschüttung benachteilige den Aktionär gegenüber dem Inhaber einer festverzinslichen Schuldverschreibung. Auch das amerikanische Aktienwesen, das mit Zwischendividenden gute Erfahrungen gemacht hat, wirkte als Pate. Die Zweckmäßigkeit der Bestimmung w a r bereits in den Ausschußberatungen umstritten. Die mit den Abschlußzahlungen entstehenden zusätzlichen Arbeiten und Kosten, die Tendenz, bei Obligationen auf eine einmalige Jahreszahlung zu kommen, sowie die Befürchtung, daß die Bestimmung in der Praxis keine Bedeutung erlangen werde, wurden gegen sie ins Feld geführt. Wenn die Bestimmung trotzdem in das Gesetz aufgenommen wurde, so deshalb, weil man das deutsche Aktiengesetz durch eine vielleicht doch einmal interessant werdende Möglichkeit bereichern wollte, die keinem Schaden zufügt und keine Gesellschaft irgendeinem Z w a n g unterwirft. Da die Kapitalsicherung des deutschen Aktienrechts auf der Vorschrift des § 58 Abs. 5 aufbaut, vor Auflösung der Gesellschaft an die Aktionäre nur den Bilanzgewinn zur Verteilung zu bringen, ist die Abschlagsdividende im früheren Recht zutreffend als unzulässig angesehen worden (vgl. Vorauf!. § 54 A n m . 3 ; R G Z 107, 168). Sie erfordert Ausschüttungen vor Feststellung des Jahresabschlusses, gibt also keine unbedingte Garantie, daß der vorweg ausgeschüttete Betrag sich im R a h m e n des endgültig festgestellten Bilanzgewinns hält; außerdem verschiebt die Ausschüttung einer Abschlagsdividende die Zuständigkeit zur Gewinnausschüttung von der Hauptversammlung auf die Verwaltung. Es ist deshalb verständlich, daß die Zulassung einer Abschlagsdividende unter strenge Voraussetzungen gestellt ist, die einmal sichern sollen, daß die A b schlagszahlung den zu erwartenden Bilanzgewinn nicht übersteigt, und die zum anderen auch eine indirekte Mitwirkung der Hauptversammlung verlangt. I n der Praxis der Publikumsgesellschaften hat sich die Abschlagsdividende bisher nicht durchgesetzt. A u c h die von der Deutschen und Dresdner Bank im Anschluß an A k t G 65 herausgegebenen Mustersatzungen sind skeptisch und meinen, das mit erheblichem Arbeits- und Zeitaufwand verbundene Verfahren einer Abschlagszahlung stehe außer Verhältnis zum Nutzen der Aktionäre; nur eine der beiden Mustersatzungen macht einen formulierten Vorschlag. Dagegen hat die Möglichkeit der Abschlagszahlung eine gewisse Bedeutung bei Aktiengesellschaften erhalten, die sich im Besitz

446

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 59 A n m . 2—4 einer Familie oder einiger weniger Personen befinden. Hier scheut man heute den früher bisweilen üblichen Vorschuß auf die Dividende, wenn er satzungsmäßig nicht gedeckt ist, und zwar einmal, weil er von der Steuerbehörde als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen werden könnte, und zum anderen, weil das Privileg des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes gemäß § 19 Abs. 3 KStG eine „den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende" Gewinnverteilung erfordert. Anm. 2 2. Die Voraussetzungen für eine Abschlagsdividende sind wegen der gegen sie möglichen Bedenken vom Gesetz sehr scharf gefaßt. a ) Erste Voraussetzung für eine Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn ist der Ablauf des Geschäftsjahres, für das der Gewinn ausgeschüttet wird. Auf den im laufenden Geschäftsjahr zu erwartenden Gewinn kann also in keinem Fall eine Abschlagszahlung erfolgen. Der Grund liegt darin, daß vor Ende eines Geschäftsjahres eine halbwegs sichere Aussage über den Bilanzgewinn unmöglich ist, da bis Ende des Geschäftsjahres Ereignisse eintreten können, die auch noch so berechtigte Gewinnerwartungen zunichte machen. Unter „Geschäftsjahr" ist auch hier nicht das Kalenderjahr oder ein zusammenhängender Zeitraum von 12 Monaten verstanden (§58 Anm. 29); auch für kürzere Geschäftsjahre, die bei Gründung einer Gesellschaft oder Verlegung des Geschäftsjahres entstehen, können nach Ablauf Abschlagszahlungen vorgenommen werden. Anm. 3 b ) Die weitere Voraussetzung ist, daß die Satzung die Verwaltung ermächtigt, einen Abschlag zu zahlen. Dieses Erfordernis begründet eine mittelbare Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Abschlagszahlung; denn wenn sie in die Satzung keine Ermächtigung für eine Abschlagszahlung aufnimmt, ist die Zahlung wegen Verstoßes gegen § 58 Abs. 5 nichtig. Damit wird das für die Gewinnverwendung zuständige Organ der AG mittelbar in die Zulassung einer Abschlagsdividende eingeschaltet. Die Einschaltung erfordert aber eine satzungsmäßige Ermächtigung, die entweder in dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag enthalten oder durch eine spätere Satzungsänderung eingefügt sein muß. Eine Ermächtigung durch einfachen Beschluß der Hauptversammlung reicht nicht aus. Die Satzungsbestimmung muß auch eine Ermächtigung sein; ein Zwang zur Abschlagszahlung kann nicht eingeführt werden. Er wäre nichtig; seine im Wege einer gesetzeskonformen Auslegung erfolgende Umdeutung in eine Ermächtigung mag möglich, braucht es aber nicht in jedem Fall zu sein. Die in die Satzung aufgenommene Ermächtigung kann jederzeit durch einen neuen satzungsändernden Beschluß wieder beseitigt werden. Die satzungsmäßige Ermächtigung an die Verwaltung zur Zahlung einer Abschlagsdividende kann die Voraussetzungen für die Zahlung zwar enger, nicht aber weiter als in § 59 ziehen. Es kann z. B. bestimmt werden, daß der Abschlag nicht ein Drittel des vorjährigen Bilanzgewinns übersteigen darf oder daß die Abschlagszahlung einer Bestätigung des Abschlußprüfers bedarf. Denn wenn die Satzung eine dem § 59 entsprechende Ermächtigung erteilen darf, liegt in einer gegenüber dem § 59 eingeschränkten Ermächtigung nur ein durchaus zulässiges Minus. Dagegen kann die Satzung nicht bestimmen, daß ein vorläufiger Abschluß nicht erforderlich sei, daß die Abschlagszahlung bereits im laufenden Jahre erfolgen könne oder daß nicht nur die Hälfte sondern zwei Drittel des vorjährigen Bilanzgewinns als Abschlag gezahlt werden dürften. Das wäre eine erweiternde Abweichung von § 59, die nicht zugelassen ist (§ 23 Abs. 4). Anm. 4 c) Ein Abschlag ¡darf nur gezahlt werden, wenn ein vorläufiger Abschluß vorliegt und einen Jahresüberschuß ergibt. Abschluß bedeutet Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung. Er muß vorläufig erstellt sein, wobei selbstverständlich die Bewertungs447

§ 59 A n m . 5—7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Vorschriften der §§ 152 fr. beachtet sein müssen. Nicht erforderlich ist, daß es sich bereits um den gemäß § 148 den Abschlußprüfern vorzulegenden Abschluß handelt. Auch wenn die Inventur noch nicht bis ins letzte fertiggestellt ist, wenn noch nicht alle offenstehenden Bewertungs-, Rückstellungs- und Abschreibungsfragen endgültig entschieden sind, können die dem Jahresabschluß entsprechenden Berechnungen bis zum Ende durchgeführt sein und einen vorläufigen Abschluß ergeben. Ein Geschäftsbericht ist selbstverständlich nicht erforderlich, auch keine vorläufige Prüfung durch die Abschlußprüfer, es sei denn, daß die satzungsmäßige Ermächtigung eine derartige vorläufige Prüfung erfordert (Anm. 3). Die Errechnung eines reinen Betriebsertrages reicht nicht aus, ebensowenig eine Schätzung des voraussichtlichen Jahresüberschusses. Der vorläufige Abschluß muß weiterhin einen Jahresüberschuß ergeben. Hiermit ist das Gliederungsschema des § 157 angezogen und der Posten angesprochen, der sich dort unter Ziff. 28 ergibt. Die Position 29 bis 31 des § 157 sind nicht zu berücksichtigen, sie wirken sich — allerdings nur hinsichtlich der Ziff. 31 — erst bei der Höhe des zulässigen Abschlages aus (vgl. Anm. 7). Der Gewinnvortrag ist also nicht einzubeziehen, insbesondere auch nicht ein Verlustvortrag, letzteres deshalb, weil er gemäß Abs. 2 S. 3 sowieso die Zahlung eines Abschlages ausschließt; denn wenn das Vorjahr einen Verlustvortrag aufweist, kann ein Bilanzgewinn nicht vorhanden gewesen sein. Aus der Entnahme aus Rücklagen soll der Abschlag nicht gedeckt werden, was sich daraus rechtfertigt, daß die Entscheidung über die Auflösung von offenen Rücklagen eine bilanzpolitische Entscheidimg ist, die üblicherweise erst bei der endgültigen Gestaltung des Jahresabschlusses getroffen wird. Für die in Position 31 vorgesehenen Einstellungen in die Rücklagen gilt ähnliches; soweit sie allerdings durch Gesetz oder Satzung vorgeschrieben sind (§ 150 Abs. 2 Ziff. 1; § 58 Abs. 111.4; vgl. § 58 Anm. 11 u. 21), sind sie bei der Berechnung der zulässigen Höhe des Abschlags zu berücksichtigen (Abs. 2 S. 2). Anm. 5 d ) Eine Abschlagszahlung setzt immer eine entsprechende Entscheidung des Vorstandes voraus. Der Anspruch der Aktionäre auf eine Abschlagsdividende kann also nie ohne den Willen des Vorstandes entstehen. Er hat unter eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1) zu entscheiden, ob er eine Abschlagszahlung leisten will oder nicht. Dabei ist er keinem Zwang unterworfen und kann einem derartigen Zwang auch durch die Satzimg nicht unterworfen werden. Er hat also nicht nur die gesetzlichen und ggf. auch die zusätzlichen satzungsmäßigen (Anm. 3) Voraussetzungen für eine Abschlagszahlung zu prüfen, sondern auch ihre Zweckmäßigkeit. Läßt die Liquiditätslage der Gesellschaft eine Abschlagszahlung entweder nicht zu oder auch nur bedenklich erscheinen, so muß er im Rahmen seiner Verantwortung von der Ausnutzung der satzungsmäßigen Ermächtigung absehen. Er wird auch die der Gesellschaft durch die Abschlagszahlung entstehenden Kosten berücksichtigen müssen, so daß von der etwa möglichen Abschlagszahlung wegen ihrer geringen Höhe auch im Hinblick auf die entstehenden Arbeiten und Kosten abgesehen werden kann. Anm. 6 e ) Schließlich bedarf die Zahlung eines Abschlags noch der Zustimmung des Aufsichtsrats. Der Vorstand hat also, wenn er eine Abschlagsdividende zahlen will, vorher die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Auch dieser ist bei seiner Entscheidung frei. Einem Aufsichtsratsausschuß kann die Zustimmung zur Abschlagsdividende wegen § 107 Abs. 3 S. 2 nicht überlassen werden; es muß vielmehr der gesamte Aufsichtsrat entscheiden. Anm. 7 3. Vorstand und Aufsichtsrat sind, auch wenn die Voraussetzungen für eine Abschlagsdividende vorliegen, in der Bestimmung ihrer Höhe nicht frei, sondern einer zweifachen Grenze unterworfen.

448

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 59 A n m . 8, 9 a ) Einmal darf die Abschlagsdividende nicht größer sein als 5 0 % des sich aus dem vorläufigen Jahresabschluß ergebenden Jahresüberschusses, der um die Beträge zu mindern ist, die nach Gesetz oder Satzung in offene Rücklagen einzustellen sind. Der Jahresüberschuß (§ 157 Ziff. 28) ist also einmal zu mindern, um die Einstellung in die gesetzliche Rücklage (§ 150 Abs. 2 Ziff. 1) und um die Einstellungen, die satzungsmäßig, sei es gemäß § 58 Abs. 1, sei es gemäß § 58 Abs. 3 und 4 (§ 58 Anm. 21 und 30) vorgeschrieben sind. Auch soweit satzungsmäßig eine anderweite Verwendung des Bilanzgewinns gemäß § 58 Abs. 3 vorgesehen ist, sind die entsprechenden Beträge vom vorläufigen Jahresüberschuß in Abzug zu bringen. Andernfalls könnte ja die Verwaltung eine satzungsmäßige Bestimmung, die z. B. 9 0 % des Bilanzgewinns einer gemeinnützigen Organisation zuspricht (§ 58 Anm. 21), zu einem erheblichen Teil illusorisch machen. Soweit für derartige Gewinnverwendungen nur eine satzungsmäßige Ermächtigung der Hauptversammlung vorliegt, wird sich die Verwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen zu fragen haben, inwieweit voraussichtlich, insbesondere nach der Handhabung der früheren Jahre die Hauptversammlung von einer derartigen Ermächtigung Gebrauch machen wird. Jedenfalls muß sie bei der Bemessung der Höhe der Abschlagsdividende sorgfaltig vermeiden, eine Präjudizierung des Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung herbeizuführen. Wie Godin-Wilhelmi Anm. 5 zutreffend betonen, sollte die Verwaltung die Höhe der Abschlagsdividende nach der Hälfte des Betrages bemessen, den die Hauptversammlung voraussichtlich als Gesamtdividende ausschütten wird. Anm. 8 b ) Zum anderen darf die Abschlagsdividende gemäß Abs. 2 S. 3 nicht höher sein als die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns. Es kommt bei dieser Beschränkung nicht auf die Dividende des Vorjahres an, sondern auf den dem vorjährigen Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung zugrunde liegenden Bilanzgewinn (§ 157 Ziff. 32). Auch wenn die Hauptversammlung im Vorjahr aus dem Bilanzgewinn keine Ausschüttung beschlossen hat, wird dadurch im nächsten J a h r die Ausschüttung einer Abschlagsdividende nicht ausgeschlossen; wohl aber wenn das Vorjahr mit einem Bilanzverlust geendet hat. Bemessungsgrundlage ist ausschließlich der der Hauptversammlung zur Verfugung stehende Bilanzgewinn. Allerdings wird man auch hier wieder gesetzoder satzungsmäßige Bestimmungen über den Ausschluß von der Verteilung unter die Aktionäre gemäß § 58 Abs. 4 zu berücksichtigen haben; denn die Basis des Abs. 2 S. 3, daß die Hauptversammlung über den Bilanzgewinn frei zur Ausschüttung unter die Aktionäre verfügen kann, gilt nur bedingt (vgl. § 58 Anm. 21, 24 und 30). Anm. 9 4. Die Folgen einer vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats getroffenen Entscheidung auf Ausschüttung einer Abschlagsdividende sind folgende: a ) In Höhe der Abschlagsdividende entsteht, ebenso wie beim Ausschüttungsbeschluß der Hauptversammlung, ein schuldrechtlicher Gläubigeranspruch des Aktionärs auf Barzahlung der Abschlagsdividende (§ 58 Anm. 32 bis 34). Die Entstehung des Dividendenanspruchs wirkt sich auf den Jahresabschluß des Vorjahres in entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 3 ebensowenig wie der Gewinnausschüttungsbeschluß der Hauptversammlung aus. Infolgedessen enthält der Bilanzgewinn des festgestellten Jahresabschlusses auch den Betrag der Abschlagsdividende. Auch in den von der Hauptversammlung zu beschließenden „an die Aktionäre auszuschüttenden Betrag" (§ 174 Abs. 2 Ziff. 2) ist die Abschlagsdividende eingeschlossen, so daß also die Gewinnausschüttung der Verwaltung in Form einer Abschlagsdividende nochmals durch die Entscheidung der Hauptversammlung umfaßt wird. Auf den nach dem Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung auszuschüttenden Dividendenbetrag ist der Betrag der Abschlagsdividende zu verrechnen. Ist z. B. eine Abschlagsdividende von 4 % gezahlt worden und will die Hauptversammlung eine Gesamtdividende für das vergangene J a h r von 10% ausschütten, so beschließt sie im Sinne des § 174 Abs. 2

449

§ 59 A n m . 10,11 §60

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Ziff. 2 eine io%ige Dividende. Außerhalb dieses Gewinnverwendungsbeschlusses wird dann die gezahlte Abschlagsdividende von der Jahresdividende abgezogen, so daß sie noch mit 6% zu zahlen ist. A n m . 10 b ) Darüber, daß die Auszahlung einer Abschlagsdividende die Entscheidungsfreiheit der Hauptversammlung bei ihrer Rücklagenbildung im Gewinnverwendungsbeschluß gemäß § 58 Abs. 3 einschränkt, vgl. § 58 Anm. 22. Erreicht trotz dieser Beschränkung der von der Hauptversammlung ausgeschüttete Betrag die Abschlagsdividende nicht, so ist der Differenzbetrag an sich von den Aktionären zurückzuzahlen. Denn die Abschlagsdividende ist nur ein Vorschuß auf den von der Hauptversammlung zur Ausschüttung an die Aktionäre zu beschließenden Betrag und deshalb nach Bereicherungsrecht zurückzuzahlen, wenn er über den von der Hauptversammlung beschlossenen Betrag hinausgegangen ist (vgl. BGB-RGRK 11. Aufl. Anm. 13 vor § 607). Jedoch wird man mit der Begründung zum RegE § 58 (Kropff S. 80) richtiger wohl die auf die aktienrechdichen Verhältnisse zugeschnittene Bestimmung des § 62 Abs. 1 S. 2 zur analogen Anwendung bringen müssen. Das Wissen oder grob fahrlässige Nichtwissen vom Fehlen einer Bezugsberechtigung kann sich dabei aber nicht auf den Charakter als Abschlagszahlung beziehen, sondern muß die Tatsache erfassen, daß die Abschlagsdividende durch die Schlußdividende nicht oder nicht vollständig gedeckt werde. Das führt dazu, daß eine Rückzahlungspflicht praktisch entfällt, da jedenfalls Einzelaktionäre, ohne sich dem Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens aviszusetzen, der Entscheidung der Verwaltung glauben und darauf vertrauen können, daß die Schlußdividende die Abschlagsdividende mindestens erreicht. A n m . 11 c) Verstoßen Vorstand oder Aufsichtsrat gegen die Bestimmung des § 59 oder treffen sie ihre Entscheidung auf Ausschüttung einer Abschlagsdividende auf Grund eines schuldhaft fehlerhaften Ermessens, so haften sie der Gesellschaft für den ihr entstehenden Schaden aus §§ 93, 116. Da von den Aktionären die Abschlagsdividende aus praktischen und auch aus rechtlichen Gründen (Anm. 10) nicht zurückzuholen ist, kann die Haftung leicht sehr hohe Beträge erreichen.

§ 60

Gewinnverteilung

(1) Die Anteile der Aktionäre a m G e w i n n b e s t i m m e n sich n a c h d e m Verhältnis der Aktiennennbeträge. (2) Sind die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle A k t i e n i n d e m selben Verhältnis geleistet, s o erhalten die Aktionäre a u s d e m verteilbaren G e w i n n v o r w e g e i n e n Betrag v o n vier v o m Hundert der geleisteten Einlagen. Reicht der G e w i n n dazu nicht a u s , s o b e s t i m m t sich der Betrag n a c h e i n e m entsprechenden niedrigeren Satz. Einlagen, die i m Laufe des G e s c h ä f t s j a h r s geleistet w u r d e n , w e r d e n n a c h d e m Verhältnis der Zeit berücksichtigt, die s e i t der Leistung verstrichen i s t . (3) Die Satzung k a n n eine andere A r t der Gewinnverteilung b e s t i m m e n . Ü b ersieht Anm.

Einleitung I. Der gesetzliche GewinnverteilungsSchlüssel 1. Grundsatz

450

1

2

Anm,

2. Ausnahme

3,4

3- Anwendung bei Kapitalerhöhung 5 IX. Der satzungsmäßige Gewinnverteilungsschlüssel 6

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 60 A n m . 1—4 Anm. 1 Einleitung Die Vorschrift gibt in ihrem Abs. i und 2 den gesetzlichen Gewinnverteilungsschlüssel. Er ist aber nachgiebigen Rechts, die Satzung kann eine andere Regelung treffen (Abs. 3). Da dies fast stets in den Satzungen der A G geschieht, kommt es auf den gesetzlichen Gewinnverteilungsschlüssel kaum an. § 60, der mit § 53 AktG 37 bis auf den Einschub „der Aktionär" in Abs. 1 und die Uberschrift — bisher „Gewinnbeteiligung der Aktionäre" •—• voll übereinstimmt, ist aus § 2 1 4 H G B übernommen, beseitigte aber Unklarheiten, die damals bei der Auslegung dieser Bestimmung bestanden (dazu Anm. 3) und brachte in Abs. 2 Satz a eine sachliche Abweichimg (dazu Anm. 4). Anm. 2 I . Der gesetzliche Gewinnverteilungsschlüssel 1. G r u n d s a t z Abs. 1 geht von der Regel aus, daß für die Rechtsstellung der Aktionäre, so auch für ihre Beteiligung am Bilanzgewinn, der Nennbetrag ihrer Aktien bestimmend ist, nicht der Betrag der geleisteten Einlagen. Anm. 3 2. A u s n a h m e Davon macht der zweite Absatz eine Ausnahme für den Fall, daß die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien im selben Verhältnis geleistet sind, daß z. B. einige Aktionäre erst 25 v. H. ihrer Einlagen auf das Grundkapital geleistet haben (§ 28 Abs. 2, § 49 Abs. 3), andere schon mehr. In diesem Falle erhalten die Aktionäre zunächst eine Vorzugsdividende, die 4 v. H. der geleisteten Einzahlungen beträgt, wenn aber der Gewinn hierzu nicht ausreicht, einen entsprechend niedrigeren Hundertsatz. Reicht der Gewinn dazu aus und bleibt noch etwas übrig, so wird der Rest nach Abs. 1, also nach den Nennbeträgen, verteilt. Unter Einlagen sind hier sowohl Bar- wie Sacheinlagen zu verstehen. Der Ausnahmefall des Abs. 2 liegt also schon dann vor, wenn ein Aktionär seine Sacheinlage vollständig geleistet hat, die übrigen Aktionäre aber ihre Bareinlagen erst zum Teil geleistet haben. Überhaupt genügt es, daß nur ein Aktionär im Verhältnis mehr — oder weniger — geleistet hat als die andern. Es kommt nicht darauf an, was von den einzelnen eingefordert, sondern was von ihnen geleistet worden ist. Hierüber bestanden nach § 2 1 4 HGB Zweifel, namentlich deswegen, weil Abs. 2 Satz 2 des § 2 1 4 H G B vom Fälligkeitstage eingeforderter Leistungen avisging. Da § 60 durchweg von der Leistung ausgeht, ist dieser Zweifel behoben. Die Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung (§ 63) bleiben unberührt. Andererseits handelt es sich im Fall des Abs. 2 nur um Einlagen auf das Grundkapital, nicht um den Mehrbetrag, den die Aktionäre bei Ausgabe der Aktien für einen höheren als den Nennbetrag außerdem zu leisten haben (§36 Abs. 2, § 5 4 Abs. 1). Dieses Aufgeld bleibt für die Frage, ob alle im gleichen Verhältnis auf das Grundkapital geleistet haben, ganz außer Betracht, es mag gezahlt oder nicht gezahlt sein. Das Aufgeld gehört nicht zum Grundkapital, sondern zur gesetzlichen Rücklage (§ 150 Abs. 2 Ziff. 2). Anm. 4 Eine Verschiebung kann sich noch dadurch ergeben, daß Einlagen erst im Laufe des Geschäftsjahrs geleistet worden sind, dessen Gewinn zu verteilen ist. Dies ist der Punkt, in dem § 60 AktG von § 214 H G B sachlich abweicht. § 214 Abs. 2 Satz 2 ging

451

§60

Anm. 5, 6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

davon aus, daß Einzahlungen im Laufe des Geschäftsjahrs „zu leisten", also erfordert waren, und bestimmte, daß sie nach dem Verhältnis der Zeit zu berücksichtigen seien, die seit dem Fälligkeitstage verstrichen seien. Gerade diese Bestimmung machte den ganzen zweiten Absatz, in dem sonst nicht von der Einforderung, sondern von der Leistung die Rede war, unklar (Anm. 3). Die Unklarheit ist beseitigt. Auch in Satz 2 des Abs. 2 geht § 60 von der Leistung aus und läßt Einforderung wie Fälligkeit beiseite. Die im Laufe des Geschäftsjahrs geleisteten Zahlungen werden nach dem Verhältnis der Zeit berücksichtigt, die seit der Leistung — nicht seit ihrer Fälligkeit •—• verstrichen ist. Auch hiervon bleiben die Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung (§ 63) unberührt.

Anm. 5 3. Anwendung bei Kapitalerhöhung Der gesetzliche Gewinnverteilungsschlüssel gilt auch bei der Ausgabe junger Aktien. Es kann deshalb keine Rede davon sein, wie Godin-Wilhelmi Anm. 5 meinen, junge voll bezahlte Aktien, die im Laufe eines Geschäftsjahres ausgegeben würden, nähmen ohne weiteres voll am Gewinn teil. Vielmehr kann auch bei einer Kapitalerhöhung von der pro rata und pro tempore gleichmäßigen Gewinnverteilung nur abgewichen werden, wenn die Satzung dies bestimmt. Es reicht nicht aus, daß die Abweichung von § 60 Abs. 1 und 2 lediglich in den Kapitalerhöhungsbeschluß aufgenommen wird, wie die Vorauf!. § 53 Anm. 6 annahm; ähnlich Simon AktG 6o, 150, der bei Ausgabe von genehmigtem Kapital dem Vorstand die Ermächtigung aus § 60 Abs. 3 zuerkennen möchte. Aber Abs. 3 gestattet nur der Satzung und nicht der Hauptversammlung oder bei genehmigtem Kapital dem Vorstand eine Abweichung (Barz DieAG 66, 4 1 ; Lehmann Aktienrechtsreform 65 S. 39 in Anm. 2 zu § 5). Es steht allerdings nichts im Wege, daß zusammen mit der Kapitalerhöhung eine Satzungsänderung beschlossen wird, die der Hauptversammlung eine Abweichung von § 60 Abs. 1 und 2 gestattet. Diese Satzungsänderung ist dann zusammen mit der Kapitalerhöhung zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden und wird gemäß § 181 Abs. 3 mit ihrer Eintragung wirksam; durch sie findet die in der gleichzeitig oder später eingetragenen Kapitalerhöhung erfolgte Abweichung von § 60 ihre satzungsmäßige Grundlage. Die Frage, ob bei Kapitalerhöhung junge Aktien mit einer Dividendenberechtigung für ein bereits abgelaufenes J a h r ausgestattet werden können (so Simon a. a. O.; Wündisch DieAG 60, 370) ist in § 60 nicht angesprochen, dessen Inhalt sich darauf beschränkt, die Verteilung des Bilanzgewinns auf die am Bilanzstichtag vorhandenen Aktien, denen dieser Gewinn allein zusteht, pro rata und pro tempore zu regeln. Sie ist zumindest der Sache nach eine stille Herabsetzung des Ausgabebetrages, erweckt deshalb erhebliche Bedenken aus §§ 57 Abs. 1 S. 1, 58 Abs. 5 und ist nach § 9 unzulässig, wenn der Ausgabebetrag unter den Nennbetrag absinkt. Sie ist auch nicht, wie Wündisch a. a. O. will, mit der Erwägung zu halten, es handle sich um eine schuldrechtliche Leistung der Alt-Aktionäre, denen allein der Gewinn des abgelaufenen Jahres zustehe, an die Ubernehmer der jungen Aktien. Denn zu einem derartigen schuldrechtlichen Leistungsaustausch ist das die Kapitalerhöhung beschließende Gesellschaftsorgan nicht berufen.

Anm. 6 II. Der satzungsmäßige Gewinnverteilungsschlüssel Die Satzung kann von alledem abweichen, sowohl von der Regel des Abs. 1 als von den Ausnahmebestimmungen des Abs. 2. Sie kann z. B. bestimmen, daß am Gewinn nur diejenigen Aktionäre teilnehmen, die ihre Einlage vollständig geleistet haben; sie kann auch bestimmen, daß der Betrag der Leistungen überhaupt nicht zu berücksichtigen und daher auch keine Vorzugsdividende zu verteilen sei. Sie kann ferner bestimmen, daß für die Verteilung des Gewinns nicht die Aktiennennbeträge maßgebend seien, sondern die Verteilung nach einem andern Maßstab vorzunehmen sei, z. B. bei Belieferung der A G durch Aktionäre (§ 55) nach dem Verhältnis der Lieferungen 452

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 61

Anm. 1, 2

( R G 104, 350; § 55 Anm. 9). Die Satzung kann auch für gewisse Aktiengattungen Vorzüge bei der Gewinnverteilung festsetzen (§ 11). Schließlich kann die Satzung, was in der Praxis meist geschieht, bestimmen, daß bei einer Kapitalerhöhung die Gewinnbeteiligung neuer Aktien abweichend von § 60 bestimmt werden kann (Lehmann a. a. O.). Soweit aber die Satzung nichts anderes bestimmt oder ihre Bestimmung unausführbar ist ( R G 104, 350), ist der Gewinn nach § 60 zu verteilen. Der Gewinnverteilungsschlüssel kann auch durch eine Satzungsänderung geändert werden. Trifft die Änderung nicht gleichmäßig alle Aktionäre, wird z. B. das bestehende Gewinnverteilungsverhältnis zu Lasten einzelner Aktionäre durch die Satzungsänderung verschoben, so ist ihre Zustimmung zu dem Beschluß erforderlich.

§ 61

Vergütung von Nebenleistungen

Für wiederkehrende Leistungen, zu denen Aktionäre nach der Satzung neben den Einlagen auf das Grundkapital verpflichtet sind, darf eine den Wert der Leistungen nicht übersteigende Vergütung ohne Rücksicht darauf gezahlt werden, ob ein Bilanzgewinn ausgewiesen wird. Ubersicht Anm. Einleitung

I

1. Die Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch 2—4

Anm. 2. Die Rechtsnatur spruchs

des

Vergütungsan-

3. Der Schadensersatzanspruch des A k tionärs

5 6

Anm. 1 Einleitung Nachdem Nebenverpflichtungen der Aktionäre, hauptsächlich wegen der Bedürfnisse der Rübenzuckerindustrie, in § 2 1 3 H G B zugelassen worden waren ( § 5 4 Anm. 1, § 55 Anm. 1), bedurfte es einer Bestimmung über die für die Nebenleistungen zu gewährende Vergütung. Äußerlich betrachtet, scheint beiderseitige Erfüllung eines Vertrages vorzuliegen; in Wirklichkeit erfüllt aber der Aktionär mit der Nebenleistung eine Mitgliedpflicht, und die von der AG gewährte Vergütung ist Leistung der Körperschaft an ihre Mitglieder (§ 55 Anm. 10). Leistungen der A G an die Aktionäre sind nun grundsätzlich nur aus dem Reingewinn zulässig. Hätte man diesen Grundsatz aber auch bei den Nebenleistungen der Aktionäre durchführen wollen, so hätte das für diese zu schweren Verlusten fuhren können. Darum war es das Gegebene, das kaufähnliche Geschäft in Hinsicht auf die Vergütung kaufähnlich zu behandeln. So entstand die Vorschrift des § 216 HGB. Sie gestattete ohne Rücksicht auf den Reingewinn eine Vergütung, die sich allerdings, um die Gesellschaftsgläubiger nicht zu gefährden, in angemessenen Grenzen halten mußte. A k t G 37 und 65 haben diese Vorschrift ohne Veränderung ihres Sinns übernommen.

Anm. 2 1. Die Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch Die Vergütung muß angemessen sein. Das wird im einzelnen dahin bestimmt, daß die Vergütung den Wert der Leistung nicht übersteigen darf. Es entscheidet also der Marktpreis, den die A G hätte zahlen müssen, wenn die Leistung nicht von einem Aktionär,

453

§61 A n m . 3—5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

sondern von einem Nichtmitglied erbracht worden wäre, und zwar der Marktpreis zu der Zeit, wo die Leistung erbracht wird. Dieser Preis ist der Höchstpreis. Weder späteres Sinken noch späteres Steigen des Marktpreises kommt in Betracht. Werden dem Aktionär von der A G Waren (Rübensamen) geliefert oder Rückstände zurückgeliefert, so ist deren Marktpreis in die Vergütung einzurechnen (RG 48, 105).

Anm. 3 D a dieser Preis nur der Höchstpreis ist, so ist gestattet, die Vergütung geringer zu bemessen, sei es, d a ß der Preis satzungsmäßig bestimmt (z. B. 5 v. H . unter dem Marktpreis), sei es, d a ß die Bestimmung in der Satzimg den Gesellschaftsorganen überlassen ist (§55 Anm. 9). So kann auch eine Herabsetzung f ü r den Fall vorgesehen sein, d a ß der Reingewinn nicht ausreicht, den Marktpreis zu bezahlen (vgl. R G Holdheim 23, 204). Überschreitungen des Höchstpreises sind dagegen unstatthaft. Sie begründen eine Haftung des Aktionärs, der den Mehrbetrag empfangen hat, nach § 62 Abs. 1 u n d 2 gegenüber der Gesellschaft u n d ihren Gläubigern. H a t jedoch der Aktionär ihn im guten Glauben als Gewinnanteil empfangen — eine Voraussetzung, die nicht schlechthin als unmöglich bezeichnet werden kann —, so ist er von der Haftung und der Rückerstattungspflicht frei (§ 62 Abs. 1 Satz 2). Die Mitglieder des Vorstands u n d des Aufsichtsrats machen sich nach § 93 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 5, § 1 1 6 der Gesellschaft und den Gesellschaftsgläubigern durch solche Mehrzahlungen verantwortlich, denn diese sind als verbotene Rückgewähr von Einlagen anzusehen. I m Rechtsstreit hat nötigenfalls das Gericht zu entscheiden, welchen Wert die Leistung zur Zeit ihrer Erbringung hatte. Anm. 4 Die Festsetzung einer Mindestvergütung, die auf den wahren Wert der Leistung keine Rücksicht nimmt, widerspricht dem § 61, da die Mindestvergütung möglicherweise den zugelassenen Höchstpreis übersteigt (RG 48, 105; nicht unbedenklich Schlegelberger-Quassowski § 55 A n m . 2). Anders ist es dagegen, wenn die Mindestvergütung so bemessen ist, d a ß sie in keinem Fall den Betrag der angemessenen Vergütung übersteigt (Brodmann § 2 1 6 Anm. i a ) . Ferner widerspricht es dem §61 nicht, wenn die A G außer der daselbst zugelassenen Vergütung den Aktionären, die geliefert haben, einen Zuschuß aus dem Reingewinn gewährt (vgl. R G 104, 350; § 5 5 Anm. 9). Denn in der Verteilung des Bilanzgewinns unter ihre Aktionäre ist die Satzung, wie § 60 Abs. ¡3 ergibt, frei; d a r a n will § 61 nichts ändern.

Anm. 5 2. Die Rechtsnatur des Vergütungsanspruchs Insoweit gilt grundsätzlich das gleiche wie für den Anspruch auf den festgesetzten Gewinnanteil ( § 5 8 Anm. 32) und f ü r den Anspruch auf Bauzinsen ( § 5 7 Anm. 28). Auch dieser Anspruch beruht zwar auf dem Mitgliedschaftsverhältnis und ist insofern kein Anspruch schuldrechtlicher Art (Anm. 1; § 5 5 Anm. 10). Mit der Bewirkung der Nebenleistung wird jedoch auch dieser Anspruch zu einem reinem Gläubigerrecht, es kann durch Abtretung, Verpfandung u n d Pfändung vom Mitgliedschaftsrecht (teilweise) gelöst werden, und es ist daher nicht, wie die 1. Aufl. § 55 Anm. 5 annahm, ein Sonderrecht. Auch bei Beeinträchtigung dieser Ansprüche durch Hauptversammlungsbeschlüsse gilt das gleiche wie f ü r den Anspruch auf den festgesetzten Gewinnanteil (vgl. die Einzelheiten bei § 58 Anm. 32). Der Anspruch kann durch gewöhnliche Klage verfolgt werden, es sei denn, d a ß die Satzung ein Schiedsgericht dafür vorsieht (vgl. R G 153, 270). I m Konkurse der A G gibt der Anspruch auf rückständige Vergütung eine Konkursforderung (näheres § 55 Anm. 24). Wird die satzungsmäßige Vergütung durch Satzungsänderung allgemein heruntergesetzt, so ist § 180 anzuwenden (§ 55 Anm. 6, 7, 21).

454

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 61 A n m . 6

§ 62 Anm. 1

Anm. 6 3. Der Schadensersatzanspruch des Aktionärs § 6i schließt nicht die Möglichkeit aus, daß einem Aktionär gegen die A G deshalb Schadensersatzansprüche zustehen, weil diese ihre Verpflichtungen aus dem Nebenleistungsverhältnis schuldhaft verletzt hat (§ 55 A n m . 15). Für die Höhe eines solchen Schadensersatzanspruchs finden die einschränkenden Voraussetzungen, die f ü r den Vergütungsanspruch selbst gelten, keine Anwendung, Es kann bei einem solchen Schadensersatzanspruch auch keine R e d e davon sein, daß er gegen das allgemeine Verbot der §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 5 verstößt (im Endergebnis ebenso v. Godin-Wilhelmi A n m . 4).

§

63

H a f t u n g d e r A k t i o n ä r e b e i m E m p f a n g v e r b o t e n e r Leistungen

(1) Die Aktionäre haben der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren. Haben sie Beträge als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen, so besteht die Verpflichtung nur, wenn sie wußten oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußten, daß sie zum Bezüge nicht berechtigt waren. Ist streitig, ob die Voraussetzungen des Satzes 2 vorliegen, so trifft die Beweislast die Aktionäre. (2) Der Anspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Gesellschaftsgläubiger gegen die Aktionäre aus. (3) Die Ansprüche nach diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren seit dem Empfang der Leistung. Übersicht Anm. Anm. Einleitung II. Geltendmachung des RückgewähranI spruchs durch Gläubiger (Abs. 2) I. Der Rückgewähranspruch der A G 1. Verfolgungsrecht des Gläubigers (Abs. 0 2. Berechtigter Gläubiger 1. Schuldner des Anspruchs 2 3. Höchstgrenze 2. Empfanggesetz widriger Leistungen 3 4. Unmöglichkeit der Befriedigung 3. Erheblichkeit von Hauptversamm5. Einwendungen des Aktionärs lungsbeschlüssen 4 6. Konkursverwalter 13 4. Gegenstand des Rückgewähran7. Gesamtgläubigerschaft 14 spruchs 5 III. Verjährung (Abs. 3) 15 5. Ausschluß bei grobem Handeln 6 IV. Haftung bei Leistungen an andere Ge6. Kein Gesamtheft 7 winnbeteiligte 16

Anm. 1 Einleitung Während das alte H G B nur f ü r die K G a A eine unmittelbare Haftung der K o m m a n ditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aus gesetzwidrig empfangenen Zahlungen vorsah (Art. 197 Abs. 3), und zwar in Anlehnung an die Vorschriften über die K o m manditgesellschaft (Art. 165 Abs. 5 und 6), und auch das Gesetz von 1884 dies beibehielt (Art. 198), dehnte das neue H G B in § 2 1 7 die Haftung auf die Aktionäre der

455

§ 62

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 2 A G aus. Aus dem älteren Recht (Art. 218) übernahm es die Vorschrift, daß der Aktionär zur Zurückzahlung dessen, was er im guten Glauben als Gewinnanteil oder als Zinsen bezogen habe, in keinem Fall verpflichtet sei. Zweifelhaft blieb, ob und inwieweit § 217 H G B außer den Ansprüchen der Gesellschaftsgläubiger auch den Rückforderungsanspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär betraf. § 56 A k t G 37 schloß sich im wesentlichen dem bisherigen Recht an, enthielt aber in Abs. 3 des § 56 eine ausdrückliche Vorschrift über den Ausschluß der Rückforderung seitens der A G . Während der RegE die Vorschrift des § 56 A k t G 37 im wesentlichen unverändert übernehmen wollte — nur sollte zur Klarstellung, daß auch Sachleistungen von den Aktionären gesetzwidrig empfangen werden können, der Ausdruck „Zahlungen" durch „Leistungen" ersetzt werden — und der Bundesrat mit grundsätzlicher Zustimmung der Bundesregierung den Umfang der Haftung bestimmen, den Begriff des guten Glaubens definieren und die Beweislast regeln wollte, haben die Ausschüsse eine völlige Neufassung, wie sie dann Gesetz geworden ist, vorgeschlagen. Nicht mehr die Haftung der Aktionäre den Gläubigern gegenüber, sondern der Anspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär auf Rückgewähr verbotener Leistungen, der bisher ausdrücklich überhaupt nicht erwähnt war, wird in den Vordergrund gestellt. Abs. 1 umschreibt in Satz 1 zunächst die Rückgewährpflicht des Aktionärs, regelt in Satz 2 ihren Fortfall bei Gutgläubigkeit und bestimmt in Satz 3 die bisher höchst strittige Frage der Beweislast für den guten Glauben. In Abs. 2 wird dann in Nachbildung zu § 93 Abs. 5 S. 1 und 4 bestimmt, daß der Rückgewähranspruch auch von Gläubigern unmittelbar geltend gemacht werden kann. Abs. 3 übernimmt die Veijährungsregelung aus § 56 Abs. 4. Damit ist der Rückgewähranspruch als typisch aktienrechtlicher Anspruch charakterisiert (§ 57 Anm. 11), der ähnlich den Haftungsansprüchen gegen die Verwaltungsmitglieder dadurch privilegiert ist, daß er unmittelbar von den Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden kann. Der Grund für die Privilegierung liegt darin, daß der Rückgewähranspruch die Kapitalgrundlage der A G , wie in §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 5 niedergelegt, sichert; da die die Kapitalgrundlage vermindernden Leistungen an die Aktionäre die Haftungsgrundlage für die Gesellschaftsgläubiger immittelbar verringern, liegt es nahe, ihnen auch den unmittelbaren Zugriff auf die Aktionäre zu geben. Mit dieser Regelung ist der Rückgewähranspruch klar dem Bereicherungsrecht entzogen. Auch benötigt die unmittelbare Haftung den Gesellschaftsgläubigern gegenüber keine besondere Begründung mehr, wie sie im bisherigen Recht über Deliktshaftung, Gefahrdungshaftung, Analogie zur Kommanditistenhaftung oder Bürgenhaftung versucht worden ist (vgl. Vorauf!. § 56 Anm. 2).

Anm. 2 I. Der Rückgewähranspruch der Gesellschaft 1. Schuldner des Anspruchs sind „die Aktionäre", die gesetzwidrig Leistungen empfangen haben. Es haftet derjenige Aktionär, der die Leistung empfangen hat; ob er zur Zeit der Inanspruchnahme noch Aktionär ist oder die Aktie inzwischen veräußert hat, ist gleichgültig. Der Erwerber der Aktie, der die Leistung nicht empfangen hat, wird von der Haftung nicht getroffen (allgemeine Ansicht). Streitig ist es, ob dem Aktionär auch der Dividendenscheininhaber gleichsteht, der zwar selbst nicht Aktionär ist, aber auf Grund abgetretenen Rechts (§ 58 Anm. 37) gesetzwidrig Leistungen empfangen hat. M a n muß diese Frage verneinen (ebenso Ritter § 56 Anm. 2 a; BaumbachHueck Rn. 8; jetzt auch Godin-Wilhelmi Anm. 4). Die Haftung des Aktionärs beruht auf seiner mitgliedschaftlichen Stellung; nur seine Mitgliedschaft gibt den inneren Rechtsgrund für den besonderen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch. Hieran fehlt es beim Dividendenscheininhaber, er hat keine Mitgliederpflichten, die eine besondere Haftung begründen könnten, sondern ist nur Gläubiger der A G . Er mag daher, wenn er gesetzwidrig Zahlungen empfangen hat, der Gesellschaft auf Erstattung haften; ihn aber einem besonderen aktienrechtlichen Anspruch zu unterwerfen und zwar den Gläubigern der Gesellschaft haftbar zu machen, fehlt es an einem Rechtsgrunde. Auch der Wortlaut des § 62 spricht gegen die Gegenmeinung, weil hier nur von dem

456

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 62

Anm. 3

Aktionär die Rede ist und für den Gesetzgeber aller Anlaß bestanden hätte, den Dividendenscheininhaber ausdrücklich miteinzubeziehen, wenn das beabsichtigt gewesen wäre. Die Gegenmeinung (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 7 Anm. 3 ; Brodmann § 2 1 7 Anm. 3 a; Schlegelberger-Quassowski §56 Anm. 2; Teichmann-Koehler § 52 Anm. 2) stützt sich im wesentlichen auf die Erwägung, daß auch der Anspruch des Dividendenscheininhabers den aktienrechtlichen Einwendungen unterliege und daß daher auch den Dividendenscheininhaber der Anspruch aus § 62 treffen müsse. Das ist nicht überzeugend. Einmal handelt es sich bei der Haftung aus § 62 nicht um eine Einwendung gegenüber dem Gewinnscheininhaber, sondern um die Rechtsfolge einer unzulässigen Leistung. Sodann läßt die Gegenmeinung den Umstand außer Acht, daß allein die Mitgliedschaft der tragende Gesichtspunkt für den Rückgewähranspruch und die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ist und daß bei dem Gewinnscheininhaber die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür gerade nicht gegeben sind. Ferner haften der Genusscheininhaber oder sonstige gewinnanteilberechtigte Personen, wie tantiemeberechtigte Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nicht nach § 62, wenn sie Zahlungen über den ihnen zustehenden Gewinnanteil hinaus erhalten haben (Anm.i6; allg. Ansicht); auch hier fehlt es an der Mitgliedschaft, die für § 62 wesentlich ist. Für die Anwendung des § 62 ist es ohne Belang, ob der Aktionär die Leistung selbst empfängt oder ob eine dritte Person sie für ihn (für seine Rechnung) entgegennimmt. So haftet nicht die Bank, sondern der Aktionär, wenn sie den Dividendenschein für ihren Kunden (Aktionär) einzieht (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 7 Anm. 3).

Anm. 3 2. Voraussetzung des Rückgewähranspruchs ist der Empfang verbotswidriger Leistungen. Dahin gehört jede gesetzlich nicht erlaubte Vermögensleistung der A G an die Aktionäre, als insbesondere die Rückgewähr von Einlagen, die Zahlung von Zinsen außerhalb der Grenzen erlaubter Bauzinsen, die Verteilung von Dividenden ohne Feststellung eines entsprechenden Bilanzgewinnes, Abschlagszahlungen über § 59 hinaus, die Zahlung übermäßiger Vergütungen für Nebenleistungen, Zahlungen auf den nichtigen Erwerb eigener Aktien (§71 Abs. 2 S. 2), Ausschüttungen bei der Kapitalherabsetzung oder bei der Abwicklung ohne die gesetzlichen Voraussetzungen. Dadurch, daß die Neufassung des Abs. 1 nicht mehr von „Zahlungen" sondern von „Leistungen" spricht (Anm. 1) ist auch entsprechend der früher bereits herrschenden Lehre klargestellt, daß die verbotswidrigen Leistungen sich nicht auf Geldzahlungen beschränken, sondern auch andere Vermögensleistungen erfassen, z. B. Rückgewähr von Sacheinlagen oder andere Sachleistungen. Es ist gleichgültig, ob durch die Leistung das Grundkapital angegriffen wird oder nicht, etwa eine gesetzliche oder auch nur eine freie Rücklage. Das ist hinsichtlich des Kapitals in §§ 30, 31 GmbHG anders, aber nur deshalb, weil die Kapitalerhaltung bei der GmbH auf dem Verbot aufbaut, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen auszuschütten, während der Kapitalschutz der A G auf dem Verbot der Rückgewähr von Einlagen (§ 57 Abs. 1) und der — allerdings mit Ausnahmen (z. B. § 57 Abs. 3, § 71) — ausschließlichen Zulassung von Ausschüttungen aus dem Bilanzgewinn (§ 58 Abs. 5) beruht. Die herrschende Ansicht im Schrifttum (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 7 Anm. 2; Schlegelberger-Quassowski § 56 Anm. 4; Baumbach-Hueck Rn. 4; abweichend Ritter § 52 Anm. 2 c) sieht eine Leistung „entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes" nur dann als gegeben an, wenn die vorgenommene Leistung zwingende gesetzliche Vorschriften, die zum Schutz der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, verletzt. Der Rückgewähranspruch aus § 62 entfällt danach z. B., wenn nur eine Verletzung der für die Verteilung unter die Gesellschafter geltenden Vorschrift des § 60 vorliegt, wenn also nicht mehr als der ordnungsgemäß ausgewiesene und zur Ausschüttung bestimmte Reingewinn ausgezahlt und nur der für die Aufteilung geltende Verteilungsschlüssel nicht beachtet ist. Dieser Ansicht ist beizutreten. Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum in einem Fall, in dem aufs Ganze gesehen eine unzulässige Schmälerung des Gesellschaftsvermögens nicht eingetreten ist, der unter den Voraussetzungen des Abs. 2 auch von Gläubigern verfolgbare Anspruch gegen den einzelnen 30

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

457

§62 Anm. 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Aktionär gegeben sein sollte. Denn die Kapitalgrundlage ist in diesem Falle nicht angegriffen. Dem kann auch nicht mit der Erwägung entgegengetreten werden (so Ritter a. a. O.), daß die Gesellschaft in einem solchen Fall verpflichtet sei, die Gewinnansprüche der bei der Gewinnausschüttung nicht voll befriedigten Aktionäre zu erfiillen, und daß dadurch doch eine Schmälerung des Gesellschaftsvermögens zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger eintreten könnte. Bei dieser Erwägung wird übersehen, daß kein unmittelbarer Eingriff in die Kapitalgrundlage der Gesellschaft vorliegt, und daß die Aktionäre, die zu viel erhalten haben, aus ungerechtfertigter Bereicherung haften (Anm. 4). Sollte dieser Anspruch nicht voll durchsetzbar sein, so ist im Grunde die Lage keine andere, als wenn die Gesellschaft auf ihr zustehende Außenstände Ausfälle erleidet. Sind bei der Kapitalherabsetzung oder der Abwicklung die Gläubigerschutzvorschriften beachtet worden, bevor Vermögen ausgeschüttet worden ist, so entfallt ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft, weil die Auszahlung nicht entgegen den Vorschriften des AktG erfolgte und bei gesetzmäßiger Auszahlung kein Rückforderungsanspruch besteht. Auch ein sich nachträglich meldender Gläubiger kann sich nicht nach Abs. 2 an die Empfanger halten und ebensowenig kann er verlangen, daß das Empfangene an die Gesellschaft zurückgezahlt wird. Auch ein Bereicherungsanspruch steht dem sich nachträglich meldenden Gläubiger gegen die Empfanger einer gesetzmäßigen Ausschüttung nicht zu (RG 124, 210; 129, 108). Anm. 4 3. Ob die verbotswidrige Leistung auf einem Hauptversammlungsbeschluß beruht, ist für den Rückgewähranspruch des § 62 — vorbehaltlich der Frage des guten Glaubens im Sinne des S. 2 (vgl. Anm. 5) — unerheblich. Denn Leistungen entgegen den Vorschriften des Gesetzes liegen nur vor (Anm. 3), wenn zwingende Vorschriften zum Schutz der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse verletzt sind. Dann aber ist der Hauptversammlungsbeschluß gemäß § 256 Abs. 1 Ziff. 1 sowieso nichtig, so daß die Voraussetzungen des Rückgewähranspruches, wenn die Leistungen auf einem Hauptversammlungsbeschluß beruhen, immer mit einem nichtigen Beschluß zusammenfallen müssen. Allerdings ist das nicht dahin zu verstehen, daß der Rückgewähranspruch aus § 62 nur im Rahmen der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses geltend gemacht werden könnte. Beides hat miteinander nichts zu tun. Auch wenn die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses aufgrund des § 256 Abs. 6 wegen Fristablauf nicht mehr geltend gemacht werden kann, wird dadurch der Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr wie auch seine Verfolgbarkeit durch einen Gesellschaftsgläubiger nicht ausgeschlossen. Das folgt aus der Schutzfunktion des § 62 und zeigt sich in den unterschiedlichen Fristen des § 62 Abs. 3 einerseits und § 256 Abs. 6 andererseits. Liegt der Leistung der Gesellschaft lediglich ein anfechtbarer Hauptversammlungsbeschluß zugrunde, so kann, da keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften verletzt sind, jedenfalls der Rückgewähranspruch aus § 62 nicht Platz greifen. Es käme hier z. B. ein Verstoß gegen § 60 oder auch die Verletzung satzungsmäßiger Rücklagevorschriften im Rahmen des § 58 Abs. 3 (vgl. § 58 Anm. 21) in Betracht. Wird hier der Hauptversammlungsbeschluß nicht angefochten, so hat er im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Aktionär Rechtsbestand und bildet damit eine ausreichende Grundlage für die vorgenommene Gewinnverteilung. Wird er erfolgreich angefochten, so ist die Gewinnverteilung ohne die erforderliche Rechtsgrundlage erfolgt. Daraus könnte die Folgerung gezogen werden (so Vorauf!. § 5 6 Anm. 18 und Godin-Wilhelmi 2. Aufl. § 5 6 Anm. 12), daß der Rückforderungsanspruch den Bestimmungen des § 6 2 unterliege. Das dürfte aber zu weit gehen (so jetzt auch Godin-Wilhelmi 3. Aufl. Anm. 2). Allerdings folgt das wohl schwerlich aus der Neuformulierung des Gesetzes, das sich in diesem Punkte nicht geändert hat, sondern daraus, daß bei einem Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen, die nur dem Schutz der Aktionäre dienen, oder bei einem Verstoß gegen Satzungsbestimmungen die Kapitalgrundlage der Gesellschaft nicht unmittelbar angegriffen wird und damit der Rechtsgrund des aktienrechtlichen Rückgewähranspruches mit seiner Privilegierung nach §§ 62 Abs. 2, 66 Abs. 2 entfällt. Das besagt allerdings nicht, daß^ die Aktionäre£die aufgrund des erfolgreich angefochtenen Haupt-

458

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 62 A n m . 5, 6 Versammlungsbeschlusses bezogenen Leistungen behalten dürften. Hier besteht ein den §§ 8i2ff. BGB unterliegender Bereicherungsanspruch. Wenn seine Geltendmachung die zu Unrecht als Dividende ausgeschütteten Beträge nicht voll zurückbringt, liegt ein Forderungsverlust der Gesellschaft vor, der jedem anderen Forderungsausfall gleichsteht, aber keinen unmittelbaren Eingriff in die Kapitalgrundlage der Gesellschaft darstellt. Anm. 5 4. Gegenstand des Anspruchs ist die Rückgewähr der gesetzwidrig empfangenen Leistung. Handelt es sich um Geld, so ist der unzulässig erhaltene Betrag zurückzuzahlen. Sind Sachwerte übertragen, so sind diese zurückzugewähren; ist dies unmöglich, so gelten die §§ 280/81 BGB. Bestand die Leistung der Gesellschaft in Diensten oder Nutzungsüberlassungen, so ist in analoger Anwendung des § 346 BGB — auf diese Vorschrift weist der Ausschußbericht (KropfT S. 83) als Vorbild für die Fassung des Abs. 1 S. 1 hin — ihr Wert zu erstatten. Auf eine Bereicherung des Aktionärs kommt es dabei nicht an. Eine Aufrechnungsbefugnis steht dem Aktionär gemäß § 66 Abs. 2 nicht zu. Auch kann er von seiner Leistungspflicht nicht befreit werden. Dem Sinn des § 62 entsprechend, kann der Aktionär sich auch nicht darauf berufen, daß die Gesellschaft und ihre Organe bei der verbotswidrigen Leistung mitgewirkt hätten und deshalb in der Geltendmachung des Rückgewähranspruches ein Verstoß gegen § 242 BGB aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium liege. Ein derartiger Einwand mag einem einzelnen gemäß Abs. 2 vorgehenden Gläubiger, der als Vorstand der A G selbst Urheber der verbotswidrigen Leistung war, entgegengehalten werden können (so R G in Warn. 1932 Nr. 64; Vorauf!. § 56 Anm. 8), der Gesellschaft gegenüber, die sich bemüht, die unzulässig geminderte Kapitalgrundlage durch Geltendmachung des Rückgewähranspruches wieder aufzufüllen, ist ein derartiger Einwand unzulässig, da er den § 62 weitgehend illusorisch machen würde. Anm. 6 5. Jedoch ist der Rückgewähranspruch ausgeschlossen, wenn Gewinnanteile und Zinsen gutgläubig bezogen wurden. Zwar verwendet S. 2 anders als § 56 AktG 37 den Ausdruck „guten Glauben" nicht mehr, meint aber das gleiche, wenn er davon spricht, die Rückgewährpflicht bestehe nur, wenn die Aktionäre „wußten oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußten, daß sie zum Bezug nicht berechtigt waren." Damit ist entsprechend der früher herrschendenMeinung (vgl. Vorauf!. § 56 Anm. 14) die Umschreibung des guten Glaubens aus § 932 Abs. 2 BGB für maßgebend erklärt. Nicht nur der tatbestandliche sondern auch der rechtliche Irrtum entschuldigt, wenn er nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Gutgläubigkeit wird jedenfalls für den Einzelaktionär wohl immer dann angenommen werden können, wenn aufgrund eines durch den Abschlußprüfer bestätigten Jahresabschlusses und eines ordnungsgemäßen Hauptversammlungsbeschlusses der Bilanzgewinn ausgeschüttet wird, auch wenn der Jahresabschluß nichtig sein sollte. Uberhaupt wird im Grundsatz ein ordnungsgemäßer Hauptversammlungsbeschluß, der nicht besonders angegriffen und angefochten wird, für den Kleinaktionär einen ausreichenden Entschuldigungsgrund darstellen. Werden aber z. B. über den in der Satzung gemäß § 57 Abs. 3 genannten Betrag hinaus Bauzinsen gezahlt, so dürfte auch bei einem Einzelaktionär eine grobe Fahrlässigkeit naheliegen. Der gute Glauben muß im Zeitpunkt der Leistung der Gesellschaft vorliegen; spätere Erkenntnisse oder Unterrichtungen sind belanglos. Der gute Glaube ist aber nur dann ein Einwand gegen den Rückgewähranspruch, wenn es sich bei den Leistungen der Gesellschaft um Gewinnanteile oder Zinsen handelt. Ob unter Zinsen, wie Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG S. 378 N. 193 meint, nur Bauzinsen gemeint sind, mag zweifelhaft sein. Jedenfalls wird, wenn es sich nicht um Bauzinsen handelt, wohl kaum jemals guter Glaube vorliegen können, weil jeder Aktionär wissen muß, daß Zinszahlungen außerhalb des § 57 Abs. 3 unzulässig sind. Unter Ge30'

459

§62

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7—9 winnanteilen ist auch die Abschlagsdividende des § 59 verstanden. Fast immer wird die Dividende auch eine Geldzahlung sein, braucht dies aber nicht zu sein (§ 58 Anm. 35). Bei der Zahlung des Kaufpreises f ü r einen nach § 71 unzulässigen Erwerb eigener Aktien, für Kapitalrückzahlungen anläßlich einer Kapitalherabsetzung oder f ü r die Auskehrung eines Abwicklungserlöses gilt ein Gutglaubensschutz nicht. Hier m u ß der Aktionär, auch wenn er ohne grobe Fahrlässigkeit von seiner Bezugsberechtigung überzeugt war, die empfangene Leistung zurückgewähren. Die bisher streitige Frage der Beweislast für den guten Glauben (Vorauf!. § 56 Anm. 13) regelt Abs. 1 S. 3 n u n dahin, d a ß der Aktionär seinen guten Glauben zu beweisen hat. Diese Regelung beruht wohl weniger auf dem Vorbild des § 93 Abs. 2 S. 2, wie Baumbach-Hueck Rn. 6 meinen, sondern geht auf den den früheren A u f b a u der Vorschrift des § 62 (vgl. Anm. 1) betreffenden Vorschlag der Bundesregierung zurück u n d beruht ganz offensichtlich darauf, d a ß die gesetzlich vorgesehene Ausnahme von der Rückgewährpflicht von dem zu beweisen ist, der sich darauf beruft. Obwohl der Aktionär damit etwas Negatives zu beweisen hat, wird von ihm nichts Unzumutbares verlangt. Denn auch dann, wenn ihn die Beweislast nicht träfe, müßte er die Umstände u n d Vorstellungen darlegen, die bei ihm im Zeitpunkt des Empfangs der Leistung vorlagen.

Anm. 7 6. Haben mehrere Aktionäre von der Gesellschaft verbotswidrige Leistungen erhalten, so haften sie nicht als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff. BGB. J e d e r haftende Aktionär ist selbständig zur Rückgewähr der vollen von ihm empfangenen Leistung an die Gesellschaft verpflichtet. Infolgedessen gibt es auch keine Ausgleichspflicht nach § 426 BGB.

II. Geltendmachung des Rückgewähranspruchs durch Gläubiger (Abs. 2) Anm. 8 1. Der Rückgewähranspruch der Gesellschaft kann auch von deren Gläubigern geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Der Grund f ü r diese Regelung liegt darin, d a ß die verbotswidrig empfangenen Leistungen der Aktionäre die Kapital- u n d damit die Haftungsgrundlage der Gläubiger gemindert haben. Durch die Neufassung des § 62 ist nur klar z u m Ausdruck gebracht, d a ß der Gläubiger einen Rückgewähranspruch der Gesellschaft und nicht einen in seiner Person entstandenen besonderen Anspruch geltend macht. E r ü b t eine ihm durch Abs. 2 eingeräumte Befugnis aus, den Anspruch der Aktiengesesellschaft als seiner Schuldnerin in eigenem Interesse und Namen zu verfolgen. O h n e diese Bestimmung könnte er lediglich aufgrund eines vollstreckbaren Titels gegen die AG den Rückgewähranspruch pfänden u n d sich zur Einziehung überweisen lassen. Zwar ist ihm diese Möglichkeit durch Abs. 2 nicht genommen. Aber das unmittelbare Verfolgungsrecht erspart dem Gläubiger diesen Umweg und macht damit den Rückgewähranspruch zwecks Erhaltung der Kapitalgrundlage der Gesellschaft zu einer schärferen Waffe. Die Vorschrift des Abs. 2 ist bewußt dem § 90 Abs. 5 S. 1 und 4 nachgebildet. Die Auslegungsgrundsätze, die zu dieser Regelung entwickelt worden sind, können demnach auf Abs. 2 ohne weiteres übernommen werden.

Anm. 9 2. Berechtigter Gläubiger im Sinne des Abs. 2 ist jeder Gläubiger der Gesellschaft, gleichgültig auf welchem Rechtsgrund seine Forderung gegen die Gesellschaft beruht und gleichgültig, ob seine Forderung gegen die Gesellschaft schon zur Zeit der verbotswidrigen Leistung bestanden hat oder nicht. Denn auch der Gläubiger, dessen Forderung erst später zur Entstehung gelangt, wird durch eine Verminderung des Gesellschaftsvermögens betroffen.

460

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 62 A n m . 10, 11 I n irgendeinem Rangverhältnis stehen die Gläubiger nicht. Der haftende Aktionär kann sich durch Zahlung an irgendeinen der Gesellschaftsgläubiger von seiner Haftung befreien. Das gilt selbst dann, wenn er auf die Klage eines der Gläubiger rechtskräftig zur Zahlung an diesen verurteilt worden ist. Auch in diesem Fall kann sich der Aktionär noch durch Zahlung an einen anderen Gesellschaftsgläubiger von seiner Haftung befreien und diese Befreiung bei der Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil gemäß § 767 Z P O geltend machen (Godin-Wilhelmi Anm. 3). Die Auffassung de Boor's (Die Kollision von Forderungsrechten 1928 S. 74), dem haftenden Aktionär nach Erlaß eines rechtskräftigen Urteils die Möglichkeit zur Befriedigung eines anderen Gläubigers unter entsprechender Anwendung der §§ 1973 Abs. 2 Satz 3, 1991 Abs. 3 BGB abschneiden zu können und ihm in einem solchen Fall nur noch die Möglichkeit zu einer Rückgewähr der empfangenen Leistung an die Gesellschaft zu belassen, läßt sich wohl nach dem geltenden Recht nicht halten, weil sich für den Analogieschluß aus den genannten erbrechtlichen Bestimmungen kein ausreichender Anhaltspunkt ergibt. Dieses auf den ersten Blick etwas befremdlich erscheinende Ergebnis beruht im Grunde darauf, d a ß Rechtsgrund für das Verfolgungsrecht des Gläubigers gemäß Abs. 2 die Minderung der Kapitalgrundlage der Gesellschaft ist, die in dem Augenblick beseitigt ist, in dem der Aktionär die verbotswidrig erhaltene Leistung zurückgewährt, was auch danach Befriedigung anderer Gläubiger, die das Gesellschaftsvermögen entlastet, geschehen kann. A n m . 10 3. Der Anspruch des Gesellschaftsgläubigers gegen den Aktionär besteht nur in Höhe seiner eigenen Forderung gegen die Gesellschaft, aber einschließlich der damit verbundenen Nebenforderungen (Zinsen, Kosten), so wie sie gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden könnte. Da der Gesellschaftsgläubiger andererseits nur den Rückgewähranspruch der Gesellschaft geltend macht, kann er von dem Aktionär nicht mehr fordern, als die Gesellschaft selbst verlangen könnte. Die Forderung der Gesellschaft bildet die Höchstgrenze seines Anspruchs. Da ihm das Recht auf unmittelbare Leistung nur zum Zwecke der Befriedigung seiner Forderung gegen die Gesellschaft eingeräumt ist, kann er aus Abs. 2 nicht auf Leistung an die Gesellschaft, sondern nur an sich klagen. Was er so zum Zwecke seiner Befriedigung erlangt, hat er auch zu diesem Zwecke zu verwenden und braucht es weder an die Gesellschaft noch an andere Gläubiger abzuführen. Nicht erforderlich ist, daß die Schuld der Gesellschaft durch Urteil oder auf andere Weise festgestellt ist. Der Gläubiger kann den Nachweis des Bestehens seiner Forderung im Prozeß gegen den Aktionär auf beliebige Weise führen. A n m . 11 4. Voraussetzung des Verfolgungsrechtes des Gläubigers ist, daß er von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann. Das erfordert keinen vergeblichen Vollstreckungsversuch und auch keinen Konkursantrag. Auch eine vorherige Klage gegen die Gesellschaft ist nicht erforderlich. Auf der anderen Seite genügt es aber nicht, d a ß die Gesellschaft die Befriedigung ihres Gläubigers, aus welchem Grunde auch immer, nur ablehnt oder ihr ausweicht. Erforderlich ist, d a ß die Gesellschaft nicht in der Lage ist, die Forderung ihres Gläubigers ganz zu erfüllen. D a n n aber m u ß die Gesellschaft entweder illiquid oder überschuldet sein und m u ß Antrag auf Eröffnung des Vergleichsoder Konkursverfahrens gestellt haben (§92 Abs. 2). Das zeigt, daß — vielleicht von Ausnahmefällen abgesehen •—• das Verfolgungsrecht des Gläubigers praktisch nur eingreift, wenn entweder ein Vergleichsverfahren läuft oder ein Konkursantrag mangels Masse abgelehnt ist. Denn während des Laufs des Konkursverfahrens tritt an die Stelle des Verfolgungsrechts der Gläubiger gemäß Satz 2 das des Konkursverwalters, so d a ß ein einzelner Gläubiger während des Laufs eines Konkursverfahrens garnicht gemäß § 62 vorgehen kann. Läuft ein Vergleichsverfahren, so besteht das Verfolgungsrecht nur in der Höhe, als keine Befriedigung aus der Vergleichsquote erfolgt. Denn Abs. 2 S. 1 gibt das Verfolgungsrecht nur, „soweit" von der Gesellschaft keine Befriedigung zu erlangen ist. Damit beschränkt sich die praktische Bedeutung des Abs. 2 S. 1 auf den Lauf

461

§ 62 Anm. 12, 13

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

eines Vergleichsverfahrens für den durch die Vergleichsquote nicht gedeckten Teil des Gläubigeranspruchs und auf den Fall der Ablehnung eines Konkursantrages mangels Masse, hier dann auf den vollen Betrag der Gläubigerforderung; beides selbstverständlich nur im Rahmen der Rückgewährpflicht des einzelnen, in Anspruch genommenen Aktionärs. Anm. 12 5. Da der Gläubiger nur den Rückgewähranspruch der Gesellschaft geltend macht, sind an den Nachweis dieses Anspruchs dieselben, aber keine höheren Anforderungen zu stellen, wie wenn die Gesellschaft selbst klagen würde. Es gilt insbesondere also auch hier die Beweislastregel des Abs. i S. 3. Die Aktionäre können gegen den Rückgewähranspruch nur dieselben Einwendungen vorbringen, die sie der Gesellschaft gegenüber vorbringen könnten. Auch dem Gläubiger gegenüber können sie sich also nicht auf irgendeine Befreiung von ihrer Rückgewährpflicht, z. B. durch Vergleich, Verzicht oder Aufrechnung, berufen. Das ist zwar nicht besonders in § 6a Abs. a, wie in § 93 Abs. 5 S. 3 gesagt, ergibt sich aber aus der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 1 auf den Rückgewähranspruch (§66 Abs. a). Auch die Berufung auf einen Hauptversammlungsbeschluß scheidet hier aus, weil ein Hauptversammlungsbeschluß über die verbotswidrige Leistung gemäß § 356 Abs. 1 Ziff. 1 nichtig wäre (Anm. 4). Andererseits stehen dem Aktionär gegen den Gläubiger aber alle Einwendungen zu, die der Gesellschaft gegen den Gläubiger zustehen. Insoweit ist die Rechtslage ähnlich wie bei der Haftung des Bürgen. Es ist daher auch nichts gegen eine entsprechende Anwendung des § 770 BGB einzuwenden (Godin-Wilhelmi, Anm. 6; Baumbach-Hueck, Rn. 13). Der Aktionär kann daher die Erfüllung verweigern, solange der Gesellschaft wegen ihrer Verbindlichkeit die Befugnis zur Anfechtung oder Aufrechnung zusteht. Auch kann der Aktionär die der Gesellschaft zustehende Einrede der Veijährung geltend machen und zwar selbst dann, wenn sich die Verjährung erst im Laufe eines gegen ihn angestrengten Prozesses vollendet, weil die Verjährung des Anspruchs gegen die Gesellschaft nicht durch Klage gegen den Aktionär unterbrochen wird (Brodmann § 317 Anm. 6; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 317 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski § 56 Anm. 7; Godin-Wilhelmi Anm. 6). Auch kann einem nach Abs. a vorgehenden Gläubiger der Einwand unzulässiger Rechtsverfolgung entgegengehalten werden, wenn er als Mitglied eines Verwaltungsorgans der Gesellschaft selbst Urheber der verbotswidrigen Leistung war (vgl. oben Anm. 5; RG in Warn. 193a Nr. 64; Baumbach-Hueck Rn. 13). Anm. 13 6. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während seiner Dauer der Konkursverwalter die Rechte der Gläubiger aus § 6a Abs. a aus. Der Konkursverwalter hat danach einmal für die Gemeinschuldnerin und zum anderen für die Gläubiger das alleinige Recht, die Rückgewähransprüche gegen die Aktionäre gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen. Die Eröffnung des Konkursverfahrens unterbricht in sinngemäßer Anwendung der § 240 ZPO, § 13 Abs. 2 AnfG den von einem Gläubiger anhängig gemachten Prozeß (Brodmann § 317 Anm. 5; Jaeger KO §§ 207/08 Anm. 30). Der Konkursverwalter kann in den vom Gläubiger angestrengten Prozeß eintreten. Nur er kann ihn fortführen, da er während des Konkurses gemäß Abs. a S. 2 die Rechte der Gläubiger wie auch die des Gemeinschuldners ausübt. Der Einzelgläubiger, der jetzt noch klagen wollte, würde ein ihm nicht zustehendes Aussonderungsrecht geltend machen. Die Abweisung der Klage hätte wegen mangelnder Sachlegitimation gemäß Abs. 2 S. 2 zu erfolgen (vgl. RG 74, 428). Tritt der Konkursverwalter kraft der auf ihn übergegangenen Sachberechtigung (RG 84, 242; RG in J W 30, 3730) in den Rechtsstreit ein, so nimmt er die Stellung des Rechtsnachfolgers des bisherigen Aktionärs im Sinne des § 325 ZPO ein (RG in J W 35, 3301). Nach Beendigung des Konkurses müssen die Gläubiger die Rechtskraft des gegen den Konkursverwalter ergangenen Urteils gemäß § 325 ZPO gegen sich gelten lassen (RG aaO.); 462

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 62 A n m . 14, 15 auch an einem zwischen dem Konkursverwalter und dem Aktionär geschlossenen Vergleich sind die Gläubiger gebunden (RG 39, 64; vgl. dazu auch § 13 Abs. 4 AnfG). Die Bestimmung des § 66 kann für den Konkursverwalter keine Geltung beanspruchen (vgl. § 66 Anm. 30). Lehnt der Konkursverwalter die Aufnahme des Rechtsstreits ab, so kann der klagende Gläubiger den Rechtsstreit nicht selber fortfuhren, weil ihm f ü r die Dauer des Konkurses die Sachberechtigung zur Geltendmachung des Anspruchs aus Abs. 1 fehlt; der Rechtsstreit kann in diesem Fall von jeder Partei nur wegen der Prozeßkosten aufgenommen werden (§13 Abs. 2 Satz 4 AnfG). War bei Konkurseröffnung ein Rechtsstreit zwischen einem Gläubiger und einem Aktionär noch nicht anhängig und lehnt der Konkursverwalter die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ab, so ist auch außerhalb des Prozesses kein Gläubiger zur Geltendmachung eines solchen Anspruchs für die Dauer des Konkurses befugt (RG 74, 86). Nach der Konkurseröffnung kann ein Aktionär nicht mehr mit befreiender Wirkung an einen Gläubiger leisten, er befreit sich nur noch durch Zurückzahlung an die Konkursmasse (vgl. R G 37, 86). Nach der Beendigung des Konkurses kann jeder Gläubiger wieder das Recht aus § 62 ausüben, soweit er weder befriedigt ist noch der Aktionär sich durch Zurückzahlung an die Konkursmasse befreit hat. Dem Aktionär stehen bei einer Prozeßführung des Konkursverwalters die gleichen Einwendungen zu, wie er sie dem Rückgewähranspruch der Gesellschaft selbst gegenüber geltend machen könnte. Einwände gegen Ansprüche eines Gläubigers der Gesellschaft entfallen selbst dann, wenn der Konkursverwalter den von einem Gläubiger vor Konkurseröffnung angestrengten Prozeß fortsetzt. Denn nunmehr klagt der Konkursverwalter sowohl aus dem Recht der Gesellschaft wie aus dem sämtlicher Gläubiger. A n m . 14 7. Zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftsgläubigern besteht auch keine Gesamtgläubigerschaft im Sinne des § 428 BGB. Der Gläubiger hat keine eigene Forderung gegen den Aktionär. Er verfolgt nur die Forderung der Gesellschaft. Der Anspruch der Gesellschaft besteht neben dem Gläubigeranspruch weiter. Er geht nicht auf den Gläubiger über, auch nicht, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig geworden ist. Bei Vorhandensein mehrerer unbefriedigter Gläubiger wäre auch nicht erkennbar, wie sich der Forderungsübergang vollziehen sollte. Der einzelne Gläubiger kann sich auch dadurch keinen Vorrang vor anderen Gläubigern verschaffen, daß er den Anspruch der Gesellschaft in Höhe seiner Forderung pfändet; denn diese Position gibt ihm nicht mehr als Abs. 2 S. 1, da die Gesellschaft und jeder Gläubiger den Anspruch nebeneinander geltend machen können. Die Gesellschaft hat keinen Vorrang vor den Gläubigern. Die Zahlung an die Gesellschaft oder einen Gläubiger befreit den Aktionär gegenüber allen. Der Aktionär kann auch an jeden der mehreren Gläubiger ohne Rücksicht auf die Reihenfolge ihrer Meldung und ihrer Klagen zahlen. Auch nach Erwirkung eines Urteils durch einen Gläubiger kann er an einen anderen oder an die Gesellschaft mit befreiender Wirkung zahlen (Anm. 9). Die Einrede der Rechtshängigkeit kann einem verklagten Aktionär nicht entgegengehalten werden, da jeder Gläubiger ein selbständiges Klagerecht hat und keine Identität der Parteien besteht. Das gilt auch für den Einwand der Rechtskraft. Der Beklagte kann zwar die Aussetzung des Verfahrens beantragen, doch hat er hierauf keinen Rechtsanspruch. Hat der Gläubiger vollstreckt oder ist er oder die Gesellschaft durch Zahlung befriedigt worden, so kann der Schuldner in Höhe des beigetriebenen oder gezahlten Betrages der Vollstreckung eines anderen Gläubigers mit der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 Z P O begegnen. A n m . 15 III. Verjährung (Abs. 3) Hier gibt Abs. 3 eine Sonderregelung. Danach verjährt der Anspruch in 5 Jahren, wobei die Verjährung mit dem Empfang der Leistung beginnt. Insoweit unterscheidet sich diese Regelung von der Vorschrift des § 159 Abs. 3 HGB. Das ist von praktischer

463

§ 62 Anm. 16 §63

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Bedeutung, wenn ein Gläubiger erst längere Zeit nach dem Empfang der verbotswidrigen Zahlung eine Forderung gegen die Gesellschaft erwirkt. In einem solchen Falle kann die Verjährungsfrist für den Gläubiger unter Umständen eine sehr kurze sein. Ist die Forderung des Gläubigers gegen die Gesellschaft verjährt — insoweit sind die allgemeinen Verjährungsvorschriften maßgebend — , so kann der in Anspruch genommene Aktionär auch diese Einrede geltend machen (Anm. 12). Die Unterbrechung der Verjährung durch die A G dem Aktionär gegenüber wirkt für den Gläubiger, der ja nur einen Anspruch der Gesellschaft geltend macht, während die Unterbrechung der Verjährung durch einen Gläubiger nicht für die Gesellschaft wirkt. Dem Gläubiger gegenüber kann aber kein Verjährungseinwand erhoben werden, wenn während des Laufs der von ihm gegen den Aktionär anhängig gemachten Klage die Verjährung gegen die Gesellschaft eintritt (Baumbach-Hueck Rn. 18). Das würde dem Sinn des Verfolgungsrechts des Gläubigers gemäß Abs. 2 widersprechen. Soweit Ansprüche der Gesellschaft auf Rückgewähr von Leistungen außerhalb des § 62 gemäß Bereicherungsrecht in Frage kommen (Anm. 4), gilt die 30jährige Verjährungsfrist. Neben dem Anspruch aus § 62 besteht für die von ihm geregelten Tatbestände ein derartiger Bereicherungsanspruch allerdings nicht, weil § 62 eine abschließende Regelung enthält (Baumbach-Hueck Rn. 17). Anm. 16 IV. Haftung bei Leistungen an andere Gewinnbeteiligte § 62 handelt nicht von Zahlungen, die auf Grund von Gewinnbeteiligungsberechtigungen an Mitglieder des Vorstands (§86), des Aufsichtsrats (§ 113), an Angestellte der A G oder an Genußscheininhaber auf Grund des festgestellten Bilanzgewinns zu leisten sind. Soweit diese Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet worden sind, kann die Gesellschaft sie nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 812 ff. BGB) zurückfordern. Gegenüber den Gesellschaftsgläubigern besteht keine Haftung, es sei denn nach Anfechtungsvorschriften oder nach § 826 BGB, keinesfalls nach § 62. Für die Frage, ob der Zahlung der Rechtsgrund gefehlt hat, ist in erster Linie der Inhalt des Vertrags entscheidend, soweit dieser nicht gegen zwingende Vorschriften (§§ 86, 113) verstößt. Gibt der Vertrag keinen anderen Anhalt, so werden Gewinnbeteiligungszahlungen auf Grund von nichtigen (oder mit Erfolg angefochtenen) Beschlüssen als des Rechtsgrundes entbehrend anzusehen sein, ebenso auch dann, wenn eine unrichtige Bilanz richig gestellt wird (RArbG HRR 1929 Nr. 817). Wird eine unrichtige Bilanz nicht richtig gestellt und ist der Jahresabschluß auch nicht nichtig, so bildet die Bilanz, soweit nicht der Vertrag etwas anderes ergibt, die Rechtsgrundlage der Zahlung, eine ungerechtfertigte Bereicherung liegt also nicht vor. Gegen den hier behandelten Bereicherungsanspruch sind aber Einwendungen nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, also namentlich der Einwand, das zahlende Gesellschaftsorgan habe gewußt, daß die Gesellschaft nicht zur Leistung verpflichtet sei (§ 814 BGB). Bei Kollusion kommt der Einwand nicht in Betracht, weil die Klage sich dann auf unerlaubte Handlung (§ 826 BGB) stützen kann. Andererseits ist dem Empfanger der Einwand versagt, er habe die Leistung im guten Glauben als Gewinnanteil bezogen. Die Unkenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes hat aber für den Einwand Bedeutung, die Bereicherung sei weggefallen (vgl. § 818 Abs. 3, 4 und § 819 BGB).

§

63

Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung

( 1 ) Die Aktionäre haben die Einlagen nach Aufforderung durch den Vorstand einzuzahlen. Die Aufforderung ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. (2) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, haben ihn vom Eintritt der Fälligkeit an mit fünf vom Hundert für das J a h r

464

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 63 Arun. 1, 2 zu verzinsen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. (3) Für den Fall nicht rechtzeitiger Einzahlung kann die Satzung Vertragsstrafen festsetzen. Übersicht Einleitung I. Die Voraussetzungen für Zinsen und Vertragsstrafe 1. Allgemeines 2. Die Aufforderung zur Einzahlung a) Die rechdiche Bedeutung der Aufforderung b) Form und Inhalt der Aufforderung c) Die gleichmäßige Behandlung bei der Aufforderung 3. Die nicht rechtzeitige Einzahlung II. Die Pflicht zur Zahlung von Zinsen 1. Die Pflicht als Nebenpflicht zur Einlagepflicht 2. Der Inhalt der Pflicht zur Zahlung von Zinsen

I 2 3 4 5 6 7 8

III. Die Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe 1. Die Festsetzung in der Satzung 9 2. Die Vertragsstrafe für nicht rechtzeitige Erfüllung 10 3. Der Inhalt der Vertragsstrafe 11 IV. Der derzeitige Aktionär als Schuldner 1. Der Begriff des derzeitigen Aktionärs 12 2. Die Verpflichtung bei gutgläubigen Erwerb 13 V. Konkursrechtliche Fragen 1. Der Konkurs des zahlungspflichtigen Aktionärs 14 2. Der Konkurs der Gesellschaft 15

Anm. 1 Einleitung Die §§ 63 bis 66 bilden eine Gruppe von Vorschriften, die anwendbar sind, wenn die Aktionäre ihrer Hauptverpflichtung, der Leistung der Einlagen, nicht oder nicht gehörig nachkommen. Soweit dies bei Nebenverpflichtungen der Fall ist, gilt § 55 (vgl. Anm. 12ff. das.). Vorschriften über die Verzinsung rückständiger Einlagen und über die Zulässigkeit von Vertragsstrafen fanden sich schon in Art. 220 des alten HGB. Sie gingen im wesentlichen unverändert in das Gesetz von 1884 (Art. 184, 219 Abs. 2), sodann in das HGB (§ 218), in § 57 AktG 37 über und kehren in § 63 AktG 65 wieder. Diese Bestimmung ist zwar in Abs. 1 und 2 S. 2 neu gefaßt. Die Änderungen sind aber nicht sehr weitgehend. Während der RegE die Aufforderung zur Leistung der Einlagen in den Gesellschaftsblättern mit Rücksicht auf § 64 Abs. 2 und 3 zwingend vorschreiben wollte, haben die Ausschüsse im Hinblick auf Einmanngesellschaften und Gesellschaften mit wenigen Aktionären diese Bekanntmachungsform nicht zwingend vorgeschrieben. Außerdem verneint die Neufassung in Abs. 1 S. 1 die früher strittige Frage (Vorauf!. § 57 Anm. 4), ob die Aufforderung der Hauptversammlung überlassen werden kann. Abs. 2 S. 2 ist sprachlich an § 288 Abs. 2 BGB angepaßt. Anm. 2 I. Die Voraussetzungen für Zinsen und Vertragsstrafe 1. Allgemeines Die ersten 25 v. H. der Bareinlage und das Aufgeld müssen vor der Anmeldung der Gesellschaft oder vor der Anmeldung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals bereits eingezahlt sein (§ 36 Abs. 2, § 188 Abs. 2, § 203 Abs. 1). Regelmäßig können also die §§ 63 ff. fiir diesen ersten Teil der Bareinlage nicht in Betracht kommen. Immerhin ist es denkbar, daß dieser Teil der Einzahlung unterblieben oder nicht ordnungsmäßig, etwa durch Verrechnung geleistet worden ist; alsdann sind die §§ 63fr.

465

§ 63 Artm. 3 , 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

auch hierauf anwendbar (§36 R G 94, 65 oben; Brodmann § 218 Anm. i a ; Schlegelberger-Quassowski § 57 Anm. 6; Baumbach-Hueck Rn. 7; a. M. Düringer-HachenburgFlechtheim § 218 Anm. 3 ; Ritter § 57 Anm. 2; ebenso anscheinend auch R G 144, 148, wo aber nur die Anwendbarkeit des § 220 H G B — jetzt § 65 AktG — in Frage stand und wegen der Ausgabe von Inhaberaktien verneint werden mußte). Auf Sacheinlagen findet § 63 ebenso wenig Anwendung wie die §§ 64, 65. Das ist zwingend und kann durch die Satzung nicht abweichend geregelt werden. Kommt der Aktionär mit seiner Einlage in Verzug, so kommen ausschließlich die in § 20 Anm. 18 dargelegten Grundsätze zur Anwendung (vgl. dazu § 64 Anm. 2).

Anm. 3 2. Die Aufforderung zur Einzahlung a) Die rechtliche Bedeutung der Aufforderung Die Verpflichtung zur Zahlung der restlichen Bareinlage wird erst fällig, wenn und soweit die Aktionäre zur Einzahlung aufgefordert worden sind ( R G 85, 368). Insoweit unterscheidet sich die Aufforderung von der Mahnung (§ 284 BGB), die ihrerseits Fälligkeit voraussetzt. Sie unterscheidet sich auch in ihrer Wirkung von der Mahnung, da sie nur die Fälligkeit der Einlageforderung herbeiführt und nicht zugleich auch den Verzug des säumigen Aktionärs begründet. Das gilt auch dann, wenn die Satzung einen bestimmten Zeitpunkt für die restliche Einzahlung vorgesehen hat. Auch in diesem Fall ist zur Herbeiführung der Fälligkeit der restlichen Einlageforderung eine Aufforderung erforderlich (Brodmann § 2 1 8 Anm. 2; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 8 Anm. 4; a. M . Ritter § 57 Anm. 3). Dabei tritt die Fälligkeit zu dem Zeitpunkt ein, der in der Aufforderung als Einzahlungstermin angegeben ist.

Anm. 4 b) Form und Inhalt der Aufforderung Für die Form ist in erster Linie die Satzung, und zwar nicht nur die ursprüngliche, sondern auch die erst später geänderte Satzung maßgebend (vgl. § 25 Anm. 4). Enthält sie darüber keine Bestimmung, so ist die Aufforderung so zu erlassen, wie es die Satzung für Bekanntmachungen der Gesellschaft vorsieht (§ 23 Abs. 4, § 25; vgl. § 23 Anm. 16; § 25 Anm. 4). Es handelt sich also in diesem Fall um eine öffentliche Bekanntmachung und nicht wie bei der Mahnung um eine empfangsbedürftige (individuelle) Erklärung gegenüber dem einzelnen Aktionär. Die Bekanntmachung muß genügend ersehen lassen, auf welche Aktien sie sich bezieht. Da sich die Aufforderung an die Aktionäre richtet, ist es jedoch ausreichend, wenn der Inhalt der Bekanntmachung für diese ersichtlich ist. Ferner muß die Aufforderung den Zeitpunkt enthalten, zu dem die Leistungen zu zahlen sind. Mangels einer entgegenstehenden Satzungsbestimmung ist es unerheblich, wenn die Unterschrift des Vorstands unter der Bekanntmachung fehlt ( R G Bolze 5 Nr. 755). Der Vorstand muß die Aufforderung erlassen, da es sich hierbei um eine Geschäftsfuhrungsmaßnahme handelt. Die Satzung kann hierfür nicht die Zuständigkeit der Hauptversammlung begründen, weil Abs. 1 S. 1 eine abschließende Reglung enthält (Begr. z. RegE bei Kropff S. 84). Der Vorstand kann im Innenverhältnis an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden werden (§ 1 1 1 Abs. 4 S. 2; ebenso BaumbachHueck Rn. 9; Möhring-Schwartz, Die A G und ihre Satzung 2. Aufl. S. 44). An die Stelle des Vorstands treten im Fall des Konkurses der Konkursverwalter, während der Abwicklung die Abwickler. Im Zweifel hat das pflichtgemäße Ermessen des Vorstands darüber zu entscheiden, ob er die Aufforderung zur Einzahlung an die Aktionäre erläßt, und in welchen Zeitabständen er die Zahlung der noch offenstehenden Einlagen verlangt. Die Aktionäre können gegenüber seiner Aufforderung nicht einwenden, daß für die weitere Einzahlung ein Bedürfnis nicht bestehe. Anders im Fall des Konkurses und

466

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 63

Anm. 5—7

der Abwicklung, da in der Zeit nach Auflösung der Gesellschaft nicht mehr eingefordert werden darf, als zur Befriedigung der Gläubiger nötig ist ( R G 79, 175; Seuff A 87 Nr. 30). Zur Frage der Aufforderung nach Abtretung der Einlageforderung vgl. § 66 Anm. aa.

Anm. 5 c) Die gleichmäßige Behandlung bei der Aufforderung Die Aufforderung muß an alle Inhaber derselben Ausgabe und Gattung von Aktien gleichmäßig unter Bestimmung eines einheitlichen Fälligkeitstermins ergehen. Eine verschiedenartige Behandlung der Aktionäre einer und derselben Ausgabe und Gattung würde das Recht auf gleichmäßige Behandlung verletzen und ohne Zustimmung der benachteiligten Aktionäre nicht wirksam sein (so auch Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht 1958 S. 303). Es geht nicht an, daß der eine aufgefordert wird, 25 v. H., der andere, 50 v. H. einzuzahlen, der eine in drei Monaten, der andere in einem Monat. Der benachteiligte Aktionär kann gegenüber einer Klage einwenden, daß er ebenso gestellt werden müsse wie der bestbegünstigte, wenn also einzelne überhaupt nicht zur Zahlung aufgefordert sind, daß er gar nichts einzuzahlen habe. Die gegenteilige Meinimg in R G 85, 367 beruht auf der nicht zu billigenden Auffassung, daß es sich um ein gewöhnliches Schuldverhältnis zwischen der A G und den Aktionären handle, während in Wirklichkeit die Aktionäre ihre Mitgliederpflichten erfüllen und hierbei das Recht auf gleichmäßige Behandlung haben (so jetzt auch die herrsch. Ansicht im Schrifttum; abweichend nur Teichmann-Koehler § 57 Anm. 1). Die richtige Auffassung scheint der Entsch. R G 13a, 396 für die GmbH zugrunde zu hegen. Eine ungleichmäßige Behandlung wäre auch dann anzunehmen, wenn die A G es gegenüber einzelnen Aktionären bei der Aufforderung bewenden ließe und nur andere verklagte. Indessen werden in solchem Fall gewisse zeitliche Unterschiede nach Treu und Glauben unvermeidlich, auch kann die Unterlassung der Klage gegen einzelne Aktionäre wegen deren Vermögenslosigkeit zweckmäßig sowie aus besonderen anderen Gründen gerechtfertigt sein. Das alles gilt auch dann, wenn der Gesellschafter eine Einlageforderung abgetreten hat (dazu im einzelnen § 66 Anm. ai).

Anm. 6 3. Die nicht rechtzeitige Einzahlung Zur Begründung der in § 63 genannten Nebenpflichten ist es neben der Aufforderung zur Einzahlung des weiteren notwendig, daß ein einzelner Aktionär seiner Zahlungsverpflichtung zu dem in der Aufforderung genannten Zeitpunkt, also nach Eintritt der Fälligkeit (Anm. 3), nicht nachkommt. Dabei bedarf es zur Begründung des Anspruchs auf Zinsen nicht einmal eines Verzugs des säumigen Aktionärs. Der Aktionär kann sich also gegenüber dieser Verpflichtung nicht durch den Nachweis befreien, daß die (rechtzeitige) Einzahlung infolge eines Umstandes unterblieben sei, den er nicht zu vertreten habe (§ 285 BGB). Anders dagegen bei der Verpflichtung zur Zahlung einer in der Satzung vorgesehenen Vertragsstrafe. Hierfür ist im allgemeinen nach allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsätzen Verzug, also eine schuldhaft nicht rechtzeitige Einzahlung notwendig (Anm. 10).

Anm. 7 II. Die Pflicht zur Zahlung von Zinsen 1. Die Pflicht als Nebenpflicht zur Einlagepflicht Die Pflicht zur Zahlung von Zinsen für die nicht rechtzeitige Erfüllung der fälligen Zahlungen auf die Bareinlage ist eine Nebenpflicht zur Einlagepflicht. Sie ist also nicht Inhalt der Einlagepflicht selbst. Das ist rechtlich bedeutsam. Die Vorschriften über die

467

§63 Anm. 8—10

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Einlagepflicht gelten nicht auch für die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen. Es kann deshalb nicht wegen Verletzung dieser Verpflichtung das Ausschlußverfahren (§ 64) eingeleitet und auch kein Rückgriff" auf einen etwaigen Vormann (§ 65) genommen werden. Auch § 66 findet insoweit keine Anwendung, so daß gegen einen späteren Erlaß durch die Gesellschaft nichts eingewendet werden kann. Desgleichen ist eine uneingeschränkte Abtretung und Verpfandung dieser Forderung durch die Gesellschaft zulässig. Schließlich brauchen die geleisteten Zahlungen an Zinsen nicht in die gesetzliche Rücklage (§ 150) eingestellt zu werden. Sie gehören nicht zu dem in § 150 Abs. 2 Nr. 2 genannten Aufgeld. Sie sind als Einnahmen in die Gewinn- und Verlustrechnung einzustellen und können zur Verstärkung des verteilbaren Bilanzgewinns verwandt werden. Die insoweit abweichende Ansicht von Rud. Fischer (EhrenbHdb. I I I 1 S. 368) und Wieland (Handelsrecht I I S. 52) wird heute im Schrifttum nicht mehr vertreten. Anm. 8 2 . Der Inhalt der Pflicht zur Zahlung von Zinsen Der Ablauf der in der Aufforderung bestimmten Zahlungsfrist begründet ohne weiteres einen Anspruch auf 5 % Jahreszinsen ( R G 9, 44). Die Zinspflicht wird so behandelt wie bei beiderseitigen Handelsgeschäften (§ 353 HGB), auch wenn der Aktionär nicht Kaufmann ist. Auch die Höhe der Zinsen ist die handelsrechtliche (vgl. § 352 HGB). Einer besonderen Bestimmung über die Zinspflicht in der Satzung bedarf es nicht. Die Satzung kann aber keinen anderen Zinsfuß bestimmen. Wollte sie einen anderen Zinssatz als 5 % bestimmen, so würde sie von einer gesetzlichen Vorschrift abweichen, ohne daß dies vom Gesetzgeber zugelassen ist (§ 23 Abs. 4). Ein höherer Zinssatz als 5 % kann aber im Rechtssinn als Vertragsstrafe gelten (so BaumbachHueck, Rn. 1 1 ; a. M. Godin-Wilhelmi, Anm. 6). Er kann dann von der Gesellschaft nur verlangt werden, wenn die weitere Voraussetzung für die Vertragsstrafe — Verzug des säumigen Aktionärs (Anm. 10) — gegeben ist. Ansprüche auf Ersatz eines weitergehenden Schadens läßt das Gesetz ausdrücklich zu (vgl. §§ 286, 288 Abs. 2 BGB). Ein solcher kann z. B. dadurch entstehen, daß das Ausbleiben der Einzahlung die Gesellschaft nötigt, Kredit aufzunehmen. Voraussetzung fiir die Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs ist aber Nachweis eines weitergehenden Schadens und Verzug. Anm. 9 III. Die Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe 1. Die Festsetzung in der Satzung Die Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung der Einlagepflicht ist nur gegeben, wenn die Satzung eine dahingehende Bestimmung enthält. Die Bestimmung muß grundsätzlich in der ursprünglichen Satzung enthalten sein; die nachträgliche Festsetzung einer Vertragsstrafe durch Satzungsänderung bedarf der Zustimmung aller davon betroffenen Aktionäre. War jedoch bei einer Kapitalerhöhung die Satzungsänderung schon vor der Übernahme der Aktien in Kraft getreten, so ist die in einer solchen Satzungsänderung getroffene Bestimmimg über eine Vertragsstrafe für die Einzahlung auf die neuen (jungen) Aktien wirksam. Anm. 10 2. Die Vertragsstrafe für die nicht rechtzeitige Erfüllung Eine Vertragsstrafe darf nur für die nicht rechtzeitige Erfüllung der Einlagepflicht, nicht aber auch für den Fall ihrer Nichterfüllung vorgesehen werden. § 340 BGB findet daher hier keine Anwendung; vielmehr kann die Gesellschaft stets neben der Strafe

468

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 63 Anm. 11 auch die Erfüllung der Einlagepflicht verlangen (§341 BGB). Für die Vertragsstrafe ist Verzug des säumigen Aktionärs erforderlich (§ 339 BGB). Dieser setzt außer der stets notwendigen allgemeinen Aufforderung zur Einzahlung (Anm. 3 fr.) des weiteren eine individuelle, an den säumigen Aktionär gerichtete und empfangsbedürftige Mahnung (§ 284 BGB) voraus, es sei denn, daß die besonderen Voraussetzungen des § 284 Abs. 2 BGB gegeben sind. Ferner liegt Verzug des säumigen Aktionärs nur vor, wenn die Zahlung infolge eines Umstands unterblieben ist, den der Aktionär zu vertreten hat (§ 285 BGB). Zu vertreten hat er Vorsatz und Fahrlässigkeit seiner selbst und seiner Erfüllungsgehilfen(§§276,278BGB). Ist er Kaufmann und derAG im Betriebe seines Handelsgewerbes beigetreten, so haftet er für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 HGB). Die Haftungsbeschränkung für die Gesellschafter (§ 708 BGB) ist nicht anwendbar (vgl. § 55 Anm. 8). Hat die AG Anspruch auf Schadensersatz, so bildet die Vertragsstrafe den Mindestbetrag ihres Schadensersatzanspruchs. Nimmt sie die Einzahlung an, ohne sich den Anspruch auf die Vertragsstrafe vorzubehalten, so kann sie diese nicht mehr verlangen, wohl aber noch Schadensersatz. Ist die Strafe unverhältnismäßig hoch, so gilt das richterliche Ermäßigungsrecht nach § 343 HGB, es sei denn, daß der Aktionär — d. h. nicht der erste Nehmer, sondern derjenige, der zur Zeit der Verletzung der Einzahlungspflicht Aktionär ist oder wegen seiner Eintragung im Aktienbuch dafür gilt (§ 67 Abs. 2) — zur Zeit des Erwerbs Vollkaufmann war und der AG im Betriebe seines Handelsgewerbes beigetreten ist (herrsch. Ansicht; a. M. Staub-Pinner § 218 Anm. 7, die insoweit den Zeitpunkt der Verpflichtung für maßgebend halten). Wenn auch RG 9, 44 neben der satzungsmäßig vorgesehenen Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe die Zinspflicht nur dann als gegeben erachtet hat, wenn in der Satzung Zinsen und Vertragsstrafe nebeneinander vorgesehen waren, so kann das entgegen der Vorauflage § 57 Anm. 10 und Baumbach-Hueck Rn. 13 nicht mehr angenommen werden. Die Zinspflicht ist — und zwar mit dem gesetzlich vorgesehenen Satz von 5% als Mindest- und Höchstbetrag — zwingend (Anm. 8) und kann nicht durch die satzungsmäßige Festsetzung einer Vertragsstrafe beseitigt werden; sonst wäre es ja möglich, durch die Festsetzung einer weit unter 5% p. a. liegenden Vertragsstrafe praktisch den gesetzlich vorgeschriebenen Zinssatz zu seAken. Die Satzung hat also nur die Möglichkeit, neben der Zinspflicht des Abs. 2 noch eine Vertragsstrafe — gewissermaßen als pauschalierten Schadensersatz — zu setzen, nicht aber auch die Zinspflicht durch die Vertragsstrafe zu ersetzen (so auch Godin-Wilhelmi, Anm. 8). Ein über 5 % festgesetzter Zins ist in Wahrheit mit dem 5% übersteigenden Betrag eine Vertragsstrafe und setzt anders als die gesetzliche Zinspflicht (Anm. 6) Verzug voraus. Ein die Vertragsstrafe übersteigender Schadensersatz kann nur dann gefordert werden, wenn ein entsprechender Schaden nachgewiesen wird, und ebenso wie die Vertragsstrafe nur unter der Voraussetzung des Verzuges. Anm. 11 3. Der Inhalt der Vertragsstrafe Als Gegenstand der Vertragsstrafe kommt in erster Linie eine Geldzahlung von bestimmter Höhe in Betracht. Es können aber auch (vgl. § 342 BGB) in der Satzung andere Leistungen als Inhalt der Vertragsstrafe vorgesehen werden. Insoweit gilt jedoch aus aktienrechtlichen Gründen eine Einschränkung. Inhalt der Vertragsstrafe darf niemals der Entzug des Mitgliedschaftsrechts sein. § 64, der den Ausschluß eines Aktionärs im Fall der Nichterfüllung der Einlagepflicht regelt, ist zwingenden Rechts auch zugunsten der Aktionäre (§ 64 Anm. 2). Auch die Beschränkung in der Ausübung von Verwaltungsrechten (z. B. Ausschluß vom Stimmrecht) kann nicht als Gegenstand einer Vertragsstrafe bestimmt werden, weil das ebenfalls gegen zwingende aktienrechtliche Grundsätze (§12) verstoßen würde (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim §218 Anm. 9; Schlegelberger-Quassowski § 57 Anm. 7; Baumbach-Hueck Rn. 13). Etwas anderes dürfte lediglich für den Entzug des Gewinnrechts als Inhalt der Vertragsstrafe während der Dauer des Verzuges gelten, da eine solche Vertragsstrafe im Ergebnis einer Geldzahlung als Gegenstand einer Vertragsstrafe gleichkommt. 469

§63 A n m . 12—14

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 12 IV. Der derzeitige Aktionär als Schuldner 1. Der Begriff des derzeitigen Aktionärs Die Pflicht zur Zahlung von Zinsen und zur Zahlung einer in der Satzung vorgesehenen Vertragsstrafe trifft grundsätzlich denjenigen, der in dem Zeitpunkt, in dem die restliche Einlageforderung fällig wird (Anm. 3), gegenüber der Gesellschaft als Aktionär gilt. Da die Gesellschaft vor Vollzahlung der Einlage nur Namensaktien oder Zwischenscheine ausgeben darf (§ 10 Abs. 2, 3), ist derjenige verpflichtet, der in dem maßgeblichen Zeitpunkt im Aktienbuch als Aktionär verzeichnet ist (§ 67 Abs. 2; R G 86, 159). Niemals kommt es also insoweit darauf an, wer im Zeitpunkt der Aufforderung der Gesellschaft gegenüber als Aktionär galt. Zweifelhaft ist es, wen die Zahlungspflicht trifft, wenn die Aktie nach der Fälligkeit auf einen anderen wirksam übertragen worden ist. Hier wird man mit Godin-Wilhelmi Anm. 10 annehmen müssen, daß der Erwerber auch zur Zahlung der Zinsen verpflichtet ist, die sich auf den Zeitraum von der Fälligkeit bis zum Erwerb der Aktie beziehen, daß er dagegen nicht die Vertragsstrafe und den Schadensersatz schuldet, der sich auf den Verzug seines Vormanns gründet. Dieser Unterschied ist gerechtfertigt, weil Vertragsstrafe und Schadensersatz ein bestimmtes subjektives Moment in der Person des Ersatzpflichtigen voraussetzen (teilweise abweichend Schlegelberger-Quassowski § 57 Anm. 9). Der Erwerber haftet also in einem solchen Fall auf Vertragsstrafe und Schadensersatz nur, soweit die dafür notwendigen subjektiven Voraussetzungen (Verzug: Anm. 10, 8) in seiner Person gegeben sind.

Anm. 13 2. Die Verpflichtung bei gutgläubigen Erwerb Die Aktie ist auch schon vor der vollen Einzahlung der Bareinlage übertragbar. Da sie in diesem Fall notwendigerweise Namensaktie ist und da ferner in ihr der Betrag der geleisteten Teilzahlungen angegeben werden muß (§ 10 Abs. 2), ist dem Erwerber im Regelfall bekannt, wie hoch der Betrag der noch ausstehenden Teilzahlungen ist. In diesem Fall haftet er daher auch der Gesellschaft für die noch rückständige Einlage. Das ist jedoch anders, wenn die Gesellschaft im Einzelfall entgegen der Vorschrift des § 10 Abs. 2 vor der Einzahlung der Bareinlage entweder Inhaberaktien ausgegeben oder den Betrag der bereits geleisteten Teilzahlungen zu hoch angegeben hat. In einem solchen Fall muß der gute Glaube des Erwerbers geschützt werden (vgl. dazu im einzelnen § 54 Anm. 20). Das hat zur Folge, daß der Erwerber von der Gesellschaft nicht in Anspruch genommen werden kann, soweit er sich auf die Ausgabe der Inhaberaktie oder auf die Eintragung in der Namensaktie gutgläubig verlassen hat ( R G 144, 145; K G J W 1927, 2434). Die weitere Folge ist, daß er auch nicht auf Zahlung von Zinsen oder auf die Entrichtung einer Vertragsstrafe von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden kann, da er j a nicht der Schuldner der restlichen Einlageverpflichtung ist (herrsch. Ansicht; abweichend nur Ritter § 57 Anm. 3 d). Da in einem solchen Fall der schlechtgläubige Veräußerer der Gesellschaft für die restliche Einlageschuld unmittelbar weiter verhaftet bleibt (ebenso Flechtheim BankA 30, 196/97; a. M. Brodmann § 2 1 8 Anm. i a ; vgl. dazu auch § 54 Anm. 20), kann es sich hier nur fragen, ob der schlechtgläubige Veräußerer dann auch Zinsen und etwaige Vertragsstrafen nach § 63 schuldet. Diese Frage ist zu verneinen (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 218 Anm. 3), da § 63 — ebenso §§ 64/65 — nur auf den derzeitigen Aktionär, nicht auch auf einen früheren Aktionär Anwendung findet.

Anm. 14 V. Konkursrechtliche Fragen 1. Der Konkurs des zahlungspflichtigen Aktionärs Im Konkurse des Aktionärs kann die A G den Einlagerückstand und den Schadensersatz als Konkursforderung geltend machen, ebenso die schon verwirkte Vertragsstrafe und die bis zur Konkurseröffnung aufgelaufenen Zinsen (§ 62 K O ) . Sie ist nicht ge470

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 63

Anm. 15

nötigt, vorher das Kaduzierungsverfahren nach § 64 einzuschlagen ( R G 79, 178; herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M . Brodmann § 218 Anm. 6c). Der Konkursverwalter des Aktionärs hat nicht die Rechte aus § 17 K O (heute unstreitig). Ein gegenseitiger Vertrag zwischen der A G und dem Aktionär liegt nicht in dem Mitgliedverhältnis (vgl. R G 182, 349). Dieses ist dadurch hergestellt, daß der Aktionär mit der Eintragung der Gesellschaft oder mit der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung Mitglied geworden ist ( R G 79, 177). Die etwa noch ausstehende Aushändigung der Aktienurkunde dient nur zur Legitimation des Aktionärs und hat für die Anwendbarkeit des § 1 7 K O keine Bedeutung ( R G 79, 177). Die Gesellschaft ist nicht verpflichtet, j a nicht einmal berechtigt, gegen Aviszahlung der Konkursdividende eine Inhaberaktie auszuhändigen, da eine solche nur bei Vollzahlung ausgegeben wird ( § 1 0 Abs. 2). Eine Namensaktie mit dem Vermerk der Teilzahlung kann der Konkursverwalter dann verlangen, wenn die Ausgabe solcher Aktien angeordnet ist (§ 10 Anm. 9) und die Zahlung den danach erforderlichen Teilbetrag erreicht. Der Konkursverwalter ist aber nach § 6 K O berechtigt, wenn das im Interesse der Masse liegt, die eingeforderten Einlagen zu bezahlen und dadurch das Kaduzierungsverfahren abzuwenden, sogar Vollzahlung zu leisten und dadurch den Anspruch auf Aushändigung der Aktienurkunde fiir die Masse zu erwerben. Im Falle eines Zwangsvergleichs im Konkurse oder Vergleichsverfahren gilt die Zahlung der Vergleichsquote, unbeschadet des Bestehenbleibens einer natürlichen Verbindlichkeit, als Vollbefriedigung. Die Gesellschaft kann daher in solchem Falle zur Aushändigung der Aktienurkunde genötigt werden, obwohl sie in Wirklichkeit nicht die volle Einlage erhalten hat (herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M . Staub-Pinner § 219 Anm. 9).

Anm. 15 2. Der Konkurs der Gesellschaft Im Konkurse der A G treibt deren Konkursverwalter die Einlagerückstände ein, da der Anspruch auf diese Rückstände zur Konkursmasse gehört ( R G 133, 82). Aber auch hier bedarf es zur Herbeiführung der Fälligkeit einer Aufforderung gemäß Abs. 1. Die Aufforderung auszusprechen, ist jedenfalls Aufgabe des Konkursverwalters (Anm. 4). Der Aktionär muß Vollzahlung leisten; er kann aber gegebenenfalls einwenden, daß mehr eingefordert werde, als zur Befriedigung der Gläubiger nötig sei (Anm. 4 a. E.). Hat er Vollzahlung geleistet, so kann er vom Konkursverwalter die Aushändigung der Aktienurkunde verlangen, aber nur, falls sie schon ausgefertigt ist. Das Reichsgericht ( R G 94, 64; ebenso Brodmann § 218 Anm. 6 b) begründet das damit, daß der Aktionär mit der vollen Leistimg seiner Einlage Eigentümer der Urkunde nach § 952 BGB geworden sei und deshalb ein Aussonderungsrecht nach § 43 K O habe. Diese Begründung erscheint jedoch nicht richtig, da ein Eigentumsübergang nach § 952 BGB hier nicht stattfindet (vgl. dazu die kritischen Bemerkungen bei Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 218 Anm. 1 7 ; Jaeger J W 1919, 190). Auch die Einschränkung in der 1. Aufl. Anm. 12 dahin, daß § 952 BGB zwar auf bereits ausgestellte Inhaberaktien keine Anwendung finden könne, aber doch bei ausgestellten Namensaktien zum Zuge komme, begegnet Bedenken (dazu Näheres §68 Anm. 3, 4). Der Anspruch des Aktionärs auf Aushändigung einer bereits ausgestellten Urkunde ergibt sich vielmehr allein daraus, daß es sich bei diesem Anspruch um eine Masseforderung handelt, nachdem der Konkursverwalter die Zahlung der restlichen Einlage entgegengenommen hat (§ 59 Nr. 1 K O ) . Entgegen der Ansicht von Düringer-Hachenburg-Flechtheim a. a. O. gilt das gleiche jedoch nicht, wenn im Zeitpunkt der Zahlung Aktienurkunden noch nicht ausgefertigt waren, und zwar deshalb nicht, weil die Ausfertigung von Aktienurkunden nicht Sache des Konkursverwalters, sondern Sache des Abwicklers der A G ist, der im Konklusverfahren neben dem Konkursverwalter in seiner Stellung bleibt. Der Aktionär kann daher den Anspruch auf Ausfertigung der Aktienurkunden auch nur gegen die durch den Abwickler vertretene A G geltend machen (ebenso schon die 1. Aufl. Anm. 1 2 ; die Begründimg in R G 94, 64 ist auch in diesem Punkt abzulehnen, insofern ist die Kritik von Düringer-Hachenburg-Flechtheim a. a. O. sicherlich berechtigt).

471

§ 64 Anm. 1

§

6 4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Ausschluß säumiger Aktionäre

(1) Aktionären, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, kann eine Nachfrist mit der Androhung gesetzt werden, daß sie nach Fristablauf ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen für verlustig erklärt werden. (2) Die Nachfrist muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden. Die erste Bekanntmachung muß mindestens drei Monate, die letzte mindestens einen Monat vor Fristablauf ergehen. Zwischen den einzelnen Bekanntmachungen muß ein Zeitraum von mindestens drei Wochen liegen. Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so genügt anstelle der öffentlichen Bekanntmachungen die einmalige Einzelaufforderung an die säumigen Aktionäre; dabei muß eine Nachfrist gewährt werden, die mindestens einen Monat seit dem Empfang der Aufforderung beträgt. (3) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag trotzdem nicht zahlen, werden durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft für verlustig erklärt. In der Bekanntmachung sind die für verlustig erklärten Aktien mit ihren Unterscheidungsmerkmalen anzugeben. (4) An Stelle der alten Urkunden werden neue ausgegeben; diese haben außer den geleisteten Teilzahlungen den rückständigen Betrag anzugeben. Für den Ausfall der Gesellschaft an diesem Betrag oder an den später eingeforderten Beträgen haftet ihr der ausgeschlossene Aktionär. Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung

i

I. Der Anwendungsbereich für das Ausschluß verfahren

2, 3

II. Die Voraussetzungen für das Ausschlußverfahren

4

III. Die Einleitung des Ausschlußverfahrens 1. Der Entschluß zur Einleitung des Verfahrens 2. Die Setzung einer Nachfrist unter Androhung der Verlustigkeitserklärung a) Inhalt dieser Erklärung b) Form dieser Erklärung c) Die gleichmäßige Behandlung I V . Die Verlustigkeitserklärung 1. Der Inhalt und der Zeitpunkt der Verlustigkeitserklärung

2. Die Form der Verlustigkeitserklärung

11

3. Die Wirkung der Verlustigkeitserklärung 12—14 4. Die Ersatzhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs

15

V . Die Ausstellung einer neuen Urkunde 5

6 7 8 9 10

1 . D i e alte Aktienurkunde

16

2. Die neue Aktienurkunde

17

V I . Das fehlerhafte Verfahren

18

1. Die Rechte des betroffenen Aktionärs

1g

2. Die Rechtsstellung des gutgläubigen Erwerbers

20

V I I . Konkursrechtliche Fragen

21

Anm. 1 Einleitung Schon das alte H G B eröffnete der A G neben der Möglichkeit, rückständige E i n lagen im Klagewege zu erlangen, den W e g des Kaduzierungsverfahrens (Art. 2 2 1 A b s . 2). Dieses wurde im Gesetz von 1 8 8 4 näher ausgestaltet (Art. 1 8 4 a , 1 8 4 b , 2 1 9 A b s . 2). Die Bestimmungen gingen im wesentlichen unverändert in die §§ 2 1 9 , 2 2 0 H G B und in §§ 58, 5 9 A k t G 3 7 über. A k t G 6 5 hat die Regelung weitgehend übernommen. N u r 472

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 64

Anm. 2

ist der A b s . 2 S. 3 neu eingefügt, der eine Zwischenfrist von 3 Wochen zwischen den beiden Bekanntmachungen erfordert, und außerdem Abs. 3 S. 2, der die Aufnahme der Unterscheidungsmerkmale der für verlustig erklärten Aktien in die Bekanntmachung verlangt. Das Verfahren besteht darin, d a ß der Aktionär, der nicht zahlt, seines Anteilrechts für verlustig erklärt, dann Rückgriff gegen die Vormänner genommen und schließlich, wenn alles fehlschlägt, die Aktie verkauft wird.

Anm. 2 I. Der Anwendungsbereich für das Ausschlußverfahren In § 64 wird das Ausschlußverfahren erschöpfend und abschließend geregelt. Schon vor dem A k t G 65 ist diese Bestimmung als absolut zwingendes, durch die Satzung nicht abänderbares Recht angesehen worden und zwar sowohl zugunsten der Gesellschaft wie aber auch zugunsten der einzelnen Aktionäre (Karlsruhe O L G 43, 309; K G J W 1930, 2712). Das gilt heute auf Grund des § 23 Abs. 5 erst recht. Die Möglichkeit eines Ausschlusses kann daher durch die Satzung nicht beseitigt, eingeschränkt oder erschwert werden. Das gilt in jeder Hinsicht. Andererseits kann aber das Ausschlußverfahren auch nicht durch die Satzung auf andere Tatbestände ausgedehnt oder mit Rücksicht auf die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen in irgendeiner Form, etwa durch A b k ü r z u n g der Fristen, erleichtert werden. N a c h § 64 findet das Ausschlußverfahren nur Anwendung, wenn ein Aktionär mit seiner Bareinlage im Rückstand ist. Es kann daher nicht durch eine Satzungsbestimmung auch dann für anwendbar erklärt werden, wenn sich ein Aktionär mit wiederkehrenden Nebenleistungen (§ 55 A n m . 14) oder mit den nach § 63 geschuldeten Zinsen, Vertragsstrafen oder Schadensersatzleistungen im Rückstand befindet (§ 63 A n m . 7, 11). Das gilt auch für die umstrittene Frage, ob das Ausschlußverfahren durch die Satzung dann für anwendbar erklärt werden kann, wenn ein Aktionär die zugesagte Sacheinlage nicht rechtzeitig erbringt ( R G 68, 271), und z w a r auch hier lediglich aus dem Grunde, weil § 64 als zwingende Vorschrift ebenfalls zugunsten der Aktionäre gilt und nicht z u ihren Lasten auf einen weiteren T a t bestand erstreckt werden kann. Dieser allein maßgebliche Grund wird von der herrschenden Ansicht — die Aspekte haben sich für die nach dem alten Aktiengesetz geäußerten Meinungen durch die Kodifizierung des § 23 Abs. 5 wohl etwas verschoben — die im Ergebnis denselben Standpunkt vertritt (vgl. etwa Brodmann § 219 A n m . i b ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 9 A n m . 2; Schlegelberger-Quassowski § 5 8 A n m . 1 ; Godin-Wilhelmi A n m . 3; Baumbach-Hueck R n . 2; a. M . Ritter § 58 A n m . 2; M a n n Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 55), nicht immer genügend beachtet. Denn insoweit wird zur Begründung der zutreffenden Ansicht vielfach angeführt (vgl. Düringer-Hachenburg-Flechtheim a. a. O . ; Godin-Wilhelmi a. a. O . ) , d a ß sich eine A n w e n d u n g des § 64 auf Sacheinlagen deshalb verbiete, weil dadurch die Sacheinlegungspflicht in eine Geldeinlegungspflicht übergehen und weil dies der Vorschrift des § 66 widerstreiten würde. D a ß diese Begründung nicht richtig sein kann, hat Ritter a. a. O . dargelegt, indem er zutreffend darauf hinweist, d a ß sich die Sacheinlegungspflicht bei nachträglicher Unmöglichkeit ebenfalls in eine Geldeinlegungspflicht umwandelt (vgl. § 2 7 A n m . 17), und daß daher unter diesem Gesichtspunkt kein hinreichender Grund besteht, im Fall der Säumnis des Sacheinlegers eine solche U m w a n d lung fiir unzulässig z u erklären. Maßgeblich ist vielmehr — und das übersieht Ritter bei seiner gegenteiligen Ansicht — , daß die A n w e n d u n g des § 64 auf Sacheinlagen z u einer entscheidenden Schlechterstellung des dadurch betroffenen Aktionärs führen würde. I m Fall einer nachträglichen Unmöglichkeit der Sacheinlage kann sich der Aktionär vor einem Ausschlußverfahren dadurch schützen, d a ß er statt der Sacheinlage die an ihre Stelle getretene Geldeinlegungspflicht erfüllt; im Fall der Säumnis könnte er das nicht, da für das Verhältnis zwischen ihm und der Gesellschaft eine U m w a n d l u n g seiner Sacheinlagepflicht nicht eingetreten ist. Eine solche Schlechterstellung des Aktionärs z u verhindern, ist aber gerade die A u f g a b e des § 64 mit seinem zwingenden Charakter auch zugunsten der Aktionäre, so d a ß aus diesem Grunde, und z w a r allein aus diesem Grund die Vorschrift des § 64 nicht durch eine Satzungsbestimmung auch

31

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

473

§64 Anm. 3—5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

auf Sacheinlagen für anwendbar erklärt werden kann (im Ergebnis wie hier Crisolli Z H R 93, 238/39; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften 1965 S. 87). Der zwingende Charakter des § 64 bewährt sich auch gegenüber solchen Satzungsbestimmungen von Versicherungsgesellschaften, die das Ausschlußverfahren auf den Fall ausdehnten, d a ß Aktionäre nicht die Sicherheit leisteten, die die Gesellschaft für den einstweilen nicht eingeforderten Betrag, meistens in Form von Wechseln, verlangte. A u c h eine solche Ausdehnung ist unzulässig ( K G J W 1930, 2712; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 9 A n m . 2 m. w . N . ; a. M . Pinner J W 1930, 2712; ders. Z B 1 H R i93°> 3°8).

Anm. 3 Eine andere Frage ist es, ob ein einzelner Aktionär durch eine besondere schuldrechtliche Vereinbarung die Verpflichtung übernehmen kann, für bestimmte Fälle, etwa bei nicht rechtzeitiger Erfüllung von Nebenpflichten oder bei nicht rechtzeitiger Entrichtung von Vertragsstrafen, mit dem Verkauf seiner Aktie durch die Gesellschaft einverstanden zu sein. Die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen kann nicht in Zweifel gezogen werden, weil sich das ohne weiteres aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ergibt. Es kann insoweit auf die Ausführungen in A n m . 10 zu § 54 verwiesen werden.

Anm. 4 II. Die Voraussetzung für das Ausschlußverfahren Vorausgesetzt ist, d a ß der eingeforderte Betrag nicht rechtzeitig eingezahlt worden ist. Es m u ß also in j e d e m Fall schon eine Aufforderung nach § 63 vorangegangen sein, und z w a r selbst bei offenbarer Zahlungsunfähigkeit oder bei Konkurs des Aktionärs. Denn erst die Aufforderung führt die Fälligkeit der noch ausstehenden Einlagebeträge herbei (§ 63 A n m . 3) und erst nach Eintritt der Fälligkeit kann davon gesprochen werden, d a ß der eingeforderte Betrag nicht rechtzeitig eingezahlt worden ist. D a das Gesetz von „ A k t i o n ä r e n " spricht, so setzt es weiter voraus, daß die Gesellschaft oder die durchgeführte Kapitalerhöhung schon eingetragen ist (§§ 41, 189, 203 Abs. 1 ; R G 54, 390, vgl. auch R G 58, 551). A u f die vor der Anmeldung einzuzahlenden 25 v. H. und das Aufgeld (§ 36 Abs. 2, § 188 Abs. 2, § 203 Abs. 1) kann sich das Kaduzierungsverfahren — ebenso wie die Aufforderung nach § 63 (Anm. 2 das.) — nur dann beziehen, wenn diese Einzahlung regelwidrig nicht oder nicht ordnungsmäßig, etwa durch Verrechnung, geleistet worden ist. Sind Inhaberaktien gesetzwidrig vor der Vollzahlung ausgegeben worden, so ist das Kaduzierungsverfahren nicht anwendbar (Düringer-HachenburgFlechtheim § 219 A n m . 2; Ritter § 58 A n m . 3b). Denn der redliche Erwerber einer Inhaberaktie haftet nicht für den rückständigen Betrag (§ 63 A n m . 13), und auf unredliche Erwerber läßt sich das Verfahren nicht beschränken. D a ß überhaupt schon A k tienurkunden oder Zwischenscheine ausgegeben worden sind, ist nicht vorausgesetzt. Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Aktionär sich im Verzuge befindet (§ 285 BGB). Nicht rechtzeitige Einzahlung genügt. Den etwas zweifelhaften Ausdruck „säumige Aktionäre" in § 219 H G B hat das A k t G im Abs. 1 vermieden; nur in der Überschrift z u m § 64 und im Abs. 2 findet er sich (übereinstimmend Schlegelberger-Quassowski § 58 A n m . 2).

Anm. 5 III. Die Einleitung des Ausschlußverfahrens 1. Der Entschluß zur Einleitung des Verfahrens W e m die Entscheidung darüber zusteht, ob das Kaduzierungsverfahren eingeleitet werden soll, konnte bisher die Satzung bestimmen. Mangels einer Satzungsbestimmung entschied der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen, ohne also beim Vorliegen der gesetz-

474

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 64 Anm. 6

liehen Voraussetzungen verpflichtet zu sein, das Verfahren einzuleiten (RG 79, 178). Das wird auch jetzt noch anzunehmen sein, da es sich nicht um eine Frage der Geschäftsführung ( § m Abs. 4, § 119 Abs. 2), sondern um das Verhältnis der AG zu ihren Mitgliedern handelt und damit eine nicht abschließende gesetzliche Regelung im Sinne des §23 Abs. 5 nur ergänzt wird (vgl. Teichmann-Koehler §58 Anm. i b ; Godin-Wilhelmi Anm. 5; Baumbach-Hueck Rn. 3; a. M. Brodmann § 219 Anm. 3; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 219 Anm. 4, die für alle Fälle von der Zuständigkeit des Vorstandes ausgehen; ebenso auch Möhring-Schwartz Die AG und ihre Satzung 2. Aufl. S. 44). Insofern ist also hier die Rechtslage eine grundlegend andere wie bei der Aufforderung gemäß § 63 (§ 63 Anm. 4), die ausschließlich eine Maßnahme der Geschäftsführung ist. Im Abwicklungsverfahren tritt an die Stelle des Vorstands der Abwickler. Im Konkurse der A G steht die Entscheidung dem Konkursverwalter zu, der auch das Kaduzierungsrecht ausübt (vgl. R G 86, 422 oben). Das eingeleitete Verfahren braucht nicht notwendig durchgeführt zu werden. Die AG kann daher, auch wenn sie schon eine Nachfrist (Abs. 2) gesetzt hatte, das Verfahren abbrechen (herrsch. Ansicht; abweichend wohl nur Wieland Handelsrecht I I S. 246, der annimmt, daß das einmal eingeleitete Verfahren auch auf jeden Fall durchgeführt werden muß), von der Kaduzierung absehen und diejenigen Aktionäre, die auch innerhalb der Nachfrist noch nicht gezahlt haben, auf Zahlung verklagen, gegebenenfalls Konkursforderungen geltend machen (§ 63 Anm. 14). Der Abbruch kann sich empfehlen, wenn sich die Lage der AG verschlechtert und mit einem angemessenen Erlös gemäß § 65 Abs. 3 nicht zu rechnen ist. Der angedrohte Ausschluß gibt den Aktionären kein Leistungsverweigerungsrecht (RG 51, 416). Dagegen wäre es unzulässig, einzelnen Aktionären bei der Durchführung des Verfahrens Erleichterungen oder gar Befreiungen zu gewähren. Wird das Verfahren durchgeführt, so regelt es sich nach den gesetzlichen Vorschriften, auch die Satzung kann daran nichts ändern (Anm. 2; K G OLG 1, 435; Celle OLGE, 191). Jeder Aktionär kann aber die Kaduzierung, solange sie noch nicht ausgesprochen ist, durch Zahlung des rückständigen Betrages (Anm. 4) von sich abwenden (Anm. 12). Dagegen hat er nicht das Recht, sich gegen Aufgabe der Aktie (Abandon) seiner Zahlungspflicht zu entledigen. Anm. 6 2. Die Setzung einer Nachfrist unter Androhung der Verlustigkeitserklärung a ) Inhalt dieser Erklärung Der erste Teil des Kaduzierungsverfahrens besteht in der Setzung einer Nachfrist mit der Androhung, daß nach Fristablauf die Aktionäre ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen würden für verlustig erklärt werden. Diese oder gleichlautende Worte müssen gebraucht werden. Die Androhung: „Zur Vermeidung der gesetzlichen Nachteile" würde nicht genügen (ebenso Godin-Wilhelmi Anm. 5). Die Aktionäre brauchen nicht mit Namen genannt zu werden; selbst die Angabe der Aktiennummern ist nicht unbedingt erforderlich, wenn nur die Bezeichnung deutlich genug ist, daß diej enigen, denen die Androhung gilt, sie nach Treu und Glauben auf sich beziehen müssen. Das Kammergericht hat in OLG 1, 435 die Angabe: „Alle die Zeichner, die sich mit der Einzahlung der fünften Rate im Rückstand befinden" nicht für genügend erachtet, weil im Rückstand, ohne es zu wissen, auch diejenigen seien, deren rechtzeitig abgeschickte Geldsendung die AG nicht erreicht habe. In der Tat ist dieses Bedenken begründet. Man kann auch nicht annehmen, daß nur die Kaduzierung derjenigen Aktien nichtig gewesen wäre, deren Inhaber aus jenem Grunde die Androhung nicht auf sich zu beziehen brauchten. Denn das Verfahren kann nur im ganzen gültig oder nichtig sein. Die Nachfrist kann erst gesetzt werden, wenn der Zeitpunkt verstrichen ist, der in der Aufforderung für die Zahlung des eingeforderten Einlagebetrages bezeichnet ist (vgl. dazu § 63 Anm. 4). Daraus folgt, daß die Setzung der Nachfrist nicht mit der Aufforderung nach § 63 verbunden werden kann, sondern ihr stets nachfolgen muß (KG OLG 19, 376; Brodmann § 219 Anm. 3; Schlegelberger-Quassowski § 58 Anm. 3; Baumbach-Hueck Rn. 3; a. M. Ritter § 58 Anm. 3 d). 31*

475

§64 A n m . 7—10

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7 b) Form dieser Erklärung Die Nachfrist mit der Androhung muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden, also jedenfalls im BAnz. (§ 25). Die erste Bekanntmachung muß mindestens drei Monate, die letzte muß mindestens einen Monat vor Fristablauf ergehen. Zwischen den beiden Bekanntmachungen müssen nach dem neu eingeführten Abs. 2 S. 3 mindestens 3 Wochen liegen. Bei gebundenen Namensaktien (§ 68 Abs. 2) genügt eine einmalige Einzelaufforderung mit einmonatiger Nachfrist. Eine besondere Form ist dafür nicht vorgeschrieben. Einschreibebriefe oder Zustellungen durch Gerichtsvollzieher sind vorzugsweise geeignet. Im übrigen sind besondere Erklärungen gegenüber den einzelnen Aktionären nicht nötig, nicht einmal die Beantwortung von Anfragen. Nur unter besonderen Umständen kann sich aus solcher Nichtbeantwortung eine Schadensersatzpflicht ergeben ( O L G München H R u H B 1, 81), die Wirksamkeit des Kaduzierungsverfahrens bleibt davon unberührt.

Anm. 8 c) Die gleichmäßige Behandlung Die Gesellschaft ist verpflichtet, bei der Einleitung des Ausschlußverfahrens alle säumigen Aktionäre gleichmäßig zu behandeln (in diesem Punkt zutreffend R G 85, 368; vgl. im übrigen wegen der Kritik an dieser Entscheidung §63 Anm. 5). Es ist grundsätzlich unzulässig, das Verfahren nur gegen einzelne Aktionäre einzuleiten und andere ebenfalls säumige Aktionäre insoweit zu verschonen. Ein solches Vorgehen würde gegen den auch hier geltenden Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Aktionäre verstoßen und damit das ganze Verfahren unzulässig machen (heute allg. Ansicht im Schrifttum). Die Gesellschaft ist nur beim Vorliegen besonderer Umstände befugt, gegen den einen oder den anderen säumigen Aktionär nicht mit dem Ausschlußverfahren vorzugehen, nämlich dann, wenn hierzu sachlich gerechtfertigte Gründe gegeben sind. Das ist etwa der Fall, wenn die Zahlungsverpflichtung eines der Aktionäre zwischen ihm und der Gesellschaft streitig ist und es daher sachgerecht erscheint, diese Frage zunächst durch eine gerichtliche Entscheidung zu klären. In einem solchen Fall ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Gesellschaft gegen die übrigen säumigen Aktionäre das Ausschlußverfahren einleitet und gegebenenfalls auch durchführt, und wenn die Gesellschaft den seine Zahlungspflicht bestreitenden Aktionär durch Klage auf Zahlung seiner rückständigen Einlage in Anspruch nimmt und damit die Frage seiner Zahlungspflicht einer gerichtlichen Klarstellung zuführt. Das Gebot der gleichmäßigen Behandlung gilt aber nicht nur für die Einleitung, sondern auch für die Durchführung des Verfahrens. Es kann daher ein eingeleitetes Verfahren grundsätzlich nicht gegenüber einzelnen Aktionären abgebrochen und gegen die übrigen zu Ende geführt werden. Auch ein solches Vorgehen würde die Unzulässigkeit des durchgeführten Ausschlußverfahrens zur Folge haben (wegen der Wirkungen eines unzulässigen Ausschlußverfahrens vgl. Anm. i8ff.).

Anm. 9 IV. Die Verlustigkeitserklärung Der zweite Teil des Ausschlußverfahrens besteht darin, daß die Aktionäre, die trotz der Setzung der Nachfrist und trotz der Androhung den eingeforderten Betrag nicht oder nicht ganz bezahlt haben, ihrer Aktien und der entrichteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft für verlustig erklärt werden.

Anm. 10 1. Der Inhalt und der Zeitpunkt der Verlustigkeitserklärung Die Bekanntmachung muß die kaduzierten Aktien in einer für den Verkehr erkennbaren Weise bezeichnen, denn der Verkehr soll vor dem Erwerb kaduzierter Aktien geschützt 476

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 64

Anm. 11—13

werden. Gemäß Abs. 3 S. 2 ist die Angabe der Serie und der Nummern der betroffenen Aktien erforderlich. Streitig ist es, wann die Bekanntmachung ergehen muß, ob das nämlich unverzüglich oder wenigstens ohne ungebührliche Verzögerung geschehen muß, mit der Folge, daß die Bekanntmachung anderenfalls unwirksam ist (so, wenn auch mit Abweichungen untereinander, K G O L G 1, 435; Düringer-HachenbergFlechtheim § 219 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski § 58 Anm. 6; Ritter § 58 Anm. 4 b ; Godin-Wilhelmi Anm. 8; Baumbach-Hueck Rn. 5), oder ob es der Gesellschaft frei gestellt ist, wann sie die Verlustigkeitserklärung durch öffentliche Bekanntmachung ausspricht (so Celle O L G 6, 191; 1. Aufl. Anm. 8; Brodmann § 21g Anm. 5 c). M a n wird sich im Grundsatz f ü r die erste Ansicht entscheiden müssen. Der Umstand, daß das Gesetz nicht eine unverzügliche Bekanntmachung vorschreibt und auch nicht eine ungebührlich verzögerte Bekanntmachung als unwirksam bezeichnet, besagt nichts Entscheidendes (a. M . in dieser Hinsicht 1. Aufl. a. a. O.). A u c h kann nicht mit Brodmann a. a. O. gesagt werden, daß in einer ungebührlichen Verzögerung der Bekanntmachung ein Verzicht auf das Ausschlußverfahren liege und daß ein solcher Verzicht angesichts des zwingenden Charakters des § 64 nicht wirksam sein könne. Abgesehen davon, daß eine ungebührliche Verzögerung der Bekanntmachung keine rechtsgeschäftliche Erklärung der Gesellschaft zu sein braucht, kann hier auch nicht davon gesprochen werden, daß damit die Gesellschaft endgültig das Recht zur Ausschließung verliert, was allerdings nicht möglich wäre; vielmehr ist dieser Fall dem anderen gleichzustellen, daß die Gesellschaft aus eigenem Entschluß von der Durchführung eines eingeleiteten Ausschlußverfahrens Abstand nimmt (vgl. dazu Anm. 5). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der allgemeine Rechtsgedanke der Veruiirkung. Hierfür kommt es darauf an, ob ein zu langes Zögern der Gesellschaft mit der Bekanntmachung für den redlichen Verkehr, aber auch für den säumigen Aktionär den Eindruck vermitteln konnte und vermittelt hat, daß die Gesellschaft nun nicht mehr auf die Durchführung des zunächst eingeleiteten Ausschlußverfahrens beharren werde.

Anm. 11 2. Die Form der Verlustigkeitserklärung Die Verlustigkeitserklärung geschieht durch eine neue, einmalige Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (§ 25); mit der Bekanntmachung im letzten Gesellschaftsblatt wird der Ausschluß wirksam (abweichend insoweit nur Brodmann § 219 Anm. 5 c, der ohne Grund insoweit lediglich den Zeitpunkt der Veröffentlichung im Reichsanzeiger als maßgeblich ansieht). Eine solche Bekanntmachung ist im Unterschied zu der Nachfristsetzung (vgl. Anm. 7) stets, also auch bei gebundenen Namensaktien, erforderlich.

Anm. 12 3. Die Wirkung der Verlustigkeitserklärung Solange die Verlustigkeitserklärung nicht in allen Gesellschaftsblättern bekannt gemacht worden ist, ist sie noch nicht wirksam. Daher kann der Aktionär so lange noch seine Mitgliedschaftsrechte ausüben. Er kann, obwohl die Nachfrist bereits abgelaufen ist, auch noch durch Zahlung des rückständigen Betrages die Kaduzierung seiner Aktie abwenden ( R G DJZ 1903, 345 für GmbH). D a ß dabei auch die Kosten des Ausschlußverfahrens erstattet werden, ist zu dieser Abwendung nicht erforderlich. Die Aktionäre, die das Verfahren durch Verzug, also schuldhaft, veranlaßt haben, sind zwar für die Kosten ersatzpflichtig (§ 286 BGB). Aber der Grund der Kaduzierung liegt ausschließlich in dem Rückstand mit dem eingeforderten Betrag, andere Leistungen kommen dafür nicht in Betracht (Anm. 2).

Anm. 13 Die Wirkung der Verlustigkeitserklärung besteht darin, daß der betroffene Aktionär „seiner Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig"

477

§64

Anm. 14

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

geht. Das ist, was die geleisteten Einzahlungen anlangt, recht ungeschickt ausgedrückt. Es soll — und darüber besteht kein Streit — soviel bedeuten, daß der ausgeschlossene Aktionär wegen seiner geleisteten Einzahlungen keinen Rückforderungsanspruch, insbesondere keinen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Gesellschaft hat. Unklar und außerordentlich umstritten ist, was es bedeuten soll, daß der Aktionär mit der Verlustigkeitserklärung zugunsten der Gesellschaft seiner Aktien verlustig geht. Es lassen sich insoweit drei Ansichten vertreten, wobei in allen drei Fällen davon auszugehen ist, daß das Mitgliedschaftsrecht durch die Verlustigkeitserklärung nicht untergeht. Und zwar einmal die Ansicht, daß mit der Kaduzierung zunächst die Gesellschaft Träger des Mitgliedschaftsrechts —• freilich mit gewissen Einschränkungen — wird (so i . Aufl. Anm. 10 mit dem etwas unklaren Ausdruck „Heimfall"; Brodmann § 2 1 9 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski §58 Anm. 4; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbHRechten der E W G S. 147/48 N. 179; Würdinger Aktien-und Konzernsrecht 2. Aufl. S. 67; wohl auch Feine, Ehrenb. Hdb. I I I , 3 S. 307; Hachenburg-Schmidt Komm. GmbHG § 21 Anm. 26; vgl. dazu schließlich auch R G 98, 278). Die andere Ansicht geht dahin, daß zunächst der betroffene Aktionär — aber nur mit beschränkten Rechten und Pflichten — Träger des Mitgliedschaftsrechts bleibt (so Düringer-HachenburgFlechtheim § 2 1 9 Anm. 8; ähnlich Ritter §58 Anm. 4d). Nach der dritten Ansicht bleibt zwar das objektive Aktienrecht bestehen, es fehlt ihm aber vorübergehend der Rechtsträger (so Godin-Wilhelmi Anm. 6). Allen diesen Konstruktionsversuchen haftet etwas Unbefriedigendes an. Der Vergleich mit der Eigentümergrundschuld verwischt den praktisch bedeutsamen Unterschied zwischen der Kaduzierung und dem Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft (dazu Anm. 14). Das wird besonders deutlich, wenn die Gesellschaft später die kaduzierte Aktie in der öffentlichen Versteigerung selbst erwirbt. Was soll ein solcher Erwerb im Rechtssinn sein? Dieselbe (oder umgekehrte) Frage stellt sich, wenn man den ausgeschlossenen Aktionär noch als Rechtsträger betrachtet, nämlich dann, wenn dieser später den kaduzierten Anteil erwirbt. Sodann läßt sich bei diesem Standpunkt die Annahme eines Mitgliedschaftsrechts, das praktisch überhaupt keine Rechte und Pflichten mehr vermittelt, mit unseren Vorstellungen wohl nicht vereinbaren. Und die dritte Ansicht?, ein Mitgliedschaftsrecht ohne Rechtsträger, ist das nicht eine reine Abstraktion, bei der nur noch ein Begriff (und welcher?) ohne jeden Inhalt und ohne jeden Aussagewert übrig bleibt? Alle diese theoretischen Bemühungen sind bei näherer Betrachtung lediglich Versuche um der reinen Konstruktion willen, ohne daß man hier, wie es noch Brodmann tut, von einem Bedürfnis zur Konstruktion sprechen kann. Dabei kann es nur begrüßt werden, daß im Schrifttum aus diesen Konstruktionen im allgemeinen keine Folgerungen für die praktische Rechtsanwendung abgeleitet werden, j a daß über die rechtliche Wirkung der Verlustigkeitserklärung keine entscheidenden Meinungsverschiedenheiten bestehen (so auch Schlegelberger-Quassowski § 58 Anm. 6; vgl. allerdings auch die in § 65 Anm. 13, 20 behandelten Fragen, bei deren Beantwortung in bedenklicher Weise dem konstruktiven Ausgangspunkt ausschlaggebende Bedeutung beigemessen wird). Man sollte sich daher damit begnügen, das Augenmerk allein auf diese Wirkungen zu richten (so auch Baumbach-Hueck Rn. 6).

Anm. 14 In der Person des ausgeschlossenen Aktionärs fuhrt die Verlustigkeitserklärung dazu, daß er kein Mitgliedschaftsrecht mehr ausüben oder geltend machen kann. Er hat kein Stimmrecht mehr, kein sonstiges Verwaltungsrecht, z. B. kein Anfechtungsrecht mehr und auch kein Recht auf den Gewinn, soweit nicht im Zeitpunkt der Verlustigkeitserklärung bereits ein wirksamer Beschluß über die Gewinnverteilung gefaßt worden war. Andererseits sind auch seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft erloschen, er haftet nicht mehr für die rückständige Einlage (a. M. insoweit allerdings Ritter § 59 Anm. 3 c ; unklar Brodmann § 220 Anm. 1) oder für sonstige Nebenpflichten körperschaftsrechtlicher Art (§ 55). Es können daher auch weitere Zinsen nicht mehr auflaufen. Hierbei gilt allerdings eine Besonderheit; der ausgeschlossene Aktionär haftet für den Ausfall,

478

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 64

Anm. 15

den die Gesellschaft bei der Durchführung des Kaduzierungsverfahrens erleidet (Abs. 4; dazu Anm. 15). Zugleich gehen mit der Verlustigkeitserklärung ohne weiteres alle Nießbrauchs-, Pfand- usw. Rechte unter, die an dem Mitgliedschaftsrecht des ausgeschlossenen Aktionärs bestanden haben. Die Gesellschaft erhält mit der Verlustigkeitserklärung ein Verwertungsrecht an der kaduzierten Aktie. Für dieses Verwertungsrecht gilt im einzelnen die zwingende Vorschrift des § 65. Danach ist die Gesellschaft befugt, über die kaduzierte Aktie nach Maßgabe des § 65 zu verfügen. Im Unterschied zum Erwerb eigener Aktien (§71) erwirbt dabei die Gesellschaft nicht einen Vermögenswert, der dem Zugriff ihrer Gläubiger unterliegt oder der wie bei den eigenen Aktien in der Bilanz der Gesellschaft aktiviert werden kann. Insoweit liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen der Kaduzierung und dem Erwerb eigener Aktien vor. Das zeigt sich alich darin, daß die Gesellschaft, wenn sie die Aktie nach Maßgabe des § 65 einem anderen überträgt und der Erwerber später bei der Einforderung weiterer rückständiger Einlagen säumig wird, für das neue Ausschlußverfahren nicht gehindert ist, in diesem Verfahren wiederum die Vormänner in Anspruch zu nehmen. Denn die Gesellschaft ist im Unterschied zum Erwerb eigener Aktien nicht inzwischen selbst Träger des Mitgliedschaftsrechts im Sinne des § 64 geworden (dazu im einzelnen Anm. 13).

Anm. 15 4. Die Ersatzhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs Mit der Verlustigkeitserklärung endet auch die Pflicht des ausgeschlossenen Aktionärs, an die Gesellschaft die rückständige Einlage zu leisten (Anm. 14). Er haftet jedoch der Gesellschaft weiter für den Ausfall, den die Gesellschaft bei der Verwertung der kaduzierten Aktie erleidet (Abs. 4). Da diese Haftung in einem engen Zusammenhang mit seiner ursprünglichen Einlageschuld steht, gilt für diese Haftung auch die Vorschrift des §66 (§66 Abs. 2; R G 98, 276). Der ausgeschlossene Aktionär kann also gegenüber diesem Anspruch der Gesellschaft nicht einseitig aufrechnen; andererseits ist die Gesellschaft in ihrer Verfiigungsbefugnis über diesen Anspruch nach Maßgabe des § 66 beschränkt. Die Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs für den Ausfall ist nur subsidiär. Sie ist ferner davon abhängig, daß die Gesellschaft bei dem Versuch einer Verwertung der kaduzierten Aktie die zwingenden Vorschriften des § 65 einhält. Erst wenn feststeht, daß die Gesellschaft einen Ausfall erlitten hat, also erst dann, wenn die Gesellschaft die Vormänner des ausgeschlossenen Aktionärs nach Maßgabe des § 65 ohne Erfolg in Anspruch genommen und auch keine (volle) Befriedigung bei dem Verkauf oder der öffentlichen Versteigerung der kaduzierten Aktie (§ 65 Abs. 3) gefunden hat, entsteht der Anspruch der Gesellschaft gegen den ausgeschlossenen Aktionär auf den erlittenen Ausfall (GodinWilhelmi Anm. 10). Auf diese Ausfallhaftung beschränkt sich aber die Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs nicht. Ist nämlich die Aktie von der Gesellschaft auf Grund des ihr zustehenden Verwertungsrechts (§ 65) auf einen anderen übertragen worden und leistet dieser Erwerber später bei der Einforderung einer weiteren Einlagerate den nunmehr eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig, so daß gegen den Erwerber ein neues Ausschließungsverfahren eingeleitet wird, so kann unter Umständen der zunächst ausgeschlossene Aktionär auch für den Ausfall in Anspruch genommen werden, den die Gesellschaft in dem zweiten Ausschlußverfahren erleidet (§ 65 Anm. 13, 19). Von dem Ausschlußverfahren werden die Ansprüche nicht berührt, zu deren Leistung der ausgeschlossene Aktionär neben der Einlage im Zeitpunkt der Verlustigkeitserklärung verpflichtet war. Das sind namentlich die Ansprüche der Gesellschaft auf Zinsen, Vertragsstrafen und Schadensersatz gemäß § 62. Insoweit bleibt der ausgeschlossene Aktionär primär und ausschließlich der Gesellschaft verpflichtet. Die Klage auf den Ausfall kann die Gesellschaft gegen ihr ehemaliges Mitglied im Gerichtsstand des § 22 Z P O erheben. Durch die Zahlung des Ausfalls erwirbt der ausgeschlossene Aktionär keine Ansprüche gegen die Gesellschaft, insbesondere auch nicht auf Aushändigung der neuen Aktienurkunde, wenn der Verkaufsversuch ergebnislos 479

§64

Anm. 16—18

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

geblieben war. Will er das Mitgliedschaftsrecht wieder erwerben, so muß er es der Gesellschaft abkaufen (§65 Anm. 15, 16).

Anm. 16 V. Die Ausstellung einer neuen Urkunde 1. Die alte Aktienurkunde Mit der Verlustigkeitserklärung wird die alte Aktienurkunde kraftlos, ohne daß es dazu einer besonderen Kraftloserklärung bedarf. Sie verbrieft nunmehr kein Anteilsrecht mehr (herrsch. Ansicht; a. M . Ritter § 58 Anm. 5, der insoweit in bedenklicher Weise aus seiner Ansicht, daß der ausgeschlossene Aktionär zunächst Träger des Mitgliedschaftsrechts bleibe (vgl. dazu Anm. 13), praktische Rechtsfolgen ableitet). Wer diese Urkunde erwirbt, wird nicht Aktionär und muß sich an seinen Veräußerer halten (§ 437 BGB). Die A G ist, da sie die Kaduzierung bekanntgemacht hat, nicht verpflichtet, die werdos gewordenen Aktienurkunden aus dem Verkehr zu ziehen (abweichend zum Teil Brodmann § 219 Anm. 9). Alles das gilt auch für Dividendenscheine über eine vor der Kaduzierung noch nicht festgesetzte Dividende (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 9 Anm. 9; Baumbach-Hueck Rn. 6); sie sind mit der Kaduzierung der Aktie ebenfalls wertlos geworden, auch wenn sie sich in Händen redlicher Erwerber befinden (§58 Anm. 36). Dagegen bleiben die vorher fällig gewordenen Dividendenscheine, d. h. die, welche auf eine vor der Kaduzierung festgesetzte Dividende lauten, in Geltung; jedoch kann die A G mit ihrer Ausfallforderung, wenn diese ordnungsmäßig festgestellt ist, aufrechnen (Düringer-Hachenburg-Flechthein § 2 1 9 , Anm. 9; Schlegelberger-Quassowski § 58 Anm. 4; Baumbach-Hueck Rn. 6).

Anm. 17 2. Die neue Aktienurkunde Die Gesellschaft hat an Stelle der alten Urkunden neue Urkunden auszugeben, um damit die Anteilsrechte zu verwerten. Diese Verwertung ist Pflicht des Vorstandes, da anderenfalls das Grundkapital herabgesetzt würde. Hatte die A G noch keine Urkunden ausgegeben, so gibt sie auch keine neuen aus; das kaduzierte Anteilsrecht wird dann ohne Ausgabe einer Urkunde verwertet. Die neuen Urkunden haben außer den geleisteten Teilzahlungen den rückständigen Betrag „anzugeben" •—• § 219 H G B sagte deutlicher „ z u umfassen" — und zwar so, als ob er schon bezahlt wäre; denn nach § 65 wird die Urkunde dem Vormann, der den rückständigen Betrag zahlt, ausgehändigt, gegebenenfalls wird das Anteilsrecht zu dem Börsenpreis, den die Aktien nach Zahlung des eingeforderten Betrages haben, verkauft (Schlegelberger-Quassowski § 58 Anm. 5; Godin-Wilhelmi Anm. 9), äußerstenfalls versteigert. Ist daher der eingeforderte Betrag der letzte der vollen Zahlung, so kann die Urkunde ohne Angabe gezahlter Beträge auf den Inhaber gestellt werden. Die Urkunde kann die Nummer der kaduzierten Aktie erhalten, wenn darin angegeben ist, daß sie an die Stelle jener getreten ist. Die neue Urkunde verkörpert kein neues Mitgliedschaftsrecht, sondern das alte Recht des ausgeschlossenen Aktionärs (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 219 Anm. 9).

Anm. 18 VI. Das fehlerhafte Ausschlußverfahren Ist das Verfahren unzulässig oder fehlerhaft gewesen, lag z. B. deren Voraussetzung nicht vor (Anm. 4), oder ist nicht gleichmäßig vorgegangen worden (Anm. 8), oder war nicht genügend deutlich angedroht, daß die Verlustigkeitserklärung bevorstehe (Anm. 6) oder entsprach die Nachfrist nicht dem Gesetz (Anm. 7), so ist die Kaduzierung ungültig. Sowohl die Aktionäre wie auch die Gesellschaft können die Ungültigkeit geltend machen ( R G 9, 4 1 ; K G O L G 19, 370). Das ganze Verfahren muß wiederholt werden. W a r aber nur die Verlustigkeitserklärung in fehlerhafter Form bekannt gemacht wor-

480

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 64 Anm. 19—21 den, so genügt deren fehlerfreie Wiederholung, einer neuen Fristsetzung bedarf es in diesem Fall nicht, vorausgesetzt freilich, daß nicht inzwischen eine Verwirkung des Rechts auf Durchführung des zunächst eingeleiteten Verfahrens eingetreten ist (ähnlich K G O L G i, 435; vgl. dazu auch Anm. 10). Anm. 19 1. Die Rechte des betroffenen Aktionärs Ist das Ausschlußverfahren unzulässig oder fehlerhaft und daher wirkungslos gewesen, so kann der davon betroffene Aktionär auf Feststellung klagen, daß seine Mitgliedschaft fortbestehe. Auch schon während Schwebens des Verfahrens wird ihm eine Feststellungsklage mit entsprechendem Antrag gestattet werden müssen sowie der Antrag auf eine einstweilige Verfügung zur Abwendung von Nachteilen (§ 940 Z P O ; R G 27, 50). Die Kaduzierung beeinträchtigt, auch wenn, sie unwirksam ist, die Verkehrsfähigkeit der Aktie. Der Aktionär kann daher verlangen, daß die Unwirksamkeit in derselben Weise bekannt gemacht werde, wie die Kaduzierung bekannt gemacht worden war. Das ergibt sich nicht nur aus der Schadensersatzpflicht nach den §§ 249, 823 Abs. 1 BGB, aus der sich eine Pflicht zum Widerruf herleiten läßt, um einen rechtswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. R G 60, 19; 88, 133; 97, 345), sondern es ergibt sich schon unmittelbar aus dem Verhältnis der Körperschaft zu ihren Mitgliedern, so daß es nicht einmal des Nachweises eines Verschuldens bedarf, das regelmäßig Voraussetzung einer Schadensersatzpflicht ist (RG 97, 345). Anm. 20 2. Die Rechtsstellung des gutgläubigen Erwerbers Hat die A G auf Grund einer nichtigen Kaduzierung eine neue Aktienurkunde ausgegeben, so kann der zu Unrecht ausgeschlossene Aktionär auch verlangen, daß die neue Urkunde wieder eingezogen und, wenn das nicht gelingt, ihre Ungültigkeit bekannt gemacht werde. Denn die neue Urkunde ist ebenso ungültig wie die Kaduzierung ( K G O L G 1, 435; München O L G 22, 15). Der Erwerber der neuen Urkunde erwirbt, auch wenn er gutgläubig und die Urkunde auf den Inhaber ausgestellt worden war, kein Aktienrecht. § 794 BGB ist nicht anwendbar (§ 10 Anm. 5). Der geschädigte Erwerber kann sich aber in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 3, § 10 Abs. 4, § 41 Abs. 4 an die Ausgeber als Gesamtschuldner halten. Früher hatte das Reichsgericht (RG 27, 53) den gutgläubigen Erwerber der neuen Aktienurkunde für den Berechtigten gehalten (so noch jetzt Schilling § 179, Anm. 20; die Entsch. R G 54, 395 verneint das für den Erwerb eines Geschäftsanteils, der vor der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses versteigert worden war; wie hier Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III. I S. 371, Brodmann § 220 Anm. 7; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 219 Anm. 1 1 ; Ritter § 58 Anm. 6; Teichmann-Koehler § 58 Anm. 2; Schlegelberger-Quassowski § 58 Anm. 7; GodinWilhelmi Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Rn. 7; ähnlich Möhring-Tank, Gesellschaftsrecht I Tz. 116, die einen Bereicherungsanspruch gegen die A G annehmen). Anm. 21 VII. Konkursrechtllche Fragen Im Konkurse des ehemaligen Aktionärs kann die A G den Anspruch auf Ersatz des nach § 65 festgestellten Ausfalls (Anm. 15) als Konkursforderung geltend machen. Kommt es zu einem Zwangsvergleich im Konkurs- oder Vergleichsverfahren, so gilt die Zahlung der Vergleichsquote, unbeschadet des Bestehenbleibens einer natürlichen Verbindlichkeit, als Vollbefriedigung der Gesellschaft wegen des Ausfalls (vgl. § 63 Anm. 14). Die Wirkung der bereits eingetretenen Kaduzierung wird aber dadurch nicht beseitigt. Der ausgeschlossene Aktionär erwirbt dadurch auch keinen Anspruch auf Aushändigung der neuen Aktienurkunde (Anm. 15). Uber die Kaduzierung im Konkurse der AG s. Anm. 5.

481

§ 65

Anm. 1 §

65

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Zahlungspflicht der V o r m ä n n e r

(1) J e d e r i m Aktienbuch verzeichnete Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs ist der Gesellschaft zur Zahlung des rückständigen Betrags verpflichtet, soweit dieser von seinen Nachmännern nicht zu erlangen ist. Von der Zahlungsaufforderung an einen früheren Aktionär hat die Gesellschaft seinen unmittelbaren Vormann zu benachrichtigen. Daß die Zahlung nicht zu erlangen ist, wird vermutet, wenn sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns eingegangen ist. Gegen Zahlung des rückständigen Betrags wird die neue Urkunde ausgehändigt. (2) Jeder Vormann ist nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die binnen zwei J a h r e n eingefordert werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem die Übertragung der Aktie zum Aktienbuch der Gesellschaft angemeldet wird. (3) Ist die Zahlung des rückständigen Betrags von Vormännern nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie unverzüglich zum amtlichen Börsenpreis durch Vermittlung eines Kursmaklers und beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. Ist von der Versteigerung a m Sitz der Gesellschaft kein angemessener Erfolg zu erwarten, so ist die Aktie an einem geeigneten Ort zu verkaufen. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. Der ausgeschlossene Aktionär und seine Vormänner sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Bekanntmachung und Benachrichtigung müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung ergehen. Ubersicht Anm.

Einleitung I. Der Anwendungsbereich des § 65

3. Haftungsbefreiung der übrigen Vor-

2,3

II. Die Voraussetzungen für die Haftung des Vormanns 1. Der Ausschluß des Aktionärs 2. Nur Haftung im Staffelregreß a) Die Zahlungsaufforderung und die Benachrichtigungspflicht b) Die Beweisvermutung III. Die Haftung des Vormanns 1. Der Inhalt der Haftung ^ 2. Die Befristung der Haftung

Anm.

i

4 5

manner 1a 4. Haftung bei späterem Ausschluß des Erwerbers 13 v

-

Der

Verkauf der Aktie Pflicht der Gesellschaft zum Verkauf 14

Die

6 7

2. Der Verkauf zum Börsenpreis 15 3. Der Verkauf in öffentlicher Versteigerung 16

8

4 - ^ A^fallhaftung des ausgeschlossenen Aktionars 17

9

IV. Der Erwerb der Aktie durch einen Vormann 1. Wer ist erwerbsberechtigt? 10 2. Erwerb kraft Gesetzes 11

Die

Rechtsstellung

des K ä u f e r s

der

Aktie 18 6. Die Haftung bei späterem Ausschluß des Käufers 19 7. Der formell fehlerhafte Verkauf 20

Anm. 1 Einleitung A u f den Zusammenhang zwischen § 64 und § 65 ist schon in A n m . 1 zu § 64 hingewiesen worden. In § 64 wird die Kaduzierung der Aktie geregelt und die Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs für den Ausfall angeordnet, § 65 regelt die Voraussetzungen, unter denen der Ausfall geltend zu machen ist. Sie betreffen die Regreßpflicht der Vormänner des Ausgeschlossenen und die Möglichkeit eines Verkaufs des Anteils. Die Vorschriften finden sich schon im Gesetz von 1884 (Art. 184 b, 2 1 9 Abs. 2 ) ; sie sind sachlich unverändert in das H G B (§ 220), mit einer kleinen Abweichung (Anm.

482

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 65 A n m . 2—4 6) in das A k t G 37 und mit einer Ergänzung in Abs. 3 S. 1 und der Hinzufügung des Abs. 3 S. 2 — 5 ins A k t G 65 übergegangen. Diese Änderungen bringen für Abs. 3 die Regelung des § 179 Abs. 3 A k t G 37 = § 226 Abs. 3 A k t G 65, die aber bisher schon im Schrifttum für entsprechend anwendbar gehalten wurde.

Anm. 2 I. Der Anwendungsbereich des § 65 Die Haftung der Vormänner des ausgeschlossenen Aktionärs beruht darauf, d a ß sie ihre Aktie veräußert haben, bevor die volle Einlage darauf geleistet worden war. Es handelt sich auch hier, wie im § 64, nur um Bareinlagen. Z u r Leistung der rückständigen Sacheinlage ist und bleibt derjenige verpflichtet, der sie nach der getroffenen Festsetzung (§§ 27, 183, 194, 205) zu erbringen hat; ein Schuldbeitritt wird damit nicht ausgeschlossen. Die Bareinlage hat dagegen in erster Linie derjenige zu leisten, der zur Zeit ihrer Einforderung Aktionär ist. W e r es aber gewesen war, bleibt wenigstens ersatzweise dafür haftbar, d a ß der eingeforderte Betrag geleistet wird. Die Haftung nach § 65 trifft jedoch nur solche Aktionäre, die im Aktienbuch eingetragen sind (Abs. 1 u. 2). Ist die Eintragung zu Unrecht erfolgt und steht dem Eingetragenen daher eine Einwendung gegen die Eintragung zu (§ 68 A n m . 7), so kann er freilich nicht in Anspruch genommen werden ( R G 86, 159; Godin-Wilhelmi A n m . 3; teilweise abweichend 1. A u f l . A n m . 2). Sind Inhaberaktien oder überhaupt keine Urkunden ausgegeben und die Aktionäre nicht im Aktienbuch eingetragen, so ist § 65 unmittelbar nicht anwendbar. Es kommt jedoch insoweit eine entsprechende A n w e n d u n g des § 65 in Betracht. Das ist der Fall, wenn keine Urkunden ausgegeben sind, der Erwerber jedoch gleichwohl für die Einlageverpflichtung haftet (§ 54 A n m . 20, § 63 A n m . 13) und der Gesellschaft Mitteilung von der Abtretung gemacht worden ist ( K G J W 1927, 2434; Düringer-HachenburgFlechtheim § 222 A n m . 15; Ritter § 61 A n m . 7; Godin-Wilhelmi A n m . 3; a. M . 1. A u f l . A n m . 2; Staub-Pinner § 218 A n m . 1; Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung S. 138 N . 129 stimmt zu, hält aber die Mitteilung an die Gesellschaft nicht für notwendig, da auch die Eintragung nur technisch-formelle Bedeutung habe). Die zweijährige Frist für die Fortdauer der Haftung des Rechtsvorgängers (Abs. 2) rechnet in diesem Fall von der Mitteilung der Abtretung an die Gesellschaft ( K G a. a. O . ; Ritter a. a. O . ; insoweit abweichend Düringer-Hachenburg-Flechtheim a. a. O . ) . Dabei ist auch in diesem Fall Voraussetzung für eine entsprechende A n w e n d u n g des § 65, d a ß gegen den Erwerber der Aktie als den derzeitigen Aktionär das Ausschlußverfahren durchgeführt worden ist (vgl. dazu A n m . 4). Ein solches Verfahren ist bei Inhaberaktien nicht möglich, wohl aber bei Aktien, über die überhaupt keine Urkunden ausgegeben worden sind ( § 6 4 A n m . 4). Daher kann eine entsprechende A n w e n d u n g des § 65 nicht bei Inhaberaktien, sondern nur dann in Betrach kommen, wenn bisher noch keine Urkunden ausgegeben worden sind.

Anm. 3 Die in § 65 geregelte Haftung der im Aktienbuch eingetragenen Vormänner ist die gesetzliche. Sie ist in jeder Hinsicht zwingend (vgl. § 64 A n m . 2). Sie kann durch die Satzung weder gemindert noch gesteigert werden. Es gibt davon nach § 66 auch keine Befreiung. Doch steht nichts im Wege, daß sich der Aktionär durch schuldrechtliche Vereinbarung (§ 64 A n m . 3) für die später einzufordernden Beträge besonders, namentlich durch Wechsel, verpflichtet. Er kann sich dann nicht darauf berufen, d a ß er nach § 65 nur ersatzweise haftet.

Anm. 4 II. Die Voraussetzungen für die Haftung des Vormanns 1. Der Ausschluß des Aktionärs Die Voraussetzung der Haftung nach § 65 ist die ordnungsmäßige Kaduzierung der Aktie. Ist diese überhaupt nicht kaduziert worden, oder ist die Kaduzierung fehlerhaft

483

§65 Anm. 5—7

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

u n d daher ungültig (§ 64 A n m . 18), so kann der in A n s p r u c h g e n o m m e n e V o r m a n n den K l a g e g r u n d bestreiten (vgl. für G m b H R G 86, 420).

Anm. 5 2. Nur Haftung im Staffelregreß J e d e r V o r m a n n haftet n a c h § 65 nur ersatzweise für seinen Nachfolger. D e r R ü c k griff gegen die V o r m ä n n e r ist kein „ S p r u n g r e g r e ß " wie beim Wechsel, w o der Indossatar j e d e n beliebigen V o r m a n n oder a u c h alle zugleich gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen kann, sondern er ist ein „StafFelregreß". Allerdings ist nicht nötig, d a ß der N a c h m a n n jedesmal erst verklagt wird.

Anm. 6 a ) Die Zahlungsaufforderung und Benachrichtigungspflicht D i e D u r c h f ü h r u n g des Staffelregresses ist so geregelt, d a ß der unmittelbare V o r m a n n des ausgeschlossenen Aktionärs auf den eingeforderten u n d nicht gezahlten T e i l der Einlage v o n der Gesellschaft unmittelbar in A n s p r u c h genommen w e r d e n kann ( R G 85, 241). Dieser kann sich also in keinem Fall darauf berufen, d a ß der Ausgeschlossene trotz des durchgeführten Ausschlusses gleichwohl zahlungsfähig gewesen sei (Brodmann § 220 A n m . 2; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 220 A n m . 9). Anders ist es d a g e g e n mit den folgenden V o r m ä n n e r n . Sie können v o n der Gesellschaft jeweils nur in A n s p r u c h genommen werden, w e n n diese j e d e n v o n ihnen einzeln darüber benachrichtigt, d a ß sie seinen N a c h m a n n z u r Z a h l u n g des rückständigen Einlagebetrages aufgefordert hat, u n d w e n n sie v o n diesem N a c h m a n n Z a h l u n g nicht erlangen kann. D i e Benachrichtigung des V o r m a n n s v o n der Zahlungsaufforderung soll diesem die Möglichkeit geben, auf seinen N a c h m a n n kraft seiner vertraglichen Beziehung dahin einzuwirken, d a ß er zahlt. Besondere F o r m e n sind weder für die A u f f o r d e r u n g noch für die Benachrichtigung vorgeschrieben. Sie sind empfangsbedürftige Erklärungen, die d e m Erklärungsempfanger also zugehen müssen und daher nicht i m W e g e einer allgemeinen Bekanntmachung erfolgen können. D i e F o r m des eingeschriebenen Briefes ist z u empfehlen, d a i m Streitfall die Gesellschaft den Z u g a n g der Erklärung beweisen m u ß . Ist der A u f e n t h a l t des Erklärungsempfängers unbekannt, so kann die Benachrichtigung in F o r m der öffentlichen Zustellung vorgenommen werden (§ 132 A b s . 2 B G B ) . V o n der Zahlungsaufforderung an den letzten V o r m a n n (Aktienzeichner) b r a u c h t die Gesellschaft niemanden z u benachrichtigen, insbesondere auch nicht den ausgeschlossenen Aktionär. Das folgt aus d e m Z w e c k , dem die Benachrichtigung dient. D e r ausgeschlossene A k t i o n ä r hat nicht die Möglichkeit, kraft vertraglicher Beziehung auf den letzten V o r m a n n dahin einzuwirken, d a ß er zahlt. Die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs ist daher u n a b h ä n g i g davon, ob er v o n der Z a h l u n g s a u f f o r d e r u n g an den letzten V o r m a n n benachrichtigt worden ist oder nicht (Düringer-HachenburgFlechtheim § 220 A n m . 9 ; a. M . Ritter § 59 A n m . 5 a). D i e Benachrichtigung des Vormanns ist abweichend v o n § 220 H G B . Voraussetzung für seine Inanspruchnahme durch die Gesellschaft. Ist sie unterblieben, so ist der V o r m a n n v o n seiner Zahlungspflicht frei (herrsch. Ansicht; a. M . Ritter § 59 A n m . 3e).

Anm. 7 b) Die Beweisvermutung Die rechtliche Bedeutung der Benachrichtigung liegt nicht nur darin, d a ß sie eine Voraussetzung für den Rückgriffanspruch der Gesellschaft gegen den z u benachrichtigenden V o r m a n n ist. D a r ü b e r hinaus begründet sie zugunsten der Gesellschaft noch eine V e r m u t u n g . D e r Rückgriffsanspruch gegen frühere V o r m ä n n e r ist jeweils d a v o n abhängig, d a ß v o n ihrem N a c h m a n n Z a h l u n g nicht z u erlangen ist. Die Gesellschaft

484

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 65 Anm. 8—10 braucht jedoch diesen Nachweis nicht zu führen. Vielmehr wird zu ihren Gunsten vermutet, daß die Zahlung von dem Nachmann nicht zu erlangen ist, wenn dieser nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns gezahlt hat. Diese Vermutung ist freilich widerlegbar, sie fuhrt also nur zu einer Umkehr der Beweislast. Der benachrichtigte Vormann hat das Recht, im Fall seiner Inanspruchnahme durch die Gesellschaft den Nachweis zu fuhren, daß die Zahlung von seinem Nachmann dennoch zu erlangen sei (RG 85, 241). Diese Vermutung gilt sinngemäß auch für die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs gemäß § 64 Abs. 4 S. 2 (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim §220 Anm. 9; Ritter §59 Anm. 5 a), wobei hier freilich eine Benachrichtigung an den letzten Vormann (Aktienzeichner) nicht erforderlich ist (Anm. 6). Anm. 8 III. Die Haftung des Vormanns 1. Der Inhalt der Haftung Die Haftung erstreckt sich ebenso wie das ganze Kaduzierungsverfahren nur auf den eingeforderten Betrag, nicht auf Zinsen, Vertragsstrafen, Schadensersatz und Kosten (§ 64 Anm. 2). Das Gesetz wechselt sinngemäß in der Ausdrucksweise: im ersten und dritten Absatz spricht es vom „rückständigen" Betrage, im zweiten von „eingeforderten" Beträgen (vgl. auch § 64 Abs. 3 und 4). Unter den rückständigen Beträgen sind diejenigen zu verstehen, die eingefordert, aber nicht bezahlt worden sind. Hat ein in Anspruch genommener Vormann bereits einen Teil des rückständigen Betrages gezahlt, so erstreckt sich die Haftung eines weiteren in Anspruch genommenen Vormanns nur noch auf den Rest des rückständigen Betrages. Da sich die Rückgriffshaftung nur auf den eingeforderten Betrag bezieht, braucht der Vormann natürlich nicht den ganzen Rest der noch offenen Einlage zu zahlen, wenn dieser nicht im vollen Umfang eingefordert worden war.

Anm. 9 2. Die Befristung der Haftung Die Haftung der Vormänner ist nach Abs. 2 befristet. Sie besteht nur für diejenigen Beträge, die binnen zwei Jahren gemäß § 63 eingefordert werden. Die Frist beginnt mit dem Tage — dieser Tag ist also der erste der Frist (§ 187 Abs. 2 BGB) —, an dem die Übertragung der Aktie zum Aktienbuch der Gesellschaft angemeldet wird. Die Anmeldung liegt daher im Interesse des Veräußerers. Soweit Beträge innerhalb der zweijährigen Frist eingefordert werden, verjährt der Anspruch gegen die Vormänner innerhalb einer Frist von dreißig Jahren (§ 195 BGB). Der Beginn der Verjährungsfrist ist aber gegen jeden Vormann so lange gehemmt, bis feststeht, daß die Zahlung vom Nachmann nicht zu erlangen ist, gegen den unmittelbaren Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs beginnt die Verjährungsfrist mit der Kaduzierung (§ 202 BGB). Anm. 10 IV. Erwerb der Aktie durch einen Vormann 1. Wer ist erwerbsberechtigt ? Der Vormann, der auf die Zahlungsaufforderung der Gesellschaft hin den rückständigen (eingeforderten) Einlagebetrag zahlt, erwirbt die kaduzierte Aktie. Das ist unstreitig. Fraglich ist jedoch, ob auch ein Vormann, der von der Gesellschaft (bisher) noch nicht im Rückgriffsweg in Anspruch genommen worden ist, gegen Zahlung des Rückstandes die Aktie erwerben kann. Das ist zu bejahen, und zwar mit der Erwägung, daß es äußerst unpraktisch wäre, wenn ein solcher Vormann mit der Zahlung so lange

485

§65

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft

Anm. II, 12 zuwarten müßte, bis die Gesellschaft i m W e g e des Staffelregresses an ihn die Zahlungsaufforderung richtet, u n d d a ß es nur i m Interesse aller Beteiligter liegt, w e n n ein solcher V o r m a n n sofort zahlt und damit das Rückgriffsverfahren z u m A b s c h l u ß bringt. D a s gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, d a ß keiner der N a c h m ä n n e r widerspricht und dieses R e c h t für sich selbst in Anspruch n i m m t ; denn der N a c h m a n n ist nach dem Grundsatz des Staffelregresses früher berechtigt (so Godin-Wilhelmi A n m . 3 ; Baumbach-Hueck R n . 5 ; Schlegelberger-Quassowski § 59 A n m . 4 ; so a u c h Ritter § 59 A n m . 31, aber ohne die Einschränkung zugunsten der N a c h m ä n n e r ) . D e r ausgeschlossene A k t i o n ä r ist nicht mehr berechtigt, durch nachträgliche Z a h lung des Rückstandes die A k t i e v o n neuem z u erwerben; a u c h die A G ist nicht berechtigt, ihn gegen Z a h l u n g des Rückstandes wiederum z u m A k t i o n ä r z u machen. Das m a g in einem Einzelfall unpraktisch sein (so Ritter § 59 A n m . 3 c ; Godin-Wilhelmi A n m . 2), rechtfertigt j e d o c h angesichts der insoweit klaren gesetzlichen R e g e l u n g nicht die gegenteilige A n n a h m e (so a u c h die herrsch. Ansicht). D e r ausgeschlossene A k t i o n ä r hat lediglich n a c h A b s c h l u ß des Rückgriffsverfahrens die Möglichkeit, die kaduzierte A k t i e i m W e g e des freihändigen Verkaufs oder der öffentlichen Versteigerung käuflich z u erwerben.

Anm. 11 2. Erwerb kraft Gesetzes M i t der Z a h l u n g des eingeforderten Betrages erwirbt der V o r m a n n kraft Gesetzes das Mitgliedschaftsrecht. Einer besonderen Ü b e r t r a g u n g bedarf es nicht; § 22 A b s . 4 G m b H G findet insoweit entsprechende A n w e n d u n g (herrsch. Ansicht; abweichend Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 220 A n m . 10). D e r zahlende V o r m a n n k a n n daher a u c h nicht den E r w e r b der A k t i e ablehnen; er wird mit der Z a h l u n g ohne weiteres wieder Aktionär. Seine A b l e h n u n g ist also rechtlich bedeutungslos. D i e A G kann das Rückgriffsrecht nur Z u g u m Z u g gegen A u s h ä n d i g u n g der neuen U r kunde (§64 A n m . 17) ausüben (Abs. 1 Satz 4). Die neue U r k u n d e m u ß also z u v o r ausgefertigt sein. D e r in A n s p r u c h genommene V o r m a n n hat ein Leistungsverweigerungsrecht, das den Eintritt seines Verzuges hindert, solange die Gesellschaft nicht bereit und imstande ist, i h m die neue U r k u n d e auszuhändigen (Ritter § 59 A n m . 3 g ; a. M . B r o d m a n n § 220 A n m . 5 a). M a c h t er das R e c h t i m Prozeß geltend, so wird er Z u g u m Z u g verurteilt. M i t der A k t i e n u r k u n d e sind i h m die Scheine über die seit der K a d u z i e r u n g festgesetzten Dividenden z u übergeben; denn i h m gebührt der Anspruch auf den R e i n g e w i n n in d e m U m f a n g , in d e m der ausgeschlossene A k t i o n ä r infolge der Verlustigkeitserklärung d a v o n ausgeschlossen w o r d e n ist (§ 64 A n m . 14); die Gesellschaft kann den inzwischen erzielten und auf die kaduzierte A k t i e entfallenden R e i n g e w i n n nicht vorenthalten, d a hierin eine unzulässige Verschärfung der Rückgriffshaftung ( A n m . 3) liegen w ü r d e (ebenso Brodmann § 219 A n m . 7). D e r zahlende V o r m a n n wird also A k t i o n ä r mit den R e c h t e n und Pflichten, die der ausgeschlossene A k t i o n ä r haben würde, w e n n er seine Zahlungspflicht erfüllt hätte.

Anm. 12 3. Haftungsbefreiung der übrigen Vormänner Erwirbt ein V o r m a n n das Anteilsrecht gegen Z a h l u n g des eingeforderten Betrages, so sind alle V o r m ä n n e r des ausgeschlossenen Aktionärs v o n der H a f t u n g gegenüber der Gesellschaft für diesen Betrag befreit. A u c h die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen A k tionärs gegenüber der Gesellschaft k o m m t f ü r diesen Betrag nicht z u m Z u g e , weil die Voraussetzung für die Entstehung dieser H a f t u n g ein Ausfall der Gesellschaft in d e m Ausschlußverfahren ist (§ 64 A n m . 15). Eine andere Frage ist es, ob der zahlende V o r m a n n gegen seinen N a c h m a n n und die folgenden N a c h m ä n n e r einen Erstattungsanspruch hat. Diese F r a g e ist z u bejahen. G e g e n seinen eigenen N a c h m a n n wird der zahlende V o r m a n n schon auf G r u n d vertraglicher Beziehungen einen solchen A n s p r u c h

486

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 65 Anm. 13,14 haben, gegen die übrigen Nachmänner wird man ihm unbedenklich einen Bereicherungsanspruch zubilligen können (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 220 Anm. io; Schlegelberger-Quassowski § 59 Anm. 4; Ritter § 59 Anm. 3 k ; Godin-Wilhelmi Anm. 2; z. T. abweichend Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. I I I , 1 S. 372; Brodmann § 220 Anm. 5 a ; Staub-Pinner § 220 Anm. 18). Anm. 13 4. Die Haftung bei späterem Ausschluß des Erwerbers Hatte die Gesellschaft nur einen Teil des noch offenen Einlagebetrages eingefordert und hatte die Nichtzahlung dieses eingeforderten Teilbetrages den Grund für das Ausschlußverfahren gebildet, so kann es später bei der Einforderung einer weiteren Rate oder des Restbetrages zu einem neuen Ausschlußverfahren kommen. Dieses Verfahren richtet sich dann gegen den Erwerber der Aktie in dem ersten Ausschlußverfahren oder seinen Nachmann als den derzeitigen Aktionär (§ 63 Anm. 12). In diesem Fall haften wiederum auch sämtliche Vormänner des ersten Verfahrens der Gesellschaft im Wege des Staffelregresses. Das ist heute im wesentlichen allgemein anerkannt (Ritter § 59 Anm. 3 h ; Godin-Wilhelmi Anm. 2; Baumbach-Hueck Rn. 5; Lutter a. a. O. S. 147/48 N. 179; vgl. auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 220 Anm. 10; abweichend teilweise noch Schlegelberger-Quassowski § 59 Anm. 7). Die noch in der 1. Aufl. Anm. 9 vertretene gegenteilige Auffassung (so auch Brodmann § 220 Anm. 5 b) beruhte auf der rein konstruktiven Erwägung, daß die Gesellschaft im Laufe des ersten Kaduzierungsverfahrens Träger des Mitgliedschaftsrechts geworden war (vgl. dazu §64 Anm. 13). Dieser konstruktiven Erwägung kann kein rechtlicher Eigenwert beigemessen werden. Sie übersieht die rechtliche Tragweite einer begrifflichen Konstruktion und läßt um ihretwillen den Zweck und den rechtlichen Grundgedanken des Ausschlußverfahrens außer acht (insofern typisch die Worte Brodmanns a. a. O., daß die von ihm vertretene, hier abgelehnte Ansicht „lediglich in der juristischen Folgerichtigkeit begründet" sei, sachlich jedoch nicht zu befriedigen möge). Auch in diesem Zusammenhang ist ebenso wie bei der Frage, welche Rechte der zahlende Vormann als Erwerber der Aktie erhält (Anm. 1 1 ) , davon auszugehen, daß dieser Erwerb so anzusehen ist, wie wenn der zahlende Vormann unmittelbar im Anschluß an den ausgeschlossenen Aktionär Aktionär geworden wäre (so übrigens auch Brodmann § 58 Anm. 7 in einem allerdings anderen Zusammenhang). Allein so wird dem entscheidenden Unterschied zwischen der Stellung der Gesellschaft im Avisschlußverfahren und ihrer Stellung beim Erwerb eigener Aktien (vgl. dazu auch § 64 Anm. 14) Rechnung getragen. In dem zweiten Ausschlußverfahren haftet auch der im ersten Ausschlußverfahren ausgeschlossene Aktionäre als Vormann. Im Unterschied zur 1. Aufl. (Anm. 16, §58 Anm. 12; ebenso Brodmann § 219 Anm. 8) kann jedoch nicht angenommen werden, daß die beiden ausgeschlossenen Aktionäre der Gesellschaft als Gesamtschuldner haften. Der zunächst ausgeschlossene Aktionär ist für das zweite Ausschlußverfahren lediglich Vormann und seine Haftung richtet sich allein nach den Grundsätzen des Staffelregresses (Anm. 5ff.; vgl. dazu auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim §219 Anm. 10; Schlegelberger-Quassowski § 59 Anm. 7; Godin-Wilhelmi Anm. 2). Anm. 14 V. Der Verkauf der Aktie 1. Die Pflicht der Gesellschaft zum Verkauf Hat das Rückgriffsverfahren gegen die Vormänner nicht zur vollen Befriedigung der Gesellschaft wegen des rückständigen Betrages geführt oder ist kein Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs vorhanden, so „kann" die Gesellschaft zum Verkauf der kaduzierten Aktie schreiten. Das bedeutet, daß sie das nicht nur tun darf, sondern im allgemeinen auch tun muß (Schlegelberger-Quassowski § 59 Anm. 6; Ritter § 59 Anm. 5b; Baumbach-Hueck Rn. 7; a. M. 1. Aufl. Anm. 12; K G O L G 19, 3 7 1 ; Düringer-

487

§65

Anm. 15—17

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Hachenburg-Flechtheim § aoa Anm. n ; Lutter a. a. O. S. 147/48 N. 179). Denn der Ubergangszustand, der durch die Verlustigkeitserklärung eingetreten ist, nötigt dazu diesen Zustand zu beenden. A u c h die schutzwerten Interessen der Gläubiger an einer Erhaltung der Kapitalgrundlage erfordern es, daß das Verfahren durch Verwertung der kaduzierten Aktie und durch eine etwaige Inanspruchnahme des ausgeschlossenen Aktionärs (§ 64 Abs. 4 Satz 2) zum Abschluß gebracht wird. Nur beim Vorliegen besonderer Umstände hat der Vorstand das Recht, mit dem Verkauf einige Zeit abzuwarten, etwa wenn im Augenblick wegen der allgemeinen Marktlage ein Verkauf bei verständiger Beurteilung untunlich erscheint, oder wenn berechtigte Aussicht besteht, daß einer der vergeblich in Anspruch genommenen Vormänner in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, seiner Zahlungspflicht nachzukommen, und eine Verwertung der Aktie durch Verkauf mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer vollen Befriedigung der Gesellschaft wegen des rückständigen Betrages fuhren wird. Ist ein Verkauf der Aktie von vornherein zwecklos, so kann der Verkauf (Versuch) unterbleiben.

Anm. 15 2. Der Verkauf zum Börsenpreis Ist für die kaduzierte Aktie ein amtlicher Börsenpreis vorhanden — ein auch im geregelten Freiverkehr festgestellter Kurs reicht dazu heute nicht mehr — so kann die Gesellschaft die Aktie zu diesem Preis durch Vermittlung eines Kursmaklers — das ist jetzt ausdrücklich wie in § 226 Abs. 3 vorgeschrieben — freihändig verkaufen. Die Differenz zwischen dem erzielten Börsenpreis und dem rückständigen Betrag stellt dann den Ausfall dar, für den der ausgeschlossene Aktionär der Gesellschaft gemäß § 64 Abs. 4 Satz 2 haftet (Anm. 17). Hat die Gesellschaft beim Verkauf dem Käufer den Kaufpreis gestundet, so wird der Ausfall durch die Zahlung des Kaufpreises bestimmt (Ritter § 59 Anm. 5 c). Auch der ausgeschlossene Aktionär selbst kann die Aktie kaufen.

Anm. 16 3. Der Verkauf in öffentlicher Versteigerung Ist für die kaduzierte Aktie ein amtlicher Börsenpreis (Anm. 15) nicht vorhanden, so hat der Verkauf in öffentlicher Versteigerung zu erfolgen; vgl. auch Obermüller, Die Versteigerung vinkulierter Namensaktien in NJW 62, 852. Die Versteigerung muß so vorgenommen werden, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte gebieten; die gleichen Vorschriften wie bei § 226 Abs. 3 sind auch hier anzuwenden, öffentliche Bekanntmachung ist erforderlich unter Angabe von Zeit, Ort und Gegenstand. Die Versteigerung soll grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft erfolgen und nur wenn dort kein angemessener Erlös zu erwarten ist, an einem geeigneten anderen Ort. Die Bedingungen müssen übliche sein, Barzahlung kann verlangt werden. Daß jede Aktie einzeln ausgeboten wird, ist nicht nötig; ein Ausgebot mehrerer oder sämtlicher kaduzierter Aktien kann vorteilhafter sein. Die Gesellschaft selbst könnte nach § 71 nur mitbieten, wenn es notwendig wäre, um einen schweren Schaden von sich abzuwenden. Diese strenge Voraussetzung wird bei kaduzierten Aktien höchst selten vorliegen. In jedem Fall kann es aber der ausgeschlossene Aktionär. Ersteht er die Aktie, so wird dadurch an seiner Haftung für den Ausfall (§64 Abs. 4) nichts geändert.

Anm. 17 4. Die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs Die Folge des ordnungsmäßigen Verkaufs ist für den ausgeschlossenen Aktionär, daß die Ausfallforderung nunmehr gegen ihn rechtlich entstanden ist (§ 64 Anm. 15). Dies gilt auch dann, wenn er selbst der Käufer oder der Ersteher ist (Anm. 15, 16). Die Ausfallschuld des ausgeschlossenen Aktionärs beruht auf der ursprünglichen Einlageverpflichtung

488

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 65 A n m . 18—20 des Aktionärs; auf sie findet daher § 66 Abs. a Anwendung. Außerdem schuldet er der Gesellschaft die vor der Kaduzierung entstandenen Nebenforderungen an Zinsen usw. (§ 63). Mit dem Verkauf der Aktie werden die Vormänner von ihrer Rückgriffshaftung für den rückständigen (eingeforderten) Betrag frei (vgl. dazu aber auch Anm. 19). Anm. 18 5. Die Rechtsstellung des Käufers der Aktie Der Erwerber des Anteilrechts ist Aktionär geworden mit den Rechten und Pflichten des ausgeschlossenen Aktionärs, wie dieser stehen würde, wenn er seine Pflichten erfüllt hätte. Die Scheine über die seit der Kaduzierung festgesetzten Dividenden sind ihm mit der Aktienurkunde auszuhändigen (vgl. Anm. 11). Der eingeforderte Betrag, wegen dessen die Aktie kaduziert worden war, gilt durch den Kaufpreis als bezahlt (§ 64 Anm. 17). Ergibt der Kaufpreis einen Uberschuß, so gebührt dieser der AG, nicht dem ausgeschlossenen Aktionär. Für die Kaufpreisforderung der Gesellschaft gilt § 66 nicht (Düringer-Hachenburg-Flechtheim §220 Anm. 1 3 ; Schlegelberger-Quassowski §59 Anm. 6; Ritter § 59 Anm. 5 d ; a. M. Brodmann § 220 Anm. 6e). Der Käufer kann daher gegen diese Forderung mit einer eigenen Forderung aufrechnen. Anm. 19 6. Die Haftung bei späterem Ausschluß des Käufers Es ist möglich, daß bei der späteren Einforderung eines weiteren Einlagebetrages gegen den Käufer ein Ausschlußverfahren durchgeführt wird. In diesem Fall ist die Rechtslage genau die gleiche, wie wenn ein Vormann im Rückgriffsverfahren die kaduzierte Aktie erworben hat und später gegen ihn ein Ausschlußverfahren durchgeführt wird (insoweit abweichend Schlegelberger-Quassowski § 59 Anm. 7). Insoweit kann auf die Ausführungen in Anm. 13 verwiesen werden. Die Vormänner des zunächst ausgeschlossenen Aktionärs können also in dem zweiten Ausschlußverfahren ebenfalls wegen des nunmehr eingeforderten und nicht gezahlten Betrages in Anspruch genommen werden. Ihre Befreiung von der Rückgriffshaftung durch Verkauf der Aktie (Anm. 17) bezieht sich nicht auf die später eingeforderten Beträge. Anm. 20 7. Der formell fehlerhafte Verkauf Hat die Gesellschaft nach wirksam ausgesprochener Verlustigkeitserklärung die Verwertung durch Verkauf nicht unter Beachtung des hierfür vorgeschriebenen Verfahrens, z. B. ohne vorherige Zahlungsaufforderung und Benachrichtigung aller Vormänner, vorgenommen, so wird dadurch die Wirksamkeit des Verkaufs nicht berührt. Die Folge eines solchen Vorgehens besteht lediglich darin, daß die Gesellschaft dadurch ihren Anspruch auf die Ausfallhaftung gegen den ausgeschlossenen Aktionär verliert. Denn dieser hat einen Anspruch darauf, daß das in § 65 vorgeschriebene Rückgriffsverfahren eingehalten wird, damit seine Ausfallhaftung möglichst niedrig ist. Das ist freilich nicht unbestritten. Diejenigen Schriftsteller, die meinen, daß der ausgeschlossene Aktionär durch die Verlustigkeitserklärung sein Mitgliedschaftsrecht noch nicht verliere und die Gesellschaft dadurch nur ein besonders geartetes Verwertungsrecht erhalte (§ 64 Anm. 13), fühlen sich in diesem Zusammenhang zu der Folgerung genötigt, daß ein solcher fehlerhafter Verkauf grundsätzlich unwirksam sei, weil er nicht mehr von dem Verwertungsrecht der Gesellschaft gedeckt werde (vgl. Düringer-HachenburgFlechtheim § 220 Anm. 10; Ritter § 59 Anm. 5 g). Hierbei handelt es sich ganz entsprechend wie bei der in Anm. 13 erörterten Frage um eine rein konstruktive Erwägung ohne rechtlichen Eigenwert. Dabei ist es auch hier kein Zufall, daß Ritter das ihm auf diesem Wege aufgezwungene Ergebnis selbst als „unleidlich" bezeichnet. Aus denselben Gründen, die bereits in Anm. 13 dargelegt sind, kann auch hier nach dem Grundgedanken des § 65 dieser Erwägung keine Bedeutung beigemessen werden. 32

Aktiengesetz I , 3. Aull.

489

§ 66 Anm. 1 §

6 6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten

( 1 ) Die A k t i o n ä r e und i h r e V o r m ä n n e r können v o n i h r e n L e i s t u n g s p f l i c h t e n n a c h den § § 54 und 6 5 n i c h t befreit w e r d e n . Gegen eine F o r d e r u n g d e r Gesellschaft n a c h den § § 5 4 und 6 5 i s t die A u f r e c h n u n g n i c h t z u l ä s s i g . ( 2 ) A b s a t z 1 gilt e n t s p r e c h e n d für die Verpflichtung z u r R ü c k g e w ä h r v o n L e i s t u n g e n , die entgegen den V o r s c h r i f t e n dieses Gesetzes e m p f a n g e n sind, f ü r die Ausfallhaftung des a u s g e s c h l o s s e n e n A k t i o n ä r s sowie f ü r die S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t des A k t i o n ä r s w e g e n n i c h t g e h ö r i g e r L e i s t u n g e i n e r S a c h einlage. ( 3 ) D u r c h eine ordentliche K a p i t a l h e r a b s e t z u n g o d e r d u r c h eine K a p i t a l h e r a b s e t z u n g o d e r d u r c h eine K a p i t a l h e r a b s e t z u n g d u r c h Einziehung v o n Aktien können die A k t i o n ä r e v o n d e r Verpflichtung z u r L e i s t u n g v o n E i n lagen befreit w e r d e n , d u r c h eine ordentliche K a p i t a l h e r a b s e t z u n g j e d o c h h ö c h s t e n s in Höhe des B e t r a g s , u m den d a s G r u n d k a p i t a l h e r a b g e s e t z t w o r den i s t . Übersicht Einleitung I. Der Anwendungsbereich des § 66 II. Die unzulässige Befreiung von Leistungspflichten 1. Der Begriff der unzulässigen Befreiung 2. Die Stundung 3. Die Leistung an Erfüllungs Statt 4. Der Vergleich

Anm. i 2—4

5 6 7 8

I I I . Das Aufrechnungsverbot 1. Die Aufrechnung seitens des Aktionärs 9 2. Die Aufrechnung seitens der Gesellschaft 10 a) Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis 11—13 b) Abgrenzung gegenüber Sacheinlage und Leistung an Erfüllungs Statt 14—16 c) Aufrechnung im gegenseitigen Einverständnis 17, 18

Anm. d) Aufnahme der Einlageforderung in ein Kontokorrent e) Ausnahme

19 20

IV. Die Abtretung der Einlageforderung 1. Allgemeines 21 2. Verstoß gegen § 399 BGB? 22 3. Tragweite der Verbotsvorschrift des § 66 23, 24 4. Die Verpfändung der Einlageforderung 25 5. Die Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers durch den Aktionär 26 V . Die Pfändung der Einlageforderung 1. Allgemeines 2. Die Zulässigkeit der Pfändung

27 28

V I . Das Zurückbehaltungsrecht

29

V I I . Der Konkurs der Gesellschaft

30

Anm. 1 Einleitung Das alte H G B enthielt keine dem § 66 entsprechende Bestimmung: Erst das Gesetz von 1884 brachte in Art. 184 c und 2 1 9 Abs. 2 das Verbot der Aufrechnung gegen die Verpflichtungen aus einer Bareinlage und ließ an dem Gegenstand der Einlage ein Zurückbehaltungsrecht nur wegen der sich darauf beziehenden Forderungen zu. § 221 H G B gab der Vorschrift die Fassung, die ohne sachliche Änderung in § 60 A k t G 37 übergegangen ist. A k t G 65 hat in § 65 Abs. 1 die Regelung des § 60 A k t G 37 übernommen und den bisherigen zweiten Halbsatz sprachlich in Anlehnung an § 393 B G B neu gefaßt. I n Abs. 2 ist in Ubereinstimmung mit der bisher herrschenden Meinung in 490

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 66

Anm. 2—4

Schrifttum und Rechtsprechung das Verbot des Abs. i auf drei weitere Fälle, nämlich den Rückgewähranspruch aus § 62, die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs gemäß § 64 und die Schadensersatzpflicht bei einer Sacheinlage, ausgedehnt worden. Abs. 3 stellt klar, daß bei einer Kapitalherabsetzung die Befreiung von der Einlagepflicht nicht den Betrag übersteigen darf, um den das Grundkapital herabgesetzt wird

Anm. 2 I. Der Anwendungsbereich des§ 66 Die Vorschrift betrifft, wie die darin enthaltene Verweisung auf § 54 ergibt, sowohl Bar- wie Sacheinlagen. Die Pflicht zur Entrichtung der Bareinlage mit Einschluß des Aufgelds liegt dem derzeitigen Aktionär ob; er kann nach § 66 davon nicht befreit werden. Seine Vormänner sind nach § 65 rückgriffspflichtig; auch sie können laut § 66 von der Rückgriffspflicht nicht befreit werden. Dasselbe gilt von der Ausfallschuld des ausgeschlossenen Aktionärs nach § 64 Abs. 4. Sie ist im Grunde nur ein Überbleibsel der Einlageverpflichtung nach § 54 ( R G 98, 277) und wird jetzt in Abs. 2 ausdrücklich genannt. § 66 trifft auch die Einlageschulden bei verbotswidriger Ausgabe von Inhaberaktien und bei Aktien, über die keine Urkunden ausgestellt sind (§ 64 Anm. 2), sowie die Forderung auf Rückgewähr verbotener Zahlungen gemäß § 62, die jetzt ebenfalls in Abs. 2 ausdrücklich aufgeführt wird. Die Verpflichtung zur Leistung der Sacheinlage liegt demjenigen ob, der sie nach der Festsetzung zu erbringen hat. Diese Verpflichtung kann nicht durch Veräußerung der Aktie übertragen werden, doch ist ein Schuldbeitritt möglich (§ 65 Anm. 2). Der hiernach Verpflichtete kann nicht befreit werden, auch nicht, was Abs. 2 jetzt auch ausdrücklich sagt, von der Mängelhaftung, die ihm nach der in der Satzung festgestellten Einlageverpflichtung (§ 27 Anm. 20) obliegt. Die Vorschriften des § 66 gelten auch im Zustand der Abwicklung ( R G 149, 297), es sei denn, daß der Geschäftsbetrieb ganz aufgehört hat, keine Gläubiger, die sich gemeldet haben oder sonst bekannt sind, mehr zu befriedigen, keine neuen Verbindlichkeiten mehr zu erwarten sind und es nach alledem der Erhaltung der Kapitalgrundlage nicht mehr bedarf ( R G 149, 298; 156, 25; ebenso für die ähnliche Regelung in § 19 Abs. 2 GmbHG BGH in GmbH Rdsch. 1968, S. 162fr. mit Anm. v. Pleyer).

Anm. 3 Die nach § 63 geschuldeten Jeinsen, Vertragsstrafen und Schadensersatzleistungen sowie Kosten werden von § 66 nicht betroffen. Wie in § 221 H G B der § 218 H G B nicht aufgeführt worden war, so wird auch in § 66 der § 63 nicht aufgeführt. Eine Schadensersatzforderung kann aber, abgesehen von § 63, dadurch entstehen, daß die Pflicht zur Einbringung einer Sacheinlage nicht oder nicht gehörig erfüllt wird. Eine solche Schadensersatzpflicht wird aber, wie Abs. 2 ausdrücklich sagt, von § 66 betroffen.

Anm. 4 Die Aktionäre und ihre Vormänner können von den Verpflichtungen (Anm. 2) durch kein Gesellschaftsorgan, auch nicht durch die Hauptversammlung befreit werden ( R G J W 1931, 2098; K G J 47 A 108; O L G Hamburg HansGZ 1927, 45). Das geht auch nicht im Wege der Satzungsänderung, denn auch diese würde die Gläubiger gefährden. Der einzige Weg ist der der Herabsetzung des Grundkapitals und zwar nur in Form der ordentlichen Kapitalherabsetzung oder mittels Einziehung von Aktien (§§225,237). Der Gesetzgeber hat es für erforderlich gehalten, in Abs. 3 ausdrücklich festzustellen, daß bei Kapitalherabsetzungen, und zwar der ordentlichen gemäß §§ 222 ff. und der durch Einziehung von Aktien gemäß §§ 237 fr. — die vereinfachte Kapitalherabsetzung der §§ 229ff. ist hier nicht erwähnt, weil bei ihr gemäß § 230 eine Einlagerückgewähr oder Leistungsbefreiung ausscheidet — die Aktionäre von ihrer Leistungspflicht freigestellt werden können, bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung aber höchstens mit dem Betrage, um den das Grundkapital herabgesetzt worden ist. Der erste Teil dieser Be32»

491

§ 66

Anm. 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Stimmung ist nur eine Wiederholung dessen, was sich aus § 235 Abs. 2 Satz 2 und § 237 Abs. 3 Satz 2 von selbst ergibt. Der zweite Teil besagt etwas Selbstverständliches; wenn in der Rechtsprechung gelegentlich auch die Auffassung vertreten gewesen sein mag, die Befreiung der Aktionäre von der Einlagepflicht brauche dem Betrag der ordentlichen Kapitalherabsetzung nicht zu entsprechen, so war das völlig unhaltbar (von Gierke Z H R 133, 118) und brauchte eigentlich vom Gesetzgeber nicht widerlegt zu werden. Eine Kapitalherabsetzung kann die Bindung des Gesellschaftsvermögens immer nur im Rahmen des Herabsetzungsbetrages aufheben, also gleich in welcher Form sie erfolgt, niemals mehr Vermögen zur Einlagenrückgewähr freisetzen, als dem Nominalbetrag der Kapitalherabsetzung entspricht. Das ist ein selbstverständlicher Grundsatz der Kapitalerhaltung, der auch in der Vergangenheit ohne ausdrückliche Anerkennung durch den Gesetzgeber gegolten hat. Seine Geltung ist auch unabhängig davon, ob die Kapitalherabsetzung durch Rückgewähr von Gesellschaftsvermögen oder durch Freistellung von der Einlagepflicht erfolgt. Beides ist der Sache nach das gleiche und wird auch im Recht der Kapitalherabsetzung gleich behandelt (vgl. § 325 Abs. 2, § 230 Satz 1, § 237 Abs. 2). Nachdem aber Abs. 2 Hs. 2 den Grundsatz, der Nominalbetrag der Herabsetzung sei der Höchstbetrag für die Freistellung von der Einlagepflicht, aufstellt, bleibt unklar, warum dies nur für die ordentliche Kapitalherabsetzung gemäß §§ 222 ff. geschieht, die mit Einlagerückgewähr verbundene Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien gemäß §§ 337 fr. aber ausgespart bleibt. Wenn Baumbach-Hueck Rn. 1 1 meinen, in diesem Falle würden nur die von der Einziehung betroffenen Aktionäre von ihrer Leistungspflicht befreit, die Leistungspflicht könne gemäß § 36 Abs. 2 aber nur im Rahmen des Nennwertes der durch die Kapitalherabsetzung eingezogenen Aktien liegen, so gilt dies nur, wenn bei der Gründung § 36 Abs. 2 beachtet worden ist. Wurde aber bei der Gründung z. B. das Agio nicht oder nur mit 25% eingezahlt, so könnte der Nominalbetrag der Leistungsbefreiung sehr wohl über dem Nominalbetrag der eingezogenen Aktie hinausgehen. Das ist, auch wenn das Verbot des Abs. 3 diesen Fall nicht ausdrücklich erfaßt, selbstverständlich unzulässig. Denn auch im Falle der Kapitalherabsetzung nach §§ 237 f r muß der Satz gelten, daß der Nominalbetrag der Kapitalherabsetzung der Höchstbetrag auch der Einlagefreistellung ist. Wie diesem Grundsatz bei der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien Rechnung zu tragen ist, ob Aktien, auf die unzulässigerweise noch Einlagen rückständig sind, nicht eingezogen werden dürfen, oder ob die Freistellung von der Einlagepflicht nur die zulässigerweise noch offenstehenden Einlageleistungen umfaßt, ist eine andere, hier nicht zu entscheidende Frage. Unerheblich ist für die Kapitalerhaltung im Sinne des Abs. 3 auch die Frage der Verteilung der im Rahmen einer Kapitalherabsetzung zulässigen Rückgewähr oder Leistungsfreistellung unter die Aktionäre. Diese Frage geht nur die Aktionäre an und kann von ihnen einstimmig nach Belieben und sonst nur im Rahmen des Grundsatzes der Gleichbehandlung entschieden werden. Einlage im Sinne des Abs. 3 ist alles, was nach Abs. 1 und 2 als Einlage behandelt wird, also nicht nur Leistungen nach §§ 54, 65, sondern auch Rückgewähransprüche gemäß § 62, die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs gemäß § 64 Abs. 4 und die Schadensersatzpflicht bei Sacheinlagen (Anm. 3). Ansprüche aus §63 scheiden auch hier aus.

Anm. 5 II. Die unzulässige Befreiung von den Leistungspflichten 1. Der Begriff der unzulässigen Befreiung Jede Befreiung des Aktionärs von seinen Leistungspflichten gemäß §§ 54, 65, ergänzt durch die Fälle des § 66 Abs. 2, ist unzulässig. Dabei ist der Begriff der Befreiung außerordentlich weit zu fassen. Es fällt darunter nicht nur der Erlaß, sondern jede Erleichterung, die dem Aktionär für die Erfüllung seiner Leistungspflichten rechtsgeschäftlich gewährt wird. So etwa die Stundung (Anm. 6), die Annahme einer Leistung 492

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 66

Anm. 6 an Erfüllungs Statt (Anm. 7), aber auch die Annahme einer mangelhaften Sachleistung (dazu Anm. 2). Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Umwandlung der ursprünglichen Einlageschuld in eine andere Schuld, etwa in eine Darlehnsschuld. Auch das ist unzulässig. Dabei werden hiervon auch alle Umgehungsgeschäfte betroffen, z. B. wenn die Gesellschaft dem Aktionär ein Darlehn gewährt und der Aktionär sodann mit der Darlehnssumme seine Bareinlage erbringt ( R G 98, 277; B G H 22, 77 — zu § i g Abs. 3 G m b H G — ) . Durch eine solche Leistung wird der Aktionär von seiner Einlageverpflichtung nicht befreit. Unzulässig ist es auch, wenn der Aktionär zwar formell zunächst seine Bareinlage leistet, den Geldbetrag von der Gesellschaft jedoch danach als Darlehn zurückerhält. Freilich wird ein solches Vorgehen wohl nicht als eine unzulässige Befreiung im Sinn des § 66 (so Schlegelberger-Quassowski § 60 Anm. 2), sondern als eine unzulässige Rückgewähr der Einlage im Sinn des § 57 anzusehen sein (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 221 Anm. 3). Unzulässig ist ferner die U m wandlung einer Bareinlage in eine Sacheinlage und umgekehrt die Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage (dazu Anm. 7). Die Verwirkung des Anspruchs auf die Einlage ist dem Erlaß nicht gleichzustellen; sie ist keine unzulässige Befreiung im Sinn des § 66 ( R G 134, 270; Düringer-Hachenburg* Flechtheim §221 Anm. 3; Teichmann-Koehler §60 Anm. 1). V o n §66 werden nur Erleichterungen der Einlagepflicht erfaßt, die auf rechtsgeschäftlichem Wege gewährt werden.

Anm. 6 2. Die Stundung Die Stundung einer Einlageforderung ist eine Befreiung des verpflichteten Aktionärs auf Zeit und daher ebenfalls unzulässig. Diese bisher unstreitige Feststellung wird von Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der E W G S. 173 N. 15 mit der Erwägung in Frage gestellt, daß mit der Berufung auf Vorstellungen des Kapitalschutzes ein Stundungsverbot wohl schwerlich gerechtfertigt werden könne, da der Vorstand grundsätzlich frei sei, wann er die restliche Einlage anfordern und damit fällig stellen wolle; das Stundungsverbot könne höchstens aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre begründet werden, der es verbiete, einzelnen Aktionären den Vorteil einer späteren Fälligkeit zukommen zu lassen. Letztere Erwägung würde naturgemäß die Unterstellung des Stundungsverbotes unter § 66 verbieten, da es nicht nur mit Zustimmung sämtlicher Aktionäre abdingbar wäre, sondern auch nichts mit dem Gesichtspunkt des Kapitalschutzes, dem allein § 66 dient, zu tun hätte. Jedoch übersieht Lutter doch wohl, daß die Stundung erst in Frage kommen kann, wenn der Vorstand in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens die Einlage zur Zahlung aufgerufen und damit die verbindliche Entscheidung getroffen hat, daß die Fälligstellung der Zahlung zum angegebenen Zeitpunkt im Interesse der Gesellschaft und damit auch ihrer Gläubiger liege. Diese Entscheidung würde durch eine Stundung ganz oder teilweise umgestoßen, ohne daß von außen beurteilbar wäre, ob ihre Änderung vom Interesse der Gesellschaft oder aus anderen dem Kapitalschutz entgegenstehenden Erwägungen motiviert wäre. Bei der Strenge der Handhabung, die der Grundsatz des Kapitalschutzes verdient, reicht diese Erwägung zur Rechtfertigung des Verbotes der Stundung auch aus dem Gesichtspunkt des Kapitalschutzes aus. Als eine unzulässige Befreiung des Aktionärs auf Zeit kann allerdings nur die nachträgliche Stundung einer bereits falligen (eingeforderten, § 63) Einlageforderung angesehen werden. Unbedenklich wird man einer solchen Stundung eine Vereinbarung gleichzustellen haben, in der die Gesellschaft die Verpflichtung übernimmt, für eine bestimmte Zeit von einer Einforderung rückständiger Einlagen abzusehen. Selbst durch eine nachträgliche Satzungsänderung kann die Gesellschaft nicht gebunden werden, fiir eine bestimmte Zeit rückständige Einlagen nicht einzufordern, jedenfalls dann nicht, wenn sie diese für ihren Geschäftsbetrieb benötigt. Eine andere Frage ist es dagegen, ob das gleiche auch dann gilt, wenn bereits in der ursprünglichen Satzung oder in dem Kapitalerhöhungsbeschluß feste Termine für die Einforderung der rückständigen

493

§66

Anm. 7, 8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Einlageraten aufgenommen worden sind. Im Schrifttum wird auch diese Frage bejaht (vgl. Brodmann §221 Anm. i d ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §221 Anm. 3; Ritter § 66 Anm. 2 d ; Baumbach-Hueck Rn. 6), aber doch wohl zu Unrecht. Ein berechtigtes Schutzbedürfnis für die Gesellschaft oder für die Gesellschaftsgläubiger kann insoweit nicht anerkannt werden, zumal die Hauptversammlung in ihrem Beschluß auf Kapitalerhöhung j a völlig frei und rechtlich auch dann nicht gebunden ist, wenn die A G auf die neuen Mittel dringend angewiesen ist. Die gegenteilige Auffassung führt zu einer Erweiterung oder Erhöhung der von den Aktionären übernommenen Beitragspflicht. Das kann aber nicht mehr unter dem Gesichtspunkt, eine Befreiung der Aktionäre von ihrer ursprünglichen Einlageverpflichtung auszuschließen, gerechtfertigt sein (ähnlich Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 13).

Anm. 7 3. Die Leistung an Erfüllungs Statt Einen wichtigen Anwendungsfall einer unzulässigen Befreiung bildet die Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt. Der Aktionär kann sich von seiner Einlagepflicht nur dadurch befreien, daß er die zugesagte Einlage auch wirklich erbringt, eine andere Leistung, die an Stelle der zugesagten Leistung erbracht wird, führt nicht zu einer Befreiung des Aktionärs von seiner Verpflichtung. Dazu ist es nicht erforderlich, daß die Gesellschaft durch die Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt geschädigt wird (jetzt allgemeine Auffassung; a. M . noch Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III, 1 S. 364; Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1931 S. 124). Der Begriff einer Leistung an Erfüllungs Statt ist weit zu fassen (vgl. dazu auch Anm. 16). Die rechtsgeschäftliche Umwandlung einer Bareinlage in eine Sacheinlage oder einer Sacheinlage in eine Bareinlage ist der Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt gleichzustellen. Sie ist also unzulässig. Der Umwandlung einer Bareinlage in eine Sacheinlage würde zudem das weitere Bedenken entgegenstehen, daß auf diesem Wege die für Sacheinlagen vorgeschriebenen Sicherungen (§§27, 32fr., 183, 194, 205) spielend umgangen werden könnten ( R G 41, 122; K G O L G 31, 287). Für das Verbot der Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage gilt eine Einschränkung. Nach § 27 Abs. 4 ist eine solche Umwandlung nach Ablauf von fünf Jahren nach Eintragung im Handelsregister zulässig, vorausgesetzt, daß der volle Wert der Sacheinlage berücksichtigt wird (§27 Anm. 34). Bis dahin wäre nur der Weg der Herabsetzung des Grundkapitals (Anm. 4), verbunden mit einer Wiedererhöhung gegeben. Dagegen könnte eine bei der Gründung zugesagte Bareinlage nicht auf diesem Wege in eine Sacheinlage umgewandelt werden, weil die für Sachgründungen vorgeschriebenen Sicherungen nicht vollständig vorhanden wären (§ 27 Anm. 36). Für eine bei der Kapitalerhöhung zugesagte Bareinlage wäre eine Umwandlung durch Herabsetzung und Wiedererhöhung des Grundkapitals möglich. Eine Änderung nach dem auch bei der Kapitalerhöhung wohl anwendbaren § 27 Abs. 4 scheidet auch hier wie bei der bei Gründung zugesagten Bareinlage aus. Die Befugnis des Aktionärs zur Hinterlegung wird durch § 66 nicht berührt. Beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist der Aktionär mithin berechtigt, sich von seiner Einlageverpflichtung durch Hinterlegung zu befreien (Düringer-HachenburgFlechtheim § 221 Anm. 3; Baumbach-Hueck Rn. 6).

Anm. 8 4. Der Vergleich Ein Vergleich über die in Anm. 2 genannten Ansprüche ist unzulässig, wenn nur die Verwirklichung des Anspruchs unsicher ist (§ 779 Abs. 2 BGB). Zulässig ist aber ein Vergleich, wenn er bei zweifelhafter Rechtslage geschlossen wird, um die A G vor Schaden zu bewahren. Das kann namentlich bei Sacheinlagen der Fall sein (vgl. R G 79, 274 für GmbH). Die Rechtslage ist hier also anders wie im Fall des § 50, der neben dem Verzicht auch ausdrücklich den Abschluß eines Vergleichs für unzulässig erklärt.

494

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 66

Anm. 9—11

Der Zwangsvergleich im Konkurse des Aktionärs oder im Vergleichsverfahren ist stets zulässig; er wird von dem Verbot des § 66 nicht berührt (unstr.). Er befreit den Aktionär teilweise von seiner Einlagepflicht (§63 Anm. 14).

Anm. 9 III. Das Aufrechnungsverbot 1. Die Aufrechnung seitens des Aktionärs § 66 verbietet, daß sich die Aktionäre von ihren Leistungspflichten nach den §§ 54 und 65 durch Aufrechnung befreien. Gemeint ist damit die einseitige Aufrechnung durch Erklärung gegenüber der Gesellschaft (§ 388 BGB) ohne den Willen der Gesellschaftsorgane. Es besteht also ein Aufrechnungsverbot wie im Fall des § 393 BGB. Das Aufrechnungsverbot gilt, wenn die A G ihre Forderung abgetreten hat, auch gegenüber dem Erwerber ( R G 85, 351). Der Aktionär kann auch nicht mit einer Schadensersatzforderung aufrechen, die er gegen die Gesellschaft hat ( R G 93, 330 für GmbH). Als verdeckte Aufrechnung ist es anzusehen, wenn ein Aktionär, der zugleich Gläubiger der Gesellschaft ist, die Einlageforderung pfänden und sich überweisen läßt; auch das befreit ihn nicht von seiner Einlageschuld ( K G J W 1930, 3779 s ).

Anm. 10 2. Die Aufrechnung seitens der Gesellschaft § 66 befaßt sich nicht ausdrücklich mit der Zulässigkeit einer Aufrechnung seitens der Gesellschaft. Sie ist dort, wo das Gesetz ausdrücklich Zahlung oder Gutschrift vorschreibt, also bei den vor der Anmeldung einzufordernden Beträgen (§ 36 Abs. 2, § 1 8 8 Abs. 2; R G 94,62; J W 1931, 2098), schon danach in jedem Fall unzulässig (herrsch. Ansicht; a. M . Wittgenstein BankA 31, 298; wohl auch Mann ZB1HR 1932, 134/35). Darüber hinaus muß ihre Zulässigkeit nach dem Grundgedanken des §66, der die Aufbringung der Kapitalgrundlage sicherstellen will, weiteren Einschränkungen unterliegen.

Anm. 11 a) Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis Würde die Gesellschaft ohne Einschränkung befugt sein, mit ihrer Einlageforderung gegen den Aktionär aufzurechnen, dann würde sie in der Lage sein, auf diesem Wege — jedenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis — den Aktionär von seiner Einlagepflicht teilweise freizustellen und damit den Sicherungszweck des § 66 zu gefährden. Das ist namentlich der Fall, wenn die Gegenforderung des Aktionärs noch nicht fällig ist (Umgehung des Stundungsverbots) oder wenn diese mit Rücksicht auf die Vermögenslage der Gesellschaft wirtschaftlich nicht gleichwertig, vor allem deshalb nicht realisierbar ist. Diese Erkenntnis hat das Reichsgericht unter Billigung des Schrifttums schon früh dazu veranlaßt, die Aufrechnung seitens der Gesellschaft nur zuzulassen, wenn die Gegenforderung des Aktionärs vollwertig, fällig und liquide ist ( R G 18, 5; 54, 392; 68, 121; 72, 266; 85, 354; 94, 63; 134, 268; J W 1926, 1153; 1932, 718; 1938, 1400; ebenso B G H 15, 52). Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft aus den Einzahlungen des Aktionärs Rückzahlungen zur Tilgung einer dem Aktionär zustehenden Forderung leistet, weil das eine klare Umgehung des Aufrechnungsverbots wäre ( R G 152, 300). Sagt die Gesellschaft dem einlagepflichtigen Aktionär ein Darlehn zu und rechnet sie sodann mit ihrer Einlageforderung gegenüber dem Anspruch des Aktionärs auf Auszahlung des zugesagten Darlehns auf, so ist eine solche Aufrechnung unzulässig; denn der Anspruch auf Auszahlung eines Darlehns, das wieder zurückgezahlt werden muß, ist der Einlageschuld nicht gleichwertig. Maßgeblich für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Zeitpunkt, in dem die Aufrechnung erklärt und wirksam wird ( R G J W 1938, 1400).

495

§66

Anm. 12—15

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 12 Die Gegenforderung des Aktionärs ist nicht vollwertig, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist ( R G 134, 268; Brodmann §221 Anm. 2 c ; Baumbach-Hueck R n . 8), wenn die Gesellschaft also nicht in der Lage ist, ihre falligen Schulden zu bezahlen. Es kommt insoweit auf den objektiven Sachverhalt an ( R G 134, 268). Z u weit gehen in dieser Hinsicht Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 221 Anm. 7, die die Vollwertigkeit der Gegenforderung schon dann verneinen, wenn sie „zweifelhaft" in dem Sinn sei, daß ein vorsichtiger Kaufmann sie nicht zum vollen Nennwert bilanzieren würde (wie hier auch Lutter a. a. O. S. 131 N. 96). Diese Formulierung ersetzt die konkrete Gefährdung durch eine hypothetische und geht schon deshalb zu weit, weil sie auch den Fall umfaßt, daß ein vorsichtiger Kaufmann als Außenstehender ohne vollständige Kenntnis des objektiven Sachverhalts so verfahren würde. Nach R G J W 1938, 1400 kann bei einer Kapitalerhöhung die Vollwertigkeit der Gegenforderung eines Aktionärs nicht bejaht werden, wenn sie aus den Mitteln der Gesellschaft erst dann voll befriedigt werden könnte, nachdem die anderen Aktionäre ihrer Einlagepflicht aus der Kapitalerhöhung nachgekommen sind (ebenso Waldmann D G e m W R 1942, 13fr.; zweifelnd Boesebeck J W 1938, 1402). Dem kann nicht beigetreten werden (wie hier Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 15). Namentlich wird durch eine solche Aufrechnung nicht der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Aktionäre verletzt. Davon könnte nur gesprochen werden, wenn andere einlagepflichtige Aktionäre ebenfalls Gegenforderungen gegen die Gesellschaft hätten und insoweit von der Gesellschaft eine Aufrechnung nicht erklärt wird. Das hat aber mit dem aus dem Prinzip der Kapitalerhaltung abgeleiteten Gesichtspunkt der Vollwertigkeit überhaupt nichts zu tun. In einem Fall dieser Art ist die Vollwertigkeit der Gegenforderung nur dann, und zwar unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Zahlungsunfähigkeit, zu verneinen, wenn andere einlagepflichtige Aktionäre ebenfalls Gegenforderungen gegen die Gesellschaft haben und diese wegen fehlender Mittel nicht durch Aufrechnung getilgt werden können, ohne daß die übrigen Gesellschafter dadurch wegen ihrer Forderungen gefährdet würden.

Anm. 13 Die Beweislast dafür, daß die Gegenforderung des Aktionärs im Zeitpunkt der Aufrechnung nicht vollwertig war, trifft die Gesellschaft (a. M . Brodmann § 221 Anm. 2d). Das ergibt sich schon daraus, daß das Gesetz grundsätzlich von der Zulässigkeit der von der Gesellschaft erklärten Aufrechnung ausgeht, und daß die in der Rechtsprechung entwickelte Einschränkung ihrer Zulässigkeit eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist. Darüber hinaus ist es bei den gegebenen Verhältnissen auch allein sachgerecht, die Beweislast insoweit der Gesellschaft aufzubürden, weil es sich hierbei um Tatsachen handelt, die die Sphäre der Gesellschaft berühren, und weil es für den Aktionär im Einzelfall schwierig, wenn nicht unmöglich ist, den Beweis dafür zu führen, daß seine Forderung im Zeitpunkt der Aufrechnung vollwertig war.

Anm. 14 b) Abgrenzung gegenüber Sacheinlage und Leistung an Erfüllungs Statt Die einseitige Aufrechnung seitens der Gesellschaft ist von der Sacheinlage (§ 27) und der unzulässigen Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt abzugrenzen. Daraus ergibt sich eine wesentliche Einschränkung für den Anwendungsbereich einer zulässigen einseitigen Aufrechnung durch die Gesellschaft.

Anm. 15 Bringt ein Gesellschafter bei der Errichtung der Gesellschaft oder bei einer Kapitalerhöhung eine Forderung gegen die Gesellschaft in Anrechnung auf seine Einlagepflicht (als Einlage) ein, so handelt es sich hierbei um eine Sacheinlage (§ 27 Anm. 12).

496

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 66

Anm. 16,17

Für diese Beurteilung ist es ohne Bedeutung, ob dieses Einbringen in Form einer Abtretung der Forderung an die Gesellschaft mit der Wirkung, daß diese durch Vereinigung von Gläubiger und Schuldner in einer Person erlischt, oder in der Form geschieht, daß die Aufrechnung mit dieser Forderung erklärt wird (§ 27 Anm. 12). In rechtlicher Hinsicht ist dieser Vorfall in jedem Fall als eine Sacheinlage anzusehen. Es ist daher erforderlich, daß insoweit auch die für Sacheinlagen vorgeschriebenen Sicherungen eingehalten werden. Namentlich können diese Sicherungen nicht dadurch umgangen werden, daß zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär eine Aufrechnung zunächst nur vorgesehen und dann später von der Gesellschaft dem Aktionär gegenüber erklärt wird. Eine solche Aufrechnung muß auch dann als unzulässig angesehen werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Aufrechnung durch die Gesellschaft (Anm. 1 1 ) gegeben sind. Da Gegenstand einer Sacheinlage nur solche Forderungen eines Aktionärs sein können, die im Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft oder des Beschlusses der Kapitalerhöhung bereits bestehen (§ 27 Anm. 12), ergibt sich daraus, daß die Gesellschaft unter dem vorstehenden Gesichtspunkt nur gegen solche Forderungen nicht mit ihrer Einlageforderung aufrechnen kann, die in diesem Zeitpunkt bereits bestanden haben. Andererseits gilt dies aber für die Aufrechnung gegen solche Forderungen auch ohne Einschränkungen (vgl. dazu Boesebeck Anm. J W 1938, 1401; Waldmann DGemWR 1942, 13fr.; Rob. Fischer L M Anm. zu Nr. 1 bei § 19 GmbH; ähnlich auch Godin-Wilhelmi Anm. 5).

Anm. 16 Die Gesellschaft ist nicht befugt, als Erfüllung für eine Bareinlage eine andere Leistung, etwa eine Sachleistung anzunehmen, da darin eine unzulässige Annahme einer Leistung an Eifüllungs Statt zu erblicken ist. Die Gesellschaft ist aber auch nicht befugt, dieses Ergebnis auf dem Weg über eine einseitige Aufrechnung herbeizuführen, und zwar auch dann nicht, wenn im übrigen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer einseitigen Aufrechnung seitens der Gesellschaft gegeben wären. Eine solche Aufrechnung wäre als eine Umgehung des Befreiungsverbots unwirksam. Es ist daher nicht möglich, daß die Gesellschaft die Sachleistung, die als Ersatz für die Bareinlage vorgesehen ist, von dem Aktionär gegen Berechnung eines Entgelts entgegennimmt und sodann gegen die so begründete Forderung des Aktionärs mit ihrer Einlageforderung aufrechnet. Das gilt stets dann, wenn eine solche Aufrechnung zwischen den Parteien vorher abgesprochen worden war oder sich in anderer Weise die Absicht einer Umgehung des Verbots für Leistungen an Erfüllungs Statt ergibt (BGH 15, 58; 28, 314, 3 1 9 ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §221 Anm. 8; Staub-Pinner § 2 2 1 Anm. 4; Godin-Wilhelmi Anm. 5; Flechtheim J W 1929, 2107; Boesebeck J W 1938, 1401; im Ergebnis ebenso, aber mit anderer Begründung R G 1 4 1 , 209; D R 1944, 775; a. M . Ritter § 60 Anm. 5).

Anm. 17 c) Die Aufrechnung im gegenseitigen Einverständnis In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird die vertragliche Aufrechnung mit der einseitigen Aufrechnung seitens der Gesellschaft vielfach gleichgestellt und demgemäß die Zulässigkeit der vertraglichen Aufrechnung unter den gleichen Voraussetzungen wie die einseitige Aufrechnung bejaht. Das ist jedoch irreführend, weil sich unter dem Begriff der vertraglichen Aufrechnung (Aufrechnungsvertrag) zwei verschiedene rechtliche Vorgänge verbergen, nämlich einmal der Vertrag, künftig (zu einem bestimmten Zeitpunkt) aufrechnen zu wollen, und sodann die Aufrechnungserklärung im beiderseitigen Einverständnis. Da in diesem Zusammenhang nur die einverständliche Aufrechnungserklärung der einseitig von der Gesellschaft erklärten Aufrechnung gleichgestellt werden kann, sollte man hier zur Vermeidung von Mißverständnissen besser nicht von Aufrechnungsvertrag oder von der vertraglichen Aufrechnung sprechen (so schon Brodmann §221 Anm. 2 a ; Düringer-Hachenburg-

497

§66

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 18—20 Flechtheim §221 Anm. 7 vermeiden diesen Ausdruck offenbar bewußt). Gegen die Zulässigkeit einer einverständlichen Aufrechnungserklärung können, soweit die Voraussetzungen für eine einseitige Aufrechnung der Gesellschaft (Anm. 11, 12) gegeben sind, keine Bedenken hergeleitet werden (vgl. dazu Rob. Fischer L M Anm. zu Nr. 1 bei § 19 G m b H G ) . Soweit das im Schrifttum gleichwohl geschieht (vgl. etwa Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 16), richten sich diese Bedenken allein dagegen, daß sich die Gesellschaft nicht vertraglich binden kann, später eine Aufrechnung auszusprechen. Die praktische Bedeutung der einverständlichen Aufrechnung besteht lediglich darin, Hindernisse für eine einseitige Aufrechnung seitens der Gesellschaft auszuräumen (Rob. Fischer a. a. O.).

Anm. 18 Die Zulässigkeit der von der Gesellschaft einseitig erklärten Aufrechnung bestimmt sich danach, ob die Gegenforderung des Aktionärs im Zeitpunkt der Aufrechnung vollwertig, fällig und liquide ist (Anm. 11). Diese Einschränkung ist geboten, um auch in diesem Zusammenhang dem Sicherungszweck des § 66 Geltung zu verschaffen. Wendet man diesen Grundsatz auch auf den Aufrechnungsvertrag an, also auf einen Vertrag, durch den sich die Gesellschaft verpflichtet, später zu einem bestimmten Zeitpunkt die Aufrechnung zu erklären, so sind gegen einen solchen Vertrag keine Bedenken herzuleiten. Denn die Anwendung dieses Grundsatzes auf den Aufrechnungsvertrag bedeutet, daß im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung oder besser, daß in dem für die Aufrechnungserklärung vorgesehenen Zeitpunkt die Voraussetzungen fiir die Zulässigkeit einer einseitigen Aufrechnimg durch die Gesellschaft gegeben sein müssen (ebenso wohl auch Brodmann (221 Anm. 2 a). Denn es ist, auch unter Berücksichtigung des Grundgedankens des § 66, nicht einzusehen, warum sich die Gesellschaft zu einer solchen ihr rechtlich möglichen Leistung nicht vertraglich verpflichten könnte. Erweist sich freilich in dem für die Aufrechnungserklärung vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt, daß dann die Voraussetzungen für eine einseitige Aufrechnung durch die Gesellschaft nicht (mehr) gegeben sind, dann kann sie an die vertraglich übernommene Verpflichtung nicht gebunden sein, und zwar deshalb nicht, weil sich nunmehr herausgestellt hat, daß ihr die Erfüllung dieser Verpflichtung rechtlich unmöglich ist.

Anm. 19 d) Die Aufnahme der Einlageforderung in ein Kontokorrent Dem Grundgedanken des §66 sowie den Bilanzvorschriften ( § 1 5 1 Abs. 1 A I) widerspricht es, die Einlageschuld des Aktionärs in dessen Kontokorrent aufzunehmen (Colmar O L G 14, 364; O L G Hamburg Hans. R G Z 1932 B 351; Brodmann § 221 Anm. 2 g ; Baumbach-Hueck Rn. 8; a. M . Ritter § 60 Anm. 5). Schon die Tatsache, daß die Aufnahme der Einlageforderung in ein Kontokorrent eine Stundung der Einlageforderung darstellen kann, spricht gegen ihre Zulässigkeit. Eine andere Frage ist es dagegen, ob das gleiche auch für die spätere Abrechnung (Abschluß der Rechnung) gilt. Das kann nicht gesagt werden, da sich diese nach ihrem rechtlichen Gehalt als eine einverständliche Aufrechnung (Anm. 17) darstellen kann. Sie muß daher als wirksam angesehen werden, soweit diese Abrechnung im gegenseitigen Einvernehmen erfolgt und im Zeitpunkt ihrer Vornahme die Voraussetzungen für eine zulässige einverständliche Aufrechnung gegeben sind (ähnlich R G J W 1930, 2687 [für Genossenschaft]; ebenso Brodmann § 221 Anm. 2 g).

Anm. 20 e) Ausnahme Die vorstehend erörterten Einschränkungen für die Zulässigkeit einer Aufrechnung seitens der Gesellschaft, einer einverständlichen Aufrechnung zwischen den Beteiligten sowie eines Aufrechnungsvertrages bezwecken ausschließlich, im Interesse der Gesell-

498

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 66

Anm. 21, 22

schaftsgläubiger, im Interesse der Gesellschaft und im Interesse der übrigen Aktionäre die Aufbringung der Kapitalgrundlage für die Gesellschaft sicherzustellen. Dieser Zweck umreißt auch zugleich die Grenzen für die Geltung dieser Einschränkungen. Sie dürfen daher im Einzelfall nicht dazu fuhren, die Gesellschaft so zu schädigen, daß sie bei der Aufbringung ihrer Kapitalgrundlage schlechter gestellt sein würde, als wenn diese Einschränkungen nicht gelten würden. Das wird namentlich im Konkurs des Aktionärs der Fall sein; hier muß man deshalb der Gesellschaft das Recht zur Aufrechnung unbeschränkt zubilligen ( R G 141, 212; B G H 15, 57/58; Baumbach-Hueck Rn. 9). Die von Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 16 a hiergegen geäußerten Bedenken, daß nämlich diese von der Rechtsprechung zugelassene Ausnahme nicht ganz konsequent sei, erscheinen nicht begründet (vgl. dazu Rob. Fischer L M Anm. zu Nr. 1 bei § 19 G m b H G ) .

Anm. 21 IV. Die Abtretung der Einlageforderung 1. Allgemeines § 66 enthält nichts darüber, ob die Gesellschaft zur Abtretung ihrer Einlageforderung befugt ist. Die Rechtsprechung hat daher diese Frage ausschließlich unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob eine solche Abtretung nach den allgemeinen für die Abtretung geltenden Grundsätzen zulässig sei oder nicht, ob insbesondere die Vorschrift des § 399 BGB der Zulässigkeit einer solchen Abtretung entgegenstehe. Da die Rechtsprechung geglaubt hat, diese Frage verneinen zu können, hat sie zunächst, und zwar unter Billigung des Schrifttums, die Zulässigkeit einer Abtretung der Einlageforderung ganz allgemein bejaht ( R G 76, 434; 85, 352; 102, 385; K G O L G 24, 151; Hamburg O L G 27, 137). Die entscheidende Wendung in dieser Rechtsprechung trat mit der Entscheidung R G 124, 380 ein; in dieser Entscheidung wurde der enge Zusammenhang der Frage nach der Zulässigkeit einer Abtretung der Einlageforderung mit dem Grundgedanken des Befreiungsverbots des § 66 deutlich. Bei dem hierbei zur Entscheidung gestellten Sachverhalt wurde es klar, daß die unbeschränkte Zulassung einer Abtretung der Einlageforderung ernsthaft die Aufbringung der Kapitalgrundlage der Gesellschaft gefährden und deshalb ebenfalls dem Grundgedanken des § 66 widersprechen kann. Seitdem hat sich die Rechtsprechung dahin gefestigt, daß die Abtretung einer Einlageforderung nur dann zulässig ist, wenn die Gesellschaft als Gegenleistung ein vollwertiges Entgelt dafür erhält ( R G 133, 83; 135, 57; 156, 25; J W 1936, 445). Dieser Auffassung ist das Schrifttum im wesentlichen gefolgt (Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III, 1 S. 365; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 218 Anm. 14; Staub-Pinner §221 Anm. 6; Schlegelberger-Quassowski §60 Anm. 8; Ritter § 5 2 Anm. 3e; Teichmann-Koehler §60 Anm. 3; Godin-Wilhelmi § 2 Anm. 8; Baumbach-Hueck Rn. 7; a. M . Brodmann § 2 1 8 Anm. 6 a ; Feine Ehrenb. Hdb. III, 3 S. 300; Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 25 m. w. N. aus dem GmbH-Schrifttum).

Anm. 22 2. Verstoß gegen § 399 B G B ? Die erste Frage, die sich in diesem Zusammenhang bei der Zulässigkeit einer Abtretung der Einlageforderung stellt, ist die, ob sich eine solche Abtretung mit der Vorschrift des § 399 BGB vereinbaren läßt. Nach § 399 BGB ist die Abtretung einer Forderung ausgeschlossen, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Die Beantwortung dieser Frage ist durchaus problematisch. Es sind im wesentlichen zwei eng miteinander zusammenhängende Gesichtspunkte, die nach § 399 BGB Bedenken gegen die Zulässigkeit der Abtretung auslösen, nämlich einmal der Umstand, daß der Anspruch auf die rückständige Einlage erst fällig wird, wenn der Aktionär nach Maßgabe des § 63 zur Einzahlung aufgefordert ist (§ 63 Anm. 3), und des weiteren der Umstand, daß die Ein-

499

§ 66

Anm. 23

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

forderung der rückständigen Beiträge nur unter W a h r u n g des Grundsatzes der gleichmäßigen Behandlung aller Aktionäre vorgenommen werden kann ( § 6 3 A n m . 5). Diese Umstände geben der Einlageforderung einen bestimmten Inhalt. Dieser Inhalt würde eine Veränderung im Sinn des § 399 B G B erfahren, wenn die genannten Umstände nach einer Abtretung der Forderung in der H a n d des Zessionars nicht mehr den Inhalt der Forderung bestimmen würden. Insoweit kann den entgegenstehenden Ausführungen in R G 76, 434 gewiß nicht gefolgt werden (vgl. dazu auch R G 133, 82 mit einer sehr viel vorsichtigeren Formulierung). Es wäre mit § 399 B G B nicht zu vereinbaren, wenn der Zessionar nach Abtretung von dem Aktionär ohne Rücksicht auf eine Aufforderung im Sinn des § 63 und ohne Berücksichtigung des Gleichheitssatzes Zahlung verlangen könnte. Das ist dann auch in der Entscheidung R G 135, 57 erkannt worden, in der das Reichsgericht zutreffend auch auf den in diesem Zusammenhang zu beachtenden Grundsatz der Gleichbehandlung hinweist und ausfuhrt, d a ß deswegen die Möglichkeit einer rechtswirksamen Abtretung solcher Einlageforderungen tatsächlich vielfach entfallen wird. D e n Bedenken, die sich danach gegen die Zulässigkeit einer Abtretung von Einlageforderungen aus § 399 B G B ergeben, kann entgegen der Auffassung des Reichsgerichts ( R G 76, 438; 131, 146; J W 1932, 733; ähnlich insoweit auch TeichmannKoehler § 60 A n m . 3) nur dadurch begegnet werden, d a ß man trotz der A b t r e t u n g das Recht der Gesellschaft, die Aktionäre zur Einzahlung gemäß § 63 aufzufordern, unberührt läßt und daß die Gesellschaft hierbei weiterhin an dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre gebunden bleibt (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2:8 A n m . 14; Schlegelberger-Quassowski § 6 0 A n m . 8; Ritter § 5 7 A n m . 3 b ; GodinWilhelmi § 6 3 A n m . 3; Baumbach-Hueck § 6 3 R n . 10). Bei einer solchen Behandlung können die Bedenken, die unter dem Gesichtspunkt des § 399 B G B im Schrifttum gegen die Zulässigkeit einer Abtretung geltend gemacht werden (vgl. namentlich Brodmann § 2 1 8 A n m . 6 a ; Feine Ehrenb. H d b . I I I , 3 S. 300; Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 A n m . 25), nicht als stichhaltig angesehen werden (ähnlich auch Rospatt Z B 1 H R 1932, 32ff.). Hierdurch verliert allerdings die Abtretung einer Einlageforderung viel an praktischer Bedeutung, da sie dadurch für den Zessionar zu einer höchst unsicheren Sache wird. Er kann sich lediglich durch schuldrechtliche Vereinbarungen mit der Gesellschaft sichern, d a ß die gleichmäßige Aufforderung zur Einzahlung innerhalb einer bestimmten Frist geschieht, und d a ß damit die ihm abgetretene Forderung fällig wird.

Anm. 23 3. Die Tragweite der Verbotsvorschrift des § 66 In Ubereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Reichsgerichts (Anm. 21) steht der unbeschränkten Zulassung der Abtretung einer Einlageforderung der Grundgedanke des § 66 entgegen. M i t diesem ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Gesellschaft in der L a g e wäre, auf dem W e g e über eine Abtretung ihrer Einlageforderung die A u f b r i n g u n g ihrer Kapitalgrundlage zu gefährden. Es m u ß daher verlangt werden, daß die Gesellschaft für den abgetretenen Anspruch ein vollwertiges Entgelt erhält. Anderenfalls ist eine Abtretung der Einlageforderung unwirksam. M i t dieser weiteren Einschränkung verliert die Abtretung einer Einlageforderung eigentlich jede praktische Bedeutung. D e n n welcher Gläubiger der Gesellschaft wird sich bei einem guten V e r m ö gensstand der Gesellschaft auf eine so unsichere Sache wie die Abtretung einer Einlageforderung einlassen? Das wird nur dann der Fall sein, wenn sich die Gesellschaft in schlechten Vermögensverhältnissen befindet und sich der Gläubiger durch eine A b tretung der Einlageforderung noch befriedigen zu können glaubt. In diesem Fall schwebt aber das Damoklesschwert der Unwirksamkeit der Abtretung über ihm, weil dann die Vollwertigkeit des Abtretungsentgelts meist nicht gegeben ist. Dieses ist u m so unangenehmer, als für ihn die Verhältnisse meist nicht mit Sicherheit übersehbar sind. Diese praktische Bedeutungslosigkeit einer Abtretung der Einlageforderung kann aber nicht die A n n a h m e rechtfertigen, d a ß sie deshalb nicht zugelassen werden sollte und das

500

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 66

Anm. 24—27

sie deshalb unwirksam ist (so Nußbaum J W 1929, 3006; Rospatt ZB1HR 1932, 38; Schumacher J W 1936, 3155; auch Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 25 verwerten dieses Argument für ihren gegenteiligen Standpunkt).

Anm. 24 Auch die Stellung des Aktionärs ist bei einer Abtretung seiner Einlageforderung wegen des Erfordernisses eines vollwertigen Abtretungsentgelts prekär. Denn auch für ihn ist es kaum mit Sicherheit übersehbar, ob das gezahlte Entgelt vollwertig war und die Abtretung der gegen ihn gerichteten Forderung wirksam ist. Für ihn wird daher in einem solchen Fall praktisch nur die Hinterlegung (§ 378 BGB; dazu Anm. 7) offenbleiben, um sich vor Schaden zu hüten. Denn ihm dadurch zu helfen, daß man ihm den Gutglaubensschutz der §§409/10 BGB zuteil werden läßt (so 1. Aufl. Anm. 11; Schlegelberger-Quassowski § 60 Anm. 8), erscheint bei der grundlegenden Bedeutung des § 6 6 und bei der mit einer Anwendung der §§409/10 BGB verbundenen Gefährdung der Kapitalgrundlage nicht annehmbar.

Anm. 25 4. Die Verpfändung der Einlageforderung Alles, was zur Abtretung der Einlageforderung gesagt ist (Anm. 21 ff.), gilt entsprechend für die Verpfandung der Einlageforderung. Besonderheiten ergeben sich in dieser Hinsicht nicht.

Anm. 26 5. Die Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers durch einen Aktionär Befriedigt ein Aktionär auf Anweisung oder mit Zustimmung der Gesellschaft einen Gesellschaftsgläubiger, um sich so von seiner Einlageverpflichtung gegenüber der Gesellschaft zu befreien, so erhebt sich auch hier die Frage, ob eine solche Befreiung ohne weiteres möglich ist oder ob sie im Hinblick auf den Sicherungszweck des § 66 an Einschränkungen gebunden werden muß. Eine solche Befriedigung steht in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis einer Abtretung nahe. Denn es könnte das gleiche Ergebnis auch dadurch erreicht werden, daß die Gesellschaft gegen Befreiung von ihrer Schuld ihre Einlageforderung gegen den Aktionär an ihren Gläubiger abtritt (vgl. auch den Tatbestand O L G Zweibrücken in NJW 1966, 840). Es ist daher notwendig, auch bei einer solchen Befriedigung an dem Erfordernis der Gleichwertigkeit zwischen der Gläubigerforderung und der von dem Aktionär geleisteten Zahlung festzuhalten, weil anderenfalls auf diesem Weg der Sicherungszweck des § 66 gefährdet werden könnte. Auch muß die Forderung des Gläubigers fällig sein ( R G J W 1907, 845; 1914, 983; Brodmann §221 Anm. 2 d ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §221 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski § 60 Anm. 6; Mann ZB1HR 1932, 134; a. M . O L G Frankfurt J W 1930, 2798). Der hiergegen erhobene Einwand von Godin-Wilhelmi Anm. 6, die Gesellschaft könne j a auch nicht gehindert werden, das von dem Aktionär auf seine Einlageschuld empfangene Geld zur Bezahlung ihrer nicht vollwertigen Schuld an den Dritten zu verwenden, greift nicht durch. Mit gleichem Recht müßten dann GodinWilhelmi auch die Einschränkung der einseitigen Aufrechnung und der Abtretung durch das Erfordernis der Vollwertigkeit nicht gelten lassen, was sie jedoch mit gutem Grund nicht tun.

V. Die Pfändung der Einlageforderung Anm. 27 1. Allgemeines Die Stellungnahme der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Pfändung einer Einlageforderung ist völlig die gleiche wie zur Zulässigkeit der Abtretung (Anm. 21). Demgemäß wurde sie zunächst (vgl. R G 36, 113 und die weiteren Entscheidungen

501

§ 66 Anm. 28, 29

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 21) ohne Einschränkung für zulässig erklärt und später ihre Zulässigkeit ebenfalls davon abhängig gemacht, daß die Forderung des pfändenden Gläubigers gleichwertig sei. Auch in diesem Punkt ist das Schrifttum im wesentlichen der Auffassung des Reichsgerichts gefolgt. Diese Auffassung bedeutet, daß praktisch die Pfändung einer Einlageforderung ausgeschlossen ist. Denn eine AG, die es zur Zwangsvollstreckung und Pfändung ihrer rückständigen Einlageforderung kommen läßt, wird sich immer in Zahlungsschwierigkeiten befinden. Man wird daher in einem solchen Fall immer annehmen können, daß die Forderung des pfändenden Gläubigers nicht gleichwertig ist. Anm. 28 2. Die Zulässigkeit der Pfändung Die Gleichstellung von Abtretung und Pfändung, soweit es sich um das Zulässigkeitserfordernis der Vollwertigkeit handelt, ist nicht bedenkenfrei (vgl. Schumacher J W 1936, 3 1 5 5 ; zweifelnd auch Kiesow D J 1937, 1824). Sie bedeutet in ihrer praktischen Auswirkung, daß das Prinzip der Prävention, das für die Einzelvollstreckung gilt, zugunsten der untätigen Gläubiger zurückgedrängt und praktisch schon in diesem Stadium das Prinzip des Konkurses, einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger, zur Geltung gebracht wird. Die Frage ist, ob eine derart einschneidende Beschränkung der Rechtsstellung einzelner Gesellschaftsgläubiger schon in der Zeit vor der Konkurseröffnung schwerer wiegt als der in §66 verkörperte Kapitalschutz. Die 1. Aufl. §60 Anm. 12 wollte mit der h. M. für die Pfändung keine Ausnahme von der Vollwertigkeit zulassen; Fischer in der Vorauf!. § 60 Anm. 28 glaubte, von dem Erfordernis der Vollwertigkeit der Pfändung absehen zu können, allerdings nicht bei einem Aktionär, der gleichzeitig Gläubiger ist, weil das praktisch zu einer Umgehung des für ihn geltenden Aufrechnungsverbotes fuhren müßte. Die Auffassung von Fischer dürfte zu weit gehen; dem Prinzip der Prävention kann nicht das gleiche Gewicht beigelegt werden wie dem Prinzip der Kapitalerhaltung, das einer der Grundpfeiler des Aktiengesetzes ist. Außerdem wäre, wenn man bei der Pfändung von dem Erfordernis der Vollwertigkeit absehen würde, dem mit dem Vorstand zusammenspielenden Gläubiger leicht die Möglichkeit gegeben, durch Versäumnisurteil oder vollstreckbare Urkunde die an der mangelnden Vollwertigkeit scheiternde Abtretung durch eine Pfändung zu ersetzen. A n m . 29 VI. Das Zurückbehaltungsrecht Bei der Abfassung des § 221 HGB wurde die früher vorhandene Vorschrift über das Zurückbehaltungsrecht gestrichen, ohne daß jedoch damit eine sachliche Änderung beabsichtigt war. Es wurde angenommen, daß sich schon aus § 273 BGB dasselbe ergebe wie vorher. In der Tat trifft das zu. Denn § 273 BGB läßt das Zurückbehaltungsrecht nur zu, „sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt". Die Vorschriften des Aktienrechts, die auf die Aufbringung des Grundkapitals zielen, insbesondere auch § 66, ergeben aber „etwas anderes" (RG 83, 268; J W 1929, 1745; Hamburg O L G 27, 139 oben). Daß eine geschuldete Bareinlage nicht wegen einer Geldforderung zurückbehalten werden kann, ergibt sich daraus, daß das auf eine Aufrechnung hinauslaufen (RG 83, 150; 85, 1 1 0 ; 123, 8 oben) und unmittelbar unter das Aufrechnungsverbot des § 66 fallen würde. Aber auch die Zurückbehaltung einer Bareinlage wegen einer von der Gesellschaft geschuldeten Sachleistung — abgesehen von der unten genannten Aktienurkunde —• könnte, selbst wenn der nach § 273 BGB erforderliche Zusammenhang bestände, nach der Eigenart der Einlageschuld nicht zugelassen werden. Anwendbar ist aber das Zurückbehaltungsrecht bei Sacheinlagen, wenn der Einbringende eine sich auf den Gegenstand beziehende Forderung hat, z. B. aus Aufwendungen, die nach dem Inhalt des Einbringungsvertrages der Gesellschaft obliegen. Ferner hat der Aktionär ein Zurückbehaltungsrecht an der ihm obliegenden Schluß-

502

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 66 A n m . 30

§ 67 Anm. 1

leistung, bis ihm die Aktienurkunde ausgehändigt wird ( R G 94, 64). Das alles wird auch im Schrifttum nicht in Zweifel gezogen. O b dem Aktionär die Leistung des eingeforderten Teilbetrags das Recht gibt, eine Aktienurkunde mit Angabe des geleisteten Teilbetrags oder einen Zwischenschein zu verlangen und bis zur Aushändigung die Leistung zurückzuhalten, richtet sich danach, ob die Gesellschaft solche Urkunden überhaupt ausgibt (vgl. § 1 0 Anm. 9, 1 1 ) .

Anm. 30 VII. Der Konkurs der Gesellschaft I m Konkurse der A G gehören die Einlagerückstände zur Konkursmasse und werden vom Konkursverwalter geltend gemacht. Das Aufrechnungsverbot gilt auch hierbei (so K u h n G m b H Rdsch. 55, 164 gegen v. Burchard G m b H Rdsch. 55, 136, der dem Gesellschafter die Aufrechnung gegen eine Masseschuld zu Unrecht gestatten will). Die §§ 53 fr. K O sind daher nicht anwendbar, die Aktionäre müssen ihre Gegenforderungen als Konkursforderungen anmelden.

§

67

Eintragung im Aktienbuch

(1) Namensaktien sind unter Bezeichnung des Inhabers nach Namen, Wohnort und Beruf in das Aktienbuch der Gesellschaft einzutragen. (2) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher i m Aktienbuch eingetragen ist. (3) Ist jemand nach Ansicht der Gesellschaft zu Unrecht als Aktionär in das Aktienbuch eingetragen worden, so kann die Gesellschaft die Eintragung nur löschen, wenn sie vorher die Beteiligten von der beabsichtigten Löschimg benachrichtigt und ihnen eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs gesetzt hat. Widerspricht ein Beteiligter innerhalb der Frist, so hat die Löschung zu unterbleiben. (4) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwischenscheine. (5) Jedem Aktionär ist auf Verlangen Einsicht in das Aktienbuch zu gewähren. Ü b ersieht Anm.

Einleitung I. Das Aktienbuch 1. Aufgabe des Aktienbuchs 2. Führung des Aktienbuchs 3. Eintragungen in das Aktienbuch 4. Berichtigungen von Eintragungen 5. Löschung von Eintragungen a) Einverständnis der Beteiligten b) Streit der Beteiligten c) Löschungsverfahren gemäß Abs. 3

1, 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Anm.

d) Pflicht zur Löschung 6. Einsicht in das Aktienbuch II. Bedeutung der Eintragung im Aktienbuch 1. Die Stellung der Gesellschaft gegenüber dem Eingetragenen 2. Die Stellung der Gesellschaft gegenüber dem nicht eingetratragenen Aktionär 3. Die Stellung des Eingetragenen III. Zwischenscheine

11 12 13 14, 15 16 17 18

Anm. 1 Einleitung Schon die Art. 182, 183, 223 des alten H G B enthielten für Namensaktien Bestimmungen über Eintragung ins Aktienbuch und Übertragung. Die Bestimmungen gingen ohne wesentliche Änderung in das Gesetz von 1884 (Art. 182, 1 8 3 , 183 a, 220) und so-

503

§67 Anm. 2—4

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

dann in das neue HGB (§§ 222, 223, 224) über. Auch die §§ 61, 62 AktG 37 hielten im wesentlichen an dem bisherigen Recht fest. AktG 65 gliedert die Bestimmungen neu, indem § 67 die Vorschriften über die Eintragungen im Aktienbuch und ihre rechtliche Bedeutung und § 68 die Vorschriften über die Übertragung von Namensaktien und Zwischenscheinen zusammenfaßt. § 67 Abs. 1 übernimmt den bisherigen § 61 Abs. 1, § 67 Abs. 2 den § 62 Abs. 2. In Abs. 3 ist eine neue Vorschrift über die Löschung der Eintragung eines Aktionärs im Aktienbuch aufgenommen. Diese Frage war bisher sehr umstritten (vgl. Vorauflage § 62 Anm. 19ff.). Abs. 3 läßt die Löschung zu, nachdem die Beteiligten unter Setzung einer Frist für ihren Widerspruch benachrichtigt worden sind und ein Widerspruch nicht erfolgte. § 67 Abs. 4 entspricht dem bisherigen § 61 Abs. 4 und § 62 Abs. 4. Die neue Vorschrift des Abs. 5 gewährt jedem Aktionär ein Einsichtsrecht in das Aktienbuch. Anm. 2 Die §§ 67, 68 gelten nur für Namensaktien, nicht für die in Deutschland weitaus häufigeren Inhaberaktien. Deren Übertragung und Verpfandung vollzieht sich in sachenrechtlichen' Formen (§§ 929fr., I205f., 1293 BGB). Ein Aktienbuch im Sinn der §§ 67, 68 kommt für sie nicht in Frage. Jedoch wird auch für sie gelegentlich ein Buch gefuhrt, das als „Aktienbuch" bezeichnet wird. Darin werden die Ausgaben von Aktienurkunden, Verlustanzeigen, Kraftloserklärungen, Zusammenlegungen und dgl. eingetragen, nicht die Namen der jeweiligen Inhaber; eine auch nur entsprechende Anwendung der §§ 67, 68 auf ein solches sog. Aktienbuch scheidet aus. Anm. 3 I. Das Aktienbuch 1. Aufgabe des Aktienbuchs Das Aktienbuch hat die Aufgabe, bei Namensaktien den jeweiligen Inhaber der Aktie ersichtlich zu machen (vgl. Köln O L G 1 1 , 384). Das Aktienbuch gehört nicht zu den Handelsbüchern im Sinn des § 38 HGB, da es nicht dazu bestimmt ist, die Handelsgeschäfte der A G und die Lage ihres Vermögens ersichtlich zu machen, sondern es gehört zu den in § 43 Abs. 1 HGB genannten „sonst erforderlichen Aufzeichnungen". Deshalb finden insoweit auch nicht die Strafvorschriften der §§ 239/240 K O Anwendung (Richter Das Aktienbuch 1934 S. 66). Ob es Aktienbuch genannt wird, ist gleichgültig; auch ein Buch mit Empfangsbescheinigungen über Aktien kann so eingerichtet sein, daß es dem Gesetz genügt, und ist dann ein Aktienbuch (RG 41, 19). Trotz seiner Bezeichnung als „Buch" ist die Führung des Aktienbuches auch in Lose-Blatt- oder Kartothek-Form zulässig, die j a auch entgegen der Sollvorschrift des § 43 Abs. 2 HGB für die eigentlichen Handelsbücher heute allgemein zugelassen ist (vgl. Brüggemann in Großkommentar HGB § 43 Anm. 2). In das Aktienbuch ist nicht nur der jeweilige Inhaber einzutragen, sondern auch die Umwandlung der Namensaktie in eine Inhaberaktie (§ 24 Abs. 2), eine vollzogene Kaduzierung (§ 64 Abs. 3), Zusammenlegungen, Einziehungen, Änderungen des Nennbetrags u. dgl. Anm. 4 2. Führung des Aktienbuchs Sobald Namensaktien oder Zwischenscheine ausgegeben sind, ist die Gesellschaft zur Führung des Aktienbuchs verpflichtet ( R G J W 1906, 177 26 ). Jeder Aktionär hat alsdann einen klagbaren Anspruch gegen die A G auf Einrichtung des Buchs (Köln O L G 1 1 , 384). Das Recht, im Aktienbuch eingetragen zu werden, ist ein unentziehbares, allgemeines Mitgliedschaftsrecht (§ 1 Anm. 40). Vor der Ausgabe von Namensaktien oder Zwischenscheinen besteht noch keine Pflicht der A G zur Einrichtung des Buchs. Gleichwohl kann auch während dieses Zeitraums, in dem die Anteilrechte

504

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 67

Anm. 5, 6 formlos abgetreten werden können (§ i o A n m . 2), ein Aktienbuch angelegt werden. Es besteht kein Grund, einem solchen Buch die Bedeutung eines Aktienbuchs und den Eintragungen die Wirkung des Abs. 2 abzusprechen ( R G 86, 155; Brodmann § 22a A n m . 3; Godin-Wilhelmi A n m . 2; Baumbach-Hueck R n . 2; Richter a. a. O . S. 46; a. M . K G J 14 A 32; O G H Neustadt M D R 56, 109; vgl. auch R G 34, 1 1 7 ; Düringer-HachenburgFlechtheim § 222 A n m . 3, 15; Ritter § 61 A n m . 3b, 7 ; Schlegelberger-Quassowski § 61 A n m . 12, § 62 A n m . 1). Sind für unverbriefte Aktienrechte keine Eintragungen vorgenommen oder ist überhaupt kein Buch angelegt worden, so ist freilich Abs. 2 unanwendbar. W i e alle Geschäftsbücher der A G , so ist auch das Aktienbuch vom Vorstand zu führen. Der Vorstand kann diese ihm gesetzlich obliegende Pflicht nicht auf andere leitende Angestellte der Gesellschaft übertragen (Richter a. a. O . S. 65). D e m steht nicht entgegen, d a ß der Vorstand die mechanische Führung des Aktienbuchs anderen überläßt, wenn er nur die Entscheidung über die vorzunehmenden Eintragungen in seiner H a n d behält.

Anm. 5 3. Eintragung in das Aktienbuch Einzutragen ist der Aktionär, dem das Anteilrecht derzeit ( R G 86, 155) gehört, nach Namen, Wohnort und Stand. Die Eintragung des ersten Aktionärs sowohl bei G r ü n d u n g wie bei Kapitalerhöhung erfolgt ohne Antrag durch die Gesellschaft. Alle späteren Eintragungen, die durch den U b e r g a n g der Aktie auf einen anderen notwendig werden, erfolgen nur auf Anmeldung nach M a ß g a b e des § 68 Abs. 3 (vgl. dazu § 68 A n m . 17 fr.). Sie haben nur dann Rechtswirksamkeit, wenn eine ordnungsgemäße Anmeldung erfolgt ist. Darüber, was dazu gehört, gehen die Auffassungen auseinander (vgl. die Zusammenstellung bei Wiedemann, Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften 1965, S. 138 fr.). Z u fordern ist einmal eine Anmeldung durch eine dazu befugte Person. Wer das ist, vgl. § 68 A n m . 18. Eine Eintragung ohne Anmeldung oder auf Grund der Meldung eines unbefugten Dritten ist ohne Wirkung. Das gleiche gilt, wenn die Anmeldung durch einen Geschäftsunfähigen oder — sofern noch Leistungspflichten des Aktionärs offenstehen, womit die Eintragung kein ausschließlich rechtlich vorteilhafter V o r g a n g im Sinne des § 107 B G B ist — Geschäftsbeschränkten erfolgt, und schließlich auch dann, wenn die Eintragung ohne Mitwirkung des eingetragenen Aktionärs geschieht (§ 68 A n m . 18). Diese Mitwirkung braucht zwar nicht in Form einer eigenen Anmeldung oder einer Zustimmung zur A n meldung eines Dritten z u erfolgen. Es genügt auch die Übertragung der Namensaktie an einen Dritten, die dann gemäß § 68 Abs. 3 diesem die Möglichkeit zur A n m e l d u n g unter Nachweis des Ubergangs gibt (so im wesentlichen R G in J W 06, 433; R G Z 86, 159; 92, 318; 123, 285; J W 31, 2097; Wiedemann a. a. O . ; Godin-Wilhelmi A n m . 4, Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 A n m . 7), es sei denn, die vertraglichen Vereinbarungen untersagen dem Erwerber die Anmeldung auch aus eigenem Antrieb. A n d e r e Rechtsmängel beeinträchtigen die Ordnungsgemäßheit der Anmeldung nicht. Das gilt insbesondere, wenn sie nur z u m Schein abgegeben oder wegen Willensmängeln erfolgreich angefochten wird (vgl. § 68 A n m . 21). Hier liegt ein äußerlich ordnungsgemäßes Anmelderverfahren vor, dessen interne Richtigkeit für die Schaffung des Rechtsscheins aus der Eintragung ebenso belanglos ist wie die Rechtswirksamkeit des Übergangs der Aktien; denn die Eintragung des Aktionärs ist mit dessen rechtsgeschäftlich erheblichen, wenn vielleicht auch mangelhaften Willen erfolgt. Das m u ß genügen, um die Rechtsscheinwirkung der Eintragung zu begründen (so auch Wiedemann a. a. O.).

Anm. 6 4. Berichtigungen von Eintragungen Die Berichtigung von Schreibfehlern und anderen offenbaren Unrichtigkeiten vorhandener Eintragungen ist ohne Bedenken zulässig, bedarf auch nicht des V e r fahrens gemäß Abs. 3 (Begr. R e g E bei K r o p f f S. 87). Eine derartige Berichtigungs33

Aktiengesetz I, 3. Aufl.

505

§67 A n m . 7, 8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

möglichkeit, wie sie § 3 1 9 Z P O f ü r Urteile kennt, gibt es auch für gesetzlich vorgeschriebene Bücher, z. B. Grundbücher ( K G J 27, 248), Handelsregister (§ 17 Abs. 2 der Handelsregister-Verfügung) und dgl. Sie ist deshalb auch beim Aktienbuch zuzulassen; z. B. in den Fällen, in denen die Gesellschaft etwa versehentlich einen falschen Namen oder den richtigen Namen bei einer falschen Aktiennummer vermerkt hat (Brodmann § 223 Anm. 49; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 2 3 Anm. 1 2 ; Ritter § 6 2 Anm. 4 d ; Schlegelberger-Quassowski § 62 Anm. 6; Baumbach-Hueck R n . 1 2 ; Wiedemann a . a . O . S. 140). Für die Zulässigkeit einer derartigen Berichtigung ist es ohne Bedeutung, ob die richtigzustellende Eintragung ohne oder auf Grund einer Anmeldung vorgenommen war. Die Berichtigung — und da liegt ihre Grenze — darf aber nie zu einer Löschung des eingetragenen Aktionärs führen, sondern eben nur seine Eintragung richtigstellen. Unbedenklich zulässig sind auch Berichtigungen, die zwischenzeitlich eingetretene Unrichtigkeiten der Eintragung richtigstellen, es sei denn, sie beruhen auf einem Ubergang der Aktien. Wenn Name, Stand oder Wohnort eines Aktionärs gewechselt hat, wenn durch Ausgabe neuer Aktienurkunden die eingetragenen Aktiennummern andere geworden sind, so können entsprechende Änderungen durchgeführt werden, ohne daß Abs. 3 zu beachten wäre. Das gilt auch, wenn durch Zusammenlegung von Aktien gemäß § 222 Abs. 4 S. 2 oder Einziehung von Aktien gemäß § 237 Änderungen im Aktienbestand eingetreten sind. Auch soweit sie zur Löschung von Aktionäreintragungen im Aktienbuch führen, sind sie keine Löschungen im Sinne des Abs. 3 ; denn diese Bestimmung setzt voraus, daß jemand als Inhaber eines noch existenten Aktienrechts zu U n recht eingetragen ist und an seiner Stelle ein Dritter einzutragen wäre. Wenn aber die Aktien durch Zusammenlegung oder Einziehung untergegangen sind, ist die Aktionäreigenschaft an den untergegangenen Aktien überhaupt erloschen, sodaß nur eine Fehlerberichtigung vorliegt. Anm. 7

5. Löschung von Eintragungen Die Löschung im Aktienbuch beseitigt die vorhandene Eintragung des Inhabers eines noch bestehenden Aktienrechts (Anm. 6 a. E.) und ersetzt sie dadurch, daß die frühere Eintragung wieder zur Geltung kommt. Die Eintragung des neuen Aktionärs gemäß § 68 Abs. 3 ist keine Löschung des bisher eingetragenen Aktionärs. Denn sie läßt seine Eintragung als Vormann bestehen und geht von ihrer Richtigkeit aus. Die Löschung, wie sie hier gemeint und in § 67 Abs. 3 geregelt ist, erfordert demgegenüber, daß der Aktionär im Zeitpunkt seiner Eintragung gar nicht Aktionär war, sei es auch auf Grund einer nachträglichen Anfechtung des Erwerbsgeschäfts. Auf Grund einer Löschung im Sinne des Abs. 3 gilt die Eintragung als nicht erfolgt, so daß auch die Haftung eines Vormannes gemäß § 65 entfällt (§ 65 Anm. 2). Es entsteht aber im Aktienbuch keine Vakanz der Inhaberschaft für die einzelne Aktie, sondern wegen der Löschung der vorhandenen Eintragung tritt die Voreintragung automatisch wieder in K r a f t . Würde man der A G die nach eigener Entscheidung ausübbare Befugnis geben, die Löschung herbeizuführen, so läge es in ihrer Hand, die aus der Eintragung entstehende Rechtsscheinwirkung f ü r den eingetragenen Aktionär zu beseitigen und für den Vormann wieder zu schaffen. Es leuchtet ein, daß das nicht angeht. Weil diese Frage in dem bisherigen Aktiengesetz nicht ausdrücklich angesprochen war, bestand manche Ungewißheit, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft zur Löschung befugt war. Diese Frage ist jetzt in Abs. 3 geregelt. Es sind zwei Fälle zu unterscheiden:

Anm. 8 a ) Wenn alle Beteiligten einverstanden sind, kann die Löschung des eingetragenen Aktionärs und damit die Wiederinkraftsetzung der Eintragung des Vormannes ohne weiters durchgeführt werden. Beteiligt sind der Eingetragene und sein Vormann. D a etwaige dingliche Rechte an einer Namensaktie nicht eintragungsfähig sind (vgl. § 68 A n m . 26), können Nießbraucher oder Pfandgläubiger nicht unmittelbar beteiligt sein.

506

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 67

Anm. 9

Die Möglichkeit, auf Grund eines Nießbrauchs oder Pfandrechts den Aktionär zu zwingen, durch Löschung des Nachmannes das Wiederinkrafttreten der eigenen früheren Eintragung zu betreiben, macht sie nicht zu Beteiligten. Erst wenn der Nießbraucher auf Grund eines vollstreckbaren Titels vom Prozeßgericht gemäß § 887 Z P O ermächtigt ist, die Löschung des eingetragenen Aktionärs zu betreiben, oder der Gerichtsvollzieher durch das Vollstreckungsgericht gemäß § 822 Z P O ermächtigt ist, die Umschreibung der Namensaktie auf den Namen des Käufers zu erwirken, werden der Nießbraucher und, durch die Person des Gerichtsvollziehers, der Pfandgläubiger beteiligt. Beteiligt kann aber auch die A G selbst —• und zwar nicht nur als Führer des Aktienbuchs — sein, nämlich immer dann, wenn ihre eigenen Interessen auf dem Spiele stehen. Das ist z. B. der Fall bei vinkulierten Namensaktien. Hier kann nicht durch die Beteiligten das Zustimmungserfordernis der Gesellschaft dadurch überspielt werden, daß sie übereinstimmend die Anmeldung der Rückübertragung in die Form einer Löschung der bisherigen Eintragung kleiden (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 1 2 ; Wiedemann a. a. O. S. 140). Das gleiche gilt, wenn noch Leistungspflichten auf die Aktien offenstehen. Bei einer Löschung des eingetragenen Aktionärs könnte die Gesellschaft gegen ihn keinen Rückgriff gemäß § 65 nehmen, da seine Eintragung in einem solchen Falle als nicht geschehen gilt. Der Eingetragene und sein Vormann haben es aber nicht in der Hand, durch übereinstimmende Erklärungen eine Löschung der erfolgten Eintragung herbeizuführen, wenn es sich in Wirklichkeit um eine Rückübertragung der Aktie handelt, die die Haftung als Vormann aus § 65 unberührt läßt. Bei Bestehen derartiger Interessen ist die Gesellschaft also nicht nur ausführendes Organ für die Löschung im Aktienbuch, sondern auch Beteiligte. Wenn sie nicht zustimmt, kann sie von dem eingetragenen Aktionär, von seinem Vormann oder auch von beiden auf Löschung der Eintragung im Aktienbuch verklagt werden. Abs. 2 steht einer derartigen Klage nicht im Wege (Anm. 15).

Anm. 9 b) Stimmt einer der Beteiligten nicht zu, so scheidet eine Löschung durch die Gesellschaft gemäß Abs. 3 S. 2 aus. Damit ist der A G entgegen der bisherigen Rechtsprechung ( R G 8 6 , 1 6 1 ; 123,286; L Z 1 9 1 5 , 8 1 3 u n d H R R 3 3 Nr.45) die Befugnis genommen, einseitig in die materielle Rechtsscheinposition des durch die Löschung Betroffenen einzugreifen. Dabei ist gleichgültig, ob die Löschung um deswillen verlangt wird, weil der bisherigen Eintragung kein ordnungsgemäßes Anmeldeverfahren zugrundelag und die Eintragung deshalb keinen Rechtsschein erzeugte (Anm. 5) oder weil die Anmeldung wegen Rechtsmängeln erfolgreich angefochten oder ein Ubergang des Aktienrechts aus sachlich rechtlichen Gründen nicht stattgefunden hat. Da die Gesellschaft die Entscheidung über die Löschung nicht fällen kann, muß sie, wenn sie gesucht wird, auf dem Prozeßwege erfolgen. Die Löschung kann dann erst durchgeführt werden, wenn sämtliche Beteiligten entweder der Löschung zustimmen oder zu ihr verurteilt sind. Will z. B. der eingetragene Aktionär seine Löschung erreichen, weil er den Aktienkauf seinem Vormann gegenüber angefochten hat, so muß er zunächst gegen seinen Verkäufer vorgehen, weil seine Verurteilung zur Mitwirkung bei der Löschung der A G gegenüber vorrangig ist; denn die A G kann nicht rechtskräftig zur Löschung verurteilt werden, solange die Zustimmung eines Beteiligten aussteht. Jedoch können beide Klagen miteinander verbunden werden, ohne daß damit aber eine notwendige Streitgenossenschaft entstünde (BGH in W M 64, 265 für GmbH; Wiedemann a. a. O. S. 142). Dagegen kann die A G vor der Klage gegen den Vormann auf Feststellung verklagt werden, daß die Eintragung unrichtig ist. Auch einer derartigen Klage steht Abs. 2 nicht entgegen (Anm. 15). Will der Vormann seine Eintragung wieder herbeiführen, so gilt gleiches. Auch er muß grundsätzlich zunächst den eingetragenen Aktionär auf Zustimmung oder Mitwirkung bei der Löschung verklagen und kann erst dann gegen die Gesellschaft auf Löschung vorgehen, vorher nur auf Feststelllung. Auch die Gesellschaft selbst kann, wenn sie die Löschung durchsetzen will, den Klageweg beschreiten. Ihr Rechtsschutz-Interesse kann sich nicht nur aus der Tatsache ergeben, daß sie anstelle des eingetragenen Aktionärs seinen Vormann als tatsächlichen Inhaber der Ak33»

507

§67 A n m . 10

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

tienrechte wegen Leistungsrückständen in Anspruch nehmen will, sondern schon daraus, daß sie ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Aktienbuch als Legitimationsnachweis ihrer Aktionäre (Anm. 3) auch mit der wirklichen Rechtslage übereinstimmt. A n m . 10 c ) Für den Fall, daß die Gesellschaft der Auffassung oder Überzeugung ist, daß das Aktienbuch unrichtig ist, daß also jemand zu Unrecht als Aktionär im Aktienbuch eingetragen ist und zwar nicht auf Grund einer späteren Abtretung (§ 68 Abs. 3), sondern deshalb weil er von Anfang an nicht Aktionär war, sieht Abs. 3 ein besonderes Löschungsverfahren vor. Dieses Löschungsverfahren greift Platz ohne Rücksicht darauf, worauf —- wieder unter Ausschaltung einer späteren Abtretung — die Unrichtigkeit des Aktienbuches beruht, ob also keine ordnungsgemäße Anmeldung erfolgte, ob die Anmeldung angefochten ist oder ob der materiell-rechtliche Übergang, der der Eintragung zugrundeliegt, nicht in Ordnung war. In allen diesen Fällen darf die Gesellschaft nicht einfach von sich aus löschen, sondern hat zunächst die Beteiligten von ihrer Löschungsabsicht zu benachrichtigen. Unter den Beteiligten sind auch hier die gleichen Personen zu verstehen wie in Anm. 8. Nießbraucher und Pfandgläubiger können schon deshalb als Beteiligte nicht in Betracht kommen, weil die Existenz eines Nießbrauchs oder Pfandrechts der Gesellschaft meist nicht bekannt sein wird. Man müßte dann die Anwendbarkeit des Abs. 3 auf die der Gesellschaft bekannten dinglichen Rechte an den Aktien beschränken und brächte damit in die Abgrenzung der Beteiligten ein subjektives Moment, das nur zu einer Unsicherheit über die Beteiligung führen kann. Es kommen als Beteiligte nur der eingetragene Aktionär und sein Vormann, Nießbraucher und Pfandgläubiger erst dann in Frage, wenn gerichtliche Maßnahmen gemäß §§ 822, 887 Z P O vorliegen. Auch die Existenz eines Drittprätendenten könnte die Gesellschaft zu der Auffassung bringen, daß das Aktienbuch unrichtig ist; dann muß dieser Drittanspruch der Gesellschaft aber notwendig bekannt sein. Allen diesen Beteiligten muß die A G die von ihr beabsichtigte Löschung mitteilen. Diese Mitteilung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit Zugehen wirksam wird. Die Mitteilungspflicht ist nicht erfüllt, wenn die Gesellschaft lediglich ihre Ansicht über die Unrichtigkeit der Eintragung kundtut. Sie muß vielmehr auch sagen, daß sie wegen der Unrichtigkeit die Löschung der derzeitigen Eintragung durchzuführen beabsichtigt. Außerdem hat sie den Beteiligten eine Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs zu setzen. Diese Frist muß angemessen sein. Als angemessen gilt eine Frist, die dem einzelnen Beteiligten hinreichend Zeit läßt, die nach Ansicht der Gesellschaft bestehende Unrichtigkeit der Eintragung zu prüfen, sich mit einem Sachverständigen darüber zu beraten und zu einer eigenen Entscheidung zu kommen. Welche Frist im einzelnen Fall angemessen ist, entscheidet sich nach seinen Besonderheiten. Die Gesellschaft sollte die Frist schon deshalb großzügig bestimmen, um bei weitergehenden Auseinandersetzungen nicht den Einwand zu hören, sie habe keine angemessene Frist gesetzt und der nach Ablauf der Frist erklärte Widerspruch sei noch beachtlich gewesen. Dann entsteht nur wieder ein neuer Streit über die Richtigkeit der Eintragung, und gegebenenfalls eine Schadensersatzpflicht der Gesellschaft. Geht innerhalb der angemessenen Frist von keinem Beteiligten der Gesellschaft ein Widerspruch gegen die beabsichtigte Löschung zu, so ist die Gesellschaft zur Löschung befugt. Eine Zustimmung der Berechtigten ist nicht erforderlich, das Unterlassen des Widerspruchs innerhalb angemessener Frist reicht aus, und zwar gleichgültig worauf diese Unterlassung beruht, immer aber vorausgesetzt, daß die Mitteilung nach Satz 1 den Beteiligten zugegangen ist. Erfolgt ein Widerspruch, so muß die Löschung unterbleiben. Entweder sehen dann die Beteiligten von jeder weiteren Aktivität ab und belassen den Zustand so, wie er ist, bis er vielleicht in einem anderen Zusammenhang wieder aktuell wird und der eine oder andere Beteiligte irgendwelche Maßnahmen ergreift, oder aber einer der Beteiligten sucht eine Klärung der Rechtslage durch das Gericht. Das kann die Gesellschaft sein, die zur Durchsetzung der von ihr beabsichtigten Löschung den Widersprechenden auf

508

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 67 A n m . 11—13 Zurücknahme seines Widerspruchs oder auf Zustimmung zur Löschung verklagt. Aber auch einer der anderen Beteiligten kann gegen den Widersprechenden klagen. Auch der Widersprechende selbst kann gegen die Gesellschaft oder einen anderen Beteiligten vorgehen. Hierzu vgl. Anm. 9. A n m . 11 d ) Eine Pflicht zur Löschung besteht für die Gesellschaft auch dann nicht ohne weiteres, wenn die Beteiligten die Löschung beantragen. Einmal kann die Gesellschaft selbst beteiligt sein (vgl. Anm. 8) und hat dann ein eigenes Entscheidungsrecht im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens. Das trifft zu in den Fällen der Vinkulierung der Aktien, weil dann durch die gemeinsam beantragte Löschung gegebenenfalls das Zustimmungserfordernis für die Rückübertragung umgangen werden kann, und in den Fällen noch offenstehender Leistungspflichten des Aktionärs, wenn die Gesellschaft wegen der Haftung des Vormannes aus § 65 Interesse daran haben kann, daß die Eintragung des z. Z. eingetragenen Aktionärs nicht gelöscht wird. Aber auch in anderen Fällen ist es der Gesellschaft nicht verwehrt, ihre eigene Auffassung über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Aktienbuches zur Geltung zu bringen und z. B. eine gemeinsam beantragte Löschung abzulehnen, weil sie die Eintragung für richtig hält. Dann muß die Differenz gegebenenfalls im Prozeßwege ausgetragen werden (vgl. Anm. 9) und die Gesellschaft trägt das Risiko ihrer Beurteilung der Rechtslage. Weigert sich die Gesellschaft allerdings, eine von den Beteiligten beantragte Löschung vorzunehmen, obwohl sie von der Unrichtigkeit der Eintragung überzeugt ist, so macht sich der Vorstand, dem die Führung des Aktienbuches obliegt (Anm. 4), gemäß § 93 ersatzpflichtig. A n m . 12 6. Einsicht in d a s Aktienbuch Die Einsicht in das Aktienbuch steht gemäß Abs. 5 auf Verlangen jedem Aktionär zu. Das Aktienbuch dient eben nicht nur der Legitimation der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft (Abs. 2), sondern soll bei der Ausgabe von Namensaktien auch die übrigen Aktionäre darüber unterrichten, wer ihre Mitaktionäre sind. Das erfordert ein jederzeitiges Einsichtsrecht. Die Einsicht kann in den Geschäftsräumen der Gesellschaft während der üblichen Geschäftsstunden genommen werden. Sie darf nicht — auch nicht wegen Verdachts des Mißbrauchs der durch Einsicht erlangten Kenntnis — versagt werden. Unkostenbeiträge darf die Gesellschaft für die Einsicht nicht verlangen. Der Aktionär kann keine Abschriften beanspruchen, und zwar weder von der Eintragung der ihm gehörenden Aktien noch von der Eintragung anderer Aktionäre. Ein Nachweis der Aktionäreigenschaft als Voraussetzung der Einsicht entfällt wegen Abs. 2, wobei man allerdings einem Aktionär, der noch nicht eingetragen ist, seine Eintragung aber gemäß § 68 Abs. 3 zu Recht beantragt hat, die Einsicht nicht verweigern kann. Der Inhaber eines Nießbrauchs oder Pfandrechts an einer Aktie kann, da er als Inhaber von Aktionärrechten nicht im Aktienbuch vermerkt ist (vgl. § 68 Anm. 26), von dem Einsichtsrecht des Abs. 5 keinen Gebrauch machen. Wohl aber steht ihm, wie jedem Dritten, ein Einsichtsrecht nach § 810 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen zu. Auf dieses Einsichtsrecht kann sich auch der noch nicht eingetragene und noch nicht angemeldete Aktionär berufen (Richter a. a. O. S. 69/70 m. w. N.). A n m . 13 II. Die Bedeutung der Eintragung i m Aktienbuch Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Aktienbuch eingetragen ist. Uber die Bedeutung dieser Vorschrift ist erst allmählich Klarheit gewonnen worden. Früher nahm das Reichsgericht an, daß die Eintragung durch Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär das Aktionärrecht begründe (RG 3, 163; 41, 17; J W 1906, 433). Diese Ansicht ist längst aufgegeben, sie war namentlich für 509

§ 67

Anm. 14, 15

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

den Übergang durch Erbfall unhaltbar ( R G 79, 163; 86, 157, 161; 92, 318 oben; 123, 282; H R R 1933 Nr. 45). Die Eintragung hat lediglich die Bedeutung, daß sie den Eingetragenen, sofern ihr eine ordnungsgemäße Anmeldung zugrunde liegt (Anm. 5), gegenüber der Gesellschaft legitimiert; ob das Aktionärrecht rechtsgültig erworben ist, hat mit der Eintragung nichts zu tun (neuerdings wieder abweichend Hachenburg-Schilling § 15 Anm. 66ff.; dazu Rob. Fischer J Z 1956, 363; sowie Wiedemann a. a. O . S. 146/47). Ihre Bedeutung liegt ausschließlich in der Legitimation gegenüber der Gesellschaft. Die Wirkung der Eintragung äußert sich nach verschiedenen Richtungen:

Anm. 14 1. Die Stellung der Gesellschaft gegenüber dem Eingetragenen Die Gesellschaft kann den Eingetragenen auf Erfüllung der Aktionärspflichten in Anspruch nehmen. Er kann nicht einwenden, er habe die Aktie nicht rechtsgültig erworben ( R G 86, 159, 161; 123, 285; J W 1931, 20978). Er kann auch nicht mit Wirkung gegenüber der Gesellschaft den Erwerb wegen arglistiger Täuschung, Drohung oder Irrtums anfechten; in dieser Hinsicht gilt dasselbe wie bei der Übernahme und Zeichnung von Aktien ( R G 72, 294; J W 1915, 58 8 2 2 ; vgl. § 2 Anm. 4); Schadensersatzansprüche gegen den Veräußerer bleiben unberührt. Der Eigentümer kann auch nicht einwenden, daß er die Aktie nach der Eintragung veräußert habe, mag auch die Gesellschaft von der Veräußerung Kenntnis haben ( R G J W 1931, 20979; Köln O L G 11, 384); es wäre seine Sache gewesen, die Umschreibung auf den Erwerber zu veranlassen. Er haftet als Aktionär, solange er eingetragen ist. Diese Haftung kann aber seitens der Gesellschaft nicht in Anspruch genommen werden, wenn die Berufung auf sie rechtsmißbräuchlich wäre. Das ist z. B. der Fall, wenn die Umschreibung im Aktienbuch ordnungsgemäß beantragt, aber infolge grober Fahrlässigkeit der Gesellschaft unterblieben ist (so Wiedemann a. a. O . S. 136; a. M . R G J W 3 1 , 2907; Richter a. a. O . 56/57; Voraufl. § 62 Anm. 16) oder wenn mit Wissen des Vorstandes der Antrag auf Eintragung im Aktienbuch nur zum Schein gestellt wurde ( R G J W 34, 363). Aus ihrem eigenen, grob fahrlässigen oder gar dolosen Verhalten kann die Gesellschaft gegen den Eingetragenen keine Rechte herleiten, mag er auch seinerseits sich auf den Rechtsschein der Eintragung berufen können. Die Berufung auf die Eintragung versagt allgemein, wenn keine ordnungsgemäße Anmeldung erfolgt ist (Anm. 5), wenn also keine oder nur eine wegen Geschäftsunfähigkeit unwirksame Anmeldung oder keine Mitwirkung des bisher eingetragenen Aktionärs vorlag ( R G J W 06, 433; R G 86, 159; 92, 318 oben; 123, 285; Baumbach-Hueck Rn. 10; Godin-Wilhelmi Anm. 4; Wiedemann a. a. O. S. 136).

Anm. 15 Wie der Wortlaut des Abs. 2 durch die Aufnahme des Wörtchens „ n u r " klar zum Ausdruck bringt, darf die Gesellschaft ausschließlich den Eingetragenen als ihren Aktionär behandeln, immer allerdings vorausgesetzt, daß eine ordnungsgemäße Anmeldung erfolgt ist (Anm. 5). Auch wenn die Gesellschaft erhebliche Zweifel und sogar die Gewißheit hat, daß die Eintragung falsch und eine andere Person Aktionär ist, gilt ausschließlich der Eingetragene als Aktionär. Der Weg, diesem unbefriedigenden Ergebnis ein Ende zu bereiten, geht allein über Abs. 3. M a n kann auch nicht, wie die Voraufl. § 62 Anm. 24 wollte, die Gesellschaft, die weiß, daß der Eingetragene nicht Aktionär ist, nach Treu und Glauben für verpflichtet halten, ihm die Geltendmachung von Rechten aus der Aktie zu versagen. Das würde, da der Nichteingetragene nicht als Aktionär behandelt werden kann, zu einer Vakanz der Aktienrechte führen. Die Tatsache, daß nach § 67 Abs. 3 die Gesellschaft die Eintragung nicht einseitig löschen kann, zwingt zu dem Schluß, daß sie auch nicht einseitig dem eingetragenen Aktionär die Ausübung seiner Aktionärsrechte versagen kann. Der eingetragene Aktionär muß vielmehr auch seitens der Gesellschaft als Aktionär behandelt werden. Das entspricht der herrschenden Lehre (Brodmann H G B §223 Anm. 2 b; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §223 Anm. 7; Ritter §62 Anm. 4 e ; Schlegelberger-Quassowski §62 Anm. 4; Godin-Wil-

510

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 67

Anm. 16

helmi Anm. 4; Rospatt L Z 30, 495; Wiedemann a. a. O. S. 134; a. M. R O H G 23, 100; R G 86, 160; 123, 279; Vorauf!. § 62 Anm. 24; Baumbach-Hueck Rn. 10). Daraus folgt, daß z. B. ein Hauptversammlungsbeschluß, bei dem der Eingetragene mitgewirkt hat, nicht mit der Begründung angefochten werden kann, er sei nicht Aktionär ( R G 77, 256), oder ein Beschluß, bei dem dem Eingetragenen die Mitwirkung versagt worden ist, von ihm dieserhalb angefochten werden kann, ohne daß ihm entgegengehalten werden kann, er sei in Wahrheit kein Aktionär. Auch bei der Umwandlung einer A G in eine GmbH kommt es für die Frage, ob die Gesellschaft mehr als 50 Aktionäre hat — davon hängt gemäß § 369 Abs. 3 S. 1 die Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses ab — nur auf die Eintragung im Aktienbuch an; auch wenn die Gesellschaft weiß, daß ein noch eingetragener Aktionär seinen Aktienbesitz an 10 Erwerber verkauft hat, zählen diese nicht eingetragenen Nachfolger in der Person des Eingetragenen als ein Aktionär. Damit zeigt sich die starke Wirkung des Rechtsscheins aus § 67 Abs. 2, der sowohl Gesellschaft wie Aktionär schützt und eine — mit Ausnahme der Löschung — unwiderlegliche Vermutung für die Aktionärseigenschaft begründet und zwar auch gegenüber früheren Aktionären und Mitaktionären. Allerdings geht dieser Schutz nicht so weit, daß im Rechtsstreit über die Löschung der Aktionärsstellung im Aktienbuch nicht sowohl die Gesellschaft wie auch der Vormann und der eingetragene Aktionär sich darauf berufen dürften, letzterer sei nicht Aktionär. Mag der Wortlaut des Abs. 2 diese Fälle auch umfassen, es kann nicht der Sinn des Abs. 2 sein, die einzige Möglichkeit zur Beseitigung eines falschen Rechtsscheins hinfällig zu machen (so auch Godin-Wilhelmi Anm. 6).

Anm. 16 2. Die Stellung der Gesellschaft gegenüber dem nicht eingetragenen Aktionär Wer als Aktionär im Aktienbuch nicht oder nicht mehr eingetragen ist, kann und darf von der Gesellschaft nicht als Aktionär behandelt werden. Das ist die Kehrseite der für den Eingetragenen sprechenden Vermutung der Aktionärseigenschaft. Sie gilt auch dann, wenn der Gesellschaft der Übergang der Aktionärsrechte bekannt ist. Die Gesellschaft kann also den Aktienerwerber nicht auf Resteinzahlung in Anspruch nehmen, solange er nicht im Aktienbuch eingetragen ist, und muß sich gegebenenfalls mit der Haftung des zahlungsschwachen Vorgängers zufrieden geben. Sie kann auch die Eintragung im Aktienbuch nicht erzwingen (§ 68 Anm. 20), sondern muß darauf vertrauen, daß der Freistellung von der Haftung die Unfähigkeit, Rechte aus der Aktie geltend zu machen, entspricht und daß der Erwerber, wenn er einmal derartige Rechte selbst geltend machen will, seine Eintragung beantragen muß. In derartigen Fällen ist also auch das Aktienbuch nicht „unrichtig", so daß auch keine Löschung gemäß Abs. 3 durchgeführt werden kann (vgl. Anm. 7). Fraglich ist, ob das auch für den oder die Erben eines eingetragenen Aktionärs gilt. R G 79, 162 fr. hatte die Inanspruchnahme der nicht eingetragenen Erben ein_3 eingetragenen Aktionärs auf Erfüllung von Nebenleistungspflichten zugelassen und es für formalistisch erklärt, wenn man verlangen wollte, daß die Gesellschaft zunächst die Eintragung der Erben im Aktienbuch im Klagewege erzwingen müsse. Die heute herrschende Meinung geht dahin, daß die A G den nicht eingetragenen Erben eines eingetragenen Aktionärs nicht in Anspruch nehmen dürfe in seiner Eigenschaft als Aktionär, wohl aber auf Grund seiner Erbenstellung hinter dem Eingetragenen, dann allerdings mit der Möglichkeit, die Beschränkbarkeit der Erbenhaftung geltend zu machen (so DüringerHachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 1 1 ; Brodmann § 223 A n n i k a ; Ritter § 62 Anm.4f., § 62 Anm. 2; Vorauf!. §62 Anm. 77; Baumbach-Hueck Rn. 10; Schlegelberger-Quassowski § 62 Anm. 4). Flechtheim und auch Fischer in der Vorauf!, versagen dem Erben aber — weniger aus logischen als aus praktischen Gründen •—• die Ausübung der Rechte aus der Aktie gegnüber der Gesellschaft, um dadurch einen Druck auf ihn auszuüben, daß er sich eintragen lasse. Wiedemann a. a. O. S. 235 wendet sich gegen diese Auslegung des Abs. 2 mit dem Hinweis, A G und GmbH würden damit unterschiedlich behandelt; der Rechtsschein sei, wie z. B. im Grundbuch, auch im Aktienbuch grundsätzlich vererb-

511

§67

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 17 lieh; der K ä u f e r einer Aktie könne zur E i n t r a g u n g nicht gezwungen werden, sodaß auch der E r b e nicht gezwungen werden d ü r f e ; schließlich könne im Handelsrecht der E r b e sich nicht auf beliebig lange Zeit die Beschränkung der E r b e n h a f t u n g vorbehalten. Der Auffassung von W i e d e m a n n ist im wesentlichen zuzustimmen. Der Wortlaut des Abs. 2 u m f a ß t anders als der des § 15 Abs. 1 G m b H G auch den Fall des Erbganges. J e d o c h dürfte insoweit der Wortlaut zu weit gehen (vgl. auch A n m . 15 a. E.). Der E r b e des Eingetragenen — das gilt auch f ü r die anderen Fälle der Gesamtrechtsnachfolge wie übertragende U m w a n d l u n g u n d Verschmelzung — tritt kraft der Gesamtrechtsnachfolge in die volle Position seines Rechtsvorgängers, also auch in d e n Rechtsschein des E r b lassers ein. D a n n aber ist es, worauf bereits Fischer in der Vorauf!. § 62 A n m . 17 hingewiesen hat, nicht folgerichtig, d e m E r b e n die Rechte aus der Aktie der Gesellschaft gegenüber zu verwehren, u n d zwar n u r zu d e m Zwecke, ihn zu seiner E i n t r a g u n g zu zwingen, zu der der Einzelrechtsnachfolger nicht gezwungen werden kann. Vielmehr gibt i h m der Rechtsschein der E i n t r a g u n g seines Erblassers z u s a m m e n mit d e r von i h m gegebenenfalls nachzuweisenden Erbenstellung ohne eigene E i n t r a g u n g die Stellung des eingetragenen Aktionärs. Das wirkliche Problem, das hinter der Streitfrage steht, ist die Vereinbarkeit der handels- u n d erbrechtlichen H a f t u n g . Soll sich der E r b e eines i m Aktienbuch eingetragenen Aktionärs oder auch eines GmbH-Gesellschafters noch nach J a h r e n darauf berufen dürfen, die H a f t u n g f ü r die Leistungsrückstände aus der Zeit seines Rechtsvorgängers sei beschränkt? W ä h r e n d das f ü r die G m b H in der T a t herrschende M e i n u n g ist (vgl. Schilling in H a c h e n b u r g § 18 A n m . 22), versucht m a n diese Konsequenz bei der A G im Falle der Ausgabe von Namensaktien d a d u r c h zu umgehen, d a ß m a n in der — d u r c h Versagung der Aktionärsrechte gegebenenfalls erzwungenen — A n m e l d u n g des E r b e n z u m Aktienbuch eine A r t persönlicher H a f t u n g s ü b e r n a h m e sieht, oder anders ausgedrückt: auf G r u n d des Abs. 2 die E i n t r a g u n g i m Aktienbuch als die Begründung einer unwiderlegbaren V e r m u t u n g f ü r eine volle, persönliche H a f t u n g auslegt. Dieser W e g ist nicht gangbar. E r legt der A n m e l d u n g eine Bedeutung bei, die v o m Willen des Anmelders in der Regel nicht u m f a ß t wird, u n d die Legitimation des Abs. 2 besteht auf G r u n d der E i n t r a g u n g des Erblassers zusammen mit der Rechtsnachfolge schon vor der E i n t r a g u n g des Erben. Es gibt hier n u r eines: E n t w e d e r läßt m a n trotz E i n t r a g u n g die Beschränkbarkeit der E r b e n h a f t u n g eingreifen oder m a n verneint mit W i e d e m a n n a. a. O . S. 238/39 ü b e r h a u p t die Beschränkbarkeit der E r b e n h a f t u n g gegenüber d e n typisch handelsrechtlichen Kapitalaufbringungsschulden. So bestechend die zweite Alternative ist, sie widerspricht den zwingenden Prinzipien unseres E r b rechts, ü b e r die m a n sich auch nicht f ü r die Kapitalaufbringungsschuld hinwegsetzen k a n n . Ebenso wie die Kapitalaufbringungsschuld im Konkurs des Aktionärs keine bevorrechtigte F o r d e r u n g ist, kann der Charakter als Kapitalaufbringungsschuld auch die Beschränkbarkeit der E r b e n h a f t u n g nicht beseitigen. Das gilt u n a b h ä n g i g davon, ob der E r b e als Aktionär im Aktienbuch eingetragen ist oder nicht. D u r c h die Anmeld u n g des E r b e n wird jedenfalls auf die Beschränkbarkeit der E r b e n h a f t u n g nicht verzichtet. Sie bedarf auch zu ihrer Aufrechterhaltung keiner b u c h m ä ß i g e n V e r l a u t b a rung, b r a u c h t also i m Aktienbuch nicht erkennbar gemacht zu werden, w e n n der U b e r g a n g g e m ä ß § 6 8 Abs. 3 angemeldet wird, vgl. § 68 A n m . 16. D e n n die Eintragung i m Aktienbuch ist n u r f ü r die Aktionärseigenschaft, nicht aber f ü r dingliche R e c h t e a n der Aktie (§ 68 A n m . 26) oder gar f ü r den U m f a n g aktienrechtlicher H a f t u n gen bestimmt.

Anm. 17 3. Die Rechte des Eingetragenen Der Eingetragene allein ist gegenüber der Gesellschaft befugt, die Aktionärrechte geltend zu machen, namentlich das Stimmrecht u n d das R e c h t d e r A n f e c h t u n g ausz u ü b e n ( R G 86, 158; K ö l n O L G 11, 384). Z u U n r e c h t h a t das O L G Dresden ( Z H R 35> 2 37) angenommen, f ü r die Ausübung des Stimmrechts genüge die Vorlegung der Aktie, w e n n ü b e r die Aktionäreigenschaft kein Streit bestehe. Solange trotz Ausgabe von Aktien oder Zwischenscheinen kein Aktienbuch eingerichtet ist, gilt der U b e r n e h m e r

512

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 6 7 A n m . 18 §68

der Aktie als Aktionär ( R G J W 1906, 1 7 7 ) ; wer die Aktie späterhin erworben hat, bedarf der Eintragung. D a jeder Aktionär einen klagbaren Anspruch auf Einrichtung des Aktienbuches und auf Eintragung hat (Anm. 4), so liegt darin nichts Unbilliges. Die Berufung auf die durch die Eintragung begründete unwiderlegbare Vermutung greift aber auch hier nur dann ein, wenn eine ordnungsgemäße Anmeldung vorliegt (Anm. 5). Der Geschäftsunfähige, dessen Anmeldung irrigerweise beachtet wurde, kann sich auf die Eintragung nicht berufen. Nicht berufen kann sich auf die Eintragung auch, wer sie der Gesellschaft gegenüber treuwidrig herbeigeführt hat, wer sich z. B. in Kollusion mit dem Vorstand nur zum Schein hat eintragen lassen ( R G J W 34, 363). Ein derartiger Fall ist aber nicht gegeben, wenn der Erwerber den Verkäufer der Aktien betrogen hat und der Vormann den Verkauf dieserhalb angefochten hat. Hier kann sich der eingetragene Aktionär auf seine Eintragung voll berufen; der Veräußerer der Aktien muß, wenn er z. B. die Ausübung des Stimmrechts durch den Erwerber oder den Dividendenbezug durch ihn verhindern will, mit einer einstweiligen Verfügung durch das Gericht eingreifen lassen. Entgegen der Auffassung von Godin-Wilhelmi Anm. 7 bestehen auch keine Bereicherungsansprüche gegen die Gesellschaft, wenn der auf einen Leistungsrückstand in Anspruch genommene eingetragene Aktionär später seine Löschung durchsetzt. Die Löschung beseitigt die unwiderlegbare Vermutung f ü r die Aktionärsstellung erst vom Augenblick ihrer Vollziehung an und kennt keine Rückwirkung, auch nicht durch Eintragung eines zurückliegenden Veräußerungsdatums (so auch Wiedemann a. a. O . S. 144). Der Ausgleich ist nur im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber der Aktien möglich. K a n n er hier nicht mehr erreicht werden, so kann gegebenenfalls eine Haftung des Vorstandes gemäß § 93 in Frage kommen, wenn er bei der unrichtigen Eintragung unter Verletzung seiner Prüfungspflichten (§ 68 Anm. 22) mitgewirkt hat.

Anm. 18 III. Zwischenscheine Daß die Vorschriften des § 67 auch für Zwischenscheine gelten, ist bereits in Anm. 4 erwähnt. A u c h ihre Ausgabe verpflichtet die A G zur Anlegung und Führung eines Aktienbuches ( R G J W 06, 177). Desgleichen werden im Rahmen des § 68 Zwischenscheine den Namensaktien völlig gleichgestellt.

§

68

Ü b e r t r a g u n g v o n N a m e n s a k t i e n , U m s c h r e i b u n g i m Aktienbuch

(1) Namensaktien können durch Indossament übertragen werden. Für die Form des Indossaments, den Rechtsausweis des Inhabers und seine Verpflichtung zur Herausgabe gelten sinngemäß Artikel 12, 13 und 16 des Wechselgesetzes. (2) Die Satzung kann die Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft binden. Die Zustimmung erteilt der Vorstand. Die Satzung kann jedoch bestimmen, daß der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung über die Erteilung der Zustimmung beschließt. Die Satzung kann die Gründe bestimmen, aus denen die Zustimmung verweigert werden darf. (3) Geht die Namensaktie auf einen anderen über, so ist dies bei der Gesellschaft anzumelden. Die Aktie ist vorzulegen und der Übergang nachzuweisen. Die Gesellschaft vermerkt den Übergang i m Aktienbuch. (4) Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente und der Abtretungserklärungen, aber nicht die Unterschriften zu prüfen. (5) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwischenscheine. 513

§ 68

Anm. 1, 2

Erstes Buch: Aktiengesellschaft Übersicht Anm.

Einleitung I. Die Übertragung der Aktien 1. Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit 2. Die Übertragung der Namensaktie durch Abtretung 3. Die Übertragung der Namensaktie durch Indossament II. Die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung 1. Allgemeines 2. Die Aufnahme des Zustimmungserfordernisses in die Satzung 3. Die Erteilung der Zustimmung a) Die Form b) Wer ist zustimmungsberechtigt? 4. Die Verweigerung der Zustimmung 9, 5. Die Rechtsfolgen einer Verweigerung der Zustimmung a) Zwischen Erwerber und Gesellschaft b) Zwischen Erwerber und Veräußerer

1

2 3 4

5 6 7 8 1o

11 12

Anm

6. Die Zustimmung bei Blankozessionen 7. Die Pfändung gebundener Namensaktien 8. Die Erbfolge bei gebundenen Namensaktien

13 14, 15

III. Die Umschreibung im Aktienbuch 1. Die Anmeldung auf Vornahme der Umschreibung a) Anmeldeberechtigte Personen b) Form und Inhalt der Anmeldung c) Keine Pflicht zur Anmeldung d) Rechtsnatur der Anmeldung 2. Die Prüfung der Anmeldung a) Prüfungspflicht der Gesellschaft b) Prüfungsrecht der Gesellschaft 3. Die Umschreibung im Aktienbuch

22 23 24

I V . Die Legitimationsübertragung

25

V . Verpfändung, Nießbrauch und Pfändung von Namensaktien V I . Der Zwischenschein

16 17 18 19 20 21

26 27

Anm. 1 Einleitung U b e r die Entstehungsgeschichte der § § 6 7 , 68 vgl. § 6 7 A n m . 1. W ä h r e n d § 6 7 in seiner neuen Zusammenstellung die Vorschriften über die Eintragung i m A k t i e n b u c h u n d ihre rechtliche Bedeutung umfaßt, enthält § 68 die Vorschriften über die U b e r tragung v o n Namensaktien und Zwischenscheinen. § 68 A b s . 1 übernimmt wörtlich den A b s . 2 des § 61 A b s . 2 A k t G 37. A b s . 2 n i m m t mit Ä n d e r u n g e n den A b s . 3 des § 61 A k t G 37 auf. Es w a r n a c h früherem R e c h t streitig (vgl. Vorauf!. § 61 A n m . 14), ob die Z u s t i m m u n g des Vorstandes a u c h d a n n m a ß g e b lich sei, w e n n Aufsichtsrat oder H a u p t v e r s a m m l u n g satzungsmäßig zuständig waren und anders entschieden hatten. Diese Streitfrage wird i m Sinne der M a ß g e b l i c h k e i t der Vorstandserklärung geklärt. Gleichzeitig ist im Hinblick auf § 23 A b s . 5 klargestellt, d a ß die S a t z u n g die Gründe, aus denen heraus bei einer Vinkulierung die Übertragungszustimmung verweigert werden kann, konkretisieren darf. A b s . 3 — 5 entsprechen wörtlich § 62 A b s . 1, 2 und 4 A k t G 37.

I. Die Übertragung der Aktie Anm. 2 1. Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit D i e freie Ubertragbarkeit der A k t i e ist eine ihrer wesentlichen V o r z ü g e u n d ein gewisser Ersatz dafür, d a ß der A k t i o n ä r nicht wie ein anderes Vereinsmitglied ( § 3 9 BGB) austreten kann. Die Abtretbarkeit kann aber nach A b s . 2 durch die Satzung a n die Z u stimmung der Gesellschaft gebunden werden. Früher wurde z. T . angenommen, die S a t z u n g könne die Ubertragbarkeit a u c h auf andere Weise beschränken, sie z. B. nur a n Familienmitglieder, an Mitglieder eines bestimmten Vereins oder eines bestimmten

514

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 68

Anm. 3, 4

Gewerbes ( R G in B a n k A 14, 104), nur an Deutsche usw. zulassen, j a , sie ganz ausschließen, und es bedürfe d a n n , w e n n davon abgewichen werden solle, einer Satzungsänderung, die G e n e h m i g u n g der Gesellschaft genüge nicht ( R G a. a. O . ) . Die Fassung des § 222 A b s . 2 H G B konnte der A n n a h m e N a h r u n g geben, d a ß solche Satzungsbestimmungen zulässig seien. Bereits die Fassung des § 61 A k t G 37 und heute die des § 68 A b s . 2 läßt solche D e u t u n g nicht mehr zu. § 62 geht von der freien Ubertragbarkeit der A k t i e aus, stellt dafür in A b s . 1 — neben der A b t r e t u n g —• die F o r m des Indossaments zur V e r f u g u n g und läßt in A b s . 2 nur eine satzungsmäßige Beschränkung der Ubertragbarkeit z u : die Bindung an die Zustimmung der Gesellschaft (jetzt allgemeine Ansicht). J e d e andere Beschränkung ist nichtig (vgl. Däubler N J W 68, 1123). A u c h ein Vorkaufsrecht kann der A G nicht satzungsmäßig, sondern — w e n n ü b e r h a u p t ( § 7 1 ) — nur schuldrechtlich eingeräumt werden. Nichtige Satzungsbestimmungen dieser A r t m a c h e n aber die eingetragene Gesellschaft nicht nichtig (§ 275 A b s . 1 S. 2).

Anm. 3 2. Die Übertragung der Namensaktie durch Abtretung Die Namensaktien „ k ö n n e n " durch Indossament übertragen werden. Die einzige F o r m der Ü b e r t r a g u n g ist das nicht. D a s Anteilrecht k a n n a u c h durch Abtretungsvertrag n a c h § 4 1 3 B G B übertragen werden, allerdings, d a die A k t i e n u r k u n d e ein Wertpapier ist ( § 1 0 A n m . 3), nur unter U b e r g a b e der U r k u n d e , falls solche ausgegeben ist ( R G 86, 1 5 7 ; J W 1932, 2599 1 ). D e n n da nach d e m Wesen des Wertpapiers dessen Besitz privatrechtliche Voraussetzung f ü r die A u s ü b u n g des darin verbrieften Rechts ist, so w ä r e es sinnwidrig, eine A b t r e t u n g des Rechts ohne Ü b e r g a b e des Papiers für vollendet z u halten (vgl. für Wechsel R G 88, 292). I m übrigen ist der Abtretungsvertrag formlos gültig-, a u c h schlüssige H a n d l u n g e n genügen, z. B. A n m e l d u n g zur Eintragung ins A k t i e n b u c h , verbunden mit W a h r n e h m u n g v o n Aktionärrechten durch den Eingetragenen ( R G L Z I 9 I 5> H50 2 0 ). Es ist also nicht erforderlich, d a ß die Abtretungserklärung schriftlich erteilt wird. Dies kann a u c h in der Satzung nicht vorgeschrieben werden, weil darin eine unzulässige Erschwerung der freien Ubertragbarkeit der A k t i e ( A n m . 2) liegen würde. Gleichwohl ist schriftliche Abtretungserklärung allgemein üblich, weil sie z u r Legitimation des Erwerbers gegenüber der Gesellschaft notwendig ist. Statt der körperlichen U b e r g a b e genügt Ubergabeersatz n a c h den §§ 930, 931 B G B . D i e E i n t r a g u n g i m A k t i e n b u c h ist kein Erfordernis des Rechtsübergangs, sondern hat nur gegenüber der Gesellschaft Bedeutung (dazu im einzelnen § 67 A n m . 13 fr.). D e r gute G l a u b e des Erwerbers wird bei dieser A r t v o n Ü b e r t r a g u n g nur nach § 405 B G B geschützt, der hier k a u m in Frage kommen kann.

Anm. 4 3. Die Übertragung der Namensaktie durch Indossament Die Namensaktie ist indossabel, a u c h w e n n sie nicht an O r d e r lautet. Sie ist also gesetzliches Orderpapier (so a u c h Bruns A G 62, 329, anders f ü r vinkulierte Namensaktien Degner A G 63, 121). D i e Möglichkeit, wie beim Wechsel (Art. 11 A b s . 2 W G ) die Indossabilität durch V e r m e r k e wie „ n i c h t an O r d r e " auszuschließen, sieht das Gesetz nicht vor. Derartige V e r m e r k e sind rechtlich bedeutungslos. D a sie aber die V e r wertbarkeit des Papiers tatsächlich z u stören geeignet sind, kann der A k t i o n ä r eine von solchem V e r m e r k freie U r k u n d e verlangen. D a s Gesetz erklärt die A r t . 12, 13, 16 W G für sinngemäß anwendbar. V o n diesen Vorschriften ist Art. 16 A b s . 2 besonders hervorzuheben. W e r hiernach nicht z u r Herausgabe verpflichtet ist, ist rechtmäßiger Inhaber der Aktie. D e r Schutz des gutgläubigen Erwerbs geht erheblich über den Schutz hinaus, den die §§ 932 fr. B G B und auch § 366 H G B gewähren. D e r Schutz deckt nicht nur den M a n g e l des Rechts oder der Verfügungsbefugnis des Veräußerers, sondern alle M ä n g e l des sachlichen Begebungsvertrags, also a u c h den M a n g e l der Geschäftsfähigkeit des V e r ä u -

515

§ 68

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft

Anm. 5, 6 ßerers (so auch v. R o t t e n b u r g Inhaber- u n d Namensaktien i m deutschen und amerikanischen R e c h t 1967 S. 22; a. M . B a u m b a c h - H u e c k R n . 6), seiner Vertretungsbefugnis, der Echtheit der Indossamente, a u c h des letzten, usw. D i e Ü b e r g a b e der U r k u n d e (oder Ubergabeersatz) m u ß freilich z u m Indossament hinzukommen. D i e E i n t r a g u n g im A k t i e n b u c h ist a u c h f ü r diese A r t der Ü b e r t r a g u n g kein Erfordernis, sondern hat nur gegenüber der Gesellschaft Bedeutung (Anm. 8). Der gute Glaube des Indossatars schützt ihn aber nicht vor Einwendungen, die den Bestand oder den Inhalt des Aktienrechts selbst betreffen, auch w e n n sie sich nicht aus der U r k u n d e ergeben. W e d e r A r t . 17 W G noch § 364 A b s . 2 H G B sind a n w e n d b a r ; vgl. j e d o c h § 10 A n m . 11, § 55 A n m . 18, § 63 A n m . 13. D e r gute G l a u b e ersetzt bei gebundenen Namensaktien die fehlende Z u s t i m m u n g der Gesellschaft nur insoweit, als es sich u m das R e c h t des Veräußerers handelt. D a g e g e n wird sie f ü r die letzte V e r ä u ß e r u n g selbst nicht durch guten G l a u b e n ersetzt ( A n m . 10).

II. Die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung Anm. 5 1. Allgemeines Die Gesellschaft ist nicht befugt, die eine oder die andere der beiden Ubertragungsformen ( A n m . 3, 4) z u verbieten (heute w o h l allgemeine Ansicht; anders noch R G 77, 276). D a r i n w ü r d e eine unzulässige Erschwerung der freien Ubertragbarkeit der A k t i e ( A n m . 2) liegen. Beide Ubertragungsmöglichkeiten stehen selbständig nebeneinander ( R G J W 1932, 2599). Die einzig zulässige Beschränkung der Übertragbarkeit der N a mensaktie ist die Bindung an die Z u s t i m m u n g der Gesellschaft. D i e Z u s t i m m u n g der Gesellschaft k a n n f ü r alle Namensaktien, sowohl f ü r vollbezahlte wie f ü r nicht vollbezahlte A k t i e n vorgeschrieben w e r d e n ( R G 132, 154). E i n V e r m e r k auf der Aktienurkunde ist nicht erforderlich; der Erwerber einer Namensaktie m u ß also damit rechnen, d a ß die Z u s t i m m u n g der Gesellschaft z u r Ü b e r t r a g u n g der A k t i e notwendig ist (Schlegelberger-Quassowski § 61 A n m . 6; T e i c h m a n n - K o e h l e r § 61 A n m . 3 a). Satzungsmäßige Nebenverpflichtungen der A k t i o n ä r e sind nur bei gebundenen Namensaktien zulässig. Ist entsprechend A b s . 2 die „ Ü b e r t r a g u n g " der A k t i e an die Z u s t i m m u n g gebunden, so fallt darunter j e d e r rechtsgeschäftliche U b e r tragungsakt, also a u c h Schenkung, T a u s c h usw. ( R G H R R 1933 Nr. 45), a u c h V e r steigerung g e m ä ß §§ 65 A b s . 3, 214 A b s . 3 und 226 A b s . 3 (so O b e r m ü l l e r N J W 62, 852). Ist dagegen der „ V e r k a u f " der A k t i e n a n die Z u s t i m m u n g gebunden, so fallen unentgeltliche V e r ä u ß e r u n g e n nicht unter das Zustimmungserfordernis; einer abweichenden Auslegung ist eine solche Satzungsbestimmung k a u m zugänglich ( R G 101, 246; teilweise abweichend 1. A u f l . A n m . 1 1 , die aber insoweit die besonderen Grundsätze für die Auslegung der S a t z u n g [§ 23 A n m . 19] außer acht ließ). Darin, d a ß die Gesellschaft die Zulassung ihrer A k t i e n an der Börse beantragt, liegt kein V e r z i c h t auf das Zustimmungserfordernis ( R G 132, 156; J W 1932, 2599). V o n d e m Zustimmungserfordernis wird m a n absehen können, w e n n der Alleinaktionär (Aktionär einer Einmanngesellschaft) gebundene Namensaktien überträgt. D e n n in diesem Fall verliert das Z u stimmungserfordernis v o n vornherein j e d e n vernünftigen Sinn (Ritter § 203 A n m . "je; B a u m b a c h - H u e c k R n . 7 ; Boesebeck N J W 1952, 1 1 1 6 ; a. M . Wilhelmi N J W 1952, 324).

Anm. 6 2. Die Aufnahme des Zustimmungserfordernisses in die Satzung Die Bindung der Ü b e r t r a g u n g von Namensaktien an die Z u s t i m m u n g der Gesellschaft m u ß in der ursprünglichen Satzung, die Bindung der Ü b e r t r a g u n g v o n j u n g e n Namensaktien in d e m Kapitalerhöhungsbeschluß enthalten sein. Eine nachträgliche Bindung kann nicht durch eine gewöhnliche Satzungsänderung eingeführt werden, f ü r sie ist vielmehr die Z u s t i m m u n g aller dadurch betroffenen Aktionäre notwendig. D a s w a r nach A k t G 37 z w a r weniger i m Ergebnis, j e d o c h in der Begründung sehr um-

516

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 68

Anm. 7, 8 stritten (vgl. die Literaturzusammenstellung bei W i e d e m a n n N J W 64, 283), ist nunmehr aber durch die A u f n a h m e des § 180 A b s . 2 i m Sinne der Notwendigkeit einer Z u stimmung sämtlicher betroffenen Aktionäre entschieden. D e r V o r s c h l a g v o n W i e d e m a n n (a. a. O . ) , einen gewöhnlichen Satzungsänderungsbeschluß genügen z u lassen, d e m widersprechenden A k t i o n ä r aber analog §§ 375, 382 ein Austrittsrecht z u geben, m a g gesetzgeberisch vielleicht richtiger sein. D u r c h die A u f n a h m e des § 180 A b s . 2 ist aber die Entscheidung klar für die Notwendigkeit einer Z u s t i m m u n g sämtlicher betroffenen A k t i o n ä r e gefallen. Die A u f h e b u n g der satzungsmäßigen Vinkulierung ist dagegen durch gewöhnlichen Satzungsänderungsbeschluß zulässig (Baumbach-Hueck § 180 R n . 5 ) ; der Fortbestand der V i n k u l i e r u n g kann keineswegs als ein unentziehbares Mitgliedschaftsrecht der A k tionäre angesehen werden. Sofern die G r ü n d e des A b s . 2 Satz 3, aus denen die Z u stimmung verweigert werden darf, nachträglich geändert werden, ist die Z u s t i m m u n g sämtlicher betroffenen Aktionäre nur d a n n erforderlich, w e n n die Ubertragbarkeit nicht unerheblich erschwert wird. W e n n die Satzung schon einmal zulässigerweise eine Beschränkung der freien Ubertragbarkeit kennt, steht das unentziehbare Mitgliedschaftsrecht a u f freie Ubertragbarkeit nicht mehr im Prinzip z u r Diskussion. Einzelheiten der R e g e l u n g der freien Übertragbarkeit sind dann, w e n n sie keine erhebliche Erschwerung bringen, k a u m als Eingriff in unentziehbare Mitgliedschaftsrechte z u betrachten.

Anm. 7 3. Die Erteilung der Zustimmung a) Die Form der Zustimmung Mangels einer abweichenden Satzungsbestimmung kann die Z u s t i m m u n g formlos abgegeben werden (§ 182 A b s . 2 B G B ; R G 160, 232), selbst durch schlüssige H a n d l u n g , so durch U m s c h r e i b u n g i m A k t i e n b u c h ( R G 72, 294; H R R 1933 Nr. 45) oder durch Ausstellung der Stimmkarte auf den Erwerber ( R G J W 1931, 2097; vgl. U l m e r in Festschrift f. Schmidt-Rimpler 1957 S. 275). Die S a t z u n g kann aber a u c h wirksam bestimmen, d a ß die Erteilung der Z u s t i m m u n g schriftlich erfolgen m u ß . In diesem Fall ist eine formlos erteilte Z u s t i m m u n g wirkungslos ( O G H N J W 1950, 347; DüringerHachenburg-Flechtheim § 222 A n m . 5 ; Ritter § 61 A n m . 5 c ; Godin-Wilhelmi A n m . 1 1 ; a. M . K G J W 1939, 296; Brodmann § 222 A n m . 4 c ; in B G H 15, 330 ist diese Frage ausdrücklich offen gelassen); eine unzulässige Erschwerung der freien Übertragbarkeit der A k t i e liegt in einem solchen Formerfordernis nicht (insoweit bedenklich O G H a. a. O . ) . — Die Z u s t i m m u n g kann vor der Ü b e r t r a g u n g als Einwilligung oder nach der Ü b e r tragung als G e n e h m i g u n g erteilt werden ( R G 160, 232). Spricht die S a t z u n g v o n „ G e n e h m i g u n g " , so ist damit nicht notwendig nur eine nachträgliche Z u s t i m m u n g gemeint ( R G 132, 155). Die Z u s t i m m u n g ist unwiderruflich, w e n n sie als G e n e h m i g u n g nachträglich erteilt wird (§§ 183, 184 B G B ; R G 139, 123; H R R 1933 N r . 45), sie kann aber wegen Willensmängeln angefochten werden ( R G a . a. O . ) . Sie ist eine empfangsbedürftige Erklärung, die gegenüber einem der Beteiligten a b z u g e b e n ist (§ 182 A b s . 1 B G B ; vgl. d a z u a u c h B G H 15, 330). Allgemein im voraus kann sie nicht erteilt werden ( R G 132, 155); jahrzehntelange D u l d u n g des Börsenhandels mittels Blankozessionen bedeutet noch keine Z u s t i m m u n g f ü r den einzelnen Fall ( R G 132, 156; H R R 1933 Nr. 45). Die vorbehaltlose Z u s t i m m u n g z u einer dem Genehmigungsorgan bekannten Sicherungsübertragung u m f a ß t auch die R ü c k ü b e r t r a g u n g ( B G H in L M N r . 8 z u § 15 GmbHG).

Anm. 8 b) Wer ist zustimmungsberechtigt Die Ü b e r t r a g u n g kann satzungsgemäß an die „ Z u s t i m m u n g der Gesellschaft" gebunden werden. Das bedeutet, d a ß sie nur an die Z u s t i m m u n g eines Gesellschaftsorgans nicht an die Z u s t i m m u n g eines Dritten, a u c h nicht an die Z u s t i m m u n g eines Aktionärs

517

§68

Anm. 9

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

gebunden werden kann. Enthält die Satzung keine Bestimmung darüber, welches der Gesellschaftsorgane die Zustimmung zu erteilen hat, so hat nach der ausdrücklichen Vorschrift des Abs. 2 Satz 2 der Vorstand die Zustimmung zu erteilen. Ist durch die Satzung einem anderen Gesellschaftsorgan — dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung — die Entscheidung über die Zustimmung übertragen, so ist dieses Organ für die Erteilung der Zustimmung zuständig. Der Vorstand kann eine solche Zuständigkeitsbestimmung nicht von sich aus ändern. Jedoch bringt die jetzige Fassung des Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit S. 3 klar zum Ausdruck, daß nach außen die Zustimmung durch den Vorstand auch dann zu erklären ist, wenn intern Aufsichtsrat oder Hauptversammlung über die Erteilung zu beschließen haben. Damit ist gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß es nach außen auf die Zustimmung des Vorstandes und nicht auf die Entscheidung der intern zuständigen Organe ankommt. Die im früheren Recht sehr umstrittene Frage (vgl. Vorauf!. § 61 Anm. 14), ob die Zustimmung des Vorstandes auch dann maßgebend sei, wenn Aufsichtsrat oder Hauptversammlung als satzungsmäßig zuständiges Organ anders entschieden haben, ist damit geklärt. A u c h dann, wenn das intern zuständige Organ in dem einen oder anderen Sinne entschieden hat, gilt diese Entscheidung nach außen hin nicht, wenn der Vorstand etwas anderes erklärt. Wenn der Vorstand also die Zustimmung zur Übertragung erteilt, obwohl das satzungsmäßig zuständige Organ — Aufsichtsrat oder Hauptversammlung —• die Zustimmung versagt hat, ist die Zustimmung erteilt und die Übertragung der Aktien wirksam. Diese Entscheidung des Vorstandes mag dann disziplinarische Maßnahmen, gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche aus § 93 zur Folge haben, nach außen gilt im Interesse der Rechtssicherheit die Erklärung des Vorstandes allein. Das ist von besonderer Bedeutung für die zum Börsenhandel zugelassenen vinkulierten Namensaktien, insbesondere in der Versicherungsbranche, für die ohne Rücksicht auf die Satzungsgestaltung im einzelnen Falle eine stets gleiche Zuständigkeit des Vorstands bei allen Gesellschaften erforderlich ist. Ist die Gesellschaft in Liquidation, so tritt an die Stelle des Vorstands im Sinne des Abs. 2 S. 2 der Liquidator. Im Konkursfalle bleibt es bei der Zuständigkeit des Vorstands (Ritter § 6 1 Anm. 5 d ; Baumbach-Hueck Rn. 8). Sofern jedoch Leistungsrückstände bestehen, muß die alleinige Zuständigkeit des Konkursverwalters eingreifen (so R G 72, 291; a. M . Ritter und Baumbach-Hueck, a. a. O., die nur eine zusätzliche Zuständigkeit des Konkursverwalters annehmen). Da die Geltendmachung von Einlagerückständen aber ausschließlich Sache des Konkursverwalters ist, der durch eine gegensätzliche Entscheidung der Gesellschaftsorgane in seiner Handlungsfreiheit nicht beschränkt werden kann, muß im Interesse des Konkurszwecks eine ausschließliche Zuständigkeit des Konkursverwalters angenommen werden.

Anm. 9 4. Die Verweigerung der Zustimmung Die Entschließung über die Erteilung oder über die Verweigerung der Zustimmung steht mangels abweichender Satzungsbestimmungen grundsätzlich unfreien Ermessen des hierfür zuständigen Gesellschaftsorgans und darf auch vom Gericht nicht nachgeprüft werden ( R G 132, 155; Wiedemann, Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften 1965 S. 106; vgl. auch Ulmer in Festschrift f. SchmidtRimpler 1957 S. 261 ff., 266). Dabei ist auch nicht zu verlangen, daß eine etwaige Versagung der Zustimmung mit Gründen versehen wird (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 5; zurückhaltend Wiedemann a. a. O . S. 107). Jedoch muß die Gesellschaft bei einer Versagung der Zustimmung die allgemeinen Grundsätze und Schranken für die Ausübung von Rechten einhalten. Eine Versagung darf daher nicht schikanös sein (§226 BGB), sie darf sich auch nicht als Rechtsmißbrauch darstellen und damit gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, insbesondere auch der Gleichbehandlung, verstoßen (§ 242 BGB). Uberschreitet die Gesellschaft bei der Verweigerung der Zustimmung diese allgemeinen Schranken der Rechtsausübung, so ist die Verweigerung nicht nur unwirksam, sondern man wird darüber hinaus auch dem Veräußerer einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung geben müssen. Diesen Anspruch

518

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 68

Anm. 10 kann der Veräußerer im Wege der Klage geltend machen. In einem solchen Fall wird die Gesellschaft auch nicht umhin können, die Gründe für die Verweigerung ihrer Zustimmung darzulegen. Unter welchen Voraussetzungen die Verweigerung der Zustimmung einen Rechtsmißbrauch darstellt, kann nur nach den Umständen des einzelnen Falls beurteilt werden. Die im Schrifttum z. T . besonders hervorgehobene Freiheit der Gesellschaft bei ihrer Entschließung über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung (vgl. etwa O . Möhring BB 1953, 775) kann jedenfalls nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben als richtig erachtet werden. A u c h ist der besonders v. Wiedemann a. a. O . S. 89 ff. hervorgehobene Gesichtspunkt von Bedeutung, daß die Vinkulierung nicht zu einer grundsätzlichen Unveräußerlichkeit auf unabsehbare Zeit führen dürfe; dem muß nicht durch Gewährung eines Austrittsrechts abgeholfen (so Gierke Z H R 119, 155; Wiedemann a. a. O . ; vgl. auch Zöllner GmbHRdsch. 68 S. 177 N. 6), sondern durch großzügigere Handhabung der Vinkulierung vorgebeugt werden. Andererseits ist es aber auch nicht möglich, im Anschluß an die von Scholz ( G m b H G § 15 Anm. 49) für die G m b H entwickelten Grundsätze zu verlangen, daß die Gesellschaft nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes die Zustimmung zur Übertragung der Aktie versagen dürfe. Eine solche Auffassung steht im Widerspruch mit Abs. 2 Satz 3; diese Bestimmung geht ganz offensichtlich davon aus, daß es eine Einschränkung der allgemeinen Zustimmungsbefugnis der Gesellschaft ist, wenn diese die Zustimmung nur beim Vorliegen satzungsmäßig zugelassener Gründe, insbesondere wichtiger Gründe, verweigern darf. Ist die Zustimmung (Genehmigung) wirksam verweigert worden, so ist diese Verweigerung unwiderruflich ( R G 139, 123; B G H 13, 187; O L G Hamburg W M 1954, 586; Godin-Wilhelmi Anm. 13; so auch Baumbach-Hueck Rn. 8, die, wenn beide Partner an der Übertragung festhalten und einen neuen Genehmigungsantrag stellen, wohl mit Recht die Möglichkeit einer zustimmenden Entscheidung bejahen).

Anm. 10 Nach Abs. 3 S. 2 kann die Satzung die Gründe bestimmen, aus denen die Zustimmung verweigert werden darf. Das geht — jedenfalls im Ausdruck •—• weiter als die frühere Fassung des § 61 Abs. 3 S. 3 A k t G 37, wonach die Satzung bestimmen konnte, daß die Zustimmung nur aus wichtigem Grunde versagt werden durfte. Der Gesetzgeber wollte damit klarstellen (Anm. 1), daß § 23 Abs. 5 nicht entgegensteht, die Versagungsgründe in der Satzung genau zu konkretisieren. Das kann z. B. in der Form geschehen, daß die Gesellschaft einzelne Tatbestände für die Verweigerung der Genehmigung aufstellt und dann in einer allgemeinen Klausel auch ähnliche Fälle der Verweigerung zuläßt. Dann ist es eine Frage der Auslegung im einzelnen Fall, ob der Verweigerungsgrund durch die Satzung gedeckt ist. Die Satzung kann aber auch Einzelgründe erschöpfend aufführen; dann kann nur aus diesen Gründen und aus keinen anderen, mögen sie auch ähnlich liegen, die Zustimmung versagt werden. Schließlich kann die Satzung auch die Verweigerung nur aus wichtigem Grunde zulassen. Wenn sie dazu einzelne Fälle noch beispielhaft aufführt, ist es wieder eine Frage der Auslegung der Satzung, ob diese Gründe auch dann zur Versagung ausreichen, wenn sie im einzelnen Falle keinen wichtigen Grund darstellen. Verweigert die Gesellschaft bei einer satzungsmäßigen Beschränkung der Ablehnungsgründe die Genehmigung, so muß sie die Begründung mitteilen; denn anders als im Falle einer freien Ermessensentscheidung, bei der die Gesellschaft nicht darzutun braucht, daß sie dieses Ermessen nicht mißbraucht habe (Anm. 9), muß hier von der Gesellschaft von vornherein gesagt werden, warum ihre Entscheidung mit der Satzung im Einklang steht. Ohne Kenntnis dieser Gründe wäre dem Aktionär jede Beurteilungsmöglichkeit der Entscheidung der Gesellschaft genommen. Hält der Veräußerer den ihm genannten Grund nicht für durch die Satzung gedeckt, so kann er auf Zustimmung gegen die Gesellschaft klagen. Das Gericht hat dann im Rahmen der Auslegung der Satzung darüber zu entscheiden. Der Erwerber der Aktien hat ein derartiges Klagerecht allerdings nicht, denn wie Wiedemann a. a. O. S. 107 mit Recht bemerkt, ist der Anspruch auf Einhaltung der Satzung ein unselbständiger Bestandteil der Mitgliedschaft und kann von einem noch außen-

519

§68

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 11,12 stehenden Erwerber nicht geltend gemacht werden (so auch Baumbach-Hueck R n . i o ; Schilling in Hachenburg GmbH-Gesetz § 1 5 Anm. 55; a. M . Godin-Wilhelmi Anm. 1 2; Würdinger, Aktien- und Konzernrecht, 2. Aufl., § 10 I X , S. 55). Allerdings wird üblicherweise der Veräußerer auf Grund des Veräußerungsvertrages dem Erwerber gegenüber verpflichtet sein, von sich aus die A G auf Zustimmung zu verklagen. Die Satzung kann auch einen innergesellschaftlichen „Rechtsmittelzug" bestimmen derart, d a ß z. B. bei Ablehnung durch den Vorstand der Aufsichtsrat oder bei Ablehnung durch den Aufsichtsrat die Hauptversammlung angerufen werden kann (Wiedem a n n a. a. O . ; Schilling a. a. O.). D a n n müssen, bevor gegen die Versagung der Genehmigung geklagt werden kann, erst die innergesellschaftlichen Möglichkeiten erschöpft sein.

Anm. 11 5. Die Rechtsfolgen bei verweigerter Zustimmung a) Im Verhältnis zwischen Erwerber und Gesellschaft Ist die Zustimmung zur Veräußerung der Aktie versagt u n d hat der Veräußerer auch keinen im Wege der Klage verfolgbaren Anspruch auf Erteilung der Zustimmung (Anm. g, 10), so ist die bis dahin schwebend unwirksame Veräußerung der Aktie endgültig nichtig (RG J R 1926 Nr. 1718). Der Erwerber ist auf Grund der Abtretung nicht Aktionär der Gesellschaft geworden. Er hat daher auch gegenüber der Gesellschaft keine Rechte und keine Pflichten. Er hat in keinem Fall gegenüber der Gesellschaft einen Anspruch darauf, d a ß diese die Zustimmung zu der Übertragung der Aktie erteilt (vgl. dazu schon Anm. 10). Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft, u m die Zulassung ihrer Aktien an der Börse zu erreichen, der Börse die Zusage gemacht hat, die Zustimmung zur Übertragung zu erteilen. Denn einmal liegt in einer solchen Zusage kein Vertrag zugunsten von Dritten, den jeweiligen Erwerbern, der diesen einen klagbaren Anspruch gegen die Gesellschaft geben würde. Sodann scheitert ein solcher Anspruch auch daran, d a ß die Gesellschaft, so wie sie aus Rechtsgründen keine Blankozustimmung zu irgendwelchen Aktienübertragungen geben kann (Anm. 7), sie sich auch nicht zur Erteilung von solchen Zustimmungen verpflichten kann (so R G 132, 149; H R R 33 Nr. 45; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §222 Anm. 5; Küsters BankA 37, 179; Schmitt WPfg. 55, 83; Ulmer a. a. O. S. 268ff.; Degner A G 63, 121; auch BaumbachHueck R n . 7, der aber einen möglichen Rechtsmißbrauch andeutet; a. M . N u ß b a u m J W 32, 3181; O. Möhring BB 53, 774 N. 7; Bender WPfg. 54, 322; Wiedemann a. a. O. S. 109ff. fürs Außenverhältnis).

Anm. 12 b) Im Verhältnis zwischen Erwerber und Veräußerer Das Zustimmungserfordernis berührt die Wirksamkeit des der Aktienübertragung zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vertrages nicht (RG 123, 283; 132, 157; L Z 1913, 766; BankA 31, 411; BGH 32, 39; BGH W M 58, 50; Wiedemann a. a. O. S. 117; teilweise abweichend Ritter §61 Anm. 5f.). Dieses Erfordernis führt lediglich dazu, d a ß die Übertragung der Aktie, das dingliche Erfüllungsgeschäft, schwebend unwirksam u n d bei Verweigerung der Zustimmung endgültig unwirksam wird. Es geht nicht an, als Folge versagter Genehmigung eine Spaltung des Rechts aus der Aktie derart anzunehmen, d a ß der Erwerber Aktionär wird, während im Verhältnis zur A G der Vorgänger Aktionär bleibt (so Bruns A G 62, 332; Ulmer a. a. O. § 275). Damit würde die A G indirekt doch dem Einfluß unterworfen, dessen Fernhaltung die Vinkulierung dient (Wiedemann a . a . O . S. 118; Degner AG 63, 121). Aus dem voll wirksamen schuldrechtlichen Grundgeschäft ist der Veräußerer verpflichtet, seinerseits alles zu tun, u m die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung derAktie herbeizuführen (RG88,319; L Z I I 9 9 ) 5 3 4 ! BoesebeckNJWi952,1117 m . w . N . aus dem Schrifttum). Welche Rechtsfolgen sich im übrigen bei einer Versagung der Zustimmung durch die Gesellschaft für das wirk-

520

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 68

Anm. 13 same schuldrechtliche Grundgeschäft ergeben, richtet sich nach dem jeweiligen Inhalt dieses Vertrages. Ist dieser Vertrag nicht nur aufschiebend bedingt f ü r den Fall der Zustimmung der Gesellschaft zu dem Erfüllungsgeschäft abgeschlossen, weiß jedoch der Käufer, daß es der Zustimmung der A G bedarf, d a n n hat er bei deren Versagung keinen Gewährleistungsanspruch ( R G 132, 157; Ulmer a. a. O. S. 270). I n diesem Fall erweist sich nach der Verweigerung der Genehmigung, d a ß dem Veräußerer die Erfüllung seiner Vertragspflichten unmöglich ist, ohne daß er selbst die Unmöglichkeit zu vertreten h a t ; es finden daher d a n n die Vorschriften der §§ 440, 323 BGB Anwendung, so d a ß mangels abweichender Vereinbarungen der Veräußerer zwar nicht zum Schadensersatz, wohl aber zur Rückgabe des erhaltenen Kaufpreises nach § 323 Abs. 3 BGB verpflichtet ist (Rospatt BankA 30, 198fr.; Koch BankA 30, 274; Wiedemann a. a. O. S. 123/24; a. M., aber falsch, weil hierbei ohne Grund die Schadensersatzpflicht und die Rückerstattungspflicht des Verkäufers nach Bereicherungsgrundsätzen, also § 325 BGB u n d § 3 2 3 BGB miteinander gleichgesetzt werden: der Schiedsspruch des Berliner Börsenvorstandes vom 15. J a n . 1930 in W u R 1930 Entsch. 1; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 6; Marx BankA 30, 295; Ulmer a. a. O. S. 2 7 1 ; wohl auch O. Möhring BB 1953, 775). Eine völlig andere Frage ist es, ob in einem solchen Fall auf Grund besonderer vertraglicher Vereinbarungen der Anspruch des Käufers auf Rückerstattung des Kaufpreises gemäß § 323 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn die gebundenen Namensaktien zum Handel an der Börse zugelassen sind und der Ankauf unter Einschaltung einer Bank vorgenommen wird. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken verweisen nämlich insoweit auf die BörsenUsancen, die ihrerseits einen solchen Erstattungsanspruch ausdrücklich ausschließen (vgl. dazu Berenberg-Gossler BB 1954, 429; O. Möhring BB 1953, 774; Wiedemann a. a. O. S. 125 fr). Die Folge einer solchen Vereinbarung ist, d a ß der Käufer der Aktie den gezahlten Kaufpreis nicht zurückerhält u n d den nicht gezahlten Kaufpreis noch zahlen muß, obwohl er nicht Inhaber der Aktie wird. Wenn Börsenhandel u n d Großbanken sich auf diese Ausschlußklausel berufen, so ist entgegen Fischer in der Vorauf!. § 61 Anm. 18 damit nicht eine mißbräuchliche Rechtsausübung gegeben; denn dieser Ausschluß gehört notwendig zum Börsenhandel, dessen Usancen sich unterwirft, wer über die Börse eine vinkulierte Namensaktie erwirbt (Wiedemann a. a. O. S. 128; Ulmer a. a. O. S. 271).

Anm. 13 6. Die Zustimmung bei Blankozessionen Beim Handel mit gebundenen Namensaktien, insbesondere mit den an der Börse zugelassenen gebundenen Namensaktien kommt es vielfach vor, d a ß beginnend vom eingetragenen Aktionär zahlreiche Abtretungen vorgenommen werden, ohne daß f ü r diese die erforderliche Zustimmung der Gesellschaft eingeholt wird. Hierbei erhebt sich die rechtlich nicht einfache Frage, wie diese Abtretungen zu beurteilen sind, wenn n a c h einer Reihe von Abtretungen für die letzte von ihnen die Zustimmung der Gesellschaft nachgesucht u n d erteilt wird. M a n wird in diesem Fall davon ausgehen müssen, d a ß eine solche Zustimmung nur das letzte Rechtsgeschäft erfaßt, also nicht auch die Wirksamkeit aller Zwischenabtretungen herbeiführt (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 9; Ritter § 61 Anm. 4 a ; N u ß b a u m J W 1932, 3180; Wiedemann a. a. O. S. 127; Ulmer a. a. O. S. 272/73; Godin-Wilhelmi Anm. 6; a. M . 1. Aufl. Anm. 16). Dabei kann m a n entgegen R G J W 1932, 2599 diese Auffassung nur damit begründen, daß bei solchen Blankozessionen der zunächst eingetragene Aktionär seinem Nachmann eine übertragene Ermächtigung (§ 185 BGB) zur Veräußerung der Aktie erteilt (vgl. zu den Bedenken gegenüber der vom R G a. a. O. gegebenen Begründung, d a ß nämlich alle Zwischenpersonen als Bote des eingetragenen Aktionärs zu betrachten seien, namentlich N u ß b a u m a. a. O. und ihm folgend Düringer-Hachenburg-Flechtheim a. a. O . ; diese Schwäche der reichsgerichtlichen Begründung wird von O. Möhring BB I 953) 774 u n d Berenberg-Gossler BB 1954, 428, die dem Reichsgericht beipflichten, gar nicht gesehen). 34

Aktiengesetz I, 3. \ u f l .

521

§68 Anm. 14,15

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 14 7. Die Pfändung gebundener Namensaktien Während für die Verpfändung gebundener Namensaktien unstreitig die gleichen Grundsätze wie für die Übertragung solcher Aktien gelten, hierfür also die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist (dazu Hamburg O L G 26, 206), ist es von vornherein nicht unzweifelhaft, wie diese Frage bei der Pfändung gebundener Namensaktien zu beurteilen ist. Die ganz überwiegende Ansicht ist der Meinung, daß das Zustimmungserfordernis bei einer Pfändung gebundener Namensaktien nicht gilt (RG 70, 64; 142, 376; Brodmann §222 Anm. 4f.; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §222 Anm. 6; Ritter §61 Anm. 5 b ; Teichmann-Koehler §61 Anm. 3 d ; Schlegelberger-Quassowski §61 Anm. 8; Baumbach-Hueck Rn. 7; Küsters BankA 37, 176; Stein-Jonas-Schönke Komm. ZPO § 859 Anm. I I 5; Baumbach-Lauterbach Komm. ZPO Anhang zu § 859 Anm. 2; Ulmer a. a. O. S. 265). Gegen diese Ansicht sind von Mügel (Soz. Pr. 1939, 991) eingehend begründete Bedenken geltend gemacht worden, die sich vor allem auf die Erwägung stützen, daß die herrschende Meinung nicht in genügendem Maß die schutzwerten Belange der Gesellschaft berücksichtigt. Die Berechtigung dieser Bedenken kann nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden. Die Fragwürdigkeit der herrschenden Ansicht tritt dann zutage, wenn die gepfändete Aktie verwertet wird. Soll es wirklich möglich sein, daß der A G auf diesem Wege ein unliebsamer Aktionär aufgezwungen wird? Man wird diese Frage doch wohl verneinen müssen, wenn wirklich schutzwerte Belange der Gesellschaft dem entgegenstehen, wenn m. a. W. die Gesellschaft einen wichtigen Grund hat, dem Eintritt eines solchen Aktionärs in die Gesellschaft ihre Zustimmung zu versagen. Das würde bedeuten, daß zwar für die Pfändung selbst das Zustimmungserfordernis nicht gilt, daß aber eine Verwertung der Aktie durch Veräußerung an einen Dritten nur wirksam ist, wenn die Gesellschaft einer solchen Veräußerung nicht aus einem wichtigen Grund ihre Zustimmung versagt hat. Denn man muß sich bei dieser Frage wohl doch auch vor Augen halten, daß vom Standpunkt der herrschenden Meinung aus eine Umgehung des Abs. 2 kaum zu vermeiden ist, wenn die Pfändung und die anschließende Verwertung der Aktie im Einvernehmen von Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger vorgenommen werden.

Anm. 15 8. Die Erbfolge bei gebundenen Namensaktien Das Aktienrecht ist vererblich. Der Ubergang auf den Erben ist keine Übertragung und kann nicht satzungsmäßig an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werden, auch nicht in der Weise, daß die A G satzungsmäßig verpflichtet wird, im Fall der Nichtgenehmigung die Aktie zu erwerben ( K G J W 1930, 2714; Düringer-HachenburgFlechtheim § 222 Anm. 8; Schlegelberger-Quassowski § 61 Anm. 10; Ulmer a. a. O. S. 264 N. 1 1 ; a. M. Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III, 1 S. 145; Brodmann § 222 Anm. 4 a ; Küsters Soz. Pr. 1938, 860). Auch schuldrechtliche Bindungen dieser Art sind nach § 71 nicht möglich. Wohl aber kann die Satzung für den Fall des Todes die ZwanSse^nzithung nach § 237 zulassen (Wiedemann a. a. O. S. 86f.; vgl. auch § 55 Anm. 14). Ist eine gebundene Aktie Gegenstand eines Vermächtnisses, so kann der Erbe die Vermächtnisforderung nur mit Zustimmung der Gesellschaft erfüllen. Seine Pflichten sind, wenn die Zustimmung versagt wird, entsprechend denen des Verkäufers (Anm. 12, vgl. dazu weiter Hueck Betrieb 1956, 735 fr.). Setzen sich die Miterben in der Weise auseinander, daß einzelnen von ihnen gebundene Namensaktien übertragen werden, so bedarf auch diese Übertragung der Zustimmung der Gesellschaft (Godin-Wilhelmi Anm. 9; Wiedemann a. a. O. S. 93; a. M. Mügel Soz. Pr. 1939, 990). In einem solchen Fall wird freilich die Versagung einer Zustimmung zu einer besonderen Prüfung dahin Anlaß geben, ob die Versagung nicht einen Rechtsmißbauch darstellt (Anm. 9). Für andere Fälle der Gesamtrechtsnachfolge (Verschmelzung, Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz vom 6. 1 1 . 1969 — BGBl. I S. 2081), ist § 62 Abs. 1 und 2 ebenfalls ohne Bedeutung.

522

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 68

Anm. 16—18

Anm. 16 III. Umschreibung Im Aktienbuch W e n n Abs. 3 die Umschreibung im Aktienbuch beim U b e r g a n g von Aktien verlangt, so nicht deshalb, weil die Umschreibung für die Rechtsgültigkeit des Ubergangs von Namensaktien, auch der durch Übertragung (Abs. 2 u. 3) erforderlich wäre. Hier ist sie völlig bedeutungslos. Sie hat Bedeutung nur für die Legitimation gegenüber der Gesellschaft (§ 67 A n m . 13ff.). Daher ist unter U b e r g a n g auf einen anderen nicht nur die Übertragung, sondern auch jede andere Rechtsnachfolge, namentlich der Erbgang, zu verstehen.

Anm. 17 1. Die Anmeldung auf Vornahme der Umschreibung I m Unterschied z u dem ursprünglichen Erwerb (§ 67 A n m . 5) darf die Gesellschaft den Ü b e r g a n g von Namensaktien auf einen anderen (abgeleiteten Erwerb) nicht eigenmächtig, sondern nur auf Anmeldung in dem Aktienbuch vermerken. Das gilt auch dann, wenn sie von dem Ü b e r g a n g der Namensaktie sichere Kenntnis erhalten hat. Das etwaige Interesse der Gesellschaft an der V o r n a h m e einer solchen Umschreibung, etwa bei nicht voll eingezahlten Aktien wegen der Haftung des Erwerbers und der (zeitlich beschränkten) Weiterhaftung des Veräußerers (§ 65) ist insoweit ohne Belang. Erwerber und Veräußerer haben es also in der Hand, wie sie ihre Rechtsbeziehungen z u der Gesellschaft gestalten wollen, und ob und w a n n der Erwerber der Namensaktie mit Rücksicht auf § 67 Abs. 2 auch gegenüber der Gesellschaft die Rechte aus der Aktie wahrnehmen und gegenüber der Gesellschaft die Pflichten aus der Aktie übernehmen soll. Der Gesellschaft steht in dieser Hinsicht also nicht das Recht zu, auf die Gestaltung dieser Rechtsbeziehungen ihrerseits einen Einfluß auszuüben. Hierin erweist sich die Bedeutung des Abs. 3, wonach eine Umschreibung im Aktienbuch nur auf Grund einer Anmeldung erfolgen darf.

Anm. 18 a) Anmeldungsberechtigte Personen Das Gesetz sagt nichts darüber, wer zur Anmeldung befugt ist. Sicherlich ist es der Erwerber der Aktie. Sein Recht, die Umschreibung im Aktienbuch zu veranlassen und dadurch auch gegenüber der Gesellschaft seine volle Legitimation zur Ausübung des ihm zustehenden Aktienrechts herbeizuführen, kann nicht zweifelhaft sein. A b e r auch dem Veräußerer m u ß man die Befugnis zur Anmeldung zugestehen. Die vom Reichsgericht vertretene gegenteilige Ansicht (JW 1906, 433; wohl auch R G 86, 159; 92, 318) ist überholt ( R G Warn. 1943 Nr. 24, S. 73; ebenso auch heute die allgemeine Ansicht im Schrifttum; über die früher vertretenen abweichenden Ansichten vgl. die Nachweise bei Richter Das Aktienbuch 1934 S. 40 A n m . 2). Praktisch wird freilich meist der Erwerber die Anmeldung vornehmen, weil er auf Grund des Erwerbsgeschäfts regelmäßig im Besitz der Aktienurkunde sein wird und weil die Vorlage der Aktienurkunde bei der Anmeldung notwendig ist. Aus dem Erwerbsgeschäft zwischen Veräußerer und Erwerber wird sich bei nicht voll eingezahlten Aktien für den Erwerber regelmäßig die Verpflichtung gegenüber dem Veräußerer ergeben, den U b e r g a n g der Aktie z u m Zweck der Umschreibung anzumelden. Das folgt aus dem klar zutage liegenden Interesse des Veräußerers, seine weitere Haftung für die Einlagerückstände nach § 65 zeitlich zu beschränken. Für den Regelfall kann sein Einverständnis mit der Anmeldung unterstellt werden. Dieses Einverständnis ist für ein ordnungsgemäßes Anmeldeverfahren aber auch notwendig, da durch die Eintragung die Legitimation des Veräußerers aufgehoben wird (vgl. § 67 A n m . 5; Wiedemann a. a. O . S. 138/39). N u r dann, wenn zwischen Erwerber und Veräußerer vereinbart ist, daß der Erwerber nicht selbständig anmelden dürfe, fehlt es an dem Einverständnis des eingetragenen Aktionärs. W e r im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber die Kosten der Umschreibung zu tragen hat, m u ß 34*

523

§68

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 19, 20 aus dem Inhalt des Erwerbsgeschäfts entnommen werden. Einen Anhaltspunkt bietet beim Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung insofern die Frage, wer von ihnen das überwiegende Interesse an der Umschreibung hat. § 448 Abs. 2 B G B findet jedenfalls keine Anwendung, weil die Kosten der Umschreibung keine Kosten der Übertragung sind. Z u diesen Kosten kann es sich nur um Kosten der nach Abs. 3 S. 2 erforderlichen Vorlage und Nachweisung handeln. Die Gesellschaft selbst ist nicht befugt, für die Eintragung in das Aktienbuch, dessen Führung ihre Pflicht ist (§ 67 A n m . 4), Kosten zu verlangen.

Anm. 19 b) Form und Inhalt der Anmeldung Eine Form ist für die Anmeldung nicht vorgeschrieben. Sie kann schriftlich oder mündlich geschehen. Dabei ist aber die Aktienurkunde vorzulegen und der Ubergang nachzuweisen (vgl. R G 40, 80). Sind noch keine Aktienurkunden ausgegeben, so fällt das erste Erfordernis weg, und es ist nur der Rechtsübergang nachzuweisen ( R G 85, 155; Brodmann § 223 A n m . 4 c ; Richter Das Aktienbuch 1934 S. 47; Rospatt L Z 1930, 489; a. M . Schlegelberger-Quassowski § 6 2 A n m . 1; Godin-Wilhelmi A n m . 8, unklar Ritter § 61 A n m . 7). D a die Anmeldung keiner Form bedarf, kann sie auch stillschweigend vorgenommen werden. A b e r auch in diesem Falle m u ß eine Willensäußerung vorliegen (zu weitgehend R G 127, 241; vgl. dazu die berechtigte Kritik von Hachenburg J W 1930, 2679; in diesem Sinn auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 A n m . 4; Ritter § 62 A n m . 3 c). Die Anmeldung ist auch durch einen Bevollmächtigten möglich. Bei der A n m e l d u n g ist der Gesellschaft der Rechtsübergang nachzuweisen. Für den Nachweis ist die Vorlage einer ununterbrochenen Reihe von Indossamenten oder Abtretungserklärungen, ausgehend von dem Eingetragenen bis z u m angemeldeten Erwerber, erforderlich. Folgt auf ein Blankoindossament ein anderes Indossament, so wird angenommen, d a ß der Aussteller dieses Indossaments die Aktie durch das Blankoindossament erworben hat (Art. 16 W G , § 68 Abs. 1). Ist das letzte Indossament ein Blankoindossament, so ist das für den Inhaber z u m Zweck seiner eigenen Anmeldung ausreichend. Legt dagegen der Veräußerer eine blanko indossierte Aktie vor, so ist das kein Nachweis dafür, daß der in der Anmeldung genannte Erwerber die Aktie erworben hat. Bei Erwerb durch Erbfolge ist diese — meist durch Erbschein — nachzuweisen. Gegebenenfalls ist auch der Nachweis einer gesetzlichen Vertretung oder einer Vollmacht (Registerauszug, Bestallungsurkunde) erforderlich.

Anm. 20 c) Keine Pflicht zur Anmeldung Weder für den Veräußerer noch fiir den Erwerber einer Namensaktie besteht die Pflicht, den U b e r g a n g der Aktie bei der Gesellschaft anzumelden. Es steht vielmehr im freien Ermessen der Beteiligten, ob sie von ihrer Anmeldungsbefugnis Gebrauch machen oder nicht. Die Gesellschaft kann sie in keinem Fall dazu zwingen. Es kann insoweit lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer nach M a ß g a b e des Erwerbsgeschäfts (dazu A n m . 18) in Betracht kommen. Die Gegenmeinung (so noch R G 79, 164; R u d . Fischer Ehrenb. H d b . I I I , 1 S. 155), wonach die Gesellschaft von dem Erwerber einer Namensaktie die Anmeldung zur U m schreibung im Aktienbuch verlangen könne, ist von der Rechtsprechung inzwischen aufgegeben ( R G 86, 159) und wird heute im Schrifttum wohl nur noch von TeichmannKoehler § 62 A n m . 2 vertreten. Das von dieser Gegenmeinung herangezogene Argument, d a ß anderenfalls die Gesellschaft beim T o d des eingetragenen Aktionärs dessen Erben vor seiner Eintragung im Aktienbuch mit Rücksicht auf § 67 Abs. 2 nicht auf die noch ausstehende Einlageforderung in Anspruch nehmen könne, greift nicht durch. Denn der Erbe des eingetragenen Aktionärs haftet nach allgemeinen erbrechtlichen Gesichtspunkten bis zu einer etwaigen Ausschlagung der Erbschaft im gleichen U m f a n g wie sein Erblasser, also wie der eingetragene Aktionär, nur d a ß der Erbe sich insoweit 524

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 68

Anm. 21, 22

auf die erbrechtliche Haftungsbeschränkung berufen kann. § 67 Abs. 2 schließt also nicht aus, daß der Erbe des eingetragenen Aktionärs in seiner Eigenschaft als Erbe für die Verpflichtung seines eingetragenen Erblassers auf die rückständige Einlageforderung in Anspruch genommen wird (vgl. § 67 Anm. 16 und die dortigen Literaturangaben). Die Gesellschaft kann bei der Anmeldung auch nicht verlangen, daß die Zwischenmänner, die von dem eingetragenen Aktionär die Aktie zunächst erworben hatten, eingetragen werden, bevor der nunmehr angemeldete Erwerber der Aktie als Aktionär eingetragen wird. Insoweit besteht ebenfalls keine Pflicht zur Anmeldung, mag auch die Gesellschaft im Hinblick auf § 65 durchaus ein Interesse an einer solchen Eintragung haben. Es ist daher durchaus möglich, daß auf eine Eintragung unter Weglassung der Zwischenerwerber eine andere folgt.

Anm. 21 d) Die Rechtsnatur der Anmeldung Die Anmeldung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, geschäftsähnliche Handlung, die eine Willensäußerung zum Inhalt hat, nicht aber eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, da die Rechtswirkung der Anmeldung nicht durch den Willen des Anmeldenden, sondern unmittelbar durch das Gesetz bestimmt wird ( R G 127, 240; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 4; Ritter § 62 Anm. 3 b ; Richter a. a. O . S. 47; Wiedemann a. a. O. S. 139; a. M . Brodmann § 223 Anm. 4f.; Rospatt L Z 1930, 488). D a die Anmeldung eine Willensäußerung zum Inhalt hat, ist zu ihrer Wirksamkeit Geschäftsfähigkeit des Anmeldenden erforderlich ( R G 92, 315; 123, 285; vgl. auch § 67 Anm. 5). Aber auch im übrigen sind die Vorschriften über die rechtsgeschäftliche Willenserklärung entsprechend anzuwenden, wie etwa die Bestimmung des § 1 1 7 BGB über die Scheinerklärung ( R G J W 1934, 363; kritisch Ritter § 62 Anm. 4 c) und die Bestimmung über die Anfechtung einer Willenserklärung. Bei der Anfechtung ist jedoch z u beachten, daß dann, wenn Erwerber und Veräußerer gemeinsam angemeldet haben, die Anfechtung des einen die Anmeldungserklärung des anderen nicht beseitigt ( R G Warn. 1943 Nr. 24, S- 73).

Anm. 22 2. Die Prüfung der Anmeldung a) Prüfungspflicht der Gesellschaft Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente und der Abtretungserklärungen zu prüfen (Abs. 4). Das bedeutet, daß die Gesellschaft die formelle Ordnungsmäßigkeit der bei der Anmeldung vorgelegten Unterlagen zum Nachweis des Ubergangs der Aktie, also nur „den äußeren Ausweis des Erwerbers" (Baumbach-Hueck Rn. 14), nicht aber auch die sachliche Richtigkeit dieser Unterlagen, insbesondere nicht aber die Echtheit der Unterschriften zu prüfen hat. Dabei erstreckt sich die Beschränkung der Prüfungspflicht auf den äußeren Ausweis des Erwerbers hier im Unterschied zu Art. 40 Abs. 3 W G auch auf die vorgelegten Abtretungserklärungen. Nach dem Grundgedanken des Abs. 4 muß man die formelle Prüfungspflicht der Gesellschaft aber auch auf solche Urkunden beziehen, die neben den Indossamenten und Abtretungserklärungen zum Nachweis des Ubergangs der Aktie, wie etwa eine Vollmacht, ein Registerauszug, ein Erbschein (Anm. 19), vorgelegt werden müssen. Uber diese formelle Prüfungspflicht hinaus wird man auch eine sachliche Prüfungspflicht der Gesellschaft bejahen müssen, nämlich dann, wenn die sachliche Unrichtigkeit des Nachweises der Gesellschaft bekannt und von ihr im Streitfall ohne Schwierigkeiten bewiesen werden kann. M a n wird die zum Umfang der Prüfungspflicht bei Art. 40 Abs. 3 W G entwickelten Rechtsgrundsätze ( R G 53, 207) auch hier anzuwenden haben (im Ergebnis wohl ähnlich Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 5; Baumbach-Hueck Rn. 14; zu weitgehend Brodmann § 223 Anm. 4b, der eine Prüfungspflicht schon bei dringenden Verdachtsmomenten annimmt, ohne dabei die Möglich-

525

§ 68

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 23—25 keit eines Beweises durch die Gesellschaft zu berücksichtigen; a. M . wohl W i e d e m a n n a. a. O . S. 140). Die Verletzung der Prüfungspflicht begründet eine Schadensersatzpflicht der Gesellschaft, nicht nur des Vorstandes gegenüber demjenigen, der dadurch in seinen Rechten verletzt oder beeinträchtigt worden ist. Das bedeutet, d a ß die Umschreibung im Aktienbuch ohne die vorgeschriebene Prüfung auf die Gefahr der Gesellschaft geht. Dagegen ist es unrichtig, eine Umschreibung ohne Prüfung als gesetzlich unzulässig und damit als wirkungslos anzusehen (so Rospatt L Z 1930, 490); jedenfalls ist eine solche A n n a h m e nach der jetzigen Fassung des Abs. 4 nicht mehr haltbar (ebenso Ritter § 6a A n m . 3 d ) .

Anm. 23 b) Das Prüfungsrecht der Gesellschaft Der Gesellschaft ist unbedenklich über den R a h m e n der ihr obliegenden Prüfungspflicht hinaus das Recht zu einer weiteren Prüfung der sachlichen Richtigkeit des angemeldeten Ubergangs der Aktie zuzubilligen. Denn sie hat ein berechtigtes Interesse, d a ß das Aktienbuch als Legitimationsnachweis ihrer Aktionäre (§ 67 A n m . 3) sachlich richtig ist ( § 6 7 A n m . 11). Sie ist daher befugt, auch die Echtheit der Unterschriften und die Wirksamkeit des Rechtsübergangs z u prüfen. K o m m t die Gesellschaft bei einer solchen Prüfung zu dem Ergebnis, d a ß die Aktie aus Rechtsgründen nicht auf den angemeldeten Erwerber übergegangen ist, so kann sie die Umschreibung ablehnen. Hierbei handelt die Gesellschaft insofern auf eigene Gefahr, als sie im Streitfall die Berechtigung ihrer Ablehnung, das Fehlen eines wirksamen Rechtsübergangs, darlegen und gegebenenfalls beweisen muß.

Anm. 24 3. Die Umschreibung im Aktienbuch Ergibt die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung, d a ß die Anmeldung zur U m schreibung den gesetzlichen Erfordernissen genügt, und vermag die Gesellschaft die Unwirksamkeit des Rechtsübergangs nicht z u beweisen (vgl. A n m . 23), so ist die Gesellschaft zur Umschreibung verpflichtet (Wiedemann a. a. O . S. 139; vgl. auch B G H N J W 60, 628). Der Anmeldende kann gegebenenfalls die Erfüllung dieser Pflicht im K l a g w e g erzwingen. Die Gesellschaft kann sich insoweit auch nicht auf irgendwelche Satzungsbestimmungen berufen, die für die Anmeldung weitere Erfordernisse aufstellen. Denn solche Satzungsbestimmungen sind unwirksam, weil die Anmeldung nicht erschwert werden darf (Ritter § 62 A n m . 3 d ; Baumbach-Hueck R n . 1 1 ; a. M . DüringerHachenburg-Flechtheim § 223 A n m . 4). Die Anmeldung als notwendige Voraussetzung für die V o r n a h m e der Umschreibung schließt aus, d a ß die Gesellschaft von sich aus eigenmächtig die Umschreibung vornimmt, wenn ihr die Übertragung von Namensaktien bekannt geworden ist (Anm. 17). Eine solche Umschreibung wäre rechtlich bedeutungslos und könnte insbesondere nicht die Wirkungen des § 67 Abs. 2 zeitigen. Die durch eine solche eigenmächtige Umschreibung Betroffenen könnten das gegenüber der Gesellschaft jederzeit geltend machen (dazu § 67 A n m . 5).

Anm. 25 III. Die Legitimationsübertragung Neben der Übertragung, die den Erwerber z u m Eigentümer der Aktie macht, hat der Verkehr eine beschränkte Art der Übertragung, die sogenannte Legitimationsübertragung ausgebildet. Sie fand sich bis z u m Inkrafttreten des A k t G 65 namentlich im Depotstimmrecht der Banken. Dort ist sie heute wegen § 135 überholt und nur noch bei Namenaktien zulässig (§ 135 Abs. 7), was ihre praktische Bedeutung sehr vermindert. Die Legitimationsübertragung ist eine ähnliche Rechtserscheinung wie die Ermächti-

526

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 68

Anm. 26

gung des Gläubigers an einen andern, die Forderung einzuziehen, oder die Erteilung eines Wechselindossaments, der ein verstecktes Prokuraindossament ist. Die Gültigkeit dieser Rechtserscheinung war, wenn auch nicht ohne Widerspruch im Schrifttum, anerkannt, da sie einem Bedürfnis entspricht. A k t G 37 hatte diesen Rechtszustand hingenommen und die damit verbundenen Gefahren durch die Bestimmungen in § 110 Satz 2, § 1 1 4 Abs. 4 und §300 gemildert. § 135 A k t G 65 hat sie wie gesagt,, weitgehendst durch das Vollmachtsstimmrecht ersetzt (vgl. Erl. zu § 135). Ist zur Übertragung der Namensaktie satzungsmäßig die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich, so gilt das auch für die Legitimationsübertragung ( R G 159, 272; Küsters BankA 37, 176; O . M ö h ring BB 1953, 775; Godin-Wilhelmi A n m . 7; Wiedemann a. a. O . S. 84). Bei Legitimationsübertragung von Namensaktien •— sie erfolgt meist, u m die Verkehrsfähigkeit von Namensaktien der von Inhaberaktien anzugleichen —• wird das Umschreibungsverfahren im Aktienbuch ausgeschaltet, indem die Aktien auf eine Depot- oder Wertpapiersammelbank umgeschrieben werden. Dadurch wird das Aktienbuch z u einer Farce, da die Depotbank die Funktionen übernimmt, die das Aktienbuch wahrzunehmen hat (vgl. v. Rottenburg a. a. O . S. 38/39). Nach außen verschafft die Legitimationsübertragung dem Erwerber die Stellung des Aktionärs. Er kann, wenn er kein Kreditinstitut ist (§ 135), das Stimmrecht und das Recht der Anfechtung ausüben. N a c h § 129 Abs. 3 m u ß aber derjenige, der das Stimmrecht im eigenen N a m e n für Aktien ausüben will, die ihm nicht gehören, dies zur A u f nahme in das Verzeichnis der Teilnehmer angeben (Ordnungsstrafvorschrift in § 405 Abs. 2). Die Gesellschaft kann daraus, d a ß keine Vollübertragung vorliegt, keinen Einw a n d herleiten. W o h l aber kann sie dem Erwerber dieselben Einwendungen entgegensetzen, die sie auch dem Aktionär entgegensetzen könnte (vgl. § 136 Abs. 1). Der Erwerber ist auch zur Veräußerung an einen anderen legitimiert. D a ß dieser wußte, es liege nur eine Legitimationsübertragung vor, ist grundsätzlich gleichgültig, denn deren Zweck ist es, den Legitimierten nach außen zu berechtigen. Ausgenommen ist der Fall eines sittenwirdigen Zusammenwirkens des Legitimierten mit dem andern. Die K e h r seite ist, daß die Gesellschaft sich an den Legitimierten auch wegen der Pflichten des Aktionärs halten kann. Er tritt bei Weiterveräußerung in die Reihe der Vormänner (§ 65). Das Innenverhältnis zwischen dem Aktionär und dem von ihm Legitimierten bestimmt sich nach dem der Legitimationsübertragung zugrunde liegenden Vertrage. I m K o n kurse des Legitimierten hat der Aktionär ein Aussonderungsrecht (vgl. R G 91, 14). Der Legitimierte ist auch verpflichtet, dem Aktionär die Ausübung der von der Mitgliedschaft lösbaren Rechte zu überlassen, so des Rechts auf den Gewinnanteil, des Bezugsrechts ( R G 63, 405). O b die Legitimationsübertragung durch die Satzung ausgeschlossen oder beschränkt werden kann ( R G L Z 1920, 567; Godin-Wilhelmi A n m . 7), etwa durch eine Satzungsbestimmung, wonach nur der Eigentümer der Aktie stimmberechtigt ist, erscheint wegen § 23 Abs. 5 im Hinblick auf § 129 Abs. 3 mehr als zweifelhaft. Eine Bestimmung, d a ß die Aktionäre ihre Aktien zu hinterlegen haben (§ 123 Abs. 3), für sich allein bedeutet jedenfalls kein satzungsmäßiges Verbot der Legitimationsübertragung ( R G a. a. O . , ausführlicher hierzu i m „ R e c h t " 1920 Nr. 721).

Anm. 26 VI. Verpfändung, Nießbrauch und Pfändung von Namensaktien W i r d das Aktienrecht verpfändet, so wird das nicht ins Aktienbuch eingetragen. Z u r Verpfändung einer Namensaktie genügt nach § 1292 B G B Einigung über die Verpfändung und Ubergabe des indossierten Papiers. Es genügt aber nach § 1274 B G B auch ein formloser Verpfändungsvertrag mit Ubergabe des nicht indossierten Papiers. Einer Benachrichtigung der Gesellschaft bedarf es nicht zur Gültigkeit der Verpfändung, § 1280 B G B ist nicht anwendbar. Die Benachrichtigung ist aber nach § 1275 in V e r bindung mit § 407 B G B empfehlenswert, damit nicht die Gesellschaft an den eingetragenen Aktionär mit befreiender Wirkung leistet. Verpfändete Namensaktien werden

527

§ 68 A n m . 27 §69

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

vom Pfandgläubiger nach den §§ 1228 ff"., 1295 BGB verwertet. Im übrigen vgl. v. Rottenburg a. a. O. S. 43 ff. Für die Bestellung eines Nießbrauchs gilt das Entsprechende (§§ 106g, 1070 BGB). A u c h der Nießbraucher wird nicht ins Aktienbuch eingetragen. Für Namensaktien, die mit Blankoindossament versehen sind, gelten wie für Inhaberaktien die §§ 1081 ff. BGB. Gepfändet werden Namensaktien wie bewegliche Sachen (§ 808 Z P O ) . Die Verwertung geschieht durch den Gerichtsvollzieher nach den §§821, 822 Z P O . Das Vollstreckungsgericht hat nur insofern mitzuwirken, als es nach § 822 Z P O den Gerichtsvollzieher ermächtigt, die Namensaktie an den Käufer zu indossieren. Dagegen hat es keinen Uberweisungsbeschluß zu erlassen, § 831 Z P O gilt nur für Forderungspapiere. Sind keine Aktienurkunden ausgegeben, so ist das Anteilrecht nach § 857 Z P O durch das Vollstreckungsgericht zu pfänden, das auch die Veräußerung anordnen kann. — Das Aktienbuch bleibt von alledem unberührt, bis der Erwerber sich eintragen läßt. Weder das Pfandrecht noch der Nießbrauch ist eintragungsfähig (a. M . Vorauf!. § 62 Anm. 26; Wiedemann a. a. O . S. 399). Denn das Aktienbuch dient nicht der Verlautbarung dinglicher Rechte, sondern ausschließlich der Legitimation der Aktionäre; dazu aber gehören Nießbraucher und Pfandgläubiger nicht.

Anm. 27 VI. Der Zwischenschein Die Vorschriften des § 68 gelten auch für Zwischenscheine. Auch die Ausgabe von Zwischenscheinen verpflichtet die A G zur Anlegung und Führung eines Aktienbuchs ( R G J W 1906, i77 2 "). Auch Zwischenscheine sind gesetzliche Orderpapiere. Ist satzungsmäßig zur Übertragung des Anteilrechts die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich, so gilt das auch, wenn Zwischenscheine ausgegeben sind. Es gilt übrigens auch dann, wenn weder Aktien noch Zwischenscheine ausgegeben sind und demgemäß die Anteilrechte formlos übertragen werden können (§ 10 Anm. 2; § 61 A n m . 4).

§ 69

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

(1) Steht eine Aktie mehreren Berechtigten zu, so können sie die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. (2) Für die Leistungen auf die Aktie haften sie als Gesamtschuldner. (3) Hat die Gesellschaft eine Willenserklärung dem Aktionär gegenüber abzugeben, so genügt, wenn die Berechtigten der Gesellschaft keinen gemeinschaftlichen Vertreter benannt haben, die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Berechtigten. Bei mehreren Erben eines Aktionärs gilt dies nur für Willenserklärungen, die nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft abgegeben werden. Ü b ersieht: Anm.

Anm.

Einleitung I. Die Rechtsgemeinschalt an einer Aktie 1. Die negative Abgrenzung 2. Der Anwendungstatbestand des § 69 3. Die Eintragung in das Aktienbuch 4. Die Beendigung der Rechtsgemeinschaft

528

1 2 3 4 5

II. Die Bestellung eines gemeinschaftlichen Verteters 1. Allgemeines 2. Die Mitteilung an die Gesellschaft

6 7

III. Die Haftung der Gesamtschuldner

8

IV. Erklärungen der AG gegenüber den Mitberechtigten

9

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 69

Anm. 1—3

Anm. 1 Einleitung Der Grundsatz der Unteilbarkeit der Aktie (§ 8 Abs. 3 A n m . 12 das.) hat nur aktienrechtliche Bedeutung. Er soll verhindern, daß der Aktionär seine Mitgliedschaft in mehrere Mitgliedschaften spaltet. Die Mitberechtigten sollen nicht jeder für sich das Recht auf Teilnahme in der Hauptversammlung haben, und sie sollen ihre Aktienrechte nicht in verschiedenem Sinn ausüben können. A b e r dieser Grundsatz kann und soll nicht hindern, daß an einer Mitgliedschaft aus Gründen des bürgerlichen Rechts mehrere beteiligt sind. Dennoch wurde der Grundsatz, der schon im alten H G B galt, vielfach in dieser Weise mißverstanden. Das führte zu Schwierigkeiten, namentlich im Erbfall. Den Schwierigkeiten sollte durch § 225 H G B abgeholfen werden (Denkschrift 1897 S. 147). Die Vorschriften des § 225 H G B sind v o m A k t G 37 und 65 ohne sachliche Änderung übernommen worden. Jedoch ist § 69 Abs. 3 S. 1 etwas genauer gefaßt, wenn er verlangt, d a ß der gemeinschaftliche Vertreter der Gesellschaft gegenüber benannt sein muß, wenn er die Einzelberechtigten als empfangsbefugt ausschließen soll.

Anm. 2 I. Die Rechtsgemeinschaft an einer Aktie 1. Die negative Abgrenzung | 69 setzt voraus, d a ß eine Aktie mehreren Berechtigten zusteht. Diese Möglichkeit wird also anerkannt. Die Voraussetzung liegt nicht vor, wenn der Aktionär eine natürliche oder juristische Person (z. B. A G , rechtsfähiger Verein) ist, auch wenn sie mehrere gesetzliche Vertreter hat. Die Voraussetzung liegt auch nicht vor, wenn eine Aktie einer o H G oder Kommanditgesellschaft zusteht. Denn diese werden als einheitliche Rechtsgebilde behandelt; sie können unter ihrer Firma Rechte und Verbindlichkeiten eingehen, klagen und verklagt werden (§ 124 H G B ) . Aktionär ist also die o H G oder K o m manditgesellschaft (herrsch. Auffassung; a. M . Ritter § 6 3 A n m . i b ) ; sie wird nach § 1 2 5 oder § 161 H G B vertreten, die gesamtschuldnerische Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter für die Erfüllung der Aktionärpflichten ergibt sich aus den §§ 128, 161 H G B , die beschränkte Haftung der Kommanditisten aus § 171 H G B . Willenserklärungen werden nach § 125 Abs. 2 Satz 3 H G B gültig gegenüber einem vertretungsberechtigten Gesellschafter abgegeben. Neben alledem ist für § 69 kein R a u m .

Anm. 3 2. Der Anwendungstatbestand des § 69 § 69 gilt sowohl für Inhaberaktien wie für Namensaktien. Dabei ist die praktische Bedeutung für die Inhaberaktien freilich außerordentlich gering. Denn diese Aktien müssen vor der Ausgabe voll bezahlt sein, so d a ß "bei ihnen die Einforderung rückständiger Beiträge nicht in Betracht kommt. A u c h legitimiert die Innehabung der Aktie den Inhaber ohne weiteres gegenüber der Gesellschaft. Immerhin kann es auch bei Inhaberaktien vorkommen, daß die Berechtigten gemeinschaftlich der A G gegenübertreten, z. B. in der Hauptversammlung. Alsdann kann die A G verlangen, d a ß sie einen gemeinschaftlichen Vertreter bestellen. Eine Rechtsgemeinschaft an einer Aktie liegt vor, wenn mehrere Personen eine Aktie gemeinschaftlich erwerben, sei es durch Erbfall oder Vermächtnis, sei es durch Erwerb unter Lebenden, indem z. B. zwei Eheleute oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (ein Konsortium) oder ein nicht rechtsfähiger Verein eine Aktie von einem andern kaufen. Der Hauptfall ist der der Erbengemeinschaft (vgl. B a y O b L G A G 68, 330/31). A u c h gehört der Fall hierher, d a ß die Aktie nach der Gründung in das Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft fällt. Wie diese Beispiele zeigen, kann die Rechtsgemeinschaft eine solche zur gesamten H a n d oder eine Bruchteilsgemeinschaft sein. Dagegen, d a ß auch die eheliche Gütergemeinschaft hierher gerechnet wird, läßt sich nicht die

529

§ 69 A n m . 4—6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Stellung des Ehegatten anführen, der sie nach § 1422 BGB kraft eigenen Rechts verwaltet (so Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 225 Anm. 4; Schlegelberger-Quassowski § 63 Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 1). Die Gegenmeinung hätte überdies zur Folge, daß auch Abs. 2 keine Anwendung findet, der andere Ehegatte also gegenüber der Gesellschaft nicht zu haften hätte. Allerdings bedarf es in einem solchen Fall nicht der Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters, weil hier der zur Verwaltung berufene Gatte schon legitimiert ist (Ritter § 63 Anm. ib). Insoweit liegt die Sachlage ähnlich wie bei einer Erbengemeinschaft, wenn ein Testamentsvollstrecker den Nachlaß verwaltet. Anders aber, wenn gemeinsame Verwaltung gemäß § 1 9 2 1 S. 2 BGB eingreift (Baumbach-Hueck Rn. 2). Ist eine Rechtsgemeinschaft an einer Aktie eingetreten, so kann sie sich bei einer Kapitalerhöhung durch Ausübung des Bezugsrechts auch mittels Zeichnung einer neuen Aktie an dieser fortsetzen. Die Zeichnung geschieht dann aber durch den gemeinschaftlichen Vertreter. Der Fall wird selten sein, da das Bezugsrecht meistens als mittelbares ausgeübt wird. Anm. 4 3. Die Eintragung in das Aktienbuch Die Voraussetzung des § 69 liegt bei Namensaktien nur dann vor, wenn die mehreren Berechtigten im Aktienbuch eingetragen sind (§ 67 Abs. 2). Denn nur in diesem Fall gelten die mehreren Mitberechtigten der A G gegenüber als Aktionäre. Insoweit ist also nicht die wahre Rechtslage, sondern die Eintragung im Aktienbuch entscheidend. Bei Gütergemeinschaft sind Mann und Frau einzutragen; den allein verwaltungsberechtigten Ehegatten allein als Aktionär zu behandeln, besteht kein Grund (vgl. Anm. 3). Anm. 5 4. Beendigung der Rechtsgemeinschaft Die Vorschriften des § 69 sind nur so lange anwendbar, als die Rechtsgemeinschaft an der Aktie besteht. Wird die Aktie einem der Berechtigten zu alleinigem Recht zugeteilt oder an einen anderen veräußert, so fallt die Voraussetzimg der Anwendbarkeit von da ab weg; über Nachwirkung der Gesamthaftung vgl. Anm. 9. Bei Namensaktien ist es hier jedoch auch wieder mit Rücksicht auf § 67 Abs. 2 notwendig, daß der Ubergang von den mehreren Mitberechtigten auf den nunmehr allein Berechtigten im Aktienbuch eingetragen ist. Anm. 6 II. Die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters 1. Allgemeines Nach Abs. 1 können die Berechtigten die Rechte nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. Sie können also nicht als Gesamtgläubiger nach § 428 BGB auftreten, sondern müssen einen gemeinschaftlichen Vertreter bestellen, wenn ein solcher nicht ohnehin vorhanden ist wie in der Person des verwaltungsberechtigten Ehegatten gemäß § 1421 BGB oder des Testamentsvollstreckers (Anm. 3), ferner bei Nachlaßverwaltung oder Nachlaßkonkurs. Der Vertreter hat namentlich das Stimmrecht auszuüben. Die Gewinnerhebung ist erleichtert, wenn Gewinnanteilscheine auf den Inhaber ausgegeben werden; denn alsdann ist jeder Inhaber legitimiert, den Gewinnanteil zu erheben. Eine Pflicht des Berechtigten zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters besteht nicht; die A G kann daher eine solche Bestellung nicht erzwingen. Ein mittelbarer Zwang besteht für die Berechtigten jedoch insofern, als sie sonst ihre Rechte aus der Aktie gegenüber der Gesellschaft nicht ausüben können, und als die Rechtsfolge des Abs. 3 von der Rechtsgemeinschaft als nachteilig angesehen wird.

530

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 69 Anra. 7 , 8 Anm. 7 2. Die Mitteilving an die Gesellschaft Der gemeinschaftliche Vertreter muß in irgendeiner Form —- schriftlich oder mündlich — der Gesellschaft kenntlich gemacht werden. Die Mitführung einer schriftlichen Vollmacht genügt (vgl. § 134 Abs. 3). Anzeige an die Gesellschaft und Eintragung im Aktienbuch sind zwar nicht vorgeschrieben (a. M. nur Teichmann-Koehler § 63 Anm.), aber empfehlenswert. Solange der Gesellschaft kein gemeinschaftlicher Vertreter namhaft gemacht worden ist, kann sie die Berechtigten zur Ausübung ihrer Rechte nicht zulassen. Ist ihr ein gemeinschaftlicher Vertreter namhaft gemacht worden, so kann sie nur diesen zulassen und mit befreiender Wirkung nur an ihn leisten, unbeschadet der Wirksamkeit von Leistungen an den Vorzeiger eines auf den Inhaber lautenden Gewinnanteilscheins (Anm. 6). Anm. 8 III. Die Haftung als Gesamtschuldner Nach Abs. s haften die mehreren Berechtigten für die Leistungen auf die Aktie als Gesamtschuldner. Das gilt für Haupt- und Nebenverpflichtungen (§§ 54, 55), für Zinsen und Vertragsstrafen (§ 63) und unabhängig davon, welches Rechtsverhältnis zwischen den Berechtigten besteht. Es gilt namentlich auch für den nicht verwaltungsberechtigten Ehegatten bei Gütergemeinschaft (Anm. 3). Es gilt weiterhin für die Erben bei einer Erbengemeinschaft", diese haften als Erben des eingetragenen Aktionärs unter dem Vorbehalt der Haftungsbeschränkung und zwar auch dann, wenn sie im Aktienbuch eingetragen sind (§ 67 Anm. 16). Im Anschluß an den Bericht der Reichstagskommission zum HGB (S. 70 f.) nahmen viele bisher an, daß die Erben sich die Beschränkung ihrer Haftung bei der Eintragung ins Aktienbuch nur bewahren könnten, wenn sie sich nicht persönlich, sondern „als Erben" eintragen ließen (so auch die 1. Aufl. Anm. 8). Man kann aber nicht mit der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. Brodmann § 225 Anm. 4b; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §225 Anm. 8; Ritter §63 Anm. 2; Schlegelberger-Quassowski § 63 Anm. 4; Godin-Wilhelmi Anm. 4; Baumbach-Hueck Rn. 4) in der vorbehaltlosen Eintragung im Aktienbuch einen Fortfall der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung sehen; diese Beschränkbarkeit bleibt von der Eintragung unberührt (§ 67 Anm. 16). Das Aktienbuch nennt unwiderlegbar den Aktionär, nicht aber den Umfang seiner Haftung. Auch § 69 Abs. 2 schließt die beschränkte Erbenhaftung nicht aus, wenn es — insoweit in Einklang mit § 2058 BGB — Gesamtschuldnerschaft anordnet. Damit sind die erbrechtlichen Besonderheiten dieser gesamtschuldnerischen Haftung nicht außer Kraft gesetzt. Dies gilt auch für den Fall, daß eine Vorerbschaft mit mehreren Vorerben besteht. Auch wenn sie im Aktienbuch eingetragen sind, haften sie als Erben mit dem Vorbehalt der Beschränkung, nach dem Eintritt der Nacherbfolge nur noch insoweit, als der Nacherbe nicht haftet (§2145 BGB). Auch hier setzt das Aktienrecht das Erbrecht nicht außer Kraft. Wenn also nach Eintritt der Nacherbfolge die Gesellschaft statt des zahlungsunfähigen Nacherben den Vorerben als Vormann gem. § 65 in Anspruch nehmen will, kann dieser durchaus seine Freistellung aus der Haftung gem. § 2145 BGB einwenden. Dazu ist auch nicht erforderlich, daß er als Vorerbe im Aktienbuch eingetragen war; abgesehen davon, daß das Aktienbuch keine Rechtsverhältnisse hinsichtlich der Aktien, sondern nur als Aktionär aufnimmt, kann weder aus § 67 Abs. 2 noch aus § 69 Abs. 2 eine Abänderung erbrechtlicher Bestimmungen entnommen werden. Die Gesamthaftung nach Abs. 2 ist ein selbständiger Haftungsgrund. Für sie ist das Rechtsverhältnis, in dem die Mitberechtigten zueinander stehen, ohne Bedeutung. Dabei haften auch die Mitberechtigten einer Bruchteilsgemeinschaft der A G als Gesamtschuldner. Dagegen geht die Selbständigkeit der Haftung aus Abs. 2 nicht soweit, haftungsmäßige Beschränkungen, die sich aus Erb- oder Insolvenzrecht ergeben, aufzuheben. Die Vorschrift des Abs. 2 ist zwingend, davon abweichende Satzungsbestimmungen sind daher ungültig.

531

§ 69 A n m . 9 § 70 A n m . 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Die Gesamthaftung fällt für die Vergangenheit nicht ohne weiteres weg, wenn die Rechtsgemeinschaft beendet wird (Anm. 5). Sie bleibt nicht nur für rückständige Nebenleistungen bestehen (§ 55), sondern auch für den Rückgriff nach § 65. Anm. 9 IV. Erklärungen der A G gegenüber den Mitberechtigten Nach Abs. 3 werden Willenserklärungen gegenüber den Berechtigten, wenn sie keinen gemeinschaftlichen Vertreter haben, mit Wirksamkeit gegenüber einem v o n ihnen abgegeben, den die Gesellschaft beliebig auswählen kann. Sind die Berechtigten Erben eines Aktionärs, so gilt das erst v o m A b l a u f eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft (§§ 1942, 2139 BGB). Bis dahin m u ß eine Willenserklärung gegenüber allen Erben abgegeben werden, wenn sie keinen gemeinschaftlichen Vertreter haben. Ist ein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt, so kann eine Willenserklärung der A G wirksam nur ihm gegenüber abgegeben werden, aber nur, wenn er der Gesellschaft auch benannt worden ist. Ist das nicht geschehen, so liegt die Sache für sie ebenso, als wenn keiner bestellt worden wäre. Hierher gehören namentlich Aufforderungen zu Einzahlungen, Mahnungen bei rückständigen Nebenleistungen, Einladungen zur Hauptversammlung, aber alles dieses nur, sofern die Erklärung nicht öffentlich an die Gesamtheit der Aktionäre ergeht.

§

7 0

Berechnung

der

Aktienbesitzzeit

Ist die A u s ü b u n g von Rechten a u s der Aktie davon abhängig, d a ß der A k tionär während eines bestimmten Zeitraums Inhaber der Aktie gewesen ist, s o steht d e m E i g e n t u m ein A n s p r u c h auf Ü b e r e i g n u n g g e g e n ein Kreditinstitut gleich. Die Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers wird d e m Aktionär zugerechnet, wenn er die Aktie unentgeltlich, von s e i n e m T r e u h ä n d e r , als Gesamtrechtsnachfolger, bei Auseinandersetzung einer G e m e i n s c h a f t oder bei e i n e r B e s t a n d s ü b e r t r a g u n g n a c h § 14 d e s G e s e t z e s ü b e r d i e B e a u f s i c h t i g u n g der privaten Versicherungsunternehmungen und B a u s p a r k a s s e n erworben hat.

Übersicht Anm

Anm. Einleitung

1

1. Der Anwendungsbereich des § 70 2, 3 2. Der Aktienbesitz als Grundlage der Berechnung

a) Das Eigentum an der Aktie b) Die Gleichstellung mit dem Eigentum

4 5

3. Die Zurechnung der Zeit des Rechtsvorgängers 6, 7

Anm. 1 Einleitung Die Vorschriften knüpfen an den § 230 a H G B an, der durch die Aktienrechtsverordnung vom 19. September 1931 dem H G B eingefügt wurde. § 230 a H G B entstammte seinerseits dem ersten Aktiengesetzentwurf von 1930 (§ 196) und lehnte sich an V o r schriften der Aufwertungsgesetzgebung an (§§ 3, 38 A u f w G , § 10 A n l A b l G ) , die für die Berechnung einer Eigentumsdauer gewisse Vergünstigungen gewährten. § 64 A k t G 37 entsprach dem § 230 a H G B fast ganz, ging aber in einer Einzelheit (unten A n m . 6 Nr. 5) noch über ihn hinaus. § 70 A k t G 65 hat die Bestimmung wörtlich übernommen und nur „Kreditinstitut" statt „ B a n k " gesagt. 532

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 70 A n m . 2—5 Anm. 2 1. Der Anwendungsbereich des § 70 Für die Ausübung einiger Minderheitsrechte kommt es darauf an, daß die Ausübenden schon seit gewisser Zeit Aktionäre waren. Diese Fälle sind die folgenden: § 142 Abs. 2 Satz 2. Die Minderheit von V10 des Grundkapitals oder D M 2000000.— Nennbetrag, die gegen einen Beschluß der Hauptversammlung eine Sonderprüfung durch gerichtlich zu bestellende Prüfer durchsetzen will, muß seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sein. § 147 Abs. 1 Satz 2. Die Minderheit von J/io des Grundkapitals, die gegen einen Beschluß der Hauptversammlung die Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus der Geschäftsführung durchsetzen will, muß seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sein. § 163 Abs. 2 Satz 4. Bei der Auswahl der Abschlußprüfer ist der Widerspruch einer Minderheit von 1 I W des Grundkapitals oder D M 2 000 000.— Nennbetrag nur dann zu berücksichtigen, wenn sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien war. § 265 Abs. 3 Satz 2. Der Antrag einer Minderheit von V20 des Grundkapitals oder D M 1 000 000.—• Nennbetrag auf Bestellung oder Abberufung von Abwicklern setzt voraus, daß sie seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien war. Abgesehen von diesen gesetzlichen Fällen kann auch die Satzung die Ausübung von Rechten von einer ähnlichen Voraussetzung abhängig machen (Baumbach-Hueck Rn. 2). Bestimmt sie nichts, was von § 70 abweicht, so sind dessen Vorschriften anzuwenden. Anm. 3 Die in Anm. 2 genannten Fristen werden nach § 188 Abs. 2 BGB berechnet. Hat z. B. im ersten Fall die Hauptversammlung am 2. Juli stattgefunden, so muß die Minderheit spätestens bis zum Ablauf des vorangegangenen 2. April die Aktien erworben haben. Bestand die A G damals noch nicht, so genügt die Innehabung seit der Entstehung (Bericht der Reichstagskommission zum HGB S. 92). Anm. 4 2. Der Aktienbesitz als Grundlage der Berechnung a ) Das Eigentum an der Aktie Unter dem „Inhaber" der Aktie sowohl im Sinne des § 70 als in dem der in Anm. 2 genannten Vorschriften ist durchweg der Eigentümer zu verstehen. Das HGB hatte zwischen den Ausdrücken „Inhaber" und „Besitzer" gewechselt, gemeint war auch dort der Eigentümer. Ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch an der Aktie genügt also nicht, andererseits schadet es für die Berechnung der Frist dem Eigentümer auch nicht, wenn ein solches Recht bestellt worden ist. Bei Namensaktien kommt es, weil die wirtschaftliche Verfügungsmacht und nicht die rechtliche Legitimation im Vordergrund steht, auch nicht darauf an, ob der Eigentümer während der 3 Monatsfrist im Aktienbuch eingetragen war; nur zur Zeit der Ausübung des Rechts muß er eingetragen sein, sofern er nicht der erste Nehmer der Aktie ist und die Gesellschaft noch kein Aktienbuch führt (§ 67 Anm. 17; so die herrsch. Ansicht und jetzt auch Baumbach-Hueck Rn. 3). Anm. 5 b ) Die Gleichsteilung mit dem Eigentum Der Eigentumszeit wird für die Berechnung der Frist die Zeit gleichgestellt, in der ein Anspruch gegen ein Kreditinstitut auf Übereignung bestanden hat. Der Grund dieser Gleichstellung liegt darin, daß die wirtschaftliche Verfugungsmacht im wesentlichen

533

§ 70

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 6 gleich ist. F ü r den Begriff „ K r e d i t i n s t i t u t " gilt die Bestimmung in § i des Gesetzes ü b e r das Kreditwesen v. 10. 7. 1961. Ein Anspruch auf Übereignung k a n n individuell oder gattungsmäßig bestehen. Bei der Einkaufskommission besteht er, sobald d e r A u f t r a g a n g e n o m m e n ist (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 64 A n m . 2; a. M . R i t t e r A n m . 2 c; Godin-Wilhelmi A n m . 2), m a g dieser auch noch nicht ausgeführt u n d eine Gutschrift auf Stückekonto noch nicht vorgenommen sein. Aber jedenfalls m u ß die Gesellschaft bei K a p i t a l e r h ö h u n g oder genehmigtem K a p i t a l die D u r c h f ü h r u n g der Kapitalerhöhung vor Beginn der Frist bereits eingetragen sein; denn vorher steht noch nicht fest, d a ß es zur Ausgabe der Aktien ü b e r h a u p t k o m m t . W e r Aktien unmittelbar von der A G bezieht, also keinen Ubereignungsanspruch gegen eine Bank erwirbt, h a t nicht d e n Vorteil des § 70. Abgesehen von der Kommission k a n n ein Ubereignungsanspruch a u c h auf K a u f oder Tausch beruhen, ferner auf j e d e r Art von V e r w a h r u n g , bei der die Bank ermächtigt ist, a n Stelle der in V e r w a h r u n g gegebenen Aktien solche derselben Art zurückzugewähren, also nach d e m Gesetz ü b e r die V e r w a h r u n g u n d Anschaffung von W e r t p a p i e r e n v o m 4. F e b r u a r 1937 (RGBl. I 1 7 1 ) : die Tauschverwahrung (§ 10), die V e r w a h r u n g mit E r m ä c h t i g u n g zur V e r f ü g u n g ü b e r das Eigentum (§ 13), die unregelmäßige V e r w a h r u n g u n d das W e r t p a p i e r d a r l e h n (§ 15). A u c h die S a m m e l v e r w a h r u n g (§5) k a n n hierher gerechnet werden, sie fällt aber noch aus einem a n d e r n G r u n d e (Anm. 6 zu Nr. 4) u n t e r § 70.

Anm. 6 3. Die Zurechnung der Zeit des Rechtsvorgängers A u c h die Eigentumszeit von Rechtsvorgängern wird in gewissen Fällen d e m derzeitigen Eigentümer der Aktie gutgebracht. Das Gesetz f ü h r t fünf Fälle auf; die A u f z ä h l u n g ist erschöpfend. Nr. 1 Der Fall des unentgeltlichen Erwerbs. D a h i n gehört der E r w e r b d u r c h Schenkung u n t e r L e b e n d e n oder von Todes wegen, d u r c h Vermächtnis, als A b f i n d u n g auf einen Pflichtteilsanspruch. Eine Schenkung i m Sinne des § 5 1 6 BGB, eine Zuw e n d u n g ü b e r deren Unentgeltlichkeit beide Teile einig sind, b r a u c h t also nicht einmal vorzuliegen; es genügt, d a ß kein Entgelt vereinbart worden ist, a u c h nicht nachträglich. Nr. 2 Der Fall des Erwerbs von einem Treuhänder. Der Begriff des T r e u h ä n d e r s ist hier in weitem Sinne zu n e h m e n . D a r u n t e r ist also nicht n u r der zu verstehen, der v o m T r e u g e b e r Eigentum erworben h a t (echtes Treuhandverhältnis), sondern a u c h der, der die Aktie als stiller Stellvertreter erworben h a t u n d schuldrechtlich verpflichtet ist, sie a n den Auftraggeber zu übereignen (unechtes T r e u h a n d v e r hältnis, so jetzt wohl die allgemeine Ansicht). U n t e r das echte T r e u h a n d v e r hältnis gehört nicht nur die Verwaltungs-, sondern auch die Sicherungstreuhand (Sicherungsübereignung). H a t der Aktionär n u r die Legitimation ü b e r t r a g e n (§ 68 A n m . 25), so bedarf es nicht der H e r a n z i e h u n g des § 70, da der Aktionär alsdann Eigentümer geblieben ist. Nr. 3 Der Fall der Gesamtrechtsnachfolge. E r liegt vor, wo die zu einem V e r m ö g e n gehörigen Gegenstände ohne Einzelübertragung übergehen. Der H a u p t f a l l ist die Erbfolge (§ 1922 BGB). Es gehören d a h i n aber a u c h der Eintritt in das Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft (§ 1 4 1 6 Abs. 1 u. 2 BGB), der Anfall der Vereinsvermögens a n d e n Fiskus (§ 46 BGB), die Verschmelzung (§ 346 Abs. 3, § 343 A b s . 5 Satz 3, § 355 Abs. 2, § 356, § 357 Abs. 2, § 358), die Verstaatlichung (§ 359)) die Vermögensübertragung auf einen Versicherungsverein a. G. (§ 360), die Ü b e r n a h m e des Vermögens einer o H G d u r c h einen Gesellschafter n a c h § 142 H G B ( R G 65, 237; 68, 4 1 4 ; m , 274), die U m w a n d l u n g nach d e m Gesetz v o m 6. 11. 1969 (BGBl. I S. 2081). Dagegen b e g r ü n d e t die vertragliche Ü b e r n a h m e eines Vermögens ( § 4 1 9 BGB, § 361 AktG) keine Gesamtrechtsnachfolge, ebensowenig der Anfall des Vereinsvermögens a n eine andere Person als d e n Fiskus. (§ 47 BGB); in diesen Fällen bedarf es der Ü b e r t r a g u n g der einzelnen Gegenstände.

534

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 70 Anm. 7 §71

Nr. 4 Der Fall der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft. Hierher gehören die in § 69 Anm. 3 besprochenen Fälle vertraglicher oder gesetzlicher Gemeinschaft, sei es einer solchen nach Bruchteilen, sei es zur gesamten Hand. Auch der Erwerb aus einer Sammelverwahrung (Anm. 5) und die Übernahme des Vermögens einer oHG durch einen Gesellschafter nach § 142 HGB (Fall Nr. 3) können hierher gezählt werden, aber auch die Auseinandersetzung der Gesellschafter einer oHG im Wege der Abwicklung gehört hierher. Nr. 5 Der Fall der Bestandsübertragung nach § 14 VersAufsG. Dieser Fall war schon in § 3 Nr. 10 AufwG genannt, in § 230 a HGB fehlte er. Er wurde erstmals in § 64 AktG 37 aufgenommen. Er kann mit einer Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung oder durch Vermögensübertragung nach § 360 (Fall Nr. 3) zusammentreffen, muß es aber nicht. Anm. 7 Die in Anm. 5 und 6 aufgeführten Fälle können in mehrfacher Verbindung miteinander auftreten. Hatte z. B. der Erblasser durch Schenkung einen Anspruch auf Übereignung gegen eine Bank erworben, war dieser Anspruch auf eine Erbengemeinschaft und sodann durch Auseinandersetzung auf den Aktionär übergegangen, so kommt ihm die ganze Zeit zugute, seitdem der Schenker den Anspruch erworben hatte. Und wenn schon dieser Erwerb unentgeltlich gewesen war, so kommt die Zeit hinzu, während welcher der Anspruch dem Rechtsvorgänger des Schenkers zugestanden hatte, wenn auch der Rechtsvorgänger schon unentgeltlich erworben hatte, die Zeit von dessen Rechtsvorgänger und so fort. Ebenso liegt es, wenn die Aktie hintereinander durch die Hände mehrerer Treuhänder gegangen und erst dann an den Aktionär gelangt ist. Auch § 3 AufwG wurde in dieser Weise ausgelegt (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 64 Anm. 4). Nur darf die Kette der Ausnahmefälle, in denen dem Aktionär die Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers zugute kommt, durch keinen Fall unterbrochen sein, der nicht unter § 70 gehört. So würde in dem aufgeführten Beispiel, wenn die Kette der unentgeltlichen Rechtsübertragungen durch eine entgeltliche unterbrochen worden wäre, dem Aktionär nur die Zeit rückwärts bis zum entgeltlichen Erwerb zugute gerechnet werden können.

§

7 1

Erwerb eigener Aktien

( 1 ) Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben, 1. wenn der Erwerb notwendig ist, u m einen schweren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, 2. wenn die Aktien den Arbeitnehmern der Gesellschaft zum Erwerb angeboten werden sollen, 3. wenn der Erwerb geschieht, u m Aktionäre nach § 305 Abs. 2 oder § 320 Abs. 5 abzufinden, 4. wenn auf die Aktien der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet ist und der Erwerb unentgeltlich geschieht oder die Gesellschaft mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt, 5. durch Gesamtrechtsnachfolge oder 6. auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals. Der Gesamtnennbetrag der zu den Zwecken nach Nummern 1 bis 3 erworbenen Aktien darf jedoch zusammen mit dem Betrag anderer Aktien der Gesellschaft, die die Gesellschaft oder ein abhängiges oder ein in ihrem Mehrheitsbestz stehendes Unternehmen bereits zu diesen Zwecken erworben hat und noch besitzt, zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen.

535

§ 71

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft

(2) Ein Verstoß gegen Absatz 1 macht den Erwerb eigener Aktien nur unwirksam, wenn auf sie der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet ist. Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist nichtig, soweit der Erwerb gegen Absatz 1 verstößt. (3) Dem Erwerb eigener Aktien steht es gleich, wenn eigene Aktien als Pfand genommen werden. Jedoch darf ein Kreditinstitut eigene Aktien bis zu dem in Absatz 1 Satz 2 bestimmten Gesamtnennbetrag als Pfand nehmen; sie rechnen zu den Aktien, die zu den Zwecken nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 als Pfand genommen sind. (4) Ein abhängiges Unternehmen darf Aktien der herrschenden Gesellschaft, ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nur erwerben oder als Pfand nehmen, soweit dies der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nach Absatz 1 Nr. 1 bis 5, Absatz 3 Satz 2 gestattet wäre. Ein Verstoß gegen Satz 1 macht den Erwerb oder die Inpfandnahme der Aktien nicht unwirksam; jedoch ist das schuldrechtliche Geschäft über einen verbotswidrigen Erwerb oder eine verbotswidrige Inpfandnahme nichtig. (5) Ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft oder einem abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen und einem anderen, nach dem dieser berechtigt oder verpflichtet sein soll, eigene Aktien der Gesellschaft für Rechnung der Gesellschaft oder des abhängigen oder des in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens zu erwerben oder als Pfand zu nehmen, ist nichtig, soweit der Erwerb oder die Inpfandnahme der Aktien durch die Gesellschaft oder das abhängige oder das in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen gegen die Absätze 1, 3 und 4 verstößt. (6) Aus eigenen Aktien stehen der Gesellschaft keine Rechte zu. Gleiches gilt für Aktien, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören. Ubersicht Anm

Anm.

i

3. Der Erwerb zwecks Abfindung nach §§ 305, 320 (Abs. 1 Ziff. 3) a) Anwendungsbereich der Ziff. 3 15 b) Voraussetzungen des Erwerbs im einzelnen 16 Z u 1 — 3 Betragsmäßige Begrenzung in den Erwerbsfällen der Ziff. 1 bis 3

Einleitung I. Das Verbot des Erwerbs eigener Aktien 1. Der abgeleitete Erwerb eigener Aktien 2. Aktien als Gegenstand des Erwerbsverbots 3. Anwendungsfälle des Erwerbsverbots II. Die Ausnahmen von dem Erwerbsverbot (Abs. 1) 1. Der Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens (Abs. 1 Ziff. 1) a) Der Begriff des schweren Schadens b) „ Z u r Abwendung" eines schweren Schadens c) Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien 2. Der Erwerb zwecks Angebots an Arbeitnehmer (Abs. 1 Ziff. 2) a) Allgemeines b) Das Angebot durch den Vorstand c) Das Angebot an die Arbeitnehmer d) Einschränkungen der Erwerbsbefugnis

536

a 3 4 5

6

a) Zulässigerweise erworbene Aktien 17 b) Unzulässigerweise erworbene Aktien 18 c) Einzelheiten 19

8

4. Der unentgeltliche Erwerb und der Erwerb in Ausführung einer Einkaufsmission (Abs. 1 Ziff. 4) 20 a) Unentgeltlicher Erwerb 21 b) Einkaufskommission 22

g

5. Der Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge (Abs. 1 Ziff. 5) 23

7

10 11 12 13 14

6. Der Erwerb zum Zwecke der Einziehung (Abs. 1 Ziff. 6) 25 I I I . Die Wirkungen des Erwerbsverbots (Abs. 2) 1. Allgemeines

25

2. Das dingliche Erfüllungsgeschäft

26

3. Das schuldrechtliche Grundgeschäft 28

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) 4. Die Ansprüche aus einem verbotenen Erwerbsgeschäft 28 I V . Die unzulässige Inpfandnahme eigener Aktien (Abs. 3) 1. Das Vertragspfand als Gegenstand des Verbots 29, 30 2. Die Ausnahmen des Abs. 1 31 3. Die Wirkung der unzulässigen Inpfandnahme 32 V . Erwerb eigener Aktien durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (Abs. 4) 1. Gleichstellung mit dem Erwerb eigener Aktien durch die herrschende Gesellschaft 33 2. Erwerb durch ein abhängiges ausländisches Unternehmen 34 3. Erwerb durch ein in Mehrheitsbesitz befindliches Unternehmen 35

§ 71 Anm. 1

V I . Erwerb eigener Aktien für Rechnung der Gesellschaft oder für Rechnung eines von ihr abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens (Abs. 5) 1. Allgemeines 2. Für Rechnung der Gesellschaft 37, 3. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen dieses Verbot 4. Die Kursgarantie V I I . Die Rechte aus erworbenen eigenen Aktien (Abs. 6) 1. Allgemeines 2. Die Rechte der Gesellschaft selbst 3. Die Rechte bei Verpfändung der Aktie 4. Die Rechte des abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens 5. Die Rechte des für Rechnung der Gesellschaft handelnden Aktionärs

36 38 39 40

41 42 43 44 45

Anm. 1 Einleitung D a ß eine A G ihre eigenen Aktien erwirbt, ist, nach der reinen Rechtskonstruktion betrachtet, eine Unmöglichkeit. D e n n die Körperschaft wird dadurch ihr eigenes M i t glied. Indessen sind solche konstruktiven Bedenken nicht immer durchschlagend. Erkennt das Gesetz doch a u c h R e c h t e an eigener Sache an (§§ 1163, 1256 A b s . 2 B G B ) , weil das Verkehrsbedürfnis danach drängt. M a n sollte daher auch, nachdem das Gesetz die Möglichkeit eines Erwerbs eigener A k t i e n durch die Gesellschaft einmal anerkannt hat, nicht polemische Erörterungen darüber anstellen, d a ß ein solcher E r w e r b gleichw o h l eine denkgesetzliche Unmöglichkeit sei (vgl. d a z u etwa Ritter § 65 A n m . 3 oder neuerdings wieder Schönle Z f g e s K 1966, 148/49). D e n n solche Erörterungen sind i m G r u n d e genommen unfruchtbar. Andererseits erscheint es a u c h nicht recht sinnvoll, Darlegungen darüber zu machen, d a ß ein solcher E r w e r b logisch möglich oder begrifflich denkbar sei (vgl. d a z u etwa Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 A n m . 28; auch B a u m b a c h - H u e c k R n . 3 oder Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht 1963 S. 131). Ein solcher Beweis ist angesichts der gesetzlichen R e g e l u n g keinesfalls nötig und darüber hinaus sachlich auch nicht einmal förderlich (vgl. d a z u A n m . 4). Das Bedürfnis der Aktiengesellschaften, eigene A k t i e n z u erwerben, ist schon früh hervorgetreten. Das Aktiengesetz von 1870 sah j e d o c h darin einen M i ß b r a u c h und bestimmte in A r t . 215 A b s . 3: „ D i e Aktiengesellschaft darf eigene A k t i e n nicht erw e r b e n . " Die Rechtsprechung faßte das dahin auf, d a ß solcher E r w e r b nichtig sei ( R O H G 17, 385; 22, 191), machte aber eine A u s n a h m e für den Fall des Ankaufs eigener Aktien z u m Z w e c k e der Amortisation ( R O H G 18, 425). Die Aktiennovelle v o n 1884 milderte das V e r b o t . Sie bestimmte in A r t . 2 1 5 d l „ D i e Aktiengesellschaft ,soll' eigene Aktien i m geschäftlichen Betriebe, sofern nicht eine Kommission z u m Einkauf ausgeführt wird, weder erwerben noch z u m Pfände nehmen. Sie ,darf' eigene Interimsscheine im geschäftlichen Betriebe a u c h in Ausführung einer Einkaufskommission weder erwerben noch z u m Pfände n e h m e n . " Das H G B (§ 226) ü b e r n a h m diese Vorschriften, ersetzte aber den „geschäftlichen Betrieb" durch den „ r e g e l m ä ß i g e n G e schäftsbetrieb", das „ d a r f n i c h t " durch „ k a n n n i c h t " und stellte dem Interimsscheinen die nicht voll bezahlten Aktien gleich. U n t e r der G e l t u n g dieser Vorschrift entwickelte sich ein reger E r w e r b eigener A k tien. Der „ r e g e l m ä ß i g e Geschäftsbetrieb" wurde sehr weit ausgelegt; A n k ä u f e eigener A k t i e n z u r Einwirkung auf den Kurs, z u r sogenannten „ K u r s p f l e g e " , w a r e n an der 35

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

537

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

§71

Anm. 2

Tagesordnung und nahmen schließlich solchen Umfang an, daß nach der Wirtschaftskrisis vom Sommer 1931 die Gesetzgebung eingriff, um den Gefahren zu begegnen, denen Gläubiger und Aktionäre durch diese Übung ausgesetzt waren. Allein die Zahlen, die Brodmann ZB1HR 1932, 50 Anm. 3 — jetzt auch bei Beeser AcP 159, 60 — über den Besitz eigener Aktien bei den Großbanken gibt, lassen den gefahrvollen Umfang erkennen, den damals der Besitz eigener Aktien angenommen hatte. Die Gläubiger wurden gefährdet, weil der Kaufpreis für eigene Aktien weggegeben wurde, ohne daß ein wirklicher Gegenwert in das Vermögen der A G gelangte, im Grunde also eine Einlagerückgewähr vorlag. Die Aktionäre hatten namentlich darunter zu leiden, daß der Ankauf eigener Aktien einzelne bevorzugte und der Verwaltung eine übermächtige Stellung verschaffte. Für die AGen verdoppelten sich eintretende Verluste, weil sie j a auch den Wert der eigenen Aktien minderten (vgl. Beeser a. a. O. S. 59/60). Die Aktienrechtsverordnung vom 19. 9. 1931 gab dem §326 H G B eine neue Fassung, die den Erwerb eigener Aktien durch eingehende Vorschriften regelte. Das Gesetz über den Erwerb eigener Aktien vom 14. 5. 1936 (RGBl. I 439) gab dem Reichsminister der Justiz die Ermächtigung, im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister Ausnahmen von der Einhaltung des als Grenze vorgeschriebenen Hundertsatzes zu bewilligen. Auf dieser Grundlage beruht mit einigen Änderungen § 65 AktG 37. § 19 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlust-Rechnung vom 23. 12. 1959 (Kleine Aktienreform) hatte den Abs. 1 neu gefaßt, den Erwerb eigener Aktien auch dann zugelassen, wenn sie als sogenannte Belegschaftsaktien den Arbeitnehmern der Gesellschaft angeboten werden sollten und im übrigen die Möglichkeit, die Erwerbsgrenze durch Genehmigung des Landeswirtschaftsministers über 10% hinaus zu erhöhen, gestrichen. § 71 AktG 65 hat diese Regelung im wesentlichen übernommen und außer weitgehenden Fassungsänderungen und der Klärung einiger Streitfragen in Abs. 1 vom grundsätzlichen Erwerbsverbot eigener Aktien zwei weitere Ausnahmen zugelassen, und zwar einmal in Ziff. 3 — unter Anrechnung auf die 10% ige Grenze fiir den Erwerb •— zur Abfindung außenstehender oder ausscheidender Aktionäre in Zusammenhang mit den §§ 305 Abs. 2 und 320 Abs. 5, und zum anderen in Ziff. 5 den Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge (vgl. hierzu Voraufl. § 65 Anm. 6). Die weiterhin eingefügte Ziff. 6 des Abs. 1 zieht in die Aufstellung der Ausnahmen vom Erwerbsverbot die bisher in Abs. 2 enthaltene Zulassung des Erwerbs auf Grund Hauptversammlungsbeschlusses zwecks Einziehung bei Kapitalherabsetzung ein. Schließlich ist in S. 2 als erheblich für die 10%-Grenze auch der Besitz nicht nur des abhängigen, sondern auch des in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens und eines Dritten einbezogen worden, der die Aktien für Rechnung der. Gesellschaft, eines von ihr abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens hält. In Abs. 2 ist in Angleichung an den sonstigen Sprachgebrauch des Gesetzes „der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag" anstelle allein des Ausgabebetrags genannt. In Abs. 3 ist S. 2 eingefügt, der es den Kreditinstituten unter Verrechnung mit der 10%-Grenze des Abs. 1 gestattet, eigene Aktien als Pfand zu nehmen. Abs. 4 erstreckt sich nunmehr auch auf ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen, schließt den Erwerb von Aktien der herrschenden oder der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft zur Einziehung zwecks Kapitalherabsetzung aus und läßt auch den Erwerb oder die Inpfandnahme nicht voll eingezahlter Aktien der Muttergesellschaft rechtswirksam sein. Abs. 5 fügt lediglich das in Mehrheitsbesitz befindliche Unternehmen ein. In Abs. 6 ist S. 2 klarer gefaßt, indem statt auf den Erwerb für Rechnung der Gesellschaft darauf abgestellt ist, ob die Aktien einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören.

Anm. 2 I. Das Verbot des Erwerbs eigener Aktien Das ist, und Abs. 1, eigenen

538

Gesetz geht davon aus, daß der Erwerb eigener Aktien grundsätzlich unzulässig gestattet ihn nur in Ausnahmefallen. Das ergibt sich aus der Formulierung des wonach die Gesellschaft eigene Aktien „nur erwerben" darf, wenn . . . Unter Aktien sind an sich nur Aktien der Gesellschaft selbst zu verstehen, nicht solche

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 3, 4

v o n Mutter- oder Tochtergesellschaften, j e d o c h erweitert A b s . 4 die Vorschriften bei abhängigen u n d in Mehrheitsbesitz stehenden U n t e r n e h m e n a u f A k t i e n der herrschenden oder an i h m mit Mehrheit beteiligten Unternehmen. D e r E r w e r b v o n A k t i e n an abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden U n t e r n e h m e n fällt dagegen nicht unter das grundsätzliche Erwerbsverbot des § 71.

Anm. 3 1. Der abgeleitete Erwerb eigener Aktien U n t e r d e m E r w e r b eigener A k t i e n ist hier nur der abgeleitete E r w e r b v o n einer Person z u verstehen, die schon Aktionär ist — Erstaktionär oder späterer A k t i o n ä r — , nicht der ursprüngliche E r w e r b durch die Ü b e r n a h m e oder Z e i c h n u n g v o n A k t i e n , w o h l aber der E r w e r b v o n Vorratsaktien (§ 56 A n m . 1 ; Adler-Düring-Schmaltz § 160 R n . 96). D a ß die A G nicht ihre eigenen A k t i e n übernehmen oder zeichnen kann, ist eine Selbstverständlichkeit, die im Gesetz nicht besonders hervorgehoben ist. I m Fall einer K a p i t a l e r h ö h u n g aus Gesellschaftsmitteln bestimmt § 2 1 5 A b s . 1 ausdrücklich, d a ß eigene A k t i e n entgegen § 7 1 A b s . 6 an der E r h ö h u n g des Grundkapitals teilnehmen. Das ist nur formal eine A u s n a h m e von der erwähnten Selbstverständlichkeit, weil bei der sog. Kapitalberichtigung keine Einlagen aus einem der A G fremden V e r m ö g e n z u leisten sind, sondern R ü c k l a g e n , an denen auch die eigenen Aktien prozentual „ b e t e i l i g t " sind, in Grundkapital umgewandelt werden. Infolgedessen erhalten a u c h a b h ä n g i g e und in Mehrheitsbesitz stehende U n t e r n e h m e n Berichtigungsaktien auf ihre Beteiligung an der Gesellschaft. I m übrigen enthält § 56 Beschränkungen des ursprünglichen Erwerbs; auf die Erläuterungen d a z u wird verwiesen. D a s grundsätzliche Erwerbsverbot des § 71 ist u n a b h ä n g i g davon, ob ein solcher E r w e r b i m Einzelfall j e m a n d e n gefährdet ( R G 167, 48). A u c h kann das V e r b o t nicht dahin eingeschränkt werden, d a ß es überall dort nicht gilt, w o mit d e m E r w e r b typischerweise keine Gefahren v e r b u n d e n sind (so Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 2 6 A n m . 5 ; zutreffend Ritter § 6 5 A n m . 5 ; vgl. a u c h A n m . 5). Unbeschränkt zulässig ist die V e r ä u ß e r u n g eigener Aktien. Das ist keine Neuausgabe, die Gesellschaft ist Rechtsvorgängerin des Erwerbers (vgl. d a z u § 57 A n m . 7 ; ferner R F H 32, 2 1 5 ; vgl. R G L Z 1931, 325).

Anm. 4 2. Aktien als Gegenstand des Erwerbsverbots D a s V e r b o t des § 71 erfaßt den E r w e r b eigener A k t i e n und Zwischenscheine, u n d ebenso den E r w e r b vollbezahlter und nicht vollbezahlter Aktien. Dieser Unterschied spielt nur bei den gesetzlich zugelassenen A u s n a h m e n von d e m Erwerbsverbot eine gewisse R o l l e (Abs. 1 Ziff. 4, A b s . 2 S. 1). F ü r das V e r b o t ist es gleichgültig, o b über das Mitgliedschaftsrecht eine U r k u n d e ausgestellt ist oder nicht (nicht unbedenklich insoweit Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 A n m . 28 u n d BaumbachH u e c k R n . 3, die den Nachweis dafür, d a ß der E r w e r b eigener A k t i e n denkgesetzlich möglich sei, darauf stützen, d a ß die Aktien durch ihre Verbriefung z u selbständigen Vermögenswerten geworden seien; vgl. d a z u a u c h A n m . 1). D e n n das V e r b o t bezieht sich nicht auf den E r w e r b v o n Aktienurkunden, sondern auf den E r w e r b v o n M i t gliedschaftsrechten. D a g e g e n erstreckt sich das V e r b o t nicht auf den E r w e r b v o n Schuldverschreibungen (Obligationen), von Wandelschuldverschreibungen und Bezugsrechten (Ganssmüller Betrieb 1955, 865 fr.; Godin-Wilhelmi A n m . 2; A d l e r - D ü r i n g Schmaltz § 160 R n . 98; a. M . M e y e r BB 1955, 551 für Wandelschuldverschreibungen). Solange die Gesellschaft Gläubigerin und Schuldnerin zugleich ist, kann sie freilich keine R e c h t e aus den Papieren ausüben. Ferner kann sie bei Wandelschuldverschreibungen und Bezugsrechten a u c h nicht das R e c h t auf den Bezug eigener A k t i e n geltend m a c h e n (Ganssmüller a. a. O . ) . Schließlich wird a u c h der E r w e r b eigener Dividenden$cA«ne und Genußscheine v o n d e m V e r b o t des § 71 nicht erfaßt. 35»

539

§71

Anm. 5

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Eigene A k t i e n können mittelbar a u c h dadurch erworben werden, d a ß die A G eine Beteiligung an einem anderen U n t e r n e h m e n kauft, zu dessen V e r m ö g e n eigene A k t i e n der A G gehören. E i n derartiger E r w e r b fällt grundsätzlich nicht unter § 7 1 . D a v o n gibt es j e d o c h zwei A u s n a h m e n : W e n n das V e r m ö g e n des erworbenen Unternehmens nur in A k t i e n der A G besteht, wird m a n durchgreifen und in dem E r w e r b der Unternehmensbeteiligung den E r w e r b eigener A k t i e n sehen müssen. Z u m anderen kann die A G die Beteiligung an d e m anderen Unternehmen nicht mehr kaufen, w e n n sie von i h m abhängig oder in dessen Mehrheitsbesitz ist; d a n n w ü r d e der E r w e r b unter A b s . 4 fallen. Solange aber das andere Unternehmen keine Mehrheitsbeteiligung und auch keinen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluß auf die A G besitzt, ist der E r w e r b einer Beteiligung — auch einer 100% igen — an i h m nicht dadurch unzulässig, d a ß sich in ihm mehr oder minder große Bestände an eigenen A k t i e n befinden (vgl. Adler-Düring-Schmaltz § 160 A n m . 127). Allerdings sind hier §§ 19, 20 (wechselseitige Beteiligung) z u beachten.

Anm. 5 3. Anwendungsfälle des Erwerbsverbots Z u welchem Z w e c k die eigenen A k t i e n erworben werden, ist, soweit nicht die Ausnahmen eingreifen, grundsätzlich gleichgültig. Unter das Verbot fällt daher a u c h die A n nahme eigener A k t i e n zur Verwahrung mit der Ermächtigung, sie sich anzueignen, zur unregelmäßigen Verwahrung oder z u m Wertpapierdarlehn (§§ 13, 15 des Gesetzes über die V e r w a h r u n g und A n s c h a f f u n g v o n Wertpapieren v o m 4. 2. 1937, R G B l . I 1 7 1 ; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 A n m . 8, die hier wie a u c h in anderen Fällen v o n der unzutreffenden A n n a h m e ausgehen, d a ß das Erwerbsverbot nur auf solche Fälle anwendbar sei, bei denen typisch die Gefahren eines Erwerbs eigener A k t i e n entstehen; vgl. d a z u die Kritik v o n Ritter § 65 A n m . 5). Z w a r ist für die Einkaufskommission in A b s . 1 Ziff. 4 eine A u s n a h m e gemacht, u m einem Bedürfnis der A k t i e n b a n k e n entgegenzukommen. A b e r diese A u s n a h m e läßt sich nicht auf j e n e Verwahrungsarten anwenden. Es besteht d a z u a u c h kein Bedürfnis, weil es andere Verwahrungsarten gibt, bei denen ein E r w e r b der A k t i e n durch die Gesellschaft nicht in Frage kommt. Ebenso ist der E r w e r b durch Sicherungsübereignung verbotener Erwerb. Das wird durch A b s . 3 bestätigt, w o n a c h sogar die gewöhnliche Pfandnahme dem E r w e r b gleichgestellt wird. D e r Sicherungstreuhand kann aber weder die Verwaltungstreuhand noch die Legitimationsübertragung an die Gesellschaft (§ 68 A n m . 25) gleichgestellt werden. Fischer in V o r a u f l . § 65 A n m . 5 hat das mit der Begründung angenommen, die A G als Treuhänderin eigener A k t i e n sei in der L a g e , wirksam darüber z u verfügen, also auch mißbräuchliche V e r f ü g u n g e n z u treffen. A b e r abgesehen davon, d a ß die Gefahr eines Rechtsmißbrauchs allein die A n w e n d u n g des § 71 nicht rechtfertigen kann, ist das Erwerbsverbot des § 71 ein Instrument der Kapitalerhaltung (vgl. Lutter, K a p i t a l , Sicherung der K a p i t a l a u f b r i n g u n g und Kapitalerhaltung in den Aktien- und G m b H R e c h t e n der E W G , S. 430 fr.). W ä h r e n d die Kapitalerhaltung bei der Sicherungsübereignung ebenso wie bei der Inpfandnahme deshalb angesprochen wird, weil die gesicherten Forderungen mit Rücksicht auf den Wert der Sicherung oder des Pfandobjekts begründet, übernommen oder gestundet sein mögen, betreffen weder die Verwaltungstreuhand noch die Legitimationsübertragung als solche vermögensrechtliche Belange der Gesellschaft, tangieren also den Anwendungsbereich des § 71 ü b e r h a u p t nicht (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 A n m . 8; Adler-Düring-Schmaltz § 160 R n . 97; a. M . B a u m b a c h - H u e c k R n . 5). I m übrigen ist die Legitimationsübertragung, w o r a u f Adler-Düring-Schmaltz a. a. O . mit R e c h t hinweisen, durch § 135 A b s . 7 S. 1 in V e r b i n d u n g mit A b s . 1 S. 2 mittelbar anerkannt, kann also nicht gut das V e r b o t des § 71 betroffen sein. N u r dann, w e n n die Verwaltungstreuhand oder Legitimationsübertragung Bestandteil einer Sicherung der Vermögensrechte der A G ist, z. B. der A G die Möglichkeit geben soll, über die A k t i e n zu verfügen und ihren Gegenwert mit eigenen Ansprüchen z u verrechnen, greift das V e r b o t des § 71 ein.

540

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 6, 7 U n t e r das V e r b o t fällt wieder das Reportgeschäft in eigenen A k t i e n (allgemeine A n sicht im Schrifttum). D e n n die Gesellschaft erwirbt damit als Reporteur das E i g e n t u m an ihnen, w e n n a u c h nur vorübergehend unter Wiederverkauf z u einem späteren Zeitpunkt an den Deporteur. Nicht ganz so unzweifelhaft liegt es beim Deportgeschäft, w o die A G eigene Aktien, die sie zulässigerweise erworben haben mag, einem Reporteur verkauft und sie gleichzeitig v o n ihm zu einem späteren Zeitpunkt zurückkauft. Hier ließe sich einwenden, d a ß im Endergebnis doch nur der frühere Zustand wiederhergestellt werde ( R O H G 17, 386). Indessen ist doch dieser Zustand durch eine Zwischenzeit unterbrochen worden, in der die Gesellschaft nicht Eigentümerin der A k t i e n w a r , und es folgt ein neuer Erwerb. D i e K ü r z e der Zwischenzeit kann ebensowenig ins G e wicht fallen wie beim Reportgeschäft die K ü r z e des Eigentums der Gesellschaft (a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 A n m . 9; wie hier R G 167, 48; SchlegelbergerQuassowski § 65 A n m . 4; T e i c h m a n n - K o e h l e r § 65 A n m . 3 b ; B a u m b a c h - H u e c k R n . 5). Es besteht auch kein Bedürfnis, Deportgeschäfte in eigenen Aktien zuzulassen. Die Nichtigkeit der Report- und Deportabrede hat übrigens nicht nur die Nichtigkeit des ganzen schuldrechtlichen Geschäfts zur Folge, das einheitlich gewollt ist ( R O H G 17, 383), sondern es m u ß nach der Eigenart dieser Geschäfte angenommen werden, d a ß a u c h die Eigentumsübertragung durch die Gültigkeit des Kausalgeschäfts bedingt ist. Das Eigentum bleibt also, w o es w a r (Anm. 26). U n t e r das Erwerbsverbot fällt an sich auch der unentgeltliche E r w e r b und der im W e g e der Gesamtrechtsnachfolge. Letzterer ist j e d o c h durch Ziff. 5 ganz und ersterer durch Ziff. 4 für voll eingezahlte A k t i e n freigegeben (vgl. A n m . 20 ff. u. 23).

Anm. 6 II. Die Ausnahmen des Erwerbs Verbots 1. Der Erwerb zur Abwendiing eines schweren Schadens (Abs. 1 Ziff. 1) Die erste A u s n a h m e m a c h t § 71 A b s . 1 Ziff. 1 für den Fall, d a ß der E r w e r b eigener A k t i e n notwendig ist, u m einen schweren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. A l s d a n n darf sie eigene A k t i e n erwerben, und z w a r in diesem Fall a u c h dann, w e n n auf die A k t i e n noch nicht der volle Ausgabebetrag geleistet ist. A b e r die Befugnis wird z a h l e n m ä ß i g begrenzt.

Anm. 7 a) Der Begriff des schweren Schadens M i t der Voraussetzung, d a ß der Gesellschaft ein schwerer Schaden drohe, sollte nach der halbamtlichen V e r l a u t b a r u n g zur Aktienrechtsverordnung (vgl. Schlegelberger-Quassowski-Schmölder § 2 2 6 H G B A n m . 11) die „ n o r m a l e K u r s p f l e g e " in eigenen Aktien ausgeschlossen, der E r w e r b aber zugelassen sein, u m z. B. schwere Baisse-Angriffe und damit gefährliche Kursstürze hintanzuhalten (dazu Neufeld J W 1931, 3041; Adler-Düring-Schmaltz § 160 R n . 99). Immerhin ist der R a h m e n weit gespannt; die Frage, ob ein schwerer Schaden droht, kann recht zweifelhaft sein (sehr kritisch z u d e m Begriff des schweren Schadens Brodmann Z B 1 H R 1932, 49 ff.; vgl. a u c h Kronstein Z B 1 H R 1931, 221). Der Schaden kann unmittelbar oder mittelbar drohen. Unmittelbar droht z. B. ein Schaden, wenn die Gesellschaft von einem Schuldner auf keine andere Weise als durch E r w e r b eigener Aktien Befriedigung erlangen kann. Mittelbar kann ein Schaden z. B. durch G e f ä h r d u n g des Kredits drohen. D a h i n kann a u c h ein M a c h t k a m p f der Aktionäre untereinander gehören; d a ß die Gesellschaft an solchen K ä m p f e n immer uninteressiert sei (vgl. R F H J W 1929, 2183 3 ), ist nicht anzuerkennen. Ferner kann eine Ü b e r f r e m d u n g einen schweren Schaden bedeuten; den V e r k a u f eines Aktienpakets an einen Wettbewerber oder ins Ausland z u verhindern, kann den A n k a u f eigener Aktien rechtfertigen (sehr skeptisch hierzu Mestmäcker, V e r -

541

§71 Anm. 8

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

waltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 143fr.). Schließlich kann der Gesellschaft durch die Erhebung und Durchführung einer Anfechtungsklage in einer besonders wichtigen Angelegenheit ein schwerer Schaden drohen und es deshalb rechtfertigen, daß die Gesellschaft von dem klagenden Aktionär dessen Aktien kauft. Nach bürgerlichem Recht umfaßt der Schaden sowohl den positiven Schaden wie den entgangenen Gewinn. Hier wird jedoch im allgemeinen der Entgang eines Gewinns keinen schweren Schaden für die Gesellschaft bedeuten. Daher ist es unzulässig, eigene Aktien deshalb zu erwerben, weil der Kurs der Aktien im Augenblick sehr niedrig ist und die Aussicht besteht, sie in einem späteren Zeitpunkt wieder mit Gewinn abzustoßen (allgem. Ansicht im Schrifttum). Nur in einem besonders gelagerten Ausnahmefall wird es möglich sein, die Abwendung eines schweren Schadens anzunehmen, wenn es sich lediglich darum handelt, der Gesellschaft entscheidende wirtschaftliche Vorteile im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien zu sichern, etwa dann, wenn die Annahme eines wertvollen Vermächtnisses anders nicht möglich ist, weil zur Vermächtnismasse auch noch nicht vollbezahlte Aktien der Gesellschaft gehören. Zur Abwendung eines schweren Schadens kann es auch gehören, wenn die Gesellschaft bereits einen schweren Schaden erlitten hat, jedoch durch den Erwerb eigener Aktien die Möglichkeit besteht, den Schaden so weit zu mindern, daß er nicht mehr schwer ist (Ritter § 65 Anm. 6d). O b es sich im Einzelfall um einen schweren Schaden handelt, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles. Dabei ist es nicht erforderlich, daß der drohende Schaden die Existenz der Gesellschaft ernstlich gefährdet. V o n wesentlicher Bedeutung ist es, in welchem Verhältnis der drohende Schaden zu dem mit dem Aktienerwerb verbundenen Risiko steht. Ist das Risiko besonders klein, so darf man an dem Umfang des drohenden Schadens nicht zu große Anforderungen stellen. Der Begriff des schweren Schadens ist also nicht absolut aufzufassen, sondern in eine Relation zu dem mit dem Aktienerwerb verbundenen Risiko zu bringen (ähnlich Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 16; Ritter § 65 Anm. 6d). Ferner ist in diesem Zusammenhang natürlich auch die Höhe des Kaufpreises zu berücksichtigen, den die Gesellschaft zum Erwerb der eigenen Aktien aufwenden muß. Denn die Höhe dieses Aufwands ist häufig für die Beantwortung der Frage, ob sich der Erwerb eigener Aktien zur Abwendung eines schweren Schadens lohnt, von wesentlicher Bedeutung. Gerichtliche Urteile zum Begriff des „schweren Schadens" sind trotz fast 4ojährigem Bestand dieser Bestimmung nicht bekannt geworden. Die Praxis neigt — der Tendenz der Kommentarliteratur folgend — zu einer großzügigen Interpretation.

Anm. 8 b) „Zur Abwendung" eines schweren Schadens Der Erwerb muß notwendig sein, um den schweren Schaden von der Gesellschaft selbst, nicht etwa einem Organmitglied oder einer Aktionärsgruppe, abzuwenden. Das ist objektiv in dem Sinn zu verstehen, daß nicht das subjektive Urteil des Vorstands oder des Aufsichtsrats entscheidet (abw. wohl nur Kronstein ZB1HR 1931, 221), sondern daß es darauf ankommt, wie ein objektiver und anständiger Geschäftsleiter die Sachlage in dem maßgeblichen Zeitpunkt beurteilt (Ritter § 65 Anm. 6d; Baumbach-Hueck Rn. 6). Es braucht nicht bewiesen zu werden, daß der Vorstand den Erwerb bewußtermaßen zu dem Zweck vorgenommen hat, den Schaden abzuwenden (herrsch. Ansicht; a. M. Godin-Wilhelmi Anm. 4). Es genügt der Nachweis, daß ohne den Erwerb der Schaden nicht abgewendet worden wäre. Der Erwerb muß aber in jedem Fall nicht nur das geeignete, sondern auch das notwendige Mittel zur Abwendung des drohenden Schadens sein; es darf also mit anderen Worten nicht auch noch ein anderes geeignetes Mittel zur Anwendung des Schadens zur Verfügung stehen (a. M . ohne Grund Ritter § 65 Anm. 6d; wie hier Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 16; Godin-Wilhelmi Anm. 4; Baumbach-Hueck Rn. 6; Neufeld J W 1931, 3041; Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. 99).

642

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 9,10

Anm. 9 c) Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien Zur Abwendung eines schweren Schadens ist es der Gesellschaft auch gestattet, nicht voll eingezahlte Aktien zu erwerben. Ein solcher Erwerb ist jedoch für die Gesellschaft mit besonderen Gefahren verbunden. Er wird daher nur in seltenen Ausnahmefallen in Betracht kommen und ist nicht zulässig, solange der drohende Schaden durch Erwerb volleingezahlter Aktien abgewendet werden kann. Erwirbt die Gesellschaft solche Aktien, so kann sie den Einlagerückstand so lange nicht geltend machen, als sie Eigentümerin der Aktien ist. Dies gilt allerdings nur, wenn sie an Stelle des Veräußerers im Aktienbuch eingetragen ist (§ 67 Abs. 2); das kann aber der Veräußerer verlangen und ihr, wenn sie ihn in Anspruch nähme, einen Einwand aus dem Kaufvertrage (§ 24a BGB) entgegenhalten. Erst nach Wiederveräußerung ist ihr die Geltendmachung möglich, in diesem Fall lebt die noch ausstehende Einlageforderung wieder auf, jedoch nur diese, nicht auch die Haftung des Rechtsvorgängers der A G nach § 65 ( R G 98, 278; BayObLG O L G 14, 355). Erwirbt jedoch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein anderer für Rechnung der Gesellschaft, eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens nicht vollbezahlte Aktien der Gesellschaft, um einen schweren Schaden von ihr abzuwenden, so schuldet der Erwerber den Einlagerückstand; die Haftung des Rechtsvorgängers gemäß § 65 bleibt in diesem Fall bestehen. Ist im Einzelfall trotz der mit dem Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien verbundenen Nachteile ihr Erwerb das einzig vernünftige und geeignete Mittel zur Abwendung des schweren Schadens, so wird damit auch der unentgeltliche Erwerb zulässig. Ein unentgeltlicher Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien fällt zwar nicht unter Ziff. 4, kann aber nach Ziff. 1 zulässig sein, wenn er zur Abwendung eines schweren Schadens erfolgt. Denn Ziff. 1 bestimmt die Art des Erwerbs nicht, sodaß sowohl der entgeltliche als auch der unentgeltliche Erwerb sowie auch der Erwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge hierher gehört, obwohl letzteres wegen der Bestimmung der Ziff. 4 uninteressant ist.

Anm. 10 2. Der Erwerb zwecks Angebots an Arbeitnehmer (Abs. 1 Ziff. 2) Es gehört zu den sozialpolitischen Bestrebungen unserer Zeit, den Arbeitnehmern die Beteiligung an ihrem Unternehmen zu ermöglichen. Das kann einmal dadurch geschehen, daß die Arbeitnehmer an einer Kapitalerhöhung teilnehmen. Hier geben die Bestimmungen der §§ 192 Abs. 2 Ziff. 3, 202 Abs. 4 und 204 Abs. 3 Sondermöglichkeiten. Während in diesem Fall die Belegschaftsmitglieder die Aktien als Erstaktionäre im Wege der Kapitalerhöhung erwerben, gibt die durch die Kleine Aktienreform 59 (vgl. Anm. 1) erstmals geschaffene und in § 71 Abs. 1 Ziff. 2 übernommene Regelung der Gesellschaft die Möglichkeit, sich bereits ausgegebene Aktien zu beschaffen, um sie ihren Belegschaftsmitgliedern anzubieten. Diese Maßnahme gewährt nach § 8 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer i. d. F. v. 10. 10. 1967 (BGBl. I S. 977) — kurz KapErhStG — auch einkommenssteuerliche Vorteile. Für die Zulässigkeit des Erwerbs kommt es darauf an, ob das zuständige Organ (dazu Anm. 12) beim Erwerb der Aktien die ernsthafte Absicht hat, diese den Arbeitnehmern anzubieten. Im Unterschied zu dem Ausnahmetatbestand der Ziff. 1 — Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens — kommt es bei Ziff. 2 allein auf die subjektiven Vorstellungen des zuständigen Organs im Zeitpunkt des Erwerbs an. Ob diese Absicht dann später auch verwirklicht wird, ist für die Zulässigkeit des Erwerbs ohne Belang. Gibt die Gesellschaft später die ursprüngliche Absicht auf, sei es, daß sich die Verhältnisse der Gesellschaft verschlechtert haben und ein für die Arbeitnehmer

543

§71

Anm, 11

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

vorteilhaftes Angebot nicht mehr rechtfertigen, sei es daß die Gesellschaft an der Börse die notwendige Anzahl eigener Aktien für ein Angebot an die Belegschaft nicht mehr zu einem vertretbaren Preis erwerben kann, so wird dadurch der Erwerb der Aktien nicht nachträglich unzulässig. U m im Zweifelsfall die Zulässigkeit des Erwerbs darzutun, muß die Gesellschaft die ernsthafte Absicht eines Angebots an die Arbeitnehmer beweisen. Das wird im allgemeinen durch Vorlage eines Aktenvermerks oder eines anderen Schriftstücks verhältnismäßig leicht sein (Niethammer BB i960, 258). Nur wenn im Zeitpunkt des Aktienerwerbs die Absicht, die erworbenen Aktien den Arbeitnehmern anzubieten, nicht oder nicht mehr vorhanden war, entfällt die Anwendbarkeit der Ziff. 2. Die Absicht war, worauf Adler-Düring-Schmaltz § 160 R n . 104 richtig hinweisen, nicht vorhanden, wenn der Beschluß noch kein fester war, der Erwerb vielmehr erfolgte, um die Aktien ggf. den Belegschaftsmitgliedern anzubieten. I m Unterschied zu dem unentgeltlichen Erwerb eigener Aktien und zu dem Erwerb bei Ausführung einer Einkaufskommission macht Ziff. 2 beim Erwerb eigener Aktien zwecks Abgabe an die Arbeitnehmer keinen Unterschied zwischen volleingezahlten und teileingezahlten Aktien. Es ist daher hier auch der Erwerb teileingezahlter Aktien zulässig. Praktisch wird dieser Fall jedoch nur ausnahmsweise vorkommen, weil teileingezahlte Aktien sich ihrer Natur nach sehr wenig zur Ausgabe als Belegschaftsaktien eignen. Eine solche Ausnahme mag im Einzelfall einmal bei Versicherungsaktiengesellschaften in Betracht kommen, bei denen üblicherweise die Einlagen nicht voll eingezahlt werden, weil hier das Grundkapital den Charakter eines Garantiefonds hat.

Anm. 11 a) Allgemeines Schon vor Erlaß der Kleinen Aktienreform waren größere Unternehmen dazu übergegangen, eigene Aktien ihren Arbeitnehmern zu günstigen Bezugspreisen anzubieten, um ihr wirtschaftliches Interesse an dem Unternehmen zu wecken und ihnen eine zusätzliche Leistung (Treueprämie, Weihnachtsgratifikation usw.) zukommen zu lassen (vgl. dazu J a n b e r g , D i e A G i960, 177). Das war nach dem früheren Rechtszustand bis 1959 im Grunde rechtlich gar nicht möglich. Denn die einzelne Gesellschaft konnte dem Verbot eines Erwerbs eigener Aktien auch nicht dadurch ausweichen, daß sie bei dem Erwerb ihre Hausbank einschaltete, die in ihrem Auftrag, aber im eigenen Namen die betreffenden Aktien erwarb. Auch der Erwerb durch einen Dritten f ü r Rechnung der Gesellschaft wird von dem Verbot des § 71 A k t G erfaßt (vgl. Abs. 5). Es ist also erst durch die Einfügung der Ziff. 2 die bisherige, sozialpolitisch begrüßenswerte Ü b u n g einzelner Unternehmen legalisiert worden (Veith D B i960, 1 1 2 ; vgl. auch Gessler R d A i960, 50). Nach § 200 Abs. 2 R e g E sollte die Hauptversammlung ursprünglich unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen sie bei einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen das Bezugsrecht ausschließen kann, den Vorstand ermächtigen können, die im Wege der Kapitalberichtigung auszugebenden neuen Aktien den Belegschaftsmitgliedern der Gesellschaft zu überlassen. Hiergegen waren erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken aus Art. 14 G G geltend gemacht worden (vgl. Wilhelmi-Friedrich, Kleine Aktienreform § 9 Anm. 3 ; Würdinger N J W 6 1 , 2298; Rittner Z H R 125, 2 1 2 ; Gessler W M Sonderbeilage 1/60, S. 19 und R d A i960, 49). Diesen Bedenken sind die Ausschüsse auch gefolgt und haben den § 200 Abs. 2 des R e g E gestrichen. I m Unterschied zu der dort vorgesehenen Regelung werden bei § 71 Abs. 1 Ziff. 2 die Aktien, die den Arbeitnehmern angeboten werden, nicht den Aktionären entzogen, die ein unmittelbares Recht auf diese haben, sondern sie werden auf rechtsgeschäftlichem Weg — meist über die Börse — von verkaufsbereiten Aktionären erworben, die dafür ein entsprechendes Entgelt erhalten. Verfassungsmäßige Bedenken gegen die gesetzliche Regelung können auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die Aktien den Arbeitnehmern zu einem günstigeren als dem Börsenkurs angeboten zu werden pflegen, die Gesellschaft also rein rechnerisch durch die Annahme des Angebots eine wirtschaftliche Einbuße erleidet. Denn es handelt sich bei diesen Angeboten um soziale Aufwendungen, die die Gesellschaft im

544

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 12, 13

Rahmen des Üblichen und Vertretbaren zu machen sogar gehalten ist (§ 76 Anm. 12). Durch solche freiwilligen Sozialleistungen werden die schutzwerten Interessen der Aktionäre, etwa auf Ausschüttung einer angemessenen Dividende, nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt.

Anm. 12 b) Das Angebot durch den Vorstand Ziff. 2 sagt nicht, wer darüber zu entscheiden hat, ob, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen Aktien den Arbeitnehmern zum Erwerb angeboten werden sollen. Das ist auch nicht nötig. Denn es handelt sich bei dieser Entscheidung ebenso wie bei der Entschließung, freiwillige Sozialleistungen anderer Art den Arbeitnehmern zuzuwenden, um eine Maßnahme der Geschäftsführung, für die allein der Vorstand zuständig ist. Da diese Zuständigkeit eine ausschließliche ist (§§ 1 1 1 Abs. 4 S. 1, 1 1 9 Abs. 2), ist es nicht zulässig, diese Entscheidung durch die Satzung dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung zu übertragen. Die Hauptversammlung kann mit der Frage, ob Belegschaftsaktien ausgegeben werden sollen, unmittelbar nicht befaßt werden (a. M . Hefermehl D B 54, 1062, der allgemein, und Veith D B 60, 1 1 2 , der bei extremen Fällen eine Hauptversammlungszuständigkeit annimmt; vgl. auch Adler-Düring-Schmaltz § 160 R n . 103), es sei denn, daß es der Vorstand seinerseits verlangt (§ 1 1 9 Abs. 2); daneben kann die Ausgabe von Belegschaftsaktien später in der Hauptversammlung im Zusammenhang mit der Entlastung des Vorstands zur Sprache gebracht werden (so auch GodinWilhelmi Anm. 2 ; Baumbach-Hueck R n . 8 ; Gessler a. a. O. S. 25). Der Aufsichtsrat kann bei der Entscheidung über die Ausgabe von Belegschaftsaktien im Rahmen des § 1 1 1 Abs. 4 Satz 2 A k t G beteiligt werden. J a n b e r g (DieAG i960, 177) bezeichnet es als nobile officium, diese Entscheidung vorher mit dem Aufsichtsrat abzustimmen. Dem wird man bei der allgemeinen Bedeutung dieser Entscheidung für die Gesellschaft zustimmen können. Allerdings findet man in den Satzungen der deutschen Aktiengesellschaft nur ganz selten eine Bestimmung, daß diese Geschäftsführungsmaßnahme an die Zustimmung des Aufsichtsrats geknüpft sei. Die Bedingungen, unter denen die Aktien den Arbeitnehmern zum Erwerb angeboten werden sollen, legt der Vorstand — gegebenenfalls mit Zustimmung des Aufsichtsrats — ebenfalls fest. Das Gesetz stellt darüber keine Vorschriften auf. Der Vorstand kann daher die Aktien den Arbeitnehmern entgeltlich oder unentgeltlich anbieten. Das entgeltliche Angebot wird praktisch stets ein solches sein, das den Arbeitnehmern den Erwerb der Aktien zu einem niedrigeren Bezugspreis als dem Börsenkurs, also zu einem Vorzugskurs ermöglicht. Denn sonst wäre ein solches Angebot als soziale Maßnahme geradezu sinnlos. Bei der Bemessung des Entgelts muß der Vorstand die Bestimmung des § 8 K a p E r h S t G beachten, wonach der Kursunterschied für den einzelnen Arbeitnehmer nur dann nicht der Lohnsteuer unterliegt, wenn der Unterschied nicht mehr als die Hälfte des Börsenkurses ausmacht (über die weiteren Vorasussetzungen, die § 8 K a p E r h S t G f ü r die Steuerfreiheit aufstellt, vgl. § 8 daselbst). Mit Rücksicht auf diese Bestimmung wird ein an sich zulässiges unentgeltliches Angebot von Belegschaftsaktien praktisch wohl nicht in Betracht kommen (vgl. dazu auch Niethammer BB i960, 259). Bei der Festlegung der Bedingungen unterliegt der Vorstand der Sorgfaltspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 1, muß sich also, um eine Schadensersatzpflicht zu vermeiden, um ein angemessenes Verhältnis zwischen Kursvorteil für die Arbeitnehmer und Lage der Gesellschaft bemühen (Janberg D i e A G 60, 177).

Anm. 13 c) Das Angebot an die Arbeitnehmer Ziff. 2 besagt auch nichts darüber, wer als Arbeitnehmer anzusehen ist. Wenn auch Ziff. 2 in einem engen Zusammenhang mit § 8 K a p E h S t G steht, und wenn es demzufolge auch notwendig ist, den Begriff des Arbeitnehmers in Ziff. 2 und in § 8 K a p E r h S t G

545

§71

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 13 im gleichen Sinn zu verstehen, so rechtfertigt das doch nicht, hier den Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Steuerrechts zugrundezulegen (so richtig Niethammer BB i960, 259). Das tut auch die Steuerverwaltung nicht, wie sich aus § 1 Abs. 3 i. V . mit § 2 Abs. 1 lit. d des 2. VermögensbildungsG vom 1. 10. 1969 (BGBl. I 2093) ergibt. Das ließe sich mit dem sozialpolitischen Zweck, der mit der Ausgabe von Belegschaftsaktien verfolgt wird, nicht vereinbaren. Die Vorstandsmitglieder bedürfen, wie es der Bundesgerichtshofeinmal formuliert hat (BGH 10, 192; vgl. auch BGH 12, 8), nicht des gleichen sozialen Schutzes wie ein abhängiger Arbeitnehmer. Es ist daher richtig, die Vorstandsmitglieder und überhaupt gesetzliche Vertreter von juristischen Personen und Personenvereinigungen nicht als Arbeitnehmer im Sinne der Ziff. 2 anzusehen. Diese Auffassung entspricht der heute wohl allgemein vertretenen Meinung (vgl. etwa BaumbachHueck Rn. 8; Brönner KapErhStG 2. Aufl. § 19 Anm. 2). Andererseits ist es aber auch nicht möglich, bei der Anwendung der Ziff. 2 den Arbeitnehmerbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes (vgl. § 4 BetrVG) zugrunde zu legen. Dieser gesetzliche Begriff ist nur auf die besondere Zweckbestimmung dieses Gesetzes abgestellt und darüber hinaus keineswegs einer allgemeinen Anwendung im Bereich des Arbeitsrechts zugänglich. Bei dieser Sachlage ist es geboten, bei der Anwendung der Ziff. 2 als Arbeitnehmer all die Personen anzusehen, die nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen als Arbeitnehmer in Betracht kommen. Danach ist Arbeitnehmer im Sinn der Ziff. 2 jeder, der in einem Arbeitsverhältnis abhängige Arbeit gegen Entgelt verrichtet. Hierzu gehören auch Prokuristen und die sonstigen leitenden Angestellten des § 4 BetrVG — mit Ausnahme der Vorstandsmitglieder —, weil sie stets weisungsgebunden sind. Ziff. 2 spricht nur von „den Arbeitnehmern der Gesellschaft". Bei Konzernen tritt aber sehr häufig das Bedürfnis auf, auch den Arbeitnehmern der Konzerngesellschaften die Möglichkeit zum Bezug von Belegschaftsaktien zu geben. Das geht meist nur durch Überlassung von Aktien der Konzernmutter, nämlich dann, wenn die Tochtergesellschaft nicht in Form einer A G geführt wird, oder wenn sie zwar A G ist, ihr Aktienbesitz aber aus Gründen einer vollständigen Beherrschung ganz bei der Mutter verbleiben soll oder ihr Aktienbesitz mangels Börsenzulassung nicht attraktiv genug ist. Hier kann einmal die Obergesellschaft Aktien auch für die Arbeitnehmer der abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Gesellschaft erwerben, um sie ihnen anzubieten; das wird allerdings nicht sehr häufig sein, weil damit die herrschende oder mehrheitsbesitzende Gesellschaft in der Kursdifferenz sozialen Aufwand der abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Tochter auf sich selbst übernimmt. Zum anderen können die Tochtergesellschaften selbst Aktien der Mutter erwerben und ihren Belegschaftsmitgliedern anbieten. Das letztere Vorgehen wird durch Abs. 4 gedeckt; denn nach dieser Bestimmung darf das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen Aktien der herrschenden oder die Mehrheit besitzenden Gesellschaft zu dem Zwecke der Ziff. 2 erwerben. Man würde die Bestimmung zu eng auslegen, wenn man mit Baumbach-Hueck Rn. 19 annehmen wollte, die Aktien müßten den Arbeitnehmern der herrschenden oder Mehrheitsgesellschaft angeboten werden (vgl. Anm. 33); richtiger ist es, mit Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. 1 1 2 den Erwerb auch zwecks Angebots an die eigenen Arbeitnehmer zuzulassen, zumal die Übernahme der Kursdifferenz durch die Tochtergesellschaft zugunsten der Arbeitnehmer der Muttergesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung und damit gemäß § 57 eine unzulässige Zuwendung wäre. Die Zusammenfassung des Aktienerwerbs der Muttergesellschaft mit dem der abhängigen und in Mehrheitsbesitz stehenden Tochtergesellschaften im Rahmen der 10%-Grenze gemäß Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 spricht dafür, auch bei dem Angebot der Aktien keinen Unterschied zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften zu machen (vgl. Anm. 33). Dann aber muß auch der erste Weg, nämlich der Erwerb der Aktien zwecks Angebots auch an die Arbeitnehmer der Tochtergesellschaften, als nach Ziff. 2 zulässig angesehen werden, wenn er ausnahmsweise einmal begangen werden soll (zweifelnd Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. m ) . Da die Muttergesellschaften Aktien von Tochtergesellschaften aufkaufen dürfen und sie auch im Rahmen ihrer sozialen Verantwortung an ihre Belegschaftsmitglieder weitergeben können, wird hier das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nicht angesprochen.

546

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 71 A n m . 14 A n m . 14 d) Einschränkungen der Erwerbsbefugnis Die Aktien, die die Gesellschaft zwecks Angebots an die Belegschaftsmitglieder erwirbt, sollen grundsätzlich zu diesem Zwecke verwendet werden, aber nicht zu einem Dauerbesitz der Gesellschaft führen. Daraus ergeben sich einige Einschränkungen in der Erwerbsbefugnis. Einmal darf die Gesellschaft keine Aktien erwerben, wenn bei vernünftiger Betrachtung der Dinge mit einer Abnahme der den Arbeitnehmern angebotenen Aktien nicht zu rechnen ist. Das kann der Fall sein, wenn frühere Angebote gescheitert sind und Anhaltspunkte für eine Änderung der Einstellung der Belegschaft nicht erkennbar sind; das kann aber auch der Fall sein, wenn der Erwerbskurs für die Belegschaftsmitglieder angesichts der wirtschaftlichen Lage der A G zu ungünstig ist oder dem Börsenkurs entspricht (so Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. 107). Z u m anderen muß auch ein gewisser zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Erwerb und dem beabsichtigten Angebot bestehen, der mindestens so eng ist, daß ein vernünftig handelnder Vorstand jetzt bereits für die Beschaffung der'anzubietenden Aktien sorgen muß (Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. 109). Ziff. 2 kann also nicht dazu verwandt werden, einen gewissen Bestand eigener Aktien zu halten und zu erhalten, um für alle möglichen Bedarfsfälle gedeckt zu sein. Allerdings wird man nicht annehmen können, daß die Gesellschaft verpflichtet sei, die erworbenen Aktien unverzüglich wieder zu verkaufen, wenn die Absicht zum Angebot an die Belegschaftsmitglieder aufgehoben wird. Niethammer (BB i960, 258) bejaht diese Frage, weil mit der Aufgabe der ursprünglichen Absicht die Voraussetzungen für den zulässigen Erwerb in Fortfall gekommen seien. Diese Annahme erscheint jedoch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung bedenklich. Richtiger dürfte es sein, eine Pflicht zur Veräußerung nur anzunehmen, wenn und soweit ein gewissenhafter Kaufmann nach Lage der Dinge einen Verkauf für geboten hält (ähnlich Baumbach-Hueck Rn. 8; Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. 108). Niethammer führt seine gegenteilige Ansicht auch nicht ganz folgerichtig durch, indem er eine gleiche Pflicht des Vorstands zur Veräußerung verneint, soweit die Aktien zwar zum Erwerb angeboten worden sind, das Angebot aber von einzelnen Arbeitnehmern nicht angenommen worden ist. Das Gesetz schweigt auch darüber, wie lange die Gesellschaft eigene Aktien, die den Arbeitnehmern zum Erwerb angeboten werden sollen, behalten darf. Diese Zurückhaltung des Gesetzes ist sachgerecht. Denn in dieser Hinsicht lassen sich zeitliche Grenzen sinnvoll kaum abstecken. Aus der Zusammenfassung der zu den Zwecken der Ziff. 2 erworbenen Aktien mit den gemäß Ziff. 1 und 3 erworbenen zu der Höchstgrenze von 10%, ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, die Freistellung von dem Erwerbsverbot eigener Aktien so gering wie möglich zu halten. Die Gesellschaft darf also gemäß Abs. 1 S. 2 keine eigenen Aktien für die Zwecke der Ziff. 2 erwerben, wenn sie auf Grund früherer Erwerbsvorgänge im Rahmen der Ziff. 1 und 3 bereits 10% besitzt. Auch wenn die 10%-Grenze noch nicht erreicht ist, dürfen für Zwecke der Ziff. 2 keine eigenen Aktien gekauft werden, wenn der Bestand aus vorhandenen eigenen Aktien groß genug ist, um Belegschaftsaktien in dem beabsichtigten Umfang anbieten zu können. Dabei wird man allenfalls die Aktien ausnehmen können, die für Zwecke der Ziff. 3 bestimmt sind. M a n wird aber andererseits die Aktien einbeziehen müssen, die die Gesellschaft unentgeltlich oder durch Gesamtrechtsnachfolge erhalten hat (Ziff. 4 und 5), während die gemäß Ziff. 4 zur Ausführung einer Einkaufskommission erworbenen Aktien zur anderweiten Verwendung bestimmt sind und die gemäß Ziff. 6 erworbenen alsbald eingezogen werden und deshalb nicht berücksichtigt werden können. Die in Ziff. 2 normierte Ausnahme des Erwerbsverbots — das trifft grundsätzlich für alle Ausnahmen zu — soll nicht zu einem Manipulierungsbestand an eigenen Aktien führen (vgl. oben). M a n wird deshalb annehmen müssen, daß Ziff. 2 nur dann und insoweit angewandt werden darf, als die Gesellschaft nicht im Besitz der für das beabsichtigte Angebot an die Belegschaftsmitglieder ausreichenden Bestände an eigenen Aktien ist. Soweit diese frei verfügbar sind (also nicht die für Zwecke der Ziff. 3 und 6 bestimmten) und soweit sie sich für die Ausgabe an Belegschaftsmitglieder eignen (also nicht teileingezahlte Aktien),

547

§71

Anm. 15

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

müssen sie zunächst für das Angebot an die Belegschaftsmitglieder eingesetzt werden und darf nur ein etwa fehlender Restbestand erworben werden. Das beachten AdlerDüring-Schmaltz § 160 R n . 134 bei ihrer Formulierung nicht.

3. Der Erwerb zwecks Abfindung nach §§ 305, 320 (Abs. 1 Ziff. 3) Anm. 15 a ) Anwendungsbereich Nach § 305 Abs. 1 und 2 müssen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge eine Bestimmung enthalten, wonach außenstehenden Aktionären auf ihr Verlangen f ü r ihre Aktien eine Abfindung gewährt wird. Diese Abfindung muß, wenn die beherrschende oder gewinnabführungsberechtigte Gesellschaft eine nicht abhängige oder nicht in Mehrheitsbesitz stehende A G ist, in eigenen Aktien und, wenn sie eine von einer A G abhängige oder in deren Mehrheitsbesitz stehende A G ist, in Aktien der herrschenden oder mehrheitsbeteiligten Gesellschaft bestehen. Ahnliches gilt für § 320 Abs. 5 zugunsten der anläßlich einer Eingliederung ausscheidenden Minderheitsaktionäre. I n beiden Fällen müssen sich die beteiligten Gesellschaften diese Aktien beschaffen. Das ist einmal durch Kapitalerhöhung möglich (vgl. § 195 Abs. 2 Ziff. 2, der hier eine bedingte Kapitalerhöhung ermöglicht). Es können aber auch bereits ausgegebene Aktien verwendet werden. Dann aber muß den abfindungsberechtigten Gesellschaften die Möglichkeit gegeben werden, diese Aktien auch zu erwerben. Diesem Zwecke dient Ziff. 3, die ähnlich der Ziff. 2 nur einen „Durchgangserwerb" zuläßt, da j a die erwerbende Gesellschaft alsbald die Aktien zu Abfindungszwecken verwenden will und soll, und die damit „nicht zu einer wesentlichen Vergrößerung der Bestände an eigenen Aktien führen" wird (Begr. R e g . E . § 71 bei K r o p f f S. 9 1 ) . In der Praxis ist die Frage entstanden, ob der Erwerb eigener Aktien nicht auch zwecks Abfindung der nach § 1 5 Abs. 1 S. 2 und 3 U m w G ausscheidenden Aktionäre zulässig ist. Nach dieser Bestimmung hat der bei einer Umwandlung auf den Hauptgesellschafter ausscheidende Aktionär einen Anspruch darauf, daß der Hauptgesellschafter, wenn er eine A G ist, sich erbietet, ihm anstelle der Barabfindung eigene Aktien und, wenn er ein abhängiges Unternehmen, das beherrschende Unternehmen aber eine A G ist, sich erbietet, ihm anstelle der Barabfindung Aktien der herrschenden Gesellschaft anzubieten. Die Rechtslage ist also der der §§ 305 Abs. 2, 320 Abs. 5 fast gleich, was auch darin seinen Ausdruck gefunden hat, daß die Vorschrift des § 1 5 U m w G durch § 39 E G z. A k t G für „die Abfindung und das Verfahren, in dem die angemessene Abfindung festgestellt w i r d " an das Aktiengesetz angepaßt wurde (Begr. R e g E zu § 39 E G bei K r o p f f S. 566). Die Erwerbsmöglichkeit eigener Aktien wird bejaht von AdlerDüring-Schmaltz § 160 R n . 1 1 6 in entsprechender Anwendung der Ziff. 3 und von Bernhardt BB 66, 261 unter Berufung auf Ziffer 1. Wenn auch der Umweg über Ziff. 1 kaum gangbar ist — der „schwere Schaden" könnte j a wohl durch eine immer mögliche bedingte Kapitalerhöhung abgewandt werden, so daß der Aktienerwerb keineswegs die ultima ratio wäre (Anm. 8) — , so ist doch die entsprechende Anwendung der Ziff. 3 geboten. Die Interessenlage ist genau die gleiche wie bei den in Ziff. 3 erwähnten Abfindungsfällen. Gründe, die Umwandlungsfälle anders zu behandeln als die Fälle des Unternehmens Vertrages und der Eingliederung, sind nicht erkennbar. I n allen drei Fällen handelt es sich um einen Durchgangserwerb, und in allen drei Fällen verlangt der Gesetzgeber anstelle der Barabfindung die Möglichkeit einer Naturalabfindung in Aktien der Gesellschaft oder ihrer Obergesellschaft und muß dann auch der abfindungspflichtigen Gesellschaft die Möglichkeit geben, sich diese Aktien zu beschaffen. Wenn er in den Fällen der §§ 305, 320 neben der Möglichkeit der Kapitalerhöhung auch die des Erwerbs eigener Aktien eröffnet, ist nicht einzusehen, warum bei der Umwandlung auf den Hauptgesellschafter nur die Kapitalerhöhung und die Verwendung zufälligerweise bereits vorhandener Bestände an eigenen Aktien zulässig sein soll. Auch die Anzahl der im Durchschnitt erforderlichen Aktien dürfte in allen drei Fällen nicht allzu stark variieren, da die Eingliederung eine Stimmenmehrheit von 9 5 % , die Umwandlung

548

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 16

auf den Hauptgesellschafter von 9 0 % und die Genehmigung des Unternehmensvertrages von 7 5 % erfordern, so daß höchstens 5, 10 oder 2 5 % außenstehender Aktionäre vorhanden sein werden. Schließlich ist auch aus der Begründung zu Ziff. 3 nichts zu entnehmen, was einer Analogie entgegenstünde. Es scheint vielmehr so zu sein, daß der Gesetzgeber bei seinen Überlegungen zu Ziff. 3 den entsprechend liegenden Fall des § 1 5 U m w G schlicht übersehen hat (so auch Bernhardt a. a. O.). Unter diesen U m ständen vermag auch der Grundsatz, daß Ausnahmen eng auszulegen sind, nicht durchzugreifen. Eine ähnliche Situation wie in den Fällen der §§ 305, 320 A k t G und § 1 5 U m w G kann auch bei einer verschmelzenden Aufnahme entstehen. Z w a r wird hier als Normalfall die Beschaffung der erforderlichen Aktien im Wege der Kapitalerhöhung angesehen, jedoch können auch eigene Aktien verwendet werden (§§ 343, 344). Diese Frage ist jedoch dem Gesetzgeber des A k t G 65 bekannt gewesen, wie die Formulierung des § 344 zeigt. Auch war zu § 238 A k t G 37 betont die Auffasung vertreten worden, daß die übernehmende Gesellschaft keine eigenen Aktien erwerben dürfe, um sie den Aktionären der übertragenden Gesellschaft zu übergeben (Voraufl. § 238 Anm. 7; SchlegelbergerQuassowski § 238 Anm. 14). Wenn trotzdem der § 238 A k t G 37 völlig unverändert in § 344 überführt wurde, muß daraus entnommen werden, daß der Gesetzgeber auch für das neue Aktiengesetz einen Erwerb eigener Aktien zwecks Durchführung der Verschmelzung nicht wollte. Gerade die Feststellung dieses gesetzgeberischen Willens ist zu § 1 5 U m w G nicht möglich, so daß der Erwerb eigener Aktien zwecks Abfindung der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft bei der Verschmelzung nicht zulässig ist, daraus aber keine Folgerungen für die Naturalabfindung bei § 1 5 U m w G gezogen werden können.

Anm. 16 b) Voraussetzungen des Erwerbs im einzelnen Für den Aktienerwerb gemäß Ziff. 3 gilt weitgehend das gleiche wie zu Ziff. 2. Insbesondere ist festzuhalten: Der Erwerb der Aktien ist zwecks späterer Abfindung gemäß §§ 305, 320 und § 1 5 U m w G zulässig. Es ist nicht erforderlich, daß Unternehmensvertrag, Eingliederung und Umwandlung bereits rechtswirksam geworden und die Naturalabfindungsansprüche in Aktien bereits entstanden sind. Dann wäre die A G auch einem Ankaufszwang ausgesetzt, der an der Börse zu erheblichen Kurssteigerungen und damit zu Verteuerungen im Erwerb der zur Abfindung notwendigen Aktien führen könnte. Auch hier reicht vielmehr die Absicht der zuständigen Organe zur Durchführung des Unternehmensvertrages, der Eingliederung oder der Umwandlung im Zeitpunkt des Aktienerwerbs aus. Zuständiges Organ ist der Vorstand und, soweit die Aufsichtsratszustimmung gemäß § 1 1 1 Abs. 4 S. 2 erforderlich ist, auch der Aufsichtsrat. Soweit ein Beschluß der eigenen Hauptversammlung gemäß §§ 293, 3 1 9 Abs. 2 oder der Hauptversammlung der anderen Gesellschaft gemäß §§ 293, 320 und § 15 Abs. 1 U m w G erforderlich ist, reicht es aus, daß ein ordnungsgemäß handelnder Vorstand die Zustimmung der Hauptversammlungen erwarten kann (vgl. zu all dem Anm. 10). Soweit die A G in ihren Beständen die für die Abfindung nach §§ 305, 320, § 1 5 U m w G erforderlichen Aktien verfügbar hat, also nicht die, die für die Zwecke der Ziff. 2 und 6 bestimmt sind, und soweit sich diese Aktien für die Abfindung eignen, also z. B. nicht teileingezahlte Aktien, da sie für den abfindungsberechtigten Aktionär neue Einzahlungspflichten begründen würden, müssen diese Bestände zunächst für die Abfindung eingesetzt werden und darf nur ein etwa fehlender Restbestand erworben werden (vgl. Anm. 14). Auch darf, wenn kein Restbestand vorhanden ist, nicht mehr erworben werden, als vernünftigerweise für die Abfindung notwendig ist. Für die Zulässigkeit des Erwerbs reicht es, wenn bei Erwerb die begründete, feste Absicht vorhanden war, eine Maßnahme durchzuführen, die Abfindungsansprüche gemäß §§ 305, 320 und § 15 U m w G auslösen wird. Zwischen dem Erwerb und der Durchführung der Absicht muß ein vernünftiger zeitlicher Zusammenhang bestehen.

549

§71 Anm. 17

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Wird die Absicht aufgegeben, so brauchen die Aktien nicht unverzüglich wieder verkauft zu werden (Anm. 14). Auch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen darf gemäß Abs. 4 Aktien der herrschenden oder mehrheitsbeteiligten A G für die Zwecke der Ziff. 3 erwerben. Soweit es selbst mit Aktien seiner Obergesellschaft abfindungsverpflichtet ist, darf es für eigene Zwecke erwerben (vgl. Anm. 13). Aber auch wenn es keine eigene Verpflichtung trifft, gilt die Erwerbsbefugnis, und zwar ebenso wie die herrschende oder mehrheitsbeteiligte A G für die Abfindungspflicht, die bei der abhängigen oder in Mehrheitsbesitz befindlichen Gesellschaft entsteht, eigene Aktien kaufen darf (AdlerDüring-Schmaltz § 160 Rn. 115). Zu 1 bis 3

Betragsmäßige Begrenzung in den Erwerbsfällen der Ziff. 1 bis 3

Anm. 17 a ) Zulässiger weise erworbene Aktien Die Ausnahmen vom Erwerbsverbot gemäß Ziff. 1 bis 3 sind nicht unbegrenzt. Der Gesamtnennbetrag der Aktien, die eine A G gemäß Ziff. 1 bis 3 erwirbt, darf 10% des Grundkapitals — nach dem Nennbetrag z. Zt. des Erwerbs gerechnet, ohne bedingtes oder genehmigtes Kapital — nicht übersteigen. Nach § 226 HGB in der Fassung der Aktienrechtsverordnung vom 19. 9. 1931 war zweifelhaft, welcher bereits vorhandene Besitz an eigenen Aktien auf die erlaubte Höchstzahl anzurechnen, wie es namentlich dann zu halten sei, wenn die Gesellschaft mehrmals von der Erlaubnis der Ziff. 1 bis 3 Gebrauch mache. Das ist jetzt geregelt. Auf die Höchstzahl sind die Aktien anzurechnen, die die Gesellschaft bereits bei früherer Gelegenheit aus den Gründen der Ziff. 1 bis 3 erworben hat und noch besitzt. Eigene Aktien, die sie aus anderen Gründen, also auf Grund der Ziff. 4 bis 6 erworben hat, sind nicht anzurechnen, ebensowenig eigene Aktien, die sie zwar bei früherer Gelegenheit auf Grund der Ziff. 1 bis 3 erworben hat, die sie aber nicht mehr besitzt. Hat sie die früher im Rahmen der Ziff. 1 bis 3 erworbenen Aktien veräußert, so kann sie alsdann eigene Aktien im Rahmen der Ziff. 1 bis 3 bis zum vollen Höchstbetrag erwerben, hintereinander auch mehrmals bis zum Betrage von je 10% des Grundkapitals, immer vorausgesetzt, daß sie von den eigenen Aktien, die sie früher gemäß Ziff. 1 bis 3 erworben hat, keine mehr besitzt. In die Höchstgrenze von 1 0 % sind auch diejenigen Aktien einzurechnen, die in Anwendung der Ziff. 1 bis 3 von einem abhängigen oder von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen erworben worden sind und sich noch im Besitz dieser Unternehmen befinden. Einzurechnen sind des weiteren gemäß Abs. 3 auch die in Pfand genommenen eigenen Aktien und gemäß Abs. 5 die Aktien, die ein anderer für Rechnung der Gesellschaft, eines von ihr abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens erworben oder in Pfand genommen hat und noch besitzt. Das entsprach schon der bisher herrschenden Auffassung zu § 65 AktG 37 (Vorauf!. § 65 Anm. 10), ist aber durch die kleine Aktienreform und das AktG 65 ausdrücklich in S. 2 des Abs. 1 bestätigt. Dabei bleibt für die Berechnung des Höchstbetrages von 10% stets das Grundkapital der Gesellschaft selbst maßgebend, also auch bei Erwerb durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen; das Kapital dieser Unternehmen selbst ist im Rahmen des § 71 unerheblich. Die im früheren Recht enthaltene Ermächtigung fiir die Landeswirtschaftsminister, im Einvernehmen mit den Landesjustizministern die Grenze von 10% zu erhöhen, ist bereits in der kleinen Aktienreform 59 gestrichen worden. Zu den in den Höchstbetrag von 10% einzurechnenden Aktien gehören auch die Aktien, die im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach § 215 Abs. 1 auf den Besitz der Gesellschaft an den eigenen Aktien entfallen, die nach Ziff. 1 bis 3 erworben worden sind. Denn diese neuen Aktien sind aus den alten Aktien im Wege eines Splittings hervorgegangen und stellen wirtschaftlich den bisherigen Aktienbesitz nur mit einer anderen Nennbetragsziffer dar. Allein auf diese Weise wird auch verhindert, daß bei der durch die Kapitalberichtigung eintretenden Erhöhung der

550

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 18, 19

Grundkapitalziffer eine zusätzliche Erwerbsmöglichkeit gemäß Ziff. i bis 3 eintritt; durch die Einbeziehung der neuen Berichtigungsaktien in den Betrag der nach Ziff. 1 bis 3 erworbenen Aktien bleibt das Verhältnis dieser Aktien zum neuen Grundkapital unverändert (ebenso Baumbach-Hueck Rn. 10; Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. 133).

Anm. 18 b) Unzulässigerweise erworbene eigene Aktien Für die Einbeziehung in die Höchstgrenze kommen auch die Aktien in Betracht, die unzulässigerweise erworben worden sind. Ihr Erwerb ist, wenn die Aktien voll eingezahlt sind, gemäß Abs. 2 S. 1 rechtswirksam, so daß die Aktien Vermögen der Gesellschaft sind, was für nicht vollbezahlte Aktien nicht gilt (Anm. 26), so daß sie in diesem Zusammenhang ganz ausscheiden. Sie können aber, auch wenn eine entsprechende Bestimmung in § 71 fehlt, gegenüber dem zulässigen Erwerb nicht besser behandelt werden (Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. 132). Dabei wird man alle Aktien einzurechnen haben, die außerhalb der Ziff. 1 bis 6 erworben worden sind, ohne Rücksicht auf die Motivation, die die Gesellschaft dem Aktienerwerb im einzelnen gibt. Denn die in die 10%-Grenze nicht einzurechnenden Erwerbsfalle der Ziff. 4 bis 6 sind eng begrenzte Tatbestände, die man dem Zweck des § 71 entsprechend nur dann aus der Höchstgrenze von 10% herausnehmen kann, wenn ihre Voraussetzungen auch tatsächlich vorgelegen haben. Die Bestimmung des S. 2 Abs. 1 ist also so zu lesen, daß der Gesamtnennbetrag der nach Ziff. 1 bis 3 erworbenen Aktien zusammen mit dem Betrag anderer Aktien, die außerhalb der Ubernahmetatbestände der Ziff. 1 bis 6 erworben worden sind, 10% nicht übersteigen darf. Andernfalls würde eine fadenscheinige Behauptung, die unzulässigerweise erworbenen Aktien fielen unter einen der Tatbestände der Ziff. 4 bis 6, der Gesellschaft im Rahmen der Ziff. 1 bis 3 neue Erwerbsmöglichkeiten geben.

Anm. 19 c) Einzelheiten Da die Erwerbsmöglichkeiten gemäß Ziff. 2 und 3 nur bestehen, soweit die Gesellschaft nicht zu den hier genannten Zwecken verfugbare Bestände an eigenen Aktien einsetzen kann (vgl. Anm. 14 und 16), fuhrt die 10%-Grenze, wenn Verwendungszwecke gemäß Ziff. 2 und 3 auftreten, automatisch zu einem Abbau des Bestandes an eigenen Aktien, insbesondere aus einem Erwerb gemäß Ziff. 1 und 5. Das liegt durchaus im Sinne des Prinzips der Kapitalerhaltung, von dem § 71 nur in engen Grenzen Ausnahmen zuläßt. Es ist nicht zu verkennen, daß die Grenze von 10% bei abhängigen und in Mehrheitsbesitz befindlichen Gesellschaften zu einem weitgehenden Verzehr des Eigenkapitals führen kann. Eine abhängige Gesellschaft z B., die ein Kapital von D M 1 Million hat, darf bis zu 10% des Kapitals der sie beherrschenden Gesellschaft, die z. B. ein Kapital von D M 10 Millionen hat, erwerben, so daß bei Ausnutzung dieser Höchstgrenze —- in Nominalen gerechnet — dann schon ihr Kapital nur noch aus Aktien der beherrschenden Gesellschaft belegt wird. Außerdem darf sie aus ihrem Eigenkapital nochmals 10% eigene Aktien erwerben. Da § 71 für den für die eigenen Aktien und die der beherrschenden Gesellschaft zu zahlenden Kaufpreis keine Grenze aufstellt, der Vorstand hier vielmehr im Rahmen seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht marktgerechte Preise bezahlen darf, ist es durchaus denkbar, daß wesentlich mehr als das Eigenkapital der abhängigen Gesellschaft in Aktien der beherrschenden und der eigenen Gesellschaft angelegt ist. Daraus können sich für die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft gefährliche Situationen ergeben (vgl. Anm. 1), die der Gesetzgeber aber gestattet hat in der logisch nicht ganz richtigen Annahme, daß der Konzein seinen Gläubigern gegenüber eine Einheit darstelle; das ist aber nicht der Fall; denn eine Haftung des Gesamtkonzerns gibt es nicht und eine Haftung der beherrschenden Gesellschaft nur, wenn besondere Tatbestände wie §§ 302, 322 gegeben sind.

551

§71

Anm. 20, 21

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Schließlich ist noch auf folgende Konsequenz der i o % i g e n Erwerbsgrenze zu verweisen: Reicht der innerhalb dieser Grenze zur Verfügung stehende Betrag nicht aus, den Zweck der mit dem Erwerb verbunden ist, zu erfüllen, z. B. den schweren Schaden abzuwenden, so ist der Erwerb überhaupt nicht, auch nicht bis zu dem Betrag von i o % gestattet, es müßte denn der Teil des Schadens, der sich damit abwenden ließe, für sich allein schon ein schwerer Schaden sein.

Anm. 20 4. Der unentgeltliche Erwerb und der Erwerb In Ausführung einer Einkaufskommission (Abs. 1 Ziff. 4) Unter der Ziff. 4 sind zwei Ausnahmen von dem Erwerbsverbot zusammengefaßt, die von der Sache her nichts miteinander zu tun haben. Die Zusammenfassung in einer Ziffer beruht auf der Tatsache, daß diese beiden Fälle in § 65 Abs. 1 A k t G 37 neben dem Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens aufgezählt waren und als K l a m m e r unter der gemeinsamen Voraussetzung standen, daß auf die nach ihnen zu erwerbenden Aktien der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet sein mußte. Diese Voraussetzung ist dann auch das einzige, was diese beiden Ausnahmetatbestände gemeinsam haben. Deshalb können nach der Ziff. 4 keine Aktien erworben werden, auf die noch Einzahlungen, sei es des Nennbetrags, sei es des höheren Ausgabebetrags, offenstehen. Wenn die Gesellschaft Aktien erwirbt, auf die die Einlage noch nicht voll geleistet ist, verliert sie wegen der Vereinigung von Schuld und Forderung in einer Hand den noch nicht erfüllten Anspruch auf die Einlage (Anm. 9). Gleichgültig ist, ob die noch offenstehenden Einlagen Bar- oder Sacheinlagen sind. Noch offenstehende Ansprüche auf Zinsen und Vertragsstrafe nach § 63 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 oder auf Ersatz eines weitergehenden Schadens nach § 63 Abs. 2 S. 2 machen die Aktien allerdings nicht zu noch nicht voll eingezahlten; denn die Pflicht zur Zahlung derartiger Nebenleistungen ist nicht Inhalt der Einlagepflicht selbst (vgl. § 63 Anm. 7). Eine Höchstgrenze kennt das Gesetz bei dem Erwerb gemäß Ziff. 4 nicht, weil es davon ausgeht, daß wegen der Unentgeltlichkeit des Erwerbs und des Handelns für fremde Rechnung ein wirtschaftliches Risiko für die Gesellschaft ausgeschlossen sei.

Anm. 21 a) Unentgeltlicher Erwerb Als solcher gilt jeder Erwerb, bei dem die Gesellschaft eine Gegenleistung nicht zu erbringen hat. Es kann sich z. B. um eine Schenkung, eine Erbeinsetzung (sie fällt allerdings auch unter Ziff. 5) oder ein Vermächtnis handeln. Häufiger sind auch Fälle, in denen Aktionäre freiwillig der Gesellschaft Aktien zur Verfügung stellen (vgl. § 237 Abs. 3 Ziff. 1), und zwar im wesentlichen zu Sanierungszwecken. Auch hier liegt eine unentgeltliche Leistung vor, weil die Gesellschaft den Aktionären keine Gegenleistung zu erbringen hat. Daß die Aktien eingezogen werden und durch ihren Fortfall die verbleibenden Aktien wertvoller werden, ist keine Gegenleistung, die eine Entgeltlichkeit begründen könnte. Anders wäre es, wenn nach der Bestimmung der Ziff. 4 auch nicht voll eingezahlte Aktien „unentgeltlich" erworben werden könnten. Denn dann läge eine wirkliche Gegenleistung in dem Erlöschen der Einlagepflicht. Allerdings ist die vom Gesetzgeber und auch im Schrifttum vertretene Auffassung unrichtig, der unentgeltliche Erwerb voll eingezahlter Aktien sei gänzlich unbedenklich, weil j a keine Rückzahlung von Kapital als Entgelt für die Aktien erfolge und gerade die Rückzahlung das Erwerbsverbot des § 71 trage. Denn dabei wird übersehen, daß der Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung — nicht auch die Hingabe von Aktien zu Sanierungszwecken — Erbschaftsteuer auslöst, die, weil kein Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis zur Gesellschaft besteht, in der Höchststufe entsteht und bis zu 60% des Werts der Aktien gehen kann. Bei einem hohen Börsenwert der Aktien, der der Erbschaftsteuer zugrundegelegt wird, kann die entstehende Steuerlast leicht ein mehrfaches des Nominalbetrags der Aktien ausmachen; weil aber die Be-

552

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 22, 23

lastung des Erwerbs v o n Todes wegen oder durch Schenkung die Unentgeltlichkeit des Erwerbsvorgangs nicht berührt, ändert die Steuerlast nichts an der A n w e n d b a r k e i t der Ziff. 4. Als unentgeltlicher E r w e r b k o m m t im Falle der Erbeinsetzung a u c h die Gesamtrechtsnachfolge g e m ä ß Ziff. 5 in Frage. Diese letztere A u s n a h m e ist ein selbständiger neben Ziff. 4 stehender Tatbestand. Befinden sich in einem N a c h l a ß , der der A G als E r b e zufällt, voll eingezahlte Aktien, so ist ihr E r w e r b sowohl n a c h Ziff. 4 als a u c h n a c h Ziff. 5 zulässig. Sind die A k t i e n nicht voll eingezahlt, gilt ausschließlich die A u s n a h m e der Ziff. 5.

Anm. 22 b) Der Erwerb in Ausführung einer Einkaufskommission Dieser Ausnahmefall liegt vor, w e n n die Gesellschaft eigene A k t i e n in A u s f ü h r u n g einer Einkaufskommission erwirbt. Diese mit Rücksicht auf die A k t i e n b a n k e n zugelassene A u s n a h m e entspricht d e m seit 1884 geltenden R e c h t ( A n m . 1). W i e nach d e m H G B beschränkt sich die A u s n a h m e aber auf den Fall, d a ß die A k t i e n vollbezahlt sind. A u c h hierbei sollen die G e f a h r e n vermieden werden, die mit dem E r w e r b eigener, nicht vollbezahlter Aktien verbunden sind (Anm. 9; über die Kommission z u m E i n k a u f eigener, nicht vollbezahlter A k t i e n s. unten A n m . 32). O b die Einkaufskommission d a d u r c h ausgeführt wird, d a ß die A G die A k t i e n für R e c h n u n g des K o m m i t t e n t e n anschafft u n d i h m liefert, oder dadurch, d a ß sie den Selbsteintritt erklärt (§ 400 H G B ) , ist gleichgültig. A u c h i m Fall des Selbsteintritts darf sie sich durch A n s c h a f f u n g eigener A k t i e n decken (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 A n m . 20). Sie k a n n a u c h als Verkaufskommissionärin auftreten, d a die V e r ä u ß e r u n g eigener A k t i e n nicht verboten ist (Anm. 2). I n diesem Fall ist es ihr aber nicht erlaubt, die A k t i e n v o m K o m m i t t e n t e n durch Selbsteintritt nach § 400 H G B als K ä u f e r i n z u beziehen, es m ü ß t e d a n n Ziff. 1 vorliegen (übereinstimmend Schlegelberger-Quassowski A n m . 1 1 ; B a u m b a c h - H u e c k R n . 1 1 ; Begr. z. R e g E § 71 A b s . 1 bei K r o p f f S. 9 1 ) ; denn Ziff. 4 deckt nur die Einkaufs-, nicht aber a u c h die Verkaufskommission Insbesondere ermächtigt Ziff. 4 die Banken a u c h nicht, eigene A k t i e n stets d a n n z u erwerben, w e n n sie dabei in Ausführung ihres Gewerbes handeln. Das h a t der Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt (vgl. Begr. z. R e g E § 71 A b s . 1 bei K r o p f f S. 81). A u c h der vorsorgliche E r w e r b eigener A k t i e n im Hinblick auf eine künftige Einkaufskommission ist unzulässig. D e m Kreditinstitut m u ß vielmehr, w e n n es sich auf Ziff. 4 berufen will, ein entsprechender Kommissionsauftrag bereits vorliegen (a. M . Schönle Z f g e s K 66, 149/50). H a t es einen A u f t r a g auf K a u f eigener A k t i e n durch Selbsteintritt ausgeführt und die A k t i e n eigenen Beständen entnommen, so kann es diesen Bestand nicht durch Z u k a u f an der Börse wieder ergänzen. D e n n der bei der A G vielleicht vorhandene Bestand an eigenen A k t i e n darf nicht als Manipulierungsbestand angesehen werden, dessen H ö h e erhalten werden darf. Jeder N e u e r w e r b ist vielmehr ausschließlich d a n a c h z u beurteilen, ob er durch einen der Ausnahmetatbestände des A b s . 1 gedeckt ist. W e n n bei nicht z u m Börsenhandel zugelassenen Aktien, also im Frei- und Telefonverkehr, die Bank nach Ziff. 29 A b s . 2 ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen als Eigenhändler auftritt, greift Ziff. 4 an sich nicht ein, weil es an einer Einkaufskommission fehlt. Eine analoge A n w e n d u n g dürfte aber wegen der sachlichen u n d wirtschaftlichen Gleichheit zur Einkaufskommission unbedenklich sein (Adler-Düring-Schmaltz § 1 6 0 R n . 1 1 8 ; Schönle a. a. O . 150). Eine weitergehende A u s d e h n u n g der A u s n a h m e der Einkaufskommission auf andere Fälle, in denen die A G eigene A k t i e n für fremde R e c h n u n g erwirbt, ist nicht gestattet.

Anm. 23 5. Der Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge (Abs. 1 Ziff. 5) O b der E r w e r b eigener A k t i e n i m W e g e der Gesamtrechtsnachfolge unter das Erwerbsverbot des früheren § 65, jetzigen § 71 falle, w a r früher sehr umstritten (vgl. z. B. 1. A u f l a g e A n m . 5 einerseits und V o r a u f l a g e A n m . 6 andererseits). D a für den un36

Aktiengesetz I , 3. Aufl.

553

§71

Anm. 24

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

entgeltlichen und damit den durch Erbschaft erfolgenden Erwerb Ziff. 4 jedenfalls dann eingreift, wenn die Aktien voll eingezahlt sind, war der Hauptstreitfall die Fusion (vgl. hier auch Vorauf!. § 238 Anm. 6). Der Streit ist jetzt dadurch entschieden, daß der Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge in Ziff. 5 aufgenommen ist. Damit ist einerseits — was allerdings nur theoretische Bedeutung hat — festgestellt, daß grundsätzlich auch der Erwerb im Wege der Universalsukzession ein Erwerb im Sinne des § 71 ist, diese Bestimmung also sowohl die Einzel- wie die Gesamtrechtsnachfolge meint, gleichzeitig aber angeordnet, daß die Gesamtrechtsnachfolge von dem Erwerbsverbot ausgenommen ist, und zwar gleichgültig, ob es sich um voll eingezahlte Aktien handelt oder nicht. Fälle der Gesamtrechtsnachfolge sind im wesentlichen die Verschmelzung, die Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz vom 6. 11. ig6g und die Erbfolge. Keine Gesamtrechtsnachfolge liegt bei dem Erwerb durch Vermächtnis vor. Hier greift also nicht Ziff. 5, sondern nur Ziff. 4 ein, so daß nicht voll eingezahlte Aktien nicht Gegenstand eines Vermächtniserwerbs sein können. Das Vermächtnis an eine A G , das ihr nicht voll eingezahlte eigene Aktien zukommen läßt, wäre nach § 2171 BGB nichtig; ob ihm dadurch Wirklichkeit verliehen werden kann, daß die Aktien vom Erben zu verkaufen sind und der Erlös an die A G abzuführen ist, ist eine Frage der Auslegung des Testamentes im einzelnen Fall. A u c h hier ist wie zu Anm. 21 daraufhinzuweisen, daß der Erbfall erhebliche Aufwendungen durch Erbschaftssteuern verursachen kann. Eine Höchstgrenze für den Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge existiert nicht, da Ziff. 5 in der Bestimmung des Abs. 1 S. 2 nicht aufgeführt ist. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der Erläuterungen zu Anm. 14, daß bei dem Aktienerwerb durch Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich keine Verpflichtung der Gesellschaft besteht, den Aktienerwerb so gering wie möglich zu halten. Infolgedessen ist eine A G , die mit einer anderen Gesellschaft fusionieren will, nicht gezwungen, vorhandene eigene Aktien zur Abfindung der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft zu verwenden, wenn sie auch nicht befugt ist, sie zu Abfindungszwecken zu erwerben (Anm. 15), sondern kann den vollen benötigten Betrag sich im Wege der Kapitalerhöhung beschaffen. O b das auch insoweit gilt, als die übernehmende A G Aktien der übertragenden A G oder diese eigene Aktien oder Aktien der übernehmenden A G besitzt, ist sehr umstritten (Würdinger S. 221; Baumbach-Hueck § 344 Rn. 3; Godin-Wilhelmi § 344 Anm. 2 bis 4; Voraufl. § 238 Anm. 5). Aus der Formulierung des § 344, wonach die Verschmelzung ohne Kapitalerhöhung durchgeführt werden kann, aber nicht muß, soweit die übernehmende Gesellschaft Aktien der übertragenden Gesellschaft oder eigene Aktien hat, und aus der Bestimmung des § 7 1 Abs. 1 Ziff. 5, die den Erwerb im Wege der Fusion freigibt, kann entnommen werden, daß aus diesen ganzen Aktienbeständen eigene Aktien werden können. O b damit allerdings nicht der Wortlaut des Gesetzes weit über eine der Sache angemessene Regelung hinaus interpretiert wird, bleibt dahingestellt. Im einzelnen vgl. Erl. zu § 344.

Anm. 24 6. Der Erwerb zum Zwecke der Einziehung (Abs. 1 Ziff. 6) Die letzte Ausnahme bildet der Erwerb eigener Aktien zur Einziehung. Das A k t G kennt neben der Zwangseinziehung die Einziehung nach Erwerb der Aktien. § 71 Abs. 1 Ziff. 6 gestattet den Erwerb eigener Aktien zum Zweck nachfolgender Einziehung nur dann, wenn er auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals geschieht. Diese Herabsetzung kann in zweierlei Formen vor sich gehen. Geschieht sie im Wege der ordentlichen Kapitalherabsetzung (§§ 222f.), so ist der Gläubigerschutz nach § 225 z u beachten; der Erwerbspreis darf also erst gezahlt werden, wenn das Sperrhalbjahr abgelaufen und den Gläubigern, die sich rechtzeitig gemeldet haben, Befriedigung oder Sicherheit gewährt worden ist. Eine erleichterte Form der Einziehung — nicht zu verwechseln mit der „vereinfachten Kapitalherabsetzung" nach den §§ 229 ff. — ist aber in § 237 Abs. 3 bis 6 für zwei Fälle vorgesehen, denen gemeinsam ist, daß die Aktien vollbezahlt sein müssen; hier tritt erst beim Erwerb zur Einziehung der Unterschied

554

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 71 Anm. 25, 26 zwischen vollbezahlten und nicht vollbezahlten Aktien in Erscheinung. Die beiden Fälle sind: i. die Aktien werden der Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung gestellt (dieser Fall trifft mit dem oben genannten Ausnahmefall der Ziff. 4 (Anm. 21) zusammen), oder 2. die Aktien werden zu Lasten des aus der Jahresbilanz sich ergebenden Bilanzgewinns oder einer freien Rücklage eingezogen. In diesen beiden, für die Gläubiger weniger gefährlichen Fällen treten die Erleichterungen ein, daß der Kapitalherabsetzungsbeschluß mit einfacher Mehrheit gefaßt werden kann, und daß der Gläubigerschutz nach § 225 wegfallt; jedoch ist in die gesetzliche Rücklage ein Betrag einzustellen, der dem Gesamtnennbetrag der eingezogenen Aktien gleichkommt (vgl. die Erläuterungen zu § 237). Wird von der erleichterten Form kein Gebrauch gemacht, sondern die ordentliche Kapitalherabsetzung gewählt, so bleibt es dabei, daß der Erwerb zur Einziehung auch bei nicht vollbezahlten Aktien zulässig ist. Eine Höchstgrenze gilt hier nicht, zumal ja durch den Hauptversammlungsbeschluß Grenzen gesetzt sind und der Gläubigerschutz entweder durch § 225 beachtet oder wegen der Besonderheiten des § 237 Abs. 3 nicht berührt wird. Abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen dürfen gem. Ziff. 6 Aktien der Obergesellschaft nicht erwerben; Abs. 4 nimmt auf Abs. 1 Ziff. 6 keinen Bezug. Anm. 25 III. Die Wirkungen des Erwerbsverbots (Abs. 2) 1. Allgemeines Nach Abs. 2 des § 226 HGB in der Fassung der Aktienrechtsverordnung wurde die Wirksamkeit des Erwerbs eigener Aktien durch einen Verstoß gegen die Vorschriften des Abs. 1 nicht berührt, es sei denn, daß auf sie der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet war. Kurz gesagt: Auch der verbotswidrige Erwerb eigener, vollbezahlter Aktien war wirksam, wenn er nicht aus anderen Gründen unwirksam war. Das hat das AktG 37 und 65 übernommen. Aber dies gilt nur für das dingliche Erfüllungsgeschäft. Wie es mit dem schuldrechtlichen Grundgeschäft stehe, war nach früherem Recht streitig. Die einen nahmen Gültigkeit, andere nahmen Nichtigkeit an, noch andere erklärten das schuldrechtliche Geschäft zwar für unklagbar, aber doch für erfüllbar, hielten also eine natürliche Verbindlichkeit nach Art der §§ 222, 656, 762 BGB für vorliegend. Dagegen erklärte § 65 AktG 37 — dem folgt § 71 Abs. 2 AktG 65 — ein gegen Abs. 1 verstoßendes schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien für nichtig und machte dabei keinen Unterschied zwischen vollbezahlten und nicht vollbezahlten Aktien. Die Nichtigkeit bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch, daß kein Teil auf das Geschäft Ansprüche gründen kann und auch die Erfüllung das schuldrechtliche Geschäft nicht gültig macht. Von einer natürlichen Verbindlichkeit kann also keine Rede sein; wer den schuldrechtlichen Vertrag erfüllt, erfüllt damit eine Nichtschuld. Anm. 26 2. Das dingliche Erfüllungsgeschäft Beim unzulässigen Erwerb eigener Aktien ist das dingliche Erfüllungsgeschäft, soweit es den Erwerb eigener Aktien zum Gegenstand hat, gemäß Abs. 2 Satz 1 im allgemeinen gleichwohl wirksam. Jedenfalls stehen seiner Wirksamkeit regelmäßig aktienrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen. Die Wirksamkeit des dinglichen Erfüllungsgeschäfts ist daher insoweit nur davon abhängig, daß ihm kein Nichtigkeitsgrund nach bürgerlichem Recht, etwa Verstoß gegen die guten Sitten, Geschäftsunfähigkeit des Veräußerers oder dgl., anhaftet. Beim Deport- und Reportgeschäft (Anm. 5) bringt es der enge Zusammenhang zwischen dem schuldrechtlichen Grundgeschäft und dem dinglichen Erfiillungsgeschäft mit sich, daß das dingliche Erfüllungsgeschäft das rechtliche Schicksal des schuldrechtlichen Grundgeschäfts teilt und daher ebenfalls nichtig ist (Godin-Wilhelmi Anm. 15 (für Deportgeschäft); Baumbach-Hueck Rn. 15). 36'

555

§71

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft

Anm. 27, 28 Eine besondere R e g e l u n g gilt f ü r nicht vollbezahlte Aktien. Hier ist das dingliche Erfüllungsgeschäft nur wirksam, w e n n der E r w e r b dieser A k t i e n g e m ä ß A b s . i zulässig w a r . Das hat seinen guten G r u n d . W ä r e nämlich das dingliche Erfullungsgeschäft b e i m unzulässigen E r w e r b voll bezahlter A k t i e n wirksam, so w ü r d e die Gesellschaft mit d e m E r w e r b ihren A n s p r u c h auf die restliche Einlageforderung verlieren ( A n m . 9 und 20). Es würde also das eintreten, was u. a. z u verhindern gerade der Z w e c k des Erwerbsverbots ist; vgl. d a z u Schlegelberger-Quassoswki § 65 A n m . 15).

Anm. 27 3. Das schuldrechtliche Grundgeschäft Beim unzulässigen E r w e r b eigener A k t i e n ist das schuldrechtliche Grundgeschäft stets nichtig (Abs. 2 Satz 2). Das gilt beim unzulässigen E r w e r b vollbezahlter A k t i e n ebenso wie b e i m E r w e r b nicht vollbezahlter Aktien^ Das nichtige Grundgeschäft w i r d a u c h nicht durch die Wirksamkeit des dinglichen Erfüllungsgeschäfts geheilt. Für eine solche A n n a h m e fehlt j e d e r Anhaltspunkt i m Gesetz. A u f die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Grundgeschäfts können sich natürlich beide Teile berufen, a u c h der Aktionär, der der Gesellschaft eigene A k t i e n verkauft hat. W i r d dieser v o n der Gesellschaft auf Lieferung der verkauften A k t i e n in A n s p r u c h genommen, so kann er die E r f ü l l u n g mit Rücksicht auf A b s . 2 Satz 2 verweigern. D a s schuldrechtliche Grundgeschäft ist bei einem unzulässigen E r w e r b eigener A k t i e n a u c h d a n n nichtig, w e n n im Einzelfall eine G e f a h r d u n g der Gesellschaft, ihrer Gläubiger oder der übrigen Aktionäre nicht eintritt ( R G 167, 48).

Anm. 28 4. Die Ansprüche aus einem verbotenen Erwerbsgeschäft D a das schuldrechtliche Grundgeschäft bei einem unzulässigen E r w e r b eigener A k t i e n stets nichtig ist ( A n m . 27), kann weder die Gesellschaft noch der A k t i o n ä r Erfüllung eines noch nicht abgewickelten Geschäfts verlangen. Hat die Gesellschaft ihre in dem Grundgeschäft zugesagte Leistung bereits erbracht, so liegt in dieser Leistung eine unzulässige R ü c k g e w ä h r der Einlage an den A k t i o n ä r (§ 57 A n m . 13). Der Gesellschaft steht d e m g e m ä ß der sich aus dieser R ü c k g e w ä h r ergebende aktienrechtliche A n s p r u c h aus § 62 A b s . 1 S. 1 auf Rückerstattung zu. D a b e i ist es für diesen Anspruch gleichgültig, ob die Gesellschaft bei ihrer Leistung schlechtgläubig w a r oder der A k t i o n ä r noch bereichert ist, d a dieser A n s p r u c h kein Bereicherungsanspruch ist und damit die V o r schriften der § § 8 1 4 , 817, 818 B G B keine A n w e n d u n g finden ( § 5 7 A n m . 1 1 ; § 6 2 A n m . 1). D i e A n n a h m e v o n Godin-Wilhelmi A n m . 15, d a ß der Gesellschaft neben diesem aktienrechtlichen A n s p r u c h a u c h noch ein Bereicherungsanspruch zustehe, erscheint überkonstruiert u n d daher sachwidrig (vgl. Lutter a. a. O . S. 444 N . 65, der eine „ V e r d r ä n g u n g " des Kondiktionsanspruchs durch den stärkeren A n s p r u c h aus § 62 annimmt). — Hat der Aktionär der Gesellschaft die Aktie bereits geliefert, so hat diese a u c h bei einem verbotenen Erwerbsgeschäft das Mitgliedschaftsrecht bei vollbezahlten A k tien g e m ä ß A b s . 2 Satz 1 erworben ( A n m . 26). D a j e d o c h das schuldrechtliche G r u n d geschäft nichtig ist u n d nichtig bleibt, so steht d e m A k t i o n ä r insoweit ein A n s p r u c h w e g e n ungerechtfertigter Bereicherung z u , mit d e m er v o n der Gesellschaft die R ü c k übertragung der A k t i e verlangen kann (Schlegelberger-Quassowski § 65 A n m . 1 7 ; Godin-Wilhelmi A n m . 15; B a u m b a c h - H u e c k R n . 15). Dieser Anspruch ist freilich ausgeschlossen, w e n n d e m Aktionär bekannt w a r , d a ß es sich u m ein verbotenes Erwerbsgeschäft gehandelt hat ( § 8 1 4 B G B ) ; in diesem Fall bleibt daher die Gesellschaft unangefochtene Inhaberin der ihr wirksam übertragenen A k t i e (a. M . Lutter a. a. O . S. 444, der § 814 B G B wohl z u sehr einengt). H a t der Aktionär der Gesellschaft dagegen nicht vollbezahlte A k t i e n geliefert, so hat die Gesellschaft an diesen Aktien kein Eigentum erworben ( A n m . 26); der A k t i o n ä r kann daher v o n der Gesellschaft die A k t i e n ohne weiteres zurückverlangen.

556

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 29,30 D a s Z u w i d e r h a n d e l n gegen das V e r b o t des § 71 m a c h t die Mitglieder des Vorstands u n d des Aufsichtsrats n a c h § 93 A b s . 3 Ziff. 3, § 1 1 1 der Gesellschaft und ihren Gläubigern verantwortlich.

Anm. 29 IV. Die unzulässige Inpfandnahme eigener Aktien (Abs. 3) 1. Das Vertragspfand als Gegenstand des Verbots D e m E r w e r b eigener A k t i e n wird es gleichgestellt, w e n n eigene A k t i e n als Pfand g e n o m m e n werden. V g l . hierzu grundsätzlich Beeser A c P 159, 63 ff., der das V e r b o t der I n p f a n d n a h m e f ü r entbehrlich und wertlos hält. Fraglich ist in der T a t , ob es nötig w a r , bereits die Inpfandnahme, die die Erhaltung des Grundkapitals noch nicht unmittelbar berührt, für unzulässig z u erklären u n d ob es nicht genügt hätte, den E r w e r b der eigenen A k t i e n i m R a h m e n des Pfandverkaufs für ungültig z u erklären (so auch Schönle Z f G e s K 1966, 150). W i e soll die K a p i t a l g r u n d l a g e der A G beeinträchtigt werden, w e n n auf G r u n d eines Pfandrechts der A G die A k t i e n versteigert und von einem Dritten erworben werden? — Inpfandnahme bedeutet die Begründung eines vertraglichen Pfandrechts. Hierbei wird aber nicht mehr, wie nach d e m H G B , unterschieden, o b das Pfandrecht innerhalb oder außerhalb des regelmäßigen Geschäftsbetriebes begründet w o r d e n ist. D a h e r fällt nicht nur die K r e d i t g e w ä h r u n g gegen V e r p f ä n d u n g eigener A k t i e n unter das V e r b o t , sondern a u c h j e d e andere A r t der vertraglichen Inpfandnahme, so a u c h die Inpfandnahme eigener A k t i e n als Dienstkaution v o n Angestellten (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 6 5 A n m . 19; B a u m b a c h - H u e c k R n . 16; M ö h r i n g - S c h w a r t z , Die A G u n d ihre Satzung, 2. A u f l . S. 75; Adler-Düring-Schmaltz § 160 R n . 122; a. M . T e i c h m a n n - K o e h l e r § 65 A n m . 5 ; Godin-Wilhelmi A n m . 6; vgl. d a z u a u c h Brodmann Z B 1 H R 1932, 52). Selbstverständlich gilt das V e r b o t erst recht, w e n n statt der Pfandrechtsbestellung die Sicherungsübereignung gewählt w i r d ; denn diese steht nicht nur d e m E r w e r b gleich, sondern ist E r w e r b (Anm. 5). D a g e g e n ist die Bestellung eines schuldrechtlichen Zurückbehaltungsrechts gestattet (zweifelnd Beeser a. a. O . S. 70ff.). E i n solches kann daher i m Z u s a m m e n h a n g mit der Dienstkaution eines Angestellten statt der unzulässigen Pfandrechtsbestellung vereinbart w e r d e n (Ritter § 65 A n m . 11).

Anm. 30 Nicht betroffen wird v o n d e m V e r b o t die Entstehung eines gesetzlichen Pfandrechts oder eines kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts ( R G 36, 38; anders Beeser A c P 159, 71, der aber die N ä h e z u m gesetzlichen Pfandrecht nicht beachtet), d e n n in keinem von beiden liegt ein „ N e h m e n " z u m Pfand. A u c h das Pfändungspfandrecht wird an eigenen A k t i e n gültig erworben. D i e A b t r e t u n g einer durch ein Vertragspfandrecht an eigenen A k t i e n gesicherten Forderung g e m ä ß § 401 B G B a n die A G wird m a n w o h l a u c h nicht als P f a n d n a h m e nach A b s . 3 S. 1 ansehen können. Z w a r ist Beeser A c P 159 S. 65 zuzugeben, d a ß damit U m g e h u n g e n des Verbots der I n p f a n d n a h m e eigener A k t i e n leicht möglich sind; aber hier wird in erster Linie eine Forderung erworben, der das dafür bestellte Pfandrecht kraft Gesetzes folgt. Sonst m ü ß t e m a n j a w o h l a u c h noch unterscheiden, o b das g e m ä ß § 4 0 1 übergehende Pfandrecht kraft Vertrags oder kraft Gesetzes entstanden wäre. D a m i t fällt d a n n a u c h der gesetzliche E r w e r b einer durch ein Pfandrecht an eigenen A k t i e n gesicherten Forderung nicht unter A b s . 3 S. 1. D a s gesetzliche Pfandrecht ist aber v o n d e m auf G r u n d v o n Geschäftsbedingungen erworbenen Pfandrecht auseinanderzuhalten. W e n n eine A G als Verkaufskommissionärin eines ihrer A k t i o n ä r e eigene A k t i e n erhält, so erwirbt sie a n ihnen, einerlei ob sie voll eingezahlt sind oder nicht, g e m ä ß § 397 H G B ein gesetzliches Pfandrecht. D a s ist zulässig. E i n auf G r u n d der allgemeinen Geschäftsbedingungen entstehendes Pfandrecht d a g e g e n ist ein vertraglich erworbenes u n d fällt unter das V e r b o t des A b s . 3 S. 1. J e d o c h gestattet der neue S. 2 des A b s . 3 den Kreditinstituten, eigene Aktien, gleichgültig ob voll eingezahlt oder nicht, innerhalb der 1 0 % - G r e n z e des A b s . 1 S. 2 (vgl.

557

§ 71 Anm. 31, 32

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 17) als Pfand zu nehmen. Um sicherzustellen, daß dieser Prozentsatz nicht überschritten und damit die Wirksamkeit des Pfandrechts in Frage gestellt wird, haben die Banken allerdings durch die Aufnahme des Abs. 3 in Ziff. 19 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine automatische Inpfandnahme eigener Aktien ausgeschlossen, so daß ein Pfandrecht nunmehr auf Grund einer besonderen Verpfändung vertraglich begründet wird (vgl. Bankgeschäftliches Formularbuch 18. Ausgabe S. 449/50). Dadurch kann die Beachtung der 10%-Grenze unter Berücksichtigung des Gesamtbestandes an eigenen Aktien besser kontrolliert werden. Anm. 31 2. Die Ausnahmen des Abs. 1 Wie das Verbot des Erwerbs für die Inpfandnahme gilt, so auch die Ausnahmen des Abs. 1 von dem Verbot. Praktisch am bedeutsamsten ist die Ausnahme des Abs. 1 Ziff. 1: Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft. Dieser Fall dürfte insbesondere vorliegen, wenn die Gesellschaft sich von einem Schuldner zur Sicherung einer gefährdeten Forderung eigene Aktien als Pfand geben läßt und außer diesen Aktien andere geeignete Pfandobjekte nicht vorhanden sind. Auf den Gesamtnennbetrag eigener Aktien, deren Inpfandnahme zu diesem Zwecke gestattet ist, ist der Betrag anderer eigener Aktien anzurechnen, die die AG oder ein abhängiges oder in ihrem Mehrheitsbesitz befindliches Unternehmen oder ein anderer für Rechnung der A G oder eines abhängigen oder eines in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens (Anm. 17) bereits zur Abwendung eines schweren Schadens erworben oder in Pfand genommen hat und was einer von ihnen hiervon noch besitzt. Während die Ausnahmen der Ziff. 2, 3 und 6 des Abs. 1 für die Inpfandnahme ausscheiden und der Erwerb eines Pfandrechts im Zuge einer Einkaufskommission ein gesetzliches, von § 71 nicht betroffenes Pfandrecht darstellt (Anm. 30), kommt neben dem Erwerb eines Pfandrechts durch Gesamtrechtsnachfolge (Ziff. 5) auch der unentgeltliche Erwerb gemäß Ziff. 4 in Frage; hier entsteht die Frage, was ein unentgeltlicher Erwerb eines Pfandrechts ist und ob nicht bei Sicherung einer Schuld begrifflich die Unentgeltlichkeit ausgeschlossen ist (vgl. R G 6, 85; 9, 103). Man wird hier, wie Beeser AcP 159, 66 ff. betont, auf den Begriff der Unentgeltlichkeit in § 3 Abs. 1 Ziff. 3 AnfG abstellen können. Dann ist für die AG die Bestellung eines Pfandrechts jedenfalls dann unentgeltlich, wenn sie ohne Pflicht zur Sicherstellung nachträglich erfolgt, ohne daß dem Schuldner dafür Vorteile eingeräumt werden. Eine Unentgeltlichkeit liegt auch dann vor, wenn ein Aktionär der Gesellschaft deren eigene, ihm gehörige Aktien für eine fremde Schuld verpfändet. Die Zulässigkeit des unentgeltlichen Pfanderwerbs setzt aber stets voraus, daß die Aktien voll eingezahlt sind. Anm. 32 3. Die Wirkung der unzulässigen Inpfandnahme Auch die Wirkung der Inpfandnahme entspricht der Wirkung des Erwerbs (Anm. 25 fr.). Wird die Inpfandnahme eigener Aktien durch keine der Ausnahmebestimmungen des § 71 gedeckt, so entsteht dennoch, wenn die Aktien vollbezahlt sind, nach Abs. 2 Satz 1 ein wirksames Pfandrecht; sind sie nicht vollbezahlt, so entsteht kein Pfandrecht. Unabhängig von der Aktie kann aber der Anspruch auf Gewinnanteil wirksam verpfändet werden (Verpfändung von Gewinnanteilscheinen). Eine schuldrechtliche Verpflichtung zu verbotswidriger Bestellung ist nichtig; der Besteller kann den Besitz der verpfändeten, vollbezahlten Aktien kondizieren, es sei denn, daß ihm die Nichtigkeit der Verpflichtung bekannt gewesen war (§§812, 814 BGB; so auch Schönle ZfgesK 1966, 151). Sind die Aktien nicht vollbezahlt, und ist infolgedessen kein Pfandrecht entstanden, so ist der Besteller nicht auf die Kondiktion angewiesen, sondern kann mit dem Eigentumsanspruch vorgehen. Hat die AG gegen die nichtige Bestellung eines Pfandrechts an nicht vollbezahlten, eigenen Aktien ein Darlehn gegeben, so ist wegen der Einheitlichkeit des Vertrages auch die Darlehnsabrede nichtig; die Gesellschaft kann 558

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 33 kondizieren, ohne an Kündigungsfristen gebunden zu sein. War die Darlehnshingabe verschleierte Rückgewähr einer Einlage, so kann die Gesellschaft den aktienrechtlichen Anspruch auf Rückerstattung ihrer unzulässigen Leistung ( § 5 7 Anm. 11) geltend machen. Bei der Einkaufskommission liegt die Sache folgendermaßen: Führt die A G eine Kommission zum Einkauf eigener, vollbezahlter Aktien aus, so erwirbt sie an diesen regelmäßig zunächst selbst Eigentum, das sie an den Kommittenten zu übertragen hat. Erst recht gilt dies, wenn sie die Kommission durch Selbsteintritt nach § 400 H G B ausführt. Ein Pfandrecht kommt hierbei für sie regelmäßig nicht in Frage, weder ein vertragliches noch ein gesetzliches, da sie j a Eigentümerin ist. Hätte sie aber eine K o m mission zum Einkauf eigener, nicht vollbezahlter Aktien übernommen, so wäre nicht nur der Kommissionsvertrag nach Abs. 2 Satz 2 nichtig, sondern sie würde auch kein Eigentum erwerben, aber auch kein Pfandrecht, weder das gesetzliche — wegen Nichtigkeit des Kommissionsvertrags — noch ein vertragliches, etwa auf Geschäftsbedingungen beruhendes (Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1). Die Aktien sind also unbelastetes Eigentum des Verkäufers geblieben. Der gutgläubige Kommittent kann an ihnen aber durch Indossament Eigentum erwerben (§68 Anm. 4).

Anm. 33 V. Erwerb eigener Aktien durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (Abs. 4) 1. Gleichsteilling mit dem Erwerb eigener Aktien durch die herrschende Gesellschaft Erwerb und Inpfandnahme durch eine abhängige Gesellschaft, einerlei, ob sie in Form einer A G , G m b H oder K G oder in einer sonstigen Rechtsform betrieben wird, werden dem Erwerb und der Inpfandnahme durch die herrschende Gesellschaft gleichgestellt (Abs. 4). Der Begriff der abhängigen Gesellschaft ergibt sich aus § 17 (vgl. § 17 Anm. 1 ff.). Das abhängige Unternehmen darf Aktien der herrschenden A G nur da erwerben oder als Pfand nehmen, wo es das gemäß Abs. 1 Ziff. 1 bis 5 und Abs. 3 S. 2 auch dürfte, wenn es selbst die herrschende Gesellschaft wäre und es sich um seine eigenen Aktien handelte. Abs. 1 Ziff. 1 greift also ein, wenn der herrschenden Gesellschaft ein schwerer Schaden droht (herrsch. Ansicht; a. M . Godin-Wilhelmi 2. Aufl. § 65 Anm. 10, die ohne Grund auch die Abwendung eines schweren Schadens, der dem abhängigen Unternehmen droht, als ausreichend ansehen); zu dessen Abwendung kann, wenn es notwendig ist, das abhängige Unternehmen Aktien der herrschenden Gesellschaft bis zum Betrage von 10% von deren Grundkapital erwerben oder in Pfand nehmen. Darauf werden die eigenen Aktien angerechnet, die die herrschende Gesellschaft oder das abhängige Unternehmen oder ein anderes abhängiges oder in Mehrheitsbesitz befindliches Unternehmen oder ein anderer für Rechnung der herrschenden Gesellschaft oder eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens bereits früher erworben oder als Pfand genommen hat, und die einer von ihnen noch besitzt (vgl. oben Anm. 17,18). Des weiteren kann das abhängige Unternehmen Aktien zwecks Angebots an die Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens und an die Arbeitnehmer der eigenen Gesellschaft erwerben (Anm. 13). Der Wortlaut des Abs. 4 deckt auch den letzteren Erwerb (Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. 42; a. M . Baumbach-Hueck R n . 19). Denn wenn das herrschende Unternehmen Aktien zwecks Angebots an seine Arbeitnehmer erwerben darf, kann die gesetzliche Formulierung, daß das abhängige Unternehmen Aktien soweit erwerben darf, wie dies der herrschenden Gesellschaft gemäß Ziff. 2 gestattet wäre, nur bedeuten, daß auch das abhängige Unternehmen Aktien des herrschenden Unternehmens zwecks Angebots an seine Arbeitnehmer erwerben darf. Daneben darf es auch Aktien für ein Angebot an die Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens erwerben, obwohl dieser Fall schon wegen der Bedenken aus § 57 nur selten vorkommen wird (Anm. 13). Ähnliches gilt für den Aktienerwerb nach Abs. 1 Ziff. 3. Soweit das abhängige Unternehmen selbst abfindungsverpflichtet mit Aktien der Obergesellschaft ist, versteht sich dieser Erwerb unmittelbar aus dem Zweck der gesetzlichen Bestimmungen; der Erwerb ist aber auch dann zulässig, wenn nur die herrschende Gesellschaft

559

§71

Anm. 34

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft

abfindungsverpflichtet ist, da die abhängige Gesellschaft hier j a genau das gleiche tut, was das herrschende U n t e r n e h m e n tun darf und dies durch den Wortlaut des A b s . 4 S. 1 gedeckt ist ( A n m . 16). A u c h für den E r w e r b der abhängigen Gesellschaft g e m ä ß A b s . 1 Ziff. 2 und 3 gilt die 1 0 % - G r e n z e des A b s . 1 S. 2 unter Z u s a m m e n r e c h n u n g des Erwerbs der herrschenden Gesellschaft mit d e m aller abhängigen und in Mehrheitsbesitz stehenden U n t e r n e h m e n ( A n m . 17 fr.). F ü r die Tatbestände der Ziff. 4 und 5 ergeben sich ebensowenig wie f ü r die I n p f a n d n a h m e Besonderheiten. Bei letzterer gilt übrigens die E r m ä c h t i g u n g des A b s . 3 S. 2 f ü r Kreditinstitute auch dann, w e n n abhängige U n t e r n e h m e n A k t i e n der herrschenden in Pfand nehmen. E i n E r w e r b zwecks Einziehung g e m ä ß Ziff. 6 ist dagegen nicht zugelassen, was a u c h der z u m früheren Aktiengesetz herrschenden A u f f a s u n g entsprach, nunmehr aber i m Gesetz selbst z u m Ausdruck kommt. Jeder andere Erwerb und jede andere Inpfandnahme von Aktien der herrschenden Gesellschaft ist dem abhängigen Unternehmen verboten. Die W i r k u n g eines verbotswidrigen Erwerbs und einer verbotswidrigen I n p f a n d n a h m e sowie die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Grundgeschäfts bestimmt sich mit einer Einschränkung für nicht vollbezahlte A k t i e n (s. unten) n a c h A b s . 2 ebenso, wie w e n n die herrschende Gesellschaft selbst statt des abhängigen Unternehmens die H a n d e l n d e w ä r e ( A n m . 25). D i e Z a h l u n g des Erwerbspreises für einen verbotenen E r w e r b gilt jedoch, w e n n ein abhängiges U n t e r n e h m e n f ü r eigene R e c h n u n g die Z a h l u n g leistet, nicht als verbotene R ü c k g e w ä h r der Einlage i m Sinne des § 57. Hier zeigt sich, d a ß eben doch ein Unterschied zwischen d e m E r w e r b v o n A k t i e n der herrschenden Gesellschaft durch ein abhängiges U n t e r n e h m e n und d e m E r w e r b eigener A k t i e n durch die Gesellschaft selbst besteht. Dieser Unterschied zeigt sich ferner, w e n n ein abhängiges U n t e r n e h m e n in zulässiger Weise nicht vollbezahlte A k t i e n der herrschenden Gesellschaft erwirbt. In diesem Fall bleibt der A n s p r u c h auf den noch ausstehenden Einlagerest bestehen, weil beim E r w e r b durch ein abhängiges Unternehmen insoweit eine V e r e i n i g u n g v o n Forderung und Schuld nicht eintritt (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 6 5 A n m . 23). A u c h die etwaige H a f t u n g des V o r m a n n s (§ 65) wird durch einen solchen E r w e r b nicht berührt. Das ist auch der G r u n d , w a r u m A b s . 4 S. 2 Hs. 1 entgegen A b s . 2 S. 1 und A b s . 3 S. 1 den E r w e r b und die Inpfandn a h m e nicht vollbezahlter A k t i e n rechtswirksam läßt. D e r g e m ä ß A b s . 1 und A b s . 4 S. 1 unzulässige E r w e r b v o n A k t i e n der herrschenden A G —- das gleiche gilt für die Inpfandn a h m e — ist also in keinem Falle aus den G r ü n d e n des § 71 heraus nichtig. Andererseits wird m a n nach dem G r u n d g e d a n k e n des A b s . 4, der hinsichtlich der Voraussetzungen den E r w e r b eigener A k t i e n durch die Gesellschaft mit dem E r w e r b solcher A k t i e n durch ein abhängiges U n t e r n e h m e n gleichstellt, es zulassen können, d a ß ein abhängiges U n ternehmen v o n der herrschenden Gesellschaft deren A k t i e n erwirbt, sofern die herrschende Gesellschaft diese ihre eigenen A k t i e n vorher in zulässiger Weise erworben hatte (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 A n m . 51).

Anm. 34 2. Erwerb durch ein abhängiges ausländisches Unternehmen D i e Aktien, die sich im Besitz eines abhängigen ausländischen Unternehmens befinden, sind bei der Berechnung des Höchstsatzes g e m ä ß A b s . 1 S. 2 ( 1 0 % ; A n m . 17ff.) stets mitzuberücksichtigen (unstr.). Zweifelhaft ist es dagegen, ob die Vorschrift des A b s . 4 a u c h auf den E r w e r b v o n A k t i e n der herrschenden inländischen Gesellschaft durch ein abhängiges ausländisches U n t e r n e h m e n A n w e n d u n g findet. Bei einem solchen Erwerb, u n d z w a r a u c h dann, w e n n er sich ganz oder teilweise i m Inland vollzieht, k o m m t es zunächst auf die Vorschriften des ausländischen Rechts an. K e n n t dieses ein Erwerbsverbot für abhängige U n t e r n e h m e n nicht, so wird m a n w o h l auf d e m W e g e über A r t . 30 E G z. B G B insoweit die A n w e n d u n g des ausländischen Rechts ausschließen müssen (ebenso Ritter § 65 A n m . 1 2 b ; B a u m b a c h - H u e c k R n . 2 1 ; Adler-Düring-Schmaltz § 160 R n . 126). D a b e i kann m a n den Vertretern der Gegenmeinung (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 A n m . 57) durchaus einräumen, d a ß hier gewisse Zweifel angebracht sind. Hält m a n sich aber vor A u g e n , d a ß die Gegenmeinung mit Rücksicht auf die Möglichkeit v o n Z w e c k g r ü n d u n g e n abhängiger ausländischer U n t e r n e h m e n prak-

560

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 35—37

tisch zu einer fast vollständigen Aushöhlung des Abs. 4 und damit des § 71 fuhren würde, so wird man nach den bitteren Erfahrungen vor der Aktienrechtsnovelle 1 9 3 1 wohl doch sagen müssen, daß hier die Anwendung des ausländischen Rechts die Grundlage des deutschen wirtschaftlichen Lebens angreifen könnte.

Anm. 35 3. Erwerb durch ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen All das, was f ü r ein abhängiges Unternehmen bei dem Erwerb und der Inpfandnahme von Aktien der herrschenden A G gilt, gilt gleichermaßen, wenn ein in Mehrheitsbesitz befindliches Unternehmen Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten A G erwirbt oder in Pfand nimmt. Nachdem die Bundestagsausschüsse für die Unternehmen, die trotz fremder Mehrheitsbeteiligung nicht abhängig sind, die Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung zugelassen haben ( § 1 7 A n m . 16), mußten im R a h m e n des § 71 Abs. 1 bis 5 die in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen den abhängigen gleichgestellt werden. Denn dort, wo es um das Prinzip der Kapitalerhaltung geht, kann es nicht auf den beherrschenden Einfluß, sondern nur auf die Kapitalbeteiligung ankommen. § 71 stellt also überall dort, wo Schranken für den Erwerb oder die Tnpfandnahme von Aktien durch ein abhängiges Unternehmen errichtet sind, dem abhängigen das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen gleich. Demgemäß gelten auch die Erl. in Anm. 33 und 34 in gleicher Weise.

VI. Erwerb eigener Aktien für Rechnung der Gesellschaft oder für Rechnung eines von ihr abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens (Abs. 5) Anm. 36 1. Allgemeines Abs. 5 befaßt sich mit dem Fall, daß ein anderer — etwa eine Bank oder ein Konsortium — Aktien der Gesellschaft für deren Rechnung oder für Rechnung eines von ihr abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens erwirbt oder als Pfand nimmt. Als Erwerb kommt auch hierbei nur der abgeleitete in Betracht, von dem ursprünglichen handelt § 56 Abs. 1. Geschieht der Erwerb oder die Inpfandnahme auf Grund eines Rechtsgeschäfts zwischen der A G , einem abhängigen oder einem in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmen und dem andern, so ist dieses Rechtsgeschäft nur dann gültig, wenn der Erwerb oder die Inpfandnahme der A G selbst —• oder, was keinen Unterschied macht, dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmen —- gestattet wäre, wenn also einer der Ausnahmefälle des Abs. 1 Ziff. 1—6 vorliegt. Bei der Ziff. 1-—3 ist in den Höchstbetrag von 1 0 % des Grundkapitals alles einzurechnen, was die A G selbst, ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz befindliches Unternehmen, irgend einer für Rechnung der A G , eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens an Aktien der A G bereits erworben oder in Pfand genommen hat, und was einer von ihnen hiervon noch besitzt (Anm. 17 fr.). Es ist vorstellbar, daß die Tatbestände des Abs. 4 und des Abs. 5 zusammentreffen. Das ist der Fall, wenn z. B. ein abhängiges Unternehmen Aktien der herrschenden Gesellschaft f ü r deren Rechnung erwirbt. I n einem solchen Fall sind beide Bestimmungen nebeneinander anzuwenden (Schlegelberger-Quassowski § 6 5 Anm. 22).

Anm. 37 2. Für Rechnung der Gesellschaft Ein Erwerb für Rechnung der Gesellschaft liegt immer dann vor, wenn das wirtschaftliche Ergebnis des Erwerbs zugunsten und zu Lasten der Gesellschaft gehen soll, wenn also die Gesellschaft das Risiko des Erwerbs trifft (§ 56 Anm. 2). Dabei kommt es

561

§ 71

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 38, 39 aber auf das einzelne Erwerbsgeschäft, nicht wie z. B. bei einem Unternehmensvertrag nach § 292 Ziff. 1 auf das Risiko des Gesamtunternehmens oder einzelner Teile an. A u f die rechtliche Einkleidung des Rechtsverhältnisses zwischen der Gesellschaft und dem anderen kommt es nicht an; immer muß aber der andere im eigenen Namen handeln. Handelt er nämlich beim Erwerb im Namen der Gesellschaft, so liegt ein unmittelbarer Erwerb seitens der Gesellschaft vor, so daß insoweit Abs. 1 — 4 Anwendung finden. Für die Anwendung des Abs. 5 ist es nicht erforderlich, daß das Rechtsverhältnis, auf Grund dessen der andere die Aktien für Rechnung der Gesellschaft besitzt, zwischen diesem und der Gesellschaft vor dem Erwerb der Aktien begründet worden ist. A u c h eine erst nach dem Erwerb getroffene, nachträgliche Vereinbarung zwischen dem anderen und der Gesellschaft wird von Abs. 5 erfaßt (Adler-Düring-Schmaltz § 160 Rn. 128).

Anm. 38 Als Rechtsgeschäft dieser Art kommt namentlich die Einkaufskommission in Betracht, bei der die A G , ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen als Kommittent auftritt (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 36 wollen die Einkaufskommission dem K a u f eigener Aktien gleichstellen und auf sie daher Abs. 1 unmittelbar anwenden. Das mag vom wirtschaftlichen Standpunkt aus ganz sachgerecht sein, läßt sich aber rechtlich kaum begründen). Diese Kommission ist, wenn keiner der Ausnahmefälle vorliegt, nichtig. Die Nichtigkeit betrifft aber nicht das vom Einkaufskommissionär vorgenommene Ausfuhrungsgeschäft. Hat er also Aktien der Gesellschaft durch K a u f erworben, so sind K a u f u n d Erwerb nicht darum unwirksam, weil keiner der Ausnahmefalle des Abs. 1 Ziff. 1 — 6 vorliegt. Der Kommissionär kann aber von seinem Auftraggeber auf Grund der nichtigen Kommission weder Abnahme der Aktien noch Erstattung seiner Auslagen, der Auftraggeber kann nicht Lieferung der Aktien verlangen. Liefert der Kommissionär sie dennoch an den Auftraggeber, so treten die Wirkungen des Abs. 2 ein: sind die Aktien vollbezahlt, so wird der Auftraggeber Eigentümer, andernfalls nicht, die Kommission bleibt nichtig. Für die beiderseitigen Rückforderungsansprüche gelten die in Anm. 28, 33 entwickelten Grundsätze: Außer der Einkaufskommission kommen für Abs. 5 auch z. B. unentgeltlicher Auftrag und Beteiligungsverhältnisse (z. B. Beteiligung der A G an einem Konsortium zur Stützung ihrer Aktien) in Frage. Es genügt, daß der Erwerb oder die Inpfandnahme nur zum Teil für Rechnung der A G oder eines abhängigen Unternehmens geschehen soll (Schlegelberger-Quassowski § 65 Anm. 29). Entsprechende Anwendbarkeit des Abs. 5 erscheint für die Geschäftsführung ohne Auftrag geboten; erwirbt der auftraglose Geschäftsführer Aktien der Gesellschaft für deren Rechnung oder für die eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens, ohne daß einer der Ausnahmefälle vorliegt, in denen ihnen selbst der Erwerb gestattet wäre, so hat der Geschäftsführer weder die Rechte noch die Pflichten, die sich aus den §§ 677fr. BGB ergeben; sie können ihm auch nicht durch nachträgliche Vereinbarung beigelegt werden (ähnlich SchlegelbergerQuassowski a. a. O.).

Anm. 39 3. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen dieses Verbot Der unzulässige Erwerb für Rechnung der Gesellschaft hat nur die Nichtigkeit des Rechtsverhältnisses zur Folge, auf Grund dessen der andere die Aktien für Rechnung der Gesellschaft besitzt. Es können daher weder die Gesellschaft noch der andere aus diesem Rechtsverhältnis Rechte gegeneinander herleiten (einschränkend B G H in D i e A G 63, 342, der den mit einer An- und Verkaufsaktion eigener Aktien beauftragten Angestellten fiir verpflichtet hält, Rechnung zu legen und den Uberschuß herauszugeben). Der andere kann also nicht verlangen, daß die Gesellschaft ihm den gezahlten Erwerbspreis erstattet; die Gesellschaft ihrerseits kann von dem anderen nicht fordern, daß er die erworbenen Aktien ihr überträgt. Hat die Gesellschaft auf Grund des zwischen ihr und dem anderen geschlossenen Rechtsverhältnisses bereits eine Zahlung, etwa als Vorschuß geleistet, so kann sie Rückerstattung dieser Zahlung verlangen, weil darin eine

562

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 40, 41

unzulässige Rückgewähr der Einlage zu erblicken ist. A u f diesen Anspruch finden daher die in A n m . i o ff. z u § 57 dargelegten Grundsätze Anwendung. H a t dagegen der andere die erworbenen Aktien bereits auf die Gesellschaft übertragen, so findet Abs. 2 Satz 1 A n w e n d u n g ; die Gesellschaft erwirbt also bei vollbezahlten Aktien das Eigentum an diesen. Für den Ausgleichsanspruch des anderen gegen die Gesellschaft gilt das in A n m . 28 Gesagte. Unberührt von der Nichtigkeitsfolge bleibt das Rechtsverhältnis, auf Grund dessen der andere von einem Dritten die Aktien erwirbt. Dieser Erwerbsakt ist, und z w a r auch das Grundgeschäft, gültig (allgem. Ansicht). U b e r die Rechte, die der andere aus solchen, für Rechnung der Gesellschaft erworbenen Aktien hat, vgl. A n m . 45. H a t der andere nicht vollbezahlte Aktien für Rechnung der Gesellschaft erworben, so schuldet er der Gesellschaft die noch ausstehende Einlage, da er auf Grund dieses Erwerbs Aktionär mit sämtlichen Pflichten geworden ist. Der bisherige Aktionär (Veräußerer) haftet der Gesellschaft gegebenenfalls als V o r m a n n (§ 65). Insoweit unterscheidet sich ein Erwerb für Rechnung der Gesellschaft grundlegend von dem Erwerb durch die Gesellschaft selbst (vgl. dazu A n m . 9). W i r d der andere wegen der restlichen Einlageschuld von der Gesellschaft in Anspruch genommen, so kann er der Gesellschaft gegenüber nicht Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis geltend machen, insbesondere nicht mit irgendwelchen Ersatzansprüchen aufrechnen (Ritter § 65 A n m . I 3 d ; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 A n m . 39). Das würde ein Verstoß gegen § 66 sein. A u c h hier macht das Zuwiderhandeln gegen das V e r b o t des § 71 die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats nach § 93 Abs. 3 N r . 3, § 1 1 1 der Gesellschaft und ihren Gläubigern verantwortlich. Dabei begründet es keinen Unterschied, ob sie selbst gegen das Verbot handeln, oder ob sie die Zuwiderhandlung dulden. Der Aktionär, der den Erwerbspreis bei einem Verstoß gegen § 71 erhält, haftet nach § 62.

Anm. 40 4. Die Kursgarantie Nicht aufgeführt ist in § 71 das in § 226 Abs. 3 H G B (in der Fassung der Aktienrechtsverordnung) enthaltene Verbot des Erwerbs von Aktien der Gesellschaft durch einen andern, wobei die Gesellschaft eine Kursgarantie übernimmt. Die Ü b e r n a h m e einer solchen Kursgarantie ist aber nicht etwa erlaubt. Schlegelberger-Quassowski § 65 A n m . 29 rechnen einen derartigen Erwerb unter den E r w e r b für Rechnung der Gesellschaft. O b das richtig ist, m a g zweifelhaft sein, wie j a auch in § 226 Abs. 3 H G B beide Fälle neben einander gestellt worden waren. A b e r jedenfalls fällt die Ü b e r n a h m e einer Kursgarantie durch die A G unter die verbotene Zusage einer Einlagerückgewähr (§57 A n m . 7). Sie ist also schlechthin unerlaubt; die Ausnahmefalle des § 71 kommen f ü r sie nicht in Frage, d a Satz 2 des § 57 Abs. 1 auf sie nicht zutrifft; auch eine analoge A n w e n dung des Abs. 5 scheidet aus, d a die Garantie eines von einem anderen nach eigenen Vorstellungen zu führenden Geschäfts viel gefahrlicher als ein eigener Erwerb sein kann (a. M . Godin-Wilhelmi 2. Aufl. § 65 A n m . 14; Adler-Düring-Schmaltz § 160 R n . 129; ebenso wohl auch Ritter § 65 A n m . 14, der nur Abs. 5 und nicht § 71 anwenden will). A u c h eine beschränkte Kursgarantie — Gewährleistung eines Teiles eines bestimmten Kurses (Schlegelberger-Quassowski a. a. O.) — ist nicht anders z u behandeln. Die A b rede ist nichtig; Zahlungen, welche die A G auf dieser Grundlage geleistet hat, kann und m u ß sie zurückfordern (§ 57 A n m . 11). O b die Nichtigkeit der Kursgarantie auch das Geschäft nichtig macht, dem sie beigefugt worden ist, bestimmt sich nach § 139 BGB.

Anm. 41 VII. Die Rechte aus erworbenen eigenen Aktien (Abs* 6) 1. Allgemeines U b e r die Rechtsstellung, die für die A G aus dem Erwerb eigener Aktien entsteht — ihnen stehen die Aktien gleich, die einem anderen für R e c h n u n g der A G gehören — trifft der Abs. 6 besondere Bestimmungen. Der Grundgedanke für diese Regelung ist

563

§71

Anm. 42

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

ein völlig anderer wie der f ü r die Regelung der Absätze i — 5 . Die Vorschriften der Absätze 1 — 5 sollen die Gefahren bannen, die sich aus dem Erwerb eigener Aktien usw. wegen der Beeinträchtigung des Grundsatzes der Kapitalerhaltung für die Gesellschaft selbst und für ihre Gläubiger ergeben können, und sie sollen zugleich eine etwa mögliche Bevorzugung einzelner Aktionäre durch den Ankauf eigener Aktien seitens der Gesellschaft ausschließen (Anm. 1). Für die Regelung des Abs. 6 dagegen ist der Gedanke maßgebend, daß die Gesellschaft nicht mitgliedschaftliche Rechte an sich selbst ausüben kann, und daß sie auf ihre eigene Willensbildung durch ihre Organe keinen mitbestimmenden Einfluß ausüben soll (vgl. dazu sehr eindringlich schon R G 103, 66).

Anm. 42 2. Die Rechte der Gesellschaft selbst Hat die Gesellschaft eigene Aktien, sei es erlaubterweise, sei es verbotswidrig, wirksam erworben, so stehen ihr aus diesen Aktien keine Rechte zu (wohl aber trifft sie die Vermögenssteuerpflicht). Die Mitgliedschaft und die damit verbundenen Rechte ruhen. Die eigene Aktie im Besitz der Gesellschaft hat somit nur als „Gegenstand einer möglichen Veräußerung" Bedeutung (Godin-Wilhelmi Anm. 2 1 ) . In der Hand des Erwerbers leben dann alle Rechte aus der Aktie wieder auf (dazu Werneburg Z H R 90, 2 1 1 ) . Zur möglichst baldigen Wiederveräußerung ist die Gesellschaft grundsätzlich nicht verpflichtet (vgl. dazu im einzelnen Godin SozPr. 1 9 4 1 , 1 7 7 ; auch oben Anm. 19). I m einzelnen ist folgendes zu sagen: Die Gesellschaft hat kein Stimmrecht. Das wurde schon früher angenommen ( R G 103, 64) und ist in § 136 Abs. 2 nochmals ausdrücklich bestimmt. Die eigenen Aktien gehören zwar zum Grundkapital, aber nicht zu dem bei der Abstimmung vertretenen Grundkapital. Wo es auf das bei der Beschlußfassung vertretene Grundkapital ankommt — z. B. nach § 179 Abs. 2 •—, werden ihre Aktien nicht mitgezählt. Anders liegt es, wo eine Minderheit nach einer Quote des gesamten Grundkapitals berechnet wird, wie z. B. nach § 142 Abs. 2. Hier sind bei der Berechnung der Quote die eigenen Aktien der Gesellschaft dem gesamten Grundkapital zuzuzählen, wie auch bei der Berechnung der 1 0 % des Grundkapitals nach § 71 Abs. 1 S. 2. Für die Ausübung von Minderheitsrechten kommt die Gesellschaft selbst aber nicht in Betracht. Sie kann ein Stimmrecht aus eigenen Aktien auch nicht durch einen Legitimationsaktionär (§ 68 Anm. 25) ausüben lassen. Umgekehrt kann sie aber als Legitimationsaktionärin ein fremdes Stimmrecht ausüben, was in § 1 3 5 Abs. 7 S. 1 i. V . m. Abs. 1 S. 2 anerkannt ist (Anm. 5). Die Gesellschaft hat kein Recht auf einen Gewinnanteil. Schon bei der Festsetzung des an die einzelnen Aktionäre auszuschüttenden Gewinnanteils bleiben ihre eigenen Aktien unberücksichtigt, so daß es zu einem aus der Festsetzung für sie entstehenden Gläubigerrecht (§ 58 Anm. 32) gar nicht erst kommen kann. D a ihr keine Rechte aus der Aktie zustehen, läßt sich auch nicht annehmen, daß sie befugt sei, Gewinnanteilscheine von der Aktie zu lösen und zu veräußern. Der Erwerber müßte sich den Mangel dieser Befugnis entgegenhalten lassen (§ 58 Anm. 36). Dagegen kann es vorkommen, daß vor dem Erwerb der A G schon Gewinnanteile gelöst worden sind, und daß sie überhaupt die Aktie ohne Gewinnanteilscheine erwirbt. I n solchem Fall ist der Inhaber des Anteilscheins der Berechtigte und als solcher zu berücksichtigen (a. M . Godin-Wilhelmi Anm. 21). Die Gesellschaft hat kein Bezugsrecht. Das unmittelbare ist ihr schon dadurch verschlossen, daß sie nicht eigene Aktien zeichnen kann (Anm. 3). Aber auch ein mittelbares Bezugsrecht läßt sich ihr nicht einräumen, indem die Bank, die die Zeichnungen übernimmt, sich verpflichtete, ihre Aktien zum Bezüge anzubieten (herrsch. Ansicht). Das wäre nicht nur damit unvereinbar, daß ihr keine Rechte aus der Aktie zustehen, sondern auch mit dem Sinn und Zweck des ganzen § 7 1 . D a ihr kein Bezugsrecht zusteht, so kann sie auch keines veräußern. Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erhält sie aber, wie § 2 1 5 Abs. 1 auch ausdrücklich bestimmt, den auf sie entfallenden Anteil an neuen Aktien. Uber die Gründe für diese scheinbare Ausnahme vgl. Anm. 3.

564

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 71

Anm. 43—45

Die Gesellschaft hat auch keinen Anteil am Abwicklungsüberschuß (so schon R G 103, 66). Wohl aber kann die A G die eigenen Aktien veräußern, womit alle Rechte daraus aufleben.

Anm. 43 3. Die Rechte bei Verpfändung der Aktie Hierüber sagt das Gesetz unmittelbar nichts. Es gilt insoweit der Grundsatz, daß bei wirksamer Verpfandung eigener Aktien die dem Verpfander zustehenden Rechte aus der Aktie unberührt bleiben. Dem Verpfander verbleibt also das Stimmrecht, das Recht auf den Gewinnanteil und das Bezugsrecht. Es kann bei der Pfandrechtsbestellung auch nicht durch eine zusätzliche Vereinbarung bestimmt werden, daß für die Zeit der Pfandbestellung der Gesellschaft das Stimmrecht und das Bezugsrecht zustehen soll. Das wäre ein Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften des § 136 Abs. 2 und gegen den allgemeinen ebenfalls zwingenden aktienrechtlichen Grundsatz, daß die Gesellschaft ihre eigenen Aktien nicht als Zeichner und nicht in Ausübung eines Bezugsrechts übernehmen kann. Anders ist es mit dem Anspruch auf den Gewinnanteil; dieser kann mitverpfändet werden (§§ 1274, 1296 BGB), weil dadurch eine zwingende aktienrechtliche Vorschrift nicht verletzt wird. Ist die Inpfandnahme unwirksam, so tritt überhaupt keine Rechtsverschiebung ein. Über die selbständige Verpfändbarkeit des Anspruchs auf den Gewinnanteil s. Anm. 32.

Anm. 44 4. Die Rechte des abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens Hat ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen f ü r eigene Rechnung Aktien der herrschenden oder Mehrheitsgesellschaft erworben, so stehen ihm grundsätzlich die Rechte aus den Aktien zu. Das ist bisher auch in der Rechtsprechung angenommen worden ( R G 103, 67; 1 1 5 , 2 5 3 ; 149, 3 1 1 ) . Der Erwerb muß aber nach Abs. 4 in Verbindung mit den Absätzen 1 — 3 wirksam sein. Ist er unwirksam, so sind Eigentümer der Aktien die Veräußerer geblieben, ihnen stehen also die Aktienrechte zu. Das abhängige oder in Mehrheitsbesitz befindliche Unternehmen ist jedoch, auch wenn ihm die Aktienrechte an sich zustehen, an der Ausübung einzelner dieser Rechte gehindert. Nach § 56 Abs. 2 darf es das Bezugsrecht, auch das mittelbare, nicht ausüben (§ 56 A n m . 9); es darf aber das Bezugsrecht durch Veräußerung verwerten. A n einer Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln nimmt es ebenso wie die A G mit eigenen Aktien teil. Nach § 136 Abs. 2 kann das abhängige Unternehmen das Stimmrecht nicht ausüben, wohl aber das nur in Mehrheitsbesitz befindliche. Die Begründung hierfür liegt darin (vgl. Anm. 4 1 ) , daß das letztere Unternehmen in der Ausübung des Stimmrechts frei ist.

Anm. 45 5. Die Rechte der für Rechnung der Gesellschaft handelnden Aktionäre Insoweit gibt Abs. 6 Satz 2 eine ausdrückliche Regelung. Für die Anwendung dieser Bestimmung ist es gleichgültig, ob der andere die Aktien nach Abs. 5 zulässigerweise erworben hat und das zugrundeliegende Rechtsgeschäft zwischen ihm und der A G gültig ist, oder ob er sie unzulässigerweise erworben hat und das Rechtsgeschäft nichtig ist. Indem das Gesetz für diese Aktien das „gleiche" gelten läßt wie f ü r die in Satz 1 genannten Aktien, kann es nicht meinen, daß auch aus ihnen der Gesellschaft, sondern nur, daß aus ihnen dem Erwerber keine Rechte zustehen (vgl. für das Stimmrecht noch § 136 Abs. 2). Was in § 56 Abs. 1 Satz 3 für den ursprünglichen Erwerb bestimmt ist, wird hier f ü r den abgeleiteten Erwerb angeordnet. Auch im übrigen ist Gleichheit der Rechtsstellung dessen, der für Rechnung der A G erworben hat, bei abgeleitetem und

565

§ 71 § 72 A n m . 1

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

ursprünglichem Erwerb anzunehmen. Die Wirksamkeit des Erwerbs ist nicht davon abhängig, ob die Aktien vollbezahlt sind oder nicht. D a ß der auf Rechnung der A G Erwerbende auch bei abgeleitetem Erwerb für Einlagerückstände haftet, ergi&fc. sich schon aus § 54 und bedurfte hier keiner nochmaligen Hervorhebung. Auch beim albgeleiteten Erwerb tritt er in den vollen Genuß der Aktionärrechte, sobald er durch neuen Vertrag mit der A G das bisherige Rechtsverhältnis beendet hat (§ 56 Anm. 5) und nunmehr die Aktie für eigene Rechnung besitzt (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 6 5 Anm. 35). Wer Aktien der herrschenden Gesellschaft für Rechnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens durch abgeleiteten Erwerb erworben hat, ist im Genuß der Rechte nicht beschränkt; nur das Stimmrecht kann er, wenn er für Rechnung eines abhängigen Unternehmens erworben hat, nach § 136 Abs. 2 nicht ausüben. Bei ursprünglichem Erwerb liegt es nach § 56 Abs. 1 anders (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 65 Anm. 36).

§

72

K r a f t l o s e r k l ä r u n g von Aktien i m A u f g e b o t s v e r f a h r e n

(1) Ist eine Aktie oder ein Zwischenschein abhanden gekommen oder vernichtet, so kann die Urkunde im Aufgebotsverfahren nach der Zivilprozeßordnung für kraftlos erklärt werden. § 799 Abs. 2 und § 800 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten sinngemäß. (2) Sind Gewinnanteilscheine auf den Inhaber ausgegeben, so erlischt mit der Kraftloserklärung der Aktie oder des Zwischenscheins auch der Anspruch aus den noch nicht fälligen Gewinnanteilscheinen. (3) Die Kraftloserklärung einer Aktie nach §§ 73 oder 226 steht der Kraftloserklärung der Urkunde nach Absatz 1 nicht entgegen. Ubei

Einleitung 1. Das Aufgebotsverfahren 2. Das Ausschlußurteil 3. Die Ausstellung einer Ersatzurkunde

Anm. 1 2 3 4

icht Anm.

4. Die Zahlungssperre 5. Der Gewinnanteilschein 6. Zwingender Charakter des § 72 7. Verhältnis zu §§ 73, 226

5 6, 7 8 9

Anm. 1 Einleitung Nach § 946 Z P O findet ein gerichtliches Aufgebotsverfahren mit der Wirkung, daß die Unterlassung der Anmeldung einen Rechtsnachteil zur Folge hat, nur in den gesetzlich bestimmten Fällen statt. Es bedurfte daher einer besonderen gesetzlichen Bestimmung, um das Aufgebotsverfahren für abhanden gekommene oder vernichtete Aktien und Zwischenscheine zulässig zu machen. § 799 BGB gilt unmittelbar nur für Schuldverschreibungen auf den Inhaber; für Namensaktien und Zwischenscheine hätte es an jeder Bestimmung über die Zulässigkeit des Aufgebotsverfahrens gefehlt, wenn nicht § 228 H G B Vorsorge getroffen hätte. § 66 A k t G 37 hat § 228 H G B ohne sachliche Änderung übernommen. § 72 A k t G 65 hat den Abs. 2 unverändert gelassen und im Abs. 1 zur Klarstellung bestimmt, daß mit dem Aufgebotsverfahren das „nach der Zivilprozeßordnung" gemeint sei, und zum anderen die Möglichkeit gestrichen, durch Bestimmung in der Aktie die Kraftloserklärung auszuschließen. Letzteres ist zwar eine A b weichung von der Regelung des § 799 BGB für Inhaberschuldverschreibungen; sie ist aber kaum bedeutungsvoll, weil die Praxis den Ausschluß des Aufgebotsverfahrens bei

566

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 72 A n m . 2, 3 Aktien nicht kannte. Neu aufgenommen ist der Abs. 3, der das Verhältnis des § 72 zur Kraftloserklärung gemäß §§ 73, 226 regelt und bestimmt, daß das gewissermaßen generelle Ausschlußveifahren ganzer Aktienpartien, wie es in §§ 73, 226 geregelt ist, dem speziellen Ausschlußverfahren einzelner abhanden gekommenen und vernichteten Urkunden nicht entgegensteht. Wegen des Begriffs „vernichtet", vgl. § 74 Anm. 2. Für die Konsolidierung der Verhältnisse, die durch die umfangreichen Verluste an Aktienurkunden im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg aufgetreten sind, gibt das Wertpapierbereinigungsgesetz von 19. August 1949 (mit Wertpapierbereinigungsschlußgesetz v. 28. Januar 1964) eine Sonderregelung, neben der § 72 keine Anwendung findet. Anm. 2 1. D a s A u f g e b o t s v e r f a h r e n Die Kraftloserklärung auf Grund des Aufgebotsverfahrens ist bei Inhaber- und Namensaktien sowie bei Zwischenscheinen zulässig, bei diesen beiden auch dann, wenn sie nicht in blanco indossiert sind (Denkschrift 1897 S. 149). Das Verfahren ist in den §§ 1003fr. ZPO geregelt. Antragsberechtigt ist bei Inhaberaktien sowie bei Namensaktien (und Zwischenscheinen), die in blanco indossiert sind, derjenige, der vor dem Abhandenkommen oder der Vernichtung der Inhaber war (Baumbach-Hueck Rn. 4; a. M. Ritter § 66 Anm. 2 b). Ist eine Inhaberaktie bei der Ausgabe auf dem Wege zum ersten Aktionär verlorengegangen, so hat sie noch keinen Inhaber gehabt. Es bedarf alsdann auch keines Aufgebotsverfahrens (Düringer-Hachenburg-Flechtheim §228 Anm. 3; a. M. Baumbach-Hueck Rn. 4). Denn die Urkunde ist nicht mit Willen der Gesellschaft in den Verkehr gelangt, § 794 BGB ist auf sie nicht anwendbar (§ 10 Anm. 5); sie ist rechtlich bedeutungslos, namentlich ungeeignet, einen gutgläubigen Erwerber zum Aktionär zu machen. Bei Namensaktien (und Zwischenscheinen), die nicht in blanco indossiert sind, ist antragsberechtigt derjenige, den die Urkunde als Berechtigten ausweist, oder der das Recht durch Abtretung erworben hat. Die Eintragung im Aktienbuch (§ 67 Abs. 2) ist hier nicht entscheidend (herrsch. Ansicht; a. M. Staub-Pinner § 228 Anm. 1). Denn es handelt sich hier nicht nur um das Verhältnis des Aktionärs zur Gesellschaft. Demgemäß ist antragsberechtigt nach § 1004 ZPO der Berechtigte, nicht der durch das Aktienbuch gegenüber der Gesellschaft Legitimierte. Gerade das Ausschlußurteil kann ihn, wenn er nicht im Aktienbuch eingetragen ist, in die Lage bringen, sich eintragen zu lassen. Die Gesellschaft ist nach § 79g Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Antragsteller mit Auskünften und Zeugnissen behilflich zu sein. Der Antrag kann nach § 947 ZPO schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Zuständig ist nach § 1005 ZPO das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft. Nach § 1007 ZPO hat der Antragsteller entweder eine Abschrift der Urkunde beizubringen oder ihren wesentlichen Inhalt und alles anzugeben, was zu ihrer vollständigen Erkennbarkeit erforderlich ist (Nummer!), den Verlust und die Grundlagen seiner Antragsberechtigung glaubhaft zu machen, sich auch zur eidesstattlichen Versicherung der Wahrheit seiner Angaben zu erbieten. Anm. 3 2. D a s A u s s c h l u ß u r t e i l In dem Ausschlußurteil wird die Urkunde für kraftlos erklärt (§ 1017). Derjenige, der das Ausschlußurteil erwirkt hat, kann nach § 1 0 1 8 ZPO gegenüber der Gesellschaft die Rechte aus der Urkunde geltend machen. Er kann sich also, wenn es sich um eine Namensaktie oder einen Zwischenschein handelt und er noch nicht im Aktienbuch eingetragen war, nunmehr eintragen lassen (Anm. 2). Die Wertpapiereigenschaft der etwa noch vorhandenen Urkunde ist vernichtet, auch wenn sie sich in Händen eines gutgläubigen Erwerbers befindet. Aber es ist auch nicht mehr als das vernichtet, weder das — ohne die Urkunde entstandene — Anteilrecht als solches (wie bei der Einziehung nach § 237) noch die Berechtigung des bisherigen Aktionärs (wie bei der Kraftloserklärung nach

567

§72

Anm. 4—6

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

§ 226 und der Kaduzierung nach § 64). War in Wirklichkeit ein anderer als der Antragsteller der Aktionär, war er es auch nur zwischen dem Abhandenkommen und der K r a f t loserklärung der Urkunde durch gutgläubigen Erwerb geworden, so hindert ihn das Ausschlußurteil nicht, gegen den, der es erwirkt hat, sein Recht geltend zu machen. E r kann von diesem auf der Grundlage des § 952 B G B die Herausgabe der etwa schon ausgestellten neuen Urkunde (Anm. 4) und nötigenfalls nach § 67 Abs. 2 die Zustimmung zur Berichtigung des Aktienbuchs verlangen. Sein Recht geht aber unter, wenn es mittels der neuen Urkunde von einem andern gutgläubig erworben wird (ebenso DüringerHachenburg-Flechtheim § 228 Anm. 4 ; Godin-Wilhelmi Anm. 5).

Anm. 4 3. Die Ausstellung einer Ersatzurkunde Derjenige, der das Ausschlußurteil erwirkt hat, kann von der Gesellschaft nach § 800 B G B auf seine Kosten die Ausstellung einer Ersatzurkunde verlangen. Die von manchen (Staub-Pinner § 2 2 8 Anm. 2 ; Teichmann-Koehler §66 Anm. 2) vertretene Ansicht, daß er bis dahin das Recht nicht abtreten könne, ist unbegründet. E r kann es, wenn er der Berechtigte ist, wirksam ebenso abtreten wie in der Zeit, wo noch keine U r kunde ausgegeben worden war (§ 10 Anm. 2 ; ebenso Brodmann § 228 Anm. 2 a ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 228 Anm. 4 ; Godin-Wilhelmi Anm. 5). Dagegen ist vor dem Erlaß des Ausschlußurteils eine Übertragung allerdings nicht möglich, weil die Urkunde noch wirksam, aber nicht zur Stelle ist ( R G 84, 3 1 4 ; Godin-Wilhelmi a. a. O.).

Anm. 5 4. Die Zahlungssperre Beim Verlust von Inhaberaktien kann der Antragsteller nach § 1 0 1 9 Z P O eine Zahlungssperre herbeiführen. Auf Namensaktien (und Zwischenscheine), die mit Blankoindossament versehen sind, trifft das nicht zu (Stein-Jonas-Schönke § 1 0 1 9 Z P O Anm. I ; a. M . Wieczorek Z P O § 1 0 1 9 Anm. A I I b und v. Rottenburg, Inhaber- und Namensaktien im deutschen und amerikanischen Recht S. 49 fr.).

Anm. 6 5. Der Gewinnanteilschein Nach Abs. 2 des § 72 erstreckt sich die Kraftloserklärung auch auf die bereits ausgegebenen Gewinnanteilscheine, die auf den Inhaber lauten und bis zum Ausschlußurteil noch nicht fällig geworden waren (dazu R ü g e J W 1 9 3 1 , 3058). Bei ihnen wird, da sie Inhaberschuldverschreibungen mit konstitutiver Wertpapiereigenschaft sind, durch die Kraftloserklärung nicht nur die Legitimationskraft der Urkunde, sondern auch das verbriefte Recht selbst vernichtet. Die Vernichtung erstreckt sich folgerichtig auch auf den Erneuerungsschein. Derjenige, der das Ausschlußurteil erwirkt hat, erhält mit der neuen Urkunde auch die neuen Gewinnanteilscheine nebst Erneuerungsschein. Anders steht es jedoch mit den bereits fällig gewordenen Gewinnanteilscheinen, die auf den Inhaber lauten. Diese bleiben nach der Regel des § 803 B G B in K r a f t , sofern sie nicht eine gegenteilige Bestimmung enthalten. Wo Gewinnanteilscheine vorkommen sollten, die auf den Namen lauten, werden sie von der Kraftloserklärung der Aktie nicht mitbetroffen, auch insoweit sie noch nicht fällig sind. Solche Gewinnanteilscheine werden nicht als Wertpapiere (Rektapapiere) anzusehen sein, sondern als qualifizierte Legitimationspapiere (§ 808 BGB). Die Gesellschaft kann mit befreiender Wirkung an den Inhaber leisten, dieser kann aber die Leistung nicht verlangen. Der Aktionär kann sich bei ihnen gegen Mißbrauch durch eine Anzeige an die Gesellschaft schützen; eine solche Anzeige darf die Gesellschaft nach § 242 B G B nicht unbeachtet lassen, wenn sie dadurch instandgesetzt wird, dem Vorzeiger des Gewinnanteilscheins den Mangel seines Rechts zu beweisen. Uber die Unzulässigkeit der Kraftloserklärung von Gewinnanteilscheinen s. A n m . 7.

568

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 72 A n m . 7—9 §73 Anm. 7 Für Gewinnanteilscheine ist in § 72 kein selbständiges Aufgebotsverfahren zugelassen. Lauten sie auf den Inhaber, so bietet das Verfahren nach § 804 BGB einen gewissen Ersatz (§ 58 Anm. 36). Lauten sie auf den Namen, so können sie als qualifizierte Legitimationspapiere nach § 808 Abs. 2 Satz 2 BGB im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. Anm. 8 6. Zwingender Charakter des § 72 Die Regelung des § 72 ist heute zwingend. Während nach § 66 Abs. 1 AktG in Ubereinstimmung mit § 799 BGB die Kraftloserklärung durch entsprechende Bestimmung in der Urkunde ausschließbar war, ist nunmehr Abs. 1 zwingend gestaltet. Weder durch die Satzung noch durch eine Bestimmung auf der Aktienurkunde oder dem Zwischenschein kann die Kraftloserklärung ausgeschlossen werden. Die praktische Bedeutung dieser gesetzlichen Änderung ist allerdings nicht sehr groß, weil die Praxis von der Ausschlußmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hatte. Mit dieser Regelung ist dann gleichzeitig auch eine Erschwerung des Aufgebotsverfahrens untersagt, weil diese Erschwerung nur ein Schritt zum Ausschluß hin ist, dem § 23 Abs. 5 entgegensteht. Auch ist es, worüber bereits unter der früheren Fassung des Gesetzes Einverständnis bestand, unzulässig, das Aufgebotsverfahren durch die Satzung oder durch eine in die Urkunde aufgenommene Bestimmung gegenüber den gesetzlichen Formen zu erleichtern (Schlegelberger-Quassowski § 66 Anm. 2; Godin-Wilhelmi Anm. 3; BaumbachHueck Rn. 8; a. M. Staub-Pinner § 228 Anm. 5; offen gelassen bei Teichmann-Köhler § 66 Anm. 1). Anm. 9 7. Verhältnis zu §§ 73, 226 Eine Kraftloserklärung mit der gleichen Folge wie § 72, nämiich daß nur die Aktienurkunde, nicht aber das Aktienrecht betroffen ist, regeln die §§ 73, 226, einmal für den Fall, daß die Aktien unrichtig geworden sind, und zum anderen für den Fall, daß das Grundkapital herabgesetzt wird. Abs. 3 bestimmt, daß das wegen Abhandenkommens oder Vernichtung der Urkunde mögliche Aufgebotsverfahren des einzelnen Aktionärs durch Kraftloserklärung seitens der Gesellschaft gemäß §§ 73, 226 nicht berührt wird. Das beruht darauf, daß der einzelne Aktionär, wenn er gemäß § 73 Abs. 3 die neuen Aktien oder gemäß § 226 Abs. 3 den Versteigerungserlös herausverlangt, seine Legitimation nachweisen muß. Dazu ist bei Inhaberaktien stets und bei Namensaktien und Zwischenscheinen, sofern ein Löschungsverfahren notwendig ist (§ 67 Anm. 7ff.), häufig die Vorlage der Aktienurkunde erforderlich. Sie kann, wenn die Aktie abhanden gekommen oder vernichtet ist, nur durch ein Ausschlußurteil ersetzt werden. Der Aufgebotsrichter kann also ein Ausschlußurteil nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses ablehnen, wenn die Aktie zwischenzeitlich von der Gesellschaft wegen Unrichtigkeit oder Kapitalherabsetzung für kraftlos erklärt worden ist, sondern muß ein zur Sache entscheidendes Urteil erlassen.

§ 73

K r a f t l o s e r k l ä r u n g v o n A k t i e n d u r c h die G e s e l l s c h a f t

(1) Ist der Inhalt von Aktienurkunden durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden, so kann die Gesellschaft die Aktien, die trotz Aufforderung nicht zur Berichtigung oder zum Umtausch bei ihr eingereicht sind, mit Genehmigung des Gerichts für kraftlos erklären. Beruht die Unrichtigkeit auf einer Änderung des Nennbetrags der Aktien, so können sie nur dann für kraftlos erklärt werden, wenn der Nennbetrag zur Herab37

Aktiengesetz I, 3. Aufl.

569

§ 73

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1, 2 Setzung des Grundkapitals herabgesetzt ist. Namensaktien können nicht deshalb für kraftlos erklärt werden, weil die Bezeichnung des Aktionärs unrichtig geworden ist. Gegen die Entscheidung des Gerichts ist die sofortige Beschwerde zulässig; eine Anfechtung der Entscheidung, durch die die Genehmigung erteilt wird, ist ausgeschlossen. (2) Die Aufforderung, die Aktien einzureichen, hat die Kraftloserklärung anzudrohen und auf die Genehmigung des Gerichts hinzuweisen. Die Kraftloserklärung kann nur erfolgen, wenn die Aufforderung in der in § 64 Abs. 2 für die Nachfrist vorgeschriebenen Weise bekanntgemacht worden ist. Die Kraftloserklärung geschieht durch Bekanntmachung in den Gesellschafts blättern. In der Bekanntmachung sind die für kraftlos erklärten Aktien so zu bezeichnen, daß sich aus der Bekanntmachung ohne weiteres ergibt, ob eine Aktie für kraftlos erklärt ist. (3) An Stelle der für kraftlos erklärten Aktien sind neue Aktien auszugeben und dem Berechtigten auszuhändigen, oder, wenn ein Recht zur Hinterlegung besteht, zu hinterlegen. Die Aushändigung oder Hinterlegung ist dem Gericht anzuzeigen. (4) Soweit zur Herabsetzung des Grundkapitals Aktien zusammengelegt werden, gilt § 226. Ubersicht Anm.

Anm.

I. Einleitung

i

a. Voraussetzungen der Kraftloserklärung

2

3. Durchführung der Kraftloserklärung

3, 4

4. Ausgabe von Ersatzurkunden

5

5. Kraftloserklärung nach § 226

6

Anm. 1 1. Einleitung Die Vorschriften des § 73 entstammen dem Gesetz über die Kraftloserklärung von Aktien v o m 20. Dezember 1934 (RGBl. I 1254). Dieses Gesetz sowie die am selben T a g e d a z u ergangene Durchfuhrungsverordnung ( R G B l . I 1254) sind durch § 2 0 EinfG z. A k t G 37 aufgehoben worden. Der Inhalt des Gesetzes ist in § 67 A k t G 37,der der D u r c h f V O ist im wesentlichen in den §§ 145 und 146 F G G in der Fassung des § 26 E i n f G z. A k t G 37 aufgegangen. Der Wortlaut des § 67 ist in Abs. 2 Satz 2 durch Bekanntmachung des Reichsministers der Justiz v o m 11. M a i 1937 ( R G B l . I 588) berichtigt worden. N a c h den Eingangsworten des Gesetzes von 1934 sollte die Befreiung des Verkehrs von unrichtig gewordenen Aktienurkunden gefördert und damit schon vor der allgemeinen Reform des Aktienrechts eine Bereinigung aktienrechtlicher Verhältnisse angebahnt werden (vgl. die Erläuterungen von Herbig DJ 1935, 112). Die V o r schriften sind als Dauereinrichtung beibehalten und mit einigen kleineren Zusätzen und geringfügigen Abänderungen in § 73 A k t G 65 übernommen. In Abs. 1 sind lediglich die beiden letzten Halbsätze eingefugt, und z w a r durch die Ausschüsse entsprechend ihrer Grundhaltung, die Beschwerdefahigkeit überall dort z u regeln, w o eine Entscheidung im freiwilligen Gerichtsverfahren vorgesehen ist (vgl. § 33 A n m . 1). Die Regelung entspricht dem geltenden Recht (§§ 146 Abs. 2, 145 Abs. 1, 146 Abs. 3 F G G ) . In Abs. 2 ist neben geringfügigen Änderungen des Wortlauts die Bestimmung des S. 4 aufgenommen, wonach die für kraftlos erklärten Aktien in der Bekanntmachung so genau bezeichnet werden müssen, d a ß sich ihre Identität ohne weiteres ergibt.

Anm. 2 2. Voraussetzungen der Kraftloserklärung Vorausgesetzt wird, daß der Inhalt von Aktienurkunden durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden ist. Dahin gehören Änderung von Vorrechten einer Aktiengattung (§§ 11, 179 Abs. 3), von Nebenverpflichtungen (§§55, 180) U m -

570

Dritter T e i l : Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz)

§ 73

Anm. 3, 4 Wandlung von Namensaktien in Inhaberaktien und umgekehrt (§ 24 A n m . 7), Firmenänderung, Sitzverlegung u. dgl. Das Gesetz hebt einen Fall hervor, nämlich Änderung des Nennbetrags der Aktien. Das war eine besonderere durch die Umstellung auf Goldmark veranlaßte Erscheinung. In diesem Fall wird aber die Kraftloserklärung nur dann zugelassen, wenn der Nennbetrag zur Herabsetzung des Grundkapitals herabgesetzt worden ist (§ 222 Abs. 4 Nr. 1). Diese „ D e n o m i n a t i o n " wirkt z w a r auch ohne Kraftloserklärung; es empfiehlt sich aber, Aktienurkunden mit nicht mehr zutreffenden Nennbetragsziffern aus dem Verkehr z u ziehen. Dagegen ist § 73 nicht z u m Z w e c k einer neuen Stückelung (§ 8 A n m . 13) anwendbar. — W e g e n der Regelung, die anläßlich der Umstellung der W ä h r u n g von R M auf D M notwendig geworden ist, vgl. § 54 D M B i l G . Nicht zugelassen wird die Kraftloserklärung von Namensaktien, wenn sie nur darin unrichtig geworden sind, d a ß die Bezeichnung des Aktionärs nicht mehr zutrifft. In solchem Fall besteht für eine Kraftloserklärung kein Bedürfnis. Die Gesellschaft hat sich nach § 67 Abs. 2 an das Aktienbuch zu halten, wegen Löschung und Umschreibung vgl. § 67 A n m . 7 ff. und § 68 A n m . 16 ff.

Anm. 3 3. Durchführung der Kraftloserklärung O b das Verfahren eingeleitet werden soll, ist eine Frage der Geschäftsführung und vom Vorstand zu entscheiden. Das Recht auf gleichmäßige Behandlung (§ 1 A n m . 36, § 63 A n m . 5, § 64 A n m . 8) fordert auch hierbei, d a ß gegen alle in gleicher L a g e befindlichen Aktionäre gleichmäßig vorgegangen wird (Schlegelberger-Quassowski § 67 A n m . 3; Baumbach-Hueck R n . 4; a. M . Ritter § 67 A n m . 2 b). Andernfalls hat das Gericht seine Genehmigung, deren es z u diesem Verfahren bedarf, z u versagen. W i r d sie dennoch erteilt, so kann sie, da sie unanfechtbar ist (§ 146 Abs. 3 F G G ) , der einzelne Aktionär also keinen Schutz dagegen hat, ein ungleichmäßiges Verfahren nicht wirksam machen. Zuständig für die Genehmigung ist das Amtsgericht des Sitzes (§ 145 Abs. 1 F G G , § 14 A k t G ) . W i r d sie versagt, so hat die Gesellschaft dagegen das Recht der sofortigen Beschwerde •— das ist jetzt in Abs. 1 S. 4 ausdrücklich gesagt (Anm. 1), ergibt sich aber auch aus § 146 Abs. 2 F G G — gegebenenfalls der sofortigen weiteren Beschwerde (§§ 27, 29 Abs. 2 F G G ) . Ist die Genehmigung erteilt, so hat die Gesellschaft die Aufforderung zur Einreichung der unrichtig gewordenen Urkunden zu erlassen und dabei unter Hinweis auf die Genehmigung des Gerichts die Kraftloserklärung anzudrohen. Dies geschieht nach den V o r schriften des § 64 Abs. 2. Es m u ß also eine Frist gesetzt, die Frist mit der Androhung m u ß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden und zwar so, d a ß die erste Bekanntmachung mindestens drei Monate, die letzte mindestens einen M o n a t vor Fristablauf ergeht (vgl. § 64 A n m . 6). Die Fassung des § 73 Abs. 2 bringt nunmehr auch klar z u m Ausdruck — statt „ A u f f o r d e r u n g nach § 58 Abs. 2 " nunmehr „ A u f forderung in der in § 64 Abs. 2 für die Nachfrist vorgeschriebenen Weise" •—• d a ß bei gebundenen Namensaktien an Stelle der öffentlichen Bekanntmachung durch die Gesellschaftsblätter die einmalige Einzelaufforderung mit einmonatiger Frist genügen soll (so früher schon Schlegelberger-Quassowski § 6 7 A n m . 4; Herbig DJ 1935, 115). Werden Urkunden zwar nach Fristablauf, aber noch vor der Kraftloserklärung eingereicht, so werden sie nicht mehr für kraftlos erklärt, sondern in berichtigte umgetauscht.

Anm. 4 Die trotz Aufforderung nicht eingereichten Urkunden werden — wie nicht besonders gesagt ist, aber sich in entsprechender A n w e n d u n g des § 64 Abs. 3 von selbst versteht — durch eine neue, einmalige Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern für kraftlos erklärt; mit der Bekanntmachung im letzten Gesellschaftsblatt wird die Kraftloserklärung wirksam. Das Gericht kann seine Genehmigung nun nicht mehr nach § 18 F G G ändern (Schlegelberger-Quassowski § 67 A n m . 3; vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 der aufgehobenen D V O v o m 20. Dezember 1934). Die Kraftloserklärung trifft ebenso wie die nach § 72 (Anm. 3 das.) 37'

571

§73 A n m . 5, 6

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft

nur die U r k u n d e , nicht das Anteilrecht oder dessen Träger. W e r Berechtigter war, bleibt es mit d e m bisherigen Inhalt des Rechts. D a s Gesetz sagt nichts darüber, ob die Kraftloserklärung a u c h die Gewinnanteilscheine ergreift. D i e Mehrheit der Schriftsteller nimmt das an, z u m mindesten für die noch nicht falligen Gewinnanteilscheine und den Erneuerungsschein (Schlegelberger-Quassowski § 67 A n m . 4 ; Godin-Wilhelmi A n m . 8; Baumbach-Hueck R n . 6; H e r b i g DJ 1935, 115). Soviel ist sicher, d a ß der A n s p r u c h a u f Gewinnanteil, soweit er v o n der V e r ä n d e r u n g der rechtlichen Verhältnisse betroffen wird, nur g e m ä ß dieser Ä n d e r u n g geltend gemacht werden kann (§ 58 A n m . 30). D a das Gesetz unrichtige U r k u n d e n aus d e m V e r k e h r entfernen will, so wird a n z u n e h m e n sein, d a ß die Kraftloserklärung a u c h auf die ausgegebenen und unrichtig gewordenen Gewinnanteilscheine und den Erneuerungsschein erstreckt werden kann, d a ß das aber in den A u f forderungen und in der Kraftloserklärung selbst z u m Ausdruck k o m m e n m u ß , und d a ß derjenige, dem das R e c h t zusteht, den U m t a u s c h in gültige Scheine, entsprechend Abs. 3, von der A G verlangen kann. A b s . 2 S. 4 verlangt nunmehr, d a ß die für kraftlos erklärten A k t i e n in der die K r a f t loserklärung aussprechenden Bekanntmachung so genau bezeichnet werden müssen, d a ß sich aus der Bekanntmachung ohne weiteres ergibt, ob eine A k t i e für kraftlos erklärt ist. W i e die Begründung z u R e g E (bei K r o p f f S. 94) z u m Ausdruck bringt, soll ein A k t i o n ä r ohne weitere Nachforschung allein aus der Bekanntmachung entnehmen können, ob die Kraftloserklärung seine A k t i e n erfaßt. D a s wird wohl k a u m jemals ohne A n g a b e der Stückenummern g e h e n ; ihre A n g a b e wird aber andererseits stets genügen. A u f die A n gabe der Stückenummern kann nach der Begründung nur verzichtet werden, „ w e n n sich aus anderen in der Bekanntmachung enthaltenen A n g a b e n einwandfrei die für kraftlos erklärten A k t i e n feststellen lassen".

Anm. 5 4. Ausgabe von Ersatzurkunden Der Berechtigte hat, wie n a c h § 800 B G B und nach § 72 A k t G , einen A n spruch auf eine Ersatzurkunde, die natürlich den richtigen Inhalt h a b e n m u ß . Bei Namensaktien h a t den Anspruch nur der i m A k t i e n b u c h Eingetragene, d a es sich hier — anders als i m Fall des § 72 ( A n m . 2 das.) — nur u m das Verhältnis des Aktionärs z u r A G handelt, v o n der die Kraftloserklärung ausgeht. D a ß der Eingetragene a u c h in der L a g e sein müsse, die alte U r k u n d e vorzulegen (so SchlegelbergerQuassowski § 67 A n m . 5, anscheinend a u c h Godin-Wilhelmi A n m . 2), ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Es würde a u c h eine überflüssige Erschwerung jedenfalls d a n n bedeuten, w e n n ein Löschungsverfahren ansteht (§ 72 A n m . 9). Bei Inhaberaktien m a g der Besitz der alten U r k u n d e die Legitimation z u m E m p f a n g der neuen erleichtern; unbedingtes Erfordernis ist er auch dort nicht. Die Gesellschaft hat a u c h nicht abzuwarten, bis der Berechtigte eine neue U r k u n d e verlangt. Sie hat diese ihrerseits d e m Berechtigten auszuhändigen, also zunächst anzubieten. Ist er im V e r z u g e der A n n a h m e , oder liegt in seiner Person ein anderer Hinderungsgrund vor, oder ist seine Person, — was bei Inhaberaktien die R e g e l sein wird — n i c h t festzustellen, so hat die Gesellschaft das R e c h t z u r Hinterlegung (§ 372 BGB) und m u ß d e m g e m ä ß verfahren. V e r z i c h t e t sie auf das R e c h t der R ü c k n a h m e , so ist sie befreit (§ 378 B G B ) . Kosten der N e u a u s g a b e treffen den Berechtigten nicht, anders als in den Fällen der §§ 72, 74. Die A u s h ä n d i g u n g oder Hinterlegung ist dem Gericht anzuzeigen (Abs. 3 Satz 2). Dies kann v o m Gericht nach § 14 H G B , § 132 F G G , § 407 A k t G durch Ordnungsstrafen erz w u n g e n werden. D a ß das Gesetz hier nicht von einer „ A n m e l d u n g " , sondern v o n einer „ A n z e i g e " spricht, ist gleichgültig (Schlegelberger-Quassowski § 67 A n m . 5 ; GodinWilhelmi A n m . 9 ; H e r b i g DJ 1935, 1 1 5 ; a. M . Ritter § 67 A n m . 5 ; vgl. a u c h Saage D N o t Z 60, 578).

Anm. 6 5. Kraftloserklärung nach § 226 N e b e n der Kraftloserklärung in den Fällen des § 73 besteht i m Fall der Zusammenlegung von Aktien die Kraftloserklärung n a c h § 226. Beide Arten sind nach § 346 A b s . 7

572

Dritter Teil: Rechtsverhältnisse d. Gesellschaft u. Gesellschafter (Barz) § 73 § 74 A n m . 1—3 bei der Verschmelzung anwendbar, die nach § 226, wenn nach dem Umtauschverhältnis Aktien der übertragenden Gesellschaft zusammengelegt werden müssen, die nach § 73, wenn es keiner Zusammenlegung bedarf; eine Genehmigung des Gerichts ist dabei nicht erforderlich (§346 Abs. 7 S. 2). Entsprechendes gilt bei der Umwandlung (§§ 373» 382, 385 Abs. 2).

§

74:

Neue Urkunden an Stelle beschädigter teter Aktien oder Zwischenscheine

oder

verunstal-

I s t eine Aktie oder ein Zwischenschein s o beschädigt oder verunstaltet, daß die Urkunde z u m U m l a u f nicht m e h r geeignet i s t , s o kann der Berechtigte, w e n n der wesentliche Inhalt und die U n t e r s c h e i d u n g s m e r k m a l e der U r k u n d e noch sicher zu erkennen sind, v o n der Gesellschaft die Erteilung einer n e u e n Urkunde g e g e n Aushändigung der alten verlangen. Die Kosten hat e r zu t r a g e n u n d vorzuschießen.

Anm. 1 Die Vorschrift ist aus § 229 HGB übernommen und entspricht dem § 798 BGB. Sie gilt für Inhaber- wie Namensaktien und Zwischenscheine. Sie ist, von sprachlichen Änderungen abgesehen, unverändert dem § 68 AktG 37 entnommen. Anm. 2 Vorausgesetzt ist, daß die Urkunde so beschädigt oder verunstaltet ist, daß ihr die Eignung zum Umlauf fehlt, aber doch noch soweit lesbar ist, das sich ihr wesentlicher Inhalt und die Unterscheidungsmerkmale noch mit Sicherheit erkennen lassen. Ist das nicht mehr der Fall, so ist die Urkunde als „vernichtet" zu betrachten, und es bleibt nur der Weg der Kraftloserklärung nach § 72. Ist es aber der Fall, so kann die Erteilung einer neuen Urkunde verlangt werden, jedoch, wie das Gesetz hier ausdrücklich vorschreibt — vgl. § 73 Anm. 5 —•, nur gegen Aushändigung der alten Urkunde, die damit aus dem Verkehr verschwindet. Anm. 3 Das Verlangen kann „der Berechtigte" stellen. Das ist bei einer Inhaberaktie der Inhaber, bei einer Namensaktie oder einem Zwischenschein derjenige, auf dessen Namen die Urkunde ursprünglich oder durch Indossament lautet, oder der seinen auf Abtretung beruhenden Erwerb nachweisen kann. Man wird aber auch hier, im Gegensatz zu § 72 (vgl. § 72 Anm. 2, § 73 Anm. 5), bei Namensaktien und Zwischenscheinen verlangen müssen, daß der Berechtigte, wenn er nicht im Aktienbuch eingetragen ist, sich zuvor eintragen läßt. Zwar ist der Umtausch nur eine Äußerlichkeit ohne rechtliche Bedeutung. Immerhin handelt es sich dabei um die Ausübung eines Aktionärrechts, und nach § 67 Abs. 2 gilt nun einmal als Aktionär im Verhältnis zur Gesellschaft nur, wer als solcher im Aktienbuch eingetragen ist. Die Gesellschaft hat auch ein Interesse daran, daß der Inhalt des Aktienbuchs richtig ist; die Gelegenheit zur Berichtigung ist hier gegeben. Da die Urkunde noch soweit leserlich sein muß, daß sie die Grundlage für die Eintragung des Berechtigten ins Aktienbuch bilden kann, so besteht kein Grund, davon abzusehen (herrsch. Ansicht; a. M. Brodmann § 229 Anm. 1; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §229 Anm.). 573

§ 74 Anm. 4 § 75 Anm. 1—3

Erstes Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 4 A l l e Kosten — a u c h die mit der E i n t r a g u n g nach A n m . 3 zusammenhängenden — hat der Berechtigte z u tragen und vorzuschießen (vgl. § 72 A n m . 4, dagegen § 73 A n m . 5).

§

7 5

Neue Gewinnanteilscheine

Neue Gewinnanteilscheine dürfen an den Inhaber des Erneuerungsscheins nicht ausgegeben werden, wenn der Besitzer der Aktie oder des Zwischenscheins der Ausgabe widerspricht; sie sind dem Besitzer der Aktie oder des Zwischenscheins auszuhändigen, wenn er die Haupturkunde vorlegt. Anm. 1 D i e Vorschrift ist aus § 230 H G B ü b e r n o m m e n und entspricht d e m § 805 B G B . Sie ist inhaltlich d e m § 69 A k t G 37 entnommen.

Anm. 2 Es liegt i m Wesen des nur als Hilfspapier z u r Legitimation dienenden Erneuerungsscheins (§ 58 A n m . 39), d a ß er hinter d e m H a u p t p a p i e r zurückstehen m u ß . W o dessen Besitzer d e m widerspricht, d a ß neue Gewinnanteilscheine an den Inhaber des Erneuerungsscheins ausgehändigt werden, erweist sich die Legimationskraft des H a u p t p a p i e r s als die stärkere ( R G 77, 336; L Z 1916, 1007 7 ). G e g e n V o r l e g u n g der H a u p t u r k u n d e sind alsdann an deren Besitzer die neuen Gewinnanteilscheine auszuhändigen. U b e r die F r a g e der sachlichen Berechtigung w i r d damit nichts ausgemacht, sondern es wird nur ein einstweiliger Zustand geschaffen. Ist der Inhaber des Erneuerungsscheins im Verhältnis z u m Besitzer der H a u p t u r k u n d e — z. B. durch A b t r e t u n g — berechtigt, die neuen Gewinnanteile z u beziehen, so bleibt es i h m unbenommen, den Widerspruch des Besitzers der H a u p t u r k u n d e im K l a g e w e g e z u beseitigen oder, w e n n dieser die neuen Gewinnanteilscheine schon erhalten hat, deren Herausgabe z u verlangen. D i e K l a g e k a n n sich auf § 952 B G B , gegebenenfalls a u c h auf schuldrechtliche G r ü n d e stützen.

Anm. 3 D e r „Besitzer" des Hauptpapiers ist sowohl der unmittelbare als auch der mittelbare Besitzer, sofern er in der L a g e ist, das Papier der Gesellschaft auf deren V e r l a n g e n vorzulegen (ebenso Brodmann § 230 A n m . I ; Schlegelberger-Quassowski § 69 A n m . 1 ; B a u m b a c h - H u e c k R n . 2; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 3 0 A n m . ) . D i e E i n t r a g u n g i m A k t i e n b u c h (§ 67 A b s . 2) ist nicht Voraussetzung für die A n w e n d u n g des § 75, d a es sich hier nicht u m das Verhältins des Besitzers der H a u p t u r k u n d e z u r Gesellschaft, sondern u m sein Verhältnis z u m Inhaber des Erneuerungsscheins handelt (übereinstimmend Düringer-Hachenburg-Flechtheim a. a. O . ; Ritter § 69 A n m . 2; Schlegelberger-Quassowski a. a. O . ; B a u m b a c h - H u e c k a. a. O . ; a. M . Brodmann § 230 A n m . 2).

574

Vierter Teil Verfassung der Aktiengesellschaft Vorbemerkungen Die aktienrechtlichen Vorschriften des H G B §§ 231 ff. sahen eine zwingende Kompetenzverteilung zwischen den Organen nicht vor. Die Generalversammlung konnte alle Kompetenzen an sich ziehen. Sie hatte den Aufsichtsrat zu wählen; sie konnte sich aber auch die Bestellung des Vorstands vorbehalten. Sie konnte dem Vorstand in allen Geschäftsführungsfragen Weisungen erteilen oder den Abschluß von Geschäften von ihrer Zustimmung abhängig machen. Die Satzung konnte in allen diesen Beziehungen die gewünschten Regelungen vorsehen. Das galt auch für die Befugnisse des Aufsichtsrats. Das Gesetz sah ihn als Überwachungsorgan für die Geschäftsführung vor. Die Satzung konnte aber die entscheidende Geschäftsführungsbefugnis dem Aufsichtsrat verleihen. Dies geschah in der Regel nicht in der Weise, daß dem Aufsichtsrat die Geschäftsführung und dem Vorstand nur die Ausführung der für die Geschäftsführung gefaßten Beschlüsse des Aufsichtsrats übertragen wurde, sondern in der Weise, daß der Aufsichtsrat die Richtlinien für die Geschäftspolitik festzulegen hatte, die für den Vorstand bei allen seinen Maßnahmen maßgebend sein sollten, und daß er schlechthin befugt war, dem Vorstand — auch im Einzelfall — Weisungen zu erteilen. Die Generalversammlung konnte durch satzungsändernde Beschlüsse die Regelung der Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ändern und der jeweiligen Lage, insbesondere entsprechend den gegebenen Persönlichkeiten, anpassen. Waren die starken Persönlichkeiten im Aufsichtsrat und diese in der Lage, das Unternehmen zu leiten, so konnte der Schwerpunkt für die Geschäftsführung in den Aufsichtsrat verlegt werden; hatte man die starken Persönlichkeiten für den Vorstand zur Verfügung, so konnte man ihm die eigentliche Leitung des Unternehmens übertragen und den Aufsichtsrat auf die Überwachung beschränken. Daneben blieb der Generalversammlung die Möglichkeit, jederzeit selbst in die Geschäftsführung einzugreifen, soweit die Satzung dies nicht ausdrücklich ausschloß. Zusammenfassend zur Entwicklung bis zum A k t G 1937 s. jetzt W. Schilling, Macht und Verantwortung in der A G in Festschrift für E. Geßler, 1970. Diese freie Gestaltungsmöglichkeit wurde durch das Aktiengesetz von 1937 ausgeschlossen. Die Verteilung der Kompetenzen zwischen den Organen der A G wurde zwingend, unabänderlich im Gesetz festgelegt. Die damit vom Gesetz bewirkte Entmachtung der Hauptversammlung zugunsten insbesondere einer Stärkung der Stellung des Vorstandes ist das Kernstück der Aktienrechtsreform von 1937. Die Hauptversammlung konnte danach in die Geschäftsführung unmittelbar nicht mehr eingreifen. Bindende Beschlüsse über Geschäftsführungsmaßnahmen waren vielmehr nach § 103 Abs. 2 A k t G 1937 nur auf Verlangen des Vorstandes zu fassen, wenn dieser sich für eine Maßnahme von vornherein Deckung verschaffen wollte. Die Bestellung des Vorstands wurde ausschließlich dem Aufsichtsrat vorbehalten. Die Hauptversammlung konnte dadurch eine Änderung der Geschäftspolitik nicht mehr durch Abberufung des Vorstands und Bestellung eines neuen, ihr willfährigen Vorstandes herbeiführen; sie wäre hierfür, wenn der A R die Geschäftspolitik des Vorstands billigte, auf die Abberufung des Aufsichtsrats und auf eine Neuwahl eines Aufsichtsrats beschränkt, von dessen Mitgliedern sie die Umbesetzung des Vorstands erwarten könnte. Die Hauptversammlung entschied aber weiterhin allein über den verfassungsmäßigen und kapitalmäßigen A u f b a u der Gesellschaft (§§ 145, 149, 169, 174, 175 A k t G 1937).

575

Erstes Buch: Aktiengesellschaft F ü r die Entmachtung der Generalversammlung ist bei der Reform 1937 der Gedanke maßgebend gewesen, daß angesichts der wachsenden Bedeutung der großen in Form der A G betriebenen Unternehmen nicht einer dem Wechsel unterworfenen Mehrheit einer oft unübersehbaren Zahl von Aktionären, sondern nur durch Gesetz und Anstellungsvertrag verantwortlichen Persönlichkeiten, die befähigt und sachkundig sowie durch die ausschließliche Hingabe an ihre Aufgabe mit den Bedürfnissen des Unternehmens vertraut sind, die Geschäftsführung der A G anvertraut werden kann. Deshalb bestimmte § 70 A k t G 1937 zwingend, daß der Vorstand das Unternehmen selbständig unter eigener Verantwortung zu leiten hat. V o n dieser Grundkonzeption aus ergab sich von selbst f ü r den Aufsichtsrat, daß er auf die Überwachung der Geschäftsführung beschränkt wurde. Auch er konnte danach ebensowenig wie die Hauptversammlung — in die Geschäftsführung befehlend eingreifen. § 95 Abs. 5 A k t G 1937 schloß ausdrücklich Weisungen des Aufsichtsrats an den Vorstand aus. Dem Aufsichtsrat konnte nur durch die Satzung zum Zwecke wirksamerer Überwachung die Genehmigung bestimmter Arten von Rechtsgeschäften vorbehalten bleiben; auch konnte er selbst hierfür jederzeit eine Genehmigungspflicht festlegen. Nur eine mittelbare Einwirkung auf die Geschäftsführung blieb dem Aufsichtsrat mit seinem Recht der Bestellung und Abberufung des Vorstands Das A k t G 1937 machte bei alledem keinen Unterschied, ob die Aktien der A G in Streubesitz verteilt sind oder ein Großaktionär oder eine Gruppe von Großaktionären die Gesellschaft beherrscht. Die zwingende gesetzliche Kompetenzregelung hatte sich insbesondere im Konzernwesen nicht durchgesetzt (dazu etwa Walter Schmidt in N J W 1957, 1337). Entsprechend dem Wesen der Konzernherrschaft war die Besetzung des Aufsichtsrats der Tochtergesellschaften mit Vorstandsmitgliedern und leitenden Angestellten der Konzernspitze üblich. Das gesetzliche Verbot eines Weisungsrechts des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand hatte seine fortdauernde tatsächliche Handhabung nicht zu verhindern vermocht und einen Zwiespalt zwischen Recht und Wirklichkeit entstehen lassen. Hier setzte die Reformdiskussion ein; vgl. insoweit die allgemeine Einleitung S. 8 f f . , im einzelnen S. 1 5 , 19 und 2 7 f. sowie Walter Schmidt in Beiträge zur Aktienrechtsreform, 1959, S . 4 2 f f . und Leo, Die A G i960, 261 ff., 292 fr. speziell zur Rechtsstellung des Vorstands nach dem R e g E . Das A k t G 1965 hält im wesentlichen an der bisherigen Regelung, insbesondere auch der zwingenden Kompetenzverteilung zwischen den Organen der Aktiengesellschaft und der Zweiteilung der Verwaltung in Aufsichtsrat und Vorstand fest. Die amtliche Begründung (bei K r o p f f , S. 95 ff.) lehnt ausdrücklich eine Übernahme des Board-Systems des angelsächsischen Rechts ab. Eine gewisse Schwächung der Stellung des Vorstands zugunsten von Aufsichtsrat und Hauptversammlung ergibt sich aus der erweiterten Berichterstattungspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 90), der Pflicht des Vorstands, auf Verlangen der Hauptversammlung Maßnahmen, die in ihre Zuständigkeit fallen, vorzubereiten (§ 83) und aus der ausdrücklichen Regelung (in § 84 Abs. 3), daß auch ein Vertrauensentzug der Hauptversammlung regelmäßig einen wichtigen Grund zum Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitglieds darstellt (so aber auch schon die bisherige Rechtsprechung, etwa B G H 13, 1 9 2 ; 15, 7 1 ) . Da somit auch das A k t G 1965 von der eigenverantwortlichen Leitungsmacht des Vorstands im Sinne des bisherigen Rechts ausgeht (vgl. § 76 Abs. 1 mit § 70 Abs. 1 A k t G 1937), blieb es auch innerhalb des Konzernrechts f ü r die abhängige Gesellschaft beim Prinzip der eigenverantwortlichen Leitung, die aber — bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages — dadurch außer K r a f t gesetzt wird, daß das herrschende Unternehmen dem Vorstand des beherrschten Unternehmens auch sich nachteilig auswirkende Weisungen erteilen kann, die der Vorstand zu befolgen hat (§ 308). Dieses Weisungsrecht wird durch eine Ausdehnung der Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens ergänzt, die neben den Vorstandsmitgliedern der beherrschten Gesellschaft haften (§§ 309, 310). Fehlt ein Beherrschungsvertrag, so besteht kein gesetzlich sanktioniertes Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft, und etwaige Nachteile bei der beherrschten Gesellschaft, die seitens der Obergesell-

576

Vierter T e i l : V o r b e m e r k u n g e n (Meyer-Landrut) schaft veranlaßt worden sind, sind auszugleichen; die Vorstandsmitglieder der beherrschten Gesellschaft haften neben dem herrschenden U n t e r n e h m e n und dessen gesetzlichen Vertretern, w e n n sie der Gesellschaft nachteilige Geschäfte oder M a ß n a h m e n nicht in d e m sogenannten Abhängigkeitsbericht angeführt haben (vgl. § § 3 1 8 , 317, 312). Entsprechende Regelungen wie bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages über die Leitungsmacht der Hauptgesellschaft und die Verantwortlichkeit der V o r standsmitglieder gelten f ü r eingegliederte Gesellschaften (§ 323). D e r für die Verfassung der A G mit dem A k t G 1937 durchgeführte Prozeß der Institutionalisierung des Aktienwesens (zur Entwicklung s. T e i c h m a n n , Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 68 — 81) ist durch das A k t G 1965 verfestigt w o r d e n : ein A b w e i c h e n v o m Gesetz ist a u c h durch Satzungsbestimmung grundsätzlich nicht zulässig; § 23 A b s . 5. Die R e f o r m von 1965 ließ die R e g e l u n g über die Beteiligung v o n Arbeitnehmervertretern i m Aufsichtsrat nach den Vorschriften des B e t r V G und der M i t b e s t G unberührt (§§ 95, 96), ebenso die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors in den der M i t b e s t i m m u n g unterliegenden U n t e r n e h m e n (vgl. §§ 76 A b s . 2 S. 2, 84 A b s . 4). Reformbestrebungen konzentrieren sich im wesentlichen auf eine Beteiligung der Arbeitnehmer i m Aufsichtsrat (vgl. Nachweise in der Einleitung S. 36). Die v o n der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenkommission empfiehlt in ihrem im J a n u a r 1970 erstatteten Bericht „ M i t b e s t i m m u n g im U n t e r n e h m e n " ( B T Drucksache VI/334) neben einer relativen V e r m e h r u n g der Arbeitnehmervertreter in den d e m BetrV G unterliegenden Gesellschaften a u c h die gesetzlich vorgeschriebene V e r t r e t u n g des Personalressorts im Vorstand durch ein dafür bestelltes Vorstandsmitglied; die Sondervorschriften über die Bestellung und A b b e r u f u n g des Arbeitsdirektors der MitbestG werden für diesen Personalvorstand im Kommissionsvorschlag nicht übernommen. Z u r Reformdiskussion vgl. a u c h die V o r b e m e r k u n g vor §§ 95 fr.

Literatur (allgemein zur Verfassung und zum Vorstand, ab 1937) Geßler, E.: Vorstand und Aufsichtsrat im neuen Aktienrecht, JW 1937, 497 Debus, A.-E.: Die Abgrenzung der Funktion des Vorstands und des Aufsichtsrats im neuen Aktienrecht, Diss. Köln 1937 Herold, H.: Der Vorstand der A G , Bank-Archiv 1937/38, 492ff., 518fr. Boesebeck, E.: Unklarheiten in der Geschäftsführung und Verantwortung bei der Aktiengesellschaft, JW 1938, 2525 Kutzner, G.: Die rechtliche Stellung des Vorstandes der Aktiengesellschaft nach dem Aktiengesetz vom 30. 1. 1937, Diss. Breslau 1938 Schmidt, Walter: Umgestaltung der Satzungen der Aktiengesellschaft nach dem neuen Aktiengesetz, Berlin 1938 Jung, W.: Die Stellung des Vorstandes im neuen Aktienrecht, Diss. Breslau 1939 Utendörfer, W.: Die Möglichkeiten der Beschränkung der Geschäftsführung des Vorstandes im neuen, Aktienrecht Diss. Köln 1941 Schmalz, W.: Die Verfassung der Aktiengesellschaft, Berlin 1950 Nielsen-Stokkeby, B.: Die Organe der Aktiengesellschaft. Ein Beitrag zur Frage der Aktienrechtsreform, Diss. Hamburg 1954 Schneider, H.: Die Rechtsstellung der Organe der Aktiengesellschaft nach den Reformvorschlägen der Wertpapierschutzvereinigungen im Vergleich zum geltenden Recht, Diss. Köln 1954 Hueck, A . : Die Rechtsstellung der Mitglieder von Organen der juristischen Personen, DB 1954, 274 Fischer, G. E.: Rechtsschein und Wirklichkeit im Aktienrecht, AcP 154, 85, 106 ff. Ders.: Die Reform des Aktienrechts, AcP 154, 182, 221 ff. Tessin, C . : Rechtsvergleichende Darstellung der Verfassung einer Aktiengesellschaft nach deutschem und englischem Recht, Diss. Hamburg 1956

577

Erstes B u c h : Aktiengesellschaft Grochla, E. : Die organisatorische Struktur der Aktiengesellschaft in betriebswirtschaftlicher Sicht, Die A G 1957, 103fr., 138fr. Molitor, E . : Die Rechtsverhältnisse der Vorstandsmitglieder, Die A G 1957, 193 Mestmäcker, E.-J. : Verwaltung, Konzemgewalt und Recht der Aktionäre, Karlsruhe 1958 Franta, R . : Die Verfassung der Aktiengesellschaft nach dem Referentenentwurf eines neuen Aktiengesetzes, D B 1958, 1347 Eckardt, U . : Vorstand und Aufsichtsrat nach dem Referentenentwurf eines Aktiengesetzes, N J W , 1945 Schmidt, Walter : Die Verfassung der Aktiengesellschaft, in Beiträge zur Aktienrechtsreform, Heidelberg 1959, 42 ff. Leo, H.-C. : Die Rechtsstellung des Vorstandes der A G nach dem Reg.Entw. eines neuen AktG. Werth, H.-J.: Vorstand und Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft, Düsseldorf, IdW, i960 Wiesenhöfer, T h . : Die Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat der deutschen Aktiengesellschaft, Diss. Köln i960 Ommeslaghe, P. van: L e Régime des Sociétés par Actions et leur Administration en Droit Comparé, Brüssel i960 Wiethölter, R . : Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht, Karlsruhe 1961 Spieker, W. : Die haftungsrechdiche Verantwortlichkeit der Mitglieder eines mehrköpfigen Vorstands in der nicht konzerngebundenen A G , DB i960, 927 Westermann, H. : Die Verantwortung des Vorstandes der Aktiengesellschaft, Freundesgabe für E. H. Vits, Frankfurt 1963, 251fr. Frels, H. : Die Geschäftsverteilung im Vorstand einer Aktiengesellschaft, Z H R 122, 8 Ders. : Überweisung von Vertretungsmacht an ein einzelnes Mitglied des Vorstandes der Aktiengesellschaft, Z H R 122, 173 Ders.: Handelsregisterliche Fragen bei der Vorstandsbestellung, Die A G 1967, 227 Rath, D. vom : Schwierigkeiten bei der Ausübung der Gesamtvertretung beim Vorstand der Aktiengesellschaft, Diss. Köln 1965 Hirtz, H. : Die Vorstandspflichten bei Verlust, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einer Aktiengesellschaft, Düsseldorf, IdW, 1966 (Diss. T H Aachen) Saage, G . : Führung und Verantwortung nach dem neuen Aktiengesetz N B 1966, 35 Zimmerer, G. : Die Organe der Aktiengesellschaft und die Stellung des Wirtschaftsprüfers, N B 1966, 44 Siegelmann, H . : Die Stellung des Vorstandes, des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Aktiengesellschaft, DB 1 9 6 7 , 1 0 2 9 Dose, S . : Die Stellung der Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft, Bad Schwartau 1 9 6 8 Duden, K . : Über Unternehmensziele, Festgabe für Otto Kunze, Berlin 1 9 6 9 , 1 2 7 , 1 3 2 f r . Golling, H. J . : Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder für ihre Geschäftsführung innerhalb der nicht-konzerngebundenen Aktiengesellschaft, Bad Schwartau 1 9 6 9 Hueck-Nipperdey : Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. II/2, 1 9 7 0 , § 7 3 Die Repräsentation der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat und Vorstand von Wirtsschaftsunternehmen. Neuhaus, H . : Haftung des Vorstandes einer beherrschten A G , Essen o. J . (1970, Selbstverlag) Mertens, H.-J.: Die Schranken gesetzlicher Vertretungsmacht im Gesellschaftsrecht, Juristische Analysen 1970, 466 Ders.: Politisches Programm in der Satzung der A G , N J W 1970, 1 7 1 8 Schilling, W. : Macht und Verantwortung in der A G , Festschrift f ü r Ernst Geßler, 1970 Winkler, K . : Nichtgewerbliche, ideale, insbesondere politische Zielsetzungen als Inhalt von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, N J W 1970, 449.

578