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German Pages 1030 [1032] Year 1967
Aktiengesetz
psig
SAMMLUNG
GUTTENTAG
JU
205
Godin / W i l h e l m i
Aktiengesetz vom 6. September 1965 Kommentar
3. Auflage bearbeitet von Dr. Hans WILHELMI
und
Sylvester WILHELMI
R e c h t s a n w a l t u n d N o t a r , F r a n k f u r t a. M .
Rechtsanwalt, Frankfurt a. M .
Band I §§ 1 - 1 7 8
BERLIN
1967
W A L T E R DE G R U Y T E R & C O . vormals G. J. Göschen'sche Verlagahandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.
A r d i i v - N r . 29 05 661 Satz und Druck: T h o r m a n n & Goetsdi, Berlin 44 Alle Rechte, einsdiließlidi des Rechtes der Herstellung von Fotokopien und Mikrofilmen, vorbehalten.
Gewidmet dem Andenken an FRAU ELLEN
WILHELMI
geb. Forstmann
meiner Lebensgefährtin Dr. Hans Wilhelmi
meiner Mutter Sylvester
Wilhelmi
Vorwort zur 3. Auflage Der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nach dem Kriege und die neue soziologische Entwicklung konnten nicht ohne Auswirkungen auf die Rechtsentwicklung bleiben. So ist das Bedürfnis entstanden, auch das für die großen Unternehmen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben werden, geltende Recht der Entwicklung anzupassen und für die weitere Fortentwicklung neue Rechtsformen zu schaffen. Dies ist mit dem Versuch geschehen, ein völlig neues Rechtsgebiet — das der Konzerne — in seinen Grundzügen zu regeln, und damit die rechtlichen Bahnen aufzuzeigen, in denen sich diese Entwicklung im Rahmen der Gesamtwirtschaft weiter entfalten kann. Im neuen Gesetz kommt der gesellschaftspolitische Gedanke zum Ausdruck, daß für einen größeren Teil unseres Volkes die Möglichkeit geschaffen werden soll, sich durch Erwerb von Aktien an den Produktionsstätten und anderen Unternehmen der Wirtschaft zu beteiligen. Dem entspricht auf der anderen Seite die Notwendigkeit, die Aktien mehr als bisher zur Deckung des ständig wachsenden Geldbedarfs der Wirtschaft heranzuziehen. Für den Erstunterzeichneten war es eine schöne Aufgabe, an maßgebender Stelle im Deutschen Bundestag an der Schaffung des neuen Gesetzes mitwirken zu können, zumal er schon bei Erscheinen des Gesetzes von 1937 zusammen mit Freiherrn von Godin die erste Auflage dieses Kommentars herausgegeben hat. Auch an dieser Auflage hätte Freiherr von Godin gerne mitgearbeitet — er nahm regen Anteil an den Beratungen des Gesetzes und schrieb für die Bundesrechtsanwaltskammer eine kritische Stellungnahme zum Entwurf —, aber sein Wunsch, mit den jetzigen Verfassern gemeinsam die 3. Auflage zu erarbeiten, konnte nicht in Erfüllung gehen, da er vor dem eigentlichen Beginn der Ausarbeitung durch den Tod mitten aus seiner wissenschaftlichen Arbeit gerissen worden ist. Wir haben uns bemüht, sein Werk fortzusetzen und seine Gedanken weiterzuführen, soweit dies bei den Änderungen des neuen Gesetzes möglich war. So enthält auch diese Auflage sein geistiges Gut. Die Neugestaltung des Gesetzes hat es erforderlich gemacht, den gesamten Stoff neu darzustellen. Dies ist in gemeinsamer Arbeit beider Unterzeichneter geschehen. Wir legen damit eine völlig neubearbeitete und vermehrte Auflage vor, in der die Rechtsprechung und Literatur bis Juni 1966 berücksichtigt worden ist. Wir hoffen damit allen am neuen Gesetz Interessierten eine brauchbare Hilfe an Hand geben zu können. VII
Vorwort
Allen, die sich bemüht haben, uns die Arbeit zu erleichtern und es so möglich machten, daß das Werk schon jetzt erscheinen kann, insbesondere Fräulein cand. jur. Berdau und H e r r n Ref. Strauch für die Erstellung des Sachregisters, möchten wir an dieser Stelle danken. Frankfurt am Main, im Juli 1966
VIII
Dr. Hans
Wilhelmi
Sylvester
Wilhelmi
Inhaltsübersicht BAND I Erstes Buch Aktiengesellschaft (§§ 1—277) §§ Erster Teil
1—22
Seite Allgemeine Vorschriften
1
Zweiter Teil
23—53
G r ü n d u n g der G e s e l l s c h a f t
106
Dritter Teil
54—75
R e c h t s v e r h ä l t n i s s e der Gesellschaft und der G e s e l l s c h a f t e r
258
Vierter Teil
76—147
Verfassung
377
1. 2. 3. 4.
Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt 1. Unterabschnitt 2. Unterabschnitt 3. Unterabschnitt 4. Unterabschnitt 5. Unterabschnitt 6. Unterabschnitt 7. Unterabschnitt
der
Aktiengesellschaft
76—94 95—116 117 118—147 118—120 121—128 129—132 133—137 138 139—141 142—147
Vorstand Aufsichtsrat Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft Hauptversammlung Rechte der Hauptversammlung Einberufung der Hauptversammlung Verhandlungsniedersdirift. Auskunftsrecht... . Stimmrecht Sonderbeschluß Vorzugsaktien ohne Stimmrecht Sonderprüfung. Geltendmachung von Ersatzansprüchen
377 476 609 618 618 640 690 719 766 769
Fünfter Teil
148—178
Rechnungslegung.Gewinnverwendung
817
1. Abschnitt
148—161
2. Abschnitt 1. Unterabschnitt 2. Unterabschnitt 3. Abschnitt
162—171 162—169 170—171 172—176
1. Unterabschnitt 2. Unterabschnitt 3. Unterabschnitt 4. Abschnitt
172—173 174 175—176 177—178
Aufstellung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts 817 Prüfung des Jahresabschlusses 932 Prüfung durch Abschlußprüfer 932 Prüfung durch den Aufsichtsrat 970 Feststellung des Jahresabschlusses. Gewinnverwendung 979 Feststellung des Jahresabschlusses 979 Gewinnverwendung 990 Ordentliche Hauptversammlung 997 Bekanntmachung des Jahresabschlusses 1008
781
IX
Inhaltsübersicht
B A N D II §§
Seite
Sechster Teil
179—240
S a t z u n g s ä n d e r u n g . M a ß n a h m e n der K a p i t a l b e s c h a f f u n g und K a p i t a l herabsetzung 1019
1. Abschnitt 2. Abschnitt 1. Unterabschnitt 2. Unterabschnitt 3. Unterabschnitt 4. Unterabschnitt 5. Unterabschnitt
179—181 182—221 182—191 192—201 202—206 207—220 221
1019 1032 1032 1069 1098 1125
3. Abschnitt 1. Unterabschnitt 2. Unterabschnitt 3. Unterabschnitt 4. Unterabschnitt
Satzungsänderung Maßnahmen der Kapitalbeschaffung Kapitalerhöhung gegen Einlagen Bedingte Kapitalerhöhung Genehmigtes Kapital Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln . . . . Wandelschuld versdireibungen. Gewinnschuldverschreibungen 222—240 Maßnahmen der Kapitalherabsetzung 222—228 Ordentliche Kapitalherabsetzung 2 2 9 — 2 3 6 Vereinfachte Kapitalherabsetzung 237—239 Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien 240 Ausweis der Kapitalherabsetzung
1177 1184 1184 1216 1240 1263
Siebenter Teil
241—261
Nichtigkeit von Hauptversamml u n g s b e s c h l ü s s e n und des f e s t g e stellten Jahresabschlusses. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung 1266
1. Abschnitt 1. Unterabschnitt 2. Unterabschnitt
241—255 241—249 250—255
2. Abschnitt 3. Abschnitt
256—257 258—261
Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Allgemeines Nichtigkeit bestimmter Hauptversammlungsbeschlüsse Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung
Achter Teil
262—277
1. Abschnitt 1. Unterabschnitt 2. Unterabschnitt 2. Abschnitt
262—274 Auflösung 262—263 Auflösungsgründe und Anmeldung 264—274 Abwicklung 275—277 Nichtigerklärung der Gesellschaft
1267 1267 1322 1342 1356
Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft 1381 1381 1381 1391 1434
Zweites Buch Kommanditgesellschaft auf Aktien (§§ 2 7 8 — 2 9 0 )
X
1451
Inhaltsübersicht Drittes Buch Verbundene Unternehmen (§§ 291—338) §§ Erster Teil 1. Abschnitt 2. Abschnitt 3. Abschnitt 4. Abschnitt
Zweiter Teil
1. Abschnitt 2. Abschnitt
Seite
291—307 U n t e r n e h m e n s v e r t r a g e 291—292 Arten von Unternehmens vertragen 293—299 Abschluß, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen 300—309 Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger 304—307 Sicherung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen
1499 1499 1528 1559
1580
308—318
Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei A b h ä n g i g k e i t von U n t e r nehmen 1616 308—310 Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags 1616 311—318 Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrags 1626
Dritter Teil
319—327
Vierter Teil
328
Fünfter Teil
329—338
Eingegliederte
Gesellschaften
Wechselseitig beteiligte men Rechnungslegung
im
....
Unterneh-
Konzern
....
1674 1713 1720
Viertes Buch Verschmelzung. Vermögensübertragung. U m w a n d l u n g (§§ 339—393) Erster Teil
339—358
1. Abschnitt 1. Unterabschnitt 2. Unterabschnitt 2. Abschnitt
339—353 Verschmelzung von Aktiengesellschaften . . . . 340—352 Verschmelzung durch Aufnahme 353 Verschmelzung durch Neubildung 354 Verschmelzung von Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie von Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften 355—356 Verschmelzung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien . . . . 357—358 Verschmelzung einer bergrechtlichen Gewerkschaft mit einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien
1765 1772 1829
359—361
1858
3. Abschnitt
4. Abschnitt
Zweiter Teil
Verschmelzung
Vermögensübertragung
1765
1842
1845
1849
XI
Inhaltsübersicht §§
Seite
Dritter Teil
362—393 U m w a n d l u n g
1. Abschnitt
362—365 U m w a n d l u n g einer Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien 366—368 U m w a n d l u n g einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine Aktiengesellschaft 369—375 U m w a n d l u n g einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g . . . . 376—383 U m w a n d l u n g einer Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g in eine Aktiengesellschaft . . . . 384—385 U m w a n d l u n g einer bergrechtlichen Gewerkschaft in eine Aktiengesellschaft 386—388 U m w a n d l u n g einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung 389—392 U m w a n d l u n g einer Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien 393 U m w a n d l u n g einer bergrechtlichen Gewerksdiaft in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien
2. Abschnitt 3. Abschnitt 4. Abschnitt 5. Abschnitt 6. Abschnitt
7. Abschnitt
8. Abschnitt
1868 1869 1877 1881 1914 1941
1945
1947
1949
Fünftes Buch Sonder-, Straf- und Sdilußvorsdiriften (§§ 394—410) Erster Teil
394—395 S o n d e r v o r s c h r i f t e n b e i B e t e i l i g u n g von G e b i e t s k ö r p e r s c h a f t e n 1950
Zweiter Teil
396—398
G e r i c h t Ii c h e A u f l ö s u n g
Dritter Teil
399—410
Strafund Bußgeld Vorschriften. Sondervorschriften. Schlußvorschriften 1961
1956
Einführungsgesetz zum Aktiengesetz
1989
Sachverzeichnis
2023
XII
AKTIENGESETZ vom 6. September 1965 (BGBl. I S , S. 1089 ff.) Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: ERSTES B U C H
Aktiengesellschaft ERSTER TEIL
Allgemeine Vorschriften §
l
Wesen der Aktiengesellschaft (1) Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. (2) Die Aktiengesellschaft hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital. I. Übersicht (Anm. 1) II. Die AG als Gesellschaft 1. Begriffsbestimmung (Anm. 2) 2. Die Treuepflicht des Aktionärs (Anm. 3—5) 3. Die eigene Rechtspersönlichkeit (Anm. 6—12) 4. Die Einmanngesellschaft (Anm. 13) III. Das Grundkapital 1. Begriffsbestimmung (Anm. 14)
2. Zerlegung in Aktien a) Nennbetrag (Anm. 15) b) Rechtliche Selbständigkeit der Aktie (Anm. 16) IV. Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft 1. Grundsätzlicher Ausschluß der Haftung (Anm. 17) 2. Die Durchgriffstheorie (Anm. 18)
I. Übersicht Anm. 1: Der Gesetzgeber hat, wie schon im bisherigen Recht, auf eine umfassende Begriffsbestimmung verzichtet und nur einige typische Merkmale als Wesen der Aktiengesellschaft im § 1 aufgeführt. Man kann darüber streiten, ob es die wichtigsten Merkmale sind, denn es gehört keineswegs 1
Wilhelmi, Aktiengesetz
1
§1
Anm. 1,2
Allgemeine Vorschriften
begrifflich zum Wesen einer Aktiengesellschaft, daß sie ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat, und daß das Mitgliedschaftsrecht, das in den Aktien verkörpert wird, auf das Grundkapital bezogen wird. Die Vorschrift weicht in verschiedenen Punkten von dem früheren § 1 AktG 37 ab. Die wichtigste Änderung ist der Wegfall des Erfordernisses der Beteiligung mit Einlagen. Die jetzt zugelassene Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln hat zur Folge, daß Aktionäre Aktien erhalten, auf die Einlagen auf das erhöhte Grundkapital nicht geleistet worden sind (§§ 207 ff.). Es handelt sich hierbei um den gleichen Vorgang wie im amerikanischen Recht der des sogenannten Splitting. Die negative Bestimmung, daß die Gesellschafter nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, ist positiv ausgedrückt worden, womit inhaltlich das Gleiche zum Ausdrude kommt. Damit ist die alte Vorschrift des § 48 II AktG 37 überflüssig geworden. Abs. 2 ist an dieser Stelle neu eingefügt. Es handelt sich um die alte Vorschrift des § 6 I AktG 37. II. Die AG als Gesellschaft 1.
Begriffsbestimmung
Anm. 2: Die Aktiengesellschaft ist ihrem Wesen nach eine Personenvereinigung. Ob sie als Verein oder Gesellschaft im Sinne des BGB anzusehen ist, war und bleibt streitig. Von besonderer praktischer Bedeutung ist dieser Streit allerdings nicht, denn, wenn im § 1 festgelegt wird, daß die Aktiengesellschaft eine „Gesellschaft" ist, so wird gleichzeitig doch auch gesagt, daß sie eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ist, also keineswegs eine Gesellschaft des BGB nach §§ 705 ff. Einmütig hält man die Bestimmungen des BGB über die Gesellschaft nur im Gründungszustand vor Eintragung der Gesellschaft für anwendbar, während man sie für die spätere Zeit auch nicht hilfsweise für anwendbar erachtet, sondern nur die der §§ 29, 31, 43 BGB über Vereine. Eine Meinung erachtet diese Bestimmungen für hilfsweise anwendbar, andere für hilfsweise entsprechend anwendbar (Fischer in Großkomm. § 1 Anm. 3). Indem das Gesetz die Aktiengesellschaft ausdrücklich als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit bezeichnet, hat es die Anwendung der Vorschrift des bürgerlichen Rechts über die Gesellschaft auch hilfsweise abgelehnt, weil es offensichtlich den Rechtsstoff erschöpfend regeln wollte. Eine wichtige, aus der Rechtsnatur als Gesellschaft abzuleitende Folge, die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, ist sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Nach der Fassung des Gesetzes ist es jedoch nicht ausgeschlossen, den § 31 BGB hilfsweise entsprechend anzuwenden (ebenso Schl.-Qu. § 1 Anm. 3), der nicht von der Rechtsnatur, sondern von der Struktur der juristischen Person bedingt ist. Vom Verein wird
2
Wesen der Aktiengesellschaft
§1 Anm. 2,3
die Aktiengesellschaft durch Versachlichung der Mitglieder unterschieden Anstelle der §§ 29 und 43 BGB, s. §§ 85 und 396. Wichtiger war die Streitfrage für den Gründungsabschnitt (vgl. Huth JW 34, 2687; Anm. 4 zu § 29). 2. Die Treuepflicbt des Aktionärs Anm. 3: Die Rechtsprechung (RG 146, 71; 158, 25) und die Rechtslehre (Huedc, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht Anm. 38; Küster, Inhalt und Grenzen der Rechte der Gesellschafter; Schl.-Qu. § 4 Anm. 1) wollen in der Bezeichnung „Gesellschaft" eine gesetzliche Anerkennung der sogenannten Treuepflidit im Aktienrecht sehen. Aus der gesellschaftlichen Natur müsse sich ein Anspruch unter den Aktionären gegeneinander ergeben, den Gesellschaftszweck nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages zu fördern. Dieser Anspruch der Aktionäre untereinander besteht nicht. Sie stehen untereinander in keiner rechtlichen Beziehung (RG 158, 254; BGH 18, 365; Gessler Soz.Pr. 1938, 1450). Rechtsbeziehungen bestehen lediglich zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft. Es kann daher auch bei der AG nicht wie bei den Personalgesellschaften ein Gesellschafter aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden (BGH 9,163). Dagegen haben RG und BGH (BGH 14, 38) eine Treuepflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft anerkannt und leiten hieraus das Verbot des Stimmenmißbrauchs ab. Gerade bei diesem ist aber u. E. der Gesichtspunkt einer aus der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft abzuleitenden Treupflicht entbehrlich, weil hier ein anderer Gesichtspunkt eingreift. Die Aktiengesellschaft ist vom Recht als ein besonderes Lebewesen anerkannt, aber ein solches eigener Art ohne eigenen Willen und eigene Handlungen. Sie ist darauf angewiesen, daß natürliche Personen an seiner Statt handeln und wollen. Um eine dem Interesse der Aktiengesellschaft dienenden vernünftigen Willensbildung der Aktiengesellschaft willen ist das Stimmrecht gegeben. Aus diesem Grunde heraus muß deshalb gefordert werden, daß die an ihrer Stelle wollenden und handelnden physischen Personen so wollen und handeln, wie sie selbst in der Lage der Aktiengesellschaft wollen und handeln würden. Dies gilt für alle Willensorgane der Aktiengesellschaft: Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung, bzw. die natürlichen Personen aus denen sie sich zusammensetzen, ohne daß sich daran durch die Verteilung der Zuständigkeit etwas ändern würde. Diese Forderung gilt, ob nun die Aktiengesellschaft die rechtliche Natur einer Gesellschaft oder eines rechtsfähigen Vereins hat. Anders wäre der Aktiengesellschaft damit nicht geholfen, daß ihre Rechtspersönlichkeit und Willensfähigkeit anerkannt und diese Anerkennung unvollkommen ist. Mit Treue hat diese Forderung nichts zu tun. Sie ist vielmehr unmittelbar eine Folgerung aus der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit und der Willensfähigkeit der Aktiengesellschaft. Durch sie wird das Stimmrecht inhaltlich bestimmt. Wer anders stimmt, sein Stimmrecht zu anderen Zwecken 3
§1
Anm. 3 , 4
Allgemeine Vorschriften
verwendet, handelt ohne Recht und mißbraucht es. Dieses Handeln ohne Redit mag, auch wenn es eigensüchtig ist, hingegen, solange das Interesse der Aktiengesellschaft und der übrigen Gesellschafter dadurch nicht beeinträchtigt wird. Von dieser Grenze an wird der Mißbrauch aber unerträglidi. Er ergibt sich deshalb als aktienrechtliche Norm nicht unter dem Gesichtspunkt der guten Sitten, daß ein Beschluß anfechtbar ist, wenn ein Aktionär bei der Abstimmung vorsätzlich gesellschaftsfremde Vorteile zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre verfolgt (§ 243 II). Es wäre nicht denknotwendig und ist auch mit der Annahme einer Treupflicht unvereinbar, daß das Gesetz dabei Halt gemacht und grundsätzlich eine Schadensersatzpflicht ausgeschlossen hat (§117 VII). Abweichend von diesem Grundsatz ist in den konzernrechtlichen Haftungsvorschriften der §§311, 317 das herrschende Unternehmen nicht von der Haftung für die Ausübung des Stimmrechts befreit. Hiervon abgesehen, besteht eine Schadensersatzpflicht aufgrund Abstimmung, wenn keine Schutzvorschrift (§ 405 I I I Nr. 2 und 3 Stimmenkauf und § 405 III Nr. 1 strafbarer Stimmrechtsmißbrauch) verletzt sind, weder gegenüber der Gesellschaft noch gegenüber einem Minderheitsaktionär. Sie kann sich nur aus besonderen rechtlichen Beziehungen ergeben, wie Abstimmungsvereinbarungen (RG 119, 386; 133, 90) oder aus besonderer echter Treupflicht des Legitimationsaktionärs (§ 129 III.) gegenüber dem Legitimationsgeber. Nur ausnahmsweise bei sdirankenloser Ausbeutung durdi die Mehrheit, nämlich wenn diese sich Vorteile unmittelbar auf Kosten der anderen Gesellschafter verschafft und hierin ein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden liegt, wird zugunsten der Minderheit § 826 BGB trotz § 117 V I I für anwendbar gehalten (so auch Fischer in Großkomm. § 1 Anm. 8 b). Anm. 4: Das Recht jedes Aktionärs auf Gleichbehandlung, die Geltung des Grundsatzes gleiches Recht für alle, wird gleichfalls oft aus der Treupflicht und aus Treu und Glauben abgeleitet oder als ein rechtspolitisches und rechtsethisches aktienrechtliches Prinzip anerkannt, das ohne weiteres zu gelten habe, denn die Treupflicht habe auch das Verhalten der Gesellschaft zu den Gesellschaftern zu bestimmen. Andere (Gierke § 63, 47; Raiser Z G H R 111, 84 ff.) begründen es mit dem genossenschaftlichen Ordnungsprinzip oder führen dafür gar den der Rechtsidee eigenen Gerechtigkeitsgrundsatz selbst an. Indessen ist das Recht auf Gleichbehandlung entsprechend seiner begrenzten Funktion starrer als das gleiche Recht der Geborenen nach § 1 BGB. Es bedeutet nicht, daß alle Aktionäre schlechthin gleich zu behandeln seien (vgl. B G H 33, 175 ff.), sondern daß die Gesellschafter bei gleichen Voraussetzungen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Der Gleichheitsgrundsatz ist von der Rechtsprechung (RG 132, 165; 149, 300; O H G BrZ N J W 1950, 427; B G H in Lind.-Möhr. § 35 BGB Nr. 1; B G H 20, 369) und Rechtslehre (Ennec4
Wesen der Aktiengesellschaft
§1 Anm. 4,5
ceros-Nipperdey S. 445; Fischer in Großkomm. §1, Anm. 12) als ein das gesamte Korporationsrecht und damit auch das Aktienrecht beherrschender Grundsatz anerkannt worden. Unter Umständen ergibt sich aus dem Gesellsdiaftsvertrag (auch Raiser a.a.O. unterwirft ja den Gleichheitsgrundsatz der Vertragsautonomie), daß die Aktionäre, wenn nicht im Gesellschaftsvertrag selbst eine unterschiedliche Behandlung vorgesehen ist, gleichmäßig zu behandeln sind, so daß der Aktiengesellschaft diese Pflicht durch die Satzung — das für sie maßgebende autonome Gesetz — in die Wiege gelegt ist. Diese Erkenntnis liegt wohl auch — vielleicht unbewußt — § 237 I S. 2 über die Zwangseinziehung zugrunde, wo der Schutz gegen ungleiche Behandlung noch gesteigert wird. (Vgl. Anm. zu § 237). Die Gesellschaft muß sonach nach ihrem Lebensgesetz gleiches Recht für alle wollen und wer an ihrer Willensbildung beteiligt ist, muß ebenso wollen und dieses Gesetz beachten. Wer anders stimmt, handelt daher ohne Recht, auch wenn er nicht eine Treupflicht gegenüber dem Mitaktionär verletzt. Ein selbständiges zum Aktieninhalt gehörendes Recht (wie das Stimmrecht, Gewinnrecht usw.) ist das Recht auf Gleichbehandlung übrigens wohl nicht, sondern der Reflex, der nach dem Gesellschaftsvertrag gleichen Rechtsstellung aller. Erst recht ist es kein selbständiges Sonderrecht. Ein Beschluß, der einen Teil der Aktionäre benachteiligt, bedarf nicht deren Einzelzustimmung und ist ohne diese nicht ihnen gegenüber unwirksam (Anm. zu § 119; Anm. zu § 179), sondern anfechtbar (§§ 243 II, 245 Nr. 3). Sonderfälle siehe Anm. zu § 237 und Anm. zu § 223. Daß das Verhalten des Aktionärs außerhalb der Abstimmung sich nach einer allgemeinen Treupflicht zu richten habe, läßt sich auch nicht aus § 117 nachweisen (s. hierüber dort), da dort als Täter kein Aktionär vorausgesetzt wird. Anm. 5: Aus dem Dargelegten ergibt sich, daß Fälle, für deren Lösung von verschiedenen Seiten die besondere Treupflicht im Aktienrecht eingeführt wurde, auch ohne diese Treupflicht gelöst werden können. Der allgemeine Rechtsgedanke, daß jede Rechtsausübung den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht widersprechen darf, gilt selbstverständlich auch im Aktienrecht. Er ist u. E. völlig ausreichend. Es darf nicht übersehen werden, daß die Aktiengesellschaft die Gesellschaftsform ist, die ihrem ganzen Zuschnitt nach am meisten auf einen Wechsel der Gesellschafter eingestellt ist; dieser gehört geradezu zu ihrem Wesen. In aller Regel wollen Personen, die Aktien erwerben, nicht mit ihren Mitaktionären in irgendwelche Rechtsbeziehungen treten. Sie wollen auch keine Treupflicht gegenüber der Gesellschaft eingehen, sondern sie behalten sich ganz selbstverständlich vor, durch Verkauf ihrer Aktien aus der Gesellschaft wieder auszuscheiden. Die rechtliche Konstruktion einer Treupflicht, sowohl der Gesellschafter untereinander, wie auch gegenüber der Gesellschaft erscheint uns deshalb eine dem Wesen der Aktiengesell5
§1
Anm. 5, 6
Allgemeine Vorschriften
schafl völlig fremde Konstruktion (im Ergebnis ähnlich Fischer in Großkomm. § 1 Anm. 8 b). Das schließt nicht aus, daß durch positive Bestimmung im Aktiengesetz die Aktionäre »gegen vorsätzlidies Handeln zum Schaden der Gesellschaft geschützt werden, wie in §117 und im Konzernrecht in den Bestimmungen über den Schutz der außenstehenden Aktionäre. 3. Die eigene Rechtspersönlichkeit Anm. 6: Die Gesellschaft hat eigene Rechtspersönlichkeit. Auf die in Lehre und Schrifttum auseinandergehenden Meinungen darüber, was unter Rechtspersönlichkeiten zu verstehen ist, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Was gemeint ist, ist für die Praxis hinreichend klar: Die AG ist nicht nur Gegenstand von Rechten ihrer Gesellschafter, sondern auch selbständiger Träger eigener Rechte und eigener Pflichten. Sie hat ihr eigenes, von jedem der Aktionäre verschiedenes Vermögen. Die Einlagen dieser scheiden aus deren Vermögen gänzlich aus. Die Gesellschaft tritt zwischen die Aktionäre und das Gesellschaftsvermögen, von dem letzteren besitzergreifend und erstere davon abhaltend. Die Aktionäre sind an dem Gesellsdiaftsvermögen in keiner Form des Miteigentums beteiligt. Sie haben nur Anspruch auf anteilmäßige Berücksichtigung, wenn es zu Ausschüttungen aus dem Gesellsdiaftsvermögen kommt. Das gilt auch vom Einmannaktionär. Deshalb ist zur Übertragung von Gesellschaftsvermögen auf ihn ein besonderes schuldrechtliches bzw. dingliches Rechtsgeschäft erforderlich, und zwar gilt Sonderrechtsnachfolge, Gesamtrechtsnachfolge nur, wenn das Vermögen im ganzen durch Umwandlung nach § 15 i. V. mit §§ 3—8 UmwG übertragen wird. Der Gläubiger des Einmannaktionärs kann nicht in das Gesellsdiaftsvermögen vollstrecken (vgl. Anm. 17). Audi im strafrechtlichen Sinn ist das Vermögen der Gesellschaft für die Aktionäre ein fremdes und sind ihre Interessen, wenn der Aktionär Vorstand ist, ihm anvertraute fremde Interessen, selbst wenn er zugleich Einmanngesellsdiafter ist(RG-St 42, 383 über Untreue). Uber Abmilderungen dieses Grundsatzes in der Rechtsprechung und Reditslehre siehe Anm. 18. Der Reidisfinanzhof hat die Unterscheidung, welche die Grundlage für den Aufbau der Körperschafts- und Kapitalverkehrssteuer ist, immer streng durchgeführt, auch bei Einmanngesellschaften trotz der sonst im Steuerrecht vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (RFH 19, 139; 27, 89; RSt Bl. 30, 440; 31, 741; 35, 615). Indes wurde das Mißbrauchsverbot des § 6 Steueranpassungsgesetz vom Reidisfinanzhof vom 21.10. 36 (StuW 1937 Nr. 75) für anwendbar gehalten in einem Falle, in dem eine AG, die des Schachtelprivilegs aus § 9 Körperschaftssteuergesetz teilhaftig wurde, gegründet wurde, um in ihr die Dividenden einer anderen AG aufzufangen und aufzuspeichern, welche anderenfalls einkommenssteuerpfliditig gewesen wäre. 6
Wesen der Aktiengesellschaft
§1
Anm. 6 , 7
Verpflichtungen des Aktionärs sind niemals Verpflichtungen der AG, auch solche des Mehrheitsaktionärs nicht, etwa aus einem Wettbewerbsverbot, selbst dann nicht, wenn er die AG zur Umgehung gegründet hat (RG 142,119). Der schlechte Glaube eines Aktionärs, eine von ihm ausgehende Täuschung oder verübte unerlaubte Handlung ist der Gesellschaft nicht zuzurechnen, wohl aber in ihren Angelegenheiten, wenn er allein Aktionär ist (RG 129, 53; 156,27). Anm. 7: Wo es auf persönliche Eigenschaften ankommt, sind niemals diejenigen der Aktionäre, auch nicht des Einmanns entscheidend (anders für die Anfechtung wegen Irrtums über die Kreditwürdigkeit RG 143, 431), schon deshalb nidit, weil er jederzeit den Besitz ganz oder teilweise veräußern kann. Eine AG mit Sitz im Inland hat Inländereigenschaft, auch wenn alle Aktionäre Ausländer sind, desgl. umgekehrt; vgl. RG 159,133. Ein Darlehen an eine AG ist auch dann kein Kommunalkredit im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Körperschaftssteuergesetz, wenn eine öffentlich rechtliche Körperschaft alle Aktien besitzt (RFH 29.10.1935 JW 1936, 531). Die AG wird weder dadurch zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (RFH 29, 464; 38, 271), noch dadurch, daß sie staatlichen Aufgaben dient und dabei Hoheitsredite ausübt (RG 158, 262—265). Dann haben aber Ansprüche gegen sie aus dieser Betätigung öffentlich rechtliche Natur und unterstehen hier nidit der bürgerlichen Gerichtsbarkeit, insbesondere kann diese Betätigung nicht durch Unterlassungsklage gehindert werden (RG a.a.O. S. 264). Sucht sie diese Aufgaben durch privatwirtschaftliche Leistungen im bürgerlichen Verkehr zu erreichen, sind Ansprüche aus dieser Betätigung bürgerlichrechtlich. Es kann beides zutreffen, wie bei den Kriegsgesellschaften (RG in GRUR 1937, 73). In allen Fällen bleibt die AG aber selbst eine Rechtsperson des Privatrechts, so daß bezüglich ihrer Schadenshaftung die §§ 31, 831 BGB, nicht § 839 BGB gelten (RG a.a.O. S. 265), weil sie eine Organisationsform des Privatrechts ist. Da die AG eigene Rechtspersönlichkeit hat, ist sie ausgestattet mit der Fähigkeit, durch ihre eigenen Organe unmittelbar eigene Rechtshandlungen wirksam vorzunehmen und an jedem Rechtsvorgang unmittelbar teilzunehmen. Auf den Streit über das Wesen einer juristischen Person geht das Gesetz nidit ein. Wenn es auch diesen Ausdruck vermeidet, spricht es eben der AG doch den Charakter eines besonderen Rechtssubjekts zu. Nach ihrer eigenen Natur könnte die AG jedes Recht haben und auch jede Rechtshandlung vornehmen, ebenso an jedem Rechtsvorgang teilnehmen. Eine Einschränkung ergibt sich nur daraus, daß es Rechte, Rechtshandlungen und Rechtsvorgänge gibt, welche nach ihrer Natur nur auf natürliche Personen passen. Der Ausschluß der Haftung des jeweiligen Aktionärs als solchen für die Sdiulden der AG gehört nach deutschem Recht zum Wesen der AG. Natürlich kann der einzelne Aktionär, aber nicht als solcher, sondern nur für seine 7
§1
Allgemeine Vorschriften
Anm. 7—9 Person durch besonderen bürgerlichrechtlichen Verpflichtungsgrund die H a f tung übernehmen, aber der Sonderrechtsnachfolger tritt nicht ohne neuen, in seiner Person hergestellten Rechtsgrund in die Verpflichtung ein. Anm. 8: Die AG kann jedes Vermögensrecht erwerben, also auch Grundstücke. Die sich früher aus Art. 86 EGBGB in Zusammenhang mit landesgesetzlichen Vorschriften ergebenden Beschränkungen beim Erwerb von Rechten durch juristische Personen, sind gegenstandslos geworden, da Art. 86 und die entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 5. 3.1953 (BGBl. Seite 33) insoweit aufgehoben worden sind, als sie den Erwerb von Rechten durch juristische Personen mit Sitz im Inland von einer staatlichen Genehmigung abhängig machten. Die AG kann auch Mitgliedschaftsrechte bei anderen Gesellschaften erwerben, nadi reichsgerichtlicher Ansicht (RG 105, 101; 123, 289) sogar persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft sein, kann immaterielle Rechte erwerben und genießt insbesondere Firmen- und Namensschutz (BGH in WM 55,1250). Sogar der strafrechtliche Schutz der Ehre wird ihr nach neuerer Rechtsprechung (RG StR 70, 140; BGH Str 6, 186) zuerkannt. Sie kann Urheberund Erfinderrechte erwerben, und zwar auf abgeleitetem Weg schlechthin. Ob auf ursprünglichem Wege, hängt von der betreffenden Schöpfung ab, kann aber nicht allgemein verneint werden. Warum sollte eine Großbank kein ursprüngliches Urheberrecht an den Veröffentlichungen ihres Archivs haben (a. A. Fischer in Großkomm. § 48 Anm. 8). Anm. 9: Die Gesellschaft kann erben, aber nicht Erblasser sein, da der Erbgang von einem Rechtssubjekt auf ein anderes den Tod einer Person voraussetzt (§ 1922 BGB). Ebenso sind ihr alle familienrechtlichen Verhältnisse verschlossen. Daß sie Vormund sein könnte, wird allgemein verneint, weil die Vormundschaft nach ihrem hauptsächlichen Inhalte dem elterlichen Verhältnis nachgebildet ist und vor allem das Recht und die Pflicht, für die Person des Mündels zu sorgen, begründet. Dagegen kann die AG Treuhänder, Vertreter nach § 1189 BGB, Vermögensverwalter, auch Testamentsvollstrecker, Nachlaßverwalter und Nachlaßpfleger sein, ebenso Abwickler (vgl. § 265) Prüfer (§§ 33; 164 usw.). Ob sie Konkursverwalter sein kann, ist strittig. Dagegen kann sie Mitglied eines Gläubigerausschusses oder Gläubigerbeirats sein (Jaeger, Konkursordnung § 87 Anm. 5), sie kann unbeschränkt Vollmachten ausüben, nur nicht nach geltendem Recht Prokura haben, v/eil diese an eine bestimmte Person geknüpft ist (§ 52 II HGB), auch die Vorschrift des § 53 II HGB nicht erfüllt werden könnte. Es können also immer nur Angestellte einer AG unter deren Haftung Prokura für einen Dritten annehmen. Sie kann ferner nicht sein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied, auch nicht Handlungsgehilfin, wohl aber Handlungsagent. 8
Wesen der Aktiengesellschaft
§1 Anm. 10—12
Anm. 10: Die AG ist im Zivil- und Strafprozeß parteifähig (nicht prozeßfähig), so daß nur sie und kein Aktionär Partei ist. Das schließt nicht aus, daß bei entsprechend großer Beteiligung an der AG ein Aktionär als Zeuge als am Ausgang des Rechtsstreits interessiert oder als Richter befangen erscheinen kann. Als Nebenintervenient kann der Aktionär dem Rechtsstreit der AG nach RG 83, 182 nicht beitreten (bedenklich), anders im Anfechtungsprozeß wegen § 248. In anderen Fällen hat ein für oder gegen die AG ergangenes Urteil keine Rechtskraft für oder gegen einen Aktionär. Anm. 11: Strafrechtlich kann die AG nach geltendem Recht nicht zur Rechenschaft gezogen werden (Bestrafung mit Geld wäre nicht undenkbar, Mithaft war z. B. nach dem Devisenrecht bestimmt), wohl aber ist sie fähig, bürgerlich rechtliche unerlaubte Handlungen zu begehen und dadurch schadensersatzpflichtig zu werden. §§ 31, 831 BGB sind für sie anwendbar. Ob eine unerlaubte Handlung einer Organperson in Ausführung der ihr zustehenden Verrichtungen begangen ist, ist oft zweifelhaft, wenn die Organperson ihre Befugnisse überschreitet oder mißbraucht. Die Haftung besteht dann, wenn die Handlung nach Maßgabe aller Umstände von außen gesehen als Handlung der Gesellschaft, personifiziert durch ihre Organpersonen erscheint. Verrichtungen bedeutet nicht Befugnisse oder gar Möglichkeiten. Beispiele: Ein Vorstandsmitglied läßt die Aktien der AG zweimal drucken oder die ihr gehörigen Wertpapiere nachdrucken und verkauft oder lombardiert die Duplikate. Handelt er im eigenen Namen, so liegt ein Delikt der AG nicht vor — wohl aber haftet sie nicht nur rechtsgeschäftlich, sondern auch deliktisch, wenn er in ihrem Namen handelt —, ebensowenig wenn er aus Behältnissen der AG Wertpapiere entnimmt oder sonst Eigentum der Gesellschaft entwendet und für sich veräußert oder verpfändet. In gleicher Weise, wie für die Handlungen des Vorstandes, haftet die Gesellschaft für Handlungen besonderer satzungsmäßiger Vertreter im Sinne des § 30 BGB (siehe Anm. zu § 76) wie für eigene. Es genügt für die Haftung der Gesellschaft, daß §§ 30, 31 BGB, wenn ihre Voraussetzungen nur bei einer der für sie handelnden Personen zutrifft, auch wenn Gesamtvertretung besteht. Die Gesellschaft kann — auch letztenfalls — ihre Haftung aus §§ 31, 30 BGB weder durch die Satzung (§ 40 BGB) noch überhaupt allgemein, noch für Vorsatz (§ 276 II BGB), sondern nur im Einzelfall für Fahrlässigkeit abdingen. Anderes gilt von der Haftung für Angestellte nach § 831 BGB. Hier ist unabdinglich nur die Haftung für Vorsatz bei der Auswahl oder Aufsicht. Anm. 12: Die eigene Rechtspersönlichkeit erlangt die Gesellschaft erst mit der Eintragung in das Handelsregister, da sie bis dahin als AG nicht besteht (§41 I 1) und die eigene Rechtspersönlichkeit eine Eigentümlichkeit der AG ist. Vor Erlangung der eigenen Rechtspersönlichkeit ist sie als Gesellschaft errichtet, wenn die Gründer alle Aktien übernommen haben (§ 29). 9
§1
Anm. 12,13
Allgemeine Vorschriften
Die Rechtspersönlichkeit der AG geht nicht ohne weiteres unter, wenn sie vermögenslos wird. Sie kann dann aufgrund des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften vom 9.10. 34 (RGBl. 914) auf Antrag der amtlichen Berufsvertretung des Handelsstandes, der Steuerbehörde oder auch von amtswegen vom Registergeridit gelöscht werden. Erst aufgrund dieser Löschung endet die Rechtspersönlichkeit der AG. Stellt sich aber heraus, daß die Löschung zu Unrecht erfolgt ist und daß noch Vermögen vorhanden war, tritt audi dies nicht ein, vielmehr können die Gläubiger sie trotz Löschung als Rechtspersönlichkeit belangen (RG 149, 296). Es sind allerdings nur noch die notwendigen Abwicklungsmaßnahmen zulässig (RG 156, 27). Die sehr umstrittene Frage, inwieweit eine vermögenslos gewordene AG als sogenannter Mantel weiter existiert und durch Satzungsänderung neu belebt werden kann, hat damit stark an Bedeutung verloren. Wir sind der Auffassung, daß die Forterhaltung und Wiederverwendung solcher leerer Mäntel außer Zusammenhang mit dem Gesetzeszweck stehen und deshalb als unzulässig angesehen werden müssen. 4. Die Einmanngesellschafl Anm. 13: Die Rechtspersönlichkeit geht auch nicht unter bei einer Einmanngesellschaft, d. h. wenn alle Aktien in der H a n d eines einzigen Gesellschafters vereinigt sind, so daß nur noch rechtliche Beziehungen zwischen ihm und der Aktiengesellschaft, aber nicht zwischen ihm und anderen Gesellschaftern denkbar sind. Denn § 262 kennt unter den Auflösungsgründen die Vereinigung aller Aktien in einer Hand, selbst der AG selbst, nicht, es kann ja auch sein, daß sie bloß vorübergehend ist. Daraus ergibt sich auch, daß die Gesellschaft als Aktiengesellschaft fortbesteht, d. h. sie allein ist Subjekt des Gesellsdiaftsvermögens, nicht der Aktionär. Er haftet grundsätzlich nicht für die Schulden der Gesellschaft (vgl. aber Anm. 18). Niemals aber sind die Verpflichtungen des Einmannaktionärs Verpflichtungen der Gesellschaft. Er kann Rechtsgeschäfte mit ihr abschließen, auch Unternehmensverträge nach §§291, 292 (vgl. Leo, Die Aktiengesellschaft 1965, 352 ff.), Schuldner und Gläubiger der Aktiengesellschaft sein und darf seine Forderungen auch sicherstellen lassen, es sei denn, daß mißbräuchlich von vornherein das Eigenkapital der Gesellschaft so niedrig bemessen wurde, daß sie auf Kredit des Gesellschafters oder der Gesellschafter angewiesen war. Auch der Einmann kann nach § 118 Rechte in den Angelegenheiten der Aktiengesellschaft nur in der Hauptversammlung ausüben, übt sie aber in dieser allein aus, kann sich selbst zum Mitglied des Aufsichtsrates oder mittelbar durch letzteren zum Vorstand bestellen und sein Gehalt bestimmen. So wenig wie sonst ein Aktionär kann der Einmann seine Rechte willkürlich nur unter Beachtung eigener Wünsche und Belange ausüben. Auch für ihn ist die Wahrung der Interessen der Gesellschaft Voraussetzung der Rechtsausübung (vgl. RG JW 36, 3611). Bei seinen Bezügen und 10
Wesen der Aktiengesellschaft
§1 Anm. 13—15
Gewinnausschüttungen hat er § 58, §§ 86, 87 zu beachten. Für den Einmann hat § 117 besondere Bedeutung. § 117 V I I Nr. 1 gilt für ihn nicht. III. Das Grundkapital 1. Begriff bestimmung Anm. 14: Unter Verzicht auf eine gesetzliche Definition des Begriffs Grundkapital stellt das Gesetz lediglich fest, daß die Aktiengesellschaft ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat. Eine Begriffsbestimmung des Grundkapitals kann nur aus seinen Funktionen gewonnen werden. Diese sind dreierlei. Die wichtigste unter ihnen ist die Gläubigerschutzfunktion. Durch die Einstellung der Grundkapitalsziffer der Passivseite der Jahresbilanz in Verbindung mit der Bestimmung des § 57, daß den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden dürfen und sie nur Anspruch auf den Bilanzgewinn haben, wird erreicht, daß das auf der Aktivseite ausgewiesene Vermögen der Gesellschaft in Höhe der Grundkapitalsziffer für eine Ausschüttung an die Aktionäre gesperrt wird. Bei der Gründung der Gesellschaft, §§ 23 ff., ist das Grundkapital der Mindestbetrag des Anfangsvermögens. Aber schon in diesem Stadium braucht das Grundkapital nicht mit dem Anfangsvermögen übereinzustimmen. Es kann durchaus kleiner sein, denn die Einlagen der Aktionäre können von vornherein mit einem Aufgeld vorgenommen werden (§ 9 II). Grundsätzlich hat das Grundkapital mit dem Vermögen der Gesellschaft nichts zu tun. Es ist weder ein Fond, aus dem sich die Gläubiger befriedigen können, noch sind am Grundkapital die Aktionäre beteiligt. Den Gläubigern haftet das gesamte Vermögen der Gesellschaft ohne Rücksicht auf die Höhe des Grundkapitals. Die Aktionäre sind am Gesamtvermögen der Gesellschaft beteiligt und nicht an dem Grundkapital. Allerdings gibt es eine zweite Funktion des Grundkapitals. Es dient als Bezugsgröße für die Ermittlung der Beteiligung der Gesellschafter an einer Aktiengesellschaft, die — wie in unserem Recht — nur die Nennwertaktie kennt. Die Summe des Nennwertes aller Aktien ist gleich dem Grundkapital. Es ergibt sich alsdann, mit welchem Prozentsatz der einzelne Aktionär am tatsächlichen Vermögen der Gesellschaft und nicht etwa am Grundkapital beteiligt ist. Auch im Verhältnis zu den Gesellschaftern hat die Grundkapitalziffer eine gewisse Sperrfunktion, da sie nicht ohne Innehaltung der gesetzlichen Vorschriften (Mindestmehrheiten usw.) durch gesellschaftliche Maßnahmen verändert werden kann und dadurch, daß es, wenn es verlorengegangen ist, wieder aufgefüllt werden muß, bevor Ausschüttungen stattfinden. 2. Zerlegung in a) Nennbetrag
Aktien
Anm. 15: Das Grundkapital ist in Aktien zerlegt. Daraus ergibt sich, daß auch diese auf einen ziffernmäßigen Betrag — Nennwert — lauten müssen 11
§1
Allgemeine Vorschriften
Anm. 15,16 (§ 6). Da es mindestens 5 Gründer sein müssen, die Aktien übernehmen (§ 2) müssen es mindestens 5 Aktien sein. Der Nennbetrag ist nach oben unbegrenzt. Die Nennnbeträge können also auch ungleich sein, was aber bei Aktien, zu deren Wesen die ungehinderte freie Veräußerlichkeit gehört, nur in der Weise vorkommt, daß wenigstens ganze Reihen auf den gleichen Nennbetrag lauten. Es läßt sich jedoch daraus nicht ableiten, daß ungleiche Nennbeträge unzulässig sind. Nichtsdestoweniger ist den Aktien gerade infolge der Regel, daß sie wenigstens reihenweise gleichen Nennbetrag haben, die Vertretbarkeit und gegenseitige Austauschbarkeit eigentümlich, denn sie sind inhaltlich einander gleich und durch den gleichen Nennbetrag auch mengenmäßig. Da das Grundkapital einen bestimmten Nennbetrag hat und in Aktien zerlegt wird, die auch einen bestimmten Nennbetrag haben, muß die Summe der Aktiennennwerte gleich der Ziffer des Grundkapitals sein. b) Rechtliche Selbständigkeit Anm. 16: Die rechtliche Selbständigkeit der Aktien als solche ist der Wiederschein zu der eigenen Rechtspersönlichkeit der AG. Die Aktie ist der Inbegriff aller mit der Beteiligung an der Gesellschaft verbundenen Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte (über diese s. Anm. 3 zu § 11). Sie ist dadurch befähigt, selbständig Gegenstand des Rechtsverkehrs zu sein. Sie ist hierzu besonders als Inhaberaktie geeignet, weil sie, von einem für diese niemals zutreffenden Ausnahmefall (§ 55) abgesehen, nach Leistung der Einlage mit vermögensrechtlichen Verpflichtungen nicht mehr verbunden ist. Diese rechtliche Selbständigkeit der Aktie bedeutet, daß eine Veräußerung und Belastung des Gesellschaftsvermögens ebensowenig eine Veräußerung und Belastung der Aktie ist, wie umgekehrt. Der auf Erwerb aller Aktien einer Aktiengesellschaft, der nichts als ein Grundstück gehört, gerichtete Vertrag bedarf nach JW 1925, 1109 nicht der Form des §313 BGB. Der Aktienerwerber ist nicht der Erwerber des Grundstücks (RG 118, 185; 119, 126), wenigstens nicht für das Anwendungsgebiet des § 892 BGB. Über die Haftung f ü r Rechts- und Sachmängel der Gesellschaft beim Verkauf von Aktien vgl. Dr. Loos in N J W 6 2 , 519 ff. Die Selbständigkeit der Aktien wird auch von Bedeutung, wenn nach dem Verkauf der Aktien vor Erfüllung des Kaufvertrages die AG in Konkurs gerät, wodurch sie zwar aufgelöst wird (§ 262), aber zunächst doch nicht untergeht, so daß das verkaufte selbständige Aktienrecht bestehen bleibt. Der von Schlüter in D J Z 1936, 866 vertretenen Auffassung, daß in diesem Falle eine Unmöglichkeit der Erfüllung vorliege, weil der Verkäufer dem Käufer die Rechtsstellung nicht mehr gewähren kann, die der Aktionär einer nicht in Konkurs befindlichen Gesellschaft hat, kann entgegen der Vorauflage nicht gefolgt werden, zumal das nicht gelten sollte, wenn nach Verkauf aber vor Erfüllung die Auflösung der Gesellschaft beschlossen wird. In allen Fällen, in 12
Wesen der Aktiengesellsdiaft
§1
Anm. 1 6 — 1 8
denen die Gesellschaft aufgelöst wird, tritt sie in Liquidation. Der Erwerber erhält stets die gleiche rechtliche Stellung. Daß in dem einen Fall, dem Konkurs, sein Anspruch am Reinerlös nach der Beendigung der Liquidation vermutlich Null sein wird, ist hierbei belanglos. Das ist das Risiko, welches jeder Aktionär zu tragen hat. Es liegt demnach in beiden Fällen keine Unmöglichkeit vor. IV. Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft 1. Grundsätzlicher Ausschluß der Haftung Anm. 17: Das Gesetz sagt, daß für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Daraus ergibt sich, daß der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haftet, auch nicht mit seiner Einlage oder seiner Verpflichtung zur Einlage, denn diese ist Gesellschaftsvermögen und letzteres ist das, was ausschließlich haftet. Der Ausschluß der Haftung der Gesellschafter ist im Gesetz immer wieder hervorgehoben. Er ist der Aktiengesellschaft, wenn man sie mit dem Gesetz als Gesellschaft auffaßt, gegenüber anderen Gesellschaften eigentümlich, ergibt sich audi keineswegs zwingend (Schl.-Qu. § 1 Anm. 3). Aus ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit und der damit zusammenhängenden eigenen Haftung der Gesellschaft für ihre Verbindlichkeiten und Scheidung des Gesellschaftsvermögens, mußte vielmehr angesichts der vom Gesetz betonten Gesellschaftsnatur der AG, um zweifellos zu gelten, besonders bestimmt werden. 2. Die
Durchgriffstheorie
Anm. 18: Von dieser Regel gibt es jedoch Ausnahmen, da es Fälle gibt, in denen der sogenannte Durchgriff auf die Aktionäre und deren Vermögen zugelassen werden muß. Eine ausführliche Behandlung dieser Frage ist in der Schrift von Serik „Rechtsform und Realität juristischer Personen" enthalten. Der Gesetzgeber hat dieser Möglichkeit im Steuerrecht bereits Rechnung getragen: vgl. § 6 Steueranpassungsgesetz (RGBl. 1936 I, 925); § 1 IIIGrunderwerbssteuergesetz (RGBl. 1940 I, 585); § 19 KörperschaftsSt. D V O (BGBl. 1955 I, 102). Die Rechtssätze des Steuerrechts sind jedoch deshalb nicht ohne weiteres auf das Zivilrecht übertragbar, weil das Steuerrecht von der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage ausgeht und sich nicht an die Rechtslage hält. Rechtsprechung und Rechtslehre haben den Durchgriff für den sogenannten Mißbrauchstatbestand anerkannt; d.h. in den Fällen, in denen die Form der juristischen Person dazu benutzt wird, Gesetze zu umgehen, Verträge zu verletzen oder Dritte zu schädigen. Daß derjenige, der so handelt, keinen Rechtsschutz verdient, ergibt sich aus § 226 BGB. Derartige Durchgriffe müssen jedoch immer die Ausnahme bilden, wenn nicht die eigene Rechtspersönlichkeit der juristischen Person verleugnet werden soll (BGH 20, 4; 10, 13
§§1/2
Anm. 18 / 1,2
Allgemeine Vorschriften
240; Beitzke N J W 1956, 49). In der Zulassung eines Durchgriffes geht u. E. der B G H zu weit (BGH 20, 4), indem er einen Durchgriff in allen Fällen zuläßt, in denen es an einer rechtsordnungsmäßigen Verwendung der juristischen Person fehlt. E r stellt allein auf objektive Zweckmomente ab. Dieser Rechtsprechung kann nicht zugestimmt werden. Lediglich der subjektive Mißbrauch der Gestaltungsform macht den Durchgriff zulässig (Möhring N J W 1956, 1791; Fischer in Großkomm. § 1 Anm. 8 a, so auch Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 1. 8. 63, GmbH-Rundschau 64, 95 ff.). § 2 Gründerzahl An der Feststellung des Gesellschaftsvertrags (der Satzung) müssen sich mindestens fünf Personen beteiligen, welche die Aktien gegen Einlagen übernehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Gesellschaftsvertrag; Satzung (Anm. 2) III. Feststellung der Satzung und Übernahme der Aktien (Anm. 3)
IV. Gründer 1. Zahl (Anm. 4) 2. Gründerfähigkeit (Anm. 5) 3. Übernahme von Aktien (Anm. 6) 4. Einlageforderung (Anm. 7, 8)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist gegenüber dem alten Gesetz in zwei Punkten geändert worden. Während bislang jeder Gründer lediglich eine Aktie übernehmen mußte, sind nunmehr sämtliche Aktien von den Gründern zu übernehmen. Ferner ist bestimmt, daß die Übernahme der Aktien gegen Einlagen zu erfolgen hat. Dies ergab sich früher bereits aus § 1, in dem gesagt war, daß die Gesellschafter mit Einlagen am Grundkapital beteiligt seien. D a § 1 insoweit geändert worden ist (siehe dort Anm. 1) hat der Gesetzgeber die Pflicht zur Einlageleistung in § 2 festgelegt. II. Gesellschaftsvertrag Anm. 2: Das Gesetz gibt dem Gesellschaftsvertrag der Aktiengesellschaft die Bezeichnung Satzung (über Rechtsnatur der Satzung vergleiche Anm. 2 zu § 23; über Willensmängel bei Feststellung Anm. 7 vor § 23; über Vertretung bei Feststellung Anm. 4 zu § 23). Grund hierfür sind verschiedene Gesichtspunkte. Es ist eine alte Streitfrage, ob Satzungsfeststellung und Aktienübernahme Verträge seien. Die Frage ist jedoch ohne große praktische Bedeutung, es sei denn für die Anwendung des § 181 B G B bei nicht rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht. Zweifellos wäre es, wenn das geltende Recht es zuließe, denkbar, daß eine einzige Person die Satzung feststellt, alle Aktien über14
Gründerzahl
§2
Anm.2
nimmt und die Eintragung des Aktienunternehmens im Handelsregister herbeiführt. Von einem Vertrag könnte dann nicht gesprochen werden, da nur eine einzige Person handelt. Aber man kann sich schwer vorstellen, daß kein Vertrag vorliegen soll, wenn eine Mehrzahl von Personen an der Feststellung der Satzung mitwirkt und die Aktien unter sich aufteilt. In einem solchen Fall können langwierige Verhandlungen vorausgehen, deren Ergebnis dann die Feststellung der Satzung und die Aktienaufteilung ist. D a n n noch von ebenso vielen einseitigen, wenn auch übereinstimmenden Erklärungen zu sprechen, als Personen an der Gründung mitgewirkt haben, tut der Sache Gewalt an. Es darf nicht irre machen, daß auch Punkte — übereinstimmend — zu regeln sind, welche die Vertretung der A G nach außen, Firma, Sitz, Ber u f u n g der H V u n d dgl. f ü r das künftige rechtliche Verhältnis der Gründer zur A G bedeutungslos sind und mitunter auch ihre Belange nicht berühren, ebensowenig wie die Besonderheit, daß das Gesetz an die gefundene Einigung nach der Eintragung der A G ins Handelsregister Folgen knüpft, die über das Verhältnis der Vertragsteilnehmer untereinander hinausgehen; denn, wenn m a n davon absieht, daß die Rechtssprechung Willensmängel nach der Eintragung nicht mehr berücksichtigen will, beruht auch diese v o m Gesetz zugelassene Wirkung auf der vorangegangenen Einigung. Weil die Gründer sich geeinigt haben, treten sie zusammen und lassen über das, worüber die Einigung zustande gekommen ist, eine öffentliche U r k u n d e aufnehmen; nicht weil sie festgestellt haben, daß die einseitigen Erklärungen, die sie abzugeben willens sind, übereinstimmen. Wenn somit die Feststellung der Satzung als Abschluß eines Vertrages anzusehen ist, so kann auf der anderen Seite nicht verkannt werden, daß diese Satzung außer der vertraglichen Regelung der Beziehungen der Gesellschafter untereinander außervertragliche Momente dadurch enthält, daß eine selbständige Rechtspersönlichkeit entsteht ( § 1), die als solche im Rechtsverkehr auftritt. Dies ist einer der Gründe, aus denen das Gesetz es nicht einfach bei dem Begriff des Gesellschaflsvertrages beläßt, sondern ihn als „ S a t z u n g " bezeichnet. Tatsächlich unterscheidet sich die Satzung von einem Vertrag nach der Entstehung der A G in mancherlei Hinsicht. K a n n ein Vertrag von allen Vertragsschließenden ohne weiteres geändert werden, so können dies die Gründer nicht ohne weiteres, vielmehr ist die Änderung nur noch in einer Hauptversammlung möglich, bei der allerdings nicht alle Aktionäre der Änderung zustimmen müssen, sondern nur eine qualifizierte Mehrheit, während die Änderung eines gewöhnlichen Vertrages die Einstimmigkeit aller am Vertrag Beteiligten voraussetzt. Willensmängel bei Feststellung in der Satzung sind nach Eintragung der A G unbeachtlich. Aus dem dargelegten ergibt sich, daß der Gesellschaftsvertrag kein Vertrag im üblichen Sinne ist, so daß die Bezeichnung „Gesellschaftsvertrag" sachlich 15
§2 Anm. 3—5
Allgemeine Vorschriften
unrichtig wäre. Da die AG einem Verein verwandt ist, hat der Gesetzgeber die Bezeichnung „Satzung" normiert. III. Feststellung der Satzung und Übernahme der Aktien Anm. 3: Die auf technischen Gründen beruhende gesetzliche Scheidung zwischen Feststellung der Satzung und Aktienübernahme kann den Zusammenhang nicht zerreißen. Die Vorstellung einer Aktienübernahme ohne Bezug auf eine festgestellte Satzung, der vielmehr geradezu Bestandteil der AktienÜbernahmeerklärung ist, läuft, mag sie auch einmal mißbräuchlich im Schwange gewesen sein, den Denkgesetzen zuwider. Schließlich hat auch die Übernahme ohne nachfolgende Zuteilung nur Eintragsbedeutung. Es ist Spielerei, die Satzungsfeststellung, Unterwerfung unter die Satzung, Aktienübernahme und Aktienzuteilung, obwohl sie nur nach Einigung einer Mehrzahl von Personen möglich sind und in einem durch diese Einigung hergestellten rechtlichen Zusammenhang stehen, in lauter einseitige Rechtsgeschäfte aufzulösen. IV. Gründer 1. Zahl Anm. 4: Es müssen wenigstens fünf Personen die Satzung feststellen, welche alle Aktien übernehmen und die volle strafrechtliche (§ 399 I N r . 1 u. 2) und vermögensrechtliche (§ 46) Verantwortung für die Gründung tragen. Diese Personen nennt der Gesetzgeber Gründer (§ 28). Zulässig ist, daß sich Personen an der Feststellung der Satzung beteiligen, welche keine Aktien übernehmen; diese sind auch Gründer (§ 28) und haften als solche. Dagegen ist es nach Wegfall des § 30 AktG 37 nicht mehr möglich, daß Personen Aktien übernehmen, welche bei der Feststellung des Gesellsdiaftsvertrages nicht mitgewirkt haben. 2. Gründerfähigkeit Anm. 5: N u r die Mindestzahl der Gründer ist vorgeschrieben. Das Gesetz sagt aber nichts über die Gründerfähigkeit. Da es damit wie auch schon das Gesetz von 1937 die Klärung einiger seit jeher vorhandener Zweifel nicht für erforderlich erachtet hat, muß angenommen werden, daß es sich hier überall der herrschenden Lehre und Rechtssprechung anschließen wollte. Danach können Gründer sein und bei der Fünfzahl mitgezählt werden: alle natürlichen Personen, gleichgültig ob geschäftsfähig oder nicht, juristische Personen, auch wenn in Abwicklung befindlidi, auch offene Handelsgesellschaften können Gründer sein, jedoch neben ihnen nicht noch deren Gesellschafter, da sie ohnedies als Gesellschafter 16
Gründerzahl
§2 Anm. 5,6
der oHG bereits voll haften. Dagegen kann auch der Kommanditist neben der KG Gründer sein, weil seine Haftung mit ihrer Haftung nicht zusammenfällt. Dagegen kann überhaupt nicht Gründer sein, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (a. A. Ritter, Anm. 3 b), ein Verein ohne Rechtsfähigkeit, eine Erbengemeinschaft, ein Testamentsvollstrecker (a. A. Ritter aaO.), ebenso kann niemand nur den Bruchteil einer Aktie übernehmen. In Fällen gesetzlicher Vertretung ist der Vertretene der Gründer und trägt er die vermögensrechtliche Gründerhaftung, wird Gesellschafter und als solcher berechtigt und verpflichtet. Die strafrechtliche Gründerhaftung aber trägt der Vertreter, da dieser und nicht der Vertretene sich insoweit strafbar machen kann. Es kann aber auch für fremde Rechnung durch einen Strohmann gehandelt werden, dann muß dieser die Gründerfähigkeit haben und wird er echter Gründer, der die vermögensrechtliche und strafrechtliche Haftung trägt. Erstere trägt aber neben ihm auch sein Auftraggeber (§ 46). Herwig (DNZ 37, 195) will den Strohmann bei Errechnung der Mindestzahl nicht mitrechnen. Dagegen ist Fischer (Großkomm. § 1 Anm. 16) nunmehr unserer Meinung beigetreten. Das OLG Celle (NJW 1951, 847) hat in dem Fall von einem Scheingeschäft gesprochen und Nichtigkeit des Vertrages angenommen, in dem zwei Strohmänner eine GmbH begründet und ihre Geschäftsanteile noch am Tage der Gründung einem Dritten übertragen haben. Der BGH hat dieser Rechtssprechung ausdrücklich widersprochen (BB 1956, 1118). Er hat die Gründung durch Strohmänner ausdrücklich zugelassen, wenn diese die Gründung selbst wollen. Im Augenblick der Eintragung der Gesellschaft sind Gesellschafter vorhanden und die erforderliche Gründerzahl gegeben, da die Abtretung der Geschäftsanteile erst mit der Eintragung der Gesellschaft wirksam wird (BGH 21, 242). Lediglich, wenn vor der Eintragung ein Verstoß gegen das Gesetz oder die guten Sitten offenkundig ist, kann die Eintragung abgelehnt werden. Steuerrechtlich wird nicht der Strohmann, sondern dessen Auftraggeber als Erwerber der Aktien angesehen (RFH 14, 228). Diese Auslegung erfolgt jedoch aus rein steuerrechtlichen Erwägungen und ist daher für das Aktienrecht bedeutungslos. 3. Übernahme von Aktien Anm. 6: Die Gründer haben sämtliche Aktien zu übernehmen. Dies erfolgt durch die Übernahmeerklärung, die zusammen mit der Feststellung der Satzung erfolgt (vgl. Anm. 3 und im einzelnen Anm. 19—22 zu § 23 und Anm. 2 zu § 29). 17 2
Wilhelmi, Aktiengesetz
§2 Anm. 7,8
Allgemeine Vorschriften
4. Einlageforderung Anm. 7: Die Verpflichtungen des Gesellschafters zu Leistungen von Vermögenswerten erschöpft sich in der Einlage. Sie besteht auch solange diese nicht geleistet ist nur der Gesellschaft gegenüber. Zur Einlage eignen sidi nur Geld oder Güter mit Verkehrswert. Die Einlagen müssen wenigstens den Aktienwert erreichen (§ 9), brauchen aber nicht, auch nicht nur verhältnismäßig, gleich zu sein und auch nicht notwendig aus dem Vermögen des Aktionärs zu stammen, mindestens nicht unmittelbar, aber wohl auch nicht mittelbar. Ober den möglichen Gegenstand der Einlage außer Geld siehe Anm. 11—14 zu §27. Der Aktionär ist verpflichtet, diese Einlage einzuzahlen, da es erstes Ziel der Aktiengesellschaft sein muß, das gesamte Grundkapital voll zu erhalten. Um dies zu erreichen, sind in den Vorschriften über die Gründung, §§ 23 ff., eine Reihe von Sondervorschriften enthalten. So müssen nach § 26 die Sondervorteile und der Gründungsaufwand in der ursprünglichen Satzung enthalten sein. § 27 enthält die Bestimmungen über die Bewertung und Festsetzung der Sacheinlage oder der Gegenleistung bei Sachübernahme. Mit § 33 wird eine allgemeine Gründungsprüfung angeordnet. Nach § 38 hat das Gericht die Eintragung abzulehnen bei unangemessener Gegenleistung. § 52 trifft besondere Vorschriften zur Verhütung einer Umgehung bei Nachgründung. § 66 bringt das Verbot des Erlasses und einstweilige Aufrechnung durch Aktionäre. Anm. 8: Die in der Rechtslehre und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Anspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär auf die Einlage abtretbar ist, spielt praktisch nur insofern eine Rolle, als die Abtretbarkeit Voraussetzung der Pfändbarkeit ist. Die Abtretbarkeit könnte einmal unter dem allgemeinen Gesichtspunkt des § 399 BGB, daß eine Forderung nicht abgetreten werden kann, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann, unzulässig sein und sodann aus dem aktienrechtlichen Gesichtspunkt des § 66, nach dem die Aufbringung des Grundkapitals unter allen Umständen sichergestellt sein soll. Eine Veränderung des Inhalts der Leistung würde eintreten, wenn man, der älteren Rechtssprechung des Reichsgerichts folgend, sich auf den Standpunkt stellen würde, daß die Fälligkeit der abgetretenen Einlageforderung nicht von der Aufforderung zur Einzahlung nach § 63 Absatz 1 abhängig sei. Die Rechtsprechung ist inzwischen überholt. Es liegt keine Veranlassung vor, aus der Abtretung allein eine Veränderung des Inhalts der Einlageforderung zu folgern. Nach wie vor wird die Forderung erst nach Einforderung der Einlage unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes gegenüber allen Aktionären fällig. Die Bestimmung des § 399 BGB steht der Abtretbarkeit also nicht ent18
Die Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft
§§2/3
Anm. 8/1,2
gegen, wohl aber schränkt der in § 66 zum Ausdruck kommende Grundsatz die Abtretbarkeit praktisch erheblich ein. Es ist allgemeine Auffassung, daß sie nur dann zulässig ist, wenn die Gesellschaft als Gegenleistung ein vollwertiges Entgelt erhält (RG 133, 83; 135, 57; 156, 25; JW 1936, 445). Auch das gesamte Schrifttum hat sich dieser Auffassung angeschlossen (vgl. Großkomm. Fischer § 60 Anm. 21, Schl.-Qu. § 60, Anm. 3). § 3 Die Aktiengesellschaft: als Handelsgesellschaft Die Aktiengesellsdiaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Anm. 1: Die dem bisherigen Recht entsprechende Bestimmung besagt, daß die AG jeden gesetzlich nicht verbotenen Zweck verfolgen kann, nicht etwa nur ein Handelsgewerbe, also auch einen sozialen (Konsumverein), idealen (studentisches Verbindungshaus), oder audi einen wirtschaftlichen, der kein Handelsgewerbe voraussetzt (landwirtschaftlicher, bergbaulicher Betrieb, Hausbesitz oder -Verwaltung, Verwaltung von Beteiligungen, z. B. „Holding", Geschäftsstelle für Syndikat oder Interessengemeinschaft). Welchen Zweck sie auch betreiben mag, immer sind die Vorschriften der Vollkaufleute (§ 6 HGB) anzuwenden, und zwar von der Eintragung der AG in das Handelsregister ab (§ 41 Abs. 1 S. 1). Anm. 2: Daraus folgt, daß der Name der AG immer eine Firma ist ( § 1 7 HGB) und ferner folgende Bestimmungen auf sie Anwendung finden: § 22 HGB (Fortführung der Firma bei Erwerb des Handelsgeschäfts); §§ 38 ff. HGB (Handelsbücher); soweit nicht besondere Vorschriften bestehen; § 48 ff. HGB (Prokura; a. A. Brodmann § 210 HGB Anm. 4); § 343 HGB (Begriff der Handelsgeschäfte) immer, obwohl er nach seinem Wortlaut ein Handelsgewerbe voraussetzt, da die Lebensbetätigungen einer AG nicht unterschieden werden können, wie die einer natürlichen Person, so daß ihre ganze Lebenstätigkeit die Ausübung eines Gewerbebetriebes darstellt, auch wenn sie keinen solchen hat, d. h. alle ihre Geschäfte sind Handelsgeschäfte; § 348 HGB (keine Herabsetzung der Vertragsstrafe); § 349 HGB (selbstschuldnerische Bürgschaft); § 352 bis 354 HGB (gesetzliche Zinsen); § 363 HGB (kaufmännische Orderpapiere); § 366 HGB (erweiterter Schutz des guten Glaubens); § 368 HGB (kürzere Frist bei Pfandverkauf); § 369 ff. HGB (kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht); 2*
19
§§3/4 Anm. 2—5
Allgemeine Vorschriften
§ 377 H G B (Mängelrüge); § 196 Abs. 1 S a t z 1 und 2 B G B (Verjährung). Ansprüche gegen die Gesellschaft gem. § 196 Ziff. 1 B G B verjähren nicht in zwei, sondern in vier Jahren (§ 196 Abs. 2 B G B ) . § 59 H G B (Handlungsgehilfe). Betreibt sie ein eigentliches Handelsgewerbe, so findet § 59 direkt Anwendung. Es sind also alle die Angestellten Handlungsgehilfen, die Dienste leisten, die kaufmännische Vorbildung und Fähigkeit verlangen. Betreibt sie kein eigentliches Handelsgewerbe und ist nur kraft der Vorschrift des § 3 ein Handelsgeschäft, so sind die als Handlungsgehilfen anzusehen, deren Fähigkeit den kaufmännischen Diensten entspricht, so bei einer Hausverwaltung der Buchhalter, nicht dagegen die sogenannten Gewerbegehilfen, wie der Bote oder die Schreibkraft (anders die Vorauflage).
Anm. 3: Steuerrechtlich sind alle Einkünfte der A G nach den einschlägigen Bestimmungen der Steuergesetze gewerbliches Einkommen, so auch Einkünfte von Gesellschaften, deren ganzes Vermögen in einem einzigen Grundstück besteht (trotz § 1 Steueranpassungsgesetz, R F H 39, 211 auch für die Aufbringungspflicht R F H 23, 309 ff., insbesondere 345 u. 346). Dies gilt auch bei Aktiengesellschaften, die rein idealen Zwecken dienen, ferner bei Verwaltungs-(Holding)gesellschaften. Eine Ausnahme besteht für Aktiengesellschaften nach dem Vermögenssteuergesetz vom 10. 6. 1954 (BGBl. I Seite 137), die im Besitz der öffentlichen H a n d sind oder staatlich geförderte Zwecke erfüllen, insoweit, als für sie nach § 3 Steuerbefreiung vorgesehen ist. Gem. § 56 Abs. 1 Ziffer 1 Bewertungsgesetz ist bestimmt, daß alle Gegenstände, die der A G gehören, deren Betriebsvermögen bilden. Anm. 4: § 3 gilt auch f ü r die nach § 44 eingetragenen Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften. Im übrigen sind die Folgerungen aus § 3 auf Rechtsverhältnisse für ausländische Aktiengesellschaften nur anwendbar, insoweit auf diese Rechtsverhältnisse nach deutschem internationalen Privatrecht das Deutsche Recht anwendbar ist. Anm. 5: Die Bestimmung des § 3 greift jedoch nicht in alle Rechtsgebiete ein. S o gilt z. B. eine A G im Sinne der Gewerbeordnung nur dann als gewerbetreibend, wenn sie auch tatsächlich ein Gewerbe betreibt. § 4
Firma (1) Die Firma der Aktiengesellschaft ist in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen. Sie muß die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" enthalten. 20
Firma
§ 4
Anm. 1—3
(2) Führt die Aktiengesellschaft die Firma eines auf sie übergegangenen Handelsgeschäfts fort (§ 22 des Handelsgesetzbuchs), so muß sie die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" in die Firma aufnehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Firma 1. Notwendiger Bestandteil der Satzung (Anm. 2) 2. Schutz (Anm. 3) 3. Unterscheidungskraft (Anm. 4) 4. Sachfirmen (Anm. 5)
5. Zusatz „Aktiengesellschaft) (Anm. 6) 6. Firmenänderung (Anm. 7) III. Übernahme eines Handelsgeschäftes (Anm. 8) IV. Veräußerung und Verpachtung (Anm. 9) V. Unzulässige Firma (Anm. 10)
I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschrift hat gegenüber dem früheren § 4 AktG 37 in Absatz 2 insofern eine Änderung erfahren, als nicht mehr von einem von der AG „erworbenen" sondern von einem auf sie „übergegangenen" Handelsgeschäft die Rede ist. Damit ist der Wortlaut des Gesetzes lediglich der Rechtslage angepaßt worden, ohne daß eine rechtliche Änderung herbeigeführt worden wäre, da auch der alte § 4 AktG 37 durch die Verweisung auf § 22 HGB nicht nur den Erwerb, sondern auch die Übernahme eines Handelsgeschäftes mit umfaßt hat. II. Firma 1. Notwendiger Bestandteil der Satzung Anm. 2: Die Firma ist notwendiger Bestandteil der Satzung (§ 23 I I I Nr. 1) kann also nur durch Satzungsänderung geändert werden. Sie ist der Name der AG schlechthin, nicht nur wie beim natürlichen Kaufmann der Name, unter dem er „im Handel seine Geschäfte betreibt und seine Unterschrift abgibt" (§ 17 HGB). Deshalb kann die AG für alle Unternehmungen und Niederlassungen nur eine Firma haben, doch sind Zusätze zur Unterscheidung statthaft. Stets muß die Firma die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" enthalten. Nach Artikel 22 Einführungsgesetz zum HGB können jedoch auch heute noch die vor Inkrafttreten des HGB eingetragenen Gesellschaften, die nach damaligem Recht zulässigen Firmenbezeichnungen beibehalten. 2. Schutz Anm. 3: Aus der Anführung des § 22 HGB durch Absatz 2 ergibt sich, daß die Firmenvorschriften des HGB auch für die Aktiengesellschaft gelten. Die Firma wird nicht nur durch § 30 HGB, sondern gegen Verwechslungsgefahr auch durch § 16 UWG geschützt (Prioritätsgrundsatz), ferner durch die §§ 1, 3, 4 UWG (täuschende Nachahmung) sowie durch § 12 BGB (Na21
§4
Anm. 3—5
Allgemeine Vorschriften
menssdiutz). Nadi diesen Bestimmungen ist Unterlassungsklage, bei Verschulden des Verletzers Schadenersatzklage gegeben. Über die Firma der Zweigniederlassung siehe Anm. zu § 42. 3.
Unterscheidungskraft
Anm. 4: Als Name muß die Firma Unterscheidungskraft haben, nicht nur im Sinne des § 30 HGB, wonach sie sidi von allen an demselben Ort bereits bestehenden und eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden muß, sondern sie muß auch, obwohl dem Gegenstand entnommen, doch eine eigentümliche Namensbezeichnung sein ( K G J 37, 172). Unter Umständen ist dies sdion durch Verbindung mit einem Ortsnamen möglich, nicht aber durch den Zusatz „Aktiengesellschaft" allein (RG 133, 318 und 325). Kein Bestandteil der Firma, am wenigstens der dem Gegenstand des Unternehmens entnommene, darf zu einer Täuschung geeignet sein ( § 1 8 Abs. 2 HGB, §§ 1, 3, 4 UWG). „Fabrik", „Werk" oder gar „Fabriken", „Werke", ferner „Industrie", „Zentrale", „Haus" erwecken die Vorstellung großer Betriebe, die sich heute jedenfalls nicht ohne weiteres schon aus dem Mindestgrundkapital der AG nach § 7 von 100 000,— DM ergeben. Erstere Bezeichnungen sind außerdem nur für Erzeugnisstätten, nicht für Handelsbetriebe erlaubt. Auch die Zusätze „Deutsch", „Europäisch" gelten nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht mehr als farblos. Es entscheidet vielmehr die Stellung des Unternehmens innerhalb der Gesamtwirtschaft und seiner Bedeutung für diese, nicht so sehr sein Umfang, sein Personal oder die Herkunft seines Materials als die Unterscheidung von ausländischen Unternehmungen gleicher Art. Wird die Firma nachträglich wegen veränderter Verhältnisse oder Verkehrsauffassung irreführend, so ist sie nach § 142 FGG von amtswegen zu löschen, wenn sie nicht geändert wird. Besonderen Schutz genießen nach § 10 des Kreditwesengesetzes vom 25. 9. 1937 die Bezeichnungen „Bank" und „Sparkasse", welche nur unter den daselbst angeführten Voraussetzungen geführt werden dürfen. 4. Sachfirmen Anm. 5: Die Firma soll dem Gegenstand des Unternehmens entnommen, Sachfirma sein. Danach muß sie deutsch, zumindest aber für Deutsche verständlich sein. Die Meinung, daß sie nicht deutsch zu sein braucht, kann nur für Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften als richtig anerkannt werden. Nach der von der herrschenden Ansicht mißbilligten Rechtssprechung des Reichsgerichts, welche Sachfirmen wie „Kosmopharm" (kosmotechnischpharmazeutisch) und „Aeriola" zuläßt, ist auch die Sachfirma nur Unterscheidungszeichen und nicht bestimmt über den Gegenstand aufzuklären. Die Vorschrift, daß die Firma in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens entnommen sein soll entspricht zwar Denkgesetzen, weil es an einem physischen Inhaber fehlt, auf den ein Personenname hinweisen würde, schließt 22
Firma
§4 Anm. 5—7
aber nicht aus, daß die Firma daneben auch Bestandteile enthält, welche Personennamen oder Phantasieworte sind. Durch Artikel 22 des EG zum HGB ist es sogar möglich, daß die Firma ausschließlich aus einem Personennamen besteht, wobei allerdings dann der Zusatz „Aktiengesellschaft" erforderlich ist. Ausschließlich aus einem Phantasiewort darf die Firma dann bestehen, wenn dieses Wort zugleich der wahre Name für das Fabrikat der AG ist und sich dieser schon durchgesetzt hat (Schl.-Qu. Anm. 4, Schmidt in Großkomm. § 4 Anm. 2). Phantasieworte mit der für die Aktiengesellschaft üblich gewordenen Abkürzung „AG" am Ende (INDROHAG) sind nach § 1 8 Abs. 2 HGB unzulässig auch als Zusatz, wenn sie eine Firma bezeichnen soll, die nicht AG ist (BGH 22, 88 bis 90). Es spielt hierbei keine Rolle, daß aus der Gesamtheit der Firma zu erkennen ist, daß es sich nicht um eine AG handelt (INDROHAG, Industrie-Rohstoffe Handlungsgesellschaft mit beschränkter Haftung). 5. Zusatz „ Aktiengesellschaft" Anm. 6: Die Firma muß die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" enthalten, und zwar nach Absatz 2 auch im Falle des § 22 HGB. Nach einhelliger Ansicht muß der Zusatz ausgeschrieben sein. Unzulässig ist zum Beispiel „Aktienbrauerei", zulässig „Berliner Droschken Aktiengesellschaft" (RJA 11, 25; K G J 41 A 263; Baumbach Anm. 3 zu § 20 HGB). Eine Sachfirma die von einer am 1. Januar 1900 bestanden habenden AG aufgrund § 22 EGHGB ohne Zusatz „Aktiengesellschaft" geführt werden kann, kann ohne diesen bestehen bleiben, auch wenn unwesentliche Firmenbestandteile geändert werden (KG JW 38, 1171) oder die Firma eines übernommenen Unternehmens fortgeführt wird. 6. Firmenänderung Anm. 7: Die Änderung oder Erweiterung des Gegenstandes der AG erfordert nicht ohne weiteres die Firmenänderung (allgemeine Ansicht). Nur wenn wettbewerbsrechtliche Bestimmungen eine Änderung verlangen oder eine Täuschung über die Art der Geschäfte vorliegt, muß auch die Firma geändert werden. Wird eine Firma geändert, muß sie den Anforderungen an eine neue Firma entsprechen (KG JW 1937, 47 und 36), auch wenn sie bisher zulässigerweise keine Sachfirma gewesen war. Änderung der Firma ist Satzungsänderung, bedarf also eines Hauptversammlungsbeschlusses (§ 179 Abs. 1) mit der dazu erforderlichen Mehrheit (§ 179 Abs. 2 und 3) und der Eintragung ins Handelsregister (§ 181). Wenn es die Übersichtlichkeit erfordert, ist ein neues Registerblatt anzulegen, auf welches die AG mit allen noch gültigen Eintragungen unter der neuen Firma einzutragen ist; dabei ist jeweils auf das andere Blatt zu verweisen (§ 13 III Handelsregisterverfügung vom 12. 8. 1937). Zusätze bei der Firma einer Zweigniederlassung bedürfen keiner Satzungsänderung und können vom Vorstand vorgenommen werden. 23
§4
Anm. 8—10
Allgemeine Vorschriften
DI. Übernahme eines Handelsgeschäftes Anm. 8: Bei Übernahme eines Handelsgeschäftes ist die Fortführung der bisherigen Firma statthaft (nicht notwendig). Auch wenn die bisherige Firma des übernommenen Geschäftes keine Sachfirma ist. Es genügt auch in diesem Fall der Zusatz „Aktiengesellschaft", wenn es sich um das einzige Unternehmen der AG handelt, sei es, daß sie zwecks Übernahme des Geschäftes gegründet worden ist oder daß sie es mit ihrem bestehenden Unternehmen vereinigt und ihre Firma durch Satzungsänderung ändert. Dagegen kann sie die übernommene Firma, wenn sie diese nur für eine von mehreren Unternehmungen oder Zweigniederlassungen fortführen, im übrigen aber ihre bisherige Firma weiterführen will, nur als Zusatz zur letzteren (ohne Satzungsänderung) bei der Zweigniederlassung annehmen. Es muß erkennbar bleiben, daß es sich um die Zweigniederlassung einer AG handelt und welche Firma diese führt (RG 113, 213). Eine wesentliche Veränderung der fortzuführenden Firma ist nicht statthaft, es sei denn, daß die AG die veränderte Firma auch als ursprüngliche führen könnte. Wird zunächst die eigene Firma beibehalten, so kann die erworbene auch noch nach einiger (Dresden ZHR 37, 350), immerhin begrenzter Zeit angenommen werden, aber nidit mehr, wenn schon eine neue Firma angemeldet ist (Krieger-Lenz Anm. 17 zu § 2 HGB). Die Fortführung der erworbenen Firma bringt die unbeschränkte Haftung für die Schulden des übernommenen Geschäftes mit sich (§ 25 HGB). Ohne Fortführung der Firma gilt § 419 BGB. Sämtliche vorstehende Grundsätze gelten auch im Falle einer Pacht oder Verpachtung eines Unternehmens, die wie der Erwerb bzw. die Veräußerung zu behandeln sind.
IV. Veräußerung und Verpachtung Anm. 9: Veräußert oder verpachtet die AG ihr Unternehmen und gestattet sie dem Erwerber oder Pächter die Fortführung ihrer bisherigen Firma, so muß sie, um ihm dies zu ermöglichen, durch Satzungsänderung eine neue Firma annehmen und ist gegenüber dem Vertragsgegner dazu verpflichtet. V. Unzulässige Firma Anm. 10: Die Eintragung einer unzulässigen Firma ist vom Registergericht abzulehnen. Bei trotzdem erfolgter Eintragung kann auf folgenden Wegen dagegen vorgegangen werden: Die Gesellschaft kann aufgefordert werden durch Satzungsänderung den Mangel zu beheben; mit den Vorschriften wegen Firmenmißbrauchs gemäß §37 HGB; mit der Nichtigkeitsklage (§§ 275 ff.); schließlich kann die Gesellschaft nach § 144 FGG von Amts wegen gelöscht werden. Das gleiche gilt, wenn die Firma nachträglich unzulässig wird. 24
Sitz
§5 Anm. 1,2
S 5 Sitz (1) Sitz der Gesellschaft ist der Ort, den die Satzung bestimmt. (2) Die Satzung hat als Sitz in der Regel den Ort, wo die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort zu bestimmen, wo sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. I. Übersicht (Anm. 1) II. Begriffsbestimmung 1. Allgemeine Regel (Anm. 2) 2. Ausnahmen (Anm. 3)
III. Doppelsitz (Anm. 4) IV. Ausländische Gesellschaften (Anm. 5) V. Rechtswirkung des Sitzes (Anm. 6) VI. Sitzverlegung (Anm. 7)
I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist sprachlich geändert worden, damit klargestellt ist, daß der in der Satzung festgelegte Sitz maßgebend ist, wenn er nicht mit dem tatsächlichen Sitz übereinstimmt. Daß der Sitz in der Satzung festgelegt sein muß, ergab sich schon aus § 16 III AktG von 1937. II. Begriffsbestimmung 1. Allgemeine Regel Anm. 2: Sitz ist der von der Satzung unter Beachtung der vorliegenden Vorschriften bestimmte Ort. Das Gesetz geht von der häufigen Erscheinung aus, daß der gewerbliche Betrieb sich an einem anderen Ort befindet als der kaufmännische und die Geschäftsleitung, ja daß sogar diese an einem Ort ist, wo weder ein gewerblicher noch ein kaufmännischer Betrieb ist. Nicht selten auch — bei ganz großen Unternehmungen — befindet sich ein vielköpfiger Vorstand verstreut an mehreren Orten. Das Gesetz stellt alle diese Orte zur Wahl. Notwendigerweise bestimmt die Wahl gleichzeitig die Hauptniederlassung. An dem Sitz muß sich a) entweder ein Betrieb der Gesellschaft befinden, ein gewerblicher oder ein kaufmännischer, wenn Fabrikation und Geschäftsverkehr an getrennten Orten ausgeübt werden, oder einer von mehreren gewerblichen oder mehreren kaufmännischen Betrieben, aber nicht nur eine Betriebsstätte, welches der weiteste Begriff ist und auch bloße Warenlager und dergleichen mit umfaßt; b) oder die Geschäftsleitung oder Verwaltung befinden. Die Bestimmung stammt aus dem Steueranpassungsgesetz (§ 15 III). Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung; Verwaltung wird meist dasselbe sein. Da aber die AG nicht notwendig einen gewerb25
§5 Anm. 3,4
Allgemeine Vorschriften
liehen oder kaufmännischen Zweck haben muß (siehe Anm. 1 zu § 3), gibt es auch Gesellschaften, die keine Geschäftslcitung, sondern eine Verwaltung haben. 2. Ausnahmen Anm. 3: Vorstehendes gilt nur in der Regel. Ausnahmen davon kann das Registergericht zulassen, indem es auf Grund pflichtmäßiger Erwägung einen davon abweichenden Sitz einträgt. Es dürfte sonach bei schon eingetragenen Gesellschaften, auch wenn die Bestimmung der Satzung über den Sitz der Vorschrift des § 5 nicht entspricht, nicht erst Heilung des Mangels durch Satzungsänderungsbeschluß nach § 276 notwendig sein, wohl aber bleibt es dem Registerrichter unbenommen, der AG nach §§ 144 I I I ; 142 I I FGG eine Frist zu setzen, um den Mangel durch Satzungsänderung zu beseitigen und nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Gesellschaft von Amts wegen zu löschen. Dasselbe gilt, wenn am ursprünglichen Sitz die Sitzvoraussetzung wegfällt. Das Registergericht kann die Bewilligung der Ausnahme unter gleichgebliebenen Verhältnissen nicht zurücknehmen. Heilung des Mangels kann, wenn gegen § 5 verstoßen wird, demnach auch durch Duldung des Registerrichters eintreten, doch kann dieser bei nur versehentlicher Eintragung nach § § 1 4 4 I I I ; 142 II FGG vorgehen. III. Doppelsitz Anm. 4: Bis 1945 war es einhellige Ansicht, daß eine AG begriffsnotwendig nur einen Sitz haben könne. Die Teilung Deutschlands und die politische Sonderstellung West-Berlins haben die Frage der Zulässigkeit der Begründung eines zweiten Sitzes aufkommen lassen (Bernau in N J W 1949, 86; Consbruch in N J W 1949, 375; Springer N J W 1949, 561; W. Schmidt in J R 1949, 208; Gessler in S J Z 1949, 342). Zu weitgehend ist die Ansicht, einen Doppelsitz allgemein zuzulassen, weil im Gesetz ein entsprechendes Verbot nicht enthalten sei. Ebenso abzulehnen ist die entgegengesetzte Meinung, es könne niemals ein Doppelsitz eingetragen werden, weil das Gesetz (§§ 14, 20, 33, 42, 117, 236 I I I , 238) zwingend von der Voraussetzung nur eines Sitzes ausgehe. Die außergewöhnlichen politischen und durch diese bedingten wirtschaftlichen Umstände erlauben vielmehr, Ausnahmen zu machen; da weder ausdrücklich nur ein Sitz im Gesetz verlangt, noch der Doppelsitz verboten wird, ist nach nunmehr herrschender Lehre in den Fällen die Errichtung eines zweiten Sitzes zugelassen, in denen durch die Teilung Deutschlands eine besondere Notlage entstanden ist (AG Bonn in BB 1948, 462; AG Heidelberg in S J Z 1949, 342; L G Köln in N J W 1950, 352; Baumbach-Hueck § 5 Anm. 2 B; Schmidt in Großkommentar § 5 Anm. 5 a; Bayerisches oberstes Landesgericht in BB 1962, 497 = AktGes. 1962, 280 = N J W 1962, 1014). 26
Sitz
§5
Anm. 4—6
Audi die amtliche Begründung des Regierungsentwurfes geht zwar grundsätzlich von nur einem Sitz aus, hält jedodi die oben aufgezeigte herrschende Lehre ebenfalls für zutreffend. Der Gesetzgeber selbst hat die Tatsache des Bestehens von Doppelsitzen schon mehrfach berücksichtigt: § 5 der dritten Durchführungsverordnung, § 2 der fünfunddreißigsten Durchführungsverordnung, § 1 der dreiundvierzigsten Durchführungsverordnung zum UmStG; § 62 des Wertpapierbereinigungsgesetzes; § 5 DMBilErgG; § 1 DMBilG Berlin. Die Errichtung eines zweiten Sitzes hat zur Folge, daß zwei Registergerichte federführend sind. Sämtliche Eintragungsanträge müssen an beide Gerichte gerichtet werden; von beiden Gerichten muß den Handelsregistern der Zweigniederlassungen Eintragungsnachrichten zugehen. Beide Gerichte haben daher gleiche Rechte. Jedes kann selbständig die Erfüllung handelsrechtlicher Verpflichtungen überwachen (Bayerisches oberstes Landesgericht, a. a. O.). IV. Ausländische Gesellschaften Anm. 5: Ausländische A G ist A G mit dem Sitz im Ausland. Ob sie A G im Sinne des Deutschen Rechts ist, bestimmt sich nach diesem insofern, als zwar bei ihrer Gründung nicht die deutschen Vorschriften beachtet worden sein müssen (§ 44), als sie aber doch nach ausländischem Recht diejenigen Merkmale aufweisen muß, welche nach deutschem Recht einer A G wesenseigentümlich sind: Also eigene Rechtspersönlichkeit, geschlossene Zahl der Beteiligungen, deren Selbständigkeit (vgl. Anm. 15 zu § 1). Nicht erforderlich ist Ausschluß der Haftung der Gesellschafter (Anm. 16 zu § 1), ein Nennbetrag der Beteiligung, ebenso nicht ein Grundkapital im Sinne des deutschen Rechts. Auch ausländische Gesellschaften mit nennwertlosen Anteilscheinen können A G sein. Wo eine derartige Gesellschaft im Ausland ihren Sitz, also auch ihren Heimatstaat hat, bestimmt sich dagegen ausschließlich nach ausländischem Recht. Regelmäßig wird die Satzung maßgebend sein. Würde aber eine solche A G mit satzungsmäßigem Sitz im Ausland nur diesen im Ausland, dagegen dort gar keinen Betrieb, sondern Betriebe nur im Inland haben, so würde nach § 5 weder die streitigen Gerichte sie anerkennen können, noch könnten die inländischen Betriebe als Zweigniederlassungen gem. § 44 eingetragen werden (vgl. dort). V. Rechtswirkung des Sitzes Anm. 6: Durch den Sitz wird bestimmt: Die Zuständigkeit des Registergerichts (§ 14) und den allgemeinen Gerichtsstand (§ 17 ZPO, vgl. hierzu O G H Köln D R Z 49, 469 = M D R 49, 615), woneben besonders der Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung (§ 21 ZPO), sofern er nicht mit 27
§§5/6
Anm. 6,7/1,2
Allgemeine Vorschriften
ersterem zusammenfällt, also für Zweigniederlassungen Bedeutung hat und die Satzung einen Gerichtsstand wählen kann (§ 17, I I I ZPO). Der Sitz ist nach deutscher Sitztheorie auch entscheidend für die Staatszugehörigkeit (Personalstatuts) einer AG und neben der Gesdiäftsleitung für die Steuerpflicht (§ 1 Körperschaftsteuergesetz) im Inland. VI. Sitzverlegung Anm. 7: Ober Sitzverlegung siehe § 45.
S 6 Grundkapital Das Grundkapital und die Aktien müssen auf einen Nennbetrag in Deutscher Mark lauten. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Aktien und Grundkapital 1. Nennbetrag (Anm. 3)
2. Ausnahmen (Anm. 4) 3. Aktienrecht und Aktienurkunde (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt mit dem alten § 6 I I im wesentlichen überein. Absatz 1 ist nicht mehr aufgenommen worden, da bereits im § 1 II normiert ist, daß die AG ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat. Anm. 2: Der Gesetzgeber hat daran festgehalten, daß es auch im neuen Recht nur Aktien geben kann, die auf einen Nennbetrag in DM lauten. Die Versuche, neben diesen die nennwertlose Aktie oder Stückeaktien einzuführen und den einzelnen Gesellschaften die Wahl zwischen den beiden Aktienarten zu überlassen, ist gescheitert, trotz der sehr eingehenden Arbeit der Professoren Jahr und Stützel, die vollständige Gesetzentwürfe für die Einführung der Aktienart vorgesehen haben (Aktien ohne Nennbetrag, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt am Main 1963). Die Arbeit hat jedenfalls gezeigt, daß es möglich ist, unter Beibehaltung der für das deutsche Aktienrecht wichtigen Haftungsfunktionen des Grundkapitals eine echte nennwertlose Aktie zu schaffen. Bei dieser wäre allerdings der falsche Bezug der Aktien auf das Grundkapital beseitigt worden. Damit hätte man nicht nur eine saubere rechtliche Konstruktion schaffen können, es wäre auch das wirtschaftspolitische Ergebnis erreicht worden, die irreführenden Vergleiche hinsichtlich der Höhe der Kurse und der Dividende unmöglich zu machen. Da die nennwertlose Aktie den Vorteil hat, daß sie leichter als die Nennbetragsaktie zerlegt werden kann, ist sie für die Erreichung des weiteren wirtschaftspolitischen Ziels, das der 28
Grundkapital
§6
Anm. 2—4
Gesetzgeber sich gesetzt hat, nämlich breite Streuung der Aktien, besonders geeignet. Die Mehrheit in den Ausschüssen hat sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, daß ein Nebeneinander beider Aktientypen zu einer Verwirrung des Publikums führen könne. Man wird die Weiterentwicklung nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch im Ausland in dieser Richtung beobachten müssen. Sie ist insbesondere in England z. Z. noch in Fluß.
II. Aktien und Grundkapital 1. Nennbetrag Anm. 3: Die Summe der Nennbeträge aller Aktien in DM ergibt das Grundkapital der AG in DM. Der Nennbetrag bezieht sich sowohl auf die Aktie wie auf das Grundkapital. Letzteres drückt jedoch keineswegs den wahren Wert des Gesellschaftsvermögens aus. Dies nur allenfalls im Augenblick der Gründung, aber auch da meist nidit, z. B. wenn schon Auslagen auf Grund der Satzung gemacht wurden. Der wahre Wert der Gesellschaft ergibt sich aus deren Aktiven nach Abzug der Passiven, wobei auch keineswegs von dem Jahresabschluß ausgegangen werden kann, vielmehr müßten jeweils die Aktiven nach den Tageswerten oder das gesamte Unternehmen nach seinem Wert durch Sachverständige geschätzt werden. Auch der Börsenkurs ist nicht immer mit dem wahren Wert der Aktie gleichzusetzen, da der Kurs unter anderem von Umständen beeinflußt wird, die mit dem Wert in keinem Zusammenhang stehen, wie z. B. Spekulationsgeschäfte oder politische Gründe. Wertbeständigkeitsklauseln zur Erhaltung des Wertes der Aktie sind aus diesem Grunde undurchführbar. Sie wären darüber hinaus ohne Genehmigung der Bundesbank gemäß § 3 Währungsgesetz nichtig. 2. Ausnahmen Anm. 4: Ausnahmen von dem Grundsatz, daß der Nennbetrag in DM ausgedrückt sein muß, sind nach § 1 EG möglich. Danach wird unterschieden zwischen Aktiengesellschaften, deren Grundkapital und Aktien bei Inkrafttreten des Aktiengesetzes nicht auf einen Nennbetrag in DM lauteten, und zwischen solchen Aktiengesellschaften, die nach Inkrafttreten des Aktiengesetzes nach Maßgabe des § 2 des DMBilErgG vom 28.12.1950 (BGBl. 811) ihren Sitz in den Geltungsbereich des Aktiengesetzes verlegen. Zur ersten Gruppe gehören Aktiengesellschaften, die sich in Abwicklung befinden, weil sie ihr Grundkapital nicht nach den Vorschriften des DMBilG in DM neu festgesetzt haben (§ 80 des DMBilG vom 21. August 1949, BGBl., 279 und § 561 des DMBilG für das Saarland vom 30. Juni 1959 BGBl., 3072). Ferner gehören in diese Gruppe Kreditinstitute in der Form einer Aktiengesellschaft, die keinen Sitz im Rechtssinn in der Bundesrepublik haben und 29
§6
Anm. 4,5
Allgemeine Vorschriften
deshalb ihr Grundkapital nicht in DM neu festsetzen können (§ 4 der 42. DVO zum Umstellungsgesetz, §1 des Berliner Altbankenbilanzgesetzes vom 10. 12. 1933 — Gesetz und Verordnungsbl. für Berlin, 1488), die gleichwohl aber eine Geschäftstätigkeit im Bundesgebiet ausüben, weil sie nach der 35. DVO zum Umstellungsgesetz als „Verlagerte Geldinstitute" anerkannt oder als „Berliner Altbanken zum Neugeschäft" zugelassen worden sind. Auch Berliner Altbanken mit Sitz in Berlin sind zur Neufestsetzung ihres Grundkapitals in DM erst verpflichtet, wenn sie zum Neugeschäft zugelassen werden (§§ 11, 22 der Berliner AItbankenbilanzgesetze). (Begründung zum Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz zu § 1.) Zur zweiten Gruppe gehören Aktiengesellschaften mit Sitz außerhalb des Bundesgebietes, die mit einem Grundkapital in Reichsmark gegründet worden sind, künftig noch nach Maßgabe des § 2 des DMBilErgG vom 28. 12. 1950 ihren Sitz in die Bundesrepublik verlegen. In diesem Fall haben sie ihr Grundkapital nach § 2, III des DMBilErgG innerhalb der durch das Gericht zu bestimmenden Frist in DM neu festzusetzen. 3. Aktienrecht und Aktienurkunde Anm. 5: Aktienrecht und Aktienurkunde sind nicht das gleiche. Leider unterscheidet des Gesetz beide nicht. Das Aktienrecht kann auch bestehen ohne Aktienurkunde, wenn letztere von keiner Seite verlangt wird. Jeder Aktionär hat allerdings ein Recht auf eine Aktienurkunde. Das Gesetz geht in den §§ 10, 13, 64 III und IV, §§ 68, 72, 226 von der Urkunde aus, muß diese also auch gewollt haben. Tatsächlich entspricht die Ausgabe von Aktienurkunden auch der Regel. Trotzdem ist die Urkunde nicht so wesentlich, daß es unzulässig wäre, von der Ausgabe von Urkunden abzusehen, solange kein Aktionär eine Urkunde verlangt. Daß der Anspruch des Aktionärs auf eine Urkunde durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden kann, wird von der herrschenden Ansicht angenommen. Der Anspruch auf Ausstellung der Urkunde ist nach § 888 ZPO zu vollstrecken. Hat die AG die Urkunde ausgestellt und verweigert sie die Aushändigung, so ist diese durch Wegnahme nach §§ 883, 897 ZPO und die weiter erforderliche Ubereignungserklärung nach § 894 ZPO zu vollstrecken. Die Ausstellung einer Gesamturkunde für mehrere Einzelurkunden kann der Aktionär nicht verlangen, umgekehrt aber den Umtausch einer Gesamturkunde in Einzelurkunden. Sind Urkunden ausgegeben, so sind diese Träger und Verkörperung der Aktienrechte, Wertpapiere (vgl. Anm. 1 zu § 10) in dem Sinne, daß zur Übertragung und Verpfändung des Rechtes, das durch die Urkunde verkörpert wird, die Übergabe, zur Pfändung die Wegnahme des Papiers notwendig ist. Dies gilt von der Inhaberaktie wie von der Namensaktie ( J W 32, 2599). Erstere wird durch Ubergabe der Aktie, letztere durch Abtretungsvertrag oder Indossament 30
Mindestnennbetrag des Grundkapitals
§§6/7
Anm. 5 /1,2
(§ 68) in Verbindung mit der Obergabe der Urkunde übertragen, wenn eine solche vorhanden ist. Unbeurkundete Aktienrechte werden durch Abtretungsvertrag übertragen, der keiner besonderen Form bedarf. Freie Ubertragbarkeit wird nach § 65 vorausgesetzt. Auf Inhaberaktien ist § 935 BGB über den Schutz des gutgläubigen Erwerbs selbst gestohlener und verloren gegangener Papiere anzuwenden (vgl. aber § 367 HGB, wo praktisch die Umlauffähigkeit gestohlener Aktien zugunsten des Eigentümers aufgehoben wird). Der durch eine zusammenhängende, bis auf ihn führende Reihe von Indossamenten ausgewiesene gutgläubige Erwerber einer Namensaktie ist nach Art. 16 II WG geschützt. Es findet also ein Wechsel der Gesellschafter durch Wanderung der Aktie von Hand zu Hand statt. Mitglied ist, wer eine Aktie erworben hat. Durch Erwerb und Veräußerung der Aktie wird ohne Vertrag mit der Gesellschaft die Mitgliedschaft erworben und verloren. Trotz dieser Bedeutung der Aktienurkunde bei der Übertragung des Aktienrechtes geht letzteres mit der Zerstörung der Urkunde nicht etwa unter. Es darf darum aus der Verkörperung des Redites durch die Urkunde auch nicht etwa gefolgert werden, daß in vollem Umfange diese auch topographisch bestimmt würde (so Petersen, Godesberger Juristentagung 1947). Dies ist z. B. für eine Beschlagnahme in der Zone von Bedeutung. Diese ist durch die Grenzen der Gebietshoheit begrenzt. Freilich reicht sie bis zu dieser und ist dieses schwer zu begründen. Man darf vielleicht sagen, daß die Mitgliedsrechte, wenn schon nicht da, wo das Mitglied ist, sich da befinden, wo immer Vermögen ist, auf das sie sich beziehen, herrschaftsrechtlich da, wo Herrschaftsrechte auszuüben sind, am Sitze der Gesellschaft.
§ 7 Mindestnennbetrag des Grundkapitals Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals ist einhunderttausend Deutsche Mark. Anm. 1: Das neue Gesetz hält an dem seit dem DMBilGes. geltenden Mindestnennbetrag des Grundkapitals von 100 000,— DM fest. Während bisher der Reichsminister der Justiz im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister Ausnahmen zulassen konnte, ist das jetzt nicht mehr der Fall. Anm. 2: Bei der Bestimmung des Grundkapitals bei der Gründung darf ein zu diesem Zeitpunkt schon vorgesehenes genehmigtes Kapital (§ 202) nicht mitgezählt werden. Ein Verstoß gegen § 7 macht die Gesellschaft und Satzung nichtig. Im Falle einer Kapitalherabsetzung, die ein Absinken des Grundkapitals auf weniger als 100 000,— DM zur Folge haben würde, ist der entsprechende Hauptversammlungsbeschluß nichtig. 31
§§7/8
Allgemeine Vorschriften
Anm. 2—4 Eine Gesellschaft mit geringerem Grundkapital kann nicht eingetragen •werden und daher nicht entstehen. Versehentlich eingetragen wäre sie unheilbar nichtig mit der Folge des § 275 und des § 144 FGG. Anm. 3: Da nach dem Aktiengesetz von 1937 das Mindestgrundkapital 500 000,— Reichsmark betrug und durch die Bestimmungen des DMBilGes. das Grundkapital auf Deutsche Mark im Verhältnis 1 : 10 umgestellt wurde, bestehen noch Gesellschaften mit einem Grundkapital von weniger als 100 000,— DM, bis herab zu 50 000,— DM. Für diese gilt § 2 EG, wonach das durch für sie geltende DMBilGes. neu festgesetzte Grundkapital als Mindestgrundkapital im Sinne des § 7 gilt. Ändern solche Gesellschaften ihre Verhältnisse wesentlich, insbesondere durch Änderung des Gegenstandes des Unternehmens oder ihrer Verfassung, so können derartige Veränderungen nur dann in das Handelsregister eingetragen werden, wenn das Grundkapital spätestens gleichzeitig mit der Änderung auf einhunderttausend Deutsche Mark erhöht wird. Ist durch eine Kapitalerhöhung das Grundkapital von einhunderttausend Deutsche Mark erreicht, so ist das das Mindestgrundkapital der Gesellschaft und sie kann nicht mehr durdi Kapitalherabsetzung auf das ihr durch das DMBilGes. im § 2 EG zugebilligte geringere Grundkapital herabgehen. Anm. 4: Nicht geregelt ist der Mindestnennbetrag des Grundkapitals der Gesellschaften, deren Grundkapital auf Grund ministerieller Genehmigung geringer als einhunderttausend Deutsche Mark ist. Die Nichterwähnung dieser Fälle könnte den Schluß zulassen, daß diese Gesellschaften ihr Grundkapital den Vorschriften des § 7 anpassen oder als AG gelöscht werden müßten. Wäre dies der Wille des Gesetzgebers gewesen, so hätte er diesen Gesellschaften eine Frist zur Durchführung der erforderlichen Kapitalerhöhung gesetzt. Da er dies nicht getan hat und die Festsetzung des neuen Grundkapitals durch das DMBilGes. eine Art der Ausnahmegenehmigung darstellt — und zwar eine generelle anstatt einer Einzelgenehmigung — kann davon ausgegangen werden, daß § 2 EG auch für die Gesellschaft angewandt werden kann, deren Grundkapital auf Grund ministerieller Genehmigung unter 100 000,— DM liegt.
§ « Mindestnennbetrag der Aktien (1) Der Mindestnennbetrag der Aktien ist fünfzig Deutsche Mark. Aktien über einen geringeren Nennbetrag sind nichtig. Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. 32
Mindestnennbetrag der Aktien
§8
Anm. 1—3
(2) Höhere Aktiennennbeträge müssen auf volle hundert Deutsche Mark lauten. (3) Die Aktien sind unteilbar. (4) Diese Vorschriften gelten auch für Anteilscheine, die den Aktionären vor der Ausgabe der Aktien erteilt werden (Zwischensdieine). I. Nennbetrag der Aktie 1. Mindestnennbetrag (Anm. 1) 2. Uber den Mindestnennbetrag hinausgehende Nennbeträge (Anm. 2) 3. Übergangsbestimmungen (Anm. 3)
II. Verstoß gegen § 8 1. Arten (Anm. 4) 2. Folgen (Anm. 5 u. 6) III. Unteilbarkeit der Aktie (Anm. 7 — 9 ) IV. Zwischenscheine (Anm. 10)
I. Nennbetrag der Aktie 1. Mindestnennbetrag Anm. 1: Gegenüber dem geltenden Recht ist der Mindestnennbetrag der Aktie von bisher 100,— DM auf 50,— DM herabgesetzt worden. Es ist dies eine der Maßnahmen, die eine breite Streuung der Aktien, insbesondere auch in weniger kapitalkräftigen Kreisen, ermöglichen soll. Vom Unternehmen her gesehen, wird damit die Möglichkeit geschaffen, Personenkreise anzusprechen, die sonst nicht erreicht werden können. Vom einzelnen Kapitalanleger her betrachtet ist ihm die Möglichkeit, das in jedem Aktienkauf steckende Risiko dadurch zu verringern, daß er die zur Verfügung stehenden Mittel auf Aktien verschiedener Gesellschaften verteilt, gegeben. 2. Über den Mindestnennbetrag
hinausgehende
Nennbeträge
Anm. 2: Das Gesetz bestimmt lediglich die untere Grenze des Nennbetrages. Nach oben ist eine Grenze nicht gezogen. Nach Abs. 2 müssen über den Mindestnennbetrag hinausgehende Nennbeträge durch 100 teilbar sein. Nennbeträge über 60,—, 80,— oder 150,— DM sind daher unzulässig. 3. Übergangsbestimmungen Anm. 3: Nach § 44 DM-Bilanz-Gesetz waren Ausnahmen von § 8 möglich, indem Nennbeträge von 20,—, 50,— und ein Vielfaches hiervon zugelassen wurden — also auch von 40,—, 60,—, 150,— DM —. § 3 I I I 1 E G behandelt diese Aktien, deren Nennbetrag mit § 8 nicht übereinstimmt. Darin wird zunächst festgestellt, daß derartige Aktien weiter in Kraft bleiben. § 3 I I I 2 läßt für derartige Fälle die Möglichkeit zu, eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durch Erhöhung des Nennbetrages dieser Aktien durchzuführen. Eine derartige Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist im Gesetz ( § 2 1 5 I I ) nur bei teileingezahlten Aktien vorgesehen. 3
Wilhelmi, Aktiengesetz
33
§8
Anm. 3—4
Allgemeine Vorschriften
Bei einer solchen Kapitalerhöhung können Aktien auf jeden durdi 10 teilbaren Nennbetrag gestellt werden; der Nennbetrag darf jedodi — es sei denn, es handelt sich um teileingezahlte Aktien (§ 3 IV 3 EG) — nicht über den nächsten durch 100 teilbaren Betrag oder bei unter 50 liegenden Nennbeträgen nicht über 50,— DM hinaus erhöht werden. § 3, II EG läßt darüber hinaus die Möglichkeit zu, daß nach Inkrafttreten dieses Gesetzes Aktien mit einem den § 6 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln entsprechenden Nennbetrag ausgegeben werden können. Voraussetzung hierfür ist, daß der Beschluß über eine solche Kapitalerhöhung vor Inkrafttreten des Gesetzes in das Handelsregister eingetragen worden ist. § 3, IV EG gibt es den Gesellschaften an die Hand, Aktien, deren Nennbetrag den Erfordernissen des § 8 nicht entsprechen, mit Zustimmung der Aktionäre zu vereinigen. Die Vorschriften über die Kraftloserklärung von Aktien (§ 73, 226) finden hierbei keine Anwendung. § 3, V EG bestimmt, daß bei Aktiengesellschaften, die Aktien mit Nennbeträgen unter 50 Deutsche Mark ausgegeben haben, der Nennbetrag dieser Aktien als ihr Mindestnennbetrag im Sinne der Vorschriften über die Kapitalherabsetzung gilt. Dem allgemeinen Grundsatz, daß zu Recht ausgegebene Aktien nicht dadurch ungültig werden, daß sie dem neuen Mindestnennbetrag nicht angepaßt sind, steht der Grundsatz des § 3,1 EG gegenüber, daß künftig Aktien nur noch unter Berücksichtigung des Mindestnennbetrages nach § 8 ausgegeben werden dürfen. II. Verstoß gegen § 8 1. Arten Anm. 4: Ein Verstoß gegen die Vorschriften über den Mindestnennbetrag kann in dreifacher Weise vorliegen: a) die Übernahmeerklärung entspridit nicht § 8; dann kann das Aktienrecht nicht entstehen, b) in der Satzung sind Aktien vorgesehen, die unter dem Mindesnennbetrag liegen; dann ist die Satzung nichtig. Die Eintragung ist unzulässig. Im Falle der Eintragung entsteht eine unheilbar nichtige AG (§ 275), so daß jeder Aktionär die Nichtigkeitsklage erheben kann und die Gesellschaft von Amts wegen gelöscht werden muß (§ 144 FGG). Ebenso wäre ein Satzungsänderungs- z. B. Kapitalerhöhungs- oder Kapitalherabsetzungsbeschluß, durch den ein zu geringer Nennbetrag für die neuen Aktien festgesetzt würde, nichtig und würde nicht eingetragen werden. Ein gewisser Unterschied besteht insofern, als bei Festsetzung eines zu geringen 34
Mindestnennbetrag der Aktien
§8 Anm. 4—6
Nennbetrages in der ursprünglichen Satzung nach § 277 III die Einlageforderungen in gewissem Umfange entstehen, wenn die AG unzulässigerweise eingetragen wird, während die Eintragung eines wegen des Verstoßes nichtigen Satzungsänderungsbeschlusses unmittelbare Folgen überhaupt nicht hat, also nicht etwa die Nichtigkeit des Beschlusses unmittelbar heilt, wohl aber nach drei Jahren, wenn sie bis dahin nicht geltend gemacht wurde, vorbehaltlich der Löschung von Amts wegen (§ 242 II). Ein nichtiger Kapitalherabsetzungsbeschluß läßt die Rechte unberührt. Auch hier gilt bei Eintragung das gleiche. c) Schließlich kann die Satzung den Bestimmungen des § 8 entsprechen, die Aktienurkunde jedoch auf einen geringeren Nennbetrag lauten. In diesem Fall ist zwar das Aktienrecht entstanden, die Aktienurkunde ist jedoch nichtig und stellt keine Verkörperung des Aktienrechts dar. Sie ist besonders bei Inhaberaktien ungeeignet, ihre auf die Übertragbarkeit des Rechtes durch die Übergabe der Urkunde und auf den Ausweis des Berechtigten abzielende Bestimmung zu erfüllen. Sie vermittelt demnach nicht den Übergang des Rechtes, gewährt keinen Anspruch auf den Anteil am Bilanzgewinn oder am Abwicklungserlös und weist den Aktionär nicht als stimm- und teilnahmeberechtigt in der Hauptversammlung aus. Die Gesellschaft bleibt verpflichtet, dem Inhaber des Rechtes eine ordnungsmäßige Urkunde auszustellen. Bis dahin ist das Recht unbeurkundet. 2. Folgen Anm. 5: Für die Wirkung der Nichtigkeit im Rechtsverkehr ist zu unterscheiden, ob nur die Aktienurkunde fehlerhaft ist oder ob auch ein Aktienrecht nicht existiert, weil der Gesellschaftsvertrag nichtig ist. Im ersteren Fall ist das Kauf- oder andere Veräußerungsgeschäft gültig. Der Veräußerer haftet für Beschaffung des Rechts nach den §§ 437 ff. BGB mittels Übergabe einer rechtsgültigen Urkunde, die er sich von der AG beschaffen kann. Im zweiten Fall, wenn gegen § 8 verstoßen ist, ist die Gesellschaft nichtig und, weil Aktienrechte nicht entstehen können, der Veräußerungsvertrag auf eine unmögliche Leistung gerichtet (RG 68, 292; 90, 244; Staudinger Anm. 17 zu § 437 BGB; anderer Ansicht Schmitt im Großkommentar Anm. 5, der § 437 BGB für anwendbar hält), mithin selbst nichtig (§§ 306 ff. BGB). Anm. 6: Die Ausgeber der Urkunde handeln ordnungswidrig (§ 405 I N r . 3) und sind dem Inhaber der Urkunde schadensersatzpflichtig auch ohne Verschulden (herrschende Ansicht, anderer Meinung Schl.-Qu. Anm. 12). Der Schaden kann darin bestehen, daß der Inhaber die Urkunde käuflich erworben und den Kaufpreis bezahlt hat, ohne das Recht zu erwerben (vgl. Anm. 5). Der ursprüngliche Zeichner bei der Gründung hat meist keinen Schaden, da ihm der Anspruch auf Lieferung einer ordnungsmäßen Urkunde zusteht. Er 311
35
§8
Allgemeine Vorschriften
Anm.6—8 kann nur wegen verzögerter Ausgabe geschädigt sein. Um derart wichtige Urkunden aus dem Verkehr zu ziehen, wird man § 73 entsprechend anwenden können. Ausgeber der Aktien ist nicht die Gesellschaft, sondern die für sie handelnden Personen, also die Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrats oder Abwickler. Wer die Aktienurkunde unterzeichnet hat, ist nicht deshalb Ausgeber. Unter ausgeben ist jedes absichtliche in den Verkehr bringen, die Ausreichung der Urkunde, nicht nur an den Zeichner, sondern an irgend jemand zu verstehen, womit sich der Ausgeber der ausschließlichen eigenen Verfügungsmacht begibt, auch die Verpflichtung. Unter Inhabern der Aktie versteht das Gesetz den Inhaber im Sinne des § 793 BGB. Das Gesetz hat die irreführende Bezeichnung „Besitzer" fallengelassen, da hierunter immer schon der Inhaber im Sinne des § 793 BGB und nicht der Besitzer im Sinne des § 854 BGB zu verstehen war. III. Unteilbarkeit der Aktie Anm. 7: Über die Tragweite des Grundsatzes der Unteilbarkeit der Aktie herrscht nicht volle Klarheit. Unzweifelhaft unstatthaft ist die Teilung der Aktie durch den Aktionär. Er kann sie nicht nur ziffernmäßig nicht teilen, sondern auch inhaltlich nichts davon abspalten. So ist der Anspruch auf den Anteil am Abwicklungsreinvermögen — auf das Auseinandersetzungsguthaben anders als nach § 135 HGB bei der oHG — nicht für sich allein abtretbar oder verpfändbar (was von Bedeutung ist, wenn die Übertragbarkeit der Aktie von der Zustimmung der AG abhängt), noch pfändbar (RG 132, 159; a. A. Teichmann-Köhler Anm. 2 c). Der Aktionär kann ferner zwar die Aktie mit einem Nießbrauch belasten, wobei das gesamte Recht belastet wird, aber er kann nicht das Gewinnstammrecht von der Aktie trennen und gesondert abtreten. Ebenso unzweifelhaft statthaft kann der Aktionär den Anspruch auf die beschlossene Dividende, auch die künftigen Ansprüche auf etwa künftig beschlossene Dividenden, selbständig veräußern, besonders, wenn darüber Dividendensdieine, wie gewöhnlich, ausgegeben sind, denn es ist anerkannt, daß durch den Gewinnverwendungsbeschluß rechtlich selbständige, zwar für den Aktionär als solchen entstehende, dann aber eigener Schicksale fähige Forderungsrechte begründet werden. Anm. 8: Der Grundsatz der Unteilbarkeit richtet sich aber nur gegen den Aktionär, nicht gegen die Gesellschaft. Diese kann im Wege der Satzungsänderung die Stückelung der Aktien ändern. Sie könnte also z. B. in Anpassung an den neuen Mindestnennbetrag je Aktie für 100,— DM zwei Aktien für 50,— DM setzen. Damit würde keine materielle Änderung der durch die Aktie verkörperten Mitgliedschaft entstehen. Dasselbe geschieht letztlich auch dann, wenn eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln er36
Mindestnennbetrag der Aktien
§8
Anm. 8—10
folgt, und zwar entstehen hier neue Aktienrechte; diese fließen aber aus den bestehenden Aktienrechten zwangsläufig, so daß auch hier eine Teilung des bisherigen Aktienrechts stattfindet. Im Gegensatz zur letzten Auflage wird die Ansicht, daß in der Schaffung von Genußrechten die Teilung des Aktienrechts liegt, nidit mehr aufrechterhalten. Nicht jede Beeinträchtigung des materiellen Inhalts der Aktien ist eine Teilung, sonst müßte man jede Kapitalerhöhung als eine solche Teilung ansehen.
Anm. 9: Die Unteilbarkeit der Aktien schließt nicht eine Rechtsgemeinschaft an der Aktie aus (zum Teil a. A. Schmitt in Großkomm. Anm. 12). Die Möglichkeit einer solchen ist im § 69 anerkannt. Möglich ist die Gemeinschaft zur gesamten Hand (Gesellschaft, Erbengemeinschaft, Gesamtgut), wie auch Miteigentum nach Bruchteilen (§ 741 BGB), wobei es sich um eine Gemeinschaft nach Bruchteilen an einem unteilbaren Gegenstand handelt (§ 753 BGB). Es entstehen dadurch nicht mehrere Teilmitgliedschaften. Ebenso schließt die Vorschrift nicht aus, daß die Aktie Gegenstand rein forderungsrechtlicher Teilungsvereinbarung sein kann, insbesondere Gegenstand einer Unterbeteiligung. Es besteht dann eine Gesellschaft ohne Gesellschaftsvermögen mit rein forderungsrechtlichen Vereinbarungen, welche die nur im Eigentum eines einzigen Gesellschafters stehende, aber für Rechnung aller Gesellschafter gekaufte, verwaltete, zu verwertende Aktie, insbesondere Art und Zeitpunkt der Verwertung und Teilung des Gewinnes, betreffen. Handelt es sich um ein Aktienpaket, so wird freilich regelmäßig dieses unter die Gesellschafter anteilig aufgeteilt und tritt nur nach außen, insbesondere gegenüber der Gesellschaft und bei Verwertung einer der Gesellschafter für Rechnung aller als Eigentümer der Aktien, auf. IV. Zwischenscheine Anm. 10: Zwischenscheine (früher Interimscheine genannt) sind vorläufige Urkunden, welche als vorläufiger Ersatz für die endgültige Aktienurkunde ausgegeben werden. Sie müssen nach § 10, Absatz 3 und 4 auf den Namen lauten. Sie werden meist gerade dann ausgegeben, wenn die Ausgabe von Inhaberaktien beabsichtigt und vorgesehen ist, aber noch nicht erfolgen kann, weil die Vollzahlung noch nicht geleistet ist (§ 10 II). Es ist für solchen Fall nicht vorgeschrieben, daß sie die Teilleistung angeben müssen. Sie sind zu unterscheiden von bloßen Quittungen über Teilzahlungen, sie stellen vielmehr richtige Verkörperungen des Aktienrechts dar, genau wie die Aktienurkunde, so daß also die für diese geltenden Vorschriften und Grundsätze auch für sie gelten. Der Aktionär braucht sich mit einem Zwischenschein nicht zu begnügen, weil er einen Anspruch auf eine Urkunde hat, den ihm auch die Satzung nicht nehmen kann. 37
§9 Anm. 1—3
Allgemeine Vorschriften
S 9 Ausgabebetrag der Aktien (1) Für einen geringeren Betrag als den Nennbetrag dürfen Aktien nicht ausgegeben werden. (2) Für einen höheren Betrag ist die Ausgabe zulässig. Anm. 1: Die unveränderte Vorschrift enthält das Verbot der sogenannten Unternennwertausgabe. Damit richtet sie sich gegen die Leeraktie, der kein Aktivwert in Höhe ihres Nennbetrages gegenübersteht. Es ist daher unzulässig, den Nennwert des Grundkapitals höher als die Summe der geleisteten Einlagen festzusetzen und demgemäß Aktien zu gewähren und auszugeben, deren Nennbetrag die für sie geleistete Einlage übersteigt. Das schließt nicht aus, daß die Gesellschaft ihrerseits bereits im Gründungsstadium über die Einlagen verfügt, indem sie den Gründungsaufwand trägt, wozu audi die Kosten der Beurkundung der Satzung, der Eintragung und der Kapitalverkehrssteuer gehören (s. § 26). Die Gefahr, daß die Vorschrift umgangen wird, besteht hauptsächlich bei Sacheinlagen. Über die Verhütung der Umgehung s. Anm. 1 zu § 1, ebenda über Aktien aus Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Die Ausgabe von Aktien unter pari ist verboten. Das Verbot gilt auch bei Kapitalerhöhungen. Unter Ausgabe ist nur die erste Hingabe von Aktien zu verstehen. Der Verkauf bereits früher ausgegebener Aktien, die sich im Besitz der Gesellschaft befinden, fällt nicht unter § 9. Ein strafrechtlicher Schutz der Vorschrift befindet sich in § 405 I Nr. 1—3. Anm. 2: § 9 äußert sich nicht über die Herkunft der für die Aktien verlangten Deckung. Diese kann mithin aus Gesellschaftsmitteln erfolgen. Darum steht die Vorsdirift auch einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 ff.) nicht entgegen. Anm. 3: Ein Verstoß macht die Satzung, welche Ausgabe unter dem Nennwert vorsieht, nichtig. Die Gesellschaft kann auch, wenn die vereinbarten Einlagen voll geleistet worden sind, nicht eingetragen werden. Erfolgt die Eintragung dennoch, so entsteht die Gesellschaft trotz des Verstoßes, da § 275 die Nichtigkeit der Bestimmung über den Ausgabebetrag nicht als Grund für die Nichtigkeit der Gesellschaft aufführt. Analog zu § 27 II bleibt der Aktionär verpflichtet, den Unterschiedsbetrag einzuzahlen. Gleiches gilt für den Fall, daß zwar der Nennbetrag richtig festgesetzt, diese Festsetzung jedoch auf Grund einer Abrede nicht eingehalten wird; denn § 9 betrifft einmal die Festsetzung, die den Nennbetrag des Grundkapitals darstellen muß und zum anderen die Ausgabe und die damit verbundene Einlage der Aktionäre. N u r 38
Ausgabebetrag der Aktien
§9
Anm. 3,4
so wird der Zweck erreicht, die Aufbringung des Grundkapitals zu sichern, was im Interesse der Öffentlichkeit Ziel des Gesetzgebers ist. Sondervereinbarungen, wonach dem Aktionär in irgendeiner Form Rüdevergütungen oder Rabatte gewährt werden sollen, sind nach §§ 66, 57 mit den Folgen aus den §§ 62,93 nichtig. Als einen Sonderfall der Unternennwertausgabe kann man die Überbewertung von Sacheinlagen ansehen, wenn der objektive Wert der Sacheinlage den Nennbetrag der dafür hingegebenen Aktien nicht dedtt. Für ihn gilt § 46 II. Es haftet, von dieser Vorschrift abgesehen, der Einleger mangels Eintragung nicht etwa auf Grund einer Wertdeckungszusage auf Zuzahlung auch nicht bis zur Parideckung, siehe Anm. 15 zu § 27. Deckt der Wert der Sadieinlage den über Nennwert liegenden Ausgabebetrag, nur das Aufgeld nicht, so kann von einer Unternennwertausgabe nicht gesprochen werden. Ein Fall des § 46 II kann aber auch dieser Fall sein. Die Beachtung des Verbots hat das Registergericht nach § 38 zu prüfen. Soweit es sich um Sacheinlagen bei der Gründung handelt, hat sich darauf die Gründungsprüfung nach § 33 II zu erstrecken. Anm. 4: Ubernennwertausgabe ist sowohl bei der Gründung als auch bei der Kapitalerhöhung statthaft. Das sogenannte Agio (Aufgeld), das ist der über den Nennbetrag hinausgehende Teil der Einlage, ist in der Urkunde über die Feststellung der Satzung (§ 23 II) festzusetzen. Bei der Kapitalerhöhung, wenn neue Aktien für einen höheren Betrag als der Nennbetrag ausgegeben werden, ist der Mindestbetrag, unter dem sie nicht ausgegeben werden sollen, im Kapitalerhöhungsbeschluß festzusetzen (§ 182 I I I ) . Das Aufgeld braucht nicht für alle Aktien, auch nicht derselben Emission, gleich hoch zu sein. Ohne Festsetzung des Aufgeldes in der Urkunde über die Feststellung der Satzung bzw. im Beschluß über die Kapitalerhöhung ist der Aktienübernehmer nicht verpflichtet, ein Aufgeld zu entrichten, auch dann nicht, wenn es in der Übernahmeerklärung angegeben wird; ebensowenig, wenn letztere Angabe fehlt. Endlich muß das Aufgeld vor der Anmeldung der Gesellschaft oder der Durchführung der Kapitalerhöhung zur Eintragung (§ 36 II, § 188 II) eingezahlt sein und sich in der freien Verfügung des Vorstandes befinden (§§ 36 und 188 II). Dies ist bei der Anmeldung zu erklären und nachzuweisen. Übernennwertausgabe bei Sacheinlagen siehe § 10, Anm. 2. Eine nachträgliche Änderung des Aufgeldes ist bei der Gründung bis zur Eintragung der AG möglich. Hierzu ist Einigung der daran beteiligten Personen und öffentliche Beurkundung erforderlich (§ 23). Von einer Erhöhung kann aber ohne seine Zustimmung derjenige nicht mehr betroffen werden, dem Aktien schon zugeteilt waren. Bei der Kapitalerhöhung ist eine Herabsetzung des Aufgeldes nicht in der Weise möglich, daß sie bereits ausgeübten Zeichnungen zustatten kommt, denn hierin liegt ein Erlaß der Einlageverpflichtung 39
§§9/10
Anm. 4 / 1
Allgemeine Vorschriften
(§ 66), wenn der Kapitalerhöhungsbesdiluß schon eingetragen ist. Außerdem muß sie für die bezugsberechtigten Aktionäre, weil diese Anspruch auf Gleichbehandlung haben, gleichmäßig, im übrigen kann sie auch ungleichmäßig sein. Sie ist Sache des Vorstandes, wenn im Erhöhungsbeschluß kein fester, sondern ein Mindestausgabebetrag vorgesehen ist. Andernfalls und für den Fall, daß der Vorstand unter ersteren bzw. letzteren heruntergehen will, bedarf es eines neuen Hauptversammlungsbeschlusses, für den dieselbe Mehrheit wie für den Kaptialerhöhungsbeschluß zu fordern ist — ungeachtet dessen, daß ein solcher bis zur Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung mit einfacher Mehrheit aufgehoben werden kann —, weil es andernfalls der einfachen Mehrheit mit Hilfe eines willfährigen Vorstandes möglich wäre, sich einen günstigeren Kurs für junge Aktien festzusetzen, als die qualifizierte Mehrheit zulassen wollte, überdies solchenfalls wohl auch über den Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechtes der Aktionäre neu beschlossen werden müßte. Eine (Teil-) Rückzahlung des bereits entrichteten Aufgeldes ist nach Eintragung der AG nicht nur gemäß §§ 66, 222, 226, sondern nach § 150 gänzlich ausgeschlossen. § 10 Aktien und Zwischenscheine (1) Die Aktien können auf den Inhaber oder auf Namen lauten. (2) Sie müssen auf Namen lauten, wenn sie vor der vollen Leistung des Nennbetrags oder des höheren Ausgabebetrags ausgegeben werden. Der Betrag der Teilleistungen ist in der Aktie anzugeben. (3) Zwischenscheine müssen auf Namen lauten. (4) Zwischenscheine auf den Inhaber sind nichtig. Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. Anm. 1: Die Bestimmung der Aktienurkunde ist, das Recht zu verbriefen. Dieses entsteht durch die Eintragung (§ 41). Folgerichtig können vor der Eintragung der Aktiengesellschaft Urkunden nicht ausgegeben werden; sie sind nichtig, wenn diesem Verbot zuwider gehandelt wird (§ 41 IV). Für den Schaden sind die Ausgeber (s. Anm. 6 zu § 8) den Inhabern als Gesamtschuldner haftbar. Außerdem werden die dem Verbot zuwiderhandelnden Vorstandsmitglieder bestraft (§ 405 I N r . 1—3). Dasselbe gilt entsprechend im Fall der Kapitalerhöhung. Das Recht entsteht durch die Eintragung, also unabhängig von der Ausgabe der Urkunde. Es ist zwar die Gesellschaft den Aktionären zur Ausgabe von Aktienurkunden verpflichtet (s. Anm. 5 zu § 6), die Urkunde aber demnach nicht wesentlich für das Recht. Der Aktionär erwirbt es unabhängig von der Aushändigung einer Urkunde durch die Eintragung der Gesellschaft. Die Urkunde hat sonach keinen rechtsbegründenden 40
Aktien und Zwischenscheine
§10 Anm. 1,2
Charakter. Nach ihrer Ausgabe aber stellt sie die Verkörperung des Redits dar, das durch sie versachlicht wird. Die Vereinigung des Rechts mit der Urkunde und seine Verkörperung in dieser geht vor sich, sobald und indem die Gesellschaft die Urkunde an den in diesem Zeitpunkt legitimierten Aktionär begibt. Dazu ist Übergabe- und Übereignungsvertrag erforderlich; § 952 B G B ist in diesem Stadium nicht anwendbar. Gibt die Gesellschaft die Urkunde an einen Falschen, oder wird ihr die Urkunde gestohlen, so geht die Vereinigung des Rechtes mit der Urkunde nicht vor sich. Das Recht verbleibt vielmehr unbeurkundet dem bisherigen Aktionär. Gutgläubiger Erwerb des unbeurkundeten Rechtes ist nach den Regeln über die Abtretung von Rechten ebenso ausgeschlossen, wie gutgläubiger Erwerb des Eigentums an dem abhanden gekommenen Papier, für das § 935 II B G B nicht gilt, weil er sich nur auf begebene Wertpapiere bezieht und deren Umlauffähigkeit gewährleisten soll, wie endlich des Rechts durch gutgläubigen Erwerb des Papiers (s. Anm. 5 über Unanwendbarkeit des § 794 BGB). Nur wenn die abhanden gekommene Urkunde in den Besitz des Aktionärs kommen sollte, wird ausnahmsweise anzuerkennen sein, daß Recht und Urkunde sich auch dann vereinigen. Uber die Form und den sonstigen Inhalt der Aktienurkunde vergleiche §13.
Anm. 2: Inhaberaktien und Namensaktien und unbeurkundete Aktien bedeuten verschiedene Aktienarten, aber keine verschiedenen Aktiengattungen im Sinne des Gesetzes, weil sie keine inhaltlich verschiedene Gesellschaftsrechte darstellen. Der Unterschied hat mit dem Aktienrecht als Beteiligung und Mitherrschaftsrecht überhaupt nichts zu tun, sondern besteht nur in der Urkunde, ihrer Eignung, ihren Besitzer als solchen auch als Aktionär auszuweisen und — damit zusammenhängend — in der Übertragung des Rechtes (vergl. § 6 Anm. 5). Das Gesetz schreibt, umgekehrt wie bisher, Inhaberaktien vor, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt (§ 24). Die Satzung kann die Bestimmung auch dem Vorstand überlassen, sie steht ihm im Fall des § 204 sogar gesetzlich, und zwar auch, wenn die Satzung eine Bestimmung gemäß Abs. I enthält, gemäß eigener Entschließung zu, wenn die Ermächtigung zur Kapitalerhöhung nichts anderes vorsieht. In der Satzung kann auch eine Umwandlungsmöglichkeit vorgesehen werden (§ 24 II), auch, daß bestimmte Aktien oder Aktienreihen oder Gattungen als Namens- oder als Inhaberaktien ausgegeben werden sollen. Die Satzung kann dagegen nach herrschender Ansicht nicht bestimmen, daß keine Urkunde ausgegeben werden soll. Bei Sacheinlagen hat man bisher unterschieden, ob der den Nominalbetrag der Aktie übersteigende Sachwert im Gesellschaftsvertrag festgestellt wird oder ob dies nicht geschieht. Im ersteren Fall, der auch heute durchaus noch möglich ist, liegt echte Überpariemission vor. Der zweite Fall ist heute nicht mehr zulässig, er würde zur Bildung 41
§10
Allgemeine Vorschriften
Anm. 2—5
einer stillen Rücklage führen, die grundsätzlich das Gesetz nicht mehr zuläßt. Da die Sacheinlagen in der Jahresbilanz als Aktivposten erscheinen, wird man davon ausgehen müssen, daß bei ihrer Bewertung die Grundsätze für die Wertansätze in der Jahresbilanz (§§ 153—156) sinngemäß Anwendung zu finden haben. Aktien, die nicht beurkundet sind, sind weder Namensaktien noch Inhaberaktien. Umgekehrt hören aber beurkundete Aktien nidit deshalb auf, beurkundete zu sein, weil die Urkunde nach ordnungsgemäßer Ausgabe unter- oder verlorengeht, was zur Folge hat, daß gutgläubiger Erwerb nach § 935 II BGB möglich ist. Anm. 3: Mit Rücksicht auf die Haftung für ausstehende Einzahlungen und das Rückgriffsrecht der Gesellschaft gegen die Vormänner eines Aktionärs dürfen vor der Vollzahlung nur Namensaktien ausgegeben werden. Zuwiderhandlungen macht die Vorstandsmitglieder haftbar (§ 93 III Nr. 4) und strafbar (§ 405 I Nr. 1). Vor der Vollzahlung ausgegebene Namensaktien müssen Angaben über die gemachten Teilleistungen enthalten, damit der Erwerber die Verpflichtungen erkennen kann, welche er übernimmt. Zuwiderhandlungen ziehen dieselben Folgen nach sich. Dagegen sind die Urkunden, welche dieser Vorschrift nicht entsprechen, nicht nichtig (anders bei den Zwischenscheinen, vergl. Anm. 4). Es kann also auch das Aktienrecht durch Übergabe einer solchen Urkunde übertragen werden. Über gutgläubigen Erwerb siehe Anm. zu § 54. Vor Bewirkung einer Sacheinlage dürfen Aktienurkunden dem Einlagepflichtigen überhaupt nicht ausgehändigt werden, auch dann nicht, wenn die AG eingetragen und die Einlagepflicht gestundet ist. Ist sie zum Teil erfüllt, z. B., wenn von mehreren Sacheinlagen eine einzelne geleistet ist, so hat die AG ein Zurückbehaltungsrecht auch an den durch die Teileinlage belegten Aktienurkunden. Anm. 4: Zwischenscheine (§ 8 Anm. 10), welche auf den Inhaber lauten, sind nichtig; sie können nur auf den Namen lauten. Das hängt damit zusammen, daß der Zwischenschein die geleistete Teilzahlung nicht anzugeben braucht, also ebenso teil- wie vollgezahlt sein kann. Die Nichtigkeitsfolge ergibt sich aus Absatz 4. Auch hier besteht gesamtschuldnerische Haftung der Ausgeber für den den Inhabern entstandenen Schaden; Strafbarkeit ist dagegen nicht vorgesehen. Anm. 5: Die Aktie ist keine rechtsbegründende Urkunde, weil das Aktienrecht audi ohne sie schon durch die Eintragung der AG entsteht (§41). Von den Vorschriften über die Schuldverschreibungen auf den Inhaber sind deshalb und auch, weil es sich nicht um Schuldverschreibungen handelt, auf Inhaberaktien nur anwendbar, § 793 I und §§ 799, 800 BGB nach § 72, nicht §§ 794, 796 (weil über den Inhalt des Aktienrechts die Urkunde überhaupt 42
Aktien besonderer Gattung
§§ 10/11 Anm. 5 , 6 / 1 , 2
nichts enthält) sowie § 797 BGB hinsichtlich der Aktienurkunde. Auf Gewinnanteilsscheine ist § 797 BGB anwendbar. Ebenso sind auf Gewinnanteilsscheine anwendbar die ausdrücklich davon handelnden Vorschriften über Vorlegungsfrist und Verjährung (§ 801 BGB). Anm. 6: Nach § 9 EG können Gesellschaften, die ohne entsprechende Satzungsbestimmung Namensaktien ausgegeben haben, durch ihren Aufsichtsrat (§ 179) eine entsprechende Satzungsergänzung beschließen lassen. Eine Frist ist nicht bestimmt, aber bevor diese Satzungsänderung nidit eingetragen ist, dürfen andere Satzungsänderungen nicht eingetragen werden.
§
"
Aktien besonderer Gattung Die Aktien können verschiedene Rechte gewähren, namentlich bei der Verteilung des Gewinns und des Gesellsdiaftsvermögens. Aktien mit gleichen Rechten bilden eine Gattung. I. Übersicht (Anm. 1) II. Grundsatz der Gleidibehandlung (Anm. 2) III. Verschiedene Gattungen 1. Inhalt des Aktienrechts (Anm. 3)
2. Unterscheidungsmöglichkeiten (Anm. 4—6) 3. Schaffung (Anm. 7 u. 8) 4. Änderung und Beendigung (Anm. 9)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt sinngemäß mit dem früheren § 11 überein, ist aber sprachlich geändert worden. Der Sinn der Vorschrift, daß Aktien mit verschiedenen Rechten bestehen können und dadurch Aktien besonderer Gattungen geschaffen werden, kommt durch die neue Formulierung besser zum Ausdruck. II. Grundsatz der Gleidibehandlung Anm. 2: Audi für die AG gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung (vgl. Anm. 4 zu § 1). Dies besagt nicht, daß sämtliche Aktionäre gleich zu behandeln seien (insoweit bedenklich RG 119, 252), sondern die Aktionäre sind bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen gleich zu behandeln. Die Rechtsprechung hat hiervon eine Ausnahme zugelassen, wenn nämlich eine ungleiche Behandlung aus besonderen Umständen heraus sachlich berechtigt ist und damit nicht den Charakter der Willkür trägt (BGH 33, 175 = die AktG 1960, 329). Daß verschiedene Voraussetzungen dadurch geschaffen werden können, daß Aktien, die ihren Inhabern verschiedene Redite gewähren, ausgegeben werden können, ist Gegenstand der vorliegenden Bestimmung. Die Verschiedenheit der Rechte muß sich aus der ursprünglichen Satzung ergeben oder durch Satzungsänderung in diese aufgenommen werden. Damit werden verschiedene 43
§11 Anm. 2—4
Allgemeine Vorschriften
Gattungen von Aktien geschaffen. Der Gleichheitsgrundsatz gilt nunmehr nur noch innerhalb der einzelnen Gattungen. III. Verschiedene Gattungen 1. Inhalt des Aktienrechts Anm. 3: Die Schaffung von Aktien verschiedener Gattungen ist aber nur möglich, soweit der Inhalt des Aktienrechts überhaupt dispositiv ist, d. h. durch die Satzung abweichend vom Gesetz bestimmt werden kann. Er besteht aus den sogenannten allgemeinen Mitgliedschaftsrechten, Vermögens- und Herrschaftsrechten. Die Vermögensrechte sind: das Gewinnrecht (§ 58 IV) die Beteiligung an Abwicklungsreinvermögen (§ 271 I) und das Bezugsrecht (§ 186 I). Davon kann nur das letztere satzungsmäßig nicht, wohl aber von Fall zu Fall ausgeschlossen werden (§ 186 III). Die Herrschaftsrechte sind: Recht der Teilnahme an der Hauptversammlung, Rederecht, Stimmrecht, Recht auf Auskunft, Widerspruchs- und Anfechtungsrecht; letzteres ist eigentlich nur ein Hilfsrecht. Die Herrschafts rechte sind mit Ausnahme des Stimmrechts überhaupt nicht dispositiv, auch letzteres nur bei bestimmten Gesellschaften (vergl. § 12). Gänzlich fehlen darf es nur bei der Hälfte der Aktien in Verbindung mit einem bevorzugten Gewinnrecht (§ 139). Vorstehendes ist nur der typische Aktieninhalt. Zum Aktieninhalt können aber auch noch andere allgemeine Mitgliedsrechte gehören, z. B. Gebraudisrechte. Soweit der Aktieninhalt nicht zwingend gesetzlich bestimmt ist, unterliegen die allgemeinen Mitgliedsrechte der Verbandsgewalt (Gesellschaftsautonomie). Diese ist begrenzt durdi § 23 IV (s. Anm. dort). In diesem Umfang ist keine Aktie gegen eine Änderung ihres Inhalts durch Satzungsänderung gefeit (§ 179). Dies gilt sogar von dem Bestand des Rechts (Ausnahme § 237 Abs. 1 Satz 2). Eine Grenze gegen Willkür zieht nur der Grundsatz der Gleichbehandlung (siehe Anm. 4 zu § 1). Sind in der Satzung verschiedene Aktiengattungen vorgesehen, so ist es denkbar, daß zunächst nur Aktien der Gattung ausgegeben werden, die gewisse Vorrechte den Inhabern einräumt. Dann besteht zunächst nur eine Gattung, in der sämtliche Aktionäre Vorrechte haben. Werden im Wege der Kapitalerhöhung Aktien mit dem gesetzlichen Inhalt geschaffen, so entstehen dadurch verschiedene Aktiengattungen. 2. Unterscheidungsmöglichkeiten Anm. 4: Zur Bildung verschiedener Aktiengattungen sind nur Unterschiede geeignet, welche den Inhalt des Aktienrechts betreffen, gleichgültig, ob sie sich 44
Aktien besonderer Gattung
§ 11 Anm. 4,5
auf eine Mehrzahl von Aktien oder nur eine einzelne beziehen, ob sie dauernd oder von vornherein vorübergehend und zeitlich begrenzt sind. Eine Gattungsverschiedenheit begründet daher zum Beispiel nicht die Stellung auf Inhaber oder Namen, unterschiedliche Stückelung, die Einschränkung der Veräußerlichkeit (RG 132, 161) oder die Ausübung des Stimmrechtes für einen Aktionär, dem mehrere Aktien gehören (§ 134), nach besonderer Vorschrift auch nicht das Entsendungsrecht zum Aufsichtsrat (§ 101,11). Anm. 5: Gattungsverschiedenheiten werden begründet durch Verschiedenheiten im Herrschaftsrecht, wie die freilich nicht allein, sondern nur in Verbindung mit vermögensrechtlichen Vorzügen statthafte Stimmrechtslosigkeit (§ 139) und das Mehrstimmrecht (a. M. nicht überzeugend nur Schl-Qu Anm. 4); dieses ist in Zukunft nach § 12 nur noch für bestimmte Gesellschaften zulässig, hat aber nidit mehr wie früher zur Voraussetzung, daß daneben noch andere Gattungsunterschiede bestehen. Die aus der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes vorhandenen Mehrstimmrechtsaktien bleiben erhalten (§ 5 EG); bei einer Kapitalerhöhung kann jedoch auf die neuen Aktien kein Mehrstimmrecht mehr gewährt werden. Die Schaffung einer besonderen Gattung durch Einräumung eines Einspruchs-(Veto-)rechts halten wir nicht für zulässig (in Vorauflage noch als fraglich bezeichnet). Ein solches Recht paßt nicht zu dem Grundsatz, daß Hauptversammlungsbeschlüsse, abgesehen von der Geltendmachung einer etwa vorhandenen Nichtigkeit, nur durch Anfechtung beseitigt werden können. Daß praktisch der Erfolg eines Einspruchsrechts dadurch erzielt werden kann, daß es zulässig ist, zu bestimmen, daß Beschlüsse bestimmter Art oder auch alle Beschlüsse einstimmig gefaßt werden müssen oder daß durch Schaffung einer Gattung durch ein weiteres Sondermerkmal praktisch die Inhaber dieser Aktien in allen Fällen, in denen Sonderbeschluß der Aktiengattung vorgeschrieben ist, ein Einspruchsrecht haben, spricht nicht für die Zulässigkeit eines Einspruchsrechts als Gattungsmerkmal. Der Gattungsunterschied braucht nicht nur in der Ausstattung der Aktie mit verschiedenen Rechten, sondern kann auch in der Verpflichtung zu Nebenleistungen bestehen. Die Gattungsverschiedenheit kann ferner in Unterschieden vermögensrechtlichen Inhalts bestehen. So können Aktien einer Gattung von der Teilnahme am Bilanzgewinn oder Abwicklungsreinvermögen ausgeschlossen sein. Aber am beliebtesten und am weitesten verbreitet ist der Vorrang bei der Verteilung des Schlußvermögens. Hauptsächlich wird eine Vorwegberücksichtigung mit oder ohne Aufgeld, mit oder ohne Teilnahme an dem nach Rückzahlung der übrigen Aktien noch verbleibenden Reinvermögens garantiert. Dadurch trägt die eine Gattung das Risiko stärker als die andere. 45
§11
Anm. 6,7
Allgemeine Vorschriften
Anm. 6: Eine weitere Gattungsverschiedenheit wird durch das Vorzugsrecht bei der Verteilung des Bilanzgewinnes begründet. Audi hier sind zahlreiche Abwandlungen möglich. Gewöhnlich wird der einen Gattung ein Vorzugsgewinnanteil eingeräumt und sie entweder auf diesen beschränkt oder ihr daneben auch ein Anteil an dem weiteren Bilanzgewinn oder dem nach Ausschüttung auf die übrigen Aktien in bestimmter Höhe verbleibenden Anteil des Bilanzgewinns eingeräumt. Bei diesen Aktien mit Vorzugsgewinnanteil spielt das Nachbezugsrecht eine große Rolle. Es besteht darin, daß die Vorzugsaktionäre den Ausfall des ihnen zustehenden Vorzugsgewinnes in gewinnlosen Jahren in späteren Gewinnjahren nachgezahlt erhalten, sofern in diesen eine Gewinnausschüttung beschlossen wird. Dieses Nachbezugsrecht ist gesetzlich Voraussetzung einer stimmreditslosen Aktie und f ü r diese in §§ 139 ff. besonders geregelt. Audi bei stimmberechtigten Vorzugsaktien mit Vorzugsgewinnanteilen ist das Nachbezugsrecht zulässig und kann in diesem Fall dieselbe Regelung wie in §§ 139 ff. für die stimmrechtslose Vorzugsaktie oder eine andere erfahren. Letzterenfalls kann das Nadibezugsrecht mit der Aktie verbunden unselbständg sein (wie nach § 140 III) und durdi bloßen Satzungsänderungsbeschluß mit Sonderabstimmung nach § 179 Abs. 3 beseitigt werden, ohne daß der einzelne Aktionär ein Widerspruchsrecht hat. Beides ist, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu bejahen (RG 82, 144). Das Nachbezugsrecht (vgl. BGH 7, 263; 9, 279 und WM 1956, 87) kann aber auch selbständig, d. h. mit dem Dividendenschein des Ausfalljahres verbunden sein. In diesem Fall wird in dem Dividendenschein versprochen, daß auf ihn gegen Vorlegung ein Gewinnanteil von X vom Hundert bezahlt und evtl. aus dem Gewinn folgender Jahre die Zahlung erfolgen werde. Dann kann dieses Nachbezugsrecht aus dem Dividendenschein eines eingetretenen Ausfalljahres nicht mehr nachträglich mit Wirkung für den bereits entstandenen Nadibezugsansprudi beseitigt werden (RG 82, 138; sowie fast das gesamte Schrifttum), bleibt aber trotzdem abhängig von dem Jahresabschluß und der Verteilung vom Gewinn. Der Vorzugsdividendenschein des Gewinnjahres geht im Zweifel dem des Ausfalljahres vor (RG 39, 30). Für das gesetzliche Nadibezugsrecht der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ist in § 140 III diese Streitfrage für diesen Fall dahin geregelt, daß, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, das Nachbezugsrecht ein unselbständiges Recht ist. Man wird diesen Grundsatz auch auf die vertraglich vereinbarten Vorzugsaktien mit Stimmrecht und Nadibezugsrecht anwenden müssen. 3. Schaffung Anm. 7: Die Schaffung von Aktien besonderer Gattung erfolgt, wenn sie nicht schon in der ursprünglichen Satzung vorgesehen ist, durch Satzungsänderungsbeschluß (§§ 179 ff.). Abgesehen von den stürmischen Jahren 1914 bis 33 bildete gewöhnlich eine Sanierung den Anlaß der Schaffung von beson46
Aktien besonderer Gattung
§11
Anm. 7—9
deren Aktiengattungen. Man suchte neues Geld und war gezwungen, Vorzugsbedingungen einzuräumen; dies tat man, indem man mittels Kapitalerhöhung Aktien als Vorzugsaktien ausgab oder, indem man den Aktionären nahelegte, Zuzahlungen (vgl. zu § 182) auf ihre Aktien zu leisten und diejenigen Aktien, auf welche Zuzahlungen geleistet wurden, in Vorzugsaktien umwandelte. Die früher angezweifelte grundsätzliche Zulässigkeit ist seit 1937 durch § 130 II Nr. 4 und jetzt durch § 150 II Nr. 4 gesetzlich anerkannt. Da der Aktionär grundsätzlich zu Nachschüssen nicht verpflichtet ist, kann kein Zwang ausgeübt werden, es kann auch nicht die Androhung von Nachteilen erfolgen, wenn er das Recht nicht ausübt. Andererseits wirkt sich ein Vorrecht, das die Aktionäre erhalten, die die Zuzahlung leisten, als Nachteil der anderen aus. Deshalb ist es umstritten, in welchem Umfang in Zuzahlung ein Vorzugsrecht begründet werden darf. Die Grenze ist hier das wohlverstandene Interesse der Gesellschaft, welches allen Aktionären gemeinschaftlich ist. Darüber hinaus Äquivalenz der Vorteile mit den Zuzahlungen zu verlangen (Ritter 2 c), besteht kein Anlaß. Dieselbe Frage tritt audi auf bei der Zuzahlung zwecks Vermeidung der Zusammenlegung. Es kann vorkommen, daß alle Zuzahlungen leisten und nur noch Vorzugsaktien bestehen. In diesem Falle ist die Gattungsverschiedenheit zunächst gegenstandslos, aber vorhanden und tritt hervor, sobald neue Stammaktien geschaffen werden. Vorzugsaktien können auch aufschiebend befristet oder bedingt gesdiaffen, nicht nur wie erwähnt von Zuzahlungen, sondern auch anderen Voraussetzungen, z. B. die Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien, abhängig gemacht werden. Dagegen wäre es unzulässig — abgesehen etwa von der Ausgabe auf Grund genehmigter Kapitalerhöhung (§§ 202 ff.) entsprechend dem Erhöhungsbeschluß — den Vorstand zu ermächtigen, Aktien in Vorzugsaktien umzuwandeln und die Bedingungen der Umwandlung zu bestimmen, weil hierin eine Verschiebung der gesetzlich geordneten Zuständigkeiten läge. Anm. 8: Unter bestehenden Aktienrechten nachträglidi durdi Satzungsänderung Unterschiede zu schaffen, ohne daß diese auf Voraussetzungen abgestellt sind, die jeder Aktionär erfüllen kann, ist nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung nur mit Zustimmung der benachteiligten Aktionäre zulässig (ebenso Fischer in Großkomm. Anm. 2; a.A.Schl.-Qu. Anm. 3). Ohne sie wäre ein solcher Beschluß anfechtbar, nicht nichtig. 4. Änderung und Beendigung Anm. 9: Nachträgliche Änderung und Beendigung der Gattungsverschiedenheiten bis zur Gleichstellung der Aktien ist statthaft, durch Satzungsänderungsbeschluß mit besonderer Abstimmung (§ 179 Abs. 3). Ist eine Aktie mit einem als unentziehbar bezeichneten Vorrecht ausgestattet, so ist die Zu47
§n
Anm. 9
Allgemeine Vorschriften
Stimmung ihres Inhabers zur Aufhebung des Rechts schon deshalb erforderlich, weil dadurch im Verhältnis zu allen Aktien, bei denen das Vorzugsrecht nicht als unentziehbar bezeichnet ist, eine besondere Gattung gegeben ist. Der damit erforderliche Sonderbeschluß besteht in der Zustimmung des einzigen Inhabers dieser Aktie (insoweit wird die Gegenansicht von der Vorauflage aufgehoben; ebenso Fischer in Großkomm. Anm. 8; Sdil.-Qu. Anm. 3). Sind mehrere Aktien mit unentziehbaren Rechten ausgestattet, so können ihre Inhaber einen Beschluß über die Aufhebung oder Beschränkung dieses Rechtes nach § 179 fassen. Es ist nicht die Zustimmung jedes einzelnen notwendig, vielmehr können einzelne überstimmt werden (anderer Ansicht Großkomm. Anm. 8). Ein Sonderbeschluß ist entbehrlich, wenn von vornherein die Vorrechte so begründet sind, daß sie von der A G mit oder ohne Abfindung beseitigt werden können, denn in diesem Fall liegt in der Beseitigung der Vorrechte oder gar der Aktien keine Änderung des bisherigen Verhältnisses der Gattungen zum Nachteil der einen. Ein satzungsändernder Beschluß ist überhaupt entbehrlich, wenn die A G sich die Befugnisse vorbehalten hat, das Vorrecht durch einfachen Hauptversammlungsbeschluß ohne Sonderbeschluß aufzuheben. Auch ein solcher ist nicht nötig, wenn von vornherein das Vorrecht oder Bestand der Aktie auflösend bedingt oder befristet ist, womit gleichfalls die Gewährung einer Entschädigung nach der Satzung verbunden sein kann. Dagegen kann es nicht dem Ermessen des Vorstandes überlassen werden, die Vorzugsaktien in Stammaktien umzuwandeln, weil hierin ein Einbruch in die gesetzlich geregelte Zuständigkeit der Hauptversammlung zur Satzungsänderung läge, wohl aber kann dem Vorzugsaktionär das Recht eingeräumt werden, ohne weiteres zu verlangen, daß die Vorzugsaktie in eine Stammaktie umgewandelt werde. Es handelt sich auch in diesem Falle um ein auflösend bedingtes Vorrecht, da die conditio sine voluero als echte Bedingung anerkannt ist und die Frage der Zuständigkeit der A G hier nicht auftaucht. Desgleichen kann mit der Umwandlung einer Namens- in eine Inhaberaktie der Wegfall des Vorrechts (Mehrstimmrecht) verbunden und dem Aktionär nach § 24 das Recht eingeräumt werden, den Umtausch zu verlangen. Wenn nach Vorstehendem ein Vorzugsrecht durch Eintritt einer auflösenden Bedingung oder eines auflösenden Termins wegfällt, muß gleichwohl die Fassung der Satzungsbestimmung über Einteilung des Grundkapitals (evtl. durch Aufsichtsratsbeschluß nach § 179 Abs. 1 Satz 2) geändert und diese Änderung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden.
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Stimmrecht. Keine Mehrstimmrechte
§12
Anm. 1
§ 12 Stimmrecht. Keine Mehrstimmrechte (1) Jede Aktie gewährt das Stimmrecht. Vorzugsaktien können nadi den Vorschriften dieses Gesetzes als Aktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden. (2) Mehrstimmrechte sind unzulässig. Die für Wirtschaft zuständige oberste Behörde des Landes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, kann Ausnahmen zulassen, soweit es zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange erforderlich ist. I. Übersicht (Anm. 1) II. Grundsatz für das Stimmredit (Anm. 2)
III. Vorzugsaktien (Anm. 3) IV. Die Mehrstimmreditsaktie (Anm. 4) V. Übergangsbestimmungen (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: Absatz 1 und Satz 1 von Absatz 2 entsprechen wörtlich dem bisherigen § 12 AktG 37. Nachdem zuerst der Grundsatz, daß jede Aktie das Stimmrecht, nämlich das gleiche Stimmrecht im Verhältnis der Aktiennennbeträge (§ 134 Abs. 1), gewährt, zwingend ausgesprochen wird, führt § 12 im Anschluß an § 11 zwei besondere Fälle von Gattungsverschiedenheiten an, bei denen der Gattungsunterschied im Herrschaftsrecht, dem Stimmrecht, besteht. Die stimmrechtlose Vorzugsaktie ist der eine, sie wird in § 139 eingehend behandelt, die Mehrstimmrechtsaktie ist der andere Fall. Wie bisher schon ist sie auch jetzt grundsätzlich unzulässig. Während bisher die zuständigen Minister Ausnahmen zulassen konnten, wenn das Wohl der Gesellschaft oder gesamtwirtschaftliche Belange es erforderten, so kann jetzt die für die Wirtschaft zuständige oberste Behörde des Landes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, Ausnahmen zulassen, soweit es zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange erforderlich ist. Weggefallen ist also „das Wohl der Gesellschaft", neu hinzugekommen ist, daß nur dann, wenn die gesamtwirtschaftlichen Belange überwiegend sind und nur soweit es zur Wahrung dieser Belange erforderlich ist, eine Ausnahme gewährt werden kann. Die Bestimmung war sehr umstritten. Nach dem Regierungsentwurf sollten Mehrstimmrechtsaktien unzulässig sein. Bestehende Mehrstimmrechtsaktien sollten drei Jahre nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes erlöschen. Bei der Beratung in den Ausschüssen hat sich ergeben, daß es Fälle gibt, in denen ein öffentliches Interesse daran besteht, daß die in einer Gesellschaft bestehenden Herrschaftsverhältnisse erhalten bleiben. In solchen Fällen sollte es erlaubt werden, als Mittel zur Herrschaftssicherung auch das Mehrstimmrecht zu benutzen. Die Entscheidung darüber, ob ein solches öffentliches Interesse besteht oder nicht, kann nicht jeder einzelnen Gesellschaft überlassen bleiben. Dies muß vielmehr von einer Behörde beurteilt werden. Auf Grund
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Wilhelmi, Aktiengesetz
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§12 Allgemeine Vorschriften Anm. 1—3 dieser Erwägungen kam man zu dem Ergebnis, daß Mehrstimmrechte zwar grundsätzlich für unzulässig erklärt werden sollten, jedoch Ausnahmen durch die für Wirtschaft zuständige oberste Landesbehörde zugelassen werden könnten, soweit es zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange erforderlich ist. Bei dieser Formulierung ging es in erster Linie darum, das Interesse der öffentlichen Hand an einer Sicherung ihres Einflusses in Versorgungsunternehmen zu berücksichtigen. Auch gegen die im Regierungsentwurf zum Einführungsgesetz vorgeschlagene Abschaffung der Mehrstimmrechtsaktien innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes wurden Bedenken erhoben, daß ein solcher Eingriff in den gegenwärtigen Besitzstand und bestehende Rechtspositionen rechtspolitisch unerwünscht und möglicherweise verfassungsrechtlich unzulässig sei. Die Übergangsbestimmung des § 5 EG ist völlig neu gefaßt. Dies war schon mit Rücksicht auf die Änderung des § 12 Abs. 2 Aktiengesetz notwendig. II. Grundsatz für das Stimmrecht Anm. 2: Der Grundsatz, daß jede Aktie das Stimmrecht gewährt, wird in § 134 dahin ergänzt, daß es nach Aktiennennbeträgen ausgeübt wird. Der Grundsatz gilt nicht unbeschränkt, abgesehen von den Ausnahmen in der vorliegenden Bestimmung kann nach § 134 I 2 durch die Satzung ein Höchststimmrecht in der Weise eingeführt werden, daß ein Aktionär, dem mehrere Aktien gehören, nur bis zu einem bestimmten Betrag stimmberechtigt ist. Ferner bestimmt § 134 II, daß das Stimmrecht erst mit der vollständigen Leistung der Einlage beginnt. Die Satzung kann allerdings Abweichendes bestimmen. Im einzelnen vgl. Anmerkung dort. III. Vorzugsaktien Anm. 3: Nach der Bestimmung des § 11, wonach einzelne Gruppen von Aktien mit verschiedenen Rechten geschaffen werden können, ist es möglich, eine ganze Skala von verschiedenen Aktien mit einem Vorzug gegenüber anderen Aktien zu schaffen. In der vorliegenden Bestimmung wird nur eine ganz bestimmte Art der Vorzugsaktie angesprochen, nämlich die ohne Stimmrecht. Für diese gelten im einzelnen die Bestimmungen der §§ 139 bis 141. Im Zusammenhang mit der Einschränkung der Zulässigkeit von Mehrstimmrechtsaktien ist in § 139 Abs. 2 nunmehr zugelassen, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bis zu einem Gesamtnennbetrag in Höhe des Gesamtnennbetrages der anderen Aktien auszugeben. Bisher konnte dies nach § 115 II AktG 1937 nur in Höhe der Hälfte des Gesamtnennbetrages der anderen Aktien geschehen. Die Möglichkeit zur Ausgabe von Vorzugsaktien ist also verdoppelt worden. Das bedeutet, wenn man berücksichtigt, daß nunmehr das Splitting 50
Stimmrecht. Keine Mehrstimmrechte
§ 12
Anm. 3,4
von Aktien durch Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln möglich ist, daß Familiengesellschaften, die vor allem von der Möglichkeit, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht auszugeben, Gebrauch machen, nunmehr ihre Herrschaftsrechte auch dann länger beibehalten können, wenn sie durch Ausgabe von Aktien den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen wollen (im einzelnen vgl. hierzu §§ 139,141 und Anm. dort). IV. Die Mehrstimmreditsaktie Anm. 4: Die an sich in die ganze Konstruktion des Aktiengesetzes nicht hineinpassende Mehrstimmrechtsaktie wird, wie schon im bisherigen Recht, grundsätzlich für unzulässig erklärt. Sie läuft in zweierlei Hinsicht aktienrechtlichen Grundsätzen zuwider. Zunächst einmal wird durch ein Mehrstimmrecht der allgemeine Grundsatz verletzt, daß sich der Einfluß der Aktionäre auf die Gesellschaft nach der Größe ihrer Kapitalbeteiligung bestimmt. Ferner wird der im Absatz 1, Satz 1 zum Ausdruck kommende Gesichtspunkt, daß grundsätzlich jede Aktie das Stimmrecht, und zwar gleiches Stimmrecht, gewährt, verletzt. Das ist zwar auch bei befugter Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht der Fall, als derjenige, der eine solche Vorzugsaktie erwirbt, beim Erwerb weiß, daß er kein seinem Kapitaleinsatz entsprechendes Stimmrecht hat, während derjenige, der eine mit normalem Stimmrecht ausgestattete Aktie einer Gesellschaft, in der Mehrstimmrechtsaktien vorhanden sind, erwirbt, nicht ohne weiteres sehen kann, daß durch das Mehrstimmrecht der ihm nicht bekannten Aktien sein an sich aus der erworbenen Aktie ergebendes Herrschaftsrecht eingeschränkt wird. Sicherlich ist es leicht, diese Tatsache festzustellen. Immerhin sind besondere Erkundigungen notwendig, die bei einem Papier, bei dem der ungehinderte Umsatz eine entscheidende Rolle spielt, nicht notwendig sein sollte. Dennoch kann von dem grundsätzlichen Verbot eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, allerdings ist diese gegenüber dem bisherigen Recht erheblich eingeschränkt (vgl. Anm. 1). Es kommt unter keinen Umständen mehr auf das Wohl der Gesellschaft an. Eine Ausnahme kann auch nicht schlechthin dann zugelassen werden, wenn gesamtwirtschaftliche Belange es fordern, sondern es müssen diese gegenüber anderen Erwägungen überwiegend sein. Es scheint uns deshalb auch nicht sicher, ob der in den Beratungen erörterte Fall zutrifft, ob zur Abwehr einer drohenden Überfremdungsgefahr die Zulassung von Mehrstimmrechtsaktien erfolgen kann. Ganz sicherlich ist es nicht zulässig, wenn die Abwehr der Überfremdung nur dem Wohl der Gesellschaft dienen würde. Darauf kann keine Rücksicht genommen werden. Es müßten schon überwiegende Belange der Gesamtwirtschaft im Spiele sein. Das kann bei der wachsenden internationalen Verflechtung der Wirtschaft, die durchaus erwünscht ist, nur in ganz besonderen Fällen in Frage kommen. Entschließt sich die Behörde, die Ausnahmegenehmigung zu erteilen, 4»
51
§12 Anm. 4, S
Allgemeine Vorschriften
so kann sie auch unter Auflagen erteilt werden, soweit die Auflagen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Mehrstimmredit stehen. Die Zuständigkeit der obersten Behörde für Wirtschaft des Landes ist insofern unerfreulich, weil das Aktiengesetz ein Bundesgesetz ist und es deshalb sachlich richtiger wäre, wenn eine Bundesbehörde über Anträge auf Ausnahmegenehmigung zu entscheiden hätte, zumal damit auch eine Einheitlichkeit für die Auslegung der Bestimmungen im ganzen Bundesgebiet gesichert wäre. Dies war aber nicht möglich, da verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstanden. Eine Zuständigkeit des Bundes auf diesem Gebiet ist nicht gegeben. Die Bedeutung des Mehrstimmrechts wird teilweise überschätzt. In der Hauptsache kommt es nur bei der Beschlußfassung rein organisatorischer Art, die Aufsichtsratswahlen und hier nur insoweit, als die Hauptversammlung an Wahlvorschläge nicht gebunden ist und überhaupt berechtigt ist, Aufsichtsratsmitglieder zu wählen, in Frage, während seine Bedeutung für vermögensrechtliche und finanzielle Maßnahmen von irgendwelcher Tragweite dadurch ausfällt, daß das Gesetz für das Zustandekommen eines Beschlusses außer der Stimmenmehrheit auch eine Kapitalmehrheit verlangt, bei der nach RG 125, S. 356 das erhöhte Stimmrecht nicht berücksichtigt werden darf. Es kommt außerdem hinzu, daß das Mehrstimmredit, obwohl es nach dem Gesetz, wenn die Ausnahmegenehmigung erteilt wird, auch für Aktien begründet werden kann, die keine weiteren Gattungsunterschiede gegenüber den übrigen Aktien aufweisen, selbst einen Unterschied im Recht begründet, also verschiedene Aktiengattungen schafft.
V. Obergangsbestimmungen Anm. 5: Nach § 5 EG bleiben Mehrstimmrechte, die vor dem 1. 1. 66 — dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes — rechtmäßig geschaffen worden sind, aufrechterhalten. Damit wird nicht nur der oben in Anm. 1 bereits erwähnte bedenkliche Eingriff gegen wohlerworbene Rechte vermieden, sondern es kommt auch darin zum Ausdruck, daß die alten Mehrstimmrechte bei dem starken Kapitalbedarf der Wirtschaft sich selbst langsam verbrauchen, weil kaum eine Gesellschaft ohne Kapitalerhöhung auskommt. Je mehr das Kapital erhöht wird, um so geringer wird die Bedeutung der bestehenbleibenden alten Mehrstimmrechte. Hinzu kommen die Unbequemlichkeiten, die sich nach Anm. 4 aus den Mehrstimmrechten ergeben können. Soweit die Gesellschaft, bzw. die Mehrheit der Hauptversammlung selbst, die Beseitigung des Mehrstimmrechtes wünscht, soll dies dadurch erleichtert werden, daß sie dies durch einen Beschluß tun kann, der einer Mehrheit von mindestens 3 /4 des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals bedarf, aber nicht der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das bedeutet, daß sich die Mehrstimmrechte bei dieser Abstimmung der Hauptversammlung nicht auswirken. Weiterhin bedarf es zum Wirksamwerden einer solchen Satzungsänderung — denn das ist 52
Unterzeichnung der Aktien
§§12/13 Anm. 5
die Abschaffung der Mehrstimmrechte, die ja nur durch die Satzung begründet werden können — ohne Sonderbeschluß der Aktionäre mit Mehrstimmrechten vorgenommen werden, was sonst nicht möglich wäre, da die Aktien mit Mehrstimmrechten eine besondere Gattung darstellen und durch den Beschluß das Verhältnis zwischen den Mehrstimmrechtsaktien zu den Stammaktien im Sinne des § 179 I I I geändert wird. Es kann also auch durch einen Hauptversammlungsbeschluß mit qualifizierter Kapitalmehrheit dem einzelnen Inhaber einer Mehrstimmrechtsaktie dessen Recht entzogen werden, ohne daß es seiner Zustimmung bedarf. Es kommt vor, daß einem Aktionär mehr Stimmrechte eingeräumt worden sind, weil dieser über seine Einlage hinaus der Gesellschaft eine besondere Leistung erbracht hat — zum Beispiel, wenn eine Gebietskörperschaft als Aktionärin einer Elektrizitätsgesellschaft das Recht, ihre Leitung über ihr Gelände zu legen, eingeräumt hat —. Wenn in einem solchen Fall das Mehrstimmrecht einen Ausgleich für diese Sonderleistung darstellen soll, so hat der Aktionär einen Anspruch auf ein angemessenes Entgelt. Die Sonderleistung muß im Verhältnis zu den Leistungen der anderen Aktionäre sich als Sonderleistung darstellen. Es ist also nicht möglich, etwa allen Aktien Mehrstimmrechte beizulegen, wenn alle Aktionäre ähnliche „Sonderleistungen" über die Einlage hinaus erbracht haben. Der Anspruch des Aktionärs richtet sich gegen die Gesellschaft. Durch Zahlungen zur Abgeltung des Anspruches wird das Grundkapital nicht gefährdet, da ja die Leistungen neben der Einlage auf die Aktie gemacht sein müssen. Um möglichst rasch klare Rechtsverhältnisse herzustellen, ist die Geltendmachung des Anspruches an eine Ausschlußfrist von 2 Monaten gebunden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Eintragung der Satzungsänderungen in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs, d. h. nach dem Erscheinen des letzten Blattes, in dem das Registergericht seine Eintragung bekanntzumachen hat, als bekanntgemadit gilt. Ist gegen den Beschluß der Hauptversammlung eine Anfechtungsklage erhoben, so beginnt die Frist erst mit der rechtskräftigen Abweisung oder Zurücknahme der Anfechtungsklage. Diese zweite Frist ist nur dann sinnvoll, wenn trotz der Anfechtungsklage die Satzungsänderung bereits eingetragen und bekanntgemacht worden war. Sie ist also dahin auszulegen, daß der Anspruch binnen 2 Monaten nach Beendigung der zweiten Frist noch geltend gemacht werden kann, auch, wenn die erste Frist schon abgelaufen sein sollte.
S 13 Unterzeichnung der Aktien Zur Unterzeichnung von Aktien und Zwischenscheinen genügt eine vervielfältigte Unterschrift. Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann von der 53
§13 Anm. 1,2
Allgemeine Vorschriften
Beachtung einer besonderen Form abhängig gemadit werden. Die Formvorsdirift muß in der Urkunde enthalten sein. Anm. 1: Über die Form der Aktienurkunde ergibt sich aus ihrem Begriff, daß sie eine schriftliche Erklärung der Gesellschaft ist. Das Gesetz sagt nur, daß handschriftliche Unterzeichnung, wie aus § 126 BGB zu folgern wäre, nicht erforderlich ist, daß vielmehr eine vervielfältigte Unterschrift (Faksimile, nicht Druckschrift) genügt. Die Urkunde muß von den gesetzlichen Vertretern oder einem Sonderbevollmächtigten unterzeichnet werden; Prokura genügt nicht. Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann von der Erfüllung von Vorschriften abhängig gemacht werden, welche in die Urkunden selbst aufgenommen sind. Eine solche Formvorschrift, wie etwa die Mitunterzeichnung durch einen Kontrollbeamten oder ein Aufsichtsratsmitglied, soll die Gefahr von Fälschungen verringern, die gerade bei bloß vervielfältigter Unterschrift nicht unerheblich ist. Das Formerfordernis kann gerade auch in der vom Gesetz nachgelassenen Eigenhändigkeit bestehen (a.A. nur Ritter). Urkunden, welche der gesetzlichen oder nach Satz 2 und 3 besonders vorgeschriebenen Form nicht entsprechen, desgleichen gefälschte Urkunden, sind nichtig, verbriefen das Aktienrecht nicht und sind nicht geeignet, es zu übertragen, auch dann nicht, wenn der Erwerber gutgläubig ist. Die Satzung braucht über die äußere Form der Urkunde nichts zu bestimmen, auch keine Vorschrift nach Satz 2 zu treffen. Schweigt sie, ist die Bestimmung der Form Sache des Vorstandes. Sie kann es aber natürlich, insbesondere den Vorstand anweisen, die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Bei Börsenpapieren sind die Forderungen der Zulassungsstellen zu beachten. Anm. 2: Über den Inhalt der Urkunde enthält das Gesetz, abgesehen von einigen Sondervorschriften (z. B. § 10 II), nichts. Hierüber kann die Satzung Näheres bestimmen, auch den Aufsichtsrat dazu ermächtigen. In die Urkunde braucht eine solche Bestimmung nicht aufgenommen zu werden. Ein Mindestinhalt ergibt sich aus der Bestimmung der Urkunde. Hiernach muß sie a) den Namen der AG angeben; wenn die Urkunde sich auch nicht als Aktie zu bezeichnen braucht, so muß sie doch b) erkennen lassen, daß sie eine Beteiligung, und zwar von der Natur des Aktienrechtes, verbrieft. Sie muß ferner c) den Nennbetrag angeben. Letzteres wird durch die Ausdrucksweise des Gesetzes in §§ 8 und 405 I Nr. 1 und 3 vorausgesetzt. Die Urkunde muß ferner, weil jedes Aktienrecht, wenn auch vertretbar, ein individuelles Recht ist, d) die Unterscheidungsmerkmale gegenüber den anderen Aktienrechten derselben Gesellschaft (Nummer od. dgl.) enthalten. Fehlen die nach Vorstehendem wesentlichen Angaben, so ist die Aktienurkunde nichtig. Zum Inhalt der Urkunde gehört auch die Angabe, ob sie Inhaber- oder Namensaktie ist. Fehlt eine Angabe, so ist sie Inhaberaktie (§ 24). Bei der Namensaktie ist es kein 54
Zuständigkeit / Verbundene Unternehmen
§§ 13—15
Anm. 2
Erfordernis ihrer Gültigkeit, daß sie den Namen des ersten Aktionärs angibt. Man kann mit dem Eintrag im Aktienbuch auskommen, aber dann muß die Aktie auf dieses verweisen. Urkunden, die sonstigen Satzungsvorschriften nicht entsprechen, sind nicht ordnungsgemäß und nicht lieferbar, so daß ihr Umtausch verlangt werden kann, aber nicht nichtig. Über Genußscheine als Urkunden enthält das Gesetz ebensowenig eine Vorschrift wie über den möglichen Inhalt eines Genußsdieines, siehe hierüber § 2 2 1 . Über die Form ergibt sich auch hier das wesentliche aus dem Begriff der Urkunde. Hier ist handschriftliche Unterzeichnung unerläßlich, wenn die Ausstellung einer Urkunde vorgeschrieben ist (§ 126 B G B ) . Über Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen siehe §221. § 14 Zuständigkeit Gericht im Sinne dieses Gesetzes ist, wenn nichts anderes bestimmt ist, das Gericht des Sitzes der Gesellschaft. Vorstehende Generalklausel bezieht sich nur auf das Registergericht (§ 8 H G B , § 122 F G G ) und das Geridit des § 145 F G G und regelt die örtliche Zuständigkeit der nach diesen Bestimmungen sachlich zuständigen Amtsgerichte. Der Sitz der Gesellschaft muß sich nadi § 23 I I I Ziffer 1 aus der Satzung ergeben. Darüber wo der Sitz sein kann, siehe § 5 und Anm. dort. Das für die Bestellung eines Notvorstandes nach § 85 zuständige Gericht kann in entsprechender Anwendung von § 5 I S. 2 F G G vom B G H zu bestimmen sein ( B G H in Die Aktiengesellschaft 1963, 215). § 15 Verbundene Unternehmen Verbundene Unternehmen sind rechtlich selbständige Unternehmen, die im Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16), abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17), Konzernunternehmen (§ 18), wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 19) oder Vertragsteile eines Unternehmensvertrags (§§ 291, 292) sind. I. Ubersidit (Anm. 1) II. Die Struktur der Unternehmensverbindungen 1. Die Beteiligten (Anm. 2) 2. Die Unternehmensverbindungen (Anm. 3)
3. Die Auswirkungen der verschiedenen Unternehmensverbindungen auf die Einzelgesellsdiaft (Anm. 4 — 8 ) III. Verwendung des Begriffs „verbundene Unternehmen" im Gesetz (Anm. 9)
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§15 Anm. 1
Allgemeine Vorschriften
I. Übersicht Anm. 1: Der Begriff verbundene Unternehmen ist aus gesetzestechnischen Gründen neu eingeführt worden. Er ist nicht als materielle Umschreibung einer besonderen Gruppe von Unternehmen zu verstehen (Reg.Begr., 99), sondern er hat lediglich den Zweck, die Gruppen von Unternehmensverbindungen, die das Gesetz behandelt, zusammenzufassen, damit überall dort, wo das Gesetz Vorschriften bringt, die für alle Unternehmensverbindungen gültig sind, ein einheitlicher Begriff benutzt werden kann, ohne daß die Aufzählung der verschiedenen Arten von Unternehmensverbindungen oder Verweisungen erforderlich sind. Das bisherige Recht kannte als Unternehmensverbindung nur den Konzern. Dieser war einmal gegeben, wenn rechtlich selbständige Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt waren (§15 I AktG. 37), zum anderen, wenn ein rechtlich selbständiges Unternehmen unter dem herrschenden Einfluß eines anderen Unternehmens stand (§ 15 II AktG. 37). Während der Grundsatz des alten § 15 I heute im § 18 I wiederkehrt, ist die im alten § 15 II enthaltene Fiktion, daß ein herrschendes und abhängiges Unternehmen zusammen einen Konzern bilden, aufgegeben. Der Begriff dieser Unternehmensverbindung wird jetzt gesondert im § 17 gegeben. Ein Konzern liegt immer nur dann vor, wenn mehrere Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt sind. Fehlt diese, so kann zwar eine Unternehmensverbindung, wie sie in den §§ 16, 17 und 19 behandelt ist, vorliegen, nicht aber ein Konzern. Die verbundenen Unternehmen werden zunächst in 5 Gruppen eingeteilt, deren Begriffsbestimmung im einzelnen in den folgenden §§ 16—19 und in denen des 3. Buches §§ 291 und 292 gegeben wird. Berücksichtigt man dies, so behandelt das Gesetz folgende Unternehmensverbindungen: A. Im Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16). B. Abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17). C. Konzernunternehmen (§ 18). Dabei wird unterschieden zwischen der Zusammenfassung selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung 1. als herrschendes und abhängige Unternehmen (Underordnungskonzern § 18 I), wobei wiederum zu unterscheiden ist, ob die einheitliche Leitung beruht auf a) einem Beherrschungsvertrag (§ 291) oder der Eingliederung eines Unternehmens (§319) 56
Verbundene Unternehmen
§15 Anm. 1,2
b) einer tatsächlichen Beherrschungsmacht (faktisdier Konzern), die vermutet wird, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 besteht ( § 1 8 1 Satz 3). 2. Ohne, daß ein Unternehmen von dem anderen Unternehmen abhängig ist (Gleichordnungskonzern) § 18 II. D. Wechselseitig beteiligte Unternehmen, und zwar: a) unabhängige (§ 191) b) abhängige (§ 19 II und III) E. Vertragsteile eines Unternehmensvertrags der in den §§ 291 u. 292 einzeln aufgeführten Art: 1. Beherrschungsvertrag. Er schafft stets ein Konzern Verhältnis, und zwar einen Unterordnungskonzern, da eine einheitliche Leitung (§18 I S. 2) begrifflich stets gegeben ist. 2. Gewinnabführungsvertrag (§ 291). 3. Gewinngemeinschaft (§ 292 Nr. 1). 4. Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Nr. 2). 5. Betriebspachtvertrag (§ 292 Nr. 3). 6. Betriebsüberlassungsvertrag (§ 292 Nr. 3). Die im Gesetz behandelten verschiedenen Unternehmensverbindungen sind nicht streng voneinander abzugrenzen. So gilt für die Gruppe A — im Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen nach § 17 II — die widerleglidie Vermutung, daß sie in die Gruppe B — abhängige und herrschende Unternehmen — fallen. Herrschende und abhängige Unternehmen (B) können gleichzeitig Konzernunternehmen (C), wechselseitig beteiligte Unternehmen (D) und Vertragsteil eines Unternehmensvertrags (E) sein. II. Die Struktur der Unternehmensverbindungen 1. Die Beteiligten Anm. 2: Das Gesetz enthält keine Umschreibung des Unternehmensbegriffs. Dies erschien auch nicht notwendig, da auch das alte Gesetz den Begriff des Unternehmens bereits im Zusammenhang mit der Definition des Konzerns im alten § 15 gebrauchte. Man wird sich mit der Feststellung begnügen können, daß im Rahmen des Aktiengesetzes der Begriff Unternehmen als rechtlich neutraler Begriff die Wirtschaftseinheit bezeichnen soll, mit der eine Person, sei es eine natürliche oder juristische oder eine Personengruppe, am Wirtschaftsleben teilnimmt (vgl. im einzelnen Rasch, S. 24 ff., Friedländer, S. 31 ff.). Das wird im Gesetz dadurch zum Ausdruck gebracht, daß es heißt, daß verbundene Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen sein müssen. Dagegen enthält das Gesetz keinerlei Bestimmungen über die Rechtsform, in der die selbständigen Unternehmen betrieben werden. Es ist gleichgültig, ob es 57
§15 Anm. 2—5
Allgemeine Vorschriften
sich um eine Kapitalgesellschaft, bergrechtliche Gewerkschaft, Personalgesellschaft oder um ein von einem Einzelkaufmann betriebenes Unternehmen handelt (vgl. Kropf! in BB 1965, 1285; Havermann in Wp 66, 30). 2. Die Unternehmensverbindungen Anm. 3: Das Gesetz stellt es darauf ab, in welchem Verhältnis die einzelnen Unternehmen zueinander stehen. Das bedeutet, daß, wenn 2 Unternehmen miteinander verbunden sind und eines davon mit einem Dritten, dieses Dritte noch nicht mit demjenigen Unternehmen, zu dem keine unmittelbare Verbindung besteht, im Sinne des § 15 verbunden ist. Von allzu großer Bedeutung ist dies allerdings nicht, da die wichtigste Unternehmensverbindung, der Konzern, insofern besonders behandelt wird, als verbundene Unternehmen sämtlich Konzernunternehmen sind. Wenn also ein herrschendes Unternehmen mehrere abhängige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt hat (§18 I), so sind die abhängigen Unternehmen auch untereinander verbundene Unternehmen im Sinne des § 15, ohne daß es einer anderen Beziehung bedarf, als der Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung. Das gleiche gilt, wenn mehrere nicht abhängige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt sind (§18 II). 3. Die Auswirkungen der verschiedenen Unternehmensverbindungen auf die Einzelgesellschaft Anm. 4: Die Notwendigkeit, für verbundene Unternehmen besondere Bestimmungen zu erlassen, ergibt sich daraus, daß je nach der Intensität der Verbindung die ordnungsgemäße Funktion der Organe der Gesellschaft oder/und ihres Grundkapitals in Frage gestellt wird. Besteht die Verbindung in einer Mehrheitsbeteiligung im Sinne des § 16, so ist die ordnungsgemäße Funktion der Organe des Unternehmens noch nicht eingeschränkt, wohl aber gefährdet. Dem trägt die Bestimmung des § 17 II Rechnung, wonach die allerdings widerlegliche Vermutung besteht, daß ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen ein abhängiges Unternehmen ist. Wird die Vermutung widerlegt, so bleibt dennoch die Gefährdung des Grundkapitals. Gehören einer in Mehrheitsbesitz stehenden Gesellschaft Aktien der mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft, so gehören zu den Vermögenswerten die in der Beteiligung verkörpert werden, eigene Aktien der mehrheitsbeteiligten Gesellschaft. Insoweit steht kein selbständiger Vermögenswert hinter dem Wert der Beteiligung. Deshalb werden Aktien, die einer in Mehrheitsbesitz befindlichen Gesellschaft gehören, wie eigene Aktien der mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft behandelt (§§ 56 und 71). Anm. 5: Bei herrschenden und abhängigen Unternehmen besteht die Unternehmensverbindung darin, daß das herrschende Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf das abhängige Unternehmen 58
Verbundene Unternehmen
§15 Anm. 5,6
ausüben kann. Da dieser nicht auf einer Beteiligung beruhen muß, sondern auch andere Ursachen haben kann, steht die Gefährdung der Funktion des Grundkapitals nicht an erster Stelle, sie ist aber im Grunde genommen genauso gegeben, wie bei einer Mehrheitsbeteiligung; deshalb finden auch alle Bestimmungen, die auf das Verhältnis mehrheitsbeteiligtes Unternehmen zum im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen gelten, Anwendung auf das Verhältnis zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen. Darüber hinaus muß der Möglichkeit der Ausübung eines herrschenden Einflusses Rechnung getragen werden. Deshalb gibt es eine Reihe von Bestimmungen, die allein für herrschende und abhängige Unternehmen gelten, nicht aber für den Fall einer Mehrheitsbeteiligung, wenn diese nicht gleichzeitig einen herrschenden Einfluß ermöglicht. Zu beachten ist, daß ein Abhängigkeitsverhältnis bereits dann vorliegt, wenn nach der Gesamtsituation ein herrschender Einfluß ausgeübt werden kann. Es ist nicht notwendig, daß er tatsächlich ausgeübt wird. Anm. 6: Bei allen Konzernunternehmen gehört es zum Wesen dieser Unternehmensverbindung, daß mehrere Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt sind. Beim Gleichordnungskonzern (§18 II) ist dies das einzige Merkmal der Verbindung. Alle beteiligten Unternehmen haben einen mehr oder weniger großen Teil der Funktionen ihrer Organe dadurch, daß sie sich unter eine einheitliche Leitung gestellt haben, aufgegeben. Bei dem Unterordnungskonzern (§18 I) tritt ein zweites, wesentliches Merkmal für die Unternehmensverbindung hinzu. Hier müssen ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt sein. Es werden die Funktionen der Organe des herrschenden Unternehmens nicht von außen eingeschränkt, sie erhalten nur eine zusätzliche Funktion, indem unter ihrer Leitung nunmehr die abhängigen Unternehmen zusammengefaßt werden. Nur Letztere bedürfen des besonderen Schutzes. Für alle Konzerngesellschaften gelten die im Gesetz enthaltenen Bestimmungen für verbundene Unternehmen, darüber hinaus die der §§ 134 I Satz 4, 145 II, 165 IV und 168 (vgl. im einzelnen § 17 Anm. 6). Für die abhängigen Konzerngesellschaften im Unterordnungskonzern gelten alle Bestimmungen, die für abhängige Unternehmen gelten (§§ 89 II, 115 I Satz 2, 136, 292 I Ziff. 3, vgl. im einzelnen § 17 Anm. 6). Die für den Konzern und Konzernunternehmen entscheidenden Bestimmungen sind unter der Bezeichnung „Verbundene Unternehmen" im 3. Buch, §§ 291—338 zusammengefaßt. Da bei allen Unternehmensverbindungen bei einem Konzern die Einwirkung der Konzernspitze auf die Organe der Konzernunternehmen die stärkste ist, bestehen hier auch die ins einzelne gehenden Bestimmungen zum Schutz der Gesellschaft, der Aktionäre und der Gläubiger. Hier ist dem Grundsatz nach sowohl die Funktion der Gesellschaftsorgane wie die Schutzfunktion des Grundkapitals gefährdet. 59
§15 Anm. 7—9
Allgemeine Vorschriften
Anm. 7: Besteht die Unternehmensverbindung in einer wechselseitigen Beteiligung, ohne daß ein Unternehmen von dem anderen abhängig ist (§ 19 I), so besteht keine Gefährdung der Funktion der Organe der Gesellschaft, wohl aber eine Gefährdung der Funktion des Grundkapitals. Wenn zwei Gesellschaften wechselseitig in einer gewissen Höhe aneinander beteiligt sind — das Gesetz geht von mehr als 25 % aus — , so besteht ein nicht mehr unerheblicher Anteil des Aktivvermögens aus dieser Beteiligung nicht mehr aus echten Vermögenswerten. Dies läuft darauf hinaus, daß das Kapital in Höhe der Beteiligung doppelt erscheint. Darin liegt eine Beeinträchtigung der Funktion des Grundkapitals, die unerwünscht ist. Deshalb sieht § 328 eine Beschränkung der Rechte aus solchen wechselseitigen Beteiligungen vor. Außer dieser Bestimmung gelten für alle wechselseitigen Beteiligungen noch diejenigen, die für verbundene Unternehmen gelten und der § 160, I I I , Ziff. 3. Ist bei wechselseitig beteiligten Unternehmen ein Unternehmen von dem anderen abhängig (§ 19 I I ) oder sind beide wechselseitig voneinander abhängig ( § 1 9 I I I ) , so finden auf sie alle Vorschriften über verbundene Unternehmen und abhängige Unternehmen Anwendung, nicht aber die Vorschriften über wechselseitig beteiligte Unternehmen, bei denen kein Abhängigkeitsverhältnis besteht, also nicht der § 328 (§ 19 IV). Anm. 8: Besteht die Unternehmensverbindung darin, daß die einzelnen Unternehmen Vertragsteile eines Unternehmensvertrags sind, so ist zunächst einmal zu unterscheiden, ob durch die Art des Vertrages ein Konzern entsteht, was allein davon abhängt, ob mehrere Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt werden. Das ist nach der Begriffsbestimmung des Beherrschungsvertrages bei diesen immer der Fall (§ 291), in der Regel auch beim Gewinnabführungsvertrag (§ 291), in vielen Fällen aber keineswegs zwingend, stets bei den „anderen Unternehmensverträgen" im Sinne des § 292. Soweit durch die Unternehmensverträge weder ein Abhängigkeitsnoch ein Konzernverhältnis begründet wird, unterliegen sie ausschließlich den Bestimmungen des 3. Buches. m . Verwendung des Begriffs „verbundene Unternehmen" im Gesetz Anm. 9: Die Zusammenfassung von teilweise ihrer Natur nach sehr unterschiedlichen Unternehmensverbindungen unter einen neu geschaffenen Oberbegriff ist aus dem Bedürfnis heraus erfolgt, gewisse Folgen, die sich aus der Verbindung von Unternehmen ergeben, gesetzlich einheitlich zu regeln. Das ist an folgenden Stellen des Gesetzes geschehen: 1. §§ 33 V ; 143 I I Nr. 2 und 3, I I I Nr. 1; 164 I I Nr. 2 und 3, I I I N r . 1. Gründungsprüfer, Sonderprüfer, Abschlußprüfer kann nicht sein, wer gesetzlicher Vertreter, Aufsichtsratsmitglied, Gesellschafter, Inhaber oder Mit60
Mehrheitsbesitz
§§15/16 Anm. 9
inhaber oder Angestellter eines Unternehmens ist, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist. Das gleiche gilt für eine Prüfungsgesellschaft, wenn sie oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist. 2. § 90 — Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat — vgl. Anm. dort. 3. Nach den §§ 89 und 115 — Beschränkung der Kreditgewährung an den dort genannten Personenkreis — vgl. Anm. dort. 4. § 131 I — das Auskunftsrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung — vgl. Anm. dort. 5. § 145 IV — Prüfungsbericht der Sonderprüfer — vgl. Anm. dort. 6. § 151 I — Gliederung der Jahresbilanz, Aktivseite unter III B Ziff. 10, Passivseite unter VI Ziff. 5 — vgl. Anm. dort. 7. § 160 III Nr. 8—10 — Inhalt des Geschäftsberichts — vgl. Anm. dort. Abgesehen von diesen im Gesetz verstreuten Bestimmungen über verbundene Unternehmen, steht das 3. Buch des Gesetzes unter der Überschrift „verbundene Unternehmen". Hier sind alle Bestimmungen zusammengefaßt, die notwendig sind bei einer Unternehmensverbindung, an der eine Aktiengesellschaft beteiligt ist, um diese selbst, ihre Aktionäre und Gläubiger vor unangemessenen Nachteilen zu schützen. § 16 In Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (1) Gehört die Mehrheit der Anteile eines reditlidi selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen oder steht einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmredite zu (Mehrheitsbeteiligung), so ist das Unternehmen ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen, das andere Unternehmen ein an ihm mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen. (2) Welcher Teil der Anteile einem Unternehmen gehört, bestimmt sich bei Kapitalgesellschaften nach dem Verhältnis des Gesamtnennbetrags der ihm gehörenden Anteile zum Nennkapital, bei bergreditlidien Gewerkschaften nach der Zahl der Kuxe. Eigene Anteile sind bei Kapitalgesellschaften vom Nennkapital, bei bergreditlidien Gewerkschaften von der Zahl der Kuxe abzusetzen. Eigenen Anteilen des Unternehmens stehen Anteile gleidi, die einem anderen für Rechnung des Unternehmens gehören. (3) Welcher Teil der Stimmredite einem Unternehmen zusteht, bestimmt sich nadi dem Verhältnis der Zahl der Stimmredite, die es aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann, zur Gesamtzahl aller Stimmredite. Von der Gesamtzahl aller Stimmredite sind die Stimmredite aus eigenen Anteilen sowie aus Anteilen, die nach Absatz 2 Satz 3 eigenen Anteilen gleichstehen, abzusetzen. 61
§ 16 Anm. 1
Allgemeine Vorschriften
(4) Als Anteile, die einem Unternehmen gehören, gelten auch die Anteile, die einem von ihm abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens gehören und, wenn der Inhaber des Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, audi die Anteile, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind. I. Übersicht (Anm. 1) I I . D i e Rechtsnatur der Mehrheitsbeteiligung 1. die verschiedenen Arten (Anm. 2) 2. Rechtsform der beteiligten U n t e r -
nehmen (Anm. 3) 3. Berechnung der Mehrheit (Anm. 4 u. 5) I I I . Bezugnahme auf Mehrheitsbeteiligung im Gesetz (Anm. 6)
I. Übersicht Anm. 1: Der Reg.-Entwurf hatte die Probleme, die aus einer Mehrheitsbeteiligung entstehen, dadurch gelöst, daß er ein Unternehmen, dem die Mehrheit der Anteile eines anderen Unternehmens gehört oder dem die Mehrheit der Stimmrechte zusteht, als das herrschende, das andere als das abhängige Unternehmen ansah. Die Ausschüsse sind nach Anhörung von Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Mehrheitsbeteiligung zwar in aller Regel, aber nicht schlechthin in allen Fällen einen beherrschenden Einfluß zur Folge hat. So ist z. B. eine Kapitalmehrheit, die deshalb nicht zu einer Stimmenmehrheit führt, weil ein erheblicher Teil aus Vorzugsaktien ohne Stimmrecht besteht, alleine nicht geeignet, einen beherrschenden Einfluß zu begründen. Entscheidend war aber, daß Fälle nachgewiesen wurden, in denen ein mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen sich im Verhältnis zu anderen Gesellschaftern vertraglich verpflichtet hat, die Stimmrechte nur aus einem Teil seiner Aktien auszuüben. Das kommt vor bei internationalen Gemeinschaftsgründungen sowie beim Übergang der Kapitalmehrheit einer Familiengesellschaft an ein familienfremdes Unternehmen oder in ähnlich gelagerten Situationen. Die Ausschüsse sind deshalb zu dem Ergebnis gekommen, daß die im Reg.E. vorgesehene unwiderlegliche Vermutung in eine widerlegliche umgewandelt werden muß. Das ist in § 17 II geschehen, mit der Folge, daß für die durch Mehrheitsbeteiligung verbundenen Unternehmen, denen es gelingt, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, die Bestimmungen für abhängige Unternehmen keine Gültigkeit haben. Man hätte es sich dann ersparen können, den Begriff der Mehrheitsbeteiligung überhaupt in das Gesetz unter „verbundene Unternehmen" aufzunehmen. Tatsächlich wurde dieses Ergebnis auch von denjenigen, die die Umwandlung der widerleglichen Vermutung in eine widerlegliche beantragten, angestrebt. Dagegen bestanden jedoch Bedenken, die sich im Endergebnis durchgesetzt haben, und zwar deshalb, weil ein Teil der für abhängige Unternehmen geltenden Vorschriften dazu dienen, die Gefahren abzuwehren oder doch zu mindern, die sich aus einer vermögensmäßigen Verflechtung zweier Unternehmen ergeben. Das sind die Bestimmun62
Mehrheitsbesitz
§16 Anm. 1—3
gen, die zur Erhaltung der Funktion des Grundkapitals und damit zum Schutze der Gläubiger geschaffen sind. Diese werden durch eine Mehrheitsbeteiligung auch dann gefährdet, wenn sich aus ihr kein herrschender Einfluß ergibt. Andererseits brauchten die für abhängige Gesellschaften gegebenen Vorschriften, die deren Aktionäre und Gläubiger gegen Benachteiligungen durdi den herrschenden Einfluß eines anderen Unternehmens auf die Willensbildung der abhängigen Gesellschaft schützen sollen, dann keine Anwendung finden, wenn die gesetzliche Vermutung des § 17 II widerlegt ist und es sich um eine Mehrheitsbeteiligung handelt, durch die kein herrschender Einfluß ausgeübt werden kann. IL Die Rechtsnatur der Mehrheitsbeteiligung 1. Die verschiedenen Arten Anm. 2: Eine Mehrheitsbeteiligung kann einmal auf einer Kapitalmehrheit und zum anderen auf einer Stimmenmehrheit beruhen. Meist wird beides zusammenfallen. Es ist jedoch denkbar, daß eine Kapitalmehrheit ohne Stimmenmehrheit vorhanden ist, z. B. dann, wenn ein Teil der Anteile, die die Kapitalmehrheit ausmachen, Aktien ohne Stimmrecht sind, und es ist umgekehrt möglich, daß eine Mehrheit der Stimmrechte vorhanden ist, ohne daß eine Kapitalmehrheit vorliegt. Dazu bedarf es nicht einmal Mehrstimmrechtsaktien (§ 12), sondern es ist auch der Fall denkbar, daß, wenn eine größere Zahl von stimmrechtslosen Vorzugsaktien vorhanden ist, eine kapitalmäßige Minderheit eine Mehrheit der Stimmrechte besitzt. Hat eine AG, wie es nach § 139 II möglich ist, ebensoviel Vorzugsaktien ohne Stimmrecht wie Stammaktien, so hat ein Unternehmen, dem z. B. vom gesamten Grundkapital 40 °/o in stimmrechtslosen Vorzugsaktien und 20 °/o in Stammaktien gehören, zwar die Kapital- nicht aber die Stimmenmehrheit. Da nach § 5 Einführungsgesetz alte Mehrstimmrechtsaktien erhalten bleiben, ist es je nach der Ausstattung dieser Aktien mit Stimmrechten auch in Zukunft noch möglich, daß einige wenige Aktien die Stimmenmehrheit schaffen. Dann sind die Voraussetzungen des § 16 gegeben, mag ihr Kapitalanteil auch noch so klein sein. 2. Rechtsform der beteiligten Unternehmen Anm. 3: Über den Begriff „rechtlich selbständige Unternehmen" vgl. § 15 Anm. 2. Welche Rechtsformen die beteiligten Unternehmen haben, ist gleichgültig. Sie können eine AG, KGaA oder andere Kapitalgesellschaft, eine bergrechtliche Gewerkschaft, eine Personengesellschaft oder das Unternehmen eines Einzelkaufmannes sein. Das ergibt sich daraus, daß im Gesetz, wenn nur die Bezeichnung „Unternehmen" gebraucht wird, die Rechtsform, in der sie betrieben werden, keine Rolle spielt, andernfalls wird die Rechtsform bezeichnet, so z. B. im § 19; dort heißt es, daß wechselseitig beteiligte Unternehmen als solche in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft 63
§16 Anm. 3
Allgemeine Vorschriften
oder bergrechtlichen Gewerkschaft sind. Eine derartige Einschränkung ist hier nicht gegeben. Es kann deshalb das Unternehmen, das die Mehrheitsbeteiligung eines anderen Unternehmens besitzt, in jeder Rechtsform geführt werden. Gewisse Bedenken könnten für das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen deshalb entstehen, weil das Gesetz davon ausgeht, daß die Mehrheitsbeteiligung darauf beruht, daß ein Unternehmen „die Mehrheit der Anteile" eines anderen Unternehmens gehört. Von einer Mehrheit der Anteile kann man jedoch genau genommen nur bei Unternehmen sprechen, die in der Form einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft geführt werden. Es gibt zwar auch bei den Personengesellschaften einen Kapitalanteil des einzelnen Gesellschafters (§ 120 II HGB). Dieser ist aber ein Anteil an dem nach Gesamthandsprinzip gebundenen Vermögen. Eine selbständige Verfügung über ihn ist grundsätzlich nicht möglich. Er spielt lediglich eine Rolle im Verhältnis der Gesellschafter untereinander insoweit, als sich nach der Höhe des Kapitalanteils die Gewinnansprüche und im Falle der Liquidation des Unternehmens der Auseinandersetzungsanspruch beredinet (vgl. Friedländer, Konzernrecht 2. Aufl. 64, sowie Kommentare zu §§ 105 und 120 HGB). Bei einer Personengesellschaft kann man nicht von einer „Mehrheit der Anteile" sprechen, sondern allenfalls von einer verschiedenen Größe der Kapitalanteile der einzelnen Gesellschafter. Dasselbe gilt für andere Beteiligungen, also an einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und bei einer stillen Beteiligung, etwa an dem Unternehmen eines Einzelkaufmanns. In allen diesen Fällen ist eine Mehrheit der Anteile nicht gegeben. Hinzu kommt, daß im Abs. 2 die Frage, welcher Teil der Anteile einem Unternehmen gehört, nur in bezug auf die Kapitalgesellschaft und die bergrechtliche Gewerkschaft behandelt wird. Es liegt der Gedanke nahe, daß, wenn der Gesetzgeber in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen, die in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder als Unternehmen eines Einzelkaufmannes betrieben werden, in die Bestimmung hätte einbeziehen wollen, er gerade für diese Fälle eine besondere Berechnung für den „Mehrheitsanteil" gegeben hätte, denn im Grunde genommen sind diese Fälle schwieriger als die, bei denen das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen eine Kapitalgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft ist. In der amtlichen Begründung zum Reg.E., der in § 16 II und III, insoweit es hier interessiert, die gleichen Bestimmungen enthielt, werden zwei Gründe dafür genannt, daß besondere Bestimmungen für die Berechnung der Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft und einer bergrechtlichen Gewerkschaft für notwendig gehalten wurden. Einmal wollte man bei der Berechnung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft vermeiden, daß von deren Zahl ausgegangen wird und nicht von dem Verhältnis des Gesamtnennbetrages der Beteiligung zum Nennkapital, was man besonders bei einer Mehrheitsbeteiligung an einer GmbH für möglich hielt, und zum anderen sollte geklärt werden, wie eigene Anteile einer in Mehrheitsbesitz 64
Mehrheitsbesitz
§16 Anm.3,4
stehenden Kapitalgesellschaft zu behandeln sind. Man kann also daraus, daß der Gesetzgeber glaubte, zwei bestimmte Fragen besonders regeln zu müssen, die sich auf Kapitalgesellschaften beziehen, nicht die Folgerung ziehen, daß er damit zum Ausdrude bringen wollte, daß ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen nur eine Kapitalgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft sein könnte. Der gegenteilige Standpunkt würde auch zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen. Wenn der Gesetzgeber es schon für richtig hielt, für eine Mehrheitsbeteiligung gewisse Bestimmungen, die für Abhängigkeitsverhältnisse gelten, auch auf Mehrheitsbeteiligung anzuwenden, dann kann man nicht sagen, daß es einen Unterschied macht, ob beispielsweise Aktien bei einer GmbH liegen, deren Anteile in ihrer Mehrheit bei der Gesellschaft selbst sich befinden, oder ob die Aktien in einer oHG liegen. Insoweit die Mehrheitsbeteiligung darauf beruht, daß einem Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte eines anderen Unternehmens zusteht, werden allerdings in der Praxis meist nur Kapitalgesellschaften und bergrechtliche Gewerkschaften als in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen in Frage kommen, denn nur dort gibt es grundsätzlich eine „Mehrheit der Stimmrechte". Immerhin ist es auch bei Personengesellschaften denkbar, daß durch Vertrag ein gewisses Stimmrecht in bestimmter Höhe für die einzelnen Gesellschafter eingeräumt wird. Sollte sich aus einem solchen Stimmrecht ein Ubergewicht eines Gesellschafters ergeben, so wird man aber nicht von einer in der Mehrheit der Stimmrechte liegenden Mehrheitsbeteiligung sprechen, sondern dann ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag unmittelbar das Verhältnis eines herrschenden und eines abhängigen Unternehmens. Überhaupt nicht hierher gehört der Fall, wenn etwa bei einer OHG durch Ausschluß der übrigen Gesellschafter von der Vertretungsmacht nach § 125 HGB einem anderen Unternehmen die Vertretung allein zusteht, denn dann handelt es sich nicht um ein in Mehrheitsbesitz befindliches Unternehmen, sondern um ein abhängiges. Bei dem Unternehmen eines Einzelkaufmanns kann es begrifflich keine Mehrheitsbeteiligung, die auf einem Mehrstimmrecht beruht, geben. 3. Berechnung der Mehrheit Anm. 4: Wenn es im Abs. 1 heißt, daß eine Mehrheitsbeteiligung dann vorliegt, wenn einem Unternehmen die Mehrheit der Anteile eines anderen Unternehmens gehört, so trifft dies wörtlich genommen nur auf einen einzigen Fall zu, nämlich wenn es sich bei dem in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmen um eine bergrechtliche Gewerkschaft handelt. Dann ist in der Tat eine Mehrheitsbeteiligung gegeben, wenn die Mehrheit aller Anteile, d. h. in diesem Falle aller Kuxe, dem anderen Unternehmen gehört. In allen anderen Fällen kommt es nicht auf die Mehrheit der Anteile, sondern auf ihren Kapitalwert an. Dies gilt sowohl für die Unternehmen, die in der Form einer 5
Wilhelmi, Aktiengesetz
65
§16 Anm. 4,5
Allgemeine Vorschriften
Personengesellschaft oder als Unternehmen eines Einzelkaufmannes geführt werden, wie auch für diejenigen, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft bestehen. N u r für Kapitalgesellschaften wird dies in Abs. 2 insoweit ausdrücklich bestimmt, als dort der Gesamtnennbetrag, der zur Mehrheitsbeteiligung gehörigen Anteile, in Verhältnis gesetzt wird zum Nennkapital der Kapitalgesellschaft. Diese ausdrückliche Bestimmung ist notwendig, weil vor allem bei der GmbH die Anteile verschieden hoch zu sein pflegen. Es kann also für die Berechnung, ob es sich um eine Mehrheitsbeteiligung handelt, nicht die Zahl der Anteile maßgebend sein, sondern deren Gesamtnennwert. Aber auch bei der AG sind sehr häufig die Nennwerte der Aktien verschieden. Es würde zu völlig unmöglichen Ergebnissen führen, wenn wirklich die Zahl der Aktien und nicht deren Nennwert maßgebend wäre. Daß im Abs. 2 noch einmal die bergrechtliche Gewerkschaft in diesem Zusammenhang aufgeführt wird, ist nur dadurch verständlich, daß die Frage, wie eigene Anteile des im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens zu behandeln sind, für Kapitalgesellschaften und bergrechtliche Gewerkschaften einheitlich entschieden wird. Grundsätzlich sind eigene Anteile und solche, die ihnen gleichstehen, von dem Nennkapital, d. h. also bei der AG und der KGaA vom Grundkapital, bei der GmbH vom Stammkapital abzuziehen. Auf das so verminderte Kapital wird dann der Gesamtnennbetrag, den das andere Unternehmen als Beteiligung besitzt, in Bezug gebracht, um festzustellen, ob die Beteiligung eine kapitalmäßige Mehrheitsbeteiligung ist. Da es bei einer bergrechtlichen Gewerkschaft kein Nennkapital gibt, ist hier die Bezugsgröße die Zahl aller Kuxe, vermindert um die Zahl eigener Kuxe. Anm. 5: Beruht die Mehrheitsbeteiligung nicht auf einer Mehrheit an Anteilen, sondern auf der Mehrheit der Stimmrechte, so ist die Regelung insofern einfacher, weil es dann nicht auf die Zahl der Anteile ankommt, sondern auf die der Stimmrechte, die stets gesondert geregelt sind und nur in besonderen Fällen zufällig mit der Zahl der Anteile übereinstimmen können. Maßgebend ist deshalb hier auf der einen Seite die Gesamtzahl der Stimmen, die sich aus der Beteiligung ergeben, im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Stimmrechte. Von dieser Gesamtzahl der Stimmrechte sind dann die Stimmrechte aus eigenen Anteilen abzuziehen. Es handelt sich also um die gleiche Berechnungsweise wie bei der auf einer Mehrheit von Anteilen beruhenden Mehrheitsbeteiligung nach Abs. 2. In beiden Fällen stehen eigenen Anteilen des Unternehmens solche gleich, die ein anderer für Rechnung des Unternehmens hält. Das ist dann der Fall, wenn einerseits der Besitzer der Anteile verpflichtet ist, diese dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen und den Weisungen des Unternehmens insoweit unterworfen ist, auf der anderen Seite das Unternehmen das Risiko für den Besitz der Aktien trägt (ebenso Fischer in Großkomm, § 51 Anm. 2). Darauf, wie derjenige, der die Anteile für Rechnung des 66
Mehrheitsbesitz
§16 Anm. 5
Unternehmens besitzt, zu diesen Anteilen gekommen ist, kommt es hier nicht an, die Bestimmung gilt sowohl für einen originären (§ 56) wie auch für einen abgeleiteten ( § 7 1 ) Erwerb. Nicht abzusetzen vom Nennkapital der Gesellschaft oder von der Gesamtzahl aller Stimmrechte sind die Anteile, die einem abhängigen Unternehmen des in Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens gehören oder die für Rechnung des abhängigen Unternehmens von Dritten gehalten werden. Das ist dann, wenn das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen eine A G ist, deshalb nicht selbstverständlich, weil aus Aktien, die einem abhängigen Unternehmen gehören, oder von einem Dritten für dessen Rechnung gehalten werden, nach § 136 II das Stimmrecht ebensowenig ausgeübt werden kann wie für eigene Aktien und solche, die anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören. Es spräche manches dafür, nicht nur — wie geschehen — für einen Teil dieser Aktien, sondern für alle Aktien das Stimmrecht von der Gesamtzahl aller Stimmrechte abzuziehen. Das hätte um so näher gelegen, als im Abs. 4 bei der Berechnung der Beteiligung die Anteile, die einem abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmen gehören, mitzurechnen sind. Hier ist man also nicht sachlich vom Eigentum ausgegangen, sondern von der wirtschaftlichen Machtstellung. Man wollte, wie die Regierungsbegründung ausführt, die Umgehungstatbestände erfassen. Es wäre in der Tat für ein Unternehmen nichts einfacher, eine Mehrheitsbeteiligung dadurch zu verschleiern, daß es nicht selber alle Anteile besitzt, sondern diese auf eine oder mehrere abhängige Unternehmen verteilt. Bei der Feststellung der Gesamtzahl der Stimmrechte des Unternehmens, an dem die Beteiligung besteht, braudien die Umgehungstatbestände nicht erfaßt zu werden, weil dann, wenn das beteiligte Unternehmen, das allein interessiert sein kann, in der Lage ist, das andere Unternehmen zu einer Umgehung zu bestimmen, damit deutlich wird, daß es ein herrschendes und das andere ein abhängiges Unternehmen ist und mithin nicht § 16, sondern § 17 auf sie anzuwenden ist. Immerhin bleibt die Möglichkeit bestehen, daß eine Mehrheitsbeteiligung an einer Gesellschaft, deren Aktien zum Teil bei von ihr abhängigen Gesellschaften liegen, leichter zu erreichen ist, als bei einer Gesellschaft, bei der dies nicht der Fall ist. Beträgt die Gesamtzahl der Stimmrechte bei einer A G 100 und hat sie 10 °/o eigene Aktien, so liegt eine Mehrheitsbeteiligung vor, wenn diese mehr als 45 °/o aller Stimmen ausmacht. H a t die A G 4 °/o eigene Aktien und besitzen von ihr abhängige Unternehmen insgesamt 6 °/o Aktien, so muß eine auf Stimmrechtsmehrheit beruhende Beteiligung mehr als 48 °/o aller Stimmen haben. Sind die Verhältnisse umgekehrt, d. h. hat die A G 6 °/o im Eigenbesitz, während sich 4 °/o in den Händen von abhängigen Gesellschaften befinden, so besteht die Mehrheitsbeteiligung bereits, wenn mehr als 47 4/o der Stimmen in ihr vertreten sind. Das Ergebnis befriedigt insofern nicht, als
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§16
Allgemeine Vorschriften
Anm. 5,6 Anteile, aus denen das Stimmrecht nicht ausgeübt werden kann, verschieden behandelt werden, je nachdem, ob es sidi um eigene Anteile oder um solche handelt, die bei abhängigen Unternehmen liegen. Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur gelangen, wenn man den Abs. 4 auf die Absätze 2 und 3 bezieht und nicht, wie hier geschehen, nur auf den Abs. 1. Eine solche Auslegung scheint uns aber nicht möglich, denn der Abs. 4 knüpft zunächst schon einmal rein sprachlich an den Abs. 1 an. Dort heißt es „gehört die Mehrheit der Anteile im Abs. 4 heißt es „als Anteile, die einem Unternehmen gehören, gelten . . F e r n e r ist zu beachten, daß, wenn man den Abs. 4 auch auf den Abs. 2 und 3 beziehen will, ein Fall, der dort bereits geregelt ist, im Abs. 4 noch einmal wiederholt würde. Nach Abs. 2 Satz 3 stehen eigenen Anteilen Anteile gleich, die einem anderen für Rechnung des Unternehmens gehören. Nach Abs. 4 gelten u. a. Anteile, die einem anderen für Rechnung des Unternehmens gehören, als dem Unternehmen selbst gehörige. Dazu kommt, daß im Abs. 4 noch ein Fall geregelt wird, der überhaupt nicht in den Abs. 2 hineinpaßt, nämlich daß dann, wenn der Inhaber des Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, auch die Anteile, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind, als dem Unternehmen gehörende Anteile gelten. Die von Schäfer (BB 66, 229 ff.) vertretene Auffassung, daß dies nicht gilt, wenn im Unternehmen keine Anteile liegen, halten wir für unrichtig (ebenso Havermann in Wirtschaftsprüfung 1966, 34). Die Vorschriften des Abs. 4 haben nicht nur Bedeutung für die Anwendung des Abs. 1, es wird vielmehr auch an anderer Stelle des Gesetzes auf sie Bezug genommen, so bei § 19 Abs. 1 und § 328 Abs. 1, wechselseitig beteiligte Unternehmen, und § 20 Abs. 1, Mitteilungspflicht. III. Bezugnahme auf Mehrheitsbeteiligung im Gesetz Anm. 6: Im Gesetz wird die Mehrheitsbeteiligung niemals allein, sondern nur im Zusammenhang mit dem Begriff der Abhängigkeit behandelt, weil stets dann, wenn eine Mehrheitsbeteiligung irgendwelche Gefahren birgt, denen begegnet werden muß, diese ganz sicher auch dann bestehen, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegt. Das sind folgende Fälle: a) § 56 Die Aktienübernahme durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen sowie für Rechnung solcher Unternehmen (vgl. Anm. dort); b) § 71 Erwerb eigener Aktien (vgl. Anm. dort); c) bei den Vorschriften über die Gliederung der Jahresbilanz (§151; s. Anm. dort); d) im Geschäftsbericht (§ 160 III Ziff. 1 u. 2) s. Anm. dort; alle diese Vorschriften beziehen sich auf die vermögensmäßige Verflechtung von Gesellschaften. 68
Abhängige und herrschende Unternehmen
§ 17
Anm. 1
§ 17 Abhängige und herrsdiende Unternehmen (1) Abhängige Unternehmen sind reditlidi selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. (2) Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. I. Übersicht (Anm. 1) II. Grundlagen des Beherrschungs- und Abhängigkeitsverhältnisses 1. Allgemeine Grundlagen (Anm. 2) 2. Konsortialverträge (Anm. 3)
3. Die Einmann-Gesellschaft (Anm. 4) 4. Nichtigkeit des Abhängigkeitsverhältnisses (Anm. 5) III. Bezugnahme auf abhängige Unternehmen im Gesetz (Anm. 6)
I. Übersicht Anm. 1: Die Begriffsbestimmung des abhängigen und herrschenden Unternehmens ist die gleiche wie im bisherigen Recht. Dort ( § 1 5 AktG 37) wie hier ist die Voraussetzung, daß es sich um rechtlich selbständige Unternehmen handelt, bei denen das eine Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf das andere Unternehmen (abhängiges Unternehmen) ausüben kann. Nach bisherigem Recht galten diese Unternehmen zusammen als Konzern und einzeln als Konzernunternehmen (§15 II AktG 37), und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 15 I AktG 37 nicht vorlagen, nämlich wenn die Unternehmen nicht unter einheitlicher Leitung zu wirtschaftlichen Zwecken zusammengefaßt waren. Diese Fiktion des alten Rechts, wonach ein Abhängigkeitsverhältnis immer auch ein Konzernverhältnis war, ist weggefallen, weil sie den wirtschaftlichen Tatsachen nicht entspricht. Es gibt Abhängigkeitsverhältnisse, die deshalb keine Konzerne sind, weil es an einer einheitlichen Leitung fehlt. Wenn z. B. eine Brauerei die Mehrheit der Aktien einer Zementfabrik hat, weil sie sich aus irgendeinem Anlaß an dieser beteiligen will, so kann sie auf letztere einen herrschenden Einfluß ausüben. Sie wird auch die Leitung überwachen und vielleicht insoweit beeinflussen, als es ihr zur Wallung ihrer eigenen Vermögensinteressen zweckmäßig erscheint. Damit ist aber noch keine einheitliche Leitung geschaffen, denn beide Unternehmen betätigen sich im Wirtschaftsleben auf so verschiedenen Gebieten, daß eine einheitliche Leitung jedenfalls im allgemeinen nicht möglich sein wird. Tatsächlich wird im Wirtschaftsleben eine solche Unternehmensverbindung auch allgemein nicht als Konzern angesehen. Die am bisherigen Gesetzeswortlaut anknüpfenden Streitfragen, ob ein Abhängigkeitsverhältnis stets ein Konzernverhältnis sei, auch wenn die Zusammenfassung nicht „zu wirtschaftlichen Zwecken" erfolgte, 69
§17
Allgemeine Vorschriften
Anm. 1,2
und was unter wirtschaftlichen Zwecken zu verstehen sei, haben ihre Bedeutung verloren, weil es nach den neuen Bestimmungen des § 18 für das Vorliegen eines Konzerns nur darauf ankommt, ob Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt werden, nidit aber „zu wirtschaftlichen Zwecken" (vgl. im einzelnen § 18 Anm. 5). Nach bisherigem Recht wurden als Grund für ein Beherrschungs- und Abhängigkeitsverhältnis Beteiligungen genannt. Diese Hervorhebung einer besonderen Grundlage für das Verhältnis war bereits im Reg.-E. weggefallen. Dafür war aber in einem besonderen Absatz der heute in § 16 enthaltene Begriff der Mehrheitsbeteiligung definiert und die unwiderlegliche Vermutung festgelegt, daß bei Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung dieses Unternehmen als herrschendes und das andere als abhängiges Unternehmen anzusehen sei. Das Gesetz hat diese Konzeption nicht übernommen, vielmehr die mehrheitsbeteiligten Unternehmen nunmehr in einer besonderen Bestimmung (§ 16) behandelt und die unwiderlegliche Vermutung in eine widerlegliche umgewandelt. Über die Gründe, die zu dieser Änderung führten, vgl. § 16 Anm. 1. Klargestellt ist, daß ein Abhängigkeitsverhältnis bereits dann vorliegt, wenn der beherrschende Einfluß ausgeübt werden kann. Es ist nicht notwendig, daß er tatsächlich ausgeübt wird. Damit folgt das Gesetz der bisher schon überwiegend herrschenden Meinung. Anders ist es bei einem Konzern insoweit, als dort das entscheidende Kriterium, nämlich die einheitliche Leitung, nicht nur möglich sein kann, sondern sie muß tatsächlich ausgeübt werden, sonst liegt kein Konzern vor. II. Grundlagen des Beherrschungs- und Abhängigkeitsverhältnisses 1. Allgemeine
Grundlagen
Anm. 2: In der Begriffsbestimmung verzichtet das Gesetz auf die Aufzählung der möglichen Grundlagen eines Abhängigkeitsverhältnisses. Es setzt lediglich den herrschenden Einfluß des einen Unternehmens auf das andere voraus und folgt damit dem Gedankengang in R G 167, 49 ff. Ein beherrschender Einfluß liegt vor, wenn ein Unternehmen ein anderes veranlassen kann, sich seinem Willen zu fügen. Wie dies im einzelnen zustande kommt, ob dadurch, daß auf die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft oder von außen her die Einwirkung möglich ist, ob sie auf rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen beruht, ist gleichgültig (h. M. und R G a.a.O.; a. M. Klausing, Reform des Aktienrechts u. Lehmann-Hirsch 22 zu § 226 H G B , von denen nur rechtliche Abhängigkeitsverhältnisse anerkannt werden). Beide werden sich häufig überschneiden, auch ist die Grenze nicht immer sicher zu ziehen. Im Grunde ist auch eine Abhängigkeit infolge Beteiligung des herrschenden Unternehmens vom rechtlichen Standpunkt aus eine tatsächliche, weil eine rechtliche Bindung daraus nicht hervorgeht. Von einem Abhängig-
70
Abhängige und herrschende Unternehmen
§17 Anm. 2
keitsverhältnis kann aber nur gesprochen werden, wenn das eine Unternehmen selbständig beherrschenden Einfluß auf das andere ausüben kann; dies ist nicht der Fall, wenn es auf Dritte angewiesen ist, um seinen Willen durchzusetzen, auf die es nicht mit Sicherheit redinen kann ( R G a.a.O.). Wenn das Gesetz heute nicht mehr die Beteiligung beispielhaft anführt, so wird diese nach wie vor sehr häufig die Grundlage für die Ausübung eines herrschenden Einflusses sein. Dabei kommt es keineswegs auf die Höhe an. So wie eine Mehrheitsbeteiligung im Sinne des § 16 nicht zwingend ein Abhängigkeitsverhältnis schaffen muß, sondern dies nur widerlegbar vermutet wird, so kann umgekehrt eine Minderheitsbeteiligung durchaus die Grundlage für ein Beherrschungsverhältnis sein, wenn sie nur, sei es für sich allein, etwa weil der übrige Beteiligungsbesitz zersplittert ist, oder zusammen mit anderen Einwirkungsmöglichkeiten einen beherrschenden Einfluß geben. Dieser kann z. B. dann angenommen werden, wenn bei einer Minderheitsbeteiligung im Zusammenhang mit Abstimmungsverträgen die Möglichkeit besteht, den Aufsichtsrat zu besetzen, insbesondere wenn auch zur vorzeitigen Abberufung nach der Satzung einfache Mehrheit genügt. In einem solchen Falle kann mittelbar auf die Zusammensetzung des Vorstandes Einfluß genommen werden. Eine Minderheitsbeteiligung, die nur zusammen mit der Beteiligung eines Dritten eine Mehrheit darstellt, begründet ein Herrschaftsverhältnis nur dann, wenn der Dritte als Großaktionär des beteiligten Unternehmens dessen Willen allein oder auf Grund bindender Abmachung mit einem anderen Großaktionär bezüglich der Abstimmungen bestimmen kann ( R G a.a.O.), weil nur dann gewiß ist, daß der Dritte als Großaktionär des abhängigen Unternehmens ebenso stimmen wird, wie das von ihm beherrschte herrschende Unternehmen. Im übrigen kommen neben der Beteiligung in Betracht die Kreditgewährung, Übernahme von Schuld-, Wandelschuldverschreibungen, ausnahmsweise selbst stimmrechtslose Vorzugsaktien und Genußrechte, das Entsendungsrecht zum Aufsichtsrat (§ 101 II), ein Konsortialvertrag, Abhängigkeit in der Frage der Rohstoffversorgung oder des Absatzes (ebenso Schi.-Qu. 21; Breska Bankarchiv X X X V I I S. 2). Nach allem kommt es auf die sämtlichen Umstände des Falles an. Das bringt eine beträchtliche Unsicherheit mit sich. Diese wollte der Reg.-E. auf dem Gebiet der Mehrheitsbeteiligung durch die von ihm vorgesehene Fiktion eines Abhängigkeitsverhältnisses wenigstens ausschalten. Das ist durch die jetzige Gesetzesfassung nicht voll erreicht. Zwar ist eine gesetzliche Vermutung bestehen geblieben, diese ist aber widerlegbar. Wie diese Widerlegung zu erfolgen hat, ist im Gesetz nicht geregelt. Geßler (BB 65, 1696) verlangt einen Vertrag. Es ist erwogen worden, die Widerlegung der Vermutung nur zuzulassen, wenn die Ausübung des herrschenden Einflusses aus einer Mehrheitsbeteiligung durch die Satzung der Gesellschaft oder durch einen beim Registergericht hinterlegten Vertrag ausgeschlossen ist. Man hat jedoch von einer solchen Bestimmung abgesehen, 71
§17 Anm.2,3
Allgemeine Vorschriften
weil man befürchtet, daß sie möglicherweise zur Folge haben könnte, daß bei Hinterlegung solcher Verträge, die Scheinverträge sein könnten, ein beherrschender Einfluß stets als ausgeschlossen angesehen würde. Es kann aber nicht vom Vorhandensein solcher Verträge, sondern nur von dem Gesamtbild der Beziehungen zwischen den Unternehmen abhängen, ob eine Mehrheitsbeteiligung ausnahmsweise keinen beherrschenden Einfluß einräumt. Bei dessen Beurteilung besteht die Schwierigkeit, daß ein Abhängigkeitsverhältnis bereits dann gegeben ist, wenn der herrschende Einfluß ausgeübt werden kann, es also nicht notwendig ist, daß tatsächlich ein herrschender Einfluß ausgeübt wird. Es muß also zunächst festgestellt werden, ob die gesetzliche Vermutung, daß bei Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung ein herrschender Einfluß ausgeübt werden kann, widerlegt ist. Das ist z. B. dann der Fall, wenn das Unternehmen, das die Mehrheitsbeteiligung besitzt, auf die Geltendmachung der Mehrheitsbeteiligung in irgendeiner Form, sei es durch Satzungsbestimmungen — z. B. qualifizierte Mehrheit bei allen Abstimmungen —, sei es durch Vertrag, verzichtet hat. Wenn dieser Nachweis als erbracht anzusehen ist, so muß als zweites geprüft werden, ob das mit Mehrheit beteiligte Unternehmen nicht im Zusammenhang mit anderen Umständen trotz der Einschränkung seiner Rechte aus der Mehrheitsbeteiligung keinen herrschenden Einfluß ausüben kann. Nur wenn auch das zu verneinen ist, liegt trotz Mehrheitsbeteiligung kein Abhängigkeitsverhältnis vor. Es sind auch Fälle denkbar, bei denen sich aus der ganzen Situation heraus ergibt, daß ein beherrschender Einfluß nicht ausgeübt werden soll und auch tatsächlich nicht ausgeübt werden kann. Etwa dann, wenn ein Bankenkonsortium oder auch eine einzelne Bank zum Zweck der Sanierung eines Großaktionärs dessen Aktienpaket übernimmt, um es anderweitig zu verwerten. 2. Konsortialverträge Anm. 3: Grundlage für Beherrschung eines Unternehmens kann auch ein Konsortialvertrag sein. Konsortialverträge können verschiedenen Inhalt haben. Oft beschränken diese sich auf gemeinsame Interessen wahrende Anschaffung, Verwertung und Verwaltung von Aktien. Häufig sehen sie aber auch den Ausschluß des Verkaufs von mehreren Aktienpaketen verschiedener Eigentümer während einer bestimmten Zeit vor. In diesem Fall bezwecken sie eine Befestigung und Erhöhung des gemeinsamen Einflusses auf das Unternehmen. Ein Minderheitenbesitzer kann auf diese Weise mit Hilfe eines anderen, den er innerhalb des Konsortiums beherrscht, weil seine Minderheit größer als die der Konsorten ist, in der Hauptversammlung die Mehrheit der Stimmen beherrschen. Meist enthalten diese Verträge auch Vereinbarungen über die Ausübung des Stimmrechts nach bestimmten Grundsätzen. Solche Vereinbarungen sind, wenn nicht ein verbotener Stimmenkauf (§ 405 I I Nr. 6 u. 7) anzunehmen ist, in ständiger Rechtsprechung vom Reichsgericht 72
Abhängige und herrschende Unternehmen
§ 17
Anm. 3,4
( H R R 36 Nr. 347, R G 161, 300, s. daselbst auch über Abstimmungsvereinbarungen deutscher Aktionäre einer ausländischen AG, sowie R G 156, 139; 160, 257; 165, 78) als zulässig und verbindlich anerkannt. Es ist unerheblich, ob die Bindung gegenüber der AG oder unter Aktionären eingegangen ist ( H R R 36 Nr. 347), soweit damit nicht gegen § 136 I I I verstoßen wird (s. Anm. dort). Nichtig ist ferner die Abrede, wenn sie einen Grundsatz des Aktienrechts umgeht oder zu einer Schädigung der AG führen kann oder die Treuepflicht (hierüber s. Anm. 3—5 zu § 1) des beteiligten Aktionärs verletzt (DRW 40, 244; R G 131, 183; 133, 94, vgl. über Abstimmungsverträge im einzelnen Anm. zu § 136; Rasch. S. 65 ff.). 3. Die Einmann-Gesellscbaß Anm. 4: Uber die rechtliche Gestaltung und Zulässigkeit der EinmannGesellschaft vgl. § 1 Anm. 13. Wenn sich alle Anteile eines Unternehmens in einer Hand befinden, so ist sicherlich ein besonders hoher Grad von Abhängigkeit gegeben. Dennoch finden die Vorschriften über abhängige Unternehmen nur dann Anwendung, wenn sie einem Unternehmen und nicht etwa einer Privatperson gehören. Dabei ist § 16 IV zu beachten, wonach Anteile, die einem anderen für Rechnung eines Unternehmens gehören, sowie Anteile eines Einzelkaufmannes, der ein Unternehmen betreibt, auch dann, wenn sie zu seinem sonstigen Vermögen gehören, als Anteile eines Unternehmens gelten. Liegen die in § 16 IV behandelten Fälle nicht vor, so ist ein Unternehmen, dessen sämtliche Anteile einer Privatperson gehören, nicht als abhängiges Unternehmen im Sinne der vorliegenden Bestimmung zu behandeln, es gelten vielmehr die für eine Einmann-Gesellschaft allgemein herausgearbeiteten Grundsätze (s. § 1 Anm. 13). Sind beide Unternehmen Aktiengesellschaften, so kann diejenige, der alle Aktien der anderen gehören, diese sich eingliedern. Das geschieht durch Hauptversammlungsbeschluß beider Gesellschaften nach § 319. Es gibt mithin Einmann-Gesellschaften, die nicht unter den Begriff des abhängigen Unternehmens fallen, weil alle ihre Anteile nicht einem anderen Unternehmen, sondern einer Privatperson gehören. Ferner solche, die als abhängige Unternehmen anzusehen sind, weil alle ihre Anteile einem anderen Unternehmen gehören, die aber nicht als Konzernunternehmen anzusehen sind, weil es an einer einheitlichen Leitung fehlt. Endlich gibt es solche, die als Konzernunternehmen im Sinn des § 18 I S. 1 anzusehen sind, weil sie unter der einheitlichen Leitung des Unternehmens stehen, dem alle Anteile gehören; dann wird sie zu einem Konzernunternehmen. Das gleiche gilt nach § 18 I S. 2 im Fall der Eingliederung nach § 319, jedoch wird man dann in Zukunft nicht mehr von einer Einmann-Gesellschaft sprechen, sondern von einer eingegliederten Gesellschaft. Für diese gelten dann auch die neuen besonderen Bestimmungen der §§ 321—326. 73
§ 17 Anm. 5,6 4. Nichtigkeit
Allgemeine Vorschriften des
Abhängigkeitsverhältnisses
Anm. 5: Unter Umständen kann das Abhängigkeitsverhältnis gegen die guten Sitten verstoßen und, wenn es auf Vertrag beruht, nichtig sein oder, wenn es bloß tatsächlich begründet ist, Schadensersatzansprüche nach § 826 BGB erzeugen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle dürfte das Abhängigkeitsverhältnis auf einem von vornherein sdion bei der Gründung des abhängigen Unternehmens vorhandenen organisdien Plan beruhen. Häufig werden reine Organgesellschaften gegründet, zu dem Zwedc, bestimmte Geschäfte des herrschenden Unternehmens nadi dessen Weisungen wie dessen Angestellter zu führen. Dann kann von einer Unsittlidikeit keine Rede sein; auch nicht bei einer Einmann-Gesellschaft. Es kann aber auch nachträglich ein ursprünglich freies Unternehmen durch tatsächliche Verhältnisse in völlige Abhängigkeit von einem anderen Unternehmen geraten; alsdann greifen die Vorschriften der §§ 311 ff. ein. Wird ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen, so kommen die Bestimmungen der §§ 300—307 zur Anwendung. Die Rechtsprechung über Knebelungsverträge ist praktisch nicht mehr von Bedeutung. Dagegen kann ein Schadensersatzanspruch nach § 117 begründet sein, daneben in einem solchen Ausnahmefall auch aus § 826 BGB. III. Bezugnahme auf abhängige Unternehmen im Gesetz Anm. 6: Der Begriff der abhängigen und herrschenden Unternehmen wird im wesentlichen in drei Gruppen von Vorschriften benutzt: 1. Über die Offenlegung von Unternehmensverbindungen. Diese gelten nicht nur für herrschende und abhängige Unternehmen, sondern für alle verbundenen Unternehmen im Sinn des § 15, vgl. im einzelnen dort Anm. 9. 2. Zur Sicherung des Grundkapitals und der Gläubiger. Audi diese Gruppe von Vorschriften gilt nicht allein für herrschende und abhängige Unternehmen, sondern ebenso für mit Mehrheit beteiligte und in Mehrheitsbesitz befindliche Unternehmen im Sinne des § 16 (vgl. im einzelnen Anm. 6 zu § 16). 3. Zur Sicherung gegen Benachteiligung durch den beherrschenden Einfluß eines anderen Unternehmens auf die Willensbildung der abhängigen Gesellschaft, die dieser selbst, ihren Aktionären und ihren Gläubigern entstehen kann. Diese Bestimmungen finden allein auf herrschende und abhängige Unternehmen Anwendung. Es sind die folgenden: a) §§ 89 I I ; 115 I — Beschränkung der Kreditgewährung an den dort genannten Personenkreis (s. Anm. dort und § 15 Anm. 9). b) § 136 — Verbot der Ausübung des Stimmrechts (s. Anm. dort). c) Hat eine abhängige Gesellschaft einen Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag im Sinn des § 292 I Nr. 3 abgeschlossen, bei dem die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht, so muß die 74
Konzern und Konzernunternehmen
§§17/18 Anm. 6
herrschende Gesellschaft einen bei der abhängigen Gesellschaft entstehenden Jahresfehlbetrag während der Vertragsdauer ausgleidien (§ 302 I I ) . Daneben gibt es eine Reihe von Bestimmungen, deren Zweck in der gleichen Richtung liegt, die sich aber nicht nur auf abhängige Gesellschaften beziehen, sondern gleichzeitig auch auf Konzerngesellschaften. Es sind dies: a) § 134 I 4 — Beschränkt die Satzung das Stimmrecht durch Festsetzung eines Höchstbetrages, so kann bestimmt werden, daß zu den Aktien, die einem Aktionär, der ein Unternehmen ist, gehören, auch die Aktien redinen, die einem von ihm abhängigen oder ihn beherrschenden oder einem mit ihm konzernverbundenen Unternehmen oder für Rechnung solcher Unternehmen einem Dritten gehören. b) §§ 145 I I und 165 I V — Die Rechte der Prüfer auf Auskunftserteilung gegenüber den Mitgliedern des Vorstandes und Aufsichtsrates erstrecken sich auch auf Konzernunternehmen sowie abhängige und herrschende Unternehmen. c) §§ 144 und 168 — Sonder- und Abschlußprüfer, die vorsätzlich oder fahrlässig ihre Pflichten verletzen, sind nicht nur der Gesellschaft selbst, sondern, wenn ein Konzernunternehmen oder ein herrschendes oder abhängiges Unternehmen geschädigt wird, auch diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Von besonderer Bedeutung sind die Bestimmungen des 2. Teils des 3. Buches, die sich mit der Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen befassen (§§ 308—318). Dabei wird im ersten Abschnitt die Leitungsmacht und die Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen, die in einem Konzernverband stehen, behandelt. Dort wird das Bestehen eines Beherrschungsvertrages vorausgesetzt, der seinerseits begrifflich beinhaltet, daß eine Aktiengesellschaft oder K G a A die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt. Der zweite Abschnitt behandelt die Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages. Grundsätzlich finden die Bestimmungen auf jedes Abhängigkeitsverhältnis Anwendung, d. h. also insbesondere auch dann, wenn die abhängigen Unternehmen nicht unter einer einheitlichen Leitung stehen. In den weitaus meisten Fällen wird allerdings ein Konzernverhältnis vorliegen, das aber nicht auf einem Beherrschungsvertrag, sondern auf einem anderen Unternehmensvertrag oder auch in anderer Weise begründet sein kann.
§ 18 Konzern und Konzernunternehmen (1) Sind ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt, so bilden sie einen Konzern; die einzelnen Unternehmen 75
§ 18
Anm. 1,2
Allgemeine Vorschriften
sind Konzernunternehmen. Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag (§ 291) besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist (§ 319), sind als unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt anzusehen. Von einem abhängigen Unternehmen wird vermutet, daß es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. (2) Sind reditlich selbständige Unternehmen, ohne daß das eine Unternehmen von dem anderen abhängig ist, unter einheitlidier Leitung zusammengefaßt, so bilden sie auch einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. I. Obersicht (Anm. 1 u. 2) I I . Wesen der Konzerne 1. Rechtlich selbständige Unternehmen (Anm. 3) 2. Einheitliche Leitung (Anm. 4) 3. Zusammenfassung (Anm. 5 — 8 ) I I I . Abgrenzung des Konzernbegriffes 1. Kartelle (Anm. 9) 2. Interessengemeinschaften (Anm. 10)
3. Gewinngemeinschaften (Anm. 11) 4. Führung für Rechnung eines anderen Unternehmens (Anm. 12) 5. Betriebspacht- und Überlassungsverträge (Anm. 13) I V . Formen von Konzernen 1. Allgemeines (Anm. 14) 2. Einzelne Arten (Anm. 15) V . Bezugnahme auf Konzerne und K o n zernunternehmen im Gesetz (Anm. 16)
I. Übersicht Anm. 1: Die Begriffe Konzern- und Konzernunternehmen sind straffer bestimmt als im bisherigen Recht. Wie im bisherigen Recht sind Konzernunternehmen rechtlich selbständige Unternehmen (hierüber vgl. § 15 Anm. 1), die sich zu einem Konzern zusammenschließen. Dies kommt in Abs. 1 dadurch zum Ausdruck, daß das Gesetz von einem herrschenden und einem oder mehreren abhängigen Unternehmen spricht, die sich zusammensdiließen. Das bedeutet aber, daß es sich nach der Definition in § 17 I S. 1 um reditlidi selbständige Unternehmungen handeln muß. Im Abs. 2 des vorliegenden Paragraphen heißt es ausdrücklich, daß rechtlich selbständige Unternehmen, ohne daß ein Unternehmen von dem anderen abhängig ist, sich zusammensdiließen. Abs. 1 ist der sogenannte Unterordnungskonzern, Abs. 2 der sogenannte Gleichordnungskonzern. Anm. 2: Ein Bedürfnis, für seine Zwecke eine eigene Begriffsbestimmung aufzustellen, hat zuerst der R F H empfunden und in der Entscheidung vom 30. 1. 1930 (STuW 1930 Nr. 321) für das Steuerrecht eine von ihm seitdem festgehaltene Begriffsbestimmung aufgestellt. R F H verstand unter Konzern ein „Gesamtunternehmen, welches unter einheitlicher Leitung steht und dessen einzelne Teile als autonome Einheiten aus sich selbst nicht mehr begriffen werden können, so daß zur Erklärung ihrer Stellung in der Gesamtwirtschaft eine Bezugnahme auf den planmäßig aufgebauten Konzern notwendig ist". 76
Konzern und Konzernunternehmen
§18 Anm. 2—5
Die Begriffsbestimmung des Gesetzes für einen Konzern ist weiter gefaßt. Es fehlt an dem vom RFH aufgestellten Erfordernis, daß zur Erklärung der Stellung der einzelnen Teile eines Konzerns ihre Stellung in der Gesamtwirtschaft eine Bezugnahme auf den planmäßig aufgebauten Konzern notwendig macht. II. Wesen der Konzerne 1. Rechtlich selbständige Unternehmen Anm. 3: Das Gesetz geht zunächst aus von Unternehmen, d. h., es ist gleichgültig, welche Rechtsform die einzelnen Teile eines Konzern haben (vgl. hierzu § 15 Anm. 2). Es muß sich weiterhin um rechtlich selbständige Unternehmen handeln, vgl. hierzu § 15 Anm. 3 sowie oben Anm. 1. Die Zusammenfassung zu einem Konzern ändert die rechtliche Selbständigkeit der Unternehmen nicht (BGH 15, 389; 22, 234). 2. Einheitliche Leitung Anm. 4: Das Wesen eines Konzern ist sowohl beim Unterordnungs- als auch beim Gleichordnungskonzern ausschließlich die einheitliche Leitung, und zwar beim Unterordnungskonzern des herrschenden Unternehmens, beim Gleichordnungskonzern die von den gleichgeordneten selbständigen Unternehmen geschaffene einheitliche Leitung. Es ist deshalb folgerichtig, wenn im § 18 I S. 2 Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist, als unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt anzusehen sind und als Konzernunternehmen gelten. Der Gedanke ist im Abs. 1 S. 3 allerdings nicht mehr durchgeführt. Es wäre vielleicht zweckmäßiger gewesen, dahin zu formulieren, daß von einem abhängigen Unternehmen vermutet wird, daß es unter der Leitung des herrschenden Unternehmens steht. Dann hätte sich im Zusammenhang mit Satz 1 ohne weiteres ergeben, daß beide Unternehmen einen Konzern bilden. Es wäre aber von dem einzigen entscheidenden Merkmal des Konzerns abhängig gemacht worden, nämlich von dem, daß eine einheitliche Leitung vorhanden ist. Was unter einheitlicher Leitung zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht, weil die möglichen Formen zu mannigfaltig sind. Nicht erforderlich ist, daß Weisungen erteilt werden (vgl. Geßler im DB 65, 1695; Kropff in BB 65, 1285). Auf der anderen Seite genügt es nicht, wenn die Leitung nur ausgeübt werden kann — wie beim abhängigen Unternehmen —, sie muß tatsächlich ausgeübt werden (vgl. Anm. 9—15). 3. Zusammenfassung Anm. 5: Ein weiteres Erfordernis ist die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen. Das Gesetz verzichtet darauf, eine Zusam77
§18 Anm. 5,6
Allgemeine Vorschriften
menfassung zu wirtschaftlichen Zwecken vorzuschreiben, wie das bisher der Fall war. Damit ist keine Änderung der Rechtslage beabsichtigt, vielmehr war die Überlegung maßgebend, daß schon nach dem bisherigen Recht das Erfordernis vielfach als nichtssagend beanstandet wurde, da kaum eine Zusammenfassung von Unternehmen unter einheitlicher Leitung denkbar ist, die nicht auch wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Durch die neue vereinfachte Formulierung sollen die entscheidenden Merkmale des Konzern, die Zusammenfassung rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung, klarer zum Ausdruck kommen (Reg.-Begründung S. 101). Man darf die einheitliche Leitung mit der Zusammenfassung nicht verwechseln. Es muß, auch wenn eine einheitliche Leitung besteht, daneben ein die Unternehmen zusammenhaltendes Band gegeben sein, welches den Bestand der einheitlichen Leitung gewährleistet und ihren Zusammenbruch durch ein Auseinandergehen der Unternehmen dauernd verhindert. Dies wird meist in einer Beteiligung bestehen. Ob es dann an einer Zusammenfassung fehlt, wenn die Geschäfte der beiden Unternehmen keine Berührungspunkte zeigen (so Clausen in VW 1966, 52), kann nur im Einzelfall entschieden werden. Anm. 6: Für den Unterordnungskonzern nach Abs. 1 ist dies durch das Gesetz selbst dahin geklärt, daß es sich stets um ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen handeln muß. Damit ist die Art der Zusammenfassung für diesen Fall ausdrücklich bestimmt. Zu beachten ist, daß das Abhängigkeitsverhältnis nach § 17 bereits dann vorliegt, wenn ein anderes Unternehmen einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. Damit ist aber noch nicht ein Konzern gegeben, vielmehr liegt ein Konzernverhältnis nur dann vor, wenn dieser Einfluß tatsächlich ausgeübt wird, allerdings wird dies nach Abs. 1 Satz 3 vermutet. Es handelt sich aber um eine widerlegliche Vermutung. Die Widerlegung hat in der Weise zu erfolgen, daß nachgewiesen wird, daß beide Unternehmen nicht unter einer einheitlichen Leitung stehen, denn das ist nach wie vor das entscheidende Kriterium für das Vorliegen eines Konzerns. Praktisch läuft dies in den meisten Fällen darauf hinaus, daß mit Rücksicht auf das bestehende Abhängigkeitsverhältnis zwar eine Weisungsmöglichkeit und damit auch eine einheitliche Leitung durch das herrschende Unternehmen gegeben sein kann, daß diese aber nicht ausgeübt wird. Besteht eine Mehrheitsbeteiligung, so gibt es zwei Stufen von widerlegbaren Vermutungen. Zunächst einmal wird nach § 16 vermutet, daß ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen von dem mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist, alsdann wird nach § 18 I S. 3 vermutet, daß beide Unternehmen einen Konzern bilden. Die letztere Vermutung entfällt naturgemäß von selbst, wenn die erste widerlegt wird, d. h. bewiesen werden kann, daß das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen trotz dieser Tatsache kein abhängiges Unternehmen ist. Wird nur die Vermutung aus § 18 I S. 3 78
Konzern und Konzernunternehmen
§18 Anm. 6—9
widerlegt, so bleibt es ein abhängiges Unternehmen, denn dann würde feststehen, daß ein herrschender Einfluß ausgeübt werden kann, wenn er auch nicht ausgeübt wird. Anm. 7: Beim Gleichordnungskonzern (Abs. 2) gibt das Gesetz keine Vorschrift, in welcher Form die Unternehmen zusammengefaßt sind, aber auch hier ist die Zusammenfassung Voraussetzung. Ausdrücklich ausgeschlossen wird hier das Abhängigkeitsverhältnis, denn wenn dieses vorliegt, handelt es sich nidit mehr um einen Gleichordnungskonzern, sondern um einen Unterordnungskonzern nach Abs. 1. Die Zusammenfassung muß also hier auf andere Weise geschehen. Nur obligatorische Bindungen selbständig geleiteter Unternehmen zu einem gewissen Verhalten stellen ebensowenig eine Zusammenfassung dar, wie eine gemeinsame Leitung in Einzelfragen eine einheitliche Leitung im Sinn des Gesetzes ist, welches vielmehr eine Leitung mit sachlich unbegrenzter Zuständigkeit voraussetzt (vgl. hierzu Rasch, S. 51 ff.). Anm. 8: Die typischen Fälle schuldrechtlicber über- und untergeordneter Zusammenfassung erwähnt § 292. Audi die durch einen der in § 292 aufgeführten Unternehmensverträge oder durch einen Gewinnabführungsvertrag nach § 291 zusammengefaßten Unternehmen bilden jedoch nur dann einen Konzern, wenn eine einheitliche Leitung besteht, was nicht unbedingt notwendig ist. Lediglich wenn die Unternehmensverbindung auf einem Beherrschungsvertrag (§ 291) beruht, liegt stets ein Konzern vor, weil ein solcher seinem Wesen nach darin besteht, daß sich eine AG oder KGaA der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt. Hier ist also stets eine einheitliche Leitung vorhanden. In diesem Fall kommt es nicht einmal darauf an, ob die Leitung tatsächlich ausgeübt wird, denn die vertragliche Unterstellung ist so weitgehend, daß damit allein die Unfreiheit des sich unterstellenden Unternehmens begründet wird mit allen Folgen, die sich aus den gesetzlichen Bestimmungen des 3. Buches für diesen Fall ergeben. Dasselbe gilt für den Fall der Eingliederung. Hier ist die Verbindung der beiden Unternehmen noch enger. Es bleibt zwar auch in diesem Fall die rechtliche Selbständigkeit des eingegliederten Unternehmens erhalten, wirtschaftlich ist aber die Selbständigkeit völlig beseitigt. Es ist wirtschaftlich nidits anderes als eine Abteilung der sogenannten Hauptgesellschaft. III. Abgrenzung des Konzernbegriffes 1. Kartelle Anm. 9: Es rechnen nicht zu Konzernen die Kartelle, deren Mitglieder zum Zweck der Marktbeherrschung sich zwar obligatorisch mehr oder weniger binden und eine einheitliche Leitung mit mehr oder weniger umfassender Zuständigkeit einsetzen, aber doch nur eine solche mit beschränkter sachlicher 79
§18 Anm. 9—13
Allgemeine Vorschriften
Zuständigkeit, wobei aber bei nur obligatorischer Bindung trotz der einheitlichen Leitung weder eine Abhängigkeit von dieser noch der Mitglieder untereinander hergestellt noch sonst ein Zusammenschluß eingegangen wird, der die Freiheit des einzelnen Unternehmens aufhebt. 2. Interessengemeinschaften Antn. 10: Interessengemeinschaften können ein Konzernverhältnis begründen, brauchen es aber nicht. Auch hier gibt es viele Formen. Interessengemeinschaften sind nach § 723 BGB mindestens aus wichtigem Grund kündbar, aber diese Garantie rechtlicher Freiheit schließt doch nicht aus, daß der tatsächliche Zusammenschluß die Möglichkeit aufhebt, von der rechtlichen Freiheit Gebrauch zu machen. Es gibt auch Interessengemeinschaften mit gegenseitigem Aktienaustausch und gemeinsamer einheitlicher Leitung, sei es durch eine Dachgesellschaft mit gleicher Beteiligung der Gemeinschaftsmitglieder, sei es durch einen gleichheitlich besetzten Ausschuß ihrer Verwaltung. Dies ist der typische Fall des Gleichordnungskonzerns im Sinn des Abs. 2. Bei genügend starker Befestigung der einheitlichen Leitung wird sogar in dieser allein die Zusammenfassung erblickt und audi ohne jeden Aktienaustausch ein Konzernverhältnis anerkannt werden können. 3. Gewinngemeinschaften Anm. 11: Die Gewinngemeinschaften, insbesondere, wenn ein Gewinnabführungsvertrag nach § 291 vorliegt, wonach eine Gesellschaft sich verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen oder es übernimmt, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen, aber auch die Gewinngemeinschaft (§ 292, I Nr. 1) und der Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Nr. 2) werden meist auf einer Zusammenfassung beruhen und eine einheitliche Leitung haben. Dann sind sie ein Konzern. Haben sie dies nicht, so wird meist ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegen, aber auch das ist nicht zwingend. 4. Führung für Rechnung eines anderen Unternehmens Anm. 12: Führt ein Unternehmen seinen Betrieb für Rechnung eines anderen Unternehmens, so wird es regelmäßig den Weisungen des letzteren unterstehen, und es wird meist ein Zusammenschluß unter einheitlicher Leitung gegeben sein, im allgemeinen auch ein Abhängigkeitsverhältnis. 5. Betriebspacht- und Überlassungsverträge Anm. 13: Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge können, wenn eine einheitliche Leitung besteht, ein Konzernverhältnis begründen. Sie werden es aber häufig nicht tun. Wenn eine Gesellschaft ihren Betrieb überhaupt aufgibt und ihre Fabrik verpachtet oder ihre Quote an einem Syndikat einem anderen Unternehmen für dauernd oder einem gewissen Zeitraum überläßt, 80
Konzern und Konzernunternehmen
§18
Anm. 13—15
so kann es trotzdem sein, daß weder eine über die Pachtung hinausgehende Unternehmensverbindung und damit keine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung nodi auch nur ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Besonders bei Überlassung der Quote mit Stillegung der Fabrik, bei der der Erwerber der Quote nicht einmal den Besitz der stillgelegten Auslagen erhält, wird eine Abhängigkeit oder eine Zusammenfassung nicht bestehen, auch keine einheitliche Leitung; denn der stillgelegte Betrieb bedarf keiner Leitung mehr; im übrigen bleibt die Leitung der stillgelegten Gesellschaft selbständig. IV. Formen von Konzernen 1. Allgemeines Anm. 14: Die Wirtschaft hat so viele Formen von Konzernen entwickelt, daß es unmöglich ist, alle im einzelnen im Gesetz zu definieren. Allenfalls wäre es möglich gewesen, das entscheidende Merkmal eines jeden Konzerns, nämlich die einheitliche Leitung, gesetzgeberisch im einzelnen zu fixieren und das Bestehen eines Konzerns von dem Vorhandensein einer der gesetzlichen Gestalt entsprechenden einheitlichen Leitung abhängig zu machen. Hierzu hätte Anlaß bestanden, weil die bisherige Rechtslehre Weisungsbefugnis als Voraussetzung einer einheitlichen Leitung ansah. Diese Auffassung wird in der Reg.-Begr. (S. 101) als Einengung des Konzernbegriffes angesehen. Nach der dort vertretenen Auffassung muß es als Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung bereits angesehen werden, wenn die Konzernleitung die Geschäftspolitik der Konzerngesellschaft und sonstige grundsätzliche Fragen ihrer Geschäftsführung aufeinander abstimmt. Diese Abstimmung setze kein Weisungsrecht voraus. Sie könne sich vielmehr auch in der lockeren Form gemeinsamer Beratung vollziehen oder aus einer personellen Verflechtung der Verwaltungen ergeben. Dem ist zuzustimmen; in der Tat ist in der Praxis eine einheitliche Leitung, selbst eine in Einzelheiten, durchaus möglich, ohne daß es besonderer Weisungen bedarf. Diese werden z. B. meist dann überflüssig sein, wenn die Leitung durch bestimmte Personalpolitik oder gar Personalunion ausgeübt wird. 2. Einzelne Arten Anm. 15: Einzelne Arten von Konzernen werden im Gesetz voneinander abgegrenzt. Maßgebend für die Unterscheidung ist allerdings nicht das Ausmaß und die Form der Leitung, sondern die Unternehmensverbindung, d. h. also die Art, in der die Konzernunternehmen zusammengefaßt sind. Danach werden unterschieden: 1. Der Unterordnungskonzern (§ 18 I) Hier werden unter einheitlicher Leitung eines herrschenden Unternehmens dieses und ein oder mehrere abhängige Unternehmen zusammengefaßt. Die Zusammenfassung kann, muß aber nicht, auf einem Vertrag beruhen. 81 6
Wilhelmi, Aktiengesetz
§18 Anm. 15,16
Allgemeine Vorschriften
2. Der Gleicbordnungskonzern (§ 18 II) Hier ist die Zusammenfassung durch jede Unternehmensverbindung möglich, ausgeschlossen ist nur die durch Abhängigkeitsverhältnis gegebene. Audi hier kann die einheitliche Leitung auf Vertrag beruhen, muß es aber nicht. 3. Vertragskonzern Ein solcher liegt vor, wenn die Zusammenfassung der Unternehmen auf einem Vertrag beruht. Ist dabei ein Unternehmen das herrschende und ein oder mehrere Unternehmen von ihm abhängig, so liegt ein vertraglicher Unterordnungskonzern vor; sind sämtliche zusammengefaßten Unternehmen nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich selbständig, so spricht man von einem vertraglichen Gleicbordnungskonzern. Von den in den §§ 291 und 292 aufgeführten Unternehmensverträgen führt der Beherrschungsvertrag (§ 291) stets zu einem vertraglichen Unterordnungskonzern. Die anderen Verträge können, müssen aber nicht dazu führen (vgl. oben Anm. 11 und 12). 4. Der faktische Konzern Er ist stets dann gegeben, wenn die Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung nicht auf einem Vertrag beruht, sondern auf anderen rechtlichen oder auch nur tatsächlichen Grundlagen. Er unterliegt insbesondere den Bestimmungen der §§ 311—318, allerdings beziehen sich diese auch auf Vertragskonzerne, soweit der Vertrag, auf den der Zusammenschluß unter einheitlicher Leitung beruht, nicht ein Beherrschungsvertrag im Sinn des § 291 ist. Eine strenge Unterscheidung zwischen Vertrags- und faktischem Konzern gibt es also in der gesetzlichen Regelung nicht. V. Bezugnahme auf Konzerne und Konzernunternehmen im Gesetz Anm. 16: Konzernunternehmen sind stets verbundene Unternehmen im Sinn des § 15. Sie fallen also unter alle gesetzlichen Bestimmungen, die sich auf diese beziehen (vgl. im einzelnen § 15 Anm. 9). Liegt ein Unterordnungskonzern vor, so gelten für die abhängigen Konzernunternehmen die Bestimmungen für abhängige Unternehmen (§ 17 Anm. 6). Nur in einem Fall werden Konzernunternehmen ohne Zusammenhang mit anderen Unternehmensverbindungen erwähnt: Nach § 104 hat das Gericht, wenn es ein Aufsichtsratsmitglied, das durch Wahlmänner zu wählen wäre, zu bestellen hat, die gemeinsamen Vorschläge der Betriebsräte der Konzernunternehmen zu berücksichtigen, in denen Wahlmänner zu wählen sind. Im übrigen sind die entscheidenden Bestimmungen für Konzern und Konzernunternehmen im 3. Buch zusammengefaßt. Diese gelten zwar nicht nur für Konzerne, deshalb die Bezeichnung dieses Buches „verbundene Unter82
Wechselseitig beteiligte Unternehmen
§§18/19
Anm. 16 / 1
nehmen", sie gelten aber jedenfalls auch für Konzernunternehmen, d. h. für Unternehmen, die durch eine einheitliche Leitung zusammengefaßt sind. Der 5. Teil dieses Buches, Rechnungslegung im Konzern (§§ 329—338) gilt, wie die Überschrift bereits erkennen läßt, nur für Konzerne und Konzerngesellschaften. § 19 Wechselseitig beteiligte Unternehmen (1) Wechselseitig beteiligte Unternehmen sind Unternehmen mit Sitz im Inland in der Reditsform einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlidien Gewerkschaft, die dadurch verbunden sind, daß jedem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört. Für die Feststellung, ob einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört, gilt § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4. (2) Gehört einem wechselseitig beteiligten Unternehmen an dem anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung oder kann das eine auf das andere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben, so ist das eine als herrschendes, das andere als abhängiges Unternehmen anzusehen. (3) Gehört jedem der wechselseitig beteiligten Unternehmen an dem anderen Unternehmen eine Mehrbeitsbeteiligung oder kann jedes auf das andere unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben, so gelten beide Unternehmen als herrsdiend und als abhängig. (4) § 328 ist auf Unternehmen, die nach Absatz 2 oder 3 herrschende oder abhängige Unternehmen sind, nicht anzuwenden. I. Übersidit (Anm. 1 u. 2) II. Begriffsbestimmung 1. Reditsformen (Anm. 3) 2. Sitz im Inland (Anm. 4) 3. Art der Beteiligung (Anm. 5)
4. Höhe der Beteiligung (Anm. 6) III. Selbständige und abhängige Unternehmen (Anm. 7) IV. Folgen der wechselseitigen Beteiligung (Anm. 8)
I. Übersicht Anm. 1: Die wechselseitige Beteiligung zweier Unternehmen war im bisherigen Recht nicht ausdrücklich geregelt. In der Vorauflage wurde unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung zum Gesetz von 1937 die Auffassung vertreten, daß eine wechselseitige, etwa gleichmäßige Beteiligung zweier Unternehmen keine Abhängigkeit begründe. Für diese Auffassung war maßgebend der Gedanke, daß, jede Beteiligung für sich betrachtet, einen beherrschenden Einfluß vermitteln könne, aber deshalb nicht zu einem Abhängigkeitsverhältnis führe, weil aus ihrer Wechselseitigkeit der mögliche beherr6*
83
§19 Anm. 1,2
Allgemeine Vorschriften
sehende Einfluß sich gegenseitig aufhebt. Diese Auffassung konnte sich auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts, insbesondere auf Band 149, 305 ff. auch JW 1936, 919 und 1530 mit Anm. von Boesebeck stützen. Gegen diese Auffassung hat besonders Haefermehl (Der Betrieb 1955, 304 ff.) Stellung genommen und sich auf den Standpunkt gestellt, daß in diesen Fällen in der Regel ein zweiseitiges Abhängigkeitsverhältnis anzunehmen sei, und daß deshalb beide Gesellschaften mit den in ihrem Besitz befindlichen Aktien kein Stimmrecht in der Hauptversammlung der anderen Gesellschaft haben könnten (so auch Rasch S. 116; a. A. Boesebeck, Der Betrieb 1955, S. 401 ff.). Die Streitfrage ist nunmehr dahin entschieden, daß, wenn bei wechselseitig beteiligten Unternehmen das eine Unternehmen einen beherrschenden Einfluß auf das andere ausüben kann, dieses als herrschendes und das andere als abhängiges Unternehmen anzusehen ist. Können beide Unternehmen einen beherrschenden Einfluß ausüben, so sind beide als herrschende und abhängige Unternehmen anzusehen. Eine Aufhebung durch die Wechselseitigkeit der Möglichkeit der Einflußnahme gibt es also künftig nicht mehr. Es ist auch gleichgültig, worauf der herrschende Einfluß beruht, ob auf dem Beteiligungsverhältnis selbst oder auf anderer Grundlage. Ist die Beteiligung eine Mehrheitsbeteiligung, so begründet diese unwiderlegbar einen herrschenden Einfluß und damit ein Abhängigkeitsverhältnis des anderen Unternehmens. Das gilt auch dann, wenn die wechselseitige Beteiligung bei jedem Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung ist mit der Folge, daß beide Unternehmen auch als abhängige Unternehmen jeweils vom anderen gelten. Anm. 2: Damit sind die sich aus einer wechselseitigen Beteiligung ergebenden Probleme jedoch nicht erschöpfend geregelt. Es gibt auch wechselseitige Beteiligungen, die nicht zu einem Abhängigkeitsverhältnis führen. Grundsätzlich wird durch eine solche wechselseitige Beteiligung die Struktur der Unternehmen zunächst einmal nicht irgendwie verändert, genausowenig wie eine nicht wechselseitige Beteiligung eines Unternehmens an einem anderen die Struktur des anderen Unternehmens berührt, solange dadurch nicht die Möglichkeit einer Einflußnahme geschaffen wird. Erst wenn die wechselseitige Beteiligung zweier Unternehmen eine gewisse Höhe erreicht, treten neue Probleme auf. Es wird dann die Funktion des Grundkapitals gefährdet. Bei dem in der bereits erwähnten Entscheidung des RG (149, 305 ff.) behandelten Fall betrug die wechselseitige Beteiligung zweier Aktiengesellschaften über 90 °/o ihres Grundkapitals. Ein erheblicher Teil des Aktivvermögens bestand mithin in einer Beteiligung an einer anderen Gesellschaft. Das hat zur Folge, daß bei beiden Gesellschaften keine echten Vermögenswerte gegenüberstehen, sondern jeweils nur die Beteiligung an der anderen Gesellschaft, d. h., dasselbe Kapital erscheint zweimal. Ebenso liegen die Dinge bei einer Kapitalerhöhung, wenn zwei Aktiengesellschaften wechselseitig ihre Aktien zeichnen, so kann 84
Wechselseitig beteiligte Unternehmen
§ 19 Anm. 2,3
die gleiche, zwischen den beiden Gesellschaften hin- und herwandernde Einlage mehrfach verwandt werden. Eine weitere unerwünschte Wirkung einer wechselseitigen Beteiligung liegt darin, daß die Rechte aus den wechselseitigen Beteiligungen von den jeweiligen Verwaltungen der Gesellschaften ausgeübt werden und damit in den Gesellschaftsversammlungen ein Übergewicht dieser Verwaltungen entsteht, wenn die Beteiligung entsprechend hoch ist. Zwar sind die Verwaltungen im gewissen Sinn auf Verständigung angewiesen, praktisch ist diese aber unschwer möglich und führt zu einer gegenseitigen Kooption in den Aufsichtsräten und damit auch letztlich in den Vorständen. Die außenstehenden Aktionäre verlieren jede Einflußmöglichkeit. Da eine wechselseitige Beteiligung sich im wesentlichen in der Hauptversammlung auswirkt, mußte damit gerechnet werden, daß durch die Verstärkung der Rechte der Hauptversammlung sich ein Trend zur stärkeren Einführung der wechselseitigen Beteiligung heranbilden könnte. In der gleichen Richtung wirkt die weitere Einschränkung der Möglichkeit, Mehrstimmrechtsaktien zu schaffen. Die Bildung von wechselseitigen Beteiligungen ist deshalb unerwünscht. Um ihr entgegenzuwirken, sind in § 328 gewisse Beschränkungen der Rechte aus wechselseitigen Beteiligungen neu eingeführt worden. Dies macht es notwendig, den Begriff der wechselseitig beteiligten Unternehmen, soweit sie nicht zum Kreis der herrschenden oder abhängigen Unternehmen gehören, allgemein festzulegen. Da eine wechselseitige Beteiligung nur von einer gewissen Höhe an die geschilderten Gefahren mit sich bringt, hat man den Begriff der wechselseitigen Beteiligung im Sinn des Gesetzes dahin definiert, daß sie erst bei einer Beteiligung von mehr als 25 % gegeben ist. II. Begriffsbestimmung 1. Rechtsformen Anm. 3: Das Gesetz spricht von wechselseitig beteiligten Unternehmen, schränkt diesen allgemeinen Begriff aber insofern ein, als nicht — wie in den §§ 15—18 — alle Unternehmen, gleichgültig in welcher Rechtsform sie betrieben werden, in Frage kommen. Hier kommt es zunächst auf die Rechtsform an. Nur solche Unternehmen, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft geführt werden, kommen in Frage; ferner ist ein Erfordernis, daß sie ihren Sitz im Inland haben. Die Beschränkung auf Kapitalgesellschaften, d. h. Aktiengesellschaft, KGaA und GmbH (vgl. Gesetzesdefinition im Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. 11. 1956 BGBl. I 844) und bergrechtlichen Gewerkschaften ergibt sich aus dem Wesen der Bestimmung selbst. Eine wechselseitige Beteiligung kann nur dann Gefahren mit sich bringen, wenn es sich um Unternehmen handelt, die nach ihrer Rechts85
§19
Anm. 3—5
Allgemeine Vorschriften
form eine Gesellschafterversammlung haben, in der die Rechte der Gesellschafter auf Grund von Anteilen wahrgenommen werden können. Begrifflich wäre eine wechselseitige Beteiligung zwischen Kapitalgesellschaft und bergrechtlichen Gewerkschaften auf der einen Seite und Personengesellschaften oder einem Einzelkaufmann auf der anderen Seite durchaus möglich. Es kämen aber dann bei diesen Personengesellschaften oder beim Einzelkaufmann nicht die Wirkung zum Tragen, in denen gerade die Gefahr der wechselseitigen Beteiligung erblickt wird. Die Beteiligung einer Aktiengesellschaft an einer Personengesellschaft kann diese zum abhängigen Unternehmen im Sinn des § 17 machen, nicht aber zu einem wechselseitig beteiligten Unternehmen im Sinn des § 19. 2. Sitz im Inland Anm. 4: Weitere Voraussetzung ist, daß beide wechselseitig beteiligte Unternehmen ihren Sitz im Inland haben. Die Beteiligung eines ausländischen Unternehmens an einem inländischen wird grundsätzlich wie die Beteiligung eines inländischen Unternehmens behandelt, und zwar um deswillen, weil die Auswirkung dieser Beteiligung sich ausschließlich auf die diesem Gesetz unterworfene inländische Gesellschaft bezieht. Bei einer wechselseitigen Beteiligung zwischen einer ausländischen und einer inländischen Gesellschaft kann jedoch ein solcher Bezug auf die Beteiligung nicht hergestellt werden, denn die Beteiligung der inländischen Gesellschaft an der ausländischen Gesellschaft richtet sich nach ausländischem Recht und kann nicht vom deutschen Recht erfaßt werden. Es würde also dem Wesen einer wechselseitigen Beteiligung widersprechen, wenn diese auch bei Beteiligung eines ausländischen Unternehmens als bestehend angesehen würde. 3. Art der Beteiligung Anm. 5: Die wechselseitige Beteiligung muß darin bestehen, daß jedem Unternehmen Anteile des anderen Unternehmens gehören. Hier handelt es sich um die Art der Beteiligung. Nicht jede Beteiligung wird erfaßt. So könnte es z. B. möglich sein, daß wechselseitige stille Beteiligungen bestehen. Diese hätten keinerlei Bedeutung. Die Unternehmen würden nicht zu wechselseitig beteiligten Unternehmen im Sinn dieser Vorschrift. Denn die Beteiligung würde weder das Grundkapital bzw. das Stammkapital der Gesellschaft in irgendeiner Weise berühren, noch würde dadurch der Einfluß der Aktionäre in der Hauptversammlung in irgendeiner Weise eingeschränkt. Möglich wäre lediglich, daß durch derartige Beteiligungen ein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen wird; dann gelten die Bestimmungen für abhängige Unternehmen. Allenfalls ist es theoretisch denkbar, daß ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis eintritt, dann müßte man den Grundgedanken des § 19 II analog auf in dieser Weise beteiligte Unternehmen anwenden. Dagegen bestehen 86
Wechselseitig beteiligte Unternehmen
§19 Anm. 5,6
auch keinerlei Bedenken, denn die Beteiligung des § 19 III bringt nur einen allgemeinen Gesichtspunkt zum Ausdrude, der bisher strittig war, der nunmehr aber, wenn er für wechselseitig beteiligte Unternehmen im Sinn des Abs. 1 vom Gesetz ausdrücklich in einer bestimmten Richtung geklärt wird, auch dann gilt, wenn es sich um Beteiligungen handelt, die nicht unter Abs. 1 fallen, mithin nicht um Unternehmen, die wechselseitig beteiligte Unternehmen im Sinn des § 19 sind. 4. Höhe der Beteiligung Anm. 6: Der Höhe nach muß die Beteiligung mehr als den 4. Teil der Anteile des anderen Unternehmens betragen. Es ist bereits oben darauf hingewiesen, daß nicht jede wechselseitige Beteiligung die Gefahren mit sich bringt, die in Anm. 2 erörtert wurden. Es ist deshalb grundsätzlich richtig, eine Grenze zu setzen und nicht jede geringfügige wechselseitige Beteiligung unter diesen Begriff fallen zu lassen mit den sich daraus ergebenden Folgen. Welche Grenze man nimmt, ist bis zu einem gewissen Grade willkürlich. Der Referentenentwurf sah eine Grenze von 20 °/o vor. Die zum Gesetz gewordene Grenze von 25 °/o bot sich aus zweierlei Gründen an. Zunächst einmal ist sie die Sperrminorität bei Satzungsänderungen, zum anderen ist es der Betrag, der das Schachtelprivileg im steuerlichen Sinne schafft. Es sollte möglich bleiben, nach wie vor Kapital in Form eines steuerlichen Schachtelprivilegs anlegen zu können, ohne daß dies gesellschaftsrechtliche Folgen auslöst. So ist man zu dieser Voraussetzung von mehr als 25 % gekommen. Für die Feststellung, ob einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile eines anderen Unternehmens gehört, wird auf die Bestimmungen verwiesen, die für die Berechnung einer Mehrheitsbeteiligung gelten. Allerdings mit zwei wichtigen Ausnahmen. Zunächst einmal kommt es beim § 19 I nur auf die kapitalmäßige Beteiligung und nicht auf die stimmenmäßige Beteiligung an. Infolgedessen gilt hier nicht die Bestimmung des § 16 III, die sich auf die Berechnung der Stimmenmehrheit bezieht. Keine Anwendung findet weiterhin die Bestimmung des § 16 II 2, wonach eigene Anteile und solche, die ein Dritter für Rechnung des in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens besitzt, vom Nennkapital dieses Unternehmens abgezogen werden. Hier kommt es also auf der einen Seite auf den Nennbetrag bzw. bei den Kuxen auf die Anzahl der Anteile an, die das eine Unternehmen vom anderen besitzt, auf der anderen Seite auf den Gesamtnennbetrag des Grundkapitals bzw. Stammkapitals oder die Gesamtzahl aller Kuxe. Diese beiden Größen sind in Verhältnis zu bringen und danach zu bestimmen, ob die Beteiligung mehr als 25 °/o beträgt. Dagegen findet der § 16 Abs. 4 Anwendung, d. h., daß zu den Anteilen, die einem Unternehmen gehören, auch die Anteile hinzugerechnet werden, die einem von ihm abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung 87
§19
Allgemeine Vorschriften
Anm. 6,7 des Unternehmens oder einem von diesem abhängigen Unternehmen gehören. Im einzelnen vgl. hierzu § 16 Anm. 4 und 5. Dabei ist zu beachten, daß der letzte Halbsatz des Abs. 4, wonach dann, wenn der Inhaber des Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, audi die Anteile seines Privatvermögens mitzählen, hier nicht zur Anwendung gelangen kann, da das Unternehmen eines Einzelkaufmanns kein Teil einer wechselseitigen Beteiligung sein kann. III. Selbständige und abhängige Unternehmen Anm. 7: Das Gesetz unterscheidet zwischen wechselseitig beteiligten Unternehmen, die nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich unabhängig sind und solchen wechselseitig beteiligten Unternehmen, die zwar rechtlich selbständige Unternehmen sind, bei denen aber ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Daß nur rechtlich selbständige Unternehmen unter den Begriff wechselseitig beteiligte Unternehmen fallen können, ergibt sich aus der Aufzählung der wechselseitig beteiligten Unternehmen im § 15. Sie sind verbundene Unternehmen, diese aber müssen nach § 15 S. 1 rechtlich selbständige Unternehmen sein. Soweit es sich um wirtschaftlich selbständige wechselseitig beteiligte Unternehmen handelt, gilt für sie insbesondere die Bestimmung des § 328 über die Beschränkung der Rechte. Danach hat das Unternehmen, das zuerst dem anderen seine Beteiligung mitteilt, ohne Kenntnis von der Beteiligung des anderen Unternehmens zu haben, keine Beschränkung seiner Rechte zu befürchten, wohl aber kann das andere Unternehmen aus den in seinem Besitz befindlichen Anteilen an der Gesellschaft, die die Mitteilung gemacht hat, nur bis zu 25 °/o der Anteile dieser Gesellschaft Rechte geltend machen, und zwar sowohl Vermögensrechte wie auch die Mitgliedschaftsrechte, z. B. insbesondere Stimmrechte. Das bedeutet, daß dieses Unternehmen, wenn es einen höheren Besitz als 25 "/o hat, aus dem die Grenze von 25 °/o übersteigenden Besitz keinerlei Rechte mehr geltend machen kann. Wohl aber kann das Unternehmen, das zuerst die Mitteilung dem anderen Unternehmen hat zugehen lassen, weiter Rechte auch aus den Anteilen geltend machen, die die Grenze von 25 % übersteigen. Es kann auch neue Anteile erwerben und aus diesen in vollem Umfange die sich daraus ergebenden Rechte geltend machen, bis zur Grenze von 50®/o; hier entsteht einmal eine neue Mitteilungspflicht nach § 20, außerdem hören nunmehr die Gesellschaften auf, wirtschaftlich selbständige wechselseitig beteiligte Unternehmen zu sein, sie werden nunmehr zu herrschenden und abhängigen Unternehmen, und zwar auch dann, wenn ein beherrschender Einfluß trotz einer Beteiligung von über 50 4/o, d. h. also trotz einer Mehrheitsbeteiligung, nicht ausgeübt werden kann. Hier gilt nicht die widerlegliche Vermutung des § 17 II, sondern die unwiderlegliche Vermutung im Abs. 2 des § 19. Ursprünglich waren die Bestimmungen des § 16 II 88
Wechselseitig beteiligte Unternehmen
§19 Anm. 7
und dieses § 19 II gleichlautend. In der Regierungsbegründung (S. 103) heißt es hierzu, das Gesetz wiederhole hier die Merkmale des Abhängigkeitsverhältnisses nach § 17 I und II, um jeden Zweifel darüber zu beseitigen, daß ein wechselseitig beherrschender Einfluß sich nicht aufhebt. Um eine solche völlige Wiederholung handelt es sich jetzt nicht mehr, weil im § 16 II für Mehrheitsbeteiligungen nur die widerleglidie Vermutung dafür besteht, daß ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegt, während im § 19 II die unwiderlegliche Vermutung, wie im Reg.Entwurf vorgesehen, im Gesetz erhalten geblieben ist. Diese unterschiedliche Behandlung war deshalb geboten, weil es bei den Bestimmungen über die Abhängigkeit wechselseitig beteiligter Unternehmen im Grunde allein um die Frage ging, inwieweit die Tatsache der wechselseitigen Beteiligung eine sonst gegebene Abhängigkeit aufhebt. Dabei mußte gerade die Frage, inwieweit eine Beteiligung als soldie eine Abhängigkeit schafft, von festen Normen ausgegangen werden, anderenfalls wäre die Bestimmung nicht praktikabel gewesen. Insbesondere wäre bei jeder wechselseitigen Mehrheitsbeteiligung, wenn diese nur eine widerlegbare Vermutung der Abhängigkeit begründen würde, erneut der Einwand gekommen, daß die Wechselseitigkeit der Mehrheitsbeteiligung sich aufhebt, und daß tatsächlich ein beherrschender Einfluß im konkreten Fall nicht ausgeübt wird. Auf letzteres kommt es nicht an, da ein Abhängigkeitsverhältnis schon dann besteht, wenn ein solcher beherrschender Einfluß ausgeübt werden kann und nicht erst dann, wenn er tatsächlich ausgeübt wird. Den ersten Einwand will aber gerade das Gesetz ausschließen. Bei wechselseitiger Mehrheitsbeteiligung gilt mit Rücksicht auf die unwiderlegliche Vermutung des § 19 II die widerlegliche des § 18 I, daß beide Unternehmen einen Konzern bilden. Es ist deshalb möglich, daß beide einen Konzernabschluß aufzustellen haben (vgl. Havermann in Wp 66, 66). Die in Abs. 1 gegebenen Definitionen der wechselseitig beteiligten Unternehmen gelten unverändert für die Abs. 2 und 3. Es kommen also nur solche Unternehmen in Frage, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft betrieben werden, und die ihren Sitz im Inland haben. Auch das, was über die Art der Beteiligung in Anm. 5 gesagt ist, gilt hier. Dagegen ist die Frage, wann eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt, nach § 16 zu entscheiden. Das bedeutet einmal, daß die Abs. 2 und 3 sich nicht nur auf eine Kapitalmehrheit beziehen, sondern auch auf eine Mehrheit der Stimmrechte (§ 16 I) und zum anderen, daß bei der Berechnung, ob eine Kapitalmehrheit vorliegt, eigene Anteile und solche, die für Rechnung der in Mehrheitsbesitz stehenden Gesellschaft vom Nennkapital abzuziehen sind. Daraus ergibt sich folgendes: Haben eine AG und GmbH mit einem Nennkapital von je 800 000,— DM je Anteile im Nennbetrag von 250 000,— DM und hat die GmbH eigene Geschäftsanteile im Nennwert von 400 000,— DM in ihrem Besitz, so sind 89
§§ 19/Vorbem. 20—22 Allgemeine Vorschriften Anm. 7,8/1 beide Gesellschaften wechselseitig beteiligte Unternehmen im Sinn des Abs. 1, weil hier die Berechnung des § 16 II S. 1 Platz greift. Weiterhin ist aber die AG die herrschende und die GmbH eine abhängige Gesellschaft, weil bei der Berechnung, ob eine Mehrheitsbeteiligung im Sinne des § 19 II vorliegt, die 400 000,— DM Anteile vom Grundkapital der GmbH abzuziehen sind. Es wird also der Betrag von Geschäftsanteilen, den die AG besitzt, in Höhe von 250 000,— DM in Bezug gebracht mit dem Betrag von 400 000,— DM. Die AG hat also eine Mehrheitsbeteiligung; es findet § 19 Abs. 2, nicht Abs. 1 Anwendung. Dagegen ist der Fall denkbar, daß eine wechselseitige Beteiligung im Sinne des Abs. 1 nicht vorliegt, wohl aber eine Mehrheitsbeteiligung nach Abs. 2. Beispiel: Wenn eine AG und eine GmbH mit einem Nennkapital von je 800 000,— DM je 100 000,— DM Nennwertanteile besitzen und die GmbH 700 000,— DM eigene Geschäftsanteile in Besitz hat, so ist zwar die AG mit ihren Anteilen von 100 000,— DM mehrheitsbeteiligt, es handelt sich aber nicht um wechselseitig beteiligte Unternehmen. Infolgedessen findet nicht der § 19 Abs. 2, sondern der § 17 Abs. 2 Anwendung. Die Gesellschaften könnten mithin den Nachweis führen, daß die Vermutung nicht vorliegt, und beide Unternehmen selbständig sind, was zur Folge hätte, daß die GmbH mit ihren Aktien in der Hauptversammlung der AG stimmberechtigt bleibt, während sie das im ersten Beispiel nicht wäre. IV. Folgen der wechselseitigen Beteiligung Anm. 8: Es gibt nur eine gesetzliche Bestimmung, die sich ausschließlich auf alle wechselseitigen Beteiligungen bezieht, das ist die des § 160 II Nr. 3. Danach muß im Geschäftsbericht das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung unter Angabe des Unternehmens aufgeführt werden. Im übrigen gelten ebenfalls für alle wechselseitig beteiligten Unternehmen die Bestimmungen, die für verbundene Unternehmen gelten, denn die wechselseitig beteiligten Unternehmen sind verbundene Unternehmen im Sinne des § 15. Es gelten also alle die in § 15, Anm. 9 aufgeführten Bestimmungen auch für alle wechselseitig beteiligte Unternehmen. Dagegen wird sonst ein Unterschied gemacht, ob es sich um wirtschaftlich selbständige wechselseitig beteiligte Unternehmen handelt oder um abhängige. Für die ersteren gilt allein die Bestimmung des § 328 über die Beschränkung der Rechte. Für die letztere gelten allein die Bestimmungen für abhängige Unternehmen, vgl. hierzu Anm. 6 zu § 17. Vorbemerkung zu §§ 20 bis 22 Anm. 1: Die Einführung einer Mitteilungspflicht für Beteiligungen an einer Aktiengesellschaft und für Beteiligungen von Aktiengesellschaften an einer anderen Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft war eine der umstrittensten Fragen bei der Gestaltung des neuen Gesetzes. Im Regierungs90
Vorbemerkung zu §§ 20 bis 22
Vorbem. §§ 20—22 Anm. 1,2
entwurf war sie mit der Begründung (S. 104) aufgenommen worden: „ . . . um die Aktionäre, die Gläubiger und die Öffentlichkeit über geplante und bestehende Konzernverbindungen besser zu unterrichten und die vielfach auch für die Unternehmensleitung selbst nicht erkennbaren wahren Machtverhältnisse in der Gesellschaft deutlicher hervortreten zu lassen." Das bedeutet, daß die Mitteilungspflicht in erster Linie unter dem Gesichtspunkt einer verbesserten Publizität gesehen wird. Daß sie zumindest auch diese Wirkung hat, ist nicht zu verkennen. Andererseits kann aber auch nicht bestritten werden, daß die Mitteilungspflicht in ihren Auswirkungen Einfluß auf die Wirtschaftskonzentration haben wird. Durch sie wird jede Paketbildung frühzeitig bekannt. Das führt sicherlich auf der einen Seite dazu, daß die bisherigen Aktionäre davor bewahrt werden, zu einem ungerechtfertigt billigen Preis ihre Aktien abzugeben. Auf der anderen Seite darf doch wohl nicht verkannt werden, daß bei Bekanntwerden von Paketbildungen der Börsenkurs nicht dem inneren Wert des Papiers entspricht, sondern daß er wegen der Paketbildung weit über den wahren Wert hinausgeht. Den Aktionären fällt so ein Spekulationsgewinn, auf den sie keinen Anspruch haben, zu. Auf der anderen Seite wird aber die Bildung einer wirtschaftlich erwünschten Konzentration ebenso erschwert, wie die Bildung einer unerwünschten. Darüber, ob eine solche allgemeine Erschwerung der Konzentration Sache des Aktienrechts ist, kann man durchaus verschiedener Ansicht sein. Das Aktiengesetz ist seiner Natur nach ein Organisationsgesetz, zunächst einmal für die Unternehmen, die in der Form einer AG oder KGaA betrieben werden und darüber hinaus für Unternehmensverbindungen, an denen solche Gesellschaften beteiligt sind. Ein solches Gesetz sollte nicht den Versuch machen, zu entscheiden, ob Konzentration erwünscht oder unerwünscht ist. Es müßte konzentrationsneutral sein. Vorschriften gegen die Unternehmenskonzentration gehören in das Kartellrecht. Anm. 2: Es wurde weiterhin geltend gemacht, die Mitteilungspflicht sei nicht mit den Grundsätzen der Anonymität der Aktie zu vereinbaren. Sie verstoße nicht nur gegen das berechtigte Interesse des Aktionärs, unbekannt zu bleiben, sondern auch gegen den Grundsatz des deutschen Rechts, daß niemand zur Offenlegung seines Vermögens gezwungen werden könne. Eine Reihe anderer Einwendungen richtete sich im wesentlichen gegen die Zweckmäßigkeit einer solchen Mitteilungspflicht. Sie können, nachdem die Vorschriften Gesetz geworden sind, nicht mehr interessieren. Aber auch die beiden geschilderten Einwendungen sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Regelung in Frage zu stellen. Obwohl die Bestimmungen geeignet sind, die Konzentration zu erschweren und deshalb grundsätzlich nicht in dieses Gesetz gehören, so bleibt es doch dem Gesetzgeber überlassen, in welchen Gesetzen er ihm richtig erscheinende Regelungen trifft, sofern die Regelung als solche nicht 91
V o r b e m . §§ 20—22
Anm. 2—i
Allgemeine Vorschriften
gegen Verfassungsgrundsätze verstößt; davon kann aber offensichtlich hier nicht die Rede sein. Audi eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann nicht angenommen werden. Es wird nicht gleiches ungleich behandelt, sondern es wird nur an den Besitz eines gewissen Betrages von Aktien oder sonstigen Anteilen eine Mitteilungspflicht geknüpft. Die Verbindung mit der weiteren unterscheidenden Bedingung, daß diese nur solche Aktionäre trifft, die Unternehmen oder Inhaber von Unternehmen sind, auch die besondere Bestimmung, wonach die Aktien eines Einzelkaufmanns als Teile seines Unternehmens gelten, auch wenn sie zu seinem Privatvermögen gehören, kann diesen Gleichheitsgrundsatz nicht verletzen, denn das Unternehmen eines Einzelkaufmanns bildet kein rechtlich selbständiges Unternehmen, sondern es ist rechtlich eine Einheit im Gesamtvermögen des Einzelkaufmannes. Dieser wird deshalb mit seinem ganzen Vermögen als Inhaber eines Unternehmens behandelt. Ebensowenig können rechtliche Bedenken daraus hergeleitet werden, daß der Aktionär zur Mitteilung seines Aktienbesitzes verpflichtet wird. Es gibt in unserem Rechtssystem keinen allgemeinen Anspruch eines Gesellschafters auf Anonymität. Die Gesellschafter einer Personengesellschaft sind durch ihre Eintragung in das Handelsregister, die Gesellschafter einer G m b H durch die nach § 40 GmbH-Gesetz zum Handelsregister einzureichende Liste bekannt. Wenn es einen solchen allgemeinen Grundsatz aber nicht gibt, so können keine Bedenken dagegen bestehen, eine bisher aus der Inhaberaktie sich ergebende Anonymität des Aktionärs einzuschränken. Anm. 3: Die Mitteilungspflicht der§§20 und21 unterscheiden sich wiefolgt: § 20 enthält die Mitteilungspflicht eines Unternehmens als Aktionär der Aktiengesellschaft gegenüber; § 21 enthält die Mitteilungspflicht der Aktiengesellschaft für Beteiligungen, die ihr an einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft gehören, gegenüber diesen Gesellschaften. Die Vorschrift des § 21 ist notwendig wegen der Bestimmungen über wechselseitig beteiligte Unternehmen (§§ 19, 328). Wenn nur eine Meldepflicht des Aktionärs einer Aktiengesellschaft gegenüber bestünde, so könnte ein Unternehmen, das in der Rechtsform einer anderen Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft geführt wird, keine Kenntnis davon bekommen, daß eine Aktiengesellschaft an ihm beteiligt ist. Anm. 4: Die für beide Mitteilungspflichten gültige Bestimmung, daß das Unternehmen, dem die Mitteilung gemacht worden ist, jederzeit verlangen kann, daß ihm das Bestehen der Beteiligung nachgewiesen wird, ist in einem besonderen Paragraphen (§ 22), der sich auf die §§ 20, 21 gleichmäßig bezieht, geregelt (vgl. auch Bernhardt in BB 66, 778 ff.). 92
Mitteilungspflichten
§20
§ 20 Mitteilungspilichten (1) Sobald einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland gehört, hat es dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Für die Feststellung, ob dem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Aktien gehört, gilt § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4. (2) Für die Mitteilungspilicht nach Absatz 1 rechnen zu den Aktien, die dem Unternehmen gehören, auch Aktien, 1. deren Übereignung das Unternehmen, ein von ihm abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens verlangen kann; 2. zu deren Abnahme das Unternehmen, ein von ihm abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens verpflichtet ist. (3) Ist das Unternehmen eine Kapitalgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft, so hat es, sobald ihm ohne Hinzurechnung der Aktien nach Absatz 2 mehr als der vierte Teil der Aktien gehört, auch dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (4) Sobald dem Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung ( § 1 6 Abs. 1) gehört, hat es auch dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (5) Besteht die Beteiligung in der nach Absatz 1, 3 oder 4 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr, so ist dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (6) Die Gesellschaft hat das Bestehen einer Beteiligung, die ihr nach Absatz 1 oder 4 mitgeteilt worden ist, unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen; dabei ist das Unternehmen anzugeben, dem die Beteiligung gehört. Wird der Gesellschaft mitgeteilt, daß die Beteiligung in der nadi Absatz 1 oder 4 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr besteht, so ist auch dies unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. (7) Rechte aus Aktien, die einem nach Absatz 1 oder 4 mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören, können für die Zeit, für die das Unternehmen die Mitteilung nicht gemacht hat, durdi das Unternehmen, ein von ihm abhängiges Unternehmen oder einen anderen für Redinung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens nicht ausgeübt werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Mitteilungspflicht nach Abs. 1 u. 2 1. Mitteilungspflichtiger (Anm. 2) 2. Mitteilungsempfänger (Anm. 3)
3. Gegenstand der Mitteilungspflicht (Anm. 4) III. Mitteilungspflicht nach Abs. 3 (Anm. 5)
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§ 20
Anm. 1,2
Allgemeine Vorschriften
IV. Mitteilungspflicht nach Abs. 4 (Anm. 6) V. Mitteilungspflicht nach Abs. 5 (Anm. 7) VI. Bekanntmachung (Anm. 8)
VII. Folgen der Unterlassung der Mitteilung (Anm. 9) V I I I . Übergangsbestimmungen (Anm. 10)
I. Übersicht Anm. 1: Die Behandlung der Mitteilungspflichten in zwei verschiedenen Paragraphen führt unvermeidlich zu gewissen Überschneidungen. Zu den nach § 20 mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören naturgemäß auch die Aktiengesellschaften, denn der Begriff des Unternehmens (vgl. § 15, Anm. 2) ist ein sehr weitgehender. Er umfaßt alle Unternehmen, gleichgültig, in welcher Rechtsform sie geführt werden. Da der § 21 unter der Gesellschaft — wie immer in diesem Gesetz — die Aktiengesellschaft und KGaA versteht, ist eine Aktiengesellschaft, die an einer anderen Aktiengesellschaft in mitteilungspflichtiger Höhe beteiligt ist, nach beiden Bestimmungen zur Mitteilung verpflichtet. Das bedeutet, daß sie allen in den § § 2 0 und 21 enthaltenen Bestimmungen nachzukommen hat und nicht etwa, daß sie sich der für sie bequemsten Art der Mitteilungspflicht bedienen könnte. Dies hat insofern eine praktische Bedeutung, als nach § 20 die Mitteilungspflicht bereits gegeben ist, wenn dem Unternehmen zwar noch nicht mehr als 25 °/o der Aktien gehören, es aber einen Anspruch auf Übereignung weiterer Aktien hat, oder eine Verpflichtung zur Abnahme weiterer Aktien eingegangen ist, die zusammen mit den in seinem Besitz befindlichen Aktien die 25 %-Grenze übersteigt, während die Mitteilungspflicht nach § 21 erst gegeben ist, wenn tatsächlich dem Unternehmen mehr als 25 % der Anteile gehören. Vgl. im übrigen Vorbem. vor § 20. II. Mitteilungspflicht nach Abs. 1 und 2 1. Mitteilungspflichtiger Anm. 2: Nicht jeder Aktionär ist mitteilungspflichtig, sondern nur ein Unternehmen als Aktionär (s. aber Anm. 4). Über den Begriff des Unternehmens vgl. § 15 Anm. 2. Das Gesetz spricht nicht wie in den §§ 15—17 und § 18 II von rechtlich selbständigen Unternehmen. Es ergibt sich aber aus der Sache, daß jedenfalls nur ein Unternehmen in Frage kommt, das geeignet ist, als solches Träger von Rechten zu sein. Praktisch läuft das auf dasselbe hinaus, wie der Begriff des rechtlich selbständigen Unternehmens. Es soll lediglich zum Ausdruck kommen, daß es auf die Rechtsform, in der das Unternehmen geführt wird, nicht ankommt. Der besondere Hinweis auf die rechtliche Selbständigkeit hat nur dann Sinn, wenn diese in einen Gegensatz gestellt werden soll zur wirtschaftlichen Unselbständigkeit des Unternehmens. Deshalb ist in § 15 ausdrücklich bestimmt, daß verbundene Unternehmen im 94
Mitteilungspflichten
§20 Anm. 2—4
Sinne des Gesetzes stets rechtlich selbständige Unternehmen sein müssen. Die Wiederholung der rechtlichen Selbständigkeit in den §§ 16, 17 und 18 II war im Grunde genommen nicht notwendig, denn auch dort, wo dies nicht erfolgt ist, nämlich in § 18 I und § 19, kann es sich immer nur um rechtlich selbständige Unternehmen handeln, weil diese in § 15 als verbundene Unternehmen ausdrücklich aufgeführt sind. Das gilt aber nicht mehr für die Bestimmungen der §§ 20, 21, denn hier handelt es sich zwar teilweise um verbundene Unternehmen, z. B. wenn eine Mehrheitsbeteiligung (§ 20 IV; § 21 II) oder eine wechselseitige Beteiligung im Sinn des § 19 vorliegt, es ist aber keine Voraussetzung. Vielmehr ist die Mitteilungspflicht auch gegeben, wenn ohne wechselseitige Beteiligung ein Unternehmen mit mehr als 25 °/o an einer Aktiengesellschaft beteiligt ist; dann braucht keine Unternehmensverbindung vorzuliegen, trotzdem besteht die Mitteilungspflicht. Ausländische Unternehmen sind wie inländische ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform für ihre Beteiligung an einer Aktiengesellschaft mit dem Sitz im Inland mitteilungspflichtig. 2. Mitteilungsempfänger Anm. 3: Die Mitteilungspflicht nach § 20 besteht ausschließlich gegenüber einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland. Das bedeutet zunächst einmal, daß die Mitteilungspflicht nicht gegenüber jedem Unternehmen ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in dem es betrieben wird, und damit auch nicht gegenüber anderen Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften besteht, wie in § 21. Da die Mitteilungspflicht sich aus der Beteiligung an einer Gesellschaft ergibt, kann sich die Mitteilungspflicht nur auf die Beteiligung an solchen Gesellschaften beziehen, die dem Gesetz unterliegen. Das sind aber nur diejenigen, die im Inland ihren Sitz haben. 3. Gegenstand der Mitteilungspflicht Anm. 4: Nicht jede Beteiligung ist Gegenstand der Mitteilungspflicht. Diese beginnt erst, wenn die Beteiligung mehr als 25 °/o beträgt. Die Berechnung der Höhe der Beteiligung hat nach § 16 II S. 1 und IV zu erfolgen. Danach sind in Verhältnis zu setzen der Gesamtnennbetrag der Aktien, die dem mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören, zum Grundkapital der Aktiengesellschaft. Als Aktien, die dem mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören, gelten auch solche, die einem von ihm abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens gehören (§ 16 IV), ferner nach Abs. 2 solche Aktien, die zwar weder dem Unternehmen selbst noch einem von ihm abhängigen Unternehmen noch einem anderen für Rechnung dieser Unternehmen gehören, deren Ubereignung aber verlangt werden kann (Nr. 1) oder zu deren Abnahme 95
§20 Anm. 4
Allgemeine Vorsdiriften
eine Verpflichtung besteht (Nr. 2). Durch diese Bestimmung des Abs. 2 wird ein Tatbestand erfaßt, der im Zuge der Paketbildung vorkommt. Es ist denkbar, daß ein Unternehmen sich Aktien — ohne sie bereits zu erwerben — in der Weise anhand geben läßt, daß es deren Übereignung verlangen kann. Dann verschiebt sich der Zeitpunkt der Mitteilungspflicht gewissermaßen nach vorne. Es muß bereits dann, wenn das Unternehmen ein solches Recht auf Übereignung erlangt oder sich zur Abnahme der Aktien verpfliditet hat, die Mitteilung erfolgen, wenn damit zusammen mit den Aktien, die ihm bereits gehören, mehr als der vierte Teil der Aktien der anderen Gesellschaft erfaßt sind. Vor allem aber soll durch die in Abs. 2 erfaßten Tatbestände jede Umgehung verhindert werden. Wenn ein Unternehmen Aktien bereits erworben hat und nur die Übereignung unterbleibt (Nr. 1) oder sich zur Abnahme verpflichtet hat (Nr. 2), hat es praktisch die Verfügungsmacht über diese Aktien, so daß ihre Zurechnung gerechtfertigt erscheint. Anders ist es, wenn dem Unternehmen die Aktien nur zum Erwerb angeboten sind, ohne daß das Angebot bereits angenommen ist. Dieser Fall wird von Abs. 2 nicht erfaßt. Der Auffassung von Dr. Schäfer in BB 66, 229 ff., daß ein solcher Fall den in Abs. 2 aufgeführten Tatbeständen gleichzustellen sei, können wir nicht zustimmen, da die weitgehende Folge einer Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen (Abs. 7; vgl. Anm. 9) eine Ergänzung des Gesetzes durch Gleichstellung darin nicht behandelter Fälle nicht zugelassen werden kann. Hieraus ergibt sich, daß abhängige Unternehmen, auch wenn sie allein die Voraussetzung der Mitteilungspflicht erfüllen, nicht mitteilungspflichtig sind, da ihre Aktien dem herrschenden Unternehmen zugerechnet werden. Das gleiche gilt, wenn der andere, dem Aktien für Rechnung des herrschenden oder abhängigen Unternehmens gehören, ein an sich mitteilungspflichtiges Unternehmen ist. Die Einbeziehung von Aktien, die dem mitteilungspflichtigen Unternehmen noch nicht gehören, auf die es aber Anspruch hat, gibt es nur bei der Mitteilungspflicht nach Abs. 1, nicht aber bei der nadi Abs. 3 und 4 und auch nicht bei der des § 21 I und II. Das erklärt sich daraus, daß es sich bei der Mitteilungspflicht nach Abs. 1 darum handelt, eine Paketbildung rechtzeitig bekanntwerden zu lassen. Dabei ist es von Bedeutung, ob der Aktionär, der die Paketbildung anstrebt, bereits Rechte auf Erweiterung seines Besitzes erworben hat. Bei den Mitteilungspflichten nach Abs. 3 und § 21 I handelt es sich darum, die Unterlagen zu gewinnen, ob eine wechselseitige Beteiligung besteht. Dabei kommt es, ebenso wie in den Fällen, bei denen es sich um eine Mehrheitsbeteiligung handelt — Mitteilungspflicht nach Abs. 4 und § 21 II —, nicht darauf an, wieviel Anteile dem Unternehmen unter Berücksichtigung des Abs. 2, sondern darauf, wieviel ihm tatsächlich gehören (vgl. Anm. 5 und 6). Zur Feststellung, ob die nadi Vorstehendem den mitteilungspflichtigen Unternehmen zuzurechnenden Aktien mehr als der vierte Teil der Aktien der 96
Mitteilungspfliditen
§20 Anm. 4,5
Gesellschaft sind, ist der Nennbetrag der Aktien, die dem mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören, mit dem Nennbetrag des Grundkapitals der Gesellschaft zu vergleichen. Ergibt sich, daß der Nennwert aller dem mitteilungspflichtigen Unternehmen zuzurechnenden Aktien mehr als 25 % des Grundkapitals der Gesellschaft beträgt, so besteht die Mitteilungspflicht. Die Bestimmung des § 16 II S. 2 und 3, wonach eigene Aktien der Gesellschaft vom Grundkapital abzuziehen sind, findet hier keine Anwendung, denn § 20 nimmt nur Bezug auf § 16 II 1. Das mitteilungspflichtige Unternehmen könnte auch gar nicht wissen, wieviel eigene Aktien die Gesellschaft im mitteilungspflichtigen Augenblick besitzt. Ein Anhaltspunkt könnte sich lediglich aus dem letzten Geschäftsbericht ergeben. Auch hier gilt die Sonderbestimmung für den Fall, daß, wenn der Inhaber des mitteilungspflichtigen Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, auch die Aktien mitzählen, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind (§ 16 IV). Mitteilungspflichtig ist lediglich die Tatsache, daß eine Beteiligung von mehr als 25 °/o besteht. Es ist also nicht die Höhe — z. B. 30 °/o oder 40 % — anzugeben. Auch wenn der Nachweis nach § 22 verlangt wird, ist nur nachzuweisen, daß die Beteiligung mehr als 25 % beträgt, nicht wieviel genau. Nur bei einer wechselseitigen Beteiligung haben die Unternehmen nach § 328 III einander unverzüglich die Höhe ihrer Beteiligung mitzuteilen. III. Mitteilungspflicht nach Abs. 3 Anm. 5: Die Mitteilungspflicht nach Abs. 3 entspricht derjenigen des § 21 I. Beide dienen dazu, das Vorhandensein einer wechselseitigen Beteiligung im Sinne des § 19 den beteiligten Unternehmen bekanntzumachen. Da eine wechselseitige Beteiligung nur zwischen Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft vorkommen kann (§ 19 I), sind hier nicht wie in Abs. 1 alle Unternehmen mitteilungspflichtig, sondern nur diejenigen, die in der vorbezeichneten Rechtsform betrieben werden. Hier sind nicht mitteilungspflichtig Unternehmen, die ihren Sitz im Ausland haben. Insoweit besteht ein Unterschied gegenüber der Mitteilungspflicht nach Abs. 1. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar an dieser Stelle des Gesetzes, wohl aber aus § 19, denn wechselseitig beteiligte Unternehmen sind nur solche mit Sitz im Inland. Da aber die Mitteilungspflicht des Abs. 3 nur wegen der Feststellung des Bestehens einer wechselseitigen Beteiligung im Sinn des § 19 normiert ist, kann sie auch keinen weiteren Umfang haben, als es zu einer derartigen Feststellung notwendig ist. Zu beachten ist aber, daß, wenn eine ausländische Gesellschaft 25 fl/o der Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland hat, sie nach Abs. 1 mitteilungspflichtig ist, und zwar dann schon, wenn sie die 25 °/o mit Aktien nach Abs. 2 überschreitet. 97 7
Wilhelmi, Aktiengesetz
§20 Anm. 5,6
Allgemeine Vorschriften
D a eine wechselseitige Beteiligung nach § 19 voraussetzt, daß jedem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört, kommen hier nur solche Anteile in Frage, die nach § 19 I S. 2 als dem Unternehmen gehörend anzusehen sind. Darunter sind die Anteile zu verstehen, die einem von dem mitteilungspflichtigen Unternehmen abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung des Unternehmens oder einem von diesem abhängigen Unternehmens gehören, und, wenn der Inhaber des Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, auch die Anteile, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind (§ 16 I I 1 und IV). Nicht mitzurechnen sind aber die Aktien, auf deren Erwerb das Unternehmen Anspruch hat, also die in Abs. 2 aufgeführten, denn diese gehören noch nicht dem Unternehmen. Sie können mithin keine Rolle bei der Frage spielen, ob die Voraussetzungen des § 19 gegeben sind. Bei der Berechnung, ob die Grenze von 25 % überschritten ist, muß auch hier vom Grundkapital ohne Abzug eigener Aktien ausgegangen werden. Aus der Mitteilung muß sich ergeben, daß der mitteilenden Gesellschaft tatsächlich mehr als 25 °/o der Aktien nach § 16 I I S. 1 und I V gehören — also ohne Hinzurechnung der Aktien nach Abs. 2 —. D a s ist deshalb wichtig, weil nur dann, wenn aus der Mitteilung selbst ersichtlich ist, daß es sich um eine solche nach Abs. 3 handelt, die Beschränkung der Rechte nach § 328 verhindert werden kann. Eine Mitteilung nach Abs. 1 ist hierfür unzureichend. Praktisch läuft es darauf hinaus, daß mitunter ein Unternehmen doppelt meldepflichtig ist, nämlich einmal, wenn es nach Abs. 1 unter Berücksichtigung der Aktien nach Abs. 2 mitteilungspflichtig wird, und zum zweitenmal dann, wenn seine Beteiligung so gestiegen ist, daß ihm nunmehr tatsächlich mehr als 25 °/o ohne die Aktien nach Abs. 2 gehören. Wird die Mitteilungspflicht nach Abs. 3 unterlassen, so hat dies nicht die Folgen des Abs. 7, denn dort werden nur die Folgen für das Unterlassen der Mitteilungspflichten nach Abs. 1 und 4 geregelt. Die besonderen Folgen einer Verletzung der Mitteilungspflicht nach Abs. 3 ergeben sich aus § 328 (vgl. Anm. dort). Dabei ist aber zu beachten, daß, wenn einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft mehr als der vierte Teil der Aktien einer Aktiengesellschaft mit dem Sitz im Inland gehört, diese nach Abs. 1 mitteilungspflichtig ist und bei Unterlassen dieser Mitteilungen die Folgen aus Abs. 7 eintreten. I V . Mitteilungspflicht nach Abs. 4
Anm. 6: Mitteilungspflichtig nach Abs. 4 sind — anders als in Abs. 3 — wie in Abs. 1 alle Unternehmen, gleichgültig welcher Rechtsform und gleichgültig, ob sie ihren Sitz im Inland oder Ausland haben. Die Mitteilungspflicht wird ausgelöst durch die Entstehung einer Mehrheitsbeteiligung im Sinn des § 16 I. Eine solche liegt vor, wenn einem Unternehmen die Mehr98
Mitteilungspflichten
§20 Anm. 6,7
heit der Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland gehört oder wenn ihm die Mehrheit der Stimmrechte zustehen. Die Mitteilungspflicht aus Abs. 4 ist also nicht etwa eine gewissermaßen quantitativ verstärkte Mitteilungspflicht, sondern es tritt hier noch ein anderes Moment hinzu, nämlich die Stimmenmehrheit. Es ist denkbar, daß bei einer Aktiengesellschaft, in der es Aktien mit Mehrstimmrechten gibt, eine Mitteilungspflicht nach Abs. 1 nicht besteht, weil kapitalmäßig das Unternehmen noch nicht mehr als den vierten Teil der Aktien besitzt, wohl aber eine Mitteilungspflicht nach Abs. 4, weil ihm die Stimmenmehrheit zusteht. Für die Berechnung, ob die Voraussetzungen einer Mehrheitsbeteiligung vorliegen, gelten die Bestimmungen des § 16 in vollem Umfang (abw. Bernhardt in BB 66, 680); d.h., als Aktien, die einem Unternehmen gehören, gelten nach Abs. 4 auch die Aktien, die einem von ihm abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens gehören und wenn der Inhaber des Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, auch die Aktien des sonstigen Vermögens des Inhabers. Dagegen sind nicht mitzurechnen Aktien nach Abs. 2. Bei der Feststellung, ob die so dem Unternehmen gehörenden Aktien eine Mehrheitsbeteiligung ausmachen, ist nicht wie in den anderen Fällen der Mitteilungspflicht nach Abs. 1 und 3 vom Grundkapital auszugehen, sondern hier findet § 16 II S. 2 und 3 sowie Abs. 3 Anwendung; d. h., eigene Aktien und ihnen gleichstehende sind vom Grundkapital abzuziehen, ebenso die Stimmrechte eigener und diesen gleichstehender Aktien von der Gesamtstimmenzahl. Mitteilungspflichtig sind nur Mehrheitsbeteiligungen an Aktiengesellschaften mit Sitz im Inland. Die Mitteilungspflicht einer Mehrheitsbeteiligung ist deshalb von besonderer Bedeutung, da bei Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung ein Abhängigkeitsverhältnis nach § 17 II vermutet wurde (über die Folgen vgl. § 17, Anm. 6). Über die Folgen einer Unterlassung der Mitteilungspflicht nach Abs. 4 vgl. Anm. 9. V. Mitteilungspflicht nach Abs. 5 Anm. 7: Unternehmen, die nach Abs. 1, 3 oder 4 einer Gesellschaft eine entsprechende Mitteilung gemacht haben, sind nach Abs. 5 verpflichtet, unverzüglich der Gesellschaft schriftlich mitzuteilen, wenn die Beteiligung in der mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr besteht. Das Gesetz bestimmt nicht, daß anzugeben ist, in welcher Höhe etwa noch die Beteiligung fortbesteht. Das entspricht der Regelung in den Abs. 1, 3 und 4, wonach auch bei der Mitteilung der Beteiligung nicht deren Höhe anzugeben ist, sondern nur die Tatsache, daß eine Beteiligung im Sinn des Abs. 1, also über 25 % , vorliegt T
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§ 20 Anm. 7,8
Allgemeine Vorschriften
oder eine Mehrheitsbeteiligung nach Abs. 4 und gegebenenfalls, ob der Sonderfall des Abs. 3 vorliegt, also eine Beteiligung von 25 °/o ohne Aktien nach Abs. 2. Es bleibt die Frage offen, ob ein Unternehmen, das eine Mehrheitsbeteiligung hatte und nach deren Verlust noch mehr als 25 % der Aktien hält, diese Tatsache bei der Mitteilung, daß es nicht mehr eine Mehrheitsbeteiligung hat, ebenfalls mitteilen muß. U. E. ist das nicht erforderlich; wohl aber müßte es mitteilen, wenn seine Restbeteiligung nicht mehr über 25 °/o beträgt. Teilt ein Unternehmen ohne weiteren Zusatz mit, daß es keine Mehrheitsbeteiligung mehr besitzt, so bedeutet das, daß es noch mit mehr als 25 /o beteiligt ist. Nur wenn es gleichzeitig mitteilt, daß es auch nicht mehr über 25 % besitzt, ist klargestellt, daß es überhaupt keine mitteilungspflichtige Beteiligung mehr besitzt. VI. Bekanntmachung Anm. 8: Die Gesellschaft, der eine Mitteilung nach Abs. 1, 4 oder 5 zugeht, hat dies unverzüglich bekanntzumachen. Die Mitteilung nach Abs. 3 wird in Abs. 6 nicht ausdrücklich genannt. Das ist deshalb überflüssig, weil dann, wenn einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft mehr als der vierte Teil der Aktien einer Gesellschaft gehört, sie dies nach Abs. 1 mitzuteilen hat, es darum bereits nach Abs. 6 bekanntzumachen ist. Nur in einem Fall entfällt die Bekanntmachung, nämlich dann, wenn die Mitteilung auf Grund des Abs. 1 erfolgt ist, weil zu dem mitteilungspflichtigen Unternehmen gehörenden Aktien nach Abs. 2 weitere ihm noch nicht gehörende Aktien hinzuzurechnen waren und die Grenze von 25 % nur durch diese zuzurechnenden Aktien überschritten wurde; wenn dann dieses Unternehmen weitere Aktien tatsächlich erwirbt, die ihm also gehören, so daß damit allein mit den ihm bereits vorher gehörenden Aktien die 25 °/o-Grenze überschritten wird, so muß noch einmal eine Mitteilung nach Abs. 3 erfolgen; diese bedarf dann nicht der Bekanntmachung, wenn die Beteiligung von über 25 % schon früher bei der ersten Mitteilung nach Abs. 1 bekanntgemacht worden ist. Bei der Mitteilungspflicht nach Abs. 3 handelt es sich nur um die Grundlage zur Feststellung, ob eine wechselseitige Beteiligung vorliegt. Deshalb gibt es auch bei der Mitteilungspflicht nach § 21 I, die demselben Zweck dient, keine Bekanntmachungspflicht für die Gesellschaften, die die Mitteilung erhalten. Zu beachten ist aber, daß eine Mitteilungspflicht nach Abs. 3 bestehen kann, ohne daß eine Mitteilung nach Abs. 1 vorangegangen sein muß. In diesem Fall liegt in der Mitteilung nach Abs. 3 gleichzeitig eine solche nach Abs. 1, so daß sie aus diesem Grunde bekanntzumachen ist. Die Bekanntmachung hat in den Gesellschaftsblättern der Gesellschaft (§ 25), der die Mitteilung zugeht, zu erfolgen. In der Bekanntmachung ist das Unternehmen, dem die Beteiligung gehört, so anzugeben, daß eine Verwechslung ausgeschlossen ist, also stets die volle Firma und in der Regel auch 100
Mitteilungspfliditen
§20 Anm. 8,9
der Sitz, bei ausländischen Unternehmen zweckmäßigerweise auch das Land, in dem es seinen Sitz hat. Ferner ist anzugeben, daß eine Beteiligung über 25 /o oder eine Mehrheitsbeteiligung besteht, nicht aber deren genaue Höhe, selbst wenn diese mitgeteilt wurde. Audi die Mitteilung nach Abs. 5, daß die Beteiligung nicht mehr in der mitteilungspflichtigen Höhe besteht, ist in der gleichen Weise bekanntzumachen. Auch hier ist nur anzugeben, daß dem noch einmal zu nennenden Unternehmen nicht mehr eine Mehrheitsbeteiligung oder eine Beteiligung von mehr als 25 %> gehört. Die Höhe einer etwa noch bestehenden Restbeteiligung ist nicht anzugeben, auch nicht, ob etwa noch eine Beteiligung nach Abs. 1 besteht. Es ist also, wenn ein mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen einen Teil seiner Beteiligung abgestoßen hat und nach wie vor mit über 25 % beteiligt bleibt, nur die erste Tatsache bekanntzumachen. Man kann daraus ersehen, daß sich die Beteiligung nunmehr zwischen über 25 % und unter 50 % hält. Nur wenn gleichzeitig bekanntgemacht wird, daß auch keine Beteiligung von über 25 % mehr besteht, weiß man, daß die Beteiligung entweder überhaupt nicht mehr besteht oder jedenfalls 25 °/o nicht übersteigt. Der Vorstand ist nur dann zur Bekanntmachung verpflichtet, wenn ihm eine Mitteilung zugegangen ist, nicht wenn er auf andere Weise Kenntnis erlangt (für die Einmanngesellschaft abw. Leo in Die Aktiengesellschaft 65, 352). Für die Übergangszeit s. Anm. 10. VII. Folgen der Unterlassung der Mitteilung Anm. 9: Hat ein nach den Abs. 1 und 4 mitteilungspflichtiges Unternehmen die Mitteilung unterlassen, so kann weder das Unternehmen selbst noch ein von ihm abhängiges Unternehmen noch ein anderer, dem Aktien für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens gehören, aus den Aktien Rechte geltendmachen, und zwar weder Herrschaftsrechte — Stimmrecht — noch Vermögensrechte, insbesondere keine auf Dividende. Wird dennoch das Stimmrecht aus solchen Aktien ausgeübt, so ist der darauf beruhende Beschluß anfechtbar (Vgl. allgemein für die Ausübung des Stimmrechts trotz bestehenden Verbots: R G 18, 328, sowie Anm. zu § 243). Außerdem ist die Umgehung des Stimmrechtsverbots eine Ordnungswidrigkeit. Nach § 405 I I I Nr. 5 handelt ordnungswidrig, wer Aktien, für die er oder der von ihm Vertretene das Stimmrecht nach § 20 V I I nicht ausüben darf, einem anderen zum Zweck der Ausübung des Stimmrechts überläßt oder solche ihm so überlassenen Aktien zur Ausübung des Stimmrechts benutzt. Wer Dividenden auf Aktien entgegennimmt, die nach Abs. 7 nicht dividendenberechtigt sind, macht sich, wenn die subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, des Betrugs schuldig. Er ist zur Rückgewähr an die Gesellschaft verpflichtet. Hat die Gesellschaft Kenntnis davon erlangt, daß ein Unter101
§ § 2 0 / 21
Allgemeine Vorschriften
Anm. 9,10 nehmen eine mitteilungspflichtige Beteiligung an ihr besitzt, obwohl das Unternehmen eine Mitteilung noch nicht gemacht hat, so muß dies sowohl in der Hauptversammlung bei der Ausübung des Stimmrechts, als auch bei der Auszahlung der Dividende berücksichtigt werden. Es muß klargestellt werden, ob die Aktien stimmberechtigt sind und ob sie gewinnberechtigt sind. Wieweit die Gesellschaftsorgane, Vorstand und Aufsichtsrat, ihre Kenntnisse auswerten müssen, um Nachforschungen anzustellen, mag im Einzelfall zweifelhaft sein. Wenn es sich um einigermaßen zuverlässige Mitteilungen handelt, wird man von ihnen verlangen können, daß sie in Erfüllung ihrer allgemeinen Obliegenheitspflichten (§§93, 116) verpflichtet sind, den Dingen nachzugehen. Allgemeinen Gerüchten oder Börsengeflüster brauchen sie keine Aufmerksamkeit zu schenken. Grundsätzlich können sie sich darauf verlassen, daß mitteilungspflichtige Unternehmen diese ihre Pflicht erfüllen. Während das Unterlassen der Mitteilung weitgehende Folgen hat, bleibt das Unterlassen der Bekanntmachung ohne jede Folgen. Dies wird aber spätestens im nächsten Geschäftsbericht offenkundig (§ 160 III N r . 11), so daß es im allgemeinen — wenn nicht gerade der Zeitpunkt des Bekanntwerdens von Bedeutung ist — für die Verwaltung zwecklos ist, offensichtlich gegen eine gesetzliche Bestimmung zu verstoßen und damit das Odium der Unkorrektheit auf sich zu nehmen. Schweigt sie auch im Geschäftsbericht, so machen sich die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats nach § 400 Nr. 4, die Abschlußprüfer u. U. nach § 403 strafbar. Daneben haften Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder aus §§93, 116, wenn aus dem Unterlassen der Bekanntmachung der Gesellschaft ein Schaden entsteht. VIII. Übergangsbestimmungen Anm. 10: Nach § 7 EG gelten die Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 auch für Beteiligungen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehen. Die Beteiligungen waren binnen eines Monats nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, also bis 1. 2. 1966 mitzuteilen und alsdann unverzüglich bekanntzumachen. Wenn diese Beteiligungen zwischen den Unternehmen eindeutig bekannt waren, so ist eine solche Mitteilung formell dann nicht mehr notwendig, wenn die Bekanntmachung unverzüglich nach dem 1. 2. 1966 erfolgt ist (Abs. 6). Ist beides nicht geschehen, so treten die Folgen des Abs. 7 ein. Für wechselseitige Beteiligungen vgl. § 328 und Anm. dort. § 21 Mitteilungspflichten der Gesellschaft (1) Sobald der Gesellschaft mehr als der vierte Teil der Anteile einer anderen Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft mit Sitz im 102
Mitteilungspflichten der Gesellschaft
§ 21
Anm. 1,2
Inland gehört, hat sie dies dem Unternehmen, an dem die Beteiligung besteht, unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Für die Feststellung, ob der Gesellschaft mehr als der vierte Teil der Anteile gehört, gilt § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 sinngemäß. (2) Sobald der Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung ( § 1 6 Abs. 1) an einem anderen Unternehmen gehört, hat sie dies dem Unternehmen, an dem die Mehrheitsbeteiligung besteht, unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (3) Besteht die Beteiligung in der nach Absatz 1 oder 2 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr, hat die Gesellschaft dies dem anderen Unternehmen unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (4) Rechte aus Anteilen, die einer nadi Absatz 1 oder 2 mitteilungspflichtigen Gesellschaft gehören, können für die Zeit, für die sie die Mitteilung nicht gemacht hat, nicht ausgeübt werden. Anm. 1: Während § 20 die Mitteilungspflicht von Unternehmen, die an einer Aktiengesellschaft beteiligt sind, gleichgültig welche Rechtsform sie haben, regelt, befaßt sich die vorliegende Vorschrift mit der Mitteilungspflicht der Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft a. A., die sie gegenüber anderen Unternehmen hat, wenn sie an solchen beteiligt ist. Ist eine Aktiengesellschaft an einer anderen Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft a. A. beteiligt, so überschneiden sich beide Bestimmungen, vgl. hierzu Anm. 3 vor § 20. Anm. 2: Die Mitteilungspflicht nach Abs. 1 korrespondiert unmittelbar mit der Mitteilungspflicht nach § 20 I I I (vgl. dort Anm. 5). Sie bildet die Grundlage für die Feststellung, ob eine wechselseitige Beteiligung zwischen einer Aktiengesellschaft und einer anderen Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft besteht. Eine wechselseitige Beteiligung setzt voraus, daß jedem der beiden Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört. Ferner, daß beide Unternehmen den Sitz im Inland haben. Demgemäß besteht die Mitteilungspflicht einer Aktiengesellschaft nur dann, wenn ihr mehr als der vierte Teil der Anteile einer anderen Kapitalgesellschaft oder einer bergrechtlichen Gesellschaft mit Sitz im Inland gehört. Was darunter zu verstehen ist, bestimmt im einzelnen § 16 II S. 1 und IV, d. h. zu den Anteilen, die der meldepflichtigen Aktiengesellschaft selbst gehören, werden gerechnet die Anteile, die einem von ihr abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung der Aktiengesellschaft oder eines von ihr abhängigen Unternehmens gehören (§ 16 IV). Der sich so ergebende Nennbetrag der Anteile, bzw. Zahl der Kuxe ist zu vergleichen mit dem Gesamtnennbetrag bzw. Gesamtzahl aller Kuxe, ohne daß eigene 103
§21 Anm. 2—6
Allgemeine Vorschriften
Anteile des Unternehmens, an dem die Beteiligung besteht oder solche Anteile, die wie eigene zu behandeln sind, etwa abzusetzen wären. § 16, II S. 2 u. 3 findet keine Anwendung (offenbar a. A. Bernhardt in BB 66, 681). Eine Mitteilungspflicht aus Abs. 1 besteht nicht gegenüber Unternehmen, die in anderer Rechtsform als Kapitalgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft betrieben werden, also beispielsweise nicht, wenn es sich um eine Personengesellschaft handelt. Anm. 3: Die Mitteilungspflicht nach Abs. 2 korrespondiert unmittelbar mit der Mitteilungspflicht des § 20 IV. Sie unterscheidet sich von der des § 2 1 1 dadurch, daß sie stets besteht, gleichgültig in welcher Rechtsform das Unternehmen, an dem die Mehrheitsbeteiligung besteht, geführt wird. Also auch, wenn es sich um eine Mehrheitsbeteiligung z. B. an einer Personengesellschaft handelt. Weiterhin ist zu beachten, daß eine Mehrheitsbeteiligung im Sinne des § 16 I, auf den ausdrücklich verwiesen ist, nicht nur bei einer Mehrheit der Anteile eines anderen Unternehmens besteht, sondern auch bei einer Stimmenmehrheit (vgl. hierzu § 20 Anm. 6). Anm. 4: Die Mitteilungspflicht nach Abs. 3 korrespondiert mit der des § 20, V, vgl. dort Anm. 7. Anm. 5: Ein wesentlicher Unterschied aller drei Mitteilungspflichten nach § 21 zu denert des § 20 ist der, daß das Unternehmen, das die Mitteilung erhält, nicht verpflichtet ist, sie bekanntzumachen. § 21 wiederholt nicht den Abs. 6 des § 20, der die Bekanntmachungspflicht normiert, und verweist auch nicht auf ihn. Dennoch ist eine Bekanntmachung dann notwendig, wenn gleichzeitig neben der Mitteilungspflicht des § 21 auch eine Mitteilungspflicht nach § 20 besteht. Das ist dann der Fall, wenn bei der sich aus Abs. 1 ergebenden Mitteilungspflicht des § 21 die Beteiligung an einer anderen Aktiengesellschaft besteht. Dann ist zwar die Aktiengesellschaft, der die Beteiligung gehört, nach § 21 I mitteilungspflichtig, sie ist aber auch mitteilungspflichtig nach § 20 I, und auf diese zweite Mitteilung, die natürgemäß in der Praxis identisch ist mit der nach § 211, findet die Verpflichtung zur Bekanntmachung nach Abs. 6 des § 20 Anwendung. Die Bekanntmachungspflicht besteht immer nur für eine Aktiengesellschaft und für eine Kommanditgesellschaft a. A., niemals für ein Unternehmen, das in einer anderen Rechtsform betrieben wird. Anm. 6: Nach Abs. 4 können ebenso wie im § 20 VII Rechte aus Anteilen, die einer mitteilungspflichtigen Gesellschaft gehören, für die Zeit, für die sie die Mitteilung nicht gemacht hat, nicht ausgeübt werden, vgl. hierzu Anm. 9 zu § 20. 104
Nadiweis mitgeteilter Beteiligungen
§ 22
§ 22 Nadiweis mitgeteilter Beteiligungen Ein Unternehmen, dem eine Mitteilung nach § 20 Abs. 1, 3 oder 4, § 21 Abs. 1 oder 2 gemacht worden ist, kann jederzeit verlangen, daß ihm das Bestehen der Beteiligung nachgewiesen wird. Die Unternehmen, denen die Mitteilung zugeht, daß ein anderes Unternehmen im Sinne der §§ 20, 21 an ihnen beteiligt ist, können jederzeit verlangen, daß ihnen das Bestehen der Beteiligung nachgewiesen wird. Wie dies im einzelnen zu geschehen hat, sagt das Gesetz nicht. Auf die Erklärung der Geschäftsleitung braucht sich das andere Unternehmen jedenfalls nicht zu verlassen, denn das ist kein Nachweis, sondern nur eine Behauptung. Es kann also Vorlage der Anteile, wenn sie verbrieft sind, verlangt werden, gegebenenfalls bei GmbH-Anteilen durch Vorlage der Abtretungsurkunde. Dabei ist es möglich, daß sich beim Nadiweis nicht vermeiden läßt, die Höhe der Anteile, die dem mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören, dem anderen Unternehmen zu offenbaren. Das Unternehmen, an dem die Beteiligung besteht, hat aber keinen Anspruch darauf, daß dies geschieht. Wenn es sich beispielsweise um Aktien handelt, so genügt es, wenn die Geschäftsleitung des Unternehmens, dem die Beteiligung gehört, eine Bankbescheinigung vorlegt, aus der sich ergibt, daß dem Unternehmen mehr als 25 °/o der Aktien gehören. Die Bankbescheinigung braucht aber nichts darüber zu enthalten, wieviel Aktien nun genau dem mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören. Das gleiche gilt für den Fall der Mehrheitsbeteiligung. N u r im Falle des § 328, d. h., wenn eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft a. A. und ein anderes Unternehmen wechselseitig beteiligte Unternehmen sind, haben diese einander unverzüglich die Höhe ihrer Beteiligung und jede Änderung schriftlich mitzuteilen.
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Vorbem. § 23
Gründung der Gesellschaft
Anm. 1,2
Z W E I T E R TEIL
Gründung der Gesellschaft Vorbemerkung zu § 23 I. Übersicht (Anm. 1) II. Gang der Gründung A. Bis zur Errichtung der Gesellschaft 1. Feststellung der Satzung (Anm. 2) 2. Übernahme der Aktien (Anm. 3) B. Nach Errichtung der Gesellschaft (Anm. 4)
C. Eintragung (Anm. 5) III. Die fehlerhafte Gründung 1. Mängel des Gründungsvertrages (Anm. 6) 2. Willensfehler (Anm. 7) 3. Fehlender Wille (Anm. 8) 4. Folgen der Nichtigkeit einer Beitrittserklärung (Anm. 9)
I. Übersicht Anm. 1: Der zweite Teil des ersten Buches behandelt: 1. Das Gründungsgeschäft im engeren Sinne (§ 23), den notwendigen Inhalt der Satzung (§§ 23 bis 27) und die Gesellschaft im Gründungsstadium (§§ 29,30,31,41). 2. Die Haftung der an der Gründung beteiligten Personen (Gründer, Gründungsgenossen, Vorstand und Aufsichtsrat, Gründungsprüfer — §§ 46 bis 51); über die Haftung des Registerrichters vgl. § 839 BGB und des Staates Art. 34 GG. II. Gang der Gründung A. Bis zur Errichtung der Gesellschaft Uber Vorverträge siehe Anm. 2 zu § 23. Das Gesetz unterscheidet: 1. Feststellung der Satzung Anm. 2: Die Feststellung der Satzung (des Gesellschaftsvertrages), des Gesetzes, unter dem die Gesellschaft ins Leben treten und nach dem sie leben will. Wie auch ein sonstiger Gesellschaftsvertrag gilt sie für alle Mitglieder; aber infolge der Umlauffähigkeit der Mitgliedschaft — ihres Erwerbes durch Erwerb der Aktie ohne Vertrag mit der AG oder den übrigen Aktionären — ist der Kreis der Mitglieder nicht von vornherein geschlossen. Darum besteht auch keine Möglichkeit, durch Sondervertrag zwischen der Gesellschaft und einem (neuen) Mitglied dessen Rechte und Pflichten abweichend von der Satzung festzusetzen, was schon deswegen dem Wesen der Aktie widerspräche, weil diese ständig den Besitzer wechseln kann. Es muß deshalb im Gesellschaftsvertrag eine Schematisierung der Rechte und Pflichten der Aktionäre 106
Vorbemerkung zu § 23
Vorbem. § 23 Anm. 2—4
erfolgen. Die Satzung stellt somit zunächst eine Art Punktation zu gerichtlicher oder notarieller Urkunde dar (ebenso Schi.-Qu., Anm. 7 vor § 16 und Würdinger Seite 105), die einen sogenannten notwendigen gesetzlichen Inhalt hat, dessen Fehlen die Satzung und damit die Gesellschaft nichtig macht (§ 23 III; siehe Anm. 14 zu § 23). Gegenstand der Festsetzung in der Satzung müssen auch die Sacheinlagen und Sachübernahmen (§ 27), besondere für einen Gesellschafter bedungene Vorteile und der Gründungsaufwand sein (S 26),
2. Übernahme der Aktien Anm. 3: den Abschluß des festgestellten Vertrages unter gleichzeitiger Übernahme der Aktienbeteiligung aufgrund dieser festgesetzten Satzung (§ 23 II, § 29; siehe Anm. 18—22 zu § 23). (Über den rechtlichen Zusammenhang der Feststellung der Satzung mit der Übernahme von Aktien ebenso Lobedanz, Der Einfluß von Willensmängel auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte, S. 139 f.). Es ist nicht anders denkbar, als daß diese Übernahme der Aktienbeteiligung eine schuldrechtliche Vereinbarung mit den Gründern •vorangeht, die AG aufgrund der festzustellenden Satzung ins Leben zu rufen und zu diesem Zweck das Grundkapital im bestimmten Verhältnis aufbringen zu wollen. Diese Elemente der Gründung kommen indes im Gesetz nirgends zum Vorschein (vgl. auch Würdinger S. 105). Die Personen, welche die Satzung festgestellt und dabei sämtliche Aktien übernommen haben, sind die Gründer (§ 28) und haben vermögensrechtlich und strafrechtlich die Verantwortung für die Gesetzesmäßigkeit der Gründung zu tragen (siehe Anm. 4 zu § 2; über Mindestzahl der Gründer und Gründerfähigkeit Anm. 4 u. 5 zu § 2; gesetzl. Vertretung Anm. 5 zu § 2). Nach bisherigem Recht konnten die Gründer einen Teil der Aktien noch nach der Feststellung der Satzung übernehmen (§ 22 II AktG 37) oder, wenn sie nicht alle Aktien übernehmen konnten oder wollten, so konnten die restlichen Aktien durch Dritte gezeichnet werden (§ 30 AktG 37 Stufengründung). Beides ist jetzt weggefallen, da diese Formen der Gründung praktisch nicht vorkommen. Die Gründer müssen jetzt stets gleichzeitig mit der Feststellung der Satzung alle Aktien übernehmen. Mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer ist die Gesellschaft errichtet (§ 29), aber noch nicht als AG gegründet und noch nicht mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet; hierzu muß noch die Eintragung in das Handelsregister kommen (§ 41). B. Nach Errichtung der Gesellschaft Anm. 4: Bevor die errichtete Gesellschaft als Aktiengesellschaft eingetragen werden kann, bedarf es jedoch noch a) der Bestellung des ersten Aufsichtsrates durch die Gründer (§§ 30 und 31); 107
Vorbem. § 23
Gründung der Gesellschaft
Anm. 4—6
b) der Bestellung des ersten Vorstandes, und zwar nicht durch die Gründer, sondern durch den ersten Aufsichtsrat (§ 30 IV); c) einer eingehenden Prüfung, die dem Gesetzgeber angebracht erscheint, bevor die Gesellschaft eingetragen wird und sich damit an die große Öffentlichkeit wendet und bevor durch ihre Eintragung den Gesellschaftern, welche sich beteiligen wollen, endgültig die Möglichkeit abgeschnitten wird, aus Rechtsgründen ihre Beteiligung rückgängig zu machen oder auszutreten. Das Prüfungsstadium beginnt mit dem Gründungsbericht der Gründer (§ 32), es folgt die Prüfung der Gründung durch Vorstand und Aufsichtsrat (§33), die darüber einen Prüfungsbericht zu erstatten haben (§ 34). Die Gefahr einer unsoliden Gründung erscheint größer, wenn eines der Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates zu den Gründern gehört oder an der Gründung interessiert ist oder wenn eine Gründung mit Sacheinlage oder Sachübernahme vorliegt. In allen diesen Fällen hat neben der Prüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat eine Prüfung durch besondere Prüfer stattzufinden, welche das Gericht ernennt (§ 33 II). d) Bevor die Anmeldung zur Eintragung erfolgen kann, ist die Einzahlung auf die Bareinlagen in Höhe von wenigstens 1U und in Höhe des etwaigen Aufgeldes zu leisten (§ 36 II). Dann erst ist e) die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister ( § 3 6 I; § 37) statthaft. Diese ist als ein Rechtsgeschäft von großer Tragweite und entsprechender Verantwortlichkeit ausgestaltet. Alle Gründer, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder haben sie zu bewirken; jeder Anmeldungspflichtige trägt die volle Vermögens- und strafrechtliche Verantwortung. C. Eintragung Anm. 5: Vor der Eintragung prüft das Gericht nicht nur formell, sondern auch materiell die Ordnungsmäßigkeit der Errichtung und die Anmeldung der Gesellschaft. Wenn alle etwaigen Anstände behoben sind, trägt das Gericht die Gesellschaft in das Handelsregister ein. Damit entsteht die Aktiengesellschaft als solche, die neue Rechtsperson, und damit entstehen Aktienrechte (§ 41). Die Eintragung ist nach § 20 H G B bekanntzumachen. Über den Inhalt der Eintragung und der Bekanntmachung siehe §§ 39, 40. Der Registerrichter haftet für die Erfüllung seiner Amtspflicht nach § 839 BGB an seiner Stelle nach außen. Nunmehr ist die Begebung der Aktienurkunde zulässig, vgl. hierzu Anm. 1 zu § 10. III. Die fehlerhafte Gründung 1. Mängel des Gründungsvertrages Anm. 6: Die Rechtsfolgen der Mängel, die den Gründungsvertrag als solchen und damit den Bestand der AG im ganzen betreffen, werden im zweiten 108
Vorbemerkung zu § 23
Vorbem. § 23 Anm. 6,7
Abschnitt des 8. Teiles des 1. Buches (§§ 275 bis 277) behandelt. Gewisse Mängel machen die eingetragene Gesellschaft nichtig (§ 275 — ein Teil davon ist heilbar, § 276). Doch ist die Nichtigkeit der Gesellschaft nur eine besondere Art der Auflösung (§ 277). Unheilbare Nichtigkeit verursachen fehlende gerichtliche oder notarielle Beurkundung einschließlich einer Formverletzung bei der Beurkundung und das Fehlen oder Nichtigkeit einer Satzungsbestimmung über die Höhe des Grundkapitals oder des Nennbetrages der einzelnen Aktien oder die Gattung der einzelnen Aktien. Uber bürgerlich-rechtliche Formmängel bei der Sacheinlage und Sachübernahme siehe Anm. zu § 27. 2. Willens fehler Anm. 7: Über die Bedeutung von Willensfehlern, die den Erklärungen der einzelnen, am Gründungsgeschäft mitbeteiligten Personen anhaften und deren Beteiligung betreffen (vgl. Würdinger S. 116) schweigt das Gesetz. Es handelt sich hier darum, inwieweit die Vorschriften des bürgerlichen Rechts vor den Bestimmungen des Aktienrechts zurückzutreten haben, insbesondere auch solche Vorschriften, welche nicht gesellschaftsrechtlich sind. Das Schweigen des Gesetzes fällt um so mehr auf, als die Rechtsprechung auf diesem Gebiet nicht immer widerspruchslos und nicht immer unwidersprochen war. Immerhin nötigt es, anzunehmen, daß die feststehenden Ergebnisse der Rechtsprechung gebilligt werden sollten. In feststehender Rechtsprechung (RG 145, 155; 148, 98; 149, 25) erklärt das Reichsgericht, daß im Gründungsstadium zwar die allgemein bürgerlich-rechtlidien Grundsätze über die Anfechtung wegen Irrtum, Drohung, Betrug, über Nichtigkeit wegen Wuchers oder Verstoßes gegen die guten Sitten gelten. Dieser Grundsatz unterliegt jedoch zwei wesentlichen Beschränkungen: a) Tritt die Gesellschaft bereits vor ihrer Eintragung in das Handelsregister ins Leben — etwa durch Abschluß von Geschäften —, so kommen die für die faktische Gesellschaft bestehenden Grundsätze zur Anwendung, so daß die Gesellschaft nur noch mit Wirkung für die Zukunft aufgelöst werden kann. Das gilt für alle Anfechtungsgründe. Der Bundesgerichtshof hat es ausdrücklich für die arglistige Täuschung festgestellt (vgl. BGH 13, 320), b) die Geltung dieser bürgerlich-rechtlichen Grundsätze hört ganz auf, sobald die Gesellschaft eingetragen worden ist, und zwar auch dann, wenn die Anfechtung schon vor der Eintragung erklärt wurde und sonach Wirkung gehabt hätte, wenn es gelungen wäre — durch einstweilige Verfügung od. dgl. — die Eintragung zu verhindern. Die Anfechtung ist von der Eintragung ab beiden Teilen verwehrt. Die Gesellschaft selbst kann auch mit der Begründung, daß ihr Vorstand, oder daß die Gründer getäuscht worden seien od. dgl. nicht anfechten, weil sie ihre eigenen Grundlagen, auf die der Verkehr vertraut hat, nicht selbst zerstören darf (siehe auch Anm. zu § 27); sie ist auf Schadensersatzansprüche angewiesen. Ebensowenig können Gründer ihre 109
Vorbem. § 23
G r ü n d u n g der Gesellschaft
Anm. 7,8
Erklärung wegen solcher Mängel anfechten, die nur in den Beziehungen des Gründers zu den Mitgründern oder zu dritten Personen wurzeln, so auch den Einwand der Nichtigkeit ihres Beitritts wegen einer aus solcher Beziehung hergeleiteten Sittenwidrigkeit (vgl. RG 82, 375; 123, 102; 127, 199; 142, 103), z. B. Übervorteilung § 138 BGB (vgl. RG II 70/43 vom 2. 8.1943) nicht erheben. Auch aus Verschulden der Vorstandsmitglieder kann nicht etwa eine Haftung der Gesellschaft aus § 31 BGB abgeleitet werden (vergl. auch Anm. zu § 41), die auf diesem Wege zu einer unzulässigen Rückgewähr der Einlage führen und die Erhaltung des Grundkapitals in Frage stellen würde. Die Leistung von Schadensersatz und die Rückzahlung der Einlage sind nach RG 88, 187 auch nicht zulässig, soweit sie aus Rücklagen oder auszuschüttendem Gewinn aufgebracht werden könnten. Auch aus dem nach Befriedigung der Gläubiger im Falle des Konkurses oder der Auflösung verbleibenden Reinvermögens kann der Anfechtungsberechtigte nicht vorzugsweise Berücksichtigung vor den anderen Aktionären, auch nicht zu diesem Zweck die Auflösung der Gesellschaft oder Kapitalherabsetzung verlangen. Andere Ansicht vertreten Moos, Z H R 70, 184; Wielandt Z H R 64, 95; sowie Lobedanz, Einfluß von Willensmängeln usw., 170. 3. Fehlender Wille Anm. 8: Den vorstehend erörterten Fällen ist allen gemeinsam, daß der Übernehmer von Aktien die Aktienübernahme gewollt hat, wenn auch sein Wille unzulässig beeinflußt gewesen ist. Davon verschieden ist der Fall, daß ein Wille des Übernehmers, Aktien zu übernehmen, überhaupt nicht vorgelegen hat. Hierher gehört zunächst der Fall des Scheins oder der mangelnden Ernsthaftigkeit. Beinahe von selbst versteht sich, daß eine Berufung hierauf ausgeschlossen ist. Dagegen macht Geschäftsunfähigkeit unter den Voraussetzungen der §§ 104, 105, II BGB die abgegebene Willenserklärung auch dann nichtig, wenn sie die Übernahme von Aktien zum Inhalt hat und die Gesellschaft eingetragen worden ist (ebenso Würdinger 116; jetzt auch Fischer in Großkomm. § 2 Anm. 4). Der Vormund bedarf zur Gründung und zur Übernahme von Aktien der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes regelmäßig nicht (herrschende Meinung; auch Baumbach-Hueck, Anm. 2 A zu § 2 hat sich nunmehr der herrschenden Ansicht angeschlossen), wohl aber zur Sacheinlage, welche in einem Grundstück oder in einem Erwerbsgeschäft oder im Vermögen des Mündels im ganzen besteht (§ 1821 Nr. 1 u. 2; § 1822 Nr. 2 und 3 BGB). Wird die Genehmigung verweigert, so ist der Vertrag unwirksam; ist die Eintragung versehentlich erfolgt, so ist § 27 II, Satz 2 nicht etwa entsprechend anwendbar. Die Mitgründer werden nach § 46 II einzutreten haben. Es ist jedodi zu berücksichtigen, daß die AG ohne die Sacheinlage meist ihren Zweck nicht erreichen kann, so daß sie in der Regel aufzulösen sein wird. 110
Vorbemerkung zu § 23
Vorbem. § 23 Anm. 9
4. Folgen der Nichtigkeit einer Beitrittserklärung Anm. 9: Die unmittelbare Folge der Nichtigkeit einer Beteiligungserklärung, deren wichtigster Fall die verborgene Geisteskrankheit sein dürfte, ist: a) daß ein Gründer weniger — vielleicht nach § 2 zu wenig — vorhanden ist; dies ist nach § 275 unschädlich; b) daß das satzungsmäßige Grundkapital nicht übernommen ist. Hier greift die Haftung der Gründer, Gründergenossen und sonst nach § 46, 51, 93 III Nr. 4, 116 haftenden Personen ein, die freilich ausfallen oder wertlos sein kann; c) daß der Anspruch auf die Sacheinlage entfällt, wenn die nichtige Erklärung eine solche zum Gegenstand hatte. Auch die unter b) und c) genannten Folgen begründen nach § 275 nicht die Nichtigkeit der Gesellschaft; die Folge b) auch dann nicht, wenn die Haftung nicht besteht oder wertlos ist. Insbesondere hat die Nichtigkeit der Erklärung auch nicht zur Folge, daß einer der übrigen Gründer Nichtigkeit des ganzen Gesellschaftsvertrages, also auch seiner Erklärung, geltend machen könnte; denn dem steht gerade § 275 entgegen. Da sonach die Gesellschaft mit dem satzungsmäßigen Grundkapital ins Leben getreten ist, sind auch die der nichtigen Übernahmeerklärung entsprechenden Aktien entstanden. Sie stehen aber nicht, wie nach bisherigem Recht angenommen werden konnte (vgl. Voraufl. und Würdinger Seite 117), der AG zu. Gem. § 2 sind sämtliche Aktien von den Gründern zu übernehmen. Daraus ergibt sich, daß auch diese Aktien von den Gründern übernommen werden müssen. Es kann natürlich ein neuer Gründer gesucht werden, mit dem jedoch der gesamte Gründungsvorgang neu vorgenommen werden muß. Gelingt es weder auf dem einen noch auf dem anderen Weg, das Grundkapital zu decken, so muß es herabgesetzt werden (so schon nach früherem Recht Schmidt in Großkomm. § 2 Anm. 4 a). Was die Rückzahlung der von der Nichtigkeit betroffenen Einlage angeht, so ist auch hier zu beachten, daß es sich nicht um die Rückgabe der Einlage im eigentlichen Sinne handelt, daß vielmehr der Erklärende, dessen Erklärung nichtig war, nicht Gesellschafter, sondern Gläubiger ist, daß sonach im Falle einer Kapitalherabsetzung seine Rückgabeforderung während der Sperrfrist zu erfüllen ist. Bei der Kapitalherabsetzung sind die Urkunden der Aktien zu vernichten, welche durch die nichtige Erklärung übernommen worden waren. Besteht doch auch bei einer gewöhnlichen Kapitalherabsetzung nicht die Notwendigkeit, daß alle Aktienurkunden gleichmäßig vernichtet werden, wenn der Vernichtung bloß eines Teiles der Aktienurkunden die davon Betroffenen zustimmen. Sinkt infolge der Kapitalherabsetzung das Grundkapital unter DM 100 000,—, ohne daß gleichzeitig Wiedererhöhung nach § 235 durchgeführt werden kann, so wird die AG aufgelöst. Die Auflösung ist auch zu beschließen, wenn die AG ohne die nichtige Einlage nicht lebensfähig er111
Vorbem. § 2 3 / § 23 Anm. 9,10
Gründung der Gesellschaft
scheint. Hat der Geschäftsunfähige nach Bewirkung seiner Einlage die Aktien weiter veräußert, so ergibt sich daraus keine von Vorstehendem abweichende Folgerung. Das von ihm vorgenommene Veräußerungsgeschäft ist unwirksam, das nächste Veräußerungsgeschäft ist zwar wirksam, in beiden Fällen erwirbt der Erwerber aber ein Nichts, auch der Zweite. Letzterer kann aus dem Veräußerungsvertrag gegen seinen Vormann Rückgriff nehmen, da dieser für den Bestand des Rechtes haftet. Dem Abnehmer des Geschäftsunfähigen verbleibt nur ein Bereicherungsanspruch. Der Geisteskranke selbst aber kann in dem einen wie in dem anderen Falle das von ihm an die Gesellschaft Geleistete zurückverlangen. Er kann zwar den Wegfall seiner Bereicherung seinem Abnehmer gegenüber einwenden, obwohl er den Anspruch gegen die Gesellschaft noch hat, denn um diesen war er niemals auf Kosten seines Abnehmers bereichert. Es kann aber niemals die Gesellschaft dem Geisteskranken gegenüber einwenden, daß sie nicht auf seine Kosten bereichert sei, weil er für die Aktien einen Gegenwert durch ihre Veräußerung bekommen habe; denn, wenn er diesen selbst noch hat, ist er verpflichtet, ihn herauszugeben. Anm. 10: Über bürgerlich-rechtliche Formmängel bei der Sacheinlage und Sachübernahme siehe § 27 Anm. 9. § 23 Feststellung der Satzung (1) Die Satzung muß durch gerichtliche oder notarielle Beurkundung festgestellt werden. Bevollmächtigte bedürfen einer geriditlich oder notariell beglaubigten Vollmacht. (2) In der Urkunde sind der Nennbetrag, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien anzugeben, die jeder Gründer übernimmt. (3) Die Satzung muß bestimmen 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 2. den Gegenstand des Unternehmens; namentlich ist bei Industrie- und Handelsunternehmen die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt und gehandelt werden sollen, näher anzugeben; 3. die Höhe des Grundkapitals; 4. die Nennbeträge der einzelnen Aktien und die Zahl der Aktien jeden Nennbetrags sowie, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der einzelnen Aktien; 5. die Zusammensetzung des Vorstands; 6. die Form der Bekanntmachung der Gesellschaft. (4) Die Satzung kann von den Vorschriften dieses Gesetzes nur abweidien, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Ergänzende Bestimmungen 112
Feststellung der Satzung
§ 23
Anm. 1,2
der Satzung sind zulässig, es sei denn, daß dieses Gesetz eine abschließende Regelung enthält. I. Übersicht (Anm. 1) II. Vorgründungsvertrag (Anm. 2) III. Feststellung der Satzung 1. Form für die Feststellung (Anm. 3) 2. Feststellung durdi Bevollmächtigte (Anm. 4) IV. Notwendiger Satzungsinhalt 1. Allgemeines (Anm. 5) 2. Firma (Anm. 6) 3. Sitz (Anm. 7) 4. Gegenstand des Unternehmens (Anm. 8) 5. Höhe des Grundkapitals (Anm. 9) 6. Zerlegung des Grundkapitals a) Verschiedene Nennbeträge (Anm. 10)
b) Verschiedene Aktiengattungen (Anm. 11) 7. Zusammensetzung des Vorstandes (Anm. 12) 8. Form der Bekanntmachung (Anm. 13) V. Gesetzeswidrige Satzungsbestimmung (Anm. 14) VI. Ergänzende Satzungsbestimmungen (Anm. 15) VII. Möglichkeit der Satzungsänderung (Anm. 16) VIII. Auslegung der Satzung (Anm. 17) IX. Übernahme der Aktien 1. Übernehmer (Gründer) (Anm. 18) 2. Übernahmeerklärung (Anm. 19—22)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt im wesentlichen mit dem § 16 AktG 37 überein. In Absatz 2 heißt es „Gründer" und nidit mehr „Beteiligte", da gem. § 2 die Gründer nunmehr alle Aktien bei der Gründung übernehmen müssen, die Stufengründung also fallengelassen worden ist. Absatz 3 Nr. 2 ist genauer gefaßt worden, da in der Praxis die ungenaue Formulierung in § 16 AktG 37 dazu benutzt wurde, durch ganz allgemeine, farblose Bezeichnungen den Gegenstand des Unternehmens zu bestimmen. Abs. 3 Nr. 4 bestimmt neu, daß nicht nur die verschiedenen Gattungen, sondern auch die Stückzahl der Aktien, die mit verschiedenen Nennbeträgen ausgegeben werden, in der Satzung angegeben sein müssen. Neu eingefügt ist Abs. 4 (vgl. hierzu Anm. 21 und 24). II. Vorgründungsvertrag Anm. 2: Von dem Gründungvertrag ist zu unterscheiden der Vorgründnugsvertrag, durch den eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nach § 723 BGB bei wichtigem Grunde kündbar ist, eingegangen wird mit dem Zweck, die Gründung einer AG herbeizuführen. Er ist hauptsächlich üblich bei Sacheinlagen (bestehendes Erwerbsgeschäft). Dieser Vorvertrag muß genügend bestimmbar sein (vgl. RG 156, 138; BGH Lind-Möhr §705 BGB Nr. 3). Nach RG 156, 138 genügt Bestimmbarkeit evtl. durch Richterspruch, sogar für die Höhe des Grundkapitals, z. B., wenn dafür die der Gründung vorangehende Bilanz des einzubringenden Geschäftes für maßgebend erklärt wird. 113 8
Wilhelmi, Aktiengesetz
§23 Anm. 2—4
G r ü n d u n g der
Gesellschaft
Bestimmungen von unwesentlicher Bedeutung können einem Mehrheitsbeschluß der Gründer vorbehalten werden. Ob dieser Vorvertrag der notariellen Beurkundung bedarf, hängt vom Inhalt und Zweck der für den Hauptvertrag normierten Formvorschrift; ab. Soll das Formerfordernis für den Hauptvertrag eine formlose Bindung unmöglich machen und einen der Beteiligten vor unbedachten Vertragsabschlüssen schützen, so bedarf auch der Vorvertrag, der die Verpflichtung zum Abschluß des formbedürftigen Hauptvertrages beinhaltet, der für diesen Hauptvertrag normierten Form. Wäre das nicht der Fall, so könnte auf Grund eines formlos abgeschlossenen Vorvertrages der Abschluß des formbedürftigen Hauptvertrages auf dem Klagewege erzwungen werden. Der Zweck der Formvorschrift könnte mithin nicht erreicht werden. Es kommt daher auf den Zweck an, der durch das Formerfordernis für den Gründungsvertrag erreicht werden soll. Die Gründer sollen geschützt werden, indem ihnen die Bedeutsamkeit der abzugebenden Willenserklärungen klar vor Augen geführt werden soll. Nach herrschender Meinung (Fischer in Großkommentar § 16 Anm. 23; Würdinger, 96; Baumbach-Hueck § 16 Anm. 6; Robert Fischer G.m.b.H.Rundsch. 1954, 129; a. A. Ritter § 2 Anm. 5) und der Rechtsprechung des Reichsgerichtes (RG 102, 276; 106, 124; 130, 70; 156, 129) bedarf daher auch der Vorvertrag der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Von den Vorverträgen zu unterscheiden sind Konsortialverträge (gleichfalls Gesellschaftsverträge), welche den Vertrieb der Aktien nach Eintragung der AG zum Gegenstand haben, wie alle Arten von Verträgen, welche ohne Mitwirkung bei der Gründung für den Fall geschlossen werden, daß die AG gegründet und eingetragen wird (z. B. Kauf und Verkauf von Aktien). III. Feststellung der Satzung 1. Form für die Feststellung Anm. 3: Das Gesetz schreibt Feststellung der Satzung in gerichtlicher oder notarieller Urkunde vor. Maßgebend sind die Bestimmungen des FGG (§§ 167 ff.). Das Fehlen der Form macht die Gesellschaft nichtig (§ 125 BGB). Die Gesellschaft kann nicht eingetragen werden, bleibt auch trotz Eintragung unheilbar nichtig (§ 275 — bestritten — ; so auch Schi.-Qu. § 16, Anm. 4, § 216 Anm. 3; a.A. Fischer in Großkomm. § 16 Anm. 21). 2. Feststellung durch
Bevollmächtigte
Anm. 4: Für die Vollmacht schreibt das Gesetz öffentliche Beglaubigung vor. Es ist eine Formvorschrift, von deren Erfüllung die Gültigkeit der Vollmacht abhängt. Liegt bei Abschluß des Vertrages eine formgültige Vollmacht nicht vor, so ist ein Handeln eines vollmachtlosen Vertreters gegeben, das genehmigt werden kann, wobei allerdings die Genehmigung entgegen § 182 II BGB der öffentlichen Beglaubigung bedarf (ebenso Fischer in Großkomm. 114
Feststellung der Satzung
§23 Anm. 4—8
§16 Anm. 6; Ritter § 16 Anm. 3). Insoweit wird die Ansicht der vorigen Auflage aufgegeben, in der wegen der Einheitlichkeit des Rechtsaktes die Genehmigung des ohne formgerechte Vollmacht abgeschlossenen Vertrages für ausgeschlossen gehalten wurde. Die Genehmigung wirkt aber gem. § 184 I BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Geschäftes zurück, so daß die Einheitlichkeit des Rechtsaktes nicht beeinträchtigt wird. Derselbe Bevollmächtigte kann mehrere Gründer vertreten. Es werden alle seine Vollmachtgeber als Gründer gezählt. Diese tragen die vermögensund strafrechtliche Haftung. Im Zweifel wird man annehmen, daß der Bevollmächtigte von § 181 BGB befreit ist und mit sich selbst abschließen darf. Prokuristen bedürfen nach herrschender Meinung keiner besonderen Vollmacht. Der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen bedarf keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (vgl. Vorbem. vor § 23 Anm. 7; über Strohmann vgl. § 2 Anm. 5). IV. Notwendiger Satzungsinhalt 1. Allgemeines Anm. 5: Der notwendige Satzungsinhalt ergibt sich aus Abs. 3; fehlt eine Bestimmung über einen der nachfolgenden Punkte (Anm. 6 bis 11 u. 13), so ist die Gesellschaft nach § 275 nichtig, d. h., es kann Nichtigkeitsklage erhoben oder die Gesellschaft von Amts wegen gelöscht werden. Mit Ausnahme der Nr. 3 u. 4 ist jedoch in allen Fällen Heilung des Mangels durch Satzungsänderung gestattet (§ 276). 2. Firma Anm. 6: Über Firma, vgl. Erläuterungen zu § 4. 3. Sitz Anm. 7:
Über Sitz, vgl. Erläuterungen zu § 5 — Sitzverlegung § 42.
4. Gegenstand des Unternehmens Anm. 8: Über den Gegenstand siehe § 3 Anm. 1. Die Angabe eines falschen Gegenstandes macht die Satzung (heilbar) nichtig; daraus entspringt auch das Erfordernis der Bestimmtheit der Satzungsangabe. Gegenüber der früheren Bestimmung ist in § 23 III Nr. 2 zum Ausdruck gekommen, daß eine genaue Bezeichnung verlangt wird, so daß jeder Dritte weiß, womit sich die Gesellschaft befaßt. Die im Gesetz nunmehr normierte Bestimmtheit der Angabe ist bereits zur früheren Vorschrift von Literatur und Rechtssprechung verlangt worden. Der Gesetzgeber hat die Aufnahme einer besonderen Bestimmung für notwendig gehalten, weil in der Praxis häufig hiergegen verstoßen worden ist. Bestehende Satzungen sind der 115
§23 Anm. 8—12
G r ü n d u n g der Gesellschaft
neuen Vorschrift anzupassen. § 8 EG bestimmt hierfür keine Frist, jedoch das gleiche wie § 9 EG, vgl. daher § 10 Anm. 6. Wenn die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt und gehandelt werden sollen, anzugeben ist, so bedeutet das nicht, daß die Erzeugnisse und Waren einzeln aufzuführen sind. Veränderungen innerhalb der Art bedürfen deshalb auch keiner Satzungsänderung. Diese ist nur erforderlich, wenn Erzeugnisse oder Waren ganz anderer als in der Satzung angegebenen Art erzeugt oder gehandelt werden. 5. Höhe des Grundkapitals Anm. 9: Uber Grundkapital, siehe § 6 Anm. 3 u. 4; über Mindesthöhe § 7. Der Nennbetrag des Grundkapitals muß angegeben sein; es genügt nicht, daß er aus Zahl und Nennbetrag der Aktien errechnet werden kann. 6. Zerlegung des Grundkapitals a) Verschiedene Nennbeträge Anm. 10: Über Zerlegung des Grundkapitals in Aktien, sowie über den Nennbetrag, siehe § 6 Anm. 2; Mindestnennbetrag siehe § 8. Es ist nicht erforderlich, daß alle Aktien gleichen Nennbetrag haben, es ist aber nunmehr kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung die Angabe erforderlich, wieviel insgesamt von Aktien des einen und von Aktien eines anderen Nennbetrages ausgegeben worden sind. Damit ist die frühere Streitfrage geklärt worden. h) Verschiedene Aktiengattungen Anm. 11: Über Aktiengattungen vgl. §11. Es müssen nicht nur die Aktiengattungen nach ihren unterschiedlichen Merkmalen bestimmt, sondern auch die Beträge angegeben sein, in denen die einzelnen Gattungen ausgegeben werden. Verschiedene Nennbeträge allein schaffen keine Aktiengattungen. 7. Zusammensetzung des Vorstandes Anm. 12: Unter der Zusammensetzung des Vorstandes ist die Zahl der Vorstandsmitglieder gemeint (§ 76, II). Es genügt aber die grundsätzliche Angabe, ob der Vorstand aus einer oder mehreren Personen zu bestehen habe (str., vgl. Anm. zu § 76). Ist ein mehrgliedriger Vorstand, aber nicht eine bestimmte Zahl von Vorstandsmitgliedern vorgesehen, wird diese vom Aufsichtsrat bestimmt, aber nicht etwa grundsätzlich ein für allemal, worin eine Satzungsänderung läge, wozu nur die Hauptversammlung zuständig ist (§ 179), da er die Vorstandsmitglieder zu bestellen hat (§ 84). Über die Geschäftsführung und Vertretungsbefugnisse eines mehrgliedrigen Vorstandes braucht die Satzung nichts zu bestimmen. Es gilt dann die gesetzliche Regelung der §§ 77 und 78. Da diese den Bedürfnissen der Praxis 116
Feststellung der Satzung
§23 Anm. 12—16
aber meist nicht entsprechen, empfiehlt sich die Regelung in der Satzung (im einzelnen Anm. zu §§ 77 und 78). Zur Bestellung des Vorstandes zuständig ist nach zwingender Vorschrift (§ 84) der Aufsichtsrat. In der Auswahl der Personen ist er grundsätzlich frei, jedoch kann in der Satzung bestimmt werden, daß nur solche Personen, die gewisse Erfordernisse erfüllen, gewählt werden können, beispielsweise solche mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit oder die Aktionäre sind u. ä. Audi die Einräumung eines Vorschlagsrechts ist denkbar, niemals aber bindend (ebenso Schmitt-Meyer-Landrut § 75 Anm. 2 und 7). 8. Form der Bekanntmachung Anm. 13: Unter Form der Bekanntmachung sind die Mittel der Bekanntmachung, ob Einzelmitteilung (durch eingeschriebenen Brief, Zustellung) oder Bekanntmachung in Gesellschaftsblättern zu verstehen. Letzteres ist für viele Fälle gesetzlich vorgeschrieben. Eine Satzungsbestimmung, welche den Vorstand oder Aufsichtsrat ermächtigt, genügt der gesetzlichen Vorschrift nicht. Dagegen kann es Vorstand und Aufsichtsrat überlassen werden, darüber zu befinden, wie oft eine Bekanntmachung zu wiederholen ist. Darüber braucht sich die Satzung nicht zu äußern, weil es nicht zur Form gehört (vgl. MöhringSchwarz, 23), über die Gesellschaftsblätter siehe § 25. V. Gesetzeswidrige Satzungsbestimmung Anm. 14: Gesetzeswidrige Satzungsbestimmungen sind nichtig, ohne die ganze Satzung nichtig zu machen, wenn es sich nicht um eine Nr. des Absatzes 3 handelt. Während das AktG 37 der Gesellschaftsautonomie weitestgehend den Vortritt überließ, bestimmt nunmehr Abs. 4 S. 1, daß die Satzung von den Vorschriften dieses Gesetzes nur dann abweichen darf, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist. Nichtig ist eine Satzungsbestimmung auch dann, wenn sie zwar nicht im Widerspruch zu einer Norm dieses Gesetzes, wohl aber zum Wesen der Aktiengesellschaft steht. VI. Ergänzende Satzungsbestimmungen Anm. 15: Zu der bisher strittigen Frage, inwieweit ergänzende Bestimmungen der Satzung möglich sind, bestimmt Abs. 4 Satz 2, daß sie dann zulässig sind, wenn die Materie nicht bereits durch dieses Gesetz abschließend geregelt ist. Ob das der Fall ist, muß jeweils geprüft werden. VII. Möglichkeit der Satzungsänderung Anm. 16: Die bei der Gründung festgestellte Satzung ist nicht unabänderlich. Die Möglichkeit der Satzungsänderung kann nicht einmal ausgeschlossen 117
§ 23
Anm. 16,17
G r ü n d u n g der Gesellschaft
werden (vgl. Anm. zu § 179), jedoch können gewisse Bestimmungen nur in der ursprünglichen Satzung getroffen werden, wie die Zwangseinziehung (§ 237) und die Sadieinlage (§ 27). VIII. Auslegung der Satzung Anm. 17: Die Auslegung der Satzung erfolgt nach den §§ 133, 157 BGB (RG 159, 326; 164, 140; 165, 73), doch müssen, wie immer, bürgerlich rechtliche Vorschriften hinter aktienrechtlichen Grundsätzen zurücktreten. Zu beachten ist daher in erster Linie die Formvorschrift. Auch unter den Gründern gelten daher die §§ 133, 157 BGB nur insoweit, als das Ergebnis einer solchen Auslegung noch durch die vorhandene urkundliche Form gedeckt ist. Die Satzung gilt aber auch für einen unbegrenzten, an der Gründung nicht beteiligten Personenkreis, deshalb sind zu ihrer Auslegung Umstände, welche aus der Satzung selbst nicht hervorgehen, nur verwertbar, wenn sie der Öffentlichkeit zugänglich sind, wie die Registerakten, aber im allgemeinen nicht Erklärungen der Parteien bei der Gründungsverhandlung, noch weniger die Absicht des Verfassers der Satzung. RG 159, 326 hat von dem Grundsatz, daß Deutungen einer Satzungsvorschrift, die für den Außenstehenden nicht erkennbar sein konnten, nicht möglich sind (obwohl dieser Grundsatz in der angegebenen Entscheidung noch einmal ausdrücklich Erwähnung gefunden hat), eine Ausnahme zugelassen: Bei unklaren Satzungsvorschriften, die einer mehrfachen Auslegung fähig sind und eine endgültige Auslegung erfordern, soll es zulässig sein, alle Behelfe heranzuziehen, auch wenn sie nicht im Gesellsdiaftsvertrag selbst oder wenigstens im Handelsregister oder den zugehörigen Akten enthalten sind. Diese Ansicht ist aber jedenfalls dann bedenklich, wenn die Auslegung unter Verwertung solcher Dritter nicht zugänglichen Behelfe zu einer Minderung der Pflichten gegenüber der AG oder zu Ansprüchen gegen die AG führt. Nach RG 164, 140 können zur Auslegung von Satzungsbestimmungen, welche nicht für die Gläubiger und künftigen Gesellschafter von Bedeutung sind, auch Umstände mitberücksichtigt werden, die nicht gerade aus der Satzung, aus dem Handelsregister und den zugehörigen Akten hervorgehen. Inwieweit derartige Satzungsvorschriften, deren Inhalt nicht wenigstens aus anderen Satzungsbestimmungen oder allgemein zugänglichen Auslegungsbehelfen eindeutig bestimmt werden kann, als nichtig anzusehen sind, so daß u. U., wenn sie den wesentlichen Satzungsinhalt betreffen, die ganze AG nach Maßgabe des § 275 der Nichtigkeit (Auflösung) anheimfallen kann, entscheidet die Interessenlage. Aus der Dogmatik sich ergebende, in jedem Fall befriedigende Grundsätze aufzustellen, ist um deswillen nicht möglich, weil eben die Satzung ursprünglich ein Vertrag unter den Gründern, gleichzeitig aber dazu bestimmt ist, ein neues rechtliches Wesen ins Leben zu rufen, welches in den allgemeinen Verkehr eintreten soll (ähnlich Ritter Anm. 8). Wie sich das 118
Feststellung der Satzung
§23 Anm. 17—20
Reichsgericht nach dem oben ausgeführten in RG 159, 326 in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen widerspricht, weil jeder dieser Sätze einen allgemeinen Grundsatz aufstellt, so erscheint auch die vorangegangene Rechtssprechung des Reichsgerichtes nicht einheitlich (siehe hierüber Ritter a.a.O.). Die Auslegung darf schon wegen des Formerfordernisses nie zu einer Ergänzung der Satzung führen. In ständiger Rechtssprechung nimmt das Reichsgericht für die Revisionsinstanz in Anspruch, die Auslegung der Satzung nachzuprüfen (vgl. RG 159, 326). Dieser Rechtssprechung hat sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen (BGH 9,281; 14, 36; 15, 328; 36, 296). IX. Übernahme der Aktien 1. Übernehmer (Gründer) Anm. 18: Die Feststellung einer Satzung allein begründet keine AG. Es müssen auf Grund der Satzung Aktien übernommen werden, und zwar bestimmt das Gesetz (§ 2), daß wenigstens 5 Personen sich sowohl an der Feststellung der Satzung beteiligen, als auch sämtliche Aktien übernehmen müssen. Diese bezeichnet es als Gründer und macht sie Vermögens- und strafrechtlich für die Ordnungsmäßigkeit der Gründung verantwortlich. Es ist nicht notwendig, daß alle Personen Aktien übernehmen, welche die Satzung festgestellt haben. Haben mehr als 5 Personen dabei mitgewirkt, genügt es dennoch, wenn nur 5 davon sämtliche Aktien übernehmen. 2. Übernahmeerklärung Anm. 19: Über den Inhalt der Aktienübernahmeerklärung bestimmt Abs. 2, daß daraus der Nennbetrag, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien hervorgehen müssen, die jeder Gründer übernimmt. Es genügt, wenn im Wege der Auslegung sich der gesetzliche Inhalt der Übernahmeerklärung ermitteln läßt. Würde das nicht möglich sein, würde es an einer rechtswirksamen Übernahmeerklärung fehlen und es müßte insoweit die Übernahmeerklärung wiederholt werden, da sämtliche Aktien von den Gründern übernommen werden müssen. Es müssen daher bezüglich sämtlicher Aktien rechtswirksame Übernahmeerklärungen vorliegen. Über Nennbetrag und Mindestnennbetrag siehe Anm. 3 u. 4 zu § 6, § 8, Ausgabebetrag § 9, über Aktiengattung § 11. Anm. 20: Bezüglich der Natur der Übernahmeerklärung bestand früher Streit (vgl. hierzu ausführlich die vorige Auflage § 16 Anm. 8). Dieser Streit ist heute hinsichtlich der Gründung der Gesellschaft gegenstandslos geworden, da es mit dem Wegfall der §§ 22 II und 30 AktG 37 sowohl die nachträgliche Aktienübernahme durch die Gründer als auch die Stufengründung nicht mehr gibt; gemäß § 2 sind vielmehr alle Aktien von vornherein von den Gründern zu übernehmen. Ein Eingehen auf den Theorienstreit ist daher hier entbehr119
§23 Anm. 20—22
Gründung der Gesellschaft
lieh; anderes gilt für die Zeichnung von Aktien bei der Kapitalerhöhung. Hier handelt es sich um Übernahmeerklärungen gegenüber der bereits bestehenden Aktiengesellschaft;, also um einen der früheren Stufengründung ähnlichen Vorgang (vgl. Anm. zu § 185). Auch die Frage, ob die Erklärung den anderen Mitgründern zugegangen sein muß, hat deswegen keine Bedeutung, da die Feststellung der Satzung und die Übernahme der Aktien durch die Gründer in einem einheitlichen Akt in derselben Urkunde bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Beteiligten oder deren Vertreter zu erfolgen hat, so daß alle abgegebenen Erklärungen begriffsnotwendig auch zugehen. Es bedarf auch keiner ausdrücklichen Zuteilung der Aktien (s. § 29, Anm. 3), da sämtliche Aktien gleichzeitig übernommen werden. Damit steht auch ihre Aufteilung auf die Gründer fest. Sind — versehentlich — mehr Aktien übernommen als zur Entstehung gelangen, sind sämtliche Übernahmeerklärungen und damit der ganze Gründungsakt ebenso nichtig, wie, wenn nicht sämtliche Aktien übernommen sind. Anm. 21: Über die Vorbehaltlosigkeit und Unbedingtheit der Übernahmeerklärungen war früher nur bei der Stufengründung (§ 30 AktG 37) die Rede, die nunmehr weggefallen ist. Aber auch die Ubernahmeerklärungen der Gründer bei der Feststellung der Satzung müssen vorbehaltlos und unbedingt sein. Das ergibt sich schon daraus, daß der gesetzlichen Vorschrift, daß wenigstens 5 an der Feststellung der Satzung beteiligte Personen sämtlidie Aktien übernehmen müssen, nicht genügt wäre, wenn ihre Übernahme bedingt oder mit Vorbehalten versehen wäre. Anm. 22: Über die Form der Übernahmeerklärung ist im Gesetz unmittelbar nichts gesagt. Aus dem Wortlaut des § 2, wie aus demjenigen des Abs. 2 der vorliegenden Gesetzesstelle ist anschaulich zu entnehmen, daß nach der Vorstellung des Gesetzes die Feststellung der Satzung und die Übernahme sämtlicher Aktien durch wenigstens 5 Personen, die bei der Feststellung der Satzung mitgewirkt haben, in einem einheitlichen Akt in derselben Urkunde durch alle Gründer — die sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen können — zu erfolgen hat (ebenso Fischer in Großkomm. § 16, Anm. 2; a. A. Schl.Qu. § 16 Anm. 6). Die Übernahmeerklärung darf der Feststellung der Satzung niemals vorangehen; dies ist eine gesetzliche Vorkehrung gegen den Gründungsschwindel; sie darf aber auch der Feststellung der Satzung nicht nachfolgen, da die Errichtungsurkunde neben der Feststellung der Satzung (Abs. 1) die Bestimmung enthalten muß, wer welche Aktien übernimmt (Abs. 2). Daraus folgt, daß die Übernahme der Aktien gleichzeitig mit der Feststellung der Satzung zu erfolgen hat und, daß die Formvorschrift des Abs. 1 auch für die Aktienübernahmeerklärung des Abs. 2 gilt. 120
Inhaber- und Namensaktien
§§23/24
Anm. 22 /1—3 Es erhebt sich die Frage, ob der laut Vollmachtsurkunde lediglich zur Feststellung der Satzung Bevollmächtigte auch im Namen des Vertretenen die Übernahmeerklärung abgeben kann. Die Übernahmeerklärung gehört begriffsnotwendig zur Feststellung der Satzung (siehe oben). Wird daher jemand zur Feststellung der Satzung bevollmächtigt, so liegt darin gleichzeitig die Vollmacht, die Übernahme der Aktien zu erklären. Sollte in der Vollmachtsurkunde die Vertretung hinsichtlich der Übernahmeerklärung ausgeschlossen sein, so liegt auch für die Feststellung der Satzung keine gültige Vollmacht vor; denn es können keine zur Feststellung gehörenden Vorgänge ausgenommen werden, da anderenfalls die Feststellung nicht erfolgen kann. In diesem Fall hat daher ein vollmachtloser Vertreter gehandelt, dessen Erklärungen genehmigt werden müssen (siehe Anm. 4). § 24 Inhaber- und Namensaktien (1) Die Aktien sind als Inhaberaktien auszustellen, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. § 10 Abs. 2 bleibt unberührt. (2) Die Satzung kann bestimmen, daß auf Verlangen eines Aktionärs seine Inhaberaktie in eine Namensaktie oder seine Namensaktie in eine Inhaberaktie umzuwandeln ist. Anm. 1: Die neugefaßte Bestimmung des § 24 geht nicht mehr — wie § 17 AktG 37 — von der Namensaktie als Regelfall aus. Die Inhaberaktie hat sich in der Praxis so eindeutig gegenüber der Namensaktie durchgesetzt, daß auch das Gesetz nunmehr von ihr als Regelfall ausgeht — Abs. 1 — (vgl. über die beiden Arten § 10, Anm. 2). Anm. 2: Wenn auch Aktien als Inhaberaktien auszugeben sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, so bleibt die ausdrückliche gesetzliche Bestimmung des § 10 Abs. 2 unberührt. Das bedeutet, daß, auch wenn die Satzung keine Angaben über die Art der auszugebenden Aktien enthält, entgegen § 24 Abs. 1 nur auf den Namen lautende Aktien ausgegeben werden dürfen, wenn die Ausgabe von der vollen Leistung des Nennbetrages erfolgt (s. im einzelnen, insbesondere über die Folgen eines Verstoßes § 10, Anm. 3). Anm. 3: Das Gesetz überläßt die Bestimmung der Aktienart grundsätzlich der Gesellschaftsautonomie und regelt nur den Fall, daß die Satzung eine Bestimmung hierüber nicht enthält. Die Satzung kann daher auch Namensaktien vorsehen oder die Bestimmung dem Vorstand überlassen (h.A.; abweichend Ritter § 17, Anm. 1). Da sich das Nebeneinanderbestehen beider Arten bei derselben AG als mögliche Folge des Abs. 2 ergibt, kann die Satzung auch von vornherein beide Arten nebeneinander vorsehen. 121
§24 Anm. 4—6
Gründung der Gesellschaft
Anm. 4: Daß nachträglich ein Wechsel durch Satzungsänderungsbeschluß bestimmt werden kann (Zwangsumwandlung), so daß alle Inhaber- oder alle Namensaktien umgetauscht werden können oder müssen, wird von der herrschenden Meinung für den Fall angenommen, daß bei Schaffung der Aktien ein entsprechender Vorbehalt in der Satzung gemacht wurde, und ist im übrigen bestritten, aber zu bejahen, weil das Gesetz nidit wie in anderen Fällen vorschreibt, daß die Bestimmung in der ursprünglichen Satzung getroffen sein müsse und ein zwingender Grundsatz des Aktienrechts dem nicht entgegensteht (a.A. Schl.-Qu. § 17 Anm. 6 bis 8; und ihnen folgend MöhringSchwarz, weil die Aktiengesellschaft kein Mittel habe, die Einreichung der Aktien zu erzwingen); uns scheint § 73 anwendbar (so auch Dietrich, Soz.Prax. 40, 303; Fischer in Großkomm. Anm. 7; Ritter Anm. 3; a. A. Teichmann-Köhler unter Berufung auf OLGR 43, 298, welche zur Voraussetzung machen, daß die Satzung die Zwangsumwandlung zuläßt). Anm. 5: Die Bedeutung der Satzungsbestimmung liegt darin, daß Urkunden, die der Satzung nicht entsprechen, keine ordnungsgemäßen Verbriefungen des Aktienrechts sind. Der Aktionär kann ihre Entgegennahme ablehnen und eine der Satzung entsprechende Urkunde verlangen. Das Gesetz schweigt über die Folgen eines Verstoßes gegen die Satzung für die Gültigkeit der Urkunde und ihre Fähigkeit, ihre Bestimmung — Verbriefung des Rechts, Rechtsausweis, Übertragung des Rechts — zu erfüllen. Die Frage ist bestritten. Daraus, daß das Gesetz auf die Gesellschaftsautonomie verweist, ist an sich zu folgern, daß es diese in vollem Umfange als maßgebend für alle einschlägigen Fragen erklärt. Daraus würde sich folgerichtig ergeben, daß die in Widerspruch zur Satzung ausgegebenen Inhaber- und Namensaktien ungeeignet sind, das Recht zu verkörpern und weder den Berechtigten ausweisen, noch durch ihre Ubergabe den Rechtsübergang bewirken können, also ungültig sind (ebenso Ritter § 17 Anm. 1; a.A. Fischer in Großkomm. § 17 Anm. 4; Schl.-Qu. § 17 Anm. 2; Baumbach-Hueck § 17 Anm. 1). Die Gegenmeinung hält die unrichtig ausgegebene Aktie deswegen für gültig, weil die Verkehrssicherheit bei einem anderen Ergebnis zu sehr gefährdet würde. Da nunmehr die Inhaberaktie die Regel bildet, wird die Gegenmeinung nicht aufrechterhalten werden können, da die Gefährdung der Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben ist. Die Folgerichtigkeit spricht für die Ungültigkeit der Urkunde. Anm. 6: Der Umtausch der Inhaber- in die Namensaktie und umgekehrt ist auf Verlangen des Aktionärs statthaft, wenn die Satzung es dem Vorstand überlassen hat, welche Aktienart er ausgeben will (Anm. 4) und vorzunehmen, wenn das Recht des Umtausches in der Satzung vorgesehen ist. Auch ein Zwangsumtausch ohne Verlangen des Aktionärs ist zulässig, sei es durch Mehrheitsbeschluß, wenn die Satzung es vorsieht, oder durch Bekanntmachung des 122
Bekanntmachung der Gesellschaft
§§ 24 / 25
Anm. 6—9
Vorstandes, wenn diesem in der Satzung die Bestimmung überlassen wurde. Dieser Fall des Zwangsumtausches unterscheidet sich von dem zu erörternden Fall der Satzungsänderung dadurch, daß in letzterem eine mit dem Satzungsänderungsbeschluß nicht mehr übereinstimmende Aktie nach der Eintragung des Beschlusses gem. der unter Anm. 5 vertretenen Ansicht nicht mehr gültig ist, daß dagegen im ersteren Falle eine Abweichung von der Satzung nicht vorliegt, wenn eine Aktie nicht zum Umtausch eingereicht wird. Anm. 7: Der Umtausch auf Verlangen des Aktionärs besteht in einer reinen Verwaltungshandlung des Vorstandes — wenn nicht etwa durch Satzungsänderung alle Namensaktien zu Inhaberaktien werden — setzt aber eine solche voraus und vollzieht sich nicht etwa selbst durch das Verlangen des Aktionärs. Sie liegt zumeist in der Änderung der Urkunde oder in der Vernichtung der alten Urkunde und Ausgabe einer neuen. Da über jedes Recht nur eine einzige Urkunde umlaufen darf, kann eine neue Urkunde nicht ausgegeben werden, wenn nicht die alte zurückgegeben oder nach § 73 für kraftlos erklärt ist. Außerdem ist ein Eintrag im Aktienbuch erforderlich, da ja an jedem der beiden Umtauschfälle eine Namensaktie beteiligt ist. Entweder ist ein Name einzutragen (Umtausch in eine Namensaktie) oder zu tilgen (Umtausch in eine Inhaberaktie); unterbleibt der Umtausch in diesem Falle, so verliert trotzdem nach Kraftloserklärung der Aktie der Namenseintrag im Aktienbuch seine Bedeutung. Das Umtauschbegehren zu erheben ist nur der eingetragene Aktionär, bzw. nur der Inhaber der Inhaberaktie ausgewiesen. Natürlich kann nicht er selbst den Wortlaut der Urkunde ändern und sie auf seinen Namen bzw. auf den Inhaber stellen. Anm. 8: Eine Kapitalverkehrssteuer entsteht durch den Umtausch in keinem Fall, die Kosten des Umtauschs trägt die Gesellschaft. Anm. 9: Da Gesellschaften bisher Namensaktien haben ausgeben können, ohne dies in der Satzung erwähnt zu haben, bestimmt § 9 EG, daß diese Gesellschaften ihre Satzung dahin zu ergänzen haben, daß die Aktien Namensaktien sind. Es handelt sich hierbei nicht um eine Satzungsänderung, sondern lediglich um eine Ergänzung. Sie kann vom Aufsichtsrat durchgeführt werden. Werden Satzungsänderungen beschlossen, so dürfen diese erst im Handelsregister eingetragen werden, wenn die oben dargelegte Ergänzung eingetragen worden ist. § 25 Bekanntmachungen der Gesellschaft Bestimmt das Gesetz oder die Satzung, daß eine Bekanntmachung der Gesellschaft durch die Gesellschaftsblätter erfolgen soll, so ist sie in den 123
§§25/26
G r ü n d u n g der Gesellschaft
Bundesanzeiger einzurücken. Daneben kann die Satzung andere Blätter als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Die Vorschrift übernimmt wörtlich die Bestimmung des § 18 AktG 37. Anstelle des Reichsanzeigers ist der Bundesanzeiger getreten. Der Bundesanzeiger ist zwangsläufig aufgrund zwingender gesetzlicher Bestimmungen Gesellsdiaftsblatt für alle Bekanntmachungen der Gesellschaft, also insbesondere für die Einberufung der Hauptversammlung, auch wenn dies in der Satzung nicht gesagt ist. Andere Blätter sind nur dann Gesellschaftsblätter, wenn sie in der Satzung ausdrücklich als solche bezeichnet sind, nicht schon dann, wenn es den Organen der AG überlassen ist, die Bekanntmachungen in anderen Blättern neben dem Bundesanzeiger erscheinen zu lassen. Da in vielen Fällen die Bekanntmachung zwingend vorgeschrieben ist, eine Bekanntmachung aber nur dann, wenn sie in allen Pflichtgesellschaftsblättern erfolgt, ordnungsgemäß ist, empfiehlt es sich, zur Vermeidung von Fehlern, die eine Anfechtbarkeit der gefaßten Beschlüsse begründen können, ohne besonders zwingende Gründe kein weiteres Pflichtgesellschaftsblatt neben dem Bundesanzeiger vorzusehen. § 25 handelt von den Bekanntmachungen der Gesellschaft, nicht des Registergerichtes. Dieses hat nach § 10 HGB alle Eintragungen im Handelsregister im Bundesanzeiger bekanntzumachen. § 26 Sondervorteile. Gründungsaufwand (1) Jeder einem einzelnen Aktionär eingeräumte besondere Vorteil muß in der Satzung unter Bezeichnung des Berechtigten festgesetzt werden. (2) Der Gesamtaufwand, der zu Lasten der Gesellschaft an Aktionäre oder an andere Personen als Entschädigung oder als Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung gewährt wird, ist in der Satzung gesondert festzusetzen. (3) Ohne diese Festsetzung sind die Verträge und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden. (4) Die Festsetzungen können erst geändert werden, wenn die Gesellschaft fünf Jahre im Handelsregister eingetragen ist. (5) Die Satzungsbestimungen über die Festsetzungen können durch Satzungsänderung erst beseitigt werden, wenn die Gesellschaft dreißig Jahre im Handelsregister eingetragen ist und wenn die Rechtsverhältnisse, die den Festsetzungen zugrunde liegen, seit mindestens fünf Jahren abgewickelt sind. 124
Sondervorteile. Gründungsaufwand
§ 26
Anm. 1,2 I. Überblick (Anm. 1) II. Sondervorteile (Abs. 1) (Anm. 2) III. Gründungsaufwand (Abs. 2) (Anm. 3—5) IV. Folgen des Fehlens der Festsetzung (Abs. 3) (Anm. 6)
V. Änderungen der Festsetzungen (Abs. 4) (Anm. 7) VI. Beseitigung der Festsetzungen (Abs. 5) (Anm. 8) VII. Verschleierter Gründungsaufwand (Anm. 9)
I. Überblick Anm. 1: Die Vorschrift stimmt in den Absätzen 1 bis 3 überein mit dem früheren § 19. Wegen des sachlichen Zusammenhangs ist in Abs. 4 mit einigen sprachlichen Änderungen die frühere Vorschrift des § 145 III AktG 37 aufgenommen und in Abs. 5 die Vorschrift des § 12 der 3. DVO z.AktG eingefügt worden. Gegenstand der Vorschrift sind zwei voneinander verschiedene Tatbestände: a) das Bedingen eines besonderen Vorteils bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages zugunsten eines einzelnen Aktionärs als Entlohnung für seine Beteiligung (Anm. 2), b) die Gewährung einer Entschädigung und Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung zu Lasten der Gesellschaft an Aktionäre oder an andere Personen (Anm. 3—5). Für beide Tatbestände schreibt das Gesetz die Festsetzung in der Satzung vor, und zwar muß zu a) jeder besondere Vorteil unter Bezeichnung des Berechtigten, zu b) der Gesamtaufwand festgesetzt werden. Zu b) ist die Aufführung der Personen, der Empfänger und der einzelnen Beträge nicht erforderlich, doch ist diese Angabe im Gründungsbericht nach § 32 zu machen, weil ohne sie die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben im Gründungsbericht durch die Prüfer (Vorstand, Aufsichtsrat, besondere Gründungsprüfer §§ 33, 34) nicht nachgeprüft werden könnte. Außerdem ist diese Angabe für die Anmeldung ausdrücklich vorgeschrieben (§ 37). Daß zu b) nur der Gesamtaufwand anzugeben ist, besagt nicht, daß die Vergütung oder Entschädigung von vornherein ziffernmäßig berechenbar sein muß. Ist die ziffernmäßige Berechnung nicht möglich, so ist der Aufwandsposten gesondert aufzuführen. Im Handelsregister einzutragen sind, obwohl Satzungsbestandteil, weder die Festsetzung der Sondervorteile und des Gründungsaufwandes, noch die Änderung oder Beseitigung durch Satzungsänderung (siehe Anm. 8). II. Sondervorteile Anm. 2: Sondervorteile können Aktionäre auf Grund der vorliegenden Bestimmung und durch Ausgabe von Vorzugsaktien eingeräumt werden. Der Unterschied besteht darin, daß Sondervorteile nach § 26 einzelnen Aktionären 125
§26
G r ü n d u n g der Gesellschaft
Anm. 2
als bestimmten Personen eingeräumt werden, während die Sondervorteile aus Vorzugsaktien mit der Aktie unlösbar verbunden sind und daher mit dieser notwendigerweise übertragen werden. Werden Sondervorteile nach § 26 zugesagt, so muß der Berechtigte zwar Mitglied der Gesellschaft, also Aktionär, sein, er verliert die Sondervorteile aber nicht, wenn er seine Aktien überträgt. Daraus ergibt sich, daß der Sondervorteil nicht zum Inhalt des Mitgliedschaftsrechtes gehört, auch nicht als Sondervorteil im Sinne des § 35 BGB. Der Sondervorteil ist vielmehr ein reines Gläubigerrecht (herrschende Ansicht jetzt auch Fischer in Großkomm. § 19 Anm. 3). Es bedarf zur Begründung dieses Rechtes keines besonderen schriftlichen Vertrages (Baumbach-Hueck § 19 Anm. 2 B). Es ist auch zulässig, allen Aktionären solche Vorteile zuzusagen. Verzichtet ein Berechtigter auf seine Sondervorteile, so erlischt sein Recht, ohne daß es einer Satzungsänderung bedarf (h. A.; RG in JW 1917, 468). Als Sondervorteile kommen solche rein vermögensrechtlicher Art in Betracht, die sowohl zu Lasten der Gesellschaft, als auch zu Lasten der anderen Aktionäre gehen können. Insoweit wird die Ansicht der Vorauflage aufgegeben, in der aus dem Wortlaut des Abs. 2 entnommen wurde, die Sondervorteile des Abs. 1 könnten lediglich zu Lasten der anderen Aktionäre gehen. Die Formulierung „einzelner Aktionär" in Abs. 1 soll aber nicht bedeuten, daß er nur zu Lasten der anderen Aktionäre begünstigt wird, sondern nur, daß er hervorgehoben wird. Es können also für die Sondervorteile noch immer beide Möglichkeiten in Frage kommen, auch, wenn der Gründungsaufwand ausdrücklich nur zu Lasten der Gesellschaft gehen kann (vgl. Fischer in Großkomm. § 19, Anm. 5). Dagegen halten wir trotz der Ausführung von Fischer a.a.O. an der Auffassung fest, daß Sondervorteile nicht in Herrschaftsrechten bestehen können. Wir stützen unsere Meinung nicht, wie Fischer meint, auf den Wortlaut des Abs. 1, sondern darauf, daß Sondervorteile begrifflich nur in ihrer Entstehung, nicht in ihrem Fortbestand davon abhängig sind, daß der Berechtigte Mitglied der Gesellschaft ist (so auch Fischer § 19 Anm. 3). Herrschaftsrechte können aber nur in der Weise eingeräumt werden, daß sie erlöschen, wenn die Mitgliedschaft des Berechtigten erlischt. Das einzige Herrschaftsrecht, das durch die Satzung einem bestimmten Aktionär eingeräumt werden kann, ist das Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat nach § 101 II. Dieses Recht beruht aber nicht auf der vorliegenden Bestimmung, sondern auf der Sonderbestimmung des § 101 II. Nach allgemeiner Ansicht erlischt das Entsendungsrecht, wenn der Entsendungsberechtigte seine Aktionärseigenschaft verliert. Aus dieser Sonderregelung kann nicht gefolgert werden, daß nach § 26 allgemein Herrschaftsrechte als Sonderrechte eingeräumt werden können. Darum scheidet es aus, ein Recht auf Büchereinsicht u. dgl. zu gewähren, es kommen vielmehr lediglich Vermögensrechte infrage, etwa ein Sonderanteil am Bilanzgewinn, oder an dem bei der Abwicklung nach Befriedigung der 126
Sondervorteile.
Gründungsaufwand
§26 Anm. 2,3
Gläubiger verbleibenden Reinvermögen oder in Gebrauchsrechten oder dem Recht, Vermögensgegenstände der AG käuflich zu erwerben. Darüber hinaus würde ein Sondervorteil eines Aktionärs, der zu Lasten des Grundkapitals ginge, eine verbotene Rückzahlung der Einlage sein. Unzulässig sind auch Sondervorteile, die zu einem gesetzlich unzulässigen Erfolg, etwa zu einer zusätzlichen Verpflichtung der anderen Aktionäre gegenüber dem Begünstigten führen würden, weil dem Wesen der AG eine individuelle gesellschaftsrechtliche Verbindung der einzelnen Aktionäre untereinander fremd ist. Es kann über den Sondervorteil eine Urkunde, ein Genußschein, ausgestellt werden. Aus dem Begriff der Sondervorteile ergibt sich, daß sie nicht an die Aktie geknüpft sind. Überträgt daher der Berechtigte seine Aktie auf einen Dritten, so gehen die Sondervorteile nicht ohne weiteres mit auf diesen über, es müssen vielmehr diese Sondervorteile gesondert übertragen werden. Andererseits kann der Berechtigte auch die Sondervorteile alleine übertragen, ohne seine Aktien zu veräußern. Etwas anderes kann sich aber aus dem Inhalt der Sondervorteile ergeben; handelt es sich z. B. um ein höchst persönliches Recht, so ist eine Übertragung ausgeschlossen. III. Gründungsaufwand Anm. 3: Für den Gründungsaufwand ist entscheidend, daß die Entschädigung oder Entlohnung eine Verbindlichkeit der Gesellschaft darstellt, mit der sie schon aus dem Gründungszustand hervorgeht. Es ist nicht Voraussetzung, daß der Empfänger der Entschädigung ein Aktionär oder ein Gründer ist, er kann auch ein Dritter sein, aber weil sich die Gesellschaft noch im Gründungszustand befindet, setzt die Zulässigkeit einer solchen Verbindlichkeit voraus, daß es sich um eine Entschädigung oder Entlohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung handelt. Die Gesellschaft hat, wenn auch nur in Gestalt von Dienstleistungen, etwas empfangen. Es interessiert daher nicht der Empfänger, sondern nur der Gesamtaufwand, mit dem sie von vornherein belastet ist. Natürlich darf diese Entlohnung nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, etwa in Freiaktien bestehen (ebenso Schl.-Qu. § 19, Anm. 7; Fischer in Großkomm. § 19 Anm. 10). Sie darf nicht, wenn sie an einen Aktionär gewährt wird, in versteckter Form durch Übermäßigkeit auf eine Teilrückzahlung seiner Einlage hinauslaufen. Da sowohl Sondervorteile, als auch Belohnung auch in einem bevorzugten Gebrauch des Gesellschaftsvermögens bestehen können, mag die Entscheidung in einem solchen Falle schwer sein (Beisp. R G 165,129 betreffend die GmbH), ob es sich um einen Fall des Abs. 1 oder 2 handelt. Ersterer setzt voraus, daß das Recht einem Aktionär für seine Beteiligung, letzterer, daß der Vorteil für die Gründung oder ihre Vorbereitung gewährt wird. Trifft eines von beidem zu, so ist Abs. 1, 2 und 3 auch 127
§26 Anm. 3—6
G r ü n d u n g der
Gesellschaft
anzuwenden, wenn der Vorteil dem Begünstigten auch als einem Dritten aus anderem Anlaß formlos eingeräumt werden könnte (RG a.a.O. und Anm. 9). Anm. 4: Sondervorteile und Entlohnungen für die Beteiligung bzw. Teilnahme an der Gründungstätigkeit und Vorbereitung der Gründung, welche einem Mitglied des Vorstandes oder Aufsicbtsrates gewährt werden, bedürfen besonderer Erwähnung im Gründungsbericht (§ 32 I I I ) und machen eine besondere Gründungsprüfung durch unabhängige Prüfer notwendig (§ 33 II Nr. 3). Anm. 5: Nach der Art des Gründungsaufwandes bedarf keiner Festsetzung in der Satzung der Gründungsaufwand, der nicht auf Abkommen, sondern auf Gesetz beruht und kraft Gesetzes von der AG zu tragen ist. Dies gilt von der Kapitalverkehrssteuer ( § 1 0 Kapitalverkehrssteuergesetz) und u. E. auch von den gerichtlichen Kosten der Eintragung. Für beide fehlt es an einem rechtlidien Gesichtspunkt, nach welchem im Innenverhältnis die Gründer für diese Kosten aufzukommen hätten (a.A. Schl.-Qu. § 16 Anm. 35; Fischer in Großkomm. § 19 Anm. 10). Die den Gründungsprüfern nach § 35 zu gewährende Vergütung und die Notargebühren, der Druck der Aktienurkunden, wenn er vor der Eintragung der AG in Auftrag gegeben wird, fallen dagegen zunächst (nach außen) den Gründern zur Last, ohne daß ein gesetzlicher Gesichtspunkt gegeben wäre, wonach sie diese Kosten auf die AG abwälzen könnten. Soll dies geschehen, handelt es sich um eine Entschädigung nach Abs. 2, die in der Satzung festgestellt werden muß. Verschieden vom Gründungsaufwand sind die vorweggenommenen Kosten und Unkosten des künftigen Betriebes der AG. Für sie kommt die Festsetzung in der Satzung nicht in Betracht, weil für sie § 41 gilt. Was ihren künftigen Betrieb betrifft, so kann der Gesellschaft im Gründungszustand mit Wirkung für sie überhaupt nicht, auch nicht durch Festsetzung in der Satzung, vorgegriffen werden. Auch Anstellungsverträge, Miet- oder Pachtverträge können nur im Rahmen und nach Maßgabe des § 41 als verbindlich angesehen werden. IV. Folgen des Fehlens der Festsetzung Anm. 6: Die Abkommen und alle zu ihrer Ausführung vorgenommenen Rechtshandlungen, also insbesondere die geleisteten Zahlungen oder sonstigen dinglichen Rechtsgeschäfte sind der Gesellschaft gegenüber unwirksam, wenn sie nicht in der Satzung festgesetzt worden sind, auch dann, wenn es sich um Aufwendungen handelt, die zur Gründung erforderlich waren, denn es gibt keine Rechtsnorm, aus der man folgern könnte, daß die Gesellschaft schlechthin verpflichtet sei, die Kosten ihrer Entstehung zu tragen. Nur dort, wo kraft Gesetzes die Gesellschaft Schuldnerin wird, wie z. B. bei den Steuern und Gerichtskosten, ist es anders (vgl. Anm. 5). 128
Sondervorteile. Gründungsaufwand
§26 Anm. 6,7
Empfangene Vergütungen sind alle zurückzuzahlen. Übersteigt der Gesamtaufwand für Entschädigung oder Belohnung den in der Satzung festgesetzten Betrag, so darf von der Gesellschaft nach dessen Erschöpfung nicht weitergezahlt werden. Unberührt bleiben selbstverständlich etwaige Ansprüche gegen die Gründer. V. Änderungen der Festsetzungen Anm. 7: Die vom § 145 III AktG 37 übernommene Bestimmung, wonach die in der Satzung enthaltenen Festsetzungen erst nach 5 Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister geändert werden können, war bisher in ihrer Bedeutung bestritten. Wir sahen in der Vorauflage (§ 145 Anm. 5) den Zweck der Bestimmung darin, zu verhindern, daß Ersatzansprüche der AG aus der Gründung durch Veränderung ihrer Unterlagen beseitigt oder beeinträchtigt werden (Schi.-Qu. § 145 Anm. 6) und wiesen darauf hin, daß die Bedeutung der Vorschrift nicht auf materiellem Gebiet liegen könne, weil eine Veränderung zuungunsten der AG auch nach 5 Jahren nidit ohne weiteres möglich sei, eine frühere Veränderung zu ihren Gunsten aber vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden könne. Es ist nicht zu verkennen, daß diese Beurteilung einer Überprüfung bedarf, nachdem nunmehr im Abs. 5 die bisherige Bestimmung des § 12 der 3. DVO zum Aktiengesetz übernommen wurde. Diese Bestimmung, die sich mit der Satzungsänderung, also der formellen Seite, ausschließlich befaßt, erfüllt den Zweck, den wir der in § 145 III AktG 37 jetzt in Abs. 4 des vorliegenden Paragraphen enthaltenen Bestimmung unterstellt haben. Zur Änderung von Sondervorteilen ist zu sagen, daß eine nachträgliche Vermehrung der Sondervorteile unzulässig ist, und zwar zunächst einmal schlechthin für den Zeitraum von 5 Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister, denn vorher kann nach Abs. 4 die Festsetzung in der Satzung nicht geändert werden. Da aber Sondervergütungen materiell nur wirksam sind, wenn die Festsetzung in der Satzung erfolgt, ist auch eine Vermehrung der Sondervorteile innerhalb dieses Zeitraumes nicht möglich. Aber auch nach Ablauf der 5 Jahre ist eine Änderung nicht schlechthin zulässig, vielmehr kann sich die Unzulässigkeit aus anderen Gesichtspunkten ergeben (vgl. KG JW 38, 2754). So ist eine nachträgliche Vermehrung der Sondervorteile schon deshalb unzulässig, weil dadurch einem Aktionär entgegen den Grundsätzen der Gleichberechtigung nachträglich eine Sondervergünstigung zuteil würde (ebenso Ritter § 19 Anm. 3 f); weiterhin aber auch schon um deswillen, weil jedenfalls dann, wenn die nachträgliche Vermehrung der Sondervorteile nach Abschluß der Gründungsprüfung nach § 34 ausbedungen wird, eine entsprechende Prüfung mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung nicht möglich ist und damit der § 26 ohne weiteres illusorisch würde. Eine Herabsetzung der Sondervergütungen ist jedoch möglich, und zwar sowohl innerhalb der Fünfjahresfrist 129 9
Wilhelmi, Aktiengesetz
§§26/27
Gründung der Gesellschaft
Anm. 7—9 als auch später. Selbstverständlich genügt dazu nicht ein Hauptversammlungsbeschluß, vielmehr ist die Zustimmung des Gläubigers erforderlich. Auch die Anfechtung des Abkommens nach allgemeinen Grundsätzen (Irrtum, Täuschung, Drohung), sowohl durch die Gründer als auch die Gesellschaft ist zulässig. Ebenso kann eine etwaige Nichtigkeit aus allgemeinen Gründen unbeschränkt geltend gemacht werden. VI. Beseitigung der Festsetzungen Anm. 8: Die Beseitigung der Festsetzung in der Satzung ist auch dann nicht ohne weiteres möglich, wenn diese gegenstandslos geworden sind, d. h., wenn die Rechtsverhältnisse, die den Festsetzungen zugrunde lagen, abgewickelt sind. Audi dann muß noch eine Frist von mindestens 5 Jahren abgewartet werden, außerdem kann die Beseitigung durch Satzungsänderung erst erfolgen, wenn die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre im Handelsregister eingetragen ist. Nur, wenn beide Voraussetzungen vorliegen, kann durch Satzungsänderung die Festsetzung beseitigt werden. Auch eine völlige Neufassung der Satzungen muß, wenn die Frist nicht abgelaufen ist, immer wieder die Gründungsfestsetzungen übernehmen. VII. Versdileierter Gründungsaufwand Anm. 9: Wird der Gegenstand einer Sacheinlage oder Sachübernahme überbewertet und verpflichtet sich der einbringende Aktionär oder der Empfänger des Gegenwerts der Sachübernahme eine zum Gründungsaufwand der Gesellschaft gehörende Verpflichtung von sich aus zu tilgen, so muß dies in der Satzung klargestellt werden, denn wirtschaftlich geht auch dieser Teil des Gründungsaufwandes zu Lasten der Gesellschaft, da er in der Überbewertung der Sacheinlage bzw. Sachübernahme enthalten ist (RG LZ 1912, 393; BGH Urteil vom 28. 5.1956 AZ II ZR 251/55). Die Festsetzung in der Satzung muß unabhängig von der nach § 27 schon wegen der Bestimmung des Abs. 5 erfolgen. § 27 Sacheinlagen. Sadiübernahmen (1) Sollen Aktionäre Einlagen machen, die nidit durch Einzahlung des Nennbetrags oder des höheren Ausgabebetrags der Aktien zu leisten sind (Sacheinlagen), oder soll die Gesellschaft vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände übernehmen (Sadiübernahmen), so müssen in der Satzung festgesetzt werden der Gegenstand der Sacheinlage oder der Sachübernahme, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag der bei der Sadieinlage zu gewährenden Aktien oder die bei der Sachübernahme zu gewährende Vergütung. 130
Sacheinlagen. Sachübernahmen
§27 Anm. 1
(2) Ohne diese Festsetzung sind Verträge über Sacheinlagen und Sachübernahmen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft: gegenüber unwirksam. Ist die Gesellschaft eingetragen, so wird die Gültigkeit der Satzung durch diese Unwirksamkeit nicht berührt. Ist die Vereinbarung einer Sacheinlage unwirksam, so ist der Aktionär verpflichtet, den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktie einzuzahlen. (3) Nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden. (4) Für die Änderung rechtswirksam getroffener Festsetzungen gilt § 26 Abs. 4, für die Beseitigung der Satzungsbestimmungen § 26 Abs. 5. I. Übersicht (Anm. 1) II. Sadieinlagen und Sachübernahmen 1. Gemeinsames (Anm. 2) 2. Unterschiede (Anm. 3) 3. Mängel: a) Willensmängel (Anm. 4) b) Anwendung der Mängelvorschriften des B G B u. H G B (Anm. 5) c) Die anfängliche Unmöglichkeit (Anm. 6) d) Dienachträgliche Unmöglichkeit (Anm. 7) e) Verzug des Einlegers (Anm. 8) f) Formmängel (Anm. 9)
4. Gemischte Sacheinlagen (Anm. 10) 5. Gegenstand der Sacheinlage oder Übernahme (Anm. 1 1 — 1 4 ) III. Verstoß gegen Abs. 1 1. Folgen des Verstoßes (Anm. 15) 2. Heilung des Verstoßes (Anm. 16) IV. Änderung der Festsetzung und Beseitigung der Satzungsbestimmung (Anm. 17) V. Nachträgliche Umwandlung 1. einer Bar- in eine Sacheinlage (Anm. 18) 2. einer Sach- in eine Bareinlage (Anm. 19) VI. Andere Verpflichtungen der Gesellschaft im Gründungsstadium (Anm. 2 0 )
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt wörtlich mit dem § 20 AktG 37 überein. Neu hinzugekommen ist Abs. 4, der inhaltlich den Vorschriften der früheren §§ 145 I I I u. 12 der 3. D V O z. AktG entspricht. Die Gründung mit Sacheinlage oder Sachübernahme ist durchaus die Regel, da das von der A G zu betreibende Unternehmen meist nicht erst mit neu zu beschaffenden Barmitteln ins Leben gerufen wird, sondern schon vorhanden ist. Der Sacheinlage und Sachübernahme hat schon der Gesetzgeber von 1884 seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, um Vorkehrungen gegen die Gefahren des Gründungsschwindels zu treffen. Sie sind im späteren Verlauf noch verstärkt und ausgebaut worden. Sacheinlagen und Sachübernahmen sind zwei grundsätzlich verschiedene Rechtsgeschäfte, denen aber gemeinsam ist, daß schon im Gründungszustand der Gesellschaft bei den Grün131 9*
§27 Anm. 1,2
Gründung der Gesellschaft
dem die Absicht besteht, Vermögenswerte, welche nicht in Geld bestehen, von der Gesellschaft übernehmen zu lassen. Sie werden deshalb auch der gleichen Regelung unterworfen; diese besteht darin, daß 1. der Gegenstand der Sacheinlage oder -Übernahme, 2. die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt und 3. in dem Fall der Sacheinlage der Nennbetrag, der dagegen zu gewährenden Aktien, in dem Fall der Sachübernahme die dafür zu gewährende Vergütung in der Satzung festgesetzt werden müssen.
II. Sacheinlagen und SachGbernahmen 1.
Gemeinsames
Anm. 2: Gemeinsam ist der Sacheinlage und Sachübernahme die Festsetzung, die ein vom Gesetz geforderter gesellschaftsrechtlicher Akt ist. Sie tritt bei der Sachübernahme neben das rein bürgerlich rechtliche Sachübernahmegeschäft, bei der Sacheinlage neben die Aktienübernahmeerklärung, die inhaltlich dieselben wesentlichen Bestandteile hat, und Aktienzuteilung und die Ausführungsgeschäfte. Da sie nicht nur für die Gläubiger, sondern auch für die Übernehmer von Aktien bedeutungsvoll ist, wird die Verbindung dieses Aktes mit der Feststellung der Satzung gefordert. Den Gläubigern ist dadurch die Möglichkeit gegeben, von Sacheinlagen und -übernahmen Kenntnis zu erhalten. Natürlich müssen die drei verlangten Angaben so verbunden werden, daß aus ihnen ersichtlich ist, daß eine Sacheinlage oder Sachübernahme gemacht wird. Aber es ist unrichtig, daß die gesamten Vereinbarungen in der Satzung festgesetzt werden müssen (ebenso Ritter Anm. 2 und R G in J W 33, 52; a.A. Geiler J W 33 Seite 52; Schl.-Qu. § 20 Anm. 8 und die ältere Reichsgerichtsentscheidung: R G 81, 104; 114, 82; 118, 117). Dazu sind die nach § 37, Nr. 2 dem Registergericht einzureichenden Verträge da. Eine Formvorschrift schafft übrigens § 37 Nr. 2 nicht, wenn diese Gesetzstelle auch praktisch zu schriftlicher Niederlegung nach bürgerlichem Recht auch mündlich gültiger Vereinbarungen führen muß (vgl. Anm. 4 zu § 37). Beiden ist weiter gemeinsam eine ganze Reihe von Sicherheitsvorschriften, durch welche einem Gründungsschwindel wirksam vorgebeugt werden soll: Hierzu gehört, daß neben dem Vorstand und Aufsichtsrat besondere von ihnen unabhängige Gründungsprüfer eine Prüfung vorzunehmen haben (§§ 33, 34) und das Gericht die Eintragung ablehnen kann, wenn offensichtlich ist, daß die Gegenleistung für die eingelegten oder übernommenen Gegenstände unangemessen hoch ist; siehe §38. Gemeinsam ist der Sacheinlage und Sachübernahme, daß es sich um Vereinbarungen im Lebensabschnitt der Gesellschaft vor ihrer Eintragung, und zwar unter oder mit den Gründen handelt. Letzteres ist bei der Sacheinlage 132
Sacheinlagen. Sachübernahmen
§27 Anm. 2—5
selbstverständlich, da sie ein Bestandteil des Gründungsvertrages ist. Für die Sachübernahme ist diese Abgrenzung wichtig wegen § 41 Abs. 3 (vgl. hierzu Godin in AZP 27, 26). Audi für die Sachübernahme ergibt sie sich daraus, daß sie in der Satzung festzusetzen ist, diese aber von den Gründen festgestellt wird. Demnach kann nur eine solche Maßnahme gemeint sein, welche von oder mit den Gründern abgesprochen war. Die Übernahme von Vermögensgegenständen von Dritten durch die Gesellschaft auf Grund einer Verabredung mit dem Vorstand, welcher keine auch nur formlose Verabredung mit den Gründern vorangegangen ist, fällt unter § 41 Abs. 1 und 2. Dies ergibt sich aus der praktischen Erwägung, daß es sich hierbei wohl meist nur um Dienst- oder Lieferverträge handelt und aus der rechtlichen Erwägung, daß die Verantwortlichkeit des Vorstandes nach § 93 über diejenigen der Gründer nach § 46 hinausgeht, außerdem auch die Verpflichtung des Vorstandes und Aufsichtsrates, die Gründung zu prüfen und einen wahrheitsmäßigen Bericht über die Gründung zu erstatten, eine Gewähr dafür bietet, daß nicht auf dem Umweg über § 41 II Vermögensgegenstände ohne Festsetzung in der Satzung übernommen werden, deren Übernahme, weil sie schon mit den Gründern verabredet war, in der Satzung hätte festgestezt werden müssen. 2. Unterschiede Anm. 3: Der innere Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen ist erheblich, Sacheinlage ist jede Einlage, welche von einem Gesellschafter zwecks Beteiligung — sei es auf das Grundkapital (Nennbetrag einer Aktie) oder auf die gesetzliche Rücklage (der höhere Ausgabebetrag — das Aufgeld) — gemacht wird und nicht in Geld besteht. Sie ist ein körperschaftlicher Rechtsakt, ein Teil des Gründungsgeschäftes und eine Voraussetzung für die Entstehung der Gesellschaft. Die Sachübernahme dagegen ist ein gewöhnlicher, bürgerlich rechtlicher zweiseitiger Veräußerungsvertrag (Umsatzgeschäft), bei welchem notwendigerweise auch die Leistung der Gesellschaft in Geld besteht. Daraus ergeben sich wichtige Folgerungen, insbesondere in der Frage der Willensmängel. 3. Mängel a) Willensmängel Anm. 4: Für die Willensmängel bei der Sacheinlage gelten uneingeschränkt die Ausführungen in Anm. 7 vor § 23, dagegen ist die Sachübernahme beiderseits beim Vorliegen der bürgerlich rechtlichen Voraussetzungen unbeschränkt anfechtbar, bei Verstoß gegen die guten Sitten oder Wucher nichtig. b) Anwendung der Mängelvorschriften des BGB und HGB Anm. 5: Auf die Sachübernahme finden die Vorschriften über den Kauf wegen Mängelhaftung unmittelbare und unbeschränkte Anwendung. Nach 133
§27
Anm. 5 , 6
Gründung der Gesellschaft
§ 493 B G B sind die Vorschriften über Sachmängel auch auf Sacheinlagen entsprechend anwendbar, wenn sie auch teilweise Schwierigkeiten bereiten. Mängelrüge nach § 377 H G B ist nicht erforderlich (a.A. Ritter § 20 Anm. 1 f). Voll anwendbar sind die Vorschriften über Schadensersatz wegen Nichterfüllung bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft, arglistiges Verschweigen eines Mangels und Vorhandensein eines Mangels, dessen Abwesenheit zugesichert war (§ 463 BGB), sowie über Ersatzleistung bei vertretbaren Sachen (§ 480 BGB). Unanwendbar ist die die Gewährleistungsansprüche der Gesellschaft u. U. ausschließende Vorschrift des § 464 B G B (a.A. R G 159 Seite 33; wie hier Boesebeck in D R 1939, 135). Die Wandlung ist mit einer Rückgabe der Einlage verbunden und deshalb als solche unzulässig. Durch einen absoluten Ausschluß der Möglichkeit einer Wandlung (so die Vorauflage) wäre die Gesellschaft verpflichtet, die mangelhafte Sacheinlage zu behalten, wodurch die Kapitalgrundlage erheblich beeinträchtigt werden kann. Es ist daher der herrschenden Lehre zu folgen (vgl. Boesebeck a.a.O.; Baumbach-Hueck § 20 Anm. 2 E ; Fischer in Großkomm. § 20 Anm. 20), wonach die im Abschluß des Einbringungsvertrages enthaltene Erklärung des Sacheinlegers, eine mangelfreie Sadie zu liefern, als Deckungszusage in Höhe des angenommenen Wertes der einzubringenden Sache anzusehen ist. Demzufolge ist bei Lieferung einer mangelhaften Sache der Sacheinleger auf Verlangen der Gesellschaft verpflichtet, die mangelhafte Sache zurückzunehmen und in Höhe seiner Deckungszusage eine Bareinlage zu leisten. Auch der Anspruch auf Minderung kann geltend gemacht werden; er geht jedoch nicht, wie in der Vorauflage angenommen, auf Rückgabe eines Teils der für die Sacheinlage hingegebenen Aktien, sondern auf Bareinzahlung der Wertdifferenz; anderenfalls würde es an der vollständigen Übernahme der Aktien durch die Gründer fehlen. c) Die anfängliche
Unmöglichkeit
Anm. 6: Bei anfänglicher Unmöglichkeit der Sacheinlage wurde in der Vorauflage die Ansicht vertreten, daß die Gesellschaft nicht ohne weiteres einen Geldanspruch erwerbe, der Einbruchsvertrag vielmehr nach § 306 B G B nichtig sei (vgl. Vorauf!. Seite 77; R G 68 Seite 276; Schl.-Qu. § 20 Anm. 15; Teidimann-Köhler § 20 Anm. 6). Nach dieser Ansicht würde die Gesellschaft, wenn ihr nicht ein Schadensersatzansprudi nach § 307 B G B zusteht, mit einer Unterbilanz ins Leben treten. Diese Ansicht wird nunmehr wegen des aktienrechtlichen Grundsatzes, daß die Kapitalgrundlage erhalten bleiben muß, aufgegeben. Der einlagepflichtige Aktionär kann zwar die Einlage nicht erbringen, er muß aber an seiner Erklärung festgehalten werden, daß er Mitglied der Gesellschaft werden und dafür eine Einlage von bestimmtem Wert machen wollte (Deckungszusage). Daraus ergibt sich, daß dieser Aktionär nunmehr eine Bareinlage zu erbringen hat, deren Höhe dem Wert der ursprüng134
Sacheinlagen. Sachübernahmen
§27 Anm. 6—9
lieh zugesagten Einlage entspricht (so auch Fischer in Großkomm. § 20, Anm. 16; Baumbadi-Hueck § 20, Anm. 2 E; Würdinger S. 62 f.). d) Die nachträgliche Unmöglichkeit Anm. 7: Bei nachträglicher Unmöglichkeit ist zu unterscheiden, ob sie von dem einlagepflichtigen Aktionär zu vertreten ist oder nicht. Ist sie nicht zu vertreten, kann er nidit nach § 275 BGB völlig freigestellt werden, da auch eine solche Folge mit dem Grundsatz der Erhaltung der Kapitalgrundlage unvereinbar wäre. Aus dem gleichen Grunde wie bei der anfänglichen Unmöglichkeit tritt daher an Stelle der Sacheinlage eine Bareinlage in Höhe des Wertes der versprochenen Sacheinlage. Ist die Unmöglichkeit aber von dem Aktionär zu vertreten, so steht der Gesellschaft nach allgemeiner Ansicht das Rücktrittsrecht (§ 325 BGB) nicht zu. Durch einen solchen Rüdetritt bliebe die Kapitalgrundlage ebenfalls nicht erhalten und zum anderen würde auf diese Weise dem Vorstand eine unzulässige Möglichkeit gegeben, einen Aktionär auszuschließen. Die Gesellschaft kann aber Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 325 BGB) verlangen (RG 68, 277; Baumbach-Hueck § 20 Anm. 2 E; Fischer in Großkomm. § 20 Anm. 16; a. A. Ritter § 20 Anm. 1 f.). Der Anspruch der Gesellschaft auf Einzahlung einer Bareinlage in Höhe des Wertes der zugesagten Sacheinlage bleibt daneben noch bestehen. In diesem Fall bedarf es keines Nachweises eines der Gesellschaft entstandenen Schadens. e) Verzug des Einlegers Anm. 8: Bei Leistungsverzug ist nur der Anspruch auf Leistung und Schadensersatz wegen verzögerter Erfüllung gegeben, desgleichen nach erfolgloser Fristsetzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung, kein Rücktrittsrecht der Gesellschaft. Besteht Streit über eine Sacheinlage aus rein bürgerlich rechtlichen Gesichtspunkten und sollten nicht aktienrechtliche Vorschriften umgangen werden, so kann er auch vom Vorstand durch Vergleich bereinigt werden. f) Formmängel Anm. 9: Notwendiger Inhalt der Festsetzung in der Satzung ist nur der Gegenstand der Sacheinlage oder Sachübernahme, die Person des Einlegers bzw. Veräußerers und des Nennbetrages der gewährten Aktien bzw. die Höhe der Vergütung. Er deckt sich also nicht mit allen Einzelheiten des Einbringungs- bzw. Veräußerungsgeschäftes. Wegen der Einzelheiten des Geschäftes genügt der Hinweis, auf den mit der Anmeldung nach § 37 Abs. 2 Nr. 2 zu überreichenden Einlage- oder Ubernahmevertrag. Dieser bedarf seinerseits der Form, welche bürgerlich rechtlich dafür vorgeschrieben ist; ihr ist durch Aufnahme in die Satzung nur dann genügt, wenn diese alle Einzelheiten ent135
§ 27
Anm. 9—11
Gründung der Gesellsdiaft
hält. Ist das nicht der Fall, so kann nicht etwa bei einem Grundstücksüberlassungsvertrag der Mangel der bürgerlich rechtlichen Form durch Eintragung der Gesellsdiaft in das Handelsregister geheilt werden, sondern nur durch die Auflassung und deren Eintragung im Grundbuch. Umgekehrt heilt die Erfüllung der bürgerlich rechtlichen Formvorschriften eine mangelhafte Festsetzung in der Satzung nicht, doch kann eine neben der Satzung aufgenommene, den bürgerlich rechtlidien Formvorschriften entsprechende Urkunde herangezogen werden, um eine Unklarheit der Festsetzung in der Satzung zu beheben. Bestandteile der Vereinbarung, welche nicht in der Satzung aufgenommen zu werden braudien, sind wirksam, wenn sie ohne diese Aufnahme in die Satzung der bürgerlich rechtlichen Formvorschrift entsprechen, also auch formlos, wenn sie nach bürgerlichem Recht nicht formbedürftig sind. Sie können nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechts (z. B. § 313 BGB) auch durch das Erfüllungsgeschäft geheilt werden. Während bei der Sachübernahme regelmäßig eine besondere Vertragsurkunde über das Veräußerungs- (Übernahme) Geschäft neben der Satzung bestehen wird (§ 37 II Nr. 2), wird bei der Sacheinlage regelmäßig die satzungsmäßige Festsetzung selbst alle Vereinbarungen enthalten, welche bürgerlich rechtlich beurkundet werden müssen. Wenn dies nicht der Fall ist und eine den bürgerlich rechtlichen Vorschriften entsprechende vollständige Vertragsurkunde neben der notwendigen Festsetzung in der Satzung errichtet wird, ändert dies an der gesellschaftsrechtlichen Natur des Vertrages als eines Einbringungsvertrages selbstverständlich nichts. Der Sachübernahmevertrag wird namens der künftigen AG abgeschlossen, dasselbe gilt für die Sacheinlage mindestens von dem Erfüllungsgeschäft. 4. Gemischte Sacheinlagen Anm. 10: Auf eine gemisdite Sacheinlage (richtiger: mit Sachübernahme kombinierte Sacheinlage), d. h. den Fall, daß eine Sache teils — bis zu einem gewissen Wert — eingelegt, teils — darüberhinaus — von der Gesellschaft übernommen (bezahlt) wird, sind ausschließlich die für die Sacheinlage geltenden Grundsätze anzuwenden (vgl. KG J W 28, 18; Boesebeck DR 39, 435; Baumbach-Hueck § 20 Anm. 2). Bei Überbewertung der Sacheinlage (ohne Mängel oder Willensmängel) gilt § 46 Abs. 2. 5. Gegenstand der Sacheinlage oder Übernahme Anm. 11: Gegenstand der Sacheinlage und der Sachübernahme können, vorausgesetzt, daß sie übertragbar und bilanzfähig sind, körperliche oder unkörperliche Gegenstände, also auch Rechte und Befugnisse (Lizenzen, Gebrauchsund Nutzungsrecht, Konzessionen und Urheberrechte — BGH in BB 59, 353) sein, mag auch ihre Bewertung schwierig sein (Scholz § 5 GmbHG, Anm. 15). Es ist nicht erforderlich, daß sie dem Einleger bzw. Veräußerer schon gehören, 136
Sadieinlagen. Sadiübernahmen
§27 Anm. 11,12
sondern es genügt, daß sie von ihm der AG zu verschaffen sind; das Erfordernis der Bilanzierungsfähigkeit rührt daher, daß dem für die Sacheinlage gewährten Aktienposten, der als Teil des Grundkapitals auf der Passivseite der Bilanz zu stehen kommt, der Gegenstand der Sacheinlagen als Gegenposten auf ihre Aktivseite muß gegenübergestellt werden können. Anm. 12: Fraglich ist, inwieweit Dienstleistungen Gegenstand an Sacheinlagen oder Sadiübernahmen sein können. Es scheiden aus Dienstleistungen, welche etwa bei der Gründung der AG geleistet worden sind, denn diese Dienstleistungen sind bereits verbraucht, wenn die Aktiengesellschaft entsteht, die Gewährung von Aktien für sie liefe auf die verbotene Gewährung von Freiaktien hinaus. Belohnung in Gestalt von Aktien kann nur von den Gründern aus den von ihnen übernommenen Aktien gegeben werden, wenn sie diese voll belegt haben. Desgleichen scheidet der Ansprudi auf Dienstleistungen aus, welche der Einleger oder ein Dritter in Person zu leisten hat, nach überwiegender Meinung aber der Ansprudi auf künftige Dienstleistung schlechthin. Doch ist dies nur mit Einschränkung richtig. Kann ein Ansprudi auf Verschaffung einer Sache Gegenstand der Sacheinlage oder Sachübernahme sein, so ist es nicht schlüssig, daß ein Ansprudi auf Verschaffung von Diensten (etwas ähnliches ist der Anspruch auf Lieferung von elektrischem Strom oder auf Bereitstellung von Wasserkraft) nicht Gegenstand der Einlage sein können, sofern die Dienste vertretbar, d. h. nicht von den Verpflichteten notwendigerweise in Person zu leisten sind. Hinter einer solchen Einlage steht ebenso das haftende Vermögen des Einlegers, wie hinter jeder Sacheinlage, die ja auch nicht sofort bewirkt zu werden braucht. Es ist auch nicht einzusehen, warum der Ansprudi auf Dienstleistungen nicht bilanzfähig sein soll (vgl. Fischer in Großkomm. § 20 Anm. 7), wenn die Gesellschaft einen Gegenwert in Gestalt von Aktien oder in bar hingegeben hat. Werden die Dienste geleistet, ist der gebildete Aktivposten in entsprechender Höhe zu Lasten des Gewinn- und Verlustkontos (dem ja die Bezahlung der Dienste erspart bleibt) abzuschreiben (ähnlich Ritter § 20, Anm. 1 b). Gegenstand der Sachübernahme kann eine Dienstleistung auch dann sein, wenn sie von einer bestimmten Person zu leisten und nicht vertretbar ist. Bei Sachübernahme besteht keine Notwendigkeit, einem Passivposten einen Aktivposten gegenüberzustellen, wie bei der Sacheinlage den dafür gewährten Aktien, solange die Dienstleistung nicht erfüllt ist. Ihre Unmöglichkeit bei Wegfall des Verpflichteten schafft daher keine Schwierigkeit und bedeutet im übrigen kein besonderes Risiko für die AG, weil sie die Gegenleistung spart. Als Sadieinlage aber müßten derartige unvertretbare Dienstleistungen aus dem angegebenen Grunde in der Gegenwart aktiviert werden, was schwierig sein dürfte (siehe unten), außerdem würde eine Gründung, bei der unvertretbare Dienstleistungen gegen Aktien aktiviert würden, wohl recht unsolide sein und der Gewährung der Freiaktien sehr nahe kommen. 137
§27
Gründung der Gesellschaft
Anm. 13
Anm. 13: Daß herzustellende Anlagen und Gegenstände Gegenstand der Sachübernahme sein können, ist ausdrücklich gesagt. Daraus allein kann nicht geschlossen werden, daß der Gegenstand von Sacheinlagen erst herzustellende Anlagen nicht sein können. Wenn ein noch im Eigentum eines Dritten befindliches, der Gesellschaft vom Einleger zu verschaffendes, im Augenblick ihrer Begründung aber noch nidit in ihr Eigentum übergehendes Hausgrundstück unbestrittenermaßen Gegenstand einer Sacheinlage sein kann, obwohl die AG zunächst als bilanzfähiges Aktivum nur den Verschaffungsanspruch gegen den Einleger erwirbt, muß auch ein Grundstück und ein darauf erst herzustellendes Haus Gegenstand der Sacheinlage sein können. Der Anspruch auf Herstellung unterscheidet sich wesentlich nicht von dem Anspruch auf Verschaffung (ebenso Ritter § 20, Anm. 1 b; Schl.-Qu. § 20 Anm. 4). Gegenstand der Einlage ist das herzustellende Werk, nicht die Ansprüche auf Herstellung des Werkes, also Ansprüche aus einem Werkvertrag, wie Fischer Großkomm. zu § 20 Anm. 7 annimmt. Forderungen gegen die Gesellschaft selbst können bei der Gründung (anders bei der Kapitalerhöhung) nicht Gegenstand der Sacheinlage sein, weil vor ihrer Entstehung keine Forderungen gegen sie entstehen können. Dagegen können Forderungen eingelegt werden, welche den Gegenstand einer Sacheinlage belasten und erst durch deren Bewirkung zu Forderungen gegen die Gesellschaft werden, z. B. eine Hypothek auf einem eingelegten Haus oder Forderungen gegen ein eingebrachtes Erwerbsgeschäft. Ein solches ist eine Sachgesamtheit mit wechselndem Bestände und wird meist auf Grund einer zurückliegenden Bilanz mit der Abrede eingebracht oder an die Gesellschaft veräußert, daß es vom Bilanzstichtag an als für Redinung der AG geführt gilt. Inzwischen eingetretene Vermögensmehrungen sind dann nicht Gewinn der Gesellschaft, vielmehr eine Mehrung des Wertes der von ihr empfangenen Sacheinlage bzw. Kaufsache. Nach richtiger Ansicht (Boesebeck Soz. Pr. 39, 609) ist deshalb auch der Tag der Eintragung der Gesellschaft der Stiditag für ihre Eröffnungsbilanz. Vermögensminderungen würden aber bei der Sacheinlage bedeuten können, daß die Gesellschaft ein hinter dem Betrag der von ihr gewährten Aktien zurückbleibendes Firmenreinvermögen empfängt. Das wäre dann eine Unternennwertausgabe, die nicht statthaft ist. Trotz der Gefahr, daß sich eine solche ergeben kann, stößt sich die Rechtsübung an einer derartigen Abrede nicht (so auch Fischer in Großkomm. § 20 Anm. 7). Wir sehen es jedoch als unerläßlich an, daß bei der Sacheinlage bei einer solchen Verabredung auch die Verpflichtung des Einlegers begründet wird, Gewähr zu leisten: a) daß in der Zeit zwischen Bilanzstichtag und Eintragung der Gesellschaft (bzw. Einbringung, wenn das Geschäft von der Eintragung übergeben und eingebracht wird) keine Verluste entstanden sind, welche etwa vorhandene und durch Aktiengewährung nicht ausgeglichene Reserven überschreiten; 138
Sacheinlagen. Sachübernahmen
§27 Anm. 13—15
b) für die Güte und Einbringlichkeit der z. Z. der Eintragung (bzw. Einbringung siehe oben) vorhandene Außenstände evtl. auch hier unter Beschränkung auf diejenigen Ausfälle, die ein etwa vorhandenes, bei der Aktiengewährung nicht ausgeglichenes Dubiosenkonto übersteigen; c) daß keine aus der Bilanz nicht ersichtliche Verbindlichkeiten vorhanden sind. Wertminderungen, die seit dem Übernahmestichtag entstanden sind, können freilich audi als Sachmängel gewertet werden (vgl. Boesebeck D R 1939, 437; auch RG 159, 333). Damit ist aber u. E. der Gesellschaft nur bei Sachübernahmen geholfen, bei der Sacheinlage nur nach Maßgabe dieser Anmerkung oder des § 46 Abs. 2, siehe dort Anm. Anm. 14: Der Firmen- oder Geschäftswert kann bei der Einbringung eines Erwerbsgeschäftes nach fast einstimmiger Meinung gleichfalls Gegenstand sowohl einer Sacheinlage, als auch einer Sachübernahme sein, in dem Sinn, daß er bei der Sacheinlage durch Gewährung eines Mehr von Aktien, bei der Sachübernahme durch höhere Barleistungen ausgeglichen wird. Die in der Vorauflage von uns geäußerten Bedenken bei der Sacheinlage werden nicht mehr aufrechterhalten. Der Firmenwert kann immer erbracht werden, wenn eine Gegenleistung dafür erbracht ist, es sich also nicht um die originäre Bildung dieses Vermögenswertes handelt. Über den Betrieb des Geschäftes auf den Namen der Gesellschaft vor Eintragung siehe § 41 Anm. 5—8. Da bei Sacheinlagen von Anschaffungskosten nicht gesprochen werden kann (vgl. Boesebeck Soz. Prax. 39, Seite 610), so herrscht für die Eröffnungsbilanz Bewertungsfreiheit. Untere Grenze ist der Nennbetrag der hingegebenen Aktien, weil sonst Unternennwertausgabe vorliegen könnte, obere Grenze der wahre Wert. Nur soweit der innerhalb dieses Rahmens freigewählte Bilanzansatz den Nennbetrag der für die Sacheinlagen gewährten Aktien übersteigt, ist der Mehrbetrag der gesetzlichen Rücklage zuzuführen (Boesebeck a.a.O.). III. Verstoß gegen Abs. 1 1. Folgen des
Verstoßes
Anm. 15: Die Folgen des Verstoßes gegen die Bestimmung über die Festsetzung bestehen in beiden Fällen darin, daß die Vereinbarung der Gesellschaft gegenüber unwirksam sind, nicht nur die schuldrechtlichen Vereinbarungen, sondern auch die dinglichen Ausführungsgeschäfte. Darüber kann nach der ausdrücklichen Vorschrift des Abs. 2 Satz 1 kein Zweifel bestehen. Das Grundbuch ist also, wenn es sich um ein Grundstück handelt, trotz Auflassung zu berichtigen. Gutgläubiger Erwerb eines Dritten an einem solchen Grund139
§ 27 Anm. 15
Gründung der Gesellschaft
stück ist natürlich möglich. Für den wichtigen Fall der Fusion ist jedoch zu beachten, daß § 892 B G B ein Rechtsgeschäft voraussetzt, welches sich auf das Grundstück besonders bezieht und insbesondere darunter die dinglidie Einigung versteht, die bei der Fusion fehlt, weil sich auf Grund des Verschmelzungsvertrages eine Gesamtrechtnachfolge kraft Gesetzes ergibt. Der Gesellschaft gegenüber heißt nicht zugunsten der Gesellschaft, welche vielmehr ihrerseits die Ausführung der Vereinbarungen nicht fordern kann und verpflichtet ist, sie als ungeschehen gelten zu lassen. Der Gesellschaft gegenüber heißt vielmehr im Verhältnis zur Gesellschaft, also daß von der Vorschrift die Rechtsbeziehungen der Gründer untereinander oder zu den Dritten nicht betroffen werden (so auch Fischer in Großkomm. § 20 Anm. 28). Auch die notarielle Beurkundung des Überlassungsvertrages außerhalb der Satzung, auch die Auflassung des Grundstücks und Eintragung des Eigentumsüberganges im Grundbuch, welche nach § 313 B G B die Verletzung der bürgerlich rechtlichen Formvorschriften heilen würde, oder die bürgerlich rechtliche Gültigkeit eines formlosen Veräußerungs- oder Erfüllungsgeschäftes (z. B. bei Veräußerung und Abtretung eines Patentes oder der Rechte aus einem Lieferungsvertrag) vermögen nichts an der Unwirksamkeit der Vereinbarung im Verhältnis zur Gesellschaft zu ändern, sind aber geeignet, eine Bindung im Verhältnis zu den Gründern herzustellen. Im Einzelfall wird zu prüfen sein, ob eine solche Bindung nicht durch Wegfall der Geschäftsgrundlage gegenstandslos wird (so auch Fischer in Großkomm. Anm. 28 zu § 20). Dies ist wichtig, weil bei der Sachübernahme der Veräußerer keine Einwirkung auf die Festsetzung in der Satzung hat. Weichen Festsetzung in der Satzung und bürgerlich rechtliche Urkunde voneinander ab, so kann gegenüber der Gesellschaft nur gelten, was in der Satzung festgesetzt ist, aber auch dieses nur, wenn es sich mit der Vereinbarung deckt und für diese trotz der abweichend bürgerlich reditlich vorgeschriebenen Form erfüllt oder der Mangel der Urkunde geheilt ist. Deckt sich die Festsetzung mit der Vereinbarung nicht, so ist die Festsetzung unverbindlich, aber auch die Vereinbarung gegenüber der Gesellschaft nicht wirksam. Im Verhältnis unter oder zu den Gründern oder zum Dritten kann auch nur das Vereinbarte gelten, sofern die erforderliche bürgerlich rechtliche Form gewahrt oder der Formmangel geheilt ist. Die Sachübernahme, die nicht in der Satzungsurkunde festgesetzt wurde, ist im Verhältnis zwischen Veräußerer und Gesellschaft gänzlich wirkungslos. Dagegen bleibt der Einleger in Fällen der unwirksamen, weil in der Satzung nicht oder nicht ordnungsgemäß beurkundeten Vereinbarung einer Sacheinlage verpflichtet, den Ausgabebetrag der Aktien als Bareinlage zu entrichten. Wenn die Sacheinlage nicht in der Satzung beurkundet ist, so hat doch, da das Grundkapital übernommen sein muß, regelmäßig der Einleger die 140
Sadieinlagen. Sadiübernahmen
§27 Anm. 15,16
Verpflichtung übernommen, eine Einlage in Höhe des Wertes der versprochenen Sacheinlage zu machen (vgl. auch Anm. 5). Aber es kommt darauf nicht an. Wenn z. B. das Grundkapital als belegt ausgegeben würde, indem auf den Veräußerungsvertrag, der eine Sacheinlage betrifft, als Beilage verwiesen wird, aber übersehen würde, den Gegenstand der Sacheinlage, die Person des Einlegers und den Betrag der dafür gewährten Aktien in der Haupturkunde der Satzung aufzunehmen, so würde zwar eine Bareinlage nicht ausdrücklich übernommen, aber der Vorschrift des § 27 nicht genügt, und deshalb kraft Gesetzes die Verpflichtung entstanden sein, die Einlage in Gestalt der Bareinlage in Höhe des Ausgabebetrages der Aktien zu entrichten. Dies gilt aber nur, wenn die Gesellschaft eingetragen wird. Diese Verpflichtung bleibt bestehen, auch wenn nachträglich durch Nachgründung nach § 52 an Stelle der nicht geglückten Sacheinlage eine Sachübernahme zwischen AG und dem Aktionär vereinbart wird. Eine Aufrechnung findet nicht statt. Es kann sein, daß der Mangel der Festsetzung zugleich ein Verstoß gegen § 23 Abs. 3 bedeutet, dann ist Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 nicht anwendbar, wohl aber die §§ 275, 276. Bis zur Erfüllung der Geldeinlage hat die Gesellschaft ein Zurückbehaltungsrecht an einer etwa schon erfüllten Sadieinlage. Abs. 2 bestimmt eine Rechtsfolge, die sich aus der Haftung des Aktionärs für seine Deckungszusage ergibt (vgl. Anm. 5—7). Abs. 2 bringt somit den allgemeinen aktienrechtlichen Grundsatz der Erhaltung der Kapitalgrundlage zum Ausdruck und ist daher keine Ausnahmevorschrift (anders die Vorauflage). 2. Heilung des Verstoßes Anm. 16: Eine Heilung des Verstoßes ist vor Eintragung der Gesellschaft durch entsprechende Ergänzung der Satzung möglich. Unterbleibt diese, so macht die Eintragung der Gesellschaft die Vereinbarung nicht wirksam. Die Gesellschaft als solche entsteht zwar durch die Eintragung, sie hat aber keinen Anspruch auf die Sacheinlage, sondern statt dessen einen Anspruch auf Barzahlung des Ausgabebetrages der entsprechenden Aktien. Eine Heilung durch Satzungsänderung nach Eintragung der Gesellschaft ist durch ausdrückliche Gesetzesvorschrift ausgeschlossen. Sie würde auch nicht in das System der gesetzlichen Vorschriften über diese Materie gepaßt haben. Es ist damit auch die Heilung durch Fusion nicht mehr möglich, welche das Kammergericht angenommen hat, indem es Heilung durch Satzungsänderung als möglich ansah und eine solche in den von der aufnehmenden Gesellschaft gefaßten Beschlüsse erblicken wollte. Vielmehr ist Heilung nur durch Nachgründung möglich § 52 Abs. 10. 141
§27 Anm. 17—20
Gründung der Gesellschaft
IV. Änderung der Festsetzung und Beseitigung der Satzungsbestimmung Anm. 17: Bezüglich der Änderung rechtswirksam getroffener Festsetzungen, vgl. § 23 Anm. 8. V. Nachträgliche Umwandlung 1. einer Bar- in eine Sacbeinlage Anm. 18: Nachträgliche Umwandlung einer Bar- in eine Sacheinlage ist grundsätzlich nicht möglich, denn dem Übernehmer von Aktien kann nicht eine Leistung an Erfüllungsstatt gestattet werden, es bleibt nur der Weg der Nachgründung (vgl. hierzu § 52), wobei festzuhalten ist, daß eine Aufrechnung der Einlageschuld mit der Forderung auf die Gegenleistung für den an die Gesellschaft veräußerten Gegenstand nicht stattfinden kann. 2. einer Sach-in eine Bareinlage Anm. 19: Eine nachträgliche Umwandlung der Sadieinlage in eine Bareinlage ist nach § 26, IV möglich. VI. Andere Verpflichtungen der Gesellschaft im Grfindungsstadium Anm. 20: Weder § 26 noch § 27 befassen sidi mit der Frage, ob die Gesellschaft durch Festsetzung in der Satzung im Gründungszustande mit anderen Verbindlichkeiten belastet werden kann, welche nicht in einer Vergütung oder Entschädigung für den Arbeits- oder Geldaufwand bei der Gründung oder ihrer Vorbereitung oder für Sachübernahmen bestehen, ob z. B. gegenseitige Verträge geschlossen werden können, welche nicht mit Gründern, sondern mit Vorstandsmitgliedern geschlossen werden, oder welche nicht die Überlassung von Vermögensgegenständen an die Gesellschaft, sondern etwa umgekehrt, Sach-, Lieferungs- oder Dienstverpflichtungen der Gesellschaft, Darlehensverpflichtungen oder dergl. (s. hierüber Godin Arch. Ziv.Pr. 27, 26 ff.) zum Inhalt haben. Hierfür ist nach unserer Ansicht ausschließlich einschlägig § 41. Wir halten es nicht für möglich, im Gründungszustand der künftigen Geschäftsführung vorzugreifen und die Gesellschaft mit anderen, als den erwähnten Verbindlichkeiten zu belasten, auch nicht durch Festsetzung in der Satzung. Was nicht nadi § 27 in der Satzung festzustellen ist, weil es keine Sachübernahme ist, ist in der Satzung auch nicht wirksam festsetzbar (ebenso Fischer Großkomm, zu § 34 Anm. 12; im einzelnen vgl. zu § 38). Dem Anwendungsgebiet des § 27 ist die Grenze gezogen, daß — vom Fall der Einlage abgesehen — für die Gesellschaft nur Geldverpflichtungen zwecks Erwerbs von Sachen oder Rechten, insbesondere Gebrauchsrechten begründet werden können. Ein Vertrag, der eine Sachübernahme mit einer Sachveräußerung verbindet (Tausch) kann nicht nur als ersterer gewertet und durch Festsetzung der Satzung wirksam werden. Auch für ihn gilt § 41. 142
Gründer / Erriditung der Gesellschaft
§§28/29
Anm. 1—3
§ 28 Gründer Die Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben, sind die Gründer der Gesellschaft.
Anm. 1: Die Vorschrift stimmt mit § 21 Satz 1 A k t G 1937 überein; sie bezweckt, den Kreis der Personen abzugrenzen, denen die Vermögens- und strafrechtliche Gründerhaftung und Gründerpflichten (Bestellung des ersten Aufsichtsrates, Erstattung des Gründerberichtes, Anmeldung zum Handelsregister) obliegen. Die Gründereigenschaft wird an zwei Voraussetzungen geknüpft: a) die Übernahme von Aktien und b) die Mitwirkung bei der Feststellung der Satzung. D a sowohl die nachträgliche Aktienübernahme durch die Gründer als audi die Stufengründung weggefallen sind, sind beide Voraussetzungen für jeden, der Aktien bei der Gründung übernimmt, gegeben, denn er kann dies nur bei Feststellung der Satzung tun.
Anm. 2: Über die Gründerfähigkeit vgl. Anm. 5 zu § 2 ; über gesetzl. Vertretung ebenda, desgl. über Strohmann; d. h., wenn ein Gründer f ü r fremde Rechnung aber im eigenen N a m e n tätig wird, ist er selbst Gründer, jedoch haftet neben ihm vermögensrechtlich derjenige, für dessen Rechnung er gehandelt hat (§ 46 Abs. 5). Anm. 3: Bei nachträglicher, vor Beendigung aller Gründergeschäfte, insbesondere vor der Anmeldung eintretender Geschäftsunfähigkeit, scheidet der Gründer als solcher aus, denn dem gesetzlichen Vertreter kann nicht zugemutet werden, die strafrechtliche Gründerhaftung auf sich zu nehmen. D a durch kann sich ergeben, daß die erforderliche Gründerzahl (5) nicht mehr vorhanden ist, dagegen bleibt die Ubernahmeerklärung des Gründers bestehen. Über den T o d eines Gründers vgl. Anm. zu § 29 u. Anm. zu § 36. § 29 Errichtung der Gesellschaft Mit der Übernahme aller Aktien durch die G r ü n d e r ist die Gesellsdiaft errichtet. I. Übersicht (Anm. 1) II. Übernahme der Aktien 1. Natur der Übernahmeerklärung (Anm. 2)
2. Rechte aus der Übernahmeerklärung (Anm. 3) III. Rechtsnatur der errichteten Gesellschaft (Anm. 4) IV. Tod eines Gründers (Anm. 5)
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§29 Anm. 1—4
Gründung der Gesellschaft
I. Übersicht Anm. 1: Diese Vorschrift hat den § 22 Abs. 1 AktG 37 übernommen. § 22 Abs. 2 AktG 37 behandelte die nachträgliche Übernahme der Aktien. Diese Vorschrift ist, ebenso wie die Stufengründung (§ 30 AktG 37), nunmehr weggefallen, da von den Gründern gem. § 2 bei der Feststellung der Satzung sämtliche Aktien zu übernehmen sind. Damit ist die Gesellschaft errichtet. II. Übernahme der Aktien 1. Natur der Ubernahmeerklärung Anm. 2: Die Aktienübernahmeerklärung (s. Anm. 19—22 zu § 23) kann ihrer Natur nach nicht an Bedingungen oder Beschränkungen geknüpft werden, andernfalls ist sie nichtig. Dagegen ist es statthaft und zweckmäßig, die Verbindung der Erklärung zu befristen. Die Übernahmeerklärung ist empfangsbedürftig, sie hat an die übrigen Gründer zu erfolgen. Dies geschieht automatisch, da sämtliche Gründer bei der Festsetzung der Satzung die sämtlichen Aktien übernehmen, mithin die Übernahmeerklärungen in Anwesenheit aller Beteiligten abgegeben und in Empfang genommen werden. Der Inhalt der Übernahmeerklärung bestimmt sich nach § 23 Abs. 2 (vgl. dort Anm. 19). 2. Rechte aus der Übernahmeerklärung Anm. 3: Rechte aus der Übernahmeerklärung (s. Anm. 20 zu § 23) werden erst durch die Zuteilung (so § 186 Abs. 1 bei der Kapitalerhöhung) von Aktien erworben, oder wie das Gesetz (§ 46 Abs. 4 bei der Gründung) sich ausdrückt, durch die Annahme der Beteiligung. Diese ist Sache der Gründer und setzt Zustimmung aller Gründer voraus, da diese für die Zahlungsunfähigkeit des Aktionärs aufzukommen haben, wenn sie die Übernahmeerklärung in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit annehmen (§ 46 Abs. 4). Danach müssen sie das Recht haben, Übernahmeerklärungen zurückzuweisen oder auszuscheiden; dasselbe gilt, wenn das Grundkapital überzeichnet wurde. Da nach dem neuen Gesetz alle Aktien bei der Festsetzung der Satzung übernommen werden, muß eine Einigung bei dem Gründungsvorgang zwischen allen Gründern erzielt werden. Mit der Zulassung der Aktienübernahmeerklärung ist damit praktisch auch die Zuteilung erfolgt und das Recht aus der Übernahmeerklärung entstanden. III. Reditsnatur der errichteten Gesellschaft Anm. 4: Zwar gibt es auch heute noch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts der Gründer, die die Feststellung der Satzung, die Aufbringung des Grundkapitals durch Werbung für Beteiligungen und die weitere Vorbereitung zum Gegenstand hat, sie endet aber in dem Augenblick, in dem die Feststellung der Satzung erfolgt, denn gleichzeitig mit dieser müssen auch sämt144
Errichtung der Gesellschaft
§29 Anm. 4
lidie Aktien übernommen werden und es tritt nunmehr die errichtete Gesellschaft ins Leben. Deren Rechtsnatur ist stark umstritten. Es werden im wesentlichen drei Meinungen vertreten, die wiederum in sich Unterschiede aufweisen: 1. Die einen nehmen eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts an, wobei als gemeinsamer Zweck der Gesellschafter (Gründer) die Entstehung einer A G angenommen wird (so R G 58, 55; 83, 373; 87, 2 4 9 ; 121, 21; 143, 373; 144, 356; 151, 9 1 ; O L G Tübingen in D R Z 1950, 18; Teichmann-Köhler § 16 Anm. 2 ; Sdil.-Qu. § 22 Anm. 4 ) ; 2. andere gehen aus von dem Wesen der errichteten Gesellschaft als einer werdenden Korporation und sehen sie als einen nicht rechtsfähigen Verein an (so Baumbach-Hueck § 22 Anm. 2; Lehmann, Gesellschaftsrecht S. 220; Bauer D R Z 1950, S. 10; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948, S. 189; Bauer in J Z 1952, S. 552); 3. schließlich wird die Ansicht vertreten, die Gesellschaft könne nicht einer bestimmten Vereinigungsform des bürgerlichen Rechts oder Handelsrechts zugeordnet werden, sie sei vielmehr als eine Aktiengesellschaft zu behandeln, mit Ausnahme der erst durch die Eintragung zu erwerbenden Eigenschaften (so B G H 20, S. 2 8 1 ; 21, S. 2 4 2 ; Würdinger S. 109; Fischer in Großkomm. § 22 Anm. 4 ; Hachenburg-Schilling § 11, Anm. 2; Ganssmüller GmbH-Rundschau 1953, S. 116 ff.; 1955 Seite 2 1 0 ; Kuhn W M Sonderbeilage 5 1956 Seite 3). Wir haben uns in der Vorauflage zwar auf den Standpunkt gestellt, daß die errichtete Gesellschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, daß sie auf Grund ihrer sich der Vollendung nähernden Umgangsnatur in manchen Beziehungen schon aktienrechtlichen Grundsätzen untersteht. Die sich aus der Übergangsnatur der errichteten Gesellschaft ergebenden Unterschiede von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind in der T a t so groß, daß sie sich nicht mehr unter diese einordnen läßt. Wir schließen uns deshalb nunmehr der unter 3) geschilderten Ansicht an. Behandelt man demzufolge die „errichtete Gesellschaft" als A G , so muß doch beachtet werden, daß sie in der T a t noch keine A G ist, solange die Eintragung nicht erfolgt ist. Sie ist vor der Eintragung nicht rechtsfähig und deshalb auch nicht parteifähig (teilweise abweichend Fischer Großkomm. § 22 Anm. 8, der sie unter analoger Anwendung des § 50 Abs. 2 Z P O für passiv parteifähig hält) und mangels besonderer Vorschrift auch nicht konkursfähig (a. A. Fischer in Großkomm. § 22 Anm. 8). Darüber, inwieweit die Gesellschaftsorgane die Gesellschaft als solche verpflichten können, siehe Anm. zu § 41. Die bisher im Schrifttum fast allgemein vertretene Auffassung, daß bis zur Eintragung der A G Willensmängel oder sonstige Nichtigkeitsgründe bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages nach den allgemeinen Grundsätzen des
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Wilhelm!, Aktiengesetz
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§ 29
Anm. 4,5
Gründung der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts geltend gemacht werden können, ist nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Band 13, 320 ff. nicht mehr aufrechtzuerhalten, jedenfalls dann nicht, wenn die Gründer mindestens im Innenverhältnis die Gesellschaft dadurch vollzogen haben, daß sie ihre Einlagen geleistet haben und auf diese Weise Gesamthandsvermögen gebildet haben; selbstverständlich auch dann nicht, wenn die Gesellschaft Rechtsgeschäfte mit Dritten abgeschlossen hat. Es sind alsdann auf diese Gesellschaft die Grundsätze für eine faktische Gesellschaft anzuwenden. Die Auflösung der Gesellschaft ist bis zur Eintragung mit Zustimmung aller Gesellschafter und auch nach der Anmeldung formlos möglich. Es hat zur Folge, daß die Anmeldung zurückgenommen werden muß. Wird die Gesellschaft im Gründungsstadium aufgelöst, so findet eine Abwicklung statt, wenn die Einlagen schon bezahlt sind und zwar durch die Abwickler, wie nach vorhergehenden aktienrechtlichen Grundsätzen anzunehmen ist. IV. Tod eines Gründers Anm. 5: Der Tod eines Gründers hat auf den Bestand der Gesellschaft keinen Einfluß mehr. Gründer ist, wer an der Feststellung der Satzung mitwirkt. Bei dieser Feststellung werden jedoch bereits sämtliche Aktien von den Gründern übernommen. Sobald daher jemand Gründer ist, besteht auch bereits eine „errichtete Gesellschaft" und nur wenn eine solche noch nicht bestehen würde, könnte der Tod des Gründers einen Einfluß auf die Gesellschaft haben. Wenn auch das anonyme, von den Gesellschaftern gelöste Aktienrecht erst durch die Eintragung der AG im Handelsregister entsteht, so tragen wir doch kein Bedenken, auf die errichtete Gesellschaft bereits den aktienrechtlichen Grundsatz anzuwenden, daß die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters nicht betroffen wird. Nichtsdestoweniger ist die Mitgliedschaft in der errichteten Gesellschaft höchstpersönlich und vererbt sich nicht. Der Erbe bleibt aber, wenn die Gesellschaft nach dem Vorgesagten durch den Tod des Gründers nicht aufgelöst wurde, an die Übernahmeerklärung gebunden. Durch diese Bindung wird aber der Erbe nicht persönlich selbst zum Gründer, da nicht etwa er, vielmehr sein Erblasser die Satzung festgestellt hat. Er ist weder verpflichtet, noch berufen, an der weiteren Gründung, etwa im Gründerbericht oder bei der Anmeldung persönlich mitzuwirken (vgl. Anm. zu § 36; zu weitgehend daher: Sch.-Qu. § 21 Anm. 2; Ritter § 21 Anm. 2; Baumbach-Hueck § 21 Anm. 1). Die Gründerhaftung trägt er erbrechtlich, allerdings mit der Befugnis, sie auf den Nachlaß zu beschränken, soweit diese durch Handlungen des verstorbenen Gründers schon begründet war, aber nicht persönlich, auch nicht strafrechtlich. Die Unterschreitung der Fünfzahl durch den Tod des Gründers bedeutet hier — nach Feststellung der Satzung — nichts, denn sie ist nur für die Feststellung der Satzung vorgesehen, wäh146
Bestellung des Aufsiditsrats, Vorstands und der Abschlußprüfer § § 2 9 / 3 0
Anm. 5 / 1 rend für Gründerbericht und Anmeldung nur vorgeschrieben ist (§§ 31, 36), daß daran alle Gründer mitzuwirken haben, aber selbstverständlich nicht die verstorbenen. § 30 Bestellung des Aufsichtsrats, des Vorstands und der Abschlußprüfer (1) Die Gründer haben den ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft und die Abschlußprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr zu bestellen. Die Bestellung bedarf gerichtlicher oder notarieller Beurkundung. (2) Auf die Zusammensetzung und die Bestellung des ersten Aufsiditsrats sind die Vorschriften über die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht anzuwenden. (3) Die Mitglieder des ersten Aufsiditsrats können nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt. Der Vorstand hat rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des ersten Aufsiditsrats bekanntzumachen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der nächste Aufsichtsrat nach seiner Ansicht zusammenzusetzen ist; §§ 96 bis 99 sind anzuwenden. (4) Der Aufsichtsrat bestellt den ersten Vorstand. I. Übersicht (Anm. 1) II. Bestellung des ersten Aufsichtsrates 1. Bestellungsakt (Anm. 2) 2. Protokollierung der Bestellung (Anm. 3) 3. Beteiligung der Arbeitnehmer am ersten Aufsichtsrat (Anm. 4) 4. Aufgabe des ersten Aufsichtsrates (Anm. 5 u. 6)
5. Widerruf der Bestellung (Anm. 7) 6. Niederlegung des Amtes (Anm. 8) III. Bestellung der Abschlußprüfer (Anm. 9) IV. Bestellung des ersten Vorstandes (Anm. 10 u. 11) V. Vergütung (Anm. 12)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist gegenüber dem § 23 AktG 37 erweitert worden. In Abs. 1 ist neben der Bestellung des ersten Aufsichtsrates nun auch die Bestellung der Abschlußprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr gesetzlich festgelegt worden, die nach bisherigem Recht durch die Hauptversammlung zu wählen waren (siehe Anm. 9). Neu sind die Bestimmungen in Abs. 2 und 3, die sich mit der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer befassen. Danach gehören dem ersten Aufsichtsrat keine Arbeitnehmervertreter an, es sei denn, daß ein Unternehmen eingebracht oder übernommen wird (§ 31). Die Bestellung seiner Mitglieder endet mit der Beendigung der Hauptversammlung für das 10"
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§ 30
G r ü n d u n g der Gesellschaft
Anm. 1—i erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr. Der Vorstand hat die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer rechtzeitig für den dann zu bildenden Aufsichtsrat vorzubereiten (siehe Anm. 4). II. Bestellung des ersten Aufsichtsrates 1. Bestellungsakt Anm. 2: Die Bestellung des ersten Aufsichtsrates durdi die Gründer erfolgte bisher schon meist bei der Festsetzung der Satzung. Da jetzt eine nachträgliche Aktienübernahme nicht mehr möglich ist, wird in aller Regel die Bestellung des ersten Aufsichtsrates mit der Festsetzung der Satzung zusammenfallen. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, so bedarf die Bestellung des Aufsichtsrates nur der Mehrheit, nicht der Einstimmigkeit (ebenso BaumbachHueck § 23 Anm. 1; Schl.-Qu. Anm. 3; Fischer in Großkomm. § 23 Anm. 4; a. A. Ritter Anm. 3 c). Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur der errichteten Gesellschaft (siehe § 29 Anm. 4), die bereits jetzt als eine Aktiengesellschaft zu behandeln ist. Deshalb erfolgte auch die Abstimmung nach Anteilen und nicht nach Köpfen; § 709 Abs. 2 BGB muß hinter den aktienrechtlichen Grundsätzen zurücktreten. Dagegen müssen sich alle Gründer an der Wahl beteiligen, doch kann sich der Gründer durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht bedarf nicht der öffentlichen Beglaubigung, muß aber schriftlich sein (vgl. § 134 I I I ; so auch Fisdier in Großkomm. § 23, Anm. 4). 2. Protokollierung der Bestellung Anm. 3: Über die Bestellung ist eine öffentliche (gerichtliche oder notarielle) Urkunde zu errichten. Aus ihr muß hervorgehen, wer gewählt ist, ferner, daß alle Gründer anwesend oder vertreten waren und wieviel Stimmen jeder Gewählte erhalten hat. Denn es muß an Hand der Urkunde nachprüfbar sein, daß die Wahl zustande gekommen ist. Die Feststellung des Ergebnisses der Wahl durch einen etwa aus der Versammlung herausgewählten Versammlungsleiter ist nicht maßgebend und ersetzt nicht das Erfordernis der Nachprüfbarkeit des ordnungsgemäßen Zustandekommens der Wahl. Ein satzungsmäßiges Entsendungsrecht gilt auch für den ersten Auf sichtsrat; ebenso § 95 über die Mindest- und Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder. 3. Beteiligung der Arbeitnehmer am ersten Auf sichtsrat Anm. 4: Nachdem das Mitbestimmungsrecht und § 76 BetrVerfG in Kraft getreten sind, wurde streitig, ob bereits dem ersten Aufsichtsrat Arbeitnehmer angehören müssen. Die Meinungen waren geteilt; die einen (Baumbach-Hueck § 2 3 Anm. 1; Dietz § 7 6 BetrVerfG Anm. 4; Kötter JZ 53, 203; Schmatz D N Z 53, 93) hielten § 76 BetrVerfG deshalb für nicht anwendbar, weil die Aktiengesellschaft vor ihrer Entstehung noch kein Unternehmen betreiben 148
Bestellung des Aufsiditsrats, Vorstands und der Abschlußprüfer
§ 30
Anm. 4,5
und somit auch keinen Arbeitnehmer beschäftigen kann. Die anderen (Fischer in Großkomm. § 23 Anm. 4 a; Fitting-Kraegelo § 31 W O Anm. 3; Schnorr, Arbeit und Redit 1953, 68) hielten einen Arbeitnehmervertreter im ersten Aufsichtsrat nur dann für erforderlich, wenn ein Handelsgeschäft als Sacheinlage in die Aktiengesellschaft eingebracht oder als Sachübernahme übernommen worden ist. Das Gesetz hat diese Frage nunmehr abschließend in den §§ 30 und 31 geregelt. § 30 regelt die Gründungen mit baren Einzahlungen oder solche Sacheinlagen oder Sachübernahmen, welche nicht in der Einbringung eines Unternehmens oder Unternehmensteils bestehen. Solche Gesellschaften beschäftigen meist zunächst nur wenig Arbeitnehmer. Die Hauptzahl der Arbeitnehmer wird erst nach der Gründung eintreten. Aber gerade diese Arbeitnehmer müssen Gelegenheit haben, die Auswahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu beeinflussen. Daher erscheint es zweckmäßig, diese Wahlen erst durchführen zu lassen, wenn sich bei der Gesellschaft ein fester Arbeitnehmerstamm gebildet hat, der imstande ist, eine wirklich repräsentative Wahl vorzunehmen. Der erste Aufsichtsrat wird daher bei diesen Gesellschaften allein von den Gründern bestellt; jedoch wird die Amtszeit dieses ersten Aufsichtsrates gem. § 30 III S. 1 beschränkt, damit die Arbeitnehmer bald nach Entstehung der Gesellschaft die Möglichkeit haben, nach den gesetzlichen Bestimmungen des Mitbestimmungsrechtes und Betriebsverfassungsgesetzes am Aufsichtsrat beteiligt zu werden. Die Gesellschaft wird somit gezwungen, alsbald nach ihrer Gründung einen neuen Aufsichtsrat zu bestellen. Dieser Neuwahl hat die Bekanntmachung des Vorstandes nach § 30 III S. 2 vorauszugehen. Diese Vorschrift soll sicherstellen, daß die Arbeitnehmer nach den für die Gesellschaft maßgebenden Bestimmungen an diesem Aufsichtsrat beteiligt werden. Hält ein Beteiligter nicht die Vorschriften für maßgebend, die sich aus der Bekanntmachung des Vorstandes ergeben, so hat er die Möglichkeit, das in § 98 I bestimmte Geridit anzurufen, um eine Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsiditsrates herbeizuführen. Hierbei ist die in § 97 II S. 1 bestimmte Frist von einem Monat zu beachten (vgl. im einzelnen §§ 96—99 mit Anm.). Der zweite Aufsichtsrat ist nach der Bekanntmachung des Vorstandes zu wählen, wenn das Gericht nicht angerufen wird. Die Zusammensetzung nach der Bekanntmachung des Vorstandes bleibt maßgebend, solange weder der Vorstand eine neue Bekanntmachung erläßt (§ 97 I) oder das Gericht auf Antrag eines Beteiligten andere Vorschriften für maßgebend erklärt. 4. Aufgaben des ersten Aufsichtsrates Anm. ß: Aufgabe des ersten Aufsichtsrates ist, wie die eines jeden anderen, die Gesellschaft zu betreuen, und zwar während der Gründung nicht 149
§30
Anm. 5—7
Gründung der Gesellschaft
weniger als nach der Eintragung. Seine vermögensrechtliche und strafrechtliche Haftung ist dieselbe wie die jedes späteren Aufsichtsrates, auch in der Zeit vor der Eintragung. Gewisse in dieser Zeit zu erfüllende Pflichten werden ihm noch durch besondere Androhung vermögensrechtlicher und strafrechtlicher Haftung eingeschärft. Für die Zeit vor der Eintragung macht ihm das Gesetz im einzelnen zur Pflicht: die Bestellung des ersten Vorstandes (Abs. 4), die Prüfung des Gründungsherganges (§ 33) und die Anmeldung der Gesellschaft (§ 36). Er hat die Verantwortlichkeit für die Ordnungsmäßigkeit der Gründung mitzutragen, insbesondere dafür, daß die bei der Anmeldung gemachten Angaben der Wahrheit entsprechen, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf Aktien bestimmte Stelle hierzu geeignet ist und, daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstandes stehen (§ 48). Über die besondere Überwachungspflicht während der Gründung vgl. R G 144, 352. Anm. 6: Die Bestellung durch die Gründer bedarf der Annahme der Bestellten. Diese kann formlos erfolgen, muß aber dem Registergericht nachgewiesen werden. Es empfiehlt sich deshalb, in der Urkunde über die Wahl die Erklärung des Gewählten über die Annahme oder Ablehnung aufzunehmen. Ist der Gewählte nicht anwesend, was keineswegs der Fall zu sein braucht, so kann sich auch die Annahme der Wahl aus der Unterzeichnung der Anmeldung oder des Prüfungsberichtes ergeben. In diesem Fall ist ein besonderer Nachweis dem Registergericht über die Annahme der Wahl nicht erforderlich. 5. Widerruf der
Bestellung
Anm. 7: Nach früherem Recht konnte nach herrschender Meinung gem. § 87 I I I S. 2 AktG 37 die Bestellung des ersten Aufsichtsrates vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister mit einfacher Mehrheit widerrufen werden (a. A. Schl.-Qu. § 23 Anm. 4). Die Vorschrift des § 87 I I I AktG 37, die für den ersten Aufsichtsrat für die Zeit nach der Eintragung der Gesellschaft galt, ist in § 30 I I I S. 1 aufgenommen worden, jedoch ohne den hier in Frage stehenden Satz 2. Daraus ergibt sich, daß auch für den Widerruf der Bestellung des ersten Aufsichtsrates die allgemein für den Aufsichtsrat geltende Vorschrift des § 103 I anzuwenden ist, wonach für den Widerruf eine 3 /4-Mehrheit erforderlich ist. Da die Wahl des ersten Aufsichtsrates nach aktienrechtlichen Gesichtspunkten erfolgt, so sind die Vorschriften, die nach der Eintragung gelten, auch bereits vor der Eintragung auf die errichtete Gesellschaft anzuwenden. Der Widerruf erfolgt in derselben Form wie die Bestellung, d. h. in einer Gesellschafterversammlung der Gründer, die der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedarf. 150
Bestellung des Aufsichtsrats, Vorstands und der Abschlußprüfer
§ 30
Anm. 8—10 6. Niederlegung des Amtes Anm. 8: Auch vor der Eintragung kann ein Aufsichtsratsmitglied sein Amt nur unter den gleichen Voraussetzungen niederlegen, wie nach der Eintragung (siehe Anm. zu § 103); (ebenso Baumbadi-Hueck § 23 Anm. 1; a. A. die Vorauflage und Fischer in Großkomm. § 23 Anm. 4). Wie oben bereits ausgeführt, gelten f ü r die Bestellung und deren Widerruf allein aktienrechtliche Grundsätze. Aus diesem Grunde kann auch f ü r die Frage der Amtsniederlegung eines Aufsichtsratsmitgliedes nichts anderes gelten. H a t daher ein Gewählter das Amt eines Aufsichtsratsmitgliedes angenommen, so kann er es auch vor der Eintragung der Gesellschaft nicht ohne wichtigen Grund niederlegen. Er kann es nur unter den in Anm. zu § 100 aufgeführten Voraussetzungen; allerdings tritt an Stelle der Hauptversammlung hier die Gründerversammlung. III. Bestellung der Abschlußprüfer Anm. 9: Neben dem ersten Aufsichtsrat sind von den Gründern auch die Abschlußprüfer f ü r das erste Voll- und Rumpfgeschäftsjahr zu bestellen, die nach früherem Recht (§136 I A k t G 37) durch die Hauptversammlung zu bestellen waren. Für die Bestellung gilt das gleiche, wie f ü r die Bestellung des ersten Aufsichtsrates (siehe Anm. 2 und 3). Fraglich ist, ob bereits in diesem Stadium der Gesellschaft die Vorschrift des § 163 über den Prüfungsauftrag (Abs. 1), das Widerspruchsrecht (Abs. 2), die Bestellung durch das Gericht (Abs. 3) angewandt werden können, die ihrem Inhalt nach erst nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister gelten. Auch hier gilt der Grundsatz, daß die errichtete Gesellschaft bereits als A G zu behandeln ist. Daraus ergibt sich, daß § 163 entsprechend auch vor der Eintragung anwendbar ist. Das bedeutet, daß der Vorstand den gewählten Prüfern unverzüglich den Prüfungsauftrag zu erteilen hat; daß Vorstand, Aufsichtsrat und eine bestimmte Minderheit (der Gründer) Widerspruch erheben können; daß das Gericht auf Antrag des Vorstandes, des Aufsichtsrates, oder eines Gründers die Abschlußprüfer zu bestellen hat, wenn die Gründerversammlung diese nicht gleichzeitig mit dem ersten Aufsichtsrat bestellt hat. Der Widerruf der Bestellung kann durch einfachen Mehrheitsbeschluß der GesellschafterVersammlung der Gründer in sinngemäßer Anwendung des § 163 V erfolgen. Neu gegenüber dem früheren Recht ist die Bestimmung, daß den Abschlußprüfern vor dem Widerruf Gelegenheit gegeben werden muß, ihre Stellungnahme vor der Gründerversammlung abzugeben (i. einzelnen § 163 mit Anm.). IV. Bestellung des ersten Vorstandes Anm. 10: Grundsätzlich ist die Bestellung des Vorstandes überhaupt, auch des ersten, nach zwingender Gesetzesvorschrift Sache des Aufsichtsrates. Dieser 151
§30 Anm. 10—12
G r ü n d u n g der Gesellschaft
trägt sonach auch für die Eignung des Bestellten die Verantwortung aus etwaigem Verschulden. Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, aber nur aus wichtigem Grunde (§ 84 III). Eine Form für die Bestellung ist nicht vorgeschrieben. Aber eine Urkunde wird in § 37 II Nr. 3 vorausgesetzt, weil eine solche der Anmeldung beizufügen ist. Ebenso gilt § 107 II, wonach über die Beschlüsse des Aufsichtsrates eine Niederschrift aufzunehmen ist. Ist der Aufsichtsrat nicht vollzählig zugegen, so kann mit allgemeiner Zustimmung über die Bestellung auch schriftlich abgestimmt werden, dann sind der Anmeldung alle diese schriftlichen Stimmabgabeerklärungen beizufügen. Die Bestellung des Vorstandes erfolgt nach dem Grundsatz der Stimmenmehrheit, wenn auch nirgends ausdrücklich ausgesprochen ist, daß für die Beschlüsse des Aufsichtsrates der Mehrheitsgrundsatz gilt. Anm. 11: Die Aufgabe des Vorstandes ist vom Tage seiner Bestellung an immer die gleiche. Er hat die Gesellschaft auch schon im Zustand vor ihrer Eintragung sorgfältig zu betreuen und ihre Geschäfte zu führen; insbesondere hat er den Gründungsvorgang unter eigener Verantwortung zu prüfen, die Einlagen einzufordern, sie bei einer dazu geeigneten Stelle einzahlen zu lassen, bei der Anmeldung mitzuwirken und die vermögensrechtliche und strafrechtliche Verantwortung für diese Tätigkeit, insbesondere die Richtigkeit der Angaben bei der Anmeldung, zu tragen. V. Vergütung Anm. 12: Eine Vergütung kann den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrates nur durch die Hauptversammlung zugebilligt werden, die über die Entlastung des ersten Aufsichtsrates beschließt (§113 II). Es handelt sich hier um die Vergütung über die Tätigkeit des Aufsichtsrates als solchen. Daß eine Entschädigung oder Entlohnung für die Gründung oder deren Vorbereitung auch einem Mitglied des ersten Aufsichtsrates durch Festsetzung in der Satzung nach § 26 II gewährt werden kann, ergibt sich aus § 32 III und § 33 II Nr. 3. Auch den Vorstandsmitgliedern kann für die Zeit vor der Eintragung eine Vergütung nur als Entlohnung für die Tätigkeit bei der Gründung oder für ihre Vorbereitung nach § 26 II gewährt werden, weil vor der Eintragung die Gesellschaft mit anderen Verpflichtungen nicht belastet werden kann (vgl. Anm. zu § 41). Diese an Vorstand und Aufsichtsrat als Entlohnung für ihre Tätigkeit bei der Gründung oder ihrer Vorbereitung gewährte Vergütung ist in den Gesamtgründungsaufwand im Sinne des § 26 II einzubeziehen.
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Bestellung des Aufsichtsrats bei Sadigründung
§ 31
Anm. 1 § 31 Bestellung des Aufsichtsrats bei Sadigründung (1) Ist in der Satzung als Gegenstand einer Sacheinlage oder Sadiübernahme die Einbringung oder Übernahme eines Unternehmens oder eines Teils eines Unternehmens festgesetzt worden, so haben die Gründer nur so viele Aufsiditsratsmitglieder zu bestellen, wie nach den gesetzlichen Vorschriften, die nadi ihrer Ansicht nach der Einbringung oder Übernahme für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats maßgebend sind, von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge zu wählen sind. Sie haben jedoch, wenn dies nur zwei Aufsichtsratsmitglieder sind, drei Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen. (2) Der nach Absatz 1 Satz 1 bestellte Aufsichtsrat ist, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, beschlußfähig, wenn die Hälfte, mindestens jedoch drei seiner Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. (3) Unverzüglich nach der Einbringung oder Übernahme des Unternehmens oder des Unternehmensteils hat der Vorstand bekanntzumachen, nach weldien gesetzlichen Vorsdiriften nach seiner Ansicht der Aufsichtsrat zusammengesetzt sein muß. §§ 97 bis 99 gelten sinngemäß. Das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erlischt nur, wenn der Aufsichtsrat nach anderen als den von den Gründern für maßgebend gehaltenen Vorsdiriften zusammenzusetzen ist oder wenn die Gründer drei Aufsichtsratsmitglieder bestellt haben, der Aufsiditsrat aber auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen hat. (4) Absatz 3 gilt nicht, wenn das Unternehmen oder der Unternehmensteil erst nach der Bekanntmachung des Vorstands nach § 30 Abs. 3 Satz 2 eingebracht oder übernommen wird. (5) § 30 Abs. 3 Satz 1 gilt auch für die nach Absatz 3 bestellten Aufsiditsratsmitglieder. I. Übersicht (Anm. 1) II. Bestellung des Aufsiditsrates 1. D i e von den Gründern zu bestellenden Mitglieder (Anm. 2 u. 3)
2. Vervollständigung des Aufsichtsrats (Anm. 4) III. Amtsdauer des ersten Aufsichtsrats (Anm. 5 u. 6) IV. Aufgabe des ersten Aufsichtsrats u. Vorstandes (Anm. 7)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist neu; sie ergänzt den § 30, der die Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat nur für die Gründungen mit baren Einlagen oder solchen Sacheinlagen und Sachübernahmen regelt, die nicht in der Einbringung eines Unternehmens oder Unternehmensteils bestehen (vgl. § 30 Anm. 4). § 31 regelt die Zusammensetzung und die Bestellung des ersten Aufsichtsrates für die von § 30 nidit erfaßten Gesellschaften. Insoweit ist 153
§31 Anm. 1—3
Gründung der Gesellschaft
daher die Überschrift zu § 31 ungenau, denn niciit alle Sachgründungen fallen hierunter. Für Gesellschaften, die bei der Gründung ein bestehendes Unternehmen übernehmen, gelten die in Anm. 4 zu § 30 angestellten Erwägungen nicht. Bei diesen Gesellschaften ist bereits bei Übernahme des Unternehmens ein fester Arbeitnehmerstamm vorhanden, der geeignete Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat wählen kann, genauso wie bei bereits länger bestehenden Gesellschaften. Aus diesem Grund sollen die Arbeitnehmer bei diesen Gesellschaften schon früher als im Fall des § 30 die Möglichkeit der Beteiligung im Aufsichtsrat erhalten. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer bisher bereits eine Beteiligung am Aufsichtsrat gehabt haben. Zu beachten ist jedoch § 76 V I des BetrVG, wonach bei Familiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern kein Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sein muß. II. Bestellung des Aufsiditsrates 1. Die von den Gründern zu bestellenden
Mitglieder
Anm. 2: Der von den Gründern zu bestellende Aufsichtsrat ist nach § 31 I bereits unter Berücksichtigung der Vorschriften über die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu wählen. Das bedeutet, daß, wenn die Gründer z. B. der Ansicht sind, daß die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes zur Anwendung kommen, sie nur 2/s der im Gesetz oder der Satzung vorgesehenen Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern bestellen können. Bei dieser Regelung kann der Fall eintreten, daß lediglich zwei Aufsichtsratsmitglieder von den Gründern zu bestellen sind, nämlich dann, wenn der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern bestehen soll. Für diesen Fall bestimmt § 31 I S. 2 ausdrücklich, daß dennoch drei Mitglieder zu bestimmen sind, da der Aufsichtsrat sofort aktionsfähig sein muß. Bei nur zwei Mitgliedern ist das jedoch bei Meinungsverschiedenheiten dieser beiden nicht möglich. Amn. 3: Obwohl der nach Abs. 1 gebildete Aufsichtsrat solange ein unvollständiger ist, bis die Arbeitnehmervertreter hinzugetreten sind, soll er in der Lage sein, die vollen Funktionen eines vollständigen Aufsichtsrates zu übernehmen, denn es erscheint nicht tragbar, den Fortgang der Gründung der Gesellschaft solange aufzuschieben, bis das Unternehmen übernommen und die Arbeitnehmer in der Lage sind, ihre Vertreter für den Aufsichtsrat zu wählen. Deshalb bestimmt Abs. 2, daß auch der unvollständige Aufsichtsrat unter den gleichen Voraussetzungen beschlußfähig ist, wie allgemein der Aufsichtsrat, denn die Bestimmung des Abs. 2 lehnt sich eng an die des § 108 I I I an. Ob diese besondere Bestimmung notwendig war, er154
Bestellung des Aufsichtsrats bei Sachgriindung
§ 31
Anm. 3,4
scheint recht zweifelhaft, denn wenn im Abs. 1 die Bildung eines Aufsichtsrats für ein gewisses Stadium der Gesellschaft ausdrücklich vorgeschrieben wird, so ist eben der nach dieser Bestimmung gebildete Aufsichtsrat derjenige, dem alle Funktionen obliegen. Die Frage, wann er beschlußfähig ist, ist durchaus eine andere Frage, die sich, auch ohne daß es einer besonderen Bestimmung an dieser Stelle bedurft hätte, nach den allgemeinen Bestimmungen, also nach § 108 II zu richten hat. Gerade die Schwierigkeit, die bei einem solchen unvollständigen Aufsichtsrat auftreten kann, hat das Gesetz nicht geregelt. Es ist denkbar, daß Satzungsbestimmungen über die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrates deshalb Schwierigkeiten bereiten, weil in der Satzung von einer höheren Zahl der Aufsichtsratsmitglieder ausgegangen wird. Gerade die Satzungsbestimmungen über die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats werden aber durch Abs. 2 nicht aufgehoben, denn die darin enthaltene Regelung über die Beschlußfähigkeit gilt nur, „soweit die Satzung nichts anderes bestimmt". Dagegen geht die Regelung des Abs. 2 derjenigen des § 10 des Mitbestimmungsgesetzes und des § 11 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes vor, solange der Aufsiditsrat noch nicht vollständig nach diesen Gesetzen zusammengesetzt ist (so RegBegr.). Audi das folgt aber nicht aus der Vorschrift des § 31 II, sondern aus der Tatsache, daß eben nach' Abs. 1 ein Aufsichtsrat zu bilden ist, dem Arbeitnehmervertreter nicht angehören. 2. Vervollständigung
des
Aufsichtsrats
Anm. 4: Wird ein Unternehmen als Sacheinlage eingebracht, so hat der Vorstand unmittelbar nach seiner Ernennung dadurch für die Vervollständigung des Aufsichtsrats zu sorgen, daß er bekanntmacht, nach welchen gesetzlichen Vorschriften nach seiner Ansicht der Aufsiditsrat zusammengesetzt sein muß. Dasselbe hat zu geschehen, wenn ein Unternehmen im Wege der Sachübernahme, die an keine Frist gebunden ist, also noch nach Eintragung der Gesellschaft durchgeführt werden kann, übernommen wird, sobald diese Übernahme erfolgt ist. Die Bekanntmachung hat den Zweck, für alle Beteiligten verbindlich festzustellen, welche gesetzlichen Vorschriften für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bindend sind. Sie hat deshalb auch dann zu erfolgen, wenn der Vorstand mit den Gründern in bezug auf die anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen gleicher Ansicht ist. Mit dieser Bekanntmachung wird das Verfahren nach §§ 96—99 in Gang gesetzt. Im einzelnen vgl. die Anmerkungen dort. Ergibt sich, daß der Aufsichtsrat nach den gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen ist, die von den Gründern bei Durchführung der Bestellung nach Abs. 1 zugrunde gelegt wurden — gleichgültig, ob dies die Ansicht des Vorstandes war oder etwa das Gericht abweichend von der Ansicht des Vorstandes sich der der Gründer angeschlossen hat —, so bleiben die von den Gründern bestellten Aufsichtsratsmitglie155
§ 31 Anm. 4,5
Gründung der Gesellschaft
der so lange im Amt, bis nach § 30 I I I Satz 1 ihre Amtsdauer abgelaufen ist, d. h. bis zum Ende der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt. Die zwischenzeitlich gewählten Vertreter der Arbeitnehmer treten zu den von den Gründern bestellten Aufsichtsratsmitgliedern hinzu. Der nunmehr vollständige Aufsichtsrat übernimmt die Funktionen, die der bisherige unvollständige Aufsichtsrat hatte. Dies ist dann nicht möglich, wenn die Gründer auf Grund der Bestimmung des Abs. 1 Satz 2 an Stelle von zwei Aufsichtsratsmitgliedern drei Aufsichtsratsmitglieder bestellt haben, dann wäre ein Aufsichtsratsmitglied zuviel. Im Abs. 3 ist deshalb ausdrücklich bestimmt, daß in diesem Fall das Amt der von den Gründern bestellten Aufsichtsratsmitglieder auch dann erlischt, wenn der Aufsichtsrat an sich nach den von den Gründern für maßgebend gehaltenen Vorschriften zusammenzusetzen ist. In diesem Fall muß eine Neubestellung auch der Mitglieder, die von den Gründern zu bestellen sind, erfolgen, denn es scheiden sämtliche drei Mitglieder aus, auch eine freiwillige Amtsniederlegung eines Mitglieds ändert hieran nichts. Es kann auch nicht etwa nur einer von den Gründern bestimmt werden, auszuscheiden. Eine solche Erklärung würde dahin auszulegen sein, daß die Gründer sich auf die Bestellung der übrigen beiden neu einigen. Das Amt dieser Aufsichtsratsmitglieder endet nicht etwa mit der Benennung der Vertreter der Arbeitnehmer, sondern nach § 97 II, d. h. mit der Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf der Anrufungsfrist einberufen wird. Hierunter ist zu verstehen die Frist von einem Monat innerhalb der das zuständige Gericht nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung des Vorstandes im Bundesanzeiger anzurufen ist (§ 97 I). Ergibt sich, daß die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach anderen gesetzlichen Vorschriften zu erfolgen hat, als die Gründer bei der Bestellung des Aufsichtsrats angenommen haben, so erlischt das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder ebenfalls nach Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf der Anrufungsfrist einberufen wird (§ 97 II und I). III. Amtsdauer des ersten Aufsiditsrates Anm. 5: Wenn auch im allgemeinen die Ubrenahme des Unternehmens während der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats, die sich nach § 30 I I I bestimmt, erfolgen wird, so ist es doch auch denkbar, daß sie erst später erfolgt. Hierfür bestimmt Abs. 4, daß die Bestimmungen des Abs. 3 keine Anwendung finden. Das hat aber keineswegs zur Folge, daß etwa die im Abs. 3 vorgesehene Bekanntmachung des Vorstandes zu unterbleiben hat, denn es bleibt die Bestimmung des § 3 0 111 wirksam, die insoweit mit der des § 3 1 I I I identisch ist. Wenn die Sachübernahme noch nicht erfolgt ist, so hat der Vorstand rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats bekanntzumachen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften seiner Ansidit nach 156
Gründungsbericht
§§31/32 Anm. 5—7
der nächste Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist. In diesem Fall gilt vor allem die Bestimmung des § 96; daneben wird wie in § 31 III auch auf die Bestimmungen der §§ 97—99 Bezug genommen. Da der Zeitpunkt der Übernahme des Unternehmens u. U. nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, stellt die Bestimmung des Abs. 4 nidit auf die Beendigung der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats ab, sondern auf die Bekanntmachung des Vorstandes, die rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit erfolgen muß. Wenn die Bekanntmachung des Vorstandes nach § 30 III S. 2 erfolgt ist, kann nicht mehr nach §31 III verfahren werden, d.h., es muß der Aufsichtsrat neu bestellt werden. Erweist sich nach Übernahme des Unternehmens, daß der zweite nunmehr vollständige Aufsichtsrat unrichtig zusammengesetzt ist, so hat der Vorstand in unmittelbarer Anwendung des § 97 eine Bekanntmachung zu erlassen, welche gesetzlichen Bestimmungen nach seiner Ansicht für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats maßgebend sind. Für die Dauer der Amtszeit des Aufsichtsrats vgl. §§ 97 II; 98 IV und Anm. dort. Anm. 6: Auch der nach § 31 III bestellte Aufsichtsrat kann nach der ausdrücklichen Bestimmung des Abs. 5 nur bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das erste Voll- und Rumpfgeschäftsjahr beschließt. Eine erneute Bekanntmachung des Vorstands über diese Zusammensetzung des Aufsichtsrates ist jedoch entbehrlich. IV. Aufgabe des ersten Aufsichtsrates und Vorstandes Anm. 7: Über die Aufgabe des ersten Aufsichtsrates, die Wahl des ersten Vorstandes und dessen Aufgaben gilt das gleiche wie bei § 30 Anm. 5—10 gesagt ist, so daß insoweit darauf verwiesen werden kann.
§ 32 Gründungsbericht (1) Die Gründer haben einen schriftlichen Bericht über den Hergang der Gründung zu erstatten (Gründungsbericht). (2) Im Gründungsbericht sind die wesentlichen Umstände darzulegen, von denen die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen oder Sachübernahmen abhängt. Dabei sind anzugeben 1. die vorausgegangenen Rechtsgeschäfte, die auf den Erwerb durch die Gesellschaft hingezielt haben; 2. die Anschaffungs- und Herstellungskosten aus den letzten beiden Jahren; 3. beim Übergang eines Unternehmens auf die Gesellschaft die Betriebserträge aus den letzten beiden Geschäftsjahren. 157
§32
Gründung der Gesellschaft
Anm. 1 (3) Im Gründungsbericht ist ferner anzugeben, ob und in welchem Umfang bei der Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden sind und ob und in welcher Weise ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sidi einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat. I. Übersidit (Anm. 1) II. Form des Gründungsberidites (Anm. 2) III. Inhalt des Gründungsberidites 1. Hergang der Gründung (Anm. 3) 2. Angemessenheit der Leistung für Sachübernahme oder Sacheinlage (Anm. 4) 3. Vorausgegangene Rechtsgeschäfte (Anm. 5)
4. Ansdiaffungs- und Herstellungskosten (Anm. 6) 5. Betriebserträge der letzten beiden Geschäftsjahre (Anm. 7) 6. Aktienbeteiligung der Organe (Anm. 8) 7. Organpersonen gewährte Vorteile (Anm. 9) 8. Organpersonen gewährte Entschädigungen für Gründung (Anm. 10)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschriften des § 24 AktG 37 sind im wesentlichen unverändert übernommen worden. Zweck des vorgeschriebenen Gründungsberidites der Gründer (§ 28), mit dem das Prüfungsstadium beginnt, ist, eine Grundlage für die Prüfung der Gründung durch Vorstand, Aufsichtsrat und Gründungsprüfer sowie durch das Registergericht herzustellen. Er ist für alle Gründungen angeordnet, also auch für eine Bargründung. Die besonderen Bestimmungen im Abs. 2, bei Gründungen mit Sacheinlagen oder Sachübernahme, sollen die Überprüfbarkeit der Angemessenheit der Leistungen sicherstellen und insbesondere einen von den Gründern daran etwa erzielten Zwischengewinn offenlegen. Der Gründungsbericht hat dreierlei darzulegen: Den Hergang der Gründung, die Angemessenheit der Leistung der Gesellschaft für den Gegenstand einer Sacheinlage oder Sachübernahme, schließlich den Zwisdiengewinn der Gründer und das Interesse der Organpersonen an der Gründung. Ein vollständiger Gründungsbericht deckt daher auch aus der Satzung nicht erkennbare Gründe auf, die nach § 33 eine Gründungsprüfung erforderlich machen. Dieselben Angaben kehren ins einzelne gehend noch einmal bei der Anmeldung wieder ( § 3 7 II Nr. 2). Mit Rücksicht auf Abs. 3 kann der Gründungsbericht erst nach der Bestellung des Vorstandes erstattet werden. Der Gründungsbericht ist Voraussetzung der Eintragung und damit der Entstehung der Gesellschaft, aber auch gesellschaftliche, durch Klage erzwingbare Pflicht aller Gründer in ihrem Verhältnis untereinander, nach herrschender Meinung eine höchstpersönliche Pflicht. Im Gegensatz zur Gründung ist beim Gründungsbericht eine gewillkürte Vertretung unzulässig ( K G J 28 A 235). Stirbt ein Gründer, so kann mit Einwilligung der Über-
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Gründungsbericht
§32 Anm. 1—4
lebenden der Erbe an seine Stelle als Gründer treten und die Gründertätigkeit fortsetzen. Strafrechtlich haftet er nur für seine eigenen Gründerhandlungen, vermögensrechtlich audi für jede seines Erblassers. Sonach kann er an dessen Stelle den Gründungsberidit miterstatten. Keinesfalls kann er aber dazu gezwungen werden, evtl. muß ein neuer Gründer gefunden werden, wenn anderenfalls die erforderliche Zahl von 5 Gründern nicht mehr voll wäre, und das Gründungsgeschäft wiederholt werden. II. Form des Gründungsberichtes Anm. 2: Der Gründungsberidit muß schriftlich abgefaßt, also von jedem Gründer unterschrieben sein (§ 126 BGB). Jeder Gründer trägt die volle Verantwortung für die Richtigkeit der eigenen Angaben, aber audi für die Richtigkeit der Angaben der Mitgründer, wenn er diesen nicht widersprochen hat (§ 46). Es muß also jedem Gründer gestattet sein, den Bericht für seine Person selbst abzufassen oder Zusätze zu dem gemeinsamen Bericht zu machen. III. Inhalt des Gründungsberichtes 1. Hergang der Gründung Anm. 3: Der Bericht muß den Hergang der Gründung ergeben: also die Personen der Gründer, den Tag der Feststellung der Satzung, Sacheinlage und Sachübernahme, die Übernahme aller Aktien, die Wahl des Aufsichtsrates und Bestellung des Vorstandes (a. A. nur Ritter Anm. 2, wonach Abs. 2 und 3 den notwendigen Inhalt des Gründungsberichtes erschöpfend regeln sollen). Die Pflicht der Gründer, über die Gründung zu berichten, wird ergänzt durch ihre Verpflichtung zu Aufklärungen und Nachweisen, welche den Mitgliedern des Vorstandes und Aufsichtsrates und den Gründungsprüfern anläßlich der Prüfung des Gründungsherganges durch diese Personen zu machen sind. 2. Angemessenheit der Leistung für Sachübernahme oder Sacheinlage Anm. 4: Der Gründungsbericht soll die Angemessenheit der Leistung ergeben, welche die Gesellschaft für den Gegenstand einer Sacheinlage oder Sachübernahme zu vollbringen hat. Er hat die wesentlichen Punkte, die dafür maßgebend sind, auszuführen, z. B. die Größe und Lage eines Grundstückes, die Fundamentierung, bebaute Fläche und Bauausführung eines Gebäudes (evtl. die Mieterträgnisse), den technischen Stand und die Kapazität einer maschinellen Anlage, Vergleichspreise usw. Am besten läßt sich die Angemessenheit beurteilen, wenn die bisherigen Preise und Anschaffungskosten und die bisherige Rentabilität bekannt sind. Deshalb bestimmt das Gesetz:
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§32 Anm. 5—8
G r ü n d u n g der Gesellschaft
3. Vorausgegangene Rechtsgeschäfte Anm. 5: Ohne zeitliche Beschränkung sind alle vorausgegangenen Rechtsgeschäfte anzugeben, die sich mit dem Gegenstand der Sacheinlage oder Sachübernahme befassen, also z. B. Konsortialverträge, die den Zweck haben, eine Sache gemeinsam zu erwerben, um sie dann einzubringen. Maßgebend ist, ob eine ursächliche Verbindung zwischen Einlage bzw. Übernahme und dem vorausgegangenen Rechtsgeschäft besteht. 4. Anschaffungs- und Herstellungskosten Anm. 6: Ist der Erwerb oder die Herstellung der Gegenstände innerhalb der letzten beiden Jahre vor der Feststellung der Satzung (§ 23) erfolgt, so sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten stets anzugeben, gleichgültig ob dabei auf das spätere Einbringen oder die Übernahme hingezielt wurde. Der Sinn dieser Bestimmung ist, einen etwaigen Zwischengewinn der Gründer offenzulegen, was nicht bedeutet, daß ein solcher Gewinn verboten wäre. Er muß sich nur in angemessenen Grenzen halten und gezeigt werden. 5. Betriebserträge der letzten beiden Geschäftsjahre Anm. 7: Auch wenn ein Unternehmen auf die Gesellschaft übergeht, gelten die Anm. 5 und 6. Daneben sind die Betriebserträge aus den letzten beiden Geschäftsjahren anzugeben; im §24 AktG 37 hieß es: „Der Betriebsertrag aus den letzten beiden Geschäfts jähren." Nach der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs soll in dieser Veränderung eine Verschärfung des bisherigen Rechts liegen, da nach diesem der Ertrag aus den beiden letzten Geschäftsjahren zusammengefaßt hätte angegeben werden können. Dies ist jedoch nicht richtig. Sowohl nach dem bisherigen Recht als auch nach dem neuen muß diese Angabe für jedes Jahr gesondert gemacht werden, da sie sonst keinerlei Aussagewert hätte. Die Geschäftsjahre müssen bei der Festsetzung der Satzung bereits abgelaufen sein. Angaben über das laufende Geschäftsjahr sind außerdem zweckmäßig. Besteht das Unternehmen noch nicht zwei Jahre, braucht ihr Ablauf nicht abgewartet zu werden, genügen vielmehr die vorliegenden Betriebsergebnisse. 6. Aktienbeteiligung der Organe Anm. 8: Die Forderungen voller Offenheit, die an den Gründungsbericht zu stellen sind, ergeben, daß er nicht nur den von den Gründern erzielten Zwischengewinn ersehen lassen muß, sondern auch, daß er volle Auskunft über das Interesse der Gesellschaftsorgane an der Gründung zu geben hat. Denn dies muß berücksichtigt werden, wenn es gilt, den Wert ihrer Angabe abzuschätzen und Vertrauen zu haben, daß sie bei der Gründung pflichtmäßige Sorgfalt geübt haben. Darum muß der Gründungsbericht weiter ergeben: 160
Griindungsberidit
§32 Anm. 8—10
Die mittelbare und unmittelbare Aktienbeteiligung der Organe. Es braucht weder ein Name angegeben zu werden oder ob ein oder mehrere Mitglieder der Verwaltung Aktien übernommen haben. Es ist auch nicht erforderlich, die Beträge der Vorstandsmitglieder getrennt von denen anzugeben, die von Aufsichtsratsmitgliedern übernommen sind. Die Angabe kann z. B. lauten: „Es sind nominal 10 000,— DM Vorzugsaktien von Mitgliedern des Vorstandes und Aufsichtrates übernommen." A. A. Fischer in Großkomm. § 24 Anm. 5; er verlangt, daß der Name der beteiligten Mitglieder anzugeben ist sowie der Umfang der Aktienübernahme, des Vorteils usw. für jeden einzelnen. Diese Ansicht findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze und kann auch nicht damit begründet werden, daß die einzelnen Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates möglicherweise im Prüfungsbericht voneinander abweichen und dann das Intreesse des einzelnen klarliegen muß. Abweichende Prüfungsberichte kommen in der Praxis nicht vor. Sollte es doch einmal der Fall sein, so würde auch die von uns verlangte, dem Gesetzeswortlaut entsprechende Angabe genügen, um die besondere Prüfung aus § 33 II auszulösen und diese die besondere Auskunftspflicht der Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder gegenüber den Prüfern. Damit ist die Klarstellung aller Einzelheiten sichergestellt. 7. Organpersonen gewährte Vorteile Anm. 9: Besondere, einer Organperson gewährte Vorteile hat der Gründungsbericht anzugeben, mögen sie gleichzeitig unter § 26 I fallen, weil er der Organperson um einer Aktienbeteiligung willen gewährt worden ist oder nicht. Im Gründungsbericht braucht die Person des Empfängers nicht genannt zu werden (wohl aber im Fall des § 26 I in der Satzung) (a. A. auch hier Fischer Großkomm. Anm. 5). 8. Organpersonen gewährte Entschädigungen für Gründung Anm. 10: Schließlich ist die einer Organperson gewährte Entschädigung oder Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung (vgl. hierzu § 26 II) anzugeben. Zu beachten ist, daß die Satzung (§ 26) die Belastung der Aktiengesellschaft mit Verbindlichkeiten ergeben soll; diesem Zweck genügt eine summarische Angabe des Gesamtaufwandes. Die Angabe im Gründungsbericht dagegen hat den in der Anm. 8 angegebenen Zweck; deshalb sind hier die auf die Organperson entfallenden Beträge auszuweisen. Namen brauchen auch im Gründungsbericht nicht angegeben zu werden (a. A. auch hier Fischer im Großkomm. Anm. 5; vgl. hier Anm. 8).
161 11
Wilhelm!, Aktiengesetz
§33
Anm. 1
Gründung der Gesellschaft
§ 33 Gründungsprüfung. Allgemeines (1) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben den Hergang der Gründung zu prüfen. (2) Außerdem hat eine Prüfung durch einen oder mehrere Prüfer (Gründungsprüfer) stattzufinden, wenn 1. ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern gehört oder 2. bei der Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden sind oder 3. ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat oder 4. eine Gründung mit Sacheinlagen oder Sadiübernahmen vorliegt. (3) Die Gründungsprüfer bestellt das Gericht nach Anhörung der Industrie- und Handelskammer. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (4) Als Gründungsprüfer sollen, wenn die Prüfung keine anderen Kenntnisse fordert, nur bestellt werden 1. Personen, die in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sind; 2. Prüfungsgesellschaften, von deren gesetzlichen Vertretern mindestens einer in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren ist. (5) Als Gründungsprüfer darf nidit bestellt werden, wer nach § 143 Abs. 2 und 3 nicht Sonderprüfer sein kann. Gleiches gilt für Personen und Prüfungsgesellschaften, auf deren Geschäftsführung die Gründer oder Personen, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben, maßgebenden Einfluß haben. I. Übersicht (Anm. 1) II. Gründungsprüfung 1. durch Vorstand und Aufsichtsrat (Anm. 2) 2. durch Gründungsprüfer (Anm. 3)
III. Bestellung besonderer Gründungsprüfer (Anm. 4) IV. Eignung zum Gründungsprüfer (Anm. 5 u. 6) V. Verstoß gegen die Vorschriften über die Eignung (Anm. 7)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift des § 25 AktG 37 ist, soweit sie die Gründungsprüfung betrifft, übernommen worden; die Vorschriften über die sachliche und persönliche Eignung der Gründungsprüfer (§ 33 Abs. 4 und 5) dagegen sind geändert (siehe Anm. 5 und 6).
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Gründungsprüfung. Allgemeines
§33
Anm. 2,3
II. Grundungsprüfung 1. durch Vorstand und Aufsichtsrat Anm. 2: Ist der Bericht der Gründer erstattet, so wird der Hergang der Gründung geprüft. Die Gründungsprüfung ist eine höchstpersönliche Pflicht der einzelnen Mitglieder der Gesellschaftsorgane. Die Prüfung durch die Mitglieder der Gesellschaftsorgane hat stets zu erfolgen, und zwar durch alle vorhandenen Mitglieder. Audi die nach Abs. 2 Nr. 1 bis 3 wirtschaftlich interessierten Mitglieder haben die Prüfung vorzunehmen. Eine rechtsgeschäftliche Vertretung bei der Unterzeichnung des Berichtes ist ausgeschlossen. Läßt ein Mitglied der Verwaltung tatsächlich die Prüfung durch einen Dritten durchführen, so muß es das Ergebnis doch selbst unterzeichnen, es gilt als seine eigene Prüfung. Jedes Verwaltungsmitglied trägt für die Richtigkeit des von ihm erstatteten Berichts bei Verschulden die vermögensrechtliche (§ 48) und strafrechtliche (§ 399 I Nr. 2) Verantwortung, erstere neben, nicht nur hilfsweise nach den Gründern. Deshalb kann jedes Mitglied für sich allein von den Gründern Aufklärungen und Nachweise fordern. Die Prüfung muß durch jedes Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrats stattfinden. Wird nachträglich vor der Eintragung ein weiteres Mitglied bestellt, so hat auch dieses die Gründung zu prüfen. 2. durch Gründungsprüfer Anm. 3: Neben der stets notwendigen Prüfung durch die Mitglieder der Gesellschaftsorgane ist für bestimmte Fälle, nämlich dann, wenn das Gesetz die Gefahr einer Parteilichkeit der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats für möglich erachtet und außerdem in den besonders wichtigen Fällen der Sacheinlage und Sachübernahme, eine weitere besondere Prüfung durch unabhängige Gründungsprüfer vorgeschrieben. Die erstere Gefahr hält das Gesetz für gegeben, wenn ein Mitglied der Verwaltungsorgane zu den Gründern gehört oder für seine Rechnung Aktien übernommen worden sind oder wenn für ein Mitglied der Verwaltung besondere Vorteile oder eine Belohnung oder Entschädigung für die Gründung oder ihre Vorbereitung, gleichgültig auf wessen Kosten, bedungen worden ist. Ist eine Gesellschaft Gründerin, so darf keine Person, die zu ihrer Geschäftsführung ermächtigt ist (Vorstandsmitglied, Geschäftsführer) oder bei Personengesellschaften zu ihren Gesellschaftern gehört, ein Mitglied der Verwaltung der Gesellschaft sein, wenn die Bestellung von Prüfern vermieden werden soll. Daß Prüfung durch besondere Prüfer erforderlich sei, wenn ein Gründer mittels Vollmacht bei der Gründung durch eine später zum Mitglied eines Organs bestellte Person vertreten war (so Schl.-Qu. § 25 Anm. 3), läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen (ebenso Fischer in Großkomm. § 25 Anm. 4, Ziff. 1; unentschieden RG 154, 283). Dasselbe ist für den Fall zu sagen, daß der Gründer (physische oder juristische Person), dessen gesetzlicher Vertreter dem Vorstand oder ii*
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§ 33 Anm. 3—5
Gründung der Gesellschaft
Aufsichtsrat angehört, bei der Gründung aufgrund einer von diesem erteilten Vollmacht vertreten -war. Dagegen ist Gründungsprüfung erforderlich, wenn ein solcher gesetzlicher Vertreter eines Gründers selbst in dessen Namen bei der Gründung mitgewirkt hat. III. Bestellung besonderer Grundungsprüfer Anm. 4: Die Bestellung der Gründungsprüfer erfolgt durch das zuständige Gericht des § 14, das die Industrie- und Handelskammer zu hören hat. Auch diese Gründungsprüfer tragen eine beschränkte vermögensrechtliche (§ 49) und strafrechtliche (§ 403) Verantwortlichkeit für die Richtigkeit ihres Berichtes. Sie üben ein Amt aus und stehen weder mit den Gründern noch mit der künftigen Aktiengesellschaft in einem Vertragsverhältnis. IV. Eignung zum Gründungsprufer Anm. 5: Die Bestimmungen, wer als Gründungsprüfer bestellt werden kann, weichen von denen über die Auswahl der Abschlußprüfer (§ 164) insofern ab, als die Gründungsprüfer nicht Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu sein brauchen. Das Gesetz hat an Stelle der früheren Worte „in der Regel" nunmehr die Formulierung „wenn die Prüfung keine anderen Kenntnisse fordert" erhalten. Damit kommt das deutlicher zum Ausdruck, was schon früher unstreitig war, nämlich, daß es manchmal bei der Gründungsprüfung mehr auf Spezialkenntnisse als auf Kenntnis der Buchführung ankommen kann und daß in einem solchen Fall ein Prüfer bestellt werden kann, der diese Spezialkenntnisse besitzt. Ob im Einzelfall der Gründungsprüfer die notwendigen Kenntnisse besitzt, hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden. Er wird sich dabei auf Empfehlungen der Handelskammer verlassen dürfen. An die Richtlinien, die für Wirtschaftsprüfer aufgestellt sind, ist er nicht gebunden. Grundsätzlich können hier ebenso wie in anderen Fällen, in denen das Gesetz von Prüfern spricht, sowohl einzelne Personen als auch Gesellschaften mit der Prüfung betraut werden. Eine Erschwerung für die Prüfungsgesellschaft enthält die Änderung der Nr. 2 des Abs. 4, wo es an Stelle von „Inhaber, Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer" nunmehr „gesetzliche Vertreter" heißt. Das bedeutet, daß es nach jetzigem Recht nicht mehr genügt, wenn ein Gesellschafter in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren ist, vielmehr muß diese Voraussetzung bei einem vertretungsberechtigten Gesellschafter vorliegen. Die im bisherigen Recht in § 47 Nr. 1 AktG 37 enthaltene Ermächtigung für den Reichsminister der Justiz, die auf den Bundesminister der Justiz übergegangen war, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr mit 164
Umfang der Gründungsprüfung
§§33/34
Anm. 5—7 aufgenommen worden. Die Regelung des § 33 IV stellt sich mithin als eine abschließende dar. Anm. 6: Wer vom Gericht nicht als Prüfer bestellt werden kann, ist nunmehr durch Verweisung auf die Bestimmungen des § 143 II und III über die Sonderprüfer sehr viel eingehender als bisher geregelt; vgl. im einzelnen die Anmerkungen dort. Darüber hinaus hat das Gericht selbstverständlich von sich die Geeignetheit der zu bestellenden Prüfer zu untersuchen, insbesondere hat es darauf zu achten, daß über die Ausschließungsgründe hinaus keine Personen bestellt werden, die irgendwie interessiert sind oder von den Hauptbeteiligten, also Gründern und Verwaltungsmitgliedern der zu prüfenden Gesellschaft, beeinflußt werden könnten. V. Verstoß gegen die Vorschriften über die Eignung Anm. 7: Werden Prüfer unter Verstoß gegen die Bestimmungen des § 143 II und III bestellt, so sind sie nicht als Gründungsprüfer anzusehen. Die von ihnen vorgenommene Prüfung ist keine Prüfung, so daß die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen und eine neue Prüfung vorzunehmen ist. Ist die Gesellschaft bereits eingetragen, so liegt in der Tatsache, daß eine ordnungsgemäße Prüfung nicht stattgefunden hat, kein Nichtigkeitsgrund (§ 275); sie kann aber für die Hauptversammlung Veranlassung sein, Sonderprüfer gem. § 142 zu bestellen (so auch Fischer in Großkomm. § 25 Anm. 9). Rechtlich unbeachtlich ist es, wenn jemand zum Gründungsprüfer bestellt wird, auf den zwar nicht die Ausschließungsgründe passen, der aber sonst befangen und deshalb besser nicht bestellt worden wäre. Seine Bestellung ist unschädlich. Dies folgt aus der jetzigen kasuistischen Aufzählung der Ausschließungsgründe, so daß die nach der bisherigen Rechtslage vorhanden gewesenen Zweifel nicht mehr auftreten können. § 34 Umfang der Gründungsprüfung (1) Die Prüfung durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie die Prüfung durch die Gründungsprüfer haben sich namentlich darauf zu erstrecken, 1. ob die Angaben der Gründer über die Übernahme der Aktien, über die Einlagen auf das Grundkapital und über die Festsetzungen nach §§ 26 und 27 richtig und vollständig sind; 2. ob der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen den Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreicht. 165
§34 Anm. 1 , 2
Gründung der Gesellschaft
(2) Über jede Prüfung ist unter Darlegung dieser Umstände schriftlich zu berichten. (3) Je ein Stück des Berichts der Gründungsprüfer ist dem Gericht, dem Vorstand und der Industrie- und Handelskammer einzureichen. Jedermann kann den Bericht bei dem Gericht und bei der Industrie- und Handelskammer einsehen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Gegenstand der Prüfung und Inhalt des Prüfungsberichtes (Anm. 2) III. Unterlagen für den Prüfungsbericht (Anm. 3)
IV. Form des Prüfungsberichtes (Anm. 4) V. Einreichung des Prüfungsberichtes (Anm. 5)
I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit wenigen sprachlichen Änderungen die bisherige Bestimmung des § 26 AktG 37 und regelt Inhalt, Form und die Niederlegung des Prüfungsberichtes. II. Gegenstand der Prüfung und Inhalt des Prüfungsberichtes Anm. 2: Gegenstand der Prüfung und Inhalt des Prüfungsberichtes ist der Hergang der gesamten Gründung. Namentlich führt das Gesetz an: Die Richtigkeit der Angaben der Gründer über die Übernahme der Aktien, über die Einlagen auf das Grundkapital, die freilich in diesem Stande der Gründung noch nicht gemacht zu sein pflegen, und über die nach §§ 26, 27 in die Satzung aufgenommene Festsetzung der Sondervorteile, Gründerentlohnungen, Sacheinlagen und Sachübernahmen sowie die Angemessenheit der Gegenleistungen für letztere. Das Gesetz beschränkt jedoch den Inhalt des Gründungsberichtes nicht auf diese Gegenstände, vielmehr ist alles in den Prüfungsbericht aufzunehmen, was (§§ 48,49,168) als Ergebnis einer sorgfältigen Prüfung nach sorgfältigem Ermessen des Prüfers einer Berichterstattung bedürftig erscheint. Zu prüfen ist also auch die Satzung, die Ordnungsmäßigkeit einer Vollmacht, die Belegung des Grundkapitals, die Wahl des Aufsichtsrates und Bestellung des Vorstandes. Die Zahlungsfähigkeit der Aktienübernehmer ist nicht zu prüfen (h. A., a. A. Ritter, Anm. 3), wohl aber ist bekannten Bedenken nachzugehen und evtl. darüber zu berichten. In gleichem Umfange ist auch die Prüfung auszudehnen. Obwohl die Pflicht zur Nachprüfung der Angaben im Gründungsbericht, die sich aus § 32 II ergeben, nicht ausdrücklich erwähnt ist, ist diese jedoch selbstverständlich. Sonach steht nichts entgegen, auch die Angemessenheit der etwa gewährten Sondervorteile oder Gründerentlohnungen zu prüfen und darüber zu berichten. Indessen haben die Gründungsprüfer sich vor Augen zu halten, daß der Bericht der öffent166
Umfang der Gründungsprüfung
§34 Anm. 2—5
lidikeit zugänglich gemacht wird, so daß darin, ungeachtet einer etwa weitergehenden Prüfung, über deren Ergebnis nicht mehr zu sagen ist, als was die Öffentlichkeit wissen muß und für diese „erheblich" ist (s. § 403). Angaben nach § 32 III sind auch im Prüfungsbericht nidit aufzuteilen. Gegenstand des Prüfungsberichtes der Gründungsprüfer ist auch der Prüfungsbericht des Vorstandes und des Aufsichtsrates (§ 38 II; Schl.-Qu. § 26, Anm. 2; Baumbadi-Hueck § 26 Anm. 2 c), der also zuerst abzufassen ist. Das Maß der aufzuwendenden Sorgfalt richtet sich nach § 93 I bzw. § 116 bzw. §276 BGB bzw. § 347 HGB. Falsche oder unvollständige Berichterstattung machen den Vorstand und Aufsichtsrat nach § 399 II Nr. 2 strafbar und nach § 823 II BGB Aktionären und Dritten, nach § 48 der Gesellschaft gegenüber haftbar. III. Unterlagen für den Prüfungsbericht Anm. 3: Für den Prüfungsbericht sind alle zugänglichen Unterlagen und alle eigenen Sachkenntnisse der Prüfer zu verwenden, insbesondere aber der Gründungsbericht, der also nicht nur Gegenstand, sondern auch die Hauptprüfungsunterlage bildet. Außerdem haben die Gründer den Prüfern mit Aufklärungen zur Seite zu stehen (§ 35 I). Die Nachprüfung, ob die für Sacheinlagen und Sachübernahmen gewährten Leistungen angemessen sind, spielt eine besondere Rolle für die Prüfung des Registerrichters bei der Eintragung; dieser kann die Eintragung ablehnen, wenn die Gründungsprüfer die Gegenleistung als unangemessen hoch bezeichnen (vgl. § 38 II). IV. Form des Prüfungsberichtes Anm. 4: Die Berichte sind schriftlich zu erstatten, und zwar der Bericht der Verwaltungsmitglieder getrennt von dem Bericht der Gründungsprüfer, wenn solche bestellt sind (vgl. Anm. 2 zu § 32). Was dort für die Berichte der Mitglieder vom Aufsichtsrat und Vorstand gesagt ist, gilt entsprechend auch für die Gründungsprüfer. Die Abberufung eines Gründungsprüfers, der sich weigert, überhaupt einen Bericht zu machen, erfolgt durch das Gericht. V. Einreichung des Prüfungsberichtes Anm. 5: Je ein Stück des Prüfungsberichtes ist dem Vorstand, dem Gericht und der Handelskammer einzureichen. Eine Bescheinigung darüber ist nach § 37 II Nr. 4 der Anmeldung beizufügen. Jedermann kann den Prüfungsbericht der Gründungsprüfer (nicht den der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und nicht den Gründerbericht) einsehen, ohne ein rechtliches Interesse glaubhaft machen zu müssen. 167
§35 Anm. 1—3
Gründung der Gesellschaft
§ 35 Meinungsverschiedenheiten zwischen Gründern und Gründungsprüfern. Vergütung und Auslagen der Gründungsprüfer (1) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründern und den Gründungsprüfern über den Umfang der Aufklärungen und Nachweise, die von den Gründern zu gewähren sind, entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Solange sich die Gründer weigern, der Entscheidung nachzukommen, wird der Prüfungsbericht nicht erstattet. (2) Die Gründungsprüfer haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Anm. 1: Die Vorschrift entspricht dem § 27 AktG 37. Ohne Aufklärung und Nachweis durch die Gründer würden die Gründungsprüfer ihre Aufgabe nicht erfüllen können. Erstere können aber nicht dazu gezwungen werden, aber nicht zum Ziele kommen, wenn sie sie verweigern. Die Prüfer sind zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, sich die Auskünfte und Nachweise anderweitig zu beschaffen, was eine Stellungnahme der Gründer übrigens nicht entbehrlich zu machen braucht. Die Strafbestimmung § 399 I Nr. 2 dürfte sowohl wahrheitswidrige Angaben umfassen als auch das Verschweigen von wesentlichen Vorgängen, deren die Gründer sich gegenüber den Prüfern schuldig machen. Anm. 2: Ergeben sich über den Umfang der von den Gründern zu gewährenden Aufklärungen und Nachweise Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen und den Gründungsprüfern, so entscheidet endgültig das Registergericht. Dessen Entscheidung hat davon auszugehen, daß dem Gründungsprüfer nicht vorenthalten werden kann, was zur Prüfung der Gründung erforderlich ist, auch nicht ein zu wahrendes Geschäftsgeheimnis, weil der Prüfer selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, ebenso versagt der Hinweis auf die Möglichkeit anderweitiger Beschaffung (siehe Anm. 1). Anm. 3: Vorschriften über das Verfahren bestehen nicht. In der Regel wird das Gericht die Beteiligten hören, aber auch wenn das nicht geschieht, ist die Entscheidung unanfechtbar. Beugen sich die Gründer der Entscheidung nicht, so unterbleiben Bericht und Eintragung der Gesellschaft. Umgekehrt muß sich der Prüfer der Entscheidung fügen und ist zur Berichterstattung verpflichtet, kann aber im Bericht erwähnen, daß ihm zufolge der Entscheidung eine ihm wesentlich erscheinende Aufklärung nicht erhältlich gewesen sei. 168
Meinungsverschiedenheiten / V e r g ü t u n g und Auslagen
§ 35
Anm. 3,4
Natürlich kann er so audi ohne Entscheidung verfahren, aber nicht, wenn diese in seinem Sinne ergangen ist; denn in diesem Fall ist durch ausdrückliche Vorschrift der Bericht verboten, wenn die Gründer die Auskunft trotz der Entscheidung nicht geben. Für Meinungsverschiedenheiten über den Umfang und den Gang der Prüfung als auch für Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründern und den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern über von diesen gewünschten Aufklärungen und Nachweise gilt § 35 nicht. Im ersteren Falle wird das Gericht jedoch vermittelnd eingreifen, evtl. neue Gründungsprüfer zu bestellen haben, im anderen Falle kann eine Abberufung des Aufsichtsrats durch die dreiviertel Mehrheit einer Versammlung der Gründer erfolgen; den Vorstand kann nur der Aufsichtsrat abberufen und nur aus wichtigem Grunde (§ 84 Abs. 3). Natürlich können auch die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates in einem solchen Falle ihre Ämter niederlegen, wenn sie sich mit den Gründern nicht einigen können (§ 30 Anm. 8); sie können aber auch den Bericht erstatten und darin die Meinungsverschiedenheiten erwähnen. Anm. 4: Die Vergütung der Gründungsprüfer — Vorstand und Aufsichtsrat haben einen solchen Anspruch nicht — und der Ersatz ihrer Auslagen gehören zum Gründungsaufwand (§ 26 II) und sind vom Gericht festzusetzen. Vertragliche Abmachungen zwischen den Parteien sind nach überwiegender Meinung ungültig (a. A. besonders Ritter § 27 Anm. 3 und Brodmann Anm. 4), da es die Unabhängigkeit des Gründungsprüfers beeinträchtigen könnte, wenn die Gründer die Möglichkeit hätten, den Prüfern ein besonders hohes Honorar zu zahlen. Folgerichtig muß man auch § 814 BGB ausschließen und ein Rückforderungsrecht wegen einer die festgesetzte Vergütung übersteigenden Zahlung anerkennen; andernfalls wäre der Zweck der Vorschrift illusorisch. Aus der rechtskräftigen Festsetzung findet die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der ZPO statt, d. h., im Parteibetrieb durch einen Gerichtsvollzieher, der durch den Berechtigten zu beauftragen ist. Es muß also im Vollstreckungstitel der Vollstreckungsschuldner genannt werden. Das ist die Aktiengesellschaft, wenn sie eingetragen wird. In diesem Fall entsteht keine Schwierigkeit. Das Gericht wird also vor der Festsetzung abwarten, ob die Aktiengesellschaft eingetragen wird. Wird sie nicht eingetragen, so muß sie doch zur Zeit des Berichtes der Gründungsprüfer schon „errichtet" gewesen sein. Diese „errichtete Gesellschaft" ist dann die Schuldnerin (nach dem übrigen Schrifttum sollen die Gründer Gesamtschuldner der Vergütung sein; so auch Fischer in Großkomm. § 27 Anm. 5 trotz seiner Ausführungen über die Rechtsnatur der errichteten Gesellschaft zu § 22 Anm. 3 ff.). Wir bleiben bei der von uns vertretenen Auffassung, daß auf die errichtete Gesellschaft auch insoweit aktienrechtliche Grundsätze anzuwenden sind, als der Voll169
§§35/36
Gründung der Gesellschaft
Anm. 4 streckungstitel gegen sie, vertreten durdi den Vorstand, zu richten ist. Die Gesellschaft hat entweder Vermögen in den Händen ihres Vorstandes oder ein Bank- oder Postscheckkonto auf eigenen Namen oder auf den Namen ihres Vorstandes, welches als Forderung der Gesellschaft gilt (§ 54 III). Das sind die Vermögensobjekte, in die vollstreckt werden kann. Sind die Einlagen noch nicht bewirkt, so fehlt es am eigenen Vermögen der errichteten Gesellschaft. Haben die Gründer vor Bestellung der Prüfer freiwillig oder auf Veranlassung des Gerichtes erklärt, daß sie für die Kosten aufkommen, sehen wir keine Bedenken dagegen, die Gründer als Kosten- und Vollstredcungsschuldner zu bezeichnen. Eine solche Erklärung macht die Gründer im Verhältnis zur Gesellschaft zu Alleinschuldnern, im Verhältnis zu den Prüfern aber zu Gesamtschuldnern; zu Alleinschuldner nur, wenn es so vereinbart ist. Ebenso ist zu verfahren, wenn die Gründungsprüfer einen Arrest ausbringen wollen, weil sie sehen, daß die Gesellschaft vor Eintragung in die Brüche geht. § 36 Anmeldung der Gesellschaft (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht von allen Grundern und Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jede Aktie, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, der eingeforderte Betrag ordnungsgemäß eingezahlt worden ist (§ 54 Abs. 3) und, soweit er nicht bereits zur Bezahlung der bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt wurde, endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht. Der eingeforderte Betrag muß mindestens ein Viertel des Nennbetrags und bei Ausgabe der Aktien für einen höheren als den Nennbetrag auch den Mehrbetrag umfassen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister 1. Gericht und Zeitpunkt der Anmeldung (Anm. 2) 2. Die anmeldenden Personen a) Pflicht zur Anmeldung (Anm. 3) b) Behinderung oder Wegfall vor der Anmeldung (Anm. 4) c) Wegfall nach der Anmeldung (Anm. 5) 3. Widerruf der Anmeldung (Anm. 6)
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4. Vertretung bei der Anmeldung (Anm. 7) 5. Form der Anmeldung (Anm. 8) III. Voraussetzungen für die Anmeldung 1. Einforderung der Einlage (Anm. 9) 2. Ordnungsmäßige Einzahlung der Einlage (Anm. 10) 3. Höhe der Einzahlung (Anm. 11) 4. Erfüllung der Sacheinlage (Anm. 12) 5. Die freie Verfügung des Vorstandes (Anm. 13)
Anmeldung der Gesellschaft
§36 Anm. 1—3
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt mit dem bisherigen § 28 AktG 37 fast wörtlich überein. Lediglich der Nebensatz in Abs. 1 „in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat" ist weggefallen. Diese nähere Bezeichnung ist durch § 14 entbehrlich. Sind die Prüfungen alle vorgenommen und ist der eingeforderte Betrag der Bareinlage, wenigstens aber ein Viertel des Nennbetrages und das etwaige Aufgeld geleistet (Abs. 2), ist nächste Voraussetzung der Entstehung der Gesellschaft, daß alle Gründer und alle Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates sie zur Eintragung ins Handelsregister anmelden (Abs. 1). Durch die Anmeldung übernimmt jeder der Anmeldepflichtigen eine besondere vermögensrechtliche und strafrechtliche Haftung. Nun setzt die Tätigkeit und Überprüfung des Gerichtes ein. Es hat vor der Eintragung nicht nur formell, sondern auch materiell die ordnungsmäßige Errichtung der Gesellschaft zu prüfen und beschließt über die Eintragung je nach dem Ergebnis der Prüfung. Wenn alle etwaigen Anstände behoben sind, trägt es die Gesellschaft ein. Damit erst entsteht die Aktiengesellschaft als solche und mit selbständiger Rechtspersönlichkeit (§ 41). Mit der Eintragung entstehen auch die einzelnen Aktienrechte. Die Eintragung ist nach § 10 HGB bekanntzumachen. IL Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister 1. Gericht und Zeitpunkt der Anmeldung Anm. 2: Die Gesellschaft — nicht der Gesellschaftsvertrag — ist zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden, und zwar bei dem Amtsgericht ihres in der Satzung nach §§ 23 und 5 bestimmten Sitzes (§ 14). Die Gesellschaft ist anzumelden, sobald bei gleichzeitiger Übernahme aller Aktien die Satzung festgestellt ist, Aufsichtsrat und Vorstand bestellt sind, der Gründungsbericht erstattet, die Gründungsprüfung beendet und durch den Prüfungsbericht abgeschlossen ist und die eingeforderten Bareinlagen eingezahlt sind. 2. Die anmeldenden Personen a) Pflicht zur Anmeldung Anm. 3: Die zur Anmeldung verpflichteten Personen sind grundsätzlich alle Gründer (siehe § 28), alle Mitglieder des Vorstandes, einschließlich der stellvertretenden Mitglieder, und des Aufsichtsrates. Es ist nicht erforderlich, bei einer Gründung gem. § 31 abzuwarten, bis die Arbeitnehmervertreter für den Aufsiditsrat gewählt sind; es kommt vielmehr darauf an, wer im Zeitpunkt der Anmeldung Mitglied des Aufsichtsrates oder des Vorstandes ist. H a t nur ein Teil der Gründer, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder angemeldet, so ist eine trotzdem vorgenommene Eintragung nichtig und zu 171
§36 Anm. 3
G r ü n d u n g der Gesellschaft
löschen (§ 142 F G G ) , kann aber durch nachträgliche Anmeldung durch den bisher fehlenden Anmeldepflichtigen geheilt werden (a. A. Baumbadi-Hueck Anm. 1, der die fehlende Anmeldung eines Teiles der Verpflichteten durch die Eintragung schlechthin heilen lassen will). Über den Wegfall einer dieser Personen siehe Anm. 4. Voraussetzung der Eintragung ist, daß die Anmeldung von allen Gründern und Mitgliedern des Vorstandes und Aufsichtsrates ausgeht. Dies ist mit den Worten „ist anzumelden" gemeint. Die Pflicht zur Anmeldung ist keinesfalls eine sogenannte publizistische, weil die Gesellschaft erst durch die Eintragung entsteht und niemand eine publizistische Pflicht hat, Aktiengesellschaften zur Entstehung zu bringen. Aus diesem Grunde kann die Anmeldung nicht durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. O b eine bürgerlich-rechtliche Verpflichtung zur Anmeldung besteht, ist streitig. Für den Vorstand und Aufsiditsrat haben wir in der Vorauflage diese Pflicht verneint. Diese Ansicht kann jedoch nicht aufrechterhalten werden. Ihrer Bestellung zum Organmitglied liegt ein bürgerlich-rechtliches Rechtsverhältnis zugrunde, aus dem sich die Verpflichtung ergibt, alles zu tun, was zur Entstehung der Aktiengesellschaft erforderlich ist; hierzu gehört auch die Mitwirkung bei der Anmeldung der Gesellschaft (ebenso die herrschende Lehre, insbesondere Fischer in Großkomm. § 28 Anm. 5). Eine grundlose Verweigerung der Anmeldung durch ein Vorstandsmitglied kann zu Schadenersatzansprüchen führen, allerdings kann das Vorstandsmitglied nicht zur Anmeldung gezwungen werden, wohl aber kann die Weigerung als wichtiger Grund zur Abberufung angesehen werden (§ 84 I I I ) . Ist aber die Weigerung begründet, so kann das Vorstandsmitglied nicht ohne weiteres abberufen und ersetzt werden, nachdem es einmal bestellt ist, da eine begründete Weigerung kein wichtiger Grund zur Abberufung ist. Es müssen alsdann die Gründe seiner Weigerung behoben werden (a. A. Ritter Anm. 3; Schl.-Qu. § 28 Anm. 3). Die Gegenmeinung läßt dem Vorstandsmitglied lediglich die Wahl, trotz seiner begründeten Weigerung bei der Anmeldung mitzuwirken oder fristlos zu kündigen. Eine Begründung ist für diese Ansicht nicht gegeben; sie ist auch nicht haltbar. Liegt ein Grund zur Weigerung vor — und nur von diesem Fall gehen wir aus — , so ist die Anmeldung nicht ordnungsgemäß, entweder sind unrichtige oder strafbare Erklärungen in ihr enthalten. In diesem Fall muß das Organmitglied das Recht haben, auf die Behebung der Gründe seiner Weigerung zu dringen (im Endergebnis ebenso Fischer in Großkomm. § 28 Anm. 5). Verweigert ein Aufsichtsratsmitglied seine Mitwirkung bei der Anmeldung, so kann auch dies, wenn kein Grund vorliegt, zu Schadensersatzansprüchen führen. Eine Abberufung aus wichtigem Grunde gibt es nicht. Es muß die Abberufung durch die Gründerversammlung in analoger Anwendung 172
Anmeldung der Gesellschaft
§36 Anm. 3,4
des § 103 erfolgen, d. h., soweit es sich um von der Gründerversammlung gewählte Mitglieder handelt, mit Dreiviertelmehrheit. Auch die Gründer sind zur Anmeldung verpflichtet. Dies ergibt sidi aus dem zwischen ihnen bestehenden Gesellschaftsverhältnis. Auch sie machen sich schadensersatzpflichtig, wenn sie sich grundlos weigern; andererseits können sie wegen der strafrechtlichen Bedeutung der Anmeldung nicht zu deren Abgabe gezwungen werden, weder nach § 888 ZPO noch nach dem an Stelle des § 894 ZPO infrage kommenden § 16 HGB (ebenso Fischer in Großkomm. § 28 Anm. 5). Die Gegenmeinung (Baumbach-Hueck § 28 Anm. 1; Schl.-Qu. § 28 Anm. 3; Teichmann-Köhler § 28 Anm. 1) will die Möglichkeit gelten lassen, den Gründer auf dem Klagewege über § 16 HGB zur Anmeldung anzuhalten. Die Vertreter dieser Meinung übersehen, daß mit einer Verurteilung nach § 16 HGB nicht auch die nach § 37 I erforderliche Erklärung des Gründers ersetzt werden kann. Daneben kann eine strafrechtliche Haftung des Gründers durch eine Verurteilung nicht ausgelöst werden. Daher kann auf dem Klagewege eine alle Voraussetzungen erfüllende Erklärung des Gründers nicht herbeigeführt werden. Übrig bleibt nur eine Schadensersatzverpflichtung. Der Schaden wird meist nicht feststellbar sein (Schätzungsrecht des Richters § 287 ZPO), nur in den Kosten einer neuen Gründung oder der nach Anm. 4 zu treffenden Maßnahmen. Über Widerruf vgl. Anm. 6. Da die Verpflichtung der Gründer zur Anmeldung eine höchstpersönliche ist, geht sie nicht auf den Erben über, wenn der Gründer stirbt, da von dem Erben nicht verlangt werden kann, daß er eine persönliche Handlung vornimmt, welche für ihn selbst eine strafrechtliche und eine über den Bestand des Nachlasses hinausgehende vermögensrechtliche Bedeutung hat. Denn wenn er selbst anmeldet, kann er seine Haftung nicht mehr auf den Nachlaß beschränken. b) Behinderung oder Wegfall vor der Anmeldung Anm. 4: Behinderung (Krankheit, Abwesenheit) oder Wegfall vor der Anmeldung einer der Personen, von denen die Anmeldung unterzeichnet sein muß, um zur Eintragung zu führen, macht, wenn es sich um ein Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates handelt, Abberufung und Ersatzbestellung notwendig. Da der Neubestellte die Gründung prüfen muß, empfiehlt sich eine Neubestellung nur, wenn sie unumgänglich, etwa ein Alleinvorstand bestellt ist oder durch den Ausfall des Verhinderten die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder unter drei sinkt. Wenn aber ein Gründer verhindert ist (über Tod eines Gründers vgl. Anm. 4 zu § 29) oder sich weigert anzumelden, so würde er an sich an seiner Aktienübernahmeerklärung festgehalten werden können, auch wenn er infolge Kündigung aus der Gründergesellschaft ausscheidet. Dies würde aber 173
§36
Gründung der Gesellschaft
Anm. 4—6
zu der Schwierigkeit führen, daß sein Ausscheiden seine Mitwirkung an der Feststellung der Satzung und Aktienübernahme nicht aus der Welt schafft, so daß er nichtsdestoweniger Gründer bliebe und auf seine Teilnahme an der Anmeldung nicht verzichtet werden könnte. Es würde dann die gleiche Situation gegeben sein, wie in dem in Anm. 9 vor § 23 erörterten Fall, daß die Ubernahmeerklärung eines Gründers wegfällt. Für einen bloß behinderten Gründer muß ein Pfleger bestellt werden, was aber voraussetzt, daß dieser bereit ist, die strafrechtliche Haftung einzugehen. c) Wegfall nach der
Anmeldung
Anm. 5: Der Wegfall einer dieser Personen nach der Anmeldung ist unschädlich, denn es muß als unerheblich erachtet werden, ob eine dieser Personen, nachdem sie die Anmeldung bewirkt und die Vermögens- und strafrechtliche Haftung übernommen hat, alsbald oder erst nach einiger Zeit, etwa nach der Eintragung der Gesellschaft, fortfällt. Die zivil- und strafrechtliche Haftung bleibt trotz dieses Fortfalles bestehen. Wegfall eines Gründers dadurch, daß er stirbt oder geschäftsunfähig wird, nachdem er angemeldet hat, ist nach dem Gesagten auch dann unschädlich, wenn die Zahl dadurch unter 5 sinkt; im ersteren Falle hat der Erbe des Gründers mit Beschränkung auf den Nadilaß, im letzteren Falle der geschäftsunfähige Gründer selbst die Vermögenshaftung weiter zu tragen. Bei Wegfall des einzigen Vorstandsmitglieds nach der Anmeldung muß, weil die Gesellschaft nicht ohne Vorstand ins Leben treten kann, ein neuer bestellt werden. Die erfolgte Anmeldung bleibt wirksam und braucht von dem neuen Vorstandsmitglied nicht wiederholt zu werden. Die entgegenstehende Meinung der Vorauflage wird aufgegeben. Fällt von mehreren Vorstandsmitgliedern eines nach der Anmeldung weg, so ist dies unschädlich. Die Bestellung eines Ersatzmannes vor der Eintragung ist nicht notwendig (vgl. Anm. 1). Immer haftet daneben auch noch der Erbe des Weggefallenen vermögensrechtlich, jedoch nur nach erbrechtlichen Regeln. Sinkt durch Wegfall eines Aufsichtsratsmitgliedes die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder unter die gesetzliche Mindestzahl, so bleibt die Gesellschaft handlungsfähig, sie kann also auch eingetragen werden. Die Neuwahl hat nach allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen. Auch hier ist die Nachholung der Anmeldung durch den Neugewählten nicht erforderlich. Die Vermögenshaftung bleibt bestehen, sie beschränkt sich bei Wegfall durch Tod nach erbrechtlichen Grundsätzen auf den Nachlaß. Strafrechtliche Haftung fällt in diesem Falle fort. 3. Widerruf
der
Anmeldung
Anm. 6: Daß der Widerruf der Anmeldung statthaft ist, wird allgemein angenommen. Er ist bis zur Eintragung zulässig nach den auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit herrschenden Grundsätzen, daß ein Antrag 174
Anmeldung der Gesellschaft
§36
Anm.fr—8
zurückgenommen werden kann, der die Anmeldung zum Handelsregister auf eine Eintragung enthält. Versdiieden von der Zulässigkeit ist die Bedeutung des Widerrufs, sowohl für den Fortgang des Verfahrens als für den Widerrufenden. Nach herrschender Meinung darf der Richter nadi einem Widerruf die Gesellschaft nicht eintragen. Dies ist unzutreffend, wenn der Widerrufende gleichzeitig aus dem Kreis der Anmeldepflichtigen ausscheidet (siehe oben) und die gesetzliche Mindestzahl in jeder der drei anmeldepflichtigen Gruppen (Gründer, Vorstand, Aufsichtsrat) erhalten bleibt. Anderenfalls ist der herrschenden Meinung zuzustimmen. Die Vermögens- und strafrechtliche Haftung kann nach unserer Ansicht, nachdem sie bereits entstanden ist, durch den Widerruf nicht mehr beseitigt werden, wenn trotz des Widerrufs (unter den oben angeführten Umständen) die Gesellschaft eingetragen wird; es sei denn, daß der Widerrufende gleichzeitig mit dem Widerruf die Voraussetzungen einer etwaigen Haftung ändert, also seine früheren Angaben richtigstellt oder ergänzt. Gegenüber den übrigen Gründungsbeteiligten wird durch Widerruf eine Schadensersatzpflicht nur begründet, wenn er ohne hinreichenden Grund erfolgt. 4. Vertretung bei der Anmeldung Anm. 7: Die Zulässigkeit der Vertretung bei der Anmeldung wird ziemlich allgemein für gesetzliche Vertretung, die wohl nur bei den Gründern in Frage kommt, bejaht, für gewillkürte verneint (ebenso Baumbach-Hueck § 28 Anm. 2; Schl.-Qu. § 28 Anm. 1; Fischer in Großkomm. § 28 Anm. 8; RG 144, 328; KGJ 28, 228; dahingestellt RG 154, 282); letzteres wegen der mit der Anmeldung zu verbindenden Versicherung und der strafrechtlichen Verantwortung, die anderenfalls umgangen werden könnte (Fischer in Großkomm. a.a.O.). Die gewillkürte Vertretung eines Mitglieds des Aufsichtsrats erklärt für unzulässig KG in KGJ 28 A 228, 29 A 235; nur mit Einschränkung für ein Mitglied des Aufsichtsrates zustimmend, weil dessen Verpflichtungen unübertragbar seien KG in JW 26,26, wo jedoch (bei der GmbH) die Vertretung eines Geschäftsführers durch einen anderen für zulässig angesehen wird, sogar unter Hinweis auf RG 81, 325. Diese nicht zu billigende Ansicht würde zur Folge haben, daß entgegen der ausdrücklichen Vorschrift (§ 36) die Anmeldung statt von sämtlichen Vorstandsmitgliedern, mit Zustimmung der übrigen von einem einzigen vorgenommen werden könnte (in RG 144, 348 in der Tat nicht beanstandet, obwohl der gemeinsame Bevollmächtigte nicht einmal Mitglied des Aufsichtsrates war). Die gewillkürte Vertretung der Gründer halten für zulässig Teichmann-Köhler § 28 Anm. 1, der Gründer und Vorstandsmitglieder Ritter § 28 Anm. 4. 5. Form der Anmeldung Anm. 8: Für die Form der Anmeldung bestimmt § 12 HGB, daß die Unterschriften persönlich bei dem Gericht zu bewirken oder in öffentlich beglau175
§36 Anm. 8—10
Gründung der Gesellschaft
bigter Form einzureichen sind. In letzterem Fall ist zu beachten, daß bei der Zeichnung der Unterschrift, die meist gleichzeitig mit der Anmeldung erfolgt, der Notar bescheinigen muß, daß die Unterschriften vor ihm vollzogen sind. Die Anerkennung einer bereits vollzogenen Unterschrift und die Bescheinigung durch den Notar genügt nicht. Eines besonderen Antrages auf Eintragung bedarf es nicht, nur die Anmeldung ist erforderlich. Diese wird in der Regel auf einer Urkunde von allen Beteiligten unterzeichnet, jedoch können auch mehrere getrennte Urkunden eingereicht werden. III. Voraussetzungen für die Anmeldung 1. Einforderung der Einlage Anm. 9: Die Einforderung und Einzahlung der Einlage in der gesetzlichen (Abs. 2) oder darüber hinausgehenden satzungsmäßigen Mindesthöhe hat schon vor der Anmeldung zu geschehen. Bleibt die Einforderung nicht unter der gesetzlichen, aber unter der satzungsmäßigen Mindesthöhe zurück, so kann die Gesellschaft gleichwohl eingetragen werden, wenn die eingeforderten Beträge bezahlt sind. Die Einforderung kann auch über die gesetzliche und satzungsmäßige Mindesthöhe hinausgehen, wenn die Satzung es zuläßt. Die eingeforderten Beträge müssen auch, wenn mehr als die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Mindestbeträge eingefordert worden sein sollten, im Zeitpunkt der Anmeldung ordnungsmäßig eingezahlt sein und endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes stehen (siehe auch Anm. 11). 2. Ordnungsmäßige Einzahlung der Einlage Anm. 10: Ordnungsmäßig eingezahlt sind Einlagen dann, wenn sie entweder in gesetzlichen Zahlungsmitteln (Banknoten, Münzgeld) dem Vorstand übergeben sind oder auf ein inländisches Bankkonto oder Postscheckkonto überwiesen sind (siehe § 54 III). Nach der Ausdrucksweise des Gesetzes („kann" § 54) wird durch eine andere Art der Einzahlung die Einzahlungspflicht nicht getilgt und die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Anmeldung nicht hergestellt. Gründer, Aufsichtsrat und Vorstand haften dafür, daß die zur Annahme von Einzahlungen bestimmte Stelle dazu geeignet ist (§ 46 I § 48). Es ist nicht anzunehmen, daß unter dieser Stelle der Vorstand selbst gemeint ist, an den die Einzahlung selbst in gesetzlichen Zahlungsmitteln geleistet werden kann. Für dessen sorgfältige Auswahl haftet wenigstens der Aufsichtsrat ohnedies. Die Eignung der Post ist zweifelsfrei. Gemeint kann also nur die Bank sein, wenn eine solche zur Annahme bestimmt wird. Angesichts der gemeinsamen Haftung muß die Bestimmung der Bank auch gemeinsame Sache der Haftenden sein. Hier gibt das Gesetz ein Rätsel auf; ist die Einforderung im Gründungsabschnitt so, wie nach der Eintragung nach außen Sache des Vorstandes, allein, so ist die Haftung der Grün176
Anmeldung der Gesellschaft
§36 Anm. 10—12
der und des Aufsichtsrates unbillig, wenn der Vorstand über ihren Kopf hinweg gehandelt hat, da sie keine Mittel haben, das zu hindern. Die Erwähnung im Prüfungsbericht, der übrigens regelmäßig vor der Einzahlung erstattet wird, kann ein Unglück nicht abwenden. 3. Höhe der Einzahlung Anm. 11: Eingefordert und eingezahlt muß mindestens ein Viertel des Nennbetrages und ein etwa in der Satzung festgesetztes Aufgeld sein, und zwar auf jede einzelne Aktie. Es genügt nicht, daß auf die eine Hälfte der Aktien die Hälfte des Nennbetrages eingezahlt ist, auf die andere Hälfte der Aktien nichts. Ein Bedenken, schon vor der Eintragung mehr einzufordern, besteht nicht, sofern nach Satzung und Ubernahmeerklärung von den Übernehmern höhere Einzahlungen in diesem Stadium verlangt werden können. Ohne entsprechende Satzungsbestimmung dürfte der Vorstand nicht ermächtigt sein, vor der Eintragung der Gesellschaft Zahlungen über die gesetzliche oder satzungsmäßige Mindesthöhe entgegenzunehmen (anders bei der Kapitalerhöhung; hier entscheidet neben Satzung und Zeichnung der Kapitalerhöhungsbeschluß). Wenn nur die gesetzliche aber nicht die höhere, satzungsmäßige Mindesteinzahlung eingefordert wurde, darf im Verhältnis nach innen die Gesellschaft nicht zur Eintragung angemeldet werden. Das Registergericht hat aber nur darauf zu achten, daß die eingeforderten Beträge ordnungsmäßig einbezahlt sind und die gesetzliche Mindesthöhe erreichen. Uber die Einzahlung der restlichen Einlage siehe Anm. zu § 63. 4. Erfüllung der Sacheinlage Anm. 12: Die Erfüllung von Sacheinlagen ist nicht Voraussetzung der Anmeldung. Daß sie, obwohl die Gesellschaft erst durch die Eintragung Rechtspersönlichkeit erlangt, auch vor der Eintragung z. Hd. des Vorstandes ebensogut erfolgen kann, wie die Leistung von Bargeld oder die Einrichtung eines Bankkontos für die Gesellschaft (§ 54) ist nicht zweifelhaft (Schl.-Qu. § 28 Anm. 5; Baumbach-Hueck § 28 Anm. 3; Boesebedk Soz.Prax. 39, 607; a. A. Ritter § 20 Anm. 2 d). Es ist also insbesondere auch die Auflassung eines Grundstückes auf die künftige Aktiengesellschaft möglich (RG in J W 1925, 1109, OLG 6, 488), freilich nicht die Eintragung der Auflassung im Grundbuch, auch nicht eine Vormerkung zugunsten der AG; es bleibt, um die AG noch besser zu sichern, nur eine Vormerkung zugunsten der Vorstandsmitglieder, obwohl für diese ein Auflassungsanspruch nicht besteht, weil das Grundbuchamt den Bestand des vorzumerkenden Anspruchs nicht zu prüfen hat (vgl. KG in JW 1937, 46, 31). Gemischte Einlagen können bei der AG nicht vorkommen; es kann nur sein, daß auf mehrere von einer Person übernommene Aktien teils Bar- teils Sacheinlagen zu leisten sind. 12
Wilhelmi, Aktiengesetz
177
§ 36
Anm. 13
Gründung der Gesellschaft
5. Die freie Verfügung des Vorstandes Anm. 13: Die eingeforderten Beträge müssen endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes stehen. Darin liegt ein Mehrfaches: einmal, daß sie noch in voller Höhe zu seiner freien Verfügung stehen müssen; nur die Beträge, welche zur Bezahlung der durch die Gründung anfallenden Gebühren auch der Gründungsprüfer (Baumbadi-Hueck § 28 Anm. 3; Fischer in Großkomm. § 28 Anm. 15) und Steuern erforderlich sind, sind vom Gesetz ausgenommen und brauchen nicht mehr vorhanden zu sein, jedoch nur soweit sie gem. § 26 endgültig von der Aktiengesellschaft zu tragen sind (Schl.-Qu. § 28 Anm. 6; Baumbach-Hueck § 28 Anm. 3); andere Ausgaben, auch wenn notwendig, dürfen vor Eintragung aus den Einzahlungen nicht bestritten werden. Außerdem liegt darin, daß die Einzahlung ernsthaft und vorbehaltlos, ohne Nebenabrede sein muß, welche sie als Scheinzahlung kennzeichnet oder die Verfügungsfreiheit des Vorstandes in irgendeiner Weise aufhebt, aufschiebt oder mindert. Ein solcher Sachverhalt liegt z. B. vor, wenn die Gesellschaft über das empfangene Geld (Scheck), sei es im Verhältnis zum Zahler (Aussteller gleich Bank), sei es zum Aktienübernehmer, zu dessen Lasten der Zahler (Scheckaussteller) das Geld gezahlt (den Scheck ausgestellt) hat, nidit verfügen darf, vielmehr verpflichtet ist, das Empfangene alsbald nach Anmeldung zurückzugeben oder in bestimmtem Sinn, insbesondere zum Erwerb von Sackgütern vom Aktienübernehmer oder von einem Dritten zu verwenden (RG 144, 138, 148 ff.; 157, 225; 159, 222 ff.). In diesem Fall ist auch §§ 27, 183, 399 I Nr. 1 verletzt (RG a.a.O.). Solche Vorbehalte und Nebenabreden sind nicht als solche ungültig, haben aber den Erfolg, daß die Einzahlung nicht den aktienrechtlichen Vorschriften entspricht, also weder die Verpflichtung zur Einzahlung tilgt, noch die Anmeldung der Gesellschaft zulässig macht. Besonderes Gewicht legt das Gesetz auch auf die Feststellung, daß der Vorstand in der Verfügungsmacht über den eingezahlten Betrag nicht durch Gegenforderungen beschränkt ist. Dies könnte nur bei Einzahlungen auf Bankkonto möglich sein, wenn die Einzahlung auf seinen Namen erfolgt. Denn Verpflichtungen der Gesellschaft an die Bank können strenggenommen nicht bestehen. Gedacht ist wohl hauptsächlich, wie § 37 I S. 2 erkennen läßt, an die Sachlage, daß die Bank schon im Gründungsabschnitt in Erwartung der Einzahlungen zunächst auf den Namen des Vorstandes, aber für Rechnung der Gesellschaft Vorlagen macht, mit der Abrede, daß die Einzahlungen bei ihr erfolgen müssen. RG a.a.O. spannt übrigens den Begriff „Gegenforderung" mit Recht weit und versteht darunter auch eine Verpflichtung zur Rückgewährung. Endlich bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß auch Einzahlungen auf ein Bardepot genügen, wenn dieses Depot wirklich zur Verfügung des Vorstandes steht und er nicht praktisch und faktisch daran gehindert ist, darüber zu verfügen, nicht aber an einen Treuhänder (Notar), wenn die Treuhänderbestellung die freie 178
Inhalt der Anmeldung
§§36/37
Anm. 13
Verfügung des Vorstandes ausschließen soll (Schi.-Qu. § 49 Anm. 17; a. A. Baumbach-Hueck § 28 Anm. 3; Fischer in Großkomm. § 28 Anm. 15). Die Vorschrift, daß ein eingezahlter Betrag zur freien Verfügung des Vorstandes eingezahlt sein muß, gilt mit allen hier und oben (Anm. 9 u. 10) gezogenen Folgerungen für alle eingeforderten Beträge, auch wenn sie über die gesetzliche (oder satzungsmäßige) Mindesthöhe hinausgehen.
§ 37 Inhalt der Anmeldung (1) In der Anmeldung ist zu erklären, daß die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 erfüllt sind; dabei sind der Betrag, zu dem die Aktien ausgegeben werden, und der darauf eingezahlte Betrag anzugeben. Es ist nachzuweisen, daß der eingezahlte Betrag endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht. Ist der Betrag durch Gutschrift auf ein Konto der Gesellschaft oder des Vorstands bei der Deutschen Bundesbank oder einem Kreditinstitut (§ 54 Abs. 3) eingezahlt worden, so ist der Nadiweis durch eine schriftliche Bestätigung des Instituts zu führen. Für die Richtigkeit der Bestätigung ist das Institut der Gesellschaft verantwortlich. Sind von dem eingezahlten Betrag Steuern und Gebühren bezahlt worden, so ist dies nach Art und Höhe der Beträge nachzuweisen. (2) Der Anmeldung sind beizufügen 1. die Satzung und die Urkunden, in denen die Satzung festgestellt worden ist und die Aktien von den Gründern übernommen worden sind; 2. im Fall der §§ 26 und 27 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und eine Berechnung des der Gesellschaft zur Last fallenden Gründungsaufwands; in der Berechnung sind die Vergütungen nach Art und Höhe und die Empfänger einzeln anzuführen; 3. die Urkunden über die Bestellung des Vorstands und des Aufsichtsrats; 4. der Gründungsbericht und die Prüfungsberichte der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie der Gründungsprüfer nebst ihren urkundlichen Unterlagen; ferner die Bescheinigung, daß der Bericht der Gründungsprüfer der Industrie- und Handelskammer eingereicht worden ist; 5. wenn der Gegenstand des Unternehmens oder eine andere Satzungsbestimmung der staatlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde. (3) Die Vorstandsmitglieder haben ihre Namensunterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen. 12*
179
§37 Anm. 1, 2
Gründung der Gesellschaft
(4) Die eingereichten Schriftstücke werden beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift aufbewahrt. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Inhalt der abzugebenden Erklärung (Anm. 2) III. Nachweis der freien Verfügungs-
gewalt (Anm. 3) IV. Anlagen der Anmeldung (Anm. 4) V. Anmeldepflicht (Anm. 5) VI. Recht auf Einsicht (Anm. 6)
I. Übersicht Anm. 1: Das bisherige Recht (§ 29 AktG 37) wird im wesentlichen übernommen. Die Bestimmung gibt nicht den vollständigen Inhalt der Anmeldung wieder. Diese enthält zunächst einmal den Antrag, die Gesellschaft im Handelsregister einzutragen. Dabei wird man im allgemeinen auf das, was Inhalt der Eintragung nach § 39 ist, hinweisen. Zwingend notwendig ist es nicht, es genügt eine Bezugnahme auf die Satzung, die diese Angaben enthalten muß. Außer diesem selbstverständlichen Inhalt der Anmeldung ist nach der vorstehenden Gesetzesbestimmung eine Erklärung abzugeben, die nicht unbedingt in derselben Urkunde enthalten sein muß, wie die eigentliche Anmeldung; jedoch muß die Form des § 12 HGB auch für sie gewahrt sein, weil sie nach dem klaren Gesetzeswortlaut ein Teil der Anmeldung ist. Sie ist demnach persönlich bei Gericht zu unterzeichnen oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Über die anmeldenden Personen vgl. § 36 Anm. 3 bis 5, über die Form der Anmeldung § 36 Anm. 8, über die Voraussetzungen des § 36 dort die Anm. 9 bis 13. II. Inhalt der abzugebenden Erklärung Anm. 2: Notwendiger Inhalt der Erklärung ist die Angabe der Höhe des Ausgabenbetrages und der Einzahlung. Dabei sind lediglich die Bar-, nicht aber die Sacheinlagen anzugeben. Weiterhin ist die Erklärung abzugeben, daß, soweit nicht Sacheinlagen wirksam verreinbart sind, l U — oder mehr — des Nennbetrages der Aktien und das etwaige Aufgeld ordnungsgemäß (§ 54) eingezahlt sind und — soweit sie nicht für Steuern und Gebühren ausgegeben wurden — noch in voller Höhe endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes stehen. Diese Erklärung muß wegen des Nachweises gem. § 37 I auch erkennen lassen, in welcher Form die Einzahlung erfolgt ist. Der Anmelder muß selbst prüfen, ob die gesetzliche Mindestzahlung (§ 36) geleistet ist und zur freien Verfügung des Vorstandes steht. Er darf sich nicht auf dessen Versicherung, auch wenn Prüfer bestellt sind, nicht unter allen Umständen auf deren Bericht verlassen (RG 144, 348 ff.). Die Richtigkeit der Erklärung steht unter Straf schütz (§ 399 I Nr. 1) und ist von dem Anmeldenden selbstverständlich auch zivilrechtlich (§ 823 Abs. 2 BGB) zu gewährleisten. Aus diesem allen ergibt sich, daß der Anmeldende sich bei der Abgabe der Erklärung nicht vertreten lassen kann. 180
Inhalt der Anmeldung
§37 Anm. 3
III. Nachweis der freien Verfügungsgewalt Anm. 3: Wie der Nachweis zu führen ist, daß der Vorstand in der Verfügung über den eingezahlten Betrag nicht beschränkt ist, sagt das Gesetz nur für den Fall der Einzahlung durch Gutschrift auf ein Bankkonto. Bei Barzahlung wird praktisch neben der Versicherung der Mitglieder des Vorstandes, daß sie in der Verfügung nicht beschränkt seien, dieser Nachweis wegfallen, weil nicht einmal das Vorzeigen einer Barsumme ein Nachweis für ihre Identität mit den eingezahlten Beträgen erbringen würde. Im Falle der Zahlung durch Gutschrift auf ein Postscheck-Konto ergibt sich zwar von selbst, daß keine Gegenforderung besteht; der Betrag könnte aber gepfändet sein, so daß der Nachweis, daß dies nicht der Fall ist, nur durch eine Erklärung des Postscheckamtes erbringlich wäre, die aber nur mit Schwierigkeiten beizubringen sein wird, so daß die Registerrichter auf diesen Nachweis im Hinblick auf die Unwahrscheinlichkeit einer Pfändung absehen können (ebenso Fischer in Großkomm. § 29 Anm. 3); im übrigen kann nicht einmal ein Konto-Auszug vom selben Tag ergeben, daß nicht an diesem Beträge abverfügt worden sind. Der Betrag muß im Zeitpunkt der Anmeldung zur freien Verfügung stehen, also wenn die Anmeldung bei Gericht eingeht. Es ist mithin zulässig, daß die Erklärung vor dem Notar bereits unterschrieben wird, bevor der Betrag zur Verfügung steht, mit der Maßgabe, daß der Notar die Anmeldung erst weiterleiten soll, wenn er besondere Anweisung erhält. Ist die Anmeldung erfolgt, so kann vom Vorstand über das Geld verfügt werden; es braucht nicht etwa bis zur Eintragung gewartet zu werden. Ferner sind nach Art und Höhe die geleisteten Zahlungen der Steuern, die bei der Gründung anfallen, nachzuweisen, da hierdurch der Gesamtbetrag der auf die Aktien eingezahlten Beträge gemindert worden ist. Sind keine Steuern gezahlt worden, so ist eine Negativerklärung nicht erforderlich, zur Vermeidung von Rüdefragen jedoch empfehlenswert. Ist der Betrag auf einem Konto des Vorstandes bei der Deutschen Bundesbank oder einem Kreditinstitut eingezahlt worden, so muß dieses Konto für den Vorstand als solchen, also für alle Mitglieder namentlich zusammen als Vorstand der in Gründung befindlichen Gesellschaft angelegt sein. Die Bank muß sich die Satzung vorlegen lassen, den Beschluß des Aufsichtsrats, durch den der Vorstand bestellt ist und eine Bestätigung des Vorsitzenden, daß nicht noch spätere Beschlüsse vorliegen. Den Schutz des § 15 H G B genießt die Bank noch nicht. Die Eignung der Bank hat und braucht das Registergericht grundsätzlich nicht zu prüfen, auch nicht, ob die ihm vorgelegten Erklärungen und Bestätigungen richtig sind, es sei denn, daß Verdacht der Unrichtigkeit vorliegt. Hat die Bank schriftlich bestätigt, daß die Einzahlungen gutgeschrieben sind und zur freien Verfügung des Vorstandes stehen, so muß sie dafür einstehen, daß dies auch der Fall ist. Sie kann also etwaige Gegenforderungen 181
§ 37 Anm. 3,4
Gründung der Gesellschaft
nicht geltend machen und muß etwa fehlende Beträge gutbringen. Ob die Bank ein Verschulden an der unrichtigen Bestätigung trifft, ist unerheblich. IV. Anlagen der Anmeldung Anm. 4: a) D a s P r o t o k o l l über die Errichtung der Gesellschaft (§ 23). Dieses enthält die Satzung und die Übernahmeerklärung aller Aktien durch die Gründer. b) In den Fällen der Sacheinlage und Sachübernahme, der Gewährung besonderer Vorteile an die Aktionäre oder einer Belohnung oder Entschädigung für die Gründung oder ihre Vorbereitung, die Verträge, welche den Festsetzungen darüber in der Satzung zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen sind. Hiermit können begriffsnotwendig nur die schriftlich abgeschlossenen Verträge gemeint sein, da die Vorschrift des § 37 II Nr. 2 nicht für alle in den Fällen der §§ 26 und 27 geschlossenen Verträge die Schriftform vorschreiben kann. Nicht schriftlich abgeschlossene Verträge sind daher lediglich anzugeben (ebenso Fischer Großkomm. § 29 Anm. 4; Schl.-Qu. Anm. 5; Baumbach-Hueck Anm. 3; a. A. die Vorauflage Anm. 8 und Ritter Anm. 3). Während in der Satzung der Gründungsaufwand nur in einer Summe angegeben zu werden braucht, ist hier Einzelanführung — soweit üblich — erforderlich. Manche Posten, z. B. die Vergütung für den Gründungsprüfer, müssen geschätzt werden. Die in der Satzung festgesetzte Summe darf nicht überschritten werden, weil der Aufwand insoweit nicht zu Lasten der Gesellschaft geht. Die Vorlage von Belegen ist nicht erforderlich. Neben der Berechnung des Gründungsaufwands sind beizufügen die Belege über die aus dem eingezahlten Betrag entrichteten Steuern und Gebühren. c) Die notarielle Urkunde über die Wahl des Aufsichtsrats ("§30 I) — in der Regel wird dies das Protokoll über die Errichtung der Gesellschaft sein (§ 20) — und die Niederschrift über die Bestellung des Vorstandes (§ 30 IV). d) Der Gründungsbericht und die Prüfungsberichte nebst ihren urkundlichen Unterlagen. Unter den urkundlichen Unterlagen sind z. B. Taxen, Gutachten, Rentabilitätsberechnungen und dergleichen zu verstehen. Der Prüfungsbericht ist nach § 34 III von dem Gründungsprüfer der Handelskammer einzureichen. Eine Bescheinigung hierüber ist der Erklärung beizufügen. e) Die Genehmigungsurkunde, wenn es einer staatlichen Genehmigung bedarf. Die Genehmigungspflicht muß sich auf das Unternehmen als solches, nicht einzelne Anlagen, beziehen. Die Entscheidung, ob das Unternehmen genehmigungspflichtig ist, steht nicht dem Registergericht, sondern ausschließlich der Verwaltungsbehörde zu. Erteilt diese eine Bescheinigung, daß eine Genehmigungspflicht nicht besteht, so ist das Registergericht daran gebunden. 182
Inhalt der Anmeldung
§37 Anm. 4—6
Dagegen hat das Registergericht die Genehmigungspflidit zu prüfen, wenn weder eine derartige Bescheinigung der Verwaltungsbehörde, noch eine Genehmigungsurkunde vorliegt. Der Fall liegt anders als nach § 7 HGB beim Einzelkaufmann oder einer Personengesellschaft des Handelsrechts, weil die AG erst durch die Eintragung entsteht, also durch das Registergericht ihre widerrechtliche Entstehung verhindert werden kann, wenn sie — obwohl genehmigungspflichtig — nicht genehmigt ist. Ist die Gesellschaft eingetragen worden, ohne die vorgeschriebene Genehmigung vorgelegt zu haben, so liegt ein Nichtigkeitsgrund nicht vor. Die Gesellschaft ist vielmehr nach § 14 HGB anzuhalten, diese Genehmigung nachzubringen. f) Die Namenszeichnung der Vorstandsmitglieder. Hierzu gehören auch die stellvertretenden Vorstandsmitglieder. Die Unterzeichnung der Anmeldeschrift ist nicht ausreichend, vielmehr muß die Namenszeichnung — nicht die Firmenzeichnung — in der Anmeldung selbst oder in einem besonderen Schriftstück gesondert erfolgen. Sie kann auch nachträglich beigefügt werden. Eine Voraussetzung für die Eintragung ist sie nicht (ebenso Ritter Anm. 5; a. A. Baumbach-Hueck § 29 Anm. 4, Schl.-Qu. § 29 Anm. 6). Alle Unterschriften unter der Anmeldung und auch diese vorgeschriebenen besonderen Namenszeichnungen sind öffentlich zu beglaubigen. Sie müssen in Gegenwart des Notars geleistet — nicht bloß anerkannt — werden; dies muß aus dem Beglaubigungsvermerk hervorgehen. g) Bescheinigung erfolgt vgl. Anm. 3.
der Bank, wenn die Einzahlung auf ein Bankkonto
h) Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für die Kapital verkehrssteuer. Ohne eine solche Bescheinigung darf die Eintragung nicht erfolgen. V. Anmeldepflicht Anm. 5: Die Anmeldung selbst kann vom Registergericht mit Ordnungsstrafe nach § 14 HGB nicht erzwungen werden (vgl. § 407 II). Nur wenn die Eintragung erfolgt ist, die Anmeldung aber lückenhaft war, etwa die Anlagen nach Abs. 2 fehlten, kann die Ergänzung durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. Über die Erzwingung der Anmeldung durch die übrigen Gründungsbeteiligten vgl. § 36 Anm. 3. VI. Recht auf Einsicht Anm. 6: Recht auf Einsicht in die Anmeldung. Nach § 9 HGB ist die Einsicht jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, er kann sogar Abschrift verlangen. 183
§38 Anm. 1,2
Gründung der Gesellschaft
§ 38 Prüfung durch das Gericht (1) Das Gericht hat zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet ist. Ist dies nicht der Fall, so hat es die Eintragung abzulehnen. (2) Das Gericht kann die Eintragung auch ablehnen, wenn die Gründungsprüfer erklären oder es offensiditlidi ist, daß der Gründungsbericht oder der Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht. Gleiches gilt, wenn die Gründungsprüfer erklären oder das Gericht der Auffassung ist, daß der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen nicht unwesentlich hinter dem Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder dem Wert der dafür zu gewährenden Leistungen zurückbleibt. Anm. 1: Die Bestimmung übernimmt fast wörtlich das bisherige Recht (§ 31 AktG 37). Das Registergericht hat die förmliche Ordnungsmäßigkeit und äußerliche Gesetzmäßigkeit der Gründung einschl. der Vollständigkeit und Zulässigkeit der Bestimmungen der Satzung, sowie die Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung nebst Begleiterklärung und Unterlagen zu prüfen. Stellt es Fehler fest, so hat es die Eintragung abzulehnen. Anm. 2: Nach Abs. 2 kann das Registergericht die Eintragung auch ablehnen, wenn der Gründungsbericht oder der Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder wenn die für eingelegte oder übernommene Gegenstände gewährten Leistungen unangemessen hoch sind, sofern entweder diese Tatsachen offensichtlich sind oder die Gründungsprüfer dies erklären. Darin liegt das Recht und die Pflicht, in begrenztem Umfange in die Prüfung der sachlichen Ordnungsmäßigkeit der Gründung einzutreten. Der Gründungsbericht und der Prüfungsbericht der Organe werden nicht nur auf gesetzliche Ordnungsmäßigkeit, sondern auf inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Insbesondere aber ist das Registergericht berechtigt und verpflichtet, die Angemessenheit der Gegenleistung für die Gegenstände der Sacheinlagen und Sachübernahmen zu prüfen. Diese Prüfung beschränkt sich auf die erklärte Stellungnahme der Gründungsprüfer (Prüfungsbericht) und auf das, was offensichtlidi ist, was also ohne weitere Nachprüfung von dem Richter aus den ihm vorgelegten Unterlagen entnommen werden kann. Zu einer darüber hinausgehenden Untersuchung ist das Gericht nicht berechtigt und noch weniger verpflichtet. Nicht erwähnt wird die Begleiterklärung zur Anmeldung, auf deren Richtigkeit die richterliche Prüfung indessen zweifellos zu erstrecken ist. 184
Inhalt der Eintragung
§§38/39 Anm. 3,4 /1
Anm. 3: Ergeben sich aus der Prüfung nach Abs. 2 Bedenken, so muß das Gericht diese zunächst den Beteiligten mitteilen und ihnen Gelegenheit geben, diesen abzuhelfen. Beteiligte sind die Gründer und die werdende, errichtete Gesellschaft, vertreten durch ihre Organe. Werden die Bedenken nicht erhoben, so liegt es im Ermessen des Richters, ob er die Eintragung ablehnen will. Insoweit unterscheidet sich die Prüfung nach Abs. 2 von der Prüfung nach Abs. 1. Dort muß die Ablehnung erfolgen, wenn sich eine Ordnungswidrigkeit ergibt. Dabei ist allerdings zu beachten, daß das Ermessen selbstverständlich ein pflichtgemäßes sein muß. Mit dem Ausdrude „kann" will das Gesetz offenbar nur sagen, daß der Riditer nicht an die Erklärung der Gründungsprüfer gebunden ist, sondern auch dieser gegenüber frei entscheidet. Dagegen wird bei Offensichtlichkeit der Spielraum seines Ermessens nur sehr eng sein, denn das richterliche Recht ist auch eine richterliche Pflicht, deren Verletzung die Haftung nach § 839 BGB begründet. Das Registergericht hat lediglich die rechtlichen Fragen der Gründung und Anmeldung zu überprüfen, nicht aber die wirtschaftlichen. Die Frage der Lebensfähigkeit der einzutragenden Gesellschaft ist deshalb vom Registerrichter nicht zu untersuchen (vgl. für viele Fischer in Großkomm. § 31 Anm. 5). Anm. 4: Gegen die Ablehnung der Eintragung steht den Anmeldern gem. § 20 FGG das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde zu. Es ist von allen Anmeldern zusammen einzulegen. Wird diese zurückgewiesen, so ist gem. § 27 FGG eine weitere Beschwerde möglich. Diese kann jedoch lediglich auf Verletzung des Gesetzes gestützt werden.
§ 39 Inhalt der Eintragung (1) Bei der Eintragung der Gesellschaft sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Grundkapitals, der Tag der Feststellung der Satzung und die Vorstandsmitglieder anzugeben. (2) Enthält die Satzung Bestimmungen über die Dauer der Gesellschaft oder über die Befugnis der Vorstandsmitglieder oder der Abwickler zur Vertretung der Gesellschaft oder über das genehmigte Kapital, so sind auch diese Bestimmungen einzutragen. Anm. 1: Die Vorschrift entspricht § 32 AktG 37. Gegenstand der Eintragung ist die Gesellschaft. Der Inhalt der nach dieser Vorschrift durchzuführenden Eintragung ist in 2 Teile aufzugliedern: 185
§§ 39/40 Anm. 1—4
Gründung der Gesellschaft
a) Die Eintragungen, deren Fehlen das Entstehen der Gesellschaft verhindern würde. Hierzu gehören Firma, Sitz und Gegenstand des Unternehmens. Da Gegenstand der Eintragung die Gesellschaft ist, erweist sich die Eintragung dieser zu ihrer Unterscheidung dienenden Merkmale als wesentlich, so daß eine Eintragung, die eines dieser Merkmale nicht enthält, nichtig ist. Da eine Gesellschaft erst durch die Eintragung entsteht, ist eine derartige mangelhafte Eintragung nicht geeignet, die Gesellschaft als solche ins Leben zu rufen. b) Die Eintragungen, deren Fehlen auf das Entstehen der Gesellschaft ohne Einfluß sind. Hierzu zählen alle anderen Eintragungen, Grundkapital, Tag der Feststellung der Satzung und Zusammensetzung des Vorstandes, sowie die nach Abs. 2 vorgeschriebenen Eintragungen. Anm. 2: Ohne eine gültige Eintragung besteht die Gesellschaft überhaupt nicht. Für den Fall der Nichteintragung ist daher § 15 HGB unanwendbar. Fehlerhafte Eintragungen sind von Amts wegen oder auf Antrag zu berichtigen. Anm. 3: Nach § 130 FGG ist die Eintragung mit Datum zu versehen und vom zuständigen Beamten zu unterzeichnen und der Gesellschaft zu Händen ihres Vorstandes bekanntzumachen. Anm. 4: Eine Haftung des Richters für eine unrichtige oder unvollkommene Eintragung nach § 839 BGB besteht in jedem Falle einer Verletzung der Vorschrift; aber der Umfang des Schadens wird ein ganz verschiedener sein, je nachdem, ob ein wesentlicher Eintragungsbestandteil unrichtig ist oder fehlt und demnach die Gesellschaft nidit entsteht, oder ein anderer. § 40 Bekanntmachung der Eintragung (1) In die Bekanntmachung der Eintragung sind außer deren Inhalt aufzunehmen 1. die Festsetzungen nach § 23 Abs. 3, §§ 24, 25 Satz 2, §§ 26 und 27; 2. der Ausgabebetrag der Aktien; 3. Name, Beruf und Wohnort der Gründer; 4. Name, Beruf und Wohnort der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats. (2) Zugleich ist bekanntzumachen, daß die mit der Anmeldung eingereichten Schriftstücke, namentlich die Prüfungsberichte der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie der Gründungsprüfer, bei dem Gericht, der Prüfungsbericht der Gründungsprüfer auch bei der Industrie- und Handelskammer eingesehen werden können. 186
Handeln im Namen der Gesellschaft. Verbotene Aktienausgabe § § 4 0 / 4 1
Die Vorschrift entspricht § 33 AktG 37. Die Entstehung der Aktiengesellschaft setzt die Eintragung voraus (§ 41). Aber erst die Bekanntmachung durch das Registergeridit nach § 10 H G B löst zusammen mit der Eintragung die sogenannte Publizitätswirkung des Handelsregisters aus ( § 1 5 HGB). Der Inhalt der Eintragung muß stets vollständig bekannt gemacht werden. Dies bestimmt schon § 10 HGB. Jedoch erstrebt § 40 eine noch weitergehende Publizität, insbesondere durch Bekanntmachung der Festsetzung der Höhe des Grundkapitals und seiner Stückelung, Gründungsaufwand und Sondervorteile, Sacheinlagen und Sachübernahmen und den Ausgabekurs der Aktien, sowie in persönlicher Hinsicht die Angabe der Personen der Gründer und des ersten Aufsichtsrats. Die Mitglieder des Vorstandes sind gemäß § 39 einzutragen und demgemäß nach § 10 HGB aus diesem Grunde bereits bekanntzumachen. Die Bekanntmachung hat im Bundesanzeiger und mindestens in einem anderen Blatt, das nach § 11 HGB alljährlich vom Registergeridit bestimmt wird, zu erfolgen ( § 1 0 HGB). Die Satzung kann bestimmen, daß die Bekanntmachung auch in weiteren Blättern zu erfolgen hat — vgl. hierzu die Anmerkung zu § 25 —.
§ 41 Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. Wer vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem Namen handelt, haftet persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Übernimmt die Gesellschaft eine vor ihrer Eintragung in ihrem Namen eingegangene Verpflichtung durch Vertrag mit dem Schuldner in der Weise, daß sie an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, so bedarf es zur Wirksamkeit der Schuldübernahme der Zustimmung des Gläubigers nicht, wenn die Schuldübernahme binnen drei Monaten nach der Eintragung der Gesellschaft vereinbart und dem Gläubiger von der Gesellschaft oder dem Schuldner mitgeteilt wird. (3) Verpflichtungen aus nicht in der Satzung festgesetzten Verträgen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen oder Sachübernahmen kann die Gesellschaft nicht übernehmen. (4) Vor der Eintragung der Gesellschaft können Anteilsrechte nicht übertragen, Aktien oder Zwischenscheine nicht ausgegeben werden. Die vorher ausgegebenen Aktien oder Zwischenscheine sind nichtig. Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. 187
§ 41 Anm. 1
Gründung der Gesellschaft
I. Übersicht (Anm. 1) II. Verhältnis der AG zu der vorher bestehenden Gesellschaft 1. Zusammenhang beider Gesellschaften (Anm. 2) 2. Die einzelnen Theorien (Anm. 3) 3. Eigene Stellungnahme (Anm. 4) III. Handeln im Namen der AG 1. Erwerb von Vermögenswerten a) Einlagen und Sachübernahmen (Anm. 5) b) Sonstiger Erwerb (Anm. 6—8) 2. Eingehung von Verbindlichkeiten a) Verpflichtung des Handelnden (Anm. 9—13)
b) Verpflichtung der AG (Anm. 14—16) 3. Fortführung eines Erwerbsgeschäfts (Anm. 17) 4. Einseitige Rechtsgeschäfte (Anm. 18) 5. Dingliche Verfügungen (Anm. 19) IV. Handeln nicht im Namen der AG (Anm. 20 u. 21) V. Unerlaubte Handlungen (Anm. 22) VI. Übertragung von Aktienrechten (Anm. 23) VII. Aktienausgabe vor Eintragung (Anm. 24) VIII. Abwicklung der Vorgesellschaft (Anm. 25)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt sachlich die Bestimmungen des § 34 AktG 37 unter Verschärfung und Erweiterung der Bestimmungen des Abs. 3 (s. Anm. 5). Satz 1 der Vorschrift stellt den Grundsatz auf, daß die AG als solche, d. h. mit eigener Rechtspersönlichkeit und mit der ihr eigentümlichen Zergliederung der Beteiligung in selbständige, einzelne und untereinander isolierte Mitgliedschaften (Aktienrechte), insbesondere aber mit eigener Rechtsfähigkeit, erst dadurch entsteht, daß sie ins Handelsregister eingetragen (aber nicht erst dadurch, daß die Eintragung bekanntgemacht) wird. Es entsteht die Frage, welche rechtlichen Wirkungen Handlungen für und gegen die Gesellschaft haben, welche in ihren früheren Lebensabschnitten mit Rücksicht auf ihre künftige Entstehung in ihrem Namen vorgenommen worden sind, bevor sie Rechtsfähigkeit erlangt hatte. Dies beantwortet Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 (dieser eingeschränkt durch Abs. 3) nur in einzelnen Beziehungen und sehr lückenhaft. Während das Gesetz die geschäftlichen Belange der künftigen AG in ihrem Zustand vor der Eintragung unter dem Gesichtspunkt einer soliden Gründung eingehend wahrt und regelt, stellt es für die Anfänge ihres werbenden Auftretens in dieser Zeit nur einige wenige Bestimmungen auf, welche den in Satz 1 aufgestellten Grundsatz, daß sie vor der Eintragung ins Handelsregister nicht besteht, teils ergänzen, teils abschwächen. Es erheben sich daher in dieser Hinsicht zahlreiche Zweifelsfragen, über welche die Meinungen vielfach weit auseinandergehen. Abs. 4 zieht aus dem Grundsatz, daß die AG als solche erst durch die Eintragung entsteht, mehr oder weniger selbstverständliche Folgerungen für die Übertragung von Anteilsrechten vor der Eintragung. 188
Handeln im Namen der Gesellschaft. Verbotene Aktienausgabe
§ 41
Anm. 1—3
Für Handlungen namens einer zu gründenden ausländischen AG ist die Vorschrift unanwendbar, selbst dann, wenn die Rechtshandlung im Inland vorgenommen worden ist (RG 159, 43); jedoch ist dies zweifelhaft, wenn auf das durch sie begründete Rechtsverhältnis Deutsches Recht anzuwenden ist (RG a. a. O.). Über die Rechtsnatur der Vorgesellschaft vgl. § 29 Anm. 4. IL Verhältnis der AG zu der vorher bestehenden Gesellschaft 1. Zusammenhang beider Gesellschaften Anm. 2: Der rechtliche Zusammenhang der durch die Eintragung entstandenen AG mit der bis dahin vorhandenen Gesellschaft, wird durdi das Gesetz nicht geklärt. Die Meinungen hierüber waren im Schrifttum von jeher geteilt. Die einen leugneten jeden rechtlichen Zusammenhang, die anderen sehen Identität als gegeben an. Die Ergebnisse der versdiiedenen Meinungen weichen jedoch nicht allzusehr voneinander ab. Unverkennbar ist der Einschnitt, den die Eintragung macht. Ein neues Rechtswesen entsteht, das vorher nicht vorhanden war; wo Rechte an geleisteten Einlagen und gesellschaftliche Rechte auf die Herbeiführung der Eintragung bestanden hatten, entstehen Aktien. Unverkennbar ist trotzdem der Zusammenhang, auch der rechtliche. Dieser tritt klar in personeller Hinsicht hervor: Mitglieder (Aktionäre) werden die Gründer und nur diese, weil sie alle Aktien übernommen haben müssen (§ 2). Auch die vermögensrechtliche Beteiligung der Mitglieder, nunmehr in Gestalt von Aktien, geht unmittelbar aus ihren vor der Eintragung vollbrachten Einlageleistungen hervor. Doch fehlen klare gesetzliche Vorschriften, welche erschöpfend regeln, ob und wie die eingetragene AG Subjekt des vor der Eintragung begründeten aktiven und passiven Vermögensstandes wird. Nur in einzelnen Beziehungen läßt das Gesetz dies erkennen. Daraus ergeben sich einige Streitfragen, die auch im neuen Aktiengesetz nicht gelöst worden sind. Diese Fragen sind — wie sich aus der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfes ergibt — bewußt offengelassen worden, um die Lösung der Rechtsprechung und dem Schrifttum zu überlassen. 2. Die einzelnen Theorien Anm. 3: In enger Anlehnung an das Vereinsrecht ist die sogenannte Einheitstheorie entstanden (vgl. Müller/Erzbach in „Das Privatrecht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948, 188 ff.; Scholz GmbH Rundschau 1956, 3 ff.; u. a.). Danach ist die AG die Fortsetzung der Gründergesellschaft, so daß beide Gesellschaften identisch sein sollen. Die Eintragung gibt danach der Gründergesellschaft die Rechtsfähigkeit, die gesellschaftsrechtliche Vereinigung ist aber die gleiche geblieben. Das Reichsgericht (143, 372; 141, 91; 154, 286) und auch der B G H (NJW 55, 1228 für GmbH und AG; Bd. 20, 281 = N J W 56, 946 für Genossen189
§41 Anm. 3,4
Gründung der Gesellschaft
schaft; Bd. 21, 242 = N J W 56, 1435 für GmbH.) stehen grundsätzlich auch auf dem Boden der Einheitstheorie, jedoch mit einer erheblichen Einschränkung. Das Reichsgericht und der BGH stellen es auf die Vertretungsmacht der Organe der errichteten Gesellschaft ab. Diese seien lediglich zu solchen Rechtsgeschäften befugt, die für die Entstehung der AG als solche unumgänglich notwendig sind. Alle anderen Rechtsgeschäfte richten sich danach nach den Vorschriften über die Vertretung ohne Vertretungsmacht (§§ 177 ff. BGB). Dieser Ansicht hat sich ein Teil des Schrifttums angeschlossen (von Gierke § 41 IV 2; Teichmann/Köhler Anm. 2 und 3; Schl.-Qu. Anm. 2 und 3). Die Gegner der Einheitstheorie lassen sich nicht unter einer einheitlichen Bezeichnung zusammenfassen. Sie lehnen die Einheitstheorie mit dem Hinweis auf Abs. 2 ab. Wenn die AG erst durch eine notwendig erklärte Schuldübernahme Schuldnerin der Verbindlichkeiten wird, die zwar in ihrem Namen, aber vor ihrer Eintragung begründet worden sind, so kann von einer Identität der entstandenen AG und der Gründergesellschaft nicht mehr die Rede sein (Brodmann § 200 HGB Anm. 1 a; Gadow Jehr. Jahrb. 87,251 ff.; BaumbachHueck Anm. 1). Eine Anwendung der § 177 ff. BGB scheiden ebenfalls aus, wenn eine Schuldübernahme — also keine Genehmigung — gemäß Abs. 2 zu erfolgen hat. 3. Eigene Stellungnahme Anm. 4: Im Endergebnis weichen die Anhänger der verschiedenen Ansichten nicht wesentlich voneinander ab. Lediglich in der konstruktiven Begründung dieser Ergebnisse liegen grundlegende Unterschiede. Hieraus ergibt sich, daß dem Streit um die Einheitstheorie heute keine Bedeutung mehr zukommt (ebenso Fischer in Großkomm. Anm. 6; Schl.-Qu. Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 1). Nach unserer Meinung ist der Wille des Gesetzgebers aus dem Aktiengesetz selbst zu erforschen unter Beachtung der Besonderheit der Sachlage und der zu wahrenden öffentlichen und privaten Belange. Man muß sich hier vor Begriffen, insbesondere solchen, welche anderen Rechtsgebieten entnommen sind, und Folgerungen daraus hüten. Es muß vielmehr der Wille des Gesetzgebers auf dem aktienrechtlichen Sondergebiet erforscht und angewendet werden. Handelt es sich darum, zu ermitteln, welche Wirkung Rechtshandlungen, die vor der Eintragung der AG vorgenommen worden sind, unmittelbar für die eingetragene AG haben, insbesondere ob Rechte oder Verpflichtungen unmittelbar für sie vor der Eintragung begründet werden können (siehe hierüber Anm. 15 ff.), ist es durchaus nicht nötig, daß ausgehend von einem Begriff eine einheitliche Antwort gefunden wird. Vielmehr hat das Gesetz erkennbar unterschiedliche Zweckmäßigkeitslösungen gesucht. Rechtsgeschäfte, die im Namen der noch nicht eingetragenen Gesellschaft vorgenommen werden, sind nach der Absicht der Parteien Rechtsgeschäfte der Gesellschaft, so daß, wenn sie eingetragen wird, deren Eigenschaften (z. B. 190
Handeln im Namen der Gesellschaft. Verbotene Aktienausgabe
§ 41 Anm.4,5
die Kaufmannseigenschaft), nicht die Eigenschaften derjenigen entscheiden, welche das Geschäft vorgenommen haben. Auch bei Warenlieferungen wurde in RG 75, 205 anerkannt, daß sich die Verjährungsfrist nach § 196 II BGB bemißt, weil die Ware für den Gewerbebetrieb der AG bestimmt war (das Urteil ist für eine GmbH ergangen, so daß Sachübernahme von einem Nichtgesellschafter keine Rolle spielte). III. Handeln im Namen der AG 1. Erwerb von
Vermögenswerten
a) Einlagen und Sachübernahmen Anm. 5: Daß Rechte für die AG schon vor der Eintragung begründet werden können, welche nach aktienrechtlichen Grundsätzen durch die Eintragung unmittelbar Vermögen der AG werden, ist nicht zweifelhaft. Insbesondere erwirbt die Gesellschaft die Rechte aus den vor ihrer Entstehung ordnungsmäßig in der Satzung festgesetzten Verträgen, aus den Aktienübernahmeerklärungen das Eigentum an den geleisteten Einlagen, die durch deren Einzahlung entstandenen Forderungen gegen Dritte (Banken) durch die Eintragung kraft Gesetzes (RG 87, 249), ohne daß es erforderlich ist, daß der Vorstand dieses Vermögen auf sie überträgt. Dasselbe gilt von den Gegenständen einer Sachübernahme, wenn diese schon vor der Eintragung geleistet war. Dieser gesetzgeberische Wille kommt u. a. zum Ausdruck darin, daß die Bareinlage von vornherein auf Bank- oder Postscheckkonto für die Gesellschaft überwiesen werden kann (§ 54 III). Da der Vorstand gar nicht Gläubiger der Einlageforderung ist und somit nicht Eigentümer des Gegenstandes der Einlage geworden ist, kann er der AG kein Eigentum übertragen. Daß er Vertreter oder Geschäftsführer der Vorgesellschaft wäre, ist nicht erkennbar (vgl. jedoch RG 144, 356), um so weniger, als er nicht einmal von den Gründern, sondern von dem von den Gründern gewählten Aufsichtsrat bestellt wird, der auch aus dritten Personen bestehen kann und kein Organ der Vorgesellschaft ist. Wenn man entgegen unserer Auffassung annimmt, die Einlage sei Gesamthandsvermögen der Vorgesellschaft, hat jedenfalls der Vorstand keine Sachbefugnis, sie zu übertragen. Er hat diese Einlage nur als Vertreter der künftigen AG erhalten, für die er allein bestellt ist und für sie in Empfang genommen. Diese in Vertretung der künftigen AG vorgenommenen Rechtsgeschäfte werden durch die Eintragung kraft Gesetzes für sie wirksam. Auch wer die Einlage nicht an den Vorstand, sondern an die Gründer leistet, denkt nicht daran, diese zu Eigentümern machen zu wollen, auch nidit zu Treuhändern, will vielmehr der künftigen AG Eigentum übertragen. Die Konstruktion der Treuhänderschaft ist deshalb lebensfremd. Auch die Gründer können daher Eigentum nicht erwerben und nicht in die Lage 191
§41 Anm. 5—7
Gründung der Gesellschaft
kommen, es der künftigen AG nach ihrer Eintragung weiter zu übertragen. Dies schon deshalb nicht, weil sie mindestens die Bareinlagen vor der Eintragung an den Vorstand als solchen abzuführen haben, da er anderenfalls nicht versichern könnte, daß sie zu seiner freien Verfügung stehen (§ 37). (In welchem Umfange der Aktionär durch Leistungen an die noch nicht eingetragene AG von seiner Verpflichtung nach § 54 frei wird, siehe dort.) b) Sonstiger Erwerb Anm. 6: Dasselbe gilt von allen Rechten, welche für die AG vor der Eintragung begründet werden, auch, wenn sie nicht auf Einlage oder Sadiübernahme beruhen. Macht man sich von bürgerlich-rechtlichen Vorstellungen frei, so ergibt sich die Richtigkeit dieser Meinung aus dem Gesetz selbst. Denn für eine Reihe von Ansprüchen aus Tatbeständen, welche unerlaubten Handlungen ähneln, ist dies vom Gesetz bestimmt. So ausdrücklich in sämtlichen Vorschriften über die Haftung der Gründer (§ 46) und gewisser Personen neben ihnen (§§ 47 und 48) — siehe RG 144, 356 — der Gründungsprüfer (§§ 49; 168) in Verbindung mit der für diese Haftungen gemeinsamen Vorschrift des § 50. Mit Recht hat darum das Patentamt die Erteilung des Patents unmittelbar für die z. Z. der Patentanmeldung noch nicht eingetragene AG als möglich angesehen (DJZ 1912, 1132), desgl. RG a. a. O. der AG Schadensersatzansprüche aus dem Verhalten eines Gründers vor der Eintragung zuerkannt. Anm. 7: Dies gilt auch, wenn vor der Eintragung namens der AG — insbesondere durch den Vorstand — ein Erwerb gemacht wird, der nicht in der Satzung festgesetzt ist, weil er der Festsetzung in der Satzung nicht bedurfte (Anm. 20 zu § 27). Auch hier erwirbt die AG durch ihre Eintragung entweder den schon an den Vorstand geleisteten Gegenstand oder den Anspruch auf seine noch ausstehende Leistung. Der namens der AG Handelnde besitzt den Anspruch in keinem Stadium, auch nicht den Anspruch auf Leistung an die AG, wohl aber gegenüber seiner Haftung aus Abs. 1 die Einrede des nicht erfüllten Vertrags oder ein Zurückbehaltungsrecht, solange nicht an die AG geleistet ist. Umgekehrt steht natürlich dem Schuldner des Gegenstandes die Einrede des nicht erfüllten Vertrages zu, solange weder der nach Abs. 1 Haftende, noch die Gesellschaft auf Grund Schuldübernahme (Abs. 2) leistet. Macht er vor oder nach der Eintragung eine Vorausleistung, so hat er nur den Anspruch gegen denjenigen, der namens der AG gehandelt hat oder gegen diese, wenn sie die Schuld gem. Abs. 2 übernimmt. Diese Lösung entspricht den gesetzlichen Bestimmungen und dem Willen der Vertragsschließenden. Beide Parteien wollen letzten Endes der — zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht entstandenen — AG die durch den Vertrag entstandenen Rechte zubilligen, ohne sie jedoch verpflichten zu kön192
Handeln im Namen der Gesellschaft. Verbotene Aktienausgabe
§ 41
Anm. 7
nen. Der Gläubiger muß aber einen Schuldner haben, der ihm durch das Gesetz in dem für die A G Handelnden gegeben wird. Wenn die A G mit der Eintragung in den Genuß der Rechte kommt, die aus dem Vertrag sich ergebenden Verpflichtungen aber nicht im Wege der Schuldübernahme übernimmt, entsteht dem Handelnden dennoch kein unzumutbarer Nachteil, denn ihm bleibt der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die A G , wenn er von dem Gläubiger in Anspruch genommen worden ist. Die von Fischer (im Großkomm, zu § 34 Anm. 17) vertretene Auffassung, gegenseitige Verträge könnten nicht derart aufgespalten werden, daß die Begründung von Rechten als Vertrag zugunsten der A G anzusehen sei und damit die A G unmittelbar berechtigt werde, während die Begründung von Verbindlichkeiten die A G nur trifft, wenn sie in diese durch eine Schuldübernahme selbst eintritt, kann nicht überzeugen. Wenn das Gesetz der Einheitstheorie nicht folgt, sondern eine Verpflichtung der A G nur nach Schuldübernahme annimmt, so geschieht das nur deshalb, weil es als der überragende Gesichtspunkt angesehen wird, daß unter keinen Umständen die A G vor ihrer Entstehung von ihren Organen (diese bestehen vor der Eintragung der A G als solche noch nicht) nicht in unkontrollierte Verbindlichkeiten verstrickt wird. Die Vertreter der Gegenmeinung, Fischer a. a. O., Teichmann/Köhler (Anm. 5 a), Heim ( Z G H R 108, 267) u. a. wollen den Eintritt der A G in die in ihrem Namen begründeten Rechte nur unter entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Vertretung ohne Vertretungsmacht (§§ 177 ff. BGB) erfolgen lassen. Sie verkennen, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß der im Namen der A G Handelnde Schuldner wird. Dies ergibt sich eindeutig aus Abs. 2, wonach die Schuldübernahme in einem Vertrag zwischen A G und Schuldner — also dem Handelnden — zu erfolgen hat. Der falsus prokurator wird jedoch erst Schuldner, wenn der Vertretene den Vertrag nicht genehmigt und der Gläubiger von dem falsus prokurator Erfüllung verlangt. D a der Handelnde jedoch bereits mit Vertragsabschluß Schuldner wird, kommt die Anwendung der §§ 177 ff. BGB begrifflich nicht in Frage. Darüber hinaus ist hier der Tatbestand grundverschieden von dem bürgerlich-rechtlichen Tatbestand der Vertretung ohne Vertretungsmacht. Der Vorstand einer noch nicht eingetragenen A G ist — anders als der machtlose Vertreter — zum gesetzlichen Vertreter bestellt, also zur Vertretung befugt, während aber der Vertretene noch nicht existiert, den er vertreten will; es fehlt nicht an der Vertretungsmacht, sondern — vorläufig — am Vertretenen. Der Fall ähnelt vielmehr der Vertretung einer ungeborenen Leibesfrucht nach § 1912 BGB. Niemand wird sagen, daß die Eltern als gesetzlicher Vertreter der Leibesfrucht Vertreter ohne Vertretungsmacht seien, aber sie können sie nur vertreten im Rahmen des § 1912, nämlich soweit ihre künftigen Rechte einer Fürsorge bedürfen. In diesem Umfang ist er nicht Vertreter ohne Vertretungsmacht; überschreitet er aber diesen Rahmen, ist sein Geschäft ein Nullum
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Wilhelmi, A k c i e n g e s e t z
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§41 Anm. 7, 8
Gründung der Gesellschaft
Hält man die Vertretung eines noch nicht Bestehenden überhaupt für möglich, so ist es nicht einzusehen, warum der vom Aufsichtsrat zum Vertreter bestellte Vorstand ein Vertreter ohne Vertretungsmacht sein soll. Die Verfechter dieser Ansicht kommen z. T., wie z. B. Heim a. a. O. zu der befremdlichen Meinung, daß die AG, weil noch nicht bestehend, einen Vertreter nur als einen machtlosen haben, aber schon vor ihrer Eintragung die von diesem abgeschlossenen Sachübernahmeverträge durch Aufnahme in die Satzung (§ 27) genehmigen könne. Dies kann nicht zutreffen, wenn die AG vor ihrer Eintragung die Handlungen eines Vertreters genehmigen kann, kann sie auch in solche einwilligen, mit anderen Worten einen Vertreter bestellen. Wir halten es auch für unzulässig, auf die Geschäfte, welche vor Eintragung der AG in ihrem Namen abgeschlossen werden, die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Geschäftsführung ohne Auftrag heranzuziehen, um auf diesem Umweg zum Ziel zu gelangen, daß praktisch die AG doch die vor der Eintragung eingegangenen Geschäfte (insbesondere Verpflichtungen) nicht nach freiem Entschluß ablehnen kann, sondern anerkennen muß, wenn sie ihrem mutmaßlichen Willen entsprochen haben. Dies widerspricht dem der Vorschrift zugrunde liegenden Zweckgedanken, daß die Gesellschaft nicht eben vor ihrer Eintragung mit einer Vorgeschichte belastet werden soll. Auch ist nicht einzusehen, warum es möglich sein soll, für eine noch nicht bestehende Persönlichkeit Geschäfte ihrem (mutmaßlichen) Willen entsprechend zu führen, wenn es nicht möglich ist, sie im Willen zu vertreten. Anm. 8: Wenn Entstehung oder Erwerb des Rechts die Eintragung im Grundbuch voraussetzt, ist natürlich der Rechtserwerb der AG nicht vor der Eintragung im Grundbuch möglich. Dieser aber muß die Eintragung der AG im Handelsregister vorausgehen, so daß in diesem Fall letztere mit dem Rechtserwerb der AG nicht zusammenfallen kann. Eine der AG vor ihrer Eintragung im Handelsregister unter Ubergabe des Briefes abgetretene Briefhypothek oder Grundschuld erwirbt sie sonach mit der Eintragung ins Handelsregister ohne weiteres. Eine ihr abgetretene Buchhypothek oder Grundschuld oder das Eigentum an einem Grundstück oder ein ihr neu bestelltes Recht an einem Grundstück erwirbt sie erst durch die ihrer Eintragung ins Handelsregister nachfolgenden Eintragung des Rechts bzw. Rechtserwerbs im Grundbuch. Dies gilt, wenn das Recht unmittelbar für die AG auf ihren Namen erworben (z. B. das Grundstück auf sie aufgelassen) worden ist. War aber im Einverständnis mit dem Veräußerer das Recht auf den Namen eines Vorstandsmitglieds oder eines Gründers erworben worden, so wird natürlich nach der Eintragung der AG eine Rechtsübertragung auf sie notwendig; eine bloße Grundbuchberichtigung kommt hier nicht in Frage, weil eben der Erwerb nicht namens der AG, sondern von einer Zwischenperson gemacht war. Dies übersieht offenbar Gadow in Jehr. Jahrb. 87, 245. 194
H a n d e l n im N a m e n der Gesellschaft. Verbotene Aktienausgabe
2. Eingehung von
§ 41
Anm. 9,10
Verbindlichkeiten
a) Verpflichtung des Handelnden Anm. 9: Für Verbindlichkeiten aus vor der Eintragung der Gesellschaft in deren N a m e n vorgenommenen Rechtsgeschäften haften der Gegenpartei nur die Handelnden, nicht auch die AG, und zwar mehrere als Gesamtschuldner. Die Handelnden sind nicht nur die unmittelbar Tätigwerdenden, sondern alle, mit deren Einwilligung und Einverständnis gehandelt wird (RG 55, 302; B G H N J W 61, 1016 vergl. Riedel in N J W 66, 1004). Dies braucht nicht die Gründergesellschaft als solche zu sein. Es ist durchaus möglich, daß der Vorstand in diesem Lebensabschnitt der Gesellschaft f ü r die Gründergesellschaft, z. B. Miet- oder Anstellungsverträge, K ä u f e oder Verkäufe abschließt; doch wird vielfach die Einwilligung der Gründer vorliegen. Eine nur nachträgliche Genehmigung genügt nicht (RG 70, 296; R A G in J W 1930, 3790; O L G Stettin J W 1924, 214). Auf den Lebensabschnitt der Gesellschaft kommt es nicht an. Das Reichsgericht hat in R G 122, 174 und 151, 91 die H a f t u n g der Handelnden in einem Falle angenommen, in welchem schon vor Abschluß des Gesellschaftsvertrages gehandelt worden war. Immerhin soll nach dieser Entscheidung die Gesellschaft schon im Keim vorhanden sein. Unerheblich ist die Kenntnis der Gegenseite davon, ob die Gesellschaft eingetragen ist oder nicht, doch kann durch Vereinbarung die H a f t u n g ausgeschlossen werden, auch von der Gegenseite kann darauf verzichtet werden. Auch kann die künftige Eintragung und Übernahme durch die AG zur Bedingung des Geschäfts gemacht werden; jedoch ist eine derartige Vereinbarung auch dann als eine stillschweigende nicht zu unterstellen, wenn die Gegenseite weiß, daß die Gesellschaft noch nicht eingetragen ist, wenigstens nicht regelmäßig, denn in der Mehrzahl der Fälle wird die Gegenseite sich auf einen Schwebezustand gar nicht einlassen können (man denke an Vorverkäufe namens der AG, die namentlich, wenn sie ein Erwerbsgeschäft übernimmt, doch eine große Rolle spielen). Anm. 10: Die H a f t u n g des Handelnden f ü r Verbindlichkeiten, welche namens der A G vor ihrer Eintragung eingegangen worden sind, besteht nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts neben derjenigen der A G weiter, wenn diese nach ihrer Eintragung in das Geschäft eintritt. Der H a f t e n d e hat die Einrede, die der A G zustehen würde, insbesondere des nichterfüllten Vertrages, der bedungenen Vorausleistungen des Vertragsgegners, des Zurückbehaltungsrechts. Ebenso dürfte er auch Einwendungen, welche sich gegen den Bestand des Vertrages richten, z. B. der geänderten Geschäftsgrundlage, geltend machen können; auch, wenn die A G selbst am Vertrag festgehalten und etwa die Leistung empfangen hat. Vereinbarungen zwischen A G und Gläubiger, welche die Verpflichtungen des letzteren ändern, ohne die Gegenleistung zu betreffen, berühren die H a f t u n g nicht, es sei denn, daß es sich um 13»
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§41 Anm. 10,11
Gründung der Gesellschaft
Aufhebung des alten und Abschluß eines neuen Vertrages handelt. Es ist selbstverständlich, daß die A G nach ihrer Eintragung jederzeit durch Vertrag mit dem Gläubiger sowohl neben dem bisher H a f t e n d e n als auch mit befreiender Wirkung an seine Stelle treten kann.
Anm. 11: § 4 1 I I läßt außerdem eine befreiende Schuldübernahme auch durch Vertrag zwischen der A G und demjenigen zu, der in ihrem N a m e n f ü r sie gehandelt hat und haftet, und z w a r durch bloße Mitteilung an den G l ä u biger, ohne daß seine Genehmigung zu diesem Schuldneraustausch erforderlich wäre. U m eine Schuldübernahme im Sinne des B G B handelt es sich nicht, nicht nur weil letzteres immer einen neuen Vertrag mit dem Gläubiger oder doch dessen Genehmigung verlangt, sondern auch, weil der Sachverhalt hier anders ist als das B G B voraussetzt. Bei der Schuldübernahme im bürgerlichrechtlichen Sinne ist die zu übernehmende Schuld im N a m e n des ursprünglichen Schuldners eingegangen worden. D a r u m ist dessen Ausscheiden aus dem Rechtsverhältnis ohne Genehmigung des Gläubigers undenkbar. D a gegen ist hier der H a n d e l n d e gegen seinen (und auch des Gläubigers) Willen auf G r u n d Gesetzes Schuldner an Stelle der A G geworden, in deren N a m e n von ihm gehandelt worden w a r . Weil von vornherein im Einverständnis mit dem Gläubiger in ihren N a m e n gehandelt worden war, geschieht diesem kein Unrecht, wenn der Schuldner ohne seine Genehmigung wechselt. Dies gilt aber nur, wenn die A G in den ersten drei Monaten nach ihrer Eintragung „übernimmt" (richtiger anerkennt) und die Schuldübernahme dem Gläubiger noch innerhalb derselben Frist von der A G oder dem früheren Schuldner mitgeteilt wird. Eine Verpflichtung zu dieser Schuldübernahme besteht nicht. Sie kann in jeder F o r m mitgeteilt werden, die dem Gläubiger erkennbar macht, daß die A G die Schuld übernehme und das Geschäft f ü r sich gelten lassen wolle. N a c h Ablauf der Frist von 3 Monaten ist zur Schuldübernahme, zur befreienden sowohl als auch zur häufenden die Genehmigung des G l ä u bigers erforderlich. W a r u m ein Vertrag mit dem H a f t e n d e n und damit seine Zustimmung zur Schuldübernahme erforderlich ist, d a er auch von vornherein im N a m e n der A G gehandelt und zu erkennen gegeben hat, daß nach seinem Willen diese und nicht er Schuldner werden solle, ist nicht ersichtlich. Aber § 41 schreibt ausdrücklich vor, daß zur Schuldübernahme ohne B e f r a g u n g des Gläubigers in den ersten drei Monaten nach Eintragung ein Vertrag mit dem bis dahin H a f t e n d e n erforderlich sei. Wie die Schuldübernahme formlos auch durch schlüssige Handlungen mitgeteilt werden kann, können auch die zur Vereinbarung mit dem zunächst H a f t e n d e n erforderlichen beiderseitigen Willenserklärungen in schlüssigem Verhalten liegen, selbst in Stillschweigen, wenn dieses sich als schlüssig darstellt. D i e Vereinbarung ist, wenn der V o r s t a n d 196
Handeln im Namen der Gesellschaft. Verbotene Aktienausgabe
§ 41
Anm. 11—14
selbst von der Schuld befreit werden soll, weil er es war, der im Namen der AG gehandelt hatte, zwischen ihm und dem Aufsichtsrat (§ 112, für den schlüssiges Verhalten ausscheidet, der vielmehr Beschluß fassen muß) zu schließen. Eine Vertretung der Gesellschaft durch andere Vorstandsmitglieder oder Prokuristen ist durch die Neufassung des § 112 (§ 97 AktG 37) nicht mehr möglich (s. Anm. zu § 112). Anm. 12: H a t der Auf sichtsrat im Namen der Gesellschaft einen Vertrag mit dem Gesamtvorstand abgeschlossen, so ist es der Aufsichtsrat selbst, der haftet, weil bei solchen Verträgen nur er die AG vertreten kann. Der Aufsichtsrat kann sich aber nicht selbst von der Haftung befreien, so daß nichts anderes übrig bleibt, als derartige Verträge nach Eintragung der Gesellschaft neu abzuschließen. Anm. 13: Besonderes gilt für die Bestellung des Vorstands. Diese wird mit Eintragung der Gesellschaft ohne weiteres wirksam. Laut ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen (§ 30) hat der Aufsichtsrat den ersten Vorstand zu bestellen, und zwar vor der Eintragung der Gesellschaft. Dieser Vorstand soll zu diesem Zeitpunkt für die eingetragene Gesellschaft gelten und muß daher mit der Eintragung wirksam werden. Die Tatsache, daß Abs. 1 Satz 2 keinen Vorbehalt hinsichtlich der notwendigen Verpflichtungen macht, spricht nicht gegen diese Ansicht. Die Vorschrift des § 30 schreibt die Bestellung vor der Eintragung vor, ohne eine Einschränkung hinsichtlich der Vorschrift des § 41 zu machen. Sie ist daher als Ausnahmevorschrift anzusehen. b) Verpflichtung der AG Anm. 14: Verpflichtungen der Gesellschaft können im Rahmen der §§ 26, 27 aber keineswegs allgemein in der Satzung mit der Folge festgesetzt werden, daß sie die AG ohne weiteres belasten. Regelmäßig wird, von den Fällen der §§ 26, 27 abgesehen, die AG von Verpflichtungen, die vor ihrer Eintragung in ihrem Namen eingegangen sind, nur belastet, wenn sie diese nach ihrer Eintragung übernimmt. Wir sehen diesen Grundsatz im Abs. 1 ausgedrückt und in den §§ 26, 27 nicht nur beispielhafte Anwendungsfälle eines abweichenden Grundsatzes, vielmehr Ausnahmen von dem Grundsatz des Abs. 1, für welche außerdem noch die besondere Vorschrift besteht, daß sie in der Satzung festgesetzt werden müssen. Der Fall liegt hier nach rechtspolitischen Erwägungen ganz anders, als wenn Rechte für die AG begründet werden sollen. Daß bei der Sacheinlage und Sachübernahme gleichzeitig Verpflichtungen gegen Dritte mit übernommen werden können, welche damit in Verbindung stehen, wird allerdings auf Grund dieser Vorschriften anzunehmen sein. Darum wird unter entsprechender Festsetzung in der Satzung ein Grundstück mit der Hypothekenlast, ein Erwerbsgeschäft mit den bestehenden und bis zur Eintragung noch entstehenden Verpflichtungen aus dem laufenden 197
§41 Anm. 14—16
Gründung der Gesellschaft
Geschäftsbetrieb übernommen werden können. Über die Möglichkeit, den Übergang der Schuld schon vor der Eintragung nach § 25 HGB auszuschließen, s. RG 131, 307. Das folgt aus dem Zweck jener Vorschriften, die bei der Sachübernahme selbstverständlich ist und sich bei der Sacheinlage daraus ergibt, daß die Übernahme solcher Verpflichtungen der AG sich als Gegenleistung darstellt, die den Charakter des Geschäftes ändert und es zu einer gemischten Sacheinlage und Sachübernahme macht. Darum darf dies nicht zu Verallgemeinerungen und zu begrifflichen Ableitungen verführen. Vor letzteren muß man sich bei Fragen, die sich aus dem Gründungszustand ergeben, ohnedies besonders hüten. Die Feststellung von Verpflichtungen für die AG ist, von diesen beiden Ausnahmefällen abgesehen, im Zustand vor der Eintragung daher auch durch Festsetzung im Gesellschaftsvertrag nicht möglich. Die hier vertretene Ansicht kann sich auch darauf berufen, daß es angesichts der Ausführlichkeit des § 41 auffallen würde, wenn die grundsätzliche Zulässigkeit, Verpflichtungen in der Satzung zu begründen, nicht im § 26 und § 27 ausgesprochen wäre, wenn sie bestünde. Es ist sonach nicht möglich, vor der Eintragung der AG in ihrem Namen verbindlich für sie ein Darlehen oder einen Bankkredit aufzunehmen, Obligationen auszugeben, Grundschulden zu bestellen, Dienst- oder Lieferungsverpflichtungen einzugehen (ebenso Scholz JW 38, 31, 52); derartige Verpflichtungen können für die AG lediglich durch Schuldübernahme nach Abs. 2 verbindlich werden. Anm. 15: Wird die Gesellschaft als AG nicht eingetragen, so ging die Geschäftsführung für Rechnung der Vorgesellschaft; es ist auch möglich, daß der Vorstand die Geschäfte im Namen der AG und auf Grund erteilter Vollmacht zugleich im Namen der Mitglieder der Vorgesellschaft (Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen) führt. Anm. 16: Bei Sacheinlagen scheidet die Möglichkeit einer Schuldübernahme der AG aus, da keine Schulden entstehen. Sie ist ein Teil des Gründungsgeschäfts. Der Einleger erwirbt keine Forderung, sondern eine Beteiligung, die natürlich niemand an Stelle der AG gewähren und für die niemand haften kann, weil kein Dritter diese Haftung erfüllen könnte. Der Zweck der besonderen Vorschrift des Absatzes 3 war deshalb im bisherigen Schrifttum umstritten. Nach der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf besteht er darin, eine Umgehung der Vorschrift über die Sachgründung und die Nachgründung zu verhindern. Die Bestimmung ist gegenüber dem bisherigen Wortlaut neu gefaßt. Es ist nunmehr klargestellt, daß sie sich nur auf Verpflichtungen aus nicht in der Satzung festgesetzten Verträgen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlage oder Sachübernahme bezieht. Sie besagt, daß die Gesellschaft nicht oder nicht ordnungsgemäß in der Satzung festgesetzte Sacheinlagen oder Sachübernahmen nicht durch Vertrag 198
Handeln im Namen der Gesellsdiaft. Verbotene Aktienausgabe
§ 41
Anm. 16,17
mit einem Dritten übernehmen kann. Weiterhin wird die Bestimmung neu auf den Gründungsaufwand erstreckt und damit eine bisher bestehende Streitfrage geklärt. 3. Fortführung eines Erwerbsgeschäfts Anm. 17: Ein besonderes juristisches Problem ist die Fortführung eines Erwerbsgeschäftes namens der AG vor ihrer Eintragung. Das Gesetz geht davon aus, daß die Bargründung der Regelfall sei. In Wirklichkeit ist jedoch die Gründung einer AG mit Sacheinlage durch Einbringung eines bestehenden Unternehmens der am häufigsten vorkommende Fall. § 41 enthält keine Bestimmung für die Führung des zu übernehmenden Unternehmens namens der AG vor Eintragung. Zweifellos können im Handelsregister zwischenzeitlich die Vorstandsmitglieder oder Gründer als Inhaber eingetragen werden (oder letztere eingetragen bleiben). Aber dies ist nicht praktisch, mitunter unerwünscht, entspricht auch nicht der durch die Übergabe des Unternehmens hergestellten Sachlage. Denn es wird übergeben, um einen Einbringungs- oder Übernahmevertrag gegenüber der AG zu erfüllen, also nicht den Vorstandsmitgliedern oder Gründern persönlich oder als Treuhänder, sondern der künftigen AG. Darum kann auch im Innenverhältnis nicht eine offene Handelsgesellschaft angenommen werden (a. A. OLG Frankfurt in N J W 48, 429 und Paul, N J W 1948, Seite 416). Jede andere Annahme tut den Dingen Gewalt an. Die Gründergesellschaft als solche würde nicht ins Handelsregister eingetragen werden können. Auch kommt die Annahme der Übergabe an die Gründergesellschaft der wirklichen Parteiabsicht vor Eintragung der AG nicht näher, als die Annahme der Übergabe an die einzelnen Vorstandsmitglieder oder Gründer persönlich. Ebensowenig kann die ins Handelsregister noch nicht eingetragene AG selbst als Inhaber des Unternehmens eingetragen werden. Trotzdem kann u. E. bei ordnungsmäßiger Festsetzung der Sacheinlage oder Sachübernahme in der Satzung im Rahmen des § 41 das Geschäft schon vor Eintragung der AG in ihrem Namen geführt werden. Zwar bleibt zunächst der bisherige Inhaber als solcher im Handelsregister eingetragen; er kann sich gegen die Haftung der Geschäftsführung nach außen, die im Innenverhältnis ihm gegenüber die AG aufgrund des Einbringungs-(Übernahme-) Vertrags und der Festsetzung gemäß § 27 zu tragen hat, im Hinblick auf § 15 HGB durch Rundschreiben an die Kunden, Lieferanten, Banken usw. schützen. Es ist dies zwar sicher sehr zu empfehlen, wird aber gleiciiwohl nicht oft vorkommen und ist auch nicht unerläßlich, denn nach § 15 HGB schützt ja schon der Firmenzusatz AG, wenn nicht etwa gar für die AG eine neue, von der bisherigen völlig abweichende Firma gebraucht wird. Die bisherigen Prokuren erlöschen, denn für die AG bestehen sie noch nicht, im Namen des bisherigen Inhabers aber, der sie erteilt hat und kraft ihrer vertreten werden sollte, soll nicht mehr gehandelt werden. 199
§41 Anm. 17
Gründung der Gesellschaft
Das Vermögen, welches zu dem Unternehmen gehört, das gemäß einer Festsetzung nach § 27 eingelegt oder übernommen werden soll und vor der Eintragung übergeben wird, erwirbt die A G mit der Eintragung ins Handelsregister von selbst (vgl. R G 87, 249), unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß alle zu ihrer (Einzel-)Rechtsnachfolge erforderlichen Rechtsakte vorgenommen worden sind. Verfügungen über dieses Vermögen, z. B. Verkäufe vom Lager, sind wirksam, wenn diese nach der Eintragung (ausdrücklich oder schlüssig) genehmigt werden (s. Anm. 2 0 ) ; der Handelnde hat dies zu gewährleisten. Forderungen oder sonstige Vermögensstücke, welche an die Stelle so veräußerter Vermögensgegenstände getreten und in ihrem Namen erworben sind, erwirbt sie ohne weiteres mit ihrer Eintragung ins Handelsregister. Verpflichtungen, welche bei der Übergabe vorhanden waren, belasten die AG, wenn die Übernahme in der Satzung festgesetzt ist. Für Verpflichtungen, welche nach der Übergabe in ihrem Namen neu eingegangen worden sind, sei es aus Verkäufen oder Einkäufen, Anstellungs- oder Dienstleistungsverträgen, haftet sie nur, wenn sie diese nach der Eintragung übernimmt, im übrigen haftet der Handelnde. Auf diese Weise und mit dieser Maßgabe können namens der A G Rohstoffe gekauft werden, ohne daß nach Abs. 3 oder § 27 eine Sachübernahme infrage käme, welche in der Satzung festgesetzt werden muß. Es kann eine Mühle, die im Frühjahr gegründet wird, aus der zu erwartenden Ernte Termingetreide kaufen. Es kann eine Reifenfabrik, welche im Herbst gegründet wird, vor ihrer Eintragung Orders abnehmen, welche zu Beginn der Saison im Frühjahr zu erfüllen sind, ja ihre Produktion für diesen Zeitpunkt ausverkaufen und den dazu benötigten Rohgummi per sofort oder Termin eindecken. Einseitige Rechtsgeschäfte sind wirksam, wenn sie nach der Eintragung genehmigt werden (s. Anm. 19); es kann also, wenn bei einem eingebrachten Handelsunternehmen, das nach der Festsetzung gem. § 27 in der Satzung mit alten, laufenden Dienstverträgen übernommen wird, in die hier behandelte Übergangszeit ein Zeitpunkt fällt, in welchem ein langjähriger Anstellungsvertrag gekündigt werden muß, wenn er sich nicht ohne weiteres um Jahre verlängern soll, die Kündigung namens der A G ausgesprochen werden. Natürlich ist auch die Führung für Rechnung der A G in einem fremden Namen (des bisherigen Inhabers, eines Gründers oder Vorstandsmitgliedes) denkbar. Dann entstehen für die A G zunächst nur schuldrechtlidie Beziehungen, welche nach ihrer Eintragung ins Handelsregister durch Übertragung der erworbenen Rechte auf sie und durch Übernahme der eingegangenen Verpflichtungen durch sie zu verwirklichen sind. Die A G ist aber nicht dazu verpflichtet, auch nicht nach den Regeln über auftragslose Geschäftsführung und auch nicht dazu, Verfügungen zu genehmigen, welche über ihr gehörige Vermögensstücke im fremden Namen getroffen worden sind. Die von Paul a. a. O. befürwortete Anwendbarkeit der Vorschriften über die o H G (z. B.
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Handeln im Namen der Gesellschaft. Verbotene Aktienausgabe § 41 Anm. 17—19 des § 142 HGB) auf das Innenverhältnis (ähnlich für die GmbH im Vorstadium OLG Frankfurt/M. N J W 48, 429) ist mit der Ansicht, daß die errichtete Gesellschaft mit der Aktiengesellschaft identisch ist — die Paul teilt —, nicht vereinbar, im besonderen nicht die Möglichkeit des Anschlusses, etwa gar des Gründers, der das Unternehmen einbringt. Denn die Eigenschaften der Mitaktionäre interessieren die Aktionäre nicht. Ihre Interessen werden genügend gewahrt werden durch die Veräußerlichkeit ihrer Aktien. 4. Einseitige Rechtsgeschäfte Anm. 18: Auch einseitige Rechtsgeschäfte können vor Eintragungen der AG ins Handelsregister mit sofortiger Wirkung weder von ihr noch ihr gegenüber vorgenommen werden, soweit nicht im Aktiengesetz vorgesehen ist, daß sie in diesem Stand ihrer Entwicklung möglich sind (z. B. Widerruf einer Wahl oder Bestellung). Wenngleich es im allgemeinen eine Genehmigung einseitiger Rechtsgeschäfte nicht gibt (vgl. § 180 BGB), so läßt sich doch nicht sagen, das sei denkgesetzlich ausgeschlossen. Man wird daher, wenn namens einer noch nidit ins Handelsregister eingetragenen AG ein einseitiges Rechtsgeschäft vor- oder entgegengenommen wird, auch hier Genehmigung nach Eintragung zulassen können, deren Wirksamkeit bis zur Eintragung der AG ins Handelsregister zurückreicht. Problematisch ist freilich das Zugehen einer an die AG gerichteten Erklärung vor ihrer Eintragung, wenn ihr Empfänger sie nicht namens der AG empfangen will; und kann in einem solchen Fall die AG das Zugehen genehmigen? Frühestens geht ihr die Erklärung nach ihrer Eintragung zu, wenn entweder der Empfänger jetzt Vertreter ist oder wenn nur für sie die Möglichkeit besteht, davon Kenntnis zu nehmen. Die Haftung des Handelnden besteht auch hier darin, daß er Gewähr dafür zu leisten hat, daß die AG die namens ihrer von ihm vorgenommenen Rechtshandlungen gelten läßt. 5. Dingliche Verfügungen Anm. 19: Auch dingliche Verfügungen im Namen der AG über Vermögen, daß sie mit der Eintragung aufgrund einer vor dieser stattgehabten Übertragung auf sie erwirbt, sind denkbar. Es fragt sich: a) Ob diese Verfügungen nach der Eintragung wiederholt werden müssen, ähnlich wie nach Abs. 2 eine Vereinbarung gefordert wird, oder ob eine Genehmigung der Verfügung genügt. Es sind zwei Gesichtspunkte festzuhalten. Die AG erwirbt das Recht selbst erst mit ihrer Eintragung ins Handelsregister; bis dahin besteht ein Zwischenzustand, in welchem der Veräußerer noch als Berechtigter ausgewiesen ist. Bis zu ihrer Eintragung ist also die noch nicht bestehende AG nicht berechtigt und die in ihrem Namen vorgenommene Verfügung die Verfügung eines Nichtberechtigten. Als solche wird die Verfügung nach § 185 BGB durch die Eintragung der AG ins Handelsregister 201
§41 Anm. 19
Gründung der Gesellschaft
wirksam. Dieser Gesichtspunkt betrifft die Sachbefugnis. Außerdem besteht aber die A G bis zur Eintragung nicht. Sie kann also — nach aktienrechtlichen Gesichtspunkten — bis dahin auch nicht vertreten werden, weder durch einen Vertreter mit noch ohne Vertretungsmacht. Der Rechtshandlung eines Vertreters haftet also (von deren vorläufigem Mangel der Sachbefugnis abgesehen) ein Mangel an. Dieser Gesichtspunkt betrifft die Rechtshandlung als solche. Man kann die Verfügung des Handelnden aber nidit als eine Verfügung ansehen, welche durch ihn als einen sachlich Unberechtigten vorgenommen wäre, weil er nicht im eigenen Namen handelt (dies übersehen Teichmann/ Köhler), vielmehr im Namen der erst durch ihre Eintragung sachberechtigten A G gehandelt wird. Man hat es mit einem aktienrechtlichen Sondertatbestand zu tun. Wir sind der Meinung, daß unter diesem Gesichtspunkt die Verfügung durch eine nach der Eintragung (ausdrücklich oder nur schlüssig) erklärte Genehmigung der A G wirksam wird, also eine Wiederholung der Verfügung nicht erforderlich ist. Diese Genehmigung wirkt aber nur bis zu dem Zeitpunkt der Eintragung zurück, weil die A G bis dahin selbst nicht berechtigt war und deshalb ihre Genehmigung unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs der A G nach § 185 B G B nicht weiter zurückwirken kann. Es besteht kein Bedenken, anzunehmen, daß die A G ihre Genehmigung sowohl gegenüber dem Handelnden als auch dem Geschäflsgegner erklären kann. Gehört der Handelnde dem Vorstand an, so kann wegen § 181 B G B ihm gegenüber die Erklärung nur durch den Aufsichtsrat abgegeben werden (§ 112). Die Frage ist, ob die Vorstandsperson, die gehandelt hat, gegenüber dem Geschäftsgegner die Verfügung selbst genehmigen kann. § 181 B G B steht nicht im Wege. D a der Aufsichtsrat gegenüber dem Dritten keinesfalls die A G vertreten kann, so wäre unter Umständen die Genehmigung durch Erklärung gegenüber dem Geschäftsgegner überhaupt nicht möglich, wenn man die Genehmigung durch die Vorstandsperson selbst nicht zuließe, etwa weil sie sich dadurch von ihrer Haftung befreit. Doch halten wir diese Bedenken schon um deswillen nicht für durchgreifend, weil die Vorstandsperson nur ihre Haftung gegenüber dem Geschäftsgegner mit einer Haftung gegenüber der A G vertauscht (§ 93). Die Verfügung kann bewegliche, auch verbrauchbare Sachen (z. B. Waren) betreffen, welche im Zeitpunkt der Genehmigung u. U. nicht mehr vorhanden sind. Das tut der Möglichkeit der Genehmigung der Verfügung ebensowenig Abbruch, wie deren rechtliche Bedeutung, daß die Verfügung wirksam wird und daß der Handelnde seiner Haftung nach Abs. 1 ledig wird. Betraf die Verfügung unbewegliche Sachen oder Rechte an solchen, so genügt gleichfalls die Genehmigung, aber sie muß hier, wenn eine Eintragung im Grundbuch herbeigeführt werden muß, öffentlich beglaubigt sein. Vollzog sich der Rechtserwerb der A G selbst erst durch ihrer Eintragung ins Handelsregister notwendig nachfolgende Eintragung im Grundbuch, so kann auch ihre
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Handeln im Namen der Gesellschaft. Verbotene Aktienausgabe
§ 41
Anm. 19—21
Verfügung frühestens in diesem Zeitpunkt wirksam werden, auch wenn sie diese schon unmittelbar nach ihrer Eintragung ins Handelsregister genehmigt. Auch die nach § 19 GBO erforderliche formelle Eintragungsbewilligung bedarf, wenn vor der Eintragung der AG ins Handelsregister in deren Namen erklärt, ihrer Genehmigung nach ihrer Eintragung, die ihrerseits der für den Grundbuchverkehr erforderlichen Form bedürfen. Die Genehmigung der Eintragungsbewilligung kommt praktisch ihrer Wiederholung gleich. Mit der notariellen Genehmigung nach der Eintragung ins Handelsregister wird also immer auch die formelle Eintragungsbewilligung zu verbinden sein. Beide sind aber auseinanderzuhalten. Die formlose materielle Genehmigung gibt den klagbaren (Grundbuchberichtigungs-)Anspruch auf Erteilung der formellen Eintragungsbewilligung. b) Auch bei Verfügungen namens der AG vor ihrer Eintragung ins Handelsregister haftet der Handelnde. Seine Haftung besteht in der Gewährleistung dafür, daß die AG nach ihrer Eintragung die Verfügung (ausdrücklich oder schlüssig) gelten lassen, d. h. genehmigen wird. IV. Handeln nicht im Namen der AG Anm. 20: Vom Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung sind auszuscheiden Rechtshandlungen, welche nicht im Namen der AG, sondern des Handelnden selbst (etwa eines künftigen Vorstandsmitgliedes oder eines Gründers oder der Gesamtheit der Gründer) vorgenommen werden. Für diese kann nicht fraglich werden, daß sie diejenigen verpflichten und berechtigen, in deren Namen gehandelt worden ist. Wird im Namen der Gründungsgesellschaft als solcher (nicht eines einzelnen Gründers) gehandelt, so kann ihre Haftung vertraglich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden. Diese Beschränkung kann sich auch aus der Vollmacht des Handelnden ergeben. Ob die Gründungsgesellschaft Vermögen hat, dürfte freilich meist fraglich sein, da ihr die Einlagen nicht gehören. Gibt der Handelnde nicht zu erkennen, daß ihm der Wille fehlt, im eigenen Namen zu handeln, so haftet er persönlich (§ 164 II BGB). Auszuscheiden sind auch die Verträge, wenn sie nicht zwischen der AG und einem Dritten, sondern zwischen ihr und einem Gesellschafter als solchem gelten sollen; für solche ist die Satzung der einzige Platz (RG 105, 134). Anm. 21: Werden auf den Namen des Handelnden Vermögensgegenstände erworben, so bedarf es natürlich auch eines Übertragungsgeschäfts. Ein Anspruch der AG, die Übertragung zu verlangen, besteht dann ebensowenig, wie eine Verpflichtung, das vorausgegangene Erwerbsgeschäft als für ihre Rechnung gemacht gelten zu lassen. 203
§ 41 Anm. 22, 23
Gründung der Gesellschaft
V. Unerlaubte Handlungen Anm. 22: Das Reichsgericht hat in RG 151, 86 und 154, 286 angenommen, daß die AG nach ihrer Eintragung nicht nur Verpflichtungen aus unerlaubten Handlungen der Gründer gem. § 415 BGB übernehmen, sondern sogar sich unerlaubte Handlungen der Gründer zu eigen machen und daraus schadensersatzpflichtig werden könne. Von einem solchen Verhalten nach ihrer Eintragung abgesehen, haftet die AG aber für unerlaubte Handlungen der Gründer, ihrer eigenen Organe, namentlich des Vorstandes, vor ihrer Eintragung nicht. Es ist daher auch nicht möglich, sich gegenüber der AG auf mitwirkendes Verschulden des Vorstandes zu berufen, wenn er vor der Eintragung gehandelt hat. VI. Übertragung von Aktienrechten Anm. 23: Die Übertragung von Aktienrechten vor der Eintragung in dem Sinne, daß der Erwerber durch den Übergangsakt an die Stelle des Gründers treten und Anteile erwerben könnte, die jener selbst noch gar nicht besitzt, weil sie noch nicht bestehen, ist unmöglich. Unbeschränkt zulässig ist ein schuldrechtliches Veräußerungsgeschäft bezüglich künftig entstehender Aktien. Wird die Gesellschaft nicht eingetragen, so sind auf sie die Vorschriften über die Unmöglichkeit der Erfüllung gegenseitiger Verträge (§§ 320 ff. BGB) unmittelbar anzuwenden (vgl. RG 123, 404). Verschieden ist davon die weitere Frage, ob nicht eine dingliche Übertragung des künftigen Aktienrechts in der Weise möglich ist, daß der Übernehmer ohne weiteres, sobald die Gesellschaft eingetragen wird, das Recht erwirbt. Bis zur Eintragung der Gesellschaft haben die Gründer ein Anwartschaftsrecht auf die mit der Eintragung der Gesellschaft zur Entstehung gelangenden Aktien. Es bestehen keine Bedenken, die Übertragung dieses Anwartschaftsrechts zulässig zu erachten, wobei die Rechtskonstruktion in der früheren Auflage, daß das Aktienrecht zunächst in der Person des ersten Aktionärs (Übertragenden) entsteht und mit der Eintragung der Rechtsübergang auf den Erwerber rechtswirksam wird, nicht mehr aufrechterhalten wird, vielmehr erwirbt derjenige, dem das Anwartschaftsrecht übertragen ist, das Aktienrecht unmittelbar mit seiner Entstehung, also mit der Eintragung der Gesellschaft. Daß die Übertragung des Anwartschaftsrechts zulässig ist, ist aus überwiegenden Gründen zu bejahen, denn es steht weder irgendein Schutzbedürfnis der Gesellschaft noch des Erwerbers einem solchen Erwerb entgegen. Erstere kann sich nach wie vor an den ersten Aktionär für die noch fehlende Einlage halten und erhält sogar, wenn die Umschreibung im Aktienbuch vorgenommen wird, eine zusätzliche Haftung. Auch konstruktive Bedenken bestehen nicht, würden auch gegenüber dem Verkehrsbedürfnis nicht den Ausschlag geben. Dies geht dahin, zu verhindern, daß der Gründer mit dem möglicherweise erheblichen Betrag seiner Einlage 204
Handeln im Namen der Gesellschaft. Verbotene Aktienausgabe
§ 41
Anm. 23—25
in jedem Fall längere Zeit festliegt. Im Interesse seiner Gläubiger, denen mit der Pfändung der nur sehr bedingten Forderung auf Rüdegabe der Einlage, wenn die Gesellschaft nicht eingetragen wird, nicht gedient ist, muß sogar die Zulässigkeit der Pfändung dieses künftigen Rechtes anerkannt werden (vgl. auch O L G Frankfurt N J W 48, 429). VII. Aktienausgabe vor Eintragung Anm. 24: Auch die Entstehung der Aktien als solche ist erst eine Folge der Eintragung. Darum erklärt der Schlußsatz des Abs. 4 die Ausgabe von Urkunden über die Aktienrechte vor der Eintragung als unstatthaft und eine trotzdem ausgegebene Urkunde für nichtig. Die Ausgeber sind für den Schaden haftbar und machen sich einer Ordnungswidrigkeit nach § 405 I Nr. 2 schuldig. VIII. Abwicklung der Vorgesellschaft Anm. 25: Kommt es aus irgendeinem Grunde nicht zur Eintragung der A G und damit nicht zur Entstehung der Aktiengesellschaft als selbständige Rechtspersönlichkeit, so ist die vorhandene Vorgesellschaft aufgelöst, weil ihr Zweck unerreichbar geworden ist. Es entsteht die Frage, was mit den geleisteten Einlagen zu geschehen hat. Selbstverständlich ist, daß sie zurückzugeben sind. Man wird annehmen müssen, von dem Vorstand, dem sie anvertraut wurden. Es wird aber nichts im Wege stehen, statt seiner Abwickler zu wählen. Sind die Einlagen in Natur zurückzugeben oder sind sie, soweit Sacheinlagen geleistet wurden, für gemeinsame Rechnung zu veräußern und der Erlös zu verteilen? Bei Grundstücken ist letzteres schon aus dem Grunde nicht möglich, weil im Grundbuch als Eigentümer noch der Einleger eingetragen ist; aber es könnte eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Vorstandes eingetragen sein. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob die geleistete Einlage schon aus dem Eigentum des Einlegers ausscheidet, indem sie endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes gestellt wird. In wessen Eigentum geht sie bejahendenfalls über? Die Einlage ist ein körperschaftlicher Akt, der den Gegenstand, wenn sie eingetragen wird, zum Eigentum der Gesellschaft machen soll. Die Bareinlagen sind sogar möglicherweise von vornherein auf deren Bankkonto oder Postscheckkonto eingezahlt. Es liegt nahe, daraus zu schließen, daß sie nicht etwa Gesamthandsvermögen der Vorgesellschaft wird; auch dann nicht, wenn sie als Bar- oder Sacheinlage an den Vorstand geleistet wurde. Zwingend ist der Schluß nicht, aber schon weil kein Einleger willens sein dürfte, auf die anderen Einleger Eigentum zu übertragen, liegt es näher als die Annahme, daß durch die Einlagen ein solches Gesamthandsvermögen der Vorgesellschaft zustande kommt. Man kann auch hier nicht mit bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten allein arbeiten. Der Vorstand hat die Ein205
§41 Anm. 25
Gründung der Gesellschaft
lagen demnach in Natur zurückzugeben, allerdings müssen gemeinsame Verbindlichkeiten erfüllt werden; aber nicht solche, für welche nicht alle Gründer haften, also nur solche, welche nach dem Gesellschaftsvertrag von der eingetragenen AG hätten erfüllt werden sollen. Diese sind von jedem Gründer anerkannt. Hinsichtlich eines Teiles wird aber die Eintragung der AG stillschweigend vorausgesetzt sein. Der kleinere Teil, wie etwa Anwaltshonorare, wird in jedem Fall gezahlt werden müssen. Dem Gläubiger gegenüber werden meist die Gründer Schuldner sein. Andere Kosten, wie Notariatsgebühren, sind kraft Gesetzes mit den Rechtsakten verbunden gewesen, welche dazu bestimmt gewesen sind, die Gesellschaft ins Leben zu rufen. Ihnen ähnlich sind die mit der Leistung der Einlagen zusammenhängenden Kosten (Bankprovision, Kosten anläßlich der Leistung der Sacheinlagen, wie Auflassungsgebühren und dgl.). Der Vorstand kann für seine Tätigkeit Ansprüche zu erheben haben und Angestellte können bereits in Erwartung der Eintragung verpflichtet worden sein. Wenn auch solche Verpflichtungen gegenüber dem Vertragspartner keine Haftung der künftigen AG, sondern nur desjenigen, der in ihrem Namen gehandelt hat, mit sich bringt, so schließt das doch nicht aus, daß sie, ohne im Namen der Vorgesellschaft eingegangen worden zu sein, doch für deren Rechnung gehen. Derartige Kosten und Verbindlichkeiten wären anteilig von jedem Gründer zu tragen. Sachübernahmen können unter der Bedingung, daß die Gesellschaft eingetragen wird, bereits ausgeführt worden sein. Wo dies der Fall war, ist die Sachübernahme wegen Ausfalls der Bedingung rückgängig zu machen. Wo aber diese Bedingung nicht gesetzt wurde, wäre der Gegenstand der Sachübernahme zu versilbern und der Erlös zur Deckung des Kaufpreises zu verwenden sein. Bringt die Versilberung Verlust, so bleibt eine Restverbindlichkeit übrig. Auch eine solche wird anteilig von allen Gründern zu tragen sein. Der einen Gründer an solchen Kosten und Verbindlichkeiten treffende Anteil ist von der Bareinlage zu kürzen. Ein Zurückbehaltungsrecht an einer Sacheinlage im eigentliche Sinne kommt nicht infrage, weil der Einleger zu Nachschußleistungen nicht verpflichtet ist. Man wird aber annehmen müssen, daß er die Versilberung der Einlage zu dulden hat, wenn er den ihn treffenden Anteil nicht bezahlt, damit dieser aus dem Erlös gedeckt werde. N u r wird die Versilberung ohne seine Mitwirkung, z. B. bei einem Grundstück, nicht immer möglich sein. H a t er die Sacheinlage noch nicht bewirkt, fehlt es an jeder Handhabe, ihn heranzuziehen. Rechtsprechung und früheres Schrifttum haben sich mit vorstehenden Fragen nicht eingehend befaßt, doch läßt ein Teil des letzteren in anderem Zusammenhang erkennen, daß es die Einlagen vor der Eintragung als gesamthänderisches Gesellschaftsvermögen ansieht (vgl. RG 87, 249). Das würde dazu führen, daß eine Sacheinlage zu versilbern und der Erlös zu verteilen ist (§ 733 BGB), wenn man nicht doch für die Abwicklung dieses Gesellschaftsvermögens abweichende aktienrechtliche Grundsätze anwendet oder von einer 206
Errichtung einer Zweigniederlassung
§§41/42 Anm. 25
stillschweigenden Vereinbarung ausgeht (§ 731 BGB). Schulden sind nach dieser Auffassung aus dem Gesellschaftsvermögen vor Verteilung des Erlöses zu tilgen. Der verbleibende Rest ist anteilsmäßig an die Gründer zu verteilen. § 42 Errichtung einer Zweigniederlassung (1) Die Errichtung einer Zweigniederlassung hat der Vorstand beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung anzumelden; der Anmeldung ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Satzung beizufügen. Das Gericht des Sitzes hat die Anmeldung unverzüglich mit einer beglaubigten Abschrift seiner Eintragungen, soweit sie nicht ausschließlich die Verhältnisse anderer Zweigniederlassung betreffen, an das Gericht der Zweigniederlassung weiterzugeben. (2) Die Vorstandsmitglieder sowie die Prokuristen, deren Prokura nicht ausschließlich auf den Betrieb einer anderen Niederlassung beschränkt ist, haben ihre Namensunterschrift, die Prokuristen auch die Firma, zur Aufbewahrung beim Gericht der Zweigniederlassung zu zeichnen. (3) Das Gericht der Zweigniederlassung hat zu prüfen, ob die Zweigniederlassung erriditet und § 30 des Handelsgesetzbuchs beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Zweigniederlassung einzutragen und dabei die ihm mitgeteilten Tatsachen nicht zu prüfen, soweit sie im Handelsregister des Sitzes eingetragen sind. Die Eintragung hat die Angaben nach § 39 und den O r t der Zweigniederlassung zu enthalten; ist der Firma für die Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser einzutragen. (4) In die Bekanntmachung der Eintragung sind außer deren Inhalt die in § 23 Abs. 3, §§ 24, 25 Satz 2 vorgesehenen Bestimmungen aufzunehmen. Wird die Errichtung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren eingetragen, nach dem die Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes eingetragen worden ist, so sind in der Bekanntmachung der Eintragung alle Angaben nach § 40 zu veröffentlichen; in diesem Fall hat das Gericht des Sitzes bei der Weitergabe der Anmeldung ein Stüde der für den Sitz der Gesellschaft ergangenen gerichtlichen Bekanntmachung beizufügen. (5) Die Eintragung der Zweigniederlassung ist von Amts wegen dem Gericht des Sitzes mitzuteilen und in dessen Register zu vermerken; ist der Firma für die Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser zu vermerken. Der Vermerk wird nicht veröffentlicht. (6) Die vorstehenden Vorschriften gelten sinngemäß für die Aufhebung einer Zweigniederlassung. 207
§ 42
Anm. 1, 2
Gründung der Gesellschaft
I. Übersicht (Anm. 1) I I . Begriff und Rechtsnatur (Anm. 2) I I I . Errichtung (Anm. 3) IV. Firma (Anm. 4) V. Anmeldung (Anm. 5) V I . Zeichnung der Vorstandsmitglieder (Anm. 6)
V I I . Prüfung und Eintragung (Anm. 7) V I I I . Bekanntmachung (Anm. 8) I X . Vertretung der Zweigniederlassung (Anm. 9) X . Aufhebung der Zweigniederlassung (Anm. 10)
I. Übersidit Anm. 1: Die Vorschrift entspricht sachlich dem § 35 AktG 37. Hat eine AG mehrere Niederlassungen, so ist diejenige am Ort des Sitzes der Gesellschaft (§ 5), und zwar, wenn sich dort ausnahmsweise mehrere finden sollten, diejenige, bei der die Oberleitung des gesamten Betriebes ist, die Hauptniederlassung; alle anderen, auch die am gleichen Ort, sind Niederlassungen. Gewisse Ausnahmen von diesem Grundsatz haben Rechtslehre und Rechtsprechung für bestimmte Fälle zugelassen, die sich aus der Nachkriegssituation ergeben, vgl. im einzelnen Anm. zu § 5. II. Begriff und Rechtsnatur Anm. 2: Die Zweigniederlassung ist ein selbständiges Glied des Gesamtbetriebes mit einer eigenen, nach außen und wenigstens in einem gewissen Umfang auch nach innen selbständigen Leitung. Fehlt es hieran, so handelt es sich nur um eine Fabrikations-, Auslieferungs- oder Versandstelle (Fischer in Großkomm. § 35 Anm. 3). Andererseits kann die Zweigniederlassung niemals Träger eigenen Vermögens sein, denn sie besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit. Träger der von der Zweigniederlassung benutzten Vermögensgegenstände bleibt die Aktiengesellschaft als solche. Dieser gehören ihre Betriebe und alle ihre Niederlassungen, gleichgültig, ob sie Hauptniederlassungen oder Zweigniederlassungen sind. Die AG wird im Rechtsverkehr tätig, indem sie diese Niederlassungen betreibt. Sie wird Träger aller durch den Betrieb dieser Niederlassungen erworbenen Rechte und Schuldner aller eingegangenen Verpflichtungen. Rechtsbeziehungen unter den mehreren Niederlassungen derselben Aktiengesellschaft sind undenkbar, sowohl weil jene nicht selbst Träger von Rechten sein können, als auch weil hinter jeder der gleiche Rechtsträger, die Aktiengesellschaft, steht. Daran, daß die Zweigniederlassung kein Rechtssubjekt ist, ändert auch die Tatsache nichts, daß die Zweigniederlassungen unter ihrer Firma im Grundbuch eingetragen werden (RG 62, 8) und im eigenen Namen klagen und verklagt werden können (BGH 4, 65). Die AG als solche bleibt ebenso Trägerin des eingegangenen Rechts, wie sie im Rechtsstreit Partei bleibt, mit der Folge, daß Vorstandsmitglieder Parteivertreter sind und nicht als Zeugen gehört werden können. Daraus ergibt sich weiter, daß mit einem Urteil gegen die Zweigniederlassung 208
Errichtung einer Zweigniederlassung
§ 42
Anm. 3—5
in das Vermögen der Hauptniederlassung vollstreckt werden kann, ohne daß es einer Umschreibung des Titels bedarf. III. Errichtung Anm. 3: Die Errichtung einer Zweigniederlassung ist reiner Akt der Geschäftsführung. Es bedarf dazu weder der Ermächtigung in der Satzung noch eines Hauptversammlungsbeschlusses. Nicht zu verwechseln ist die Zweigniederlassung mit einem selbständigen Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren sämtliche Anteile dem Hauptunternehmen gehören oder das nach §§ 319 ff. eingegliedert ist. Hier kann wirtschaftlich und steuerlich eine Zweigniederlassung vorliegen. Handelsrechtlich handelt es sich um zwei rechtlich selbständige Unternehmen. IV. Firma Anm. 4: Der § 30 HGB bestimmt, daß sich die Firma von allen an demselben Ort bestehenden deutlich unterscheiden muß, und daß evtl. ein unterscheidender Zusatz beigefügt werden muß. Bei gleicher Firma genügt allein der Zusatz Zweigniederlassung nicht als Unterscheidung. Es müßte dann also die Zweigniederlassung einen weiteren Firmenzusatz erhalten. Zu beachten ist auch § 16 UWG und § 12 BGB. Die Zweigniederlassung kann eine besondere eigene Firma führen, welche sie aber als Zweigniederlassung der Gesellschaft kennzeichnen und deren Firma erkennen lassen muß. Ein satzungsändernder Beschluß ist dazu nicht erforderlich. V. Anmeldung Anm. 5: Die Errichtung einer Zweigniederlassung ist beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft anzumelden. Die Anmeldung ist durch Ordnungsstrafen erzwingbar (§ 14 HGB). Zuständig für Androhung und Verhängung der Ordnungsstrafe ist das Gericht des Sitzes, obwohl dieses von der Eröffnung des Geschäftsbetriebes der Zweigniederlassung nur durch das Gericht des Ortes der letzteren Kenntnis erhalten kann. Nicht die sämtlichen Vorstandsmitglieder haben anzumelden, sondern der Vorstand, d. h. in der Zusammensetzung, wie er nach Gesetz oder Satzung die Gesellschaft vertritt. Die Anmeldung kann, wenn die Satzung diese Vertretung vorsieht, auch durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen, nicht aber allein durch Prokuristen, erfolgen. Die Form der Anmeldung ergibt sich aus § 12 HGB. Sie muß die Erklärung enthalten, daß eine Zweigniederlassung errichtet ist und den Ort, wo sie sich befindet, und für den Fall, daß die Firma der Zweigniederlassung einen Zusatz führt, auch diesen. Der Anmeldung ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Satzung für jede Zweigniederlassung bei14
Wilhelmi, Akciengesetz
209
§ 42
Anm. 5—7
Gründung der Gesellschaft
zufügen. Im Handelsregister anderer Zweigniederlassungen wird die Errichtung einer neuen Zweigniederlassung nicht eingetragen (§ 43 IV). VI. Zeichnung der Vorstandsmitglieder Anm. 6: Alle Vorstandsmitglieder haben ihre Unterschrift nach § 12 HGB in öffentlich beglaubigter Form zu zeichnen, und zwar für jede Zweigniederlassung beim Gericht der Hauptniederlassung. Dasselbe gilt von allen Prokuristen, es sei denn, daß sie ausschließlich für den Betrieb einer einzelnen Zweigniederlassung bestellt sind. Dies ist nach § 50 Abs. 3 HGB zulässig, wenn eine Zweigniederlassung unter einer von den Firmen der übrigen Niederlassungen, wenn auch nur durch einen sie als Firma einer Zweigniederlassung kennzeichnenden Zusatz verschiedenen Firma betrieben wird. Die in der Vorauflage vertretene Auffassung, daß durch den Gesetzeswortlaut des § 53 Abs. 2 H G B die Zweigniederlassung der Gesellschaft eingeschränkt werden soll, kann nicht aufrechterhalten werden. Die Prokuristen haben neben der Namensunterschrift die Firma mit Prokura-Zusatz zu zeichnen. Ordnungsstrafrecht hat auch hier nur das Gericht der Hauptniederlassung. Sind einer Anmeldung nicht sofort alle erforderlichen Zeichnungen beigefügt, so darf die Bearbeitung der Anmeldung nicht bis zur Beibringung des Fehlenden ausgesetzt werden. VII. Prüfung und Eintragung Anm. 7: Das Geridit des Sitzes der Gesellschaft hat die Anmeldung auf evtl. Formmängel zu überprüfen und gegebenenfalls deren Behebung zu veranlassen, alsdann ist die Anmeldung unverzüglich an das Geridit des Ortes der Zweigniederlassung zu übersenden. Dieses hat zu prüfen, ob die Zweigniederlassung errichtet und ob sie eine von den bereits am Orte eingetragenen Firmen verschiedene Firma hat. Diese Fragen können vom Gericht des Sitzes der Gesellschaft nicht überprüft werden, so daß aus diesem Grunde diese Prüfungen dem Geridit der Zweigniederlassung auferlegt wurden. Sodann ist die Zweigniederlassung einzutragen, und zwar zunächst beim Gericht am Ort der Zweigniederlassungen. Dieses teilt dem Gericht des Sitzes der Gesellschaft die erfolgte Eintragung mit, das seinerseits die Errichtung der Zweigniederlassung im Register vermerkt. Es ist die einzige Ausnahme zu der Regel, daß alle Eintragungen zunächst beim Gericht des Sitzes zu bewirken sind (§ 43). Für eine Zweigniederlassung, auch wenn sie sich im Gerichtsbezirk der Hauptniederlassung oder des Sitzes befindet, ist stets ein besonderes Registerblatt zu verwenden — § 13 I V Handelsregisterverfügung vom 12. 8. 1937 —. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Firma der Zweigniederlassung von 210
Errichtung einer Zweigniederlassung
§ 42
Anm.7,8
derjenigen der Hauptniederlassung oder der Niederlassung am Sitz abweicht oder nicht. Die Registerblätter sind mit gegenseitigen Verweisungsvermerken zu versehen, und für die Zweigniederlassung sind besondere Akten anzulegen. Jedes Gericht kann die Eintragung aus einem Grunde ablehnen, der seiner Prüfung untersteht. Die in dem Handelsregister des Sitzes bereits bestehenden Eintragungen, insbesondere die Eintragung der Gesellschaft, hat das Registergericht der Zweigniederlassung ohne Prüfung, insbesondere auch ohne Prüfung der Gründung, einzutragen, kann aber Bedenken beim Gericht der Hauptniederlassung geltend machen. Soweit aber nach Vorstehendem das Gericht der Zweigniederlassung ein selbständiges Prüfungsrecht hat, hat es auch das Recht selbständigen Verkehrs mit den Beteiligten und eigene Entscheidung. VIII. Bekanntmachung Anm. 8: Alle Bekanntmachungen veranlaßt das Gericht der Hauptniederlassung, und zwar nach § 10 HGB im Bundesanzeiger und in den außerdem alljährlich nach § 11 HGB bestimmten Blättern. Betrifft die Eintragung nur eine Zweigniederlassung, so erläßt das Gericht der Hauptniederlassung die Bekanntmachung im Bundesanzeiger. Ebenso wird auch die Eintragung in das Handelsregister der Zweigniederlassung durch das für dieses zuständige Gericht bekanntgemacht, aber nur in den für seinen Bezirk nach § 11 HGB bestimmten Blättern, weil die Bekanntmachung im Bundesanzeiger ja schon durch das Gericht der Hauptniederlassung erfolgt. Eine Ausnahme gilt auch hier für Errichtung und Aufhebung einer Zweigniederlassung; deren Eintragung wird nur durch das Gericht der Zweigniederlassung im Bundesanzeiger (§ 10 HGB) und in den für seinen Bezirk alljährlich bestimmten Blättern ( § 1 1 HGB) bekanntgemacht. Der Vermerk im Handelsregister des Sitzes durch das Gericht des letzteren wird nicht bekanntgemacht, weil Eintragungen, die nur eine einzelne Niederlassung betreifen, nach § 43 IV von dem Gericht der Hauptniederlassung nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht werden und dort schon das Gericht der Zweigniederlassung die Eintragung bekanntgemacht hat. Bekanntzumachen ist der Inhalt der Eintragung, der notwendige Satzungsinhalt gem. § 23 III, ferner, ob die Aktien auf den Inhaber oder auf den Namen lauten, schließlich eine Satzungsbestimmung gem. §§ 24, 25. Wird die Zweigniederlassung in den ersten zwei Jahren nach Eintragung der AG errichtet, müssen auch die Festsetzungen gem. §§ 26, 27 über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen, ferner der Ausgabebetrag der Aktien, Personalien der Gründer und der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (auch wenn sie schon ausgeschieden sind) bekanntgemacht 14*
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§42 Anm. 8—10
Gründung der Gesellschaft
werden; es ist in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, daß die mit der Anmeldung der A G beim Gericht des Sitzortes eingereichten Schriftstücke (§ 37 II) bei diesem eingesehen werden können (§ 40 II). IX. Vertretung der Zweigniederlassung Anm. 9: Vertreter der Zweigniederlassung ist zunächst der Vorstand der Gesellschaft. Bei Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes derart, daß er nicht für die eine oder andere Zweigniederlassung handeln kann, ist ausgeschlossen. Die Geschäftsleiter der Zweigniederlassung können Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte sein. Die Prokura kann derartig erteilt sein, daß sie auf den Betrieb der Zweigniederlassung beschränkt ist. Voraussetzung hierfür ist, daß sich die Firma der Zweigniederlassung von der der Hauptniederlassung unterscheidet; hierfür ist die Beifügung eines Filialezusatzes zu der Firma der Hauptniederlassung ausreichend. Für die Vertretungsmacht der Handlungsbevollmächtigten gilt § 54 H G B . Die Vollmacht der Geschäftsleiter von Zweigniederlassungen beruht nicht auf Gesetz, sondern auf Rechtsgeschäft. Sie sind besondere Vertreter im Sinne des § 30 BGB. Die Einschränkung Fischers (Großkomm. § 35 Anm. 7), der dies nur dann bejaht, wenn die Errichtung der Zweigniederlassung in der Satzung vorgesehen ist, ist durch nichts begründet und daher abzulehnen, denn nicht die Errichtung der Zweigniederlassung, sondern die Stellung des Vertreters muß sich nach § 30 BGB aus der Satzung ergeben. Die den Geschäftsleitern erteilte Vollmacht berechtigt in der Regel nur zum Abschluß von Geschäften, die im örtlichen Bereich und Betrieb der von ihnen geleiteten Niederlassung anfallen, das heißt aber nicht, daß daraus die Aktiengesellschaft nicht auch zu einem Tun oder Unterlassen durch eine andere Zweigniederlassung verpflichtet werden könnte. Für dieses Tun oder Unterlassen durch eine Zweigniederlassung ist auch deren Sitz Erfüllungsort, meist wird dies auch rechtsgeschäftlich vereinbart. Geht eine Zweigniederlassung unter, oder wird sie von der Gesellschaft oder durch höhere Gewalt geschlossen, so bleibt davon der Bestand der Verpflichtung unberührt; sie ist nach Maßgabe des § 242 BGB durch eine andere Niederlassung, regelmäßig die Hauptniederlassung, zu erfüllen. X . Aufhebung der Zweigniederlassung Anm. 10: Für die Aufhebung einer Zweigniederlassung gilt das gleiche wie für ihre Errichtung und Eintragung. Der Vorstand hat die Aufhebung beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft anzumelden. Die Eintragung der Löschung erfolgt zunächst beim Gericht der Zweigniederlassung, das dem Gericht des Sitzes hiervon Mitteilung zu machen hat. 212
Behandlung bestehender Zweigniederlassungen
§ 43
Anm. 1
§ 43 Behandlung bestehender Zweigniederlassungen (1) Ist eine Zweigniederlassung in das Handelsregister eingetragen, so sind alle Anmeldungen, welche die Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder eine eingetragene Zweigniederlassung betreffen, beim Gericht des Sitzes zu bewirken; es sind so viel Stücke einzureichen, wie Niederlassungen bestehen. (2) Das Gericht des Sitzes hat in der Bekanntmachung seiner Eintragung im Bundesanzeiger anzugeben, daß die gleiche Eintragung für die Zweigniederlassungen bei den namentlich zu bezeichnenden Gerichten der Zweigniederlassungen erfolgen wird; ist der Firma für eine Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser anzugeben. (3) Das Gericht des Sitzes hat sodann seine Eintragung unter Angabe der Nummer des Bundesanzeigers, in der sie bekanntgemacht ist, von Amts wegen den Gerichten der Zweigniederlassungen mitzuteilen; der Mitteilung ist ein Stück der Anmeldung beizufügen. Die Geridite der Zweigniederlassungen haben die Eintragung ohne Nadiprüfung in ihr Handelsregister zu übernehmen. In der Bekanntmachung der Eintragung im Register der Zweigniederlassung ist anzugeben, daß die Eintragung im Handelsregister des Gerichts des Sitzes erfolgt und in welcher Nummer des Bundesanzeigers sie bekanntgemacht ist. Im Bundesanzeiger wird die Eintragung im Handelsregister der Zweigniederlassung nicht bekanntgemacht. (4) Betrifft die Anmeldung ausschließlich die Verhältnisse einzelner Zweigniederlassungen, so sind außer dem für das Gericht des Sitzes bestimmten Stück nur so viel Stücke einzureichen, wie Zweigniederlassungen betroffen sind. Das Gericht des Sitzes teilt seine Eintragung nur den Gerichten der Zweigniederlassungen mit, deren Verhältnisse sie betrifft. Die Eintragung im Register des Sitzes wird in diesem Fall nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. (5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten sinngemäß für die Einreichung von Schriftstücken und die Zeichnung von Namensunterschriften. Anm. 1: Der Verkehr der Aktiengesellschaft mit den Registergerichten spielt sich ausschließlich und allein unmittelbar mit dem Registergericht der Hauptniederlassung und durch dessen Vermittlung ab. Alle Anmeldungen und Einreichungen, auch soweit sie für die Handelsregister der Zweigniederlassungen bestimmt sind (§§ 43 I, 42 I, 43 V), sind bei dem Gericht der Hauptniederlassung vorzunehmen. Dieses hat die Eintragung bei dem Gericht der Zweigniederlassung herbeizuführen, von Amts wegen diesem die erforderlichen Mitteilungen zu machen und ihm die für das Handelsregister der Zweigniederlassung bestimmten Anmeldungen und Einreichungen zuzuleiten. 213
§§43/44
Anm. 1,2
G r ü n d u n g der Gesellschaft
Von allen Anmeldungen und Einreichungen sind daher bei dem Registergericht der Hauptniederlassungen soviel Stücke einzureichen, wie Niederlassungen bestehen bzw. wie Niederlassungen hiervon betroffen worden sind. Dies gilt von der Zeichnung von Unterschriften und sonstigen Schriftstücken (z. B. Niederschrift und Hauptversammlungsbeschluß § 130 V ; Ausnahme: siehe Anmerkung dort), Belegblatt für die Bekanntmachung einer Änderung in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 106). Betrifft die Anmeldung oder Einreichung nur einzelne Niederlassungen, so genügt je ein Stück für das Gericht der Haupt- und das Gericht jeder beteiligten Zweigniederlassung. Handelt es sich um eine Unterlage für eine Prüfung durch das Registergericht, so ist diese nur einmal einzureichen, weil eine Prüfung nur einmal von dem Registergericht der Hauptniederlassung vorgenommen wird (z. B. Vollmachten und sonstige Ausweise, Genehmigungen, Zeichnungsscheine, Versicherungen; Groschuff J W 37 Seite 2428). Außerdem sind gewisse Einreichungen kraft Sonderbestimmung nur beim Gericht des Sitzes zu machen ( § § 8 1 ; 145 I V ; 177 I I ; 266 I I ) . Für jedes Stüde gilt die Vorschrift des § 1 2 H G B der öffentlichen Beglaubigung. Unvereinbar mit dem unmißverständlichen Gesetzeswortlaut erklärt das Kammergericht in ständiger Rechtsprechung, ohne im übrigen Widerspruch im Schrifttum zu finden (mit Ausnahme von Groschuff a. a. O.) beglaubigte Abschrift der Anmeldung zur Hauptniederlassung für ausreichend, wenn es sich nicht um die Hinterlegung von Unterschriften handelt. D a nur eine Ausfertigung der Urschrift gleichsteht, nicht aber auch eine beglaubigte Abschrift, wird diese Ansicht dem Gesetzeswortlaut nicht gerecht, bedeutet vielmehr seine nachträgliche Änderung. Anm. 2: Alle Eintragungen nimmt zuerst das Gericht der Hauptniederlassung vor, auch jene, welche nur die Niederlassungen und nur einzelne von ihnen betreffen. Sein Register wird also zum Zentralhandelsregister. Es verständigt die Gerichte der Zweigniederlassung von der Zweigniederlassung mitbetreffenden Eintragung. Die Gerichte der Zweigniederlassungen haben die Eintragung des Gerichtes der Hauptniederlassung zu übernehmen ohne sie zu prüfen. Die Prüfung und Eintragung des Gerichts des Sitzortes ist für die Gerichte der Zweigniederlassung bindend. Eine Ausnahme besteht für die Eintragung der Errichtung oder der Aufhebung einer Zweigniederlassung, siehe hierzu § 39 Anm. 6 und 9. § 44 Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit ausländischem Sitz (1) Befindet sich der Sitz der Gesellschaft im Ausland, so ist die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister des Gerichts, in dessen Bezirk sie eine Zweigniederlassung besitzt, durch alle Vorstandsmitglieder anzu214
Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit ausländischem Sitz
§ 44
Anm. 1
melden. Der Anmeldung ist die Satzung in öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. § 37 Abs. 1 und 2 ist nidit anzuwenden. (2) Bei der Anmeldung ist das Bestehen der Aktiengesellschaft als solcher und, wenn der Gegenstand des Unternehmens oder die Zulassung zum Gewerbebetrieb im Inland der staatlichen Genehmigung bedarf, auch diese nadizuweisen. Soweit nidit das ausländische Recht eine Abweichung nötig madit, sind in die Anmeldung die in § 23 Abs. 3, §§ 24, 25 Satz 2 vorgesehenen Bestimmungen und, wenn die Anmeldung in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes erfolgt, auch die weiteren Angaben nach § 40 Abs. 1 aufzunehmen. Der Anmeldung ist die für den Sitz der Gesellschaft ergangene gerichtliche Bekanntmachung beizufügen. (3) Die Eintragung hat die Angaben nach § 39 und den Ort der Zweigniederlassung zu enthalten; ist der Firma für die Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser einzutragen. (4) In die Bekanntmachung der Eintragung sind außer deren Inhalt auch die Angaben nach § 40 Abs. 1 aufzunehmen, soweit sie nach den vorstehenden Vorschriften in die Anmeldung aufzunehmen sind. (5) Im übrigen gelten für die Anmeldungen, Zeichnungen und Eintragungen, soweit nicht das ausländische Recht Abweidlungen nötig madit, sinngemäß die Vorschriften für Niederlassungen am Sitz der Gesellschaft. I. Oberblick (Anm. 1) II. Anmeldung (Anm. 2)
III. Eintragung (Anm. 3) IV. Anzuwendende Rechtsnormen (Anm. 4)
I. Überblick Anm. 1: Die Vorschrift entspricht im wesentlichen dem § 37 AktG 37 und regelt die Behandlung inländischer Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften. Betreibt ein Unternehmen, das seinen Sitz im Ausland hat, im Inland ein Handelsgewerbe, so ist es nach den §§ 1 und 2 HGB in das Handelsregister einzutragen. Dieser Tatbestand wirft die Frage auf, als was das Unternehmen einzutragen ist. Als solches eines Einzelkaufmannes, einer offenen Handels- oder einer Kommanditgesellschaft, einer GmbH, einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, ferner ob als Haupt- oder Zweigniederlassung. Hierüber muß man im klaren sein, um zu erkennen, daß bei der nadi deutschen Rechtsvorschriften erforderlichen Eintragung, bei der Klassifizierung des einzutragenden Unternehmens zwar zu ermitteln ist, ob es die nach deutschem Recht für die eine oder andere Rechtsform charakteristischen Merkmale hat, daß aber bei der Eintragung von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen nicht so weit gegangen werden kann, zu verlangen, daß es 215
§ 44
Anm. 1,2
Gründung der Gesellschaft
neben den Eigentümlichkeiten einer Reditsform audi allen sonstigen für eine solche nach deutschem Recht gegebenen Vorschriften genügt. Ob es sich um eine ausländische Gesellschaft handelt, richtet sich grundsätzlich danach, ob der satzungsmäßige Sitz der Gesellschaft im Ausland liegt. Wenn auch grundsätzlich für ausländische Gesellschaften das ausländische Recht maßgebend ist, so muß doch geprüft werden, ob es sich nicht um einen Scheinsitz handelt, denn sonst würde nach inländischem Recht das Unternehmen, wenn an keinem Ort des Auslandes ein Betrieb besteht oder die Geschäftsleitung oder die Verwaltung geführt wird (§ 5 II), als inländisdies Unternehmen behandelt werden und nicht als Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens.
IL Anmeldung Anm. 2: Die Anmeldung hat hier von sämtlichen Vorstandsmitgliedern zu erfolgen. Wer Vorstandsmitglied ist, richtet sich nach ausländischem Recht. Dies wird nicht immer klar sein, da nicht jedes ausländische Recht zwischen Vorstand und Aufsichtsrat unterscheidet. Es sind die Mitglieder des Gesellschaftsorgans zur Anmeldung verpflichtet, denen nach dem ausländischen Recht die Leitung der Gesellschaft obliegt. Das ist dem Registerrichter u. U. durch Nachweis des ausländischen Rechts darzulegen. Ebenso ist ihm ein Auszug aus dem ausländischen Register oder, wenn ein solches nicht geführt wird, evtl. eine konsularische Bescheinigung vorzulegen, aus der sich ergibt, welche Personen Mitglieder des Gremiums sind, das dem Vorstand gleichsteht, damit das Registergericht prüfen kann, ob alle diese Personen die Anmeldung vorgenommen haben. Eine Vertretung bei der Anmeldung, insbesondere durch ein anderes Vorstandsmitglied, halten wir trotz der Entscheidung des Kammergerichts in JW 1932, 2626, die dies für unbedenklich hält, nicht für zulässig. Wenn auch hier die Anmeldenden im Gegensatz zu § 36 keine Versicherung abzugeben haben, so daß vielleicht keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Vertretung bestehen, so würde doch die Zulassung der Vertretung dazu führen, entgegen dem Gesetzeswortlaut die Anmeldung durch ein einziges Vorstandsmitglied an Stelle sämtlicher für ausreichend anzusehen. Der Anmeldung ist die Satzung im Originaltext beizufügen, außerdem kann der Registerrichter amtlich beglaubigte Übersetzung verlangen. Bei der Anmeldung ist der Nachweis zu führen, daß die Gesellschaft als AG mit eigener Rechtspersönlichkeit „besteht". Dazu bedarf es zwar nicht des Nachweises, ob die Gesellschaft nach deutschem oder ausländischem Recht ordnungsgemäß gegründet ist, wohl aber ist die Gesetzesbestimmung des ausländischen Rechts vorzulegen, aus der die Tatsache des Bestehens der AG als solcher ersichtlich ist. Es genügt die Vorlage einer Abhandlung über das 216
Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit ausländischem Sitz
§ 44 Anm. 2,3
ausländische Recht, sofern sie neu ist, und eine amtliche Urkunde oder Bescheinigung darüber, daß diese Gesetzesbestimmungen erfüllt sind. Die Tatsache, daß nach ausländischem Redit keine Eintragung in ein Register erfolgt, oder daß die hier geforderten Angaben nach dortigem Recht nicht zu machen sind, befreit nicht von deren Angabe in der Anmeldung. Die verlangten Angaben sind zur Bequemlichkeit des Richters nach ausdrücklicher Vorschrift in der Anmeldung selbst zu machen. Ist nach ausländischem Recht eine Bekanntmachung über die Eintragung der Gesellschaft erfolgt, so ist diese beizufügen. Außerdem ist anzugeben, an weldiem Ort die Zweigniederlassung errichtet wurde und wo sich ihr Geschäftslokal befindet. HI. Eintragung Anm. 3: Es ist zu beachten, daß die Eintragung hier keine rechtsbegründende Bedeutung hat, daß es sich insbesondere nicht darum handelt, zu verhindern, daß das fragliche ausländische Unternehmen in Deutschland in den Rechtsverkehr eintritt, bevor den deutschen Normativbestimmungen genügt ist, daß die Zweigniederlassung vielmehr audi ohne Eintragung schon da ist und daß ihre Eintragung nur erfolgt, weil diese nach deutschem Recht erforderlich ist. Daraus ergibt sich für die Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Aktiengesellschaft, daß vom Registerrichter nicht mehr zu prüfen ist, als daß sie neben der inländischen Niederlassung einen Betrieb oder den Ort der Leitung im Ausland hat und daß nach ihrem Willen mit Zustimmung des ausländischen Rechts an diesem oder einem anderen Ort des Auslandes ihr Sitz ist und daß sie als eine einer Aktiengesellschaft ähnlichen Gesellschaft gemäß ausländischem Recht besteht. Ob es notwendig ist, daß die Firma einen Zusatz hat, der erkennen läßt, daß es sich um eine AG (z. B. société anonyme, limited, N.V.) handelt, ist streitig, aber zu verneinen. Im Rahmen des Art. 30 EGBGB ist jede nach ausländischem Recht statthafte Firma genügend. Der Sitz muß begrifflich im Ausland sein; für seine Bestimmung ist allein ausländisches Recht maßgebend. Der Gegenstand des Unternehmens muß nach deutschem Recht erlaubt sein. Die Höhe des Grundkapitals ist in ausländischer Währung anzugeben. Umrechnung ist nicht erforderlich. Der Mindestbetrag des § 7 kann nicht verlangt werden, da nur das ausländische Recht maßgebend ist. Ebenso nicht ein Mindestnennbetrag, ja ein Nennbetrag der Aktien überhaupt nicht, wenn die Aktien nach dem einschlägigen ausländischen Recht keinen Nennwert haben. Wer Mitglied des Vorstandes ist, bestimmt sich nach ausländischem Redit. Für die Form der Berufung der Hauptversammlung und der Bekanntmachungen der Gesellschaft gilt nur ausländisches Recht. Der Registerrichter 217
§ 44
Anm. 3,4
Gründung der Gesellschaft
kann nicht die Anwendung der Grundsätze des deutschen Rechts fordern. Ob die Aktien auf den Inhaber oder den Namen lauten und ob verschiedene Gattungen vorhanden sind, ist durch Anwendung deutscher Rechtsbegriffe auf die Bestimmungen des ausländischen Rechts oder der Satzung festzustellen. Eingetragen wird auch hier die Gesellschaft. Demnach hat die Eintragung gem. Abs. 3 den Inhalt des § 39. Außerdem ist der Ort der Zweigniederlassung und ihre von der Firma der Gesellschaft abweichende Firma einzutragen. Die Bekanntmachung der Eintragung erfolgt gem. § 10 HGB im Bundesanzeiger und in den nach § 11 HGB vom Registergericht bestimmten Blättern. IV. Anzuwendende Rechtsnormen Anm. 4: Jede von mehreren Zweigniederlassungen eines ausländischen Unternehmens wird als Hauptniederlassung behandelt. § 43 gilt also nicht. Alle Anmeldungen sind bei jeder Zweigniederlassung besonders vorzunehmen (Schl.-Qu. § 37 Anm. 6). Was anzumelden ist, bestimmt im allgemeinen das ausländische Recht, doch wird ein Wechsel der für die Gesellschaft oder eine Zweigniederlassung zeichnungsberechtigten Person immer anzumelden sein. Ebenso kann verlangt werden, daß sie ihre Unterschrift hinterlegt. Einreichungen (z. B. des Jahresabschlusses oder der Niederschrift über die Beschlüsse einer Hauptversammlung), die das ausländische Recht nicht kennt, können nicht verlangt werden (Schl.-Qu. § 37, Anm. 8; Krüger-Lenz, 71). Ebensowenig kann bei Anmeldungen zum Handelsregister der Zweigniederlassung, die nach deutschem Recht die Eintragung ins Handelsregister der Hauptniederlassung voraussetzen, deren Nachweis verlangt werden (RG 3. 10. 40, D R 40, 2507), auch dann nicht, wenn sie wie bei Satzungsänderungen nach deutschem Redit reditsbewirkend und Voraussetzung der ins Handelsregister der Zweigniederlassung einzutragenden Satzungsänderung wäre (RG a. a. O.). Die Sitzverlegung vollzieht sidi auch hier nicht durch Satzungsänderung, sondern, da auf das bloße Bestehen einer Niederlassung abgestellt ist, durch Neubegründung einer solchen mit oder ohne Aufhebung einer älteren. Für den Fortbestand, den Untergang, die Nichtigkeit und die sich daraus etwa ergebende Löschung ist ausländisches Recht maßgebend, denn die Gesellschaft wird in aktienrechtlicher Beziehung durch ihre Eintragung nicht deutschem Recht unterworfen, vorbehaltlich Art. 30 EGBGB (vgl. hierzu R G 60, 296; 73, 366; 93, 182; 110, 175; D J Z 04, 355; L Z 1913, 552; Kühlwein BlIntPR 1930, 193). Eine Satzungsänderung, die nach dem maßgebenden ausländischen Recht ohne Eintragung in ein ausländisches öffentliches Register wirksam ist, kann ohne solche in das Handelsregister eingetragen werden. 218
Sitzverlegung
§45
Anm. 1
§ 45 Sitzverlegung (1) Wird der Sitz der Gesellschaft im Inland verlegt, so ist die Verlegung beim Gericht des bisherigen Sitzes anzumelden. (2) Wird der Sitz aus dem Bezirk des Gerichts des bisherigen Sitzes verlegt, so hat dieses unverzüglich von Amts wegen die Verlegung dem Gericht des neuen Sitzes mitzuteilen. Der Mitteilung sind die Eintragungen für den bisherigen Sitz sowie die bei dem bisher zuständigen Gericht aufbewahrten Urkunden beizufügen. Das Gericht des neuen Sitzes hat zu prüfen, ob die Verlegung ordnungsgemäß besdilossen und § 30 des Handelsgesetzbuchs beaditet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Sitzverlegung einzutragen und hierbei die ihm mitgeteilten Eintragungen ohne weitere Nachprüfung in sein Handelsregister zu übernehmen. Mit der Eintragung wird die Sitzverlegung wirksam. Die Eintragung ist dem Geridit des bisherigen Sitzes mitzuteilen. Dieses hat die erforderlichen Löschungen von Amts wegen vorzunehmen. (3) Wird in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister des ursprunglichen Sitzes eine Sitzverlegung aus dem Bezirk des Gerichts des bisherigen Sitzes eingetragen, so sind in der Bekanntmachung der Eintragung alle Angaben nach § 40 Abs. 1 zu veröffentlichen. (4) Wird der Sitz an einen anderen Ort innerhalb des Bezirks des Gerichts des bisherigen Sitzes verlegt, so hat das Gericht zu prüfen, ob die Sitzverlegung ordnungsgemäß beschlossen und § 30 des Handelsgesetzbuchs beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Sitzverlegung einzutragen. Mit der Eintragung wird die Sitzverlegung wirksam. I. Übersicht (Anm. 1) II. Eintragung ins Handelsregister (Anm. 2 — 5 )
III. Mitwirkung des bisherigen Sitzgerichts (Anm. 6) IV. Sitzverlegung vom Ausland ins Inland (Anm. 7)
I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht in ihren Abs. 1—3 dem § 38 AktG 37. Neu ist die Bestimmung des Abs. 4. In diesem wird die Frage geregelt, wie die Sitzverlegung einer Aktiengesellschaft innerhalb des Bezirks des Gerichtes des bisherigen Sitzes zu erfolgen hat. Wenn auch schon nach dem alten Gesetz die jetzt gesetzlich getroffene Regelung zu erkennen war, so stellt der neue Abs. 4 doch eine begrüßenswerte Klarstellung dar. 219
§45 Anm. 2—i
Gründung der Gesellschaft
II. Eintragung ins Handelsregister Anm. 2: Die Sitz Verlegung ist eine Satzungsänderung, bedarf also eines die Satzung abändernden Hauptversammlungsbeschlusses und der Eintragung in das Handelsregister, ohne die die Änderung nicht wirksam wird. Nach allgemeiner Regel hätte diese Eintragung daher in das Handelsregister des Sitzes stattzufinden. So war es nach dem HGB; dies hatte zur Folge, daß für die Gesellschaft nach Eintragung der Satzungsänderung zunächst überhaupt kein Handelsregister mehr bestand. Deshalb läßt das Gesetz die Satzungsänderung wirksam werden, wenn sie in das Handelsregister des neuen Sitzes eingetragen ist, doch ist sie noch bei dem Gericht des alten Sitzes zur Eintragung anzumelden. Dieses hat die Anmeldung zu behandeln, wie nach § 42 die Anmeldung der Errichtung einer neuen Zweigniederlassung, d. h. ohne selbst einzutragen leitet es die Anmeldung, nachdem es deren Ordnungsmäßigkeit, nicht diejenige der Sitzverlegung geprüft hat, an das Registergericht des neuen Sitzes weiter, dem es die Akten und eine alle Eintragungen, auch die geröteten enthaltende Registerabschrift, zuleitet und nimmt die Löschung in seinem Register vor, nachdem es die Mitteilung empfangen hat, daß die Eintragung in das Handelsregister des neuen Sitzes erfolgt ist. Die Sitzverlegung ist in die Spalte „Rechtsverhältnisse", unter gleichzeitiger Rötung der dort befindlichen Eintragungen zu vermerken und in die Spalte „Bemerkungen" auf das neue Blatt zu verweisen; letzteres gilt auch umgekehrt. Zu prüfen, ob die Sitzverlegung ordnungsgemäß beschlossen ist, also auch ob die Hauptversammlung nach §§ 121 ff. ordnungsgemäß berufen und der Beschluß zustandegekommen war und ob die Firma am neuen Sitz frei ist, obliegt dem Gericht des neuen Sitzes. Ergeben sich keine Anstände, so hat es die Verlegung einzutragen und alle bisherigen Eintragungen zu übernehmen. Anm. 3: Werden zusammen mit der Sitz Verlegung andere Rechtsvorgänge zur Eintragung angemeldet, so kann in der Anmeldung die Reihenfolge der Eintragungen bestimmt werden. Mangels einer solchen Bestimmung hat das Registergericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es diese anderen Anmeldungen noch selbst erledigen oder die Erledigung dem Gericht des neuen Sitzes überlassen will. Soweit die Eintragung Voraussetzung der Änderung ist, ist letztenfalls die Eintragung in das neue Register entscheidend. Anm. 4: Die Sitzverlegung ist in das Handelsregister aller Zweigniederlassungen einzutragen, demnach in sovielen Stücken anzumelden, als Niederlassungen bestehen. Die Gerichte der Zweigniederlassungen haben die Verlegung in den örtlichen Blättern bekannt zu machen. 220
Sitzverlegung
§45 Anm. 5,6
Anm. 5: Wird eine bisherige Zweig- zur Hauptniederlassung, so liegt darin die Aufgabe der ersteren, so daß für die Hauptniederlassung ein neues Blatt anzulegen ist. Wird eine Haupt- zur Zweigniederlassung, so ist sie als solche besonders anzumelden und ein neues Blatt für sie anzulegen. m . Mitwirkung des bisherigen Sitzgeridits Anm. 6: Da die Mitwirkung des bisherigen Sitzgerichtes nur formeller Natur, die materialrechtliche Prüfung nach Abs. 2 Sache des neuen Sitzgerichtes ist, kann in Ausnahmefällen auf erstere verzichtet werden, z. B. wenn die der gesetzlichen Regelung zugrundeliegende einheitliche Registerführung für ganz Deutschland nicht mehr besteht. So ist die Mitwirkung eines in der sowjetischen Besatzungszone gelegenen Sitzgerichtes nicht erforderlich, da bekannt ist, daß diese Mitwirkung in solchen Fällen versagt wird (herrschende Ansicht OLG Düsseldorf in N J W 1950, 470; B G H in Lind.-Möhr. Nr. 1 zu § 3 8 ; Fischer in Großkomm. § 38 Anm. 11). Abzulehnen ist sowohl die Ansicht, daß der Beschwerdeweg ausgeschöpft sein müßte bei versagter Mitwirkung des sowjetzonalen Sitzgerichtes (OLG Celle in MDR 1948, 360), als auch die Meinung, die den Nachweis verlangt, daß das sowjetzonale Registergericht die Mitwirkung versagt hat (Drobning in N J W 1953, 465). Voraussetzung ist, daß die AG in der Bundesrepublik oder West-Berlin als fortbestehend angesehen wird. Hierzu ist erforderlich, daß irgendwelche Vermögenswerte — und seien es auch nur kleine Forderungen — im Gebiet der Bundesrepublik oder West-Berlin vorhanden sind, denn wenn durch die Beschlagnahme oder die Enteignung eine vollständige Vermögenslosigkeit eingetreten ist, so ist die Gesellschaft untergegangen und kann auch in der Bundesrepublik nicht mehr als fortbestehend angesehen werden (ebenso Beitzke in N J W 1952, 842; Fischer in Großkomm. § 38 Anm. 11). Fraglich ist, ob eine Sitzverlegung in diesem Sinne auch dann noch erfolgen kann, wenn die Gesellschaft beschlagnahmt oder enteignet und im Handelsregister der Sowjetzone gelöscht worden ist. Die herrschende Ansicht (Fischer in Großkomm. § 38 Anm. 1, Würdinger im RGR-Komm. zum HGB, allgemeine Einleitung Anm. 80) sieht hier für eine Sitzverlegung keinen Raum und verlangt die Begründung eines neuen Sitzes durch Satzungsänderung. Wir sind der Ansicht, daß auch hier eine Sitzverlegung im oben dargelegten Rahmen durchgeführt werden kann. Zunächst sei klargestellt, daß eine Sitzverlegung nichts anderes ist als eine Neugründung eines Sitzes unter Aufhebung des alten Sitzes durch Satzungsänderung. Geht die herrschende Lehre davon aus, daß die Aufhebung des alten Sitzes bei einer in der Sowjetzone bereits gelöschten Aktiengesellschaft nicht mehr möglich sei, so geht sie insoweit von einer allgemein wirksamen Löschung aus (gegen die frühere Rechtsprechung BGH 5, 35; 17, 209; 20, 4; 25, 134) und könnte dann begrifflich auch keine Satzungsänderung mehr für zulässig ansehen, sondern müßte 221
§§ 4 5 / V o r b e m . 46—49
Anm.6,7/1
Gründung der Gesellschaft
logisdi zur Forderung einer Neugründung der A G kommen. Wir sind jedoch der Ansicht, daß hier aus denselben Gründen wie bei einer noch nicht gelöschten A G im sowjetzonalen Gebiet die Sitzverlegung zulässig ist, da für die Bundesrepublik die Gesellschaft als fortbestehend gilt und insoweit naturgemäß mit ihrem alten Sitz. Für die Sitzverlegung ist daher auch in diesem Falle Raum. Im übrigen handelt es sich hierbei um einen Streit um Worte, da es für die Praxis ohne Bedeutung ist, wie der Vorgang juristisch gekennzeichnet wird. Das Endergebnis ist in beiden Fällen das gleiche. Die frühere A G erhält einen neuen Sitz in der Bundesrepublik oder West-Berlin, ohne daß das sowjetzonale Handelsregister mitzuwirken braucht. IV. Sitzverlegung vom Ausland ins Inland
Anm. 7: Eine Sitzverlegung vom Ausland ins Inland muß als Neugründung vor sich gehen (herrschende Ansicht, für viele Schi.-Qu. § 38 Anm. 8). Eine Ausnahme ist für Sitzverlegungen von Aktiengesellschaften anzunehmen, die ihren Sitz in von Deutschland nach dem Kriege abgetrennten Gebieten haben. Das Reichsgericht hat nach dem ersten Weltkrieg für Sitzverlegung auf solchen Gebieten entschieden (RG 107, 97; 108, 265; K G in J W 1926, 1351), daß die Anmeldung und Eintragung der Sitzverlegung lediglich beim Handelsregister des neuen Sitzes zu erfolgen hat, da die Mitwirkung des Handelsregisters des alten Sitzes nicht mehr möglich war. Diese Grundsätze sind auch nach dem zweiten Weltkrieg für die von Deutschland abgetrennten Gebiete anzuwenden, was der Gesetzgeber in § 14 Zuständigkeitsergänzungsgesetz (BGBl. 52 Seite 407 ff.) ausdrücklich geregelt hat. Vorbemerkungen zu §§ 46—49 Anm. 1: Das Gesetz hat den Schutz des Verkehrs vor Gründungsschwindel durch die Vorschriften der §§ 46—49 gesichert, welche die bei der Gründung mitwirkenden Personen in verschiedenem Umfang und unter verschiedenem Gesichtspunkt vermögensrechtlich für die Ordnungsmäßigkeit der Gründung haftbar macht. Der im Gesetz ausdrücklich genannte Personenkreis erschöpft die für eine Haftung Infragekommenden nicht, vielmehr gelten daneben auch die allgemeinen Bestimmungen des BGB über unerlaubte Handlungen, da die §§ 46—49 die Möglichkeit der Schädigung der Aktiengesellschaft mit Recht anerkennen, obwohl sie in dem Zeitpunkt noch nicht besteht, zu welchem Gründungsverfehlungen sich ereignen können. Beispiel: Die Gründer sind bei Bemessung der Gegenleistung für Sacheinlage oder Sachübernahme arglistig getäuscht worden; der Registerrichter verletzt seine Amtspflicht oder ein Amtsversehen des Notars ist mit ursächlich für einen Fehlbetrag am Grundkapital (vgl. R G 154,284); deshalb ist auch Beihilfe nach § 830 BGB denkbar. 222
Vorbemerkungen zu §§ 46—49
Vorbem. §§ 46—49 Anm. 1,2
Dabei ist zu beachten, daß die Gesellschaft durch Handlungen allein nicht geschädigt ist, deren Erfolg sich darauf beschränkt, sie vorschriftswidrig ins Leben zu rufen. Hier können wohl u. U. Schadensersatzansprüche Dritter entstehen, wenn diese dadurch geschädigt sind und die allgemeinen Voraussetzungen (ursächlicher Zusammenhang, Verschulden) vorliegen (vgl. RG a.a.O.). Die Gesellschaft selbst aber kann durch ihre Entstehung allein nicht geschädigt sein. Diese Einschränkung bedeutet jedoch nicht, daß nicht durch die Verletzung von Schutzvorschriften für die Gesellschaft ein Schaden entstehen kann, welcher mittelbar auf die Verletzung der Vorschrift beruht, auch wenn die Verletzungshandlung unmittelbar einen anderen Inhalt nicht hatte, als die Gesellschaft vorschriftswidrig ins Leben zu rufen. Ein mitwirkendes Verschulden der Gesellschaft durch Teilnahme der zum Vorstand bestellten Personen an der Verletzungshandlung ist nicht denkbar (so RG a.a.O.), wohl aber nach der Eintragung, soweit der Vorstand es unterläßt, den Schaden abzuwenden oder zu verringern. Anm. 2: Verschieden von dieser Frage ist das Problem, ob eine Haftung der in den §§ 46—49 genannten Personen aus allgemeinen Vorschriften neben der Haftung aus diesen Gesetzesstellen bestehen kann oder ob die Haftung dieser Personen durch das Aktiengesetz erschöpfend geregelt ist. Grundsätzlich haben die aktienrechtlichen Vorschriften den Vorrang, wenn sie erkennbar eine erschöpfende Regelung haben treffen wollen oder im Widerspruch mit der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift stehen. Wo der in objektiver und subjektiver Hinsicht völlig gleiche Tatbestand sowohl unter die Vorschriften dieses Gesetzes als auch unter die Vorschriften eines anderen Gesetzes — insbesondere des BGB — gebracht werden kann, ist die ausschließliche Geltung des Aktiengesetzes anzunehmen. Wo aber zusätzliche Tatbestandsmerkmale vorliegen, die den Tatbeständen der §§ 46—49 nicht zuzuzählen sind und neben den Tatbestand dieser Vorschriften auch den Tatbestand eines anderen Gesetzes herstellen oder wo der Tatbestand des anderen Gesetzes vorliegt, aber ein Tatbestandsmerkmal der §§ 46—49 fehlt, halten wir unbedenklich im ersteren Fall die Bestimmungen beider Gesetze, in letzterem Fall jene des anderen Gesetzes für anwendbar. Die Frage hat nicht nur für die Verjährung Bedeutung, weil nach § 852 BGB, erst recht nach § 812 BGB, die Verjährung eine ganz andere sein kann als nach § 51. Klarheit über diese Frage ist vielmehr auch wichtig im Hinblick auf die Haftung aus Beihilfehandlungen. Wenn nur der Tatbestand dieses Gesetzes vorliegt, kann eine Haftung aus Beihilfehandlungen nur entstehen, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt, nicht aber aus § 830 BGB. Wichtig bleibt, zu erkennen, daß die Mehrzahl der Tatbestände dieses Gesetzes ungeeignet sind, mit bürgerlich-rechtlichen Tatbeständen zusammenzufallen, wie die Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der zwecks 223
Vorbem. §§ 46—49
Gründung der Gesellschaft
Anm. 2—5 Gründung gemachten Angaben (weil es, solange die Gesellschaft nidit eingetragen ist, an der Person eines Getäusditen fehlt) und wie die Fälle einer nur fahrlässigen Vermögensschädigung (z. B. durch Einlagen, § 46 II). Aktienrechtliche Vorschriften, wie die §§ 26 und 27, können die Bedeutung haben, daß gerade ihre Verletzung den Tatbestand einer bürgerlich-rechtlichen Vorsdirift herstellt, z. B. Empfang eines nicht beurkundeten Gründungsaufwandes oder der Gegenleistung einer nicht beurkundeten Sachübernahme (§§ 812 ff. BGB). Ebenso kann im Einzelfall zugunsten der Gesellschaft eine Vertragshaftung begründet sein, so z. B., wenn eine ordnungsmäßige Festsetzung in der Satzung vorliegt, bei Empfängen von Gründungsaufwand und insbesondere bei der Sacheinlage und Sachübernahme; es ist kein Grund ersichtlich, warum in einem solchen Fall eine Schadensersatzpflicht aus Verschulden bei Vertragsschluß oder bei Vertragserfüllung zugunsten der Gesellschaft nicht Platz greifen sollte. Anm. 3: Anspruchsberechtigt ist nur die Gesellschaft, soweit die in den §§ 46—49 geregelte Haftung in Betradit kommt. Diese Vorschriften betreffen daher ausschließlich diesen Anspruch und setzen voraus, daß die Gesellschaft eingetragen wird, da sie erst damit entsteht. Voraussetzung ist nicht, daß die Gesellschaft nicht nach § 275 nichtig ist. Anm. 4: Indessen können sich die Vorschriften, deren Verletzung diese Haftung gegenüber der Gesellschaft begründet, als Schutzvorschriften gegenüber anderen Personen darstellen, insbesondere aber nicht nur, soweit sie nach den Bestimmungen dieses Gesetzes mit Strafe bedroht sind oder sich als eine Ordnungswidrigkeit erweisen. Es kann im Einzelfall auch ein Dritter geschädigt sein und, sei es auch nur unter dem Gesichtspunkt mittelbaren Schadens, § 826 BGB anwendbar sein; solche Ansprüche Dritter nach §§ 823 II; 826 sind natürlich unabhängig davon, ob die Gesellschaft eingetragen wird. Als Schutz Vorschriften sind alle Vorschriften über die Gründung anzusehen, welche ihre Ordnungsmäßigkeit gewährleisten sollen. Der Kreis der Personen, zu deren Gunsten diese Vorschriften als gegeben anzusehen sind, bedarf einer Begrenzung; nicht jeder, der irgendwann Aktionär oder Gläubiger der Aktiengesellschaft werden wird, kann darunter fallen. Doch erscheint es uns zu eng, nur die Gründer darunter zu verstehen. Die Grenze dürfte jeweils unter dem Gesichtspunkt des adäquaten ursächlichen Zusammenhangs zu ziehen sein. Zu beachten ist, daß regelmäßig durch den der Gesellschaft gewährten Schadensersatz, der einem Aktionär oder Gläubiger entstandene Schaden mit beseitigt wird. Anm. 5: Gesamtschuldnerische Haftung der Ersatzpflichten ist bezüglich der Gründer und aller Personen, für deren Rechnung ein Gründer gehandelt hat und auch für die sogenannten Gründergenossen ausdrücklich vorgesehen. Aber 224
Verantwortlichkeit der Gründer
Vorbem. §§ 46—49 / § 46 Anm. 5
auch die Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und Gründungsprüfer wird regelmäßig gesamtschuldnerisch neben jenen sein. Der Ausgleich unter mehreren Haftpflichtigen hängt davon ab, ob unter ihnen ein echtes Gesamtschuldverhältnis nach § 421 BGB besteht. Ein solches setzt nicht einen gemeinsamen Entstehungsgrund der Verpflichtung voraus, sondern die Gleichartigkeit der Leistung (wenn auch vielleicht nur bis zu einer gewissen Höhe), die in der Gleichartigkeit des Zwecks begründet sein muß, um dessen Erreichung es sidi handelt. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so besteht kein Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB. — Beispiel: Der Aufsichtsrat bestellt fahrlässig einen ungeeigneten Vorstand. Dieser veranlaßt die Einzahlung der Einlage auf sein Bankkonto (§ 54 III), entnimmt den gleichen Betrag auf separates Konto und zeigt die Bankgutschrift und eine gefälschte Erklärung der Bank nach § 37 I vor. Hier besteht trotz Gleichartigkeit der Schadensersatzleistung kein echtes Gesamtschuldverhältnis und kein Ausgleich. N u r der Aufsichtsrat kann gegen Schadensersatzleistung Abtretung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegenüber dem treulosen Vorstand verlangen. — Ebensowenig besteht ein echtes Gesamtsdiuldverhältnis, wenn ein Gründer unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung für die Richtigkeit von Angaben (§ 46 I) Zahlung leisten muß, die eigentlich ein anderer zu leisten gehabt hätte; hier ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Gewährleistung selbst, inwiefern die Leistungspflicht begrenzt ist und daß der aus Gewähr Verpflichtete nur gegen Abtretung der Ansprüche der Gesellschaft gegen die eigentlich Verpflichteten leisten muß. In der Mehrzahl der Fälle wird ein echtes Gesamtschuldverhältnis vorliegen und ein Ausgleichsanspruch gegeben sein. Dieser bemißt sich nach § 426 BGB, der aber seinerseits nur eine Hilfsvorschrift ist und nur Platz greift, wenn nicht nadi anderen gesetzlidien oder vertraglichen Bestimmungen oder selbst Treu und Glauben eine andere Regelung stattzufinden hat. Eine erhebliche Rolle spielt beim Ausgleich § 254 BGB.
§ 46 Verantwortlichkeit der Gründer (1) Die Gründer sind der Gesellschaft als Gesamtschuldner verantwortlich für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Gründung der Gesellschaft über Übernahme der Aktien, Einzahlung auf die Aktien, Verwendung eingezahlter Beträge, Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen gemacht worden sind. Sie sind ferner dafür verantwortlich, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf das Grundkapital bestimmte Stelle (§ 54 Abs. 3) hierzu geeignet ist und daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Sie haben, unbeschadet der Verpflichtung zum Ersatz des sonst 225 15
Wilhelmi, Aktiengesetz
§46 Anm. 1
Gründung der Gesellschaft
entstehenden Schadens, fehlende Einzahlungen zu leisten und eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen. (2) Wird die Gesellschaft von Gründern durdi Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gründer als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gründer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen mußte. (4) Entsteht der Gesellschaft ein Ausfall, weil ein Aktionär zahlungsunfähig oder unfähig ist, eine Sacheinlage zu leisten, so sind ihr zum Ersatz als Gesamtschuldner die Gründer verpflichtet, welche die Beteiligung des Aktionärs in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit oder Leistungsunfähigkeit angenommen haben. (5) Neben den Gründern sind in gleicher Weise Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben. Sie können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gründer kannte oder kennen mußte. I. Übersicht (Anm. 1) II. Haftungstatbestände 1. Unrichtigkeit und Unvollständigkeit von Angaben (Anm. 2) a) Übernahme von Aktien (Anm. 3) b) Einzahlung auf Aktien (Anm. 4) c) Verwendung eingezahlter Beträge (Anm. 5) d) Sondervorteile, Gründungsaufwand (Anm. 6)
e) Sacheinlagen und Sachübernahmen (Anm. 7) 2. Auswahl der Einzahlungsstelle und freie Verfügbarkeit der Einlagen (Anm. 8) 3. Schäden durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand (Anm. 9) 4. Ausfall von Einlagen (Anm. 10) III. Person des Haftenden und zu vertretendes Verschulden (Anm. 11 u. 12) IV. Umfang der Haftung (Anm. 13—17)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht, abgesehen von sprachlichen Abweichungen, dem § 39 AktG 37. Gründer sind die Personen, welche die Satzung festgestellt und alle Aktien übernommen haben (§ 28). Ihnen gleichgestellt sind nach Abs. 5 diejenigen Personen, für deren Rechnung Gründer Aktien übernommen haben. Neben ihnen können als Gesamtschuldner noch andere Personen haften; insbesondere die in den §§ 47, 48 und 49 genannten, u. U. auch Dritte (s. insow. Vorbem. zu §§ 46—49 Anm. 1). 226
Verantwortlichkeit der Gründer
§ 46 Anm. 2,3
II. Haftungstatbestände 1. Unrichtigkeit und Unvollständigkeit von Angaben Anm. 2: Das Gesetz führt eine Reihe von Tatbeständen auf, die eine Haftung äuslösen können. Danach tritt zunächst eine Haftung ein für unrichtige oder unvollständige Angaben, die zum Zwecke der Gründung gemacht werden. Zu diesem Zweck sind Angaben gemacht, die in der Satzung, im Gründungsberidit oder in der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister gemacht werden. Empfänger der Angaben kann der Vorstand und Aufsichtsrat sein (im Gründungsbericht), aber auch der Gründungsprüfer und vor allem das Registergericht; auch einer Behörde gegenüber kann die Angabe zu machen sein, um eine erforderliche Genehmigung zu erlangen (h. A.; a. A. Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 12). Ob die Angabe für die Gründung erforderlich oder ursächlich war, ist belanglos, aber sie muß im Gründungsstadium gemacht worden sein (vgl. Schi.-Qu. § 39 Anm. 2; Fischer in Großkomm. § 39 Anm. 5). RG 127, 185 und die herrschende Lehre lassen bis zur Eintragung die Berichtigung einer Angabe zu, verneinen insbesondere das Vorliegen des hier erörterten Haftungstatbestandes, wenn sich die Unrichtigkeit einer Angabe aus richtigen anderen Anmeldungsunterlagen ergibt (ebenso Düringer-Hadienburg § 202 Anm. 11; Pinner in J W 30, 3734). Dem kann nicht ohne Einschränkung zugestimmt werden. Da es sich regelmäßig um die Gewährleistung für die Richtigkeit einer Angabe handelt, kann diese nicht dadurch ausgeschlossen oder gemindert sein, daß sich aus einer anderen Angabe der richtige Tatbestand ergibt. Letzteres kann u. U. dazu führen, daß der der unrichtigen Angabe entsprechende Sachverhalt, den ihr Urheber zu gewährleisten hat, eintritt. Dann ist der Anspruch auf Gewährleistung gegenstandslos (s. Anm. 13). Ganz etwas anderes ist es, wenn die unrichtige Angabe selbst ausdrücklich klar und unzweideutig berichtigt wird. Insoweit kann man Fischer (in Großkomm. § 39 Anm. 7) zustimmen. In einem solchen Fall liegt aber praktisch keine unrichtige Angabe mehr vor, sondern eine berichtigte Angabe. Der Sachverhalt ist alsdann ein wesentlich anderer als der, der der Entscheidung in RG 127,185 zugrunde lag. Die Gegenstände, die von den Angaben betroffen werden können, sind im Gesetz abschließend aufgezählt, so daß unrichtige oder unvollständige Angaben über andere Dinge nicht die Haftung aus § 46 auslöst; unberührt bleibt allerdings insoweit eine Haftung aus anderen Gründen, z. B. aus § 823 BGB. Das Gesetz zählt als möglichen Gegenstand der Angaben auf: a) Übernahme von Aktien Anm. 3: Alle Aktien sind von den Gründern zu übernehmen (§ 2), was durch die Obernahmeerklärung erfolgt (vgl. im einzelnen § 23 Anm. 19—22 und § 29 Anm. 2). Angaben hierüber sind im Gründungsbericht zu machen 15*
227
§46 Anm. 3—6
Gründung der Gesellschaft
(§ 32 I), worauf sich auch die Gründungsprüfung erstreckt (§ 34 I Nr. 1). Die Angabe betrifft auch besondere Angaben über die Übernahme von Aktien seitens der Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder oder für deren Rechnung (§ 32 III), da dies eine Gründungsprüfung auslösen kann (§ 33 I I Nr. 1 und 2). b) Einzahlung auf
Aktien
Anm. 4: Vor der Anmeldung müssen die eingeforderten Beträge eingezahlt sein. Dies ist in der Anmeldung ausdrücklich zu erklären (§ 37 I). Die Angabe muß enthalten, daß auf jede einzelne Aktie der eingeforderte Betrag geleistet worden ist. Begrifflich gehört hierher auch die Angabe, daß die Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen (ebenso Fischer in Großkomm. § 39 Anm. 6 b); der Gesetzgeber hat dies jedoch gesondert geregelt (s. Anm. 8). c) Verwendung eingezahlter Beträge Anm. 5: Nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung dürfen Gebühren und Steuern vor Anmeldung der Gesellschaft von den auf das Grundkapital eingezahlten Beträgen bezahlt werden (§ 36 I I ; § 37 I S. 5). In der Anmeldung sind Angaben zu machen, welche Beträge hierfür aufgewendet worden sind, und zwar nach Art und Höhe — § 37 I S. 5 — (vgl. § 36 Anm. 13; § 37 Anm. 3). d) Sondervorteile,
Gründungsaufwand
Anm. 6: Vereinbarungen hierüber bedürfen der Festsetzung in der Satzung (§ 26 I und II). Angaben hierüber sind zu machen im Gründungsbericht (§ 32) und in der Anmeldung (§ 37 I I Nr. 2), der eine Berechnung über den der Gesellschaft zur Last fallenden Gründungsaufwand beizufügen ist. Fraglich ist, ob Angaben über Sondervorteile im Gründungsbericht und in der Anmeldung nicht gemadit werden müssen, wenn sie in der Satzung nicht festgesetzt worden sind, weil die darüber getroffenen Vereinbarungen dann der Gesellschaft gegenüber unwirksam sind (so Fischer in Großkomm. § 39 Anm. 11). Dem ist zuzustimmen. Sind sie der Gesellschaft gegenüber unwirksam, so bestehen für diese die Vereinbarungen nicht. Werden demnach hierüber keine Angaben gemacht, so entspricht die darin liegende Negativerklärung der bestehenden Rechtslage, es kann auch die Gesellschaft von niemandem in Anspruch genommen werden. Anderes gilt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (Abs. 1 letzter Satz) für den Gründungsaufwand. Hier tritt eine Haftung für Vergütungen ein, sofern sie nicht in der Satzung festgesetzt ist. Grund hierfür ist, daß ein Dritter, der gutgläubig derartige Vergütungen entgegengenommen hat, geschützt werden soll (Fischer in Großkomm. § 39 Anm. 11). 228
Verantwortlichkeit der G r ü n d e r
§ 46
Anm. 7,8
e) Sacheinlagen und Sachübernahmen Anm. 7: Vereinbarungen hierüber bedürfen ebenfalls der Festsetzung in der Satzung (§ 27). Unterbleibt dies, so ist die Vereinbarung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Über fernerhin unterlassene Angaben über in der Satzung nicht festgesetzte Sacheinlagen und Sachübernahmen gilt daher das gleiche, wie in Anm. 6 über die Sondervorteile Gesagte. Im übrigen sind Angaben über Sadieinlagen und Sachübernahmen ebenfalls im Gründungsbericht und in der Anmeldung zu machen. Hierunter fallen insbesondere auch die Angaben über die Angemessenheit der Leistung und Gegenleistung. Ebenso fallen Angaben hierunter, ob die Gesellschaft an Stelle einer Sacheinlage nach § 27 II nur eine Geldeinlage erhalten hat (Fischer in Großkomm. § 39 Anm. 11). 2. Auswahl der Einzahlungsstelle und freie Verfügbarkeit der Einlagen Anm. 8: Neben der Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben besteht eine Haftung für die Auswahl der Einzahlungsstelle und die freie Verfügbarkeit der Einlagen für den Vorstand. Aus dieser Vorschrift ergibt sich indirekt, daß die Haftenden (s. Anm. 11 und 12) bei der Auswahl der Einzahlungsstelle mitzuwirken haben, denn es handelt sich insoweit lediglich um die Haftung für die riditige Auswahl. Angaben über die Eignung dieser Stelle sind mangels entsprechender gesetzlicher Bestimmung irgends zu machen. Es ist bei der Auswahl darauf zu achten, daß die Stelle zahlungsfähig ist. Die Haftung dafür, daß die Beträge zur freien Verfügung des Vorstandes stehen, ist inhaltlich eine Haftung für die Richtigkeit der Angaben (s. Anm. 4), daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Hier handelt es sich also um die Richtigkeit der diesbezüglich nach § 37 bei der Anmeldung zu machenden Angaben. Die Haftung besteht insbesondere auch dann, wenn die eingezahlten Beträge zwar wohl soweit vorhanden, aber nicht mehr in der vollen Höhe der ursprünglichen Einzahlung zur freien Verfügung des Vorstands stehen, weil sie inzwischen unzulässigerweise ausgegeben worden sind und dies wahrheitswidrig verschwiegen, statt angegeben worden ist, was freilich die Eintragung hätte vereiteln müssen. Eine Unklarheit hat der Gesetzgeber durch eine Neuformulierung beseitigt, indem er bei der Aufzählung der Tatbestände im Satz 2 das Wort „namentlich" durch die Worte „und das" ersetzt und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß hier zwei selbständige Tatbestände nebeneinander stehen. Eine Unebenheit ist allerdings erhalten geblieben, die Verantwortlichkeit dafür, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf das Grundkapital bestimmte Stelle hierzu geeignet ist, stellt einen besonderen Tatbestand dar, während Verantwortlichkeit dafür, daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen, einer der in Abs. 1 S. 1 aufgestellten Fälle 229
§46 Anm. 8—10
Gründung der Gesellschaft
von Gewährleistungspflicht für die Richtigkeit und Vollständigkeit der zwecks Gründung gemachten Angaben darstellt. 3. Schäden durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand Anm. 9: Ferner besteht eine Haftung für Schäden durch Bar- oder Sacheinlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand. Sondervorteile sind nicht genannt, da durch diese nicht der Gesellschaft, sondern nur Aktionären Schaden entstehen kann. Schaden kann zugefügt werden durch Uberbewertung eingelegter oder übernommener Vermögensgegenstände oder unangemessen hohen Gründungsaufwand oder in anderer Weise. — Zum Beispiel kann durch Übernahme eines Warenlagers, das nicht versichert wird, und nach der Übergabe abbrennt, ein Schaden entstehen. Es hätte entweder die Übergabe und damit der Gefahrenübergang (§§ 446, 447 BGB) bis zur Eintragung vermieden oder eine Versicherung abgeschlossen werden müssen. Die Haftenden können sich nicht etwa dadurch gegen eine Haftung für diesen Schaden schützen, daß sie nach § 32 entsprechende Festsetzungen in der Satzung treffen und insbesondere im Gründungsbericht erschöpfende richtige Angaben machen, welche diese Schäden offenlegen und eine Haftung nach Abs. 1 ausschalten. Ohne Rücksicht auf Festsetzung in der Satzung, Offenlegung oder Verheimlichung tritt in einem solchen Fall die Haftung nach § 46 I I ein. Ob der Bareinleger als solcher, bei der Sachübernahme der Veräußerer, der Empfänger zu hohen Gründungsaufwandes schadensersatzpflichtig ist, regelt nicht § 46, sondern § 47 Nr. 1 und 2. 4. Ausfall von
Einlagen
Anm. 10: Schließlich besteht eine Haftung für den Ausfall von Einlagen, d. h. für die Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs oder die Unfähigkeit, eine Sacheinlage zu leisten. Die bisher strittige Frage, ob die Bestimmung auch für Sacheinlagen gilt, ist nunmehr vom Gesetzgeber dahin entschieden, daß die Haftung auch dann eintritt, wenn ein Aktionär unfähig ist, eine Sacheinlage zu leisten. Der Zahlungsunfähigkeit des zu einer Geldleistung verpflichteten Aktionärs steht die Leistungsunfähigkeit des zu einer Sacheinlage verpflichteten Aktionärs gleich. Der Zweck der Vorschrift läßt nicht zu, ihre Anwendbarkeit auf Zahlungsunfähigkeit im konkursrechtlichen Sinne zu beschränken. Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr das Unvermögen, die übernommene Bareinlage zu leisten. Da die Haftung der Gründer voraussetzt, daß sie diese zur Zeit der Annahme der Beteiligung gekannt, nicht nur vorausgesehen haben, muß die Zahlungsunfähigkeit damals bestanden haben. Für Bestehen und Kenntnis entscheidet also der Zeitpunkt der Annahme der Beteiligung. Es ist ein Gebot der Vernunft, den Haftenden bis zur Eintragung das Recht einzuräumen, die Annahme rückgängig zu machen, wenn sie nachträglich die Zahlungsunfähigkeit erfahren, 230
Verantwortlichkeit der Gründer
§46 Anm. 10,11
und zwar ohne die zeitliche Beschränkung des § 121 BGB. Die Haftung muß demzufolge auch angenommen werden, wenn sie diese Rückgängigmachung unterlassen (h. A.; für viele Fischer in Großkomm. § 39 Anm. 15). III. Person des Haftenden und zu vertretendes Verschulden Anm. 11: Eine Haftung nach § 46 besteht lediglich für die Gründer (§ 28). Diesen gleichgestellt werden die Personen, für deren Rechnung von Gründern Aktien übernommen worden sind (Abs. 5; s. Anm. 12). Das Verschulden ist versdiieden für die Haftung nach Abs. 1 und 2 einerseits und der aus Abs. 4 andererseits. Für das Verschulden für eine Haftung aus Abs. 1 oder 2 bestimmt Abs. 3, daß der Gründer die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen kennen mußte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes hätte kennen müssen. Es ist hierbei gleichgültig, ob es sich bei dem Haftenden um einen Geschäftsmann handelt oder nicht, der Maßstab seiner Sorgfalt richtet sich immer nach dem eines ordentlichen Geschäftsmannes. Für die Haftung für richtige und vollständige Angaben heißt das, daß der Gründer alle Angaben, die gemacht werden, sorgfältig zu überprüfen hat. Dies bezieht sich auch auf Angaben anderer Personen, was nicht ausschließt, daß ihm nach Abs. 3 die Haftung erlassen wird, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der eigenen oder der fremden Angaben weder kannte noch bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen mußte. Hinsichtlich der Verschuldensfrage ist jedoch die Beweislast zuungunsten des Gründers umgekehrt. Den objektiven Tatbestand, insbesondere die Unrichtigkeit der Angaben, wie alle sonstigen Voraussetzungen für Bestand und Höhe des Anspruchs hat die Gesellschaft darzulegen und zu beweisen. Der Gründer hat zu beweisen, daß ihn kein Verschulden trifft. Hinsichtlich der Haftung für die Eignung der Einzahlungsstelle will Fischer (in Großkomm. § 39 Anm. 12) dem Gründer die Pflicht zur Nachprüfung der Bestätigung der Bank aufbürden, die die freie Verfügung des Vorstands über die eingezahlten Beträge bestätigt. Dies kann u. E. den Gründern nicht aufgebürdet werden. Ist die Stelle an sich geeignet, so kann der Gründer darauf vertrauen, daß die von dieser Stelle abgegebene Bestätigung richtig ist. Gibt die Stelle wahrheitswidrig eine solche Bestätigung, so haftet sie der Gesellschaft ohnedies für einen eventuell eintretenden Schaden (vgl. § 37 Anm. 3 a. E.). Grundsätzlich haften alle Gründer für Vorsatz und jede auch nur leichte Fahrlässigkeit, wenn sie die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen bei Aufwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns erkennen mußten. Daß er letzteres nicht konnte, hat jeder Gründer von sich zu beweisen, wenn er von der Haftung loskommen will. Aber die Haftung aller hat bei der Haftung nach Abs. 2 — der insoweit eine Besonderheit aufweist — die 231
Gründung der Gesellschaft Anm. 11,12 von der Gesellschaft zu beweisende Voraussetzung, daß der Schaden wenigstens durch einen der Gründer allein oder mitverursacht ist und daß diesen Gründer der Vorwurf des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit trifft. Hierbei ist es gleichgültig, ob er Bar- oder Sacheinleger ist, Veräußerer, Empfänger des zu hohen Gründungsaufwandes, Teilnehmer an den darüber getroffenen Vereinbarungen, Entgegennehmer der der Gesellschaft gemachten Leistung, und ob er mittelbar oder unmittelbar den Schaden verursacht hat. Wenn diesem eigentlichen Schädiger unter den Gründern nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, so haftet keiner der Gründer, auch der Schädiger nicht, es sei denn vertraglich. Der Sacheinleger gehört, wenn die Gesellschaft durch eine Sacheinlage geschädigt wurde, natürlich immer zu denjenigen Gründern, welche den Schaden verursacht haben. Wenn ihn der Vorwurf des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit trifft, haften er und haften alle. Es kann aber sehr wohl sein, daß ihn nur leichte, einen anderen Gründer aber, der mehr als er von dem Wert der Sacheinlage, insbesondere für die Gesellschaft verstand und die Vereinbarung mit ihm getroffen hat, grobe Fahrlässigkeit traf. Auch dann haften alle Gründer und dementsprechend auch der Sacheinleger mit. Wenn aber weder ihm noch einem anderen Gründer, der die Schäden mitverursacht hat, schweres Verschulden zur Last fällt, haftet außervertraglich aktienrechtlich weder Sacheinleger noch sonst ein Gründer. Boesebech (DR 39, 436) neigt dazu, den Sacheinleger ohne Rücksicht auf sein oder eines anderen Gründers Verschulden für den vollen Wert der Sacheinlage nach § 27 II Schlußsatz einstehen zu lassen und § 46 II nicht auf ihn, sondern nur auf andere Gründer anzuwenden, d. h. bei mindestens leichter eigener Fahrlässigkeit haften zu lassen. Die Annahme einer so weitgehenden Werthaftung des Sacheinlegers ist gesetzlich nicht begründet. Eine Ausdehnung des § 27 II halten wir nicht für zulässig (vgl. § 27 Anm. 1), auch könnte es nach Lage des Falles u. U. ganz unmöglich sein, den Sadieinleger schadensersatzpflichtig zu machen, auch wenn er grober Fahrlässigkeit schuldig ist, wenn man nicht die aktienrechtliche Bestimmung des § 46 auf ihn anwendet.
§46
Das Verschulden der Haftung nach Abs. 4 erfordert positive Kenntnis der Unfähigkeit, die Bar- oder Sacheinlage zu erbringen. Zu beachten ist jedoch, daß späteres Kennenlernen ebenfalls ein Verschulden sein kann (s. Anm. 10). Anm. 12: Personen, für deren Rechnung Gründer Aktien übernommen haben, haften wie wenn sie Gründer wären. Sie haften neben den Gründern gesamtschuldnerisch in allen Fällen, in welchen aus der Gründerhaftung Ansprüche entstehen, also für die zwecks Gründung gemachten Angaben, ohne selbst welche gemacht zu haben, und für alle anderen Haftungstatbestände des § 46. Auf unverschuldete Unkenntnis können sie sich nur beru232
Verantwortlichkeit der Gründer
§46 Anm. 12,13
fen, wenn sowohl sie selbst sich in solcher befunden haben, als auch die für ihre Rechnung handelnden Gründer. Dies gilt auch für die Fälle des Abs. 2. Sie haften nidit nur neben, sondern auch in gleicher Weise wie ein Gründer, also auch für ihre eigenen Angaben. Beispiel: Ein Bankier versucht ein bei ihm verschuldetes Unternehmen in seinem eigenen Interesse zu entschulden, indem er eine Aktiengesellschaft gründen läßt, an der er sich in mäßigem Umfang durch einen Strohmann beteiligt und welche nach ordnungsmäßiger Festsetzung in der Satzung das Unternehmen durch Sachübernahme übernimmt. Dabei unterläuft ihm grob fahrlässig eine Überbewertung. Würde die Haftung auf diesen Fall nicht ausgedehnt werden, so hätte der Bankier nicht für den Schaden einzustehen, weil es im bürgerlichen Recht eine Haftung für nur fahrlässiger Vermögensschädigung nidit gibt. — Oder: Ein Vorstand bedient sich zwecks Übernahme von Aktien eines Strohmannes, welcher nicht weiß, daß sein Auftraggeber nur Zwischenmann ist. Infolgedessen unterbleibt die Angabe der Beteiligung des Vorstandsmitglieds im Gründungsbericht und demnach findet auch keine Gründungsprüfung statt. Entstehen aus dieser Beteiligung der Gesellschaft Schäden, so haftet der Zwischenstrohmann. Auf Vollmacht und gesetzliche Vertretung ist Abs. 5 entsprechend anwendbar (herrschende Ansidit). Der Vertreter haftet nach § 47 und § 823 BGB, der Vertretene unter dieser Voraussetzung nach § 831 (u. U. § 278 BGB). IV. Umfang der Haftung Anm. 13: Der Umfang der Haftung ist verschieden, je nachdem, welcher Haftungstatbestand zugrunde liegt. Die vom Gesetz aufgestellte Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Gründerangaben, wozu auch die Angabe über die freie Verfügung des Vorstands über die eingezahlten Beträge gehört, ist inhaltlich eine Gewährleistung. Im allgemeinen ist es nicht denkbar, daß die Gesellschaft dadurch geschädigt wird, daß sie unter ungesetzlichen Bedingungen ins Leben tritt, ohne welche sie überhaupt nicht entstanden wäre. Die Tatsache ihrer Entstehung als solche allein kann niemals als ein ihr zugefügter Schaden angesehen werden. Um eine Schadensersatzpflicht handelt es sich hier also nicht. Vielmehr haben die Gründer den Zustand herzustellen, welcher bestehen müßte, wenn man die Angaben, für welche sie aufzukommen haben, für richtig und vollständig setzt (vgl. RG 144, 356; ebenso Boesebeck in DR 39, 320); z. B. die Gründer haben im Gründungsbericht verschwiegen, daß Aktien für Rechnung eines Vorstandsmitglieds übernommen worden sind. Eine Gründungsprüfung hat deshalb nicht stattgefunden. Aus dieser Beteiligung entwickelt sich später ein Vermögensschaden für die Gesellschaft. Er wäre auch entstanden, wenn die Gründer die verschwiegene Beteiligung angegeben hätten, aber er wäre nicht entstanden, wenn die Beteiligung nicht bestanden hätte, wie nach dem Grün233
§ 46
Anm. 13,14
Gründung der Gesellschaft
dungsbericht anzunehmen war. Deshalb haben die Gründer dafür aufzukommen. — Oder: Die Gründer haben die vorausgegangenen Rechtsgeschäfte, die auf den Erwerb von Sacheinlagen durch die Gesellschaft hingezielt haben, unrichtig und demnach ihren Zwischengewinn zu niedrig angegeben. Die Gesellschaft ist durch die unrichtige Angabe nicht geschädigt worden. Die Gegenleistung wäre in der Satzung ebenso festgesetzt worden, wenn der wahre Zwischengewinn aus dem Gründungsbericht ersichtlich gewesen wäre. Der Zwischengewinn braucht die Gegenleistung nicht unangemessen zu machen. Es besteht die Möglichkeit, daß auch bei richtigen Angaben die Gesellschaft eingetragen worden wäre. Trotzdem haben die Gründer zu gewährleisten, daß die Angaben richtig sind, demnach auch, daß sie keinen höheren Zwischengewinn gemacht haben, als aus den Angaben hervorging und demnach den Mehrgewinn herauszugeben (ebenso für den Aufsichtsrat RG 144, 348; 154, 276 ff.). Anm. 14: Der Inhalt der Gewährleistungspflicht ist Herstellung des Zustands, der den unrichtigen und unvollständigen Angaben entspricht (s. Anm. 13), einschließlich aller Schäden, die die Gesellschaft im Vergleich mit diesem Zustand dadurch erlitten hat, daß die Wirklichkeit diesen Angaben nicht entsprach. Dazu gehört auch ein dadurch entgangener Gewinn. Dieser Inhalt zeigt sich in nachstehenden Folgerungen, und zwar in der Verpflichtung fehlende Einlagen zu leisten und eine Vergütung zu ersetzen, die nicht unter dem Gründungsaufwand aufgenommen ist. Es braucht sich hier nicht um einen Schaden zu handeln. Der Gründer, der die auf die Aktie eingeforderte Einzahlung nicht geleistet hat, kann durchaus zahlungsfähig sein, desgl. der Empfänger eines solchen Gründungsaufwandes, der in der Satzung nicht aufgenommen oder unwirksam war und entweder nach § 47 I oder nach den Grundsätzen über ungerechtfertigte Bereicherung der Gesellschaft zurückzugeben ist. Unabhängig vom Schaden haften jedoch alle Gründer für die Einzahlung und die Rückzahlung des ungesetzlichen Gründungsaufwands nicht nur hilfsweise, aber doch nur gegen Abtretung des Anspruchs der Gesellschaft gegen den Aktionär, weil die Gewährleistung nicht zu einer Besserstellung der Gesellschaft führen darf. Ebenso wie auf Ersatz fehlender Einzahlung haften die Gründer auch auf Vollübernahme, wenn nicht alle Aktien übernommen sind. Das ist auch nach dem jetzigen Gesetz trotz Abschaffung der Stufengründung möglich, nämlich stets dann, wenn eine Aktienübernahme nichtig ist, beispielsweise, weil der Ubernehmer geisteskrank war. Der Fall liegt anders als bei der Haftung für falsche Angaben über geleistete Einlagen, in welchem die Aktie als Recht für den Übernehmer entstanden ist und der Ubernehmer Aktionär bleibt, auch wenn die Einzahlung von Dritten aus der Gründerhaftung erfolgt; die Zahlenden können nicht einmal von ihm die Übertragung des Aktienrechts, sondern nur Ersatz ihrer Zahlung verlan234
Verantwortlichkeit der Gründer
§46 Anm. 14—17
gen. Bei falschen Angaben über die Übernahme von Aktien dagegen werden die Gründer, die die nicht übernommenen Aktien übernehmen, auch insoweit selbst Aktionäre. Bei fehlender Übernahme von Aktien können zwar die Aktien unter die Haftenden verteilt werden, aber alle Haftenden haben nach der Verteilung für die Erfüllung der Einzahlungspflicht eines jeden voll zu haften. Die Verpflichtungen ergeben sich von selbst aus der in Satz 1 vorgeschriebenen Verantwortlichkeit, ebenso wie die weitergehende, vom Gesetz gleichfalls besonders erwähnte Verpflichtung zum Ersatz des „sonst entstandenen Schadens", denn aus der Gewährleistung ergibt sich, daß die Gründer den Zustand herbeiführen müssen, der den zum Zweck der Gründung gemachten Angaben entspricht, wenn sie für wahr und vollständig gesetzt werden. Man kann darüber streiten, ob die Formulierung des Gesetzestextes insofern zweckmäßig ist, als im letzten Satz des Abs. 1 die Verpflichtungen, die sich aus der Verantwortung der Gründer ergeben, nur teilweise aufgeführt und hervorgehoben sind. Anm. 15: Die Verantwortlichkeit der Gründer für Eignung der zur Annahme der Zahlung bestimmten Stelle ist eine reine Schadensersatzpflicht für Verschulden bei der Auswahl. Eine reine Gewährleistung für die Eignung oder Bürgschaft oder Haftung für die Stelle, was denkbar wäre, ist nicht bestimmt, weil die Entschuldigung nach Abs. 3 bei einer solchen Rechtsnatur dieser Verantwortlichkeit sinnlos wäre. Demnach bleibt nur übrig, anzunehmen, daß die Gründer bei der Auswahl dieser Stelle mitzubestimmen und dabei für die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes aufzukommen haben. Eignung hat zur Voraussetzung, daß Gewißheit besteht, daß der Vorstand über die eingezahlten Beträge verfügen kann. Anm. 16: Die Schadensersatzpflicht wegen Schäden durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand besteht zunächst auf Grund des der Gesellschaft zugefügten Schadens als solchen schon. Der Schaden kann auch auf Sachmängel oder Unmöglichkeit der Erfüllung beruhen, dann gilt gegenüber den Gründern § 46 II und I I I , gegenüber dem Einleger, da er nach § 28 immer Gründer ist, ebenfalls gegenüber dem Veräußerer bei der Sachübernahme Vertragsrecht und § 47 Nr. 2. Der Inhalt des Haftungsanspruchs der Gesellschaft gegenüber dem Gründer besteht im Ersatz des Schadens, also meist wohl in dem Ausgleich des Minderwertes des Gegenstandes der Sacheinlage oder Sachübernahme oder in der Erstattung des zu hohen Gründungsaufwandes gegen Abtretung der der Gesellschaft etwa zustehenden Ansprüche. Anm. 17: Die Haftung für den Ausfall der Leistung ist eine Ausfallhaftung und keine Schadensersatzpflicht. Sie besteht nur hilfsweise. Der aus ihr Inan235
§§46/47
Anm. 17/1
Gründung der Gesellschaft
spruchgenommene kann die vorherige Durchführung des Ausschlußverfahrens nach § 64 verlangen (bestr.; ebenso Fischer in Großkomm. § 39 Anm. 16; a. A. Baumbach-Hueck § 39 Anm. 4). § 47 Verantwortlichkeit anderer Personen neben den Gründern Neben den Gründern und den Personen, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben, ist als Gesamtschuldner der Gesellschaft zum Schadenersatz verpflichtet, 1. wer bei Empfang einer Vergütung, die entgegen den Vorschriften nidit in den Gründungsaufwand aufgenommen ist, wußte oder nadi den Umständen annehmen mußte, daß die Verheimlichung beabsichtigt oder erfolgt war, oder wer zur Verheimlichung wissentlidi mitgewirkt hat; 2. wer im Fall einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen an der Sdiädigung wissentlidi mitgewirkt hat; 3. wer vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder in den ersten zwei Jahren nadi der Eintragung die Aktien öffentlich ankündigt, um sie in den Verkehr einzuführen, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Gründung der Gesellschaft gemacht worden sind (§ 46 Abs. 1), oder die Sdiädigung der Gesellschaft durdi Einlagen oder Sadiübernahmen kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen mußte. I. Übersicht (Anm. 1) II. Haftung wegen Verheimlichung im Gründungsaufwand 1. Haftungstatbestände (Anm. 2) 2. Haftungsumfang (Anm. 3) 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften (Anm. 4)
III. Haftung für Schäden durch Einlagen oder Sachübernahmen (Anm. 5) IV. Haftung wegen Ankündigens von Aktien 1. Haftungstatbestand (Anm. 6 u. 7) 2. Anspruchsberechtigter (Anm. 8)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht im wesentlichen § 40 AktG 37. Sie behandelt die Haftung der Gründergenossen und faßt eine Reihe von Verantwortlichkeiten ganz verschiedener Art zusammen. Nach den einleitenden Worten handelt es sich hierbei um Schadensersatzverpfliditungen gegenüber der Gesellschaft, welche sonach voraussetzen würden, daß die Gesellschaft einen Vermögensschaden erlitten hat. In Wahrheit ist dieser aber nur bei Nr. 2 Voraussetzung des Ersatzanspruches, während nach Nr. 1 ein Gewährlei236
Verantwortlichkeit anderer Personen neben den Gründern
§ 47
Anm. 1,2
stungsanspruch ohne Rücksicht darauf besteht, ob der in dem Gründungsaufwand vorschriftswidrig nicht aufgenommenen Vergütung eine vollwertige Gegenleistung gegenüberstand und bei N r . 3 für gewisse gegen die Gründer, teils aus Gewährleistung, teils aus Schädigung der Gesellschaft herzuleitende Ansprüdie, eine gesamtschuldnerische Haftung neben den Gründern aufgestellt wird. Neben der Haftung gegenüber der Gesellschaft kann aus besonderen Gründen eine Haftung gegenüber den einzelnen Aktionären oder Gläubigern bestehen. Das ist stets der Fall, wenn Vorschriften verletzt werden, die sich als Sdiutzvorschrift gegenüber anderen Personen darstellen (vgl. Vorbem. zu §§ 46—49). II. Haftung wegen Verheimlichung im Gründungsaufwand 1. Haftungstatbestände Anm. 2: Nr. 1 setzt den folgenden sachlichen Tatbestand voraus: Eine Vergütung, welche nach § 26 in den durch die Satzung festzusetzenden Gesamtgründungsaufwand aufzunehmen war, ist ohne diese Aufnahme gewährt und entgegen § 31 III im Gründungsbericht nicht erwähnt und in die der Anmeldung nach § 37 II Nr. 2 beizufügende Berechnung nicht aufgenommen worden. Es haften neben den Gründern als Gesamtschuldner a) der Empfänger der Vergütung, wenn er wußte oder den Umständen nach annehmen mußte bei Empfang der Vergütung, daß beabsichtigt oder bereits unternommen war, die Vergütung zu verheimlichen; b) wer wissentlich, d. h. vorsätzlich (es genügt Eventualvorsatz) zur Verheimlichung mitgewirkt hat. Es muß angenommen werden, daß der Tatbestand der Verheimlichung mit den Worten „die entgegen den Vorschriften nicht in dem Gründungsaufwand aufgenommen ist" voll beschrieben ist und keine weiteren objektiven und subjektiven Merkmale erfordert. Dies ergibt sich aus dem Gesetzestext, der den objektiven Tatbestand im weiteren mit „Verheimlichung" bezeichnet. Es fragt sich aber, ob die Vergütung schon dann entgegen den Vorschriften im Gründungsaufwand nicht aufgenommen ist, wenn sie entweder in dem in der Satzung festgesetzten Gesamtaufwand nicht einbegriffen, im Gründungsbericht oder in der Beilage zu der Anmeldung nicht erwähnt ist oder erst, wenn alles dies unterblieben ist. Festsetzung in der Satzung und die der Anmeldung beizufügende Berechnung können nicht wohl voneinander abweichen. U. E. kann von einer Verheimlichung nicht mehr gesprochen werden, wenn die Vergütung in der Berechnung oder im Gründungsbericht erwähnt wird. Darüberhinaus heißt es im Gesetz „entgegen den Vorschriften" und nicht etwa „entgegen einer der Vorschriften". Ist die Vergütung in einer der drei möglichen Unterlagen — Satzung, Gründungsbericht, Beilage zur An237
§47 Anm. 2—i
Gründung der Gesellschaft
meidung — aufgenommen worden, so ist die Unrichtigkeit der anderen offensichtlich, so daß von einer Verheimlichung nicht mehr die Rede sein kann. Der Registerrichter wird und muß bis zur Beseitigung dieses Mangels die Eintragung ablehnen; trägt er trotzdem ein, so trifft ihn die Haftung. Nicht erforderlich ist, daß die Verheimlichung von den Gründern beabsichtigt war. Es genügt die tatsächliche, entgegen den Vorschriften unterbliebene, Aufnahme der Vergütung im Gründungsaufwand. Das subjektive Erfordernis „oder den Umständen nach annehmen mußte" beurteilt sich nach bürgerlichem Recht (§ 122 II BGB) und nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten (insoweit irreführend die Vorauflage). Hierbei trifft die Empfänger, die nicht Gründer sind, im Gegensatz zu den Gründern selbst keine besondere Nachprüfungspflicht (h. L.). 2. Haftungsumfang Anm. 3: Auf Seiten der Gründer liegt in einem solchen Fall eine unrichtige Angabe über die Höhe des Gründungsaufwandes und über die Verwendung der Einlage vor. Sie sind nach § 46 verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen müßte, wenn ihre Angabe richtig und vollständig gewesen wäre. „Neben ihnen haften" kann nichts anderes heißen, als daß auch der Empfänger der Vergütung unter den angegebenen Umständen oder derjenige, der zur Verheimlichung wissentlich mitgewirkt hat, verpflichtet ist, diesen Zustand herzustellen. Das hat mit Schadensersatz nichts zu tun, denn die Gesellschaft braucht nicht geschädigt zu sein. Es kann sein, daß die Verpflichtung über die bloße Rückerstattung der Vergütung hinausgeht, daß insbesondere Zinsen zu bezahlen sind, weil eben die Gesellschaft, wenn der Gründungsaufwand nicht höher als angegeben gewesen wäre, nicht nur den aufgewendeten Mehrbetrag, sondern auch Zinsen davon und vielleicht auch weitere Vorteile von ihm gehabt hätte. 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften Anm. 4: Ist die Gesellschaft geschädigt, so ist auch eine Haftung aus § 826 BGB möglich. Man wird aber in diesem Fall § 47 als die Sonderregelung anzusehen haben, die auch diesen Fall tatbestandsmäßig erschöpft, so daß also insbesondere § 852 BGB (Dreijährige Verjährung) angesichts § 51 ausscheidet. Ebenso ist eine etwaige Unterbrechung des ursächlichen Zusammenhanges unbeachtlich, weil die Haftung aus § 47 über die Schadensersatzpflicht hinaus eine Gewährleistungspflicht begründet. Dasselbe kann für den Empfänger der Vergütung zutreffen. Für ihn ergibt sich aber aus der Unwirksamkeit der Abrede, auf Grund deren er die Vergütung empfangen hat, nach § 26 gegenüber der Gesellschaft die weitere Frage, ob er nach § 812 BGB zur Rückzahlung verpflichtet ist. Eine Anwendung der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung kommt jedoch 238
Verantwortlichkeit anderer Personen neben den Gründern
§ 47 Anm. 4—6
nicht in Frage, da es sich bei § 47 um eine Spezialvorschrift handelt. Die Haftung des Empfängers, der im Gründungsaufwand nicht aufgenommenen Vergütung ist in § 47 gegenüber § 812 BGB wesentlich eingeschränkt, da der Empfänger nicht immer wissen kann, inwieweit seine Vergütung im Gründungsaufwand aufgenommen worden ist. Diese Kenntnis, bzw. das Kennenmüssen ist aber Voraussetzung einer Haftung nach § 47, während es bei einer solchen aus § 812 BGB unbeachtlich ist. m . Haftung für Schaden durch Einlagen oder Sachübernahmen Anm. 5: Nr. 2 setzt eine Schädigung der Gesellschaft durch Sacheinlage oder durch Sachübernahme voraus. Die Stelle handelt nicht etwa von dem Fall, daß eine Sadieinlage oder Sachübernahme nicht ordnungsgemäß festgesetzt wurde, sondern begründet eine reine Schadensersatzhaftung für ein Delikt vorsätzlicher Mitwirkung bei einer Schädigung der Gesellschaft durch Sacheinlage oder Sachübernahme, welche auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit eines Gründers oder Einlegers beruht. Der wissentlich Mitwirkende kann selbstverständlich auch der Einleger oder Veräußerer des Gegenstandes der Sachübernahme sein, der nach dieser Gesetzesstelle — anders als nach § 46 II — ohne Rücksicht darauf haftet, ob er Gründer ist. Voraussetzung ist aber, daß vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung durch mindestens einen Gründer vorliegt, der gem. § 46 II oder V haftet. Wie in § 46 spricht das Gesetz auch hier mit Bedacht nicht nur von der Sach-, sondern von jeder Einlage. IV. Haftung wegen Ankündigens von Aktien 1. Haftungstatbestand Anm. 6: Nr. 3 betrifft die Haftung aus Ankündigung von Aktien vor Eintragung der Gesellschaft (also auch vor Entstehen der Aktien) in das Handelsregister oder in den darauf folgenden zwei Jahren. Die Ankündigung von Aktien der Gesellschaft aus einer Kapitalerhöhung fällt nicht unter die Vorschrift, wenn die Kapitalerhöhung nicht innerhalb zweier Jahre nach Eintragung ins Handelsregister durchgeführt ist (bestritten); auch dann kann sie höchstens sinngemäß angewandt werden. Es handelt sich auch hier wieder um eine reine Gewährleistungspflicht, welche mittelbar zum Schutz der Erwerber der Aktien für den Ankündiger jedoch gegenüber der Gesellschaft aufgestellt ist. Er hat wie ein Gründer der Gesellschaft dafür einzustehen, daß die Angaben, welche zum Zweck der Gründung gemacht worden sind, richtig und vollständig sind, also für den Zustand, der bestehen würde, wenn sie es wären, sowie außerdem dafür, daß die Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen nicht vorsätzlich oder grobfahrlässig geschädigt ist. Jedoch hat die Gesellschaft, wenn sie den Ankündiger der Aktien in Anspruch nehmen will, zu beweisen, daß er die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der zwecks 239
§§47/48
Anm. 6—8
Gründung der Gesellschaft
Gründung gemachten Angaben, bzw. die Schädigung der Gesellschaft kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen mußte. Auch hier zeigt sich aber die Anknüpfung an die Gründerhaftung. Selbst Kenntnis der Schädigung begründet keine Haftung, wenn keinem der Gründer ein in Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bestehendes Verschulden an der Schädigung trifft. Diese Einschränkung muß gemacht werden, weil kein Grund besteht, die Haftung der Ankündiger der Aktien über die Gründerhaftung hinaus auszudehnen; sie ergibt sich aus dem Wortlaut der Gesetzesstelle („neben den Gründern", „als Gesamtschuldner" usw.). Anm. 7: öffentlich ist eine Ankündigung, wenn ein unbegrenzter Personenkreis von ihr Kenntnis nehmen kann. Dazu kann die Versendung eines Rundschreibens an den gesamten Kundenkreis einer Großbank genügen, nicht aber ein an einzelne Kunden versandtes vertrauliches Rundschreiben. Eine Ankündigung ist weder ein bloßes Angebot noch eine Besprechung. Es muß daraus der Zweck hervorgehen, die Aktien insgesamt oder in größerer Menge in den Verkehr einzuführen, d. h. einen Markt dafür zu eröffnen — die Ankündigung muß also der Einführung vorausgehen. Nach herrschender Meinung fällt auch bei einer Kapitalerhöhung innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft die Aufforderung zur Zeichnung darunter. Sie braucht nicht schriftlich zu sein, muß aber erkennen lassen, von wem sie ausgeht. 2.
Anspruchsberechtigter
Anm. 8: Die Haftung besteht gegenüber der Gesellschaft und erreicht daher nur mittelbar einen Schutz derjenigen, an die sich die Ankündigung wendet. Eine unmittelbare Haftung gegenüber diesen kann nur aus den allgemeinen Vorschriften hergeleitet werden, wenn deren Tatbestand vorliegt, insbesondere aus § 399 I Nr. 3 in Verbindung mit § 823 BGB, Raterteilung, Treueverpflichtung, ständige Bankverbindung und dergleichen. Außerdem besteht die Prospekthaftung nach § 45 Börsengesetz gegenüber dem Besitzer der Wertpapiere für die Richtigkeit der Angaben in dem Prospekt, auf Grund dessen die Zulassung zum Börsenhandel erfolgt ist, während die Haftung nach § 47 unabhängig von der Richtigkeit der eigenen Angaben des Ankündigers besteht. Der Ankündiger hat daher die zwecks Gründung gemachten Angaben und die Verträge über die Sacheinlage und Sachübernahme auf eigene Verantwortung zu prüfen.
§ 48 Verantwortlichkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats Mitglieder des Vorstands und des Aufsiditsrats, die bei der Gründung ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus ent240
Verantwortlichkeit anderer Personen neben den Gründern
§ 48
Anm. 1—3
stehenden Sdiadens als Gesamtschuldner verpflichtet; sie sind namentlich dafür verantwortlich, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf die Aktien bestimmte Stelle (§ 54 Abs. 3) hierzu geeignet ist, und daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Für die Sorgfaltspflidit und Verantwortlichkeit der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats bei der Gründung gelten im übrigen §§ 93 und 116 mit Ausnahme von § 93 Abs. 4 Satz 3 und 4 und Abs. 6. Anm. 1: Die Vorschrift entspricht im wesentlichen dem § 41 AktG 37. Die auf Grund dieser Bestimmung aufgekommene Streitfrage, ob die § 84 Abs. 5 und § 99 AktG 37 zugunsten der Gesellschaftsgläubiger Anwendung finden können, ist durch den neuen § 48 durch den Gesetzgeber in bejahendem Sinne geklärt worden. Anm. 2: Die Bedeutung der Vorschrift liegt darin, daß den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern unabdingbar schon im Gründungsabschnitt die gleiche Verpflichtung aufgelegt wird, die Gesellschaft zu betreuen und zwar dem Aufsichtsrat hauptsächlich durch Überwachung des Vorstandes (RG 144, 348 ff.) wie nach der Eintragung, und daß sie ihr für den Schaden haften, der durch eine Verletzung dieser Verpflichtung entsteht. Im besonderen liegt ihnen die Prüfung der Gründung und Mitwirkung bei der Anmeldung ob, außerdem die Sorgen für die Einzahlung. Die Mitglieder der Gesellschaftsorgane haften aber nicht nur wegen Verletzung dieser besonderen Verpflichtungen, sondern schlechthin bei Verletzung ihrer Pflichten bei Wahrung der Belange der Gesellschaft in diesem Vorlebensabschnitt. Besonders hervor hebt das Gesetz ihre Haftung einmal, wenn die zur Annahme der Einzahlungen bestehende Stelle dazu ungeeignet ist und zum anderen, wenn die eingezahlten Beträge nicht zur freien Verfügung des Vorstandes stehen. In beiden Fällen handelt es sich um eine Verschuldenshaftung, wenngleich das Gesetz nicht von Verschulden spricht. Es geht dies daraus hervor, daß sich dieser Sonderfall als Halbsatz von dem vorausgehenden Satz nicht trennen läßt und daraus, daß die Haftung dieser Organe nicht weiter als die der Gründer gehen kann. Anm. 3: Vorstand und Aufsichtsrat haben nicht nur die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer eigenen Angaben im Prüfungsbericht und in der Anmeldung und der Gründungsversammlung, sondern auch jene der Gründer mit aller Sorgfalt zu prüfen (RG 144, 348), desgleichen die ordnungsmäßige Erfüllung aller gesetzlichen Vorschriften, insbesondere über die Einzahlung. Einen entschuldbaren Rechtsirrtum über diese Vorschriften hat das Reichsgericht (a. a. O.) bei einem nichtrechtskundigen Teil der Beteiligten als entlastend angesehen. Damit bringen wir nicht zum Ausdruck — wie Fischer (in Großkomm. § 41 Anm. 5) meint — daß alle Rechtsirrtümer entlastend sein können. Es muß sich vielmehr um einen entschuldbaren handeln, was sich 241 16
Wilhelm!, Aktiengesetz
§48 Anm. 3—8
Gründung der Gesellschaft
wiederum aus den gesamten Umständen ergeben muß. Der Bericht der Gründungsprüfer ist nach § 34 I I I dem Vorstand vorzulegen. Dieser und auch der Aufsichtsrat haben seinen Inhalt bei der Prüfung des Hergangs der Gründung (§ 33) zu berücksichtigen. Doch dürfen sie sich auf ihn nur soweit verlassen, als sie nicht selbst die gleiche Möglichkeit haben, den Sachverhalt festzustellen und ersichtlich ist, daß die Gründungsprüfer alle Sorgfalt angewendet haben (vgl. RG a. a. O.). Anm. 4: Die Beweislast dafür, daß der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist, trifft die Gesellschaft. Die Organmitglieder haben darzutun, daß sie der Sorgfaltspflicht genügt haben, oder warum sie entschuldigt sind (vgl. im einzelnen Anm. zu §§ 93 und 116). Anm. 5: Neben der Haftung gegenüber der Gesellschaft kann aus besonderen Gründen eine Haftung gegenüber den einzelnen Aktionären oder Gläubigern bestehen. Das ist stets dann der Fall, wenn Vorschriften verletzt werden, die sich als Schutzvorschriften gegenüber anderen Personen darstellen, insbesondere, aber nicht nur, soweit sie eine Strafe androhen. Anm. 6: Der Inhalt der Schadenersatzpflicht ist nicht von bürgerlidirechtlichen, sondern von aktienrechtlichen Grundsätzen bestimmt. Die H a f tenden können nicht etwa geltend machen, daß die Aktiengesellschaft ohne ihr Verschulden nicht eingetragen worden wäre, haben vielmehr den Zustand herzustellen, der den gesetzlichen Voraussetzungen der Eintragung entspricht, wenn durch ihr Verschulden ihr Fehlen nicht erkannt wurde, z. B. die Einzahlungen zu leisten, wenn diese nicht geleistet waren (RG 144, 348). Anm. 7: Wenn auch nach § 54 die Einzahlung nur in bestimmter Form in befreiender Weise geleistet werden können, so werden Vorstand und Aufsichtsrat sich doch darauf berufen können, daß die Gesellschaft die Einlagen in anderer Weise wirklich erhalten hat, wenn nicht gerade dadurch, daß die Einzahlungen nicht in der Weise des § 54 I I I gemacht wurden, der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist. Vorstand und Aufsichtsrat haften nur für einen durch ihr Verschulden entstandenen Schaden (anders die Gründer für fehlende Einzahlungen § 46). Hierzu ist überdies zu beachten, daß sich der Schaden durch die fortbestehende Einlageforderung verringert. Dagegen ist nach bürgerlichen und aktienrechtlichen Grundsätzen unbeachtlich, daß der Schaden trotz Anwendung aller Sorgfalt und Abwendung des verschuldeten schadensverursachenden Sachverhalts dennoch infolge eines anderen nachträglichen Ereignisses eingetreten wäre (RG 144, 348). Anm. 8: Sind mehrere Mitglieder der Organe verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. Darüberhinaus besteht unter den nach §§ 46, 47 und den nach § 48 haftenden Personen ein Gesamtschuldverhältnis, was sich durch 242
Verantwortlichkeit der Gründungsprüfer / Verzicht und Vergleich
§§ 48—50
Anm. 1
die Einheitlichkeit der durch die Haftung bestimmten Zwecke ergibt (BGH in Lindenmeier-Möring § 426 BGB Nr. 9). Der Ausgleich unter den Haftenden bestimmt sich nach § 426 BGB. § 49 Verantwortlichkeit der Gründungsprüfer § 168 Abs. 1 bis 4 über die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer gilt sinngemäß. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Gründungsprüfer gilt das gleiche wie nach § 42 AktG 37. Aus Vereinfachungsgründen ist jedoch auf § 168 I — I V verwiesen worden, wo die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer geregelt ist. Schon nach § 42 AktG 37 hafteten die Gründungsprüfer unter den gleichen Voraussetzungen und in demselben Umfange, wie die Abschlußprüfer. Wegen des Haftungstatbestandes und des Umfanges der Haftung vgl. die Anmerkungen zu § 168. Nicht verwiesen wurde auf Abs. 5 des § 156, soweit gilt § 5 1 . § 50 Verzidit und Vergleich Die Gesellschaft kann auf Ersatzansprüche gegen die Gründer, die neben diesen haftenden Personen und gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsiditsrats (§§ 46 bis 48) erst drei Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und nur dann verzichten oder sich über sie vergleidien, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkursverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Verzicht (Anm. 3) III. Vergleich (Anm. 4) IV. Verfügungsmacht über den Anspruch (Anm. 5)
V. Widerspruchsrecht (Anm. 6) VI. Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (Anm. 7)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift befaßt sich mit dem Verzidit und einem Vergleich hinsichtlich der in den § 46—48 (nicht aber in § 49) genannten Ansprüche der 16»
243
§50 Anm. 1—3
Gründung der Gesellschaft
Gesellschaft. Durch diese Vorschrift sollen die Gründer, die unmittelbar nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister diese noch beherrschen werden, daran gehindert werden, die zum großen Teil gegen sie bestehenden Ersatzansprüche zu beseitigen. Von der früheren Vorschrift des § 43 AktG 37 weicht der § 50 in drei wichtigen Punkten ab: a) Die Frist ist von 5 auf 3 Jahre verringert worden. Die frühere Frist von 5 Jahren erforderte immer die prozessuale Geltendmachung des Anspruches, auch wenn später auf ihn verzichtet wurde, weil der Anspruch nach 5 Jahren verjährte. 3 Jahre ist auch als ausreichend anzusehen, da die Gründer, wenn sie die Gesellschaft nach 3 Jahren noch beherrschen, dies vermutlich auch noch nach Ablauf von 5 Jahren tun werden. b) Dem Verzidit oder Vergleich kann durch eine Minderheit von 10°/o wirksam widersprochen werden. Bisher war eine Minderheit von 20 %> erforderlich. Die Minderheitsrechte sind im neuen Gesetz unterschiedlich neu geregelt. Bei den einzelnen in Frage kommenden Gesetzesstellen wird das von uns jeweils hervorgehoben. c) Der Widerspruch der Minderheit muß zur Niederschrift erklärt werden. Damit ist diese nach § 43 AktG 37 bestehende Streitfrage geklärt worden.
Anm. 2: Ein Verzidit auf Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gründer, die sogenannten Gründergenossen des § 47 und die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats auf Grund des § 48 und ein Vergleich über solche ist nichtig, wenn er vor Ablauf von 3 Jahren seit der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister erklärt wird. Maßgebender Zeitpunkt für die Dreijahresfrist ist der Abschluß der Vereinbarung, nicht etwa die Zustimmung der Hauptversammlung. Deshalb ist es nicht möglich, die Vereinbarung mit dem Vorbehalt zu treffen, daß die Zustimmung der Hauptversammlung nach Ablauf von 3 Jahren eingeholt werden solle. Eine solche Vereinbarung bleibt nichtig, auch wenn die Zustimmung tatsächlich nach Ablauf von 3 Jahren durch die Hauptversammlung erteilt wird. Zulässig ist, daß ein Großaktionär die Gewähr dafür übernimmt, daß keine Ansprüche aus der Gründung erhoben werden. Geschieht dies in untrennbarem Zusammenhang mit einem mit der Gesellschaft vor Ablauf von 3 Jahren geschlossenen Vergleich, ist § 139 B G B zu beachten.
n. Verzidit Anm. 3: Verzicht im Sinne der Vorschrift und der vorstehenden Ausführungen ist der Erlaß des § 397 BGB. Auch Stundung fällt unter die Bestimmung. Über Versäumnisurteil siehe Anm. 5. Für ein Tatsachengeständnis gilt die Vorschrift nicht. Ein negatives Anerkenntnis kann unter die Vorschrift fallen, wenn es einen Verzidit auf einen nicht offenbar unbegründeten Anspruch 244
Verzicht und Vergleich
§50 Anm. 3—7
darstellt. Dagegen muß die Gesellschaft anerkennen können, daß ein offenbar unbegründeter Anspruch nicht besteht. III. Vergleidi Anm. 4: Der Begriff Vergleidi ergibt sich aus § 779 BGB. Ein Vergleich wird regelmäßig auch Ansprüche umfassen, die etwa von der Gesellschaft nach allgemeiner Bestimmung gegen den Vergleichspartner hergeleitet werden können. Die Nichtigkeit des Vergleiches wird meist nach § 139 BGB auch den Vergleich über letztere erfassen. IV. Verfügungsmacht über den Ansprudi Anm. 5: Wie vor Ablauf von 3 Jahren die unbeschränkte Vertretungsmacht nicht ausreicht, um den verbotenen Erlaß oder Vergleich zu vereinbaren, so bedeutet das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung nach Ablauf der 3 Jahre gleichfalls eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes, die nach außen gilt. Audi in einem Rechtsstreit gilt diese Beschränkung der Vertretungsmacht, wenn es sidi nidit um reine Prozeßhandlungen, sondern zugleich auch um ein privatreditlidies Rechtsgeschäft handelt, wie Vergleich und Verzicht. Liegt aber eine reine Prozeßhandlung vor, läßt z. B. der Vorstand durch Anweisung an seinen Prozeßbevollmächtigten Versäumnisurteil ergehen, so kommt nur eine Haftung aus allgemeinen Gesichtspunkten des Vorstands in Frage. Die allgemeinen Wirkungen der Prozeßhandlung treten ein. V. Widerspruchsrecht Anm. 6: Neben der Zustimmung der Hauptversammlung muß noch eine weitere Voraussetzung erfüllt sein: Es darf keine Minderheit, deren Aktien zusammen ein Zehntel des Grundkapitals darstellen, widersprochen haben. Auf die Vollzahlung kommt es nicht an, vielmehr werden nicht vollbezahlte Aktien der Widersprechenden ganz mitgezählt. Stimmhäufungsverbote nach § 134 haben keine Geltung. Zum Widerspruch berechtigen auch stimmrechtslose Aktien. Ein Widerspruch ist zur Niederschrift zu erklären. VI. Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Anm. 7: Wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist oder einen allgemeinen Vergleidi mit seinen Gläubigern schließt, so kann die Gesellschaft auch vor Ablauf von 3 Jahren auf den Anspruch verzichten oder sich darüber vergleichen. Audi dann muß aber die Hauptversammlung zustimmen und es darf keine Minderheit widersprechen. Dagegen ist umgekehrt der Konkursverwalter der AG an die Zustimmung der Hauptverhandlung nicht gebunden. 245
§§51/52
Gründung der Gesellschaft
§ 51 Verjährung der Ersatzansprüche Ersatzansprüche der Gesellschaft nach den §§ 46 bis 49 verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. Für die Verjährung der Ansprüche aus § § 4 6 bis 49 gilt die allgemeine Vorschrift des § 198 BGB nur dann, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung nach Eintragung der Gesellschaft begangen worden ist. Sonst beginnt die Verjährung nach der positiven gesetzlichen Bestimmung erst mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Im übrigen finden aber die allgemeinen Verjährungsvorsdiriften Anwendung, so diejenigen über Hemmung und Unterbrechung der Verjährung. Ansprüche aus anderem Rechtsgrund (s. Vorbemerkungen zu §§ 46 bis 49) als dem der §§ 46—49 verjähren nach allgemeinen Grundsätzen (z. B. § 852 BGB). Die Vorschrift des § 51 geht dem § 852 BGB und anderen speziellen Verjährungsvorsdiriften nicht vor (a. A. Fischer in Großkomm. § 44 Anm. 2). Wenn eine Haftung auch aus unerlaubter Handlung besteht, so kann dieser Anspruch im Zeitraum der hierfür geltenden Verjährungsfrist geltend gemacht werden. Bei dieser Ansicht ist eine umständliche Auslegung und Ausdehnung des § 51, wie es Fischer (a. a. O.) tut, überflüssig.
§ 52 Nachgründung (1) Verträge der Gesellschaft, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, und die in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden, werden nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und durch Eintragung in das Handelsregister wirksam. Ohne die Zustimmung der Hauptversammlung oder die Eintragung im Handelsregister sind auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung unwirksam. (2) Ein Vertrag nach Absatz 1 bedarf der schriftlichen Form, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist. Er ist von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung beschließen soll, in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift zu erteilen. In der Hauptversammlung ist der Vertrag auszulegen. Der Vorstand hat ihn 246
Nachgründung
§52
zu Beginn der Verhandlung zu erläutern. Der Niederschrift ist er als Anlage beizufügen. (3) Vor der Beschlußfassung der Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat den Vertrag zu prüfen und einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Nachgründungsbericht). Für den Nadigründungsbericht gilt sinngemäß § 32 Abs. 2 und 3 über den Gründungsbericht. (4) Außerdem hat vor der Beschlußfassung eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer stattzufinden. § 33 Abs. 3 bis 5, §§ 34, 35 über die Gründungsprüfung gelten sinngemäß. (5) Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Wird der Vertrag im ersten Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so müssen außerdem die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen. Die Satzung kann an Stelle dieser Mehrheiten größere Kapitalmehrheiten und weitere Erfordernisse bestimmen. (6) Nach Zustimmung der Hauptversammlung hat der Vorstand den Vertrag zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung ist der Vertrag in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift mit dem Nachgründungsbericht und dem Bericht der Gründungsprüfer mit den urkundlichen Unterlagen beizufügen. (7) Bestehen gegen die Eintragung Bedenken, weil die Gründungsprüfer erklären oder weil es offensichtlich ist, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder daß die für die zu erwerbenden Vermögensgegenstände gewährte Vergütung unangemessen hoch ist, so kann das Gericht die Eintragung ablehnen. (8) Bei der Eintragung genügt die Bezugnahme auf die eingereichten Urkunden. In die Bekanntmachung der Eintragung sind aufzunehmen der Tag des Vertragsabschlusses und der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der zu erwerbende Vermögensgegenstand, die Person, von der die Gesellschaft ihn erwirbt, und die zu gewährende Vergütung. (9) Vorstehende Vorschriften gelten nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet oder wenn sie in der Zwangsvollstreckung erworben werden. (10) Ein Vertrag nach Absatz 1 ist, gleichviel ob er vor oder nadi Ablauf von zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen ist, nicht deshalb unwirksam, weil ein Vertrag der Gründer über denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist. 247
§ 52 Anm. 1 , 2
Gründung der Gesellschaft
I. Ubersicht (Anm. 1) II. Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen über die Nachgründung (Anm. 2—4) III. Form der Verträge (Anm. 5) IV. Der Nadigründungsberidit (Anm. 6) V. Prüfung durch Gründungsprüfer (Anm. 7)
VI. Der Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 8) VII. Folge der Verletzung der Bestimmungen (Anm. 9 u. 10) VIII. Eintragung des Vertrages (Anm. 11) IX. Ausnahmen von den Bestimmungen (Anm. 12) X. Nadigründung zur Nachholung von Griindervereinbarungen (Anm. 13)
I. Übersicht
Anm. 1: Im wesentlichen sind die Bestimmungen des § 45 A k t G 37 übernommen worden. N e u sind die Bestimmungen in Abs. 2 über die Form der Verträge, ihre Auslegung und ihre Behandlung in der Hauptversammlung (vgl. hierzu im einzelnen Anm. 5). Abs. 6 S a t z 2 des § 45 A k t G 37 ist nicht mitübernommen worden, da diese Bestimmung neben § 26, 2 der Handelsregisterverfügung überflüssig ist. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Gründung mit Sacheinlagen und Sachübernahmen sollen nicht dadurch umgangen werden können, daß nach Eintragung der Gesellschaft Vereinbarungen, welche schon im Gründungsabschnitt ins Auge gefaßt worden sind und die Übernahme von Vermögensgegenständen durch die Gesellschaft betreffen, ausgeführt werden. Aber auch von diesem Umgehungszweck abgesehen, sollen in den ersten zwei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister, Geschäfte von so großer Tragweite, wie die Übernahme von Vermögensgegenständen erheblichen Wertes, nidit ohne die Erfüllung besonderer Vorschriften ausgeführt werden, welche den Schutz der Gesellschaft vor Übervorteilung bezwecken. Die Abhängigkeit, in der sich in diesem Zeitraum die Gesellschaft von dem Kreis der Gründer noch zu befinden pflegt, legt diese Regelung nahe. II. Voraussetzungen f ü r die Anwendung der Bestimmungen über die N a d i gründung
Anm. 2: Verträge der Gesellschaft, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände jeder Art für einen den zehnten Teil des zur Zeit des Vertragsabschlusses bestehenden (nicht etwa später erhöhten) Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, werden, wenn sie in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister abgeschlossen werden, behandelt, wie eine Sachübernahme oder Sacheinlage bei der Gründung. Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit sowohl der Zustimmung der Hauptversammlung, der ein Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats und eine Prüfung durch gerichtlich 248
Nachgründung
§52 Anm.2,3
bestimmte Prüfer voranzugehen hat, als auch der Eintragung in das Handelsregister. Solange diesen Erfordernissen nicht genügt ist, ist der Vertrag schwebend unwirksam. Unterbleiben Zustimmung oder Eintragung, bleibt er es, und zwar überhaupt. Die bei der Gründung in den Worten: „der Gesellschaft gegenüber" liegende Einsdiränkung, welche eine Wirksamkeit im Verhältnis zu den Gründern offenläßt, gilt hier nicht, weil der Vertragsgegner hier die Gesellschaft selbst und nidit neben ihr oder statt ihrer eine sie gründende Person ist, die ungeachtet der Unwirksamkeit gegenüber der Gesellschaft aus dem Geschäft verpflichtet sein könnte. Die Vorschrift gilt auch bei Schuldübernahme gem. § 41 II und ferner audi bei der Sacheinlage auf Kapitalerhöhungen innerhalb des zweijährigen Zeitraumes seit Eintragung der Gesellschaft und hat audi hier ihren selbständigen Inhalt, obwohl die Kapitalerhöhung als solche schon einen Hauptversammlungsbeschluß wie audi die Eintragung voraussetzt. Denn bei einer Sacheinlage innerhalb des zweijährigen Zeitraums von dem angegebenen Ausmaß ist außer diesen beiden Erfordernissen zusätzlich der Nachgründungsbericht des Aufsichtsrates und die Prüfung der Prüfer erforderlich und kann, was noch wichtiger ist, die Eintragung aus den Gründen des § 38 abgelehnt werden, aus denen die Eintragung einer Kapitalerhöhung als solche nicht abgelehnt werden kann, audi nicht wenn Sacheinlagen gemacht werden, nach Ablauf der zweijährigen Frist. Auf dem Wege ordnungsgemäßer Nachgründung können audi schon zur Zeit der Gründung getroffene oder beabsichtigte Vereinbarungen über Sacheinlagen und Übernahmen erneuert und ausgeführt werden, die wegen nicht ordnungsmäßiger Festsetzung in der Satzung (§ 27) nichtig waren (vgl. Abs. 10). Auf nachträgliche Beachtung der Bestimmungen über Sondervorteile und Gründungsaufwand bezieht sich dies nicht. Anm. 3: Die Bestimmungen setzen den Erwerb von Vermögensgegenständen irgendwelcher Art, nicht nur Anlagen oder unbewegliche Gegenstände voraus, gleichviel ob sie schon vorhanden, herzustellen oder zu versdiaffen sind, für welche eine Vergütung von mehr als 10 °/o des Grundkapitals gezahlt werden soll. Maßgebend ist die Höhe des Grundkapitals zur Zeit des Vertragsschlusses. Ist das Grundkapital nach der Gründung erhöht worden, so ist das erhöhte Grundkapital maßgebend, sofern die Kapitalerhöhung vor Vertragsschluß eingetragen worden ist. Mehrere Verträge sind unseres Eraditens zusammenzurechnen, auch wenn sie selbständig sind und keine wirtschaftliche Einheit vorliegt, sofern von vornherein mehrere Verträge gleichzeitig beabsichtigt werden oder sie eine gemeinsame Beziehung namentlich zu den Gründern haben. Denn die Gesellschaft soll vor Mißbrauch des Gründereinflusses be249
§52 Anm. 3—5
Gründung der Gesellschaft
wahrt werden. Einem soldien wäre der Weg freigegeben, wenn es zulässig wäre, daß die Gesellschaft Vermögensgegenstände in der von der Gesetzesstelle bezeichneten A r t zwei verschiedenen Gründern ohne Beachtung der Vorschrift erwerben könnte, obwohl die Vergütung für beide zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigt (a. A. Fischer in Großkomm. § 45 Anm. 2 ; Gessler Soz.Pr. 42, 4 1 8 ; teilweise auch Baumbach-Hueck § 45 Anm. 2). Grundsätzlich sind jedenfalls alle irgendwie unter Umgehung des Gesetzes geschlossenen Verträge unwirksam. Dies ist auch anzunehmen, wenn etwa, um den Vorschriften über Sacheinlagen und Sachübernahmen und über Nachgründung aus dem Wege zu gehen, ein hohes Grundkapital mit niedriger Einzahlung festgesetzt werden sollte, ungeachtet der fortdauernden H a f t u n g auf Vollzahlung, da diese im Wege der Kapitalherabsetzung beseitigt werden kann. Von einem soldien Fall der Umgehung abgesehen, ist jedoch das Grundkapital, nicht das eingezahlte K a p i t a l maßgebend.
Anm. 4: N u r auf solche Verträge findet § 52 Anwendung, die in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft geschlossen werden. Der maßgebende Zeitpunkt ist der Vertragsabschluß selbst, also die rechtswirksame Annahme des Angebots. Wann die Wirkungen eintreten (Bedingung, Befristung) ist gleichgültig. Ein innerhalb der Zweijahresfrist abgeschlossener Vertrag wird nicht etwa durch Ablauf dieser Frist wirksam. Es würde ein Neuabschluß erforderlich sein, dem jede rückwirkende K r a f t fehlt. III. F o r m der Verträge
Anm. 5: Der Abs. 2 bestimmt neu für Nachgründungsverträge die Schriftform, sofern nach anderen gesetzlichen Bestimmungen nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist (z. B. § 313 B G B ) . D a m i t ist die früher bestehende Streitfrage geklärt. U m dem Aktionär die Möglichkeit zu beschaffen, sich über den Inhalt der Verträge genau zu informieren, müssen diese vor der Hauptversammlung in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht ausgelegt werden. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine A b schrift zu erteilen. Beide Verpflichtungen können durch Ordnungsstrafen erzwungen werden (§ 407 I). In der Hauptversammlung ist der Vertrag zu erläutern, nicht etwa zu verlesen, wie es ursprünglich im Regierungsentwurf heißt. Die Verlesung würde die Hauptversammlung unnötig belasten, sie wäre auch unverständlicher f ü r den nicht rechtskundigen Aktionär, als eine Erläuterung, die vollständig und verständlich sein muß. Der Vertrag ist der Niederschrift über die Hauptversammlung als Anlage beizufügen, um dem Registerrichter die Möglichkeit zu geben, zu überprüfen, ob der zur Anmeldung eingereichte Vertrag dem Vertrag entspricht, den die Hauptversammlung genehmigt hat (amtliche Begründung zum Reg.-Entwurf). 250
Nadigründung
§52 Anm. 6,7
IV. Der Nachgründungsberidit Anm. 6: Die Verträge sind durch den Aufsichtsrat zu prüfen, nicht etwa durch den Vorstand, der sie ja abschließt und damit die Verantwortung übernimmt. Über das Ergebnis der Prüfung ist ein Bericht zu erstatten, und zwar vom Aufsichtsrat als Kollegium auch dann, wenn er nur von einzelnen seiner Mitglieder abgefaßt ist. Er muß mithin zum Gegenstand einer Beratung und Beschlußfassung des gesamten Aufsichtsrats gemacht werden. Zu unterschreiben ist er vom Vorsitzenden (§ 107 II). Wie im Gründungsbericht bei der Sachübernahme sind die Umstände darzulegen, von welchen die Angemessenheit der Gegenleistung abhängt, ferner die vorausgegangenen Rechtsgeschäfte, die auf den Erwerb durch die Gesellschaft hingezielt haben, die Anschaffungs- und Herstellungskosten aus den letzten beiden Jahren und im Falle des Überganges eines Unternehmens der Betriebsertrag aus den letzten beiden Geschäftsjahren. Ferner hat der Nachgründungsbericht anzugeben, ob und in welcher Weise ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates sich einen Vorteil, eine Belohnung oder Entlohnung für die Vorbereitung oder Durchführung des Erwerbs ausbedungen hat. Ebensowenig wie entsprechend § 34 II ein Bericht des Vorstandes, ist ein Gründerbericht für Sacheinlage bei Kapitalerhöhung vorgesehen. V . Prüfung durch Gründungsprüfer Anm. 7: Vor der Beschlußfassung durch die Hauptversammlung hat eine Prüfung durch vom Gericht bestellte (§ 33 III) unabhängige Prüfer stattzufinden, auf welche die Vorschriften über den Bericht der Gründungsprüfer (§ 34) und die Aufklärungspflicht der Gründer (§ 35), hier des Vorstandes, entsprechend anzuwenden sind. Vor der Beschlußfassung der Hauptversammlung sind der Nachgründungsbericht und Prüfungsbericht zu erstatten. Aus dieser Vorschrift geht, da der Nachgründungs- und Prüfungsbericht den Nachgründungsvertrag zum Gegenstand haben, also voraussetzen, des weiteren hervor, daß die Zustimmung der Hauptversammlung dem Nachgründungsvertrag nicht vorausgehen, sondern nur nachfolgen kann (jetzt auch Fischer in Großkomm. § 45 Anm. 8; a. A. Baumbach-Hueck § 45 Anm. 3). Nach letzterem soll es genügen, wenn der Vertrag der Hauptversammlung im Entwurf vorliegt. Die herrschende Meinung erklärt den Hauptversammlungsbeschluß für anfechtbar, wenn er ohne Nachgründungsbericht des Aufsichtsrates, dagegen für nichtig, wenn er ohne Prüfungsbericht gefaßt war. Unseres Erachtens ist der Beschluß anfechtbar in dem einen wie in dem anderen Falle, mag er positiv oder negativ sein. Der zwischen den beiden Berichten gemachte Unterschied scheint uns innerlich unbegründet. Man kann von dem einen wie von dem anderen sagen, daß er im öffentlichen Interesse vorgeschrieben sei, nicht aber, daß 251
§52 Anm. 7—9
Gründung der Gesellschaft
der Hauptversammlungsbeschluß durch seinen Inhalt gegen die Bestimmung verstoße, wenn er ohne die Berichte oder einen von ihnen gefaßt war. Trägt auch das Registergericht ohne die Berichte ein, so ist die Nachgründung wirksam. Eine Löschung der Eintragung von Amts wegen nach § 144 FGG kommt ebensowenig in Frage, wie eine Nichtigkeit des Beschlusses nach § 241 Abs. 3. Nach Ritter soll der Beschluß, wenn der Bericht des Aufsichtsrates unterblieben ist, nicht einmal anfechtbar sein. Seine Gründe passen ebenso auf den anderen Fall, daß kein Prüfungsbericht erstattet worden ist, und würden überzeugen, wenn es erträglich wäre, in einem solchen Fall der Minderheit kein anderes Mittel an Hand zu geben, um die Beibringung des Berichtes zu erzwingen, als eine Eingabe an das Gericht. VI. Der Beschluß der Hauptversammlung Anm. 8: Die Verträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung. Der Beschluß bedarf vorbehaltlich erschwerender Bestimmungen der Satzung einer Mehrheit von wenigstens s/4 des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals. Über die Berechnung dieser Mehrheit vgl. Anm. zu § 179 und zu § 133. Diese muß Vi des Grundkapitals überhaupt umfassen, wenn der Vertrag im ersten Jahr nach der Eintragung der Gesellschaft geschlossen worden ist. Es kommt sonach auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht der Beschlußfassung an. Der Vertragsgegner kann mitstimmen § 136 I. Die Satzung kann eine höhere Stimmenmehrheit vorschreiben (§ 133), desgleichen eine höhere Kapitalmehrheit. Diese braucht sich aber nicht nach dem in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapital zu richten, vielmehr kann sie sich auf das Grundkapital schlechthin beziehen. Die Kapitalmehrheit darf niemals kleiner als 3/t des vertretenen Grundkapitals sein. Eine Satzungsbestimmung, wonach die Zustimmung der Hälfte des Grundkapitals verlangt wird, ist mithin nur gültig, wenn sie den Zusatz enthält: mindestens aber 3/4 des in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals. Die Satzung kann zusätzlich noch andere Erfordernisse aufstellen, z. B. daß ein bestimmter Bruchteil des Grundkapitals in der Hauptversammlung vertreten ist. VII. Folge der Verletzung der Bestimmungen Anm. 9: Anders als bei den Verträgen bei der Gründung, welche mangels Festsetzung in der Satzung der Gesellschaft gegenüber schlechthin unwirksam sind (und nur durdi Neugründungsverträge, auf welche die vorstehenden Bestimmungen anzuwenden sind, noch in die Wirklichkeit umgesetzt werden können), handelt es sich hier um eine schwebende Unwirksamkeit. Nicht 252
Nachgründung
§52 Anm. 9 , 1 0
ganz klar ist die Bindung des Vertragsgegners an den Vertrag. Abzulehnen ist die Vorstellung^ daß kein Vertragsteil an den Vertrag überhaupt gebunden ist, bevor die Entscheidung der Hauptversammlung gefallen ist. Dies würde zur Folge haben, daß der Vertragsgegner über den Gegenstand des Vertrages zwischenzeitlich anders verfügen könnte. Vielmehr ist er an den Vertrag mangels Vereinbarung einer Frist, während einer angemessenen Frist gebunden, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 147 I I B G B . E r kann nicht weniger gebunden sein, als wenn er der Gesellschaft einen Antrag gemacht hätte. Es ist daher auch, wenn es sich um ein Grundstück handelt, möglidi, auf Grund Bewilligung oder einstweiliger Verfügung, wenn die Voraussetzung für eine solche vorliegt, eine Vormerkung zur Sicherung des Auflassungsanspruches im Grundbuch eintragen zu lassen. Nach Ablauf einer angemessenen Frist wird der Vertragsgegner ohne weiteres frei ( R G 121, 105; a. A. Schl.-Qu. § 45 Anm. 11; Baumbach-Hueck § 45 Anm. 3, weldie fruchtlose Fristsetzung voraussetzen; ähnlich Fischer in Großkomm. Anm. 4 ; Ritter Anm. 2 b will §§ 177, 178 B G B , R G J W 29, 2944 § 178 sinngemäß anwenden). D a die Bindung der Gesellschaft nur durch die Zustimmung der Hauptversammlung und Eintragung des Vertrages in das Handelsregister eintreten soll, hat der Vertragsgegner in der Schwebezeit gegen die Gesellschaft keinerlei Rechte. E r kann nicht einmal eine Vertragsstrafe bedingen für den Fall, daß der Vorstand es unterläßt, die Beschlußfassung der Hauptversammlung und die Eintragung in das Handelsregister während der vereinbarten oder einer angemessenen Frist zu betreiben. E r kann nur von den Vorstandsmitgliedern persönlich sich für diesen Fall eine Strafe (Vertragsstrafe kann man eine solche nicht nennen, weil die Vorstandsmitglieder nicht Vertragspartei sind) oder eine Gewährleistung versprechen lassen. Anm. 10: Schwebend unwirksam sind nach ausdrücklicher Gesetzesvorsdirift auch die Ausführungsgescbäfte, insbesondere die dinglichen. Der Wortlaut des Gesetzes zwingt nicht zu der Deutung, daß sie, wenn sie vor Zustimmung der Hauptversammlung und vor Eintragung stattfinden, schlechthin unwirksam sind und nach Zustimmung und Eintragung wiederholt werden müssen. Auch die in das Grundbuch eingetragene Auflassung eines Grundstücks ist unwirksam, wenn nicht die Hauptversammlung nachträglich zustimmt und der Vertrag nicht nachträglich eingetragen wird. D a ß in einem solchen Falle, wenn diese Voraussetzung nicht eintritt, Grundbuchberichtigung verlangt werden könne, hat das K G ( H R R 33, Nr. 59 nach H G B ) zwar verneint, ist aber die unabweisbare Folge. Verfügt die Gesellschaft über das Grundstück zugunsten eines Gutgläubigen, so greift § 892 B G B ein. Zahlt die Gesellschaft eine Hypothek zurück, so zahlt sie eine Nichtschuld, da sie eine eigene und keine fremde Schuld zahlen will. Der Hypothekengläubiger ist zur Rückzahlung verpflichtet, doch ist der Gesellschaft § 814 B G B ge253
§ 52
Anm. 10,11
Gründung der Gesellschaft
fährlich. Ist die Gesellschaft zur Heraus- oder Rückgabe des Empfangenen nicht in der Lage, so wird sie nur als verpflichtet angesehen werden können, einen in ihrem Vermögen noch vorhandenen Ersatz herauszugeben. Eine weitergehende Verpflichtung würde den Zweck der Vorschrift gefährden. Stimmt die Hauptversammlung dem schuldrechtlichen Nachgründungsvertrag zu und wird dieser ins Handelsregister eingetragen, so werden auch die Ausführungsgeschäfte voll wirksam, ohne daß die Hauptversammlung ihnen besonders zustimmen und es besonders eingetragen zu werden braucht. Dies ergibt der Wortlaut: „ohne die Zustimmung". Durch den Zustimmungsbeschluß und die nachfolgende Eintragung werden sowohl die sdiuldrechtlidien als auch die dinglichen Geschäfte mit dem Zeitpunkt ihres Abschlusses wirksam. VIII. Eintragung des Vertrages Anm. 11: Der Vertrag ist vom Vorstand, d. h. von soviel Vorstandsmitgliedern als zur Vertretung der Gesellschaft notwendig sind, nicht von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes, dem Gericht zur Eintragung einzureichen. Zusätzliche Erklärungen sind nicht vorgeschrieben. Ein Zwang kann nicht ausgeübt werden (§ 407 I). Die beizufügenden urkundlichen Unterlagen der Berichte sind: Gutachten, Schätzungen, Rentabilitätsberechnungen usw. Die Eintragung in das Handelsregister kann vom Registerrichter unter denselben Voraussetzungen abgelehnt werden, wie die Eintragung der Gesellschaft selbst nach der Gründung, nämlich, wenn offensichtlich ist, d. h. aus den Akten hervorgeht, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder daß die gewährte Gegenleistung unangemessen hoch ist oder wenn etwas von diesem allen von den Gründungsprüfern erklärt wird. Im Falle der Offensiditlidikeit ist für ein Ermessen des Richters kein Platz, vielmehr muß er in diesem Falle die Eintragung ablehnen. Die Erklärung der Prüfer bindet ihn dagegen nicht und läßt seinem pflichtgemäßen Ermessen Spielraum. Die Eintragung ist eine Voraussetzung der Wirksamkeit des Vertrages. Auch im Handelsregister einer Zweigniederlassung, wenn eine solche besteht, ist der Vertrag einzutragen. Es genügt Datum und Gegenstand des Vertrages, im übrigen Bezugnahme auf die Urkunde. Die gleichzeitige Erwähnung (Eintragung) des Zustimmungsbeschlusses ist auch ohne Kapitalerhöhung erforderlich, weil anderenfalls dem Handelsregister die Wirksamkeit des Vertrages nicht zu entnehmen wäre. Die nach § 10 H G B notwendige Bekanntmachung ist nach Abs. 8 eingehender als die Eintragung und hat auch den Vermögensgegenstand, den Veräußerer und die Vergütung anzugeben. Die Ausführungsgeschäfte werden weder eingetragen noch bekanntgemacht. 254
Nachgründung
§52 Anm. 12,13
IX. Ausnahmen von den Bestimmungen Anm. 12: Die Vorschriften über die Nachgründung gelten nidit für den Fall, daß der Erwerb des Vermögensgegenstandes in den Rahmen des Gegenstandes des Unternehmens fällt. Gemeint ist der Fall, daß die Gesellschaft, welche den Handel mit bestimmten Gütern, z. B. dem Grundstückshandel, die Siedlung usw. betreibt, zum Erwerb dieser den Gegenstand ihres Handels bildenden Güter nicht die Form der Nachgründung erfüllen muß. Es ist nicht zu verkennen, daß hierin eine Schädigungsgefahr für die Gesellschaft liegen kann, wenn sie soldie Gegenstände von Aktionären erwirbt. Hier greift der Schutz des § 117 ein. Es ist ferner zu beachten, daß Abs. 9 keine Ausnahme davon bestimmt, daß Verträge, die schon im Gründungsstadium beabsichtigt waren, immer nur durdi Nachgründung ausgeführt werden können, auch wenn der Gegenstand der Verträge (Waren) unter den Unternehmensgegenstand fällt. Eine weitere Ausnahme besteht für den Erwerb in der Zwangsvollstreckung. Damit soll auch nicht gesagt sein, daß es auf die Form des Erwerbs ankomme, entscheidend ist die Ursache. X. Nachgründung zur Nadiholung von Gründervereinbarungen Anm. 13: Die Nachgründung kann auch stattfinden, um Vereinbarungen auszuführen, welche schon zur Zeit der Gründung beabsichtigt waren, ohne in der Satzung festgesetzt worden zu sein. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn nach einem bei der Gründung geschlossenen Vertrag die Gesellschaft zur Sachübernahme nur berechtigt, nicht verpflichtet war (HRR 40 Nr. 1354). Diese Absicht des Gesetzes würde nicht voll erreicht werden, wenn die Nachgründung für den Erwerb von Vermögensgegenständen ausgeschlossen wäre, für welche eine Vergütung von weniger als dem zehnten Teil des Grundkapitals zu gewähren ist. Es kann nicht angenommen werden, daß für einen solchen Erwerb auf die Sicherheitsvorkehrungen der Nachgründung verzichtet werden sollte, und daß sonach ein solcher statthaft sein soll, auch wenn er schon im Gründungszustande beabsichtigt war. Andererseits muß auch für einen solchen Erwerb die Möglichkeit offenstehen, ihn nachträglich unter Befolgung der gesetzlichen Vorschrift durchzuführen (a. A. Schl.-Qu. Anm. 13, Herbig D N Z 37, 202, der § 20 Abs. 2 AktG 37 in Verbindung mit § 60 AktG 37 hier als ausreichende Sicherung ansieht; ebenso BaumbachHueck Anm. 8). Der Weg der Nadigründung ist auch dann zu gehen, wenn schon mehr als zwei Jahre seit der Eintragung der Gesellschaft verstrichen sind und es sich um die Ausführung von Vereinbarungen handelt, die schon im Gründungszustand vorgesehen waren. Abs. 9 bestimmt keine Ausnahme von § 27. Der Wortlaut des Gesetzes schließt auch heute nicht ganz den Zweifel aus, ob es sich um bindende Vereinbarungen unter den Gründern handeln muß oder ob überhaupt für jeden Erwerb, welcher im Gründungs255
§§52/53
Anm. 13/1,2
Gründung der Gesellschaft
zustande schon in Aussicht genommen war, ohne daß für ihn die Festsetzung in der Satzung vorgenommen worden ist, nach Eintragung der Gesellschaft der Weg der Nachgründung ausschließlich offensteht. Wir schließen uns der strengeren letzteren Auffassung an (ebenso R G 167, 99); Abs. 10 läßt auch nur die Heilung von Verstößen gegen § 27, nicht auch gegen § 26, durch Hauptversammlungsbeschluß und Eintragung ins Handelsregister zu ( R G 167,117). Einseitig kann jedoch die Gesellschaft den Weg der Nachgründung nicht gehen, wenn die bei der Gründung ins Auge gefaßten oder getroffenen Vereinbarungen nicht in der Satzung festgesetzt worden sind, denn es handelt sich nicht um eine nur schwebende Unwirksamkeit, welche sich in eine Vollwirksamkeit durch eine ausstehende, aber beizubringende Genehmigung umwandeln könnte. Nach Abs. 10 setzt die Nachgründung ausdrücklich einen neuen Vertrag voraus. Es wird auch durch die Nachgründung nicht etwa der ursprüngliche nach § 27 nichtige Vertrag geheilt. Betraf dieser eine Sacheinlage, so bleibt es dabei, daß statt ihrer eine Bareinlage zu leisten ist (§ 27 I I 2). Ob dagegen mit dem Zahlungsanspruch aus dem Nachgründungsvertrag aufgerechnet werden kann, beurteilt sich nach § 66. § 53 Ersatzansprüche bei der Nadigründung Für die Nachgründung gelten die §§ 46, 47, 49 bis 51 über die Ersatzansprüche der Gesellschaft sinngemäß. An die Stelle der Gründer treten die Mitglieder des Vorstands und des Aufsiditsrats. Sie haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Gesdiäftsleiters anzuwenden. Soweit Fristen mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister beginnen, tritt an deren Stelle die Eintragung des Vertrags über die Nadigründung.
Anm. 1: Die Vorschrift stimmt im wesentlichen mit § 46 A k t G 37 überein. Neu ist Satz 4, mit dem klargestellt wird, daß die Fristen der §§ 50 und 51 im Fall der Nachgründung erst mit der Eintragung des Vertrags über die Nachgründung beginnen und nicht bereits mit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister. Anm. 2: Die Vorschrift besagt, daß für die bei einer Nachgründung beteiligten Personen die gleiche Haftung besteht, wie bei der Gründung. Dies betrifft sowohl den Haftungstatbestand, als auch den Umfang der Haftung, die Voraussetzungen für Verzicht oder Vergleich hinsichtlich der Forderung durch die Gesellschaft und die Verjährung. Der Fall liegt nicht mehr so wie bei der Gründung, da die Gesellschaft nicht mehr unvertreten den Gründern preisgegeben ist, solche vielmehr nicht mehr auftreten, die Gesellschaft da256
Ersatzansprüche bei der Nachgründung
§53 Anm. 2
gegen in Vorstand und Aufsichtsrat eigene zur Wahrnehmung ihrer Interessen berufene Organe hat, die als solche bei der Nadigründung tätig werden. An Stelle der Gründer haften daher hier die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, deren Haftung überschneidet sich mit ihrer allgemeinen Haftung aus § 93 bzw. § 116, geht aber nicht restlos in dieser auf. So haften z. B. die Mitglieder des Vorstandes für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in dem vom Aufsichtsrat erstatteten Nachgründungsbericht. Das Umgekehrte gilt nicht, weil bei der Nadigründung ein Vorstandsbericht, wie bei der Gründung (§ 33 II), nicht vorgeschrieben ist. Vor allem aber ist die Haftung nach § 46 eine Gewährleistung, die über Schadensersatz hinausgeht. Meist wird die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder auch nach § 116 bestehen. Der Grad der anzuwendenden Sorgfalt, für welche Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder einzustehen haben, ist — anders als bei der Gründerhaftung — derselbe, den sie nach den § § 9 3 und 116 aufwenden müssen, nämlich Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Neben ihnen haften die Nachgründungsprüfer, aber auch die Gründergenossen des § 47 N r . 1 und 2, also insbesondere die Sacheinleger (bei Kapitalerhöhung) und Sachüberlasser, wenn sie die Gesellschaft dabei vorsätzlich oder grobfahrlässig schädigen. Zweifelhaft ist, ob die Hintermänner von Sacheinlegern und Überlassern nach § 46 V in Verb, mit § 53 haften, weil nicht letztere, sondern die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder den Gründern gleichgestellt sind. Dies kann aber nicht für diese Hintermänner gelten, da diese nur in Beziehungen zu dem Nachgründer stehen und deshalb in sinngemäßer Anwendung des § 46 V haften. Endlich haftet auch ein Emittend, welcher in den ersten zwei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft (auch noch nach Eintragung der Nachgründung) die Aktien öffentlich ankündigt, um sie in den Verkehr einzuführen, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Nachgründung gemacht worden sind, oder die Schädigung der Gesellschaft durch Sacheinlage oder Sachübernahme kennt oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes kennen muß. Die strafrechtliche Haftung ergib: sich aus §§ 399 I 1—3, § 400 N r . 1, §403.
17
Wilhelmi, Aktiengesetz
257
§ 54
Anm. 1
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
DRITTER TEIL
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 54 Hauptverpflichtung der Aktionäre (1) Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien begrenzt. (2) Soweit nicht in der Satzung Sacheinlagen festgesetzt sind, haben die Aktionäre den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. (3) Der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag kann nur in gesetzlidien Zahlungsmitteln, in von der Deutschen Bundesbank bestätigten Schedas, durch Gutschrift auf ein Konto im Inland bei der Deutschen Bundesbank oder einem Kreditinstitut oder auf ein Postscheckkonto der Gesellschaft oder des Vorstands zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden. Forderungen des Vorstands aus diesen Einzahlungen gelten als Forderungen der Gesellschaft. I. Uberblick (Anm. 1) II. Verpflichtungen des Aktionärs 1. Einlagepflidit (Anm. 2—8) 2. Weitere Verpflichtungen a) Ausschluß weiterer Verpflichtungen im allgemeinen (Anm. 9)
b) Persönliche Verpflichtungen der Aktionäre (Anm. 10) c) Verpflichtungen im Fall des Verzugs des Aktionärs (Anm. 11) d) Freiwillige Leistungen des Aktionärs (Anm. 12) e) Sogenannte Hilfspflichten (Anm. 13)
I. Überblick Anm. 1: Die Vorschrift entspricht im wesentlichen der des § 49 A k t G 37; in Abs. 3 sind die Möglichkeiten der Zahlungsweise erweitert worden. Abs. 1 spricht die einseitige körperschaftsrechtliche Verpflichtung der Aktionäre aus die Einlage zu leisten. Abs. 2 desgleichen und daneben den Grundsatz, daß die Einlageschuld immer eine Geldschuld ist, wenn nicht gemäß § 27 wirksam in der Satzung ein anderer zulässiger Gegenstand der Einlage bedungen worden ist. Absatz 3 bestimmt die ausschließlich möglichen Arten der Leistung der Geldeinlagen. Absatz 1 spricht daneben die Unmöglichkeit aus, die Einlageschuld nachträglich zu erhöhen und die grundsätzliche Unzulässigkeit weiterer Verpflichtungen der Aktionäre als solcher neben der 258
Hauptverpflichtung der Aktionäre
§54
Anm. 1—3
Einlage. Damit wird das Maß der Verpflichtung der Aktionäre nach innen unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten begrenzt. § 54 ist in vollem Umfange zwingend. II. Verpflichtungen der Aktionäre 1. Einlagepflicht Anm. 2: Die Verpflichtung der Aktionäre, die Einlage zu leisten, ergibt sich aus der angenommenen vorbehaltlosen Übernahme von Aktien, die Höhe aus dem sich aus der Satzung ergebenden Nennwert und dem festgesetzten Ausgabebetrag. Zu klären ist das Verhältnis dieser Verpflichtung zur Verbandsgewalt. Größtenteils ist dies durch Absatz 1 in dem Sinn geschehen, daß die Verpflichtung nicht nachträglich durch Beschluß vergrößert oder erweitert werden kann. Innerhalb des Ausmaßes der Verpflichtung kann ein Spielraum für die Verbandsgewalt bestehen, z. B. hinsichtlich einer Vorverlegung der EinZahlungstermine, die bei der Gründung festgesetz waren. Grundsätzlich hat jeder Aktionär ein Recht auf gleichmäßige Ausübung der Verbandsgewalt gegenüber allen Aktionären (vgl. Anm. 4 zu § 1), demnach auch darauf, daß die Einzahlungen, sei es, weil Termine nicht festgesetz waren, sei es in Abweichung von den festgesetzten Terminen, gleichmäßig eingefordert werden (RG, JW 36 S. 446). Dies gilt auch vor der Eintragung (vgl. § 29 Anm. 4). Die Fälligkeit der Einlageverpflichtung ergibt sich aus vorstehendem, doch schreibt § 36 zwingend vor, daß bei Geldeinlagen des Nennbetrages und das Aufgeld schon vor der Anmeldung der Gesellschaft zu leisten ist. Grundsätzlich ist die EinZahlungsverpflichtung eine Barzahlungsverpflichtung, soweit nicht entsprechend § 27 der Satzung eine Sacheinlage bedungen ist. Aus Abs. 2 ergibt sich zusätzlich, daß der Nennbetrag immer zu zahlen ist, auch wenn unzulässigerweise eine Ausgabe unter dem Nennbetrag festgesetzt und die Gesellschaft eingetragen worden ist (Anm. 3 zu § 9). Anm. 3: Schuldner der Einlagepflicht sind diejenigen, die bei der Gründung Aktien übernommen oder bei der Kapitalerhöhung Aktien gezeichnet haben. Werden — zulässig oder unzulässig — Aktien ausgegeben, bevor die Einlagepflicht voll erfüllt ist, so ist zu unterscheiden, ob eine Geldeinlage oder eine Sacheinlage zu bewirken ist. Die Verpflichtung, die Geldeinlage in Höhe des Nennbetrages oder des höheren Ausgabebetrags zu leisten, hat der Aktionär als solcher, d. h. der jeweilige Aktionär. Dies ergibt sich aus Abs. 2. Veräußert der Übernehmer seine nicht voll eingezahlte Aktie, so haftet infolgedessen der Erwerber. Der Veräußerer haftet nur hilfsweise, nämlich erst dann, wenn vom Erwerber die Leistung nicht zu erlangen ist (§ 65). 259 17*
§ 54
Anm. 3—5
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Der Erwerber ist ohne besondere Übernahmeerklärung allein durch den Erwerb und durch seine Eigenschaft als Aktionär zur Entrichtung der Einlage verpflichtet, auch wenn keine Urkunden ausgegeben sind (KG, JW 1927, 2423), wie er Aktionär (Mitglied) ohne Vertrag mit der Gesellschaft durch Erwerb der Aktie wird. Anm. 4: Die Verpflichtung, die Sacheinlage zu leisten, hat nur der ursprüngliche Aktionär. Ihm dürfen Aktien nicht ausgehändigt werden bevor er die Sacheinlage bewirkt hat (Anm. 3 zu § 10). Veräußert er die Aktien, sei es durch Abtretungsvertrag, sei es durch Übergabe der Urkunde, wenn ihm eine solche unzulässigerweise gegeben wurde, so bleibt er doch verpflichtet, die Sadieinlage zu bewirken. Das Gesetz befaßt sich mit den Rechten eines solchen Aktionärs vor Bewirkung der Sacheinlage nicht. Zweifellos entstehen auch seine Aktienrechte durch die Eintragung der AG, aber es muß angenomen werden, daß sie bis zur Bewirkung der Sacheinlage ruhen, gewissermaßen, daß ihnen die Einrede des nichterfüllten Vertrages entgegenstehen. Im Falle der Abtretung des Aktienrechtes würde sich anderenfalls, wenn der ursprüngliche Aktionär seine Verpflichtung nicht erfüllt und auch nicht Schadensersatz leistet, ergeben, daß der Erwerber der Aktie Teil hat an dem eingezahlten Grundkapital und dem Bilanzgewinn, ohne daß sein Rechtsvorgänger eine Einlage bewirkt hätte. Aber auch das Stimmrecht ruht (vgl. § 134 II S. 1). Ist die Sacheinlage nicht wirksam vereinbart, weil sie nicht in der Satzung festgelegt wurde (§ 27), so ist die Einlage in Geld zu leisten (Abs. 2 und § 27 II), und zwar in Höhe des Nennbetrages der übernommenen Aktien und des Aufgeldes, welches sich aus dem Ausgabebetrag der anderen Aktien oder dem Wert der gescheiterten Sacheinlage ergibt. Außer durch Nachgründung (§ 52) kann die unterbliebene wirksame Festsetzung in der Satzung nach der Eintragung nicht mehr nachgeholt werden. Über Mangel der bürgerlich-rechtlichen Form und Unmöglichkeit vgl. Anm. 5—7 zu §27. Anm. 5: Wenn der Erwerber von Zwischenscheinen (§ 10), welche zwar die Höhe der Einzahlung nicht angeben, aber sich schon äußerlich nur als vorläufige Urkunden darstellen, oder von nicht beurkundeten Aktienrechten, davon keine Kenntnis hat, daß die Einlage nicht erfüllt ist, so ist er doch zur Erfüllung verpflichtet, weil die Einlageschuld den Aktionär als solchen trifft (KG, JW, 1927, 2434). Wenn aber eine Namensaktie die geleistete Einzahlung zu hoch angibt oder wenn von der Gesellschaft unzulässigerweise Inhaberaktien vor der Vollzahlung ausgegeben werden (§ 10 II), so kann die Gesellschaft die Zahlung von dem gutgläubigen Erwerber nicht verlangen, der sich ersterenfalls auf die Angabe in der Urkunde, letzterenfalls auf die 260
Hauptverpflichtung der Aktionäre
§54 Anm. 5,6
Erfüllung der gesetzlichen Vorschrift durch die Gesellschaft verlassen hat (KG a. a. O.; RG 144, 145). Dabei handelt es sidi nicht um eine grundsätzlidhe Abweichung für die Inhaberaktie, sondern um eine Ausnahme zugunsten des gutgläubigen Erwerbers einer solchen, welche sich gleichfalls aus aktienrechtlichen Grundsätzen ergibt, denn die Inhaberaktie ist als solche zugelassen, um die Verkehrs- und Umlauffähigkeit der Aktie zu sichern, welche erheblich behindert wäre, wenn der Erwerber einer Inhaberaktie sich darum kümmern müßte, ob sie voll bezahlt ist. Abgeschwächt muß dasselbe für Namensaktien gelten, die die geleistete Einzahlung zu hoch angeben. In beiden Fällen haftet der Gesellschaft der Vorstand (§ 93 III Nr. 4), wo freilich der zweite Fall nicht ausdrücklich erwähnt ist. Weniger zweifelhaft ist die Fortdauer der Haftung des schlechtgläubigen Veräußerers; zwar besteht für ihn, wenn er ein Entgelt erhalten hat, eine Herausgabepflicht gegenüber der Gesellschaft nach § 816 BGB oder eine Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB. Davon verschieden ist aber die Frage, ob er die aktienrechtliche Verpflichtung weiter trägt, die Einlageschuld zu erfüllen, welche sich regelmäßig durch die Veräußerung der Aktie für den Veräußerer in eine zeitlich und inhaltlich begrenzte Haftung verwandelt. Trotz der Veräußerung kann diese Verpflichtung deshalb weiter bestehen, weil infolge des guten Glaubens des Erwerbers die Veräußerung nicht den Erfolg gehabt hat, daß an die Stelle des ausscheidenden Schuldners (Veräußerers) der neue Erwerber tritt. Man wird aus dem Grundsatz der §§ 64, 65 die Bejahung der Frage ableiten müssen (ebenso Fischer in Großkomm. § 10 Anm. 11). Grundsätzlich gilt aber auch für die Inhaberaktie, daß der jeweilige Aktionär Einlageschuldner ist, dies ergibt sich ohne weiteres, wenn dem Erwerber bekannt ist, daß die Einlage noch aussteht. Uber Erlaß, befreiende Schuldübernahme, Abtretung, Pfändung s. § 66. Über die vor der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister einzufordernden Mindest- und einforderbaren Höchstbeträge siehe Anm. 9 zu § 36. Abs. 3 gilt für jeden vor der Anmeldung eingeforderten Betrag, auch wenn er über dem gesetzlichen oder satzungsmäßigen Mindestbetrag hinausgeht. Anm. 6: Die Erfüllung der Einlageschuld erfolgt bei der Sacheinlage durch Übereignung einzulegender Sachen oder Abtretung einzulegender Rechte. Bei Geldeinlagen ist die Zeit vor und nach der Eintragung zu unterscheiden. Nach der Eintrugung kann die Geldeinlage wie jede andere Schuld erfüllt werden, nur besteht nach § 66 ein Verbot des Erlasses und der einseitigen Aufrechnung durch den Einlageschuldner. Die Aufrechnung durch die Gesellschaft ist zulässig, soweit sie nicht gegen besondere aktienrechtliche Bestimmungen verstößt, also darin etwa ein nach § 66 I S. 1 verbotener Erlaß liegt. 261
§ 54
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 6
Das gleiche gilt von der Annahme an Erfüllung statt (a. A. Teichmann-Köhler § 49 Anm. 1), die aber außerdem nicht zur Umgehung der Vorschriften über die Sacheinlagen führen darf. Die Zahlung kann — was nunmehr ausdrücklich im Gesetz aufgeführt worden ist — auch durch bestätigten Bundesbankscheck erfolgen oder durch Ausführung einer Zahlung auf Grund einer Anweisung der Gesellschaft für ihre Rechnung. Kundenwechsel und eigene Akzepte des Aktionärs oder Schecks auf eigenes Bankkonto des Aktionärs dürfen nicht an Erfüllung statt, sondern nur erfüllungshalber angenommen werden. Die Einlage ist in solchem Fall erst geleistet (auch im Sinne von § 134 II) bei Eingang, nicht schon bei Weiterverwertung und Empfang der vorläufigen Gutschrift des Verwertungserlöses. Audi wenn die Gesellschaft ein Kundenpapier des Aktionärs erfüllungshalber entgegengenommen hat und mangels Wahrung der Protest- bzw. Vorlegungsfrist der Regreß gegen den Aktionär und seine Vorleute verlorengeht, ist ersterer von seiner Einlageschuld nicht befreit. Vor der Eintragung und Anmeldung jedoch bestehen sehr viel formalere Grundsätze. Hier erkennt das Gesetz nur ganz bestimmte Zahlungsweisen als geeignet an, die Einlageschuld zu erfüllen, ohne daß jedoch die Ergebnisse der getroffenen Regelung immer einem sachlichen inneren Grund entsprächen. Es wird anerkannt die Überweisung oder Einzahlung auf Postscheckkonto oder ein Konto eines inländischen Kreditinstituts, einschließlich Bundesbankgirokonto. Ein solches Konto kann auch bei einem, etwa als Gründerin beteiligten Kreditinstituts bestehen und ist dort für den Vorstand der Gesellschaft als solchen in seiner jeweiligen Zusammensetzung — nicht etwa für eine einzelne Vorstandsperson — oder für die Gesellschaft als solche zu errichten. Ferner kann die Zahlung an den Vorstand in gesetzlichen Zahlungsmitteln (Banknoten) oder in von der Deutschen Bundesbank — nicht Landeszentralbank — bestätigten Schecks erfolgen. Erfolgt die Zahlung auf Postscheckkonto des Vorstands oder der Gesellschaft, so kann sie natürlich auch durch Postschecküberweisung geschehen, denn es kommt auf die Gutschrift durch das Postscheckamt an. Letzteres gilt auch für Eingänge auf einem Konto des Vorstands oder der Gesellschaft. Hier eröffnen sich alle Möglichkeiten, die zu einer Gutschrift führen, also Überweisung eines nach Eingang gutgeschriebenen Schecks auf ein anderes Kreditinstitut eines Landeszentralbankschecks, Einzahlung anderer als gesetzlicher Zahlungsmittel, wenn das Kreditinstitut sie annimmt und gutschreibt. Es ist gleichgültig, ob der Einlageschuldner Einzahlung auf das Konto selbst vornimmt oder ob er etwa den Vorstand der Gesellschaft dadurch zwischenschaltet, daß er ihm einen Bankscheck oder Postscheck aushändigt und dieser ihn weitergibt. Von seiner Einlageschuld befreit wird er stets nur dann, wenn die Gutschrift auf dem Konto erfolgt ist. Gibt der Vorstand die Schecks nicht oder nicht ordnungsgemäß weiter und unterschlägt er die Beträge, so ist die Einlage nicht erfolgt. 262
Hauptverpflichtung der Aktionäre
§54
Anm. 6,7
Der zur Einlage Verpflichtete trägt insoweit das Risiko. Er kann sich jedoch davon befreien, indem er die Zahlung durch Banknoten oder einen bestätigten Bundesbanksdieck leistet. Unterschlägt der Vorstand das Geld oder den Scheck, so ist trotzdem die Einlage ordnungsgemäß geleistet. Es ist nicht, wie in der Vorauflage angenommen, eine Ungereimtheit, sondern eine Konsequenz daraus, daß der zur Einlage Verpflichtete grundsätzlich selbst ohne Einschaltung Dritter, auch nicht des Vorstandes, seine Leistung so zu bewirken hat, wie es § 54 III im einzelnen vorschreibt, d. h., die Barzahlung oder die Zahlung durch bestätigten Bundesbankscheck erfolgt an den Vorstand als Vertreter der Gesellschaft. Damit hat die Gesellschaft den Einlagebetrag erhalten. Unterschlägt der Vorstand die Beträge, so unterschlägt er Gelder der Gesellschaft. Anders, wenn sich der Einlageverpflichtete des Vorstandes zur Erfüllung bedient, dann unterschlägt bis zur Gutschrift auf dem entsprechenden Konto der Vorstand Beträge des Einlageverpflichteten. H a t der Aktionär seine Einlageverpflichtung erfüllt, so kann die Zahlungspflicht nicht dadurch Wiederaufleben, daß der Vorstand schon vor der Eintragung der Gesellschaft die eingezahlten Gelder zur Aufnahme des Geschäftsbetriebes verwendet (BGH 15, 66 ff. vgl. auch Wolany Die Aktiengesellschaft 66,121 ff.). Wie die Legitimation des Vorstandes für das Konto zu führen ist, solange er noch nicht im Handelsregister eingetragen ist, der Schutz des § 15 HGB also noch nicht besteht, ist unklar. Die Bestellungsurkunde gibt keine Gewähr dagegen, daß der Vorstand abberufen ist. Der Vorstand dürfte vor Eintragung der Gesellschaft nur dann ermächtigt sein, Einzahlungen über den gesetzlichen oder satzungsmäßigen Mindestbetrag hinaus entgegenzunehmen, wenn es die Satzung besonders gestattet. Anm. 7: In allen Fällen müssen die Einzahlungen zur freien Verfügung des Vorstandes stehen, auch soweit sie erst nach der Eintragung geleistet werden. Zur Frage, wann Einzahlungen zur freien Verfügung des Vorstandes geleistet sind, siehe § 36 Anm. 13. Daß die Beträge zur freien Verfügung des Vorstandes stehen, haben die Gründer, die Vorstands- und die Aufsichtsratsmitglieder zu verantworten. Es ist die Erfüllung dieser Voraussetzung bei der Anmeldung zu erklären und durch schriftliche Bestätigung des Kreditinstituts nachzuweisen (§ 37). Demnach müssen Gründer und Aufsichtsrat bei der Bestimmung der Einzahlungsstelle mitwirken. Unklar ist, wie der Einlageschuldner selbst, wenn er die Zahlung auf ein Konto leistet, sich dessen versichern soll, daß der eingezahlte Betrag zur freien Verfügung des Vorstandes steht. Das Gesetz mutet ihm dies zu, in dem es durch das Wort „kann" zum Ausdruck bringt, daß die Einlageschuld nicht getilgt ist, wenn diese Voraussetzung nicht besteht. Wenn der Schuldner nicht die Barzahlung an den Vorstand oder die Einzahlung oder Uberweisung auf 263
§ 54
Anm. 7,8
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Postscheckkonto, sondern Einzahlung oder Überweisung auf ein für den Vorstand oder die Gesellschaft eingerichtetes Konto wählt, muß er sich demnach ausdrücklich von dem Kreditinstitut bestätigen lassen, daß seine Einlage zur freien Verfügung des Vorstandes steht (ebenso Fischer in Großkomm. § 49 Anm. 17; a. A. Sdil.-Qu. § 49 Anm. 8). Er kann sich auch dadurch sichern, daß er die Einzahlung auf das Konto unter der Bedingung tätigt, daß der Betrag zur freien Verfügung des Vorstandes steht. Die durch Einzahlung entstandenen Guthaben auf den Konten, die auf den Namen der Gesellschaft lauten, sind Forderungen. Lauten die Konten auf den Vorstand, so gelten sie kraft ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes als Forderungen der Gesellschaft. In beiden Fällen sind die Konten Gesellschaftsvermögen der errichteten Gesellschaft (ebenso Fischer in Großkomm. Anm. 18 zu § 49; a. A. Ritter § 49 Anm. 6) und werden Vermögen der Gesellschaft durch deren Eintragung. Sie gehören also im Konkurs des Vorstandes nicht zur Masse, seine Gläubiger können sie nicht pfänden. Er macht sich einer Untreue oder Unterschlagung schuldig, wenn er darüber zu seinen eigenen Gunsten verfügt, andererseits unterliegen sie dem Zugriff der Gläubiger der Gesellschaft und vor der Eintragung, soweit es in diesem Zeitabschnitt Verpflichtungen der Gesellschaft geben kann (z. B. gegen die Gründungsprüfer), dem Zugriff der Gläubiger dieser Verpflichtungen. Auch soweit dem Vorstand Bargeld übergeben ist, ist es Vermögen der Gesellschaft, solange er es nicht verwendet. Auch wenn das Konto auf seinen Namen errichtet ist, ist es Treugut und Vermögen der Gesellschaft. Das wäre nur anders, wenn er mit dem übergebenen Geld Einzahlungen auf ein für ihn schon bestehendes Privatkonto macht, etwa um eine Bankschuld zu tilgen; hierin läge eine Unterschlagung, durch welche eine Forderung für die Gesellschaft gegen die Bank nicht entstehen kann. Obwohl die Einzahlung zur freien Verfügung des Vorstandes stehen muß, darf er nach § 36 Abs. 2 vor der Anmeldung nur in beschränktem Umfang darüber verfügen, aber er darf bares Geld, das er empfangen hat, auf ein Konto der Gesellschaft oder des Vorstandes einzahlen, vorausgesetzt, daß er über dieses künftig frei verfügen kann. Anm. 8: Wenn die Einzahlung vor der Eintragung diese Voraussetzungen nicht erfüllt, bleibt die Schuld bestehen, d. h. der Einlageschuldner hat noch einmal zu zahlen (RG 144, 138 und 348). Die Gründer haften für die fehlende Einzahlung (§ 46), der Aufsichtsrat und Vorstand haftet auf Schadensersatz (§ 48). Da aktienrechtliche Grundsätze den bürgerlichrechtlichen vorgehen, kann auch nicht nach § 819 BGB geholfen werden, wohl aber wird der auf nochmalige Zahlung belangte Aktionär aus seiner ersten Zuwendung einen Bereicherungsanspruch gegen die Gesellschaft in der Höhe besitzen, in welcher zur Zeit der Geltendmachung dieses Anspruchs seine 264
Hauptverpflichtung der Aktionäre
§ 54
Anm.8,9
Zuwendung noch im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, jedoch ohne daß es möglidi wäre, den Einwand der Bereicherungsminderung durch Hinweis auf schlechten Glauben der Gesellschaft auszuschließen. Zu einer einseitigen Aufrechnung dieses Bereicherungsanspruchs ist der Aktionär jedoch nicht berechtigt (§ 66). Vorstehendes gilt nur, wenn der Aktionär die Einlage nicht richtig oder nicht zur freien Verfügung des Vorstandes geleistet hatte. Hatte er dies getan und somit die Einlageschuld erfüllt, kann natürlich von ihm nicht nochmalige Erfüllung verlangt werden, etwa weil der Vorstand vor der Eintragung der Gesellschaft den Betrag der Einlage bereits ausgegeben hat und deshalb bei der Anmeldung die erforderliche Versicherung nicht abgeben und die Eintragung der Gesellschaft nicht herbeiführen kann (BGH 15, 66 ff.). 2. Weitere Verpflichtungen a) Ausschluß weiterer Verpflichtungen im allgemeinen Anm. 9: Der Ausschluß weiterer Verpflichtungen der Aktionäre ist im Gesetz nicht ganz eindeutig ausgesprochen. Der Wortlaut würde nicht ausschließen, daß die Aktionäre zu Nebenleistungen, die keine Einlagen sind (z. B. fortdauernden Dienstleistungen) verpflichtet werden können. Dann würde aber § 55 überflüssig sein, welcher bestimmte Nebenleistungsverpfliditungen unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt. Aber auch Abs. 1 selbst wäre überflüssig, denn daß die Verpflichtung zur Einlage nicht auf der Verbandsgewalt beruht, sondern auf der Übernahmeerklärung bei der Gründung und der Zeichnung der neuen Aktien (Zeichnungsschein § 185), für deren Inhalt nur diese selbst maßgebend sein kann, ergeben die Vorschriften über die Gründung und die Kapitalerhöhung. Absatz 1 sagt daher, daß weder durch Satzung noch durch Ausübung der Verbandsgewalt noch durch Verträge irgendwelche Verpflichtungen der Aktionäre als solche neben der Verpflichtung zur Entrichtung der Einlage begründet werden können, von den gesetzlich besonders zugelassenen Ausnahmen (§§ 55, 63 II) abgesehen. Es handelt sich dabei sogar um einen das Wesen der deutschen Aktiengesellschaft mitbestimmenden zwingenden Rechtsgrundsatz. Demnach ist es insbesondere ausgeschlossen, in der Satzung vorzusehen, daß die Aktionäre verpflichtet sind, der Gesellschaft darlehens- oder nachschußweise Mittel zur Verfügung zu stellen oder daß sie für Verpflichtungen der Gesellschaft haften, ferner daß sie verpflichtet sind, der Gesellschaft Dienste zu leisten, insbesondere als Mitglied des Aufsichtsrates oder Vorstandes oder durch Annahme der Wahl oder der Bestellung zum Mitglied des Aufsichtsrates oder Vorstandes einer anderen Gesellschaft, sich der Verfügung über die Aktien ganz oder unter gewissen Voraussetzungen zu enthalten oder nur mit Zustimmung der Gesellschaft darüber zu verfügen (Ausnahme § 68) oder die Aktien vor Verkauf anderen Aktionären oder Dritten zum Vorkauf anzubieten oder unter gewissen Voraussetzungen der Gesell265
§ 54
Anm. 9,10
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
schaft oder Dritten entgeltlich oder unentgeltlich zu überlassen (entgeltlich verboten durch §§ 57 u. 71) oder bei der Veräußerung Beschränkungen zu beobachten, ferner sich dauernd in bestimmter Weise zu verhalten, insbesondere keinen Wettbewerb zu üben oder Stillschweigen zu wahren, einem Verein angehören, Geschäfte nur mit der Gesellschaft oder bestimmten Dritten zu machen usw. Es ist auch nicht zulässig, die Einziehung (Verwirkung) der Aktien für den Fall eines bestimmten Verhaltens anzudrohen; auch nicht für den Fall, daß ein bestimmter Aktienhöchstbesitz überschritten wird. Davon verschieden ist die Frage, ob die Einziehung der Aktien für einen Fall vorgesehen werden kann, der in der Person eines Aktionärs ohne sein Zutun unwillkürlich eintritt. Dies ist für die Inhaberaktie zu verneinen, weil es mit dieser unvereinbar ist, daß persönliche Eigenschaften des Aktionärs eine Rolle spielen, bei vinkulierten Namensaktien dagegen unseres Erachtens wenigstens für den Fall außerrechtsgeschäftlichen Erwerbs zu bejahen, weil bei diesen das Interesse der Gesellschaft an der Person des Aktionärs gesetzlich verankert ist. Darüberhinaus dürfte bei diesen auch ohne Aktionärswechsel an den Eintritt oder Verlust bestimmter persönlicher Voraussetzungen die Einziehbarkeit der Aktien geknüpft werden können. Anderes gilt für Vereinbarungen der Aktionäre untereinander (Poolvertrag; vgl. Anm. I I a . E.). b) Persönliche Verpflichtung der Aktionäre Anm. 10: Nur die Aktionäre als solche können zu Leistungen über die Einlage hinaus weder durch Satzung, noch Verbandsgewalt, noch vertraglidi verpflichtet werden. Wohl aber können alle oder einzelne Aktionäre persönliche Verpflichtungen über die Einlage hinaus übernehmen, die nicht mit der Aktie verknüpft sind. Diese Verpflichtung geht aber bei Veräußerung der Aktie nur dann auf den Erwerber über, wenn er sie besonders übernimmt. Sie können in der Satzung vorgesehen sein; dies bedeutet nicht, daß ein Erwerber der Aktie ohne eigene Verpflichtungserklärung in die Verpflichtung eintritt. Man wird sich bei einem Verkehrspapier auch hüten müssen, so weit zu gehen, etwa zu sagen, daß der Erwerber von der Satzung Kenntnis nehmen und ohne weiteres nach § 157 BGB die darin vorgesehene persönliche Verpflichtung als eigene anerkennen müsse. Die Gesellschaft hat eine Übernahme der Verpflichtung durch den Erwerb der Aktie zu beweisen. Auf diesem Wege kann mit dem derzeitigen Aktionär alles diesen persönlich verpflichtend vereinbart werden, was zu Lasten des jeweiligen Aktionärs nicht bestimmt werden kann. Bei Namensaktien kann nach § 68 II die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung vorbehalten und diese davon abhängig gemacht werden, daß der Erwerber in die Verpflichtung eintritt. Es kann in der Satzung sogar vorgesehen werden, unter welchen Voraussetzungen die Zustimmung erteilt werden kann. Nicht nur die persönliche, also in 266
Hauptverpfliditung der Aktionäre
§54
Anm.10
der Person jedes Aktienerwerbers zu erneuernde Verpflichtung zu persönlichen Leistungen, kann auf diesem Wege bei Namensaktien verankert werden, sondern auch die persönliche Verpflichtung, bei der Übertragung bestimmte Beschränkungen zu beachten (z. B. die Aktie nicht an einen Ausländer oder an jemand zu übertragen, dessen Aktienbesitz dadurch eine satzungsmäßige Höchstzahl überschreiten würde). Bei der Pfändung und im K o n kurse des Verpflichteten versagen solche Verpflichtungen, auch der Vorbehalt der Zustimmung zur Übertragung ( R G 70, 641; 142, 373; a. A. Mügel in Soz.Pr. 1939, 991). Für einen solchen Fall kann in der Satzung die Zulässigkeit der Zwangseinziehung vorgesehen werden. Natürlich aber sind solche Bestimmungen für Aktien unerträglich, die zum Börsenhandel zugelassen werden sollen. Die Zulassungsstelle würde die Zulassung verweigern. Aber für den Aufbau der Kartelle waren sie sehr wichtig. Bei Inhaberaktien ist ein solcher Schutz einer nur persönlichen Verpflichtung nicht möglich, sie sind daher bei diesen selten. Obwohl es häufig vorkommt, daß der Übernehmer von Aktien sich verpflichtet (sogenanntes mittelbares Bezugsrecht). In einer vielbesprochenen und mit Recht viel widersprochenen Entscheidung hat das Reichsgericht ( R G 120, 177, J W 28, 1556) unter den Voraussetzungen des § 192 I S. 2 A k t G 37 die Zwangseinziehung durch Auslosung zugunsten eines Dritten als zulässig anerkannt, weil der Aktionär dadurch nicht verpflichtet werde, sein Aktienrecht einem Dritten zu übertragen, sondern die Gesellschaft ihm das Aktienrecht nehme, aber in angeblich zulässiger Ausgestaltung des Aktienrechts, nicht um das Recht zu vernichten, sondern um es einem Dritten zu übertragen. Wir schließen uns der Mehrzahl (Fischer in Großkomm. § 49 Anm. 7, Ritter Anm. 14 zu § 92) an, welche die Zulässigkeit dieser Ausgestaltung bestreiten, denn sie liefe günstigstenfalls darauf hinaus, daß in zulässigen Formen, nämlich wenn man in freier Ausgestaltung die Zwangseinziehung zu anderen als zu Zwecken der Vernichtung als zulässig erachtet, der materielle von dem Gesetz verpönte Erfolg herbeigeführt wird, daß einem Aktionär zu gesellschaftsfremden Zwecken das Recht genommen wird, um es seitens der Gesellschaft einem Dritten zu übertragen, dem es unmittelbar zu übertragen er nach ausdrücklicher Vorschrift des § 54 I weder durch Satzung noch durch Verbandsgewalt noch auch in seiner Eigenschaft als Aktionär durch Vertrag verpflichtet werden kann. Die Ausgestaltung muß da innehalten, wo sie im Ergebnis einen Erfolg herbeiführen würde, welcher einem vom Gesetz ausdrücklich untersagten Erfolg völlig gleichkommt. Auch im Wege eines Sondervorteils nach § 26, wenn der Dritte zugleich Aktionär ist, kann ein solches Recht nicht bedungen werden. Von den persönlichen Verpflichtungen der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft zu unterscheiden sind Verpflichtungen, die die Aktionäre gegenseitig vereinbaren, die sogenannten Poolverträge. Hier ist jede Art von Bin267
§ 54
Anm. 10—13
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
dung, einschließlich der Ausübung des Stimmrechtes, zulässig (vgl. Anm. zu § 136). c) Verpflichtungen
im Fall des Verzugs des
Aktionärs
Anm. 11: Absatz 1 wird durch die §§ 63 ff. ergänzt. Daraus ergibt sich, daß die Einlagepflicht für den Fall erhöht werden kann, in dem sich der zahlungspflichtige Aktionär in Verzug befindet. Absatz 1 schließt daher nicht aus, daß der Aktionär verpflichtet sein kann, Verzugszinsen oder eine Vertragsstrafe zu zahlen oder Schadensersatz zu leisten. Diese Bestimmungen bilden andererseits jedoch die äußerste Grenze der Verpflichtung des Aktionärs zu Geldleistungen. d) Freiwillige
Leistungen des
Aktionärs
Anm. 12: Begrenzt wird nur die Verpflichtung der Aktionäre. Freiwillige Leistungen sind unbegrenzt zulässig. Inwieweit ein wirtschaftlicher Zwang zu rechtlich freiwilligen Leistungen, insbesondere Zuzahlungen (zwecks Vermeidung stärkerer Zusammenlegung oder zwecks Umwandlung in Vorzugsaktien) durch einen mit der Unterlassung der Leistung verbundenen Nachteil ausgeübt werden darf, ist in Anm. 7 zu § 11 dargelegt. Ein rechtlicher Zwang, etwa durch Androhung der Zwangseinziehung in der ursprünglichen Satzung und deren Vornahme ist jedenfalls mit Abs. 1 unvereinbar. Die Zulässigkeit freiwilliger Leistungen schließt aber nicht die freiwillige Übernahme von Verpflichtungen ein, welche die Aktionäre als solche treffen. Abs. 1 schließt zufolge der ihm nach Anm. 9 zu gebenden Tragweite auch jede Ausgestaltung der Gesellschaft in dem Sinne aus, daß der Aktionär in der Satzung verpflichtet werden kann, sein jeweiliges Verhalten als Aktionär, insbesondere bei Ausübung der gesellschaftlichen Rechte, dem anzupassen, daß er Gesellschafter ist und dabei die Rücksicht auf das Wohl der Gesellschaft zur Richtschnur zu nehmen. Noch mehr gilt dies von Verpflichtungen des Aktionärs als solchem gegenüber Mitaktionären als solchen. So ist die freie Stimmreditsausübung auch zur Verfolgung gesellschaftsfremder Vorteile gewährleistet ( § 1 1 7 V I I ) und nur im eingeschränkten Maße auf Grund solcher Stimmrechtsausübung die Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses zugelassen (vgl. § 243 II). e) Sogenannte
Hilfspflichten
Anm. 13: Daß die Hauptverpflichtung sich auf die Einlage begrenzt, schließt nicht aus, daß den Aktionären Verpflichtungen zur Sicherung dieser Hauptverpflichtung auferlegt werden können, welche auf deren Erfüllung abzielen und davon abgesehen, einen eigenen vermögensrechtlichen Inhalt haben. Derartige Hilfspflichten können nach dem Gesagten nur bei nicht vollbezahlten Aktien vorkommen. Hierher gehört die Hinterlegung von 268
Nebenverpflichtungen der Aktionäre
§§54/55 Anm. 1 3 / 1
Wechseln in Höhe der Resteinzahlung (namentlich bei Versicherungsaktien in Gebrauch), die Verpflichtung, sowohl eine Verlegung des Wohnsitzes, als auch die Übertragung der Aktien und den Tod des Aktionärs anzuzeigen. Zu weit gehen Möhr-Schw. S. 37, welche die Hilfsverpflichtung für zulässig halten, die Aktie unter Umständen, welche die Hauptverpfliditung gefährdet erscheinen lassen, auf einen Dritten zu übertragen, denn es wird als Hilfsverpflichtung nicht statthaft, was aus anderen aktienrechtlichen Gesichtspunkten unstatthaft ist. Dazu gehört aber die Verpflichtung, die Aktie zu übertragen, weil ein Aktionär wegen Nichterfüllung der Hauptverpflichtung des Aktienrechts nur gemäß § 64 verlustig erklärt werden kann.
§ 55 Nebenverpfliditungen der Aktionäre (1) Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so kann die Satzung Aktionären die Verpflichtung auferlegen, neben den Einlagen auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen. Dabei hat sie zu bestimmen, ob die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sind. Die Verpflichtung und der Umfang der Leistungen sind in den Aktien und Zwisdiensdieinen anzugeben. (2) Die Satzung kann Vertragsstrafen für den Fall festsetzen, daß die Verpflichtung nicht oder nicht gehörig erfüllt wird. I. Übersicht (Anm. 1) II. Die Nebenleistungspflicht 1. Voraussetzungen (Anm. 2) 2. Festsetzung in der Satzung (Anm. 3) 3. Inhalt der Nebenleistungspflidit (Anm. 4 bis 6) 4. Entgelt für Nebenleistungen (Anm. 7) 5. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 8)
6. Beendigung der Nebenleistungspflidit (Anm. 9) 7. Abtretung und Pfändung (Anm. 10) III. Nebenleistungsrecht (Anm. 11) IV. Nebenleistungs-AG und Kartell (Anm. 12) V. Angabe in der Aktienurkunde (Anm. 13) VI. Vertragsstrafe (Anm. 14)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt im wesentlichen § 50 AktG 37 und erweitert den notwendigen Satzungsinhalt dahin, daß anzugeben ist, ob die Nebenleistung entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen ist. Sie macht den Bedürfnissen der Zuckerindustrie zuliebe eine Ausnahme von dem unpersönlichen, rein sachlichen Charakter der Aktiengesellschaft und der Aktienrechte 269
§ 55
Anm. 1,2
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
und von dem Grundsatz des § 54 I, daß die Verpflichtungen des Aktionärs als solchem ein für alle Mal ziffernmäßig begrenzt sind. Sie gestattet, ein individuelles Moment dadurdi zu begründen, daß den Aktionären — und zwar als solchen — persönliche Leistungen neben der Einlage körperschaftsrechtlich aufgebürdet werden. Immer aber muß daneben das Mindestgrundkapital gezeichnet und müssen darauf Einlagen als Hauptverpflichtung übernommen und wenigstens mit 25 °/o eingezahlt werden. Zum Grundkapital selbst gehören aber die Nebenleistungen nicht. Die für dessen Bindung und Erhaltung gegebenen Vorschriften gelten also nicht auch für sie, sie können daher z. B. erlassen werden. Die Besonderheit der Verpflichtung zu Nebenleistungen liegt darin, daß sie die Aktionäre körperschaftsrechtlich als solche belastet. Sie geht deshalb durch die Veräußerung der Aktien nach zwingendem Recht auf den Erwerber über, auch wenn er sie durch Pfandversteigerung oder vom Konkursverwalter erwirbt. Der Erwerber haftet jedoch nicht für Rückstände, diese hat nach herrschender aber nicht folgerichtiger Ansicht der Veräußerer zu erfüllen. Der Veräußerer andererseits scheidet im übrigen aus der Verpflichtung aus. Es ist nicht zulässig, in der Satzung seine Forthaftung vorzusehen, schon deshalb nicht, weil sich daraus eine Geldverpflichtung ergeben würde. Wohl aber kann die Gesellschaft die Forthaftung des Veräußerers persönlich herbeiführen, indem sie mit ihm einen gesonderten dahingehenden Vertrag schließt. II. Die Nebenleistungspflicht 1. Voraussetzungen Anm. 2: Voraussetzung für die Zulässigkeit der Nebenleistungsverpflichtung ist, daß es sich um Namensaktien handelt (§ 67) und daß die Ubertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist (§ 68 II). Die Verpflichtung und das Interesse an ihrer Erfüllung, die für den Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaft bedeutungsvoll ist, rückt die Aktie aus der der Inhaberaktie anhaftenden Entpersönlichung heraus. Die Aktiengesellschaft ist hier interessiert an der Person des Aktionärs, seiner Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit und an der Erhaltung eines leistungsfähigen Mitgliederbestandes. Sie muß auch wissen, wer Aktionär ist, um ihren Anspruch auf die Nebenleistung verfolgen zu können. Die Verpflichtung setzt deshalb auch eine stärkere gesellschaftliche Verbindung des jeweiligen Aktionärs mit der Gesellschaft voraus. Die Gesellschaft kommt dadurch in die Lage, einen Rechtsübergang zu verhindern, der die Gefahr der Nichterfüllung der Verpflichtung mit sich bringt, auch Sicherheiten für die Erfüllung zu schaffen, indem sie ihre Zustimmung von der Gewährleistung des Veräußerers der Aktien oder auch davon abhängig macht, daß der Er270
Nebenverpflichtungen der A k t i o n ä r e
§ 55
Anm. 2,3
werber etwaige Rückstände übernimmt (§ 68 II). Hierbei ist zu beachten, daß nur bei rechtsgeschäftlicher Übertragung die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist. Der Erbe benötigt daher keine Zustimmung und haftet mit der Annahme der Erbschaft auch für die Nebenleistungspflicht. Wird eine Erbengemeinschaft in eine Personengesellschaft, eine Personengesellschaft in eine andere Gesellschaft umgewandelt oder eine Erbgemeinschaft auseinandergesetzt, so liegt unseres Erachtens eine rechtsgeschäftliche Übertragung vor, so daß die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist (vgl. für den Problemkreis im einzelnen Rob. Fischer in J Z 1956, 363). 2. Festsetzung in der Satzung Anm. 3: Die Verpflichtung zur Leistung muß in der ursprünglichen Satzung festgesetzt sein, nachträglich kann sie nur mit Zustimmung der betroffenen Aktionäre eingeführt, erhöht oder verschärft werden (§ 179, vgl. auch Anm. dort). Eine Verschärfung oder Erhöhung liegt auch in der Einführung oder Erhöhung einer Vertragsstrafe (RG 121, 238) oder in einer Verringerung des Entgeltes oder in einer Verlängerung der Dauer (RG 136, 185). In der Einführung, Erhöhung oder Verschärfung liegt immer eine Satzungsänderung. Es ist also ein Beschluß der Hauptversammlung erforderlich, zu dem als zusätzliches weiteres Erfordernis die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre hinzutreten muß. Diese kann in der Hauptversammlung erklärt werden, wenn alle Aktionäre an dieser teilnehmen oder auch nachträglich und formlos durch schlüssige Handlungen (ebenso Würdiger S. 42). Bis zur Zustimmung ist der Beschluß schwebend unwirksam (RG 136, 189; 148, 186). Fehlt es aber auch nur an der Zustimmung eines einzigen Aktionärs, ist der Beschluß für alle wirkungslos (nicht nichtig oder anfechtbar) auch für jene, die zugestimmt haben (vgl. R G 121, 238; 136, 185). Die Zustimmung aller ist im Registergericht vor Eintragung des Beschlusses, der eine Satzungsänderung enthält und deshalb eingetragen werden muß (RG 136, 192), öffentlich beglaubigt oder beurkundet nachzuweisen. Soll der Beschluß für diejenigen, welche zugestimmt haben, auch dann wirksam sein, wenn einzelne die Zustimmung ablehnen, so muß dies in dem Beschluß und in der Zustimmung zum Ausdruck kommen (RG 136, 313), es entstehen dann verschiedene Aktiengattungen. Nach dem neu eingefügten Satz 2 in Absatz 1 muß die Satzung bestimmen, ob die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sind. Im übrigen genügt es, wenn die Satzung den festen Rahmen für die Art der übernommenen Verpflichtungen feststellt, innerhalb dessen dann die im einzelnen genauere Ausgestaltung der übernommenen Verpflichtungen in einer bestimmt vorgeschriebenen Weise stattfinden kann und soll (RG 136, 318; H R R 1937 Nr. 1450). Die Satzung kann auch einen Dritten zur Bestimmung berufen, dann ist § 315 ff. BGB entsprechend anwendbar. Inner271
§ 55
Anm. 3—6
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
halb dieses bestimmten Rahmens kann auch schon in der Satzung eine Vermehrung oder Verschärfung der Nebenleistungspflichten nach bestimmter Richtung vorgesehen werden; dann kann diese durch Mehrheitsbeschluß oder in einer von der Satzung vorgeschriebenen Weise erfolgen (RG 131, 243). Die Nebenleistungen braudien nicht allen Aktionären, auch nicht allen gleich obzuliegen, denn die Satzung kann verschiedene Aktien schaffen und damit einen Gattungsunterschied herstellen. Ein solcher besteht nicht nur bei unterschiedlichen Rechten, sondern kann auch in unterschiedlichen Lasten begründet sein (h. L.; für viele Baumbach-Hueck § 50 Anm. 3 B). 3. Inhalt der Nebenleistungspflicht Anm. 4: Die Leistung muß eine wiederkehrende sein, darf also keine einmalige Leistung sein; darum kann auch nicht auf diesem Wege eine Verpflichtung festgesetzt werden, die Aktien der Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen zu überlassen oder irgendeine dauernde Leistung zu vollbringen, auch nicht ein bestimmtes Verhalten dauernd zu üben. Unzulässig ist also die Festsetzung eines Wettbewerbsverbotes (bestritten). Wiederkehrend ist aber weder gleichbedeutend mit „in regelmäßigen Zeitabschnitten wiederkehrend" noch mit „gleichbleibend". Anm. 5: Der Inhalt der Nebenleistung darf nicht in Geld bestehen. Darum scheiden alle gegenseitigen Verträge aus, bei welchen der Aktionär zu einer Gegenleistung in Geld verpflichtet ist. Doch ist es zulässig, die Nebenleistungspflicht durch Hilfspflichten zu ergänzen oder so zu spezialisieren, daß z. B. gesagt wird, die von den Aktionären zu liefernden Rüben müßten aus Samen gezogen sein, den die Gesellschaft geliefert hat oder von Feldern stammen, welche mit Dünger gedüngt sind, den die Gesellschaft geliefert hat (Ritter Anm. 3 b). Mittelbar ergibt sich daraus wohl die Notwendigkeit für den Aktionär, Samen und Dünger von der Gesellschaft zu beziehen und an sie zu bezahlen, aber dies ist keine — geschweige gesellschaftsrechtliche — Verpflichtung. Die Gesellschaft würde von ihm nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer Bezugspflicht verlangen können, wenn der Aktionär den Samen bei ihr nicht kauft, vielmehr nur evtl. wegen Lieferung nicht richtiger Rüben. Der Aktionär kann sich von der Gesellschaft gelieferten Samen oder Dünger von einem Dritten verschaffen. Ferner scheiden Verpflichtungen zu Leistungen aus, die nur ein bestimmter Aktionär in eigener Person leisten kann, da die Verpflichtung den Aktionär als solchen treffen und daher von jedem Erwerber der Aktien erfüllt werden können muß. Anm. 6: Die Verpflichtung ist ebenso wie die Leistung der Einlage, welche sie an Wichtigkeit nicht selten übertrifft, eine der Grundlagen, auf 272
Nebenverpflichtungen der Aktionäre
§ 55
Anm. 6,7
welcher die Gesellschaft aufgebaut ist. Es ist daher auch hier nach Eintragung der Gesellschaft eine Berufung auf Anfechtbarkeit, selbst wegen Betruges der Gesellschaft ausgeschlossen und die Berufung auf Nichtigkeit nur wegen Geschäftsunfähigkeit möglich (bestritten; wie hier Schl.-Qu. §50 Anm. 7; Ritter Anm. 4 a, Fischer in Großkomm. Anm. 11; Robert Fischer J Z 1954, 428; Ganßmüller in GmbH-Rdsch. 1955, 172ff.; a. A. Lobedanz, Einfluß von Willensmängeln auf Gründungs- und Beitrittsgeschäften 1938, 172). Ein Ausschluß eines säumigen Aktionärs nach § 64 ist nicht zulässig (vgl. Anm. zu § 64), ebensowenig eines Aktionärs, wenn die Leistung durch sein Verschulden dauernd unmöglich wird. Es bleibt nur die Klage auf Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung. Sind in der Satzung, was nach Abs. 2 ausdrücklich zulässig ist, Vertragsstrafen vorgesehen, so können selbstverständlich auch diese an Stelle der Ansprüche auf Erfüllung oder Schadensersatz geltend gemacht werden. Vormänner haften für Rückstände nicht (vgl. aber Anm. 1), sondern Rechtsnachfolger nur, wenn sie sich verpflichtet haben, die Rückstände zu übernehmen, etwa um zu erreichen, daß die Gesellschaft der Übertragung der Aktie auf sie zustimmte. Im Konkurs des Aktionärs hat die Gesellschaft eine Konkursforderung. 4. Entgelt für Nebenleistungen Anm. 7: Die gesellschaftsrechtliche Natur der Nebenleistungspflicht schließt nicht aus, daß die Gesellschaft eine Gegenleistung in Geld gewähren kann, und zwar auch ohne Rücksicht darauf, ob die Jahresbilanz einen Bilanzgewinn ergibt (§ 61). Abs. 1 S. 2 schreibt neu vor, daß die Satzung zu bestimmen hat, ob die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sind. Für Gesellschaften, die bereits bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes Nebenverpflichtungen in der Satzung festgesetzt haben, gilt diese Bestimmung gem. § 10 EG nicht. Änderungen des Gegenstandes des Unternehmens oder der Satzungsbestimmungen der Nebenleistungspflicht dürfen aber nur eingetragen werden, wenn zugleich bestimmt wird, ob die Leistung entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen ist. Die Höhe des Entgelts bestimmt § 61. Das Entgelt darf den Wert der Leistung nicht übersteigen. Mit dieser Einschränkung kann sie der jeweiligen Festsetzung durch die Gesellschaftsorgane oder der Bestimmung nach §315 BGB überlassen sein, auch § 316 BGB (Bestimmung durch den nebenleistungspflichtigen Aktionär nach billigem Ermessen) ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, kommt aber wohl nirgends vor; es könnte dabei der Grundsatz der Gleichmäßigkeit verletzt werden. Die Bestimmung der Gegenleistung ist, wenn sie durch die Gesellschaft erfolgt, ein gesellschaftlicher Akt und nicht ein solcher der Geschäftsführung. Man wird deshalb nicht sagen können, daß sie der Zuständigkeit der Hauptversammlung grundsätzlich entzogen ist (§119 II). Der Aufsichtsrat kann bestimmen, daß die Festset18
Wilhelmi, Aktiengesetz
273
§ 55
Anm.7—9
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
zung der Gegenleistung nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden soll, dies kann auch die Satzung vorschreiben (§111 IV S. 2). Es ist außerdem zulässig (§ 60 III) und nicht ungewöhnlich, daß der Bilanzgewinn nach der Höhe der vollbrachten Nebenleistungen verteilt wird. 5. Anzuwendende Vorschriften Anm. 8: Ebensowenig wie ein Entgelt schließt die gesellschaftliche Natur der Nebenleistungspflicht aus, daß auf sie die §§ 242, 243 BGB (wenn es sich nicht, wie beim Rübenbau, um die eigene Ernte handelt), §§ 278, 283, 284, 249 BGB, ferner die Vorschriften über die Mängelhaftung, soweit diese nicht schon durch die aktienrechtliche Norm des § 61 (Wertaustausch) ersetzt sind, endlich auch, wenn ein Entgelt gewährt wird, aber auch nur sinngemäß §§ 320 ff. BGB anzuwenden sind (a. A. Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 323). Jedoch gehen aktienrechtliche Gesichtspunkte vor. Rücktritt, Ablehnung der Erfüllung und — die verzichtbare (§ 66) — Forderung auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (abstrakt oder nach Deckungskauf) kann sich immer nur auf die einzelne fällige Forderung beziehen. Das trifft auch auf die Befreiung wegen nicht zu vertretender Unmöglichkeit zu. Ein Fall nicht zu vertretender dauernder Unmöglichkeit der Nebenleistung des einzelnen Aktionärs ist schwer vorstellbar, mit der Ausnahme, daß sie eine Folge der Spaltung Deutschlands und der Enteignungsmaßnahmen der Sowjetzone ist (s. insow. GmbH-Rundsch. 1955,131). 6. Beendigung der Nebenleistungspflicht Anm. 9: Eine Beendigung der Nebenleistungspflicht wird herbeigeführt durch allgemeine Unmöglichkeit der Nebenleistung (RG 104, 349) — das hat keinen Einfluß auf den Bestand der Gesellschaft selbst (vgl. RG a. a. O.) — ferner durch Auflösung der Gesellschaft (RG 125, 114), nicht durch Fusion (RG 136,136). Von diesen allgemeinen Beendigungsgründen abgesehen, besteht die Frage, wodurch die Beendigung der mit der einzelnen Aktie verbundenen Nebenleistungspflicht herbeigeführt werden kann. Dies kann nicht durch ihre Veräußerung geschehen, nicht durch Abandon, auch nicht durch zu vertretendes subjektives Unvermögen, insbesondere nicht durch Veräußerung der Grundlage für ihre Erfüllung (z. B. des Rübengutes), ohne gleichzeitige Mitveräußerung der Aktie, nicht durch Konkurs des Aktionärs (aber die Lieferschuld ist nicht etwa Masseschuld), selbstverständlich nicht durch den Tod des Aktionärs (über die Haftung der Erben s. Anm. 2, sowie Anm. zu § 68). Da der Aktionär ohne Zustimmung der Gesellschaft nicht veräußern kann und, solange er die Aktie besitzt, zur Nebenleistung verpflichtet ist, ist besonders wichtig die Frage, ob er diesem Zustand durch Kündigung ein Ende 274
Neben Verpflichtungen der Aktionäre
§55 Anm. 9—12
bereiten kann. Rechtsprechung (RG 128, 17; B G H 9, 162, 163) und Literatur (Scholz, Ausschließung und Austritt aus der GmbH 1950, 10 ff.; BaumbachHuedc § 50, Anm. 3 E; Fischer in Großkomm. § 50 Anm. 27) gewähren ein solches Kündigungsrecht als letzten und äußersten Notbehelf (a. A. Ritter § 50 Anm. 4; Schl.-Qu. § 50 Anm. 7). Die Folge würde die Zulässigkeit der Zwangseinziehung und das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte bis dahin sein. 7. Abtretung und Pfändung Anm. 10: Abtretung und Pfändung der Forderung der Gesellschaft auf die Nebenleistung ist ausgeschlossen, weil die Leistung nicht ohne Veränderung ihres Inhalts an einen anderen bewirkt werden kann (§ 399 BGB; ebenso R G 136, 315; a. A. Ritter § 50 Anm. 3 a). Das schließt die Abtretung mit Zustimmung des davon betroffenen Aktionärs nicht aus, sie ist auch in diesem Fall nur nach aktienrechtlichen Grundsätzen zulässig. In Wirklichkeit geschieht sie häufig (s. den Fall R G 149, 395 ff.). Über Verschmelzung s. R G 136, 313. III. Nebenleistungsrecht Anm. 11: Der Nebenleistungspflicht entspricht meist ein Nebenleistungsrecht. Dieses ist aber nidit etwa aus ersterer abzuleiten, selbst dann nicht, wenn die Gesellschaft eine Gegenleistung zu erbringen hat, denn auch dann liegt ein gegenseitiger Vertrag nicht vor, wenn auch die Bestimmungen über gegenseitige Verträge in gewissem Umfang anwendbar sind. Das Nebenleistungsrecht muß sich vielmehr aus der Satzung ergeben oder doch ableiten lassen. Es besteht in dem Anspruch auf Entgegennahme der Leistung, Abnahme ihres Gegenstandes (z. B. der Rüben), Gewährung der Gegenleistung und des ihr entsprechenden satzungsmäßigen Gewinnanteils. Es können auch Ausstrahlungen dieses Rechts bestehen, wie der Anspruch auf Lieferung des Rübensamens zum Selbstkostenpreis, letzterem Anspruch steht meistens eine Abnahmepflicht gegenüber (s. Anm. 5). Wo das Recht — wie meist — besteht, ist es ebenso unentziehbar (zweifelnd R G 104, 348), wie der Aktionär sich seiner Verpflichtung nicht entziehen kann. Bei Nichterfüllung stehen ihm die Rechte aus Gläubiger- und Schuldnerverzug der Gesellschaft zu, etwa auch aus den § § 3 2 0 ff. BGB (s. Anm. 4 zu §61). Dieses Recht endigt nur durch die Undurchführbarkeit der Nebenleistung und ihrer Verwertung durch die Gesellschaft (RG 104, 349) oder durch Auflösung der Gesellschaft. IV. Nebenleistungs-AG und Kartell Anm. 12: Die der Zulässigkeit von Nebenleistungen gezogenen im Vergleich zu § 3 II GmbH-Gesetz engen Schranken machte die NebenleistungsAG im allgemeinen ungeeignet für Kartellzwecke. Für solche wurde daher 18*
275
§§55/56
Anm. 12—14
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
wenig von ihr Gebrauch gemacht. Ob im einzelnen Fall ein Kartell vorliegt, hängt davon ab, ob von der Gesellschaft gesagt werden kann, daß sie einen Zusammenschluß ihrer nebenleistungspflichtigen Aktionäre darstellt, mit dem beabsichtigt ist, den Markt zu beherrschen oder doch zu beeinflussen; regelmäßig wird diese Voraussetzung nicht zutreffen. Wo sie ausnahmsweise zutrifft, ist das Kartellgesetz anzuwenden. V. Angabe in der Aktienurkunde
Anm. 13: Angabe der Nebenleistung als einer gesellschaftlichen und daher auf den Erwerber übergehenden Verpflichtung und des Umfanges der Leistung in den Aktienurkunden und Zwischenscheinen ist vorgeschrieben. Unterbleibt die Angabe, so hat dies auf den Bestand der Verpflichtung keinen Einfluß, sie geht aber nicht auf den gutgläubigen Erwerber über (a. A. Ritter § 50, Anm. 3 a). Andererseits verbleibt sie dem Veräußerer (s. Anm. 4 zu § 54). Andere Ansicht vertritt die herrschende Meinung, weil der Veräußerer nicht mehr Aktionär ist. Allein dies ist nicht stichhaltig, denn der Aktionär haftet, ohne noch Aktionär zu sein, auch für die Erfüllung der Einlageverpflichtung, und es wird auch bei unrichtiger Angabe der Teilleistung in der Aktienurkunde ( § 1 0 II) angenommen, daß der schlechtgläubige Veräußerer zur Erfüllung in dem Umfang verpflichtet ist, in welchem der gutgläubige Erwerber ausscheidet (vgl. Fischer in Großkomm. § 10 Anm. 11). Der Fall wird im Hinblick auf das Erfordernis der Zustimmung der Gesellschaft kaum eintreten können. VI. Vertragsstrafe Anm. 14: Die Satzung kann vorschreiben, daß die Strafe in jedem Falle der Nicht- oder Schlediterfüllung zu verhängen ist. Ohne solche Vorschrift kann die Strafe nur festgesetzt werden, wenn den Aktionär ein Verschulden trifft. Audi Rechtsirrtum kann ein Verschulden ausschließen. Für die Strafen gelten die §§ 339—354 BGB, §§ 348, 351 H G B . Der Ausschluß kann als Vertragsstrafe nidit vorgesehen werden, weil dieser in § 64 erschöpfend geregelt ist, wohl aber die Zwangseinziehung.
§ 56 Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft oder durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (1) Wer als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts eine Aktie für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens übernommen hat, kann sich 276
Aktienübernahme
§56 Anm. 1
nidit darauf berufen, daß er die Aktie nicht für eigene Rechnung übernommen hat. Er haftet ohne Rücksicht auf Vereinbarungen mit der Gesellschaft oder dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen auf die volle Einlage. Bevor er die Aktie für eigene Rechnung übernommen hat, stehen ihm keine Rechte aus der Aktie zu. (2) Ein abhängiges Unternehmen darf keine Aktien der herrschenden Gesellschaft, ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen keine Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts übernehmen. Durch einen Verstoß gegen diese Vorschrift wird die Übernahme nicht unwirksam. I. Übersicht (Anm. 1) II. Übernahme für Rechnung der Gesellschaft 1. Haftung für die Einlage (Anm. 2) 2. Aktie ohne Rechte (Anm. 3) 3. Übernahme auf eigene Rechnung (Anm. 4) III. Schuldrechtliche Vereinbarungen mit der Gesellschaft (Anm. 5) IV. Strohmänner (Anm. 6) V. Übernahme für Rechnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens (Anm. 7)
VI. Zeichnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens 1. für sich selbst (Anm. 8) 2. für Rechnung des herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmens (Anm. 9) VII. Ausübung des Bezugsrechtes (Anm. 10) VIII. Zeichnung innerhalb eines Konzerns (Anm. 11)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt ohne große Änderungen die Bestimmungen des § 51 AktG 37. Eine Änderung ist insofern vorgenommen worden, als der frühere Streit, ob die Ausübung eines Umtauschrechtes aus Wandelschuldverschreibungen der Ausübung eines Bezugsrechts nach § 165 AktG 37 gleichsteht, ausgeräumt worden ist. Das neue Gesetz schreibt diese Gleichstellung nunmehr ausdrücklich vor. Der in § 16 neu geschaffene Begriff eines in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens wird hier in dem Sinne behandelt, daß diese Unternehmen abhängigen Unternehmen gleichgestellt sind. Das sich aus der Natur der Dinge ergebende Verbot der Aktienzeichnung durch die Gesellschaft, selbst bei einer Kapitalerhöhung, wird als selbstverständlich nicht besonders ausgesprochen, jedoch geht das Gesetz von diesem Grundsatz aus. Die Vorschrift handelt nur von Aktien, welche bei Gründung oder Kapitalerhöhung von einem Gründer, also ursprünglich für Rechnung der Gesellschaft oder von einem von ihr abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen übernommen worden sind. Das sind die sogenannten Vorratsaktien. Dieser Ausdruck, der sich im Schrifttum ein277
§ 56
Anm. 1—3
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
gebürgert hat, wird im Nachstehenden beibehalten, wobei aber betont sei, daß die auf abgeleitetem Wege erworbenen eigenen Aktien (§ 71) nicht darunter fallen und daß der Verkehr im allgemeinen nicht von einer „Übernahme für Rechnung der Gesellschaft" gesprochen hat, sondern meist von der Verpflichtung, die Aktien „zur Verfügung der Gesellschaft zu halten" oder „mit ihnen nach Weisung der Gesellschaft zu verfahren". Das ist deshalb wichtig, weil eine Übernahme für Rechnung der Gesellschaft im streng juristischen Sinn mit den daraus herzuleitenden bürgerlichrechtlichen Folgen wohl niemals gewollt war, sondern nur der wirtschaftliche Erfolg, daß diese Vorratsaktien zur Verfügung der Gesellschaft stehen. Die Vorschrift handelt von der Zeichnung, darunter fällt nicht die Ausübung eines mittelbaren Bezugsrechtes (vgl. Anm. zu § 186), dieses ist abgeleiteter Erwerb, für sie gilt § 71 (siehe Anm. dort). II. Übernahme für Rechnung der Gesellschaft 1. Haftung für die Einlage Anm. 2: Die Übernahmeerklärung und die Zeichnung sind gültig, desgleichen kommt das Aktienrecht selbst wirksam zur Entstehung. Daher kann das Registergericht die Eintragung nicht ablehnen. Auch das der Übernahme oder der Zeichnung usw. für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens oder durch ein solches zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist, da eine § 71 I I S. 2 entsprechende Vorschrift fehlt, rechtsbeständig. Der Übernehmer kann sich aber nicht darauf stützen, da er sich nicht darauf berufen kann, daß er die Aktien nicht für eigene Rechnung übernommen habe. Er muß die Aktien daher voll bezahlen und hat keinen Erstattungsanspruch. Er ist verpflichtet, an die Gesellschaft zurückzuzahlen, was diese entgegen § 57 etwa zahlt und haftet nach § 62, wenn er Zahlungen von der Gesellschaft auf die Einlage zurückempfängt. Verkauft er die Aktien, so kann er sich aus dem Erlös wegen der von ihm geleisteten Zahlung befriedigen, ebenso im Falle der Auflösung der Gesellschaft aus dem Abwicklungsreinerlös, denn damit beruft er sich nicht darauf, daß er die Aktien nicht für eigene Rechnung gezeichnet hat, den Uberschuß aber hat er an die Gesellschaft aufgrund des mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisses vorbehaltlich der Anm. 4 herauszugeben. 2. Aktie ohne Rechte Anm. 3: Derjenige, der für Rechnung der Gesellschaft Aktien übernommen hat, hat keine Rechte aus der Aktie, also kein Stimmrecht, kein Anfechtungsrecht, kein Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen, das Wort zu nehmen oder Anträge zu stellen, Auskunft zu verlangen. Bei Berechnung des vertretenen Grundkapitals werden seine Aktien nicht mitgezählt. Konnte 278
Aktienübernahme
§56 Anm. 3—5
schon bisher den Gläubigern aus der Ausgabe von Vorratsaktien nur ein Vorteil, keinesfalls ein Nachteil entstehen, so bedeutete sie doch nach früherem Recht und der Rechtssprechung des Reidisgeridits eine Entrechtung der Aktionäre. Dies ist schon seit dem Gesetz von 1937 und auch nach dem neuen Gesetz nicht mehr möglich. Wie kein Stimmrecht usw., hat er, wenn er für Rechnung der Gesellschaft übernommen hat, solange er sie nicht für eigene Rechnung übernimmt, audi kein Recht auf den Bilanzgewinn und kein Recht auf den Bezug neuer Aktien im Falle einer Kapitalerhöhung, dagegen wird ihm das Recht, am Liquidationserlös bis zur Höhe seiner Einzahlung teilzunehmen, nicht versagt werden können (a. A. Fisdier in Großkomm. § 51, Anm. 5). § 57 würde im Zustand der Abwicklung der Gesellschaft dem Anspruch des Aktionärs auf Erstattung seiner Auslagen nicht entgegenstehen. Es ist nicht anzunehmen, daß der Schlußsatz des Absatzes 1 in dieser Beziehung weitergehen will als § 57. Es wäre dies auch unerheblich, weil der Aktionär in der Abwicklung immer noch erklären kann, daß er die Aktie für eigene Rechnung übernimmt, wenn er sieht, daß er dadurch seine Einzahlung rettet. Ein mittelbares Bezugsrecht kann er ausüben, da es kein „Recht aus der Aktie" ist. 3. Ubernahme auf eigene Rechnung Anm. 4: Der Übernehmer muß das Recht aus der Aktie nur solange entbehren, bis er die Aktie für eigene Rechnung übernimmt. Er kann dies einseitig (a. A. Schl.-Qu. Anm. 8; z. Teil auch Fischer in Großkomm. § 51 Anm. 5) und willkürlich erklären, weil er andernfalls verurteilt wäre, unbeschränkt stillezuhalten und Risiken zu tragen, ohne Rechte genießen und ohne sich durch die Veräußerung der Aktie von diesem Zustand befreien zu können. Anderes kann sich jedoch aus dem zwischen dem Übernehmer und der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnis ergeben. III. Schuldrechtliche Vereinbarungen mit der Gesellschaft Anm. 5: Beachtlich ist die Voraussetzung, daß der Übernehmer für Rechnung der Gesellschaft, also für deren Risiko, gehandelt haben will. Dies trifft nicht zu, wo er lediglich verpflichtet ist, der Gesellschaft einen Mehrerlös ganz oder teilweise zu überlassen (etwa wenn er nur zu pari gezeichnet hat) oder lediglich die Verpflichtung eingeht, die Aktien zur Verfügung der Gesellschaft zu halten oder nach ihren Weisungen zu verfahren. Derartige Vereinbarungen, bei denen der Übernehmer das Risiko seiner Übernahme selbst trägt, sind unbedenklich statthaft. Sie hindern die volle Ausübung aller Rechte aus der Aktie durch ihn nicht (ebenso Schl.-Qu. § 51 Anm. 4 u. 5). Unstatthaft wäre lediglich, das Stimmrecht nicht nach eigenem Entschluß, sondern nach dem der AG auszuüben. Hierzu kann sich der Aktionär nicht verpflichten (§ 136 III). 279
§ 56
Anm. 6,7
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
IV. Strohmänner Anm. 6: Es kann aber vorkommen, daß ein Strohmann (gutgläubig) für Rechnung von Mitgliedern der Verwaltung Aktien übernimmt, und daß zwischen diesen und der Gesellschaft Vereinbarungen bestehen, so daß er mittelbar für Rechnung der Gesellschaft übernommen hat. Auch in diesem Falle gilt § 56. Der Strohmann ist der Gesellschaft zur Einlage verpflichtet und kann die Rechte aus der Aktie nicht ausüben. Seine Ansprüche gegen seine Auftraggeber bestehen zu Recht, wie umgekehrt deren Ansprüche gegen ihn, für deren Verhältnis zur Gesellschaft aber gilt das in Anm. 2—5 Gesagte. Es ist auch die sofortige Weitergabe der Aktien an den Auftraggeber durch den Strohmann denkbar, dann ist für letzteren das Verhältnis beendet, es sei denn, daß er nicht voll bezahlt hat und deshalb für die Vollzahlung forthaftet. Andernfalls kann er sich für seine Vollzahlung von seinem Auftraggeber befriedigen lassen, es sei denn, daß er weiß, daß dessen Mittel von der Gesellschaft stammen. In diesem Falle würde nach unserer Ansicht § 57 Platz greifen, nicht § 71 II S. 2, andernfalls wären einer Umgehung die Tore weit geöffnet. Wir halten dies auch in dem Fall für richtig, daß der Auftraggeber die Mittel nur darlehensweise von der Gesellschaft erhalten hat, es sei denn, daß dessen Zahlungsfähigkeit über jeden Zweifel erhaben ist. In diesem Falle und wenn er aus eigenen Mitteln gezahlt hat, ist die Übertragung der Aktie durch den Strohmann auf den Auftraggeber und die Befriedigung des ersteren wegen seiner Einlageforderung aus der Zahlung des Auftraggebers nicht zu beanstanden und ersterer aus der Angelegenheit endgültig ausgeschieden. Zwischen dem Auftraggeber und der Gesellschaft gilt in solchem Falle § 71 I I S. 2, d. h., das schuldreditlidie Geschäft ist nichtig, wonach die Gesellschaft verpflichtet ist, dem Treuhänder die Aktien abzunehmen und umgekehrt. V. Übernahme für Rechnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens Anm. 7: Die Übernahme für Rechnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens, gleichgültig welcher Rechtsform, wird der Zeichnung für Rechnung der Gesellschaft selbst gleichgestellt, da nach Absatz 2 abhängige Unternehmen keine Aktien der herrschenden Gesellschaft und ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen keine Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft übernehmen darf. Das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen, weldies selbst übernimmt, hat mehr Rechte (s. Anm. 8) als hiernach derjenige, der für ihre Rechnung übernimmt (s. Anm. 3). Letzterer kann sich auch dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen gegenüber, für deren Rechnung er Aktien 280
Aktienübernahme
§ 56 Anm. 7,8
der herrschenden bzw. mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft gezeichnet hat, nicht darauf berufen, daß er diese nicht für eigene Rechnung übernommen habe, also nicht Erstattung der von ihm geleisteten Einlagen von ihnen verlangen. Zeichnung für Rechnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens kann nur bei einer Kapitalerhöhung vorkommen, denn im Gründungszustand kann eine AG ein anderes Unternehmen noch nicht beherrschen. VI. Zeichnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens 1. für sich selbst Anm. 8: Wie ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen, gleichgültig welcher Rechtsform, durch abgeleiteten Erwerb Aktien der herrsdienden bzw. mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nicht erwerben darf ( § 7 1 IV), darf es audi bei dessen Kapitalerhöhung keine Aktien ursprünglich durch Zeichnung erwerben, und zwar ohne die für abgeleiteten Erwerb nach § 71 I V und I S. 1 geltenden Ausnahmen, die freilich bei einer Kapitalerhöhung nur zu Abwehrzwecken vorstellbar sind. Nach dem HGB alter Fassung hat das Reichsgeridit geschwankt zwischen der wirtschaftlichen Auffassung und der formalrechtlichen. In R G 108, 41 ließ es die Übernahme von Aktien des konzernführenden Unternehmers durch ein anderes Konzernunternehmen für unzulässig erscheinen, da eine Erhöhung des Grundkapitals, wie das Gesetz es vor Augen habe, nur ihrem Namen nach stattgefunden habe, denn es fehle daran, daß durch Ausgabe der Aktien neue Aktiven der Gesellschaft zugeführt werden, weil das Vermögen der Ubernehmer der Aktien wirtschaftlich mit dem der Beklagten zusammenfalle. Derselbe Senat hat in seiner Entscheidung (RG 115, 253) mehr der formalrechtlichen Auffassung zugeneigt, welche in dem abhängigen Unternehmen das Wesen mit eigener Rechtspersönlichkeit sieht und hat in seiner Entscheidung die oben erwähnte Entscheidung ausdrücklich aufgehoben. Wie schon in der Novelle von 1931 (HGB § 226 I I I Satz 2) und das Gesetz von 1937 bewegt sidi das neue Aktiengesetz auf der Mitte. Die wirtschaftliche Auffassung veranlaßt es, die Aktienübernahme durch abhängige Gesellschaft zu verbieten, die formalrechtliche und wohl auch die Rücksicht auf die Verkehrssicherheit, die Wirksamkeit der trotzdem erfolgten Zeichnung anzuerkennen. Aber es schränkt diese Wirksamkeit auf den rechtlichen Bestand der Zeichnung ein, die Rechte aus der Aktie werden dem abhängigen Unternehmen größtenteils vorenthalten. Es hat zwar einen Gewinnanteil und einen Anteil am Abwicklungsreinvermögen, kann aber ein Bezugsrecht nur verwerten, nicht ausüben, wie Abs. 1 S. 3 unmittelbar ergibt und hat kein 281
§ 56
Anm. 8—11
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Stimmrecht (§ 136 II). Übrigens wird das Registergericht die Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung ablehnen, wenn ihm erkennbar eine Zeichnung die Vorschrift verletzt. 2. für Rechnung des herrschenden oder mit Mehrheit nehmens
beteiligten
Unter-
Anm. 9: Nach herrschender Ansicht kann ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen Aktien für Rechnung der herrschenden bzw. an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft übernehmen. Es gilt alsdann der Absatz 1 im gleichen Umfang wie bei jeder Übernahme von Aktien für Rechnung der Gesellschaft. Die in der Vorauflage vertretene abweichende Ansicht kann nicht mehr aufrechterhalten werden, nachdem der Gesetzgeber in Kenntnis der herrschenden Meinung keine Veranlassung gesehen hat, diese Frage durch das Gesetz selbst zu entscheiden. Der Wortlaut des Verbots deckt übrigens auch die Übernahme durch Zeichnung und Bezugserklärung für Rechnung eines Dritten. VII. Ausübung des Bezugsrechtes Anm. 10: Die Ausübung des gesetzlichen Bezugsrechtes für Aktien, die jemand für Rechnung der Gesellschaft oder eines von ihr abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens besitzt, scheidet schon deswegen aus, weil sie Ausübung der Rechte aus einer solchen Aktie wäre, welche nach Abs. 1 S. 3 dem Aktionär nicht zustehen. Soweit es sich um die Ausübung des gesetzlichen Bezugsrechts durch einen Dritten aufgrund eigener Aktien, aber für Rechnung der Gesellschaft, oder durch ein von ihr abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens aufgrund eigener Aktien und für eigene Rechnung handelt, ist sie schon als Zeichnung durch Abs. 2 verboten. Durch die neu eingefügte Bestimmung ist ebenso verboten, Aktien in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts zu übernehmen. Diese sind keine Rechte „aus der Aktie", sondern aus Vertrag. Für seine Ausübung gelten die Vorschriften über abgeleiteten Erwerb (§ 71). VIII. Zeichnung innerhalb eines Konzerns Anm. 11: Nicht betroffen wird von Abs. 2 die Zeichnung von Aktien eines Konzernunternehmens durch ein über- oder gleichgeordnetes Konzernunternehmen. Hier ist angesichts des in dieser Hinsicht eindeutigen Gesetzeswortlautes der Änderung der Kapitalverteilung innerhalb des Konzerns völlig freier Spielraum gegeben. 282
Keine Rüdegewähr, keine Verzinsung der Einlagen
§ 57
Anm. 1—3
§ 57 Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen (1) Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Als Rückgewähr von Einlagen gilt nidit die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien. (2) Den Aktionären dürfen Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden. (3) Für den Zeitraum, den die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfang des vollen Betriebs erfordert, können den Aktionären in der ursprünglichen Satzung Zinsen von bestimmter Höhe zugesagt werden. Die Satzung muß den Zeitpunkt bezeichnen, mit dem die Entriditung von Zinsen spätestens aufhört. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Begriff der Einlage (Anm. 3) III. Verbot der Rückgewähr der Einlagen 1. Das Verbot allgemein (Anm. 4) 2. Ausnahmen (Anm. 5 u. 6)
IV. Ansprüche der Gesellschaft (Anm. 7) V. Zulässiger Erwerb eigener Aktien der Gesellschaft (Anm. 8) VI. Verbot von Zinszahlungen 1. Das Verbot allgemein (Anm. 9) 2. Ausnahmen (Anm. 10)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorsdirift übernimmt die Bestimmungen des § 52 erster Halbsatz, sowie des Satzes 2 AktG 37 im Absatz 1 und des § 54 I zweiter Halbsatz AktG 37 in seinem Absatz 2 und des § 54 II AktG 37 in seinem Absatz 3. Der Aufbau des Gesetzes ist damit klarer geworden, indem die Schutzvorschriften hinsichtlich der Einlagen in einer Vorschrift zusammengefaßt sind, während die früher im § 52 AktG 37 aufgenommene Bestimmung über den Anspruch auf den sich aus der Jahresbilanz ergebenden Reingewinn gesondert bei der Vorschrift über die Gewinnverwendung ( § 5 8 IV) aufgenommen wurde. Anm. 2: Das Verbot der Rückgewähr von Einlagen an Aktionäre stellt einen unabänderlichen aktienrechtlichen Grundsatz auf und ist daher zwingend. Die Vorschrift ist das Gegenstück zu den Vorschriften über die Sicherung der Leistung der Einlagen bei der Gründung. Keinerlei Einlage darf anders als im Wege ordentlicher Kapitalherabsetzung (§ 222 III) zurückgewährt werden. II. Begriff der Einlage Anm. 3: Unter Einlage sind alle Leistungen zu verstehen, die der Aktionär zur Erlangung der Mitgliedschaft erbracht hat. Es spielt demnach keine Rolle, ob es sich um eine Geld- oder Sacheinlage gehandelt hat. Es fällt weiter 283
§ 57
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 3—5 hierunter das über den Nennbetrag geleistete Aufgeld, Zuzahlungen zwecks Erlangung eines Vorzugs und auch freiwillige Leistungen. III. Verbot der Rückgewähr der Einlagen 1. Das Verbot allgemein Anm. 4: Verboten ist jede, audi jede versteckte Form der Rückgewähr oder Gewinnausschüttung, wie z. B. übermäßige Vergütung für angebliche Gegenleistungen des Aktionärs (§61), Provisionen, Leistung über das Einziehungsentgelt hinaus (RG 150, 28), Bezahlung oder darlehensmäßige Bereitstellung (RG 146, 93), überhaupt Leistungen für Rechnung des Aktionärs (vgl. RG 146, 84; 149, 385), wenn die Leistung nicht aufgrund Hauptversammlungsbeschlusses aus dem nach dem festgestellten Jahresabschluß sidi ergebenden Bilanzgewinn erfolgt. Doch wird auch letzterenfalls gewöhnlich unzulässige Bevorzugung eines Aktionärs vorliegen, wenn eine Leistung an einen einzelnen Aktionär oder für Rechnung eines einzelnen Aktionärs stattfindet. Das Verbot schließt nur die freiwillige Rückgewähr der Einlageleistung aus, nicht auch eine solche aufgrund Anfechtung der Einlageleistung durch Gläubiger oder Konkursverwalter. Es betrifft auch nicht den Gegenstand der Einlage, z. B. nicht die Rückveräußerung einer Sacheinlage an den Einleger gegen vollwertiges Entgelt, wenn nicht etwa damit die Sach- in eine Bareinlage umgewandelt werden soll (vgl. Anm. 19 zu § 27). Audi der Vorbehalt der Rückforderung bei Leistung der Einlage und das Versprechen der Rückgewähr und jedes andere Versprechen ist, sei es nach § 134 BGB, sei es nach § 306 BGB, unstatthaft und nichtig, dessen Erfüllung dem Erfolge nach auf eine Rückleistung der Einlage an den Aktionär hinausliefe, so die Zusage, die Aktie unter gewissen Voraussetzungen und gar zu einem bestimmten Kurs zurückzunehmen oder die Garantie eines Veräußerungskurses, die Zusage fester Zinsen (vorbehaltlich Absatz 2) oder einer Dividende. Nichtig ist auch ein Hauptversammlungsbeschluß, der eine solche Zusage enthält. 2. Ausnahmen Anm. 5: Die rückgewährte Einlage ist von der Gewährung eines Darlehens sehr verschieden, denn letzteres hat nicht zur Folge die unmittelbare Haftung des Aktionärs (§ 62) oder des Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedes (§§ 93, 116). Auch ist sie keine Zahlung auf die Aktie als solche, wie etwa eine Abschlagszahlung auf die Liquidationsrate. Audi die Auszahlung, besonders der Erlaß eines Darlehens, kann unzulässig sein und eine unmittelbare Haftung über § 31 BGB aus § 826 BGB, wie auch Strafbarkeit des Vorstandes begründen. Schenkungen, auch eines Aktionärs, können zurückgewährt und auch widerruflich vereinbart werden, dodi darf auf diesem 284
Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen
§ 57
Anm. 5—7
Wege die Bestimmung nicht umgangen werden, deshalb ist es solchenfalls mit dem Begriff der Schenkung genau zu nehmen. Man kann an Gläubiger denken, die zugleich Aktionäre sind, die gegen Besserungsschein ^ fonds perdu Mittel bereitstellen. Anm. 6: Nur die Rüdegewähr der Einlage durch die Gesellschaft ist verboten, nicht aber die Rückgewähr durch einen Dritten, es sei denn, es geschieht für Rechnung der Gesellschaft:, da diese durch eine solche Leistung letzten Endes belastet werden würde (Schl.-Qu. § 52 Anm. 8; TeichmannKoehler § 52 Anm. 1; BGH, WM 1955, 1251). Der Rückkauf muß natürlich gegen angemessenes Entgelt erfolgen, da andernfalls eine Umgehung des § 57 gegeben wäre. Bei angemessenem Entgelt bleibt jedoch das Gesellschaftsvermögen im Wert erhalten, und es ist nirgends bestimmt, daß die erbrachte Sacheinlage der Gesellschaft erhalten werden müßte. Nicht hierher gehören schließlich Umsatzgeschäfte, die der Aktionär mit der Gesellschaft tätigt. Das von der Gesellschaft zu gewährende Entgelt wird aufgrund des getätigten Geschäfts und nicht dem Aktionär als solchem bezahlt (vgl. aber Anm. 10). IV. Ansprüche der Gesellschaft Anm. 7: Durch die Rückzahlung der Einlage entsteht für die Gesellschaft unmittelbar kraft Aktienrechtes (vgl. R G J W 30, 3730; K G in J W 32, 957) eine Forderung auf Wiedereinzahlung, welche aktienrechtlichen Grundsätzen folgt, also nicht erlassen und nicht durch einseitige Aufrechnung des Pflichtigen getilgt (§ 66), audi nicht ohne Empfang des vollen Gegenwertes abgetreten oder für eine nicht gleichwertige Forderung gepfändet werden kann. Die herrschende Meinung will nur einen Bereicherungsanspruch der Gesellschaft anerkennen, was offensichtlich falsch ist (zustimmend Ballerstaedt, 128; wie hier Fischer in Großkomm. § 52 Anm. 11). Der BGH hat die Frage in seiner Entscheidung vom 11. 10. 1956 — II ZR 47/55 — offengelassen. Das Aktienrecht muß aus sich selbst verstanden werden. Hier handelt es sich um eine gesellschaftliche Verpfliditung. Soweit die Rüdegewähr Erfüllungshandlung eines Umsatzgeschäftes war, braucht sie auch nicht dieses und seine Erfüllung nichtig zu machen (a. A. Schl.-Qu. § 52 Anm. 7). Soweit dem Aktionär anläßlich eines solchen ein zu hoher Kaufpreis gewährt oder von ihm ein zu niedriger bezahlt worden ist, ergibt sich aus § 57 die absolute Verpfliditung zur Teilrückzahlung bzw. Zuzahlung, denn mit dem Aktionär als solchem wurde nicht das Umsatzgeschäft abgeschlossen, sondern die Vereinbarung eines Vorteiles in Gestalt zu hohen oder zu niedrigen Preises getroffen. Über die Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft und ihren Gläubigern vgl. § § 9 3 und 116, des Aktionärs gegenüber den Gläubigern vgl. § 62, der Organpersonen und des 285
§ 57
Anm. 7—9
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Aktionärs gegenüber den anderen Aktionären § 117, §§ 823, 826 BGB. Eine Haftung der Gesellschaft gegenüber den anderen Aktionären auf Gewährung gleicher Vorteile kann weder aus dem Grundsatz der Gleichberechtigung noch etwa über § 31 BGB aus § 826 BGB abgeleitet werden. V. Zulässiger Erwerb eigener Aktien der Gesellschaft Anm. 8: Abs. 1 S. 2 klärt das Verhältnis des Verbotes der Rückgewähr der Einlage zum Verbot des Erwerbes eigener Aktien. Beim Erwerb eigener Aktien erhält der Aktionär praktisch seine Einlage von der Gesellschaft zurück. Das Verbot ist nach Abs. 1 S. 2 insoweit nicht durchgreifend, als es sich um einen nach § 71 erlaubten Erwerb eigener Aktien handelt. Aufgrund Umkehrschlusses muß aber im übrigen das Verbot des § 57 bestehenbleiben, also Anwendung finden bei nichterlaubtem Erwerb eigener Aktien. Weitere Ausnahmen enthalten § 291 III für Leistungen der Gesellschaft aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages und § 323 II für Leistungen einer eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft. VI. Verbot von Zinszahlungen 1. Das Verbot allgemein Anm. 9: Der zweite Absatz betont Selbstverständliches: Zinsen können weder ausgezahlt noch zugesagt werden. Da das Recht aus der Aktie keine Forderung ist, ergibt sich dies von selbst. Die herrschende Ansicht vertrat bisher schon den Standpunkt, daß Bauzinsen nur für das ursprünglich bei der Gründung schon vorgesehene Stammunternehmen zulässig war (anderer Ansicht Ritter Anm. 3 a, Teichmann-Koehler Anm. 3). Die Frage war zweifelhaft, insbesondere durch eine Entscheidung des Reichsgerichts in Bd. 77, 255; danach sollten Bauzinsen auch zugelassen sein, wenn junge Aktien durch Kapitalerhöhung zwecks Erweiterung des Unternehmens ausgegeben werden. Der Gesetzgeber hat diese Frage dahin entschieden, daß er ausdrücklich bestimmt hat, daß nur in der ursprünglichen Satzung Zinsen zugesagt werden können. Eine spätere Einführung einer solchen Zusage durch Satzungsänderung zusätzlich mit einer Kapitalerhöhung ist nicht möglich. Dagegen wäre es denkbar, daß für junge Aktien eine Verzinsung zugesagt würde, wenn dies in der ursprünglichen Satzung vorgesehen war, im übrigen die Voraussetzungen des Abs. 3 vorliegen. Auch aus dem Bilanzgewinn können feste Zinsen nicht zugesagt werden. Unter Zinsen sind nur feste laufende Erträgnisse zu verstehen, die dem Aktionär gezahlt werden und nicht andere Zahlungen, die oft fälschlicherweise Zinsen genannt werden. Vorwegzahlungen aus dem Bilanzgewinn an Vorzugsaktionäre sind nicht Zinszahlungen, sondern Gewinnanteile. Das gleiche gilt für das Nachbezugsrecht (BGH 7, 264). 286
Verwendung des Jahresüberschusses
§§57/58 Anm. 10
2. Ausnahmen Anm. 10: Eine Ausnahme von dem Verbot der Zinszahlungen wird in Absatz 3 geregelt, es handelt sich hierbei um die sogenannten „Bauzinsen". Der Anspruch hierauf ist, wie der beschlossene Gewinnanteil, eine echte Forderung, welche, soweit rückständig, auch im Konkurs geltend gemacht werden kann. Er kann auch nachträglich nicht durch Satzungsänderung beseitigt werden. Ohne Festsetzung in der ursprünglichen Satzung verstoßen Bauzinsen gegen Abs. 2. Bilanzmäßig bringt die Zahlung der Bauzinsen nur eine Verschiebung auf die Aktivseite mit sich. Die Ausschüttung wird den Selbstkosten der Anlagekonten zugeschlagen, während sich die Posten, aus denen sie entnommen wurden (Kasse, Bank, Guthaben usw.) im gleichen Maße mindern. Die Gewinn- und Verlustrechnung beeinflussen sie nicht. Steuerrechtlich können die Anlagekonten aber auf den niedrigeren Teilwert heruntergeschrieben werden. Da es sich um eine echte Forderung handelt, ist der Anspruch abtretbar, pfändbar und verpfändbar. Die Zahlungen, die aufgrund des Absatzes 3 erfolgen dürfen, müssen von vornherein ihrem Hödistbetrag nach satzungsmäßig genau feststehen, das bedeutet Höchstsatz und Zeitraum, für den Zinsen gegeben werden. Hiervon unabhängig fällt die Zulässigkeit weiterer Bauzinsen fort, wenn der volle Betrieb angefangen hat oder der Vorbereitungszweck aufhört, insbesondere feststeht, daß der volle Betrieb nie aufgenommen werden wird (z. B. weil Konkurs eröffnet wird). Uber den Schutz des Gutgläubigen s. § 62. § 58 Verwendung des Jahresübersdiusses (1) Die Satzung kann nur für den Fall, daß die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, bestimmen, daß Beträge aus dem Jahresüberschuß in freie Rücklagen einzustellen sind. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung kann höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen eingestellt werden. Dabei sind Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, und ein Verlustvortrag vorab vom Jahresüberschuß abzuziehen. (2) Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß fest, so können sie einen Teil des Jahresübersdiusses, höchsten jedoch die Hälfte, in freie Rücklagen einstellen. Die Satzung kann Vorstand und Aufsiditsrat zur Einstellung eines größeren Teils als der Hälfte des Jahresüberschusses ermächtigen. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung dürfen Vorstand und Aufsiditsrat keine Beträge in freie Rücklagen einstellen, wenn die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nach der Einstellung die Hälfte übersteigen würden. Absatz 1 Satz 3 gilt sinngemäß. 287
§ 58 Anm. 1
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
(3) Die Hauptversammlung kann im Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns weitere Beträge in offene Rücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen. Sie kann ferner, wenn die Satzung sie hierzu ermächtigt, auch eine andere Verwendung als nach Satz 1 oder als die Verteilung unter die Aktionäre beschließen. (4) Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß nach Absatz 3 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist. (5) Vor Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Einstellung in freie Rüdklagen bei Feststellung des Jahresüberschusses 1. durch Vorstand und Aufsichtsrat (Anm. 2 u. 3) 2. durch die Hauptversammlung (Anm. 4) III. Gewinnverwendungsbeschluß (Anm. 5) 1. Einstellung in freie Rücklagen (Anm. 6) 2. Der Gewinnvortrag (Anm. 7)
3. Gewinnausschüttung an Dritte (Anm. 8) 4. Folgen der Verletzung (Anm. 9) IV. Anspruch des Aktionärs auf Bilanzgewinn (Anm. 10) V. Dividendengarantie (Anm. 11) VI. Dividenden- und Erneuerungsschein (Anm. 12) VII. Verbot weiterer Ausschüttungen (Anm. 13) VIII. Übergangsbestimmungen (Anm. 14)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift regelt den grundsätzlich aufrechterhaltenen Anspruch der Aktionäre auf den Bilanzgewinn (bisher Reingewinn) abweichend vom bisherigen Redit. Bisher hatte einerseits der Aktionär einen Anspruch auf den Reingewinn, der sich aus der Jahresbilanz ergibt, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung ausgeschlossen war, während jetzt (Abs. 3) der Anspruch zusätzlich durch den Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung und den dadurch entstehenden zusätzlichen Aufwand verringert werden kann. Andererseits erstreckt sich der Gewinnverwendungsbeschluß nicht wie bisher auf das, was nach Einstellung beliebig hoher Beträge in die Rücklage durch die Verwaltung verbleibt, sondern es ist eingehend geregelt, unter welchen Voraussetzungen und bis zu welchem Höchstbetrag Rüdciagen von der Verwaltung gebildet werden können. Damit ist die bisher in der Praxis weitgehend herrschende Übung unmöglich gemacht worden, daß der Reingewinn nach Dotierung der Rüdciagen so bemessen wurde, daß er gerade ausreichte, um die Verteilung der von der Verwaltung gewünschten Dividende zu ermöglichen. Grundsätzlich darf nicht mehr als höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rück288
Verwendung des Jahresübersdiusses
§58 Anm. 1,2
lagen eingestellt werden. Die Hauptversammlung kann ihrerseits auch ohne besondere Satzungsermächtigung weitere Beträge aus dem Bilanzgewinn in offene Rücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen (Abs. 3). Aus dem bisherigen Gewinnwer(e?/«ngjbeschluß ist durch die neue Bestimmung ein echter GzvrmnverwendungsbzsdAxifi geworden. Die gesetzliche Lösung bemüht sich, zwei etwa gleichwertigen Anliegen in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Auf der einen Seite gehört die Rücklagenbildung zu den Geschäftsführungsmaßnahmen, die von der für die Geschicke des Unternehmens verantwortlichen Stelle entschieden werden müssen. Kein Unternehmen kann in der heutigen Zeit ohne angemessene Rücklage bestehen. Auf der anderen Seite besteht der Anspruch des Aktionärs, darüber entscheiden zu können, ob er durch Einbehaltung eines Teils des auf seinen Anteil fallenden Gewinns seine bisherige Beteiligung an dem Unternehmen wirtschaftlich — nicht rechtlich — und damit gleichzeitig das mit ihr verbundene Risiko erhöhen, oder ob er die Ausschüttung des erzielten Gewinns wünscht, über den er alsdann frei verfügen kann. Wenn der Gesetzgeber sich dahin entschieden hat, der Verwaltung bis zu 50 o/o des jeweiligen Jahresüberschusses zur Rücklagenbildung zur Verfügung zu stellen, so ist er einmal davon ausgegangen, daß vermutlich dieser Betrag für eine angemessene Rücklagenbildung ausreicht, zum anderen bringt er auch die Gleichwertigkeit der beiden sich gegenüberstehenden Interessen damit zum Ausdruck. Die letzten Endes mehr oder weniger willkürlich festgesetzte Höhe schien auch deshalb unbedenklich, weil die Verwaltung stets an ihre Hauptversammlung mit dem Antrag herantreten kann, weitere Rüdtlagen zu bilden. Sie muß dann allerdings ihren Antrag begründen. Das führt zu einer besseren Information der Aktionäre und dient damit einem wichtigen Anliegen des Gesetzgebers. II. Einstellung in freie Rücklagen bei Feststellung des Jahresübersdiusses 1. durch Vorstand
und
Aufsichtsrat
Anm. 2: Wie im bisherigen Recht erfolgt die Feststellung des Jahresabschlusses grundsätzlich durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 172). Nur wenn Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, oder der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß nicht billigt, stellt ihn die Hauptversammlung fest (§ 173). Nur der Vorstand und Aufsichtsrat können bei Feststellung den Jahresabschluß fest (§ 173). Nur der Vorstand und Aufsichtsrat können bei Feststellung des Jahresabschlusses aus dem Jahresüberschuß Beträge in freie Rüdciagen einstellen, auch dann, wenn die Satzung keine Bestimmung darüber enthält. Diese Einstellung in die Jahresbilanz hat an der nach den GliederungsVorschriften des § 151 I vorgesehenen Stelle auf der 289 19
Wilhelmi, Aktiengesetz
§ 58 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 2,3 Passivseite unter II Posten 2 zu erfolgen. Die Höhe ist begrenzt. Der zulässige Hödistbetrag ist aus der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157), und zwar aus dem Posten Nr. 28 „Jahresüberschuß" zu berechnen. Von diesem Jahresüberschuß ist nach Abs. 1 S. 3 zunächst ein etwa vorhandener Verlustvortrag (§ 157 Posten 29) abzuziehen. Von dem sich dann ergebenden Betrag sind nach § 150 II Nr. 1 5 % in die gesetzliche Rücklage (§ 151 I Passivseite II Posten 2 und § 157 Posten 30 a) so lange einzustellen, bis diese den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht hat (vgl. Anm. 3 zu § 150). Auch dieser Betrag ist von dem um einen etwaigen Verlustvortrag vom Vorjahr verringerten Jahresüberschuß abzuziehen. Von dem sich dann ergebenden Betrag dürfen Vorstand und Aufsichtsrat Beträge bis zur Hälfte in freie Rücklagen einstellen. Anm. 3: Wie bisher kann die Satzung Bestimmungen über die Rücklagenbildung enthalten. Sie kann den Vorstand und Aufsichtsrat ermächtigen oder sogar verpflichten, einen größeren Teil als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen zu stellen. Wir sind der Meinung, daß damit auch eine Satzungsbestimmung zulässig ist, die anordnet, daß der ganze Jahresüberschuß in freie Rücklagen zu stellen ist (ebenso Schäfer in ZdK 66, 276; Becher BB 66, 765; a. A. Geßler in DB 66, 216; Goerdeler in Wp 66, 118; Döllerer 65; 1415). Streitig ist, ob eine Satzungsbestimmung ausreicht, die keinen bestimmten Prozentsatz über 50 % enthält. Wir bejahen dies (ebenso Schäfer a. a. 0 . ; a . A. Goerdeler a . a . O . ; Döllerer a.a.O.). Eine solche Satzungsbestimmung gewinnt allerdings nur dann praktische Bedeutung, wenn die freien Rücklagen geringer sind als die Hälfte des Grundkapitals. Denn nur für diesen Fall läßt das Gesetz — das der Satzungsbestimmung hier vorgeht — eine über die Hälfte des Jahresüberschusses hinausgehende Einstellung in freie Rücklagen durch die Verwaltung zu (Abs. II S. 2). Übersteigen die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals, so kann trotz Satzungsbestimmung dann nicht mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen eingestellt werden. Dadurch wird die Satzungsbestimmung aber nicht ungültig. Bei einer Kapitalerhöhung kann durchaus wieder die Ermächtigung, die in der Satzungsbestimmung liegt, praktisch werden. Der Vorstand kann dann wieder so lange mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einstellen, bis diese die Hälfte des neuen Grundkapitals erreichen. Da die betreffende Bestimmung der Satzung nicht etwa wegfällt, wenn sie nicht mehr verwendet werden kann, bedarf es in einem solchen Fall auch keiner Neufestsetzung in der Satzung. Eine praktisch kaum vorkommende Satzungsbestimmung, wonach weniger als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen eingestellt werden dürfen, schränkt die Verwaltung insoweit in ihren Befugnissen ein. 290
Verwendung des Jahresübersdiusses
§ 58 Anm. 3,4
Ein Verstoß gegen die Bestimmungen macht nadi § 256 I Nr. 4 den festgestellten Jahresabschluß nichtig. Anfechtbar ist ein vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluß nicht. 2. durch die Hauptversammlung Anm. 4: Stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluß fest (§ 173), so kann sie nur dann Beträge in freie Rücklagen einstellen, wenn die Satzung dies bestimmt. Insoweit entspricht die gesetzliche Regelung dem bisherigen Recht und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (in N J W 55, 588). Die Streitfrage, inwieweit der Aktionär Anspruch auf Ausschüttung des Reingewinns hat (§ 52 AktG 37), ist durch die neue Bestimmung des Abs. 4 nunmehr geklärt. Obwohl das Gesetz nur davon spricht, daß die Satzung die Einstellung von Beträgen in freie Rücklagen bestimmen kann, so besteht — wie schon bisher — auch die Möglichkeit, daß die Satzung der Hauptversammlung hierzu eine Ermäditigung erteilt, (a. A. Barz in Die Aktiengesellschaft 66, 43) In beiden Fällen ist die Wirkung einer solchen Satzungsbestimmung der Höhe nach begrenzt; es kann bei der Feststellung des Jahresabschlusses auch die Hauptversammlung keine höheren Beträge in freie Rücklagen einstellen, als dies der Verwaltung bei Feststellung des Jahresabschlusses erlaubt ist, d. h., es ist vom Jahresabschluß ein etwaiger Verlustvortrag und die Einstellung in die gesetzliche Rücklage abzuziehen. Von dem dann verbleibenden Betrag kann bis zur Hälfte in freie Rücklagen eingestellt werden. Hält die Hauptversammlung die Einstellung höherer Beträge in die freie Rücklage für richtig, so kann sie dies im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses (s. Anm. 5) tun. Während die Satzung Vorstand und Aufsichtsrat ermächtigen kann, einen größeren Teil als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rüdciagen einzustellen, und eine solche Satzungsbestimmung dann zum Zuge kommt, wenn die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen, hat eine entsprechende Ermächtigung für die Hauptversammlung eine solche Wirkung nicht. Diese kann nur an die Höchstgrenze der Hälfte des Jahresüberschusses gebunden werden. Eine solche Bestimmung ist auch entbehrlich gewesen, denn es hängt vom Willen der Mehrheit ab, ob durch den Gewinnverwendungsbeschluß eine etwa der Bestimmung des Abs. II S. 3 entsprechende Stärkung der freien Rücklagen erfolgen soll. Auch hier führt ein Verstoß gegen die Bestimmung zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§ 256 I Nr. 4). Da hier ein Hauptversammlungsbeschluß vorliegt, ist dieser nach § 243 möglicherweise auch wegen Verletzung anderer gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorschriften, z. B. fehlerhafte Einberufung der Hauptversammlung, anfechtbar. Die Anfechtung kann aber nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt (§ 257 I). 19»
291
§ 58 Anm. 5—8
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
III. Gewinnverwendungsbeschluß Anm. 5: Unabhängig von der Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 172) oder durch die Hauptversammlung (§ 173) hat die Hauptversammlung über die Verwendung des aus dem festgestellten Jahresabschlusses sich ergebenden Bilanzgewinns zu beschließen. Der notwendige Inhalt und die Wirkung dieses Beschlusses sind in § 174 geregelt; hier wird festgestellt, inwieweit die Hauptversammlung über den Bilanzgewinn anders als durch Ausschüttung an die Aktionäre verfügen kann. 1. Einstellung in freie Rücklagen Anm. 6: Während bei der Feststellung, welche Beträge bei Feststellung des Jahresabschlusses in freie Rücklagen eingestellt werden dürfen, vom Jahresüberschuß (§ 157 I Posten 28) auszugehen ist, handelt es sich hier um die Zuweisung aus dem Bilanzgewinn (§ 157 I Posten 32). Bei der Verwendung des Bilanzgewinns ist die Hauptversammlung grundsätzlich frei. Sie könnte also beschließen, den ganzen Bilanzgewinn in freie Rücklagen einzustellen, dann muß sie allerdings beachten, ob dadurch ein zusätzlicher Aufwand entsteht — was z. Z. jedenfalls wegen des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes der Fall sein wird — und diesen zunächst vom Bilanzgewinn abziehen. Nur der dann verbleibende Betrag kann in freie Rücklagen eingestellt werden (vgl. Anm. zu § 1 7 4 ) . Dabei ist zu beachten, daß dann, wenn die Einstellung von Beträgen in freie Rücklagen bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen übersehbaren Zeitraum zu sichern (§ 254 I), der Gewinnverwendungsbeschluß angefochten werden kann, wenn nicht gleichzeitig eine Dividende von mindestens 4 ®/o an die Aktionäre verteilt wird. 2. Der
Gewinnvortrag
Anm. 7: Die Hauptversammlung kann den Bilanzgewinn ganz oder teilweise auf neue Rechnung vortragen. Alles, was zur Einstellung in freie Rücklagen über die zulässige Höhe gesagt ist, gilt auch hier. Fraglich kann nur sein, inwieweit § 254 gilt, der den Gewinnvortrag nicht ausdrücklich erwähnt. Da wirtschaftlich der Gewinnvortrag von der freien Rücklage sich nicht unterscheidet, möchten wir annehmen, daß er jedenfalls dann anzuwenden ist, wenn der Gewinnvortrag ungewöhnlich hoch ist, und die Einstellung des Betrages in freie Rücklagen die Anwendung des § 254 zur Folge haben würde. 3. Gewinnausschüttung
an Dritte
Anm. 8: Insoweit der Bilanzgewinn nicht in freie Rücklagen eingestellt oder als Gewinn vorgetragen wird, ist er an die Aktionäre zu verteilen, 292
Verwendung des Jahresüberschusses
§ 58 Anm. 8—10
jedoch kann die Satzung die Hauptversammlung zu einer anderen Verwendung ermächtigen. Es könnte dann die Hauptversammlung einen Teil des Gewinns an die Arbeitnehmer ausschütten oder gemeinnützigen Unternehmen oder auch zur Förderung spezieller Aufgaben, wie der wissenschaftlichen Forschung, einer bestimmten Forsdiungsstelle zuteilen. 4. Folgen der Verletzung Anm. 9: Ist der Gewinnverwendungsbeschluß fehlerhaft, so kann er, wie jeder Hauptversammlungsbeschluß, nach § 241 nichtig oder nach § 243 anfechtbar sein; darüber hinaus gilt für ihn der oben in Anm. 6 behandelte besondere Anfechtungsgrund des § 254. IV. Anspruch des Aktionärs auf Bilanzgewinn Anm. 10: Vom Jahresüberschuß (§ 157 Abs. 1 Posten 28) ist zu unterscheiden der Bilanzgewinn (dort Posten 32). Dieser entwickelt sich aus der Berücksichtigung des Gewinn- oder Verlustvortrags aus dem Vorjahr, den Entnahmen, der Einstellungen in offene Rücklagen. Er ergibt sich endgültig erst aus dem Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung. N u r auf diesen Bilanzgewinn, der sich nach dem Gewinnverwendungsbeschluß ergibt, haben die Aktionäre einen um den zusätzlichen Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses verringerten Anspruch auf Ausschüttung. Ein zusätzlicher Aufwand entsteht insbesondere dann, wenn die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß zusätzliche Rücklagen macht, und zwar in erster Linie auf steuerlichem Gebiet wegen des gespaltenen Körperschaftssteuersatzes (Anm. 6). Der Gewinnanspruch des Aktionärs entsteht nur im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses. Im Grunde genommen ist die Vorschrift des Absatzes 3 heute überflüssig, weil nicht mehr wie bisher der Vorstand und Aufsichtsrat, wenn dieser den Jahresabschluß feststellt, den „Reingewinn" feststellen und damit die Zuweisung zu freien Rücklagen bereits vorher erfolgt war; ist es heute vielmehr so, daß die Verwaltung in der Einstellung von Beträgen in freie Rücklagen beschränkt ist und die Hauptversammlung in dem Gewinnverwendungsbeschluß den zur Verteilung an die Aktionäre zur Verfügung stehenden Betrag ihrerseits noch zu verändern vermag, indem sie weitere Beträge in freie Rücklagen einstellt oder als Gewinn vorträgt oder aufgrund einer Satzungsbestimmung anderweitig verwendet. Das vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung in N J W 55, 588 behandelte Problem, daß der Aktionär einen unabdingbaren Anspruch auf Ausschüttung des Reingewinns habe, wenn die Satzung nicht ausdrücklich die Hauptversammlung ermächtigt, anders als durch Ausschüttung über den Reingewinn zu verfügen, kann heute gar nicht mehr auftreten, weil die 293
§ 58
Anm. 10—11
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Hauptversammlung gesetzlich berechtigt ist, im Beschluß über die Gewinnverwendung über den sich zunächst einmal aus dem von der Verwaltung aufgestellten Jahresabschluß ergebenden Bilanzgewinn zu verfügen. Hier ist also jetzt die Feststellung des endgültigen Bilanzgewinns, früher als „Reingewinn" bezeichnet, auf alle Fälle Sache der Hauptversammlung, so daß diese immer entscheiden muß, wie der Bilanzgewinn, wie er sich nach dem festgestellten Jahresabschluß zunächst einmal ergibt, zu verwenden ist. Dazu gehört auch der eigentliche Ausschüttungsbeschluß (§ 174 I I N r . 2). Es ist schon bisher unbestritten gewesen, daß aufgrund dieses Ausschüttungsbeschlusses ein individuelles einklagbares Recht des Aktionärs entsteht. Das ist unverändert so geblieben. Geändert hat sich nur, daß für den Einzelaktionär und dessen Anspruch auf Ausschüttung der ursprünglich von der Verwaltung festgestellte Bilanzgewinn bedeutungslos ist, es sei denn, die Hauptversammlung ändert nichts an dem Vorschlag der Verwaltung. Das würde bedeuten, daß der von ihr festgestellte Bilanzgewinn identisch ist mit dem von der Verwaltung festgestellten und daß sie dann allerdings zur Ausschüttung dieses von ihr selbst genehmigten Bilanzgewinns verpflichtet ist. D a eine Ausschüttung nur aus dem Bilanzgewinn erfolgen darf, ist Voraussetzung für jede Ausschüttung, daß ein Jahresabschluß vorliegt. Das bedeutet aber nicht, daß das Geschäftsjahr, dessen Ergebnis verteilt werden soll, ein volles Kalenderjahr umfassen muß. Es kann sich vielmehr für das erste Geschäftsjahr ergeben, daß dies kürzer als ein Kalenderjahr ist und ebenso durch Verlegung des Geschäftsjahres durch Satzungsänderung (nicht rückwirkend, also nicht auf einen Zeitpunkt, der z. Z. der Satzungsänderung bereits verstrichen war). Der Gewinn des bei der Auflösung einer Gesellschaft bis dahin abgelaufenen Teils des neuen Geschäftsjahres kann nicht ausgeschüttet werden, weil anläßlich der Abwicklung zwar eine Abwicklungseröffnungsbilanz aber keine Jahresbilanz, auch nicht für das Rumpfgeschäftsjahr, festgestellt wird. Während es nach dem bisherigen Recht überhaupt keine Möglichkeit zur Ausschüttung gab, ohne daß eine festgestellte Jahresbilanz vorlag, ist dies jetzt geändert; in § 59 wird eine Abschlagszahlung auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn unter gewissen Voraussetzungen für zulässig erachtet, s. im einzelnen dort. V. Dividendengarantie Anm. 11: Dividenden können nicht zugesagt werden, weder feste noch schwankende, noch Mindestdividenden, weil immer ein Bilanzgewinn Voraussetzung für jede Dividendenzahlung ist. Dagegen können gewisse Gattungen von Aktien einen Vorzugsanspruch auf Dividende vor anderen Aktiengattungen haben, aber auch dann muß immer ein Bilanzgewinn, aus 294
Verwendung des Jahresübersdiusses
§58 Anm. 11,12
dem die Zahlung erfolgen kann, vorhanden sein. Die Gesellschaft kann auch nicht anläßlich der Veräußerung eigener Aktien mittels Umsatzgeschäftes, etwa als Gegenleistung für übernommene Vermögensgegenstände (Reichsgericht 121, 105), Dividenden zusagen. Von der Zusage einer Dividende ist zu unterscheiden die Abrede über eine Gewinnbeteiligung. Diese ist, wie in § 292 II ausdrücklich festgestellt wird, im Rahmen von Verträgen des laufenden Geschäftsverkehrs oder im Rahmen von Lizenzverträgen zulässig. Selbstverständlich ist auch der Vertrag über eine Gewinnbeteiligung mit Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat zulässig. Das war bisher schon völlig unstreitig. Auch mit einzelnen Arbeitnehmern der Gesellschaft ist eine Abrede über eine Gewinnbeteiligung ganz allgemein zulässig (§ 292 II). Dagegen würde eine allgemeine Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer unter die besonderen Bestimmungen, die für Unternehmensverträge gelten, fallen. VI. Dividenden- und Erneuerungsscheine Anm. 12: Regelmäßig werden, ohne daß ein gesellschaftlicher Anspruch darauf besteht, über die Gewinnanteile der einzelnen Jahre besondere, auch bei Namensaktien auf den Inhaber leutende Urkunden, Dividendenscheine, ausgestellt, welche den aufgrund des Hauptversammlungsbeschlusses entstandenen Gewinnanspruch jedweden Jahres nicht etwa das von der Aktie untrennbare (s. Anm. 7 zu § 8 und Anm. 5 zu § 75) Gewinnrecht verkörpern und in diesem Sinne Wertpapiere sind, Inhaberpapiere in einem weiteren Sinn (RG 77, 235), ohne Unterscheidung, ob der Dividendenschein auf die Dividende eines bestimmten Geschäftsjahres lautet oder nur eine Unterscheidungsnummer trägt, wie allgemein üblich. Der Inhaber ist nicht nur legitimiert, sondern auch forderungsberechtigt, freilich erst, wenn ein Verteilungsbeschluß gefaßt ist. Bis dahin verkörpert der Schein überhaupt kein Recht, da es zweifelhaft ist, ob überhaupt ein Gewinn darauf entfallen wird, bei nur numerierten Scheinen auch, ob sie nicht nur als Legitimation für andere Zwecke dienen werden. Die Forderung wird durch Übergabe des Papiers übertragen. Es besteht erweiterter Schutz des guten Glaubens. § 796 BGB ist indessen nicht unbeschränkt anwendbar, z. B. kann seitens der Gesellschaft geltend gemacht werden: ursprüngliche oder durch Anfechtung herbeigeführte Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses, Nichtigkeit oder Einziehung (§ 72) der Aktie, mangelnde Einzahlung (§ 60); Zugehörigkeit zu einer eigenen Aktie. Hierin erweist sich die Herkunft der Forderung aus der Aktie, aber sie ist im übrigen von ihr unabhängig. Selbst ein noch nicht an der Reihe befindlicher Dividendenschein oder der an der Reihe befindliche vor dem Verteilungsbeschluß kann seinen eigenen Weg gehen, nicht nur obligatorisch, sondern auch dinglich veräußert und verpfändet werden. Bei Veräußerung, Verpfändung und Nießbrauchbestellung besteht für den Mantel (Aktienurkunde) und die Scheine (Bögen) je für sich das Erfordernis der 295
§ 58 Anm. 12
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Übergabe: Aktie und Dividendenscheine können an verschiedene Personen verkauft und verpfändet werden. Der Dividendenschein ist daher nur mitveräußert, -verpfändet oder sonst — belastet, wenn er mitübergeben wird (RG 77, 335). Nicht wohl kann nach der Natur der Sache zweierlei Nießbrauch an Aktie und Dividendenschein für den gleichen Zeitraum bestellt werden, andererseits ist Veräußerung des Dividendenscheins und Bestellung eines zeitlich begrenzten Nießbrauchs an der Aktie zu unterscheiden. In allen Fällen der Veräußerung, Verpfändung, Nießbrauchbestellung vor dem Verteilungsbeschluß, der für den Dividendenschein gelten wird, kommt es auf die Vereinbarung dafür an, was gelten soll, wenn darauf ein Gewinnanspruch von anderer Höhe entfällt, als vorausgesetzt wurde. Beim Kauf dürfte es sich im allgemeinen um einen Hoffnungskauf, und zwar eines Gewinnansprudis handeln, so daß der Käufer nicht etwa ein Bezugsrecht ausüben kann, wenn der Schein für ein solches legitimiert, auch nicht ein mittelbares, auch nicht auf eine Gratisaktie (vgl. aber 10). Ist der Dividendenschein verpfändet, so dürfte das Pfandrecht jedes darauf entfallende Vermögensrecht ergreifen. Ist ein Nießbrauch darauf bestellt, so ist umgekehrt ohne dahingehende Vereinbarung nicht anzunehmen, daß ein Bezugsrecht darunter fallen soll (s. Anm. 2 zu § 186). Wenn kein Dividendenschein ausgestellt ist, so kann zwar der Anspruch auf den Gewinnanteil, auch auf den noch nicht beschlossenen, gleichfalls durch Abtretung oder Pfändung vom Aktienrecht getrennt werden, zur Geltendmachung ist aber bei der Inhaberaktie und, wenn der Aussteller der Abtretungsurkunde nicht im Aktienbuch eingetragen ist, auch bei der Namensaktie die Vorlegung der Aktienurkunde notwendig. Es muß deshalb eine Legitimationsübertragung hinzukommen. Der Erwerber eines Dividendenscheins und der Zessionar eines Gewinnanspruchs bleibt, solange der maßgebliche Gewinnverwendungsbeschluß nicht gefaßt ist, hinsichtlich seiner künftigen Rechte der Verbandsgewalt unterworfen (bes. einem Auflösungsoder Satzungsänderungsbeschluß ausgesetzt); er wird auch von jedem Schicksal des Aktienrechts mitbetroffen, nicht auch der Urkunde; wird diese für kraftlos erklärt, kann er von dem Aktionär Aushändigung des Ersatzbogens verlangen, § 952 BGB. Er hat keine Möglichkeit, ihm nachteilige Beschlüsse anzufechten, auch nicht, wenn der Aktionär einen Anfechtungsgrund hätte und dazu befugt wäre. Es wird deshalb wohl niemand entgeltlich einen solchen Dividendenschein oder Gewinnanspruch erwerben, es sei denn unter entsprechender Gewährleistung eines solventen Veräußerers; immerhin sind Schenkungen und Vermächtnisse solcher Art denkbar, auch können bei Vermögensauseinandersetzungen derartige Ausgleiche vorkommen. Der Gewinnanspruch erlischt, wenn ein Dividendenschein gebildet ist, nach § 801 II BGB, sofern er nicht innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem er fällig geworden ist, vorgelegt wird; von der Vorlegung 296
Verwendung des Jahresübersdiusses
§ 58
Anm. 12,13
ab verjährt der Anspruch in zwei Jahren nach § 801 II BGB; in dem Dividendenschein selbst können andere Vorlegungs- und Verjährungsfristen vorgesehen werden (§ 801 I BGB). Ein Aufgebot zwecks Kraftloserklärung des Dividendenscheines ist nicht möglich (§ 799 BGB). Jedoch kann sein Verlust angezeigt werden (§ 804 BGB). Ist kein Dividendenschein ausgegeben, so besteht auch keine Vorlegungsfrist. Der Dividendenanspruch verjährt in diesem Falle in dreißig Jahren. Den Aktien pflegen auch Erneuerungsscheine beigegeben zu werden, aufgrund deren neue Dividendenscheinbogen, welche die Gewinnanteilscheine für eine begrenzte Anzahl von etwa 10 Jahren enthalten, ausgegeben werden, wenn alle Scheine abgelaufen sind. Ein solcher Erneuerungsschein ist kein Inhaberpapier, sondern Legitimationspapier (s. aber § 75), das seine Empfangsberechtigung nachweist, solange der Aktionär nicht widerspricht. Die Gesellschaft ist solange berechtigt, an den Inhaber des Erneuerungsscheines (auch Talon genannt) den Bogen auszugeben. Dieser hat jedoch aus dem Erneuerungsschein keine Forderung auf Aushändigung des Bogens. Deshalb kann die Gesellschaft die Ausgabe des Bogens an den Inhaber des Aktienmantels nicht verweigern, wenn dieser ihn ohne den Erneuerungsschein oder statt seiner vorlegt. Der Erwerber der Aktie hat aber im Zweifel aufgrund des Veräußerungsgeschäftes (auch aufgrund Eigentums nach § 952 BGB) einen Anspruch gegen den Veräußerer auf Mitübergabe des Talons und der Gewinnanteilscheine (RG 77, 335). Auch der Aktionär hat als solcher gegen die Gesellschaft einen Anspruch auf Aushändigung des Dividendenscheinbogens mit Talon und nach Ablauf des ersteren auf einen neuen Bogen mit Talon. Der Schein wird durch die Einziehung, Kraftloserklärung, Kaduzierung der Aktie ungültig. Da er selbst kein Recht verkörpert oder gewährt, wäre seine Kraftloserklärung gegenstandslos und ist daher unzulässig. Seine Veräußerung oder Verpfändung kann aus dem gleichen Grund nur als ergänzendes Durchführungsgeschäft zur Veräußerung der Verpfändung der Dividendenscheine in Betracht kommen, zu deren Entgegennahme er legitimiert. VII. Verbot weiterer Ausschüttungen Anm. 13: Das Verbot, vor Auflösung der Gesellschaft mehr als den Bilanzgewinn unter die Aktionäre zu verteilen, steht in engem Zusammenhang mit der Bestimmung des § 57 I S. 1, denn jede Verteilung von mehr als dem Bilanzgewinn würde eine Rückzahlung der Einlage bedeuten. Die Bestimmung kann nur im Zusammenhang mit der Verwendung des Jahresüberschusses richtig verstanden werden, denn es ist keineswegs so, daß ganz generell keine Zahlungen an die Aktionäre erfolgen dürfen. Nach § 59 sind Abschlagszahlungen aus dem Bilanzgewinn zulässig, ferner ist nach wie vor 297
§ 58 Rechtsverhältnisse der Gesellsdiaft und der Gesellschafter Anm. 13,14 eine Auszahlung an die Aktionäre im Wege der ordnungsgemäßen Kapitalherabsetzung zulässig. Ferner fallen nicht unter das Verbot Leistungen aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 III) und Leistungen einer eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft ($ 323 II). Die geringfügige Änderung im Gesetzestext — es wird jetzt von der Auflösung der Gesellschaft gesprodien, während es früher hieß „solange die Gesellschaft besteht" — bedeutet keine Änderung des bisherigen Rechts. Es war schon im bisherigen Recht unstreitig, daß das Verbot des § 52 AktG 37 im Stand der Abwicklung galt (RG 149, 297) und damit auch Abschlagszahlungen auf den Abwicklungserlös vor Befriedigung der Gläubiger und Ablauf des Sperrjahres nicht erlaubt waren. Wenn jetzt von der Auflösung der Gesellsdiaft ausgegangen wird, so ändert das sachlich insofern nichts, als auf die Auflösung die Abwicklung folgt und nunmehr die dortigen Schutzbestimmungen, die dem vorliegenden Paragraphen insoweit entsprechen, gelten. VIII. Übergangsbestimmungen Anm. 14: Die Vorschriften über die Verwendung des Jahresüberschusses und die Gewinnverwendung gelten erstmals für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr (§ 15 I EG). Das bedeutet, daß sie erstmals in der Hauptversammlung 1968 anzuwenden sind. Wenn Satzungsänderungen als notwendig oder zweckmäßig erscheinen, so können diese in derselben Hauptversammlung vorgenommen werden, in der die Gewinnverwendung nach den neuen Vorschriften erstmals zu erfolgen hat. Solche Satzungsänderungen sind z. B. dann notwendig, wenn die Hauptversammlung ermächtigt werden soll, die Verwendung des Bilanzgewinns zu beschließen, die nicht in einer Zuweisung von Beträgen in offene Rücklage oder in einem Gewinnvortrag besteht (Abs. 3). Ferner ist zu prüfen, ob nicht eine Satzungsänderung im Sinne des Abs. 1 notwendig ist, die dahin geht, daß die Hauptversammlung, wenn sie selbst den Jahresabschluß feststellt, Beträge aus dem Jahresüberschuß in freie Rücklagen einstellen kann oder muß. Endlich kann sich auch eine Satzungsbestimmung als zweckmäßig erweisen, die dem Vorstand und Aufsichtsrat, wenn er den Jahresabschluß feststellt, zur Einstellung eines größeren Teils als die Hälfte des Jahresüberschusses in die freien Rücklagen ermächtigt (Abs. 2). Wird die Satzungsänderung in der Hauptversammlung vorgenommen, die über das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr, das ist also im allgemeinen die Hauptversammlung, die im Jahre 1968 stattfindet, beschlossen, so muß die Beschlußfassung vor der Beschlußfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns erfolgen. Dies sollte sich schon aus der 298
Abschlagzahlung auf den Bilanzgewinn
§§ 58 / 59 Anm. 14/1
Tagesordnung ergeben, evtl. muß eine unrichtige Tagesordnung durch Beschluß der Hauptversammlung entsprechend umgestellt werden. D a eine Satzungsänderung erst mit ihrer Eintragung wirksam wird, kann auch der Gewinnverwendungsbeschluß nicht wirksam werden, bevor nicht die Eintragung der Satzungsänderung erfolgt ist. Es bleibt aber den Gesellschaften überlassen, die ihnen notwendig erscheinenden Satzungsbestimmungen schon in einer früheren Hauptversammlung beschließen zu lassen. Dem steht auch der Wortlaut des § 15 II E G nicht entgegen. Dieser besagt nur, daß, wenn keine Satzungsänderungen erfolgen, für die früheren Geschäftsjahre es bei den bisherigen gesetzlichen Vorschriften und Satzungsbestimmungen verbleibt. Dagegen haben die Gesellschaften keine freie Hand in der Richtung, den Gewinnverwendungsbeschluß nach den neuen Vorschriften schon auf ein früheres Geschäftsjahr anzuwenden. Im Gegensatz zu den Übergangsbestimmungen für die Rechnungslegung muß es ausdrücklich heißen, daß diese zwar auch erstmals für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr gelten, sie aber auf ein früheres Geschäftsjahr angewandt werden können, fehlt es bei der Bestimmung über die Gewinnverwendung an dieser ausdrücklichen Bestimmung. Man muß also davon ausgehen, daß auch für eine Gesellschaft, die die Vorschriften über die Rechnungslegung bereits für ein früheres Geschäftsjahr eingeführt hat, die Vorschriften über die Verwendung des Jahresüberschusses und die Gewinnverwendung nach zwingender gesetzlicher Vorschrift erst für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr erstmals gelten. Das gilt allerdings nicht für zwischenzeitlich beschlossene und wirksam gewordene Satzungsänderungen. § 59 Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn (1) Die Satzung kann den Vorstand ermäditigen, nach Ablauf des Geschäftsjahrs auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn einen Abschlag an die Aktionäre zu zahlen. (2) Der Vorstand darf einen Abschlag nur zahlen, wenn ein vorläufiger Abschluß für das vergangene Geschäftsjahr einen Jahresübersdiuß ergibt. Als Abschlag darf höchstens die Hälfte des Betrags gezahlt werden, der von dem Jahresübersdiuß nach Abzug der Beträge verbleibt, die nach Gesetz oder Satzung in offene Rüdklagen einzustellen sind. Außerdem darf der Abschlag nicht die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns übersteigen. (3) Die Zahlung eines Abschlags bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats. Anm. 1: Aus dem Gedanken heraus, die Aktie auch für ein Publikum, das bisher gewohnt ist, sein Geld gegen Verzinsung anzulegen, einzuführen, 299
§ 59 Anm. 1—3
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
hat man sich Gedanken darüber gemacht, ob nicht die Möglichkeit geschaffen werden muß, daß auf die Aktie nicht wie bisher nur einmal ein Ertrag ausgeschüttet wird, sondern daß eine gewisse Anpassung an die Anlagepapiere geschaffen werden sollte, die mehrfach im Jahr Zinsen ausschütten. Das ist bei der Aktie ihrer Natur nach nur in sehr beschränktem Umfang möglich. Es muß an dem Grundsatz festgehalten werden, daß irgendwelche Zahlungen an die Aktionäre nur aus dem Bilanzgewinn gemacht werden können. Dieser Bilanzgewinn steht erst fest, wenn die Hauptversammlung den Gewinnverwendungsbeschluß gefaßt hat. Es ist also immer bedenklich, wenn vor diesem Zeitpunkt irgendwelche Abschlagszahlungen an die Aktionäre auf einen überhaupt noch nicht festgestellten Bilanzgewinn geleistet werden sollen. Die Vorschrift war deshalb auch bis zuletzt umstritten, teilweise auch deshalb, weil befürchtet wurde, man würde hier Hoffnungen bei Aktionären wecken, die von der Wirtschaft nicht erfüllt werden. Endlich wurde gegen die Vorschrift nicht zu Unrecht eingewandt, daß zumindest im Augenblick die Entwicklung auch bei den festverzinslichen Werten dahin geht, die Zinszahlungen möglichst nur einmal im Jahr vorzunehmen, einfach aus Gründen der Arbeitsersparnis. Wenn man sich trotz dieser Bedenken zur Aufrechterhaltung der Bestimmungen entschloß, so muß bei der Auslegung dieser Bestimmungen davon ausgegangen werden, daß unter keinen Umständen dies ein Weg wird, auf dem die Bestimmung des § 58 I V umgangen werden könnte. Anm. 2: Eine Abschlagszahlung setzt zunächst voraus, daß die Satzung den Vorstand zu einer soldien Abschlagszahlung ermächtigt. Es kann also nicht etwa eine Hauptversammlung beschließen, daß im folgenden Geschäftsjahr eine solche Abschlagszahlung stattfindet. Es müßte, wenn die Satzung darüber nichts besagt, zunächst ein satzungsändernder Beschluß gefaßt und wirksam werden. Auch dann hat die Hauptversammlung mit der Abschlagszahlung nichts zu tun, sie kann keinen Beschluß fassen, der eine Anweisung an den Vorstand enthält, vielmehr steht die Abschlagszahlung in der Verantwortung des Vorstands und des Aufsichtsrats, denn nur mit dessen Zustimmung kann eine Abschlagszahlung stattfinden (Abs. 3). Anm. 3: Niemals darf eine Abschlagszahlung auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn eines noch laufenden Geschäftsjahres geleistet werden. Es ist also nicht denkbar, daß, wenn die Satzung den Vorstand ermächtigt hat, etwa in einer Hauptversammlung einmal eine Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr ausgeworfen wird und dann noch eine weitere Abschlagszahlung für das zum Zeitpunkt der Hauptversammlung laufende Geschäftsjahr. Nur wenn das Geschäftsjahr, für das die Abschlagszahlung auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn gezahlt werden soll, abgeschlossen ist, sich 300
Abschlagzahlung auf den Bilanzgewinn
§59 Anm. 3—6
also in seinem ganzen Verlauf übersehen läßt, kann eine solche Abschlagszahlung in Frage kommen. Anm. 4: Audi dann kann sich der Vorstand nicht auf eine allgemeine Schätzung verlassen, sondern es muß ein vorläufiger Abschluß für das vergangene Geschäftsjahr vorliegen. Dieser Abschluß muß einen Jahresüberschuß ergeben. Das Gesetz sagt nichts darüber, wie ein solcher vorläufiger Abschluß aussehen muß. Es ist selbstverständlich, daß er ordnungsgemäß aufgestellt sein muß. Es genügt also sicher nicht, wenn lediglich das Betriebsergebnis des abgelaufenen Jahres festgestellt wird, sondern es muß die Aufstellung des Jahresabschlusses nach den Bestimmungen der §§ 149—159 erfolgt sein. Der Geschäftsbericht gehört begrifflich nicht zum Jahresabschluß. Er dient dazu, ihn zu erläutern. Infolgedessen braucht er noch nicht vorzuliegen, wenn eine Abschlagszahlung erfolgen soll. Ebenso braucht der Jahresabschluß noch nicht von den Abschlußprüfern geprüft zu sein. Gerade dieser Zeitraum soll gewissermaßen durch die Abschlagszahlung überbrückt werden. Anm. 5: Von dem sich aus dem vorläufigen Abschluß ergebenden Überschuß sind zunächst einmal die Beträge abzuziehen, die nach Gesetz oder Satzung in offene Rücklagen einzustellen sind. Von dem sich dann ergebenden Betrag darf höchstens die Hälfte als Abschlagszahlung verwandt werden. Ganz selbstverständlich ist es, daß, wenn der Vorstand und der Aufsichtsrat beabsichtigen, über das, was nach Gesetz oder Satzung in offene Rücklagen einzustellen ist, noch weitere Beträge in die offene Rücklage einstellen wollen, sei es, daß sie dazu nach § 58 II durch die Satzung ermächtigt sind, sei es, daß sie beabsichtigen, der Hauptversammlung einen entsprechenden Vorschlag zu machen, daß sie auch diese Beträge dann berücksichtigen. Allerdings braudien sie das nicht zu tun, um zu berechnen, wie groß der Betrag ist, von dem sie die Hälfte als Abschlagszahlung verwenden können. Sie können also beispielsweise bei der Berechnung der Abschlagszahlung davon ausgehen, daß sie die Beträge, die sie freiwillig offenen Rücklagen zuführen wollen, zu Lasten des Teils des Bilanzgewinns, über den die Hauptversammlung verfügt, gehen lassen. Das sind aber rein theoretische Erwägungen. Sicherlich wird, wenn man sich überhaupt zur Abschlagszahlung entschließt, eine Verwaltung davon ausgehen, daß sie nicht mehr als die Hälfte des Betrages ausschüttet, der vermutlich im Gewinnverwendungsbeschluß von der Hauptversammlung als Gesamtdividende erklärt wird. Anm. 6: Endlich ist noch eine weitere Vorsichtsmaßnahme getroffen worden. Der Abschlag darf nicht die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns übersteigen. Hier handelt es sich also nicht etwa um den vorjährigen Jahresüberschuß (§ 157 I Posten 28), sondern um den Bilanzgewinn, dort Posten 32. 301
§§ 59 / 60 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 6 , 7 / 1 Diese Bestimmung ist recht problematisch, denn sie geht einmal davon aus, daß die Ertragslage der Gesellschaft in gewissem Umfange konstant ist, zum anderen davon, daß die Rücklagenpolitik und damit die Feststellung des Bilanzgewinns eine grundsätzlich gleichbleibende ist. Gerade diese letztere ist ein Übel bei den deutschen Gesellschaften, da sie der Tatsache widerspricht, daß die Aktie eine Beteiligung an der Gesellschaft vermittelt und daß infolgedessen der Aktionär das Auf und Ab am Schicksal seiner Gesellschaft mitzutragen hat. Dennoch hat man sich entschlossen, diese im Regierungsentwurf vorgeschlagene Bestimmung beizubehalten, weil sie wohl in der Praxis tatsächlich eine weitere Sicherung gegen leichtsinnige Abschlagszahlung darstellt. Anm. 7: Bei Verstoß haften Vorstand und Aufsichtsrat nach §§ 93, 116, der Aktionär nach § 62.
§ 60 Gewinnverteilung (1) Die Anteile der Aktionäre am Gewinn bestimmen sidi nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge. (2) Sind die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet, so erhalten die Aktionäre aus dem verteilbaren Gewinn vorweg einen Betrag von vier vom Hundert der geleisteten Einlagen. Reicht der Gewinn dazu nicht aus, so bestimmt sidi der Betrag nach einem entsprechend niedrigeren Satz. Einlagen, die im Laufe des Geschäftsjahrs geleistet wurden, werden nach dem Verhältnis der Zeit berücksichtigt, die seit der Leistung verstrichen ist. (3) Die Satzung kann eine andere Art der Gewinnverteilung bestimmen. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 53 AktG 37 mit der Maßgabe, daß sie klarstellt, daß es sich um die Anteile „der Aktionäre" am Gewinn handelt. Es gibt auch noch andere am Gewinn beteiligte Personen, deren Rechte werden hier nicht geregelt (vgl. hierüber § 58 Anm. 8). Da nach Absatz 3 die Satzung eine andere Art der Gewinnverteilung bestimmen kann und dies vielfach geschieht, haben die Bestimmungen der Absätze 1 und 2 nur die Bedeutung, daß sie gültig sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. Wichtig ist jedoch, daß nur die Satzung etwas anderes bestimmen kann, nicht etwa die Hauptversammlung. Diese ist an Satzung und, wenn diese nichts besonderes bestimmt, an das Gesetz gebunden. Abweichendes kann sie nicht beschließen. Bestritten ist, ob durch eine nachträgliche Satzungsänderung der Verteilungsmaßstab für bereits ausgegebene Aktien verändert werden kann. Wir sind der Auffassung, daß 302
Vergütung von Nebenleistungen
§§60/61 Anm. 1—5 / 1
dies nur möglich ist, 'wenn es gleichmäßig für alle oder anläßlich einer Kapitalerhöhung für das Verhältnis der neuen zu den alten Aktien geschieht. Im übrigen würde die mit einer solchen Änderung notwendig verbundene Benachteiligung eines Teils der Aktionäre den Beschluß anfeditbar machen. Anm. 2: Die Satzung kann verschiedene Aktiengattungen (§ 11), z. B. Vorzugsaktien, schaffen, indem sie der einen Gattungsart Vorzugsrechte einräumt oder ihre Rechte beschränkt oder mit dem Vorzug eine Beschränkung verbindet, auch von dem Nennbetrag als Verteilungsgrundlage abgehen, wie es vielfach bei den Nebenleistungsgesellschaften geschieht. Sie kann voll und nicht voll eingezahlte Aktien wegen des gleichen Risikos einander gleichstellen oder statt von den Nennbeträgen oder den Einlagen (Einzahlungen) auf diese von der gesamten Einlage (Nennbetrag plus Aufgeld) ausgehen. Anm. 3: Kommen, weil die Satzung nichts anderes bestimmt, die Absätze 1 und 2 zum Zuge, so ist der Nennbetrag maßgebend, nicht die Höhe der Einlage (auf den Nennbetrag eingezahlter Betrag zuzüglich Aufgeld). Die einzelnen Emissionen sind einander also gleichgestellt, auch wenn der Ausgabebetrag verschieden hoch war. Sind aber nicht alle Einlagen voll eingezahlt, so wird auf die Einzahlungen, welche auf das Grundkapital (nicht auf das Aufgeld) geleistet worden sind, eine Vordividende von 4 % nach Maßgabe der Höhe und des Zeitpunktes der Zahlung vorweg ausgeschüttet. Anm. 4: Absatz 2 greift bereits Platz, wenn nur ein Aktionär die Einlage nicht voll eingezahlt hat. Unter Einlagen sind auch Sacheinlagen zu verstehen, bei denen sich der Hundertsatz nach der Bewertung der Sacheinlage richtet. Anm. 5: Junge, vollbezahlte Aktien, die im Laufe des Geschäftsjahres ausgegeben wurden, nehmen am Gewinn voll teil. Das ist Auslegungsfrage, aber zu bejahen, sofern der Kapitalerhöhungsbesdiluß nichts bestimmt. Im übrigen hat diese Frage infolge der im allgemeinen erfolgenden Regelung im Kapitalerhöhungsbeschluß nur theoretische Bedeutung. § 61 Vergütung von Nebenleistungen Für wiederkehrende Leistungen, zu denen Aktionäre nach der Satzung neben den Einlagen auf das Grundkapital verpflichtet sind, darf eine den Wert der Leistungen nicht übersteigende Vergütung ohne Rücksicht darauf gezahlt werden, ob ein Bilanzgewinn ausgewiesen wird. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt sachlich die Bestimmung des § 55 AktG 37 mit der Maßgabe, daß entsprechend der neuen Terminologie des neuen 303
§ 61
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 1—4 Gesetzes nicht mehr von einem sich aus der Jahresbilanz ergebenden Reingewinn die Rede ist, sondern von dem Bilanzgewinn. Anm. 2: Grundsätzlich (§ 58 IV) darf an die Aktionäre, außer nach Beendigung der Abwicklung und Ablauf des Sperrjahres (§ 272), nur der Bilanzgewinn ausgezahlt werden. Eine echte Ausnahme enthält § 57 III, der Zahlung von Zinsen im Vorbereitungszeitraum unter gewissen Voraussetzungen zuläßt. Schließlich kann man noch in gewissem Umfang als Ausnahme die neue Bestimmung des § 59 ansehen, der Abschlagszahlungen auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn zuläßt. Hier handelt es sich aber um Zahlungen, die auch dann geleistet werden dürfen, wenn ein Bilanzgewinn nicht ausgewiesen wird. Es handelt sich auch in der Tat nicht um irgendwelche Gewinnausschüttung, sondern um einen Leistungsaustausch. Zwischen AG und Aktionär als Drittem nach allgemein bürgerlich-rechtlichen Vorschriften ist das selbstverständlich. Aber auch soweit ausnahmsweise Aktionäre als solche zu Nebenleistungen über die Einlage hinaus verpflichtet werden (§ 55), darf ihnen die AG dafür eine Vergütung zahlen und auch zusagen. Eine eigentliche Ausnahme von dem Grundsatz ist dies nicht, denn die Vergütung darf nicht mehr betragen, als den Wert der Aktionärsleistung im Zeitpunkt ihrer Entrichtung, nicht mehr als den Marktpreis oder was die Gesellschaft auch einem Dritten bezahlen würde. Die bedingungslose Zusage einer bestimmten Vergütung ist daher unzulässig oder richtiger u. U. unerfüllbar. Eine Überzahlung der Gesellschaft hat die Folge des § 62. Über die Bestimmung der Vergütung s. Anm. 7 zu § 55. Anm. 3: Es handelt sich hier um einen Leistungsaustausch im Rahmen gesellschaftlicher Pflichten und Rechte, nicht um Kauf und Verkauf. Der Anspruch auf die Vergütung ist daher ein gesellschaftliches Recht, wird aber nach herrschender Ansicht, wenn der Aktionär seine Leistung vollbracht hat, zum Gläubigerrecht, das der Verbandsgewalt entzogen ist und im Konkurs der Gesellschaft geltend gemacht werden kann, auch nicht mehr an der Aktie haftet, sondern dem Aktionär, der seinerseits geleistet hat, persönlich zusteht. Auch für den Anspruch auf zusätzliche Vergütung aus dem Bilanzgewinn nehmen wir dies an, jedoch entsteht dieser Anspruch erst nach dem Gewinnverwendungsbeschluß und ist bis dahin nur eine Anwartschaft. Anm. 4: Da es sich nicht um einen Anspruch aus gegenseitigem Vertrag, sondern um ein Mitgliedschaftsrecht handelt, welches um der Erfüllung einer Mitgliedschaftspflicht willen gewährt wird, sind die Vorschriften der §§ 320 ff. BGB nicht unmittelbar, immerhin aber teilweise entsprechend anwendbar. So ist entsprechend anwendbar § 320 BGB, wenn nicht die Satzung eine Vorleistungspflicht des Aktionärs begründet. Letzteres wird immer auf eine Fruchtanbaupflicht zutreffen. Schadensersatzansprüche des Aktionärs bei 304
Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen
§§61/62
Anm. 4,5 Nichtannahme seiner Lieferung und Nichtbewirkung der Gegenleistung (obwohl z. B. er der Anbaupflicht genügt hat) können wegen Mindererlöses nur dann bestehen, wenn er beim Deckungsverkauf weniger als den Marktpreis erzielt, weil die Gesellschaft mehr als diesen nicht hätte bezahlen dürfen. Dagegen kann der Aktionär, davon abgesehen, jeden Schaden geltend machen, obwohl die Gesellschaft dadurch eine Leistung bewirken muß, für welche sie keine Gegenleistung erhalten hat, denn aus der gesellschaftlichen Natur des Aktionärsanspruches folgt nicht, daß er wegen dessen Verletzung nicht Schadenersatz fordern dürfte. Ebenso verbleibt ihm der Anspruch auf zusätzliche Vergütung aus dem Bilanzgewinn auch wegen einer solchen infolge Gläubiger- oder Schuldnerverzugs der Gesellschaft nicht bewirkten Leistung. Anm. 5: Eine zusätzliche Vergütung aus dem Bilanzgewinn kann gezahlt werden (§ 60 III), aber nur nach den Vorschriften über die Verteilung vom Bilanzgewinn, setzt also einen geprüften Abschluß und einen Beschluß der Hauptversammlung voraus, ohne den der Anspruch nicht entsteht.
§ 62 Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen (1) Die Aktionäre haben der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren. Haben sie Beträge als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen, so besteht die Verpflichtung nur, wenn sie wußten oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußten, daß sie zum Bezüge nicht berechtigt waren. Ist streitig, ob die Voraussetzungen des Satzes 2 vorliegen, so trifft die Beweislast die Aktionäre. (2) Der Anspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Gesellsdiaftsgläubiger gegen die Aktionäre aus. (3) Die Ansprüche nach diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren seit dem Empfang der Leistung. I. Übersicht (Anm. 1) II. Der Rückgewähranspruch 1. Haftungstatbestand (Anm. 2) 2. Anspruchsberechtigte (Anm. 3)
3. Der Haftende (Anm. 4) 4. Haftungsumfang (Anm. 5) 5. Einwendungen und Einreden (Anm. 6 u. 7)
305 20
Wilhelmi, Aktiengesetz
§ 62 Anm. 1,2
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift regelt die Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Zahlungen im Endergebnis so, wie es im bisherigen Recht § 56 AktG 37 tat. Der Aufbau der Bestimmungen ist aber ein grundsätzlich anderer. Während im bisherigen § 56 die primäre Pflicht der Aktionäre, das zu Unrecht Empfangene der Gesellschaft zurückzugewähren, überhaupt nicht ausdrücklich ausgesprochen war, geschieht dies jetzt in der neuen Bestimmung im Absatz 1 Satz 1. Dieser Satz 1 bezieht sich auf alle Leistungen, die Aktionäre von der Gesellschaft entgegen gesetzlichen Vorschriften empfangen haben. Der Aktionär kann sich im allgemeinen nicht auf guten Glauben beim Erwerb berufen. Nur in einem Ausnahmefall ist dies möglich, nämlich dann, wenn die Beträge, die er erhalten hat, aus Gewinnanteilen oder Zinsen bezogen wurden, dann entfällt die Verpflichtung zur Rückgewährung, wenn der Aktionär beim Empfang gutgläubig war. Für diesen seinen guten Glauben ist er jedoch beweispflichtig. Diese Regelung entspricht der bisherigen Rechtslage, kam aber im § 56 AktG 37 nicht recht zum Ausdruck, da lediglich im Absatz 3 bestimmt war, daß die Gesellschaft Beträge nicht zurückfordern kann, die Aktionäre in gutem Glauben als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen haben. Es war weder geregelt, wie es mit den Beträgen sein sollte, die nicht als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen wurden, noch die Frage, wer die Beweislast dafür trägt, daß die Aktionäre die Beträge in gutem Glauben als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen haben. Das ist jetzt im Absatz 1 der neuen Vorschrift eindeutig klargestellt. II. Der Rückgewähranspruch 1. Haftungstatbestand Anm. 2: Tatbestand ist, daß entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes eine Leistung — das kann eine Zahlung oder etwas anderes sein — aus dem Vermögen der Gesellschaft empfangen worden ist. Unter diesen Vorschriften sind zu verstehen §§ 58, 60, 61, 71 II S. 2; §§ 150, 225 I I ; §§ 230, 232, 233, 271 und 272 (vgl. die Erläuterungen hierzu). Auch eine übermäßige Vergütung an einen Großaktionär als Vorstandsmitglied fällt unter das Verbot, wenn die Vergütung an einen anderen, der nicht Großaktionär ist, nicht in gleicher Höhe gewährt worden wäre. Daß die Gesetzesverletzung die Kapitalziffer angreife, ist nicht Voraussetzung der Folge des § 62. Daher werden auch Zahlungen aus Gewinn betroffen, wenn sie nicht von der Hauptversammlung beschlossen wurden, z. B. versteckter Gewinn. Ebenso die vorzeitige Auszahlung des das Grundkapital übersteigenden Teils des Abwicklungsüberschusses. Der Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewährung des Empfangenen besteht nur, wenn zwingende Gesetzesvorschriften verletzt sind. Das ent306
Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen
§ 62
Anm. 2,3
spricht der bereits nach dem bisherigen Recht herrschenden Ansicht. Die Auffassung, daß auch die Verletzung von nachgiebigem Gesetzesrecht und von Satzungsbestimmungen, wie in der Vorauflage vertreten, zu einem Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr des Empfangenen führen kann, ist nach der neuen Formulierung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Lediglich wenn die Leistung auf einer Satzungsbestimmung beruht, die ihrerseits gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt und damit nichtig ist, kann ein Anspruch auf Rüdegewähr der Leistung entstehen. Unerheblich ist, ob es den Gesellschaftsorganen bewußt war, durch die Leistung gegen Vorschriften des Gesetzes verstoßen zu haben. 2. Anspruchsberechtigter Anm. 3: Der Ersatzanspruch kann nicht nur von der Gesellschaft, sondern auch von den Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden, von letzteren jedoch nur subsidiär, d. h., wenn und soweit sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen. Die Vorschrift ist der des § 93, der sich mit den Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Vorstandsmitglieder befaßt, nachgebildet. Der Gläubiger muß beweisen, daß er von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann. Dazu braucht er jedoch nicht fruchtlose Zwangsvollstreckung oder nur Klageerhebung nachzuweisen. Da der Gläubiger einen Anspruch der Gesellschaft nicht etwa aus einer gegen ihn gerichteten unerlaubten Handlung auf Schadensersatz geltend macht, kommt es nicht darauf an, wann seine Forderung entstanden ist, ob vor oder nach der gesetzeswidrigen Leistung an den Aktionär. Die Sachlegitimation des Gläubigers wird durch die Höhe seiner Forderung begrenzt. Außerdem kann er nicht mehr geltend machen, als die gesetzwidrige Leistung der Gesellschaft an den Aktionär ausmacht. Die Haftung gegenüber den Gläubigern wird hier einzigartig ausgestaltet, in der Form einer auch dem Umfang nach bedingten Sachbefugnis der Gläubiger selbst, den Anspruch der Gesellschaft geltend zu machen, um sich daraus zu befriedigen, indem der Gläubiger Zahlung an sich verlangt. Dadurch wird vermieden, daß die Gesellschaft den Anspruch unter den Tisch fallen lassen kann. Da dabei ein Anspruch der Gesellschaft geltend gemacht wird, hat diese Befugnis jeder Gläubiger, da jedem das Gesellschaftsvermögen haftet, auch ein späterer. Bei mehreren Gläubigern handelt es sich um eine Sachbefugnis mehrerer Einzelgläubiger, nicht um eine Gesamtgläubigerschaft nach §§ 428 ff. BGB (falsch, aber nur beiläufig R G 74, 472; Schl.-Qu. Anm. 19, 22; wie hier Baumbach-Hueck Anm. 8 B; Ritter Anm. 9). Auch die Gesellschaft selbst bleibt aktiv legitimiert. Folgerichtig kann zwar bis zur Tilgung an die Gesellschaft selbst — dies kann der Gläubiger verhindern, indem er den Anspruch pfändet und sich überweisen läßt — und jeden Gläubiger — an einen solchen jedoch nur, wenn die Voraussetzung seiner Legitimation, Insolvenz der Gesellschaft,
20*
307
§ 62 Anm. 3,4
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
vorliegt — gezahlt werden, begründet aber die Erhebung der Klage durch die Gesellschaft oder einen Gläubiger für den Beklagten gegen jede weitere Klage die Einrede der Rechtshängigkeit (bzw. rechtskräftig entschiedene Sache). Im Konkurs der Gesellschaft übt der Konkursverwalter das Recht der Gesellschaftsgläubiger an deren Stelle aus. Diese sind während der Dauer des Verfahrens von der Geltendmachung ausgeschlossen, auch wenn der Konkursverwalter den Anspruch aus der H a f t u n g nicht erhebt. Die Meinung, daß der Konkursverwalter das zur Masse gehörige Recht der Gesellschaft ausübe, ist unbedenklich. Nach R G in J W 35, 3301 kann aber der Konkursverwalter in den schwebenden Rechtsstreit eines Gläubigers eintreten und wird dann dessen Rechtsnachfolger im Sinne des § 325 Z P O . 3. Der Haftende Anm. 4: Der Anspruch auf Rückgewährung der empfangenen Leistung richtet sich gegen den Aktionär als solchen, also nicht, wenn er etwa der Gesellschaft beim Empfang der Leistung als Dritter gegenüberstand. Der Anspruch ist deshalb gesellschaftsrechtlicher Natur, er ist ein Ausfluß des Grundgedankens, daß unter allen Umständen das Grundkapital erhalten bleiben muß und keine Zahlungen irgendwelcher Art an die Aktionäre als solche geleistet werden dürfen, soweit dies nicht vom Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Gegenüber dem Anspruch der Gesellschaft kann nicht etwa eingewendet werden, sie sei nicht mehr bereichert. Außer dem gesellschaftsrechtlichen Charakter des Anspruches wurde schon nach dem geltenden Recht gefolgert, daß eine Befreiung der Aktionäre von ihrer Leistungspflicht auch in diesem Falle nach dem § 60 AktG 37 nicht möglich sei. Heute ist im § 66 II dies ausdrücklich bestimmt. Es kann weder eine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten stattfinden, noch können die Aktionäre gegen eine Forderung der Gesellschaft auf Rückgewähr des verbotswidrig Empfangenen aufrechnen. Die Verpflichtung zur Rückgewähr trifft nicht den jeweiligen Aktionär, also nicht den späteren Erwerber der Aktie, sondern nur den Empfänger der unstatthaften Leistung. Ist der Aktionär eine juristische Person, deren Anteile sämtlich einer Person zustehen, so ist diese mit dem Aktionär zu identifizieren. Die bisher umstrittene Frage, ob der Inhaber eines Dividendenscheines als solcher haftet, ist nunmehr durch die Neuformulierung, die dahingeht, daß die Aktionäre die zu Unrecht empfangenen Leistungen der Gesellschaft zurückzugewähren haben, dahin geklärt, daß diese ausschließlich nach der Sonderbestimmung des § 62 haften, nicht aber Dividendenscheininhaber, soweit diese nicht Aktionäre sind. 308
Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen
§ 62
Anm. 4—7
Gewinnanteilsberechtigte Vorstandsmitglieder oder Angestellte, -welche zu Unrecht einen Gewinnanteil empfangen haben, sind ausschließlich nach den §§ 812 ff. BGB, evtl. § 826 BGB rückgabepflichtig und haften den Gläubigern wegen ihrer eigenen Empfänge nicht, jedenfalls nicht aus § 62, evtl. aber aus § 93. 4.
Haftungsumfang
Anm. 5: Der Umfang der Haftung wird begrenzt durch das Empfangene. Was mit den empfangenen Leistungen geschieht, ist gleichgültig. Es kommt demnach nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme noch eine Bereicherung vorliegt. Es handelt sich praktisch um eine Werthaftung. 5. Einwendungen
und
Einreden
Anm. 6: Der Empfänger haftet nur für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, er kann daher seine Haftung mit allen Einwendungen und Einreden bekämpfen, welche die Gesellschaft der Forderung entgegensetzen könnte. Man wird dem Empfänger auch wie dem Bürgen (§ 770 BGB) eine Einrede aus einer Anfeditungs- oder Aufrechnungsbefugnis der Gesellschaft zugestehen müssen. Auch die Einrede der Verjährung der Forderung, derentwillen seine Haftung in Anspruch genommen wird, kann der Empfänger geltend machen, selbst wenn sie sich erst im Laufe des Prozesses gegen ihn vollendet, denn die Klage gegen ihn unterbricht den Verlauf der Verjährung zugunsten der Gesellschaft nicht. Die Verjährung beträgt 5 Jahre seit dem unzulässigen Empfang. Die bisher im Schrifttum vielfach vertretene Meinung, daß diese Verjährungsfrist nicht für den Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr der empfangenen Leistung gilt, kann nach der jetzigen Formulierung der Vorschrift nicht mehr aufrechterhalten werden, denn es ist klargestellt, daß es sich immer um einen Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr der empfangenen Leistung handelt, auch wenn dieser entsprechend der Bestimmung des Abs. 2 von einem Gläubiger geltend gemacht wird. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß die Verjährungsbestimmung des Abs. 3 sich auf diesen Anspruch der Gesellschaft bezieht, gleichgültig ob er von der Gesellschaft selbst oder einem Gläubiger geltend gemacht wird. Anm. 7: Im Einzelfall kann es zweifelhaft sein, ob die Beträge, die die Aktionäre empfangen haben, aus Gewinnanteilscheinen oder Zinsen bezogen wurden oder ob es sich um Leistungen der Gesellschaft anderer Art handelt. Für diese Fälle wird ausdrücklich bestimmt, daß den Aktionär die Beweislast trifft, daß es sich um Beträge aus Gewinnanteilen oder Zinsen handelt, denn nur dann kann er sich auf Gutgläubigkeit berufen. 309
§ 63
Anm. 1,2
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
§ 63 Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung (1) Die Aktionäre haben die Einlagen nach Aufforderung durch den Vorstand einzuzahlen. Die Aufforderung ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. (2) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, haben ihn vom Eintritt der Fälligkeit an mit fünf vom Hundert für das Jahr zu verzinsen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. (3) Für den Fall nicht rechtzeitiger Einzahlung kann die Satzung Vertragsstrafen festsetzen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Einlageforderung 1. Voraussetzungen (Anm. 2) 2. Gleichmäßige Einforderung gleieher Gattungen (Anm. 3) 3. A r t der Einforderung (Anm. 4) III. Der aufzufordernde Aktionär (Anm. 5) IV. Verpflichtungen neben der Einlage 1. Arten der Verpflichtungen
a) Zinsen (Anm. 6) b) Weiterer Schadensersatz (Anm. 7) c) Vertragsstrafe (Anm. 8) 2. Behandlung der Ansprüche durch die Gesellschaft (Anm. 9) 3. Schuldner der Verpflichtungen (Anm. 10) V. Die Ansprüche im Konkurs (Anm. 11)
I. Übersicht Anm. 1: § 63 übernimmt die Vorschrift des § 57 AktG 37 mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß die Einforderung durch den Vorstand zu erfolgen hat. Damit ist eine nach früherem Recht bestehende Zweifelsfrage geklärt. Eine sprachliche Änderung ist in Absatz 2 vorgenommen worden, um diesen dem § 288 I I B G B anzupassen. Die §§ 63 und 64 behandeln die Einforderung der Geldeinlagen und die Folgen der Säumnis. § 64 setzt die Haftung des Rechtsvorgängers, Voraussetzungen und Art und Weise ihrer Geltendmachung fest. II. Einlageforderung 1.
Voraussetzungen
Anm. 2: Voraussetzung der Fälligkeit der Einzahlung ist die Einforderung. Bis dahin hat der Aktionär auch kein Recht zu leisten. Die Einforderung muß ausdrücklich erfolgen und kann nicht durch Festsetzung bestimmter Kalendertage in der Satzung ersetzt werden (h. A.). Das hindert nicht, daß die Satzung bestimmen kann, zu welchem Zeitpunkt einzufordern ist. Die Einforderung muß jedoch trotzdem ausdrücklich durch den Vorstand erfolgen. Der Gesetzgeber hat dies nunmehr in Abs. 1 S. 1 ausdrücklich angeordnet. 310
Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung
§63 Anm.3—6
2. Gleichmäßige Einforderung gleicher Gattungen Anm. 3: Die Einforderung muß auf alle Aktien derselben Emission auf verschiedene Aktiengattungen, wenn der Gattungsunterschied nicht gerade darin besteht, gleichmäßig ergehen, anderenfalls der einzelne Aktionär ein Zahlungsverweigerungsrecht hat. Die abweichende Ansicht des R G 85, 366 wird einhellig abgelehnt. Wird die Einlageforderung abgetreten, ver- oder gepfändet, verbleibt die Zuständigkeit zur Einforderung der Gesellschaft. Der eingeforderte Betrag kann nur ein Geldbetrag sein. Auf Sachleistungen findet § 63 keine Anwendung. 3. Art der Einforderung Anm. 4: Maßgebend für die Art der Einforderung ist die Satzung. Das braucht nicht die ursprüngliche Satzung zu sein, auch Abänderungen sind zulässig. Enthält die Satzung keine Bestimmungen, so geschieht die Einforderung wie die Bekanntmachungen der Gesellschaft. Darüber muß die Satzung nach § 23 I I I Nr. 6 Bestimmungen enthalten. Regelmäßig erfolgt sie durch Einrücken in die Gesellschaftsblätter, insbesondere den Bundesanzeiger (§ 25). Die Aufforderung, die Einzahlung der Einlage zu leisten, ist keine Mahnung im Sinne des § 284 I BGB, deshalb muß in allen Fällen, in denen Verzug des Aktionärs Voraussetzung des Anspruchs ist (vgl. Anm. 7 und 8), eine individuelle Mahnung hinzukommen, wenn sie nicht nach § 284 BGB überflüssig ist. III. Der aufzufordernde Aktionär Anm. 5: Da nicht vollbezahlte Aktien nicht als Inhaberaktien ausgegeben werden dürfen, kommen für die §§ 63 bis 65 nur auf den Namen lautende Aktien oder Interimsscheine in Frage, aus denen zu ersehen ist, daß die Urkunden vor der vollen Zahlung der Einlage ausgegeben wurden. In allen Fällen gilt derjenige als Aktionär, der an dem Tag, an dem die Einzahlung gemäß der Einforderung fällig wird, im Aktienbuch als solcher eingetragen ist. Sind trotz des Verbots nicht vollbezahlte Inhaberaktien ausgegeben worden, so haftet der Inhaber nicht nach den Bestimmungen der §§ 63 bis 65 (KG in J W 27, 2434; s. Anm. 5 zu § 54). Das gleiche gilt bei Namensaktien, bei denen der Betrag der Teilleistung nicht auf der Urkunde vermerkt ist ( § 1 0 I I S . 2). IV. Verpflichtungen neben der Einlage 1. Arten der Verpflichtungen a) Zinsen Anm. 6: Die Zinsen, die der säumige Aktionär zu zahlen hat, sind gesetzliche Zinsen, nicht aber Verzugszinsen. Ein Verschulden des Aktionärs wird ebensowenig vorausgesetzt wie eine Mahnung. Die Höhe der Zinsen beträgt 311
§ 63
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 6—9 5 °/o. Sind in der Satzung höhere Zinsen als im Gesetz vorgesehen, so besteht Streit darüber, ob sie in ihrem Mehrbetrag Vertragsstrafe (Abs. 3) sind und damit Verzug voraussetzen (so Fischer in Großkomm. § 57 Anm. 8; Schl.-Qu. Anm. 8; sowie die Vorauflage) oder ob auch der Mehrbetrag gewöhnlicher Zinsanspruch ist (so Baumbach-Hueck Anm. 3; Düringer-Hachenburg § 218 Anm. 8; Ritter Anm. 6). Entgegen der Vorauflage sind wir der Ansicht, daß der gesetzliche Zinsatz nur für den Fall gilt, daß die Satzung keine Bestimmung hierüber enthält. Weicht die Satzung jedoch von dem Satz von 5°/o ab, so ist der satzungsmäßig bestimmte Zinssatz maßgebend für die Höhe der Zinsen, ohne daß ein höherer Betrag als Vertragsstrafe angesehen werden kann, so daß für die Fälligkeit auch des erhöhten Zinssatzes nur Fälligkeit der Einlage, nicht aber Verzug, Voraussetzung ist. Die Zinsen laufen bis zur Zahlung oder zum Ausschluß (s. §§ 64 und 65). b) Weiterer Schadensersatz Anm. 7: Während der säumige Aktionär 5 °/o Zinsen auch ohne Mahnung und ohne Verschulden vom Fälligkeitstage an zahlen muß, kann ein weiterer Schadensersatz von ihm nur verlangt werden, wenn die allgemeinen Voraussetzungen des Verzugs vorliegen (s. Anm. 4). Liegen diese vor, so kann der weitergehende Schaden geltend gemacht werden, ohne daß es einer besonderen Satzungsbestimmung bedarf. c)
Vertragsstrafe
Anm. 8: Die Satzung, und zwar die ursprüngliche oder diejenige, die zur Zeit der Aktienzeichnung gültig war (ebenso Fischer in Großkomm. § 57 Anm. 9; a. A. Teichmann-Köhler Anm. 3), kann für den Fall unpünktlicher Einzahlung der Einlage eine Vertragsstrafe festsetzen. Es ist anzunehmen, daß das Gesetz eine solche im Sinne des BGB im Auge hat, so daß die §§ 339 ff. BGB, 348, 351 HGB anzuwenden sind. Auch hier ist deshalb Verzug (s. Anm. 4) des säumigen Aktionärs Voraussetzung der Vertragsstrafe (§ 339 BGB). Daneben können Zinsen nach Abs. 2 und Schadensersatz verlangt werden, ohne daß die Satzung beides nebeneinander vorsehen müßte, nicht zulässig ist es, anstelle der Einzahlung für den Fall der Nichtzahlung eine Vertragsstrafe vorzusehen, weil dies einen Verzicht auf die Einlage bedeuten würde. Die Vertragsstrafe kann nach § 339 BGB in einer bestimmten Geldsumme aber auch nach § 342 BGB in jeder anderen Leistung bestehen, welche nicht mit zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften unvereinbar ist (wie etwa eine Schmälerung der Mitgliedsrechte, z. B. Stimmrecht, Gewinnrecht). 2. Behandlung
der Ansprüche durch die
Gesellschaft
Anm. 9: Zinsen, Schadensersatzanspruch und Vertragsstrafe gehören nicht zur Einlage, also nicht zum gebundenen Vermögen, sind daher als Gewinn 312
Ausschluß säumiger Aktionäre
§§63/64 Anm. 9—11
verteilbar, verzieht- und erlaßbar und ohne Einschränkung abtretbar, pfändbar und verpfändbar. § 66 ist darauf nach seinem eigenen Wortlaut nicht anzuwenden. Ebenso ist unter dem rückständigen Betrag, für den nach § 65 der Rechtsvorgänger haftet, wie aus § 64 Abs. 4 und 3 ersichtlich, nur die nicht entrichtete eingeforderte Einzahlung, also nicht der Betrag des Anspruchs auf Zinsen, Schadensersatz, Vertragsstrafe zu verstehen. Dafür haftet also der Rechtsvorgänger nicht. 3. Schuldner der Verpflichtungen Anm. 10: Einzahlungspflichtig ist der jeweilige Aktionär, nicht nur bei Inhaber- und Namensaktien, sondern auch unbeurkundeten Aktien (über gutgläubigen Erwerb anscheinend voll bezahlter Aktien s. Anm. 5 zu § 54). Der jeweilige Aktionär ist auch zur Bezahlung der Zinsen aus § 63 verpflichtet, welche während der Berechtigung seines Vorgängers aufgelaufen sind, denn auch dabei handelt es sich um einen objektiven Entstehungsgrund. Dagegen nehmen wir entgegen der herrschenden Ansicht nicht an, daß der Erwerber der Aktien verpflichtet ist, den in Folge des Verzugs seines Rechtsvorgängers entstandenen Anspruch auf Schadensersatz oder Vertragsstrafe zu erfüllen (zustimmend Fischer in Großkomm. Anm. 10), denn hierfür ist ein individuelles subjektives, in der Person des Vorgängers vorliegendes Moment bestimmend. An diesen mag sich die Gesellschaft ausschließlich halten. Der Nachfolger ist zu Schadensersatz und Vertragsstrafe nur verpflichtet, wenn er selbst in Verzug gerät. V. Die Ansprüche im Konkurs Anm. 11: Die Gesellschaft kann ihre Ansprüche aus § 63 auch im Konkurs des Aktionärs geltend machen, § 1 7 K O ist nicht anwendbar. Es handelt sich um eine gewöhnliche Konkursforderung. Die Zinsen können nur bis zur Konkurseröffnung verlangt werden. Durch Zahlung der Konkursdividende entsteht kein Anspruch auf Aushändigung der Aktie.
§ 64 Aussdiluß säumiger Aktionäre (1) Aktionären, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, kann eine Nachfrist mit der Androhung gesetzt werden, daß sie nach Fristablauf ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen für verlustig erklärt werden. (2) Die Nachfrist muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden. Die erste Bekanntmachung muß mindestens drei Monate, 313
§ 64
Anm. 1, 2
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
die letzte mindestens einen Monat vor Fristablauf ergehen. Zwischen den einzelnen Bekanntmachungen muß ein Zeitraum von mindestens drei Wochen liegen. Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so genügt an Stelle der öffentlichen Bekanntmachungen die einmalige Einzelaufforderung an die säumigen Aktionäre; dabei muß eine Nachfrist gewährt werden, die mindestens einen Monat seit dem Empfang der Aufforderung beträgt. (3) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag trotzdem nicht zahlen, werden durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft für verlustig erklärt. In der Bekanntmachung sind die für verlustig erklärten Aktien mit ihren Unterscheidungsmerkmalen anzugeben. (4) An Stelle der alten Urkunden werden neue ausgegeben; diese haben außer den geleisteten Teilzahlungen den rüdeständigen Betrag anzugeben. Für den Ausfall der Gesellschaft an diesem Betrag oder an den später eingeforderten Beträgen haftet ihr der ausgeschlossene Aktionär. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Mögliche Ausschlußgründe (Anm. 3) III. Nachfrist für säumige Aktionäre 1. Keine Verpflichtung für die G e sellschaft (Anm. 4) 2. Androhung des Ausschlusses (Anm. 5) 3. Bekanntmachung der Nachfrist (Anm. 6 u. 7)
IV. Ausschluß des Aktionärs 1. Erklärung und Wirkung des Ausschlusses (Anm. 8) 2. Schicksal der Aktienurkunde (Anm. 9) V. H a f t u n g des ausgeschlossenen A k tionärs (Anm. 10) V I . Fehlerhaftes Ausschlußverfahren (Anm. 11)
I. Übersicht Anm. 1: § 64 übernimmt die bisherige Vorschrift: des § 58 AktG 37 mit zwei Änderungen: Nach Absatz 2 Satz 3 muß zwischen den einzelnen Bekanntmachungen ein Zeitraum von 3 Wochen liegen (s. Anm. 6). Nach Absatz 3 Satz 2 müssen die Unterscheidungsmerkmale der für verlustig erklärten Aktien in der Bekanntmachung angegeben werden. Anm. 2: §§ 64 und 65 gehören eng zusammen, ersterer regelt das Ausschlußverfahren, auch das Kaduzierungsverfahren genannt, das gegen säumige Aktionäre eingeleitet werden kann und zum Verlust der Aktienrechte der betreffenden führt. Daneben bleibt der Gesellschaft zwar nach allgemeinen Grundsätzen die Möglichkeit, mittels Klage und Zwangsvollstreckung vom säumigen Aktionär die Zahlung der Einlage zu erzwingen, solange der Ausschluß nicht erklärt ist, doch setzt die Geltendmachung der in § 65 angeordneten Haftung des Vormanns den Ausschluß des säumigen Aktionärs voraus, 314
Ausschluß säumiger Aktionaäre
§64
Anm. 2 , 3
weil ersterer nur gegen Wiedereinsetzung in seine veräußerten Aktienrechte zahlungspflichtig ist. Um den Ausschluß durchzuführen, wenn ein Aktionär trotz ordnungsmäßiger Einforderung der Einlage, meist durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (§ 63), innerhalb der darin festgesetzten Zeit nicht bezahlt hat, ist nach § 64 erforderlich: a) dreimalige Bekanntmachung einer neuen Aufforderung mit Bestimmung einer weiteren Nachfrist und Androhung, § 64 I I b) Ausschluß durch einmalige Erklärung in den Gesellschaftsblättern, §64111. Es reiht sich an die Ausstellung und Ausgabe einer neuen (Ersatz-)Urkunde. Daran reiht sich nach § 6 5 : a) Zahlungsaufforderung an den früheren Aktionär und Benachrichtigung seines Vormannes § 65 I, b) Verkauf der Aktien zum Börsenpreis oder durch öffentliche Versteigerung, § 65 I I I , wenn kein Vormann seiner Verpflichtung nachkommt und endlich c) Geltendmachung des Ausfalles gegen den kaduzierten Aktionär § 64 IV. Der Ausschluß trifft den Aktionär selbstverständlich auch dann, wenn er nicht im Aktienbuch (s. §§ 67 f.) eingetragen, also selbst nach § 68 von der Aktiengesellschaft nicht herangezogen werden kann, mag er die Urkunde besitzen oder nicht. II. Mögliche Ausschlußgründe Anm. 3: Die Bestimmungen der §§ 64 und 65 gelten nur für Bareinlagen, nicht für Sacheinlagen, sie können für solche auch nicht durch die Satzung eingeführt werden (herrschende Ansicht, z. T. abweichend Ritter Anm. 2). Denn da vor Bewirkung der Sacheinlage kein Vormann des Aktionärs vorhanden sein kann, der sie zu erfüllen hätte, und der Erwerber der verkauften Aktie nach § 65 I I I für die ausstehende Einlage überhaupt nicht haftet, so liefe die Kaduzierung darauf hinaus, daß die Sacheinlage in eine Geldforderung (Kaufpreis für die Aktie) und die Sacheinlageverpflichtung in die Ausfallhaftung, also eine Geldschuld umgewandelt würde. §§ 64 und 65 gelten ferner nur für die Einlagen, nicht auch für Nebenforderungen, Zinsen, Vertragsstrafen (§ 63), auch nicht für etwaige Nebenverpflichtungen gemäß § 55 oder Hilfsverpflichtungen (Mitteilungspflichten, die bei nicht vollbezahlten Aktien der Erleichterung der Geltendmachung dienen, s. Anm. 13 zu § 54) und nicht für Ansprüche auf Rückzahlung zu Unrecht ausgezahlter Beträge gemäß § 62. Auch die Satzung kann für derartige Säumnisse den Ausschluß nicht vorsehen. Voraussetzung des Ausschlußverfahrens ist, daß die Gesellschaft bereits eingetragen ist (vgl. R G 58, 55 für die GmbH), weil anderenfalls das Gesetz nicht, wie in Absatz 4, ausgegebene Urkunden vor315
§ 64
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 3—6 aussetzen und nicht von Aktionären und Aktien sprechen könnte. Auf die vor Eintragung zu leistende Zahlung ist das Verfahren also unanwendbar. III. Nachfrist für säumige Aktionäre 1. Keine Verpflichtung für die Gesellschaft Anm. 4: Dem säumigen Aktionär kann eine Nachfrist zur Zahlung mit Androhung des Ausschlusses gesetzt werden. „Kann" bedeutet, daß die Gesellschaft den Ausschluß nicht durchführen muß, will sie es aber, so muß sie vorher eine Nachfrist setzen und den Ausschluß androhen. Säumig ist ein Aktionär nur dann, wenn die Einlage vom Vorstand eingefordert ist (§ 63 Anm. 2). Die Nachfrist muß kalendermäßig bezeichnet sein und mindestens 3 Monate betragen, bei vinkulierten Aktien (§ 68 II) einen Monat. 2. Androhung des Ausschlusses Anm. 5: Mit der Bestimmung der Nachfrist ist die Androhung zu verbinden, daß der säumige Aktionär nach Fristablauf seiner Aktie und der geleisteten Einzahlungen für verlustig erklärt werden wird. Die Androhung muß sich gegen alle säumigen Aktionäre richten. Es ist nicht zulässig, sie nur gegen einzelne säumige Aktionäre zu richten, dies würde das gesamte Verfahren ungültig machen (RG 85, 368). Leistungsklage gegen einen einzelnen, während gegen die anderen die Kaduzierung betrieben wird, ist nur ausnahmsweise statthaft, wenn ein Streitfall zu klären ist. Es muß aus der Androhung für jeden Aktionär zu ersehen sein, daß auch er gemeint ist. Dazu bedarf es nicht namentlicher Bezeichnung. Es genügt Angabe der Aktiennummern. Der Ausschluß muß ausdrücklich angedroht werden. Es empfiehlt sich, die Worte des Gesetzes zu gebrauchen. Allgemeine Androhungen (Wendungen, die alles offen lassen), wie „zur Vermeidung der gesetzlichen Nachteile", genügen nicht. Wenn nicht durch die Satzung oder Hauptversammlung etwas anderes bestimmt ist (ebenso Fischer in Großkomm. Anm. 4; abw. Schl.-Qu. Anm. 2), so hat der Vorstand nach pflichtmäßigem Ermessen darüber zu beschließen, ob und wann das Ausschluß verfahren eingeleitet werden soll. Wie die Gesellschaft frei bestimmen kann, daß überhaupt kein Ausschlußverfahren eingeleitet werden soll, kann sie jederzeit das Laufen der Kaduzierungsverfahren gegen alle säumigen Aktionäre abbrechen, nicht aber gegen einzelne. 3. Bekanntmachung der Nachfrist Anm. 6: Die Nachfrist und die mit ihr verbundene Androhung müssen dreimal in den Gesellschaftsblättern (§ 25, s. dort) bekanntgemacht werden. Die Länge der Zwischenräume zwischen den einzelnen Bekanntmachungen beträgt mindestens 3 Wochen (Abs. 2 S. 3). Die Bestimmung hinsichtlich der Länge der Zwischenräume ist eingefügt worden, weil durch unmittelbar aufeinanderfolgende Bekanntmachungen der Zweck des Erfordernisses einer 316
Ausschluß säumiger Aktionaäre
§64
Anm. 6—8
dreimaligen Bekanntmachung nicht erreicht werden könnte. Zur Berechnung der Frist vgl. §§ 187, 188 BGB. Erscheint die Bekanntmachung in mehreren Blättern, so ist maßgebend das zuletzt erscheinende Blatt. Für die Übergangszeit galt nach § 11 EG die Frist des Abs. 2 S. 3 nicht, wenn die erste Bekanntmachung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgt war und die letzte Bekanntmachung nicht rechtzeitig (Abs. 2 S. 2 2. Halbs.) hätte erfolgen können. Anm. 7: Sind die Namensaktien vinkuliert (§ 68 II), ist eine öffentliche Bekanntmachung der Nachfrist nicht erforderlich. Hier genügt, da die einzelnen Aktionäre mit Sicherheit bekannt sind, eine einmalige Einzelmitteilung und eine Nachfrist von nur einem Monat. Eine Form ist nicht vorgeschrieben, jedoch muß die Gesellschaft den Nachweis der Mitteilung führen können. Zweckmäßig ist deshalb mindestens ein Einschreibebrief. Zu beachten ist, daß diese Einzelbenachrichtigung nur für die Bestimmung der Nachfrist, nicht aber für die Erklärung des Ausschlusses im Falle des Absatzes 3 gilt. IV. Ausschluß des Aktionärs 1. Erklärung und Wirkung des Ausschlusses Anm. 8: Zahlt der Aktionär innerhalb der Nachfrist nicht, so kann (nicht muß) ein Ausschluß erklärt werden. Es genügt die Nichtzahlung. Ein Verschulden, mithin Verzug, ist nicht erforderlich. Der Ausschluß trifft daher auch den gutgläubigen Erwerber der Aktie, der sie nach Einleitung des Ausschlußverfahrens erworben hat. Auch jetzt müssen alle säumigen Aktionäre gleich behandelt werden. Der Ausschluß erfolgt durch einmalige Erklärung in allen Gesellschaftsblättern, auch wenn die Aktien vinkuliert sind (§ 68 II), obwohl bei letzteren der gutgläubige Erwerber auch durch Verweigerung der Zustimmung zu schützen ist. Mit der Erklärung tritt der Ausschluß ein. Als Zeitpunkt der Erklärung gilt das Erscheinen des zuletzt erschienenen Gesellschaftsblattes. In der Erklärung müssen die Aktien nicht nur so bezeichnet werden, daß sie für den ausgeschlossenen Aktionär erkennbar sind, sondern so, daß die Allgemeinheit sieht, welche Aktien ungültig sind, d. h. die Aktiennumern sind anzugeben. Solange der Ausschluß noch nicht erklärt ist, können die säumigen Aktionäre auch nach Fristablauf, selbst noch zwischen dem Erscheinen der einzelnen Gesellschaftsblätter, durch Zahlung der Einlage den Ausschluß abwenden (weniger weitgehend Ritter § 58 Anm. 4 a, aber noch weitergehend in 3 d zu § 59) und bleiben auch primär zur Zahlung verpflichtet. Ist die Erklärung erfolgt, so kann sie nach herrschender (aber nicht unzweifelhafter) Meinung (vgl. Anm. 2 zu § 65, Ritter zu § 59 a. a. O.) nicht rüdegängig gemacht werden, auch nicht, wenn die Aktionäre nachträglich Zahlung leisten. Der Ausgeschlossene kann jedoch 317
§ 64 Anm. 8,9
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
die Aktie bei ihrem Verkauf nach § 65 zurückerwerben. Etwa zu spät eingegangenes Geld kann zurückgefordert werden. Die Gesellschaft kann nicht mit dem künftigen Ausfall aufrechnen, solange er nicht festgestellt ist. Die Erklärung muß unverzüglich nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist erfolgen, sonst ist sie unwirksam (KG in OLG 1, 436). Durch den Ausschluß des Aktionärs erlischt das Mitgliedschaftsrecht nicht. Ob es in der Person des kaduzierten Aktionärs bis zur Wiederverwertung der Aktie verbleibt oder ob es bei der Gesellschaft etwa wie bei eigenen Aktien (Würdinger 56) zusteht, ist streitig. Nach unserer Ansicht bleibt das objektive Aktienrecht bestehen, es fehlt aber vorübergehend an der subjektiven Berechtigung (ähnl. Baumbach-Hueck § 5 8 Anm. 4 B ) . Diese Streitfrage ist jedoch von untergeordneter Bedeutung, da die Wirkungen des Ausschlusses und die Behandlung des Aktienrechtes bei den verschiedenen Meinungen die gleichen sind. Die Aktien dürfen weder in der Bilanz als Aktivposten aufgeführt noch können sie von Gesellschaftsgläubigern gepfändet werden. Die Worte „zugunsten der Gesellschaft" bedeuten somit nur, daß sie die Rechte gemäß § 65 behandeln kann. Keinesfalls darf sie die Aktien anders als nach § 65 verwerten, auch die Satzung kann nichts anderes gestatten (§ 23 IV). Unzweifelhaft stehen auch den ausgeschlossenen Aktionären keine Aktienrechte mehr zu, nicht nur das Stimmrecht nicht, sondern auch nicht das Recht aus den noch nicht fälligen Dividendenscheinen, und zwar auch dann nicht, wenn diese sich in dritter Hand befinden. Erst recht hat der Ausgeschlossene keinen Anspruch auf Rückgewähr der vordem geleisteten Teilzahlungen. Dies sagt Absatz 3 und folgt schon aus § 57. Auch die für die Eintragung der Gesellschaft gezahlten 25 °/o der Einlage können nicht zurückgefordert werden. Rechte Dritter an den Aktien (Pfandrecht, Nießbrauch) erlöschen ersatzlos. 2. Schicksal der
Aktienurkunde
Anm. 9: Nachdem der Ausschluß wirksam erklärt ist, wird, wenn Urkunden ausgegeben sind, anstelle der alten eine neue Aktienurkunde ausgegeben. Die alte Urkunde und die alten Dividendenscheine werden unwirksam. Der Ausgeschlossene ist zur Herausgabe der alten Urkunde verpflichtet und es ist zweckmäßig, ihn dazu anzuhalten, um Mißbrauch zu verhüten. Gibt er die Urkunde heraus, kann sie als „neue" verwandt werden, wenn nicht, wird die neue Urkunde zweckmäßig kundmachen, daß sie anstelle der früheren getreten ist. Eine besondere Kraftloserklärung findet nicht statt. Die neue Urkunde hat alle geleisteten Teilzahlungen und auch die rückständigen als geleistet anzugeben — ist sie damit voll bezahlt, kann sie auf den Inhaber lauten —, da sie bestimmt ist, gegen Bezahlung des rückständigen Betrages an den Vormann oder, wenn auch dieser nicht leistet, an den Erwerber der Aktie nach deren Verkauf oder Versteigerung ausgehändigt zu werden und letzterer den Rückstand nicht schuldet. 318
Zahlungspflicht der Vormänner
§§64/65 Anm. 10,11
V . H a f t u n g des ausgeschlossenen Aktionärs
Anm. 10: Die H a f t u n g des ausgeschlossenen Aktionärs für die Einlage, die rückständigen und künftigen Einforderungen, besteht fortan nur hilfsweise, während er die Zinsen, Schadenersatz und Vertragsstrafe (§ 63) auch weiter allein schuldet. Die Gesellschaft muß nun zunächst an die Vormänner des Aktionärs gemäß § 65 Abs. 1 herantreten und ggfs. nach § 65 Abs. 3 die neue Aktie verwerten. Erst dann tritt die H a f t u n g des ausgeschlossenen Aktionärs, und z w a r nur für den Ausfall wieder ein ( R G 85, 241). Ohne Versuch, die Vormänner nach § 65 heranzuziehen, haftet der Ausgeschlossene nicht, auch nicht wenn die Aktie verkauft wird und der Verkauf einen Ausfall ergibt (a. A. Ritter Anm. 3 c zu § 59). Eine Befreiung von dieser H a f t u n g ist nicht zulässig, wenn auch § 66 den § 64 nicht erwähnt, da auch diese Ausfallhaftung aus der Verpflichtung zur Einlage erwächst (vgl. § 66 Anm. 2). Die H a f t u n g des bisherigen Aktionärs für die künftigen Einforderungen setzt nach allgemeiner Meinung die Durchführung eines neuen Ausschlußverfahrens gegen den derzeitigen Aktionär und den Rückgriff an dessen Vormänner nach erklärtem neuen Ausschluß, sowie Verwertung der Aktie voraus. Ferner haftet nach herrschender Ansicht dann der neu ausgeschlossene Aktionär vor dem früher ausgeschlossenen. Ein beim Verkauf erzielter Uberschuß gebührt der Gesellschaft. VI. Fehlerhaftes Ausschlußverfahren Anm. 11: Ist das Ausschluß verfahren fehlerhaft, so kann der fehlerhafte Punkt (unter Beachtung der Fristen) wiederholt werden. Aufgrund fehlerhaften Verfahrens tritt Ausschluß und H a f t u n g nicht ein (vgl. R G 9, 42; K G in O L G 19, 370). Allgemein wird angenommen, daß der Aktionär eine K l a g e auf Feststellung seiner fortdauernden Mitgliedschaft und auf Aufhebung des Beschlusses und seiner Folgen erheben kann. Auch der Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig ( R G 27, 54). Die zufolge eines fehlerhaften Ausschlußverfahrens ausgegebene neue Aktie ist ungültig, allein gültig bleibt die alte Aktie (streitig, wie hier Fischer in Großkomm. Anm. 18; R G 54, 395 für die G m b H ; Baumbach-Hueck Anm. 4 b zu § 5 8 ; K G in O L G 1, 435). Der Erwerber der ungültigen Aktie kann sich nur an seinen Vormann halten. Letzteres gilt ebenso für den Erwerber einer durch ein ordnungsmäßiges Ausschlußverfahren ungültig gewordenen Aktienurkunde. § 65 Zahlungspflicht der Vormänner (1) Jeder im Aktienbuch verzeichnete V o r m a n n des ausgeschlossenen Aktionärs ist der Gesellschaft zur Zahlung des rückständigen Betrags verpflichtet, soweit dieser von seinen N a d i m ä n n e r n nicht zu erlangen ist. Von 319
§ 65
Anm. 1, 2
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
der Zahlungsaufforderung an einen früheren Aktionär hat die Gesellschaft seinen unmittelbaren Vormann zu benachrichtigen. Daß die Zahlung nicht zu erlangen ist, wird vermutet, wenn sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns eingegangen ist. Gegen Zahlung des rückständigen Betrags wird die neue Urkunde ausgehändigt. (2) Jeder Vormann ist nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die binnen zwei Jahren eingefordert werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem die Übertragung der Aktie zum Aktienbuch der Gesellschaft angemeldet wird. (3) Ist die Zahlung des rückständigen Betrags von Vormännern nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie unverzüglich zum amtlichen Börsenpreis durch Vermittlung eines Kursmaklers und beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. Ist von der Versteigerung am Sitz der Gesellschaft kein angemessener Erfolg zu erwarten, so ist die Aktie an einem geeigneten Ort zu verkaufen. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. Der ausgeschlossene Aktionär und seine Vormänner sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Bekanntmachung und Benachrichtigung müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung ergehen. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Haftung als Vormann 1. Der Haftende (Anm. 3) 2. Haftungsumfang (Anm. 4) 3. Benachrichtigung der einzelnen Vormänner (Anm. 5—7) 4. Befristete Haftung (Anm. 8) III. Verwertung der Aktie
1. Verkauf (Anm. 9) 2. öffentliche Versteigerung (Anm. 10) IV. Haftung nach Verwertung der Aktie (Anm. 11) V. Rechtsstellung des Erwerbers (Anm. 12)
I. Übersicht Anm. 1: § 65 übernimmt die Vorschrift des § 59 AktG 37. Änderungen enthält lediglich der Absatz 3: Bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen ist die Gesellschaft nunmehr verpflichtet, die Aktie zu verkaufen, während ihr bislang die Entscheidung hierüber offenstand (s. Anm. 9). Neu hinzugekommen sind die Sätze 2—4, die die Interessen des ausgeschlossenen Aktionärs schützen sollen (s. Anm. 10). Anm. 2: Die Vorschrift steht in unmittelbarem Zusammenhang zu § 64. Sie regelt das Recht der Gesellschaft, die kaduzierte Aktie, um den Einlagerückstand zu verwirklichen, durch Rückgriff auf die Vormänner des Aus320
Zahlungspflicht der Vormänner
§65 Anm. 2,3
geschlossenen, wenn nötig durch ihren Verkauf zu verwerten. Die Frage, welche Ansprüche die Zwischenaktionäre untereinander haben, ist nicht geregelt. Grundsätzlich kommt es auf die bürgerlich-rechtlichen Beziehungen an. Darüber hinaus ergibt sich aus § 65 mittelbar, daß im allgemeinen der einlösende Zwischenaktionär seinen Nachmann, der im Aktienbuch eingetragen war, haftbar machen kann, ohne Rücksicht darauf, ob dieser sein unmittelbarer Rechtsnachfolger war, wenn sich herausstellt, daß er zahlungsfähig war und mithin die Haftung des Einlösenden nach § 65 an sich nicht vorlag. Denn auch die Gesellschaft ist durch die Geltendmachung der H a f tung eines Vormannes, solange dieser nicht gezahlt hat, nicht gehindert, die Haftung des eingetragen gewesenen Nachmannes geltend zu machen, wenn sich nachträglich seine Zahlungsfähigkeit ergibt. Es besteht kein Grund, ihn durch die Zahlung seines Vormannes von der Haftung zu befreien. Er haftet jetzt nicht mehr der Gesellschaft, aber ihm (so auch Schl.-Qu. § 59 Anm. 4; Fischer in Großkomm. § 59 Anm. 12). Durch die Zahlung eines Zwischenaktionärs werden diesem gegenüber demnach seine Nachmänner überhaupt nicht, wohl aber, ebenso wie der Gesellschaft gegenüber, seine Vormänner und der Ausgeschlossene von der Haftung für den durch Zahlung erledigten Einlagerückstand befreit. Nicht befreit werden sie jedoch für den Fall, daß hinsichtlich einer späteren Einforderung ein neues Ausschlußverfahren gegen den Käufer der Aktie oder den Nachmann durchgeführt werden muß (so auch Fischer in Großkomm. § 59 Anm. 19; a. A. Schl.-Qu. § 59 Anm. 7). Die herrschende Meinung gibt dem Ausgeschlossenen kein Recht, nach seinem Ausschluß — schon nicht nach Fristablauf — noch zu zahlen und der Gesellschaft nicht das Recht, seine Zahlung anzunehmen und ihm die Aktie ohne Erschöpfung des Rüdegriffs und Verkaufs wieder zu überlassen (a. A. Ritter Anm. 13). Letzteres wäre reichlich unzweckmäßig. Die Gesellschaft muß nur auch hier den Grundsatz gleiches Recht für alle zur nachträglichen Zahlung Bereiten walten lassen, soweit es der jeweilige Stand des Verfahrens gestattet (vgl. § 64 Anm. 8). H a t die Gesellschaft die Einlageforderung zulässigerweise (Anm. 5 zu § 66) abgetreten, so kommt weder ein Ausschlußverfahren zugunsten ihres Rechtsnachfolgers noch ein Verfahren nach § 65 in Betracht (ebenso Schl.-Qu. § 60 Anm. 8). Die Gesellschaft ist in diesem Falle befriedigt, der Rechtsnachfolger aber hat keine Möglichkeit, den Aktionär auszuschließen und eine neue Aktie auszugeben. II. Haftung als Vormann 1. Der Haftende Anm. 3: Voraussetzung der Haftung als Vormann aus § 65 ist die Eintragung im Aktienbuch als Aktionär. Zwischenaktionäre, die nicht im Aktien321 21
Wilhelmi, Aktiengesetz
§ 65
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 3—5 buch als Aktionäre eingetragen waren, haften überhaupt nicht. Voraussetzung ist ferner, daß der Eingetragene materiell wirksam Aktionär geworden ist oder seiner Eintragung wirksam zugestimmt hat. Ist kein Aktienbuch angelegt (insbesondere keine Aktienurkunde ausgestellt), so haftet nach KG in JW 1937, 2434 (mit ausführlicher Anmerkung von Hamburger) der Vormann. Nach herrschender Meinung (auch Ritter, obwohl nach ihm gemäß Anm. 3 c der Ausgeschlossene dazu berechtigt ist) ist der Vormann auch berechtigt, zu zahlen und, statt des Ausgeschlossenen, wieder Aktionär zu werden. Fraglich ist nur, ob er warten muß, bis er von der Gesellschaft aufgefordert wird, oder ob er unabhängig von seinen Nachmännern Zahlung leisten und damit die Aktienrechte erwerben kann. Grundsätzlich ist zunächst der jeweils dem ausgeschlossenen Aktionär am nächsten stehende Vormann zur Zahlung berechtigt. Man wird jedoch auch den früheren Vormännern das Recht auf Erwerb der Aktie unter der Voraussetzung einräumen müssen, daß seine Nachmänner zustimmen (ähnlich auch Fischer in Großkomm. § 59 Anm. 10). Ein Sprungrüdegriff ist nicht vorgesehen. Die Geltendmachung der H a f tung des entfernteren Vormannes ist vielmehr abhängig von dem Nachweis, daß die Nachmänner zahlungsunfähig sind, jedoch ist dieser Nachweis sehr erleichtert (s. Anm. 6). 2. Haftungsumfang Anm. 4: Die Haftung erstreckt sich nur auf die Einlage als solche, nicht auf Kosten, Schadensersatz, Vertragsstrafe, auch nicht auf die Zinsen, welche nach § 63 der kaduzierte Aktionär für die Zeit bis zum Ausschluß zu entrichten hat. Der Vormann haftet bis zum Ausschluß des Aktionärs nur ersatzweise. Vom Ausschluß an haftet jeder, wenn die Reihe an ihn kommt, primär. Voraussetzung ist, daß das Ausschlußverfahren rechtswirksam ist. Auch der Vormann des kaduzierten Aktionärs kann die Unrechtmäßigkeit des Ausschlußverfahrens einwenden. Über Sacheinlage vgl. § 64 Anm. 3. Eine Befreiung von der Haftung ist nicht möglich (§ 66). Andererseits ist auch eine Verschärfung der Haftung der Zwischenaktionäre durch die Satzung nicht zulässig, jedoch kann eine Haftung aus anderem Rechtsgrund, etwa aus Wechselhingabe oder aus Bürgschaft zwecks Erlangung der Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung, bestehen. 3. Benachrichtigung der einzelnen Vormänner Anm. 5: Wenn die Gesellschaft nach § 65 auf die Vormänner des Ausgeschlossenen zurückgreift, so ist sie bei Verlust nicht des Rückgriffs auf den zu Benachrichtigenden, aber der Vermutung gemäß Anm. 6 verpflichtet, den unmittelbaren Vormann von der Zahlungsaufforderung zu benachrichtigen. 322
Zahlungspflicht der Vormänner
§65 Anm. 5—9
Dieser hat damit die Möglichkeit, auf seinen Nachmann einzuwirken oder, wenn sich herausstellt, daß dieser nicht zahlungsfähig ist, die Aktie selbst zu erwerben. Über die Form der Benachrichtigung ist nichts bestimmt. Da die Gesellschaft in der Lage sein muß, den Nachweis zu führen, empfiehlt sich Einschreibebrief, jedenfalls muß es sich um eine individuelle Benachrichtigung handeln. Eine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern kommt nicht in Frage. Anm. 6: Zahlt derjenige, an den die Zahlungsaufforderung ergangen ist, nicht innerhalb eines Monats, so wird vermutet, daß von ihm Zahlung nicht zu erlangen sei. Für die Berechnung der Frist vgl. §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 und 3 BGB. Sie beginnt an dem Tage, an dem sowohl die Zahlungsaufforderung dem Zahlungspflichtigen, wie die Benachrichtigung seinem Vormann zugegangen ist, bzw., normalen Ablauf vorausgesetzt, hätte zugehen müssen. Die Vermutung, daß Zahlung nicht zu erlangen ist, ist jederzeit widerlegbar. Anm. 7: Der Zwischenaktionär, der die rückständige Einlage zahlt, erwirbt damit das Mitgliedsrecht. Dies ist im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt, ergibt sich aber nach herrschender Ansicht aus allgemeinen Grundsätzen, die im GmbH-Gesetz (§ 22 IV) ihren Niederschlag gefunden haben. Er ist in das Aktienbuch einzutragen und hat Anspruch auf Aushändigung der neuen Aktienurkunde, sofern Aktienurkunden ausgegeben sind. 4. Befristete Haftung Anm. 8: Die Haftung des Zwischenaktionärs ist befristet. Sie erlischt, wenn die Einlage nicht binnen zwei Jahren nach dem Tage eingefordert wird, an welchem die von ihm vorgenommene Übertragung der Aktie zum Aktienbuch angemeldet wurde (mangels Aktienbuchs der AG „mitgeteilt", KG in JW 1937, 2439). Der Veräußerer einer nicht vollbezahlten Aktie oder eines Zwischenscheines hat mithin ein dringendes Interesse an der alsbaldigen Anmeldung der Übertragung. Maßgebend ist schon die Einforderung gemäß § 63 I, nicht etwa erst gemäß § 64 oder gar erst der Tag des Rückgriffs. Wenn die Einforderung in die zweijährige Frist fällt, verjährt die Einlageschuld des Vormannes in 30 Jahren, § 195 BGB. III. Verwertung der Aktie 1. Verkauf Anm. 9: Ist der rückständige Betrag von den Vormännern nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie zu verkaufen. Der Verkauf ist erst zulässig, wenn der Rückgriff gegen die Vormänner erfolglos war. Nimmt die Gesellschaft vorher einen Verkauf vor, so ist dieser zwar wirksam, sie verliert damit aber den Anspruch aus § 64 IV auf Erstattung des Ausfalls gegen 21*
323
§ 65
Anm. 9—11
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
den ausgeschlossenen Aktionär. Für die Erfolglosigkeit des Rückgriffs gegen die einzelnen Vormänner kann sich die Gesellschaft auch gegenüber dem ausgeschlossenen Aktionär auf die Vermutung des Absatzes 1 S. 3, also insbesondere bezüglich der Zahlungsunfähigkeit des letzten oder einzigen Vormannes (Ersterwerbers) berufen. Die Monatsfrist läuft hier von der Aufforderung an diesen an. Eine Benachrichtigung an den Ausgeschlossenen kommt nicht in Frage (a. A. Ritter Anm. 5 a). Die Vermutung ist jedoch widerlegbar. Freihändig kann die Aktie nur verkauft werden, wenn ein Börsenpreis für die Aktie vorhanden ist. Ob dies eine amtliche Börsennotiz voraussetzt, ist streitig, aber wohl zu verneinen. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung muß sich die Gesellschaft hierbei der Vermittlung eines Kursmaklers bedienen. 2. öffentliche Versteigerung Anm. 10: Ist ein Börsenpreis nicht vorhanden, so muß die Aktie öffentlich versteigert werden, in der Regel an der für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Börse. Der Vorstand hat nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, ob durch die Versteigerung am Sitz der Gesellschaft ein angemessener Erfolg zu erwarten ist. Ist es das nicht, so muß die Versteigerung an einem geeigneteren Ort durchgeführt werden. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. Der ausgeschlossene Aktionär und die Vormänner müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung hiervon gesondert benachrichtigt werden. Es empfiehlt sich auch hier wegen des Nachweises ein Einsdireibebrief. Diese neu im Gesetz aufgenommenen Bestimmungen haben den § 65 weitgehend der Vorschrift des § 226 III angeglichen, da sie den gleichen Zweck verfolgen, nämlich die Verschleuderung der Aktie zu verhindern, um damit den ausgeschlossenen Aktionär zu schützen. Die Versteigerung muß durch einen Gerichtsvollzieher oder einen anderen zur Versteigerung befugten Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer erfolgen und öffentlich angekündigt werden. Die Gesellschaft selbst kann die Aktie nur im Rahmen des § 71 erwerben. IV. Haftung nach der Verwertung Anm. 11: Durch den Verkauf wird der Ausfall gegen den ausgeschlossenen Aktionär (§ 64 IV S. 2) festgestellt. Die Ausfallforderung ist erst jetzt rechtlich entstanden. Alle Voraktionäre sind frei geworden. Für den Ausfall an späteren Einforderungen haften jedoch der ausgeschlossene Aktionär, dieser nach ausdrücklicher Vorschrift (§ 64 IV), wie auch seine Voraktionäre fort (ebenso Baumbach-Hueck Anm. 2 c; Ritter Anm. 3 a und Fischer in Großkomm. § 59 Anm. 19). Hat die Gesellschaft zu Unrecht verkauft, war insbesondere ein Vormann zahlungsfähig, so ist die Wirkung des Verkaufs 324
Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten
§ § 65 / 66
Anm. 11,12
dieselbe (a. A. Ritter Anm. 5 g). Die Gegenansicht führt dazu, in der Zahlungsunfähigkeit als solcher den Befreiungsgrund zu erblicken, was undenkbar ist, und die zahlungsfähigen Vormänner von der Befreiung und den Verkauf in diesem Fall überhaupt auszuschließen, wenn ein zahlungsfähiger Vormann vorhanden ist. Dann hätte keine erleichternde Vermutung aufgestellt werden dürfen. Auch dem für den Ausfall haftenden Ausgeschlossenen geschieht kein Unrecht, ihm bleibt die Einwendung aus Verschulden der Gesellschaft. Mag er, um diese zu begründen, die Gesellschaft mit Hinweisen versehen, wenn er die Vermutung des Absatzes 3 widerlegen kann. V. Rechtsstellung des Erwerbers Anm. 12: Der Erwerber des Anteilrechts wird Aktionär mit allen Rechten und Pflichten (über die Wirkung des Erwerbs bei ungültigem Ausschlußverfahren s. Anm. 11 zu § 64). Er erwirbt die Aktie als einschließlich des Rückstandes bezahlt auch dann, wenn der von ihm gezahlte Preis den Rückstand nicht gedeckt hat. Es kann also, wenn der Ausfall auch von dem Ausgeschlossenen nicht beizutreiben ist, hier eintreten, daß die Einlage auf die Aktie nicht voll entrichtet und das satzungsmäßige Grundkapital nicht voll eingezahlt wird. § 66 Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten (1) Die Aktionäre und ihre Vormänner können von ihren Leistungspflichten nach den §§ 54 und 65 nicht befreit werden. Gegen eine Forderung der Gesellschaft nach den §§ 54 und 65 ist die Aufrechnung nicht zulässig. (2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Verpflichtung zur Rückgewähr von Leistungen, die entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes empfangen sind, für die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs sowie für die Schadenersatzpflicht des Aktionärs wegen nicht gehöriger Leistung einer Sacheinlage. (3) Durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung oder durch eine Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien können die Aktionäre von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen befreit werden, durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung jedoch höchstens in Höhe des Betrags, um den das Grundkapital herabgesetzt worden ist. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Verbot des Erlasses (Anm. 3 u. 4) III. Verbot der Aufrechnung (Anm. 5 u. 6)
IV. Sonderfall der Kapitalherabsetzung (Anm. 7)
325
§ 66
Anm. 1—3
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
I. Übersicht Anm. 1: Der Absatz 1 entspricht dem § 60 AktG 37, lediglich Satz 2 ist nunmehr ein selbständiger Satz, da die bisherige Fassung insofern für bedenklich gehalten wurde, als es nach dem Sprachgebrauch des B G B keine Aufrechnung von Pflichten gegen eine Forderung gibt. Die jetzige Fassung lehnt sich an § 393 B G B an. Neu sind die Absätze 2 und 3, die schon bisher durch die Rechtssprechung so angewendet worden sind, wegen ihrer Bedeutung aber doch gesetzlich festgelegt werden sollten. Anm. 2: Alle Vorschriften über Sicherheit der Kapitalgrundlage und Unzulässigkeit der Einlagerückgewähr wären bedeutungslos, könnte die Gesellschaft die Einlagen ohne ordentliche Kapitalherabsetzung erlassen. Dies wird durch § 66 verboten, weiterhin die einseitige Aufrechnung durch einen Aktionär nicht schlechthin, aber gegenüber der Gesellschaft oder durch Vertrag (vgl. Waldmann, DGemWR 1942, 13; Schumacher J W 1936, 3153; Kiesow D J 1 9 3 7 , 1 8 2 3 ; Boesebeck J W 3 7 , 1 4 0 1 und 1938,1493). II. Verbot des Erlasses Anm. 3: Das Verbot des Erlasses gilt nur für die eingetragene Aktiengesellschaft, gilt also noch nicht im Gründungsstadium, in welchem auch noch nach der Errichtung im Sinne des § 29 durch einstimmigen Beschluß — Vertrag — aller Gründer die Kapitalziffer geändert werden kann. Die Vorschrift bezieht sich nur auf Einlagen, also auf solche, welche auf das Grundkapital gemacht werden und auf das Aufgeld (vgl. § 54), ferner auf die Haftung des Vormannes (§ 65), die mit der Einlageverpflichtung identisch ist, aus demselben Grunde auf die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs nach § 64 I V S. 2 und auch auf Schadenersatzansprüche der Gesellschaft wegen Unmöglichkeit oder Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung einer Sacheinlage endlich auf den Rückgewähranspruch der Gesellschaft beim Empfang verbotener Vermögensausschüttungen (§ 62), soweit dieser gegen zwingende Vorschriften verstoßen hat, d. h. das Grundkapital angegriffen hat. Stammt er aus ausgewiesenem Gewinn, fehlte aber ein zustimmender trotz Verletzung der Gleichberechtigung unangefochtener Beschluß der Hauptversammlung, kann der Empfang durch einen derartigen nachträglichen Beschluß geheilt werden (weitergehend Ballerstädt, S. 158). Das Anwendungsgebiet des § 66 I war schon bisher in diesem Umfange von der herrschenden Ansicht anerkannt, ist jetzt aber vom Gesetzgeber in Absatz 2 ausdrücklich normiert worden. § 66 bezieht sich dagegen nicht auf wiederkehrende Nebenleistungen (§ 70), Zinsen und Vertragsstrafen bei säumiger Einzahlung (§ 62). 326
Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten
§ 66
Anm. 4 , 5
Anm. 4: Ein trotzdem gewährter Erlaß ist nichtig, auch wenn er auf Hauptversammlungsbeschluß beruht; auch dieser ist nichtig. Dem Erlaß ist gleichzusetzen eine Aufrechnung der Einlageforderung durch die Gesellschaft gegen künstlich hergestellte oder erdichtete Gegenforderungen des Aktionärs, der Verzicht auf Fehlerlosigkeit der Sacheinlage oder auf Gewährleistungsansprüche (Abs. 2), ferner die Annahme an Erfüllungs Statt, insbesondere also die Annahme einer Sacheinlage anstelle einer Bareinlage oder umgekehrt, auch wenn dieses aufgrund eines satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses oder in der Form eines Kaufes mit Aufrechnung des Kaufpreises geschieht, ferner die Novation, die Bereitstellung der zur Einlagezahlung erforderlichen Mittel durch Darlehen der Gesellschaft, die nachträgliche Stundung über die im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen EinZahlungstermine hinaus, auch ein Erlaß in Form eines Vergleichs über die Einlageforderung. Nicht gleichzusetzen dagegen ist ein ernsthafter Vergleich, ebensowenig ein Zwangsvergleich im Konkurs oder zur Abwendung des Konkurses nach Maßgabe der Vergleichsordnung, wohl aber ein freiwilliger Erlaß in einem außergerichtlichen Vergleichsverfahren ( R G 79, 271). Nichtig ist auch eine Abtretung der Einlageforderung, wenn der Gesellschaft dabei nicht der volle Gegenwert zufließt (bei vollem Gegenwert ist die Abtretung zulässig; ständige Rechtssprechung z. B. R G 133, 81). III. Verbot der Aufrechnung Anm. 5: Unzulässig und nichtig ist die einseitige Aufrechnung durch einen Aktionär, selbst wenn seine Gegenforderung aus dem Gesellschaftsverhältnis stammt (vgl. für GmbH : R G 93, 330), nach R G 85, 351 auch gegenüber dem Zessionar einer Einlageforderung, wenn mit einer Forderung gegen die Gesellschaft (nicht etwa ihn selbst) aufgerechnet wird. Insoweit der Aktionär hierzu nicht berechtigt ist, hat er auch kein Zurückbehaltungsrecht ( R G in J W 29, 1745). Ein solches kann er nur wegen Nichtlieferung der Aktienurkunde ausüben ( R G 94, 64), aber nur wegen der restlichen Einzahlung, ferner nach herrschender Ansicht an dem Gegenstand der Sacheinlage wegen solcher Ansprüche, die sich auf sie beziehen. Zulässig ist die einseitige Aufrechnung durch die Gesellschaft, desgleichen die vertragliche Aufrechnung, und zwar schlechthin wenn sie schon bei der Gründung in der Satzung oder bei der Kapitalerhöhung im Kapitalerhöhungsbeschluß vorgesehen wird (anscheinend weitergehend R G 152, 301), aber nach ständiger Rechtssprechung (z. B. J W 30, 2685; R G 52, 300) auch sonst, wenn es sich nicht um die vor der Anmeldnug zu leistenden Zahlungen handelt und die Gegenforderung des Aktionärs vollwertig ist. Hierzu gehört auch, daß sie dem Bestände und dem Betrage nach unbedingt und fällig ist. Dieselben Grundsätze gelten auch während der Abwicklung und für Einstellung des EinZahlungsanspruchs in eine zwischen Gesellschaft und Aktionär bestehende laufende Rechnung 327
§ 66
Anm. 5,6
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der
Gesellschafter
( J W 1936, 2685). Wo wegen mangelnder Gleichwertigkeit eine Aufrechnung unstatthaft ist, ist auch die Umgehung durch Einzahlung der Einlage unter gleichzeitigem Wiederempfang des gezahlten Betrages als Forderungstilgung nicht geeignet, die EinZahlungsverpflichtung zu tilgen (vgl. R G 152, 301). Von einem zwecklosen Hin- und Herschieben von Geld, das nach allgemeiner Ansicht vermieden werden darf, würde in einem solchen Falle nur, aber nicht immer, dann die Rede sein können, wenn die Gesellschaft mit der Rückzahlung des Darlehens vorausgehen kann, so daß der Aktionär aus der Darlehenssumme die Einzahlung macht, nicht umgekehrt. Ist vor dem Inkrafttreten des Gesetzes von 1937 nach diesen Grundsätzen zulässigerweise aufgerechnet worden, so gilt die Einlage als bewirkt (RG J W 37, 3161 = R G 156, 23, ferner J W 39, 358). Zulässig ist auch die Aufrechnung einer nicht vollwertigen Forderung gegen die Gesellschaft unter den Voraussetzungen, unter denen wegen einer solchen die Einlageforderung gepfändet werden kann (s. Anm. 7 und 8 zu § 1). Die Aufrechnung ist bei diesem Sachverhalt auch gegen einen anderen Gläubiger statthaft, der zulässigerweise die Einlageforderung gepfändet hat (RG a . a . O . ; a. A. in letzterer Beziehung Herbig D J 1938, 233). Die vorstehenden von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätze hat man indessen mit Boesebeck ( J W 1938, 1401 ff.) einzuschränken und die Aufrechnung ohne Rücksicht auf Vollwertigkeit immer für unzulässig anzusehen, wenn sie schon bei der Kapitalerhöhung beabsichtigt oder gar abgesprochen war und trotzdem im Kapitalerhöhungsbeschluß nicht vorgesehen ist oder wenn sie der Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage (Annahme an Erfüllungs Statt) gleichkommt. Damit ist beantwortet, ob zur Beurteilung der Vollwertigkeit die aus einer Kapitalerhöhung stammenden neuen Einlageforderungen mit zu berücksichtigen sind (hierüber R G in J W 1938, 1400 f.). Nur wenn wirklich lediglich zweckloses Hin- und Herschieben von Geld vermieden werden soll, wird in diesem Fall Aufrechnung zulässig sein. Über Abtretung, Pfändung und Verpfändung der Einlageforderung s. § 1 Anm. 7 und 8. Anm. 6: Die Erfüllung der Einlage durch Zahlung an einen Dritten im Auftrage der Gesellschaft ist immer statthaft und geeignet, die Einlageschuld zu tilgen, wenn nicht eine Umgehung beabsichtigt ist, auch dann, wenn der Dritte ein Gläubiger der Gesellschaft und seine Forderung nicht vollwertig ist. Dies braucht der Aktionär in diesem Falle nicht zu prüfen (a. A. Schl.Qu. § 60 Anm. 6). Er würde auch nicht hindern können, daß die Gesellschaft das von ihm empfangene Geld zur Bezahlung ihrer nicht vollwertigen Schuld an den Dritten verwendet. Darum ist auch die Einzahlung auf ein Bankkonto immer statthaft, auch wenn dieses passiv ist. Die Einschränkung des § 54 gilt nur für die Einzahlung vor der Anmeldung. 328
Eintragung im Aktienbuch
§§ 66 / 67
Anm.7/1 IV. Sonderfall der Kapitalherabsetzung Anm. 7: Der neu eingefügte Absatz 3 befaßt sich mit einer Ausnahme von Absatz 1 insofern, als die Aktionäre von ihrer Verpflichtung zur Leistung von Einlagen bei Kapitalherabsetzungen befreit werden können. Z. T. wurde früher die Ansicht vertreten, dem Aktionär könnte in diesem Fall die Verpflichtung zur Leistung der Einlage ganz erlassen werden. Dies widerspricht dem sich durch das ganze Gesetz ziehenden Grundsatz der Sicherheit der Kapitalgrundlage. Es war daher erforderlich, besonders zu normieren, daß die Verpflichtung nur insoweit aufgehoben werden kann, als das Kapital herabgesetzt worden ist. § 67 Eintragung im Aktienbuch (1) Namensaktien sind unter Bezeichnung des Inhabers nach Namen, Wohnort und Beruf in das Aktienbuch der Gesellschaft einzutragen. (2) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Aktienbuch eingetragen ist. (3) Ist jemand nach Ansicht der Gesellschaft zu Unrecht als Aktionär in das Aktienbuch eingetragen worden, so kann die Gesellschaft die Eintragung nur löschen, wenn sie vorher die Beteiligten von der beabsichtigten Löschung benachrichtigt und ihnen eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs gesetzt hat. Widerspricht ein Beteiligter innerhalb der Frist, so hat die Löschung zu unterbleiben. (4) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwischenscheine. (5) Jedem Aktionär ist auf Verlangen Einsicht in das Aktienbuch zu gewähren. I. Übersicht (Anm. 1) II. Eintragung im Aktienbudi 1. Das Aktienbuch (Anm. 2) 2. Wirkungen der Eintragungen (Anm. 3 u. 4) III. Löschungen
1. Löschungen durch die Gesellschaft (Anm. 5) 2. Anspruch auf Löschung (Anm. 6 u. 7) IV. Geltung für Zwischensdieine (Anm. 8) V. Einsicht in das Aktienbudi (Anm. 9)
I. Übersicht Anm. 1: § 67 übernimmt in den Absätzen 1 und 4 die Absätze 1 und 4 des §61 AktG 37, Absatz 2 entspricht dem Absatz 3 des § 62 AktG 37, die Absätze 3 und 5 sind neu eingefügt worden (siehe Anm. 5—7 und 9). Die Vorschriften des bisherigen Absatzes 2 und 3 des § 61 AktG 37 sind in § 68 I und II enthalten. 329
§ 67
Anm. 2
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
II. Eintragungen im Aktienbudi 1. Das Aktienbuch Anm. 2: Das Aktienbudi ist unentbehrlich, sobald Urkunden ausgegeben sind (ein vorher angelegtes Aktienbudi soll nach K G J 114 A 32 nicht beweiskräftig sein). Es wird nicht nur bei Namensaktien geführt, vielmehr auch bei Inhaberaktien, um den Nennbetrag der einzelnen Aktien und die rechtlichen Schicksale zu vermerken, welche das einzelne Aktienrecht und die darüber ausgestellte Urkunde erleidet: z. B. Kraftloserklärung der Urkunde, Änderung des Nennbetrages, Umwandlung nach § 24 II, Einziehung, Vernichtung des Rechts und Einziehung der Urkunde bei der Zusammenlegung. Bei Namensaktien und Interimsscheinen ist die Führung des Aktienbuches und sein Inhalt gesetzlich vorgeschrieben, und zwar nicht nur bei nicht vollbezahlten Aktien, sondern mit Rücksicht auf § 68 auch bei vollbezahlten, denn bei der Namensaktie steht die Persönlichkeit des Aktionärs im Vordergrund. Die Gesellschaft muß also wissen, mit wem sie es zu tun hat. Auch die Mitaktionäre und die Öffentlichkeit haben ein Recht, dies zu erfahren. Das Buch hat daher Wohnort, Name und Beruf des Aktionärs anzugeben. § 67 betrifft die Eintragung jedes ursprünglichen Aktienerwerbers (auch durch Verschmelzung) im Aktienbuch. Die Gesellschaft hat ihn von sich aus zu vermerken, während die Eintragung eines abgeleiteten Erwerbs sich nach § 68 regelt und eine wirksame Anmeldung voraussetzt. Allerdings kann im Einzelfall der Ersteinzutragende schon ein Aktionär sein, der sein Recht auf abgeleiteten Erwerb stützt (RG 86, 155), weil Aktien übertragen werden können, sobald (nicht auch vor Eintragung — § 41 IV) die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist. Die Vorschrift begründet nicht nur eine publizistische Pflicht der Gesellschaft. Auch jeder Aktionär hat einen Anspruch auf Führung des Aktienbuchs (RG in J W 06, 177; OLG 11, 381). Die Pflicht entsteht, sobald Urkunden ausgegeben sind (RG a. a. O.), jedoch kann das Buch schon vorher angelegt werden durch Eintragung der Personalien der Aktionäre (§ 67 I). Bereits diesem Buch kommt die Bedeutung eines Aktienbuches und seinen Eintragungen die Wirkungen des Abs. 2 zu (ebenso die herrschende Ansicht), weil es rechtspolitisch nicht angängig erscheint, seine Anwendbarkeit von der Ausstellung von Urkunden abhängig zu machen, mögen auch gerade für nicht vollbezahlte Aktien § 64 IV und § 10 I I ersehen lassen, daß das Gesetz von der Ausstellung von Urkunden ausgeht. Wenn nicht nach der Satzung zur Veräußerung die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist, kann die Gesellschaft nicht verhindern, daß gleich nach ihrer Eintragung der erste Aktionär eine Aktie veräußert. Sie würde ihn also, auch wenn sie ihn in ein Aktienbuch eingetragen hat, nicht an seiner Haftung festhalten können, wenn der Druck der Aktie noch nicht fertig ist. 330
Eintragung im Aktienbuch
§67 Anm. 3,4
2. Wirkungen der Eintragungen Anm. 3: Absatz 2 ist hierher übernommen worden, obwohl er früher in der Vorschrift enthalten war, die die Übertragung von Namensaktien und die Eintragung der Umschreibung im Aktienbuch behandelte, da § 67 sämtliche Eintragungen im Aktienbuch betrifft. Sie betrifft demnach die jeweils gültigen Eintragungen. Die Bedeutung der Eintragungen liegt also darin, daß im Verhältnis zur Gesellschaft als Aktionär derjenige, und zwar nur derjenige gilt, der als solcher im Aktienbuch eingetragen ist. Diese zwingende Vorschrift stellt zwei Dinge klar: 1. daß nur im Verhältnis zur Gesellschaft der Eingetragene als Aktionär gilt; Schutz des gutgläubigen Erwerbers von einem Nichtberechtigten gewährt also das Aktienbuch nicht; 2. daß für das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber, also für den Rechtsübergang selbst, die Eintragung bedeutungslos ist, für diesen ist sie nicht Voraussetzung. Anm. 4: Dagegen ist darüberhinaus die Tragweite der Vorschriften überaus unklar. Aus den angeführten Entscheidungen und dem Schrifttum ergeben sich folgende Grundsätze: a) von der Gesellschaft, von dem früher eingetragenen, von dem neu eingetragenen und jedem Mitaktionär kann geltend gemacht werden, daß das Eintragungsverfahren mangelhaft gewesen sei, insbesondere eine gültige Anmeldung nicht vorgelegen habe, und daß demnach die Eintragung ungültig sei (z. B. Scheinübertragung aufgrund Einverständnisses mit dem Vorstand, R G J W 34, 363). Die Anmeldung kann nach den Regeln des BGB angefochten werden; jedoch beseitigt, wenn Veräußerer und Erwerber beide angemeldet haben, die Anfechtung des einen die Anmeldung des anderen nicht (Warn.Rspr. 43, 73); b) der Eingetragene übt, wenn ein Mangel des Eintragungsverfahrens nicht vorgelegen hat, alle Rechte aus der Aktie aus, hat aber auch alle Pflichten aus der Aktie. Solange er eingetragen ist, kann niemand, insbesondere weder er selbst noch ein anderer Aktionär, geltend machen, daß er zu Unrecht eingetragen sei, insbesondere, daß ein gültiger Rechtsübergang nicht stattgefunden habe, oder daß die Aktie auf einen anderen, sei es überhaupt von vornherein, sei es nach der Eintragung des Erwerbers, übergegangen sei. Ein Minderjähriger kann also eine Eintragung rechtswirksam selbst nicht herbeiführen, ist aber der Gesellschaft zur Vollzahlung verpflichtet, wenn nicht er, sondern der Veräußerer die Eintragung des Minderjährigen herbeigeführt hat, auch wenn der gesetzliche Vertreter das Grundgeschäft und die Übertragung nicht genehmigt hat. 331
§ 67
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 4—6 Unter allgemeinem Widerspruch gestattet jedoch R G 79, 162 der Gesellschaft die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis, also insbesondere auf Vollzahlung gegen den Erwerber der Aktie auch vor Eintragung des Rechtsüberganges im Aktienbuch. III. Löschungen 1. Löschungen durch die Gesellschaft Anm. 5: Umstritten war bisher die Frage, inwieweit die Gesellschaft berechtigt sein soll, Eintragungen im Aktienbuch zu löschen, die ihrer Ansicht nach zu Unrecht bestehen. Nicht hierher gehören Schreibfehler, die wie bisher ohne weitere Benachrichtigung berichtigt werden können, sofern diese Berichtigung nicht einer Löschung des eingetragenen Aktionärs gleichkommt. Ferner gehört nicht hierher die Löschung des wegen Verkaufs seiner Namensaktie zu Unrecht eingetragenen Aktionärs, da hierfür die Umschreibung gem. § 68 vorgeschrieben ist. Das Gesetz regelt diese Frage dahin, daß derartige Eintragungen nur gelöscht werden können, wenn keiner der Beteiligten Widerspruch erhebt. Hierfür ist den Beteiligten Mitteilung über die beabsichtigte Löschung zu machen und ihnen eine angemessene Frist zur Äußerung zu stellen. Beteiligt ist hierbei in erster Linie der eingetragene Aktionär und daneben die Vormänner, von denen er seinen Aktienbesitz herleitet. Zur Benachrichtigung reicht ein eingeschriebener Brief aus. Eine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ist angesichts der geringen Zahl der Beteiligten entbehrlich. Geht ein Widerspruch nicht ein, so kann die Eintragung gelöscht werden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist demnach nicht erforderlich. 2. Anspruch auf Löschung Anm. 6: Unklar ist die Frage, wie ein Dritter falsche Eintragungen im Aktienbuch beseitigen lassen kann. Allgemein wird ohne Begründung die Ansicht vertreten, daß die falsche Eintragung durch Klage des wahren Berechtigten gegen den Eingetragenen beseitigt werden könne. Ein solches Urteil würde aber keine Rechtskraft gegenüber der Gesellschaft haben, und da gegenüber dieser der eingetragene Aktionär als Berechtigter gilt, ist nicht zu verstehen, wie durch ein derartiges ihr gegenüber nicht wirkende Urteil im Verhältnis zu ihr eine Änderung an dieser Fiktion herbeigeführt werden kann. Bei nicht vollbezahlten Aktien und bei Aktien, zu deren Übertragung die Zustimmung der Gesellschaft notwendig ist, wird auch das Interesse der Gesellschaft betroffen (Beispiel: der nach Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung Eingetragene will die Nichtigkeit der Übertragung geltend machen), die Gesellschaft wird also gleichfalls verklagt werden müssen, wie kann aber der Aktionär ihr gegenüber angesichts des Abs. 2 überhaupt ob332
Eintragung im Aktienbuch
§67 Änm. 6—9
siegen? Wenn er diese Bestimmung durch Klage überwinden kann, warum nicht auch durch Einwendung. Undienlich ist jedenfalls immer die Klage gegen die Gesellschaft allein, denn gerade im Verhältnis zu ihr gilt ja der Eingetragene als der Berechtigte. Wäre diese Klage möglich, so müßte, wie schon gesagt, auch die Einwendung möglich sein. Offensichtlich geht die Fiktion des Absatzes 2 textlich zu weit. Sie bezieht sich auch gegenüber der Gesellschaft nicht auf das Recht an der Aktie und steht dem Nachweis des Rechts an der Aktienurkunde und der Unrichtigkeit des Eintrags nicht entgegen. Anm. 7: Kann der zur Vollzahlung an die Gesellschaft verurteilte Eingetragene diese wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern, wenn er nach der Zahlung ein Urteil gegen den wahren Berechtigten erfochten hat? Hatte er aufgrund eines direkten Vertragsverhältnisses einen Anspruch darauf, daß dieser sich eintragen lasse und auf eine Leistungsklage hin eine Verurteilung dahingehend erreicht, daß der Verurteilte die Aktienurkunde vorzulegen und (wenn der Kläger nicht selbst zur Anmeldung in der Lage ist) die Anmeldung vorzunehmen hat, so ist, auch gegenüber der Gesellschaft, die bisherige Fiktion des Abs. 2 beseitigt. Voraussetzung ist, daß — was wir für zulässig halten —, das zurückliegende Veräußerungsdatum eingetragen wird. Es ist dann der Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB gegen die Gesellschaft wegen Wegfalles des rechtlichen Grundes (fingierte Aktionärschaft) gegeben. Kann aber der Kläger mangels eines wie oben beschriebenen schuldrechtlichen Anspruches nur ein Feststellungsurteil gegen den Beklagten erwirken, welches gegenüber der Gesellschaft keine Bedeutung hat, weil es nicht zur Anmeldung und Eintragung führt und demnach den Abs. 2 nicht brechen kann, so kommt eine Rückforderung unseres Erachtens ebensowenig in Frage, wie die Beseitigung der Eintragung, weil angesichts der nach Abs. 2 weiterhin fingierten Aktionärschaft auch jetzt nicht gesagt werden kann, daß der Eingetragene ohne rechtlichen Grund an die Gesellschaft geleistet habe. Dagegen dürfte ihm der Bereicherungsanspruch gegen den nicht eingetragenen Aktionär gegeben sein. IV. Geltung für Zwischenscheine Anm. 8: Für nicht beurkundete Aktien gilt diese Vorschrift nicht, wohl aber gem. Abs. 4 sinngemäß für Zwischenscheine. V. Einsicht in das Aktienbuch Anm. 9: Nach Abs. 5 hat jeder Aktionär das Recht, das Aktienbuch einzusehen. Dient das Aktienbuch auf der einen Seite der Legitimation der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft, so soll andererseits der Aktionär die 333
§§ 67 / 68
Anm. 9
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Möglichkeit haben, sich über die Eintragungen im Aktienbuch, insbesondere über seine Mitaktionäre, unterrichten zu können. Die Möglichkeit der Einsichtnahme im Aktienbuch durch Nichtaktionäre richtet sich weiterhin nach § 810 B G B .
§ 68 Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbudi (1) Namensaktien können durch Indossament übertragen werden. Für die F o r m des Indossaments, den Rechtsausweis des Inhabers und seine Verpflichtung zur Herausgabe gelten sinngemäß Artikel 12, 13 und 16 des Wediselgesetzes. (2) Die Satzung kann die Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft binden. Die Zustimmung erteilt der Vorstand. Die Satzung kann jedoch bestimmen, daß der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung über die Erteilung der Zustimmung beschließt. Die Satzung kann die Gründe bestimmen, aus denen die Zustimmung verweigert werden darf. (3) Geht die Namensaktie auf einen anderen über, so ist dies bei der Gesellschaft anzumelden. Die Aktie ist vorzulegen und der Übergang nachzuweisen. Die Gesellschaft vermerkt den Übergang im Aktienbuch. (4) Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente und der Abtretungserklärungen, aber nicht die Unterschriften zu prüfen. (5) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwischenscheine. I. Übersicht (Anm. 1) II. Übertragung und Belastung der Aktie 1. Übergabe der Urkunde (Anm. 2) 2. Gutgläubiger Erwerb (Anm. 3) 3. Weitere Voraussetzungen bei N a mensaktien (Anm. 4) 4. F o r m (Anm. 5) 5. Weitere Übertragungsmöglichkeit (Anm. 6) III. Legitimationsübertragungen (Anm. 7) IV. Übertragung nicht beurkundeter Aktien (Anm. 8) V. Zustimmung der Gesellschaft 1. Erfordernis der Zustimmung (Anm. 9 u. 10)
334
2. Erteilung der Zustimmung (Anm. 11) 3. Satzungsbestimmung hinsichtlich der Zustimmung (Anm. 12) 4. Folgen der Versagung der Zustimmung (Anm. 13) 5. Geltendmachung der fehlenden Zustimmung (Anm. 14) VI. Anspruch auf Eintragung (Anm. 15) VII. Anmeldung des abgeleiteten E r werbes 1. Voraussetzung und F o r m (Anm. 16—18) 2. Prüfung durch die Gesellschaft (Anm. 19) VIII. Geltung für Zwischenscheine (Anm. 20)
Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbudi
§ 68
Anm. 1, 2
I. Übersicht Anm. 1: § 68 übernimmt in den Absätzen 1 und 2 die Absätze 2 und 3 des § 61 AktG 37 und in den Absätzen 3, 4 und 5 die Absätze 1, 2 und 4 des § 62 AktG 37. II. Übertragung und Belastung der Aktie 1. Übergabe der Urkunde Anm. 2: Die Übertragungen, ebenso wie die Belastung mit Rechten (Nießbrauch-, Pfandrecht), vollzieht sich sowohl bei der Inhaberaktie wie bei der Namensaktie nicht ohne Übergabe der Urkunde, sobald eine Urkunde ausgestellt ist. Beide Arten verkörpern das Recht und sind Wertpapiere (aber nicht rechtsbegründende), sind körperliche Gegenstände, Sachen im Sinne des § 90 BGB, genießen Besitzschutz (§ 854 BGB). Es besteht an ihnen die Eigentumsvermutung des § 1004 BGB, sie folgen den Regeln der §§ 985 ff. BGB und bezüglich der Eigentumsübertragung den Regeln der §§ 929 ff. BGB. Zur Übertragung des Rechts ist Übergabe des Papiers unerläßlich, bei der Inhaberaktie diese allein, bei der Namensaktie außer der Übergabe der Urkunde noch Abtretungserklärung oder Indossament (s. Anm. 4), wenn die Satzung nicht auch Zustimmung der Aktiengesellschaft fordert. Da aber das Aktienrecht unabhängig von der Urkunde durch die Eintragung der Gesellschaft entsteht und von Anfang an veräußerlich ist, gelten diese Grundsätze erst, nachdem die Aktienurkunde ausgestellt und Eigentum des berechtigten Aktionärs geworden ist. Wann ist letzteres der Fall? Bis zu der Verbindung von Recht und Urkunde sind die einzelnen Rechte gleicher Gattung nicht unterscheidbar, es sei denn durch ihre Nummern im Aktienbuch, wenn ein solches angelegt ist oder ohne solche nur mittelbar durch die Person der Aktionäre, denen sie zustehen (§ 67 I sieht sogar nur dieses Unterscheidungsmerkmal vor). In beiden Fällen besteht aber, wenn es sich nicht um Namensaktien handelt, die Schwierigkeit, daß von keinem Aktionär gesagt werden kann, von welchem Recht er Eigentümer ist, solange ihm nidit ein solches von der Gesellschaft unterscheidbar von anderen bezeichnet worden ist. Obwohl er schon durch Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister — nicht etwa bloß Gläubiger einer Gattungsschuld, sondern — Inhaber eines individuellen Aktienrechtes geworden ist, indem er im Aktienbudi als Inhaber nummernmäßig bestimmter Rechte eingetragen wird (was auch bei Inhaberaktien denkbar ist und vorkommt; im Falle der Veräußerung durch Abtretung läßt sich dann immer feststellen, welchen Erwerbsgang das einzelne Recht genommen hat) oder, daß eine für ein bestimmtes Recht ausgestellte Urkunde von der Gesellschaft für ihn bestimmt wird. Es liegt in der Natur der Sache, daß letzteres nur durch eine nach außen kundgegebene, also erklärte Willensentschließung der Gesellschaft geschehen kann, wobei 335
§ 68 Anm. 2
RedltsVerhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
wir es hier dahingestellt sein lassen können, ob diese Erklärung empfangsbedürftig ist. Sie kann dies jedenfalls dann sein, wenn diese Bestimmung einer Urkunde für einen Aktionär mittels Herstellung eines Besitzverhältnisses an ihr zu seinen Gunsten erfolgt (Begründung einer Besitzdienerschaft, eines mittelbaren Besitzes durch Besitzkonstitut, Ubergabe). Aber es ist durchaus denkbar, daß sie ohne Herstellung eines Besitzverhältnisses an der Urkunde ausgedrückt wird, z. B. bei Namensaktien, indem der Name des Aktionärs in der Urkunde eingetragen wird. Darin liegt die Verbindung der Urkunde mit dem Recht und, da dieses nach § 67 I durch den Aktionär schon individualisiert war, die Bestimmung der Urkunde für den Aktionär. Es ergibt sich: Die Verbindung des Rechtes mit einer bestimmten Urkunde ist ein einseitiger innerer Rechtsakt der Gesellschaft, der dadurch vorgenommen wird, daß die Gesellschaft, wenn ein Aktienbuch mit Nummern eingerichtet ist, der Urkunde die Nummer eines Rechtes gibt oder die Urkunde für denjenigen Aktionär bestimmt, der als solcher das Recht selbst individualisiert und diese Bestimmung irgendwie ausdrückt. Trotz des weit auszulegenden § 952 BGB (siehe RG Warn.Rspr. 28, 107) kann aber bei Inhaberaktien kein Aktionär als Inhaber eines Aktienrechts Eigentümer der mit diesem verbundenen Urkunde werden, wenn nicht gleichzeitig mit dieser Verbindung die Bestimmung der Urkunde und des Rechts für einen bestimmten Aktionär erfolgt, weil solange nicht feststeht, von welchem Recht er Inhaber ist. Die bloße Numerierung der Urkunde reicht hierzu nicht aus, mag sie auch die Verbindung der Urkunde mit dem Recht herstellen, es sei denn, daß im Aktienbuch der Aktionär als Inhaber eines nummernmäßig individualisierten Rechtes eingetragen ist. Sobald aber auf irgendeine Weise die für ein bestimmtes Recht ausgestellte Urkunde einem bestimmten Aktionär zugeteilt ist, greift § 952 BGB ein, so daß er Eigentümer dieser Urkunde wird, ohne daß es einer Übereignung oder Besitzübertragung bedarf, mag die Bestimmung der Aktienurkunde für einen bestimmten Aktionär sich auch regelmäßig in der Form der Besitzübertragung oder der Übergabe vollziehen. Es dürfte wohl auch genügen, daß die für ein bestimmtes Recht ausgestellte Urkunde ohne den Willen der Gesellschaft an einen Berechtigten gelangt, um nun diesen zum Eigentümer der Urkunde zu machen und klarzustellen, welchen Rechtes Inhaber er ist. Diese Überlegungen ergeben weiter, daß die Übertragung des Aktienrechtes mittels der Urkunde nicht nur voraussetzt, daß die Gesellschaft die Verbindung zwischen Urkunde und Recht hergestellt hat, sondern auch, daß der Aktionär Eigentümer der Urkunde geworden ist, weil er vorher ja keine Möglichkeit hat, durch Übergabe der Urkunde oder Übertragung des Anspruchs auf deren Herausgabe das Recht zu veräußern. Erst von dem Augenblick an, in welchem der Aktionär Eigentümer der Urkunde wird, verkörpert also die Urkunde das Recht und wird dieses in ersterer dargestellt. 336
Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbuch
§ 68
Anm. 2—4 Bis dahin ist sie nur ein buntes Stück Papier, auch wenn sie über ein bestimmtes Recht ausgestellt ist. 2. Gutgläubiger Erwerb Anm. 3: Bei der Inhaberaktie besteht Meinungsverschiedenheit darüber, von welchem Zeitpunkt an ein gutgläubiger Erwerb geschützt ist. Ob schon dann, wenn die Urkunde der Gesellschaft selbst gestohlen worden, verlorengegangen oder abhanden gekommen ist, oder nur, wenn sie vor dem Verlust dem Aktionär schon ausgehändigt war. Hier ist zu unterscheiden: § 794 BGB ist nicht anwendbar, denn diese Vorschrift setzt eine rechtsbegründende Urkunde voraus, was die Aktienurkunde nicht ist, weil das Recht unabhängig von der Urkunde (zufolge einer vorgängigen Übernahme und Zuteilung) durch die Eintragung der Aktiengesellschaft entsteht (§ 41). Aber § 935 II BGB ist anwendbar, sobald die Urkunde nach Anm. 2 Eigentum des Aktionärs geworden ist und deshalb das Recht verkörpert. In letzterem Falle wird also der gutgläubige Erwerber Eigentümer, und der Aktionär hat den Schaden, wenn er von dem Schuldigen keinen Ersatz zu erhalten vermag. Einen Schadensersatz durch die Gesellschaft im Falle des Verschuldens eines Vertreters oder Angestellten nach den §§ 31, 831, 278 BGB liefe auf eine unstatthafte Zurückzahlung der Einlage hinaus. War aber der Aktionär noch nicht Eigentümer der Urkunde geworden (s. Anm. 2), so hat der Erwerber kein Aktienrecht erworben, weil § 794 BGB nicht anwendbar ist. Demnach ist gutgläubiger Erwerb an einer auf der Postreise zum ersten Aktionär abhanden gekommenen Aktie zum Schaden des ersten Aktionärs durch einen Dritten möglich (§ 935 BGB), aber nicht an einer aus den Geschäftsräumen der Gesellschaft gestohlenen oder von dieser selbst für einen Nichtaktionär bestimmten Aktie. Gutgläubiger Erwerb an einer Inhaberaktie nach § 935 BGB ist also nur möglich, wenn der in dem nach dieser Vorschrift maßgeblichen Zeitpunkt berechtigte Aktionär schon Eigentum an der Urkunde hatte, er kann dies aber nach § 952 BGB auch ohne Aushändigung der Urkunde erworben haben. 3. Weitere Voraussetzungen bei Namensaktien Anm. 4: Außer der Übergabe der Urkunde, welche bei der Inhaberaktie zur Übertragung des Rechts genügt, ist bei der Namensaktie außerdem entweder die Abtretung des Rechts (§§ 413, 398 BGB, § 68 IV) oder Indossament auf der Rückseite der Urkunde (Abs. 1, Abs. 4) erforderlich. Beide Möglichkeiten bestehen nebeneinander (JW 32, 2599). Die Satzung kann nach herrschender Ansicht weder die eine noch die andere Form verbieten (anders RG 77, 276). Der Unterschied zwischen beiden Formen ist erheblich. Bei der Abtretung durch den Nichtberechtigten schützt der gute Glaube des 337 22
Wilhelmi, Aktiengesetz
§ 68 Anm. 4—6
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Erwerbs nicht; auch können dem Erwerber Einwendungen und Einreden entgegengesetzt werden, welche gegen den abtretenden Vormann begründet waren. Bei der Indossierung ist der durch eine fortlaufende Kette Ausgewiesene durch seinen guten Glauben gegen den Rechtsmangel seines Vormanns (nicht gegen rechtliche Mängel seines Erwerbsgeschäfts mit diesem) und Einwendungen oder Einreden geschützt und erwirbt vorbehaltlich der Anm. 2 das Recht und das Eigentum an der Urkunde (RG 112, 204). Als dritte Ubertragungsform kommt bei Namensaktien die Absendung des Stückverzeichnisses gemäß § 18 DepG hinzu. Die Eintragung im Aktienbuch ist bei Namensaktien zur Übertragung nicht erforderlich (wenngleich nach § 68 zur Ausübung der Rechte aus der Aktie), ebensowenig zur Bestellung von Rechten an der Aktie (Pfandrecht und Nießbrauch). Doch ist bei letzterer kein Grund ersichtlich, warum die Eintragung unstatthaft sein sollte. Beim Nießbrauch ist die Eintragung zweckmäßig, wenn keine Gewinnanteilscheine ausgegeben sind. Beim Pfandrecht nur für die Ausschüttung in der Abwicklung, dagegen hinsichtlich der Gewinnanteile nur, wenn bei ausgegebenen Gewinnanteilsscheinen diese übergeben worden sind (§ 1296 BGB) oder, wenn keine Gewinnanteilsscheine ausgegeben worden sind, der Anspruch auf Gewinnanteile besonders mitverpfändet wurde, weil sich anderenfalls das Pfandrecht nicht darauf erstredet (S§ 1273,1213 BGB). 4. Form Anm. 5: Eine Form ist für die Abtretung gesetzlich nicht vorgeschrieben und kann auch durch Satzung nicht vorgeschrieben werden (s. Anm. 2). Diese kann durch bloße Übergabe der Aktie ausgedrückt werden, doch wird der Erwerber immer schriftliche Abtretungserklärung aufgrund des Verpflichtungsgeschäftes fordern können, um sich gegenüber der Gesellschaft als Erwerber auszuweisen (siehe SS 403, 413 BGB). 5. Weitere Übertragungsmöglichkeiten Anm. 6: Auch Blankoabtretung und Blankoindossament sind zulässig und im Börsenhandel gebräuchlich (JW 32, 2599), vgl. hierzu aber bzgl. Umschreibung im Aktienbuch Anm. 19. Ist die Zustimmung der Gesellschaft zur Abtretung erforderlich, ist in solchen Fällen bei Vorliegen mehrerer Zwischenübertragungen die Konstruktion schwierig und eine voll befriedigende Konstruktion nicht zu finden. Würden alle Geschäfte beurkundet sein, müßte die Zustimmung für jedes, das erste wie das letzte, eingeholt werden, denn ohne die Genehmigung des ersten Geschäftes kann auch das letzte selbst mit Genehmigung nicht zustande kommen. Wenn über das erste Geschäft eine Blankoübertragung ausgestellt war, liegt es nicht anders, aber man kann dieses dahin deuten, daß der Aussteller dieser Erklärung zur Verfügung des 338
Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbuch
§ 68 Anm. 6 , 7
nicht berechtigten Veräußerers des letzten Geschäfts über die dinglich noch d e m Aussteller der E r k l ä r u n g gehörige A k t i e ( a u f g r u n d eingegangener V e r pflichtung) seine Z u s t i m m u n g (§§ 182, 185 B G B ) erteile. D a n n w ä r e nur d a s letzte Rechtsgeschäft z u genehmigen. D i e Zwischenübertragungen aber w ü r den dadurch nicht w i r k s a m (in letzterer Beziehung ebenso J W 32, 2 5 9 9 m i t unbefriedigender K o n s t r u k t i o n ; wie hier R i t t e r A n m . 4 a u n d Fischer in G r o ß k o m m . A n m . 19). III. L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g e n
Anm. 7: D i e L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g ist bei beiden A k t i e n a r t e n statthaft ( R G 118, 330), s o f e r n sie nicht durch S a t z u n g ausgeschlossen ist (siehe A b s . 2), e r f o r d e r t aber bei der N a m e n s a k t i e auch die E i n t r a g u n g im A k t i e n buch ( A b s . 3), w a s sie erschwert, weil diese E i n t r a g u n g nur durch N a c h w e i s des Rechtsüberganges erwirkt w e r d e n k a n n . U n t e r L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g ist die H e r s t e l l u n g der L e g i t i m a t i o n eines N i c h t a k t i o n ä r s als A k t i o n ä r z u verstehen, u m ihm eine Rechtsausübung z u ermöglidien, welche den A u s weis als A k t i o n ä r v o r a u s s e t z t . D e r Zweck ist dabei regelmäßig A u s ü b u n g der Rechte des A k t i o n ä r s durch den Legitimierten in des letzteren eigenen N a m e n m i t E r m ä c h t i g u n g des ersteren (§ 185 B G B ; die o b e n e r w ä h n t e Reichsgerichtsentscheidung sieht in dieser E r m ä c h t i g u n g die L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g ) . D e r Zweck k a n n aber auch d a r i n bestehen, die G e l t e n d m a c h u n g v o n Rechten z u ermöglichen, welche der eigentliche A k t i o n ä r a n den Legitimierten veräußert h a t (z. B . des mittelbaren Bezugsrechts, d a s eine F o r d e r u n g gegen die B a n k ist, welche die Emission ü b e r n o m m e n hat, oder des D i v i d e n denanspruchs, wenn keine Dividendenscheine ausgegeben sind). D i e Zulässigkeit der L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g , die keine V e r ä u ß e r u n g des Aktienrechts einschließt, w i r d v o n dem G r u n d s a t z der freien V e r ä u ß e r lichkeit der A k t i e u n d dessen rechtspolitischer B e g r ü n d u n g nicht gedeckt. Sie beruht vielmehr auf der Möglichkeit der durch den Besitz der U r k u n d e u n d § 7 9 3 I S. 2 B G B erleichterten H e r s t e l l u n g eines Rechtsscheines. S i e k a n n deshalb durch die S a t z u n g nicht nur f ü r N a m e n s - , sondern auch I n h a b e r aktien zustimmungspflichtig gemacht, j a verboten werden. E i n Wechsel des Aktienrechts findet nicht statt. Sieht die S a t z u n g die Z u s t i m m u n g der Gesellschaft als E r f o r d e r n i s der Ü b e r t r a g u n g v o r , so ist diese auch f ü r jeden F a l l der L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g n o t w e n d i g . Insoweit w i r d die Ansicht der V o r a u f l a g e a u f g e g e b e n , die eine Z u s t i m m u n g der Gesellschaft nur f ü r F ä l l e f ü r erforderlich ansah, in denen die Interessen der G e sellschaft betroffen w u r d e n . Eine derartige Einschränkung ist jedoch nicht a n g ä n g i g , w e n n m a n die L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g derjenigen der A k t i e gleichstellt. E s m u ß vielmehr gesagt werden, d a ß die Gesellschaft in den F ä l len, in denen die Interessen der Gesellschaft nicht berührt sind, verpflichtet ist, die Z u s t i m m u n g z u erteilen. D a die L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g keine
22*
339
§ 68
Anm. 7—9
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Rechtsübertragung ist, kann die Rechtsstellung, welche der Legitimierte durch sie erwirbt, sich von der des Aktionärs nicht unterscheiden, denn er übt dessen Rechtsstellung im eigenen Namen aus; dies ist besonders bei der Legitimationsübertragung zwecks Ausübung des Stimmrechts wichtig. Über einen Fall abgeleiteten Erwerbs für Rechnung der Gesellschaft (§ 226 HGB alte Fassung) mit mißbräuchlicher Legitimationsübertragung siehe R G in J W 1934, 363 und 19. Der Anspruch auf Legitimationsübertragung ist vollstreckbar (Wegnahme der Aktie, bei der Namensaktie außerdem Verurteilung zur Zustimmung zur Umschreibung im Aktienbuch). IV. Übertragung nicht beurkundeter Aktien Anm. 8: Nicht beurkundete Aktienrechte werden durch Abtretungserklärung übertragen (RG 86, 154, sowie Anm. 9 am Ende). Die Einrichtung des Aktienbuches besteht für sie nicht. V. Zustimmung der Gesellschaft 1. Erfordernis der Zustimmung Anm. 9: Die freie Übertragbarkeit, Verpfändbarkeit und Vererblichkeit der Aktie, auf welcher ihre Verkehrsfähigkeit und daher ihre Eignung, vorhandene Mittel der Volkswirtschaft für ihre Zwecke zu sammeln und nutzbar zu machen, aber auch die fortschreitende Entwicklung des Unternehmens zur Selbständigkeit und zum Eigenleben beruht, ist der Inhaber- wie der Namensaktie wesentlich, von ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung abgesehen, und rechtlich der Ersatz für die fehlende Möglichkeit, die Gesellschaft oder die Mitgliedschaft zu kündigen und auszutreten. Sie ist daher ein Grundsatz des Aktienrechts, welcher für beide Aktienarten gilt und nur bei den Namensaktien und den ihnen gleichgestellten Zwischenscheinen (§ 10) eine einzige gesetzlich genau bestimmte Ausnahme duldet, nämlich die Satzungsvorschrift, daß zur Übertragung die Zustimmung der Gesellschaft, nicht aber auch eines Dritten, erforderlich sei. Da es sich um die Ausnahme von einem wichtigen Grundsatz handelt, ist diese ausdehnende Auslegung der Gesetzesvorschrift unstatthaft. Darum kann die freie Übertragbarkeit durch andere Erfordernisse der Übertragung, mögen sie den Inhalt oder die Form betreffen (anders als bei der GmbH), nicht eingeschränkt werden. Solche Einschränkungen sind nichtig (KG H R R 1938, Nr. 1607; J W 39, 296). Eine Übertragung, welche von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden kann, liegt nicht vor bei Gesamtrechtsnachfolge (Erbgang, Vereinbarung allgemeiner Gütergemeinschaft, Verschmelzung), wohl aber bei der Erfüllung eines Vermächtnisses, nach unserer Ansicht auch bei der Auseinandersetzung unter mehreren Miterben (a. A. Mügel, Soz.Prax. 39, Heft 16). 340
Ü b e r t r a g u n g von N a m e n s a k t i e n . Umsdireibung im Aktienbuch
§ 68
Anm. 9—11
Das Erfordernis der Zustimmung kann sowohl für voll, als auch für nicht vollbezahlte Aktien vorgesehen werden (RG 132, 155) und gilt dann auch für die Legitimationsübertragung (RG ebenda und für die GmbH R G 159, 281, zweifelhaft, wenn nicht ausdrücklich bestimmt, weil letztere keine Rechtsübertragung ist und der Legitimierte gerade die Rechte des Aktionärs, wenn auch im eigenen Namen, ausübt, siehe Anm. 7). Es ist zweckmäßig, aber nicht geboten, daß die Einschränkung der Übertragbarkeit in die Urkunde aufgenommen wird. Auch nicht beurkundete Aktien sind unbeschränkt veräußerlich, und zwar durch formlosen Abtretungsvertrag (RG 52, 423; 86, 155). Auch ihre Ubertragbarkeit kann durch Satzung nicht ausgeschlossen (anders K G in J W 37, 2434 und Ritter, beide mit unzutreffender Berufung auf das Reichsgericht), wohl aber von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Einen Gattungsunterschied begründet die sogenannte Vinkulierung nach § 68 I I I nicht (s. Anm. 4 zu § 11, R G 132,161). Anm. 10: Die Vorschrift muß in der ursprünglichen Satzung oder bei Schaffung neuer Aktien im Kapitalerhöhungsbeschluß enthalten sein und kann nachträglich durch Satzungsänderung nur mit Zustimmung aller betroffenen Aktionäre eingeführt werden (RG 68, 212, ebenso Mügel a. a. O.; Teichmann-Köhler Anm. 3; Schl.-Qu. Anm. 6 mit überzeugenden Gründen; Fischer in Großkomm. Anm. 11), denn es handelt sich hierbei nicht um Änderung des Inhalts des Aktienrechts (siehe Anm. 4 zu § 11), sondern um eine Verstärkung der Bindung des Mitglieds an die Gesellschaft. Die Änderung liegt mehr nach der Seite der Pflichten als der Rechte. Die Aufhebung dieser Beschränkung der freien Übertragbarkeit ist durch Satzungsänderung mit der hierfür erforderlichen Mehrheit und ohne Zustimmung des Inhabers der Namensaktie zulässig. 2. Erteilung der
Zustimmung
Anm. 11: Die Erteilung der Zustimmung ist Sache des Vorstands (Abwicklers, Konkursverwalters), in der Zusammensetzung, in der er nach der Satzung als gesetzliche Vertretung erscheint (evtl. durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen). Die Satzung kann aber bestimmen, daß die Zustimmung eines Aufsichtsrats- oder Hauptversammlungsbeschlusses bedarf, aber immer kann nur ein Organ der Gesellschaft, nicht auch ein Dritter als zuständig erklärt werden. Auch wenn Aufsichtsrat oder Hauptversammlung die Zustimmung zu erteilen haben, ist nach außen die von dem vertretungsberechtigten Organ erklärte Zustimmung bindend (h. L.; a. A. Ritter Anm. 5 d). Es wäre namentlich für den Börsenverkehr unerträglich, auf das Erfordernis eines inneren Beschlusses Rücksicht nehmen zu müssen (für die GmbH R G 104, 415). Die Zustimmung kann vor- oder nachher erteilt 341
§ 68
Anm. 11,12
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
werden, im voraus, aber nicht blanko (RG 132, 155), wogegen die Übertragung selbst in blanko erfolgen kann. Für die Wirkung der nachträglichen Zustimmung siehe § 184 I BGB. Die Zustimmung verträgt als einseitige Erklärung keine Bedingung oder Befristung. Die Zustimmung ist formlos und kann auch durch schlüssige Handlung erklärt werden, sowohl gegenüber dem Veräußerer als auch gegenüber dem Erwerber, ist also empfangsbedürftig (siehe § 182 BGB, vgl. BGH 15, 330). U. E. kann die Satzung für die Zustimmung eine Form, insbesondere Schriftform, vorschreiben (nach KG JW 39, 296 soll dies nur die Bedeutung einer internen Weisung haben), denn darin liegt nicht ein über das Erfordernis der Zustimmung hinausgehendes weiteres Erfordernis und keine weitere Einschränkung der Ubertragbarkeit oder Verstärkung der Bindung des Mitglieds (ebenso Fischer in Großkomm. Anm. 12; BGH in N J W 1950, 347). Nachträgliche Zustimmung ist unwiderruflich (§ 183 BGB, ebenso die Zustimmungsverweigerung). 3. Satzungsbestimmungen hinsichtlich der Zustimmung Anm. 12: Die Satzung kann Voraussetzungen bestimmen, unter denen die Zustimmung erforderlich ist, erteilt oder verweigert werden darf. Das Gesetz erwähnt besonders die Bestimmung, daß die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigert werden könne, aber die Satzung ist völlig frei. Sie kann Fälle vorsehen, in denen die Zustimmung verweigert oder erteilt werden muß. Wird die Zustimmung ohne satzungsmäßige Gründe versagt, kann der Veräußerer aufgrund seines Mitgliedsrechts, also nicht auch der Erwerber, auf Zustimmung klagen. Unter Umständen kann aber die Satzung dahin zu deuten sein, daß nur bei bestimmter Sachlage die Zustimmung erforderlich ist. Dann handelt es sich um Klage auf Feststellung, daß die Übertragung ohne Zustimmung wirksam erfolgt sei, zu der Veräußerer und Erwerber aktiv legitimiert sind. Bestimmt die Satzung nichts, hat der Vorstand freie Hand. Durch das Erfordernis der Zustimmung mit oder ohne zusätzliche Satzungsbestimmungen kann also insbesondere der Übergang des Aktienrechts von bestimmten positiven oder negativen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Aktienrechtlich unwirksam ist die Verpflichtung des Aktionärs, die Aktie unter bestimmten Voraussetzungen zu veräußern oder der Gesellschaft zu überlassen, etwa im Falle des Erbgangs an einen einer bestimmten Familie nicht Zugehörigen. Solche Verpflichtungen können nur mit einem Aktionär persönlich, natürlich auch mit Wirkung für seine Erben, vereinbart und bis zu einem gewissen Grade dadurch geschützt werden, daß die Notwendigkeit der Zustimmung zur Veräußerung vorgesehen und diese nicht erteilt wird (siehe Anm. 9 zu § 54). Auf diesem Wege kann nicht nur erreicht werden, daß der bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen zur Veräußerung an die Gesellschaft Verpflichtete die Aktie nicht an einen Dritten veräußern kann, sondern auch, daß er seiner zwecks Erlangung der Zustimmung der 342
Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbuch
§ 68
Anm. 12—14
Gesellschaft zu seinem Erwerb eingegangenen persönlichen Verpflichtung genügt, sie an die Gesellschaft zu veräußern. Weitergehend kann aber nicht nur eine solche Veräußerungsverpflichtung mit einem Aktionär persönlich vereinbart und durch das Erfordernis der Zustimmung zur Veräußerung geschützt, sondern vorgesehen werden, daß unter bestimmten Voraussetzungen, etwa im Fall nicht rechtsgeschäftlichen Übergangs an einen außerhalb eines bestimmten Personenkreises (Familie) Stehenden, die Zwangseinziehung zulässig ist (§ 229, vgl. Anm. 10 zu § 54). 4. Folgen der Versagung der
Zustimmung
Anm. 13: Die Versagung der Zustimmung hat zur Folge, daß die Übertragung unwirksam ist, dies gilt aber nicht im Falle des Pfandverkaufs oder des Verkaufs durch den Konkursverwalter (für die GmbH R G 70 und 142, 373 und die herrschende Ansicht; a. A. mit beachtlichen Gründen Mügel in Soz.Prax. 39, 991). Auch der Rechtsübergang durch Verschmelzung nach dem zwingenden § 346 kann durch Versagung der Zustimmung nicht gehindert werden. Für alle diese Fälle kann die Satzung Zwangseinziehung vorsehen, aber nicht unentgeltliche (RG 142, 373). Die Versagung ist unwiderruflich (BGH 13, 187; OLG Hamburg in WM 1954, 586). Das Verpflichtungsgeschäft bleibt trotz der Versagung der Zustimmung zu seiner Ausführung wirksam, wenn es nicht bedingt durch diese Zustimmung war, aber seine Erfüllung ist unmöglich. Ob der Veräußerer schadensersatzpflichtig ist (vgl. §§ 308 und 306 BGB bzw. § 307 BGB) auf das positive Erfüllungsinteresse oder bloß das negative Vertragsinteresse, hängt von der Lage des Falles, insbesondere der Kenntnis der Beteiligten davon ab, ob die Zustimmung erforderlich und ungewiß ist, dem Verschulden bei Vertragsschluß und davon, was nach allgemeinen Auslegungsregeln von ihnen für den Fall der Versagung der Zustimmung vereinbart ist. Es kann übrigens teilweise Erfüllungsmöglichkeit (wenigstens obligatorische Übertragung der Vermögensrechte oder der Herrschaftsrechte im Sinne eines zeitlich begrenzten Abstimmungsvertrages; aber Achtung vor Stimmkauf) angenommen werden (§ 325 I S. 3 BGB). 5. Geltendmachung
der fehlenden
Zustimmung
Anm. 14: Ist der Erwerber eingetragen worden, so kann der Mangel der nach der Satzung erforderlichen Zustimmung der Gesellschaft zu dem Rechtsübergang nach R G 86, 160 weder von dem Veräußerer (früher eingetragenen), welcher Wiedereintragung erstrebt, noch von dem neu Eintragenen geltend gemacht werden, welcher von der Gesellschaft auf Vollzahlung belangt wird. Wurde die Zustimmung verweigert und erfolgte versehentlich die Eintragung trotzdem, so kann also die Gesellschaft, obwohl sie die Zustimmung verweigert hat, den Eingetragenen in Anspruch nehmen, ohne daß 343
§ 68
Anm. 14—17
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
sich dieser auf Verweigerung der Zustimmung berufen kann. Nach allgemeiner Ansicht würde in diesem Falle entgegen R G 86, 160 nicht einmal die Gesellschaft sich darauf berufen können, daß sie die Zustimmung zur Übertragung verweigert hat und ihr Versehen trotz dieser Verweigerung gegen sich gelten lassen müssen. Der Nutznießer wäre der Veräußerer, der 2 Jahre nach der Eintragung von seiner Haftung frei wird (§ 65 II). VI. Anspruch auf Eintragung Anm. 15: Die Gesellschaft selbst, welche zwar eine materiellrechtliche, unbegründete Eintragung durch Löschung beseitigen kann, hat keinen Anspruch gegen den Erwerber, daß er sich eintragen lasse, obwohl sie daran sehr interessiert sein kann (vgl. jedoch R G 79, 163). Angeblich soll aber die Gesellschaft in allen Fällen, in welchen nicht der wahre Berechtigte eingetragen ist, den Eingetragenen nach den Grundsätzen behandeln können, welche bei der Legitimationsübertragung gelten. Als allgemeine Regel halten wir dies nicht für richtig, denn es kann ja sein, daß der Eingetragene in gar keiner Beziehung zu dem Berechtigten steht. VII. Anmeldung des abgeleiteten Erwerbs 1. Voraussetzung und Form Anm. 16: Absatz 4 betrifft den abgeleiteten Erwerb, dessen Eintragung Anmeldung voraussetzt, während der ursprüngliche Erwerb von der Gesellschaft nach § 67 ohne Anmeldung einzutragen ist. Jeder rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Übergang einer Namensaktie auf einen anderen ist nach dem Wortlaut des Gesetzes bei der Gesellschaft anzumelden. Schon dies ist nicht richtig, vielmehr besteht Übereinstimmung darüber, daß die Anmeldung weder eine publizistische Pflicht ist noch von der Gesellschaft erzwungen werden kann, obwohl auch ihr Interesse stark beteiligt ist, vielmehr im freien Belieben der am Übergang beteiligten Personen steht. Audi durch die Satzung kann die Anmeldung nicht vorgeschrieben werden. Nur durch Vertrag kann ein Geschäftsanteil gegenüber dem anderen zur Anmeldung verpflichtet sein (vgl. Berliner Börsenbedingungen), außerdem kann bei vinkulierten Aktien (§ 68 II) die Zustimmung zur Übertragung von der Eintragung abhängig gemacht werden. Anm. 17: Der Erbe kann, ohne sich eintragen zu lassen, die Rechte des Eingetragenen ausüben, wenn er sein Erbrecht jeweils beweist, ebenso hat der Erbe umgekehrt auch ohne Eintragung die Verpflichtungen des Eingetragenen zu erfüllen, mit den bekannten Möglichkeiten, die Haftung auf den Nachlaß zu beschränken, denn anderenfalls wären ja die Rechte und Pflichten des Eingetragenen nicht vererblich, ohne daß der Erbe sich eintragen läßt. 344
Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbuch
§ 68
Anm. 17—19 Läßt er sich eintragen, so ist er nicht als Erbe eingetragen, sondern als Aktionär schlechthin, er kann dann die beschränkte Erbenhaftung nicht mehr geltend machen (ähnlich Baumbach-Hueck Anm. 3 B). Unzulässig erscheint uns, in der Eintragung einen Vorbehalt zu machen. Anm. 18: Für die Anmeldung besteht keine Formvorschrift. Auch die Satzung kann keine Form oder sonstige Erschwerung vorschreiben, sie braucht also nicht schriftlich zu geschehen. Sie ist eine Rechtshandlung, welche unbeschränkte Geschäftsfähigkeit voraussetzt. Zur Anmeldung berechtigt ist sowohl der bisher eingetragene als auch der neue Aktionär, nur hat der Anzumeldende die Aktie vorzulegen (siehe Abs. 3 S. 2 erster Halbsatz), wozu der Veräußerer meist nicht in der Lage sein wird, um den Rechtsübergang nachzuweisen. D a dazu gehört, daß die Aktie übergeben wird, wird der Veräußerer, wenn er schon die Aktie vorlegen kann, regelmäßig den Übergang nicht nachweisen können (will der Veräußerer sichergehen, besonders bei nicht vollbezahlten Aktien — wegen § 65 II — wird er selbst die Aktie an die Gesellschaft einsenden mit einer Erklärung, durch die die Übergabe durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die Gesellschaft ersetzt wird und die Gesellschaft anweisen, die Aktie unmittelbar an den Erwerber zurückzugeben). Der Nachweis der Übergabe der Aktie wird f ü r jede von mehreren aufeinanderfolgenden Übertragungen durch die Vorlage der Aktie seitens des letzten Erwerbers geführt, außerdem ist der volle zusammenhängende Satz der Abtretungserklärungen oder Indossamente vorzulegen. Erstere müssen ausgefüllt sein, da sie ebenso wie die Vollindossamente eine ununterbrochene Kette darstellen müssen (wegen der materiellen Wirksamkeit einer Blankoabtretung siehe Anm. 10 und 11). Dagegen kann durch ein Blankoindossament auch ohne Ausfüllung der Nachweis der Rechtsübertragung auf jeden nach dem Aussteller des Indossaments folgenden Erwerber geführt werden. Liegt ein Pfandverkauf dazwischen, so greift f ü r diesen § 822 Z P O ein, f ü r einen Pfandverkauf aufgrund rechtsgeschäftlichen Pfandrechts § 1277 BGB und § 822 Z P O , wenn der Verpfänder dem Gläubiger nicht eine Blankoabtretungserklärung oder ein Blankoindossament ausgestellt hatte. Diese Kette muß bis zum eingetragenen Aktionär zurückreichen. 2. Prüfung durch die Gesellschaft Anm. 19: Die P r ü f u n g der Gesellschaft darf sich auf die formelle Ordnungsmäßigkeit sowohl der Anmeldung als auch der Nachweise über den Übergang beschränken. Geht die Anmeldung von dem eingetragenen Aktionär oder einer Person aus, welche durch eine lückenlose, auf den Eingetragenen zurückführende Kette von Rechtsübertragungen ausgewiesen ist, und wird die Aktie vorgelegt, so darf die Gesellschaft die Eintragung vornehmen, ohne zu prüfen, ob die vorgelegten Urkunden echt, die Anmeldung selbst und die Rechts345
§§68/69
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 19, 20 /1,2 Übertragungen rechtsbeständig sind. Letzteres könnte die Gesellschaft gar nicht, z. B. nicht den guten Glauben des Erwerbers (§ 16 II WechsG). Dies gilt, obwohl die Wirksamkeit der Eintragung von einer gültigen Anmeldung gerade von ihr und von nichts anderem abhängt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist die Gesellschaft den Beteiligten gegenüber zur Eintragung verpflichtet. Bei Erbgang wird die Gesellschaft Erbschein verlangen müssen, weil sie zwar nicht die Echtheit eines Testaments zu prüfen braucht, aber nicht beurteilen kann, ob es die letztgültige letztwillige Verfügung ist. Die Gesellschaft ist zur Umschreibung verpflichtet, auch ohne daß Zwischenerwerber eingetragen werden. Nur bei vinkulierten Aktien (§ 68 II) kann sie deren Eintragung erzwingen, indem sie die Zustimmung zum letzten Erwerb von der Eintragung der Zwischenmänner abhängig macht. Der nicht eingetragene Veräußerer hat zufolge § 67 III den Anspruch überhaupt nicht. VIII. Geltung für Zwisdienscheine Anm. 20: Für nicht beurkundete Aktien gilt diese Vorschrift nicht, wohl aber für Zwisdienscheine sinngemäß. § 69 Rechtsgemeinschaft an einer Aktie (1) Steht eine Aktie mehreren Berechtigten zu, so können sie die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. (2) Für die Leistungen auf die Aktie haften sie als Gesamtschuldner. (3) Hat die Gesellschaft eine Willenserklärung dem Aktionär gegenüber abzugeben, so genügt, wenn die Berechtigten der Gesellschaft keinen gemeinschaftlichen Vertreter benannt haben, die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Berechtigten. Bei mehreren Erben eines Aktionärs gilt dies nur für Willenserklärungen, die nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft abgegeben werden. Anm. 1: § 69 übernimmt die Vorschrift des § 63 AktG 37 ohne wesentliche Änderungen. Anm. 2: Der Fall des § 69 liegt vor, wenn gegenüber der Gesellschaft mehrere Mitberechtigte vorhanden sind, mag es sich um Inhaber- oder Namensaktien ursprünglichen oder abgeleiteten Erwerbs handeln. Bei Namensaktien kann das nach § 67 III nur zutreffen, wenn im Aktienbuch mehrere Berechtigte eingetragen sind. Der Hauptfall ist der der Erbengemeinschaft und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Aus § 69 folgt nicht zwingend, daß die Namensaktienurkunden nur auf einen der mehreren Berechtigten lauten 346
Rechtsgemeinschaft an einer Aktie
§69 Anm. 2—4
könnten. Die Inhaberaktie lautet selbstverständlich nur auf den Inhaber. Für die Übertragung eines Anteils, die insbesondere beim Miteigentum, aber durch Übertragung des Erbanteils auch bei Erbengemeinschaften möglich ist — selbstverständlich bei Übertragung der Aktie — gelten die §§ 67 und 68. Bei Ausscheiden aus der Gemeinschaft mit Anwachsen zugunsten der übrigen Berechtigten halten wir § 68 II nicht für anwendbar. Zeichnen die mehreren Erben unter Nachweis ihres Erbrechts ohne Eintragung als Aktionäre der alten Aktie (durch einen gemeinschaftlichen Vertreter) neue Aktien, so sind sie als ursprüngliche Aktionäre dieser neuen Aktien im Aktienbuch einzutragen und haben einen gemeinschaftlichen Vertreter zu benennen. Anm. 3: Wenngleich § 69 auch für Inhaberaktien gilt, so ist er doch wegen der bei solchen leicht herzustellenden Einzellegitimation nur bei Namensaktien praktisch. Mehrere im Aktienbuch eingetragene Berechtigte können das Recht aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. Dies gilt in erster Linie vom Stimmrecht, Bezugsrecht, aber auch vom Recht zum Empfang des Anteils vom Abwicklungserlös, endlich vom Recht auf den Anteil am Bilanzgewinn, wenn nicht ohnedies auf den Inhaber lautende Dividendenscheine ausgegeben sind. Der gemeinschaftliche Vertreter braucht nicht im Aktienbuch eingetragen zu werden. Es ist auch nicht vorgeschrieben, daß ein dauernder gemeinschaftlicher Vertreter bestellt werden muß. Demnach kann für jeden Fall der Rechtsausübung immer wieder ein anderer gemeinschaftlicher Vertreter aufgestellt werden. Es können auch mehrere Vertreter bestellt werden, aber nur so, daß sie einzeln handeln und daß ihre Handlung für alle Berechtigten bindend ist. Wird kein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt, so können mehrere Berechtigte die Rechte aus der Aktie nicht ausüben. Dies kann, wenn ihnen alle Aktien zustehen (Miterben eines Einmanns) dazu führen, daß die Organisation der Gesellschaft lahmgelegt ist (vgl. Godin Soz.Prax. 40, 154). Wird das Stimmrecht trotzdem ausgeübt, so ist der Beschluß nach § 243 anfechtbar, was freilich nur vom Vorstand geltend gemacht werden kann, weil auch das Anfechtungsrecht nur gemeinsam ausgeübt werden kann. Ein Vertreter braucht nicht bestellt zu werden bei Personengesellschaften des Handelsrechts und ehelichen Gütergemeinschaften oder bei Vorhandensein eines Testamentsvollstreckers. Mehrere Mittestamentsvollstrecker müssen einen gemeinsamen Vertreter bestellen, wenn nicht jeder von ihnen handeln kann. Anm. 4: Die mehreren im Aktienbuch eingetragenen Berechtigten haften gesamtschuldnerisch für Einlage und Nebenleistung, auch wenn sie einen gemeinschaftlichen Vertreter haben, also auch wenn sie aufgrund Bezugsrechts durch einen gemeinschaftlichen Vertreter eine Aktie gezeichnet haben. 347
§§ 6 9 / 7 0
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 4,5 /1, 2 Erben können sich eintragen lassen oder nicht. Ersterenfalls haften sie unbeschränkt (§ 67 III), ohne daß es nach unserer Ansicht möglich wäre, die Haftungsbeschränkung im Aktienbuch vorzubehalten (bestritten). Sind sie nicht eingetragen, so haften sie als Erben mit der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung. Wird die Aktie übertragen, so bleibt die Vormännerhaftung nach § 65 gesamtschuldnerisch. Wird nur der Anteil eines Berechtigten übertragen oder scheidet er aus der Gemeinschaft aus, so ist seine Haftung gegenüber jener aller Berechtigten (nicht nur seines speziellen Rechtsnachfolgers) subsidiär, geht aber auf das Ganze, wenn kein Berechtigter zahlt. Anm. 5: Es handelt sich hier um Erklärungen, die nicht durch Bekanntmachung abgegeben werden, sondern z. B. mittels eingeschriebenen Briefes. Miterben ist ein Monat Zeit gelassen, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Bis dahin muß eine derartige Erklärung gegenüber einem jedem von ihnen, nach Ablauf der Frist kann sie einem beliebigen einzelnen von ihnen abgegeben werden. Betrifft die Erklärung nicht Pflichten, sondern Rechte des Aktionärs, kann sie nach dem Ablauf der Frist ganz unterbleiben, wenn kein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt ist.
§ 70 Berechnung der Aktienbesitzzeit Ist die Ausübung von Rechten aus der Aktie davon abhängig, daß der Aktionär während eines bestimmten Zeitraums Inhaber der Aktie gewesen ist, so steht dem Eigentum ein Anspruch auf Übereignung gegen ein Kreditinstitut gleich. Die Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers wird dem Aktionär zugeredinet, wenn er die Aktie unentgeltlich, von seinem Treuhänder, als Gesamtrechtsnachfolger, bei Auseinandersetzung einer Gemeinschaft oder bei einer Bestandsübertragung nach § 14 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versidierungsunternehmungen und Bausparkassen erworben hat. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die bisher in § 64 AktG 37 geregelten Bestimmungen ohne wesentliche Änderungen, lediglich das Wort „Bank" in Satz 1 ist durch „Kreditinstitut" ersetzt worden. § 70 befaßt sich mit den Fällen, in denen nach §§ 142 II; 147 I; 163 II und 265 II die Ausübung bestimmter Minderheitsrechte davon abhängig ist, daß der Aktionär während eines bestimmten Zeitraums Inhaber der Aktie (lies Aktionär) war und bestimmt zwingend die Berechnung der Frist. Anm. 2: § 70 bestimmt, daß es dem Eigentum gleichstehen soll, wenn der Aktionär einen Anspruch gegen ein Kreditinstitut auf Eigentumsübertragung 348
Berechnung der Aktienbesitzzeit
§ 70 Anm. 2, 3
der Aktien besaß, also insbesondere, wenn ihm die Aktie auf Girosammeikonto gutgeschrieben war, aber auch vor der Gutschrift oder Übersendung des Nummernverzeichnisses, wenn er aufgrund der Ausführung einer Einkaufskommission die Übereignung verlangen konnte. Immer aber muß es sich um dem Kreditinstitut in Verwahrung gegebene Stücke oder um Stücke handeln, die das Kreditinstitut für Rechnung des Kunden aus dem in Verfolg einer Einkaufskommission gemachten Ausführungsgeschäft bereits geliefert erhalten hat (weitergehend Fischer in Großkomm. Anm. 5, wie hier Ritter), auch wenn Depotgutschrift noch nicht erteilt ist. Noch nicht fällige Ansprüche auf künftige Lieferung (zu einem bestimmten Termin), mögen sie auch aus einer Einkaufskommission herrühren, sind nicht mitzurechnen. Bei jungen Aktien führt die Bestimmung zu einer innerlich unhaltbaren Unterscheidung zwischen gesetzlichem und mittelbarem Bezugsrecht und bei letzteren, je nach dem, ob das neue Kapital von einem Kreditinstitut allein oder zusammen mit einem Nichtbankier übernommen wurde. Die Zurechnung kann erst von der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung ab beginnen (so mit Recht Fischer in Großkomm. § 64 Anm. 5), denn bis dahin ist die Erfüllung des Anspruchs unmöglich. Unseres Erachtens kommt man zu befriedigenden Ergebnissen nur, wenn man sich entschließt, bis dahin von der alten Aktie auszugehen. Warum sollte der Aktionär, der die alte Aktie während der geforderten Frist besaß, für die junge Aktie das Minderheitsrecht nicht haben und noch dazu eine so unsinnige Unterscheidung gelten (vgl. noch Anm. 3 letzter und vorletzter Satz). Anm. 3: Die Zurechnung der Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers verbietet sich von selbst, wenn der Rechtsübergang ein gewöhnliches entgeltliches Umsatzgeschäft zur Grundlage hatte. Bei unentgeltlicher Rechtsnachfolge soll die Besitzzeit des Rechtsvorgängers zugerechnet werden, desgleichen bei der Gesamtrechtsnachfolge, also Erbfolge oder Verschmelzung und dergleichen (§ 142 HGB), bei dem Erwerb von dem Treuhänder, gleichgültig ob eigentliche (einschließlich Sicherungseigentum) oder uneigentliche Treuhänderschaft vorliegt, endlich bei der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft an einer Vermögensgesamtheit oder einzelnen Aktien. Ob Rechtsvorgänger, Treuhänder, Gemeinschaft in dem Aktienbuch eingetragen waren, ist unerheblich, wenn der Aktionär bei Ausübung des Rechts eingetragen ist. Dem Legitimationsaktionär kommt die Zurechnung nur aus der Person des Legitimationsgebers zu. Für diesen wird die Besitzzeit durch die Legitimationsübertragung nicht unterbrochen. Liegen in ununterbrochener Kette mehrere Fälle des Satzes 1 oder 2 vor, so werden die mehreren Besitzzeiten zusammengerechnet. 349
§71
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
§ 71 Erwerb eigener Aktien (1) Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben, 1. wenn der Erwerb notwendig ist, um einen schweren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, 2. wenn die Aktien den Arbeitnehmern der Gesellschaft zum Erwerb angeboten werden sollen, 3. wenn der Erwerb geschieht, um Aktionäre nach § 305 Abs. 2 oder § 320 Abs. 5 abzufinden, 4. wenn auf die Aktien der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet ist und der Erwerb unentgeltlich geschieht oder die Gesellschaft mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt, 5. durch Gesamtrechtsnachfolge oder 6. auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals. Der Gesamtnennbetrag der zu den Zwecken nach Nummern 1 bis 3 erworbenen Aktien darf jedoch zusammen mit dem Betrag anderer Aktien der Gesellschaft, die die Gesellschaft oder ein abhängiges oder ein in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein anderer für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens bereits zu diesen Zwecken erworben hat und noch besitzt, zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen. (2) Ein Verstoß gegen Absatz 1 macht den Erwerb eigener Aktien nur unwirksam, wenn auf sie der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet ist. Ein schuldreditliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist nichtig, soweit der Erwerb gegen Absatz 1 verstößt. (3) Dem Erwerb eigener Aktien steht es gleich, wenn eigene Aktien als Pfand genommen werden. Jedoch darf ein Kreditinstitut eigene Aktien bis zu dem in Absatz 1 Satz 2 bestimmten Gesamtnennbetrag als Pfand nehmen; sie redinen zu den Aktien, die zu den Zwecken nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 als Pfand genommen sind. (4) Ein abhängiges Unternehmen darf Aktien der herrschenden Gesellschaft, ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nur erwerben oder als Pfand nehmen, soweit dies der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nach Absatz 1 Nr. 1 bis 5, Absatz 3 Satz 2 gestattet wäre. Ein Verstoß gegen Satz 1 macht den Erwerb oder die Inpfandnahme der Aktien nicht unwirksam; jedoch ist das schuldrechtliche Geschäft über einen verbotswidrigen Erwerb oder eine verbotswidrige Inpfandnahme nichtig. (5) Ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft oder einem abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen und einem anderen, 350
Erwerb eigener Aktien
§ 71 Ann». 1 , 2
nach dem dieser berechtigt oder verpflichtet sein soll, eigene Aktien der Gesellschaft für Rechnung der Gesellschaft oder des abhängigen oder des in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens zu erwerben oder als Pfand zu nehmen, ist nichtig, soweit der Erwerb oder die Inpfandnahme der Aktien durch die Gesellschaft oder das abhängige oder das in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen gegen die Absätze 1, 3 und 4 verstößt. (6) Aus eigenen Aktien stehen der Gesellsdiaft keine Rechte zu. Gleiches gilt für Aktien, die einem anderen für Rechnung der Gesellsdiaft gehören. I. Übersicht (Anm. 1) II. Verbot des Erwerbs eigener Aktien 1. Grund des Verbotes (Anm. 2) 2. Ausnahmen a) Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens (Anm. 3 u. 4) b) Erwerb zum Anbieten an Arbeitnehmer (Anm. 5 u. 6) c) Erwerb zur Abfindung nach §§ 305, 320 (Anm. 7) d) Unentgeltlicher Erwerb (Anm. 8 u. 9) e) Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge (Anm. 10) f) Erwerb zur Einziehung (Anm. 11)
3. Beschränkung der Ausnahmen (Anm. 12 u. 13) III. Wirksamkeit eines Verstoßes gegen das Verbot (Anm. 14 u. 15) IV. Inpfandnahme eigener Aktien 1. Im allgemeinen (Anm. 16) 2. Sonderregelung für Kreditinstitute (Anm. 17) V. Erwerb durch abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen (Anm. 18 u. 19) VI. Rechtsgeschäfte mit anderen zum Erwerb eigener Aktien (Anm. 20) VII. Rechte der Gesellschaft an eigenen Aktien (Anm. 21 u. 22) VIII. Forderung auf Lieferung eigener Aktien (Anm. 23)
I. Übersicht Anm. 1: § 71 übernimmt die Bestimmungen des § 65 AktG 37, erweitert aber die Fälle der Ausnahmen zu dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien (Nr. 3 und 5) und entscheidet einige zu früherem Recht aufgetretene Streitfragen. Betrifft § 56 den ursprünglichen Erwerb, so befaßt sich § 71 mit dem abgeleiteten Erwerb von Aktien durch die Gesellsdiaft selbst, ein von ihr abhängiges oder einem in ihrem Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmen und für Rechnung der Gesellschaft oder eines von ihr abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens. II. Verbot des Erwerbes eigener Aktien 1. Grund des
Verbotes
Anm. 2: Klargestellt ist, daß ein nach § 71 nicht zulässiger Erwerb eine verbotene Rüdegewähr der Einlage (§ 57) mit der Folge der Haftung des veräußernden Aktionärs nach § 62 ist (RG 167, 46). 351
§ 71
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 2, 3 Grundsatz ist: 1. daß eine Gesellschaft eigene Aktien nicht erwerben darf, ebenso 2. daß ein abhängiges Unternehmen Aktien der herrschenden Gesellschaft nicht erwerben darf, 3. daß ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen nicht Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft erwerben darf und 4. daß auch für Rechnung der Gesellschaft oder eines von ihr abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens Aktien von einem Dritten nicht erworben werden dürfen. Für dieses Verbot sind nicht formal juristische Bedenken maßgebend gewesen, vielmehr bedeutet der Erwerb eigener Aktien eine Gefahr für die Gläubiger der Gesellschaft und auch für die Aktionäre und vergrößert darüber hinaus das Unternehmerrisiko, wodurch die Gesellschaft besonders in Krisenzeiten anfälliger wird. Durch jeden Verlust der Gesellschaft sinkt der Wert der Aktie und somit tritt bei eigenen Aktien neben dem Verlust noch eine Wertminderung des Gesellschaftsvermögens ein. Also nicht, weil die Gesellschaft nicht an sich selbst beteiligt sein kann, ist ihr der Erwerb eigener Aktien untersagt, sondern weil sie ihr Grundkapital nicht schmälern und Einlagen nicht zurückzahlen darf und weil der Vorstand nicht mittels eigener Aktien der Gesellschaft Macht über die Hauptversammlung gewinnen soll. Das Verbot bezieht sich nur auf Aktien, nicht auf eigene Genußscheine, Wandelschuldverscheibungen und Bezugsrechte. § 71 ist zwingende Vorschrift und die darin normierten Ausnahmen sind erschöpfend. 2. Ausnahmen a) Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens Anm. 3: Das Gesetz läßt Ausnahmen zu dem Verbot zu, danach kann die Gesellschaft eigene Aktien erwerben, wenn dies zur Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft notwendig ist (vgl. aber Anm. 12 und 13). Schwerer Schaden kann sein u. U. ein Kurssturz, der sich nicht allmählich im Laufe einer allgemeinen rückläufigen Bewegung der Börsenkurse, sondern aufgrund besonderer Umstände gerade in den Aktien der Gesellschaft vollzieht (weitergehend Schl.-Qu. § 65 Anm. 6). Der Erwerb zur Kurspflege ist, wenn es sich nicht um einen plötzlichen Kurssturz handelt, nicht mehr statthaft. Gerade aus diesem Erwerbsgrund, der der allgemeinen Auffassung entsprochen hatte, daß eine Gesellschaft es ihrem Ansehen schuldig sei, den Kurs ihrer Aktien auf dauernd gleichbleibender Höhe zu halten, waren vor der Geltung des Aktiengesetzes von 1937 in einer langen Periode sinkender Kurse die großen Bestände an eigenen Aktien zusammengekommen, die schließlich mit Recht ein Gegenstand der Sorge geworden waren. 352
Erwerb eigener Aktien
§71
Anm. 3—5 Immer ist nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden, ob ein schwerer Schaden vorliegt oder droht. Nicht angängig ist es u. E., dem Verhältnis des drohenden Schadens zu dem mit dem Aktienerwerb verbundenen Risiko besondere Bedeutung f ü r die Auslegung des Begriffes „schweren Schadens" zu geben (so Fischer in Großkomm. § 65 Anm. 8), denn einmal ist die Frage, ob ein Schaden der Gesellschaft droht, unabhängig von dem Risiko zu bewerten, das der Aktienerwerb mit sich bringt und zum anderen können die Gefahren, die sich aus dem Aktienerwerb ergeben, im Zeitpunkt des Erwerbes nicht übersehen werden (siehe Anm. 2). Anm. 4: Der Erwerb muß notwendig sein, um den Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Es kommt hierbei nicht auf die Auslegung des Vorstandes, sondern darauf an, wie ein objektiver und ordentlicher Geschäftsführer den gegebenen Sachverhalt beurteilt. Der Erwerb muß also nicht nur subjektiv in der Absicht stattfinden, einen schweren Schaden abzuwenden, es muß vielmehr auch objektiv ein solcher drohen (zum Teil a. A. Fischer in Großkomm. § 65 Anm. 9). Notwendig heißt, der Erwerb muß das geeignete und einzige vernünftige zu Gebote stehende Mittel sein, den Schaden abzuwenden. b) Erwerb zum Anbieten an
Arbeitnehmer
Anm. 5: Als weitere Ausnahme ist der Erwerb eigener Aktien zugelassen, wenn diese den Arbeitnehmern der Gesellschaft zum Erwerb angeboten werden sollen (vgl. aber Anm. 12 und 13). Die Bestimmung läßt offen, zu welchen Bedingungen diese Aktien den Arbeitnehmern anzubieten sind. Die Aktie kann entgeltlich oder unentgeltlich zum Erwerb angeboten werden, sie kann infolgedessen auch unter ihrem Nennwert angeboten werden und selbstverständlich auch unter dem jeweiligen Börsenwert. Die Ausgabe von Aktien an Belegschaftsmitglieder ist nichts Neues. Es haben bereits bisher eine Reihe großer Firmen anläßlich der Ausschüttung einer Weihnachtsgratifikation oder einer Gewinnbeteiligung ihren Belegschaftsmitgliedern Aktien angeboten, teilweise zu einem Vorzugskurs. Derartige Angebote sind vielfach schon bisher unter der Verpflichtung gemacht worden, daß die Aktien f ü r eine bestimmte Zeit nicht veräußert werden dürfen. Die durch § 19 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung erfolgte und hierher übernommene gesetzliche Regelung entspricht mithin weitgehend einem bisher in der Praxis angewandten und bewährten Verfahren. Es ist beanstandet worden, daß der Vorstand allein darüber entscheiden kann, ob und zu welchen Bedingungen Aktien den Belegschaftsmitgliedern angeboten werden können. Da das Gesetz keine besondere Bestimmung getroffen hat, fällt sowohl der Erwerb der Aktien als auch ihre Ausgabe
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Wilhelmi, Aktiengesetz
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§ 71 Anm. 5,6
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
an die Belegschaftsmitglieder unter die Befugnisse des Vorstandes, da er die Gesellschaft leitet und vertritt (§§ 76 und 77). Der Aufsichtsrat kann aber jederzeit durch einfachen Beschluß bestimmen, daß sowohl der Erwerb von eigenen Aktien allgemein oder zum Zweck der Weitergabe an Arbeitnehmer (so auch Gessler in BB 1960, 11) und darüber hinaus auch die Ausgabe der Aktien an Belegschaftsmitglieder nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden darf. Dasselbe kann auch in der Satzung festgelegt werden. Es bedarf aber einer solchen Satzungsbestimmung nicht, da sich das Recht des Aufsichtsrates aus § 111 IV ergibt und durch die Satzung nicht einmal eingeschränkt werden kann (vgl. im einzelnen Anm. zu § 111). Bei der Beratung des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung wurde geltend gemacht, die Entscheidung über den Erwerb eigener Aktien und die Ausgabe der Aktien zu einem Vorzugskurs oder gar unentgeltlich an die Arbeitnehmer müsse unter die Kontrolle der Hauptversammlung gestellt werden, da es sich um einen Eingriff in das Recht der Aktionäre handele. Die gleiche Ansicht wird in der Literatur auch vertreten, so Horneff, Volkswirt 1959, 2636. Dabei wird übersehen, daß die Gesellschaft nur Aktien erwerben kann, die auf dem Markt sind und bei denen also der bisherige Aktionär bereit ist, die Aktien zu veräußern. Ein Enteignungsvorgang kommt deshalb beim Erwerb der Aktien nicht in Frage, auch eine Weitergabe der Aktien unter dem Börsenkurs oder dem Erwerbspreis oder gar unentgeltlich ist keine Enteignung der Aktionäre, vielmehr eine besondere Form der vielen sozialen Maßnahmen, die in jedem Betrieb vom Vorstand, teilweise mit, teilweise ohne besondere Zustimmung des Aufsichtsrates durchgeführt werden. Die Frage, wie die sozialen Leistungen insgesamt zu bemessen sind, ist eine Frage, die in erster Linie der Vorstand und der Aufsichtsrat zu entscheiden berufen sind, denn sie haben den besseren Überblick und wissen am besten, was für die Erhaltung eines guten Betriebsklimas zu geschehen hat. Das schließt nicht aus, daß sich der Vorstand und ggf. der Aufsichtsrat schadensersatzpflichtig machen, wenn sie die Bestimmung in einer die Aktionäre schädigenden Weise und unter Verletzung ihrer Pflichten anwenden (so auch Gessler a. a. O.). Anm. 6: Das Gesetz bestimmt nichts darüber, wie lange die Gesellschaft eigene Aktien, die den Arbeitnehmern angeboten werden sollen, in Besitz haben darf. Eine solche zeitliche Begrenzung konnte schon deshalb nicht im Gesetz geregelt werden, weil die Verwaltung der Gesellschaft nicht übersehen kann, wie weit die Arbeitnehmer von ihrem Angebot Gebrauch machen. Nach den bisherigen Erfahrungen erfolgt das Angebot in der Weise, daß es dem Arbeitnehmer die Wahl läßt, ob er den auf ihn als Gratifikation entfallenden Betrag in bar oder ganz oder teilweise in Aktien entgegennehmen will. Der Spielraum, den das Gesetz dadurch gegeben hat, daß es keine Frist 354
Erwerb eigener Aktien
§71
Anm. 6—9
für die Ausgabe der nach Nr. 2 erworbenen Aktien gesetzt hat, darf allerdings nicht dazu mißbraucht werden, etwa Aktien unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Kurspflege, unter dem Vorwand, sie seien zur Weitergabe an Arbeitnehmer bestimmt, zu erwerben. Eine solche allgemeine Kurspflege würde ein Verstoß gegen das grundsätzliche Verbot des Erwerbs eigener Aktien sein (siehe Anm. 3). c) Erwerb zur Abfindung nach §§ 305, 320 Anm. 7: Neu ist die Erlaubnis, eigene Aktien zu erwerben, um Aktionäre nach dem § 305 II oder 320 II abzufinden. Es handelt sich hier genau wie bei Nr. 2 um einen Durchgangserwerb, da in beiden Fällen die Gesellschaft nur zu dem Zweck eigene Aktien erwirbt, um sie alsbald wieder abzugeben. Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge (§ 291) können für außenstehende Aktionäre Schaden bedeuten, darum sind zu ihrer Sicherung besondere Bestimmungen ergangen (§§ 304 ff.). Hiernach sind gemäß § 305 II Bestimmungen über die Abfindung außenstehender Aktionäre im Vertrag aufzunehmen; hierzu gehört die Abfindung mit eigenen Aktien. Nach den §§ 319, 320 kann die Hauptversammlung unter bestimmten Voraussetzungen die Eingliederung der AG in eine andere AG beschließen (siehe dort). Für diesen Fall ist in § 320 V eine Abfindung für ausgeschiedene Aktionäre geregelt, die unter anderem in eigenen Aktien der Gesellschaft bestehen kann. Um diese Abfindung erleichtern zu können, ist es der Gesellschaft gestattet, auch für diesen Zweck eigene Aktien zu erwerben (vgl. aber Anm. 12 und 13). d) Unentgeltlicher Erwerb Anm. 8: Der unentgeltliche Erwerb ist nur bei vollbezahlten Aktien statthaft. Eine „Abandonnierung" der Aktie mit der Wirkung, sich damit von allen Verpflichtungen freizukaufen, ist nicht zulässig. Unzulässig ist der unentgeltliche Erwerb nicht vollbezahlter Aktien, auch wenn er nicht gerade auf Schenkung beruht. Anm. 9: Erwerb in Ausführung einer Einkaufskommission wird nur bei Aktienbanken vorkommen, welche den Auftrag eines Kunden zum Ankauf ihrer Aktien ausführen. Dies ist bei vollbezahlten Aktien statthaft, dagegen unstatthaft bei nicht vollbezahlten Aktien. Schon immer wurde versucht, den Kreditinstituten ein darüber hinausgehendes Recht auf Erwerb eigener Aktien zukommen zu lassen im Hinblick auf eine spätere Einkaufskommission. Dies wurde den Kreditinstituten aber ebensowenig eingeräumt wie der Erwerb durch Selbsteintritt im Falle der Verkaufskommission, anderenfalls hätten Kreditinstitute größere Mengen 355 23»
§ 71
Anm. 9—11
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
eigener Aktien erwerben können, was insofern eine erhebliche Gefahr bedeutet hätte, als die Kreditinstitute insbesondere das Vertrauen der Öffentlichkeit benötigen (vgl. Schönle in ZGK 66, 148). e) Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge Anm. 10: Nach bisherigem Recht war es streitig, ob der Erwerb eigener Aktien im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ausnahme zu dem Verbot des § 71 zugelassen werden sollte. Das neue Gesetz hat diese Frage mit der herrschenden Lehre bejaht. Danach darf die Gesellschaft nunmehr eigene Aktien im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erwerben. Hierunter fällt allein der Erwerb durch Erbgang und durch Verschmelzung. Erwerb durch Erbgang ist, sofern die Einlage voll gezahlt ist, bereits nach Nr. 4 zugelassen. Nunmehr ist jedoch klargestellt, daß auch nicht voll eingezahlte eigene Aktien im Erbgang erworben werden können. Bei der Verschmelzung (§§ 339 ff.; siehe dort) in der Form der Übernahme der einen durch die andere Gesellschaft kann sich ergeben, daß die aufnehmende Gesellschaft Aktien der übertragenden hat oder die übertragenden Aktien der aufnehmenden. Bei Verschmelzung durch Neubildung (§ 353) können die verschmolzenen Gesellschaften eigene Aktien oder eine oder jede Gesellschaft Aktien der anderen besitzen. In diesen Fällen ist Erwerb eigener Aktien möglich. f ) Erwerb zur Einziehung Anm. 11: Der Erwerb zur Einziehung nach Nr. 6 ist ohne Rücksicht auf Anlaß, Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit, Höhe des Betrages und auch Vollzahlung statthaft, andererseits muß dem Erwerb ein Kapitalherabsetzungs- und -einziehungsbeschluß der Hauptversammlung vorausgehen und müssen die Aktien nach den Vorschriften über Kapitalherabsetzung eingezogen werden (§ 237). Der Beschluß muß in das Handelsregister eingetragen sein. Mehrheitserfordernis und Zulässigkeit der Auszahlung des Erwerbspreises, Erlösdien der Vollzahlungspflicht richten sich nach § 237. Erwirbt die Gesellschaft vollbezahlte Aktien unentgeltlich oder bezahlt sie den Erwerbspreis aus Bilanzgewinn oder freier Rücklage (siehe hierzu Anm. zu § 237), genügt einfache Mehrheit und darf der Erwerbspreis ohne Rücksicht auf die Gläubigerschutzvorschriften ausgezahlt werden; ein dem Gesamtnennbetrag der erworbenen Aktien gleichkommender Betrag ist in die gesetzliche Rücklage einzustellen. Sind die Aktien nicht vollbezahlt oder können sie nicht aus dem Bilanzgewinn oder den freien Rücklagen bezahlt werden oder will die Gesellschaft die Kapitalherabsetzung ohne eine gleiche Erhöhung der gesetzlichen Rücklage durchführen (§ 237 V), bestehen für den Hauptversammlungsbeschluß die erschwerenden Vorschriften des § 222 und darf der Erwerbspreis nur 356
Erwerb eigener Aktien
§71 Anm. 11—13
nach § 225 bezahlt werden. Bei nicht vollbezahlten Aktien tritt die Befreiung von der Resteinzahlungspflicht erst in dem sich aus § 225 ergebenden Zeitpunkt ein. In beiden Fällen tritt die Kapitalherabsetzung nicht schon durch die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses, sondern erst durch Einziehung der erworbenen Aktien ein (§ 238 S. 1 u. 3), denn der H a u p t v e r sammlungsbeschluß muß dem Erwerb vorangehen. 3. Beschränkung der Ausnahmen Anm. 12: Die in den N r . 1—3 (Anm. 3 bis 7) aufgezählten Ausnahmen zum Verbot des Erwerbs eigener Aktien unterliegen nach Absatz 1 S. 2 einer weiteren Beschränkung. Hiernach ist in den genannten Fällen der Erwerb nur insoweit zugelassen, als der Gesamtnennbetrag zusammen mit dem Betrag anderer Aktien der Gesellschaft, die die Gesellschaft oder ein abhängiges oder ein in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein anderer f ü r Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmens bereits zu diesen Zwecken erworben hat und noch besitzt, 10 vom H u n d e r t des Grundkapitals nicht übersteigen dürfen. Hierzu zählen auch die eigenen Aktien, die als P f a n d genommen worden sind (Abs. 3). Die Erwerbsmöglichkeiten nach den N r . 4 bis 6 unterliegen dieser Beschränkung nicht. Die so erworbenen Aktien sind auch nicht bei der Berechnung zu berücksichtigen, ob die Gesellschaft bereits 10°/o eigene Aktien hat, denn hierbei zählen nur die zu dem Zweck der N r . 1—3 erworbenen Aktien. Insbesondere f ü r die Zwecke der N r . 1 ist diese Bestimmung von Bedeutung, da hierfür eine längere Besitzzeit möglich ist. Erwerb eigener Aktien f ü r die Zwecke in N r . 2 und 3 ist seiner N a t u r nach auf nur vorübergehenden Besitz bestimmt, da die hiernach erworbenen Aktien an die Arbeitnehmer oder abzufindenden Aktionäre weitergegeben werden, insbesondere hinsichtlich der N r . 2 hat daher die Verwaltung der Gesellschaft ein Interesse daran, nur so viele eigene Aktien zur Weitergabe an die Arbeitnehmer zu erwerben, als sie vermutlich in einem überblickbaren Zeitraum, etwa einem Geschäftsjahr, benötigt, schon um freie H a n d zu haben f ü r den Erwerb eigener Aktien zur Abwendung eines schweren Schadens. Anm. 13: Hinzuzurechnen sind die — schon seit § 19 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung genannten — Aktien der Gesellschaft, die ein abhängiges Unternehmen besitzt und — nunmehr neu festgesetzt — auch die Aktien der Gesellschaft, die ein in deren Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein anderer besitzt, die er im N a m e n der Gesellschaft, eines abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens erworben hat. Zu beachten ist, daß auch diese Aktien nur insoweit hinzugerechnet werden 357
§ 71 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 13—15 müssen, als sie f ü r die in den N r . 1 bis 3 genannten Zwecken e r w o r b e n sein müssen. D a s a b h ä n g i g e oder in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehende U n t e r nehmen m u ß nicht e t w a eine A G sein (vgl. z u m Begriff U n t e r n e h m e n § 15 A n m . 2). Wenn also z. B . eine v o n einer Aktiengesellschaft a b h ä n g i g e Gesellschaft m i t beschränkter H a f t u n g 5 % des N e n n k a p i t a l s der Muttergesellschaft a n A k t i e n dieser Gesellschaft nach den N r . 1 bis 3 des § 71 A b s . 1 e r w o r b e n hat, so k a n n die Muttergesellschaft nur noch bis z u 5 °/o ihres G r u n d k a p i t a l s nach den N r . 1 — 3 A k t i e n erwerben. III. "Wirksamkeit eines V e r s t o ß e s g e g e n das V e r b o t
Anm. 14: D e r unzulässige E r w e r b ist, seiner U n z u l ä s s i g k e i t ungeachtet, v o l l w i r k s a m u n d gültig. E r h a t also die gleichen W i r k u n g e n wie der zulässige E r w e r b . H i n z u tritt aber, d a ß d a s G e s e t z in diesem F a l l e die B e z a h l u n g des Erwerbspreises als unzulässige R ü c k z a h l u n g der E i n l a g e b e h a n d e l t wissen will (§ 57). D e r Veräußerer ist also verpflichtet, diesen E r w e r b s p r e i s der Gesellschaft z u erstatten u n d h a f t e t in dessen H ö h e den G l ä u b i g e r n der Gesellschaft nach § 62. S i n d die unzulässigerweise erworbenen (z. B . ohne G e f a h r schweren Schadens a u f g e k a u f t e n ) A k t i e n nicht v o l l bezahlt, so ist jedoch der E r w e r b nichtig. N i c h t hierunter f ä l l t n a t u r g e m ä ß der zulässige E r w e r b eigener, nicht v o l l eingezahlter A k t i e n (siehe insbesondere N r . 5 u n d 6), weil die Gesellschaft sonst den Anspruch auf die restliche E i n l a g e f o r d e r u n g verlieren w ü r d e . Anm. 15: D a s schuldrechtliche Grundgeschäft, welches a u f einen u n z u l ä s s i gen E r w e r b abzielt, ist nichtig. D i e s e Vorschrift geht sehr weit, w e n n m a n bedenkt, d a ß der Veräußerer in den allerwenigsten F ä l l e n selbst w i r d beurteilen können, ob die Gesellschaft sich in den G r e n z e n einer zulässigen A u s n a h m e hält. E r k a n n w e d e r wissen, o b ihr ein schwerer Schaden d r o h t oder der E r w e r b eigener A k t i e n geeignet oder n o t w e n d i g ist, ihn a b z u w e n d e n , wieviel eigene A k t i e n sie schon besitzt u n d g e r a d e zwecks A b w e n d u n g eines schweren Schadens erworben hat, noch ob ihr eine E i n k a u f s k o m m i s s i o n erteilt ist, noch weniger, ob der E r w e r b e r e t w a a b h ä n g i g v o n der Gesellschaft ist, deren A k t i e n v o n ihm v e r k a u f t w e r d e n u s w . D i e Vorschrift, d a ß der E r w e r b als Ausführungsgeschäft, auch w e n n u n z u l ä s s i g , s o f e r n die A k t i e n v o l l b e z a h l t sind, w i r k s a m ist, k a n n nach der üblichen Gesetzessprache nicht d a h i n v e r standen werden, d a ß e t w a d a s Ausführungsgeschäft die Nichtigkeit des G r u n d g e s c h ä f t e s heilt. Dessen Nichtigkeit h a t also nicht nur z u r F o l g e , d a ß kein Teil die E r f ü l l u n g v e r l a n g e n , vielmehr jeder ablehnen k a n n , w e n n i h m dies nachträglich vorteilhaft erscheint, sondern auch, d a ß der an sich v o l l w i r k s a m e E r w e r b nach M a ß g a b e der Vorschriften der §§ 812 ff. B G B schuldrecht358
Erwerb eigener Aktien
§71 Anm. 15,16
lieh rüdegängig gemacht werden kann. Die Gesellschaft selbst wird regelmäßig schlechtgläubig sein und demnach regelmäßig § 814 BGB ihrer Rückforderung im Wege stehen, dagegen sind sehr viele Fälle denkbar, in welchem der Veräußerer der Aktien gutgläubig ist. Dieser kann dann die Aktie zurückverlangen und gegenüber der Gegenforderung der Gesellschaft Minderung der Bereicherung geltend machen. Beachte auch das Verhältnis des nach § 71 II S. 2 mit § 812 BGB bestehenden bloßen Bereicherungsanspruchs der Gesellschaft zu ihrem absoluten, keiner Wegfalleinwendung ausgesetzten Anspruch aus § 57 (siehe dort Anm. 7), § 62 (s. dort Anm. 5); macht die AG letzteren geltend, bleibt sie gleichwohl nach § 812 BGB zur Rückgabe der Aktien verpflichtet. Eine Gutschrift auf Girosammeidepot kann, auch wenn sie nach den zugrunde liegenden Geschäftsbedingungen als Erfüllung des Grundgeschäftes erscheint, niemals als Erwerb der Aktie angesehen werden. Aus der Gutschrift entsteht also keine Forderung auf bestimmte Aktien, wenn der Erwerb der Aktie durch die Käuferin nicht zulässig ist. Die Vorschrift bezieht sich auch auf ein Rückkaufsrecht (RG 147, 48), wobei aber nach § 139 BGB durch die Nichtigkeit der Rückkaufsvereinbarung wohl das ganze Geschäft, also auch der Verkauf, nichtig sei und deshalb nach § 812 BGB demnach kein Rückforderungsrecht der vereinbarungsgemäß rückkaufberechtigten Gesellschaft bestehen dürfte; dies verkennt RG a. a. O. Man entgeht aber diesem Ergebnis nur, wenn man die bürgerrechtliche Norm als durch die aktienrechtliche Sondernorm außer Kraft gesetzt ansieht. Nichtig ist auch ein Deportgeschäft (RG a . a . O . ) ; verschieden davon ist ein auflösend bedingtes oder befristetes Verkaufs- und Übereignungsgeschäft (RG a. a. O.). IV. Inpfandnahme eigener Aktien 1. Im Allgemeinen Anm. 16: Der rechtsgeschäftliche Erwerb zum Pfand ist dem Erwerb eigener Aktien gleichgestellt, was auch vom Erwerb zu Sicherungseigentum gelten muß. Daraus ergibt sich, daß ein solcher Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens zulässig ist. Die übrigen Ausnahmefälle können beim Pfanderwerb nicht vorkommen. Zur Abwendung eines schweren Schadens dürfen auch nicht voll gezahlte Aktien zum Pfand genommen werden. Man wird, wenn die Gesellschaft die Forderung, die durch das Pfand gesichert werden soll, schon vorher erworben hatte, in der Beurteilung einer schweren Schadensgefahr weitherzig sein dürfen. Auch wenn ein Vorstand der Gesellschaft durch Hinterlegung eigener Aktien Kaution leistet, was immer zulässig ist, um sein Interesse festzulegen und die Aktien zu sperren, ist darüber hinaus die Entstehung eines Pfandrechts für die Haftungsansprüche möglich und zu bejahen, daß eine Gefahr schwerer Schädigung abgewendet werden 359
§ 71
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 16—18 soll. Ist zu verneinen, daß eine solche vorlag, insbesondere, wenn P f a n d nahme und Forderungserwerb gleichzeitig vor sich gehen (z. B. wenn Aktienbanken ihre eigenen Aktien beleihen), so ist der Pfanderwerb vollbezahlter Aktien gleichwohl gültig, der nicht vollbezahlter nichtig (siehe Abs. 2); die Unterscheidung ist hier jedoch gänzlich unverständlich, weil durch den Pfanderwerb die Einlagerestforderung mangels Vereinigung nicht untergehen und nicht eingesehen werden kann, w a r u m der Gesellschaft in diesem Falle die Sicherheit entzogen wird. Der Erwerb eines Vollstreckungspfandrechts, gesetzlichen Pfandrechts oder eines kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts ist an vollbezahlten Aktien und nicht vollbezahlten Aktien unbeschränkt möglich. E r w i r b t die Gesellschaft zulässig oder unzulässig ein gutgläubiges Pfandrecht, so bleibt gleichwohl der Pfandschuldner Aktionär, das Stimmrecht steht ihm zu, da die Gesellschaft es nicht ausüben könnte, kann es ihr nicht einmal durch Vereinbarung übertragen werden. Audi der Gewinnanspruch bleibt dem Aktionär (§§ 1296, 1273, 1213 BGB). Die Gesellschaft ihrerseits kann sich aber aus dem Pfandrecht oder Sicherungseigentum nur durch Verkauf befriedigen, insbesondere den Abwicklungserlösanteil nicht einziehen, da ihr nach Abs. 6 keine Rechte aus eigenen Aktien zustehen. 2. Sonderregelung für Kreditinstitute Anm. 17: Eine Sonderregelung ist in Absatz 3 S. 2 erfolgt, wonach Kreditinstitute eigene Aktien als P f a n d nehmen dürfen; allerdings dürfen diese Aktien zusammen mit den nach Absatz 1 N r . 1—3 erworbenen Aktien 10 fl/o des Gesamtbetrages des Grundkapitals nicht übersteigen. Durch diese Bestimmung soll den Kreditinstituten die Kreditgewährung erleichtert werden, indem sie sich die in ihrem Depot liegenden Aktien eines Kreditnehmers verpfänden lassen dürfen. Wäre dies unzulässig, so würden die Kreditinstitute in ihren Geschäften erheblich beschränkt. V. Erwerb durch abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen Anm. 18: Der Erwerb von Aktien einer Gesellschaft durch ein abhängiges oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens ist in Absatz 4 neu geregelt. Nach § 65 V A k t G 37 richtete sich dieser Erwerb nach den Vorschriften über den Erwerb und die Inpfandnahme eigener Aktien, was eine Verweisung hinsichtlich der Voraussetzungen und auch der Wirkungen bedeutete. Die Voraussetzungen werden heute in Abs. 4 S. 1 nur teilweise übernommen, während die Wirkungen in Satz 2 neu geregelt worden sind (siehe Anm. 19). Der Erwerb von Aktien durch ein abhängiges oder ein in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen, das keine A G zu sein braucht, 360
Erwerb eigener Aktien
§71 Anm. 18—20
sondern sogar Firma eines Einzelkaufmanns sein kann, f ü r dessen eigene Rechnung ist grundsätzlich verboten; aber auch hier sind Ausnahmen zugelassen: Soweit die Gesellschaft in den Fällen des Absatzes 1 N r . 1 bis 5 eigene Aktien erwerben darf, kann auch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen die Aktien der Gesellschaft erwerben. Ausgenommen ist somit der Erwerb zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals. Anm. 19: Der unzulässige Erwerb macht diesen nach Satz 2 nicht unwirksam. Das bedeutet, daß auch der unzulässige Erwerb nicht vollbezahlter Aktien durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen wirksam ist. Das ist insofern folgerichtig, als durch einen Erwerb gemäß Absatz 4 S. 1 die Forderung der Gesellschaft auf die noch ausstehende Einlage nicht erlischt. Im übrigen sind die Wirkungen die gleichen wie beim Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft, vgl. Anm. 14 und 15. Im Fall des wirksamen (zulässigen oder unzulässigen) Erwerbs kann zwar das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen das Stimmrecht nicht ausüben und auch nicht ausüben lassen (§ 136 Abs. 2), hat aber das Recht auf den Gewinnanteil, die Liquidationsrate und auch das Bezugsrecht, welch letzteres es aber nur verwerten und nicht selbst ausüben kann. Für die Ausübung der Rechte aus den Aktien, wenn das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen sie nicht für eigene Rechnung, sondern f ü r Rechnung der Gesellschaft erworben hat, gilt Abs. 6. VI. Rechtsgeschäfte mit anderen zum Erwerb eigener Aktien Anm. 20: Ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten über den Erwerb von Aktien der Gesellschaft für deren Rechnung oder für Rechnung eines von ihr abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens ist zulässig und gültig, wenn der Erwerb durch die Gesellschaft oder das abhängige bzw. das in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen zulässig ist, d. h. also, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 gegeben sind. In allen anderen Fällen (Einkaufskommission, Konsortium und dgl.) ist ein solches Rechtsgeschäft nichtig. Der in Verfolg dieses Rechtsgeschäfts von dem Dritten vorgenommene Aktienerwerb ist voll gültig, da dieser von der vorliegenden Bestimmung nicht erfaßt wird. Die Folgen, welche sich aus der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zwischen der Gesellschaft und dem Dritten hinsichtlich der Bezahlung des Gegenwertes durch die Gesellschaft ergeben, sind die gleichen wie nach Anm. 15 (auch der Dritte kann gutgläubig sein). Der Dritte, der die Aktien für Rechnung der Gesellschaft erworben und auf diese übertragen hat (nicht etwa der Verkäufer), ist derjenige, welcher durch Vergütung seiner 361
§ 71
Anm. 20,21
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Auslagen im Sinne der §§ 57, 62 seine Einlagen zurückempfängt. Der Dritte kann also gutgläubig Schaden erleiden, sogar in eine Haftung für Verpflichtungen der Gesellschaft geraten. Nur wenn dieser ausnahmsweise weiß, für wessen Rechnung der Erwerber handelt, kann die Frage bejaht werden. Ober die Ausübung der Rechte aus den durch den Dritten für Rechnung der Gesellschaft erworbenen Aktien schreibt Abs. 6 vor, daß der Gesellschaft keine Rechte daraus zustehen. Dies trifft auch den Fall, daß ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (nicht für eigene, sondern) für Rechnung der Gesellschaft die Aktien erworben hat. VII. Rechte der Gesellschaft an eigenen Aktien Anm. 21: Der zulässige Erwerb hat zur Folge, daß die Gesellschaft ihre eigene Aktionärin ist. Die Rechte aus der Aktie stehen ihr aber nicht zu, so das Mitgliedschaftsrecht (Stimmrecht), sie kann deshalb die Aktien einem Dritten nicht überlassen oder in Verwahrung geben ohne Gewähr dafür zu schaffen, daß dieser nicht das Stimmrecht ausübt. Die Gesellschaft kann aber das Stimmrecht ihrer Aktien, die einem Dritten gehören, aufgrund Vollmacht ausüben. Weiter steht ihr nicht zu das Vermögensrecht, sie hat also keinen Anteil am Bilanzgewinn, was für Bemessung des Dividendensatzes Bedeutung haben kann. Auch der vor Erwerb der Aktie abgetrennte (laufende oder künftige) vom Verkäufer zurückbehaltene Dividendenschein bleibt dividendenlos, abgesehen von der Umgehungsverhütung, weil er vor dem Gewinnverwendungsbeschluß nicht einmal einen Gewinnanspruch, geschweige ein eigenes selbständiges Gewinnrecht verkörpert. Die Gesellschaft hat aus den eigenen Aktien ferner keinen Anspruch auf einen Anteil am Abwicklungsreinerlös (so schon R G 103 S. 66), was für den Fall Bedeutung hat, daß sie eigene Vorzugsaktien erworben hat und das Reinvermögen nicht ausreicht, um alle Vorzugsaktionäre zu befriedigen. Sie tritt nicht etwa in Konkurrenz mit diesen, so daß der auf ihre eigenen Vorzugsaktien entfallende Betrag auf die Stammaktionäre verteilt werden könnte. Die Gesellschaft hat nach dem kategorischen Gesetzeswortlaut auch kein Bezugsrecht, kann dieses also nicht etwa verwerten. Sonach bleibt die eigene Aktie, wenn sie nicht eingezogen wird, von Bedeutung nur als Gegenstand einer möglichen Veräußerung. Sie bleibt also ein Vermögenswert und ist deshalb auch in die Bilanz aufzunehmen, und zwar zu den Anschaffungskosten. Ein Buchgewinn kann also durch unentgeltlichen Erwerb und auch bei Erwerb unter Nennbetrag entstehen, aber nur, wenn die Einziehung im Wege ordentlicher Kapitalherabsetzung erfolgt, nicht dagegen bei der erleichterten Einziehung aus Bilanzgewinn oder freier Rücklage, weil hier die 362
Erwerb eigener Aktien
§71
Anm. 21,22
gesetzliche Rücklage um den Nennbetrag der eingezogenen Aktien erhöht werden muß (§ 227 V). Bedeutung hat der Besitz eigener Aktien für die Frage, ob ein Unternehmen die Mehrheit an einem anderen Unternehmen besitzt, vgl. § 16 und für die Mitteilungspflicht §§ 20, 21. Die Wiederveräußerung ist ein Umsatzgeschäft, kein körperschaftlicher Akt, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit können daher unbeschränkt geltend gemacht werden. Sie hat zur Folge, daß alle Rechte wieder aufleben. Verpflichtet zu tunlichster Wiederveräußerung ist die Gesellschaft gesetzlich nicht, es entscheidet das pflichtmäßige Ermessen des Vorstandes auch über den Preis, auch darüber, an wen er verkaufen will (vgl. Godin, Soz.Prax 41, 1077). Die Aktionäre haben keinen Anspruch darauf, daß an sie veräußert werde, aber, wenn an Aktionäre veräußert wird, haben alle, die daran Interesse haben, nach Treu und Glauben Anspruch auf gleichmäßige Berücksichtigung. Ein bei der Wiederveräußerung entstehender Kursgewinn oder Verlust ist, ebenso wie der Bestand an eigenen Aktien, im Geschäftsbericht unter Angabe der Verwendung des Erlöses besonders auszuweisen (§ 160 III Nr. 2). Die noch ausstehende Einlageforderung geht durch den Erwerb eigener, nicht voll bezahlter Aktien wegen Vereinigung von Schuld und Forderung unter, lebt aber durch Wiederveräußerung der Aktie wieder auf, ohne daß freilich die Haftung der Rechtsvorgänger der Gesellschaft neu aufleben würde (RG 98, 278; Bayer ObLG in OLG 14, 355). Der Erwerb der Gesellschaft ist allerdings, solange er von ihr nicht selbst im Aktienbuch vermerkt wurde, im Verhältnis zu ihr wirkungslos, so daß der frühere Aktionär von ihr noch auf Vollzahlung nach aktienrechtlichen Grundsätzen belangt werden kann (beachte aber § 242 BGB). Aufgrund des Verpflichtungsgeschäftes aber wird regelmäßig die Gesellschaft dem Veräußerer schuldig sein, die Umschreibung im Aktienbuch herbeizuführen, es sei denn, daß der Erwerb unzulässig und deshalb das Grundgeschäft nichtig war. Anm. 22: Ob ein Dritter, der Aktien zwar für Rechnung der Gesellschaft, aber im eigenen Namen erworben hat, die Rechte aus der Aktie ausüben kann, hängt von dem Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Gesellschaft ab. Ist dieses gültig, so ist sein Aktienbesitz dem Besitz eigener Aktien der Gesellschaft gleichzustellen, so daß er weder für sich noch für die Gesellschaft Rechte aus den Aktien ausüben kann. Ist das Rechtsgeschäft nach Abs. 5 nichtig, so hat der Dritte keinen Anspruch auf Erstattung der Auslagen und somit nicht „für Rechnung der Gesellschaft" erworben; in diesem Falle kann er alle Rechte eines Aktionärs geltend machen. Hieraus ergibt sich, daß Abs. 6 S. 2 ein gültiges Rechtsgeschäft zwischen Gesellschaft und Dritten voraussetzt (ebenso Würdinger S. 59). 363
§ § 71 / 7 2
Rechts Verhältnisse d e r Gesellschaft u n d der Gesellschafter
Anm. 23
VIII. Forderung auf Lieferung eigener Aktien Anm. 23: Eine Forderung auf Lieferung eigener Aktien kann die Gesellschaft nur nach denselben Grundsätzen erwerben wie eigene Aktien, anderenfalls wäre eine Gesetzesumgehung möglich, aber nichtig ist nur das Grundgeschäft. Die Übertragung der Forderung selbst ist gültig und ebenso der Erwerb der Aktie aufgrund der übertragenen Forderung, wenn sie voll bezahlt ist. Hierher gehört auch das Bezugsrecht, jedoch ist zu unterscheiden: Das unmittelbare Bezugsrecht scheidet so gut wie völlig aus, denn aufgrund eigener Aktien kann f ü r die Gesellschaft ein solches nicht entstehen und ebensowenig kann sie aufgrund eines solchen Aktien zeichnen, auch dann nicht, wenn ihr ein Bezugsrecht übertragen würde, denn die Zeichnung eigener Aktien und die Ausgabe eigener Aktien an sich selbst durch die Gesellschaft wäre nichtig. Das mittelbare Bezugsrecht (§ 186 V) ist dagegen eine Forderung auf Lieferung von jungen Aktien (einer bestimmten Emission) gegen den Zeichner und Ersterwerber, welcher durch Vertrag der Gesellschaft mit ihm zugunsten ihrer Aktionäre als solcher begründet worden ist. Ein solches mittelbares Bezugsrecht ist kein Recht „aus" der Aktie, sondern aus dem zwischen Gesellschaft und Zeichner zugunsten der Aktionäre geschlossenen Vertrag. Dieser als Grundgeschäft kann nicht in Bausch und Bogen, sondern nur teilweise insoweit nichtig sein, als daraus die Gesellschaft als Aktionär Rechte erwerben soll (wenn sie nicht ausdrücklich ausgenommen worden ist). Audi dies ist fraglich, denn warum sollte nicht ein veräußerliches und von der Gesellschaft durch Veräußerung zu verwertendes Bezugsrecht auch zu ihren Gunsten bedungen werden können? Der Erwerb der Aktie aufgrund eines mittelbaren Bezugsrechts durch die Gesellschaft beruht nicht auf Zeichnung, ist also nicht ursprünglich und nicht nach § 56 zu beurteilen, sondern abgeleitet und als solcher gemäß §71, wenn auch unzulässig, so dennoch gültig, wenn die Aktie voll bezahlt ist. Ein mittelbares Bezugsrecht auf eigene Aktie rechtswirksam kaufen kann die Gesellschaft nicht, das Grundgeschäft wäre nichtig, aber, wenn ihr aufgrund eines solchen Kaufs nichtsdestoweniger ein mittelbares Bezugsrecht übertragen wird, so ist diese Übertragung rechtswirksam und kann sie entsprechende Aktien, wenn diese voll bezahlt sind, rechtswirksam von dem Zeichnungskonsortium beziehen.
§ 72 Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren (1) Ist eine Aktie oder ein Zwischenschein abhanden gekommen oder vernichtet, so kann die Urkunde im Aufgebotsverfahren nach der Zivilprozeßordnung für kraftlos erklärt werden. § 799 Abs. 2 und § 800 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten sinngemäß. 364
Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren
§ 72 Anm. 1, 2
(2) Sind Gewinnanteilscheine auf den Inhaber ausgegeben, so erlischt mit der Kraftloserklärung der Aktie oder des Zwischenscheins auch der Anspruch aus den noch nicht fälligen Gewinnanteilscheinen. (3) Die Kraftloserklärung einer Aktie nach §§ 73 oder 226 steht der Kraftloserklärung der Urkunde nach Absatz 1 nicht entgegen. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Voraussetzungen der Kraftloserklärung (Anm. 3) III. Aufgebotsverfahren (Anm. 4) IV. Wirkungen des Ausschlußurteils (Anm. 5)
V. Ausübung der Aktionärsredite 1. Stimmrecht (Anm. 6) 2. Gewinnanspruch (Anm. 7) VI. Verhältnis zu anderen Kraflloserklärungen (Anm. 8)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Absätzen 1 und 2 die Bestimmungen des § 66 AktG 37. Eine Änderung ist insofern vorgenommen worden, als in der Urkunde das Aufgebotsverfahren nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Neu ist Absatz 3, der das Verhältnis der Kraftloserklärung durch das Gericht und der durch die Gesellschaft nach den §§ 73 und 226 regelt (s. Anm. 8). Anm. 2: Die §§ 72 und 73 behandeln die Kraftloserklärung von Aktien. In beiden Fällen sind lediglich die Aktienurkunden gemeint, nicht das Aktienrecht, wie bei der Einziehung (§ 237), noch die subjektive Berechtigung wie bei der Kapitalherabsetzung. Es wird deshalb in diesen Fällen nicht der Inhaber des Aktienrechts seines Rechtes verlustig erklärt, wie das im Falle der Kaduzierung der Aktie gemäß § 65 oder der Kraftloserklärung bei der Kapitalherabsetzung (§ 226) geschieht, ebensowenig das Recht selbst vernichtet wie bei der Einziehung, vielmehr bleibt der bisherige Aktionär in seiner Rechtstellung und das Recht bestehen, aber die Aktienurkunde wird für kraftlos erklärt (über mittelbare Wirkungen des Ausschlusses s. Anm. 6). Es kann deshalb auch der wahre Aktionär gegen denjenigen, der zu Unrecht ein Aufgebotsverfahren durchführt, auf Herausgabe der neuen Aktie aufgrund § 952 BGB und auf Abtretung der Rechte aus dem Ausschlußurteil klagen. Die Geltendmachung des Anspruchs hat jedoch auf das Aufgebotsverfahren keinen Einfluß. § 72 befaßt sich mit der Kraftloserklärung abhanden gekommener oder vernichteter Aktien durch Aufgebotsverfahren, für das die §§ 946 und 1003 ff. Z P O gelten. Er bezweckt die mit der vernichteten oder abhanden gekommenen Urkunde beseitigte Legitimation des Berechtigten gegenüber der Gesellschaft (§ 1068 ZPO) und unmittelbar die Umlauffähigkeit des Rechts wiederherzustellen, indem aufgrund des Ausschlußurteils eine neue Urkunde ausgegeben wird. 365
§ 72 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 3,4 II. Voraussetzungen der Kraftloserklärung Anm. 3: § 72 setzt voraus, daß eine Aktie oder ein Zwischenschein abhanden gekommen, d. h. ihr Besitz dem Besitzer ohne seinen Willen durch ein von diesem unabhängiges Ereignis entzogen worden oder eine Urkunde vernichtet ist. Es spielt hierbei keine Rolle, ob es sich um einen fehlerhaften Willen handelt, was allerdings hinsichtlich der Unwirksamkeit wegen fehlender Geschäftsfähigkeit bestritten ist (wie hier hinsichtlich Anfechtbarkeit RG 101, 225; a. A. OLG 43, 225). Unter einem vom Willen des Besitzers unabhängigen Ereignis sind jedoch nicht Kriegs- oder sonstige Beschlagnahmen zu verstehen (LZ 25, 476). Die Vorschrift gilt sowohl für Inhaberaktien als auch für Namensaktien, und zwar auch dann, wenn letztere kein Blankogiro tragen. Der Verlust muß unfreiwillig sein. Ist die Aktie nicht völlig vernichtet oder, was dem gleichzusetzen ist, in ihren wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen unkennbar, sind vielmehr letztere, aus denen sich die Aktie noch identifizieren läßt, noch vorhanden, so kommt nicht § 72, sondern § 74 in Frage (vgl. Anmerkungen dort). Streitig ist, ob die Satzung Erleichterungen für die Kraftloserklärung enthalten kann. Unzweifelhaft wären solche Bestimmungen nur wirksam, wenn sie in der Urkunde enthalten sind, aber auch dann muß man ihnen mit der herrschenden Ansicht die Gültigkeit versagen, da die Bestimmungen über das Aufgebotsverfahren teils öffentlichen, teils zwingenden Rechts sind. III. Aufgebotsverfahren Anm. 4: Für das Aufgebotsverfahren sind die §§ 946 ff. ZPO, insbesondere die §§ 1003 ff. ZPO maßgebend. Antragsberechtigt ist der bisherige Inhaber (§ 1004 ZPO), das ist entgegen Brodtmann (Anm. 1 b zu § 228 HGB) nicht auch der mittelbare Besitzer. Für die Namensaktie ist es streitig, ob der im Aktienbuch Eingetragene antragsberechtigt ist oder derjenige, dessen Berechtigung sich aus der Urkunde oder aus ihr in Verbindung mit einer Kette von Indossamenten oder Abtretungserklärungen ergibt. Letzteres trifft nach § 1004 Abs. 2 ZPO zu (herrschende Ansicht), weil der so Ausgewiesene jederzeit die Umschreibung herbeiführen und damit das Recht aus der Aktie geltend machen kann, auch das Aktienbuch nur gegenüber der Gesellschaft die Legitimation ausweist. Das Aufgebot kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten beantragt werden (§ 947 ZPO). Zuständig ist das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft (§ 1005 ZPO). Zur Begründung des Antrags ist eine Abschrift der Aktie oder ihr wesentlicher Inhalt, vor allem das, was zu ihrer Identifizierung erforderlich ist, also Nummer, Serie usw. beizubringen. Der Verlust der Urkunde und die Berechtigung zum Antrag sind glaubhaft zu machen. Der Antragsteller muß sich zur Versicherung der 366
Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren
§ 72
Anm. 4,5
Wahrheit seiner Angaben an Eides Statt erbieten (§ 1007 ZPO). Das Gericht erläßt das Aufgebot und macht es öffentlich bekannt. Sind in der Satzung besondere Blätter als Gesellschaftsblätter verzeichnet, so muß ebenso wie in den Gerichtsblättern die Bekanntmachung dreimalig in diesen Blättern erfolgen (vgl. auch § 1009 Abs. 3 ZPO). Die Aufgebotsfrist beträgt mindestens 6 Monate (§ 1015 ZPO). Bei Verlust einer Inhaberaktie oder einer mit Blankogiro versehenen Namensaktie kann eine Zahlungssperre beantragt werden (§ 1019 ZPO). Die Gesellschaft hat denjenigen, der das Aufgebotsverfahren betreibt, durch Auskünfte und Aushändigung der nötigen Unterlagen zu unterstützen, dadurch entstehende Kosten hat der Betreibende vorzuschießen (§ 799 Abs. 2 BGB). IV. Wirkungen des Ausschlußurteils Anm. 5: In dem Ausschlußurteil (§ 1017 ZPO) wird niemand „ausgeschlossen", sondern das Recht verbleibt dem bisher Berechtigten, auch wenn ein Nichtberechtigter das Urteil erwirkt haben sollte, aber die Urkunde, auch wenn sie noch vorhanden, vielleicht sogar im Besitz oder im Gewahrsam des Berechtigten oder eines gutgläubigen Dritten ist, wird „kraftlos" erklärt. Sie wird also unwirksam, d. h., sie wird ungeeignet als Legitimation; an ihre Stelle tritt gegenüber der Gesellschaft nach § 1018 ZPO das Ausschlußurteil. Jedoch bleibt bei Namensaktien § 67 II anwendbar. Daneben verkörpert die unwirksame Urkunde das Recht nicht mehr und ist fortan ungeeignet, das Recht weiter zu übertragen, auch wenn der Erwerber gutgläubig ist. Mangels der zur Übertragung erforderlichen Urkunde ist das Recht bis zum Ausschlußurteil überhaupt nicht, dann bis zur Ausgabe einer neuen Urkunde nur durch Abtretung übertragbar. Gutgläubigen Rechtserwerb durch Abtretung gibt es nicht, auch wenn das Urteil mit übergeben und mit abgetreten wird. Das Urteil ist nicht erforderlich, um das Recht zu übertragen, wohl aber, um den Erwerber zu legitimieren, anderenfalls bleibt die Legitimation trotz der Rechtsübertragung dem durch das Urteil Ausgewiesenen. Dieser kann auch von der Gesellschaft Aushändigung einer neuen Urkunde verlangen (Abs. 1; § 880 BGB). Wenn er nicht oder nicht mehr der wahre Berechtigte ist, wird er auch dadurch, daß diesem Verlangen entsprochen wird, nicht zum Aktionär, vielmehr wird die neue Urkunde Eigentum des Letzteren (§ 952 BGB). Wohl aber ist das Recht jetzt wieder beurkundet und wird durch Übergabe der neuen Urkunde an einen Gutgläubigen übertragen. Bei einer Namensaktie kann der Erwirker des Ausschlußurteils sich aufgrund dieses Urteils eintragen lassen (§ 1018 ZPO) ohne weiteren Nachweis des Rechtsüberganges. Die Gestalt der neuen Urkunde unterscheidet sich zweckmäßig von der alten durch eine neue Nummer oder einen Vermerk, daß sie an deren Stelle getreten ist. 367
§ 72
Anm. 5,6
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Bei Namensaktien wird die Verlustigerklärung gemäß § 64 von einem nachfolgenden Ausschlußurteil selbstverständlich nicht mehr berührt. Das Urteil ist gegenstandslos. Umgekehrt wird sein Erwirker, wenn die Verlustigerklärung dem Urteil nachfolgt, davon natürlich genauso betroffen, wie wenn er statt des Urteils die ursprüngliche Urkunde besäße, mag er im Aktienbuch eingetragen sein oder nicht, sich aufgrund des Urteils eine neue Urkunde haben ausstellen lassen oder nicht. Letztere wird wieder durch die aufgrund der Kaduzierung ausgegebene neue Urkunde ersetzt. V. Ausübung der Aktionärsrechte 1. Stimmrecht Anm. 6: Uber das Stimmrecht gilt folgendes: bei Namensaktien ist nach § 67 II der im Aktienbuch Eingetragene zur Anmeldung seiner Teilnahme an der Hauptversammlung nach § 123 IV und zur Ausübung des Stimmrechts legitimiert. Wenn aber die Satzung die Teilnahme an der Hauptversammlung und Ausübung des Stimmrechts von der Hinterlegung der Aktie abhängig macht, so ist, da das Recht in diesem Stadium noch als beurkundet gilt (RG 84, 316), die Teilnahme und Stimmrechtsausübung ohne Duldung der Gesellschaft und — wenn der Beschluß darauf beruht — ohne die Folge der Anfechtbarkeit des Beschlusses nicht möglich. Nach Erlaß des Ausschlußurteils bis zur Aushändigung einer Ersatzurkunde ist das Recht nicht mehr als beurkundet anzusehen. Nunmehr ist teilnähme-, anmeldungs- und stimmberechtigt, wer im Aktienbuch eingetragen ist. Eine Satzungsvorschrift, wonach die Aktie zu hinterlegen ist, ist, da eine Urkunde rechtlich nicht mehr vorhanden ist, für ihn nicht anwendbar, jedoch hat der Eingetragene seine Teilnahme fristgemäß anzumelden und durch das Urteil nachzuweisen, daß die (zu hinterlegende) Urkunde für kraftlos erklärt ist. Dazu ist er nur in der Lage, wenn er das Urteil selbst erwirkt hat. Nach Aushändigung der Ersatzurkunde tritt die Satzungsvorschrift über die Hinterlegung wieder in Kraft. Bei abhandenen Inhaberaktien kann mangels Vorhandenseins einer Urkunde bis zum Ausschlußurteil das Stimmrecht überhaupt nicht ausgeübt werden. Danach wird die Legitimation nach § 1018 ZPO geführt. Muß nach Satzung die Aktie hinterlegt werden, so ist das Ausschlußurteil zu hinterlegen; dies verhindert wenigstens, daß ein anderer als legitimiert (nach §1018 ZPO) auftritt. Eine Vollversammlung trotz abhanden gekommener Aktien ist auch dann nicht möglich, wenn der frühere Inhaber bekannt und anwesend ist, weil man nicht wissen kann, ob die Aktie nicht in gutgläubigen Besitz gelangt ist, wohl aber trotz vernichteter Aktien, sofern der frühere Inhaber anwesend ist und sein Recht trotz Vernichtung der Urkunde dartun kann, denn über die Anforderung an die Legitimation befindet, wenn sie nicht schon durch das Aktienbuch geführt wird, die Gesellschaft selbst, also 368
Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft
§§ 72 / 73
Anm. 6—8
Vorstand und Hauptversammlung. Auch das satzungsmäßige Erfordernis der Hinterlegung ist verzichtbar. Wenn der Vorstand oder ein Aktionär mit der Zulassung nicht einverstanden ist und letzterer zur Niederschrift widerspricht, ist der Beschluß anfechtbar, aber nur in dem sicher seltenen Fall, daß er auf den Stimmen der vernichteten Aktien beruht. 2.
Gewinnanspruch
Anm. 7: Durch die Kraftloserklärung werden auch noch nicht fällige Dividendenscheine, die auf den Inhaber lauten, nichtig. Dasselbe gilt für den Dividendenerneuerungsschein (Talon), nicht aber für Dividendenscheine, die auf den Namen lauten — diese bleiben trotz der Kraftloserklärung der Aktie oder des Zwischenscheins voll wirksam — und ferner nicht für bereits fällig gewesene Dividendenscheine. Solche können überhaupt nicht für kraftlos erklärt werden. Für sie gilt § 804 BGB. Danach kann der bisherige Inhaber eines abhanden gekommenen oder vernichteten Dividendenscheines der Gesellschaft vor Ablauf der Vorlegungsfrist (4 Jahre nach Ablauf des Jahres, in welchem die Dividende festgestellt wird) den Verlust anmelden. Nach Ablauf der Vorlegungsfrist kann er dann die Leistung aus dem verlorengegangenen Dividendenschein von der Gesellschaft verlangen. VI. Verhältnis zu anderen Kraftloserklärungen Anm. 8: Absatz 3 besagt, daß eine Kraftloserklärung der Aktie auch durch das Gericht noch erfolgen kann, wenn bereits die Gesellschaft die Aktie für kraftlos erklärt hat. Der Aktionär, dem die Aktienurkunde abhanden gekommen ist, kann sie demgemäß nach Aufforderung der Gesellschaft auch nicht zum Umtausch oder Berichtigung vorlegen (§ 73), ebensowenig kann er von der Gesellschaft die Aushändigung der neuen Aktienurkunde verlangen, da er sich ihr gegenüber nicht legitimieren kann. Durch eine Kraftloserklärung durch das Gericht erhält der Aktionär ein Ausschlußurteil, womit er sich der Gesellschaft gegenüber legitimieren kann, so daß die Möglichkeit dieser Kraftloserklärung neben der durch die Gesellschaft bestehen muß.
§ 73 Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft (1) Ist der Inhalt von Aktienurkunden durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden, so kann die Gesellschaft die Aktien, die trotz Aufforderung nicht zur Berichtigung oder zum Umtausch bei ihr eingereicht sind, mit Genehmigung des Gerichts für kraftlos erklären. Beruht die Unrichtigkeit auf einer Änderung des Nennbetrags der Aktien, so können sie nur dann für kraftlos erklärt werden, wenn der 369 24
Wilhelmi, Aktiengesetz
§ 73
Anm. 1,2
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Nennbetrag zur Herabsetzung des Grundkapitals herabgesetzt ist. Namensaktien können nicht deshalb für kraftlos erklärt werden, weil die Bezeichnung des Aktionärs unrichtig geworden ist. Gegen die Entscheidung des Gerichts ist die sofortige Beschwerde zulässig; eine Anfechtung der Entscheidung, durch die die Genehmigung erteilt wird, ist ausgeschlossen. (2) Die Aufforderung, die Aktien einzureichen, hat die Kraftloserklärung anzudrohen und auf die Genehmigung des Gerichts hinzuweisen. Die Kraftloserklärung kann nur erfolgen, wenn die Aufforderung in der in § 64 Abs. 2 für die Nachfrist vorgeschriebenen Weise bekanntgemacht worden ist. Die Kraftloserklärung geschieht durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern. In der Bekanntmachung sind die für kraftlos erklärten Aktien so zu bezeichnen, daß sich aus der Bekanntmachung ohne weiteres ergibt, ob eine Aktie für kraftlos erklärt ist. (3) An Stelle der für kraftlos erklärten Aktien sind neue Aktien auszugeben und dem Berechtigten auszuhändigen oder, wenn ein Recht zur Hinterlegung besteht, zu hinterlegen. Die Aushändigung oder Hinterlegung ist dem Gericht anzuzeigen. (4) Soweit zur Herabsetzung des Grundkapitals Aktien zusammengelegt werden, gilt § 226. I. Obersicht (Anm. 1 u. 2) II. Voraussetzungen der Kraftloserklärung (Anm. 3 u. 4) III. Verfahren der Kraftloserklärung 1. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 5) 2. Genehmigung des Gerichts (Anm. 6)
3. Aufforderung zum Umtausch (Anm. 7) 4. Bekanntmachung der Kraftloserklärung (Anm. 8) IV. Ausgabe neuer Aktien (Anm. 9) V. Zusammenlegung bei Kapitalherabsetzung (Anm. 10)
I. Übersicht Anm. 1: § 73 übernimmt im wesentlichen die Bestimmungen des § 67 AktG 37. Neu ist die Vorschrift des Abs. 2 S. 4 hinsichtlich der Bezeichnung der für kraftlos erklärten Aktien (s. Anm. 8). Audi Abs. 1 S. 4 ist neu eingefügt worden, ohne daß damit das geltende Recht geändert worden wäre (vgl. Anm. 6). Anm. 2: Befaßt sich § 72 mit der Kraftloserklärung abhanden gekommener Aktien, die im Interesse des vom Verlust betroffenen Aktionärs auf seinen Antrag in einem gerichtlichen Aufgebotsverfahren erfolgt, so sieht § 73 im Interesse der Gesellschaft die Möglichkeit vor, unrichtig gewordene Aktien (oder Zwischenscheine) für kraftlos zu erklären, um den Umtausch in richtige zu erzwingen, wenn die Aufforderung, sie zur Berichtigung einzurei370
Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft
§ 73
Anm. 2—i dien, erfolglos geblieben ist. Das Ziel ist nicht die Aushändigung einer neuen Urkunde an einen nicht zweifelsfrei legitimierten Prätendenten, wie nach § 72, was die Gefahr mit sich bringt, daß ein von ihm verschiedener wahrer Berechtigter geschädigt wird. Vielmehr wird die neue Urkunde an den Aktionär ausgehändigt, der sich durch Vorlegen der alten Urkunde ausweist. Die Gefahr, daß ihm ein Schaden erwächst, besteht also nicht; darum hat das Gesetz die Kraftloserklärung der Gesellschaft selbst nach freiem Ermessen überlassen, die dazu nur gerichtlicher Genehmigung bedarf. Zuständig ist der Vorstand. Wie in § 72 bleiben auch nach § 73 Recht und Rechtsstellung des Aktionärs von der Kraftloserklärung unberührt, nur die bisherige Urkunde wird ungültig. Das Eigentum an der neuen Urkunde steht nach § 952 BGB ohne weiteres dem bisherigen Aktionär zu. Ihm ist sie gegen Ausweis (z. B. durch die alte Urkunde) auszuhändigen, evtl. ist sie zu hinterlegen (vgl. Herwig D J 1935,112). Die Satzung kann von § 73 nicht abweichen. Der Fall einer von vornherein unrichtigen Urkunde — sie lautet fälschlich über 1200,— DM statt über 1000,—DM — dürfte analog zu § 73 zu behandeln sein. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn über dasselbe Recht zwei Urkunden ausgefertigt und ausgegeben wurden. Gutgläubiger Erwerb des Rechts mittels der zweiten Urkunde ist nicht möglich. Trotzdem ist § 73 nur anwendbar, wenn die Urkunde sich von der ersten äußerlich unterscheidet (z. B. vielleicht durch eine andere Nummer) und daher individuell bezeichnet werden kann. II. Voraussetzungen der Kraftloserklärung Anm. 3: Voraussetzung der Anwendung des § 73 ist, daß die Aktienurkunde durch eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden ist und daß die Aufforderung, sie zur Berichtigung einzureichen (Anm. 8), erfolglos war. In Frage kommen z.B.: Änderung von Sitz oder Firma, Umwandlung von Namensaktien in Inhaberaktien und umgekehrt, Einräumung bzw. Beseitigung von Sonderrechten für bestimmte Aktiengattungen, Änderung der Nebenleistung oder des Nennbetrages (vgl. hierzu Anm. 4). Dagegen wird die Urkunde nicht wegen Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig dadurch, daß die Gesellschaft aufgelöst und abgewickelt oder verstaatlicht ist; dies ergibt unmittelbar § 346 VII und die Undurchführbarkeit des § 73 in diesem Fall. Namensaktien können nicht deshalb für kraftlos erklärt werden, weil die Bezeichnung des Aktionärs unrichtig geworden ist. Es besteht hierfür auch keinerlei Bedürfnis für die Gesellschaft, da ihr gegenüber nach § 67 II nur derjenige als Aktionär gilt, der im Aktienbuch eingetragen ist. Anm. 4: Eine Sondervorschrift gilt für den Fall, daß die Unrichtigkeit der Aktienurkunde in einer Änderung des Nennwertes der Aktie liegt. Es darf 371 24»
§ 73
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 4—6 nur dann die Aktie f ü r kraftlos erklärt werden, wenn der Nennbetrag zur Herabsetzung des Grundkapitals herabgesetzt ist. Für die Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung der Aktien gilt, wie Abs. 4 ausdrücklich feststellt, § 226, während im Fall der Herabsetzung des Nennbetrages der einzelnen Aktie ausschließlich § 73 gilt. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die Anwendung des § 73 in allen anderen Fällen der Änderung des Nennwertes, z. B. seiner Erhöhung oder einer Neustückelung. III. Verfahren der Kraftloserklärung 1. Anzuwendende Vorschriften Anm. 5: Die Gesellschaft kann die Aktie für kraftlos erklären. Es finden auf das Verfahren nicht wie im Fall des § 72 die Vorschriften der Z P O Anwendung, vielmehr regelt es § 73 selbst (Abs. 2 und 3). Die Kraftloserklärung hat keinen Einfluß auf das Aktienrecht, sondern vernichtet lediglich die rechtliche Wirksamkeit der Aktienurkunde. Über die Unterschiede zu § 72 vgl. Anm. 2. Die Gesellschaft ist berechtigt, die Kraftloserklärung in die Wege zu leiten, wenn die Voraussetzungen vorliegen, aber grundsätzlich nicht hierzu verpflichtet. Allerdings wird der Börsenvorstand von solchen Gesellschaften, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, meist die Kraftloserklärung verlangen und evtl. Zwangsmaßnahmen ergreifen, insbesondere die im Umlauf befindlichen unrichtigen Urkunden f ü r nicht mehr lieferbar erklären. 2. Genehmigung des Gerichts Anm. 6: Die Gesellschaft bedarf zur Kraftloserklärung der Genehmigung durch das Gericht, und zwar des Amtsgerichts ihres Sitzes (§ 14). Das Gesetz bestimmt nicht, nach welchen Gesichtspunkten die Genehmigung zu erteilen oder zu versagen ist. Sein pflichtmäßiges Ermessen entscheidet (bestritten). Die Genehmigung wird nur dann zu verweigern sein, wenn die Unrichtigkeit so unbedeutend ist, daß deshalb im Interesse der Aktionäre die Kraftloserklärung nicht zweckmäßig erscheint, z. B. wenn sich lediglich die Schreibweise der Firma geändert hat. Für das Verfahren vor dem Gericht ist FGG maßgebend. Das Gesetz bestimmt die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel einzulegen. Eine Aufführung dieser Bestimmung war überflüssig, da sich diese Folge bereits aus § 146 F G G ergibt; danach ist bereits die sofortige Beschwerde zugelassen und weiterhin bestimmt, daß gegen die Entscheidung des Gerichts, wonach die Genehmigung erteilt wird, eine Anfechtung ausgeschlossen ist. Grund hierfür ist die Tatsache, daß nur der Aktionär in diesem Fall beschwert sein kann und darum nur er als zur Einlegung eines Rechtsmittels Berechtigter angesehen werden kann; der Aktionär ist jedoch nicht Beteiligter im Sinne der FGG. 372
Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft
§ 73
Anm. 6—9 Unerwähnt gelassen hat das Gesetz die Möglichkeit einer evtl. weiteren sofortigen Beschwerde gemäß den §§ 27 und 29 II FGG. Aus der Tatsache des Nichterwähnens ist jedoch nicht zu schließen, daß die Möglichkeit einer weiteren sofortigen Beschwerde ausgeschlossen sein soll. Es bleibt mithin bei der Anwendung der §§ 27 und 29 II FGG. 3. Aufforderung zum Umtausch Anm. 7: Die Gesellschaft hat zunächst die Aktionäre aufzufordern, die Aktien einzureichen und dabei auf die gerichtliche Genehmigung hinzuweisen und die Kraftloserklärung mit Bestimmung einer Frist für die Vorlage zum Umtausch in eine neue Urkunde anzudrohen. Die Frist ist keine Ausschlußfrist. Für die Aufforderung gilt § 64 II, sie muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden, erstmals mindestens drei Monate, letztmals einen Monat vor Fristablauf, und zwischen den einzelnen Bekanntmachungen muß ein Zeitraum von mindestens drei Wochen liegen (vgl. Anm. 6 und 7 zu § 64). Für die Übergangszeit ist wegen der Verweisung auf § 64 auch hier § 11 EG zu beachten. Nach herrschender Ansicht gilt trotz des Wortlautes des Abs. 2 („bekannt gemacht wird") auch Anm. 7 zu § 64 für vinkulierte Namensaktien. 4. Bekanntmachung der Kraßloserklärung Anm. 8: Nach ergebnisloser Aufforderung erfolgt die Kraftloserklärung in den Gesellschaftsblättern einmal und ist vollendet, sobald die Bekanntmachung in dem zuletzt erscheinenden Gesellschaftsblatt erschienen ist (vgl. § 64 Anm. 8). Durch die Kraftloserklärung wird sowohl die Aktienurkunde als auch der Dividendenschein und der Dividendenerneuerungsschein nichtig, vgl. Anm. 8 zu § 72; das Anteilsrecht bleibt jedoch unberührt. Neu normiert wurde, daß die für kraftlos erklärten Aktien so zu bezeichnen sind, daß sich aus der Bekanntmachung klar ergibt, welche Aktie gemeint ist (Abs. 2 S. 4). Diese Bestimmung ist zum Schutz des Rechtsverkehrs aufgenommen worden. Der Besitzer einer Aktie muß aus der Bekanntmachung und aus der Urkunde ersehen können, ob seine Aktie von der Kraftloserklärung erfaßt ist. Es kann ihm nicht zugemutet werden, weitere Nachforschungen anzustellen. Die Angabe der Stückenummer reicht jedenfalls zur genügenden Bezeichnung aus, wird aber auch fast immer erforderlich sein. Auf sie kann nur dann verzichtet werden, wenn die in der Bekanntmachung enthaltenen Angaben die für kraftlos erklärte Aktie klar bestimmen lassen. IV. Ausgabe neuer Aktien Anm. 9: Anstelle der für kraftlos erklärten Aktien sind neue Aktienurkunden auszugeben und den Berechtigten auszuhändigen. Ist ein Berech373
§§ 73 / 74
Anm. 9,10
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
tigter unbekannt, so kann die Urkunde, nicht etwa der Verkaufserlös, hinterlegt werden. Die früher herrschende Ansicht, daß unter Verzicht auf Rücknahme zu hinterlegen sei, ist nach dem Aktiengesetz unbegründet. Die Aushändigung oder Hinterlegung der neuen Urkunde ist dem Registergericht anzuzeigen und durch Ordnungsstrafe erzwingbar (§ 407 I). V. Zusammenlegung bei Kapitalherabsetzung
Anm. 10: Die Kraftloserklärung nach § 226 im Zuge einer Zusammenlegung schließt, anders als bei der Kapitalherabsetzung durch Ermäßigung des Nennbetrages (s. § 73 I S. 2 und oben Anm. 2), notwendigerweise eine Rechtsentziehung ein, weil ohne diese die mehreren regelmäßig verschiedenen Aktionären zustehenden Aktienrechte nicht zu einer Aktie vereint werden könnten. Es schließt sich ihr ferner notwendigerweise die Verwertung der Aktien für Rechnung der Beteiligten an, weil z w a r eine Rechtsgemeinschaft an der zusammengelegten Aktie denkbar, aber nicht feststellbar wäre, welche der ehemaligen Aktionäre der für kraftlos erklärten Aktien je zu einer Rechtsgemeinschaft vereint sind. Dies macht die sofortige Auseinandersetzung durch Verwertung der Aktie notwendig, denn ohne weiteres kann für jeden einzelnen ehemaligen Aktionär (Inhaber der für kraftlos erklärten nach ihrer Nummer bekannten Urkunde) der Erlösanteil hinterlegt werden. Von alldem ist selbstverständlich in den Fällen des § 73 nicht die Rede, auch nicht, wenn es sich um Unrichtigkeit der Urkunde infolge Nennbetragsermäßigung zwecks Kapitalherabsetzung handelt (die wegen § 8 I seltener praktisch werden wird), weil ja nur anstelle der bisher unrichtig gewordenen Urkunde eine neue richtige für ein bestehenbleibendes Recht herzustellen und dem Inhaber des Rechts auszufolgen ist.
§ 74 N e u e U r k u n d e n an Stelle beschädigter oder verunstalteter Aktien oder Zwischenscheine Ist eine Aktie oder ein Zwischenschein so beschädigt oder verunstaltet, daß die U r k u n d e z u m Umlauf nicht mehr geeignet ist, so kann der Berechtigte, wenn der wesentliche Inhalt und die Unterscheidungsmerkmale der U r k u n d e noch sicher zu erkennen sind, v o n der Gesellschaft die Erteilung einer neuen U r k u n d e gegen Aushändigung der alten verlangen. Die Kosten hat er zu tragen und vorzuschießen. Die Vorschrift stimmt mit dem § 68 A k t G 37 überein. Während § 72 sich mit vernichteten und unkenntlich gewordenen oder abhanden gekommenen, § 73 mit unrichtig gewordenen Aktienurkunden be374
Neue
Gewinnanteilscheine
§§74/75 Anm. 1—3
schäftigt, behandelt § 74 den Fall der Beschädigung oder Verunstaltung der Urkunde. § 74 kommt nur in Frage, wenn die •wesentlichen Merkmale der Aktien noch vorhanden sind. Ist das nicht der Fall, muß eine Kraftloserklärung gem. § 72 erfolgen. § 74 gilt sowohl für Namens- als auch für Inhaberaktien. Der Berechtigte ist legitimierter Inhaber der beschädigten, bei Namensaktien im Verein mit der Eintragung im Aktienbuch. § 75 Neue Gewinnanteilscheine Neue Gewinnanteilscheine dürfen an den Inhaber des Erneuerungsscheins nicht ausgegeben werden, wenn der Besitzer der Aktie oder des Zwischenscheins der Ausgabe widerspricht; sie sind dem Besitzer der Aktie oder des Zwischenscheins auszuhändigen, wenn er die Haupturkunde vorlegt. Anm. 1:
Die Vorschrift entspricht inhaltlich dem § 69 AktG 37.
Der Erneuerungsschein (Talon) kann, wenn er entsprechend § 793 B G B ausgestaltet ist, Inhaberpapier sein und selbständig den Anspruch auf die neuen Gewinnanteilscheine begründen und verkörpern, auch bei der Namensaktie. Regelmäßig ist das nicht der Fall und der Talon nur ein Legitimationspapier für die Ausübung des aus der Aktie selbst hervorgehenden Anspruchs. Nach ausdrücklicher Erwähnung trifft dies auch für Talons zu, welche zu Zwischenscheinen und folgerichtig auch für solche, welche zu Namensaktien gehören. Es begründet in diesen beiden Fällen eine Abweichung von § 67 II, aber die Legitimation des Besitzers (legitimierten Inhabers, auch bei Namensaktien) des Aktienmantels ist stärker. Widerspricht er, sind die neuen Gewinnanteilscheine mit dem neuen Erneuerungsschein ihm auszuhändigen. Die Gesellschaft ist jeder Prüfung, wer Recht hat, enthoben. Anm. 2: Als Urkunde teilt der Erneuerungsschein das Schicksal der Haupturkunde und ist ungültig, wenn sie ungültig ist, kraftlos, wenn sie kraftlos ist. Anm. 3: Davon verschieden ist die Frage, ob er das rechtliche Schicksal des durch die Haupturkunde verkörperten Rechtes teilt. Zubehör im Sinne des § 97 B G B ist er nicht, weil er keine bewegliche körperliche Sache im Sinne des B G B ist (§ 90 BGB). Schuldrechtlich werden ihn alle auf das Aktienrecht und die Haupturkunde bezüglichen Verpflichtungen mit ergreifen. Dinglich gilt dasselbe, wenn er nicht ausnahmsweise ein selbständiges Inhaberpapier ist (siehe Anm. 1). Nur in diesem Ausnahmefall begründet und verkörpert er selbst einen Anspruch, regelmäßig aber nicht, sondern nur eine Legitimationsstellung, welche der stärkeren Legitimationskraft der Haupturkunde zu weichen hat. Im Regelfall ist er also eines selbständigen dinglichen Schicksals nicht fähig. 375
§ 75
Anm. 4,5
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Anm. 4: Dies ist wichtig für die Begründung selbständiger Nutzungsrechte an der Aktie. D a die Legitimationskraft des Erneuerungsscheines vor der Urkunde zu weichen hat, ist die Übergabe des Erneuerungsscheines nicht geeignet, einen Nießbrauch zu begründen oder die Abtretung der Gewinnansprüche für einen die ausgegebenen Dividendenscheine überschreitenden Zeitraum (siehe Anm. 5) zu bewirken. In beiden Fällen ist Übergabe des Aktienmantels erforderlich. Anm. 5: Für die selbständige Veräußerung des Gewinnrechts im besonderen ist zu erwähnen, daß zwar der Anspruch auf den Bilanzgewinn der Gesellschaft durch diese verselbständigt und in einem Genußschein verkörpert werden kann, daß aber das mit der Aktie verbundene Gewinnrecht von dem Aktionär nach dem Grundsatz des § 8 nicht dauernd von ihr abgetrennt und selbständig veräußert werden kann (vgl. § 8 Anm. 7). Selbständig veräußert werden kann nur der Gewinnanteil bestimmter künftiger Jahre. Der Erwerber erwirbt nur eine Hoffnung, denn er hat keinen Einfluß auf die Gewinnausschüttung. Die Veräußerung erfordert Übergabe der Dividendenscheine, wenn diese auf bestimmte Jahre lauten. Schwierigkeit bereitet die Begrenzung, wenn die Gewinnanteilscheine nur Nummern, die nur in Gewinnjahren, mitunter aber auch für Bezugsrecht verwendbar sind. Wenn Gewinnanteilscheine überhaupt nicht ausgegeben sind, ist Übergabe des Aktienmantels erforderlich. Dies folgt konstruktiv aus der Natur des Gewinnanspruchs als eines Ausflusses des Aktienrechts, das selbst nur durch Übergabe der Urkunde übertragen werden kann, und praktisch daraus, daß andernfalls nur der Aktionär durch den Besitz der Urkunde in der Lage wäre, den Gewinnanteil einzuziehen. Hierher ist auch der in Anm. 4 erwähnte Fall zu zählen, daß der Gewinnanteil für einen längeren Zeitraum abgetreten werden soll, als Dividendenscheine ausgegeben sind. Die Übergabe des Erneuerungsscheines genügt nicht.
376
Leitung der Aktiengesellschaft
VIERTER
§76 Anm. 1,2
TEIL
Verfassung der Aktiengesellschaft Erster Abschnitt Vorstand § 76 Leitung der Aktiengesellschaft (1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. (2) Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Deutsche Mark hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, daß er aus einer Person besteht. Die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors bleiben unberührt. (3) Mitglied des Vorstands kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. I. Übersicht (Anm. 1—3) II. Leitung 1. Grundsatz der Gesamtvertretung (Anm. 4) 2. Grundsätze für die Leitung (Anm. 5—7) III. Eignung zum Vorstand (Anm. 8 u. 9)
IV. Zahl der Vorstandsmitglieder (Anm. 10 u. 11) V. Besondere Vertreter 1. für Westvermögen von Ostfirmen (Anm. 12) 2. Besondere Vertreter nach § 30 BGB (Anm. 13)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift hat aus § 70 I AktG 37 den Grundsatz übernommen, daß der Vorstand die Gesellschaft zu leiten hat. Weggefallen ist die Bestimmung, daß dies so zu erfolgen hat, wie es das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen erfordern. Es ist damit aber keine Änderung der bisherigen Rechtslage eingetreten (s. Anm. 5—7). Im übrigen entspricht Abs. 2 S. 1 dem § 70 II S. 1 AktG 37. Weggefallen ist die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorstandsvorsitzenden. Abs. 3 übernimmt sinngemäß § 75 I S. 3 AktG 37; neu sind die Bestimmungen des Abs. 2 S. 2 und 3 (s. Anm. 10). Anm. 2: Die Gesellschaft kann im Rechtsleben nur durch bestimmte Personen oder Personenmehrheiten, ihre Organe, auftreten. Man unterscheidet 377
§ 76
Anm. 2,3
Verfassung der
Aktiengesellschaft
zwischen notwendigen Organen, die kraft Gesetzes bestehen müssen, und fakultativen, die durch die Satzung vorgesehen werden können. Die notwendigen Organe sind: Vorstand (§§ 76—94) Aufsichtsrat (§§ 95—114) Abschlußprüfer (§§ 162—169) Hauptversammlung (§§ 118—128). Jedes Organ hat gesetzlich seine eigenen Aufgaben, die grundsätzlich auch aufgrund Satzung nicht von einem anderen ausgeübt werden können. Dem Vorstand liegt die Vertretung und Geschäftsführung ob, er hat mithin die Funktion des Unternehmers. Der Aufsichtsrat (§ 95) hat den Vorstand zu überwachen (§ 111). Maßnahmen der Geschäftsführung können ihm nach § 111 I V nicht übertragen werden. Der Abschlußprüfer hat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß unter eigener Verantwortung zu überprüfen (§ 162). Die Hauptversammlung hat über alle mit dem wirtschaftlichen oder rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängenden Fragen zu entscheiden, dagegen ist ihr durch § 119 II eine Entscheidung über Fragen der Geschäftsführung ausdrücklich genommen, es sei denn, der Vorstand verlangt es von ihr. Nach § 30 BGB kann die Satzung neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte besondere Vertreter vorsehen, deren Vertretungsmacht sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte erstreckt, die ihr Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt (siehe hierüber Anm. 13). Dies ist wichtig wegen der Verantwortlichkeit der Gesellschaft aus § 31 BGB. Als satzungsmäßiges Organ kommen außerdem neben dem Aufsichtsrat noch Beiräte vor. Anm. 3: Die Gesellschaft muß einen Vorstand haben, kann ohne ihn nicht entstehen (Argument aus § 39), wird aber nicht aufgelöst, wenn beispielsweise wegen Todes oder Abberufung ein Vorstand nicht vorhanden ist. Es können die Prokuristen oder sonstigen Angestellten und Bevollmächtigten der Gesellschaft deren Geschäfte führen (ähnlich Möhring in N J W 66, 5). Der Aufsichtsrat hat unverzüglich einen neuen Vorstand zu bestellen, oder das Gericht bestellt auf Antrag einen neuen Vorstand (§ 85). Dasselbe gilt, wenn die satzungsmäßig etwa bestimmte Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern nicht mehr vorhanden sein sollte. Über Bestellung und Widerruf im allgemeinen siehe § 84, Namensangabe nach außen § 80. Der Vorstand leitet die Gesellschaft unter eigener Verantwortung, er kann sich mithin nicht auf einen Beschluß der Hauptversammlung oder eine Anweisung des Aufsichtsrates berufen. Die Leitung der Gesellschaft ist seine Pflicht und dementsprechend sein Recht. Er haftet nach § 93 I für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (vgl. Anm. dort). Er ist der Vorgesetzte der Angestellten. 378
Leitung der Aktiengesellschaft
§76 Anm. 3—5
Über das Ausmaß der Tätigkeit des Vorstandes bestehen keine gesetzlichen, meist aber vertragliche Bestimmungen. Vorbehaltlich letzterer kann der Vorstand über seine Zeit und Arbeitskraft auch anderweit verfügen, soweit das Wohl der Gesellschaft nicht darunter leidet. II. Leitung 1. Grundsatz der Gesamtvertretung Anm. 4: Der Vorstand leitet das Unternehmen in eigener Verantwortung. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so ist grundsätzlich zu Beschlüssen Einstimmigkeit erforderlich. Das Gesetz sieht das in § 77 II S. 1 für Beschlüsse über die Geschäftsführung ausdrücklich vor. Im übrigen wird diese Frage stets in der Satzung oder Geschäftsordnung für den Vorstand gesondert geregelt sein (§ 77 II S. 1). Nach innen kann zwar die Geschäftsführung des Vorstandes in gewissem Umfange eingeschränkt werden (§ 82 II), aber aus der Stellung des Leiters kann er nicht verdrängt werden. Dies gilt aber nur nach innen in seinem Verhältnis zu den anderen Geschäftsorganen und hindert nicht, daß die Gesellschaft selbst vertraglich sich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet und ihre geschäftliche Freiheit aufgibt. Selbständigkeit der Gesellschaft und Selbständigkeit des Vorstandes als Leiter der Gesellschaft in seinem Verhältnis gegenüber anderen Gesellschaftsorganen ist zweierlei. H a t die Gesellschaft Unternehmensverträge geschlossen, die ihre Selbständigkeit beeinträchtigen (§§ 291, 292), so hat sie natürlich diese genauso zu erfüllen wie andere Verträge und hat der Vorstand die Vertragserfüllung durchzuführen. 2. Grundsätze für die Leitung Anm. 5: Das Gesetz enthält keine Bestimmung mehr über die Art der Leitung der Gesellschaft. In den Ausschuß-Sitzungen ist versucht worden, auch in dem neuen Gesetz hervorzuheben, daß die Gesellschaft das Unternehmen unter Berücksichtigung des Wohls der Arbeitnehmer, der Aktionäre und der Allgemeinheit zu betreiben hat. Der Grund hierfür lag in der Befürchtung, die Gerichte könnten aus der Weglassung dieser Bestimmung den Schluß ziehen, der Vorstand habe nicht mehr wie bisher das öffentliche Wohl und das Wohl der Arbeitnehmer zu beachten. Eine derartige Befürchtung ist jedoch fehl am Platze. Es ergibt sich bereits aus § 396, daß jede Aktiengesellschaft, auch wenn ihre Tätigkeit auf die Erzielung eines Gewinns gerichtet ist, sich in die Gesamtwirtschaft und in die Interessen der Allgemeinheit einfügen muß. Daß die Gesellschaft auch das Wohl ihrer Arbeitnehmer zu beachten hat, ist in einem sozialen Rechtsstaat selbstverständlich und ergibt sich im übrigen aus einer Vielzahl von Rechtsvorschriften, die die Ausgestaltung dieses Grundsatzes im einzelnen näher regeln (Kündigungsschutzgesetz, Schwerbeschädigtengesetz, Betriebsverfassungsgesetz und Unfallverhütungsvorschriften). Schließlich versteht es sich 379
§ 76
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 5—8 von selbst, daß die Gesellschaft auch nicht über die Interessen ihrer Arbeitnehmer hinweggehen darf. Daraus ergibt sich für die Art der Leitung: der Vorstand leitet die Gesellschaft, wie es das Interesse der Aktionäre verlangt, aber nicht nur der augenblicklichen (erst recht nicht nur des Augenblicks), sondern auch der künftigen, das ist der Bestand und die Entwicklung des Unternehmens, und mit gewissenhafter Rücksicht auf das Wohl der Arbeitnehmer und den gemeinen Nutzen der Allgemeinheit, d. h. der Gesamtwirtschaft, in die das Unternehmen eingeordnet ist (hierzu eingehend Leo in die Aktiengesellschaft 60, 261 ff. und 292 ff.). Diese Richtschnur gilt immer, z. B. auch bei Aufstellung des Jahresabschlusses, Bemessung der Rücklagen und des verteilungsfähigen Gewinns und beim Gewinnverwendungsvorschlag. Anm. 6: Ein weiterer Grund für die Nichtaufnahme einer Richtschnur für die Leitung der Gesellschaft war die Befürchtung, aus der Aufzählung könne eine Rangordnung der einzelnen Interessen herausgesehen werden. Sämtliche zu wahrende Interessen sind jedoch untereinander gleichwertig, wie sich aus der obigen Zusammenfassung (siehe Anm. 5) ergibt. So ist die Feststellung des Bundesgerichtshofes (BGH 15, 78) abzulehnen, wonach sich der Vorstand dem Aktionär gegenüber lediglich loyal zu verhalten habe, ebenso kann Loo (die Aktiengesellschaft 1957, 156 f.) nicht gefolgt werden, der vom Vorstand in erster Linie die Förderung des Gesellschaftsinteresses verlangt, womit er das Aktionärsinteresse auf höchst mögliche Erträgnisse identifiziert, vielmehr sind alle Interessen — die der Gesellschaft, des Aktionärs, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit — in gleicher Weise zu berücksichtigen. Anm. 7: Das Interesse der Arbeitnehmer ist schon weitgehend vom Gesetzgeber selbst geregelt worden. Den Arbeitnehmern ist über die Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt worden (§§ 56 ff., 60 ff., 67 ff. Betriebsverfassungsgesetz). Der Arbeitsdirektor wurde geschaffen ( § 1 2 Mitbestimmungsgesetz, § 13 Mitbestimmungsergänzungsgesetz), V3 der Aufsichtsratsmitglieder einer Gesellschaft müssen Arbeitnehmer sein, es sei denn, es handelt sich um Familienbetriebe oder sogenannte Tendenzbetriebe. Ferner sei hingewiesen auf das Kündigungsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Verbot der Kinderarbeit, Schwerbeschädigtengesetz usw. Selbstverständlich sind all diese gesetzlichen Regelungen nicht erschöpfend. Unter dem Wohl der Belegschaft ist noch mehr zu verstehen. Der Vorstand hat den Umfang der freiwilligen sozialen Leistungen festzusetzen. III. Eignung zum Vorstand Anm. 8: Persönliche Eigenschaften als Voraussetzung der Vorstandsfähigkeit sieht das Gesetz nicht vor; so kann auch ein Ausländer oder eine Frau 380
Leitung der Aktiengesellschaft
§76 Anm. 8—10
Vorstand sein, nicht aber nach neuer Bestimmung beschränkt geschäftsfähige, also minderjährige, ebenfalls nicht geschäftsunfähige Personen, weil ihre Geschäfte nichtig sind, ebensowenig eine juristische Person. Die Satzung kann ergänzende Vorschriften erlassen. Ob der Verlust der Eignung automatisch das Ende des Amtes oder die Notwendigkeit seiner Beendigung durch Widerruf oder Amtsniederlegung herbeiführt, hängt davon ab, ob es sich um gesetzliche oder satzungsmäßige Nichteignung handelt. Im ersten Fall erlischt sein Amt automatisch; im zweiten ist der Aufsichtsrat zum Widerruf verpflichtet. Zu beachten ist, daß es Fälle gibt, in denen das nicht mehr geeignete Vorstandsmitglied dennoch als Vorstand handeln kann, solange es als solcher im Handelsregister eingetragen ist (z. B. § 121 II S. 2). Nach § 105 können Mitglieder des Aufsichtsrates nicht zugleich Mitglieder des Vorstands sein. Gewissen Personen, z. B. Beamten, ist durch besondere Gesetze verboten, in den Vorstand einer Gesellschaft einzutreten; die Übertretung dieser Bestimmung ist jedoch f ü r das Aktienrecht bedeutungslos. Anm. 9: Eine juristische Person kann nicht Vorstandsmitglied sein, dies erklärt sich aus dem Wesen des Vorstandsamtes. Der Vorstand ist der H a n delnde einer juristischen Person, also kann dies nicht wieder eine andere juristische Person sein, die wiederum nur durch eine natürliche Person handeln könnte, da das „Handeln" ein persönliches Tätigwerden voraussetzt. Es war nach bisherigem Recht streitig, ob ein beschränkt Geschäftsfähiger Vorstandsmitglied sein könne. Die Rechte und Pflichten eines Vorstandes — insbesondere die Leitung der Gesellschaft, die H a f t u n g usw. — erfordern die Geschäftsfähigkeit der Vorstandsmitglieder, darum hat der Gesetzgeber diese Streitfrage auch in diesem Sinne geregelt. IV. Zahl der Vorstandsmitglieder Anm. 10: Bisher stand es allen Gesellschaftern frei, ob sie nur ein oder mehrere Vorstandsmitglieder bestellen wollten. § 76 II S. 2 ändert dies insofern, als bei Gesellschaftern mit einem Grundkapital von mehr als D M 3 000 000,— der Vorstand aus mindestens zwei Personen bestehen soll, wozu auch stellvertretende Mitglieder zählen (Burger in DB 66,101). Bis zu einem Grundkapital von D M 3 000 000,— einschl. kann es daher bei einem Vorstandsmitglied verbleiben. Die Vorschrift ist zum Schutz der Aktionäre erlassen; daneben geht der Gesetzgeber davon aus, daß die Arbeitslast des Vorstandes meist die Kraft einer Person übersteigt und die Verantwortung f ü r die geschäftlichen Maßnahmen häufig so groß ist, daß sie auf mehrere Personen verteilt werden sollte. Auch hat ein mehrköpfiger Vorstand den Vorzug, daß die Mitglieder sich wegen ihrer gesamtschuldnerischen H a f t u n g 381
§ 76
Anm. 10—12
Verfassung der Aktiengesellschaft
wechselseitig überwachen und dadurch die Gefahr von Mißbräuchen verringert wird (Begründung zum Regierungsentwurf). Da die Bestimmung den Aktionär schützen soll, kann er auch darauf verzichten, indem er eine anders lautende Satzungsbestimmung beschließt. Obermüller-Werner-Winden (S. 42) und Lehmann (S. 42) wollen aus der Formulierung des Gesetzes „ . . . aus einer Person besteht" herleiten, daß die Satzung nicht alternativ bestimmen könne, der Vorstand bestünde aus einem oder mehreren Mitgliedern (ebenso Barz in Die Aktiengesellschaft 66, 41). Dieser Ansicht können wir nicht folgen. Es ergibt sich aus der Regierungsbegründung, daß die Bestimmung zum Schutz der Aktionäre eingefügt worden ist und darum auch in der Satzung auf diesen Schutz verzichtet werden kann. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dieser Verzicht eine schärfere Folge haben sollte, als die allgemeine Regelung für Gesellschaften von einem Grundkapital bis zu DM 3 000 000,—. Nach dieser kann die Satzung alternativ eine oder mehrere Personen als Vorstandsmitglieder vorsehen. Wenn die Satzung auf die für den Aktionär ergangene Schutz Vorschrift verzichten kann, so kommt damit zum Ausdruck, daß in einem derartigen Fall die allgemeine Regelung Platz greifen soll. Das aber bedeutet, daß auch nach § 76 II S. 2 die Satzungsbestimmung: „Der Vorstand besteht aus einem oder mehreren Mitgliedern" als zulässig angesehen werden muß und auch der Vorstand einer Gesellschaft mit mehr als DM 3 000 000,— Grundkapital dann ordnungsgemäß besetzt ist. Dieser Auffassung steht auch nicht — wie die Gegenmeinung ausführt — der Wortlaut des Gesetzes entgegen; denn wenn die Satzung eine Alternative enthält, so bestimmt sie eben u. a. auch, daß der Vorstand „aus einer Person besteht" (so auch Möhring N J W 66, 5; offenbar auch, aber nicht klar, Baiser, S. 62). Anm. 11: Durch die Bestimmung des Abs. 2 S. 2 bleiben die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors unberührt (Abs. 2 S. 3). Kann ein Arbeitsdirektor nach den Vorschriften des Mitbestimmungsrechts der Arbeitnehmer nicht alleiniges Vorstandsmitglied sein, so will die neue Bestimmung an dieser Rechtslage nichts ändern, mitbestimmte Gesellschaften müssen daher zwei Vorstandsmitglieder haben, da gem. § 13 des Mitbestimmungsgesetzes der Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied bestellt werden muß (Boldt § 13 Anm. 2 a). Darum ist für diese Gesellschaft die Möglichkeit des § 76 II S. 1, wonach der Vorstand aus nur einer Person bestehen kann, nicht anwendbar (Müller-Lehmann § 13 Anm. 7). V. Besondere Vertreter 1. für Westvermögen von Ost firmen Anm. 12: Schwierigkeiten haben sich durch die Teilung Deutschlands hinsichtlich der sidi im Westen befindlichen Vermögensteile ostdeutscher Gesell382
Geschäftsführung
§§76/77 Anm. 12,13
schaften ergeben. § 2 I I DM-Bilanzgesetz hat daher bestimmt, daß Gesellschaften mit Sitz in Deutschland, aber außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes für die westlichen Zweigniederlassungen ständige Vertreter zu bestellen hatten, sofern nicht ohnedies eine ausreichende Vertretung im Westen vorhanden war. Hierdurch konnten weder die Befugnisse des im Osten seßhaften Vorstandes noch die satzungsmäßigen oder gesetzlichen Regelungen der Vorstandsbefugnisse außer kraft gesetzt werden (Schmölder-GesslerMerkel § 2 Anm. 25). Waren mehrere Vorstandsmitglieder vorgesehen, mußten auch gleichviele „ständige Vertreter" bestellt werden. Die Bestellung konnte auch durch das Gericht erfolgen (§ 2 I V und V). Zuständig ist das Gericht der errichteten oder zu errichtenden Zweigniederlassung. Hinsichtlich der Möglichkeit, Abwesenheitspfleger zu bestellen, siehe § 10 Zustellungsergänzungsgesetz vom 7. 8. 52 (BGBl. 407) und § 3 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Reichsvermögens vom 21. 7 . 1 9 5 1 (BGBl. 467). 2. Besondere
Vertreter
nach § 30 BGB
Anm. 13: Nach dem für anwendbar angesehenen § 30 B G B kann die Satzung vorschreiben, daß neben dem Vorstand besondere Vertreter bestellt werden, die zwar der Oberaufsicht und den Weisungen des Vorstandes unterstehen, aber nach außen mit selbständiger Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht ausgerüstet sind. Vertretungsmacht ist unerläßlich, kann aber weniger weitgehend als die des Vorstands (siehe § 30 B G B ) sein. Von Angestellten unterscheiden sie sich als Bestandteil der durch die Satzung geschaffenen Gesellschaftsorganisation. Sie werden durch den Vorstand berufen und abgesetzt, der nach der Satzung an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden sein kann. R G 157, 234 ff. sieht es als Verschulden der Gesellschaft an, wenn sie trotz vorhandener Bedürfnisse es unterläßt, diese Einrichtung zu schaffen (bedenklich, insbesondere durch die Begründung, daß die Gesellschaft selbst verpflichtet sei, ihre höhere Haftung aus § 31 B G B in genügendem Umfang zur Verfügung zu stellen). Gesetzliche Vertreter sind die besonderen Vertreter nicht, wohl aber Organe der Gesellschaft. Man wird hierher die Leiter größerer Zweigniederlassungen, z. B. der großen Banken, rechnen können ( R G 94, 320; J W 33, 2819). Hinsichtlich der Rechtsstellung der sogenannten Custodians — die nach Militärregierungsgesetz Nr. 52 bestellten Treuhänder — siehe Vorauflage § 70 Anm. 9 S. 299 ff. § 77 Geschäftsführung (1) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. Die 383
§ 77
Anm. 1, 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstands kann Abweichendes bestimmen; es kann jedoch nicht bestimmt werden, daß ein oder mehrere Vorstandsmitglieder Meinungsverschiedenheiten im Vorstand gegen die Mehrheit seiner Mitglieder entscheiden. (2) Der Vorstand kann sich eine Geschäftsordnung geben, wenn nicht die Satzung den Erlaß der Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat übertragen hat oder der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erläßt. Die Satzung kann Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend regeln. Beschlüsse des Vorstands über die Geschäftsordnung müssen einstimmig gefaßt werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Kollegialprinzip 1. Grundsatz der Einstimmigkeit (Anm. 2) 2. Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen (Anm. 3) 3. Verbot der Entscheidung durch eine Minderheit (Anm. 4)
III. Form der Beschlüsse (Anm. 5) IV. Durchführung der Beschlüsse (Anm. 6) V. Geschäftsordnung 1. Inhalt (Anm. 7) 2. Erlaß (Anm. 8—10) 3. Form (Anm. 11)
I. Übersicht Anm. 1: § 77 befaßt sich mit der Geschäftsführung durch den Vorstand und regelt in Absatz 1 die früher im § 70 II S. 2 AktG 37 geregelte Frage, wie die Geschäftsführungsbefugnis bei einem mehrgliedrigen Vorstand ausgeübt wird (s. Anm. 2 bis 6); hierbei ist das Alleinentscheidungsrecht des Vorstandsvorsitzenden nach bisherigem Recht nicht nur fallen gelassen, sondern ausdrücklich untersagt worden. Abs. 2 befaßt sich mit der Geschäftsordnung für den Vorstand. Im bisherigen Recht war eine derartige Bestimmung nicht enthalten, lediglich im § 13 II Mitbestimmungsgesetz ist die Geschäftsordnung erwähnt (s. Anm. 7). II. Kollegialprinzip 1. Grundsatz der Einstimmigkeit Anm. 2: Die Frage der Geschäftsführungsbefugnisse, insbesondere bei einem mehrgliedrigen Vorstand, war im Gesetz von 1937 nicht geregelt mit Ausnahme der Tatsache, daß sie dem Vorstand gemäß § 70 AktG 37 oblag. Es war daher streitig, ob für Beschlüsse des Vorstands einfache Stimmenmehrheit ausreichte oder die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich war. Das neue Gesetz hat daher ausdrücklich in Absatz 1 Satz 1 bestimmt, daß alle Vorstandsmitglieder den einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen zustimmen müssen. Daraus folgt, daß jedes den Anordnungen eines anderen widersprechen und sie wieder aufheben kann und daß daher bei Meinungs384
Geschäftsführung
§77 Anm. 2—5
Verschiedenheiten und immer, wenn es zur Beschlußfassung des Gesamtvorstandes kommt, Einstimmigkeit hergestellt sein muß. 2. Zulässigkeit
von
Mehrheitsbeschlüssen
Anm. 3: Durch Satzung oder die Geschäftsordnung für den Vorstand kann etwas anderes bestimmt werden, insbesondere, daß Stimmenmehrheit ausreicht (s. aber Anm. 8). Nach der herrschenden Lehre zu dem früheren Recht konnte weder der Aufsichtsrat noch der Vorstand das Mehrheitsprinzip einführen. Da die Geschäftsordnung sowohl vom Vorstand als auch vom Aufsichtsrat gegeben werden kann (s. Anm. 9), können beide Organe unabhängig von der Satzung das Mehrheitsprinzip einführen. 3. Verbot der Entscheidung durch eine
Minderheit
Anm. 4: Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, daß das früher bestandene Alleinentscheidungsrecht des Vorsitzenden, aber auch die Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Vorstandes durch einige Mitglieder gegen die Mehrheit unzulässig ist. Damit soll die Gefahr ausgeräumt werden, daß die anderen Vorstandsmitglieder zu bloßen Gehilfen des Vorsitzenden herabsinken und dieser vorschnell wichtige Entscheidungen trifft, und erreicht werden, daß alle Mitglieder gleichen Einfluß auf die Entscheidung haben. Die bisherige Regelung entsprach dem „Führerprinzip" und wurde der Tatsache nicht gerecht, daß der Vorstand ein Kollegialgremium ist. Der Vorsitzende kann daher lediglich bei Stimmengleichheit den Ausschlag geben, damit würde er nicht gegen die Mehrheit der Vorstandsmitglieder entscheiden, so daß diese Regelung dem § 77 I S . 2 nicht widersprechen würde. III. Form der Beschlüsse Anm. 5: Für die Beschlüsse des Vorstands, mögen sie einstimmig oder mit Mehrheit zu fassen sein, ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben. Sie können in schriftlichen Voten auf einem umlaufenden Antrag oder mündlichen protokollierten oder unprotokollierten Sitzungen oder durch Haustelefon gefaßt werden. Weder Gesetz noch kaufmännische Übung kennen — vorbehaltlich ausdrücklicher Vorschrift der Satzung — Grundsätze über Beschlußfähigkeit. Alle erreichbaren Vorstandsmitglieder sind an der Beschlußfassung zu beteiligen, indem sie zu dieser gerufen oder zur Ausführung ihres Votums aufgefordert werden. Ist ein Mitglied durch Abwesenheit oder sonstwie daran gehindert, so ist bei wichtigen Angelegenheiten (der Begriff ist relativ), die Aufschub dulden, die Behebung der Verhinderung abzuwarten und, wenn irgend möglich, das abwesende Mitglied von der beabsichtigten Beschlußfassung zu benachrichtigen, evtl. auch zu besonders wichtigen Beschlüssen, die unaufschiebbar waren, sein Votum nachträglich einzuholen.
25
Wilhelmi, Aktiengesetz
385
§ 77
Anm. 5—7
Verfassung der
Aktiengesellschaft
Im übrigen kann aber in dringenden Fällen über sein fehlendes Votum weggegangen werden. Nur kann, wenn nicht das Mehrheitsprinzip gilt, das Vorstandsmitglied, welches gefehlt hat, noch nachträglich widersprechen und ist sein Widerspruch beachtlich, wenn er nicht durch die Entwicklung der Angelegenheit, insbesondere Ausführung des Beschlusses, zu spät kommt. Aus dieser Sachlage folgt praktisch von selbst, daß nach Möglichkeit das Votum jedes Mitgliedes einzuholen ist. IV. Durchführung der Beschlüsse Anm. 6: Gilt nach der Satzung oder der Geschäftsordnung der Mehrheitsgrundsatz, so sind überstimmte Mitglieder verpflichtet, sich der Mehrheit zu beugen und, soweit erforderlich, zur Ausführung des Beschlusses mitzuwirken bzw. ein Geschäft zu unterlassen. Letzteres gilt nach dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip auch, wenn nur ein Mitglied widersprochen hat. Freilich können überstimmte Mitglieder den Aufsichtsrat anrufen, der aber nur vermittelnd, nicht bestimmend oder anweisend, eingreifen kann, da er in der Geschäftsführung positiv niemals und im allgemeinen überhaupt nicht reinzureden hat, evtl. aber ein Vorstandsmitglied (auch das widerstrebende oder widersprechende — letzteres auch beim Einstimmigkeitsprinzip — ) aus wichtigem Grunde abberufen kann. Bleibt auch der Appell an den Aufsichtsrat erfolglos, so können und müssen die überstimmten Mitglieder den Vorstandsbeschluß ausführen, ohne daß sie eine Verantwortung träfe, es sei denn wegen der Art und Weise der Ausführung oder schuldhafter Unterlassung oder Abwendung auch bei Ausführung des Beschlusses abwendbaren Schadens. Sie haben alles getan, was man von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter in ihrer Lage verlangen kann. Man kann ihnen insbesondere nicht zumuten, ihr Amt niederzulegen, wodurch ein etwaiger Schaden nicht abgewendet würde und wozu sie nach einer verbreiteten Meinung rechtlich nicht einmal in der Lage wären. Dagegen muß, wo das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip gilt, das einer Maßnahme widersprechende Vorstandsmitglied eine etwaige Abberufung durch den Aufsichtsrat in Kauf nehmen, ohne seinen Widerstand aufgeben zu dürfen. V. Geschäftsordnung 1. Inhalt Anm. 7: Der Vorstand kann eine Geschäftsordnung haben. In der Geschäftsordnung werden in der Regel alle wichtigen Fragen, die die Zusammenarbeit des Vorstandes betreffen, für einen unbestimmten Zeitraum festgelegt; insbesondere wird festgelegt, welche Mehrheit für die Gültigkeit von Vorstandsbeschlüssen notwendig sein soll, die Aufteilung der Tätigkeitsbereiche der einzelnen Vorstandsmitglieder und dergleichen. 386
Geschäftsführung
§77 Anm. 8—11
2. Erlaß Anm. 8: Wie auch sonst jedes Gremium über seine Geschäftsordnung selbst entscheidet, so kann sich der Vorstand zunächst selbst eine solche geben. Nach Satz 3 müssen aber Beschlüsse des Vorstandes, die die Geschäftsordnung betreffen, einstimmig gefaßt werden. Dies ist zwingendes Recht und kann weder von der Satzung noch von der Geschäftsordnung anders bestimmt werden. Grund hierfür ist, daß bei einer so grundlegenden Anordnung, die die gesamte Zusammenarbeit des Vorstandes umfaßt, ein nicht Übereinstimmen auch nur eines Mitgliedes untragbar wäre; insbesondere auch mit Rücksicht auf die Haftung der einzelnen Mitglieder (§ 93), deren Umfang durch die Geschäftsordnung beeinflußt werden kann (vgl. Möhring in N J W 66, 6). Anm. 9: Die Geschäftsordnung kann jedoch auch vom Aufsichtsrat erlassen werden, muß es sogar in dem Fall, in dem die Satzung ihm dies übertragen hat. In diesem Fall kann sich der Vorstand keine eigene Geschäftsordnung geben. Eine von dem Aufsichtsrat gegebene Geschäftsordnung hat immer den Vorrang vor einer solchen vom Vorstand, dies ergibt sich aus der Formulierung „ . . . erläßt". Die Geschäftsordnung des Vorstandes tritt außer Kraft, sobald der Aufsichtsrat eine solche erläßt, und der Vorstand kann sich auch keine neue geben, solange die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates noch gültig ist. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes soll der Aufsichtsrat nicht berechtigt sein, eine vom Vorstand beschlossene Geschäftsordnung zu ändern, sondern könnte dann nur eine geschlossene neue Geschäftsordnung erlassen, die allerdings Bestimmungen der Geschäftsordnung des Vorstandes übernehmen können. Diese Auslegung erscheint uns nicht richtig. Wenn der Auf sichtsrat einzelne Bestimmungen der Geschäftsordnung des Vorstandes ändert, so haben vielmehr diese geänderten Bestimmungen zusammen mit den nicht geänderten als neue Geschäftsordnung zu gelten. Anm. 10: Auch die Satzung kann — neben der Übertragung des Erlasses auf den Aufsichtsrat (s. Anm. 9) — Bestimmungen über die Geschäftsordnung bindend regeln. Sie kann z. B. die Geschäftsführung auf die Vorstandsmitglieder aufteilen oder Bestimmungen über die Beschlußfassung innerhalb des Vorstandes treffen. Praktisch läuft die gesetzliche Bestimmung des Abs. 2 S. 2 darauf hinaus, daß die Geschäftsordnung für den Vorstand vollständig in der Satzung enthalten sein kann. Die Satzung kann aber auch anordnen, daß eine vom Vorstand gegebene Geschäftsordnung der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf. 3. Form Anm. 11: Die Geschäftsordnung ist ihrer Natur nach zur Gültigkeit für einen langen Zeitraum gedacht, so daß für die Gültigkeit Schriftform verlangt werden muß (s. auch Bericht des Rechtsausschusses). 387 25*
§ 78 Anm. 1 , 2
Verfassung der Aktiengesellschaft § 78
Vertretung (1) Der Vorstand vertritt die Gesellschaft gerichtlich und gerichtlich.
außer-
(2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied. (3) Die Satzung kann auch bestimmen, daß einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Dasselbe kann der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung ihn hierzu ermäditigt hat. Absatz 2 Satz 2 gilt in diesen Fällen sinngemäß. (4) Zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Dies gilt sinngemäß, wenn ein einzelnes Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Umfang der Vertretung (Anm. 3) III. Zulässige Vertretungsarten (Anm. 4—8)
IV. Ermächtigung (Anm. 9—13) V. Haftung (Anm. 14)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht inhaltlich dem § 71 AktG 37, hat diesen sprachlich geändert und aus gesetzestechnischen Gründen neu gegliedert. Abs. 4 war früher Abs. 2 S. 2, gehört jedoch seinem Inhalt nach nicht in Abs. 2, weswegen diese Bestimmung in einem neuen Absatz normiert worden ist. Anm. 2: Während § 77 die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes behandelt, regelt § 78 seine ausschließliche Vertretungsbefugnis. Geschäftsführung und Vertretung sind jedoch kein Gegensatz. Das Handeln nach außen ist vielmehr ein Ausschnitt aus der Geschäftsführung, welche der viel weitere Begriff ist. Die rechtserheblichen Handlungen des Vorstandes als solchen sind Handlungen der Gesellschaft, nicht nur die rechtsgeschäftlichen, auch unerlaubte oder vertragswidrige eines einzelnen Mitgliedes, ohne Rücksicht auf die Gestaltung der Vertretungsbefugnis nach außen ( § 3 1 B G B ; vgl. R G in D R 41, 1937). Über die Vertretungsmacht in bezug auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu ihren Organen vgl. R G in J W 32, 720. So verwirkt die 388
Vertretung
§78 Anm. 2
Gesellschaft den Anspruch auf die Versicherungssumme, wenn ihr Vorstandsmitglied den Brand vorsätzlich angelegt hat. Inwieweit Leiter von Zweigniederlassungen, die nicht Vorstandsmitglieder sind, als Vertreter im Sinne der §§ 30, 31 BGB anzusehen sind, hängt davon ab, ob in der Satzung die Errichtung von Zweigniederlassungen vorgesehen und ob den Leitern in der Satzung oder in ihren Anstellungsverträgen eine rechtsgeschäftliche Vertretung übertragen ist ( R G 94, 320; J W 32, 2513). Für Schäden aus unerlaubter Handlung des Vorstandsmitglieds haftet die Gesellschaft nur, wenn er in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung, d. h., wenn er auch außerhalb seiner Vertretungsmacht innerhalb seines Geschäftsbereiches ( R G in D R 41, 1937) gehandelt hat (§§ 31, 823 BGB), nach R G 134, 377 jedoch nicht, wenn das Delikt gerade in der Vortäuschung ordnungsmäßiger Vertretung (Fälschung der Unterschrift eines weiteren Vertreters) besteht (vgl. Oertmann Anm. zu J W 32, 2813; über unerlaubte Handlung des Vorstands im Gründungsstadium siehe R G 151, 56; 275 sowie Anm. 23 zu § 41). Neben der Gesellschaft haftet der Vorstand bürgerlich-rechtlich als Gesamtschuldner. Die Gesellschaft kann sich nicht auf § 831 BGB berufen, sie haftet auch dann, wenn nur ein Vorstandsmitglied Täter war und Gesamtvertretungsmacht bestand, andererseits nicht ohne weiteres für Geldstrafen, die einem Vorstandsmitglied auferlegt werden, z. B. bei Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (anders bei Devisen vergehen kraft ausdrücklicher Bestimmung). Der Verurteilte hat kein Recht auf Erstattung. Die Gesellschaft kann in der Regel ihren Aktionären gegenüber nicht die Strafen freiwillig zahlen, dagegen kann sie meist die Ausgaben für die Verteidigung eines Vorstandsmitgliedes übernehmen, da sie wegen der etwaigen bürgerlich-rechtlichen Folgen meist ein eigenes Interesse an dem Strafverfahren hat. Die Gesellschaft haftet auch für eine Besitzstörung, die der Vorstand in Ausübung seiner Tätigkeit verübt. Abs. 2 stellt für den mehrköpfigen Vorstand den Grundsatz der Gesamtvertretung auf, während die Einzelvertretung und ihre Abarten (Vertretung durch mehrere, nicht alle Mitglieder oder durch eines zusammen mit einem Prokuristen), obwohl sie zufolge eines Verkehrsbedürfnisses die Regel sind, rechtlich als Ausnahme gelten. Von der rechtsgeschäftlichen Vollmacht (Generalvollmacht, Prokura, Handlungsvollmacht) handelt § 78 nicht. Diese erteilt der Vorstand, auch wenn es sich um gesetzliche Vertretung handelt, weil nämlich nach der Satzung die gesetzliche Vertretung durch ein einzelnes Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen ausgeübt werden kann. Der Vorstand kann verpflichtet werden, die Zustimmung des Aufsichtsrats dazu einzuholen ( § 1 1 1 IV), ohne daß aber die Verletzung dieses Gebots den Rechtsbestand der Vollmacht berührt. Die Zustimmung braucht daher (bei der Prokura) dem Registergericht nicht nachgewiesen zu werden. Möglich ist auch die Erteilung einer Generalvollmacht an einen Dritten ( K G in D N Z 1925, 242). Unmög389
§ 78
Anm. 2,3
Verfassung der
Aktiengesellschaft
lieh ist die Übertragung der Vorstandsstellung, also die Erteilung unabhängiger Geschäftsführungsbefugnis, wie sie in unwiderruflicher Generalvollmacht zu sehen wäre. Möglich ist die Erteilung einer Prokura auch, wenn die Gesellschaft kein Handelsgewerbe betreibt. II. Umfang der Vertretung Anm. 3: Der Vorstand ist gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft im Sinne des § 51 ZPO, er vertritt somit die AG in allen Angelegenheiten. Die Vertretungsbefugnis unterliegt lediglich den aus dem Gesetz ersichtlichen Beschränkungen, ist aber im übrigen unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 82). Eine gesetzliche Beschränkung enthält § 112 und mit diesem zusammenhängend § 246 II S. 3, wonach der Vorstand die Gesellschaft nicht gegenüber Vorstandsmitgliedern vertreten kann; in diesen Fällen vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft. Weitere Beschränkungen enthält § 246 II, wonach der Vorstand die Gesellschaft bei Anfechtungsklagen, die nicht vom Vorstand oder Aufsichtsrat ausgehen, nur zusammen mit dem Aufsichtsrat vertreten kann. Durch die Neuregelung des § 112 ist die bisher umstrittene Frage, wie die Gesellschaft bei Rechtshandlungen mit Vorstandsmitgliedern vertreten wird, insbesondere die Anwendbarkeit des § 181 BGB, gegenstandslos geworden. Der Vorstand erledigt kraft der ihm zustehenden außergerichtlichen Vertretungsmacht sämtliche Verhandlungen mit Behörden, anderen Gesellschaften, den gesamten Geschäftsverkehr usw. Als gerichtlicher Vertreter der Gesellschaft haben die Vorstandsmitglieder, ohne selbst Partei zu sein, die Rolle der Partei im Prozeß, auch die stellvertretender Mitglieder (§ 94), und können nur als Partei, nicht als Zeugen, vernommen werden (anders in den Ausnahmefällen, in denen nicht sie die Gesellschaft vertreten und in Prozessen des Konkursverwalters; über die Vernehmung eines Prokuristen s. Anm. 7). Zustellungen und Ladungen können an jedes Vorstandsmitglied rechtsgültig erfolgen, auch wenn es allein zur Vertretung nicht befugt ist. Der Fortfall eines Vorstandsmitgliedes unterbricht im Falle der Gesamtvertretung den Prozeß nur dann, wenn die für die Vertretung erforderliche Anzahl von Mitgliedern nicht mehr vorhanden ist. Beschwerden müssen von so viel Vorstandsmitgliedern eingelegt werden, als bei Gesamtvertretung zur Mitwirkung erforderlich sind. Kann nach Satzung jedes einzelne Mitglied die Gesellschaft wirksam vertreten, so kommt es im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (also bei Anmeldung zum Handelsregister, deren Widerruf und Beschwerdeverfahren), wenn der Vorstand uneins ist, darauf an, wer das letzte Wort hat (so K G in J W 39, 357). Der Offenbarungseid ist von den sämtlichen Vorstandsmitgliedern zu leisten, die zur Zeit der Eidesleistung Vorstandsmitglieder sind, evtl. das 390
Vertretung
§78 Anm. 3—5
letzte nach dem Antrag ausgeschiedene Mitglied (OLG Frankfurt in J W 1926, 2114 und 1927, 726). Verklagt der Vorstand oder eines seiner Mitglieder die Gesellschaft, so wird diese ausschließlich durch den Aufsichtsrat vertreten (§ 112). III. Zulässige Vertretungsarten Anm. 4: Die Satzung muß zwar gemäß § 23 Nr. 5 die Art der Zusammensetzung des Vorstands bestimmen, aber nicht, ob Einzel- oder Gesamtvertretung bestehen soll. Schweigt die Satzung, so gilt Gesamtvertretungsbefugnis, wenn nach der Satzung der Vorstand aus mehreren Personen bestehen muß oder bestehen kann und letzterenfalls besteht. Die gesetzliche Vertretungsmacht wird ersterenfalls nur von einer Mehrheit von Vorstandsmitgliedern getragen. Wird der Vorstand unvollständig, d. h., ist die satzungsmäßige Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern infolge rechtlicher oder tatsächlicher Behinderung eines Mitglieds nicht mehr vorhanden, so können die verbleibenden Vorstandsmitglieder die Gesellschaft nicht vertreten (RG 103, 417). Bestimmungen der Satzung nach Abs. 3 S. 1 und 2 bleiben anwendbar; wenn nicht hiernach einem Vorstandsmitglied Einzelvertretungsbefugnis erteilt ist, allein oder gemeinsam mit einem Prokuristen, muß gemäß § 84 oder ggf. § 85 ein weiteres Mitglied bestellt werden. Auch die Satzung kann nicht vorsehen, daß sich die Gesamtvertretung bei Wegfall eines Gesamtvertreters in Einzelvertretung verwandele (streitig), wohl aber, daß der Vorstand aus einer oder mehreren Personen bestehen solle. Anm. 5: Bei Gesamtvertretung und ihren Abwandlungen können sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinsam eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben. Das gilt selbstverständlich auch von mündlichen Erklärungen. Deshalb haftet die Gesellschaft auch für Verschulden bei Vertragsabschluß nur, wenn es einer zur Kollektivvertretung ausreichenden Kombination zur Last fällt (Oertmann, Anm. zu J W 33, 251, vgl. auch R G 134, 377), es sei denn, es stellt eine unerlaubte Handlung dar. Dabei besteht kein Unterschied zwischen den ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern, so daß auch die letzteren sämtlich mitwirken müssen. Es ist allerdings nicht erforderlich, daß jedes Vorstandsmitglied sich unmittelbar an der Abgabe der Willenserklärung beteiligt. So genügt es, wenn der eine Gesamtvertreter verhandelt, der andere zuhört und nicht widerspricht, desgl., daß ein Vorstandsmitglied beim Abschluß des Geschäfts mitwirkt, ohne den ganzen Inhalt des Vertrages zu kennen (RG 81, 325; 101, 342; Seuff. Arch. 90, 55). Gleichzeitige Anwesenheit der Gesamtvertreter ist nicht erforderlich, es genügt vielmehr — vorherige oder nachträgliche — Zustimmung (RG 106, 26; Schmidt-Meier-Landruth in Großkomm. § 71 Anm. 17). Handelt ein Gesamtvertreter ohne Ermächtigung allein, so liegt unvollständige Gesamtvertretung vor, welche der Ver391
§ 78 Anm. 5—7
Verfassung der Aktiengesellschaft
tretung ohne Vertretungsmacht gleichzustellen ist. Einseitige empfangsbedürftige Erklärungen sind nach § 174 BGB unwirksam. Die Wirksamkeit eines Vertrages hängt von der Zustimmung eines weiteren Gesamtvertreters ab, mit dem zusammen der handelnde Vertreter die Gesellschaft hätte vertreten können (auch hier genügt das). Die Zustimmung kann schlüssig, selbst durch Schweigen, ausgedrückt werden, bedarf nidit der für das Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Form; es genügt, wenn der Handelnde die Form erfüllt hat, sie braucht nicht gegenüber dem Vertragsgegner erklärt zu werden. Die Genehmigung setzt voraus, daß der Gesamtvertreter, der gehandelt hat, mit dem von ihm abgeschlossenen Geschäft z. Z. der Genehmigung selbst noch einverstanden ist (RG in DR 42, 1159), sie hat rückwirkende Kraft, aber zwischenzeitlich vorgenommene Verfügungen bleiben bestehen (RG 81, 32; 86, 265; 101, 342; 104, 192; 112, 215; 118, 168; 123, 288). Bis zur Genehmigung ist das Geschäft schwebend unwirksam. Das bedeutet, daß Geschäfte, die bei Vornahme durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht nichtig sind, auch bei Vornahme durch einen Gesamtvertreter ohne erforderliche Einwilligung nichtig sind. Wer gemeinschaftliches Handeln behauptet, muß dieses beweisen. Ein Beweisantritt dahin, daß die Erklärung des einen Gesamtvertreters mit Wissen des anderen abgegeben wurde, genügt nicht. § 157 BGB kann nur einschlagen, wenn letzterer wußte, daß seine Duldung dem Dritten zur Kenntnis gelangte. Anm. 6: Das Ausgeführte gilt für die Abgabe einer Willenserklärung der Gesellschaft, anders, wenn eine solche gegenüber der Gesellschaft abgegeben werden soll. Dann genügt nach zwingender Vorschrift die Abgabe gegenüber einem einzigen Vorstandsmitglied, gleichgültig ob dieses einzel- oder gesamtvertretungsberechtigt, ordentliches oder stellvertretendes Mitglied ist. Das gleiche gilt für Mitteilungen aller Art, wie Aufforderungen, Ladungen, Mängelrügen, Wechselproteste usw. Wo immer das Gesetz auf das Wissen abstellt, wie beim schlechten Glauben, Irrtum usw., genügt das Wissen eines einzigen an dem Geschäft durch Mitwirkung oder Zustimmung beteiligten Vorstandsmitgliedes (BGH 20,149; 41, 282). Anm. 7: Die Satzung kann die Vertretungsbefugnis anders regeln. Das Gesetz läßt zunächst die Einzelvertretung zu. Die Satzung kann sie unmittelbar selbst anordnen oder dem Aufsichtsrat gestatten, jedem oder einem einzelnen von mehreren Vorstandsmitgliedern die Einzelvertretungsbefugnis zu erteilen. Daraus, daß ein Mitglied des Vorstandes zum Vorsitzenden nach § 84 Abs. 2 ernannt ist, folgt nicht ohne weiteres, daß es auch alleinvertretungsberechtigt sein soll. Unzulässig ist (z. B. durch tatsächliche oder rechtliche Behinderung eines anderen Vorstandsmitglieds) bedingte Einzelvertretungsmacht (KG, JW 34, 988; abweichend RG 103, 417 ff.). Außerdem führt das Gesetz Zwischenformen an, die Abarten der Gesamtvertretung sind. 392
Vertretung
§78 Anm. 7
Meist wird bestimmt, daß nicht alle Vorstandsmitglieder, sondern jeweils zwei zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind (zulässig, obwohl gesetzlich nicht vorgesehen, RG 164, 382 ff.). Auch kann ein Teil der Vorstandsmitglieder zur Einzelvertretung, andere zur Gesamtvertretung berechtigt werden. Zulässig und häufig ist die von der Satzung oder ihr zufolge vom Aufsichtsrat getroffene Bestimmung, daß jedes einzelne Vorstandsmitglied, statt mit einem anderen Vorstandsmitglied, auch mit einem Prokuristen zur Vertretung berechtigt sein soll (sogenannte unechte Gesamtvertretung). In Wahrheit handelt es sich aber dann angesichts des moralischen Übergewichts des Vorstandsmitglieds über den Prokuristen, wie auch das Gesetz erkennen läßt, um abgeschwächte Einzelvertretung. In einem solchen Fall kann auch die Anmeldung zum Handelsregister durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen geschehen, wo das Gesetz nicht die Mitwirkung aller Vorstandsmitglieder vorschreibt (KG in JW 38, 3121). Aufgrund des Inhaltes der Anmeldung kann sich jedoch etwas anderes ergeben. Bei den einzelnen Bestimmungen wird hierauf besonders hingewiesen werden. Unzulässig ist die Bindung an die Mitwirkung eines Aufsichtsratsmitgliedes. Unzulässig ist, wenn der Vorstand nur aus einer Person besteht, die Bestimmung, daß diese nur zusammen mit einem Prokuristen vertretungsberechtigt ist, weil darin eine Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht liegen würde. Dagegen hat es aber, wenn die Satzung Gesamtvertretung vorsieht, bei dieser (Vertretung gemeinsam mit einem Prokuristen) sein Bewenden, wenn von zwei Vorstandsmitgliedern das eine fortfällt, es sei denn, daß nach Satzung der Vorstand aus einer oder mehreren Personen besteht. Zulässig ist die Bestimmung, daß der Vorstand nur zusammen mit einem Prokuristen „zeichnen" dürfe (a. A. Schmidt-Meier-Landruth in Großkomm. § 71 Anm. 8). Eine solche Bestimmung hat selbstverständlich nur intern, nicht nach außen Wirkung. Freilich darf dadurch die Geschäftsführung des Vorstandes nicht beschränkt sein, so daß der Prokurist auf Anordnung des Vorstandsmitglieds mitzeichnen muß. In diesem Fall hat die Vertretungsmacht des Prokuristen nicht den Umfang derjenigen eines gesetzlichen Vertreters, was aber belanglos ist, weil die Bestimmung ohnedies nach außen nicht wirkt und nur die Bedeutung hat, daß der Prokurist von allen Rechtshandlungen des Vorstands Kenntnis erhält. Schuldrechtlich kann mit einem bestimmten Dritten (z. B. der Bankverbindung) jede Beschränkung gegenüber diesem wirksam vereinbart werden, z. B., daß Abhebungen vom Konto der Gegenzeichnung eines bestimmten Vorstandsmitglieds oder eines Aufsichtsratsmitglieds, eines Angestellten bedürfe. Natürlich muß die Vereinbarung, um wirksam zu sein, von den Vertretungsberechtigten selbst getroffen sein. Weiterhin ist es zulässig, daß ein Prokurist im Rahmen der Prokura Alleinvertretungsbefugnis hat, während Vorstandsmitglieder als solche nur gesamtvertretungsberechtigt sind. 393
§ 78
Anm. 7—9
Verfassung der
Aktiengesellschaft
In allen Fällen, in denen ein Vorstandsmitglied mit einem Prokuristen zusammen handelt, ist der Umfang der Vertretungsmacht nicht durch den der Prokura, sondern durch den der gesetzlichen Vertretungsmacht des Vorstands bestimmt (RG 134, 306), weil diese unbeschränkbar ist. Der Prokurist ist dabei seinerseits nicht an die Weisung des Vorstands gebunden, es sei denn, der Vorstand besteht nur aus einer Person (siehe oben). Gesetzlicher Vertreter ist auch bei dieser unechten Gesamtvertretung nur die beteiligte Vorstandsperson, welche, statt die Vertretungsmacht allein ausüben zu können, an die Mitwirkung eines Prokuristen gebunden ist. Letzterer ist daher im Prozeß nicht Partei, sondern ist als Zeuge zu vernehmen (RG 102, 331). Der Vorstand kann auch General- oder Spezialvollmachten in der Weise erteilen, daß der Bevollmächtigte nur zusammen mit einem Vorstandsmitglied, einem Prokuristen oder anderen Bevollmächtigten die Gesellschaft vertreten kann. Filialleiter werden häufig mit solchen Generalvollmachten ausgestattet. Prokuristen bedürfen in einem solchen Fall keiner besonderen Ermächtigung zur Zeichnung mit dem Bevollmächtigten (LG Berlin J W 37, 2835). Die Gesamtvertretungsbefugnis kann nicht auf einen Gesamtvertreter übertragen oder diesem von einem Gesamtvertreter Generalvollmacht erteilt werden. Dies würde dem Sinn der Gesamtvertretung widersprechen. Ein Prokurist, der anstelle eines Vorstandsmitgliedes die Gesellschaft zusammen mit einem anderen Vorstandsmitglied vertritt — sofern dies zulässig ist —, vertritt nicht etwa das Vorstandsmitglied, sondern handelt als Vertreter der Gesellschaft in eigener Verantwortlichkeit (BGH 13, 61 ff., 64). Anm. 8: Die gleichen Bestimmungen, welche die Satzung über die Vertretungsbefugnis treffen kann, können auch vom Aufsichtsrat getroffen werden (§ 78 I I I S. 2). Dieser kann seine Befugnisse einem Ausschuß übertragen, da § 78 I I I S. 2 in § 107 I I I S. 2 nicht genannt ist. Dagegen können die Bestimmungen nicht von der Hauptversammlung (RG 164, 184), erst recht nicht von einem Dritten, getroffen werden, jedoch auch vom Aufsichtsrat nur, wenn die Satzung, sei es die ursprüngliche oder die später abgeänderte, eine ausdrückliche Ermächtigung in dieser Richtung enthält. Ist dies der Fall, kann der Aufsichtsrat auch durch nachträgliche Ermächtigung ein von einem einzelnen Vorstandsmitglied abgeschlossenes Rechtsgeschäft rechtswirksam machen, wenn der nun Ermächtigte dabei bleibt. Nicht nach dem Gesetzeswortlaut, aber nach herrschender Ansicht, kann die Satzung den Aufsichtsrat auch ermächtigen, Einzelvertretung in Gesamtvertretung umzuwandeln. Über Anmeldung im Handelsregister siehe § 81. IV. Ermächtigung Anm. 9: Ein einzelnes Vorstandsmitglied kann nicht nur von der Satzung oder gemäß ihrer vom Aufsichtsrat mit Einzelvertretungsbefugnis ausgestattet 394
Vertretung
§78 Anm. 9,10
werden, sondern für einzelne bestimmte Rechtsgeschäfte oder dauernd für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften auch vom Vorstand. Auch dann bleibt es dabei Träger der gesetzlichen Vertretungsmacht. Es handelt sich um die Befugnis, diese allein auszuüben (Schmidt-Meier-Landruth in Großkomm. § 71 Anm. 13; Brodtmann § 232 HGB Anm. 4 b ; Schilling-Hachenburg § 35 Anm. 13). Die herrschende Lehre sieht in der Ermächtigung des Abs. 4 eine echte Handlungsvollmacht im Sinne des § 54 HGB (RG 80, 180; Teichmann-Köhler § 71 Anm. 3 b; Schl.-Qu. Anm. 17; Staub § 232 HGB Anm. 7; ähnlich auch Baumbach-Hueck § 71 Anm. 3 B, der dem Streit allerdings jede praktische Bedeutung abspricht). Die Erteilung einer Vollmacht an ein eigenes Willensorgan der Gesellschaft selbst, dessen Wille also ihr eigener Wille ist, nicht der eines Dritten, ist an und für sich begriffswidrig und unvorstellbar. Aus diesem Grunde ist die herrschende Lehre abzulehnen. Die Ermäditigung ist nicht vom gesamten Vorstand zu erteilen, sondern es genügen die zur Vertretung notwendigen Mitglieder bzw. Prokuristen. Der zu Ermächtigende kann bei der Erteilung der Ermächtigung selbst mitwirken (Baumbach-Hueck § 71 Anm. 3 B; Schmidt-Meier-Landruth in Großkomm. § 71 Anm. 12; RG 80, 180). Demnach ist es auch möglich, daß sich ein Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen eine derartige Ermächtigung erteilt, sofern es mit diesem Prokuristen die Gesellschaft vertreten kann (anders die Vorauflage), dem Prokuristen hingegen kann eine derartige Ermächtigung nicht erteilt werden. Da die Ermächtigung die Befugnis ist, die gesetzliche Vertretungsmacht allein auszuüben (siehe oben), würde dies unvereinbar mit der Stellung eines Prokuristen sein, da dieser nicht allein als gesetzlicher Vertreter auftreten kann. Wird trotzdem eine derartige Ermächtigung erteilt, so ist hierin eine echte rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung zu sehen (ebenso Schmidt-Meier-Landruth in Großkomm. § 71 Anm. 12). Eine Form ist für die Ermächtigung nicht vorgeschrieben. Sie kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden, z. B. durch Mitunterschrift des mit dem Ermächtigenden abgeschlossenen Geschäfts, auch nur als Geschäftsgegner. Wenn bei diesem organisatorischen Akt auch Erklärung gegenüber einem Dritten nicht in Frage kommt, so haftet doch, wie jedermann, die AG nach außen für den von ihr erzeugten Rechtsschein (BGH 5, 112; RG 144, 388), doch muß an der Erzeugung des Rechtsscheins eine zur Kollektivvertretung ausreichende Kombination von Vertretern beteiligt sein. Überdies kann im Einzelfall, was nicht immer genügend geschieht (vgl. RG 123, 288), stillschweigende Mitwirkung eines anderen Gesamtvertreters an einer Rechtshandlung durch Zustimmung (Einwilligung) vorliegen, worauf unmittelbar § 157 BGB anzuwenden ist. Anm. 10: Widerruf der Ermächtigung ist jederzeit möglich. Fraglich ist, wer widerrufen kann, insbesondere bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb 395
§ 78 Anm. 10—14
Verfassung der Aktiengesellschaft
des Vorstandes. Man wird davon ausgehen müssen, daß der Vorstand in seiner Gesamtheit darüber zu entscheiden hat. Es wäre anderenfalls denkbar, daß jeweils zwei zur Vertretung berechtigte Vorstandsmitglieder (oder gar einer bei Einzelvertretung) eine Ermächtigung erteilt und zwei andere diese widerrufen und evtl. so ein ständiges Wechselspiel veranstalten könnten. Anm. 11: Mit der Ermächtigung können keine Beschränkungen verbunden werden, die nach außen gelten. Ebenfalls kann einem Dritten nicht die Kenntnis interner Bindungen entgegengehalten werden, wenn der Ermächtigende diese Bindungen übertritt, weil das ermächtigte Vorstandsmitglied eben selbst Willensorgan der Gesellschaft ist und diese Bindungen regelmäßig selbst aufheben kann. Anm. 12: Nach § 81 ist die Ermächtigung nicht zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, wo sie aber bestimmte Arten von Geschäften betrifft und für die Dauer erteilt ist, ist die Eintragung unbedenklich. Anm. 13: Zu beaditen ist, daß eine derartige Ermächtigung nur für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften erteilt werden kann. Das bedeutet, daß die gesamte Vertretungsmacht nicht abgetreten werden kann, da diese praktisch die Bestellung eines Einzelvertreters darstellen würde, wozu der Vorstand nicht in der Lage ist (BGH 34, 27 ff., 30; a. A. Helm in N J W 1961, 1505 f. und 1962, 1333, der allerdings die Ermächtigung als die Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht ansieht). V. Haftung Anm. 14: Für unerlaubte Handlungen der Vorstandsmitglieder haftet die Gesellschaft nach § 31 BGB. Der Vorstand handelt als Organ der Gesellschaft für diese, so daß dieses Handeln der Gesellschaft zugerechnet werden muß. Die Gesellschaft haftet für unerlaubte Handlungen jedes einzelnen Vorstandsmitgliedes, selbst wenn es nur gesamtvertretungsberechtigt ist (RG 110, 145; 117, 61), wobei jedoch die unerlaubte Handlung immer in Ausübung der dem Vorstand zustehenden Verrichtungen geschehen sein muß (RG 94,318). Eine strafrechtliche Haftung der Gesellschaft gibt es nicht, da eine Bestrafung juristischer Personen dem deutschen Strafrecht fremd ist (nach besatzungsrechtlichen Bestimmungen war es aber möglich, siehe B G H in N J W 53, 1838). Es haftet das Vorstandsmitglied persönlich. Es besteht jedoch ein großes Bedürfnis, auch der Gesellschaft die Vorteile aus einer strafbaren Handlung des Vorstandes zu nehmen, darum ist eine Haftung der AG für verschiedene Strafen und Bußen, die durch strafbare Handlung ihrer Organe 396
Zeichnung durch Vorstandsmitglieder
§ § 78 / 79
Anm. 14 verursacht worden sind, festgelegt: § 103 A O ; § 5 Wirtschaftsstrafgesetz, § 4 1 Kartellgesetz. § 79 Zeichnung durch Vorstandsmitglieder Vorstandsmitglieder zeichnen für die Gesellschaft, indem sie der Firma der Gesellschaft oder der Benennung des Vorstands ihre Namensunterschrift hinzufügen. § 79 stimmt inhaltlich mit dem § 72 AktG 37 überein. Er enthält lediglich eine Ordnungsvorschrift (RG 83, 124), ihre Verletzung berührt nicht die Wirksamkeit der f ü r die Gesellschaft abgegebenen Willenserklärung (RG 119, 114). Sie entspricht dem f ü r die Prokura geltenden § 51 H G B und gilt an sich nur f ü r das Verhältnis nach außen, findet jedoch entsprechende Anwendung f ü r das Verhältnis nach innen, z. B. f ü r den Verkehr mit den Aktionären. Durch die Satzung kann eine vom § 79 abweichende Form, in der der Vorstand zu zeichnen hat, bestimmt werden, jedoch sind solche Bestimmungen praktisch ohne Bedeutung, da sie nach außen völlig unwirksam sind und im Innenverhältnis auch nur als Ordnungsvorschrift beschränkte Bedeutung haben. Der Zeichnende hat an sich sowohl die Firma als auch seinen Namen zu schreiben. Es genügt jedoch in allen Fällen, wenn die Firma gestempelt und gedruckt wird und nur der Name des Vorstandsmitgliedes selbst geschrieben ist (das gilt auch bei Wechselurkungen, R G 118, 169). Handelt es sich um formfreie Erklärungen, genügt auch eine faksimilierte Unterschrift. Es muß lediglich ersichtlich sein, daß die Erklärung von der Gesellschaft stammt (RG in H R R 28, 338). Zu unterscheiden von diesen Fällen sind die Fälle, in denen gesetzlich Schriftform vorgeschrieben ist. Hier muß eine handschriftliche Unterschrift vorhanden sein, sei es mit der Firma (RG 78, 69) oder den Namen der Vorstandsperson, so daß — auch bei Formbedürftigkeit — die Firma nicht geschrieben zu sein braucht, wenn erkennbar ist, daß die Erklärung von der Gesellschaft abgegeben wird. Nicht notwendig ist jedoch die Erfüllung der Form des § 79 in allen Einzelheiten. Es genügt die Unterschrift eines Vorstandsmitgliedes, auch im Falle der Gesamtvertretung, wenn ein weiteres Vorstandsmitglied mit der Unterzeichnung einverstanden war. Es genügt auch, wenn nur die Firma von einem Vorstandsmitglied gezeichnet ist, ohne Zufügung des Namens (streitig). Voraussetzung ist in letzteren Fällen allerdings, daß das Vorstandsmitglied, das gezeichnet hat, damit eine vollständige abgeschlossene Unterschrift abgeben wollte. Notarielle oder gerichtliche Urkunden sind von den „Beteiligten", das sind jene, deren Erklärungen beurkundet wurden, persönlich zu zeichnen, auch wenn Erklärungen von Vorstandsmitgliedern einer Gesellschaft beurkundet worden sind, die sie in deren Namen abgegeben haben. 397
§80 Anm. 1—4
Verfassung der Aktiengesellschaft
§ 80 Namensangabe Auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen alle Vorstandsmitglieder und der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen sowie der Sitz der Gesellschaft angegeben werden. Der Vorsitzende des Vorstands ist als solcher zu bezeichnen. Der Angabe bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. Anm. 1: Die Vorschrift stimmt in Satz 1 und 2 mit den Bestimmungen des § 100 AktG 37 überein, verlangt aber neu auch die Angabe des Sitzes der Gesellschaft. Satz 3 entspricht § 19 Abs. 1 der 1. DVO zum AktG von 1937, erweitert jedoch die danach zugelassenen Ausnahmen (siehe Anm. 4). Anm. 2: Die Bestimmung soll der als Mangel empfundenen Anonymität der Gesellschaft entgegenwirken. Die Inhaberaktie und die sich aus ihr ergebende Anonymität der Gesellschaft läßt sich ohne Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Zwecks der Aktiengesellschaft nicht beseitigen. Wohl aber ist es möglich, die Persönlichkeiten der Verwaltung stärker nach außen hervortreten zu lassen. Derselbe Gedanke waltet in § 148 IV und § 166 I Nr. 4. Auf den Geschäftsbriefen sind nicht sämtliche Aufsichtsratsmitglieder, sondern nur der Aufsichtsratsvorsitzende, nicht auch der stellvertretende, aber sämtliche Vorstandsmitglieder, auch die stellvertretenden, anzugeben. Der Vorstandsvorsitzende ist als solcher zu bezeichnen. Ferner ist der Sitz der Gesellschaft anzugeben, weil — so die amtliche Begründung — häufig nur der Sitz der Zweigniederlassung oder der Betriebsstätte angegeben sei. Anm. 3: Nach bisherigem Recht mußten die Angaben auf sämtlichen Geschäftsbriefen gemacht werden. Es ist nicht notwendig, bei Briefen, Bekanntmachungen oder Anzeigen, die ihrer Natur nach nicht an bestimmte Personen gerichtet sind, derartige Angaben zu fordern. Das Gesetz beschränkt daher die Anforderung des § 80 auf solche Geschäftsbriefe, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind. Es sind diese Angaben daher nicht erforderlich bei Werbeschriften — es sei denn, sie werden an bestimmte Personen versandt — Rechnungen, Quittungen — es sei denn, sie sind Briefe durch sonstige weitere in ihnen enthaltene Mitteilungen — und ebenso nicht bei Mitteilungen an die Aktionäre. Anm. 4: Eine Ausnahme beinhaltet der Satz 3, wonach die Angaben entbehrlich sind bei Mitteilungen und Berichten, für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in die lediglich die für den Einzelfall erforderlichen An398
Änderung des Vorstands
§§80/81 Anm. 4—6 / 1
gaben eingefügt werden müssen. Diese Vorschrift stimmt mit § 19 I N r . 1 der 1. D V O überein und erweitert die dort getroffenen Bestimmungen insofern, als die Ausnahme für Berichte und Mitteilungen schlechthin gilt und nicht nur für Mitteilungen im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung. Nicht übernommen wurde die N r . 2 des § 19 I der 1. D V O , sie soll jedoch nach der amtlichen Begründung ebenfalls gelten. Danach sollen die Angaben gemäß Satz 1 und 2 auch bei regelmäßigen Berichten an Behörden und andere Stellen entbehrlich sein. Hieraus wiederum ergibt sich, daß derartige Berichte grundsätzlich mit allen Angaben versehen werden müssen und nur „regelmäßige" Berichte unter die Ausnahmen fallen; eine zeitliche Regelmäßigkeit ist hierunter nicht zu verstehen, sondern Berichte, die aufgrund allgemeiner Bestimmungen zu erstellen sind (Schl.-Qu. Anm. 6 zu § 19; Schmidt-Meier-Landruth § 100 Anm. 3). Nicht übernommen wurde § 19 II der 1. D V O , so daß in Zukunft auch die Geschäftsbriefe ins Ausland mit allen Angaben der Sätze 1 und 2 versehen sein müssen.
Anm. 5: Der Vorstand kann vom Registergericht nach § 407 I zur Erfüllung seiner Verpflichtung durch Ordnungsstrafe gezwungen werden. Ein Verstoß gegen § 80 führt nicht etwa bürgerlich-rechtliche Nichtigkeit der Erklärung herbei, da § 80 keine Formvorschrift ist. Anm. 6: Für ausländische Gesellschaften gilt § 80 nicht, auch nicht, soweit es sich um den Verkehr ihrer inländischen Zweigniederlassungen handelt. § 81 Änderung des Vorstands und der Vertretungsbefugnis seiner Mitglieder (1) Jede Änderung des Vorstands oder der Vertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds sowie eine Anordnung des Aufsichtsrats nach § 78 Abs. 3 Satz 2 hat der Vorstand zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Änderung oder Anordnung in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft beizufügen. (3) Die neuen Vorstandsmitglieder haben ihre Namensunterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen.
Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 73 A k t G 37 und hat lediglich in Absatz 3 das Wort „Unterschrift" durch „Namensunterschrift" ersetzt, um die Bestimmung den § § 3 7 und 126 BGB anzupassen. 399
§81 Anm. 2—5
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 2: Nach § 39 sind die Mitglieder des Vorstandes sowie die etwaigen Bestimmungen über ihre Vertretungsbefugnis in das Handelsregister einzutragen. § 81 sorgt dafür, daß jede Änderung in den Personen des Vorstands oder in der Art der Ausübung ihrer Vertretungsmacht durch Eintragung in das Handelsregister und durch Veröffentlichung bekannt wird. Die Eintragung hat keine konstitutive Wirkung. Ob jemand Vorstandsmitglied ist, hängt davon ab, ob er ordnungsmäßig bestellt ist (vgl. §§ 84, 85). Wenn nicht, so kann auch die Eintragung nicht bewirken, daß er vertretungsberechtigt wird. Die Gesellschaft aber kann dem Dritten, der sich auf die Eintragung und Veröffentlichung beruft, nicht entgegenhalten, daß die Bestellung nicht rechtsgültig sei, ebenso nicht, daß er nicht mehr Vorstandsmitglied sei (§15 HGB; RG 144, 388). Anm. 3: Über die Eintragung und Bekanntmachung des ersten Vorstands vll. §§ 39, 40, über die Hinterlegung der Namensunterschrift § 37 III. Das Gesetz schreibt vor, daß jede Änderung in den Personen des Vorstandes anzumelden ist. Veränderung des Wohnsitzes eines Vorstandsmitglieds ist nicht einzutragen, aber eine Namensänderung (Heirat, Adoption) ist anzumelden und die neue Unterschrift zu hinterlegen. Anm. 4: Anzumelden ist ferner jede Veränderung der Vertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds, auch wenn diese auf eine Anordnung des Aufsichtsrats gemäß § 78 III S. 2 beruht. Gemeint ist hier die Art der Ausübung der Vertretung in Form der Einzelvertretung oder Gesamtvertretung mit ihren Unterarten. Die Vertretungsbefugnis selbst ist gesetzlich geregelt und unbeschränkbar (§ 82). Es ist gleichgültig, ob diese Änderung durch rein tatsächliche Vorgänge (Bestellung eines weiteren Vorstandsmitglieds zu dem bisher allein vorhandenen, wenn die Satzung in einem solchen Fall automatisch die bisherige Einzelvertretung zu einer Gesamtvertretung werden läßt), durch Satzungsänderung oder durch eine Anordnung des Aufsichtsrats nach § 78 III S. 2 herbeigeführt ist. Nicht anzumelden ist eine Ermächtigung nach § 78 IV, ebensowenig die Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden, wenn ihm nicht Einzelvertretungsmacht erteilt ist (herrschende Ansicht). Anm. 5: Die Anmeldung obliegt der Gesellschaft, braucht also nicht durch sämtliche Vorstandsmitglieder, sondern nur durch so viele, wie zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind, zu erfolgen. Ein Vorstandsmitglied kann zusammen mit einem Prokuristen anmelden (KG JW 38, 3121). Die Anmeldung nur durch Prokuristen ist unzulässig (allgemeine Ansicht). Dagegen kann der Vorstand sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (sehr weitgehend KG in JW 32, 2626). Die Vollmacht muß öffentlich beglaubigt sein (§ 12 II HGB). Ein ausgeschiedenes Mitglied kann nicht mehr anmelden, 400
Änderung des Vorstands
§81 Anm. 5—8
da es nicht mehr Vorstand ist. Wenn nicht mehr genügend vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder vorhanden sind, muß zunächst ein neuer Vorstand bestellt werden, evtl. nach § 85, der dann das Ausscheiden des früheren Mitglieds anzumelden hat. Die Anmeldung ist persönlich bei dem Gericht (§ 14) zu bewirken oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen (§ 1 2 H G B ) . Die Vorschriften sind zwingend. Das Registergericht kann die Anmeldung gemäß § 14 HGB durch Ordnungsstrafe erzwingen, ebenso hat jedes Vorstandsmitglied einen klagbaren Anspruch gegen die Gesellschaft auf Bewirkung der ordnungsmäßigen Eintragung. Dieser geht auch dahin, daß die richtigen Gründe für das Erlöschen des Amtes angegeben werden (OLG Frankfurt/M. J W 30, 2983). Die Vollstreckung erfolgt gemäß § 894 ZPO (KG in K G J 41 A 100; a. A. Brodtmann § 234 H G B Anm. 2 c, der § 888 ZPO anwenden will). Anm. 6: Der Anmeldung sind die Urkunden, aus denen sich die Änderung ergibt oder beglaubigte Abschriften davon beizufügen. Werden die Urschriften vorgelegt, so brauchen diese nicht öffentliche Urkunden zu sein. Im Falle der Abberufung nach § 84 I I I muß der Beschluß des Aufsichtsrats vorgelegt werden; wird aber statt der Urschrift eine Abschrift vorgelegt, so muß diese öffentlich beglaubigt sein, auch wenn die Urschrift eine öffentliche Urkunde und auch, wenn sie eine Privaturkunde ist. Sind Zweigniederlassungen vorhanden, so sind eine ihrer Zahl entsprechende Stückzahl beglaubigter Abschriften der Anmeldungen bei dem Gericht der Hauptniederlassung einzureichen. Auch die Zeichnung der Unterschriften hat in der gleichen Stüdezahl zu erfolgen. Das Registergericht hat zu prüfen, ob die Beschlüsse der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats, durch die die Änderung herbeigeführt ist, nach Gesetz und Satzung ordnungsmäßig zustande gekommen sind und ggf. Ermittlungen anzustellen. Da diese Prüfung nur dem Registergericht des Sitzes obliegt, sind die Urkunden über die Änderung bzw. die Anordnung des Aufsichtsrats nur in einem Stück beizufügen. Über das Recht, Ordnungsstrafe zu verhängen, vgl. Anm. 5. Der Inhalt der Eintragung ist gemäß § 10 HGB in den Blättern des Gerichts bekanntzumachen. Die Kosten der Anmeldung und der Bekanntmachung trägt die Gesellschaft. Anm. 7: Die neuen Vorstandsmitglieder haben ihren Namen zu zeichnen, nicht die Firma. Die Zeichnung muß persönlich geschrieben werden. Unterschrift durch Bevollmächtigte ist unzulässig. Über Zweigniederlassungen siehe § 43 IV. Anm. 8: Über Bekanntmachung durch das Registergericht siehe zu § 25 am Ende. 26
Wilhelmi, Aktiengesetz
401
§82 Anm. 1—3
Verfassung der Aktiengesellschaft
§ 82 Beschränkungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis (1) Die Vertretungsbefugnis des Vorstands kann nicht beschränkt werden. (2) Im Verhältnis der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft sind diese verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft die Satzung, der Aufsiditsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtsrats für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Beschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis (Anm. 3—6) III. Beschränkbarkeit der Geschäftsführungsbefugnis (Anm. 7—9)
IV. Prüfung durch das Gericht (Anm. 10) V. Verstoß (Anm. 11)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt inhaltlich die Bestimmungen des § 74 AktG 37, unterscheidet aber auch hier genauer zwischen Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis. Da der Gesetzgeber in § 77 die Geschäftsordnung normiert hat, ist die Bindung des Vorstandes folgerichtig auch auf Beschränkungen ausgedehnt worden, die sich aus dieser Geschäftsordnung ergeben. Anm. 2: Die Vorschrift handelt von der Geschäftsführungsbefugnis (Abs. 2) als einer beschränkbaren, sowie von der Vertretungsbefugnis (Abs. 1) als einer unbeschränkbaren. Damit haben sich die Bestrebungen, die Vertretungsmacht in ähnlicher Weise einzuschränken, wie dies durch die ultra-viresLehre im angelsächsischen Recht der Fall ist, nicht durchgesetzt. II. Beschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis Anm. 3: Das Gesetz sagt nicht ausdrücklich, wie im § 74 AktG 37, daß die Beschränkung der Vertretungsmacht Dritten gegenüber unwirksam sei, sondern trifft allgemein die Feststellung, daß die Vertretungsmacht des Vorstandes nicht beschränkt werden kann. Damit ist jedoch keine Änderung eingetreten, vielmehr ist die Folge der Unbeschränkbarkeit, daß eine trotzdem ausgesprochene Beschränkung Dritten gegenüber wirkungslos ist. Daraus folgt, daß der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit nicht bei gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten gelten kann, wie z. B. beim Einfordern der Stammeinlagen von den Aktionären (ebenso Schmidt-Meier-Landruth in Großkomm. § 74 Anm. 13). 402
Beschränkung der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis
§ 82
Anm. 4—6 Anm. 4: Die Vertretungsmacht des Vorstandes unterliegt jedoch trotz Abs. 1 gesetzlichen Beschränkungen. So geht regelmäßig neben der nach Abs. 2 möglichen Beschränkung der Geschäftsführung dann auch eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis einher, wenn die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auf Gesetz beruht. Dies ist dann der Fall, wenn auch nach außen die Wirksamkeit des Geschäfts die vom Gesetz vorbehaltene Zustimmung eines anderen Organs voraussetzt. So kann der Vorstand laut ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung nicht ohne einen Beschluß der Hauptversammlung eine Verschmelzung durchführen (§ 340), Unternehmensverträge abschließen (§ 293) oder dgl. Davon verschieden ist die gesetzliche Sonderregelung der Zuständigkeit zur Vertretung. Eine auf Satzung, Aufsichtsrats-, Hauptversammlungsbeschluß oder Geschäftsordnung beruhende Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis schränkt die Vertretungsmacht nicht ein, ist vielmehr gegenüber Dritten ohne Rechtsfolge (vorbehaltlich der §§ 138, 826 BGB). Die Beschränkung ist gegenüber dem Dritten unwirksam, auch wenn sie ihm bekannt war (JW 1937, 2187). Daß ein Mißbrauch der Vertretungsmacht ein Handeln ohne Vertretungsmacht sei, ist damit abgelehnt. Unter Umständen kann dem Dritten, der den Mißbrauch erkennt, aus § 826 BGB der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengehalten werden. Ein solcher Mißbrauch kann schon in zweckfremden Geschäften liegen (RG 145, 314). Keine Beschränkung stellt die Gesamtvertretung dar, die vom Gesetz als grundsätzliche Regelung vorgeschrieben ist, und ihre Unterarten. Die Vertretungsmacht wird auch nicht durch den Zweck des Unternehmens beschränkt (RG 115, 246 ff., 249); dieser stellt lediglich eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis dar. Anm. 5: Der Vorstand kann von sich aus die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes von der Zustimmung eines Organs der Gesellschaft abhängig machen (OLG 42, 221). Da dies den Vertragspartnern gegenüber zu erklären ist, liegt ein wirksames Geschäft unter einer Bedingung vor. Anm. 6: Für ausländische Gesellschaften gilt auch hinsichtlich der Beschränkung der Vertretungsmacht das Heimatrecht. Sind nach diesem Beschränkungen möglich, so sind diese Dritten gegenüber jedoch nur dann wirksam, wenn sie im Handelsregister eingetragen worden sind; denn es kann niemandem zugemutet werden, umfangreiche Untersuchungen darüber anzustellen, ob Beschränkungen nach dem in Frage kommenden ausländischen Recht möglich und ihm gegenüber wirksam sind. 26*
403
§ 82 Anm. 7, 8
Verfassung der Aktiengesellschaft
III. Beschränkbarkeit der Geschäftsführungsbefugnis Anm. 7: § 82 II handelt von Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis, und zwar nicht von solchen Beschränkungen, welche kraft Gesetzes bestehen, sondern von solchen, die durch Satzung, Aufsichtsrat, Hauptversammlungsbeschluß oder Geschäftsordnung angeordnet sind. Sonach kann die Geschäftsführungsbefugnis beschränkt werden. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß daraus nur eine Verpflichtung des Vorstandes entspringen kann, die Schranken innezuhalten, denn es wäre nicht wohl denkbar, daß die Gültigkeit seiner Anordnung gegenüber Angestellten und Arbeitern von ihrer Beobachtung abhängig sein und daß er gegen diese keinen Anspruch auf Gehorsam haben sollte, wenn er jene Schranken übersieht. Unmöglich ist es, seine eigenen geschäftlichen Handlungen als nicht geschehen anzusehen, weil sie solchen Beschränkungen zuwiderliefen. Von gesetzlichen Beschränkungen, welche sich aus der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung ergeben, handelt § 82 nicht. Nach der Fassung des § 74 AktG 37 war es zweifelhaft, ob die Vorschrift selbst der Satzung und dem Aufsichtsrat die Blankoermächtigung gab, Vorschriften zu erlassen, welche die Geschäftsführungsbefugnis einengen, oder ob er deren Zuständigkeit nach anderen Bestimmungen voraussetzt. § 82 hat darum klar herausgestellt, daß die Geschäftsführungsbefugnis nicht beliebig beschränkt werden kann, sondern nur im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft zulässig ist. Es ist aber zu beachten, daß Satzung und Aufsichtsrat die Beschränkungen selbst vorschreiben müssen und nicht anderen gestatten können, sie anzuordnen. Weder Satzung noch Aufsichtsrat können nach allgemeiner Meinung die Zustimmung eines einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes (z. B. des Aufsichtsratsvorsitzenden) oder gar eines Dritten (Konzernspitze), auch nicht eines Beirats, vorsehen. Es kann auch nicht etwa der Hauptversammlung oder Aktionären als Sondervorteil nach § 26 oder einer Aktiengattung satzungsmäßig Einfluß auf die Geschäftsführung etwa in der Weise eingeräumt werden, daß sie ihre Zustimmung zu bestimmten Geschäften (Anstellungen, Ernennungen, Prokuren) vorbehalten oder ihnen ein Veto-Recht gegeben wird. Anm. 8: Die Gesetzesstelle, welche voraussetzt, daß die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes beschränkt werden kann, sagt nichts über den zulässigen Umfang der Beschränkungen. Der Aufsichtsrat kann den Vorstand gemäß § 111 IV (s. Anm. dort) verpflichten, zu bestimmten Geschäften oder bestimmten Arten von Geschäften seine Zustimmung einzuholen. Dies ist gleichbedeutend mit einem Verbot bestimmter Geschäfte, das selbstverständlich durch seine Zustimmung hinfällig wird. Die Beschränkung kann sich aber auch gegen einzelne Vorstandsmitglieder richten, insofern, als angeordnet werden kann, daß bestimmte Mitglieder zu bestimmten Geschäften die Zu404
Beschränkung der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis
§ 82
Anm. 8
Stimmung des Aufsichtsrats einholen müssen, schlechthin oder wenn nicht ein zweites oder bestimmtes anderes Vorstandsmitglied zustimmt. Über Vorstehendes hinaus kann der Aufsichtsrat nicht gehen, insbesondere dem Vorstand nicht allgemein vorschreiben, seine Weisungen zu befolgen. Der Hauptversammlung steht nach § 119 das Recht überhaupt nicht zu, in Fragen der Geschäftsführung zu entscheiden (Abs. 2), es sei denn, sie wird vom Vorstand deswegen angegangen. In diesem Fall ist dieser nach § 83 gebunden, ein von der Hauptversammlung abgelehntes Geschäft zu unterlassen. Anträge zu stellen und Wünsche zu äußern, ist der Hauptversammlung natürlich unbenommen; diese entlasten den Vorstand, sofern sie sich zu einem Beschluß verdichtet haben, wenn der Vorstand ihnen Rechnung trägt (§ 93 I V ) , dagegen kann nach § § 8 2 111 I V auch die Satzung den Vorstand anweisen, zu bestimmten Geschäften oder Arten von Geschäften die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen (nicht der Hauptversammlung). Wie weit die Satzung darüber hinaus die Geschäftsführung des Vorstands einschränken kann, ist ungeklärt. Sicher ist, daß auch sie die gesetzliche Zuständigkeitsordnung nicht ändern kann, vielmehr dem Vorstand die ihm nach § 76 zustehende Leitung der Gesellschaft belassen muß. Daher kann die Satzung den Vorstand nicht den Weisungen des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung unterwerfen. Aus der Satzung können sich Richtlinien für die Geschäftsführung des Vorstands ergeben. In erster Linie kommt die Sachbestimmung über den Gegenstand des Unternehmens in Frage, die nach § 23 I I I Nr. 2 sogar zum notwendigen Satzungsinhalt gehört und an den nunmehr größere Anforderungen gestellt werden. Darin liegt zweifellos eine im Innenverhältnis bindende Beschränkung der Geschäftsführung des Vorstands. Es widerspricht der in diesem Rahmen zulässigen satzungsmäßigen Fixierung seiner Geschäftsführung, wenn er dem Unternehmen, obwohl die Satzung als seinen Gegenstand den Betrieb einer Bierbrauerei bezeichnet, betriebsfremde Unternehmungen angliedert, wie Prozellan- oder Portlandzementwerke oder einen Parfümeriebetrieb, sei es auch in der Form einer Aktienbeteiligung, auch wenn der Aufsichtsrat zustimmt. Darüber ist das gesamte Schrifttum einig. Audi kann die Satzung, davon abgesehen, bestimmte einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen, z. B. die Errichtung von Zweigniederlassungen, die Beteiligung an anderen Unternehmen, die Erteilung von Prokuren, den E r werb von Grundstücken, die Gewährung von ungesicherten Krediten (z. B. bei Bankunternehmen) nicht nur von der Genehmigung des Aufsichtsrats abhängig machen, sondern für beide Organe intern bindend gänzlich verbieten (ebenso Schl.-Qu. § 74 Anm. 4). Im allgemeinen wird von diesen Möglichkeiten in der Satzung kein Gebrauch gemacht. Weiter kann sich eine Beschränkung aus der Geschäftsordnung für den Vorstand ergeben (§ 77), insbesondere durch Aufteilung der Geschäftsbereiche unter mehreren Vorstandsmitgliedern. Darin liegt zugleich, daß sich ein Vor405
§§ 82 / 83
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 8—11 standsmitglied eines Eingriffs in ein anderes Arbeitsgebiet im Rahmen seiner gesetzlichen Verantwortlichkeit zu enthalten hat. Nimmt es in der Folge wahr, daß auf einem anderen Arbeitsgebiet ein Vorstandsmitglied seiner Aufgabe nicht gerecht wird, ist es verpflichtet, Abhilfe zu schaffen, indem es darauf dringt, daß jenes Arbeitsgebiet anders besetzt wird oder daß andere Vorkehrungen getroffen werden, natürlich kann es auch einzelnen Maßnahmen unmittelbar widersprechen, aber im allgemeinen ist es auf die Überwachung beschränkt. Anm. 9: Satzungsmäßige Beschränkungen können sowohl in der ursprünglichen Satzung als auch durch Satzungsänderung vorgesehen werden. Hier eröffnet sich der Hauptversammlung — neben der Bestellung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats, einer Vertrauensentziehung und der Stellung von Anträgen — ein weiterer Weg, die Geschäftsführung der Gesellschaft im Rahmen von Anm. 8 zu beeinflussen. IV. Prüfung durch das Gericht Anm. 10: Das Gericht hat lediglich die gesetzlichen Beschränkungen der Vertretungsmacht zu prüfen, nicht auch die Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis (RG 89, 369). Selbst bekannte oder zu Unrecht ins H a n delsregister eingetragene Beschränkungen dürfen nicht beachtet werden (Baumbach-Hueck § 74 Anm. 3 C). V. Verstoß Anm. 11: Mißachtet der Vorstand die Schranken, die seiner Geschäftsführung gezogen sind, so kann dies den Widerruf seiner Bestellung begründen. Überdies macht er sich schadenersatzpflichtig, wenn ein Schaden entsteht, und zwar auch dann, wenn ihm kein darüber hinausgehendes weiteres Verschulden zur Last fällt. § 83 Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen (1) Der Vorstand ist auf Verlangen der Hauptversammlung verpflichtet, Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, vorzubereiten. Das gleiche gilt für die Vorbereitung und den Abschluß von Verträgen, die nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden. Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf der Mehrheiten, die für die Maßnahmen oder für die Zustimmung zu dem Vertrag erforderlich sind. (2) Der Vorstand ist verpflichtet, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. 406
Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen
§ 83
Anm. 1—3
Anm. 1: Die Vorschrift ist neu und hat keine vergleichbare Bestimmung im früheren Recht. Die Vorbereitung von Hauptversammlungsbeschlüssen gehört zu den Geschäftsführungsmaßnahmen und somit zu dem Aufgabenbereich des Vorstandes; dies ist selbstverständlich, so daß hierüber im Gesetz keine ausdrückliche Bestimmung enthalten ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß eine Reihe von wichtigen Beschlüssen von der Hauptversammlung nur dann ergehen könne, wenn die Beschlußfassung entsprechend vorbereitet ist. Das Gesetz enthält einige Bestimmungen, aus denen sich die Pflicht zur Vorbereitung der Hauptversammlungsbeschlüsse selbst ergibt; so ist eine Bilanz zu erstellen, wenn die Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln beschließen soll (§ 207 IV), zur Zustimmung zu Verschmelzung«- und Unternehmensverträgen müssen diese bei der Beschlußfassung schriftlich vorliegen (§§ 293, 340). Trotzdem ist es durchaus denkbar, daß Hauptversammlungsbeschlüsse ohne gehörige Vorbereitung kaum zustande kommen können — z. B. die Eingliederung von Gesellschaften, Satzungsänderungen und dergleichen —. Das bisherige Recht kannte keine ausdrückliche Bestimmung, wonach die Hauptversammlung berechtigt ist, vom Vorstand Vorbereitungshandlungen zu fordern, weswegen die gesetzliche Regelung geboten war. Der Gesetzgeber berücksichtigt hierbei die Tatsache, daß es dem Aktionär nicht zugemutet werden kann, über unvorbereitete Maßnahmen in der Hauptversammlung seine Entscheidung zu treffen. Wäre eine derartige Möglichkeit der Hauptversammlung nicht gegeben, so wäre der Vorstand in der Lage, praktisch das Zustandekommen der Beschlüsse in der Hauptversammlung erheblich einzuschränken. Anm. 2: Die Vorschrift bestimmt, daß die Hauptversammlung die Vorbereitung sämtlicher Maßnahmen verlangen kann, die in ihre Zuständigkeit fällt. Nach dem Reg.-Entwurf sollten nur solche Maßnahmen erfaßt werden, die einer Vorbereitung bedürfen. Diese Regelung ist fallengelassen worden. Wenn es auch im Ausschußbericht heißt, die jetzt gültige Formulierung sei nur eine sprachliche Änderung der Fassung des Reg.-Entwurfes, so ist durch die neue Formulierung doch eine erhebliche Streitfrage fortgefallen, nämlich welche Maßnahmen vorbereitungsbedürftig sind und wer diese Frage zu entscheiden hat. Anm. 3: Der Beschluß gem. § 83 bedarf nach Abs. 1 S. 3 der Mehrheit, die für die Maßnahme oder für die Zustimmung zu dem Vertrag erforderlich ist. Welche Mehrheit dies jeweils ist, hängt von dem Einzelfall ab und ergibt sich meistens aus der Satzung; wenn diese nichts enthält, so ist die entsprechende gesetzliche Regelung einzuhalten. Dieses Mehrheitserfordernis im Gesetz hat zur Folge, daß der Vorstand nicht generell zur Vorbereitung der Maßnahme bzw. der Verträge verpflich407
§ 83 Anm. 3 , 4
Verfassung der Aktiengesellschaft
tet werden kann; denn nur jede einzelne bestimmte Maßnahme — bzw. Vertrag — kann von dem Hauptversammlungsbeschluß erfaßt werden, der die Vorbereitung verlangt. Eine generelle Verpflichtung des Vorstandes durch die Hauptversammlung, sämtliche Hauptversammlungsbeschlüsse vorzubereiten, kann aufgrund § 83 nicht von der Hauptversammlung ausgesprochen werden, da die verschiedenen Maßnahmen verschiedene Mehrheiten erfordern. Die Gefahr, daß durch die Vorschrift eine erhebliche Störung des Geschäftsbetriebes deswegen eintreten kann, weil die entsprechende Maßnahme der Hauptversammlung zweimal vorgelegt werden muß, nämlich einmal, wenn die Hauptversammlung beschließt, den Vorstand zur Vorbereitung des endgültigen Beschlusses zu verpflichten, und zum zweiten Mal zum endgültigen Fassen des Beschlusses, ist u. E. gering. Da für den Beschluß die Mehrheit erforderlich ist, die für die Maßnahme oder die Zustimmung notwendig ist, kann praktisch ein solcher Beschluß nur zustande kommen, wenn die für die Beschlußfassung der ins Auge gefaßten Maßnahme erforderliche Mehrheit der Ansicht ist, der Vorstand habe diese Maßnahme noch nicht genügend vorbereitet, so daß die endgültige Beschlußfassung einer weiteren eingehenden Vorbereitung bedürfe. Eine andere Frage ist, ob eine derartige generelle Verpflichtung in der Satzung enthalten sein kann. Dies ist u. E. aus mehreren Gründen nicht möglich. Zunächst einmal verbietet die Vorschrift des § 23 Abs. 4 eine derartige Regelung in der Satzung, da u. E. die Frage der Verpflichtung des Vorstandes durch die Hauptversammlung, Hauptversammlungsbeschlüsse vorzubereiten, im Gesetz abschließend geregelt ist. Es finden sich im Gesetz (siehe Anm. 1) verschiedene Vorschriften, die eine Vorbereitung der Hauptversammlungsbeschlüsse in wichtigen Angelegenheiten bereits normiert. Für andere Hauptversammlungsbeschlüsse ist die Möglichkeit der Verpflichtung des Vorstandes durch die Hauptversammlung in § 83 erschöpfend geregelt. Es ist daher kein Raum mehr für eine weitergehende Regelung in der Satzung, so daß aus diesem Grunde bereits eine derartige Ermächtigung in der Satzung nicht enthalten .sein kann. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, daß für die Ermächtigung verschiedener Hauptversammlungsbeschlüsse verschiedene Mehrheiten erforderlich sein müßten. Es müßte daher jedesmal festgestellt werden, ob die Satzungsbestimmung, wonach der Vorstand verpflichtet ist, die Hauptversammlungsbeschlüsse vorzubereiten, die hierfür erforderliche Mehrheit gehabt hat. Insbesondere ist hierbei an den Umwandlungsbeschluß nach § 369 zu denken, wonach Einstimmigkeit erforderlich ist. Dies ist in den einzelnen Fällen mit Sicherheit nicht festzustellen, so daß schon aus diesem Grunde eine generelle Verpflichtung in der Satzung nicht ausgesprochen werden kann. Anm. 4: Die Vorschrift ermöglicht es der Hauptversammlung nicht, in die Geschäftsführung, die dem Vorstand allein obliegt, einzugreifen. Das heißt, 408
Bestellung und Abberufung des Vorstands
§§ 83 / 84 Anm. 4,5
die Hauptversammlung kann z. B. den Vorstand nicht zwingen, im Rahmen der Vorbereitung eines Hauptversammlungsbeschlusses über die Zustimmung von Unternehmensverträgen solche Verträge abzuschließen, die der Vorstand überhaupt nicht beabsichtigt hat zu schließen. In die Zuständigkeit der Hauptversammlung fällt lediglich die Zustimmung von Verträgen. Ob Verträge als solche abgeschlossen werden sollen oder nicht, entscheidet einzig und allein der Vorstand. Will daher die Hauptversammlung einen bestimmten Unternehmensvertrag abschließen, dessen Abschluß vom Vorstand verweigert wird, ist die Hauptversammlung jedenfalls nicht nach § 83 in der Lage, den Vorstand hierzu zu zwingen. Sie hat natürlich die Möglichkeit, den Vorstand durch Neubesetzung des Aufsichtsrats zu ersetzen, wenn nicht der alte Aufsichtsrat von sich aus einen neuen Vorstand bestellt. Anm. 5: Abs. 2 regelt eine Selbstverständlichkeit. Von der Hauptversammlung beschlossene Maßnahmen müssen vom Vorstand ausgeführt werden. Für manche Maßnahmen ist dies vom Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben — wie z. B. die Anmeldung von Satzungsänderungen oder sonstige Anmeldungen zum Handelsregister —. Im übrigen ergibt es sich aus der Stellung der Hauptversammlung als Organ der Gesellschaft. Wollte man die in Abs. 2 geregelte Verpflichtung verneinen, so würde die Hauptversammlung zu einem beratenden Gremium degradiert, was dem gesamten Aktienrecht widersprechen würde. § 84 Bestellung und Abberufung des Vorstands (1) Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluß vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt sinngemäß für den Anstellungsvertrag; er kann jedoch vorsehen, daß er für den Fall einer Verlängerung der Amtszeit bis zu deren Ablauf weitergilt. (2) Werden mehrere Personen zu Vorstandsmitgliedern bestellt, so kann der Aufsichtsrat ein Mitglied zum Vorsitzenden des Vorstands ernennen. (3) Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflicht409
§ 84
Anm. 1, 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
Verletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, daß das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Dies gilt auch für den vom ersten Aufsichtsrat bestellten Vorstand. Der Widerruf ist wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag gelten die allgemeinen Vorschriften. (4) Die Vorschriften über die besonderen Mehrheitserfordernisse für einen Aufsichtsratsbeschluß über die Bestellung eines Arbeitsdirektors oder den Widerruf seiner Bestellung bleiben unberührt. I. Übersicht (Anm. 1 bis 3) II. Bestellung 1. Bestellung durch den Aufsichtsrat (Anm. 4) 2. Dauer der Bestellung (Anm. 5) 3. Erneute Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit (Anm. 6 u. 7) III. Anstellungsvertrag 1. Anstellung durch den Aufsiditsrat (Anm. 8) 2. Inhalt des Anstellungsvertrags (Anm. 9)
3. Dauer des Anstellungsvertrags (Anm. 10) IV. Vorsitzender (Anm. 11) V. Widerruf der Bestellung 1. Gesetzliche Gründe (Anm. 12) 2. Sonstige Gründe (Anm. 13) 3. Rechtsbehelf gegen Widerruf (Anm. 14) VI. Beendigung des Anstellungsvertrages (Anm. 15) VII. Arbeitsdirektor (Anm. 16)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 75 AktG 37 mit Ausnahme von Abs. 1 S. 3, der bereits in § 76 III enthalten ist. Änderungen sind in Abs. 1 insofern enthalten, als die sich nach dem alten Gesetz ergebenden Streitfragen geklärt werden sollten, wie die Verlängerung der Amtszeit und das Erfordernis eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses. Neu ist die Vorschrift des Abs. 4 (s. Anm. 16). Die beispielhafte Aufführung, wann ein wichtiger Grund zum Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitglieds vorliegt, ist durch den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung erweitert worden (s. Anm. 12). Anm. 2: Das Gesetz bestimmt zwingend, daß die Bestellung durch den Aufsiditsrat erfolgt. Eine Bestellung von Vorstandsmitgliedern durch andere Organe oder Dritte ist unzulässig. Abweichende Satzungsbestimmungen sind unwirksam. Die Bestellung kann nur höchstens auf 5 Jahre erfolgen. Auch die Anstellungsverträge sind auf diese Höchstzeit begrenzt, da längere Verträge oft zu einer schweren Belastung der Gesellschaft geführt haben. Eine wiederholte Bestellung ist zulässig, sie bedarf jedoch, ebenso wie die Verlängerung der Amtszeit, eines neuen Aufsichtsratsbeschlusses (s. Anm. 6 und 10). 410
Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
Anm. 2—4 Der Aufsichtsrat ist auch zum Widerruf der Bestellung (Abberufung) ausschließlich zuständig. Die Zulässigkeit des Widerrufes ist beschränkt und nur wegen wichtigen Grundes gegeben, damit der Vorstand nicht in zu große Abhängigkeit vom Aufsichtsrat gerät. Anm. 3: Das Gesetz unterscheidet, wie früher bereits der § 75 AktG 37, zwischen der Bestellung und dem Anstellungsvertrag. Die Vorauflage (dort Anm. 2) hat sich (wie auch Ritter § 75 Anm. 2 a und h; Schilling-Hachenburg § 3 5 Anm. 40 und 44; Hafermehl in D J Z 42, 619) auf den Standpunkt gestellt, es handele sich um einen einzigen und einheitlichen Bestellungsvertrag und um ein einziges, einheitliches Bestellungsverhältnis, in welchem alle vertraglichen und rechtlichen Beziehungen von Vorstand und Gesellschaft aufgehen würden. Die Bestellung sei nicht nur ein Akt nach außen, der den Vorstand zum Vertreter der Gesellschaft im Verkehr mit der Mitwelt macht, sondern sie begründe zugleich auch schon die Pflichten, Rechte, Befugnisse und Zuständigkeit nach innen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Theorie zutreffend war, da sie jedenfalls vom Gesetz nicht übernommen worden ist. Eine deutliche Unterscheidung ergibt sich insbesondere aus Abs. 3 S. 4 und 5, denn für die Kündigung des Anstelhmgsvertrages kann die Bestimmung des Satzes 4 nicht gelten (vgl. B G H in Lind.-Möhr. § 75 Nr. 5). Die Bestellung verleiht dem Vorstandsmitglied seine Stellung nach außen als vertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft, während der Anstellungsvertrag das Dienstverhältnis mit der Gesellschaft regelt (Baumbach-Hueck 5 75 Anm. 1). Abs. 1 gilt für Bestellung und Anstellungsvertrag, Abs. 2 — 4 nur für die Bestellung.
II. Bestellung 1. Bestellung
durch den
Aufsicbtsrat
Anm. 4: Die Bestellung erfolgt durch den Aufsichtsrat als Organ, erfordert demgemäß einen Beschluß. Gemäß § 107 kann der Aufsichtsrat die Beschlußfassung — wohl aber seine Vorbereitung — einem Ausschuß nicht übertragen, was nach der Rechtsprechung zum bisherigen Recht (§ 92) möglich war ( B G H 20, 239 ff.; B G H in W M 1957, 846). Die Satzung kann hinsichtlich der Bestellung nichts anderes bestimmen, insbesondere nicht den Vorsitzenden zur Bestellung des Vorstandes berufen, dem Vorstand das Selbstergänzungsrecht oder irgend jemand ein Vorschlagsrecht gewähren, wenn es für den Aufsichtsrat bindend sein soll. Natürlich kann auch letzterer selbst dies nicht. Eine Form — etwa notarielle Beurkundung — schreibt das Gesetz für den Aufsichtsratsbeschluß nicht vor, kann sich aber aus der Satzung ergeben. 411
§84 Anm. 5—7
Verfassung der Aktiengesellschaft
2. Dauer der Bestellung Anm. 5: Die Bestellung kann höchstens für die Dauer von fünf Jahren erfolgen. Eine Bestellung für einen kürzeren Zeitraum ist möglich. Eine auf unbestimmte Zeit oder für einen längeren Zeitraum als fünf Jahre ausgesprochene Bestellung wird man als eine Bestellung für fünf Jahre auslegen müssen (§ 139 BGB; so auch Baumbach-Hueck § 75 Anm. B). Die Frist beginnt mit dem Amtsantritt zu laufen, nicht aber mit dem Beschluß hinsichtlich der Bestellung. Die Dauer der Bestellung zu bemessen, ist ausschließlich Sache des Aufsichtsrats. Die Satzung kann weder innerhalb der gesetzlichen Höchstdauer eine Mindest- noch eine andere kürzere als die gesetzliche Höchstdauer vorsehen und dem Aufsichtsrat nicht vorgreifen. 3. Erneute Bestellung oder Verlängerung
der
Amtszeit
Anm. 6: Eine erneute Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit ist zulässig. Hierfür ist ein neuer Aufsichtsratsbeschluß erforderlich, es sei denn, die Amtszeit währt noch keine fünf Jahre (s. Anm. 7). Mit dieser Bestimmung ist eine zu früherem Recht aufgeworfene Frage entschieden worden, indem sich das Gesetz der herrschenden Lehre und insbesondere der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes angeschlossen hat. Demnach kann die Bestellung nicht stillschweigend verlängert werden, da ein Beschluß ausdrücklich sein muß und nicht stillschweigend gefaßt werden kann (BGH 10, 194). Duldung der weiteren Betätigung des Vorstandsmitgliedes ist mithin noch keine Verlängerung der Amtszeit oder gar erneute Bestellung. Auch eine Klausel, daß sich die Amtszeit automatisch verlängert, sofern nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt gekündigt wird oder der Aufsichtsrat etwas anderes bestimmt, ist unzulässig. Dieser Möglichkeit ist der Gesetzgeber dadurch begegnet, daß er ausdrücklich bestimmt hat, daß der erneute Beschluß frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. Ein früher gefaßter Beschluß ist daher wirkungslos und schafft keinerlei Rechte für das Vorstandsmitglied. Anm. 7: Eine andere Regelung greift für den Fall ein, daß die Amtszeit weniger als fünf Jahre beträgt. Der Aufsichtsrat soll lediglich alle fünf Jahre mit der Überprüfung der weiteren Verwendung des Vorstandsmitgliedes befaßt werden. Nach diesem Zeitablauf jedoch soll er in jedem Fall darüber befinden. Ohne Beschluß kann deshalb eine Verlängerung nur für so lange erfolgen, als die gesamte Amtszeit eine Dauer von fünf Jahren erreicht. Nach diesem Zeitpunkt muß in jedem Fall ein neuer Aufsichtsratsbeschluß erfolgen. Eine auf die Dauer von drei Jahren erfolgte Bestellung kann demnach — auch wenn zu Beginn vereinbart war, daß bei NichtVorliegen eines anderslautenden Beschlusses die Bestellung für jeweils weitere drei Jahre als ausgesprochen gelten soll — nur für einen Zeitraum von zwei weiteren Jahren ohne erneuten Beschluß verlängert werden. 412
Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
Anm. 8,9
III. Anstellungsvertrag 1. Anstellung durch den Aufsichtsrat Anm. 8: Der Abschluß des Anstellungsvertrages für die Gesellschaft ist ebenso wie die Bestellung ausschließlich Angelegenheit des Aufsichtsrats (Abs. 1 S. 4). Es erhebt sich die Frage, ob durch die Verweisung auf Abs. 1 S. 1 auch ausgesprochen werden sollte, daß der Abschluß eines Anstellungsvertrages nicht vom Aufsichtsrat an einen seiner Ausschüsse verwiesen werden darf, da dies bei der Bestellung deswegen nicht möglich ist, weil Abs. 1 S. 1 ausdrücklich in § 107 III als eine Aufgabe des Aufsichtsrats erwähnt ist, die nicht an einen Ausschuß verwiesen werden darf. Abs. 1 S. 4 verweist inhaltlich auf Satz 1, ist aber selbst nicht in § 107 III erwähnt. Mit der Verweisung ist aber unseres Erachtens nicht gemeint, daß der Anstellungsvertrag nicht von einem Aufsichtsratsausschuß abgeschlossen werden könnte. § 107 III spricht ausdrücklich von den Aufgaben, die sich für den Vorstand aus den einzelnen Vorschriften ergeben. Die Aufgabe, einen Anstellungsvertrag abzuschließen, ergibt sich aber nicht aus Abs. 1 S. 1, sondern ausschließlich aus Abs. 1 S. 4. Daß hierfür die Bestimmungen des Abs. 1 S. 1 sinngemäße Anwendung finden, führt nicht dazu, alle sich auf Satz 1 beziehenden Vorschriften auch auf den Anstellungsvertrag anzuwenden, insbesondere nicht, wenn nicht direkt auf die Bestimmung, sondern lediglich auf die sich aus dieser Bestimmung ergebenden Aufgaben verwiesen worden ist. Der Anstellungsvertrag kann daher anders als die Bestellung auch von einem Aufsichtsratsausschuß abgeschlossen werden. 2. Inhalt des Anstellungsvertrages Anm. 9: Der Anstellungsvertrag ist in aller Regel ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat (§ 675 BGB). Wird das Vorstandsmitglied unentgeltlich tätig — was unter Berücksichtigung des § 612 BGB eine Ausnahme sein wird —, so stellt sich der Anstellungsvertrag als ein Auftrag dar. Der Anstellungsvertrag der Vorstandsmitglieder fällt unter den Dienstvertrag der selbständig Tätigen — im Gegensatz zu dem sogenannten Arbeitsverhältnis — (BGH 10, 187—196, 191; Palandt, Einf. vor § 611 BGB, Anm. A 1), da der Vorstand nicht weisungsgebunden ist, Art und Weise des Arbeitens selbst bestimmen und die Arbeitszeit frei einteilen kann. Hieraus ergibt sich, daß das Vorstandsmitglied nicht Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts ist (§ 5 II Arbeitsgerichtsgesetz; § 12 Kündigungsschutzgesetz). Auch das Angestellten-Kündigungsschutzgesetz von 1926 findet auf das Vorstandsmitglied keine Anwendung (BGH 12, 1—10, 8; Baumbach-Hueck § 75 Anm. 3 A), da sich das Gesetz nur auf Angestellte im Sinne des Arbeitsrechts beziehen kann und will. Eine Ausnahme ist aber insoweit anzuerkennen, als sich das Dienstverhältnis, je länger es besteht, dem Arbeitsverhältnis immer 413
§ 84 Anm. 9—11
Verfassung der Aktiengesellschaft
mehr nähert — ohne allerdings eine echte Treu- und Fürsorgepflicht, wie sie bei Abhängigen besteht, hervorzurufen —, was zur Anwendung einiger arbeitsrechtlicher Grundsätze führt. Der Bundesgerichtshof (Bd. 10, 187—196, 192) hat daher bei länger andauernder, vom Vorstandsmitglied nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Arbeitsleistung einen Gehaltsanspruch zugesprochen (a. A. Baumbach-Hueck § 75 Anm. 3 B, der allerdings die Entscheidung des B G H dahin zu verstehen scheint, daß die Unmöglichkeit zu vertreten war; für diesen Fall steht dem Vorstandsmitglied selbstverständlich ein Gehaltsanspruch nicht zu). Hinsichtlich des Urlaubsanspruchs, seines Erlöschens, seiner Abgeltung in Geld und dergleichen, gilt das, was sich f ü r sozial abhängige Arbeitnehmer herausgebildet hat und auch f ü r Organmitglieder einer juristischen Person (BGH in Lind.-Möhr. § 35 GmbH-Ges., N r . 5). Ist es einem Vorstandsmitglied aus betrieblichen Gründen unmöglich, Urlaub zu nehmen, so erlangt es in diesem Fall einen Abgeltungsanspruch in Geld, da er nicht dafür bestraft werden kann, daß ihm die im Betrieb anfallende außerordentliche Arbeitsüberlastung einen Urlaub nicht gestattet (BGH a. a. O.). Ist der Anstellungsvertrag fehlerhaft, so ist er f ü r die Dauer der Beschäftigung des Vorstandsmitglieds als wirksam zu behandeln (BGH 41, 282 ff. Spieker in DB 64, 1287 und Kuhn in WM 66, 53; Gerlach, Die Aktiengesellschaft 65, 251). Dies ergibt sich aus der Anwendung der Grundsätze, die f ü r ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis entwickelt worden sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß das Vorstandsmitglied mit Wissen und Willen des Arbeitgebers tätig geworden ist. Das Wissen und Wollen nur eines Mitgliedes des in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organs — hier des Aufsichtsrats — ist hierfür ausreichend (BGH a. a. O.; B G H in WM 1959, 81—86). 3. Dauer des Anstellungsvertrages Anm. 10: Abs. 1 S. 1 beschränkt auch die Dauer des Anstellungsvertrages auf fünf Jahre. Es ist aber nicht erforderlich, diesen Vertrag jeweils ausdrücklich zu verlängern, es ist vielmehr — im Gegensatz zur Bestellung — eine Klausel über die automatische Verlängerung bei Nichtkündigung möglich. Der Vertrag wird aber nur dann automatisch verlängert, wenn eine erneute Bestellung zum Vorstandsmitglied erfolgt, da der Anstellungsvertrag die Tätigkeit als Vorstandsmitglied regelt und dies die körperschaftsrechtliche Bestellung voraussetzt (BGH 3, 93; Schi.-Qu. § 75 Anm. 7); gleiches gilt für eine Anstellung auf unbestimmte Zeit; Neubestellung ist immer erforderlich für die Wirksamkeit. IV. Vorsitzender Anm. 11: Der Aufsichtsrat als Organ — nicht sein Vorsitzender — kann ein Mitglied des Vorstandes zum Vorsitzenden ernennen. Weder der Vor414
Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84 Anm. 11,12
stand selbst noch die Hauptversammlung oder sonst jemand kann dies tun. Auch in der nach § 77 II zulässigen Geschäftsordnung kann der Vorstand keinen Vorsitzenden bestimmen; dies ergibt sich aus der Bestimmung des § 84 II und dem Fehlen einer dem § 107 I S. 1 entsprechenden Vorschrift. Erläßt jedoch der Aufsichtsrat die Geschäftsordnung, so kann hierin ein Vorsitzender des Vorstandes bestimmt werden. Der Aufsichtsrat ist nicht zur Ernennung eines Vorstandsvorsitzenden verpflichtet, er kann auch nicht dazu von der Satzung oder der Hauptversammlung verpflichtet werden, weil damit in seine Zuständigkeit eingegriffen werden würde, was unzulässig ist. V. Widerruf der Bestellung 1. Gesetzliche Gründe Anm. 12: Wie zur Bestellung ist der Aufsichtsrat zum Widerruf kraft zwingender Vorschrift ausschließlich zuständig, ebenso zu einer vorübergehenden Enthebung (Suspension) von Geschäftsführung und Vertretung; ausnahmsweise kann auch der alleinige Aktionär Vorstandsmitglieder entlassen, und zwar, wenn der Aufsichtsrat funktionsunfähig ist und die Entlassung nicht aufgeschoben werden kann (BGH in Lind.-Möhr. § 75 Nr. 8). Während Widerruf (Entlassung) eine sofortige endgültige Entfernung aus dem Amte ist, bedeutet Suspension ein Verbot der Amtsführung. Die Rechtshandlungen des Entlassenen sind vorbehaltlich § 15 HGB und § 121 II S. 2 unwirksam, die des Suspendierten voll wirksam (Argument aus § 82). Der Aufsichtsrat befindet über Widerruf bzw. Suspension durch Mehrheitsbeschluß. Der Widerruf ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Widerruf kann nicht durch unangemessen hohe Vertragsstrafe oder Ruhegelder praktisch eingeengt werden. Der Vorstand soll nicht in eine zu große Abhängigkeit vom Aufsichtsrat geraten und sichergehen können, nur bei erheblichen Verfehlungen abberufen werden zu können. Es ist daher auch nach neuem Gesetz ein Widerruf nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Das Gesetz selbst führt ausdrücklich an: grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zu ordnungsmäßiger Geschäftsführung und Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, dieser allerdings eingeschränkt. Die Unfähigkeit kann in persönlichen, körperlichen oder geistigen Eigenschaften oder Zuständen, auch in außerhalb des Vorstandsmitgliedes liegenden Umständen begründet sein, die es hindern, die Geschäfte ordnungsmäßig zu führen. Der Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung soll nur dann einen wichtigen Grund zum Widerruf abgeben, wenn das Vertrauen nicht aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt ist. Das Gesetz folgt mit dieser Formulierung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Bd. 13, 188 ff.), in der ergänzend ausgeführt ist, daß der Entzug nicht nur zum Vorwand für den Widerruf dienen kann oder wegen seines Zweckes unredlich ist. Ferner 415
§ 84
Anm. 12,13
Verfassung der Aktiengesellschaft
darf die Abberufung selbst nicht sittenwidrig sein oder gegen Treu und Glauben verstoßen. Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung gibt dem Aufsichtsrat das Recht zum Widerruf, er ist also nicht dazu verpflichtet. Er muß vielmehr in eigener Verantwortung (§ 116) über den Widerruf entscheiden; es muß demnach immer ein ausdrücklicher Aufsichtsratsbeschluß vorliegen (BGH in Lind.-Möhr. § 75 Nr. 14/15). Gemäß § 107 III kann die Entscheidung über den Widerruf nicht an einen Ausschuß verwiesen werden. 2. Sonstige Gründe Anm. 13: Neben den im Gesetz aufgeführten Gründen kommen aber auch nodi andere wichtige Gründe in Frage, z. B. Verschmelzung, Verlangen der Aufsichtsbehörde, wenn die Gesellschaft einer besonderen Aufsicht unterliegt, dauernde Schwierigkeiten mit der Belegschaft, Verweigerung angemessener Aufwendungen für die Belegschaft oder gemeinnützige Einrichtungen, nicht aber Verschlechterung der Geschäftslage. Unter Umständen kann Überschuldung Grundlage eines Widerrufs sein (OLG Hamburg in BB 1954, 978), ferner andauernde Krankheit, Annahme von Schmiergeldern usw. Die Bedeutung des Grundes braucht nicht in der Behinderung ordnungsmäßiger Geschäftsführung zu liegen, aber der Grund muß die Abberufung als erforderlich im Interesse der Gesellschaft erscheinen lassen. Die herrschende Meinung verlangt weiter Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit mit dem Vorstandsmitglied. Dieser Ausdruck gibt der Frage eine persönliche Note, die sie nicht hat. Keinesfalls genügt es, daß die weitere Zusammenarbeit anderen Vorstandsmitgliedern mit dem Aufsichtsrat oder seinem Vorsitzenden oder einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern oder Aktionären aus irgendwelchen Gründen nicht zuzumuten ist. Es kommt auf das Interesse der Gesellschaft an. Dieses ist vom Aufsichtsrat auch bei Würdigung eines Mißtrauensbeschlusses der Hauptversammlung im Auge zu behalten (ebenso Würdinger S. 129), dagegen ist ein Verschulden des Abzuberufenden nicht Voraussetzung. Die Satzung kann das Recht des Aufsichtsrats, die Bestellung aus wichtigem Grund zu widerrufen, nicht auf bestimmte wichtige Gründe beschränken (BGH 8, 361), weil der Widerruf unabdingbar ist, auch nicht dadurch seinem Ermessen vorgreifen, daß sie einen Katalog wichtiger Gründe aufstellt — etwa im Anstellungsvertrag —, erst recht kann keines von beiden vertragsmäßig geschehen. Daß eine Mehrheit des Aufsichtsrats für die Abberufung ist, ist für sich allein noch kein wichtiger Grund, denn das würde bedeuten, daß der Vorstand ohne solchen abberufen werden könnte. Die Frage, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, muß immer mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Hierbei kann es eine Rolle spielen, ob der Anstellungsvertrag ohnehin bald abläuft oder noch längere Zeit besteht. Bei ohnehin auslaufendem Anstellungsverhältnis ist der Gesellschaft ein Durchhalten desselben eher zuzumuten, weil durch einen Widerruf das weitere 416
Bestellung und A b b e r u f u n g des V o r s t a n d s
§ 84
Anm. 13,14
berufliche Fortkommen des abberufenen Vorstandsmitgliedes beeinträchtigt werden kann; die Auswirkungen des Widerrufs gehen also weit über den Betrieb und das Anstellungsverhältnis hinaus ( B G H in BB 1962, 816). Gründe, welche sich erst später zutragen oder entdeckt werden, können nachgeschoben werden. Wird aus einem Tatbestand nicht alsbald, nachdem er erkannt wurde, der Widerruf gefolgert oder wird er verziehen, kann er nachher nicht mehr selbständig als wichtiger Grund, sondern nur noch ergänzend neben anderen wichtigen Widerrufsgründen geltend gemacht werden, denn das Interesse der Gesellschaft ist nicht unverzichtbar. Nur wenn ein wichtiger Grund ein Vorstandsmitglied auch im öffentlichen Interesse als unerträglich erscheinen läßt, ist das Gesagte einzuschränken. 3. Rechtsbehelf gegen Widerruf Anm. 14: Liegt nach Ansicht des Vorstandsmitglieds ein wichtiger Grund zum Widerruf nicht vor, so kann es durch Klage vor dem ordentlichen Gericht oder einem vereinbarten Schiedsgericht eine Entscheidung über die Wirksamkeit des Widerrufs herbeiführen. Der ausgesprochene Widerruf bleibt aber trotz Anrufung des Gerichts wirksam. Dieses Vorstandsmitglied kann von dem Zeitpunkt des Widerrufs an die Gesellschaft nicht vertreten. Auch wenn durch Urteil die Unwirksamkeit des Widerrufs festgestellt wird, werden inzwischen vorgenommene Handlungen des Widerrufenen nicht wirksam. Sofortige Anmeldung des Widerrufs ist wegen § 15 H G B ratsam. Das Registergericht hat über die Berechtigung des Widerrufs keine eigenen Nachforschungen zu betreiben. Durch ein obsiegendes Urteil für den Widerrufenen ist dieser wieder Vorstandsmitglied, was umgehend wieder beim Register anzumelden ist. Er ist so zu stellen, als wenn niemals widerrufen worden wäre. Wegen dieser für die Gesellschaft sehr weitgehenden Folge können im Prozeß auch Gründe vorgetragen werden, die nach dem Widerruf eingetreten sind, sofern diese den Widerruf nunmehr berechtigen ( B G H 13, 195). Die Gesellschaft wird in dem Verfahren über die Wirksamkeit des Widerrufs ausschließlich vom Aufsichtsrat vertreten. Nach bisherigem Recht wurde allgemein die Ansicht vertreten ( B G H 13, 1881?.), der Vorstand sei der alleinige Vertretungsberechtigte. Das neue Gesetz hat aber die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat dahin erweitert, daß bei allen Handlungen der Gesellschaft Vorstandsmitgliedern gegenüber die Gesellschaft vom Aufsichtsrat gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird (§ 112). Der Aufsichtsrat kann mit dem Vorstandsmitglied auch einen Vergleich abschließen, durch den der Widerruf endgültigen Bestand erlangt ( B G H in N J W 1958, 419), das heißt, der Widerrufene kann auf sein Klagerecht verzichten. 27
Wühelmi, Aktiengesetz
417
§§ 84 / 85
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 15,16 VI. Beendigung des Anstellungsvertrages Anm. 15: Der Anstellungsvertrag wird nicht notwendig mit dem Widerruf beendet (anderer Ansicht die Vorauflage, da diese die Bestellung und den Anstellungsvertrag als einen einheitlichen Vertrag angesehen hat). Regelmäßig wird im Widerruf eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB liegen. Das Erfordernis dieser Kündigung ist dasselbe wie das des Widerrufs, unterscheidet sich von diesem aber dem Inhalt nach (BGH in BB 1953, 691). Es kann sich daraus ergeben, daß ein Widerruf wirksam erfolgen kann, ohne daß auch ein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB gegeben ist (BGH in Lind.-Möhr. §75 Nr. 5; B G H 15, 72 ff., 75; BGH 20, 249; BGH in WM 1956, 1182). Das Vorstandsmitglied kann trotz des Widerrufs seine Pflicht voll erfüllt haben, oder es trifft ihn nur ein geringes Verschulden. Das Vorstandsmitglied kann seinerseits den Vertrag kündigen; ist es unentgeltlich tätig jederzeit (§ 671 BGB) — wobei es jedoch schadensersatzpflichtig werden kann, wenn es ohne wichtigen Grund zur Unzeit kündigt —, bei Entgeltlichkeit nur mit wichtigem Grund (§ 626 BGB). Ist das Vorstandsmitglied zur Kündigung berechtigt, so kann es auch niederlegen (herrschende Ansicht). Beides, Niederlegung und Kündigung, erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Aufsichtsrat. Aus dem Anstellungsvertrag kann sich ein Anspruch auch bei erfolgtem Widerruf auf Ruhegehalt ergeben. Wenn ein Verschulden nicht vorgelegen hat, oder etwa das Ruhegehalt gemäß den vertraglichen Vereinbarungen eine Nachzahlung für geleistete Dienste darstellt, ist auch nach erfolgtem Widerruf das Ruhegehalt auszuzahlen. VII. Arbeitsdirektor Anm. 16: Durch Abs. 4 wird klargestellt, daß die Vorschriften des Mitbestimmungsrechts über die Bestellung oder den Widerruf der Bestellung eines Arbeitsdirektors unberührt bleiben. Daraus folgt, daß auch in Zukunft der Arbeitsdirektor nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bestellt oder abberufen werden kann. § 85 Bestellung durch das Gericht (1) Fehlt ein erforderliches Vorstandsmitglied, so hat in dringenden Fällen das Gericht auf Antrag eines Beteiligten das Mitglied zu bestellen. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (2) Das Amt des gerichtlich bestellten Vorstandsmitglieds erlischt in jedem Fall, sobald der Mangel behoben ist. 418
Bestellung durch das Gericht
§85 Anm. 1—3
(3) Das gerichtlich bestellte Vorstandsmitglied hat Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für seine Tätigkeit. Einigen sich das gerichtlich bestellte Vorstandsmitglied und die Gesellschaft nicht, so setzt das Gericht die Auslagen und die Vergütung fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. I. Obersicht (Anm. 1 u. 2) II. Voraussetzungen für die Bestellung durch das Geritht 1. Fehlen eines erforderlichen Vorstandsmitglieds (Anm. 3 u. 4) 2. Dringlichkeit (Anm. 5) III. Antragsberechtigter (Anm. 6)
IV. Die Bestellung 1. Dauer (Anm. 7) 2. Anmeldung (Anm. 8) V. Vergütung (Anm. 9) VI. Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften (Anm. 10)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 die Bestimmungen des § 76 AktG 37 mit einigen Änderungen. In Satz 1 ist nicht mehr auf die zur Vertretung der Gesellschaft erforderliche Anzahl Bezug genommen, sondern es reicht das Fehlen eines erforderlichen Vorstandsmitgliedes aus (siehe Anm. 3). Absatz 2 stellt klar, wann das Amt des gerichtlich bestellten Vorstandsmitgliedes erlischt (siehe Anm. 7). Neu sind die Bestimmungen des Abs. 1 Satz 2 (siehe Anm. 6) und des Abs. 3 (siehe Anm. 9). Anm. 2: Nach § 84 hat der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder zu bestellen. Er ist verpflichtet, unverzüglich neue Vorstandsmitglieder zu bestellen, wenn welche fehlen. Durch Ordnungsstrafe kann er nicht dazu angehalten werden, aber wenn es ihm nicht möglich ist, Beschlüsse zu fassen oder er es unterläßt, ist nach § 85 das Gericht des § 14 berufen, ein vorläufiges Vorstandsmitglied zu bestellen. Über den Fall, daß die Wahl des Aufsichtsrats, der den Vorstand bestellt hat, f ü r nichtig erklärt wird, siehe Anm. zu § 248. Andere Behörden als das Registergericht sind zu einem Eingriff durch Abberufung oder Bestellung des Vorstands oder eines Vorstandsmitglieds nicht berechtigt. Ein solcher Eingriff kann mangels gesetzlicher Ermächtigung der Behörde, von der er ausgeht, von der Aktiengesellschaft und von der betroffenen Organperson im Verwaltungsrechtsweg abgewehrt werden. II. Voraussetzungen für die Bestellung durch das Gericht 1. Fehlen eines erforderlichen Vorstandsmitglieds Anm. 3: Die Bestellung von Vorstandsmitgliedern durch das Gericht setzt voraus, daß die erforderlichen Vorstandsmitglieder fehlen und daß ein drin27'
419
§ 85
Anm. 3—5
Verfassung der Aktiengesellschaft
gender Fall vorliegt (siehe Anm. 5). Auch wenn kein einziges Vorstandsmitglied vorhanden ist, wird die Gesellschaft dadurch nicht aufgelöst und braucht nicht gerade dringlich eine Ersatzbestellung erforderlich zu sein. Erforderlich ist sie, wenn irgendeine Rechtshandlung vorgenommen werden muß, wozu die erforderliche Anzahl von Vorstandsmitgliedern nicht vorhanden ist. Solange die für die Vertretung erforderliche Anzahl vorhanden ist, wird eine gerichtliche Bestellung meist nicht erforderlich sein; z. B. wenn nach der Satzung die Gesellschaft durch zwei Vorstandsmitglieder oder ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen vertreten werden kann und noch ein Vorstandsmitglied und ein Prokurist vorhanden ist, selbst dann nicht, wenn die Satzung außerdem bestimmt, daß stets zwei Vorstandsmitglieder vorhanden sein müssen. Aber auch wenn für die Vertretung der Gesellschaft gesorgt ist (z. B. durch das Vorhandensein von Einzelprokuristen oder einer genügenden Zahl von Kollektivprokuristen), können andere unaufschiebbare Maßnahmen der Geschäftsführung (z. B. die Aufstellung des Jahresabschlusses) die Bestellung eines Vorstandes erforderlich machen. In diesem Fall müssen alle in der Satzung vorgesehenen Vorstandsmitglieder vorhanden sein, so daß bei Fehlen nur eines Mitgliedes das Gericht ein solches bestellen muß. Anm. 4: Nach bisherigem Recht wurde unter „fehlen" nicht nur der tatsächliche Wegfall durch Tod, Niederlegung oder Abberufung verstanden, sondern auch eine Hinderung durch Krankheit, Abwesenheit oder sonstige Gründe, die Obliegenheiten nicht erfüllen zu können. Aus § 105 I I S. 1 — er unterscheidet ausdrücklich zwischen fehlendem und behindertem Vorstandsmitglied — ergibt sich jedoch für das neue Recht, daß unter „fehlen" nur noch der endgültige Wegfall verstanden werden kann, oder daß eine neu geschaffene Vorstandsstelle vorhanden, aber noch nicht besetzt worden ist. Im Falle einer vorübergehenden Behinderung ist eine gerichtliche Ersatzbestellung in Zukunft ausgeschlossen. Da nach § 105 I I der Aufsichtsrat von seinen Mitgliedern einen zum Vertreter von behinderten Vorstandsmitgliedern bestellen kann, besteht hierfür auch kein Bedürfnis mehr. 2. Dringlichkeit Anm. 5: Die Bestellung durch das Gericht kann ferner nur in dringenden Fällen erfolgen. Das setzt voraus, daß sofortiges Eingreifen erforderlich ist, um einen Schaden zu vermeiden, entweder weil der Aufsichtsrat pflichtwidrig nicht abhilft oder selbst nicht oder nicht mit der gebotenen Eile aktionsfähig ist. Die Bestellung kann von vornherein zum Zweck der Vornahme einer bestimmten Handlung, z. B. zur Einberufung der Hauptversammlung, die einen neuen Aufsichtsrat zu wählen hat, der wiederum die Bestellung eines endgültigen Vorstandes beschließen kann, oder zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes mit dem Vorstand erfolgen. Immer aber ist der vom Gericht Be420
Bestellung durch das Gericht
§85 Anm. 5—7
stellte in vollem U m f a n g oder in jeder Beziehung Vorstand und nicht etwa auf die Handlung beschränkt, die die Veranlassung zu einer Bestellung bildet. E r bleibt auch Vorstand, bis eine andere Person ernannt ist, auch wenn er entbehrlich werden und der dringliche Anlaß behoben sein sollte, der zu seiner Bestellung geführt hat. Auf die Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis des Bestellten ist die Satzung anzuwenden. III. Antragsberechtigter
Anm. 6: D a s Gericht wird nur auf Antrag eines Beteiligten tätig. Beteiligt ist jeder, der mit der Gesellschaft in Rechtsverkehr treten will, ferner noch vorhandene Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder, ein Aktionär. Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig. Bei Ablehnung nur durch den Antragsteller. Dies ist nunmehr ausdrücklich normiert worden, ergibt sich jedoch bereits aus § 146 F G G . IV. Die Bestellung
1. Dauer Anm. 7: Die Bestellung kann nur bis zur Behebung des Mangels erfolgen, niemals für längere Zeit, also nicht bis zu einem kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt. Würde zu Unrecht eine solche Bestellung erfolgen, so ist sie zwar an sich wirksam, endigt aber in dem Augenblick, in dem der Mangel behoben wird. Der Aufsichtsrat muß so schnell wie möglich zusammentreten und den Vorstand von sich aus neu bestellen. Mit der Neubestellung scheidet der vom Gericht bestellte aus, ohne daß es eines Widerrufes, sei es durch den A u f sichtsrat, sei es durch das Gericht, bedarf. Dies wird durch die Neufassung des Abs. 2 klargestellt. Eine Aufhebung des Bestellungsbeschlusses ist nicht erforderlich für die Beendigung des Amtes des vom Gericht Bestellten. Fraglich ist, wie weit ein Dritter, der noch mit dem gerichtlich bestellten Vorstandsmitglied Geschäfte abschließt, geschützt ist. Solange das vom A u f sichtsrat neu bestellte Vorstandsmitglied noch nicht im Handelsregister eingetragen ist, ist der Dritte geschützt (§ 15 H G B ) . Ist das neu gewählte Vorstandsmitglied aber eingetragen und der gerichtlich Bestellte noch nicht gelöscht — was allerdings kaum vorkommen d ü r f t e — , so wird man den Dritten nicht mehr schützen können. Die Tatsache, daß nach der Bestellung durch das Gericht ein vom Aufsichtsrat bestelltes Vorstandsmitglied eingetragen wird, nimmt den guten Glauben an die Vertretungsmacht des gerichtlich Bestellten. D a dessen Amt mit der Bestellung eines neuen Mitgliedes durch den A u f sichtsrat endet und die Grundlage der Bestellung — durch Gericht bestellt oder vom Aufsichtsrat gewählt — aus dem Register ersichtlich ist, wird mit der Eintragung des vom Aufsichtsrat gewählten Vorstandsmitgliedes der gute Glaube des Dritten hinsichtlich des gerichtlich Bestellten zerstört. 421
§§ 85 / 86
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 8—10 2. Anmeldung Anm. 8: Die Anmeldung zum Handelsregister hat der Ernannte nach § 81 vorzunehmen und seine Namensunterschrift zur Aufbewahrung bei Gericht zu zeichnen, ebenso ist sein Wiederausscheiden durch den neu bestellten Vorstand anzumelden (§15 HGB, s. auch Anm. 7). V. Vergütung Anm. 9: Der Anspruch des gerichtlich bestellten Vorstandsmitgliedes auf Vergütung ist nunmehr ausdrücklich in Abs. 3 normiert. Er richtet sich bei NichtVorliegen einer Vereinbarung nach den allgemeinen Bestimmungen des BGB; er ist daher nach dem Umfang der Tätigkeit und der Vergütung des ordentlichen Vorstandes zu bemessen. In jedem Fall gelten vorrangig evtl. bestehende Vereinbarungen zwischen dem Bestellten und der Gesellschaft. N u r wenn eine Einigung nicht erzielt werden kann, hat das Gericht nach § 14 die Vergütung und Auslagen festzusetzen. Daraus folgt, daß eine derartige gerichtliche Festsetzung nicht schon vorher erfolgen kann, wie es von der herrschenden Lehre zu früherem Recht angenommen worden ist. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausdrücklich ausgeschlossen worden. Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach dem achten Buch der Z P O . VI. Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften Anm. 10: Die Bestimmung gilt auch für eine Gesellschaft mit Sitz im Ausland, aber mit Zweigniederlassung und Vermögen im Inland, deren ausländische Sitzniederlassung und Verwaltung untergegangen oder dauernd von dem inländischen Betrieb und Vermögen getrennt ist, in Ansehung des letzteren. Es erhebt sich dann freilich zusätzlich die Frage nach dem zuständigen Gericht. Es bleibt dann nichts anderes über, als anzunehmen, daß die allein übriggebliebene inländische Zweigniederlassung zur Hauptniederlassung geworden ist. Die Rechtsanwendung muß sich den Tatsachen anpassen. Das Amtsgericht Berlin hat darum auch in einem derartigen Fall f ü r die Berliner Zweigniederlassung einer ausländischen G m b H einen Notgeschäftsführer nach § 29 BGB bestellt.
§ 86 Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder (1) Den Vorstandsmitgliedern kann für ihre Tätigkeit eine Beteiligung am Gewinn gewährt werden. Sie soll in der Regel in einem Anteil am Jahresgewinn der Gesellschaft bestehen. 422
Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder
§ 86
Anm. 1,2 (2) Wird den Vorstandsmitgliedern ein Anteil am Jahresgewinn der Gesellschaft gewährt, so berechnet sich der Anteil nach dem Jahresüberschuß, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um die Beträge, die nach Gesetz oder Satzung aus dem Jahresüberschuß in offene Rücklagen einzustellen sind. Entgegenstehende Festsetzungen sind nichtig. I. Obersicht (Anm. 1) II. Anteil am Jahresgewinn 1. Begriff (Anm. 2) 2. Berechnung (Anm. 3 u. 4) 3. Zuteilung durch Hauptversammlung (Anm. 5)
III. Zu Unrecht empfangener Gewinnanteil (Anm. 6) VI. Angestelltentantieme (Anm. 7) V. Ubergangsbestimmungen (Anm. 8)
I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt im wesentlichen die Bestimmungen des § 77 I und I I AktG 37. Abs. 1 stellt nur auf den Jahresgewinn der „Gesellschaft" ab (s. Anm. 2). Änderungen enthält auch die Berechnung des Anteils am Jahresgewinn (siehe Anm. 3). Nicht übernommen wurde Abs. 3 des § 77 AktG 37. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß Gewinnbeteiligungen in beliebiger Höhe an Vorstandsmitglieder gezahlt werden dürften, vielmehr ergibt sich aus § 87 I, der sich ausdrücklich auch auf Vergütungen in Form von Gewinnbeteiligungen bezieht, daß die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitgliedes und der Lage der Gesellschaft stehen müssen. Ob die Vorstandsmitglieder feste Bezüge oder Gewinnanteile oder beides erhalten, ist der freien Vereinbarung überlassen. Audi die Satzung kann einen Gewinnanteil für den Vorstand vorsehen, ist aber niemals unmittelbar Rechtsgrund für die Ansprüche des Vorstands. Diese richten sich nach dem Anstellungsvertrag, zu dessen Abschluß der Aufsichtsrat nach dem zwingenden § 84 allein zuständig ist, ohne daß seine Zuständigkeit durch die Satzung geschmälert werden könnte. Er verletzt nicht einmal seine Pflicht, wenn er sich über die Satzung hinwegsetzt, die ihm auch keine Anweisung erteilen kann, jedoch ist mangels ausdrücklicher abweichender Vertragsbestimmung nach § 157 B G B anzunehmen, daß der Satzungsinhalt vereinbart ist. Soweit dies der Fall ist, kann eine nachträgliche Satzungsänderung den Vertrag nicht ändern, wenngleich auch der jeweilige Satzungsinhalt vereinbart sein kann. II. Anteil am Jahresgewinn 1- Begriff Anm. 2: Das Gesetz spricht vom Jahresgewinn der Gesellschaft. Damit soll zum Ausdrude kommen, daß eine Beteiligung am Gewinn einer Zweignieder423
§ 86
Anm. 2,3
Verfassung der Aktiengesellschaft
lassung oder am Gewinn eines Erzeugnisses der Gesellschaft nicht eingeräumt werden soll. Der Gesetzgeber hat aber eine derartige Beteiligung nicht ausgeschlossen, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, daß er sie für unerwünscht hält; sie ist daher nach wie vor zulässig. Da sich die Verantwortung des Vorstandsmitglieds auf das gesamte Unternehmen erstredst und nicht nur auf eine Zweigniederlassung oder einen Produktionszweig, entspricht die gesetzliche Regelung dem Aufgabengebiet des Vorstandes. Die Frage der Bezüge ist jedoch frei vereinbar (siehe Anm. 1), so daß auch jede andere Art der Beteiligung zulässig vereinbart werden kann, wie z. B. feste (garantierte) Tantieme oder Umsatztantieme. Abs. 2 setzt dem Abs. 1 entsprechend Gewinnbeteiligung voraus, die in einem Anteil am Gesamtgewinn der Gesellschaft bestehen soll, ist also nicht anwendbar, wenn sie sich aus besonderen Gründen entgegen der Sollvorschrift des Abs. 1 nur nach dem Gewinn eines Werkes oder eines bestimmten Geschäftszweigs oder nach dem Umsatz richtet. Die Gewinnbeteiligung im Sinne des Abs. 1 ist der weitere Begriff. Anteil am Jahresgewinn ist in zulässiger Weise aber auch dann eingeräumt, wenn eine Tantieme in ein Verhältnis zur ausgeschütteten Dividende gesetzt ist, sei es, daß die Vorstandsperson einen Prozentsatz der Ausschüttung oder einen Betrag gleich der Ausschüttung auf einen bestimmten Nennbetrag, Aktien oder einen festen Betrag für jedes ausgeschüttete Prozent Dividende erhält; auch in solchen Fällen gilt Abs. 2 (ebenso Herold BA 1938, 518). Auch eine Umsatzvergütung kann derart mit einem Anteil am Jahresgewinn kombiniert sein, daß sie einen Prozentsatz des Jahresgewinns nicht übersteigen darf. Dann ist diese Höchstgrenze nach Abs. 2 zu ermitteln. Anteil am Jahresgewinn ist auch eine Beteiligung am Bruttogewinn, welche aber, da auf sie der zwingende Abs. 2 anzuwenden ist, überhaupt nicht möglich ist (nach anderer Ansicht soll dann einfach ein Anteil am „Reingewinn" als vereinbart gelten). Die Gewinnbeteiligung soll in einem Anteil am Jahresgewinn bestehen. Dies schließt nicht aus, daß ein Vorstandsmitglied, welches nur während eines Teiles des Geschäftsjahres im Amt war, nur im Verhältnis zu diesem am Gesamtjahresgewinn beteiligt wird. 2. Berechnung Anm. 3: Ist das Vorstandsmitglied am Jahresgewinn der Gesellschaft beteiligt, so gilt für die Berechnung — nicht etwa für die Höhe — ausschließlich der Abs. 2. Gemäß Satz 2 ist diese Bestimmung zwingend, und weder die Satzung noch der Anstellungsvertrag können von ihr abweichen. Nach bisherigem Recht war der Reingewinn der Ausgangspunkt der Berechnung und damit gleich der Grundlage des Gewinnanspruchs der Aktionäre. Diese Verbindung ist in dem neuen Gesetz gelöst worden, indem der Jahresüberschuß, also der in dem Geschäftsjahr erzielte Ertrag (§ 157 Abs. 1 Posten 28), zur 424
Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder
§ 86
Anm. 3,4
Grundlage der Berechnung des Anteils des Vorstandsmitgliedes am Jahresgewinn gemacht worden ist (vgl. zum Begriff des Jahresüberschusses im einzelnen Anm. 31 zu § 157). In diesem sind die Beträge berücksichtigt, die bei der Feststellung des Jahresabschlusses in offene Rücklagen eingestellt werden. Für die Berechnung des Anteils sind aber nur die Beträge zu berücksichtigen, die in offene Rücklagen eingestellt werden müssen. Soweit Beträge nach Gesetz oder Satzung aus dem Jahresüberschuß in offene Rücklagen einzustellen sind, sind diese daher abzuziehen und können nicht bei der Berechnung berücksichtigt werden. Diese Beträge werden generell zur Sicherung des Unternehmens in offene Rücklagen eingestellt und man ist davon ausgegangen, daß auch der Vorstand zu diesem Zweck beitragen müsse (amtliche Begründung). Dagegen sind die Beträge, die nicht zwingend, sondern aufgrund gesetzlicher (z.B. § 58) oder satzungsmäßiger Ermächtigung oder aufgrund freien Entschlusses in offene Rücklagen eingestellt werden, für die Berechnung nach Abs. 2 dem Jahresüberschuß zuzurechnen. Daß die Beträge, die von der Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß in offene Rücklagen eingestellt werden, für die Berechnung nicht abzuziehen sind, ergibt sich aus § 157 I Posten 31, da danach durch diese Beträge der Ausgangsbetrag für die Berechnung, der Jahresüberschuß, als solcher nicht berührt wird. Ein etwaiger Verlustvortrag aus dem Vorjahr ist abzuziehen, da es sonst möglich wäre, daß der Vorstand einen Gewinnanteil erhält, obwohl im Jahresabschluß ein Verlust ausgewiesen ist. Nicht abzusetzen ist der Betrag der Vorstands-, Aufsichtsrats- und Angestellten-Tantiemen. Der gesamte Jahresüberschuß, mit Ausnahme des Verlustvortrages aus dem Vorjahr und des nach Gesetz oder Satzung (§ 58) in offene Rücklagen einzustellenden Beträge ist mithin tantiemepflichtig. Der Erwähnung der durch Auflösung offener Rücklagen entstehenden Beträge bedurfte es im neuen Gesetz nicht, da diese Beträge nicht zum Jahresüberschuß gehören und schon aus diesem Grunde nicht tantiemepflichtig sein können. Anm. 4: Da die Vorschriften des Abs. 2 zwingend sind, können sie lediglich zuungunsten des Vorstandes geändert werden. Entgegenstehende Festsetzungen sind nichtig. Ob die Nichtigkeit sich auf den ganzen Inhalt des Bestellungsvertrages erstreckt, ist nach § 139 BGB wohl regelmäßig zu bejahen (anderer Ansicht Schmidt in Großkomm. § 77 Anm. 4 mit unzutreffender Begründung; Schi.-Qu. Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 3 C), so daß es z. B. im allgemeinen nicht möglich ist, anstelle einer vereinbarten Beteiligung am Bruttogewinn einfach eine Beteiligung am Jahresgewinn zu setzen (a. A. Herold a. a. O. Seite 519; wie hier Ritter Anm. 3 f.). Dagegen macht eine unrichtige Berechnung der Tantieme, wenn diese bereits in den Jahresabschluß als passiv eingestellt wurde, diesen nicht nichtig, auch nicht mehr anfechtbar, wenn er von der Hauptversammlung festgestellt 425
§ 86
Anm. 4—7
Verfassung der Aktiengesellschaft
wurde (§ 257 I S. 2). Der Abschlußprüfer hat Veranlassung, den Bestätigungsvermerk nur mit Einschränkung zu erteilen. 3. Zuteilung durch Hauptversammlung Anm. 5: Die frühere Streitfrage, ob die Hauptversammlung aus dem Gewinn dem Vorstand weitere Zuwendungen machen könne, ist durch das neue Gesetz dahin geklärt, daß dies nur möglich ist, wenn die Satzung der Hauptversammlung eine dem § 58 III S. 2 entsprechende Ermächtigung gibt. III. Zu Unrecht empfangener Gewinnanteil Anm. 6: Der Vorstand ist zur Herausgabe des zu Unrecht Empfangenen verpflichtet. Nach herrschender Ansicht (Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 77 Anm. 24; Baumbach-Hueck § 77 Anm. 3 C) sind die Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung anzuwenden. Nach richtiger Ansicht ergibt sich der Anspruch unmittelbar aus Aktienrecht, so daß auch die Herausgabe des gutgläubig Empfangenen nicht mit der Begründung verweigert werden kann, daß es inzwischen verlorengegangen oder für Aufwendungen ausgegeben worden sei, die ohne den Mehrempfang nicht gemacht worden wären (wie hier Teichmann-Köhler § 77 Anm. 3 C, zustimmend Schl.-Qu. § 77 Anm. 21). § 93 II ist entsprechend anzuwenden (vgl. RG in DR 1944, 488). Eine unmittelbare Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gemäß § 93 V ist demnach zu bejahen, wenn der Überempfang auf einer gröblichen Verletzung der Sorgfaltspflicht beruht. Der Rückgewähranspruch ist unter den Aktiven zu bilanzieren, der vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellte Jahresabschluß selbst wird durch die unrichtige Berechnung des Gewinnanteils nicht nichtig. Wird der Jahresabschluß von der Hauptversammlung festgestellt, so kann er im Falle des § 243 Abs. 2 anfechtbar sein. Durch eine Entlastung wird eine Rückforderung nicht ausgeschlossen, da diese nach § 120 II keinen Verzicht auf Ersatzansprüche enthält. Wie § 93 allgemein auf den Rückforderungsanspruch anzuwenden ist, so ist auch § 93 IV S. 3 anzuwenden. IV. Angestelltentantieme Anm. 7: Auf Angestellte sind die Vorschriften des Abs. 1 überhaupt nicht, jene des Abs. 2 nicht unmittelbar anzuwenden. Ihre Ansprüche unterstehen nicht aktienrechtlichen Regeln, doch ist es durch Auslegung des Anstellungsvertrages zu ermitteln, ob nicht angenommen werden muß, daß der Gewinnanteil der Angestellten nach denselben Grundsätzen zu berechnen ist, wie derjenige des Vorstandes. Wenn es sich um einen Gewinnanteil am Jahresgewinn der Gesellschaft handelt, wird diese Frage im Regelfall wohl zu bejahen sein. 426
Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder
§§ 86 / 87
Anm. 8
V. Übergangsbestimmungen Anm. 8: Nach § 15 E G gelten die Vorschriften über die Gewinnbeteiligung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder erstmals für das nach dem 31. 12. 1966 beginnende Geschäftsjahr. Bis dahin gelten die gesetzlichen Bestimmungen des § 77 AktG 37, bzw. die bestehenden Satzungsbestimmungen. Wird letztere im Hinblick auf § 58 I I I S. 2 in der Hauptversammlung geändert, die über die Gewinnverwendung des ersten nach dem 31. 12. 1966 beginnenden Geschäftsjahres beschließt, so sind diese geänderten Satzungsbestimmungen auf den Gewinnverwendungsbeschluß anzuwenden, obwohl sie noch nicht eingetragen sind. Voraussetzung hierfür ist, daß der Satzungsänderungsbeschluß dem Gewinnverwendungsbeschluß vorangeht. Letzterer wird erst wirksam, wenn die Satzungsänderung eingetragen ist.
§ 87 Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder (1) Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) dafür zu sorgen, daß die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen. Dies gilt sinngemäß für Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art. (2) Tritt nach der Festsetzung eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft ein, daß die Weitergewährung der in Absatz 1 Satz 1 aufgeführten Bezüge eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft sein würde, so ist der Aufsichtsrat, im Fall des § 85 Abs. 3 das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats, zu einer angemessenen Herabsetzung berechtigt. Durch eine Herabsetzung wird der Anstellungsvertrag im übrigen nicht berührt. Das Vorstandsmitglied kann jedoch seinen Anstellungsvertrag für den Schluß des nächsten Kalendervierteljahrs mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen kündigen. (3) Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und kündigt der Konkursverwalter den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds, so kann es Ersatz für den Schaden, der ihm durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entsteht, nur für zwei Jahre seit dem Ablauf des Dienstverhältnisses verlangen. Gleiches gilt, wenn über die Gesellschaft das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet wird und die Gesellschaft den Anstellungsvertrag kündigt. 427
§87 Anm. 1—3
Verfassung der Aktiengesellschaft
I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Festsetzung der Bezüge 1. durch den Aufsichtsrat (Anm. 3) 2. Begriff der Gesamtbezüge (Anm. 4) 3. Angemessenheit (Anm. 5 bis 7) III. Ruhegehälter und Hinterbliebenenversorgung (Anm. 8)
IV. Herabsetzung der Bezüge 1. der aktiven Vorstandsmitglieder (Anm. 9) 2. der Pensionäre und Hinterbliebenen (Anm. 10) V. Kündigungsrecht (Anm. 11) VI. Konkurs- und Vergleichsverfahren (Anm. 12)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt mit dem § 78 AktG 37 überein, während jedoch früher der Aufsichtsrat immer die Verpflichtung gemäß Abs. 1 hatte, trifft ihn diese Pflicht nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich bei der Festsetzung selbst (s. Anm. 5); in Abs. 2 ist zusätzlich die Herabsetzung der Bezüge durch das Gericht im Falle der Bestellung eines Vorstandsmitgliedes gemäß § 85 vorgesehen (s. Anm. 9). In Abs. 3 S. 2 ist die in Literatur und Rechtsprechung bereits zu dem bisherigen § 78 anerkannte Anwendung des Abs. 3 S. 1 auf das gerichtliche Vergleichsverfahren ausdrücklich normiert worden. Anm. 2: § 87 I gibt dem Aufsichtsrat Richtlinien, nach denen die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder zu bemessen sind. Diese müssen angemessen sein, einmal im Hinblick auf das Vorstandsmitglied nach dessen Aufgabe, ferner im Hinblick auf die Gesellschaft nach deren wirtschaftlicher Lage. Abs. 2 gibt dem Aufsichtsrat eine Handhabe, bei wesentlicher Verschlechterung die Bezüge herabzusetzen. Der Aufsichtsrat ist nach § 116 der Gesellschaft dafür verantwortlich, daß er seine Rechte und Pflichten nach Abs. 1 und 2 wahrnimmt. Dieser Ersatzanspruch kann im Falle grober Pflichtverletzung nach den §§ 116, 93 auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, wenn sie von dieser keine Befriedigung erhalten können. Auch kann die Hauptversammlung den Aufsichtsrat abberufen. Der Abs. 3 enthält eine Sonderbestimmung für den Konkursfall sowie nach S. 2 für den Fall des gerichtlichen Vergleichsverfahrens, die Konkurs- bzw. Vergleichsmasse von den häufig sehr hohen Schadensersatzansprüchen, die durch die Kündigung des Anstellungsvertrages entstehen, zu entlasten. II. Festsetzung der Bezüge 1. durch den Aufsichtsrat Anm. 3: Da der Aufsichtsrat den Vorstand nach § 84 zu bestellen hat, ist er auch ausschließlich zuständig, die Einzelheiten des Anstellungsvertrages zu vereinbaren. Er hat dafür zu sorgen, daß die Vertragsbestimmungen den hier durch § 87 aufgestellten Richtlinien entsprechen. Er kann sich nicht etwa darauf beschränken, nur zu prüfen, ob die im Augenblick tatsächlich gezahl428
Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder
§ 87
Anm. 3—6
ten Beträge angemessen sind, vielmehr muß er auch die für die spätere Zeit vorgesehenen Vergütungen, wie Pensionen, Abfindungen usw. prüfen und alle in ihrer Gesamtheit berücksichtigen. Für Angestellte gilt § 87 nicht. Ihre Bezüge angemessen zu regeln, ist Aufgabe des Vorstandes, vorbehaltlich der Überwachung durch den Aufsichtsrat und seiner Zustimmung unter der Voraussetzung der §§ 8 2 , 1 1 1 I V . 2. Begriff der
Gesamtbezüge
Anm. 4: Das Gesetz gibt einige Beispiele dafür, was unter die Gesamtbezüge des Vorstandes fällt. Es ist dies alles, was aus dem Vermögen der Gesellschaft an die Vorstandsmitglieder als solche fließt. Mitzurechnen ist der Wert der Naturalleistungen (Dienstwohnung in einem Gebäude, das der Gesellschaft gehört, des Kraftwagens der Gesellschaft, der zu Privatfahrten zur Verfügung gestellt wird, Vorzugspreise für Warenlieferungen). Es können bei der Festsetzung der Gesamtbezüge alle Faktoren berücksichtigt werden, auch solche, die mit dem Aufgabenkreis des Vorstandes und der Lage der Gesellschaft nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen, wie z. B. die Familienverhältnisse des Vorstandsmitgliedes, hierbei ist jedoch zu beachten, daß die Berücksichtigung dieser Faktoren bei der sich aus der Nichtbeachtung des § 87 ergebenden Haftung des Aufsichtsrates außer acht bleiben müssen. Das bedeutet, daß der Aufsichtsrat bei zu starker Beachtung dieser Faktoren haftbar gemacht werden kann, weil er in erster Linie auf die Angemessenheit der Bezüge im Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandes und der Lage der Gesellschaft zu achten hat. 3. Angemessenheit Anm. 5: Der Aufsichtsrat hat für die Angemessenheit bei der Festsetzung zu sorgen. Nach bisherigem Recht mußte er auch dann Maßnahmen ergreifen, wenn nach der Festsetzung Umstände eintraten, die zwar die Bezüge der Vorstandsmitglieder nicht mehr als angemessen erscheinen ließen, aber noch nicht die Voraussetzungen des Abs. 2 schufen. In diesen Fällen sah sich der Aufsichtsrat großen Schwierigkeiten gegenüber, evtl. mußte er den Vertrag kündigen. Heute ist er nicht gezwungen, sofort Maßnahmen zu ergreifen, er muß aber bei einer Neubestellung nach Ablauf von 5 Jahren (§ 84) neue Bezüge festsetzen. Anm. 6: Was angemessen ist, kann nur nach Lage des Einzelfalles gesagt werden. Entscheidend ist das Maß der Verantwortung. Daneben sind zu berücksichtigen: erforderliche Fachkenntnis besonderer Art, Lebensalter, Zeit der Tätigkeit im Betrieb, besondere Erfolge für die Gesellschaft. Der äußere Umfang der Tätigkeit wird selten entscheidend sein, da alle Vorstandsmitglieder in gleicher Weise voll für das Gedeihen der Gesellschaft verantwortlich sind. Eine unterschiedliche Behandlung ist möglich, ja sogar häufig erforder429
§ 87
Anm. 6—9
Verfassung der Aktiengesellschaft
lieh, so z. B. wenn ein Vorsitzender bestellt ist. Es wird, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht angemessen sein, wenn die übrigen Vorstandsmitglieder dieselben Bezüge bekommen wie der Vorsitzende. Der Vergleich mit dem im Geschäftszweig üblichen wird auch hier meist zu richtigen Ergebnissen führen. Nicht einschlägig sind die Grundsätze, welche RFH darüber herausgearbeitet hat, wann unangemessen hohe Bezüge der Mindestbesteuerung unterliegen und als Gewinnausschüttung anzusehen sind, wenn der Vorstand gleichzeitig Aktionär ist. Anm. 7: Maßgebend ist ferner die Lage der Gesellschaft zur Zeit der Festsetzung der Bezüge, also in der Regel beim Abschluß des Anstellungsvertrages. Eine besonders ungünstige Lage des Unternehmens kann so zu sehr gedrückten Gesamtbezügen der Vorstandsmitglieder führen, andererseits soll aber durch diese Bestimmung nicht unmöglich gemacht werden, daß auch Gesellschaften in gedrückter Lage, deren Behebung bekanntlich besondere Fähigkeiten und besondere Energie, endlich einen besonders großen Arbeitsaufwand notwendig macht, geeignete Leute finden, die sich dieser Mühe unterziehen wollen. Diese persönlichen Eigenschaften und der Aufgabenkreis rechtfertigen gemäß Anm. 6 trotz schlechter Lage der Gesellschaft hohe Bezüge. Andererseits rechtfertigt eine besonders günstige finanzielle Lage der Gesellschaft nicht die Festsetzung von Bezügen, die in keinem Verhältnis zum Aufgabenbereich des Vorstandes stehen. III. Ruhegehälter und Hinterbliebenenversorgung Anm. 8: Wenngleich aus der besonderen Erwähnung der Ruhegehälter und Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art in Abs. 2 hervorgeht, daß diese nicht unter die „Gesamtbezüge" der Gesetzesstelle fallen, so sind sie doch für die Gesamtaktivbezüge zu berücksichtigen. Aber auch wenn sie selbst, sei es im Anstellungsvertrag oder erst bei Eintritt des Pensionsfalles, festgesetzt werden, ist darauf zu achten, daß sie in angemessenem Verhältnis zur Geschäftsaufgabe der einzelnen Vorstandsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen. Wie sie bei Festsetzung der Aktivgehälter sind umgekehrt diese bei ihrer Festsetzung in Betracht zu ziehen. Für die Berechnung des Ruhegehalts vgl. BGH in Die Aktiengesellschaft 60,161 = N J W 6 0 , 1 0 5 1 . IV. Herabsetzung der Bezüge 1. der aktiven Vorstandsmitglieder Anm. 9: Der Aufsichtsrat kann einseitig die Bezüge des Vorstandes angemessen herabsetzen, wenn deren Weitergewährung für die Gesellschaft infolge Verschlechterung ihrer Lage eine schwere Unbilligkeit wäre. Die Dauer, 430
Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder
§ 87
Anm. 9,10
für welche die Herabsetzung gelten soll, ist präzise zu bestimmen. Nur wesentliche Verschlechterungen rechtfertigen eine solche Herabsetzung, sie ist also nicht statthaft, wenn die Gesamtbezüge von Haus aus unangemessen waren, ohne daß sich die Lage der Gesellschaft wesentlich verschlechtert, doch kann diese Unangemessenheit, wenn sie sich erst nachträglich herausstellt, einen wichtigen Grund zur Abberufung bilden, wenn das Vorstandsmitglied die Herabsetzung ablehnt. Ihrer Natur nach nur vorübergehende Verschlechterungen sind bedeutungslos. Das Ergebnis des Jahresabschlusses allein ist nicht immer entscheidend. Ein durch Sonderausgaben oder Abschreibungen ungünstiges Ergebnis braucht nicht eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft kundzutun. Vielfach können im Jahresabschluß auch erst Verschlechterungen zum Ausdruck kommen, die zeitlich viel weiter zurückliegen (verspätete Abschreibung), unter Umständen also vor der Festsetzung der Bezüge des Vorstandes liegen. Auf diesen Zeitpunkt kommt es aber entscheidend an. Die Lage der Gesellschaft muß sich so sehr verschlechtert haben, daß die Fortgewährung der Bezüge eine schwere Unbilligkeit gegen sie wäre. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, nicht etwa nur das Mißverhältnis zwischen Belastung und Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Der angemessene Umfang der Herabsetzung auf und um das Billige (nicht etwa das Abs. 1 entsprechende) und Unbilligkeit der Weitergewährung ist im Einzelfall Tatfrage. Auf das Vermögen des Betroffenen kann es in dem Sinn nicht ankommen, daß es ein Grund für erhöhte Herabsetzung wäre, wohl aber auf besonders hohe Bezüge in guten Jahren, andererseits auf die Leistung des Betroffenen. Selbstverständlich fällt die absolute Höhe der Bezüge ins Gewicht. Die Weitergewährung ohnedies bescheidener Bezüge wird niemals eine schwere Unbilligkeit sein, Richtschnur ist die gegenseitige Treupflicht. Das Interesse der Betroffenen ist nach Möglichkeit zu wahren. Angemessen wird eine Übergangsabstufung sein. Von solcher abgesehen, wirkt die Herabsetzung sofort, nicht zurück ohne Zustimmung des Betroffenen. Das Recht der Herabsetzung der Vorstandsbezüge hat nur der Aufsichtsrat. Das Recht des Aufsichtsrates kann nicht wegbedungen werden. Das schließt eine Verständigung und einen Vergleich nicht aus, wenn der Herabsetzungsfall eintritt. Lediglich für den Fall, daß ein Vorstandsmitglied vom Gericht bestellt ist und auch die Festsetzung der Bezüge gemäß § 85 III durch das Gericht erfolgt ist, kann der Aufsichtsrat keine Herabsetzung durchführen, sondern lediglich das Gericht. Der Aufsichtsrat soll nur die Bezüge herabsetzen können, die er auch selbst festgesetzt hat. Das Gericht wird jedoch auf Antrag des Aufsichtsrates tätig. Unterläßt der Aufsichtsrat die Antragstellung, so ist er ebenso schadensersatzpflichtig, wie wenn er bei Vorliegen der Voraussetzungen die Herabsetzung nicht durchführt. Anm. 10: Die Bestimmung hat, wie Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 S. 2 ergeben, nur die Bezüge tätiger Vorstandsmitglieder im Auge. Durch die Verwei431
§ 87 Anm. 10—12
Verfassung der Aktiengesellschaft
sung auf Abs. 1 S. 1 stellt das Gesetz in Abs. 2 S. 1 klar, daß der Aufsichtsrat nicht auch Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und ähnliche Leistungen herabsetzen kann. Wann und in welchem U m f a n g diese herabgesetzt werden können, bestimmt sich lediglich aus § 242 B G B ( B G H ;in B B 1951, 869). Während es Sache des Aufsichtsrates ist, mit einem neu zu bestellenden oder aktiven Vorstandsmitglied die Pension zu vereinbaren (§ 84), ist es Sache des Vorstandes, das Ruhegehalt eines bereits ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes (Hinterbliebenenbezüge eines vor ihrer Vereinbarung Ausgeschiedenen oder Verstorbenen) fest- bzw. herabzusetzen. V . Kündigungsrecht
Anm. 11: D a s von der Herabsetzung betroffene Vorstandsmitglied — nicht die Gesellschaft — kann den Anstellungsvertrag mit einer Frist von 6 Wochen für den Schluß des nächsten Kalendervierteljahres, also nicht etwa (nach § 826 B G B ) mit sofortiger Wirkung kündigen. Diese Kündigungsmöglichkeit besteht nur einmal. Läßt das Vorstandsmitglied sie ungenutzt, so gilt der alte Vertrag mit den herabgesetzten Bezügen für seine Dauer oder die etwa vom Aufsichtsrat vorgesehene oder angemessene begrenzte Dauer der Herabsetzung (nicht etwa nur bis zu einer Besserung der Geschäftslage) weiter. Es besteht nicht ohne weiteres ein Anspruch auf die alten Bezüge während der Kündigungsfrist, jedoch ist es „angemessen", diese als Übergangszeit gelten zu lassen. Natürlich ist der Betroff ene nicht auf Kündigung angewiesen, wenn er bestreitet, daß die Voraussetzungen der Herabsetzung (wesentliche Lageverschlechterung, schwere Unbilligkeit der Weitergewährung) vorliegen oder das Ausmaß oder Dauer der Herabsetzung angemessen sei. Er kann die gerichtliche Entscheidung anrufen. Die Beweislast trägt in beiden Richtungen die Gesellschaft. D a s Gericht kann der K l a g e auch teilweise stattgeben, indem es die Bezüge anders (weniger) herabsetzt. Die Gesellschaft wird gemäß § 1 1 2 vom Aufsichtsrat in diesem Rechtsstreit vertreten. VI. K o n k u r s - und Vergleichsverfahren Anm. 12: Kündigt der Konkursverwalter gemäß § 22 K O den Anstellungsvertrag, so stehen dem Vorstandsmitglied nach § 22 II K O für die ganze vertragliche Dauer des Anstellungsvertrages seine Bezüge (soweit sie sich mit dem ihm entstehenden Schaden decken) zu. Es käme mit Rücksicht auf § 84 im ungünstigsten Falle für die Gesellschaft ein Zeitraum von 5 Jahren in Frage. Dem Gesetzgeber erschien dies jedoch noch zu lang, so daß er durch die vorliegende Sondervorschrift eine Frist von 2 Jahren festsetzte. Die Frist rechnet von dem Tage an, an dem die nach § 22 K O ausgesprochene K ü n digung wirksam wird. Masseanspruch oder vorberechtigt ist die Forderung nicht. 432
Wettbewerbsverbot
§§ 87 / 88 Anm. 1 2 / 1
Für Ruhegehälter und Hinterbliebenenbezüge gilt die Vorschrift nicht. Diese sind in vollem Umfange zu berücksichtigen. Der Kapitalwert ist zu schützen (§ 69 KO). Masseansprüche oder bevorrechtigt sind auch sie nicht. Gleiches gilt gemäß Abs. 3 S. 2 für den Fall, daß das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet und die Gesellschaft das Vertragsverhältnis kündigt. § 88 Wettbewerbsverbot (1) Die Vorstandsmitglieder dürfen ohne Einwilligung des Aufsichtsrats weder ein Handelsgewerbe betreiben noch im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Sie dürfen ohne Einwilligung auch nicht Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft sein. Die Einwilligung des Aufsichtsrats kann nur für bestimmte Handelsgewerbe oder Handelsgesellschaften oder für bestimmte Arten von Geschäften erteilt werden. (2) Verstößt ein Vorstandsmitglied gegen dieses Verbot, so kann die Gesellschaft Schadenersatz fordern. Sie kann statt dessen von dem Mitglied verlangen, daß es die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten läßt und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtritt. (3) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in drei Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem die übrigen Vorstandsmitglieder und die Aufsichtsratsmitglieder von der zum Schadenersatz verpflichtenden Handlung Kenntnis erlangen. Sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in fünf Jahren seit ihrer Entstehung. I. Übersicht (Anm. 1) II. Geltungsbereich (Anm. 2) III. Die einzelnen Verbote 1. Betrieb eines Handelsgewerbes (Anm. 3) 2. In den Geschäftszweig der Gesellschaft fallende Geschäfte (Anm. 4) 3. Leitung anderer Gesellschaften (Anm. 5)
4. Beteiligung an anderen Gesellschaften (Anm. 6) IV. Einwilligung des Aufsichtsrates (Anm. 7) V. Verstoß 1. Ansprüche der Gesellschaft (Anm. 8 u. 9) 2. Verjährung (Anm. 10)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 79 AktG 37. Sie klärt neu die Frage, inwieweit Vorstandsmitglieder Mitglieder des Vor-
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Wilhelmi, Aktiengesetz
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§88 Anm. 1—4
Verfassung der Aktiengesellschaft
standes, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter einer anderen Gesellschaft sein können (siehe Anm. 5) und inwieweit der Aufsichtsrat eine Einwilligung erteilen kann (siehe Anm. 7). Das Wettbewerbsverbot des § 88 gilt für die Dauer der Zugehörigkeit zum Vorstand. Es ist zu unterscheiden von dem Wettbewerbsverbot für die Zeit nach der Abberufung, dafür kommen nur vertragliche Bestimmungen in Frage. Auf sie finden auch die §§ 74 ff. HGB keine Anwendung. Die Beschränkung darf jedoch nicht den Grundsatz der Gewerbefreiheit in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise verletzen. Unter diesem Gesichtspunkt gilt auch der Grundsatz des § 75 HGB, daß der Gekündigte, sofern er keinen erheblichen Anlaß zu der Kündigung gegeben hat, an das Wettbewerbsverbot nicht gebunden ist (vgl. RG 59, 79). Das Wettbewerbsverbot nach § 88 kann vertragsmäßig erweitert, eingeengt und ausgeschlossen werden. II. Geltungsbereich Anm. 2: Das Wettbewerbsverbot gilt für die Vorstandsmitglieder, und zwar sowohl für die ordentlichen als auch stellvertretenden (§ 94), auch für die etwa vom Gericht gemäß § 85 bestellten, nicht aber für einen vom Aufsichtsrat gemäß § 105 II vorübergehend bestellten Vertreter, auch nicht für einen Prozeßvertreter, der nach § 57 Z P O bestellt ist. Das Verbot gilt nur für die Zeit, in der der Verpflichtete Mitglied des Vorstandes ist. Der Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister ist belanglos. Bleibt bei Ausscheiden aus dem Vorstand das Dienstverhältnis bestehen, so hört das gesetzliche Wettbewerbsverbot trotzdem auf. Es kann aber u. U. das Wettbewerbsverbot des § 60 HGB für Handlungsgehilfen Platz greifen (herrschende Ansicht). Für Mitglieder des Aufsichtsrates und für Abwickler gilt §88 nicht. III. Die einzelnen Verbote 1. Betrieb eines Handelsgewerbes Anm. 3: Verboten schlechthin ist der Betrieb irgendeines Handelsgewerbes. Dazu gehört, daß die Geschäfte im Namen des Verpflichteten als Geschäftsherrn abgeschlossen werden. Welchem Geschäftszweig das Handelsgewerbe angehört, ist gleichgültig. 2. In den Geschäftszweig der Gesellschaft fallende Geschäfte Anm. 4: Verboten sind ferner alle Geschäfte, welche in den Geschäftszweig der Gesellschaft fallen, mögen sie für eigene oder fremde Rechnung, im eigenen oder fremden Namen gemacht werden. Maßgebend dafür, was zu dem Geschäftszweig gehört, ist zunächst der Gegenstand des Unternehmens gemäß 434
Wettbewerbsverbot
§ 88
Anm. 4—7
der Satzung. Die tatsächliche Beschränkung des Tätigkeitsgebietes ist ohne Bedeutung (RG 109, 355). Dagegen erweitert eine tatsächliche Erweiterung des Geschäftszweigs auch das Wettbewerbsverbot. 3. Leitung anderer Gesellschaften Anm. 5: Ein Vorstandsmitglied darf ferner nicht Mitglied des Vorstandes oder Geschäftsführer einer anderen Gesellschaft sein. Diese Frage war nach früherem Recht streitig. Nimmt ein Vorstandsmitglied eine derartige Stelle an, so kann er nicht mehr seine volle Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung stellen; ferner kann die Gesellschaft nur dann einen Überblick darüber erhalten, in welchen Handelsgesellschaften ihr Vorstandsmitglied Geschäfte macht, wenn diese Tätigkeit von der Einwilligung des Aufsichtsrates abhängig ist. 4. Beteiligung an anderen Gesellschaften Anm. 6: Verboten ist endlich schlechthin die Beteiligung an einer anderen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter. Ein Vorstandsmitglied darf also nicht Mitglied einer O H G und nicht persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft oder einer solchen auf Aktien sein, gleichgültig welchem Geschäftszweig die Gesellschaft angehört. IV. Einwilligung des Aufsiditsrates Anm. 7: In allen Fällen (Anm. 3—6) kann aber der Aufsichtsrat seine Einwilligung geben. Nach bisherigem Recht konnte eine Blankoeinwilligung bereits im Anstellungsvertrag erteilt werden. Dem ist nunmehr durch Abs. 1 5. 3 ein Riegel vorgeschoben worden, da bestimmt ist, die Einwilligung dürfe vom Aufsichtsrat nur für bestimmte Handelsgewerbe oder Handelsgesellschaften oder für bestimmte Arten von Geschäften erteilt werden. Das bedeutet, daß der Aufsichtsrat nur für jeden einzelnen Fall seine Einwilligung erteilen darf und genau wissen muß, welche Nebentätigkeit im einzelnen das Vorstandsmitglied auszuüben wünscht. Die Einwilligung kann formfrei erteilt werden. Einwilligung ist an sich vorherige Zustimmung. Daraus wird von Schl.-Qu. § 79 Anm. 7; Schmidt-Meyer-Landrut in Großkom. § 79 Anm. 5 sowie Baumbach-Hueck § 79 Anm. 2 C gefolgert, daß eine nachträgliche Genehmigung bedeutungslos sei, schon weil der Aufsichtsrat über die zugunsten der Gesellschaft einmal entstandenen Ansprüche nicht mehr verfügen könne. Die in der Vorauflage vertretene abweichende Auffassung kann mit der u. E. verfehlten Begründung nicht mehr aufrechterhalten werden. Wir halten diesen Streit jedoch für bedeutungslos, da von allen anerkannt wird, daß, wenn der Aufsichtsrat als für die Einwilligung zuständiges Organ weiß, daß das Vorstandsmitglied einen Gewerbebetrieb eröffnet hat und er diesen eine Zeitlang zuläßt, darin eine Einwilligung für den ganzen Ge28»
435
§ 88
V e r f a s s u n g d e r Aktiengesellschaft
Anm. 7—9 Werbebetrieb liegt, desgl. daß, wenn der Aufsichtsrat einer Mitteilung des Vorstandes über die Vornahme eines einzelnen Geschäftes nicht widerspricht, in der Regel daraus die Einwilligung zu entnehmen ist. Im Grunde ist die Zustimmung durch Duldung mehr Genehmigung als Einwilligung, was die herrschende Ansicht übersieht.
V. Verstoß 1. Ansprüche der Gesellschaft Anm. 8: Verstößt ein Vorstandsmitglied gegen das Verbot, so hat die Gesellschaft neben den im Gesetz angeführten Ansprüchen auf Schadensersatz und Eintritt in das Geschäft auch den Anspruch auf Unterlassung, ferner auf Auskunftserteilung und auf Rechnungslegung und ggf. das Recht zur Entlassung. Der Gesetzeswortlaut läßt erkennen, daß das Eintrittsrecht nur bei einzelnen Geschäften besteht (Gegensatz ein Erwerbsgeschäft). Die Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Eintritt in den Vertrag stehen der Gesellschaft wahlweise zu, es handelt sich jedoch nicht um ein alternatives Schuldverhältnis im Sinne der §§ 262 ff. BGB. Ein Recht des Vorstandsmitgliedes, der Gesellschaft eine Frist zur Vornahme der Wahl zu bestimmen, besteht nicht. Andererseits kann die Gesellschaft, wenn sie die Wahl einmal vollzogen hat, nicht mehr die anderen Ansprüche geltend machen (so H a m b u r g O L G 7, 149; a. A. Brodtmann § 236 H G B Anm. 3). Die Geltendmachung eines Anspruchs der Gesellschaft hat auf die Gültigkeit der von dem Vorstandsmitglied im Rahmen seiner Nebentätigkeit abgeschlossenen Geschäfte keinen Einfluß. So ist insbesondere die Bestellung zum Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer einer anderen Gesellschaft voll gültig. Es tritt lediglich die Verantwortlichkeit des Vorstandsmitgliedes gemäß Abs. 2 ein. Anm. 9: Der Schadenersatzanspruch besteht in dem erwachsenen Schaden und dem entgangenen Gewinn. Das ist aber nicht der Gewinn, den das Vorstandsmitglied aus dem verbotenen Geschäft gezogen hat, sondern der Gewinn, den die Gesellschaft erzielt hätte, wenn der Geschäftsbetrieb bzw. das Geschäft unterblieben wäre oder das Vorstandsmitglied sich nicht daran beteiligt hätte. Will die Gesellschaft den Gewinn erfassen, den das Vorstandsmitglied gemacht hat, so muß sie den zweiten vom Gesetz vorgesehenen Weg gehen. Sie kann in das von dem Vorstandsmitglied abgeschlossene Geschäft eintreten und, wenn es f ü r fremde Rechnung gehandelt hat, von ihm die Herausgabe der Vergütung, die dieses aus dem verbotenen Geschäft erlangt hat, verlangen. Auch wenn das Vorstandsmitglied f ü r eigene Rechnung gehandelt hat, kann die Gesellschaft natürlich nicht in der Weise eintreten, daß sie sich dem Vertragsgegner als Kontrahentin aufdrängt. Der „Eintritt" ist nur schuldrechtlich im Verhältnis zwischen ihr und ihrem Vorstandsmitglied; sie muß die Ab436
Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder
§§88/89
Anm. 9,10 wicklung des Geschäfts durch dieses dulden und den Gewinn von ihm herausverlangen, evtl. seinen Verlust ersetzen. 2. Verjährung Anm. 10: Die Ansprüche unterliegen einer doppelten Verjährungsfrist. Einmal verjähren sie 3 Monate nach Kenntnis und ferner ohne Rücksicht auf Kenntnis nach 5 Jahren seit ihrer Entstehung. Für den Beginn der Dreimonatsfrist ist erforderlich, daß sämtliche übrigen Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats — d. h. allen seinen Mitgliedern — Kenntnis von dem Verstoß erlangen. Der Grundsatz, daß das Wissen auch nur eines gesetzlichen Vertreters genügt, gilt hier nicht. Für den Beginn der Fünfjahresfrist ist maßgebend die Entstehung des Anspruchs der Gesellschaft, d. h. bei einzelnen Geschäften ihr Abschluß. Bei Betrieb eines Handelsgewerbes oder Beteiligung an einer anderen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter ist der Beginn des Unternehmens bzw. der Eintritt maßgebend, auch f ü r die fünfjährige Frist (a.A. Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 7 9 Anm. 9), nach welchem der Anspruch immer wieder neu entsteht und die Verjährung immer wieder neu beginnt). Für Hemmung und Unterbrechung der Verjährung gelten die §§ 202 ff. BGB. Auch der Unterlassungsanspruch unterliegt der Verjährung von 5 Jahren. Die Verwirkung des Rechts zur Abberufung folgt eigenen Grundsätzen. § 89 Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder (1) Die Gesellschaft darf ihren Vorstandsmitgliedern Kredit nur auf Grund eines Beschlusses des Aufsichtsrats gewähren. Der Beschluß kann nur für bestimmte Kreditgeschäfte oder Arten v o n Kreditgeschäften und nicht für länger als drei Monate im voraus gefaßt werden. Er hat die Verzinsung und Rückzahlung des Kredits zu regeln. Der Gewährung eines Kredits steht die Gestattung einer Entnahme gleich, die über die dem Vorstandsmitglied zustehenden Bezüge hinausgeht, namentlich auch die Gestattung der Entnahme von Vorschüssen auf Bezüge. Dies gilt nicht für Kredite, die ein Monatsgehalt nicht übersteigen. (2) Die Gesellschaft darf ihren Prokuristen und zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten Kredit nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats gewähren. Eine herrschende Gesellschaft darf Kredite an gesetzliche Vertreter, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte eines abhängigen Unternehmens nur mit Einwilligung ihres Aufsichtsrats, eine abhängige Gesellschaft darf Kredite an gesetzliche Vertreter, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte des herrschenden Unter437
§ 89
Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
nehmens nur mit Einwilligung des Aufsiditsrats des herrschenden Unternehmens gewähren. Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt sinngemäß. (3) Absatz 2 gilt auch für Kredite an den Ehegatten oder an ein minderjähriges Kind eines Vorstandsmitglieds, eines anderen gesetzlichen Vertreters, eines Prokuristen oder eines zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten. E r gilt ferner für Kredite an einen Dritten, der für Rechnung dieser Personen oder für Rechnung eines Vorstandsmitglieds, eines anderen gesetzlichen Vertreters, eines Prokuristen oder eines zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten handelt. (4) Ist ein Vorstandsmitglied, ein Prokurist oder ein zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter zugleich gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsrats einer anderen juristischen Person oder Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, so darf die Gesellschaft der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellschaft Kredit nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats gewähren, Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt sinngemäß. Dies gilt nicht, wenn die juristische Person oder die Personenhandelsgesellschaft mit der Gesellschaft verbunden ist oder wenn der Kredit für die Bezahlung von Waren gewährt wird, welche die Gesellschaft der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellschaft liefert. (5) Wird entgegen den Absätzen 1 bis 4 Kredit gewährt, so ist der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren, wenn nicht der Aufsichtsrat nachträglich zustimmt. (6) Ist die Gesellschaft ein Kreditinstitut, so gelten an Stelle der Absätze 1 bis 5 die Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen. I. Übersicht (Anm. 1) I I . Betroffene Kredite (Anm. 2) I I I . Beschluß des Aufsichtsrats (Anm. 3 u. 4) I V . Betroffener Personenkreis (Anm. 5 u. 6)
V. Kreditgewährung an Gesellschaften (Anm. 7 u. 8) V I . Verstoß (Anm. 9) V I I . Kreditinstitute (Anm. 10)
I. Übersicht Anm. 1: § 89 regelt wie früher § 80 AktG 37 die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder. Es sind einige Änderungen eingetreten: Vorstandsmitgliedern darf nur auf Grund eines Aufsichtsratsbeschlusses Kredit gewährt werden (siehe Anm. 3 und 4); die Bezeichnung „leitende Angestellte" hat das Gesetz nicht übernommen, es wird die Kreditgewährung an Prokuristen und zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte geregelt (s. Anm. 5); neu ist das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichts438
K r e d i t g e w ä h r u n g an Vorstandsmitglieder
§ 89
Anm. 1—3
rates für die Kreditgewährung an andere juristische Personen oder Personengesellschaften im Falle des Abs. 4 (s. Anm. 7). Die Kreditgewährung an Mitglieder des Vorstandes, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte wird z w a r nicht untersagt, aber unter besondere Kontrolle des Aufsichtsrates gestellt. Außerdem sieht § 151 I Aktivseite I I I B Ziff. I I a vor, daß Forderungen der Gesellschaft aus derartigen Krediten gemäß § 89 in der Jahresbilanz besonders auszuweisen sind. Endlich, siehe auch § 93 I I I Ziff. 8. D a m i t soll die Kreditgewährung an die in Absatz 1 und 2 genannten Personen nicht bekämpft werden, es liegt vielmehr durchaus im Interesse der Gesellschaft, daß derartige Kredite bei ihr gedeckt werden, da diese Kredite sonst anderweitig beschafft werden würden und die Gesellschaft so den Uberblick über die Vermögensverhältnisse des genannten Personenkreises verliert. § 89 soll lediglich Mißbräuche verhindern, die bei derartigen Kreditgewährungen auftreten können (vgl. die amtliche Begründung).
II. Betroffene Kredite Anm. 2: Ohne Zustimmung des Aufsichtsrats dürfen an Vorstandsmitglieder, Prokuristen und an zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte H a n d lungsbevollmächtigte keinerlei Kredite irgendwelcher Art gewährt werden. Darunter sind nicht nur Darlehen zu verstehen, sondern auch Waren-, Wechsel", Kontokorrent- und Rembourskredite (sonach können Aktienbanken Effektenkäufe auf K r e d i t auch dann nicht gestatten, wenn der üblidie Einschuß geleistet wird), auch Bürgschaften, Sicherheitsleistung und Garantien, Stundung, ferner auch die Kreditvorverträge. Zustimmungsbedürftig ist selbstverständlich auch eine private Schuldübernahme, aber auch eine K r e ditgewährung gegen Bürgschaft oder Mithaft einer Vorstandsperson, weil sonst Umgehungen Tür und Tor geöffnet wären. D e r Kreditgewährung ist gleichgestellt, das Gestatten von Entnahmen, die die gewährten Bezüge übersteigen, insbesondere die Entnahmen von Vorschüssen. Ausgenommen sind Kleinkredite, deren Betrag einen Monatsgehalt des Kreditnehmers nicht überschreiten. Unter Monatsgehalt sind die monatlichen Bruttobezüge zu verstehen. Garantierte Mindesttantiemen sind mit V12 zu berücksichtigen, nicht aber etwa der Durchschnitt der Gewinntantieme der letzten J a h r e und auch nicht V12 des sogenannten dreizehnten Monatsgehaltes.
III. Beschluß des Aufsiditsrats Anm. 3: Die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder ist nicht mehr, wie früher, von der „Zustimmung" des Aufsichtsrates abhängig, sondern es kann der Kredit nur auf G r u n d eines ausdrücklichen Beschlusses des Aufsichtsrates gewährt werden. Dise Änderung folgt aus der erweiterten Vertretungs439
§89 Anm. 3—5
Verfassung der Aktiengesellschaft
befugnis des Aufsichtsrates gemäß § 112, wonach der Aufsichtsrat nunmehr grundsätzlich die Gesellschaft Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt. Der Beschluß des Aufsichtsrates kann nur im voraus erfolgen, was sich aus der Formulierung „auf Grund . . e r g i b t . Innerhalb einer Frist von 3 Monaten muß der Kredit gewährt werden, da der Beschluß nur für diese begrenzte Dauer Wirkung hat. Wird der Kredit in diesem Zeitraum nicht ausgezahlt, so ist ein erneuter Beschluß des Aufsichtsrates erforderlich. Die Frist beginnt nach dem Wortlaut des Gesetzes mit der Beschlußfassung zu laufen und nicht erst vom Zeitpunkt des Zugangs des Beschlusses an das Vorstandsmitglied. Eine allgemeine Kreditgewährung ist ausgeschlossen. Nur für bestimmte Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften kann die Kreditgewährung beschlossen werden. § 89 ist zwingendes Recht, so daß weder die Satzung noch der Anstellungsvertrag Abweichendes bestimmen kann. Sieht die Satzung Erleichterungen vor, so ist dies unwirksam. Erschwert sie die Kreditgewährung, so hat dies nur die Bedeutung von Anweisungen an den Aufsichtsrat und Vorstand, die aber für die Wirksamkeit des Kreditgeschäftes ohne Bedeutung ist. Nur für den erforderlichen Aufsichtsratsbeschluß kann die Satzung Erschwernisse (qualifizierte Mehrheit, Präsenz, Einstimmigkeit) vorsehen. Der Beschluß hat auch im einzelnen die Verzinsung und die Rückzahlung des Kredites zu regeln. Damit soll klargestellt werden, daß alle die Kreditgewährung betreffenden Absprachen bereits im voraus getroffen sein müssen. Anm. 4: Das pflichtmäßige Ermessen des Aufsichtsrates ist in keiner Beziehung eingeschränkt. Maßgebend ist, ob die Kreditgewährung und die Kreditbedingungen mit dem Interesse der Gesellschaft vereinbar sind. Es kann im Interesse der Gesellschaft liegen, an der Regelung der privaten Vermögensverhältnisse eines Vorstandsmitgliedes mitzuwirken, um zu vermeiden, daß durch seinen Zusammenbruch das Ansehen der Gesellschaft gefährdet wird oder um es der Gesellschaft zu erhalten. Wenn die Satzung Vorschriften enthält, so würde in deren Außerachtlassung stets eine Verletzung der Sorgfaltspflicht liegen. Eine solche Verletzung führt die Haftung für die Aufsichtsratsmitglieder aus den §§ 116, 93 herbei. IV. Betroffener Personenkreis Anm. 5: Unter Abs. 1 fallen sämtliche Vorstandsmitglieder, sowohl die ordentlichen als auch die stellvertretenden (§ 94), ein nach § 85 bestelltes Mitglied, die Abwickler (§ 268), sowie ein vorübergehend vom Aufsiditsrat gemäß § 105 II in den Vorstand entsandtes Mitglied. Abs. 2 S. 1 regelt die Kreditgewährung der Gesellschaft an Prokuristen, zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte, sowie der herrschenden Gesellschaft an gesetzliche Vertreter, Prokuristen oder zum 440
Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder
§ 89
Anm. 5—7 gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte eines abhängigen Unternehmens und schließlich der abhängigen Gesellschaft an den gleichen Personenkreis des herrschenden Unternehmens. Gemäß Abs. 3 gilt die Vorschrift des Abs. 2, ferner für Kredite der Gesellschaften an Ehegatten oder minderjährige Kinder eines Vorstandsmitgliedes, eines Prokuristen oder eines zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten, sowie für Kredite an Dritte, die für Rechnung dieser Personen oder der in Abs. 1 und 2 Satz 1 genannten Personen handelt. All diesen Kreditgewährungen ist das Erfordernis der Einwilligung durch den Aufsichtsrat gemeinsam. Aus der Bezeichnung „Einwilligung" ergibt sich, daß diese im Zeitpunkt der Kreditgewährung vorliegen muß. Sie ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die sowohl den kreditgewährenden Mitgliedern des Vorstandes als auch den empfangenden gegenüber abgegeben werden kann (§ 182 BGB). Im übrigen gelten Abs. 1 S. 2—5 sinngemäß (vgl. Anm. 3—6). Die Vorschrift hat den Zweck, Umgehungen von Abs. 1 zu verhindern. Anm. 6: Die Fassung des Abs. 2 S. 2, ist gegenüber dem früheren Recht geändert worden, um klar herauszustellen, daß es sich um zwei verschiedene Fälle der Kreditgewährung handelt: a) Kredit der herrschenden Gesellschaft an gesetzliche Vertreter oder die Angestellten des Abs. 2 S. 1 eines abhängigen Unternehmens; b) der abhängigen Gesellschaft an den gleichen Personenkreis des herrschenden Unternehmens. In beiden Fällen ist die Einwilligung des herrschenden Unternehmens erforderlich. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß im Falle b) das herrschende Unternehmen nicht eine AG zu sein braucht (vgl. im einzelnen über den Begriff des Unternehmens § 15 Anm. 2) und demnach nicht notwendig einen Aufsichtsrat hat. In diesem Fall ist das Organ oder derjenige für die Einwilligung zuständig, dem die Aufgabe, die bei einer Aktiengesellschaft dem Aufsichtsrat zufällt, obliegt. V. Kreditgewährung an Gesellschaften Anm. 7: Neu geregelt ist die Kreditgewährung des Absatzes 4. Danach ist die Einwilligung des Aufsichtsrates auch für Kredite erforderlich, die an andere juristische Personen oder Personalgesellschaften gegeben werden, in denen die Personen des Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 gesetzliche Vertreter oder Mitglieder des Aufsichtsrates bzw. Gesellschafter — bei Personengesellschaften — sind. Um diesen Personen eine Umgehung des § 89 in der Form zu unterbinden, daß sie den genannten Gesellschaften einen Kredit gewähren und von dieser den eigenen gewünschten Kredit erhalten, ist diese neue Bestimmung aufgenommen worden. Bei derartigen Kreditgeschäften, bei denen die Bedingungen ohne Wissen des Aufsichtsrates praktisch von dem ausgehandelt 441
§89 Anm. 7—9
Verfassung der Aktiengesellschaft
werden, der letztlich — über den Umweg über die andere Gesellschaft — in den Genuß des Kredits kommt, kann die Gesellschaft durch unangemessene Bedingungen oder unzureichende Sicherheiten stark geschädigt werden, was verhindert werden soll. Anm. 8: Hinsichtlich der Einwilligung ist auf Satz 2 und 3 des Abs. 1 verwiesen, d. h. daß die Einwilligung nur für die Dauer von 3 Monaten für bestimmte Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften gegeben werden kann und daß Verzinsung und Rückzahlung gleichzeitig geregelt sein müssen. Daraus ergibt sich, daß Abs. 4 für alle Kredite, also auch die Kleinkredite des Abs. 1 S. 5 gilt. Eine Einwilligung ist nur in zwei Fällen entbehrlich: a) wenn die andere Gesellschaft mit der AG verbunden ist. In diesem Fall werden wegen der engen Verbindung häufig Kredite gewährt, so daß der Aufsichtsrat durch das Erfordernis der Einwilligung zu stark belastet werden würde; b) wenn die Kredite zur Bezahlung von Waren gewährt werden, welche die AG an die genannten Gesellschaften geliefert hat. Es ist eine alltägliche Erscheinung, daß der Abnehmer die gelieferte Ware nicht sofort bezahlt und daher von Lieferanten einen Kredit eingeräumt erhält. Auch für diesen Fall die Einwilligung des Aufsichtsrates zu fordern, würde die Behinderung des gesamten Geschäftsverkehrs der Gesellschaft bedeuten. VI. Verstoß Anm. 9: Die Folgen einer entgegen den Abs. 1 bis 4 erfolgten Kreditgewährung regelt Absatz 5. Ein derartig gewährtes Darlehen ist trotz § 134 BGB keineswegs nichtig, sondern voll wirksam, und zwar auch in allen Nebenpunkten, wie Pfandbestellungen usw. (a. A. Schl.-Qu. § 80 Anm. 15; wie hier Baumbadi-Hueck § 80 Anm. 4; Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 80 Anm. 15; Ritter § 80 Anm. 4). Die Gesellschaft hat den sich aus der Kreditgewährung ergebenden Anspruch, der jedoch von ihr ohne Rücksicht auf die getroffene Vereinbarung auch gegenüber Bürgen und Wechselschuldnern jederzeit fällig gemacht werden kann und muß. Der Anspruch geht auf Rüdegewähr — und nicht mehr auf Rückzahlung — des Kredits, da auch die Übernahme einer Bürgschaft unter § 89 fällt und eine solche nicht „zurückgezahlt" werden kann. Stimmt aber der Aufsichtsrat nachträglich der Kreditgewährung zu, so gilt ausschließlich die vereinbarte Fälligkeit. Die nachträgliche Zustimmung ist jederzeit möglich. Wird die Genehmigung nie erteilt, so haften kreditgebende und -nehmende Mitglieder des Vorstandes — auch Prokuristen, wenn sie den Kredit gewähren — auch, wenn ihnen kein weiteres Verschulden zur Last fällt; die Mitglieder haften nach § 93 V sogar nach außen den Gläu442
Berichte an den Aufsichtsrat
§§89/90
Anm. 9,10
bigern der Gesellschaft. Natürlich kann die Genehmigung des Aufsichtsrates nicht von einer Haftung für Verschulden befreien. Anders liegt der Fall, wenn Kredit gewährt wurde, in dem Verpflichtungen (Bürgschaft) eingegangen oder Sicherheiten bestellt wurden. In solchen Fällen wird der Mangel der Zustimmung des Aufsichtsrats das Geschäft gegenüber dem Dritten unwirksam machen. Gegenüber Dritten ist durch § 89 die Vertretungsbefugnis begrenzt. VII. Kreditinstitute Anm. 10: § 89 findet nach Abs. 6 keine Anwendung auf Kreditinstitute. Für diese gilt § 15 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. 7.1961 (BGBl. I 881).
S 90 Berichte an den Aufsichtsrat (1) Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat zu berichten über 1. die beabsiditigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftsführung; 2. die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere die Rentabilität des Eigenkapitals; 3. den Gang der Geschäfte, insbesondere den Umsatz, und die Lage der Gesellschaft; 4. Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können. Außerdem ist dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats aus sonstigen wichtigen Anlässen zu berichten; als wichtiger Anlaß ist auch ein dem Vorstand bekanntgewordener geschäftlicher Vorgang bei einem verbundenen Unternehmen anzusehen, der auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein kann. (2) Die Berichte nach Absatz 1 Satz 1 N r . 1 bis 4 sind wie folgt zu erstatten: 1. die Berichte nach N u m m e r 1 mindestens einmal jährlich, wenn nicht Änderungen der Lage oder neue Fragen eine unverzügliche Berichterstattung gebieten; 2. die Berichte nach Nummer 2 in der Sitzung des Aufsichtsrats, in der über den Jahresabschluß verhandelt wird; 3. die Berichte nach N u m m e r 3 regelmäßig, mindestens vierteljährlich; 4. die Berichte nach Nummer 4 möglichst so rechtzeitig, daß der Aufsichtsrat vor Vornahme der Geschäfte Gelegenheit hat, zu ihnen Stellung zu nehmen. 443
§ 90 Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
(3) Der Aufsichtsrat kann vom Vorstand jederzeit einen Bericht verlangen über Angelegenheiten der Gesellschaft, über ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen sowie über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können. Audi ein einzelnes Mitglied kann einen Bericht, jedoch nur an den Aufsichtsrat, verlangen; lehnt der Vorstand die Berichterstattung ab, so kann der Bericht nur verlangt werden, wenn ein anderes Aufsichtsratsmitglied das Verlangen unterstützt. (4) Die Berichte haben den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. (5) Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, von den Berichten Kenntnis zu nehmen. Soweit die Berichte schriftlich erstattet worden sind, sind sie auch jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen auszuhändigen, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. Der Vorsitzende des Aufsichtrats hat die Aufsichtsratsmitglieder über die Berichte nach Absatz 1 Satz 2 spätestens in der nächsten Aufsichtsratssitzung zu unterrichten. I. Übersicht (Anm. 1) I I . Inhalt der Berichte 1. Beabsichtigte Geschäftspolitik (Anm. 2) 2. Rentabilität (Anm. 3) 3. Gang der Geschäfte (Anm. 4) 4. Einfluß auf Rentabilität oder Liquidität (Anm. 5) 5. Aus sonstigem wichtigen Anlaß (Anm. 6)
I I I . Zeitpunkt der Berichterstattung (Anm. 7) I V . Berichtspflichtige (Anm. 8) V. Anforderungsrecht 1. des Gesamtaufsichtsrats (Anm. 9) 2. einer Minderheit (Anm. 10) V I . Anzuwendende Sorgfalt (Anm. 11 u. 12) V I I . Anspruch auf Aushändigung und Kenntnisnahme (Anm. 13)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift befaßt sich mit der Pflicht des Vorstandes zur Berichterstattung an den Aufsichtsrat und faßt die bisherigen § 81 und 95 II AktG 37 zu einer Vorschrift zusammen, da sie sich gegenseitig ergänzen. Die Pflicht ist jedoch gegenüber dem bisherigen Recht erweitert worden, in dem auch über die beabsichtigte Geschäftspolitik und die künftige Geschäftsführung (s. Anm. 2), die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere des Eigenkapitals (s. Anm. 3) sowie über Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können (s. Anm. 5), berichtet werden muß. Ferner ist genau normiert worden, in welchen Zeiträumen diese Berichte zu erfolgen haben (s. Anm. 7). Neu ist die Festlegung des Rechts auf Kenntnisnahme des Berichtes für alle Aufsichtsratsmitglieder (s. Anm. 13). 444
Berichte an den Aufsichtsrat
§90
Anm. 1—4
Der Vorstand hat gemäß Abs. 1 an den Aufsichtsrat ohne Aufforderung zu den in Abs. 2 bestimmten Zeitpunkten, ggf. nach Satz 2 auch zwischendurch Bericht zu erstatten, dagegen ist der Bericht nach Abs. 3 nur auf Aufforderung zu erstatten. Die Vorschrift soll es dem Aufsichtsrat erleichtern, seiner Pflicht zur Überwachung des Vorstandes nachzukommen. Andererseits soll den Aufsichtsratsmitgliedern die Möglichkeit genommen werden, sich bei einer Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung auf Unkenntnis zu berufen. II. Inhalt der Berichte 1. Beabsichtigte Geschäftspolitik Anm. 2: Nach Absatz 1 ist über folgendes zu berichten: a) die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftsführung. Diese Vorschrift soll es dem Aufsichtsrat ermöglichen, im voraus die wichtigsten Pläne zu kennen. Die beabsichtigte Geschäftspolitik ist eine der grundsätzlichsten Fragen der Geschäftsführung. Durch besonderes Hervorheben im Gesetz ist jedoch keine Rangfolge der verschiedenen Fragen der Geschäftsführung vorgesehen. Unter diese fallen Erneuerung der sozialen Anlagen, Umstellung der Arbeitsmethoden oder des Herstellungsprogramms, Änderung der Vertriebsformen, Erproben von neuen Erfindungen und dergleichen. 2.
Rentabilität
Anm. 3: b) Über die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere die Rentabilität des Eigenkapitals. Damit soll dem Aufsichtsrat die Möglichkeit gegeben werden, sachgemäß über den Jahresabschluß zu entscheiden, was ihm nur bei Kenntnis der Rentabilität möglich ist, d. h., wenn er einen Uberblick über die Verzinsung des Eigenkapitals hat. Unter Eigenkapital fällt das Grundkapital und die offenen Rüdilagen, wobei etwa vorhandene Gegenposten zum Eigenkapital abzuziehen sind. Da dieser Bericht nach Abs. 2 Nr. 2 in der Bilanzsitzung des Aufsichtsrates zu erstatten ist, kann sich der Vorstand weitgehend auf den Inhalt des Berichts der Abschlußprüfer beziehen, der in diesem Zeitpunkt dem Aufsichtsrat bereits vorliegt (§ 170 I). 3. Gang der Geschäfte Anm. 4: c) Über den Gang der Geschäfte, insbesondere den Umsatz und die Lage der Gesellschaft. Dem Aufsichtsrat ist ein genaues Bild über die Entwicklung der Gesellschaft und ihre derzeitige Lage zu geben. Hierzu sind notwendig auch Angaben über die inzwischen erzielten Umsätze zu machen, und zwar nicht allgemein, sondern aufgegliedert auf die einzelnen Geschäftszweige. Ein Bericht „nichts Neues" ist in jedem Fall unzureichend, anderer445
§ 90
Anm. 4—7
Verfassung der Aktiengesellschaft
seits kann nicht eine Zwischenbilanz oder ein Geschäftsbericht im Sinne des § 160 verlangt werden. §§ 131 I I I und 160 sind nicht anwendbar, insbesondere nicht die Schutzklauseln in § 130 III und § 160 IV S. 3. Bei dem für den Aufsichtsrat bestimmten Bericht ist unbedingte Offenheit erforderlich (BGH 20, 246; siehe Anm. 11), anderenfalls wären Vorwänden Tür und Tor geöffnet. 4. Einfluß auf Rentabilität oder Liquidität Anm. 5: d) Uber Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können. Welche Geschäfte hierunter fallen, hängt von der Größe, dem Gegenstand und der Lage des Unternehmens ab (amtliche Begründung). Es kommt nicht darauf an, welcher Art die Geschäfte sind — Übernahme eines besonders großen Auftrages, Erwerb oder Veräußerung eines Betriebes oder dergleichen —, sondern lediglich darauf, ob das Geschäft einen erheblichen Einfluß auf die Liquidität oder Rentabilität der Gesellschaft haben kann. 5. Aus sonstigem wichtigem Anlaß Anm. 6: e) Bei sonstigem wichtigem Anlaß an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Der Bericht beschränkt sich in diesem Fall auf den Anlaß. Er kann und wird wohl meist mündlich erstattet werden. Eine Notwendigkeit, an den Gesamtaufsichtsrat zu berichten, kann sich aus § 93 I S. 1 ergeben. Was unter einem wichtigen Anlaß zu verstehen ist, hängt in der Regel vom Einzelfall ab. Das Gesetz hebt geschäftliche Vorgänge bei verbundenen Unternehmen, die erheblichen Einfluß auf die Lage der Gesellschaft haben können, besonders hervor. Diese werden immer ein wichtiger Anlaß sein, ebenso erhebliche, unvorhergesehene Verluste, Gefährdung erheblicher Außenstände, ein für oder gegen die Gesellschaft ergangenes Urteil von weittragender Bedeutung, wie die Gültigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und dergleichen. Dieser Bericht ist dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates zuzuleiten. Im Falle seiner Behinderung (§ 107 I S. 3) seinem Stellvertreter. Nach bisherigem Recht wurde teilweise die Ansicht vertreten, der Vorsitzende des Aufsichtsrates habe darüber zu befinden, ob er von diesem Bericht dem übrigen Aufsichtsrat Kenntnis geben und ihn zur Beratung einberufen will. Nunmehr bestimmt das Gesetz die Verpflichtung des Aufsichtsratsvorsitzenden, die übrigen Aufsichtsratsmitglieder über diesen Bericht spätestens bei der nächsten Aufsichtsratssitzung zu unterrichten (Abs. 5 S. 3). III. Zeitpunkt der Berichterstattung Anm. 7: Die Berichte sind in verschiedenen Zeitabständen zu erstatten. Der Bericht nach Ziffer 1 (Anm. 2) mindestens einmal jährlich. Änderungen der Lage oder neu auftretende Fragen sind dem Aufsichtsrat jedoch sofort zu 446
Berichte an den Aufsichtsrat
§90
Anm. 7,8 berichten, insbesondere die durch diese Änderungen geplanten Maßnahmen. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Der Bericht nach Ziffer 2 (Anm. 3) hat in der Aufsichtsratssitzung zu erfolgen, in der über den Jahresabschluß verhandelt wird. Der Bericht nach Ziffer 3 (Anm. 4) hat, wie schon nach bisherigem Recht, vierteljährlich zu erfolgen. Für den Bericht nach Ziffer 4 (Anm. 5) ist ein bestimmter Zeitpunkt nicht angegeben, was dem Sinn der Vorschrift auch zuwiderlaufen würde. Diese Berichte sind möglichst so rechtzeitig zu erstatten, daß der Aufsichtsrat noch vor Vornahme des Geschäfts hierzu Stellung nehmen kann. Dies ist, wie das Wort „möglichst" zeigt, nicht zwingend, es kann sich ergeben, daß ein derartiges Geschäft unverzüglich abgeschlossen werden muß und durch eine Verzögerung, die ein derartiger Bericht und die Stellungnahme mit sich bringen würde, der Gesellschaft ein Schaden entsteht. In diesem Fall kann ohne vorherige Berichterstattung das Geschäft abgeschlossen werden. Dadurch ist der Bericht aber nicht entbehrlich geworden; er ist vielmehr nachträglich zu erstatten. Die Bestimmung des Abs. 2 ist zwingendes Recht. Durch Satzung oder Anweisung des Aufsichtsrates kann die Frist lediglich verkürzt, nicht aber verlängert werden. Eine Satzungsbestimmung oder Anweisung des Aufsichtsrates, die Abs. 2 zuwiderläuft, befreit den Vorstand nicht von seiner Verpflichtung. IV. Berichtspflichtige Anm. 8: Der gesamte Vorstand, jedes Mitglied, ist zur Berichterstattung verpflichtet. Jedes einzelne Vorstandsmitglied muß darauf achten, daß der Bericht, den der Gesamtvorstand erstattet, alles Wesentliche enthält. Ist das nicht der Fall, so ist es Pflicht jedes einzelnen Mitgliedes, selbständig dem Aufsichtsrat zu berichten. Es ist in den Fällen des Abs. 1 N r . 1—4 dem gesamten Aufsichtsrat zu berichten, nicht etwa einem Ausschuß oder den einzelnen Mitgliedern. Auch, wenn der Aufsichtsrat nicht voll besetzt ist, besteht die Pflicht zur Berichterstattung, weil die Mitglieder, selbst wenn sie keine Beschlüsse fassen können, unterrichtet bleiben müssen. Ob der Bericht mündlich oder schriftlich abzufassen ist, überläßt das Gesetz, vorbehaltlich Weisungen der Satzung oder des Aufsichtsrats, dem Ermessen des Vorstandes. Die Entgegennahme des Berichtes ist also kein zwingender gesetzlicher Anlaß zu einer all vierteljährlichen Auf sichtsratssitzung. §110111 stellt dies aber als Regelfall auf, ohne es zwingend vorzuschreiben. Ist der mündliche Bericht in einer Aufsichtsratssitzung nicht möglich, etwa weil der Vorsitzende diese nicht einberuft, muß schriftlich berichtet werden. Es genügt die Einreichung des Berichts an den Vorsitzenden. 447
§ 90
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 9 V. Anforderungsredit 1. des Gesamtsaufsichtsrats Anm. 9: Abs. 3 übernimmt die Vorschrift des bisherigen § 95 II AktG 37 und bestimmt, daß der Aufsichtsrat vom Vorstand — nicht von den einzelnen Angestellten — jederzeit einen Bericht verlangen kann. Die Vorschrift ist zwingend. Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats nach § 108 ist Voraussetzung des Beschlusses, das Verlangen zu stellen, nicht aber des Empfangs des Berichtes. Eine Form ist für den Bericht nicht vorgesehen, so daß der Vorstand seiner gesetzlichen Pflicht genügt, wenn er mündlich Bericht erstattet. Der Aufsichtsrat kann jedoch Schriftlichkeit des Berichts verlangen. Dies kann sowohl durch besonderen Beschluß für den einzelnen Bericht, als auch ganz allgemein, z. B. in der Geschäftsordnung geschehen. Jedoch kann dieses Verlangen nicht von einem Mitglied oder der Minderheit des Abs. 3 S. 2, 2. Halbsatz durchgesetzt werden; vielmehr handelt es sich um einen gewöhnlichen Aufsichtsratsbeschluß, für dessen Zustandekommen die Grundsätze der §§ 107, 108 und der Satzung gelten. Der Bericht kann über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verlangt werden. Nach allgemeiner Ansicht braucht der Bericht nicht erstattet zu werden, wenn er nicht zur Erfüllung der Obliegenheiten des Aufsichtsrates dienen kann, z. B. ein Bericht über die Art eines Fabrikationsverfahrens, weil der Aufsichtsrat dieser Kenntnis nicht bedarf, um seiner gesetzlichen Aufgabe gerecht zu werden. Es kann auch Berichterstattung verlangt werden über die rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen, darüber hinaus jedoch auch über die Geschäftsverhältnisse dieser Unternehmen. Der Umfang dieser Berichterstattung ist abhängig davon, inwieweit der Vorstand sich Einblick in die Verhältnisse der anderen Unternehmen verschaffen kann. Das wird bei einem abhängigen Unternehmen viel weitergehend möglich sein als bei einem herrschenden oder gleichstehenden. Kann der Aufsichtsrat auch ohne Zustimmung des Vorstandes Angestellte (Abteilungsleiter) vernehmen oder deren Meldungen anhören? Nach unserer Ansicht auch dann nicht, wenn er Bedenken gegen die Aufrichtigkeit des Vorstandes hat, denn letzterer ist der Vorgesetzte der Belegschaft, dessen Stellung durch die gegenteilige Ansicht stark erschüttert würde. Immerhin aber kann der Aufsichtsrat Sachverständige anhören (§111 II S. 2) und wegen zurückliegender Angelegenheiten veranlassen, daß die Hauptversammlung (§111 III) Sonderprüfer bestellt. Die Grenze, die dem Recht des Aufsichtsrats, Bericht zu verlangen, gezogen ist, ist schwer festzustellen. Unseres Erachtens ist nichts darüber gesagt, mit einer Regel, wie, daß es nicht mißbraucht werden dürfe; denn es ist gerade die Frage, wo der Mißbrauch beginnt. Bei der strengen H a f t u n g der Aufsichtsratsmitglieder könnte man dazu neigen, in nichts einen Mißbrauch zu erblicken, was sie mindern kann. Wir glauben, 448
Berichte an den Aufsichtsrat
§ 90
Anm. 9,10
es kann nichts verlangt werden, was zu verlangen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters (§ 116) nicht erfordert. Das kann fallweise verschieden zu beurteilen sein. 2. einer Minderheit Anm. 10: Der Anspruch auf Berichterstattung steht grundsätzlich nur dem Gesamtaufsichtsrat, nicht dem einzelnen Mitglied, zu. Es kann jedoch jedes Mitglied einen Bericht an den Gesamtaufsichtsrat verlangen. Ist bereits ein Bericht an einen sachlich zuständigen Ausschuß erstattet worden und wird dieser dem Gesamtaufsichtsrat nicht zugänglich gemacht, so ist diesem ein weiterer Bericht zu erstatten, wenn das Mitglied, das das Verlangen stellt, dem Ausschuß nicht angehört. Das Verlangen des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds setzt die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats nicht voraus, weil ihm das Recht als einzelnes Mitglied gewährt ist und es durch Beschlußunfähigkeit des Organs nicht aufhört Aufsichtsratsmitglied zu sein und der Empfang des Berichts die Vollständigkeit des Aufsichtsrats nicht voraussetzt (siehe Anm. 9). Ein Aufsichtsratsmitglied allein kann den Bericht nicht erzwingen. Lehnt der Vorstand den Bericht ab, so muß ein zweites Aufsichtsratsmitglied das Verlangen des anderen unterstützen, um den Bericht vom Vorstand erzwingbar zu machen. Nach früherem Recht bedurfte es der Unterstützung des Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Damit oblag es diesem, in einem Streit zwischen Vorstand und einem Aufsichtsratsmitglied zu entscheiden. Die Erkenntnis, daß diese Aufgabe über das hinausgeht, was gewöhnlich dem Vorsitzenden eines Gremiums obliegt, brachte die Änderung dieser Vorschrift. Nach dem Regierungsentwurf sollte die Erstattung des Berichtes durch 1/z der Aufsichtsratsmitglieder gefordert werden können. Da dies auf die Zahl der Arbeitnehmervertreter abstellt und grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung der Aufsichtsratsmitglieder im Gesetz unerwünscht war, hat der Gesetzgeber sich entschlossen, nur die Unterstützung eines weiteren Aufsichtsratsmitglieds zu verlangen; damit ist die Möglichkeit ausgeschaltet worden, Sonderinteressen oder unsachliche Ziele (Querulant) zu verfolgen. Wird das Ersuchen von einem anderen Aufsichtsratsmitglied unterstützt, so kann es, wie Satz 2, Halbsatz 2 ergibt, nicht abgelehnt werden, es sei denn, aus dem zu Anm. 9 angegebenen Grunde; es kann ohne weiteres das Ordnungsstrafverfahren eingeleitet werden (siehe Anm. 11). Da der Bericht dem Gesamtaufsichtsrat zu erstatten ist, kommen Gründe, welche nur in der Person des Verlangenden liegen, für die Ablehnung nicht in Betracht, auch nicht der Einwand, daß er im Bunde mit dem anderen ihn unterstützenden Aufsichtsratsmitglied gesellschaftsfremde Zwecke verfolge. Wird die Berichterstattung von zwei Aufsichtsratsmitgliedern verlangt, kann der Vorstand nicht auf dem Umweg über den übrigen Aufsichtsrat 449 29
Wilhelmi,
Aktiengesetz
§90
Anm. 10—12
Verfassung der Aktiengesellschaft
den Bericht ablehnen. Die unter der Geltung des AktG 37 teilweise vertretene Auffassung, daß der Vorstand sich auch dann an den Gesamtaufsichtsrat wenden könne, wenn zwei Mitglieder des Aufsichtsrates (früher ein Mitglied und der Vorsitzende) den Bericht verlangen, um einen Verzicht auf einen Bericht zu erlangen, kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Der Gesetzgeber hat an dem Recht der Minderheit festgehalten, so daß diese auch gegen den Willen der Mehrheit des Aufsichtsrats den Bericht erzwingen kann. VI. Anzuwendende Sorgfalt Anm. 11: Sowohl die regelmäßigen Berichte als auch die aus wichtigem Anlaß erstatteten müssen den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft entsprechen. Die Berichte aus besonderem Anlaß braudien sich auf den Gang der Geschäfte im allgemeinen nicht auszudehnen, sondern nur auf die Vorfälle, die den Anlaß zum Bericht bilden. Eine Erörterung der Lage der Gesellschaft wird allerdings meist notwendig sein. Entsprechen die Berichte den obigen Grundsätzen nicht, so haften die Mitglieder des Vorstandes gemäß § 93 I für einen der Gesellschaft dadurch etwa entstehenden Schaden. Ist der Bericht unwahr oder verschleiert, so machen sich die Vorstandsmitglieder strafbar nach § 400 Nr. 1 und 2. Wird überhaupt kein Bericht erstattet oder ist der Bericht so unvollständig, daß er nicht als Bericht im Sinne von § 90 angesehen werden kann, so kann jedes Aufsichtsratsmitglied beim Registergericht beantragen, daß gemäß § 407 I Ordnungsstrafen gegen den Vorstand festgesetzt werden. Beschwerde ist sowohl gegen den ablehnenden als auch gegen den eine Ordnungsstrafe androhenden oder festsetzenden Beschluß des Amtsgerichtes zulässig (§§ 19, 20 FGG). Das Gericht kann den Vorstand hören. Die Verfügung hat nach § 132 FGG zum Inhalt, daß dem Vorstand aufgegeben wird, binnen bestimmter Frist Bericht zu erstatten oder die Unterlassung hinsichtlich des Berichtes nach Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 3 mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Eigene Zweckmäßigkeitserwägungen unter dem Gesichtspunkt einer Betreuung der Gesellschaft hat das Gericht nicht anzustellen und darf ihnen nicht folgen; aber selbstverständlich hat es zu prüfen, ob die vom Vorstand geltend gemachten Bedenken seine Verpflichtung ausschließen, Bericht zu erstatten. Auch kann der Aufsichtsrat im Wege der Klage oder der einstweiligen Verfügung gegen ihn vorgehen, äußerstenfalls ihn abberufen. Die Aufsichtsratsmitglieder, die es unterlassen, für eine Berichterstattung des Vorstandes nach § 90 zu sorgen, haften gemäß den §§ 116, 93 I der Gesellschaft für den dadurch entstandenen Schaden. Anm. 12: Wenn der Bericht Bedenken erregt, welche durch Verhandlungen nicht behoben werden, kann ihm der Aufsichtsrat nachstehende Folgen geben: Vorschriften nach §111 IV 4 oder Beschränkungen gemäß §8211, Beru450
Buchführung
§§90/91 Anm. 12,13 /1,2
fung der Hauptversammlung (§111 III) und Bekanntgabe der Bedenken an die Hauptversammlung, was besonders für die Entlastung wichtig ist. Wenn dem Bericht zu entnehmen ist, daß der Vorstand Vorschriften, die nach § 111 IV und § 82 II ergangen sind, unbeachtet läßt, kann eine Abberufung des Vorstandes aus wichtigem Grunde (§ 84) erfolgen. VII. Ansprudi auf Aushändigung und Kenntnisnahme Anm. 13: Abs. 5 klärt neu die Frage des Anspruches des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes auf Aushändigung des schriftlich erstatteten Berichtes. Ein mündlicher Bericht kann von jedem Mitglied angehört werden (Satz 1). Ein schriftlicher ist grundsätzlich auf Verlangen auszuhändigen. Besondere Umstände können es rechtfertigen, durch Beschluß des Aufsichtsrates von der Aushändigung abzusehen. Die praktische Bedeutung der Vorschrift wird dadurch herabgemindert, daß jedes Aufsichtsratsmitglied immer das Recht auf Kenntnisnahme hat.
§ 91 Buchführung Der Vorstand hat dafür zu sorgen, daß die erforderlichen Handelsbücher geführt werden. Anm. 1: Die Vorschrift stimmt wörtlich mit dem bisherigen § 82 AktG 37 überein. Nach § 6 HGB gelten die für Kaufleute gegebenen Vorschriften audi für die Handelsgesellschaften. Es sind mithin die §§38 bis 47 HGB über die Handelsbücher auch auf die Aktiengesellschaft anzuwenden. § 91 bestimmt angesidits der §§ 76 bis 78 selbstverständliches. Über die Pflicht zur Aufbewahrung siehe § 44 HGB und § 273 II und § 278 III. Anm. 2: Sämtliche Vorstandsmitglieder, auch die stellvertretenden, sind dafür verantwortlich, daß die erforderlichen Handelsbüdier geführt und aufbewahrt werden (vgl. § 93 I). Strafbarkeit aus den §§ 239, 240, 244 KO setzt eigenes Verschulden voraus, so daß ein Vorstandsmitglied nur strafbar ist, wenn es seine Pflichten schuldhaft vernachlässigt hat, wobei jedoch zu beachten ist, daß grundsätzlich allen Vorstandsmitgliedern zwar nicht die eigene Führung, aber die Sorge für die Führung und Aufbewahrung der Handelsbücher auferlegt ist. Es genügt die Anstellung sachverständiger Kräfte und deren fortlaufende Überwachung, zu der sich der Vorstand mangels eigener Sachkenntnis und Zeit wieder sachverständiger Revisoren bedienen kann. Nach gleichen Gesichtspunkten ist eine Geschäftsverteilung zulässig. Für Ver29»
451
§91 Anm. 2—i
Verfassung der Aktiengesellschaft
Sicherungsgesellschaften vgl. § 55 Privatversicherungsgesetz. Andere Organe der Gesellschaft, insbesondere den Aufsichtsrat, trifft die Verpflichtung aus § 91 nicht, jedenfalls nicht in strafrechtlicher Beziehung. Wohl kann der Aufsichtsrat der Gesellschaft infolge Verletzung seiner Überwachungspflicht zivilrechtlich haften (§§ 116, 93). Anm. 3: Es handelt sich um eine auf zwingender Vorschrift beruhende gesetzliche Verpflichtung, die, soweit es sich um die strafrechtliche Verantwortlichkeit handelt, weder durch Satzung, Dienstvertrag, Anweisung des Aufsichtsrates noch durch Hauptversammlungsbeschluß abgeändert werden kann. Für die zivilrechtliche Haftung gilt § 93. Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB ist §91 nicht (RG73, 30 und 392), möglicherweise ist aber § 93 V anwendbar. Anm. 4: Welche Handelsbücher erforderlich sind, ist gesetzlich nicht bestimmt, ebensowenig die Art der Buchführung. Die wenigen gesetzlichen Vorschriften sind in den §§ 38 bis 47 HGB und §§ 160 ff. AO enthalten. Hinzu tritt für die Gesellschaft der § 148. Während der Einzelkaufmann und die Personalgesellschaften zu einer Gewinn- und Verlustrechnung nicht verpflichtet sind (§§ 38, 39 HGB), ist sie für die Gesellschaft vorgeschrieben. Ihr Zweck ist anzugeben, aus welchen Quellen die Veränderungen stammen, die der Vergleich zweier aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse erkennen läßt (vgl. Trumpler, die Bilanz der Aktiengesellschaft, Berlin und Leipzig 1937, S. 3 ff.). Eine Gewinn- und Verlustrechnung ist auch bei der einfachen und der kameralistischen Buchführung möglich, falls sie entsprechend ausgestaltet wird (Trumpler a. a. O.), geschieht aber im allgemeinen im Wege der doppelten Buchführung. Die Grundsätze der ordentlichen Buchführung sind im wesentlichen „ungeschriebenes Recht, in dem die kaufmännische Erfahrung von Jahrhunderten niedergelegt ist, ein Recht, das auch heute noch nicht abgeschlossen ist, sondern sich in dauernder Entwicklung befindet" (Trumpler Seite 11). In neuerer Zeit ist es auch von Rechtsprechung und Betriebswissenschaft beeinflußt worden. Nach dem zweiten Weltkrieg sind auf Grund der Vorarbeiten des „Reichsausschusses für Betriebswissenschaft beim Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit" und eine Anzahl von Arbeitsausschüssen der gewerblichen Wirtschaft, welche durch Erlaß des Reichswirtschaftsminister vom 31.11.1936 veranlaßt waren, mit Erlaß desselben vom 11. 11. 37 Grundsätze für Buchführungsrichtlinien und in dessen Abschnitt 2 „Anforderungen an die Organisation der Buchführung" festgestellt worden, welche die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung festzulegen bestimmt sind und erheblich weitergehen, als die bis dahin anerkannten Mindestforderungen. Äußerlich gesetzmäßige Bücher haben die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich. 452
Vorstandspflichten
§ 92
Anm. 1
§ 92 Vorstandspfliditen bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen. (2) Wird die Gesellschaft zahlungsunfähig, so hat der Vorstand ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen. Dies gilt sinngemäß, wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt. Der Antrag ist nicht schuldhaft verzögert, wenn der Vorstand die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt. (3) Nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, darf der Vorstand keine Zahlungen leisten. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anzeigepflidit eines Verlustes (Anm. 2) 1. Feststellung des Verlustes a) bei Aufstellung einer Bilanz (Anm. 3) b) in sonstigen Fällen (Anm. 4) 2. Begriff des Verlustes (Anm. 5)
3. Anzeigeempfänger (Anm. 6) III. Antrag auf Eröffnung des Konkursund Vergleichsverfahrens 1. Pflicht zum Antrag (Anm. 7 u. 8) 2. Zahlungsunfähigkeit (Anm. 9) 3. Überschuldung (Anm. 10) 4. Antragpflichtiger (Anm. 11 u. 12) IV. Zahlungsverbot (Anm. 13)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit einigen sprachlichen Änderungen die Bestimmungen des bisherigen § 83 AktG 37. Abs. 3 bestimmt neu ein Zahlungsverbot (siehe Anm. 13). Das Gesetz gibt drei Vorschriften für den Fall, daß die Gesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Die eine (Abs. 1) ist im Interesse der Aktionäre, die anderen (Abs. 2 u. 3) im Interesse der Gläubiger gegeben. Die Vorschriften haben öffentlich-rechtlichen Charakter, sind aber Schutzgesetze im Sinne des § 823 I I BGB, nicht zugunsten jedermanns, sondern nur derjenigen, welche in dem nach der Vorschrift entscheidenden Zeitpunkt Aktio näre oder Gläubiger waren ( R G N J W 1935, 3301; R G 159, 234, weitergehend Weipert in Großkomm. Anm. 66 zu § 84), aber auch Gläubiger, die 453
§ 92
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
Anm. 1—4
solche erst nach dem Zeitpunkt geworden sind, zu dem der Konkursantrag hätte gestellt werden müssen (für die GmbH B G H 29, 100). Ihre Verletzung hat nicht nur hiernach und nach § 93 zivilrechtliche Folgen, sondern strafrechtliche (§ 401). Über Konkursgründe siehe § 207 I. Zum Konkursantrag sind neben dem Vorstand (siehe Anm. 13) selbstverständlich auch die Gläubiger der Gesellschaft berechtigt, nicht aber der einzelne Aktionär als solcher, auch nicht der Aufsichtsrat. II. Anzeigepflicht eines Verlustes Anm. 2: Der Vorstand hat die Hauptversammlung einzuberufen, wenn ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals a) sich bei Aufstellung einer Bilanz ergibt oder b) bei pflichtgemäßem Ermessen anzunehmen ist. 1. Feststellung
des
Verlustes
a) bei Auf Stellung einer
Bilanz
Anm. 3: Die in der Vorauflage vertretene Ansicht, die gesetzliche Formulierung „bei Aufstellung einer Bilanz", nicht aus einer Bilanz, bedeutet, daß für die Feststellung, ob die Hälfte des Grundkapitals verloren ist, nicht die Bilanzansätze nach den Grundsätzen der §§ 151 ff., vor allem § 153 bis 156, maßgebend sein können, wird nicht aufrechterhalten. Die Bestimmung des Abs. 1 soll das Interesse der Aktionäre schützen. Sie sollen frühzeitig von einer gefährlichen Entwicklung der Gesellschaft in Kenntnis gesetzt werden. Eine erhebliche Rolle für die Aktionäre spielt die Gewinnausschüttung. Diese richtet sich nach aktienrechtlichen Bewertungsvorschriften. Deshalb müssen diese auch für die Anzeigepflicht nach Abs. 1 maßgebend sein (so auch die herrschende Ansicht, für viele Schmidt-Meyer-Landrut § 83 Anm. 1). Nicht nur bei Aufstellung der Jahresbilanz, sondern auch bei Aufstellung einer Zwischenbilanz kann sich der Verlust ergeben. Es genügt eine Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva, die den Vermögensstand anschaulich macht, selbst wenn sie noch gewisser Ergänzungen bedarf ( R G 80, 109). b) in sonstigen
Fällen
Anm. 4: Auch die Bilanzaufstellung genügt die bei pflichtmäßigem Ermessen zu hegende Annahme, daß das Vermögen der Gesellschaft die Hälfte des Grundkapitals nicht mehr übersteigt. Entscheidend ist das Erkennenmüssen vom Standpunkt des Vorstandes aus. Die frühere Rechtsprechung ging davon aus, daß, wenn ein solcher Verlust anzunehmen war, der Vorstand verpflichtet war, eine Zwischenbilanz aufzustellen, schon um seine Annahme nachzuprüfen. Das wird für kleinere Unternehmen auch heute noch gelten. Bei größeren Gesellschaften kann der Vorstand aber nicht 454
Vorstandspflichten
§92
Anm. 4—6
warten, bis eine solche Bilanz aufgestellt ist, vielmehr muß er, wenn bei pflichtgemäßem Ermessen entsprechende Verluste anzunehmen sind, dem Aufsichtsratsvorsitzenden nach § 90 berichten, den Zusammentritt des Aufsichtsrats nach § 110 herbeiführen und die Hauptversammlung schon vor Fertigstellung der Bilanz einberufen. Dabei wird er jedoch Möglichkeiten berücksichtigen dürfen, den Verlust wieder zu beseitigen, sofern sie sofort verwirklicht werden können, z. B. Verzicht eines Gläubigers auf seine Forderung zum völligen oder teilweisen Ausgleich der Unterbilanz. 2. Begriff des Verlustes Anm. 5: Unter Verlust versteht das Gesetz hier nicht einen einzelnen Geschäftsverlust, sondern einen Vermögensstand, bei dem nur noch ein Reinvermögen von nicht mehr als der halben Grundkapitalsziffer vorhanden ist. Maßgebend ist das gezeichnete, nidit etwa das eingezahlte Grundkapital. Kann der Verlust noch aus gesetzlichen oder freien, offenen oder stillen Rücklagen oder Bewertungsreserven insoweit gedeckt werden, daß er weniger als die Hälfte des Grundkapitals beträgt, so liegt kein Verlust im Sinnne des § 92 vor (BGH in BB 1958,1181). 3.
Anzeigeempfänger
Anm. 6: Wie die Hauptversammlung zu berufen ist ergibt sich aus § 121. Kann sie das einzelne Vorstandsmitglied nicht allein berufen, so kann und muß es, wenn der Gesamtvorstand versagt, den Weg über den Aufsiditsrat nehmen (§ 110). Nach § 1241 muß bereits die Tagesordnung die Anzeige gem. § 92 enthalten. An sich würde eine ungenügende Ankündigung nur eine Beschlußfassung unmöglich machen (§ 124). Mit einer derartig ungenügenden Ankündigung wird aber nicht zur Teilnahme an der Hauptversammlung angeregt, die die Mitteilung nach § 92 entgegennimmt. Daher genügt eine Hauptversammlung der Vorschrift nicht, die auf Grund einer Tagesordnung stattfindet, welche ungenügende oder verschleiernde Ankündigungen, etwa gar bloß die Ankündigung „Beschlußfassung über die Beschaffung weiterer Mittel" enthält. In der Hauptversammlung ist den Aktionären lediglich die Tatsache des eingetretenen Verlustes in Höhe der Hälfte des Grundkapitals zur Kenntnis zu bringen. Sachliche Beschlüsse (Abberufung der Gesellschaftsorgane, Herabsetzung und Erhöhung des Grundkapitals usw.) kann die Hauptversammlung nur fassen, wenn sie gem. § 124 bei der Berufung angekündigt waren. Abs. 1 ist zwingend, der Vorstand kann jedoch nicht durch Ordnungsstrafen dazu angehalten werden (vgl. § 407 I), ihm zu genügen. Der Vorschrift ist genügt, auch wenn kein Aktionär zur Hauptversammlung erscheint. Während der Abwicklung gilt Abs. 1 nicht. 455
§ 92
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 7—9
III. Antrag auf Eröffnung des Konkurs- und Vergleichsverfahrens 1. Pflicht zum
Antrag
Anm. 7: Der Vorstand hat unverzüglich die Eröffnung des Konkurses oder eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Die Kosten des Antrags fallen der Gesellschaft zur Last, nicht dem Vorstand persönlich (so Brodtmann § 240 H G B Anm. 1 a). Der Antrag ist spätestens 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen. Die absolute Frist bedeutet, daß der Antrag nicht länger verzögert werden darf, auch wenn Gründe vorliegen, die ein weiteres Zögern nicht schuldhaft erscheinen lassen würden, aber nicht, daß auch ohne solche Gründe der Antrag 3 Wochen hinausgeschoben werden darf. Die absolute 3wöchige Frist ist nach dem eindeutigen Wortlaut von dem Eintritt, nicht der Kenntnis, zu rechnen, also reichlich kurz bemessen. Unkenntnis, die nicht auf Fahrlässigkeit beruht, vermindert natürlich Vermögens- und strafrechtliche Haftung. Anm. 8: Auch Abs. 2 ist zwingend. Weder durch die anderen Organe noch durch Satzungsbestimmung kann dem Vorstand diese Verpflichtung abgenommen werden. Selbst wenn alle Gesellschaftsgläubiger mit der Unterlassung der Anmeldung einverstanden sind, besteht die Pflicht. Nur wenn die Gläubiger ihre Forderungen stunden, so daß Zahlungsunfähigkeit nicht vorliegt, oder ihre Forderungen so ermäßigen, daß keine Überschuldung mehr vorhanden ist, oder, wenn erforderlich, sich zu beidem herbeilassen, entfällt die Anmeldepflicht, da dann die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Die Pflicht, den Antrag zu stellen, fällt auch dann nicht fort, wenn der Antrag bereits von anderer Seite, z. B. von einem Gläubiger gestellt ist (a. A. Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 83 Anm. 12). Das einzelne Vorstandsmitglied kann sich der Verpflichtung nicht dadurch entziehen, daß es sein Amt niederlegt. Es muß den Antrag stellen oder veranlassen, daß er von einem anderen Vorstandsmitglied gestellt wird ( B G H in N J W 52, 554). Wird der Antrag nicht gestellt, so sind die Vorstandsmitglieder auch hier strafbar nach § 104 Nr. 2 und nach § 92 schadensersatzpflichtig. Der Schaden ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Vermögen der Gesellschaft auch bei rechtzeitigem Konkursantrag aufgezehrt war. Auch eine Mehrung der Schulden (nicht nur Schuldnerwechsel) oder Minderung der Aktivmasse (Sonderfall § 93 I I I Nr. 6) nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist insoweit eine Schädigung der Gesellschaft, als deren Mittel zur Befriedigung aller Gläubiger weniger ausreichen als ohne sie ( R G 161,142). 2.
Zahlungsunfähigkeit
Anm. 9: Über den Begriff der Zahlungsunfähigkeit vergl. § 102 K O sowie R G 50, 41 und 100, 65. Die Zahlungseinstellung, nicht schon die Zahlungs456
Vorstandspfliditen
§92 Anm. 9—12
Stockung, ist ein Symptom der Zahlungsunfähigkeit. Zahlungseinstellung liegt vor, wenn voraussichtlich nicht nur vorübergehend die fälligen Schulden nicht alle erfüllt werden können. 3. Uberschuldung Anm. 10: Die Überschuldung ist zu unterscheiden von der Unterbilanz. Eine Unterbilanz liegt bereits vor, wenn ein Teil des Grundkapitals verloren ist, da es einen Passivposten der Bilanz bildet (§151 Passivposten I), eine Überschuldung erst, wenn der Verlust höher als das gesamte Grundkapital ist. Wegzulassen sind auf der Aktivseite Konten, die keine greifbaren Werte darstellen, wie Kundschaft, Goodwill, Firma, auch wenn sie ausnahmsweise (§ 153 Abs. 5) bilanziert werden können, da sie keine Befriedigungsmittel für die Gläubiger sind. Die aktienrechtlichen Bewertungsgrundsätze (§§ 153 bis 156) gelten nicht (allgemeine Ansicht). Eigene Aktien können nur zum Kurswert eingesetzt werden. Zu beachten ist, daß keine Bilanz vorzuliegen braucht. Die bloße Annahme der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit genügt aber auch nicht. Wenn ein Status nicht aufgestellt wird, wird sich die Überschuldung meist nicht feststellen lassen. Es gehört daher zu den Pflichten des Vorstandes, unverzüglich einen Status aufmachen zu lassen, sobald nach pflichtmäßigem Ermessen mit Überschuldung zu rechnen ist. Es macht sich dasjenige Vorstandsmitglied, das auch nur fahrlässig die Aufstellung eines Status unterläßt und infolgedessen die Überschuldung nicht feststellt, nach § 401 Nr. 2 strafbar, wenn tatsächlich eine Überschuldung vorliegt und der Antrag auf Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens unterblieb. Andererseits macht sidi aber der Vorstand gegenüber der Gesellschaft schadenersatzpflichtig, wenn er fahrlässig einen Antrag stellt, der nicht begründet ist. 4. Antragpflichtiger Anm. 11: Der Vorstand hat nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, ob er Antrag auf Eröffnung des Konkurses oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens stellen will. Letzteres bedingt auch den Konkursantrag. Trifft der Vorstand mit der nötigen Sorgfalt (§ 93 I) die Vorbereitungen für das gerichtliche Vergleichsverfahren, so genügt er damit seiner Pflicht, sofern noch innerhalb der dreiwödiigen Frist der Antrag gestellt wird. Voraussetzung ist, daß die Durchführung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens überhaupt möglich ist. Dies hat der Vorstand zu prüfen. Die Bestimmung gilt nur für die Vorbereitung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens, nicht für den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens, da dieser keiner besonderen Vorbereitungen bedarf. Anm. 12: Verpflichtet ist der Gesamtvorstand, d. h. jedes Vorstandsmitglied. Jedes Vorstandsmitglied ist auch in der Lage, der Verpflichtung zu 457
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V e r f a s s u n g d e r Aktiengesellschaft
Anm. 12,13 genügen, indem es den Konkursantrag stellt, weil nach § 208 KO dazu jedes Vorstandsmitglied, ohne Rücksicht auf Vertretungsmacht, befugt ist. Dagegen ist ein einzelnes Vorstandsmitglied für sich allein nur dann in der Lage, Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu stellen, wenn es alleinvertretungsmächtig ist, hierzu also anderenfalls auf die Mitwirkung der nach der Satzung erforderlichen Zahl von Vorstandsmitgliedern oder Prokuristen angewiesen ist. Findet es diese nicht, so bleibt ihm nur die Möglichkeit, Konkursantrag zu stellen. Die Tätigkeit auch nur eines Vorstandsmitgliedes kommt allen anderen zugute und befreit sie, soweit sie rechtswirksam ist, von der Vermögens- und strafrechtlichen Haftung. Kein Mitglied kann sich aber zu seiner Entschuldigung auf Überstimmung berufen. Über die Vermögens- und strafrechtliche Haftung vergleiche Anm. 1. Eine Mitwirkung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung, insbesondere eines zustimmenden Beschlusses eines dieser Organe, bedarf es bei der zwingenden Natur der Vorschrift auch dann nicht, wenn die Satzung es fordern sollte, dagegen ist der Aufsichtsrat zur Vermeidung eigener Haftung verpflichtet, die Erfüllung der Vorschrift zu überwachen. IV. Zahlungsverbot Anm. 13: Neu eingefügt ist Abs. 3, der durch § 93 III Nr. 6 erforderlich ist. Bereits im bisherigen Recht (§ 84 III Nr. 6 AktG 37) war die Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder für den Fall geregelt, daß „entgegen dem Gesetz" Zahlungen geleistet werden, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat. Ein Verbot derartiger Zahlungen war im bisherigen Recht jedoch nicht enthalten, so daß diese neue Regelung erforderlich war. Wann diese Voraussetzungen gegeben sind, siehe oben Anm. 9 und 10. Eine notwendige Ausnahme gibt es zu diesem Verbot, nämlich wenn derartige Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Das sind nicht nur die zur Aufrechterhaltung des Betriebs unerläßlichen Zahlungen und nicht nur solche, welche nach Eröffnung des Verfahrens auch vom Konkursverwalter aus der Masse geleistet werden müßten, wie laufende Betriebskosten, Löhne, Gehälter, Mieten, Frachten, Massekosten oder die Masse von Masseschulden befreien, sondern unter Umständen selbst Zahlungen auf Geldschulden, welche im Konkurs nicht zu den bevorrechtigten Forderungen gehören. Soweit nicht diese Einschränkung Platz greift, braucht ein besonderer Schaden nicht nachgewiesen zu werden. Die Gesellschaft wird vielmehr ohne weiteres als um diejenigen Zahlungen geschädigt angesehen, welche nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geleistet worden sind (RG 161, 142), obwohl, wenn es sich um eine Schuldentilgung handelt, eine Schädigung der Gesellschaft auch hier ausgeschlossen ist. 458
Sorgfaltspflidnt und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
§ 93
§ 93 Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder (1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren. (2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. (3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz 1. Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt werden, 2. den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt werden, 3. eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden, 4. Aktien vor der vollen Leistung des Nennbetrags oder des höheren Ausgabebetrags ausgegeben werden, 5. Gesellschaftsvermögen verteilt wird, 6. Zahlungen geleistet werden, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, 7. Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden, 8. Kredit gewährt wird, 9. bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden. (4) Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkursverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. (5) Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Dies gilt jedoch in anderen Fällen als denen des 459
§ 93
Anm. 1, 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
Absatzes 3 nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben; Absatz 2 Satz 2 gilt sinngemäß. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus. (6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Haftende Personen (Anm. 3) III. Sorgfaltspflicht (Anm. 4) IV. Geheimhaltungspflicht (Anm. 5) V. Schadensersatzpflicht 1. Verschulden (Anm. 6 u. 7) 2. gegenüber der Gesellschaft (Anm. 8) 3. Umfang (Anm. 9) 4. Beweislast (Anm. 10)
VI. Besondere Haftungstatbestände (Anm. U bis 21) VII. Ausschluß der Haftung (Anm. 22 u. 23) VIII. Verzicht und Vergleich (Anm. 24 bis 27) IX. Geltendmachung durch Gläubiger (Anm. 28 bis 30) X. Verjährung (Anm. 31) XI. Doppelhaftung (Anm. 32)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 84 AktG 37 mit einigen Änderungen. Neu eingefügt ist die Schadensersatzpflicht bei entgegen dem Gesetz gezahlten Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder in Abs. 3 Nr. 7 (s. Anm. 18). Die Frist, innerhalb welcher auf die Ersatzansprüche nicht verzichtet werden kann, ist von 5 auf 3 Jahre verkürzt worden. Da das gesamte neue Aktiengesetz den Minderheiten bessere Rechte einräumen will, ist die in Abs. 4 genannte Minderheit von 20 %> auf 10 °/o herabgesetzt worden (s. Anm. 25). In Abs. 5 ist nicht mehr ausdrücklich bestimmt, daß die Ersatzpflicht nicht dadurch aufgehoben werden könne, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat. (s. Anm. 23). Anm. 2: § 93 regelt die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder nach Aktienrecht, die strafrechtliche regeln die §§ 399—401. Schutzgesetze sind nur letztere, aber nicht vorliegende Bestimmung (ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts). Grundsätzlich haftet der Vorstand für jedes Verschulden (Vorsatz und Fahrlässigkeit), nicht aber für Eintritt eines bestimmten Erfolges. Die Haftung besteht sowohl gegenüber der Gesellschaft — über Zwang der Geltendmachung s. § 147 — als auch gegenüber den Gläubigern, nicht aber gegenüber einzelnen Aktionären (s. Anm. 8; Ausnahme § 117). Die Haftung gegenüber den Gläubigern besteht nur hilfsweise. Diese wird wesentlich eingeschränkt dadurch, daß sie in allen Fällen mit 460
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§ 93
Anm. 2, 3
Ausnahme der in Abs. 3 einzeln aufgeführten, nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, nicht aber bei leichter Fahrlässigkeit, gegeben ist. Eine vermögensrechtliche Haftung gegenüber den einzelnen Gläubigern und Aktionären, die zwar niemals aus einem unmittelbaren Rechtsverhältnis vertraglicher oder sonstiger Art oder aus Treupflicht hergeleitet werden kann (RG 158, 248, insbesondere 250, sowie unten Anm. 8) oder aus § 823 I BGB (RG a. a. O. S. 255), kann sich nach § 823 II BGB aus der Übertretung eines Schutzgesetzes (z.B. §§ 399—401), ferner nach § 226 BGB ergeben. Der Schaden des Aktionärs braucht nach RG 157, 213 ff. mit dem der Gesellschaft nicht übereinzustimmen und ebensowenig der Schaden des späteren Erwerbers mit dem des Vorbesitzers, so daß eine mehrfache Haftung des Schuldigen bestehen kann (teilweise anders Schi.-Qu. § 84 Anm. 9, denen wir insoweit beipflichten, als der Schaden des Aktionärs nur ein Spiegelbild des Schadens der Gesellschaft ist). Eine Haftung aus § 826 BGB kann nach RG a. a. O. auch gegenüber einem Aktionär bestehen, welcher die Aktie erst nach der unerlaubten Handlung erworben hat, wenn diese und sein Schaden ursächlich zusammenhängen und der Schuldige letzteren wenigstens bedingt in seinem Vorsatz aufgenommen hat. Bei Übertretung eines Schutzgesetzes ist zwar auch ursächlicher Zusammenhang erforderlich, genügt aber der Vorsatz der Gesetzesübertretung. II. Haftende Personen Anm. 3: Die Bestimmung gilt sowohl für ordentliche als auch stellvertretende Vorstandsmitglieder (§ 94), für jeden, der als Vorstand auftritt, auch wenn er es nicht wirklich und die Bestellung zum Vorstand nicht rechtswirksam ist (z.B. RG in Seuf Arch 93, 310; ferner bezüglich eines Aufsichtsratsmitgliedes RG 152, 273). Ferner gilt sie für die nach § 105 II zur Vertretung verhinderter Vorstandsmitglieder bestellten Aufsichtsratsmitglieder oder ein durch das Gericht bestelltes Vorstandsmitglied, auch im Gründungsstadium, nach § 116 auch für die Aufsichtsratsmitglieder. Bezüglich der Abschlußprüfer gilt §181, für Gründungsprüfer §49. Jedes Mitglied haftet für eigenes Verschulden, nur in diesem Rahmen für das Verschulden anderer Mitglieder s. Anm. 4 und 8. Die Pflichten eines Vorstandsmitglieds beginnen mit der Annahme der Bestellung (RG 144, 348), ob ein Anstellungsvertrag besteht, ist für die Verpflichtung und die sich daraus ergebende Haftung belanglos (Mestmäcker: Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre 1958, 212). Für den Beginn der Verpflichtung ist auch nicht die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister maßgebend, sie beginnt vielmehr bereits im Gründungsstadium. § 93 ist daher auch für diese Zeit anzuwenden, mit Ausnahme für besondere, für das Gründungsstadium besonders normierte Aufgaben, für die § 48 gilt. 461
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Anm. 4, 5
Verfassung der Aktiengesellschaft
III. Sorgfaltspflicht Anm. 4: Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Unter Geschäftsführung ist nicht die Geschäftsführung im engeren Sinne des § 77 zu verstehen, sondern alle dem Vorstand vom Gesetz übertragenen Aufgaben. Hierzu gehören unter anderen die Aufgaben der §§ 89 und 92. Nach R G 138, 44 und 325 entscheidet nicht das übliche, sondern erforderliche Maß; indessen stellt das Gesetz auf einen Typus ab. Die anzuwendende Sorgfalt ist die, mit der ein ordentlicher und gewissenhafter Mann geschäftliche Unternehmen der betreffenden Art für eigene Rechnung zu leiten pflegt. Ist der Gegenstand der Gesellschaft der eines kaufmännischen Unternehmens, so deckt sich die verlangte Sorgfalt mit der eines ordentlichen Kaufmanns (a. A. Schl.-Qu. § 84 Anm. 4; Gessler in J W 37, 501, der aus der Änderung des Wortes „Geschäftsmannes" in „Geschäftsleiters" eine erhöhte Sorgfaltspflicht entnehmen will). Aus der Sorgfaltspflicht ergibt sich die Rechtspflicht, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden. ( B G H 21, 354, wonach der Vorstand die ihm erteilte Ermächtigung zur Ausgabe neuer Aktien nicht zum Schaden der Gesellschaft mißbrauchen oder sich bei Ausübung dieser Ermächtigung von sachfremden Erwägungen leiten lassen darf). Das Maß der anzuwendenden Sorgfalt kann weder durch die Satzung noch durch den Anstellungsvertrag gemildert werden (§ 276 I I B G B ist nicht anwendbar). Eine Zuwiderhandlung gegen Gesetzes- und Satzungsbestimmungen macht das Vorstandsmitglied auch für den Schaden haftbar, der nicht voraussehbar war. Subjektiv im Interesse der Gesellschaft gehandelt zu haben, entschuldigt nicht. Eine bewußte Zuwiderhandlung ist immer schuldhaft, eine unbewußte, wenn die Handlung oder die Unkenntnis der Bestimmung auf Fahrlässigkeit beruht. Mangelnde Kenntnis der Vorgänge entschuldigt im allgemeinen ebensowenig, wie mangelnde Kenntnisse ( R G 144, 3 5 5 ; H R R 4 1 N r . 132).
IV. Geheimhaltungspflicht Anm. 5: Über alle Dinge, von denen sie Kenntnis erhalten, deren Geheimbleiben im Interesse der Gesellschaft liegt, haben die Vorstandsmitglieder Stillschweigen zu bewahren, wie sich aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht ohne weiteres ergibt, darüber hinaus über alle „vertraulichen Angaben", auch wenn nur das Interesse eines Dritten (z. B. Bankkunden) an dem Geheimbleiben besteht. „Vertraulich" sind Angaben, wenn sie in Erwartung der Verschwiegenheit gemacht werden, die sich aus den Umständen der Mitteilung ergeben kann. Das Gesetz hebt ausdrücklich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hervor, ohne daß hierfür besondere Veranlassung besteht, da diese ohnehin unstreitig unter diese Bestimmung fallen (vgl. Spieker in 462
Sorgfaltspflidit und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
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Anm. 5—7
N J W 65, 1937, Veith in N J W 66, 526; Meyer-Landrut, die Aktiengesellschaft 64, 325). Die Schweigepflicht überdauert das Amt (a. A. Meyer-Landrut a. a. O. für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat). Aus ihr ergibt sich ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 I Nr. 5 ZPO (s. Schi.-Qu. § 84 Anm. 6; Baumbach-Hueck § 84 Anm. 3; a. A. die Vorauflage). V. Schadensersatzpflicht 1. Verschulden Anm. 6: Abs. 2 bestimmt die Verpflichtung zum Schadensersatz. Die Haftung setzt Verschulden voraus, wobei jede — also auch leichte — Fahrlässigkeit ausreicht. Entschuldbarer Rechtsirrtum schließt Verschulden aus, hierbei ist aber zu beachten, daß von einem Vorstandsmitglied grundsätzlich verlangt werden kann, sich über die Rechtsfrage zu informieren, so daß ein Rechtsirrtum nur dann entschuldbar sein kann, wenn er unverzüglich handeln mußte und keine Gelegenheit mehr hatte, sich Rechtsrat zu holen (RG 39,98). Bei unechter Gesamtvertretung durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen ist letzterer nicht Erfüllungsgehilfe eines anderen Vorstandsmitgliedes mit der Folge, daß dieser haftet, es sei denn, er bedient sich des Prokuristen zur Erfüllung seiner Pflicht, das andere Vorstandsmitglied zu überwachen (BGH 13, 61). Anm. 7: Wenn ein Vorstandsmitglied seine Obliegenheiten verletzt, haften die anderen Mitglieder nicht ohne weiteres, sondern nur dann, wenn sie selbst schuldhaft gehandelt haben, etwa weil sie nicht die nötige Aufsichtgeübt haben oder nicht eingeschritten sind (RG 98, 100). Die Geschäftsführung kann unter die einzelnen Vorstandsmitglieder aufgeteilt sein, dann bezieht sich die Sorgfaltspflicht eines Mitgliedes in erster Linie auf seinen Geschäftsbereich — gleichgültig, ob die Arbeitsteilung in einer Geschäftsordnung oder einem besonderen Beschluß geregelt ist — aber nicht allein; es muß sich darum kümmern, ob auch die anderen ihre Pflichten erfüllen und ob alle Obliegenheiten des Vorstands wahrgenommen werden. Ob bei gesetz- oder satzungswidrigen oder riskanten Maßnahmen eines Vorstandsmitglieds, auch des Vorstandsvorsitzenden, ein Widerspruch genügt, um die Haftung des einzelnen Mitgliedes auszuschließen, ist nur im Einzelfall zu entscheiden. Mehrere nach dem Gesagten haftende Vorstandsmitglieder haften als Gesamtschuldner. Für die Ausgleichspflicht der Gesamtschuldner untereinander ist im Hinblick auf die nur subsidiäre Geltung des § 426 BGB, ferner auf § 254 HGB erheblich, welchen von ihnen nach der vorgenommenen Ge463
§93 Anm. 7—10
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schäftsteilung in erster Linie der Vorwurf mangelnder Geschäftsführung zu machen ist, überhaupt Maß und Art des Verschuldens. 2. gegenüber der Gesellschaft Anm. 8: Die Haftung besteht gegenüber der Gesellschaft, nicht etwa gegenüber den Aktionären. Ausnahme: § 117. Diese können daher auch nicht, sei es unmittelbar, wenn sie Mitglieder des Aufsichtsrates sind, sei es mittelbar durch die von ihnen gewählten Aufsichtsratsmitglieder, vertraglich bei der Bestellung die Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten auferlegen (RG 158, 256). Uber die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern s. Anm. 28. Abgesehen von Abs. 3 und § 116 haften die Mitglieder von Organen (Vorstand und Aufsichtsrat) gegenüber Dritten (wozu auch Aktionäre und Gläubiger gehören) nur für einen Eingriff in die Rechtssphäre des Geschädigten durch unerlaubte Handlung, also vor allem nach § 826 BGB (s. Anm. 2) und § 823 Abs. 2 BGB. Nach feststehender Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RG 115, 296; 158, 255; 159, 233) ist § 9 3 selbst (auch Abs. 3) kein solches Schutzgesetz, wohl aber §§ 399—401 (allerdings auch nur zugunsten der Aktionäre und Gläubiger, nicht von Dritten — RG in J W 35, 3301). § 823 Abs. 1 BGB kann nur ausnahmsweise infrage kommen. Die Aktie ist zwar „ein sonstiges Recht" im Sinne dieser Vorschrift, aber als solches nur verletzt, wenn sie in ihrem rechtlichen Bestand getroffen, nicht wenn sie nur entwertet wird (RG 158, 255). 3. Umfang Anm. 9: Zu ersetzen ist der der Gesellschaft entstehende volle Schaden, also unter Umständen mehr als z. B. in dem Fall des Abs. 3 N r . 1 der Betrag, der zurückgezahlt wurde. Andererseits ist Voraussetzung, daß überhaupt ein Schaden entstanden ist. Dies ist dem Vorstandsmitglied nachzuweisen. Uber Geltendmachung vgl. § 147. Gerichtsstand ist der Sitz der Gesellschaft, allerdings nicht nach § 22, sondern nach § 29 ZPO. 4. Beweislast Anm. 10: Weist die Gesellschaft nach, daß ihr durch die Handlung eines Vorstandsmitglieds ein Schaden entstanden ist, also Schaden und ursächlichen Zusammenhang, so hat sie damit der ihr obliegenden Beweispflicht genügt. Wendet das einzelne Vorstandsmitglied ein, daß es seiner Sorgfaltspflicht genügt hat, so hat es dies zu beweisen. Dies bestimmt das Gesetz ausdrücklich (vgl. für GmbH RG H R R 1941 Nr. 132). Diese Umkehrung der Beweislast gilt nach herrschender Ansicht nicht gegen die Rechtsnachfolger (RG a. a. O.). Die Gesellschaft hat dem Vorstand auch nach Beendigung seines Amtes Einsicht in die Bücher und Schriften zu gewähren, um ihm den Beweis der Schuldlosigkeit zu erleichtern (RG in LZ 08, 448). 464
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Anm. 11—15
VI. Besondere Haftungstatbestände Anm. 11: Abs. 3 zählt eine Reihe von besonderen Tatbeständen auf, in denen das schuldige Vorstandsmitglied zum Ersatz verpflichtet ist. Diese Verpflichtung setzt einen Tatbestand des vorangehenden Absatzes, also Verletzung seiner Obliegenheiten und Verschulden voraus. Nach unserer Ansicht (ebenso RG 159, 228 ff.) bedeutet hier „Ersatz" soviel wie „Schadensersatz", wie das Wort „namentlich" ergibt. Es gäbe freilich unverkennbar in den Fällen der Ziffern 1—3 und 5—8 auch einen guten Sinn, den Anspruch auf Ersatz der Aufwendung aus dem Vermögen der Gesellschaft abzustellen, ohne Rücksicht darauf, ob ihr ein Schaden entstanden ist; denn wie sollte z. B. ihr selbst im Falle der Nr. 6 ein Schaden entstehen? Andererseits ginge aber ein solcher Anspruch in anderen Fällen zu weit, z. B. wenn der Verstoß nur darin besteht, daß das Vermögen einer aufgelösten, schuldenfreien Gesellschaft vor Ablauf des Sperrjahres ausgeschüttet wird. Die Gesellschaft braucht in den Fällen des Abs. 3 nicht zu beweisen, daß ein Schaden in Höhe des Betrages entstanden, der der Gesellschaft entzogen wird oder vorenthalten ist. Die Umkehr der Beweislast bezieht sich auch auf den ursächlichen Zusammenhang (im wesentlichen übereinstimmend, jedoch bezüglich Nr. 4 unsicher, RG 159, 211). Der Gegenbeweis ist dahin zu erbringen, daß eine Schädigung der Gesellschaft überhaupt nicht mehr möglich ist, weil der zu Unrecht ausgegebenene oder vorenthaltene Betrag oder ein voller Wertausgleich in das Vermögen der Gesellschaft gelangt ist (RG a. a. O.). Ersatz ist nur gegen Abtretung der Ansprüche zu leisten, welche der Gesellschaft gegen Dritte oder Aktionäre zustehen. Wird über den entzogenen oder vorenthaltenen Betrag hinaus Schadensersatz begehrt, so hat nach Abs. 2 die Gesellschaft zu beweisen, daß ein solcher entstanden ist (RG a. a. O.). Anm. 12: Hinsichtlich Nr. 1 vgl. § 57. Hierher gehören Bar- und Sacheinlagen, verschleierte Rückzahlungen. Anm. 13: Unter Nr. 2 fallen auch Zahlungen aus dem Bilanzgewinn, die nicht beschlossen sind, daher u. U. auch übermäßige Bezüge, welche einem Großaktionär in seiner Eigenschaft als Vorstands- oder Aufsichtsratsvorsitzendem gewährt werden. Anm. 14:
Hinsichtlich der Nr. 3 vgl. §§ 71, 237 bis 239.
Anm. 15: Vor Zahlung des Nennbetrages zuzüglich eines etwaigen Aufgeldes dürfen Inhaberaktien nicht ausgegeben werden, wohl aber Namensaktien, so daß Nr. 4 nur für den Fall der Ausgabe von Inhaberaktien in Frage kommt. An sich kann der Gesellschaft durch vorzeitige Aktienausgabe als solcher kein Schaden entstehen. Trotzdem wird dieser auch hier vermutet. Die Beweislast bezieht sich sowohl auf die Entstehung eines Schadens als 465 30
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§93 Anm. 15—21
Verfassung der Aktiengesellschaft
auch auf den ursächlichen Zusammenhang des vermuteten Schadens mit der pflichtwidrigen Handlung. Die Vermutung, daß ein Schaden entstanden sei, kann hier (nach RG 159, 228) nicht schon mit der Einwendung beseitigt werden, daß er logischerweise nicht entstehen könne — was an sich ausreichen müßte, um die Vermutung zu brechen, doch wäre dann die Vorschrift gegenstandslos —, sondern nur mit dem Nachweis, daß ein Schaden nicht mehr möglich sei, weil dem Vermögen der Gesellschaft ein Betrag zugeflossen ist, der dem bei Ausgabe der Aktien ausstehenden Betrag gleichwertig ist. Der Fall liegt auch vor, wenn eine (nicht beurkundete) Sacheinlage anstelle einer Geldeinlage geleistet wurde (RG 159, 228 ff.). Anm. 16: Hinsichtlich der Nr. 5 kommen die Vorschriften über die Abwicklung nach Auflösung in Betracht, über die Kapitalherabsetzung und die Uberzahlung von Nebenleistungen des § 61 aus dem Bilanzgewinn. Anm. 17: Hinsichtlich der Nr. 6 s. § 92 III. Danach kann der Vorstand, ohne sich haftbar zu machen, Zahlungen leisten, wenn dies mit der Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentlichen Geschäftsleiters, trotz Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, vereinbar ist. Die Lage ist ähnlich wie bei N r . 4. Man wird daher analog zu der dort angeführten reichsgerichtlichen Rechtsprechung den Vorstand erst dann von der Haftung freisprechen können, wenn ein Schaden aus dem Grunde nicht mehr eintreten kann, weil die Zahlung (etwa auf eine erfolgreiche Anfechtung des Konkursverwalters hin) zum Gesellschaftsvermögen zurückgeflossen ist. Nur Zahlungen, nicht auch andere (Sach-)Leistungen fallen unter diese Bestimmung (RG 159, 254). Anm. 18: Neu ist Nr. 7. Die Einfügung ist wegen § 114 notwendig geworden (s. Anm. dort). Die Vorschrift umfaßt jedoch auch entgegen § 113 gewährte Vergütungen. Anm. 19:
Hinsichtlich der Nr. 8 vgl. § 89.
Anm. 20:
Hinsichtlich der Nr. 9 vgl. § 199.
Anm. 21: Nicht besonders erwähnt wird ein Verstoß gegen §9211. Dies ist wichtig wegen Abs. 5 S. 2. Ein Schaden der Gesellschaft wird in einem solchen Fall nur herbeigeführt, wenn und soweit sich bilanzmäßig feststellen läßt, daß die Uberschuldung der Gesellschaft seit dem Zeitpunkt zugenommen hat, zu dem der Konkurs hätte angemeldet werden müssen (RG 161, 142). Unerheblich ist, ob das Vermögen durch die Schulden schon vorher völlig aufgezehrt war (RG a. a. O.). Die Gläubiger können hier nicht einen Schaden der Gesellschaft geltend machen, aber eigenen, da § 92 Abs. 2 Schutzgesetz ist (s. Anm. 1 zu § 92). 466
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Anm. 22
VII. Ausschluß der Haftung Anm. 22: Gegenüber der Gesellschaft, nicht aber den Gläubigern, kann sich das Vorstandsmitglied darauf berufen, daß die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Es dürfte weniger an eine Entscheidung mit mitwirkendem Verschulden (s. Anm. 24), als an einen Rest der Stellung der Hauptversammlung als oberstem Organ, sozusagen als „Geschäftsherrn" im Sinne der §§ 675, 665 BGB zu denken sein, was die Hauptversammlung freilich nicht ist, da sie nicht anders als der Vorstand nur ein (anderes) Organ der Gesellschaft ist. Ein Beschluß in Angelegenheiten der Geschäftsführung muß im Sinn des Abs. 4, trotz § 119 II, auch dann als „gesetzmäßig" angesehen werden (a. A. Schilling in Großkomm. § 8 4 Anm. 32, Baumbach-Hueck § 84 Anm. 6 A), wenn ihn die Hauptversammlung ohne Befragung durch den Vorstand gefaßt hat, sofern er weder von einem Aktionär noch vom Vorstand oder einem Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied angefochten ist, und diese Unterlassung nicht auf Pflichtverletzung beruht. Es wäre widersinnig, den Vorstand solchenfalls, wenn er dem Beschluß Folge leisten will, die Berufung auf ihn zu versagen und ihn zu zwingen, die Hauptversammlung, nachdem sie schon gesprochen hat, nochmals einzuberufen und ihr dieselbe Angelegenheit nochmals und zugleich die Frage vorzulegen, ob ihr Beschluß auch wirklich ausgeführt werden solle. Die Tagung einer Hauptversammlung ist schließlich auch, was nicht zu übersehen ist, recht kostspielig. Natürlich ist Voraussetzung, daß die Hauptversammlung sorgfältig unterrichtet war, und daß sich bis zur Ausführung des Beschlusses die Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben. Fraglich ist, ob die Hauptversammlung die Handlung nachträglich gutheißen (genehmigen) kann. Die herrschende Lehre lehnt dies ab unter Hinweis auf die gesetzliche Formulierung, daß die Handlung auf einem Hauptversammlungsbeschluß beruhen muß, wenn die Ersatzpflicht aufgehoben werden soll. Im Hinblick auf die Grundsätze von Treu und Glauben muß in einem solchen Fall jedoch ebenfalls die Ersatzpflicht entfallen. Voraussetzung hierfür ist natürlich, daß noch kein Anspruch entstanden ist, was erst — außer in den Fällen des Abs. 3 — mit Eintritt eines Schadens der Fall ist. Ist ein Anspruch entstanden, kann die Hauptversammlung mit Rücksicht auf Abs. 4 S. 3 nicht mehr wirksam genehmigen. Übrigens kann sich der Vorstand jedenfalls sichern, indem er das Geschäft nach außen unter der Bedingung der Genehmigung durch die Hauptversammlung abschließt und diese dann nach § 119 II um Entscheidung angeht. Auch beim Beschluß über die Genehmigung eines ohne solche vorsorgliche Bedingung abgeschlossenen Geschäfts ist der Vorstand berechtigt, mitzustimmen, weil es sich nicht um seine Entlastung handelt, auch kein Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll. Der Beschluß des S. 1 darf weder nichtig noch — regelmäßig — anfechtbar sein. Auch wenn die Anfechtung trotz Verstoßes gegen eine gesetzliche Vorschrift unterbleibt, darf der 467 30*
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Anm. 22, 23 Vorstand sich nicht auf ihn berufen, wenn es seine Pflicht gewesen war, ihn anzufechten (zu weitgehend Gessler in JW 37, 501). Unterbleibt die Anfechtung des Beschlusses trotz Verstoßes gegen die Satzung, so ist er wirksam und „gesetzmäßig" (z. B. Erwerb einer Beteiligung mit Zustimmung der Hauptversammlung trotz Verbots der Satzung). Auch ein nach § 243 II anfechtbarer aber nicht angefochtener Beschluß ist gesetzmäßig. Der Einwand, die Hauptversammlung hätte zugestimmt, wenn sie gefragt worden wäre, ist nur dann beachtlich, wenn es sich um eine Einmanngesellschaft handelt und der Wille des Einmannes bekannt ist. Nichtige Hauptversammlungsbeschlüsse sind zunächst keine gesetzmäßigen. Der Vorstand muß hier, wie auch bei anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlüssen, evtl. von seinem Recht, Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage zu erheben, Gebrauch machen. Zu beachten ist die Möglichkeit der Heilung nichtiger Hauptversammlungsbeschlüsse, wodurch sie gesetzmäßige werden. Der Vorstand ist nicht verpflichtet, einen Hauptversammlungsbeschluß auszuführen, auch dann nicht, wenn er auf sein Befragen ergangen ist (s. Anm. zu § 119). Wohl aber hat er eine auf Befragen abgelehnte Geschäftsführungsmaßnahme zu unterlassen. Dies ergibt sich nicht nur aus der in § 76 bestimmten allgemeinen Leitungsbefugnis des Vorstandes, sondern zwingend aus seiner Haftung gegenüber den Gläubigern gemäß Abs. 5, von der ihn nach ausdrücklicher Vorschrift auch ein gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschluß nicht befreien kann. Infolgedessen bedeutet auch die Nichtausführung eines Hauptversammlungsbeschlusses als solchen noch keine schuldhafte Handlung. Die Anwendung des Abs. 4 S. 1 erscheint insbesondere bedenklich, wenn es sich um ein der Gesellschaft abträgliches Geschäft mit dem Mehrheitsaktionär handelt, welches den Hauptversammlungsbeschluß betraf, mit dessen Stimmen er zustande gekommen ist. Da der Mehrheitsaktionär nicht haftet, auch die Anfechtung des Beschlusses nach § 243 II S. 2 höchst problematisch ist, liefe es auf Schutzlosigkeit der Minderheit hinaus, wenn auch der Vorstand nicht haften und obendrein noch verpflichtet sein würde, den Beschluß des Großaktionärs auszuführen. Anm. 23: Dagegen kann sich der Vorstand niemals auf einen Aufsichtsratsbeschluß berufen. Grundsätzlich gilt, daß, von Anm. 23 abgesehen, kein Organmitglied, das sich schuldhaft verhalten hat, die Gesellschaft wegen mitwirkenden Verschuldens für den so entstandenen Schaden mitverantwortlich machen kann, weil auch das Verschulden eines anderen Organs oder eines anderen Organmitglieds mitgewirkt habe (RG 123, 222; 144, 277; 148, 362). Dies ergibt ohne weiteres die in Abs. 2 S. 1 angeordnete gesamtschuldnerische Haftung mehrerer schuldiger Vorstandsmitglieder. An eine Anwen468
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Anm. 23—25 düng des § 254 BGB über § 31 BGB ist nicht zu denken, weil jener dem Schuldrecht und nicht dem Aktien-(Körperschafls-)Recht angehört. VIII. Verzicht und Vergleich Anm. 24: Die Gesellschaft kann nicht auf die ihr zustehenden Ersatzansprüche verzichten oder sich darüber vergleichen. Das Gesetz ordnet hier eine auch nach außen wirksame Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes an. Ein dagegen verstoßendes Abkommen ist nichtig, nach unserer Ansicht auch ein Prozeßvergleich, dagegen ist ein Urteil wirksam, selbst ein Versäumnisurteil, auch wenn es auf pflichtwidriger Prozeßführung beruht. Aber selbst ein Verzicht oder Vergleich durch Hauptversammlungsbeschluß ist nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Ein Verzicht ist gleichbedeutend mit Erlaß im Sinne des § 397 BGB. Unter Vergleich versteht das Gesetz einen solchen im Sinne des § 779 BGB. Es muß Streit oder Ungewißheit über den Anspruch vorliegen und ein gegenseitiges Nachgeben erfolgt sein. Eine Stundung ist ein Teilverzicht und kann zugleich Inhalt eines Vergleichs sein. Anm. 25: Die Voraussetzungen f ü r einen wirksamen Verzicht oder Vergleich sind folgende: a) es müssen 3 Jahre seit der Entstehung des Anspruchs verstrichen sein, vor Ablauf dieser Frist getroffene Abkommen sind schlechthin nichtig. Das gilt auch dann, wenn in dem Vergleich oder dem Verzicht vorbehalten wurde, daß nach Ablauf der 3-Jahres-Frist die Genehmigung der H a u p t v e r sammlung eingeholt werden soll, und dann diese Genehmigung erteilt wird (RG 133, 33). Nach 3 Jahren abgeschlossene Abkommen sind so lange schwebend unwirksam, bis die Hauptversammlung die Genehmigung erteilt hat, ohne daß Widerspruch seitens einer Minderheit (s. Anm. 6) erhoben wurde. Insoweit das Abkommen nichtig ist, kann es nicht (etwa durch Ablauf der 3-Jahres-Frist) geheilt werden. Es müssen die Voraussetzungen b) und c) neu erfüllt werden. Die Frist betrug früher 5 Jahre und machte deswegen einen Vergleich oder Verzicht wegen der ebenfalls 5 Jahre währenden Verjährungsfrist illusorisch. D a bereits nach 3 Jahren der Schaden überblickbar ist, wurde die Frist entsprechend geändert. b) Die Hauptversammlung muß zustimmen, und zwar durch Beschluß mit einfacher Stimmenmehrheit der Erschienenen. Nach § 136 I haben die Vorstandsmitglieder, gegen die sich der Anspruch richtet, als Aktionäre kein Stimmrecht, und z w a r auch dann nicht, wenn über den Anspruch gegen die Gesamtschuldner einzeln abgestimmt wird (RG 55, 75), es sei denn, daß es sich nur darum handelt, einen Gesamtschuldner aus der H a f t u n g zu entlassen. 469
§93 Anm. 25—28
Verfassung der Aktiengesellschaft
c) Es darf keine Minderheit von 10 v. H. des Grundkapitals widersprechen. Dabei kommt es auf das gesamte Grundkapital, nicht etwa nur auf das stimmberechtigte oder gar in der Hauptversammlung vertretene an. Stimmberechtigt brauchen die Widersprechenden nicht zu sein. Der Widerspruch ist zur Niederschrift zu erheben, d. h. der Notar hat ihn in der Verhandlungsniederschrift aufzunehmen. Bisher war eine Minderheit von 20 °/o erforderlich, was im offensichtlichen Widerspruch zum bisherigen § 122 AktG 37 (jetzt § 147) stand, so daß die Vorschrift entsprechend geändert wurde. Anm. 26: Die alljährlich erfolgende Entlastung des Vorstandes durch die Hauptversammlung stellt keinen Verzicht dar, sie beinhaltet lediglich Billigung der Geschäftsführung und das Vertrauen in sie (RG 167, 166). Zum alten Recht hat der Bundesgerichtshof (BGH 29, 385) entschieden, daß von diesem Grundsatz insofern eine Ausnahme zu machen sei, als eine von allen Aktionären beschlossene Entlastung doch ein Verzicht auf Schadensersatzforderungen darstellen würde. Dieser Entscheidung ist jedoch durch die neue Bestimmung hinsichtlich der Bedeutung der Entlastung (§ 120 II) die Grundlage entzogen worden, so daß diese Entscheidung für das neue Aktiengesetz nicht mehr gilt. Anm. 27: Die Voraussetzung zu a) (Anm. 26) entfällt, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist oder sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkursverfahrens vergleicht. Darunter fallen Zwangsvergleiche im Konkurs, Vergleichsverfahren und außergerichtlicher Vergleich mit der Gesamtheit der Gläubiger. Die Erfordernisse zu b) und c) bleiben auch in diesem Falle bestehen. Abs. 3 gilt nicht für Gläubiger der Gesellschaft, die auch vor Ablauf der 3-Jahres-Frist verzichten oder sich vergleichen können. IX. Geltendmachung durch Gläubiger Anm. 28: Der Ersatzanspruch kann nicht nur von der Gesellschaft, sondern auch den Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden, von letzteren jedoch nur subsidiär, d. h. wenn und soweit sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen. Dieses muß der Gläubiger beweisen. Dazu braucht er jedoch nicht fruchtlose Zwangsvollstreckung oder nur Klageerhebung nachzuweisen. Da der Gläubiger einen Anspruch der Gesellschaft, nicht etwa einen eigenen Anspruch aus einer gegen ihn gerichteten unerlaubten Handlung, auf Schadensersatz geltend macht, kommt es nicht darauf an, wann seine Forderung entstanden ist, ob vor oder nach der schuldhaften Handlung des Vorstands. Die Sachlegitimation des Gläubigers wird durch die Höhe seiner Forderung begrenzt, außerdem kann er nicht mehr geltend machen als den Schaden den die Gesellschaft gegen das schuldige Vorstandsmitglied 470
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
§ 93 Anm. 28
geltend machen könnte. Audi hier hat die in Anm. 12 erörterte Frage Bedeutung, was unter „Ersatz" zu verstehen ist. Dem Gläubiger kommt natürlich dieselbe Beweiserleichterung zugute, wie der Gesellschaft (s. Anm. 11 und 12). Er kann bis zur Höhe der eigenen Forderung im Falle des Abs. 3 auch einen von der Gesellschaft erlittenen, über den ihr entzogenen oder vorenthaltenen Betrag hinausgehenden Schaden geltend machen, sofern er diesen beweist, denn ein Tatbestand des Abs. 3 hört nicht deshalb auf ein solcher zu sein, weil ein höherer Schaden entstanden ist. Der Gläubiger braucht also auch dann, wenn er — bis zur Grenze der eigenen Forderung — diesen höheren Schaden geltend macht, kein Verschulden, auch nicht grobe Fahrlässigkeit zu beweisen. Die Haftung gegenüber den Gläubigern wird hier einzigartig ausgestaltet in der Form einer durch den Umfang nach bedingten Sachbefugnis der Gläubiger, selbst den Anspruch der Gesellschaft geltend zu machen (s. Anm. 31), um sich daraus zu befriedigen, indem der Gläubiger Zahlung an sich verlangt. Dadurch wird vermieden, daß die Gesellschaft den Anspruch unter den Tisch fallen lassen kann. Da dabei ein Anspruch der Gesellschaft geltend gemacht wird, hat diese Befugnis jeder Gläubiger, da jedem das Gesellschaftsvermögen haftet, auch ein späterer. Bei mehreren Gläubigern handelt es sich um eine Sachbefugnis mehrerer Einzelgläubiger, nicht um eine Gesamtgläubigerschaft nach § 428 ff. BGB (a. A. RG 74, 429; Schl.-Qu. § 84 Anm. 19 und 22; Schilling in Großkomm. §84 Anm. 48; wie hier Baumbach-Hueck § 84 Anm. 8 B; Ritter § 84 Anm. 9). Auch die Gesellschaft selbst bleibt aktiv legitimiert. Folgerichtig kann zwar bis zur Tilgung an die Gesellschaft selbst — dies kann der Gläubiger verhindern, indem er den Anspruch pfändet und sich überweisen läßt — und jeden Gläubiger — an einen solchen jedoch nur, wenn die Voraussetzung seiner Legitimation, Insolvenz der Gesellschaft vorliegt — gezahlt werden, begründet aber die Erhebung der Klage durch die Gesellschaft oder einen Gläubiger für den Beklagten gegen jede weitere Klage der Einrede der Rechtshängigkeit (bzw. rechtskräftig entschiedenen Sache). Ein anderes gesamtschuldnerisch haftendes Vorstandsmitglied aber kann sich nach § 425 II BGB selbstverständlich auf die bloße Rechtshängigkeit (oder Entscheidung) nicht berufen, sondern nur auf die Tilgung des Anspruchs der Gesellschaft (§§ 422, 425 Abs. 1 BGB). Die H a f tung hat praktischen Wert nur, wenn mangels Masse kein Konkurs eröffnet wird, denn da es sich bei der Befriedigung des Gläubigers gleichzeitig um einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft, also um eine Befriedigung mit ihren Mitteln handelt, wird sie regelmäßig anfechtbar sein, wenn es nachträglich zum Konkurs kommt. Es hilft dem Vorstand in solchem Fall also auch nichts, daß er die Wahl unter den Gläubigern hat, wenn er freiwillig seiner Ersatzpflicht genügt. In mehrfacher Hinsicht ist die Stellung des Gläubigers stärker, wenn er den Anspruch der Gesellschaft pfändet und sich überweisen läßt (keinerlei Verschuldensnachweis), aber auch in mehrfacher Hin471
§ 93
Anm. 28—31
Verfassung der Aktiengesellschaft
sieht schwächer (Berufung auf einen, den Vorstand deckenden Hauptversammlungsbeschluß). Anm. 29: Der Grundsatz, daß der Vorstand der Gesellschaft und den Gläubigern haftet, wird dahin eingeschränkt, daß er dem Gläubiger nur wegen grober, von diesen zu beweisender Fahrlässigkeit haftet, wenn nicht einer der im Abs. 3 einzeln aufgeführten Fälle vorliegt, dann haftet er auch den Gläubigern für leichte Fahrlässigkeit, ohne daß die Gläubiger diese zu beweisen hätten. In allen anderen Fällen haftet er bei leichter Fahrlässigkeit nur der Gesellschaft, nicht aber den Gläubigern, befreit er sich also auch nicht gegenüber der Gesellschaft, wenn er einen Gläubiger unmittelbar befriedigt. Der Vorstand hat gegenüber den Gläubigern, wenn nicht Fälle des Abs. 3 vorliegen, nur nachzuweisen, daß ihn keine grobe Fahrlässigkeit trifft. Eine Abtretung, Verpfändung des Anspruchs der Gesellschaft muß jeder Gläubiger anerkennen, wenn sie vollen Gegenwert erhalten hat. Im übrigen hat weder ein Vergleich noch ein Verzicht, noch ein die Handlung deckender gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschluß Einfluß auf das Recht der Gläubiger. Auch eine Billigung der Handlung durch den Aufsichtsrat ist unbeachtlich, was sich bereits aus Abs. 4 S. 2 ergibt und daher nicht — wie bisher — besonders normiert worden ist. Die Ausnahme der Anm. 28 gilt auch gegenüber den Gläubigern. Anm. 30: Der einzelne Gläubiger verliert die Sachberechtigung an den Konkursverwalter, auch wenn er schon Klage erhoben hat. Der Verwalter kann eine neue Klage nach § 117 KO erheben oder in den schwebenden Rechtsstreit eintreten. Er wird damit Rechtsnachfolger des Gläubigers im Sinne des § 325 ZPO. Geht der Konkurs vor Erledigung des Rechtsstreites zu Ende, lebt die Sachbefugnis des Gläubigers wieder auf und kann dieser wieder in den Rechtsstreit eintreten (RG in JW 35, 3301). Verzichtet der Konkursverwalter auf den Anspruch oder schließt er einen Vergleich, so ist dies gegenüber jedem Gläubiger wirksam (RG 39, 66; 63, 203). Der Konkursverwalter kann auch erklären, daß er den Anspruch nicht geltend machen will, dann können auch die Gläubiger ihn während der Dauer des Konkursverfahrens nicht geltend machen, wohl aber nach dessen Aufhebung (RG 74, 429). Ein Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft oder ein Beschluß der Hauptversammlung hindert den Konkursverwalter nicht, den Anspruch geltend zu machen. X. Verjährung Anm. 31: Alle Ansprüche aus einer Verletzung der Sorgfalt bei der Geschäftsführung verjähren in 5 Jahren. Neben dieser Verjährung läuft die aus § 852 BGB, wenn die Handlung sich als unerlaubte, z.B. Unterschlagung 472
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
§ 93
Anm. 31,32
(RG 87, 309) darstellt, gegen die daraus unter diesem Gesichtspunkt ableitbaren Ansprüche. Ebenso können andere Vorschriften (z. B. §§ 667, 675, 812 BGB) sich als anwendbar erweisen, nach denen eine längere Verjährung läuft (RG 96, 55; 98, 31; JW 38, 3413). Besteht aber die Pflichtverletzung nur darin, daß das Vorstandsmitglied es unterläßt, eine eigene (z. B. Waren-) Schuld zu erfüllen, kann neben dieser nicht noch Schadensersatz wegen Amtspflichtsverletzung in Frage kommen (RG 156, 296 f.); es gelten dafür die Verjährungsfristen des bürgerlichen Rechts, auch wenn sie kürzer sind. Läßt der Vorstand seine eigene Schuld verjähren, so haftet er aus Pflichtverletzung. Die Verjährung beginnt nach § 198 BGB (nicht § 852 BGB) mit der Entstehung des Anspruchs, also der pflichtwidrigen Handlung und der Entstehung des Schadens (RG 156, 296 f.; in letzterer Hinsicht anders Schi.-Qu. Anm. 19), aber nicht vor Beendigung des pflichtwidrigen Verhaltens (Ruth JW 38, 519). Es genügt die Möglichkeit, Feststellungsklage zu erheben (RG 152, 273), die einen entstandenen, noch nicht feststellbaren Schaden voraussetzt; es kann niemand zugemutet werden, vor Entstehung irgendeines Schadens, auf Grund pflichtwidriger Handlung, Klage zu erheben. Für die Hemmung und Unterbrechung gelten die §§ 202 ff. BGB. Die Unterbrechung kann nicht nur durch die Gesellschaft, sondern auch durch jeden Gläubiger zugunsten aller anderen, auch der Gesellschaft, herbeigeführt werden (a. A. Schl.-Qu. § 84 Anm. 1, Baumbach-Hueck § 84 Anm. 9; wie hier Schilling in Großkomm. §84 Anm. 61), in letzterem Fall nur in Höhe des geltend gemachten Betrages, also nur in Höhe der Forderung des Gläubigers gegen die Gesellschaft, so daß den anderen Gläubigern die Unterbrechung nichts hilft (streitig wie hier Brodtmann § 241 HGB Anm. 5 a). Daß die schuldige Verwaltung selbst noch im Amt ist, hindert Beginn und Lauf der Verjährung nicht, auch wenn alle einschließlich der Mitglieder des Aufsichtsrats gemeinsame Sache machen, weil § 206 BGB sich absichtlich auf natürliche Personen beschränkt (RG a. a. O.). In der Einrede der Verjährung kann aber eine unzulässige Rechtsausübung liegen (RG a. a. O.; mißverständlich Ruth a. a. O.). Die fünfjährige Frist läuft auch gegen einen Gläubiger von der Entstehung des Anspruchs ab, auch wenn die Voraussetzung des Abs. 5 S. 1 erst später eintritt und seine eigene Forderung erst später entsteht oder von ihm erworben wird. Die Ausgleichsansprüche der Gesamtschuldner untereinander verjähren in 30 Jahren (RG 159, 86). XI. Doppelhaftung Anm. 32: Eine Doppelhaftung — sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch den Aktionären — ist ausgeschlossen. Für einen Schaden braucht der Schädiger nicht zweimal zu zahlen, z. B. den Schaden der Gesellschaft sowie den durch diesen Schaden für den Aktionär entstandenen Kursverlust. Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß der Aktionär dann seinen Schaden 473
§§ 93 / 94
Anm. 32 /1—3
Verfassung der Aktiengesellschaft
geltend machen könnte, wenn die Gesellschaft ihren Schaden nicht durch Verfolgung des Anspruchs behebt (Schilling in Großkomm. § 84 Anm. 74; Schl.Qu. § 84 Anm. 30). Dieser Ansicht können wir nicht zustimmen, zumal es dem Aktionär schwerfallen wird, nachzuweisen, daß der eingetretene Kursverlust allein auf die Handlung des Vorstandsmitgliedes zurückzuführen ist. § 94 Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern Die Vorschriften für die Vorstandsmitglieder gelten audi für ihre Stellvertreter. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt wörtlich die Bestimmung des bisherigen § 85 AktG 37. Auch das stellvertretende Vorstandsmitglied ist trotz der irreführenden Überschrift und Fassung nicht nur — vertretungsweise — von Fall zu Fall Vertreter eines Vorstandsmitgliedes, sondern selbst dauerndes Mitglied des Vorstands. Zuständig, es zu bestellen, ist daher der Aufsichtsrat, nicht etwa der ordentliche Vorstand. Es ist ferner deshalb auch nach § 80 auf den Geschäftsbriefen anzugeben und zum Handelsregister als solches anzumelden (Baumbach-Hueck § 85 Anm. 10, O L G Stuttgart N J W 1960, 2150; anderer Ansicht Ritter Anm. 2, weil der Zusatz Stellvertreter nur im Innenverhältnis Bedeutung habe und daher nicht ins Handelsregister gehöre); es hat beim Registergericht seine Unterschrift zu hinterlegen (§§ 79, 81). Es muß in allen Fällen mitwirken, in denen das Gesetz die Anmeldung durch sämtliche Vorstandsmitglieder verlangt und jedes Vorstandsmitglied verpflichtet. Es kann wie ein ordentliches Vorstandsmitglied durch Ordnungsstrafe zur Anmeldung angehalten werden, die das Gesetz anordnet. Ist ein stellvertretendes Vorstandsmitglied bestellt, so besteht der Vorstand aus mehreren Personen, auch wenn außer ihm nur ein einziges (ordentliches) Mitglied vorhanden ist (ebenso Fechner D R Z 1948, 304. L G Freiburg ebenda), andererseits ist ein stellvertretendes Vorstandsmitglied, wenn neben ihm überhaupt kein anderes Mitglied vorhanden ist, von selbst ordentliches Mitglied. Anm. 2: Für die Vertretung der A G nach außen ist nach § 78 I I die mitwirkung des stellvertretenden Vorstandsmitgliedes erforderlich, wenn die Satzung nicht etwas anderes bestimmt. Eine Ermächtigung an das (einzige) ordentliche Vorstandsmitglied, die Gesellschaft allein zu vertreten, liegt in der Bestellung eines weiteren Mitglieds zum bloß Stellvertretenden nicht. Die Vertretungsmacht eines stellvertretenden Mitgliedes ist nach außen ebenso unbeschränkt wie die eines ordentlichen (vorbehaltlich § 82 II). Anm. 3: Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts hat das stellvertretende Vorstandsmitglied auch dieselbe Geschäftsführungsbefugnis wie ein ordent474
Stellvertreter von Vorstandsmitglieder
§94 Anm. 3,4
liches, aber diesbezüglich kann Abweichendes bestimmt werden. Der Unterschied der Stellung des stellvertretenden Vorstandsmitgliedes von der des ordentlichen liegt in der Praxis sogar regelmäßig gerade in einer minderen Geschäftsführungsbefugnis, aber wohl niemals in dem Sinn, daß es nur vertretungsweise für ein behindertes ordentliches Mitglied einzuspringen hätte — meist hat auch ein stellvertretendes Mitglied ein bestimmtes Dauerreferat (ebenso Boesebeck JW 1938, 2528) —, sondern insofern, als ihm geringere Selbständigkeit bei seiner Geschäftsführung, seinen geschäftlichen Entscheidungen eingeräumt wird und es in höherem Maße gehalten ist, die Zustimmung eines weiteren, und zwar wenn tunlich ordentlichen Mitgliedes, einzuholen; ferner als es Entscheidungen und Maßnahmen eines ordentlichen Mitglieds nicht widersprechen kann, es sei denn, daß ein ordentliches Mitglied, welches zu einer Maßnahme der Zustimmung oder Mitwirkung eines weiteren Mitgliedes bedarf, sich dieserhalb an das stellvertretende wendet. Bei Beschlüssen des Vorstandskollegiums brauchen die stellvertretenden gewöhnlich nicht zugezogen werden, all dies beruht im Einzelfall meist mehr auf eingespielter Übung und gefestigtem Herkommen in einem Betrieb, als auf ausdrückliche Anordnung der Satzung oder des Aufsichtsrats oder des Vorstands. Besteht eine solche Übung in einem Betrieb, so liegt schon in der Ernennung zum bloß stellvertretenden Vorstandsmitglied stillschweigend auch die entsprechende Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis. Gänzlich kann auch einem stellvertretenden Vorstandsmitglied die Geschäftsführung nicht genommen werden. Es muß wenigstens zusammen mit den übrigen die volle Geschäftsführungsbefugnis haben. Meist haben die stellvertretenden Mitglieder ein Dauerreferat (z. B. Buchhaltung), sind auf dieses beschränkt mit minderer Selbständigkeit. Anm. 4: Für die Überwachungspflicht, die dem stellvertretenden Vorstandsmitglied gegenüber anderen Mitgliedern obliegt, ergibt sich aus Vorstehendem, daß es nach dem Gesetz dazu grundsätzlich ebenso verpflichtet ist wie ein ordentliches, und daß es ihrer auch gegenüber einem ordentlichen Mitglied nie völlig ledig sein kann, sondern mindestens mit den übrigen Mitgliedern zusammen die Überwachung eines jeden muß ausüben können und dementsprechend ausüben muß. Die Satzung kann nichts anderes bestimmen. Die ihm zu Gebote stehenden Mittel einzuschreiten, bemessen sich nach seiner eigenen Geschäftsführungsbefugnis. Mindestens kann er versuchen, einen Beschluß des Gesamtvorstands herbeizuführen oder den Aufsichtsrat auf den Plan zu rufen. Aus dem Gesagten ist auch das Maß der Haftung eines stellvertretenden Vorstandsmitgliedes abzuleiten, welche gesetzlich die gleiche ist, wie die eines ordentlichen Mitglieds, je nach seiner Geschäftsführungsbefugnis und Überwachungspflicht, aber gleichfalls im Einzelfall geringer sein kann. Den Strafbestimmungen (§ 399 ff.) ist es dementsprechend unterworfen. 475
§ 95
Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
Zweiter Abschnitt Aufsichtsrat § 95 Zahl der Aufsichtsratsmitglieder Der Aufsichtsrat besteht aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine bestimmte höhere Zahl festsetzen. Die Zahl muß durch drei teilbar sein. Die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder beträgt bei Gesellschaften mit einem Grundkapital bis zu 3 000 000 Deutsche Mark von mehr als 3 000 000 Deutsche Mark von mehr als 20 000 000 Deutsche Mark
neun, fünfzehn, einundzwanzig.
Durch die vorstehenden Vorschriften werden hiervon abweichende Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. Mai 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 347) — Mitbestimmungsgesetz — und des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 7. August 1956 (Bundesgesetzbl. I S. 707) — Mitbestimmungsergänzungsgesetz — nicht berührt. I. Übersicht ( A n m . 1 u. 2 ) I I . Z a h l der Mitglieder 1. Mindestzahl ( A n m . 3) 2. Höchstzahl ( A n m . 4 ) 3. Mitbestimmungsgesetze
(Anm.
5)
III. Verstoß 1. durch Satzung ( A n m . 6 ) 2. durch H a u p t v e r s a m m l u n g (Anm. 7) IV. Übergangsbestimmungen ( A n m . 8)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht dem § 86 I AktG 37, enthält jedoch die folgenden Änderungen: Während nach bisherigem Recht die Satzung jede über 3 hinausgehende, durch 3 teilbare Mitgliederzahl festsetzen konnte und damit in der Lage war, auch wahlweise verschiedene Zahlen, z . B . 6, 9, 12, 15, festsetzen konnte, kann die Satzung jetzt nur eine bestimmte Zahl festsetzen, die durch 3 teilbar ist. Auch die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder ist neu festgesetzt worden, soweit das Grundkapital die Grenze von 3 Millionen D M übersteigt. Von mehr als 3 Millionen bis 20 Millionen D M können statt bisher 12 nunmehr 15 und von mehr als 20 Millionen statt 15 476
Zahl der Aufsichtsratsmitglieder
§95 Anm. 1—3
nunmehr 21 Aufsichtsratsmitglieder vorgesehen werden. D a f ü r entfällt die bisherige Bestimmung, wonach der Bundeswirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Bundesjustizminister und den sonst beteiligten Bundesministern Ausnahmen von den gesetzlichen Höchstzahlen zulassen konnte, wenn das Wohl der Gesellschaft oder gesamtwirtschaftliche Belange es fordern. Die im Gesetz niedergelegten Höchstzahlen sind damit absolut und unveränderlich. Anm. 2: Der Aufsichtsrat ist eines der notwendigen Organe der Gesellschaft (Anm. zu § 76, über die Bezeichnung als Verwaltungsrat vgl. K G in J W 32, 2620), ohne das sie nicht entstehen kann. Andererseits wird der Bestand der Gesellschaft nicht dadurch berührt, d a ß seine Mitglieder durch Tod, Amtsablauf, Niederlegung, Abberufung in solchem U m f a n g ausscheiden, d a ß kein oder kein ordnungsgemäßer Aufsichtsrat mehr vorhanden ist (KG in O L G 34, 438). Neben dem Aufsichtsrat sind andere Gremien mit unbeschränkter Mitgliedzahl, wie Beirat oder Verwaltungsrat zulässig (s. § 160 III N r . 8) und in letzter Zeit zunehmend üblich (vgl. Konow in DB 66, 332). Die Mitglieder solcher Gremien sind trotz ihrer vertraglichen Bindung „Dritte"; Funktionen des Aufsichtsrats (z.B. die Bestellung des Vorstandes) können diesen Gremien nicht übertragen werden — an den Sitzungen des Aufsichtsrats dürfen ihre Mitglieder nicht teilnehmen § 109 I —, wohl aber beratende oder zusätzlich überwachende. Ein Beirat kann durch Dienstvertrag (oder Auftrag) des bürgerlichen Rechts vom Vorstand oder auch A u f sichtsrat geschaffen werden, auch ohne daß dies in der Satzung vorgesehen ist. Die Satzung kann dies vorschreiben und den Inhalt des abzuschließenden Dienstvertrages, den Pflichtenumfang festlegen; eine solche Bestimmung enthält aber nur eine Anweisung an den Vorstand und wird n u r mittelbar durch ausdrückliche oder stillschweigende Verweisung auf sie Vertragsinhalt. Nach diesem richten sich Pflichten und Verantwortung. Befugnisse (Rechte) hat ein solches Gremium nicht, denn ihm steht als Dienstherr die Gesellschaft gegenüber, die dabei vom Vorstand vertreten wird. Vorstehendes gilt auch f ü r einen Gemeinschaftsrat einer Interessengemeinschaft oder einen Konzern, der durch schuldrechtliche Vereinbarung oder entsprechende Satzungsbestimmung fakultatives Organ der einzelnen Gemeinschafts- bzw. Konzernmitglieder ist.
II. Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrats 1. Mindestzabl Anm. 3: Die Vollständigkeit des Aufsichtsrats setzt gesetzlich zwingend voraus, daß er mindestens 3 Mitglieder hat. Sinkt der Mitgliederbestand darunter, so kann der Aufsichtsrat nicht mehr rechtswirksame Beschlüsse fassen oder nach außen handelnd auftreten. Über Ergänzung durch das Gericht und Pflicht des Vorstandes, sie zu beantragen, s. bei § 104. 477
§ 95 Anm. 3, 4
Verfassung der Aktiengesellschaft
Die Vorschrift bezieht sich auf die Zusammensetzung des Organs, nicht auf seine Versammlungen. Sie betrifft nicht die erforderliche Mindestzahl der Teilnehmer an letzteren, d. h. nicht die Beschlußfähigkeit (hierzu s. § 108), sondern die Vollständigkeit. Die Folge der Unvollständigkeit des Aufsichtsrats war bis zur Neufassung des § 89 AktG 37 durch das Gesetz vom 15. 7.1957 (BGBl I S. 714) umstritten. Sie ist dahin entschieden worden, daß die Unvollständigkeit des Aufsichtsrats so lange bedeutungslos ist, als seine Beschlußfähigkeit gegeben ist. Diese Regelung ist von der neuen Bestimmung des § 108 II übernommen worden, s. im einzelnen dort. Die Mindestzahl ist zwingend vorgeschrieben. Anders als beim Vorstand (vgl. § 23 III Nr. 5) braucht die Satzung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nichts zu enthalten. Dann besteht er aus 3 Mitgliedern. Die Satzung kann unter Beachtung der Höchstgrenze eine bestimmte höhere, durch 3 teilbare Zahl festsetzen. Die Neufassung des Gesetzes stellt die bisher umstrittene Frage dahin klar, daß eine bewegliche Mitgliederzahl in der Satzung nicht vorgesehen werden kann. Abweichende Satzungsbestimmungen, also insbesondere solche, die keine bestimmte Zahl festlegen oder eine Zahl bestimmen, die nicht durch 3 teilbar ist, oder die zulässige Höchstzahl überschreitet, sind nichtig, mit der Folge, daß für diese Gesellschaft ein Aufsichtsrat von 3 Mitgliedern besteht. Das Verbot, eine variable Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern in der Satzung festzusetzen, ist eine Folge der Vertretung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat. Es soll verhindert werden, daß die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder, etwa bei der Neubesetzung des Aufsichtsrats, deshalb ändern kann, weil ein von den Arbeitnehmern bereits gewähltes, aber unerwünschtes Aufsichtsratsmitglied am Eintritt in den Aufsichtsrat gehindert werden soll. Derartige, letzten Endes den sozialen Frieden störende, Manipulationen sollen durch die neue Bestimmung vermieden werden. 2. Höchstzahl Anm. 4: Die gesetzliche Höchstzahl von Aufsichtsratsmitgliedern ist gestaffelt nach dem Grundkapital der Gesellschaft. Dabei darf nur das tatsächlich ausgegebene Grundkapital zugrunde gelegt werden, nicht also der Betrag einer bedingten Kapitalerhöhung, solange die jungen Aktien noch nicht ausgegeben sind und auch nicht der Betrag des genehmigten Kapitals. Andererseits kommt es nicht darauf an, ob die Einlagen voll geleistet sind. Mit einer Kapitalerhöhung können gleichzeitig bis zu der der erhöhten Grundkapitalziffer entsprechenden Höchstzahl weitere Mitglieder in der Weise zugewählt werden, daß der Beginn des Amtes der Neugewählten bis zur Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung hinausgeschoben wird. 478
Zahl der Aufsichtsratsmitglieder
§95 Anm. 4—6
Voraussetzung ist, daß die Satzung gleichzeitig dahin geändert wird, daß die neue Höchstzahl in ihr festgelegt wird. Wird infolge einer Kapitalherabsetzung erforderlich, die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder zu vermindern und unterbleibt eine entsprechende Abberufung oder Amtsniederlegung, so ist anzunehmen, daß das Amt aller mit Beendigung der nächsten Hauptversammlung erlischt, welche über die Entlastung beschließt (Zustimmend Schi.-Qu. § 86 Anm. 5; und nunmehr auch Schmitt in Großkomm. § 86 Anm. 3). Auch in diesem Fall muß die Satzung eine neue, sich im Rahmen der Höchstzahl haltende Bestimmung treffen. Die nach bisherigem Recht nicht unbestrittene Frage, ob die Satzung die Wahl von stellvertretenden Aufsichtsratsmitgliedern vorsehen kann und ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen diese unter die Höchstzahl fallen, ist gegenstandslos geworden, da das Gesetz im § 101 III S. 1 die Bestellung von Stellvertretern verbietet. Dagegen wird nunmehr im Gesetz (§ 101 III S. 2—4) ausdrücklich bestimmt, daß mit der Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds auch ein Ersatzmitglied bestellt werden kann, ausgenommen sind lediglich die weiteren Mitglieder nach § 4 I C des Mitbestimmungsgesetzes und § 5 I C des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes. Ein solches Ersatzmitglied wird erst dann Mitglied des Aufsichtsrats, wenn das Aufsichtsratsmitglied vor Ablauf seiner Amtszeit wegfällt. Daraus ergibt sich, daß die Ersatzmitglieder bei der Berechnung der Höchstzahl nicht mitgerechnet werden, denn sie werden erst Aufsichtsratsmitglieder, wenn ein Platz, und zwar der, den das Aufsichtsratsmitglied, für den das Ersatzmitglied bestellt ist, frei wird. (vgl. § 101 Anm. 5). 3. Mitbestimmungsgesetze Anm. 5: Während die Bestimmungen über die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder dieses Gesetzes so sind, daß sie mit den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes in keiner Weise kollidieren, gilt dies nicht für die Bestimmung der Mitbestimmungsgesetze im engeren Sinne. Infolgedessen mußte im Gesetz bestimmt werden, daß durch die vorstehenden Vorschriften die abweichenden Vorschriften der Mitbestimmungsgesetze nicht berührt werden, d. h. daß, soweit die Bestimmungen dieser Gesetze von denen des § 95 abweichen, die Bestimmungen der Mitbestimmungsgesetze vorgehen. III. Verstoß 1. durch Satzung Anm. 6: Die Satzung kann in verschiedener Weise gegen die Vorschrift verstoßen: sie kann weniger als 3 Mitglieder vorschreiben oder eine höhere, aber nicht durch 3 teilbare oder variable Zahl vorsehen oder endlich die Höchstgrenze überschreiten. In all diesen Fällen ist die Satzungsbestimmung 479
§ 95
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 6—8 nichtig, an ihrer Stelle gilt Satz 1, der Aufsichtsrat besteht dann aus 3 Mitgliedern. Wählt die Hauptversammlung auf Grund einer nichtigen Satzungsbestimmung die Mitglieder, so sind sämtliche Wahlbeschlüsse nichtig, selbst wenn sie einzeln gefaßt sind (§ 250 I Nr. 3). 2. durch Hauptversammlung Anm. 7: Die Hauptversammlung kann gegen satzungsmäßige und gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Verstößt sie lediglich gegen die Satzung — z. B. indem sie die darin festgelegte Höchstzahl überschreitet, ohne die des Gesetzes zu verletzen —, so sind die Wahlen anfechtbar (§ 243 I). Verstößt sie gegen das Gesetz — z. B. indem sie die gesetzliche Höchstgrenze überschreitet —, so sind die Wahlbeschlüsse nichtig (§ 250 I Nr. 3), da sie auch dann in einem inneren Zusammenhang stehen, wenn sie getrennt für die einzelnen Mitglieder gefaßt worden sind. IV. Übergangsbestimmungen Anm. 8: In den recht zahlreichen Fällen, in denen die bisherige Satzung der Gesellschaft eine variable Zahl für die Aufsichtsratsmitglieder festlegt, muß eine Satzungsänderung erfolgen. An sich würde die dem Gesetz widersprechende Satzungsbestimmung mit dem Inkrafttreten des Gesetzes nichtig sein, was zur Folge hätte, daß die betreffenden Gesellschaften nunmehr nur noch einen Aufsichtsrat von 3 Mitgliedern hätten. Um das zu verhindern, sollte durch § 12 EG eine Erleichterung für die Gesellschaften geschaffen werden. Diese besteht einmal darin, daß die Bestimmungen der Satzung über die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder nicht mit dem Inkrafttreten des Gesetzes, sondern erst mit Beendigung der Hauptversammlung außer Kraft treten, die über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das am 31.12. 65 endende oder laufende Geschäftsjahr, spätestens 8 Monate nach Beendigung des Geschäftsjahres, beschließt. Ferner darin, daß die Satzungsänderung, wenn sie innerhalb der festgesetzten Frist vorgenommen wird, mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden kann. Damit sollte erreicht werden, daß in der ersten, nach dem 31. Dezember 1965 abzuhaltenden ordentlichen Hauptversammlung die Satzungsänderung beschlossen werden konnte, ohne daß dadurch irgendwelche Nachteile für die Gesellschaft eintreten würden. Schwierigkeiten sind dadurch entstanden, daß § 12 II bestimmt, daß dann, wenn Satzungsbestimmungen nach Absatz 1 Satz 1, außer Kraft treten, das Amt der Aufsichtsratsmitglieder mit diesem Zeitpunkt erlischt. Da die Satzungsänderung erst mit ihrer Eintragung wirksam wird, müßte, wenn man diese Bestimmung wörtlich auffaßt, stets das Amt aller Aufsichtsratsmitglieder erlöschen, wenn die Satzungsänderung erst in dem letztmöglichen Zeitpunkt nach § 12 I vorgenommen wird. Das ist jedoch nicht der Sinn dieser Bestimmung. Wird durch die Satzungsänderung nach § 12 I die Satzung der im 480
Zahl der Aufsichtsratsmitglieder
§95 Anm. 8
Augenblick der Beschlußfassung vorhandenen Zahl der Aufsichtsratsmitglieder angepaßt, so wäre es übertriebener Formalismus, wollte man nur deshalb den Abs. 2 für anwendbar erklären, weil die alte Satzungsbestimmung nach Abs. 1 am Ende der Hauptversammlung erlischt und die neue, bereits beschlossene, nicht vor ihrer Eintragung wirksam wird. Wenn es schon nach allgemeiner Auffassung möglich ist, eine erst beschlossene, aber noch nicht eingetragene Satzungsänderung insofern vorwegzunehmen, als die gleiche Hauptversammlung zur Satzungsänderung Ausführungsbeschlüsse fassen kann, beispielsweise bei Erhöhung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder die neuen schon hinzuwählen kann, allerdings erst mit der Wirkung, daß ihr Amt mit der Eintragung der Satzungsänderung beginnt, so wäre es unsinnig, den Abs. 2 des § 12 dahin zu verstehen, daß das Amt der Aufsichtsratsmitglieder erlischt, wenn die Zahl der effektiv vorhandenen Aufsichtsratsmitglieder mit der neuen Satzungsbestimmung übereinstimmt. Die praktischen Schwierigkeiten wären nicht unerheblich, denn es handelt sich ja nicht nur um die von der Hauptversammlung gewählten Mitglieder des Aufsichtsrates, sondern auch um die Arbeitnehmervertreter. Gessler (DB 1965, 1469) setzt sich mit der Frage eingehend auseinander und weist mit Recht darauf hin, daß die Bestimmung des § 12 E G eindeutig erkennen läßt, daß das Außerkrafttreten von Satzungsbestimmungen nur auf das Notwendige beschränkt werden sollte. Er vergleicht diese Bestimmung mit den vorangegangenen gesetzlichen Regelungen ähnlicher Fälle. Er kommt zu dem Ergebnis, daß es bedenklich wäre, die Vorschriften anders als in diesem respektiven Sinne auszulegen, weil sie an sich einen Eingriff in bestehende Rechtsverhältnisse darstellt und deshalb der Eingriff auf die Fälle zu beschränken ist, in denen er nicht zu vermeiden ist. Wenn man auch der Ansicht von Werner (Bankbetrieb 65 S. 280), in einem solchen Fall sei eine Satzungsänderung überhaupt nicht notwendig, nicht folgen kann und mit Baiser (S. 69) es ablehnen muß, daß es sich nur um eine Fassungsänderung handelt, die vom Aufsichtsrat vorgenommen werden könnte, so wird man doch mit Gessler zu dem Ergebnis gelangen, daß § 12 II als nicht abwendbar anzusehen ist, wenn die alte Satzung eine variable Zahl vorsah, die Hauptversammlung eine bestimmte Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern gewählt hatte, und nunmehr in der Hauptversammlung die Satzung dahin geändert wird, daß der Aufsichtsrat künftig aus dieser bestimmten Zahl bestehen soll (so auch Baiser S. 69; Möhring N J W 66, S. 7, Kuhn, N J W 6 5 S. 2186 ff.; a. A. Tiefenbacher BB 1965 S. 1197). H a t eine Gesellschaft in der nach § 12 letztmöglichen ordentlichen Hauptversammlung die Satzungen so geändert, daß sie der zu dieser Zeit bestehenden Mitgliederzahl des Aufsichtsrates entsprach, so bleiben diese im Amt, wenn die Eintragung der Satzungsänderung demnächst erfolgt, sie sind mithin auch berechtigt, in dieser Zwischenzeit wirksame Beschlüsse zu fassen. Bedenken 31
Wilhelmi, A k t i e n g e s e t z
481
§§95/96 Anm. 8
Verfassung der Aktiengesellschaft
können aber bestehen, wenn die Eintragung der beschlossenen Satzungsänderung nicht erfolgt. Auch in diesem Fall kann nicht etwa auf § 12 I I zurückgegriffen werden. Die einzelnen Mitglieder bleiben so lange im Amt, bis dieses nach den allgemeinen Bestimmungen erlischt. Der Aufsichtsrat bleibt auch beschlußfähig, obwohl er den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht ($ 108). Wird bei der Anpassung der Satzung an die neue gesetzliche Bestimmung die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder anders festgesetzt, als sie auf Grund der alten Satzungsbestimmung tatsächlich bestand, so erlösdien alle Aufsichtsratsmandate in dem von § 12 II E G bezeichneten Zeitpunkt auch die der entsandten Mitglieder (Barz in die Aktiengesellschaft 1966, 41). Die erforderliche Neuwahl kann bereits in der gleichen Hauptversammlung vorgenommen werden, die die Satzungsänderung beschließt, wird aber erst mit deren Eintragung wirksam. § 96 Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Der Aufsiditsrat setzt sich zusammen bei Gesellschaften, für die § 76 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes gilt, aus Aufsiditsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, bei Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz gilt, aus Aufsiditsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer und aus weiteren Mitgliedern, bei Gesellschaften, für die die §§ 5 bis 13 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes gelten, aus Aufsiditsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer und aus einem weiteren Mitglied, bei den übrigen Gesellschaften nur aus Aufsiditsratsmitgliedern der Aktionäre. (2) Nach anderen als den zuletzt angewandten gesetzlichen Vorschriften kann der Aufsiditsrat nur zusammengesetzt werden, wenn nach § 97 oder nach § 98 die in der Bekanntmachung des Vorstands oder in der geriditlidien Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind. I. Übersicht (Anm. 1) II. Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre und Arbeitnehmer (Anm. 2) 1. Zusammensetzung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (Anm. 3 u. 4) 2. Zusammensetzung nadi dem Mitbestimmungsgesetz (Anm. 5)
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3. Zusammensetzung nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz vom 7. 8. 56 (Anm. 6) 4. Zusammensetzung nur aus Aufsiditsratsmitgliedern der Aktionäre (Anm. 7) I I I . Ordnungsmäßigkeit des Aufsiditsrats (Anm. 8)
Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§96 Anm. 1,2
I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmung ist neu, sie behandelt zusammen mit den ebenfalls neuen Bestimmungen der §§ 97—99 die Probleme, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz und dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats ergeben, während ein Teil der Fragen, die mit der Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu tun haben, in § 95 geregelt ist, nämlich die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder, wird hier unter Zusammensetzung verstanden: die Zusammensetzung aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre, solchen der Arbeitnehmer und weiteren Mitgliedern im Sinne der Mitbestimmungsgesetze. Während im Abs. 1 die 4 Formen, die für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nur in Frage kommen, einzeln aufgeführt sind, wird in Abs. 2 bestimmt, daß von der einen auf die andere Form nur übergegangen werden kann, wenn nach § 97 die erforderliche Bekanntmachung über die neue Zusammensetzung des Aufsichtsrats unangefochten geblieben oder nach § 98 durch gerichtliche Entscheidung die künftige Zusammensetzung des Aufsichtsrats rechtskräftig festgestellt ist. Zweck dieser Vorschrift ist es, dem Aufsichtsrat eine sichere Rechtsgrundlage zu geben. Es ist nicht immer ohne weiteres klar, ob das Betriebsverfassungsgesetz oder eines der Mitbestimmungsgesetze anzuwenden sind. Da die nicht ordnungsgemäße Zusammensetzung des Aufsichtsrats sich auf die Rechtsgültigkeit der von ihm gefaßten Beschlüsse auswirkt, mußte eine Lösung gefunden werden, die möglichst schnell und eindeutig eine sichere Rechtsgrundlage für den Aufsichtsrat schafft. Auf die weit überwiegende Zahl aller Aktiengesellschaften ist entweder das Betriebsverfassungsgesetz oder eines der Mitbestimmungsgesetze anzuwenden. Infolgedessen wird mit Recht der Fall, daß der Aufsichtsrat nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre sich zusammensetzt, an letzter Stelle aufgeführt. Er ist die Ausnahme, die sich aus § 76 VI des Betriebsverfassungsgesetzes ergibt. II. Aufsiditsratsmitglider der Aktionäre und Arbeitnehmer Anm. 2: Das Gesetz unterscheidet zwischen Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer. Damit soll aber nichts weiter gesagt werden, als daß die eine Gruppe von den Aktionären in den Aufsichtsrat gewählt ist, während die andere von den Arbeitnehmern gewählt oder auf Grund eines bindenden Wahlvorschlages der Betriebsräte und Spitzenorganisationen der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften in den Aufsichtsrat gekommen ist. Sind sie einmal im Aufsichtsrat, so gibt es keine verschiedenen Gruppen. Alle Mitglieder des Aufsichtsrats haben die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten (vgl. Hueck, Recht d. Arb. 65, 321). Der in der Rechtslehre vielfach vertretene Standpunkt, daß durch die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und der Mitbestimmungsge48}
§ 96 Anm.2,3
Verfassung der Aktiengesellsdiaft
setze man zwei Gruppen von Aufsichtsratsmitgliedern, die Aktionärsvertreter und die Arbeitnehmervertreter, unterscheiden müsse, findet im Gesetz keine Stütze. Der Gesetzgeber ist bei der Formulierung der infrage kommenden Bestimmungen von dem Gedanken ausgegangen, daß alle Mitglieder des Aufsichtsrats die gleichen Rechte und Pflichten haben, ohne Rücksicht darauf, auf welchem Wege sie in den Aufsichtsrat gelangt sind. So wie im bisherigen Recht niemals jemand auf den Gedanken kam, zwischen von der Hauptversammlung gewählten und von Aktionären entsandten Mitgliedern des Aufsichtsrats zu unterscheiden, so ist es grundsätzlich auch nicht angängig, zwischen Aktionärsvertretern, unter denen man nunmehr die von der Hauptversammlung gewählten oder von Aktionären entsandten Vertreter zusammenfassen will, und Arbeitnehmervertretern zu sprechen. Von diesem Grundgedanken ausgehend sind alle Anträge, die gesetzliche Bestimmungen zum „Schutz der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat" erstrebten, abgelehnt worden (so der Antrag, daß mindestens ein Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden ein Arbeitnehmervertreter sein müsse und daß bei der Bildung von Ausschüssen mindestens 1 Aktionär- und 1 Arbeitnehmervertreter Mitglied sein müsse, wenn nicht mehr als 2/s des Aufsichtsrats anders entscheiden). Dieser Gedanke hat auch dazu geführt, im § 40 EG das Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952 dahin abzuändern, daß die im § 76 dieses Gesetzes für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer festgesetzte Schweigepflicht gestrichen wurde, weil die Schweigepflicht für alle Aufsichtsratsmitglieder einheitlich in § 116 in Verbindung mit § 93 I S. 2 geregelt ist. Für die nach dem Mitbestimmungsgesetz und dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz bestellten Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bestimmte sich bisher schon die Schweigepflicht einheitlich für alle Aufsichtsratsmitglieder nach § 99 AktG 37 in Verbindung mit § 84 I S. 2 AktG 37. Auch die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern aus wichtigem Grund ist durch die neu eingeführte Bestimmung des § 103 Abs. 3 für alle Aufsichtsratsmitglieder einheitlich geregelt. 1. Zusammensetzung nach dem Betriebsverfassungsgesetz Anm.3: Nach § 7 6 des Betriebsverfassungsgesetzes vom 11. Oktober 1952 (BGBl I S. 681) hat der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer zu bestehen. Daraus ergibt sich die allgemeine Bestimmung, daß ein Aufsichtsrat nur aus einer durch 3 teilbaren Zahl von Mitgliedern bestehen kann. Die Vertreter der Arbeitnehmer sind selbstverständlich bei der Höchstzahl mitzurechnen. Maßgebend ist grundsätzlich die Rechtsform, in der die Gesellschaft betrieben wird, so daß auch Regiebetriebe und gemeinwirtschaftliche Betriebe der öffentlichen Hand, soweit sie in der Form einer AG betrieben werden, darunter fallen. Es gibt nur eine Ausnahme: Familien484
Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§96 Anm. 3 , 4
gesellschaften, die weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Als solche gelten Aktiengesellschaften, deren Aktionär eine einzelne natürliche Person ist, also die Einmanngesellschaft oder deren Aktionäre untereinander im Sinne von § 10 Ziff. 2 — 5 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 verwandt oder verschwägert sind (§ 76 V I BetrVG). Weiterhin fallen eine Reihe von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften a. A. deshalb nicht unter das Gesetz, weil auf gewisse Betriebe entweder der § 76 oder das ganze Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung findet. Es sind dies nach § 81 Betriebe, die der politischen, gewerkschaftlichen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen, künstlerischen u. ä. Bestimmungen dienen. Nach § 88 findet das Gesetz keine Anwendung auf die Betriebe und Verwaltung des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (die Ausnahme bezieht sich aber nicht auf Regiebetriebe, die in der Rechtsform einer A G betrieben werden, da diese keine Verwaltungen sind). Endlich nicht auf Betriebe der Seeschiffahrt und Luftfahrt, mit Ausnahme der Landbetriebe dieser Unternehmen, die als selbständige A G organisiert sind. Nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz fallen ferner die Unternehmen des Bergbaus und der eisen- und stahlerzeugenden Industrie, da diese unter die Mitbestimmungsgesetze vom 21. Mai 1951 und 7. 8. 1956 fallen. Im einzelnen wird auf die Kommentare zu den betreffenden Gesetzen verwiesen. Anm. 4: § 40 I E G bringt eine Reihe von Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Diese beziehen sich aber nicht auf den materiellen Inhalt, da, ebenso wie für das Aktiengesetz selbst, auch für das Einführungsgesetz der Grundsatz galt, daß an dem Mitbestimmungsrecht im weiteren Sinne keine Änderungen vorgenommen werden sollten. Nur einige Anpassungen an das Aktiengesetz waren notwendig, außerdem sind einige Streitfragen, deren Regelung im Interesse einer reibungslosen Anwendung der mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften notwendig erschien, entschieden worden. Außer der bereits oben erwähnten Streichung der besonderen Bestimmung über die Schweigepflicht durch Veränderung des § 76 I I S. 5 (§ 40 I Nr. 1) ist unter Nr. 2 durch Aufhebung des § 76 I I I S. 2 die Bestimmung über die Zahl der in einem Wahlvorschlag aufzunehmenden Bewerber aufgehoben worden, weil die Vorschrift in der Praxis zu Schwierigkeiten und zu Nachteilen für die in den Betrieben vorhandenen Minderheiten geführt hat (Reg.Begr. zu § 40 E G ) . Heftig umstritten war die in Nr. 3 erfolgte Neufassung des § 76 I V S. 1 BetrVerfG. In der Fassung des Reg.-Entwurfes sollten zwei Streitfragen zum geltenden Recht im Sinne der jeweils im Schrifttum herrschenden Auffassung geregelt werden, nämlich, ob zum Konzern nur die unter einheitlicher Leitung stehenden Unternehmen oder auch 485
§ 96 Anm. 4
Verfassung der Aktiengesellschaft
schlicht abhängige Unternehmen rechnen, und ob die Arbeitnehmer der abhängigen Konzernunternehmen nur das aktive Wahlrecht haben oder auch passiv wählbar sind. Der Ausschuß für Arbeit und der Wirtschaftsausschuß haben den Regierungentwurf gebilligt. Sie waren der Auffassung, daß es der Rechtsklarheit diene und sachgerecht sei, den Arbeitnehmern der abhängigen Konzernunternehmen auch das uneingeschränkte passive Wahlrecht einzuräumen. Hingegen hat der Rechtsaussdiuß vorgeschlagen, nur die Frage des maßgebenden Konzernbegriffs durch Verweisung auf § 18 I S . 1 und 2 des Aktiengesetzes zu klären, es im übrigen aber bei der bisherigen Fassung zu belassen. Das Plenum des Bundestages ist diesem Vorschlag gefolgt. Bei der Beratung im Rechtsaussdiuß wurde die Auffassung vertreten, daß die Gewährung des uneingeschränkten passiven Wahlrechts für die Arbeitnehmer aller Konzernunternehmen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens der Sache nach erheblich einschränke. Diese Einschränkung sei vielleicht gerechtfertigt, wenn zwischen dem herrschenden und dem abhängigen Konzernunternehmen ein Beherrschungsvertrag bestehe oder wenn die abhängigen in das herrschende Unternehmen eingegliedert seien (§§ 291 ff., 319 ff.), hingegen sei zweifelhaft, ob sie auch im faktischen Konzernverhältnis berechtigt sei. Möglicherweise treffe daher die Rechtsprechung des Bundesgerichts das Richtige, nachdem der erste Platz im Aufsichtsrat einem Arbeitnehmer des herrschenden und der zweite einem Arbeitnehmer des abhängigen Unternehmens zustehe. Jedenfalls solle das Gesetz aus seiner Grundhaltung heraus, das Mitbestimmungsrecht nicht zu ändern, die Frage weiter der Entwicklung von Rechtsprechung und Schrifttum überlassen (Ausschlußbericht zu § 40 EG). Durch die Einfügung eines neuen § 77 a nach § 40 Nr. 6 EG wird die bisher strittige Frage, ob bei der Ermittlung der in § 76 VI und § 77 BetrVG bestimmten Mindestzahlen die Arbeitnehmer abhängiger Gesellschaften zu berücksichtigen sind, auf einer mittleren Linie entschieden. Die Berücksichtigung findet nur statt, wenn das abhängige Unternehmen durch einen Beherrsdiungsvertrag (§ 291) mit dem herrschenden Unternehmen verbunden oder in dieses eingegliedert ist (§ 319). In allen anderen Fällen der Abhängigkeit kommt es dagegen allein auf die Zahl der Arbeitnehmer der herrschenden Gesellschaft an. Ziff. 7 hebt mit der Streichung der Verweisung auf § 46 II S. 5 die besondere Strafbarkeit der Verletzung der Schweigepflicht auf. Diese ist ebenso wie die Anordnung der Schweigepflicht nicht gesondert notwendig, da künftig die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wie alle anderen Aufsichtsratsmitglieder nach § 404 I Nr. 1 sich strafbar machen, wenn sie die Schweigepflicht verletzen. Die Neufassung des § 82 I o BetrVG war notwendig, weil die Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften a. A., Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bergrechtliche Gewerkschaften und Versidierungsver486
Zusammensetzung des Aufsiditsrats
§ 96
Anm. 4,5
eine auf Gegenseitigkeit herausgenommen werden mußten, weil für sie die neue Bestimmung des § 98 des neuen Aktiengesetzes gilt (vgl. § 27 und 37 EG). Die durch Ziff. 9 in § 851 BetrVG vorgenommene Streichung war deshalb möglich, weil die Vorschriften des neuen Gesetzes über die Aufsichtsräte mit den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über die Beteiligung von Arbeitnehmern in den Aufsichtsräten so in Einklang gebracht wurde, daß sich diese Vorschriften nicht mehr widersprechen. 2. Zusammensetzung nach dem Mitbestimmungsgesetz Anm. 5: Nach § 1 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaues und der eisen- und stahlerzeugenden Industrie werden von diesem Gesetz erfaßt: Unternehmen des Bergbaus oder der eisen- und stahlerzeugenden Industrie, soweit sie in der Regel mehr als tausend Arbeitnehmer beschäftigen oder „Einheitsgesellschaften" im Sinne des Gesetzes N r . 27 der Alliierten Hohen Kommission sind. Nach § 2 MitbestG finden auf diese Unternehmen die Vorschriften des Aktiengesetzes insoweit keine Anwendung, als sie den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes widersprechen. Nach § 4 MitbestG besteht der Aufsichtsrat aus 11 Mitgliedern; er setzt sich zusammen aus a) 4 Vertretern der Anteilseigner und einem weiteren Mitglied, b) 4 Vertretern der Arbeitnehmer und einem weiteren Mitglied, c) einem weiteren Mitglied. Die unter a) genannten 5 Mitglieder werden nach § 5 MitbestG von der Hauptversammlung, die unter b) genannten 5 Mitglieder werden nach § 6 MitbestG vom Betriebsrat und den Spitzenorganisationen der in den Betrieben des Unternehmens vertretenen Gewerkschaft der Hauptversammlung vorgeschlagen. Diese ist an die Wahlvorschläge gebunden. Das 11. Mitglied wird von den 10 vorhandenen Aufsichtsratsmitgliedern der Hauptversammlung zur Wahl vorgeschlagen. Der Vorschlag wird mit Mehrheit aller Stimmen beschlossen. Er bedarf jedoch der Zustimmung von mindestens je drei Mitgliedern, die als Aktionärsvertreter und als Arbeitnehmervertreter gewählt sind. Kommt ein Vorschlag nicht zustande oder wird die vorgeschlagene Person nicht gewählt, so ist ein Vermittlungsausschuß zu bilden, der nach einem besonderen Verfahren, § 8 III und IV MitbestG vorzugehen hat. Nach § 9 MitbestG kann die Satzung bei Gesellschaften mit einem Nennkapital von mehr als 20 Millionen DM einen Aufsichtsrat von 15 Mitgliedern und bei Gesellschaften mit einem Nennkapital von mehr als 50 Millionen einen Auf sichtsrat von 21 Mitgliedern vorschreiben. Die Aufteilung der Sitze für Aktionärvertreter, Arbeitnehmervertreter und weitere Mitglieder entspricht der im § 4 vorgesehenen für 11 Mitglieder. 487
§ 96 Anm. 5,6
Verfassung der Aktiengesellschaft
Durch § 40 II EG wird § 5 S. 2 MitbestG aufgehoben. Diese Bestimmung besagt, daß im Falle der Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 88 des Aktiengesetzes 1937 deren Gesamtzahl V3 der Vertreter der Anteilseigner nicht übersteigen darf. Die Bestimmung ist dadurch überflüssig geworden, weil sie im neuen Gesetz im § 101 II letzter Satz enthalten ist. 3. Zusammensetzung nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz Anm. 6: Dieses Gesetz, auch Holding-Novelle genannt, regelt die Zusammensetzung der Aufsichtsräte bei den Obergesellschaften im Montanbereich. Nach § 5 MitbestErgG besteht der Aufsichtsrat aus 15 Mitgliedern, und zwar aus 7 Vertretern der Aktionäre, 7 Vertretern der Arbeitnehmer und einem weiteren Mitglied. Nach § 12 MitbestErgG kann bei Unternehmen mit einem Kapital von mehr als 50 Millionen DM die Satzung bestimmen, daß der Aufsichtsrat aus 21 Mitgliedern besteht. Für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates gilt § 5 MitbestErgG entsprechend. Im übrigen sind die Bestimmungen dieses Gesetzes weitestgehend denen des Mitbestimmungsgesetzes vom 21. 5. 1951 angepaßt. Im einzelnen wird auf die Kommentare dieser Gesetze verwiesen. Nach § 40 III Nr. 1 EG erfolgt die Neufassung des Paragraphen, abgesehen von einer geringfügigen sprachlichen Änderung und Weglassung einer Verweisung deshalb, weil klargestellt werden soll, daß nach der schärferen Formulierung des neuen Gesetzes in den §§17 und 18 unter dem Begriff Konzernunternehmen nunmehr auch abhängige Unternehmen zu verstehen sind. § 40 III Nr. 2 EG bestimmt deshalb, daß in § 4 III und V MitbestErgG jeweils die Worte „und abhängige Unternehmen" einzufügen sind. Es geschieht aus gleichem Grund wie die Änderung in Nr. 1 des § 40 III EG. § 40 III Nr. 3 EG streicht den § 9 MitbestErgG als überflüssig, er definierte den Begriff Konzernunternehmen als das herrschende Unternehmen und die unter einer einheitlichen Leitung zusammengefaßten Unternehmen. Da §§ 3 und 4 des MitbestErgG nunmehr von „Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen" sprechen, während §§ 6—8 MitbestErgG, die bisher nur das Wort Konzernunternehmen verwenden, ergibt sich bereits aus dieser Gegenüberstellung, daß unter Konzernunternehmen im Sinne dieser Bestimmungen nur Konzernunternehmen (§ 18) und nicht auch nur abhängige Unternehmen (§ 17) zu verstehen sind. §40 III Nr. 4 EG paßt den § 16 MitbestErgG den Bestimmungen des neuen Aktiengesetzes an. Wann bei einer Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrates die Satzungsbestimmungen außer Kraft treten und die bisherigen Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt verlieren, bestimmt sich nunmehr nach § 97 II und § 98 IV. 488
Zusammensetzung des Aufsiditsrats
§96 Anm. 7,8
4. Zusammensetzung nur aus Mitgliedern der Aktionäre Anm. 7: Bei Gesellschaften, die nicht unter die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, des Mitbestimmungsgesetzes oder des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes fallen, besteht der Aufsichtsrat nur aus Mitgliedern der Aktionäre. Darüber, welche Gesellschaften dies sind, vgl. Anm. 3. III. Ordnungsmäßigkeit des Aufsiditsrats Anm. 8: Aus dem Zweck des Abs. 2, dem Aufsichtsrat eine sichere Rechtsgrundlage zu geben, folgt, daß ein Aufsichtsrat, der nach einer der vier Möglichkeiten des Abs. 1 zusammengesetzt ist, so lange aktionsfähig bleibt, bis nach § 97 infolge einer unangefochten gebliebenen Bekanntmachung oder nach rechtskräftiger Entscheidung gemäß § 98 feststeht, nach welchen gesetzlichen Vorschriften er künftig zusammengesetzt sein soll. Selbst wenn nach §§ 97 und 98 feststeht, daß der Aufsichtsrat eine andere Zusammensetzung haben muß, verliert der bisherige Aufsichtsrat nicht seine Beschlußfähigkeit, vielmehr erlösdien die Ämter der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erst mit der Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf der Anrufungsfrist bzw. der Rechtskraft der Entscheidung des Gerichtes einberufen wird, spätestens 6 Monate nach diesem Zeitpunkt. Das hat zur Folge, daß bis dahin der Aufsichtsrat, obwohl er objektiv falsch zusammengesetzt ist, voll wirksam tätig sein kann. Die Gültigkeit seiner Beschlüsse steht außer Zweifel. Auch die Bestimmungen der Satzung über die Zusammensetzung des A u f siditsrats, die den gesetzlich anzuwendenden Vorschriften entgegenstehen, treten erst mit dem gleichen Zeitpunkt außer Kraft. Von da ab besteht dann allerdings der Aufsichtsrat nach § 95 I nur noch aus drei Mitgliedern, wenn nicht inzwischen die Satzungen geändert und ein neuer Aufsichtsrat nach den f ü r gültig erklärten gesetzlichen Bestimmungen bestellt wurde. Auch wenn in der Zwischenzeit ein neues Aufsichtsratsmitglied zu bestellen ist, so geschieht dies nach den alten Bestimmungen. Ist der neue Aufsichtsrat entgegen den nunmehr feststehenden Vorschriften zusammengesetzt, so ist die Wahl der Mitglieder, soweit sie durch die Hauptversammlung erfolgte, nichtig (§ 250 I N r . 1). Ist auch die Satzung unrichtig, d. h. nicht den Vorschriften entsprechend geändert worden, so ist auch diese Bestimmung nichtig, mit der Folge, daß der Aufsichtsrat nach § 95 aus nur 3 Mitgliedern besteht. Sah die nichtige Satzungsbestimmung 9 Mitglieder vor, so gehörten 3 Arbeitnehmervertreter dem Aufsichtsrat an. Deren Wahl ist aber — da sie nicht durch die Hauptversammlung erfolgte — voll gültig. Hieraus ergibt sich, d a ß f ü r den Fall, d a ß die Satzungsbestimmung und die Zusammensetzung nicht den d a f ü r geltenden Bestimmungen entspricht, ein Aufsichtsrat allein aus Arbeitnehmervertreter bestehen kann, der mit 3 Mitgliedern voll (§ 95) besetzt ist und nach § 108 auch voll aktionsund beschlußfähig ist. 489
§§ 9 6 / 9 7
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 8 Ist die Satzungsbestimmung gültig und lediglich durch die Wahl die Zusammensetzung unrichtig, so ist die Wahl zwar ebenfalls nichtig (§ 250 I Nr. 1), jedoch hat der Aufsichtsrat aus so vielen Mitgliedern zu bestehen, wie sich aus der Satzung ergibt, so daß der Aufsichtsrat nur beschlußfähig wird, wenn die Hälfte dieser Mitglieder vorhanden ist.
§ 97 Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Ist der Vorstand der Ansicht, daß der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist, so hat er dies unverzüglich in den Gesellschaftsblättern und gleichzeitig durch Aushang in sämtlichen Betrieben der Gesellschaft und ihrer Konzernunternehmen bekanntzumachen. In der Bekanntmachung sind die nach Ansicht des Vorstandes maßgebenden gesetzlichen Vorschriften anzugeben. Es ist darauf hinzuweisen, daß der Aufsichtsrat nach diesen Vorschriften zusammengesetzt wird, wenn nicht Antragsberechtigte nach § 98 Abs. 2 innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger das nach § 98 Abs. 1 zuständige Gericht anrufen. (2) Wird das nach § 98 Abs. 1 zuständige Gericht nicht innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger angerufen, so ist der neue Aufsichtsrat nach den in der Bekanntmachung des Vorstands angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen. Die Bestimmungen der Satzung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, über die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder sowie über die Wahl, Abberufung und Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern treten mit der Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf der Anrufungsfrist einberufen wird, spätestens sechs Monate nach Ablauf dieser Frist insoweit außer Kraft, als sie den nunmehr anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften widersprechen. Mit demselben Zeitpunkt erlischt das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder. Eine Hauptversammlung, die innerhalb der Frist von sechs Monaten stattfindet, kann an Stelle der außer Kraft tretenden Satzungsbestimmungen mit einfacher Stimmenmehrheit neue Satzungsbestimmungen beschließen. (3) Solange ein gerichtliches Verfahren nach §§ 98, 99 anhängig ist, kann eine Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht erfolgen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Die Bekanntmachung (Anm. 2) III. Wirkung
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1. der unangefochtenen Bekanntmachung (Anm. 3) 2. der Anrufung des Gerichts (Anm. 4)
Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§ 97
Anm. 1,2
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist neu und regelt, was zu geschehen hat, wenn die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach § 96 I zu ändern ist und alle Beteiligten sich darüber einig sind, welche Rechtsvorschriften auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats anzuwenden sind. Praktisch bedeutet dies, daß der Vorstand, wenn er der Ansicht ist, daß der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen zusammengesetzt ist, sich mit dem Aufsichtsrat und Betriebsrat in Verbindung setzt, um zu hören, ob diese seiner Ansicht zustimmen. Tun sie dies, so wird er in aller Regel das Verfahren nach § 97 in Gang setzen. Ergibt sich aber, daß streitig oder ungewiß ist, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, so kann er auch von sich aus bereits das gerichtliche Verfahren nach § 98 in Gang setzen, denn er muß mit einiger Sicherheit rechnen, daß er mit dem Verfahren nach § 97 nicht durchkommt. Es bleibt ihm aber grundsätzlich unbenommen, welches Verfahren er einleiten will. Das Verfahren nach § 97 kann ohne Mitwirkung des Gerichtes durchgeführt werden. Es ist aber jederzeit die Anrufung des Gerichtes nach § 98 möglich. Alle die nach § 98 zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens Antragsberechtigten können auch in einem Verfahren nach § 97 innerhalb eines Monats nach der in § 97 vorgeschriebenen Bekanntmachung das Gericht anrufen. Hierbei kommt es nicht etwa darauf an, ob der Antragsteller vorher dem Inhalt der Bekanntmachung zugestimmt hat. Durch die Zustimmung verliert er nicht sein Recht, das Gericht anzurufen (§ 98). Es ist durchaus denkbar, daß der Betriebsrat seine Ansicht ändert oder, daß von dem Aufsichtsrat, der zugestimmt hat, ein einzelnes Mitglied einen solchen Antrag stellt. Auch der Vorstand selbst kann seine Ansicht ändern und einen solchen Antrag nachträglich noch stellen. Für die Bestellung des ersten Aufsichtsrats durch die Gründer gelten die besonderen Bestimmungen der §§ 30 und 31. Nach § 30 I I ist der erste Aufsichtsrat grundsätzlich ohne Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu bilden. Nur wenn es sich um eine Sachgründung handelt und ein Unternehmen oder Unternehmensteil eingebracht wird, hat der Vorstand unverzüglich nach der Einbringung bekanntzumachen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften nach seiner Ansicht der Aufsichtsrat zusammengesetzt sein muß; die § 96—99 gelten sinngemäß (§ 31 III). II. Die Bekanntmachung Anm. 2: Nur der Vorstand ist zur Bekanntmachung aktiv legitimiert. Er wird sich aber mit den übrigen Beteiligten, soweit sie ohne weiteres erreichbar sind, in Verbindung setzen, d. h. also in erster Linie mit dem Aufsichtsrat und den Betriebsräten der Betriebe der Gesellschaft. Letztere werden sich gegebenenfalls mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, die nach 491
§ 97
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anra. 2
den gesetzlichen Vorschriften ein Vorschlags- oder Entsendungsrecht haben, in Verbindung setzen. Selbstverständlich kann dies auch unmittelbar der Vorstand tun. Wenn diese Beteiligten einig sind, ist anzunehmen, daß eine Bekanntmachung zum Ziele führt, obwohl auch dann noch immer offenbleibt, ob nicht ein Aktionär oder die nach § 98 II Nr. 6 vorgesehene Zahl von Arbeitnehmern das Gericht anrufen. Eine an sich selbstverständliche, aber vom Gesetz noch einmal klargestellte Voraussetzung ist, daß der Vorstand der Ansicht ist, daß der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob alle Vorstandsmitglieder diese Ansicht teilen, vielmehr muß ein entsprechender Beschluß des Vorstandes dies festgestellt haben. Welche Mehrheiten dafür erforderlich sind, ergeben sich u. U. aus der Satzung oder der Geschäftsordnung. Ist dort nichts bestimmt, so ist nach § 77 Einstimmigkeit erforderlich. Kommt ein solcher Beschluß nicht zustande, so kann ein überstimmtes Vorstandsmitglied auch nicht das Gericht nach § 98 anrufen, da nach § 98 II Nr. 1 nur „der Vorstand" als Gremium, nicht aber das einzelne Mitglied antragsberechtigt ist (anders beim Aufsichtsrat § 98 II Nr. 2). Kommt ein solcher Beschluß zustande, so hat im folgenden nicht mehr der Vorstand als Gremium, sondern mit so viel Mitgliedern zu handeln, als zur Vertretung nach außen vorgeschrieben ist. Die Bekanntmachung, daß die Zusammensetzung des Aufsichtsrats geändert werden soll, hat auf zweierlei Weise zu erfolgen. Einmal durch Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern und gleichzeitig durch Aushang in sämtlichen Betrieben der Gesellschaft und ihrer Konzernunternehmen. Was unter letzteren zu verstehen ist kann zweifelhaft sein. Nach § 18 I sind alle unter einer einheitlichen Leitung zusammengefaßten Unternehmen untereinander Konzernunternehmen. Daraus könnte man folgern, daß, wenn die Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats einer Tochtergesellschaft im Konzern notwendig geworden ist, sämtliche Konzernunternehmen, also auch die anderen Töchter und die Konzernspitze mit ihren Betrieben beim Aushang zu berücksichtigen ist. Das kann aber nicht der Sinn der Bestimmung sein, die Eingrenzung liegt im Wort „ihrer". Nur die Konzernunternehmen sind zu berücksichtigen, die nach irgendeiner der gesetzlichen Bestimmungen — nicht nur nach der, die nach Ansicht des Vorstandes anzuwenden ist — rechtliches Interesse an der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, um den es sich handelt, haben können. Das können nur Konzernunternehmen sein, die unter der Leitung der Gesellschaft stehen. Nur bei diesen hat der Vorstand der Gesellschaft überhaupt die Möglichkeit, einen Aushang in den Betrieben zu veranlassen. Der Aushang braucht deshalb weder in den Betrieben der Muttergesellschaft noch in denen von Schwestergesellschaften zu erfolgen. 492
Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§ 97 Anm. 2 , 3
D e r I n h a l t der Bekanntmachung besteht nicht lediglich in der Feststellung, d a ß nach Ansicht des Vorstandes der Aufsichtsrat nicht nach den f ü r ihn maßgebenden Vorschriften zusammengesetzt ist, sondern es ist weiterhin mitzuteilen, nach welchen Vorschriften nach Ansicht des Vorstandes die Z u sammensetzung zu erfolgen h a t u n d weiterhin ist in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, d a ß der Aufsichtsrat nach diesen Vorschriften zusammengesetzt w i r d , w e n n nicht Antragsberechtigte nach § 98 I I innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger das zuständige Gericht a n r u f e n . Es erhebt sich zunächst die Frage, ob die nach § 98 I I A n t r a g s berechtigten in der Bekanntmachung genannt werden müssen, oder ob eine Verweisung auf die gesetzliche Bestimmung genügt. W i r sind der Ansicht, d a ß letzteres der Fall ist. Anderenfalls bliebe gar nichts anderes übrig, als die gesetzliche Bestimmung in der Veröffentlichung abzuschreiben, denn es ist nicht Sache des Vorstandes, zu entscheiden, ob die Voraussetzungen f ü r die Berechtigung eines Antrags vorliegen. Die unter N r . 5 — 7 G e n a n n t e n sind aber nur unter gewissen Voraussetzungen antragsberechtigt. W ü r d e der V o r stand sie bei der Bekanntmachung zu Unrecht weglassen, so w ä r e die Bekanntmachung unwirksam. W i r sind deshalb der Auffassung, d a ß es genügt, w e n n es in der Bekanntmachung heißt, d a ß der Aufsichtsrat nach den angegebenen Vorschriften zusammengesetzt wird, „wenn nicht Antragsberechtigte nach § 98 I I Aktiengesetz innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger A n t r a g auf gerichtliche Entscheidung beim Landgericht X stellen". Die Angabe des nach § 98 I zuständigen Gerichts halten w i r allerdings f ü r erforderlich. Auf der einen Seite k a n n der Gesellschaft durch diese Bekanntmachung kein Nachteil entstehen, auf der anderen Seite ist es f ü r den Antragsberechtigten vielleicht nicht immer klar, welches das zuständige Landgericht ist. Eine vernünftige A n w e n d u n g der Vorschriften gebietet deshalb insoweit die A u f n a h m e in die Bekanntmachung, andererseits w i r d diese nicht unwirksam, w e n n sie etwa auch in diesem P u n k t nur eine Verweisung auf § 98 enthält.
III. Wirkung 1. der unangefochtenen
Bekanntmachung
Anm. 3: W i r d das Gericht nicht angerufen, so treten nach Ablauf der M o natsfrist folgende Wirkungen der Bekanntmachung ein: Zunächst einmal treten die Satzungen insoweit außer K r a f t , als sie den gesetzlichen Bestimmungen, die nach Ansicht des Vorstandes n u n m e h r a n z u wenden sind, widersprechen. D a s k a n n sich einmal auf Bestimmungen beziehen, die die Zusammensetzung des Aufsichtsrats beinhalten, aber auch über die Z a h l der Aufsichtsratsmitglieder sowie auf die Wahl, A b b e r u f u n g u n d Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern. Dieses A u ß e r k r a f t t r e t e n der 493
§ 97 Anm. 3 , 4
Verfassung der Aktiengesellschaft
Satzungsbestimmungen erfolgt aber nicht sofort mit dem Wirksamwerden der Bekanntmachung, sondern erst in der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf der Anrufungsfrist, d. h. also nach dem Wirksamwerden der Bekanntmachung, einberufen wird, spätestens allerdings 6 Monate nach Ablauf der Frist, d. h. nach dem Wirksamwerden der Bekanntmachung. Mit demselben Zeitpunkt, also in der Regel mit Beendigung der ersten Hauptversammlung nach Wirksamwerden der Bekanntmachung, erlischt das Amt aller bisherigen Aufsichtsratsmitglieder. Eine Hauptversammlung, die innerhalb der Frist von 6 Monaten nach dem Wirksamwerden der Bekanntmachung stattfindet, also vor dem Zeitpunkt, in dem spätestens die entgegenstehenden Satzungsbestimmungen außer Kraft treten und das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erlischt, kann mit einfacher Stimmenmehrheit neue Satzungsbestimmungen beschließen, auch wenn die Satzung etwas anderes bestimmt. Durch diese Erleichterung der gesetzlichen Bestimmungen für Satzungsänderungen soll die Anpassung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats an die Rechtslage vereinfacht werden, es ist deshalb nicht zulässig, durch die Satzung diese vom Gesetz geschaffene Vereinfachung zu verhindern. Findet während der ersten 6 Monate nach dem Wirksamwerden der Bekanntmachung — das sind 7 Monate nach der Ausgabe des Bundesanzeigers, in dem sich die Bekanntmachung befindet — keine Hauptversammlung statt oder beschließt diese nicht die Satzungsänderung und wählt nicht einen neuen Aufsichtsrat nach diesen Bestimmungen, so ist die Gesellschaft nicht ohne Aufsichtsrat, wohl aber gilt allein die gesetzliche Bestimmung des § 95 (s. im einzelnen die Anm. dort). Wird der neue Aufsichtsrat entgegen den nunmehr feststehenden Vorschriften zusammengesetzt, so ist seine Wahl nichtig, soweit sie auf Hauptversammlungsbeschluß beruht (§ 250 I Nr. 1) vgl. im einzelnen § 96 Anm. 7). Anm. 7). 2. der Anrufung des Gerichts Anm. 4: Wird das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, innerhalb eines Monats vom Ausgabetag des Bundesanzeigers an gerechnet, der die Bekanntmachung nach Abs. 1 enthält, von einem der nach § 98 II Antragsberechtigten angerufen, so ist nach §§ 98, 99 das gerichtliche Verfahren durchzuführen (vgl. im einzelnen dort). Die Bekanntmachung hat keine Bedeutung mehr, maßgebend ist allein die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung. Bis diese ergeht, ist der Aufsichtsrat in seiner bisherigen Zusamnensetzung voll aktionsfähig. Er kann wirksame Beschlüsse fassen. Sollte inzwischen die Wahl eines neuen Aufsichtsratsmitglieds notwendig werden, so hat sie nach den bisher für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats angewandten gesetzlichen Vorschriften zu erfolgen. Das gilt auch, wenn das Ge494
Gerichtlidie Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§§ 97 / 98
Anm. 4
rieht etwa von sich aus ein Aufsichtsratsmitglied zu bestellen hat (vgl. § 96 II). Solange das gerichtliche Verfahren läuft, kann durch den Vorstand nicht eine Bekanntmachung nach § 97 erfolgen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob dem Verfahren eine Bekanntmachung vorangegangen ist oder das Gericht ohne eine solche direkt angerufen worden ist (vgl. Anm. 1).
§ 98 Gerichtlidie Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Ist streitig oder ungewiß, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, so entscheidet darüber auf Antrag ausschließlich das Landgericht (Zivilkammer), in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Die Landesregierung kann die Entscheidung durch Reditsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte einem der Landgerichte übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen. (2) Antragsberechtigt sind der Vorstand, jedes Aufsichtsratsmitglied, jeder Aktionär, der Betriebsrat jedes Betriebs der Gesellschaft, der Betriebsrat jedes anderen Betriebs, dessen Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, selbst oder durch Wahlmännern an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, 6. mindestens ein Zehntel oder einhundert der Arbeitnehmer, die nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, 7. Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, die nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, ein Vorschlags- oder Entsendungsrecht hätten.
1. 2. 3. 4. 5.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn streitig ist, ob der Abschlußprüfer das nach § 3 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes maßgebliche Umsatzverhältnis richtig ermittelt hat. (4) Entspricht die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht der geriditlidien Entscheidung, so ist der neue Aufsichtsrat nach den in der Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen. § 97 Abs. 2 495
§ 98
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 1 gilt sinngemäß mit der Maßgabe, daß die Frist von sechs Monaten mit dem Eintritt der Rechtskraft beginnt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Antragsberechtigte 1. in allen Fällen (Anm. 2) 2. unter bestimmten Voraussetzungen (Anm. 3)
III. Antragsvoraussetzungen (Anm. 4) IV. Zuständigkeit (Anm. 5) V. Inhalt und Folgen der gerichtlichen Entscheidung (Anm. 6)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist neu (siehe auch § 96 Anm. 1). Ergeben die vom Vorstand zu führenden Vorbesprechungen mit dem Aufsichtsrat und den Betriebsräten der Gesellschaft, daß eine Einigung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht zu erzielen ist, oder ist es — auch für den Vorstand — ungewiß, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, so hat in erster Linie der Vorstand die Pflicht, ein Verfahren nach der vorliegenden Bestimmung in Gang zu setzen. Er muß also mindestens Bedenken haben, ob der bestehende Aufsichtsrat nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist. Werden dem Vorstand Bedenken gegen die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Aufsichtsrats vorgetragen, diese aber von der nach Gesetz, Satzung oder Geschäftsordnung maßgebenden Mehrheit des Vorstandes nicht geteilt, und ist diese Mehrheit ihrer Sache so sicher, daß sie es nicht einmal für ungewiß hält, nach welchen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, so haben die Vorstandsmitglieder, die Bedenken geäußert haben, keine Möglichkeit, von sich aus einen Antrag zu stellen, denn soweit es den Vorstand angeht, ist nur dieser selbst, nicht jedes Vorstandsmitglied, antragsberechtigt. Daß in der Praxis jedes Vorstandsmitglied die Möglichkeit hat, einen nach Abs. 2 Antragsberechtigten zu einem solchen Antrag zu veranlassen, ist eine andere Frage. Antragsberechtigt sind 2 Gruppen, einmal die stets an der Zusammensetzung des Aufsichtsrats Interessierten, das ist der Vorstand, jedes Aufsichtsratmitglied, jeder Aktionär und der Betriebsrat jedes Betriebes der Gesellschaft, und eine weitere Gruppe, die nur dann antragsberechtigt ist, wenn sie nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates in irgendeiner Form mitzuwirken haben. Das sind der Betriebsrat jedes anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, mindestens ein Zehntel oder einhundert Arbeitnehmer, die selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl teilnehmen und Spitzenorganisationen der Gewerkschaft, die ein Vorschlagsoder Entsendungsrecht haben. 496
Gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§ 98
Anm. 2
II. Antragsbereditigte 1. in allen Fällen Anm. 2: Der Vorstand ist in allen Fällen antragsberechtigt, und zwar als Gremium, nicht als einzelnes Mitglied, es ist mithin ein Beschluß erforderlich. Ergibt sich, daß Streit oder Ungewißheit über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats besteht, so hat der Vorstand, wenn audi er zu der Ansicht gelangt, daß der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist, die Wahl, ob er nach § 97 oder nach § 98 vorgehen will; tätig werden muß er dann immer, da sonst eine Haftung eintreten kann (§ 93). Kann eine Verständigung mit den Beteiligten (Abs. 2) darüber, welche gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung zu kommen haben, erzielt werden, so wird er zweckmäßigerweise nach § 97 vorgehen. Ist eine solche Verständigung nicht zu erzielen, so muß er den Antrag nach § 98 stellen. Kommt der Vorstand aber zu dem Ergebnis, daß der Aufsichtsrat ordnungsgemäß zusammengesetzt ist, so hat er weder nach § 97 nodi nach § 98 zu handeln. Er kann es vielmehr demjenigen, der die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Aufsichtsrats bestreitet, überlassen, den Antrag zu stellen. Ist der Betreffende nicht antragsberechtigt, so geschieht nichts. Der Vorstand kann allerdings seine Sorgfaltspflicht verletzen, wenn er das Vorbringen des nicht Antragsberechtigten nicht hinreichend geprüft oder unter Verletzung seiner Sorgfaltspflicht falsch entschieden hat (§ 93). Der Aufsichtsrat als Gremium ist nicht antragsberechtigt. Inwieweit er berechtigt ist, den Vorstand zu veranlassen, einen Antrag zu stellen, kann dahingestellt bleiben, denn jedes Aufsichtsratsmitglied kann von sich aus einen Antrag stellen. Es muß es auch, wenn es erkennt, daß der Aufsichtsrat nicht ordnungsgemäß zusammengesetzt ist. Er würde seine Sorgfaltspflicht verletzen, wenn er es unterläßt (§§ 116, 93). Hier kommt es nicht auf einen Beschluß des Aufsichtsrats an, sondern auf die Meinung eines jeden Aufsichtsratsmitglieds, da jeder selbständig handeln kann und muß. Die beiden übrigen Gruppen der jederzeit zur Antragstellung Berechtigten haben niemals die Verpflichtung, den Antrag zu stellen, denn sie tragen keine Verantwortung für die ordnungsmäßige Zusammensetzung der Organe der Gesellschaft. Es ist dies jeder Aktionär und der Betriebsrat jedes Betriebes der Gesellschaft. Sie können jederzeit einen Antrag stellen, wenn die Voraussetzungen vorliegen, d. h. wenn die Zusammensetzung des Aufsichtsrats streitig oder ungewiß ist. Sie müssen es aber nicht. Eine Haftung des Betriebsrats gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebes ist praktisch schwer vorstellbar. Der Aktionär konnte nach AktG 1937 eine fehlerhafte Zusammensetzung des Aufsichtsrats nur dadurch verhindern, daß er die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung nach § 197 AktG 37 anfocht. Das kann er heute nicht mehr, wenn es sich um die Zusammensetzung des Auf497 32
Wilhelmi, Aktiengesetz
§ 98 Anm. 2—4
Verfassung der Aktiengesellschaft
sicntsrats handelt, denn das Verfahren nach § 98 gibt ihm eine andere Möglichkeit und begründet eine ausschließliche Zuständigkeit. Durch dieses Verfahren ist der Aktionär erheblich besser gestellt als bisher, da er nicht mehr an einen Wahlbeschluß und die Anfechtungsfrist gebunden ist, sondern jederzeit sein Recht verfolgen kann. Andererseits bleibt das Anfechtungsrecht f ü r alle Fälle bestehen, indem es sich nicht um die Zusammensetzung handelt, sondern beispielsweise darum, d a ß die Satzung verletzt wurde. Jeder Betriebsrat der Betriebe der Gesellschaft ist antragsberechtigt, auch dann, wenn der Ausnahmefall vorliegen sollte, daß die Gesellschaft nach den f ü r sie geltenden gesetzlichen Bestimmungen einen Aufsichtsrat haben soll, der nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre besteht. D a gerade dies streitig sein wird, müssen alle Betriebsräte in einem solchen Fall das Antragsrecht haben. 2. unter bestimmten Voraussetzungen Anm. 3: Der Betriebsrat eines Betriebes, der nicht ein solcher der Gesellschaft ist, ist nur antragsberechtigt, wenn dessen Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen. Das ist dann der Fall, wenn es sich um einen Konzernbetrieb handelt und die Gesellschaft, deren Aufsichtsrat zur Erörterung steht, die Leitung in diesem Konzern innehat. Die Arbeitnehmer der Gesellschaft selbst sind, abgesehen von dein Ausnahmefall, daß überhaupt keine Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Bestimmungen zu stellen sind, immer an der Wahl selbst oder durch Wahlmänner beteiligt. Es ist aber denkbar, daß darüber hinaus die Arbeitnehmer von abhängigen oder Konzerngesellschaften selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl beteiligt sind. Auch diese haben ein Antragsrecht. Die Spitzenorganisationen der in den Betrieben der Gesellschaft oder ihrer Konzernunternehmen vertretenen Gewerkschaften haben nach § 6 des Mitbest.G ein Vorschlagsrecht, nach § 7 des Mitbest.Erg.G. ein Entsendungsrecht. Ihr Antragsrecht ist mithin davon abhängig, ob die Bestimmungen eines dieser beiden Gesetze f ü r die Zusammensetzung des Aufsichtsrats infrage kommen. Außerhalb des Montanbereichs ist das nicht der Fall. III. Antragsvoraussetzungen Anm. 4: Die Voraussetzung zur A n r u f u n g des Gerichts ist gegeben, wenn die Zusammensetzung des Aufsichtsrates streitig oder ungewiß ist. Man wird sie aber auch dann nicht verneinen können, wenn der Vorstand, ohne daß ein Streit oder eine Ungewißheit besteht, statt das Verfahren nach § 97 das nach § 98 wählt, um eine sichere Rechtsgrundlage f ü r die Zusammensetzung 498
Gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§ 98
Anm. 4,5
des Vorstandes zu haben. Das wird allerdings selten vorkommen, denn wenn wirklich kein Streit besteht, wäre es unsinnig, das Verfahren nach § 98 durchzuführen, da das nach § 97 schneller und einfacher zum Ziele führt. Dennoch könnte ein solcher Antrag nicht zurückgewiesen werden. Weiterhin begründet Abs. 3 die Voraussetzung für einen Antrag über eine Vorfrage, die dafür von Bedeutung ist, ob das Mitbestimmungsergänzungsgesetz für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gilt. Herrschende Unternehmen, bei denen die Voraussetzungen für die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes nicht vorliegen, fallen dann unter die Bestimmungen des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes, wenn der Unternehmenszweck des Konzerns durch Konzernunternehmen gekennzeichnet wird, die unter das Mitbestimmungsgesetz fallen. Der Unternehmenszweck des Konzerns wird durch die unter das Mitbestimmungsgesetz fallenden Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen gekennzeichnet, wenn diese Unternehmen mehr als die Hälfte der Umsätze sämtlicher Konzernunternehmen ausmachen. Diese Frage ist vom Abschlußprüfer festzustellen. Ist streitig, ob seine Ermittlungen richtig sind, so kann auch allein wegen dieser Frage das Gericht angerufen werden. Das Verfahren und damit die Ermittlungen des Gerichtes werden hier also auf eine Einzelfrage beschränkt, wenn die Beteiligten sich darüber einig sind, daß allein diese Frage dafür maßgebend ist, ob das Mitbestimmungsergänzungsgesetz Anwendung findet. Eine Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats kann sich dann ergeben, wenn der Abschlußprüfer in zwei aufeinanderfolgenden Jahren feststellt, daß sich der Unternehmenszweck des Konzerns durch die Art der Umsätze der Konzernunternehmen verändert hat (§16 Mitbest.Erg.G). Das Gericht kann nach Abs. 3 aber schon bei Vorliegen eines Berichts angerufen werden, da das Interesse an gerichtlicher Nachprüfung des Berichts für jedes Geschäftsjahr besteht; es muß deshalb nicht auch der zweite Bericht abgewartet werden. Die gerichtliche Nachprüfung erstreckt sich auf den gesamten Bericht, auch auf die tatsächlichen Feststellungen des Abschlußprüfers. H a t die vom Antragsteller behauptete Unrichtigkeit jedoch keinerlei Einfluß auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, so fehlt dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis. Sind andere Fragen über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats aus dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz streitig oder ungewiß, so richtet sich das nicht nach Abs. 3. Vielmehr kann nach Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 das Gericht angerufen werden. IV. Zuständigkeit Anm. 5: Das Gesetz bestimmt eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts für den Antrag, örtlich zuständig ist in erster Linie das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Ursprünglich sollte, wenn bei diesem Landgericht eine Kammer für Handelssachen eingerichtet ist, diese 32*
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§ 98
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 5,6 zuständig sein. Die Bestimmung ist jedoch in den Ausschüssen geändert worden. Es ist stets die Zivilkammer zuständig, und zwar einmal deshalb, weil es sich bei der hier in Frage stehenden Materie nicht in erster Linie um kaufmännische Fragen handelt. Vor allem aber spielt ein politisches Motiv bei der Entscheidung eine Rolle. Es liegt bis zu einem gewissen Grade in der Natur der Sache, daß die Beisitzer bei der Kammer für Handelssachen Arbeitgeber sind. Nach Ansicht der Ausschüsse könnte sich daraus eine einseitige Zusammensetzung der Kammer für Handelssachen ergeben. Mit der ausschließlichen Zuständigkeit wird eine Einheitlichkeit geschaffen, die nach dem bisherigen Recht nicht bestand. Nach § 82 II Betr.Verf.G. waren bisher die Arbeitsgerichte für die Entscheidung über die Notwendigkeit, Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat zu wählen, zuständig. Das galt nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nur für den Fall, daß der Antragsteller behauptet, die Arbeitnehmer seien nach dem Betriebsverfassungsgesetz zu beteiligen. Die Arbeitsgerichte konnten dagegen in diesem Verfahren nicht entscheiden, ob der Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz oder nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz zusammenzusetzen sei. Über die Frage, ob eine Wahl nichtig oder anfechtbar war, hatten teils die ordentdentlichen Gerichte, teils die Arbeitsgerichte zu entscheiden. Die nach der vorliegenden Bestimmung gegebene ausschließliche Zuständigkeit beseitigt diese Zersplitterung. Da Verfahren nach § 98 verhältnismäßig selten vorkommen und die dabei auftauchenden sachlichen und rechtlichen Probleme nicht einfach liegen, erscheint es erwünscht, daß für die Bezirke mehrerer Landgerichte ein Landgericht für zuständig erklärt wird, damit eine einheitliche Rechtsprechung gesichert ist. Die Landesregierungen werden deshalb ermächtigt, eine dementsprechende Rechtsverordnung zu erlassen. Sie können ihre Ermächtigung auf die jeweilige Landesjustizverwaltung übertragen. V. Inhalt und Folgen der gerichtlichen Entscheidung Anm. 6: Die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtes hat zur Folge, daß in keinem anderen Verfahren, für dessen Entscheidung es erheblich ist, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, über diese Frage entschieden werden kann. Es ist vielmehr bis zu einer Entscheidung des nach § 98 zuständigen Gerichts davon auszugehen, daß der Aufsichtsrat ordnungsgemäß zusammengesetzt ist, wenn seine Zusammensetzung dem bisher angewandten Verfahren entspricht (§ 96 II). Die Entscheidung des Gerichtes kann einmal dahin lauten, daß die bisherige Zusammensetzung des Aufsichtsrats den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Dann tritt keinerlei Änderung bei der Gesellschaft ein. Lautet die Entscheidung aber dahin, daß andere gesetzliche Bestimmungen als bisher auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats anzuwenden sind, so ist der Auf500
Verfahren
§§98/99
Anm. 6
sichtsrat neu zu bestellen. Es ist weiterhin möglich, daß Satzungsbestimmungen von der Entscheidung des Gerichtes betroffen werden. In beiden Fällen hat die Entscheidung des Gerichtes keine sofortige Wirkung, vielmehr finden die Bestimmungen des § 97 I I sinngemäß Anwendung, d. h., innerhalb eines Zeitraumes von 6 Monaten, beginnend mit der Rechtskraft der Entscheidung, kann eine Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit die alten Satzungen der getroffenen Entscheidung anpassen. Ferner ist der Aufsichtsrat bis zur Beendigung einer Hauptversammlung, die in diesem Zeitraum stattfindet, nodi im Amt. Er kann während dieser Zeit wirksame Beschlüsse fassen und durch Wahl oder Bestellung nach den alten Vorschriften ergänzt werden. Erst mit dem Ende der Hauptversammlung, die zwischen der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung und dem Ablauf der Sechsmonatsfrist stattfindet, erlösdien die Ämter der Aufsichtsratsmitglieder (im einzelnen siehe § 97 Anm. 4). Unterbleibt die Anpassung der Satzung an die Entscheidung und die Bestellung eines neuen Aufsichtsrats, so treten die alten Satzungsbestimmungen 6 Monate nach Rechtskraft der Entscheidung außer Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt erlöschen alle Aufsichtsratsmandate der alten Mitglieder. Wird der neue Aufsichtsrat entgegen den nunmehr feststehenden anzuwendenden Vorschriften zusammengesetzt, so ist die Wahl, soweit sie durch die Hauptversammlung erfolgt, nichtig (§ 250 I Nr. 1), vgl. im einzelnen § 96 Anm. 7.
§ 99 Verfahren (1) Auf das Verfahren ist das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 bis 5 nichts anderes bestimmt ist. (2) Das Landgericht hat den Antrag in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Der Vorstand und jedes Aufsichtsratsmitglied sowie die nach § 98 Abs. 2 antragsberechtigten Betriebsräte und Spitzenorganisationen sind zu hören. (3) Das Landgericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen Beschluß. Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Sie kann nur auf eine Verletzung des Gesetzes gestützt werden; die §§ 550, 551, 561, 563 der Zivilprozeßordnung gelten sinngemäß. Die Beschwerde kann nur durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift eingelegt werden. Über sie entscheidet das Oberlandesgericht. § 28 Abs. 2 und 3 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Die Landesregierung kann durdi Rechtsverordnung die E n t 501
§ 99
Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellsdiaft
Scheidung über die Beschwerde für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen. (4) Das Gericht hat seine Entscheidung dem Antragsteller und der Gesellschaft zuzustellen. Es hat sie ferner ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Die Beschwerde steht jedem nach § 98 Abs. 2 Antragsberechtigten zu. Die Beschwerdefrist beginnt mit der Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger, für den Antragsteller und die Gesellschaft jedoch nicht vor der Zustellung der Entscheidung. (5) Die Entscheidung wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Sie wirkt für und gegen alle. Der Vorstand hat die rechtskräftige Entscheidung unverzüglich zum Handelsregister einzureichen. (6) Für die Kosten des Verfahrens gilt die Kostenordnung. Für das Verfahren des ersten Rechtszugs wird das Vierfache der vollen Gebühr erhoben. Für den zweiten Rechtszug wird die gleiche Gebühr erhoben; dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde Erfolg hat. Wird der Antrag oder die Beschwerde zurückgenommen, bevor es zu einer Entscheidung kommt, so ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte. Der Geschäftswert ist von Amts wegen festzusetzen. E r bestimmt sich nach § 30 Abs. 2 der Kostenordnung mit der Maßgabe, daß der Wert regelmäßig auf einhunderttausend Deutsche Mark anzunehmen ist. Kostenvorschüsse werden nicht erhoben. Schuldner der Kosten ist die Gesellschaft. Die Kosten können jedoch ganz oder zum Teil dem Antragsteller auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet. I. Obersicht (Anm. 1) II. Verfahren vor dem Landgericht 1. Prüfung des Antragsrechts (Anm. 2)
2. Anhörung der Beteiligten (Anm. 3) 3. Entscheidung (Anm. 4) III. Beschwerdeverfahren (Anm. 5) IV. Kosten des Verfahrens (Anm. 6)
I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist neu und regelt das gerichtliche Verfahren zur Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gemäß § 96, das nach § 98 in Gang gesetzt wird. Verfahren nach ähnlichen Verfahrensvorschriften sind neu eingeführt bei der gerichtlichen Entscheidung über das Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 132, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Gesellschaft und Abschlußprüfern (§ 169) und über Ausgleichszahlungen und Abfindung beim Abschluß von Unternehmensverträgen (§ 306). Die Voraussetzungen und die Zuständigkeit sind nicht hier, sondern in § 98 geregelt (vgl. dort Anm. 4 u. 5). 502
Verfahren
§99 Anm. 2
II. Verfahren vor dem Landgericht 1. Prüfung des Antragsrechts Anm. 2: Über den Antrag nach § 98 ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von dem zuständigen Landgericht zu entscheiden. Das bedeutet, daß das Gericht von Amts wegen die ihm notwendig erscheinenden tatsächlichen Ermittlungen anzustellen hat ( § 1 2 FGG). Es ist unabhängig von dem Vortrag der am Verfahren Beteiligten. Infolgedessen kann auch kein Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil ergehen. Das ist deshalb wichtig, weil nach dem Zweck des Verfahrens, nämlich objektiv festzustellen, welche gesetzlichen Vorschriften f ü r die Zusammensetzung des Aufsichtsrates anzuwenden sind, es nicht möglich ist, durch formelle Entscheidungen des Gerichtes zu Ergebnissen zu kommen, die von diesem nicht nachgeprüft sind. Das Verfahren beginnt damit, daß das Gericht den bei ihm gestellten Antrag in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen hat. Es erhebt sich die Frage, inwieweit das Gericht vorher den Antrag zu prüfen hat. Sicherlich muß es zunächst einmal feststellen, ob die Voraussetzungen für einen Antrag nach § 98 gegeben sind, d. h. ob der Antrag darauf abzielt, festzustellen, welche gesetzlichen Vorschriften f ü r die Zusammensetzung des Aufsichtsrates gelten oder ob der Abschlußprüfer nach 5 3 MitbestErgG die maßgeblichen Umsatzverhältnisse richtig ermittelt hat. Ein Antrag, der beispielsweise darauf hinausläuft, festzustellen, ob die Satzungsbestimmungen über die Zahl der Aufsichtsratmitglieder mit den Bestimmungen des § 95 übereinstimmen, wäre nicht zulässig und kann eine Tätigkeit des Gerichtes nach § 99 nicht auslösen. Dagegen hat das Gericht nicht zu prüfen, ob die Zusammensetzung des Aufsichtsrates ungewiß oder streitig ist. Dies ist u. E. nicht einmal Voraussetzung des Antrags (siehe § 98 Anm. 4). Schwieriger ist die Frage, ob das Gericht zunächst zu prüfen hat, ob der Antrag von einem Antragsberechtigten im Sinne des § 98 II gestellt ist. Mit Rücksicht auf die vom Gericht zu veröffentlichende Bekanntmachung und die sich hieraus möglicherweise ergebenden Nachteile — z. B. Unruhe in der Belegschaft — sind wir der Auffassung, daß der Antragsteller seine Antragsberechtigung bereits bei Antragstellung nachzuweisen hat. Bei den nach N r . 1 und 2 Genannten wird dies durch Bezugnahme auf die Registerakten bzw. einem Auszug aus dem Handelsregister erfolgen können. Der Aktionär wird seine Aktie oder eine Bescheinigung eines Kreditinstituts vorzulegen haben, aus der sich ergibt, daß f ü r ihne eine Aktie der Gesellschaft verwahrt wird. Der Betriebsrat wird durch Vorlage des Protokolls seiner Wahl sein Antragsrecht nachweisen können. Das Antragsrecht der in N r . 5 und 7 Genannten muß sich aus dem von diesen gestellten Antrag selbst ergeben, denn aus den anzuwendenden Vorschriften muß erkenntlich sein, daß sie selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern beteiligt sind. Die in N r . 6 Genannten werden einen Nachweis nicht ohne weiteres erbringen können. Eine Bescheinigung des Betriebsrats über die Zahl 503
§ 99
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 2—5 aller Arbeitnehmer und über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses der Antragsteller mit der Gesellschaft, reicht zum Nachweis aus. Die Bekanntmachung hat in den Gesellschaftsblättern nidit etwa denen des Registergerichts zu erfolgen. Sie hat den Zweck, jedem der nach § 98 II Antragsberechtigten die Möglichkeit zu geben, sich an dem Verfahren zu beteiligen. 2. Anhörung der Beteiligten Anm. 3: Zwingend ist vorgeschrieben die Anhörung des Vorstands, jedes Aufsichtsratsmitglieds und der nach § 98 II antragsberechtigten Betriebsräte und Spitzenorganisationen. Das bedeutet, daß der Vorstand, jedes Aufsichtsratsmitglied und der Betriebsrat jedes Betriebes der Gesellschaft immer zu hören sind. Der Vorstand als Organ, nicht seine einzelnen Mitglieder. Anders beim Aufsichtsrat. Dieser wird nicht als Organ angehört, sondern jedes einzelne Mitglied; die Betriebsräte von Betrieben, die nicht solche der Gesellschaft sind und die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften sind dagegen nur dann anzuhören, wenn sie antragsberechtigt sind. „Zu hören" bedeutet, daß das Gericht den Betreffenden Gelegenheit zur Äußerung geben muß. Diese Äußerung kann schriftlich und mündlich erfolgen. Sie muß vom Gericht angefordert werden, entweder als schriftliche Äußerung oder durch Ladung zu einem Erörterungstermin. Ist das geschehen, so kann das Gericht auch dann entscheiden, wenn sich nicht alle Anzuhörenden geäußert haben. Nicht zu hören sind von den Antragsberechtigten nach § 98 II die Aktionäre (dort Nr. 3) und die Arbeitnehmer (dort Nr. 6). Das ergibt sich daraus, daß dieser Kreis von Antragsberechtigten nicht klar abgrenzbar ist, das Gericht kann nicht von sich aus an alle Aktionäre und Arbeitnehmer herantreten, um sie zu hören. 3. Entscheidung Anm. 4: Das Landgericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen Beschluß, den es den Antragstellern und der Gesellschaft zuzustellen hat. Weiterhin ist der Beschluß ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob gegen ihn Beschwerde eingelegt worden ist oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Bekanntmachung hat vielmehr unverzüglich zu erfolgen. Der Sinn dieser Bekanntmachung ist der, daß auch die bisher nicht am Verfahren Beteiligten, aber nach § 98 II Antragsberechtigten, in jedem Stadium des Verfahrens diesem beitreten können sollen. III. Beschwerdeverfahren Anm. 5: Gegen die Entscheidung des Landgerichtes können die nach § 98 II Antragsberechtigten, gleichgültig ob sie bisher schon am Verfahren beteiligt 504
Verfahren
§99 Anm. 5,6
waren oder nicht, sofortige Beschwerde einlegen. Für das Verfahren herrscht Anwaltszwang. Bereits die Einreichung der Beschwerde kann nur durch einen Rechtsanwalt erfolgen. Die Einreichung erfolgt nach §§ 21, 22 FGG bei dem Land- oder Oberlandesgericht. Sie kann nur auf Gesetzesverletzung gestützt werden. Wie nach § 98 I für die erste Instanz kann auch für die zweite Instanz die Landesregierung durch Rechtsverordnung die Entscheidung über die Beschwerde für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte einem der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Auch hier ist die Ubertragung der Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung zulässig. Die Besdiwerdefrist von 2 Wochen (§ 22 FGG) beginnt mit der Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger. Das gilt auch für die am Verfahren Beteiligten, denen die Entscheidung zugestellt wird, es sei denn, die Zustellung erfolgt erst nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger. Dann ist insoweit die Zustellung für den Beginn der Beschwerdefrist maßgebend. Die vom Gesetz vorgeschriebene Veröffentlichung in den übrigen Gesellschaftsblättern hat keinerlei Wirkung auf die Frist. Maßgebend für den Beginn der Frist ist allein der Ausgabetag des Bundesanzeigers, der die Bekanntmachung enthält. Das ist deshalb so geregelt, weil nicht bei allen Beschwerdeberechtigten unterstellt werden kann, daß sie die Gesellschaftsblätter kennen. Will das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, der dann über die sofortige Beschwerde entscheidet (§ 28 II und III FGG). Da es gegen die Entscheidung über die Beschwerde kein weiteres Rechtsmittel gibt, wird diese mit dem Erlaß des Beschlusses rechtskräftig. Der Beschluß ist nach Abs. 4 dem Antragsteller und der Gesellschaft zuzustellen und ohne Gründe vom Beschwerdegericht in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Ferner hat der Vorstand die rechtskräftige Entscheidung unverzüglich dem Handelsregister einzureichen, wozu er durch Ordnungsstrafen nach § 14 HGB angehalten werden kann. Damit besteht für jedermann die Möglichkeit, sie einzusehen. Die Entscheidung wirkt nicht nur zwischen dem Antragsteller und der Gesellschaft, sondern für und gegen alle. Über die Folgen der Entscheidung auf die Gesellschaft vgl. § 98 Anm. 6. IV. Kosten des Verfahrens Anm. 6: Für die Gerichtskosten des Verfahrens gilt die Kostenordnung, für die etwa tätigen Anwälte die BRAGO. Die Gebühren sind für beide Instanzen gleich, und zwar in Abweichung von den Bestimmungen des FGG auch dann, wenn die Beschwerde Erfolg hat. In beiden Instanzen ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte, wenn vor der Entscheidung der Antrag oder die Beschwerde zurückgenommen wird. Der Geschäftswert, der von Amts 505
§§99/100
Anm. 6
Verfassung der Aktiengesellschaft
wegen nach § 30 II KostO festzusetzen ist, soll in der Regel 100 000 D M betragen. Abweichungen nach oben oder unten sind zulässig, wenn sich dies aus der Sache ergibt. Sowohl dieser verhältnismäßig geringe Geschäftswert, wie auch die Bestimmung, daß Kostenvorschüsse nicht erhoben werden — das gilt nicht für den Vorschuß des Anwalts — , soll die Einleitung des Verfahrens auch denen möglich machen, die. kein größeres Kostenrisiko eingehen können. Dieses wird weiterhin entscheidend dadurch abgemildert, daß grundsätzlich die Kosten von der Gesellschaft zu tragen sind. Nur wenn es der Billigkeit entspricht, können die Kosten ganz oder zum Teil den Antragstellern auferlegt werden. Das wird also im allgemeinen nur geschehen, wenn der Antrag unzulässig ist, weil der Antragsteller nicht nach § 98 I I antragsberechtigt ist, oder wenn von vornherein zu übersehen war, daß der Antrag unbegründet ist. Die Kosten der Beteiligten, gleichgültig ob es sich um die Kosten eines Vertreters, insbesondere eines Anwalts, oder um Auslagen handelt, sind nicht erstattungsfähig.
§ 100 Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder (1) Mitglied des Aufsichtsrats kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. (2) Mitglied des Aufsichtsrats kann nicht sein, wer 1. bereits in zehn Handelsgesellschaften oder bergrechtlichen Gewerkschaften, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben, Aufsichtsratsmitglied ist, 2. gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft: abhängigen Unternehmens ist, oder 3. gesetzlicher Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft oder bergrechtlidien Gewerkschaft ist, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört. Auf die Höchstzahl nach Satz 1 N r . 1 sind bis zu fünf Aufsiditsratssitze nicht anzurechnen, die ein gesetzlicher Vertreter (beim Einzelkaufmann der Inhaber) des herrschenden Unternehmens eines Konzerns in zum Konzern gehörenden Handelsgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben, inne hat. (3) Die anderen persönlichen Voraussetzungen der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sowie der weiteren Mitglieder bestimmen sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz und dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz. (4) Die Satzung kann persönliche Voraussetzungen nur für Aufsichtsratsmitglieder fordern, die von der Hauptversammlung ohne Bindung an 506
Persönliche Voraussetzungen für Aufsiditsratsmitglieder
§100
Anm. 1
Wahlvorschläge gewählt oder auf Grund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Persönliche Voraussetzungen (Anm. 2) III. Sachliche Hinderungsgründe 1. Andere Aufsiditsratssitze (Anm. 3) 2. Stellung im abhängigen Unternehmen (Anm. 4)
3. Überkreuzverflechtung (Anm. 5) 4. Sonstige (Anm. 6) IV. Folgen des Fehlens der Eignung (Anm. 7) V. Übergangsbestimmungen (Anm. 8)
I. Übersicht Anm. 1: Nach § 86 II AktG 37 konnte Mitglied eines Aufsichtsrates nicht sein, wer bereits in 10 Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien Aufsichtsratsmitglied ist. Dabei wurden nach der ersten Durchführungsverordnung zum Aktiengesetz vom 29. 9. 1937 (RGBl. I S. 1026, berichtigt S. 1140) Sitze in Aufsichtsräten, in die das Mitglied gewählt oder entsandt war, zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen Belange von Bund, Land, Gemeindeverband oder einer Gemeinde, eines Wirtschaftsunternehmens, das mit der Gesellschaft konzernverbunden war, oder eines Kreditinstitutes, das mit der Gesellschaft in dauernder bankmäßiger Geschäftsverbindung steht, als ein Sitz gerechnet, jedoch durfte auch dann niemand insgesamt mehr als 20 Aufsichtsratsitze innehaben, es sei denn, es wurde von dem Bundesjustizminister im Einvernehmen mit dem beteiligten Bundesminister eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Dabei waren nach zuletzt herrschender Ansicht (Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 86 Anm. 8; Baumbach-Hueck § 86 Anm. 3 B) Aufsichtsratsitze in einer GmbH und einer bergrechtlichen Gewerkschaft, soweit es sich um einen nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder den Mitbestimmungsgesetzen notwendigen Aufsichtsrat handelte, mitzuzählen. Dagegen waren nicht mitzuzählen Aufsichtsratsitze in einem gesetzlich nicht vorgeschriebenen Aufsichtsrat. Die Bestimmung des neuen Gesetzes paßt sich der herrschenden Ansicht an. Nach der in § 18 der 1. DVO zum AktG enthaltene Gedanke, daß Aufsichtsratsitze in konzernverbundenen Unternehmen nicht voll anzurechnen sind, kommt im neuen Gesetz in Abs. 2, S. 2 zum Ausdruck (siehe Anm. 4). Neu ist die Bestimmung, daß der gesetzliche Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens dem Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens nicht angehören darf. Ferner ist neu verboten die sogenannte Überkreuzverflechtung (siehe Anm. 5). In Abs. 3 wird klargestellt, daß die persönlichen Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder des Abs. 2 sowohl für Aufsiditsratsmitglieder der Aktionäre als auch für solche der Arbeitnehmer gelten. Daneben gelten für diese letzteren und für die „weiteren Mitglieder" die persönlichen Voraussetzun507
§100
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 1—3 gen, die sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz und dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz ergeben. In Abs. 4 wird die bisher strittige Frage im Sinne der herrschenden Lehre dahin ausdrücklich geklärt, daß die Satzung keine weiteren persönlichen Voraussetzungen für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer und die „weiteren Mitglieder" aufstellen kann (so für das bisherige Recht BGH 39,116). II. Persönliche Voraussetzungen Anm. 2: Im Gegensatz zum bisherigen Recht, das in § 86 II AktG 37 aufzählte, wer nicht Aufsichtsratsmitglied sein könne, wird hier positiv festgestellt, daß Mitglied des Aufsichtsrats nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein kann. Damit wird entsprechend dem bisherigen Recht festgestellt, daß eine juristische Person nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann, und es wird darüber hinaus weiter festgestellt, daß auch irgendeine Personenvereinigung, sei es eine Personengesellschaft, sei es ein Verein, nicht Mitglied eines Aufsichtsrats sein kann. Das ergibt sich daraus, daß die dem Aufsichtsratsmitglied obliegende Oberwachungspflicht eine persönliche Tätigkeit voraussetzt und die sich bei Verletzung ergebende strafrechtliche Verantwortlichkeit nur eine natürliche Person treffen kann. Auch eine weitere, bisher nicht unstreitige Frage, wird durch die Neuformulierung geklärt, die natürliche Person muß unbeschränkt geschäftsfähig sein. Das entspricht der bisher weit überwiegenden Meinung, denn die Verantwortung, die ein Aufsichtsratsmitglied zu tragen hat, kann nicht von einem beschränkt Geschäftsfähigen übernommen werden. III. Sachliche Hinderungsgründe 1. Andere Aufsichtsratssitze Anm. 3: Auch wer die persönlichen Voraussetzungen für ein Aufsichtsratsmitglied nach Abs. 1 erfüllt, kann dennoch unter Umständen deshalb nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein, weil er andere Ämter bekleidet, die sich mit der Mitgliedschaft in einem bestimmten Aufsichtsrat oder schlechthin in anderen Aufsichtsräten nicht vertragen. In den hier vorliegenden Bestimmungen des Abs. 2 werden nur 3 besondere Tatbestände aufgeführt; diese sind keineswegs erschöpfend, sowohl im Aktiengesetz wie außerhalb des Aktiengesetzes gibt es weitere Bestimmungen, die die Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat schlechthin oder in einem bestimmten Aufsichtsrat ausschließen. Mitglied eines Aufsichtsrats kann nicht sein, wer bereits in 10 gesetzlich vorgeschriebenen Aufsichtsräten von Handelsgesellschaften oder bergrechtlichen Gewerkschaften Mitglied ist. Diese Regelung entspricht weitestgehend der herrschenden Lehre, die sich bereits zum bisherigen Gesetzeswortlaut entwickelt hat, obwohl dort ausdrücklich nur Aktiengesellschaften und Kom508
Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder
§ 100
Anm. 3
manditgesellschaft a. A. genannt waren. Die jetzige Formulierung stellt klar, daß alle Aufsichtsratsitze in Handelsgesellschaften, also insbesondere in einer GmbH, dann mitzurechnen sind, wenn diese verpflichtet ist, einen Aufsichtsrat zu bilden. D a s ist z. B. der Fall, wenn eine G m b H mehr als 500 Arbeitnehmer hat. Soweit Handelsgesellschaften freiwillig einen Aufsichtsrat haben, zählen diese Aufsichtsratsitze nicht mit, ebenso zählen nicht mit Aufsichtsratsitze in anderen Gesellschaften als Handelsgesellschaften oder bergrechtliche Gewerkschaften, das sind z. B. Genossenschaften oder Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und ferner Aufsichtsratsitze in ausländischen Gesellschaften. Eine generelle Ausnahme ist gemacht für den gesetzlichen Vertreter (beim Einzelkaufmann der Inhaber) des herrschenden Unternehmens eines Konzerns. Bei diesem werden bis zu 5 Aufsichtsratsitze, die er in einer Gesellschaft des Konzerns innehat, nicht mitgerechnet. Das bedeutet eine erhebliche Einschränkung gegenüber der bisher gültigen Bestimmung des § 18 der 1. D V O zum Aktiengesetz. Danach zählten Aufsichtsratsitze nicht mit, die der zu Wählende in einem Wirtschaftsunternehmen, das mit der Gesellschaft konzernverbunden war, innehatte. Es war also weder nötig, daß das zu wählende Mitglied gesetzlicher Vertreter einer Konzerngesellschaft war, noch war es notwendig, daß es sich gerade um die herrschende Gesellschaft handelte. Vielmehr galten alle Aufsichtsratsitze in Konzernunternehmen, gleichgültig wie die Stellung des Betreffenden in den einzelnen Unternehmen war, als ein Sitz. Eine Höchstgrenze war allerdings insofern festgelegt, als der Betreffende insgesamt nicht mehr als 20 Aufsichtsratsitze innehaben konnte. Nach den heutigen Bestimmungen kann er bestenfalls 15 Aufsichtsratsitze innehaben. Außerdem sind die übrigen Bestimmungen des § 18 ganz weggefallen, es zählen jetzt mit die Aufsichtsratsitze im Unternehmen der öffentlichen H a n d ( § 1 8 Ziff. 1) und diejenigen, die ein Kreditinstitut, das mit der Gesellschaft in dauernder bankmäßiger Geschäftsverbindung steht ( § 1 8 III). Ferner ist weggefallen die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung durch das Bundesjustizministerium im Einvernehmen mit den zuständigen Bundesministern. Bei dieser Regelung spielte eine erhebliche Rolle die Vorstellung, daß eine Konzentration der Aufsichtsratsposten auf verhältnismäßig wenige Personen zu einer unerwünschten Konzentration der Wirtschaft überhaupt führen könne. Die Freilassung von 5 Aufsichtsratsitzen für Konzernunternehmen ist deshalb erfolgt, weil bei Einbeziehung auch dieser Sitze zu befürchten war, daß in den Aufsichtsräten der von einem Unternehmen abhängigen Gesellschaften nicht mehr die Führungskräfte des herrschenden Unternehmens sitzen würden, sondern gewissermaßen die zweite Garnitur des herrschenden Unternehmens. Das wollte man dadurch verhindern, daß man bis zu einer Zahl von 5 diese Sitze nicht auf die Höchstzahl von 10 Sitzen anrechnet. Auf diese Weise wird es selbst bei einer größeren Zahl von Tochter509
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Anm. 3—6
Verfassung der Aktiengesellschaft
gesellschaften möglich sein, diese mit — verschiedenen — Mitgliedern des Vorstandes des herrschenden Unternehmens zu besetzen, ohne daß diese daran gehindert werden, die übliche Zahl von zulässigen Aufsichtsratsmandaten bei anderen Gesellschaften zu übernehmen. 2. Stellung im abhängigen Unternehmen Anm. 4: Die Bestimmung des Abs. 2 Nr. 2, daß ein gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens nicht Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft sein kann, ist neu eingefügt, da eine solche Mitgliedschaft im Aufsichtsrat dem Organisationsgefälle widerspricht. Es ist nicht möglich, daß das Vorstandsmitglied einer abhängigen Gesellschaft, die mehr oder weniger vom Vorstand des herrschenden Unternehmens abhängig ist, seinerseits Oberwachungspflichten gegenüber dem gleichen Vorstand als Aufsichtsratsmitglied ausüben könnte. 3.
Überkreuzverflechtung
Anm. 5: Das Verbot der Überkreuzverflechtung nach Nr. 3 ist neu. Danach kann der gesetzliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft oder einer bergreditlichen Gewerkschaft nicht Mitglied des Aufsichtsrats einer anderen derartigen Gesellschaft werden, von der ein Vorstandsmitglied dem Aufsichtsrat der Gesellschaft angehört, von der er gesetzlicher Vertreter ist. Dem Verbot liegt die Meinung zugrunde, man könne dadurch schlechthin einer Konzentration in der Wirtschaft entgegenwirken. Das Bedenken, daß durch ein solches Verbot der für Aufsichtsratsmandate in Betracht kommende Personenkreis erweitert würde, spricht nicht gegen die neue Bestimmung; vielmehr ist es gesellschaftspolitisch unerwünscht, daß die Aufsichtsratsmandate der Aktionäre nur durch einen verhältnismäßig kleinen Kreis von Personen ausgeübt werden. Die Überlegung, daß auf der anderen Seite es für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung ist, Aufsichtsratsmitglieder mit umfassendem Überblick über die Wirtschaft als Berater zu haben, hat daher im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. 4. Sonstige Anm. 6: Weitere Beschränkungen ergeben sich teils aus diesem Gesetz, teils aus anderen Gesetzen. So können z. B. Vorstandsmitglieder, deren Stellvertreter, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte der Gesellschaft nicht gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft sein (§ 105). Nach Art. 55 II und 66 GG dürfen der Bundespräsident, der Bundeskanzler und die Bundesminister einem Aufsichtsrat nicht angehören; ähnliche Bestimmungen enthalten die Verfassungen einiger Länder. Auch die Satzung kann gewisse persönliche Voraussetzungen an die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat stellen und damit den Kreis der zugelas510
Persönliche Voraussetzungen f ü r Aufsichtsratsmitglieder
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Anm. 6,7
senen Personen einschränken, so z. B. ist die Bestimmung zulässig, daß die Aufsiditsratsmitglieder einer bestimmten Nationalität angehören müssen. Durch solche Bestimmungen darf aber der Kreis der wählbaren Personen nicht so eingeengt werden, daß von freier Wahl und Auswahl durch die Hauptversammlung nicht mehr die Rede ist ( R G 133, 194). Mit dieser Einschränkung kann die Satzung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie (bestritten), Wohnsitz, Aktienmindestbesitz, auch Aktienbesitz einer bestimmten Gattung oder Besitz bestimmter Aktien zur Voraussetzung der Wählbarkeit machen. Der Einwand, daß dadurch in Wahrheit ein Vorrecht der Aktionäre begründet werde, die Inhaber dieser Aktien sind, schlägt nicht durch, da ja die Satzung Aktienunterschiede machen kann; möglicherweise ist darin ein Gattungsunterschied zu erblicken; das hindert die Zulässigkeit nicht. Nichtig wäre aber eine Satzungsbestimmung, daß nur bestimmte Personen oder von bestimmten Personen Vorgeschlagene gewählt werden können, weil ersterenfalls keine Wahl vorläge und im zweiten Fall die, abgesehen von § 104, ausschließliche Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Wahl von Aktionärvertretern für den Aufsichtsrat verletzt wäre. Für die satzungsmäßige Voraussetzung der Wahlfähigkeit kommt es auf den Zeitpunkt der Annahme der Wahl an, nicht auf die Wahl selbst. Es gilt insoweit das gleiche, wie für gesetzliche Eignungsvoraussetzungen, vgl. im einzelnen Anm. 7. Die unbedingte Wahl einer nach der Satzung nicht wählbaren Person ist anfechtbar und muß vom Vorstand angefochten werden, wenn das Wohl der Gesellschaft nicht den Bestand der Wahl fordert. Satzungsbestimmungen, die gewisse persönliche Voraussetzungen an die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat stellen, haben aber nur Wirkung für Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre, nicht für die der Arbeitnehmer oder für die „weiteren Mitglieder". Dies wird in Abs. 3 ausdrücklich festgestellt. Für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer ergeben sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz und den Mitbestimmungsgesetzen weitere persönliche Voraussetzungen. So müssen z. B. nach § 76 BetrVerfG, wenn zwei oder mehr Vertreter der Arbeitnehmer zu wählen sind, sich unter diesen mindestens zwei Arbeitnehmer aus den Betrieben des Unternehmens, darunter ein Arbeiter und ein Angestellter befinden. IV. Folgen des Fehlens der Eignung Anm. 7: Ob die persönlichen Voraussetzungen nach Abs. 1 fehlen oder ob sachliche Hindernisse nach Abs. 2 oder andere gesetzliche Bestimmungen der Wahl zum Aufsichtsratsmitglied entgegenstehen, ist in den Folgen, die sich ergeben, wenn trotzdem eine Wahl stattfindet und der Betreffende die Wahl annimmt, gleich. In beiden Fällen kommt es zunächst darauf an, ob die Voraussetzungen zur Wahl in dem Zeitpunkt gegeben waren, in dem die 511
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Anm. 7,8
Verfassung der Aktiengesellschaft
Wahl angenommen wird, denn das Gesetz stellt es darauf ab, wer Mitglied des Aufsichtsrats sein kann. Es wird nicht etwa darauf abgestellt, wer dazu bestellt werden kann. Man wird aber erst Mitglied eines Aufsichtsrats, wenn man die Bestellung angenommen hat. Liegt der Bestellung ein Wahlbeschluß der Hauptversammlung zugrunde, so ist dieser nichtig, wenn die gewählte Person bei Beginn ihrer Amtszeit nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann (§ 250 I Nr. 4). Steht der Bestellung lediglich eine Satzungsbestimmung entgegen, so ist zwar, wenn ihr eine Wahl zugrunde liegt, der Beschluß anfechtbar, und der Vorstand muß aus seiner Sorgfaltspflicht heraus gegebenenfalls diese Anfechtung durchführen. Geschieht dies aber nicht, so ist die Annahmeerklärung wirksam. Die betreffende Person wird Aufsichtsratsmitglied. Nachträglicher Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen zur Eignung beendigt das Amt. Wegfall der satzungsmäßigen Voraussetzungen dagegen nur, wenn Satzung oder Wahlbeschluß dies bestimmen (auflösende Bestimmung). Davon abgesehen ist Widerruf der Wahl möglich, für den die Satzung einfädle Mehrheit (sei es grundsätzlich, sei es für diesen Sonderfall) genügen lassen kann. V. Obergangsbestimmungen Anm. 8: Nach § 12 III EG gilt die Bestimmung des § 100 II für Personen, die beim Inkrafttreten des Aktiengesetzes Aufsichtsratsmitglied sind, nur mit der Maßgabe, daß sie den Aufsichtsratsitz bis zum Ablauf der jeweilig laufenden Amtszeit innehaben dürfen. Zweck dieser Bestimmung ist, zu verhindern, daß nach den bisherigen Bestimmungen rechtmäßig erworbene Mandate vor Ablauf des Zeitraums, für den sie erteilt wurden, deshalb erlöschen, weil der Inhaber nach den neuen Bestimmungen das Mandat nicht hätte erwerben dürfen. Es ist die Frage, ob durch die vorliegende Bestimmung dieser Zweck hinreichend zum Ausdruck gekommen ist. Für die in § 100 II Nr. 2 und 3 erfaßten Tatbestände ist die Frage problemlos. Aufsichtsratsmandate, die gegen diese Bestimmung verstoßen, laufen nach § 12 III EG mit Beendigung der jeweils laufenden Amtszeit aus. Dagegen ist es zweifelhaft, ob jemand, der mehr als 10 Aufsichtsratsmandate den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen nach zu Recht innehat, alle über 10 hinausgehende Aufsichtsratsmandate niederlegen muß, wenn ihm ein neues Aufsichtsratsmandat angeboten oder er in ein abgelaufenes Amt wiedergewählt werden soll. Dies würde aber dem Sinn der gesetzlichen Bestimmung zuwiderlaufen. Es mag sein, daß der im § 12 III EG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers allein formell in Kollision geraten kann mit der Bestimmung des § 100 II Nr. 1. In diesem Fall hat für die Übergangszeit der § 12 III EG als lex spezialis den Vorrang. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß für alle Aufsichtsratsmandate, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in zulässiger Weise erworben wurden, die Bestimmung des § 100 II Nr. 1 512
Bestellung der Aufsiditsratsmitglieder
§§100/101 Anm. 8
solange nidit gilt, bis diese Mandate ausgelaufen sind (so im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung, Obermüller-Werner-Winden S. 58 f., ebenso Werner in Bankbetrieb 65, 2 7 9 ; ähnlich Möhring in N J W 6 6 , 7 ; Westermann-Lepsin in N J W 66, 430 ff.; a. A. Goerdeler in W P 65, 365). Folgt man dieser Auffassung, so ist es schlimmstenfalls denkbar, daß die nach der vorliegenden Bestimmung zulässige Höchstzahl von Aufsichtsratssitzen von einigen Personen bis zum Jahre 1970 überschritten wird. D a ß sich hieraus nachteilige Folgen ergeben könnten, ist nicht einzusehen. Wesentlich unerwünschter erscheint uns die Aufrechterhaltung eines Mandats, das gegen Nr. 2 verstößt. Hier ist aber die Anwendung des § 12 I I I E G außer Zweifel.
§ 101 Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder (1) Die Mitglieder des Aufsiditsrats werden von der Hauptversammlung gewählt, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden oder als Aufsiditsratsmitglieder der Arbeitnehmer nadi dem Betriebsverfassungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz zu wählen sind. An Wahlvorschläge ist die Hauptversammlung nur gemäß §§ 6 und 8 des Mitbestimmungsgesetzes gebunden. (2) Ein Recht, Mitglieder in den Aufsidistrat zu entsenden, kann, soweit es nicht Spitzenorganisationen der Gewerkschaften nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz zusteht, nur durdi die Satzung und nur für bestimmte Aktionäre oder für die jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien begründet werden. Inhaber bestimmter Aktien kann das Entsendungsrecht nur eingeräumt werden, wenn die Aktien auf Namen lauten und ihre Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist. Die Aktien der Entsendungsberechtigten gelten nicht als eine besondere Gattung. Die E n t sendungsrechte können insgesamt höchstens für ein Drittel der sich aus dem Gesetz oder der Satzung ergebenden Zahl der Aufsiditsratsmitglieder der Aktionäre eingeräumt werden. (3) Stellvertreter von Aufsichtsratsmitgliedern können nicht bestellt werden. Jedoch kann für jedes Aufsichtsratsmitglied mit Ausnahme des weiteren Mitglieds, das nach dem Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz auf Vorschlag der übrigen Aufsiditsratsmitglieder gewählt wird, ein Ersatzmitglied bestellt werden, das Mitglied des Aufsichtsrats wird, wenn das Aufsichtsratsmitglied vor Ablauf seiner Amtszeit wegfällt. Das Ersatzmitglied kann nur gleichzeitig mit dem Aufsichtsratsmitglied bestellt werden. Auf seine Bestellung sowie die Nichtigkeit und Anfechtung seiner Bestellung sind die für das Aufsichtsratsmitglied geltenden Vorschriften anzuwenden.
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Wilhelmi, Aktiengesetz
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§101
Anm. 1,2
Verfassung der Aktiengesellschaft
I. Übersicht (Anm. 1) II. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre 1. durch die Hauptversammlung (Anm. 2) 2. durch Entsendung (Anm. 3)
III. Bestellung der Aktionäre der Arbeitnehmer (Anm. 4) IV. Stellvertreter und Ersatzmitglieder (Anm. 5) V. Übergangsbestimmungen (Anm. 6)
I. Übersicht Anm. 1: Der § 87 AktG 37 befaßte sich einerseits mit der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre, andererseits mit deren Abberufung. Die neue Bestimmung trägt der Tatsache Rechnung, daß es neben den Aufsidhtsratsmitgliedern der Aktionäre, die wie bisher von der Hauptversammlung gewählt werden bzw. von Aktionären in den Aufsichtsrat entsandt werden, auch Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gibt, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz oder dem MitbestErgG zu bestellen sind. Die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern wird in einer besonderen Bestimmung (§ 103) geregelt. Die bisher im § 87 I I I AktG 37 enthaltene Bestimmung über die Amtsdauer des ersten Aufsiditsrats ist jetzt im § 30 I I I übernommen worden. Neu eingefügt sind die Bestimmungen über die Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat, die bisher im § 88 AktG 37 behandelt wurden. Neu sind die Bestimmungen des Abs. 3, in denen ausdrücklich die Bestellung von Stellvertretern verboten und die Bestellung von Ersatzmitgliedern geregelt wird. II. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre 1. durch die Hauptversammlung Anm. 2: Die Wahl durch die Hauptversammlung entspricht bei der Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds dem Aufsichtsratsbeschluß bei Bestellung des Vorstandes. Sie ist der auf Seiten der Gesellschaft vorzunehmende körperschaftliche Rechtsakt zum Zustandekommen des mit dem Aufsichtsratsmitglied zu schließenden Bestellungsvertrages. Daß die Gesellschaft bei diesem Vertragsabschluß durch den Vorstand vertreten wird (BaumbachHueck § 87 Anm. 3; Leo in Die Aktiengesellschaft 1957, 265) ist abzulehnen; anderenfalls könnte der Vorstand den Wahlbeschluß der Hauptversammlung rechtlich wirksam vereiteln, ohne von ihr und möglicherweise irgend jemand abberufen werden zu können (wie hier Schmidt-Meyer-Landrut § 8 7 Anm. 9; R G 63, 208). Es liegt der gesetzliche Sonderfall vor, daß die Vertretungsbefugnis des Vorstandes zugunsten eines anderen Organs, hier der Hauptversammlung, ausgeschaltet ist. Der Vorstand ist hier, wird seine Mitwirkung überhaupt erforderlich, nur Bote und Empfangsorgan. Zur Wahl muß die Annahme hinzukommen. Diese kann gegenüber dem Vorstand, 514
Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
§101
Anm. 2
der Hauptversammlung, dem Aufsichtsratsvorsitzenden abgegeben werden. Die Annahmefrist ist wegen Rechtsähnlichkeit nach §§ 1 4 7 — 1 4 9 B G B zu bemessen. Zur Annahme können auch Aktionäre durch die Satzung nicht verpflichtet werden (§ 54). Durch die Annahme kommt ein Vertrag mit der Gesellschaft nicht etwa den Aktionären zustande, und zwar nach u. A. ein Auftrag, wenn keine Vergütung vereinbart ist, ein Dienstvertrag, wenn eine solche gewährt wird ( R G 146, 152). Uns scheint es richtiger, zu sagen, daß auf das Rechtsverhältnis, welches ein Rechtsverhältnis eigener Art ist — man denke allein daran, daß der Verpflichtete nur kollegialiter mit anderen tätig werden kann — und welches im Falle der Entsendung nach Abs. 2 überhaupt nicht auf Vertrag des Entsandten mit der Gesellschaft beruht (s. Anm. unten), soweit nicht Vorschriften oder Grundsätze des Aktienrechts entgegenstehen und soweit Rechtsähnlichkeit besteht, die Vorschriften des B G B in einem Fall über den Auftrag, im anderen über den Dienstvertrag sinngemäß anwendbar sind (ähnlich Schmidt-Meyer-Landrut, § 87 Anm. 7; a. A. Natzel, Die Aktiengesellschaft 1959, 96 ff., der einen Vertrag ganz ablehnt). Die Vorschrift, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre durch die Hauptversammlung zu wählen sind, ist zwingend. Es kann nicht durch die Satzung die Wahl einem anderen Organ oder einem Dritten übertragen werden, ausgenommen die Entsendung von Aktionären nach Abs. 2. Auch die Zuwahl durch den Aufsichtsrat selbst ist unzulässig, selbst wenn sie vorbehaltlich der Genehmigung der Hauptversammlung erfolgt. Ebensowenig kann die Gesellschaft — gar unter Vertragsstrafe — sich Dritten gegenüber verpflichten, bestimmte Personen zu wählen. Ein Vorschlagsrecht kann Aktionären, wenn es über die Bestimmung des Abs. 2 hinausgeht, oder Dritten durch die Satzung oder schuldrechtlich nur unter Wahrung völliger Freiheit der Hauptversammlung dahin eingeräumt werden, daß diese statt des Vorgeschlagenen auch einen anderen wählen kann; es kann aber bestimmt werden, daß zur Mehrheit des Wahlbeschlusses bestimmte Aktien gehören müssen, die dann eine besondere Aktiengattung bilden; letzteres läuft nicht auf ein Vorschlagsrecht, aber — praktisch — auf ein Vetorecht hinaus. Dagegen sind Vereinbarungen von Aktionären untereinander oder mit Dritten, z. B. dem zu Wählenden, über die Wahl schuldrechtlich wirksam ( R G 133, 93). Der Beschluß wird nach § 133 durch einfache Mehrheit — Verhältniswahl ist also ausgeschlossen — gefaßt, sofern nicht die Satzung anderes bestimmt. Der zu Wählende kann hierbei mitstimmen. Es verstößt weder gegen die guten Sitten noch gegen aktienrechtliche Grundsätze, wenn der Mehrheitsaktionär den Aufsichtsrat ausschließlich mit Personen seiner Wahl besetzt ( B G H in W M 62, 811). Ist der Beschluß nichtig, so ist der Gewählte nicht Mitglied. Unter Umständen muß eine Bestellung durch das Gericht nach § 104 erfolgen. Ist er anfechtbar, so kann der Gewählte trotzdem tätig werden, auch wenn der Beschluß angefochten wird. H a t die Anfechtung Erfolg, sind die
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515
§101 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 2,3 inzwischen gefaßten Aufsichtsratsbesdilüsse, auch wenn sie auf der Stimme des Gewählten beruhen, nicht hinfällig. Die Wahl kann aufschiebend, auflösend, bedingt, betagt sein, während die Satzung die Wahl nicht von der Zustimmung eines Dritten (etwa z. B. des übrigen Aufsichtsrats) abhängig machen kann, kann dies der Wahlbeschluß selbst. Die ausschließliche Zuständigkeit der Hauptversammlung erstreckt sich auch darauf, den Inhalt des Vertragsverhältnisses festzusetzen und zu vereinbaren, soweit darüber nicht zwingende oder erschöpfende Gesetzesvorschriften durch Grundsätze oder das Gesetz ergänzende Satzungsbestimmungen bestehen. Dies gilt vor allem von der Vergütung, soweit sie nicht in der Satzung geregelt ist. Ist letzteres der Fall, so ist nach §§ 157, 242 BGB anzunehmen, daß der Neugewählte sich dieser Festsetzung unterworfen hat und daß die Vergütung ihm in dieser Höhe zugesagt ist. Die Hauptversammlung könnte allerdings von der satzungsmäßigen Festsetzung abweichen, aber nur darunter bleiben, nicht darüber hinausgehen. Ein darüber hinausgehender Beschluß der Hauptversammlung wäre anfechtbar und müßte vom Vorstand angefochten werden, wenn das Interesse der Gesellschaft dies erfordert. H a t sich das neugewählte Mitglied — mangels Festsetzung in der Satzung oder weil die satzungsmäßige Vergütung unter (oder anfechtbar — über) schritten werden soll — der Festsetzung durch die Hauptversammlung unterworfen, gilt für diese § 315 BGB (vgl. RG JW 32, 721/22; s. hierzu § 113). Ferner erstreckt sich die Zuständigkeit der Hauptversammlung auch auf die Festsetzung der Amtsdauer, vgl. § 102. 2. durch Entsendung Anm. 3: Das Entsendungsrecht von Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre hat namentlich für gemischt- und gemeinwirtschaftliche Unternehmen Bedeutung. Es ist der einzige gesetzliche Fall eines echten Sonderrechts. Die Aufhebung ist, wenn sie nicht in der Satzung vorbehalten wurde, nur mit Zustimmung des Berechtigten möglich. Sowohl in der ursprünglichen Satzung, wie durch eine Satzungsänderung, können einzelne Personen, die Aktionäre sind, namentlich aufgeführt werden, die als solche das Recht haben sollen, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Außerdem kann das Recht auch mit bestimmten Aktien verbunden werden. Diese müssen jedoch als Namensaktien und mit Nummern in der Satzung bezeichnet und dürfen nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragbar sein. Demnach ist wie im ersten so trotz Verbindung mit der Aktie auch im zweiten Fall erheblich auf die Persönlichkeit des Inhabers der Aktie abgestellt, die zwar wechseln kann, aber nur mit Zustimmung der Gesellschaft. Anders als bei der GmbH (RG 165, 68) ist es also nicht zulässig, das Recht ausschließlich mit der Tatsache des Besitzes einer gewissen Aktien516
Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
§101
Anm. 3
anzahl zu verknüpfen, während jedoch bei keiner der beiden Alternativen etwa im Wege steht, einen Aktienbesitz von bestimmter Höhe oder den Besitz bestimmter Aktien — z. B. hohen Nennbetrags — zur Voraussetzung des Rechts zu machen. Dieses Recht kann als vererbliches oder unvererbliches gestaltet werden. Ist das Recht nur mehreren gemeinsam eingeräumt worden, wird die Satzung vorsehen müssen, was mangels Einigung der Berechtigten gelten soll. Die Entsendung geschieht durch einseitige Erklärung des Berechtigten und Zustimmungserklärung des Entsandten gegenüber dem Vorstand oder Aufsichtsratvorsitzenden. Damit ist der Entsandte ohne weiteres, insbesondere ohne Wahlakt der Hauptversammlung Mitglied des Aufsichtsrats ( R G 165, 68 ff.; Gessler, SozPr. 41, 181; allgemeine Ansicht). Für den Berechtigten besteht keine Verpflichtung zur Ausübung des Rechts (bestritten zweifelnd Möhr-Schw. SozPr 38, 542). Als einseitige Erklärung verträgt die Entsendung keine Bedingung. Der Berechtigte muß sich also vor der Entsendung, wenn er Wert darauf legt, ob der von ihm Entsandte den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrats genehm ist, vergewissern, ob das der Fall ist, bevor er die Entsendung erklärt. Treten später Schwierigkeiten auf, so kann der Entsendungsberechtigte den Entsandten jederzeit nach § 103 II abberufen. Durch die Bildung von Ausschüssen darf das Entsendungsrecht nicht wider Treu und Glauben vereitelt werden. Es empfiehlt sich eine klare Satzungsbestimmung, die diesen Fall regelt (für deren Zulässigkeit auch Schl.-Qu. 20; Möhr. SozPr. 38, 544; a. A. Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 9 2 Anm. 23; Baumbach-Hueck, § 92 Anm. 5 A). Die Zahl der entsandten Mitglieder darf nicht mehr als V3 der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre betragen. Diese Bestimmung ist neu, insoweit sie klarstellt, daß sich die Zahl auf die Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre bezieht. Bisher war dies nicht ausdrücklich bestimmt und deshalb umstritten. Die herrschende Ansicht hat dies allerdings auch schon nach bisherigem Redit angenommen. Die im Bruchteil ausgedrückte Begrenzung des Entsendungsrechts bedeutet, daß, wenn die Satzungsbestimmung über die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder geändert wird, u. U. die bisherigen Satzungsbestimmungen über das Entsendungsrecht nicht mehr zulässig sind. Es ist nicht damit getan, daß die über V3 hinausgehende Zahl der Entsandten durch deren Abberufung auf den richtigen Stand gebracht werden könnte, vielmehr müßte die Satzungsbestimmung abgeändert werden. Dem steht aber entgegen, daß es sich um ein Sonderrecht handelt, das grundsätzlich nur mit Zustimmung des Berechtigten geändert werden kann. Man wird deshalb davon ausgehen müssen, daß eine Satzungsänderung, die zu einer so großen Verringerung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder führt, daß die Satzungsbestimmung über das Entsendungsrecht damit unzulässig wird, dann nicht möglich ist, wenn 517
§ 10l Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 3 sie nicht durch gesetzliche Bestimmungen notwendig geworden ist. Dies letztere wäre der Fall, wenn durch eine Kapitalherabsetzung die nach § 95 vorgeschriebene Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder kraft Gesetzes sich verringert hätte, dann geht diese Bestimmung vor. Das bestehende Sonderrecht des Entsendungsberechtigten wird durch die gesetzliche Bestimmung selbst unmittelbar betroffen. Die entgegenstehende Satzungsbestimmung wird damit nichtig. Das bedeutet, daß das Amt aller auf Grund dieser Satzungsbestimmung entsandten Aufsichtsratsmitglieder erlischt. Eine Neuentsendung kann nur auf Grund einer neuen Satzungsbestimmung, die der Vorschrift des § 101 II letzter Satz entspricht, erfolgen. Inwieweit die Gesellschaft verpflichtet ist, eine solche Satzungsänderung vorzunehmen, kann nur im Einzelfall festgestellt werden. Ist dies der Fall, so kann die Satzungsänderung nicht erzwungen werden. Es bliebe dem Berechtigten jedoch ein Schadensersatzanspruch. Der Entsandte muß die gesetzlichen und satzungsmäßigen persönlichen Voraussetzungen eines Aufsichtsratsmitglieds erfüllen und darf nidit durch die Bestimmungen des § 100 II oder andere Bestimmungen des Aktiengesetzes oder anderer Gesetze verhindert sein, Mitglied des Aufsichtsrates zu sein (vgl. hierzu § 100 Anm. 3—6). Die Satzung kann besonders für den zu Entsendenden weitere Voraussetzungen bestimmen. Sie kann insbesondere bestimmen, daß der Entsandte ein Mindestbesitz von Aktien für Eigenrechnung haben müsse und kein Wettbewerber sein dürfe, was ohne solche Bestimmung nach RG 165 S. 68 (zustimmend Gessler SozPr. 44, 181) nicht allgemein, sondern nur unter besonderen Umständen gelten soll, unter denen die Entsendung gegen die gesellschaftliche Treue verstoßen würde. Der Berechtigte kann auch sich selbst entsenden, wenn er die gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen erfüllt. Die Satzung kann dies ausschließen, was aber nur Bedeutung hat, wenn der Berechtigte nicht Aktienmacht genug hat, um sich evtl. auch selbst wählen zu können. Eine im Widerspruch mit den persönlichen Voraussetzungen erklärte Entsendung ist unwirksam. Dies ist durch Feststellungsklage geltend zu machen. Die u. U. rascher zur Klärung führende Abberufung nach § 103 II oder III ist nicht ausgeschlossen. Nachträglicher Wegfall der gesetzlichen persönlichen Voraussetzungen (z. B. Übertritt in den Vorstand) beendet das Amt, der satzungsmäßigen nicht. Der Wegfall der letzteren oder der Eintritt satzungsmäßiger Hinderungsgründe kann aber zur Abberufung führen. Die Satzung kann auch sachliche Voraussetzungen (Bindungen) der Wirksamkeit der Entsendung vorsehen, z. B. die Zustimmung des übrigen Aufsichtsrats (dies besonders etwa in Verbindung mit der satzungsmäßigen Begrenzung der Amtsdauer des Entsandten für den Fall seiner wiederholten Entsendung) oder eines Dritten. Die Gesichtspunkte, die es unzulässig erscheinen lassen, daß die Satzung die Wirksamkeit eines (Wahl- oder sonsti518
Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
§101 Anm. 3
gen) Beschlusses der Hauptversammlung von der Zustimmung des Aufsichtsrats oder eines Dritten abhängig macht, greifen hier nicht ein. N u r dürfte wegen des künftigen Verhältnisses des Entsandten als Aufsichtsratsmitglied zum Vorstand die Zustimmung des letzteren von der Satzung nicht vorbehalten werden können. Hält die Satzung die Zustimmung der Hauptversammlung zur Entscheidung vor, so dürfte es sich um ein Vorschlagsrecht mit nachfolgender Wahl durch die Hauptversammlung, vielleicht auch weitgehend mit Verpflichtung zur Wahl handeln, deren Verletzung freilich nur Schadensersatzansprüche begründen kann (vgl. RG 164, 78). Auf ein derartig bestelltes Aufsichtsratsmitglied sind in der Folge die Vorschriften über gewählte Mitglieder anzuwenden. Dies ist namentlich für die Amtsdauer und den Widerruf wichtig. Er hat wie jedes Aufsichtsratsmitglied die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen und ist an Weisungen des Entsendungsberichtigten nicht gebunden (BGH 36, 306). Auch das persönliche Entsendungsrecht setzt den Besitz einer Aktie voraus. Die Satzung kann auch größeren Aktienbesitz voraussetzen. Vorbehaltlich der Satzung braucht es keine Namensaktie zu sein, da sich die Bestimmung des Satzes 2 im Abs. 2 nur auf den Fall bezieht, daß Inhaber bestimmter Aktien entsendungsberechtigt sind. Will der Berechtigte sein Recht (durch Entsendung oder Abberufung) ausüben, muß er seine Aktionärseigenschaft bzw. den geforderten Aktienbesitz durch Aktienvorlegung (Bankbestätigung) nachweisen. Um das Recht der Abberufung im Falle der Veräußerung der Aktien zu sichern und zu vermeiden, daß der ehemalige Berechtigte durch Veräußerung der Aktie das Recht als bloßer Legitimationsaktionär (im Interesse des Erwerbs) weiter ausübt, wird die Satzung zweckmäßig auch das persönliche Entsendungsrecht an den Besitz einer oder mehrere vinkulierter Namensaktien binden oder von der Hinterlegung einer oder mehrerer Aktien bei der Gesellsdhaftskasse mit Vereinbarung der Unabtretbarkeit des Anspruchs aus der Hinterlegung unter Statuierung des Erlöschens des Rechts durch Rücknahme der Aktie abhängig machen. Aktien mit Entsendungsrecht gelten nicht als solche einer besonderen Gattung. Das ist einleuchtend, denn im Grunde stammt das Entsendungsrecht nicht aus der Aktie. Ein Entsendungsrecht, das mit einer Namensaktie verbunden ist, ist zwar eine Erweiterung des persönlichen Entsendungsrechtes eines Aktionärs, aber angesichts der Vinkulation doch an die Persönlichkeit geknüpft. Es bedarf also keiner besonderen Abstimmung bei Satzungsänderungen. Das Entsendungsrecht kann ohne Zustimmung des Berechtigten wirksam auch durch Satzungsänderung nicht beseitigt werden (s. oben). Durch die Formulierung des Abs. 1 S. 1 wird eine Streitfrage insoweit entschieden, als danach Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre von der Hauptversammlung gewählt werden „soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden" sind. Das bedeutet, daß die Hauptversammlung, solange ein 519
§101 Anm. 3—5
Verfassung der Aktiengesellschaft
Entsendungsrecht besteht, keine Wahl vornehmen kann, wenn der Entsendungsberechtigte sein Recht nicht ausübt. Das Wahlrecht geht nur dann auf die Hauptversammlung über, wenn der Entsendungsberechtigte ausdrücklich auf die Ausübung seines Rechts verzichtet hat. Dies wird man allerdings zwingend annehmen müssen, weil sonst die Bildung eines ordnungsmäßig zusammengesetzten Aufsichtsrats nicht möglich ist. Ist der zu Entsendende zur Beschlußfähigkeit erforderlich, kann über § 104 (Bestellung durch das Gericht) geholfen werden. III. Bestellung der Aktionäre der Arbeitnehmer Anm. 4: Das Gesetz regelt die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht, vielmehr verweist es im Abs. 1 auf das Betriebsverfassungsgesetz und das Mitbestimmungsergänzungsgesetz. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz erfolgt die Wahl durch die Arbeitnehmer (§ 76 BetrVerfG) ohne Mitwirkung der Hauptversammlung der Gesellschaft. Soweit das Mitbestimmungsgesetz anzuwenden ist, erfolgt die Wahl nach § § 6 und 8 MitbestG. Hier wirkt die Hauptversammlung mit, sie ist an die Wahlvorschläge gebunden. § 101 I S. 2 weist darauf hin, daß dies der einzige Fall ist, in dem die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist. Das bedeutet, daß sie sonst, wenn sie überhaupt an der Wahl mitwirkt, also insbesondere bei der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre, an keinen Wahlvorschlag gebunden werden kann (über Wahlvorschläge von Aktionären vgl. § 127 und Anm. dort). Nach dem MitbestErgG findet eine Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 6 MitbestErgG statt. Außerdem haben die Spitzenorganisationen ein Entsendungsrecht, auf das im § 100 II S. 1 hingewiesen wird. Für das Rechtsverhältnis zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer und der Gesellschaft gilt das gleiche, was oben unter Anm. 2 für die Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre ausgeführt wurde, wie überhaupt von dem Augenblick an, in dem die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer dies sind, sie die gleichen Rechte und Pflichten haben, wie die Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre (vgl. hierzu § 96 Anm. 2). Audi die persönlichen Voraussetzungen nach § 100 I und die Hindernisse nach § 100 II gelten in gleicher Weise für alle Aufsichtsratsmitglieder. Für die der Arbeitnehmer gelten zusätzlich nach § 100 I I I die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz und den Mitbestimmungsgesetzen ergebenden persönlichen Voraussetzungen (vgl. hierzu § 100 Anm. 6). IV. Stellvertreter und Ersatzmitglieder Anm. 5: Unter stellvertretenden Mitgliedern versteht man solche, die nur dann tätig werden, wenn das ordentliche Aufsichtsratsmitglied, für das sie 520
Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
§101
Anm. 5
als Stellvertreter bestellt sind, behindert ist. Solche Stellvertretung war bisher für zulässig erachtet worden. Sie brachte aber erhebliche rechtliche Schwierigkeiten mit sich. Nachdem durch die neue Bestimmung des § 108 III an der Teilnahme der Sitzung verhinderte Aufsichtsratsmitglieder dadurch an der Beschlußfassung des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse teilnehmen können, daß sie schriftliche Stimmabgaben überreichen lassen, besteht keine Notwendigkeit mehr für Stellvertreter. Deren Bestellung ist deshalb durch ausdrückliche Bestimmung für die Zukunft untersagt. Zulässig bleibt die auch bisher schon vielfach übliche Bestellung von Ersatzmitgliedern. Diese können für jedes Aufsichtsratsmitglied mit Ausnahme des „weiteren Mitglieds" nach dem Mitbestimmungsgesetz und dem MitbestErgG in der Weise bestellt werden, daß sie mit dem Ausscheiden des Aufsichtsratsmitgliedes, für das sie bestellt sind, Mitglieder des Aufsichtsrates werden. Es kann nur für jedes Aufsichtsratsmitglied ein bestimmtes Ersatzmitglied bestimmt werden. Das schließt nicht aus, daß für mehrere Aufsichtsratsmitglieder dieselbe Person als Ersatzmitglied bestellt wird, hat aber zur Voraussetzung, daß beispielsweise bei den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen für die Aufsichtsratsmitglieder und das Ersatzmitglied in gleicher Weise zutreffen. Es kann also z. B. nicht bei Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes für einen Arbeiter ein Angestellter Ersatzmitglied sein. Hier könnten also nur, wenn zwei Arbeiter Aufsichtsratsmitglieder sind, für diese beiden gleichmäßig ein Ersatzmitglied, das Arbeiter ist, bestellt werden. Bei den Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre können solche Bedenken nicht aufkommen, doch wird es auch hier unzweckmäßig sein, für mehrere Aufsichtsratsmitglieder ein Ersatzmitglied zu bestellen, weil die Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder nach Beruf oder Kenntnissen erfolgt und mithin eine Ergänzung des Aufsichtsrats unter diesen Gesichtspunkten individuell erfolgen sollte. Immer muß das Ersatzmitglied für bestimmte Mitglieder bestellt werden, nicht etwa für eine Gruppe (z. B. der Mitglieder der Aktionäre). Es ist zu beachten, daß die Bestellung des Ersatzmitgliedes zusammen mit dem Aufsichtsratsmitglied erfolgen muß. Es ist also dann nicht möglich, ein Ersatzmitglied für mehrere Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen, wenn nidht gleichzeitig alle beteiligten Aufsichtsratsmitglieder und alle beteiligten Ersatzmitglieder bestellt werden können, weil die Amtszeit verschieden ist und die Wahl bei verschiedener Gelegenheit vorzunehmen ist. Ob ein Ersatzmitglied zu bestellen ist, entscheidet derjenige, der zur Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds, für das das Ersatzmitglied bestellt werden soll, berechtigt ist. Das kann also die Hauptversammlung sein oder die Arbeitnehmerschaft eines Betriebes oder der Entsendungsberechtigte einer Spitzenorganisation der Gewerkschaften oder ein entsendungsberedhtigter Aktionär. Die Satzung kann die Wahl von Ersatzmitgliedern nicht verbieten (§ 23 IV). Anders als die Aufsichtsratsmitglieder werden die Ersatzmitglie521
§ § 1 Ol / 1 0 2 Anm. 5, 6 / 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
der noch nicht mit ihrer Bestellung zum Ersatzmitglied Mitglieder des Aufsichtsrats, vielmehr erfolgt diese Bestellung unter der im Gesetz selbst enthaltenen aufschiebenden Bedingung, daß ihre Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied erst wirksam wird, wenn das Aufsichtsratsmitglied, für das es als Ersatzmitglied bestellt ist, vor Ablauf der Amtszeit aus dem Aufsichtsrat ausscheidet. Die Bestellung erfolgt für die gleiche Amtszeit wie die der mit ihnen gleichzeitig bestellten Aufsichtsratsmitglieder. Das bedeutet, daß ihr Amt spätestens mit dem Ablauf der Amtszeit des weggefallenen Aufsichtsratsmitgliedes, für das sie in den Aufsichtsrat eingetreten sind, endet (§ 102 II). Über das Nachrücken von Ersatzmitgliedern oder Nachwahl von Arbeitnehmervertreter vgl. BGH in BB 66, 327. Nach § 103 V kann ein Ersatzmitglied auch als solches abberufen werden. V. Übergangsbestimmungen Anm. 6: Nach § 12 EG treten Bestimmungen der Satzung über Stellvertreter von Aufsichtsratsmitgliedern mit der Beendigung der Hauptversammlung außer Kraft, die über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das am 31.12.1965 endende oder laufende Geschäftsjahr abgehalten wird, spätestens nach 8 Monaten des neuen Geschäftsjahres (§ 120 I). § 102 Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder (1) Aufsichtsratsmitglieder können nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nadi dem Beginn der Amtszeit besdiließt. Das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet. (2) Das Amt des Ersatzmitglieds erlischt spätestens mit Ablauf der Amtszeit des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds. I. Übersicht (Anm. 1) II. Satzungsbestimmungen (Anm. 2)
III. Gesetzliche Höchstdauer (Anm. 3) IV. Ersatzmitglieder (Anm. 4)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht im wesentlichen den Bestimmungen des § 87 I AktG 37. Während dort nur von den gewählten Aufsichtsratsmitgliedern die Rede war, wird durch die neue Formulierung klargestellt, daß sich die Bestimmung auch auf die auf andere Weise bestellten Aufsichtsratsmitglieder, und zwar gleichmäßig auf die der Aktionäre und die der Arbeitnehmer, bezieht. Dadurch wird gleichzeitig eine bisher bestehende Streitfrage, ob auch die entsandten Mitglieder nach Ablauf der Frist ausscheiden, 522
Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder
§ 102
Anm. 1—3
in diesem Sinne klargestellt. Ferner stellt die neue Bestimmung, nicht mehr wie die bisherige auf die Wahl, sondern auf den Beginn der Amtszeit die Berechnung der Frist ab. Neu ist die Bestimmung des Abs. 2, sie ergibt sich aus der neuen Bestimmung des § 101 über Ersatzmitglieder. IL Satzungsbestimmungen Anm. 2: Die Amtsdauer des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ist vom ersten Aufsichtsrat (§ 30 II) abgesehen, gesetzlich nicht bestimmt, aber durch eine Höchstdauer begrenzt. Satzung oder Wahlbeschluß müssen sich also darüber äußern. Die Wahl kann auf kürzere als satzungsmäßige Dauer beschlossen werden, ohne daß der Beschluß anfechtbar ist, da die Hauptversammlung ja auch zu einem vorzeitigen Widerruf berechtigt ist. Äußern sich weder Satzung noch Wahlbeschluß ausdrücklich, so dürfte letzterer dahingehend auszulegen sein, daß die Wahl für die gesetzliche Höchstdauer gelten soll. III. Gesetzliche Höchstdauer Anm. 3: Durch die vorliegende Bestimmung wird die Amtszeit eines jeden Aufsichtsratsmitgliedes durch eine gesetzliche Höchstdauer begrenzt. Nach dieser erlischt das Amt mit Beendigung der Hauptversammlung, welche über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt. Unterbleibt oder verzögert sich der Entlastungsbeschluß, so verlängert sich die Amtszeit allgemeine A, für viele Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 87 Anm. 11). Das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet — ist die Amtsdauer durch Satzung oder Wahlbeschluß auf eine geringere Zahl von Jahren festgesetzt, wird im Zweifel mangels gegenteiliger Bestimmung dasselbe anzunehmen sein —, so daß die Höchstdauer der Amtszeit, vorbehaltlich der Verzögerung des Entlastungsbeschlusses, für das vierte Geschäftsjahr 5 Jahre beträgt. Wird über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr kein Beschluß gefaßt, soll aber ein Amt trotzdem enden, so ist dazu entweder Amtsniederlegung oder Abberufung nach § 103 erforderlich. Die gesetzliche Bestimmung über die Höchstdauer ist zwingend. Eine Wahl für längere Zeit nicht ungültig, sie hat aber nur Wirkung bis zur gesetzlichen Höchstdauer. Ist diese erreicht, endet das Amt, obwohl die Wahl auf längere Zeit erfolgte. Wiederwahl ist zulässig, bestritten ist, ob diese ohne Abberufung des im Amt befindlichen Aufsichtsrats schon vor Ablauf der ursprünglichen Amtszeit beschlossen werden kann (Verneinend Schl.-Qu. § 8 7 Anm. 17; R G 129, 183 die Wiederwahl sei anfechtbar; R G 166, 187 unter Bezug auf erstere Entscheidung). U. E. ist dies mit der Maßgabe zu bejahen, daß die von der Wiederwahl abzuredinende Amtszeit nicht länger sein kann als die gesetzliche bzw. satzungsmäßige Höchstdauer vom gleichen 523
§§ 102 / 1 0 3 Anm. 3 , 4
Verfassung der Aktiengesellschaft
Zeitpunkt an gerechnet, ohne daß der Beschluß anfechtbar ist. Abberufung mit gleichzeitiger Wiederwahl ist so widerspruchsvoll, daß sich nicht gut sagen läßt, Abberufung mit gleichzeitiger Wiederwahl sei immer möglich, und man könne in vorzeitiger Wiederwahl zugleich immer die Abberufung sehen, so daß sich die Meinungsverschiedenheiten auf die Frage der erforderlichen Mehrheiten beschränke. Die Amtszeit rechnet für jedes Mitglied einzeln. Wird der gesamte Aufsichtsrat gleichzeitig gewählt, so ergibt sich freilich, vorbehaltlich abweichender Bestimmung des Wahlbeschlusses und vorzeitigen Ausscheidens einzelner Mitglieder, eine gleichzeitige Beendigung der Ämter aller Mitglieder. U m dies zu vermeiden, bestimmt häufig schon die Satzung, daß alljährlich ein der Jahreszahl der Amtsdauer entsprechender Bruchteil der Aufsichtsratsmitglieder auszuscheiden habe, der durch Los zu bestimmen sei, bis sich ein Turnus ergibt. Derartige Bestimmungen sind nur für Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre zulässig. Für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gelten zwingend die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und der Mitbestimmungsgesetze. Ist ein solcher Turnus weder durch die Satzung, noch durch Wahlbeschluß herbeigeführt, so kann das gleiche Ergebnis dadurch erzielt werden, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre nach entsprechender Vereinbarung ihr Amt vorzeitig niederlegen. Auch hier kann vereinbarungsgemäß das Los entscheiden. Auch die H a u p t versammlung kann nachträglich einen solchen Turnus einführen, indem sie auch ohne Einverständnis der Aufsichtsratsmitglieder diese nach § 103 mit der dort vorgeschriebenen Mehrheit abberuft, um sie alsdann wiederzuwählen. Dies wäre einer der Fälle, in denen gleichzeitig Abberufung und Wiederwahl sinnvoll erscheinen. IV. Ersatzmitglieder
Anm. 4: Über die besondere Stellung der Ersatzmitglieder vergleiche § 101 Anm. 5. D a das Ersatzmitglied erst mit dem Ausfall des Aufsichtsratsmitglieds, für das es als Ersatzmitglied bestellt wurde, Mitglied des Aufsichtsrats wird, konnte es fraglich sein, ob damit eine Höchstdauer für seine Amtszeit nach Abs. 1 neu zu errechnen sei. Vorstehende Regelung bestimmt, daß das A m t des Ersatzmitglieds mit dem Ablauf der Amtszeit des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds endet. Die Bestimmung ist zwingend, entgegenstehende Satzungsbestimmungen sind nichtig. § 103 A b b e r u f u n g der Aufsiditsratsmitglieder (1) Aufsiditsratsmitglieder, die v o n der H a u p t v e r s a m m l u n g ohne Bindung an einen Wahlvorschlag gewählt worden sind, können v o n ihr vor Ablauf der Amtszeit abberufen werden. Der Beschluß bedarf einer Mehr524
Abberufung der Aufsiditsratsmitglieder
§ 103
Anm. 1
heit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann eine andere Mehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (2) Ein Aufsichtsratsmitglied, das auf Grund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt ist, kann von dem Entsendungsberechtigten jederzeit abberufen und durch ein anderes ersetzt werden. Sind die in der Satzung bestimmten Voraussetzungen des Entsendungsrechts weggefallen, so kann die Hauptversammlung das entsandte Mitglied mit einfacher Stimmenmehrheit abberufen. (3) Das Gericht hat auf Antrag des Aufsiditsrats ein Aufsichtsratsmitglied abzuberufen, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Der Aufsichtsrat beschließt über die Antragstellung mit einfacher Mehrheit. Ist das Aufsichtsratsmitglied auf Grund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt worden, so können auch Aktionäre, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen, den Antrag stellen. Gegen die Entsdieidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (4) Für die Abberufung der Aufsiditsratsmitglieder, die weder von der Hauptversammlung ohne Bindung an einen Wahlvorschlag gewählt worden sind noch auf Grund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt sind, gelten außer Absatz 3 das Betriebsverfassungsgesetz, das Mitbestimmungsgesetz und das Mitbestimmungsergänzungsgesetz. (5) Für die Abberufung eines Ersatzmitglieds gelten die Vorschriften über die Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds, für das es bestellt ist. I. Übersicht (Anm. 1) II. Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre 1 . V o n der Hauptversammlung Gewählte (Anm. 2) 2. Entsandte (Anm. 3) III. Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (Anm. 4) 1. Abberufung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (Anm. 5)
2. Abberufung nach dem Mitbestimmungsgesetz (Anm. 6) 3. Abberufung nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz (Anm. 7) IV. Abberufung durch das Gericht (Anm. 8) V. Beendigung des Amtes vor Zeitablauf ohne Abberufung (Anm. 9)
I. Übersicht Anm. 1: Die Abs. 1 und 2 beziehen sich auf Aufsiditsratsmitglieder der Aktionäre, und zwar Abs. 1 auf solche, die von der Hauptversammlung gewählt sind und Abs. 2 auf von Aktionären entsandte. Der Abs. 3 bezieht sich insoweit sowohl auf Aufsiditsratsmitglieder der Aktionäre als auch auf die der Arbeitnehmer. Der Abs. 4 bezieht sich auf die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. Abs. 5 behandelt die Abberufung 525
§103
Anm. 1, 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
eines Ersatzmitgliedes und bezieht sich insoweit sowohl auf Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre als auch auf die der Arbeitnehmer. Das AktG 37 hatte nur die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre geregelt, und zwar im § 87 II AktG 37 die von der Hauptversammlung Gewählten und in § 88 IV und V AktG 37 für die entsandten Aufsichtsratsmitglieder. Die Bestimmungen sind fast unverändert in § 103 I und II übernommen worden. II. Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre 1. Von der Hauptversammlung Gewählte Anm. 2: Die von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre können jederzeit ohne Angabe eines Grundes abberufen werden. Dies kann nur durch einen Beschluß der Hauptversammlung erfolgen. Nur von dieser im Einzelfall, aber nicht satzungsmäßig, kann die Wirksamkeit der Abberufung, etwa in Ubereinstimmung mit von der Gesellschaft eingegangenen Verpflichtungen, von der Zustimmung des Vorstandes, Aufsichtsrats, einer Behörde, eines Dritten oder des Abzuberufenden abhängig gemacht werden. Der Beschluß der Hauptversammlung setzt eine qualifizierte Stimmenmehrheit von 3U der abgegebenen Stimmen, keine Kapitalmehrheit, voraus, so daß etwa noch vorhandene Mehrstimmrechtsaktien sich voll auswirken. Die Stimme der abzuberufenden Aufsichtsratsmitglieder sind mitzuzählen, sie sind stimmberechtigt. Die Satzung kann das Recht auf Abberufung nicht ausschließen und die insoweit zwingenden gesetzlichen Bestimmungen nur ergänzen. Ändern kann sie sie nur im Rahmen der ausdrücklichen Bestimmung des Satzes 3. Danach kann sie für den Abberufungsbeschluß sowohl kleinere wie größere Mehrheiten vorschreiben, nicht aber, was die freie Abberufung einschränken würde, etwa daß die Stimme des Abzuberufenden zu der Mehrheit für die Abberufung gehören müsse, auch nicht, daß die erforderliche Mehrheit unter verschiedenen Voraussetzungen, etwa das Vorliegen eines wichtigen Grundes, eine verschiedene sein solle (Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 87 Anm. 18; Schi.-Qu. § 87 Anm. 21). Ferner kann die Satzung Erschwernisse festlegen, also einen Mindestbruchteil des Grundkapitals, nicht bestimmte Voraussetzungen, unter denen überhaupt ein Widerruf zulässig sein soll, wie z. B. Vorliegen eines wichtigen Grundes. Der Abberufungsbeschluß (nicht die Satzung) kann die Abberufung aufschiebend bedingen (selbst durch Zustimmung eines Dritten oder des Abberufenen) oder betagen. Widerruf der Abberufung ist nur durch Wiederwahl möglich. Da die Bildung des Aufsichtsrats für die Aktionäre die so gut wie einzige Handhabe ist, die Auswahl des Vorstandes und damit die Geschäftsführung zu beeinflussen, wird für die Aktionäre die Erleichterung der Abberufung durch Zulassung der 526
A b b e r u f u n g der Aufsichtsratsmitglieder
§ 103
Anm. 2,3
einfachen Mehrheit ratsamer sein als die Erschwerung. Für den ersten Aufsichtsrat gilt nach § 30 III eine verkürzte Amtszeit; trotzdem ist eine Abberufung möglich, die nach der vorliegenden Bestimmung zu erfolgen hat. Für die Abberufung durch das Gericht s. Anm. 8. 2. Entsandte Anm. 3: Ein von einem Aktionär entsandtes Aufsichtsratsmitglied kann aus drei Gründen abberufen werden: a) von dem Entsendungsberechtigten jederzeit b) durch das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats aus wichtigem Grunde c) durch die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit, wenn die Voraussetzungen des Entsendungsrechts weggefallen sind. Zu a) Der Entsendungsberechtigte kann auf Ersuchen der Gesellschaft oder aus eigenem Antrieb den Entsandten jederzeit abberufen, also auch, wenn er sich selbst entsandt hatte, jederzeit niederlegen und ein neues Mitglied bestellen. Die Vorschrift ist zwingend; das bedeutet, daß die Abberufung durch die Satzung nicht erschwert werden kann, z. B. nicht durch die Vorschrift einer Mindestdauer der Entsendung, nach herrschender Ansicht auch nicht dadurch, daß eine Ersatzentsendung untersagt wird. Gewisse Grenzen bestehen nach Treu und Glauben auch hier. Es würde schon mit Rücksicht auf § 106 ein Rechtsmißbrauch sein, wenn etwa in jeder Aufsichtsratssitzung ein Anderer entsandt würde, unter jeweiliger Abberufung des früheren Mitglieds. Im übrigen kann aber die Gesellschaft die Abberufung selbst dann nicht verhindern, wenn dadurch der Aufsichtsrat unvollständig wird, auch keinen Schadenersatz fordern. H a t der Entsendungsberechtigte selbst bei der Entsendung eine Amtszeit festgesetzt, so ist es Auslegungsfrage, ob darin ein Verzicht auf vorzeitige Abberufung liegt mit der Wirkung, daß die Abberufung aus wichtigem Grund zulässig bleibt. Ein solcher auf Zeit beschränkter Verzicht im Einzelfall ist keine Minderung des zwingend vorgeschriebenen Abberufungsrechts und sonach gegenüber der Gesellschaft, aber auch schuldrechtlich gegenüber dem Entsandten statthaft und wirksam. Auch der Aktienerwerber ist daran gebunden. Liegt in der Bestimmung der Amtszeit kein Verzicht auf Abberufung, so ist sie dem Berechtigten auch vor Zeitablauf gestattet. Auch die Satzung kann bestimmen, daß die Amtszeit bei der Entsendung auf die satzungsmäßige Dauer der übrigen Mandate zu beschränken sei. In diesem Fall liegt in der zeitlichen Begrenzung natürlich kein Verzicht des Entsenders auf vorzeitige Abberufung. Die gesetzliche Höchstdauer des § 102 I gilt auch für die entsandten Aufsichtsratsmitglieder. Nach Beendigung ihrer Amtszeit muß, wenn sie weiter Aufsichtsratsmitglieder bleiben sollen, eine Neuentsendung erfolgen. Das unentziehbare Abberufungsrecht des Entsenders hat zur Folge, daß der Entsandte keinen Schadenersatz wegen vertragswidriger Abberufung verlangen kann. Da das 527
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Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 3
aktienrechtliche Abberufungsrecht ohne aktienrechtlichen Vorbehalt nicht bürgerlich-rechtlich abgedungen werden kann, kann der Entsender auch nicht dadurch schadenersatzpflichtig werden, daß er den Wegfall des Entsendungsrechts verschuldet (z. B. die Aktie veräußert). Zu b) vgl. unten Anm. 8. Zu c) Sind die in der Satzung bestimmten Voraussetzungen des Entsendungsrechts weggefallen, so kann — nicht muß — die Hauptversammlung das entsandte Mitglied abberufen. Der Abberufungsbeschluß bedarf, anders als bei der Abberufung eines gewählten Aufsichtsratsmitglieds, nur der einfachen Mehrheit. Die Satzung kann nichts Abweichendes bestimmen. Da die Abberufung nicht zwingend vorgeschrieben ist, muß sie nicht unmittelbar nach Wegfall der satzungsmäßigen Voraussetzungen erfolgen, sie kann auch später erfolgen bis zum Ablauf der Amtszeit des Entsandten. Soll dieser weiter im Aufsichtsrat verbleiben, so kann dies, da eine Neuentsendung wegen Wegfalls der satzungsmäßigen Voraussetzungen nicht in Frage kommt, nur durch eine Wahl in den Aufsichtsrat erfolgen; dann ist er wie ein gewähltes Aufsichtsratsmitglied der Aktionäre zu behandeln, seine Abberufung ist dann nur mit qualifizierter Mehrheit nach Abs. 1 zulässig. Die Voraussetzungen für ein Entsendungsrecht können durch Veräußerung der Aktien wegfallen, an die das Entsendungsrecht geknüpft ist. Denkbar ist ferner, daß das Aktienrecht und damit das Entsendungsrecht durch satzungsmäßig angeordnete Zwangseinziehung oder durch Kapitalherabsetzung mittels Zusammenlegung von Aktien untergeht, wenn die Aktien, mit denen das Recht verbunden ist, davon betroffen werden. Wenn der persönlich Entsendungsberechtigte trotz der Zusammenlegung überhaupt Aktionär bleibt, bleibt ihm das Recht natürlidi erhalten. Setzt das Recht nicht nur den Besitz einer, sondern einer bestimmten Aktie voraus, und wird diese — nicht schon etwa auf Grund entsprechenden Vorbehalts des Herabsetzungsbeschlusses durch Zuzahlung oder, wenn sie höheren Nennbetrag hatte, durch bloße Nennwertsermäßigung vor der Zusammenlegung bewahrt, sondern — mit anderen Aktien zu einer neuen zusammengelegt, so dürfte das Recht erhalten bleiben, obwohl das alte Aktienrecht nicht mehr besteht. Stand das Recht dem jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien zu und bleiben davon überhaupt welche erhalten (z. B. der jeweilige Inhaber der Aktien Nr. 1 bis 125 ist berechtigt, ein Mitglied in den Aufsichtsrat zu entsenden, sie werden im Verhältnis 1 : 5 zusammengelegt. Aus der Zusammenlegung bleiben 25 Aktien erhalten), wird den Aktionären dieser Aktien das Recht auch in Zukunft ungeschmälert zustehen, soweit nicht die Höchstzahl der Aufsichtsratssitze heruntergeht. Stand aber das Recht dem Aktionär einer einzelnen bestimmten Aktie zu und fällt diese der Zusammenlegung anheim, z.B. war im Verhältnis 1 : 4 zusammengelegt, so wird eine Satzungsänderung notwendig sein, um das Entsendungsrecht zu erhalten. Findet sich für 528
Abberufung der Aufsiditsratsmitglieder
§ 103 Anm. 3
die Satzungsänderung keine Mehrheit, so geht das Recht aus diesem Anlaß unter. Die Kapitalherabsetzung kann auch einen vorhandenen satzungsmäßig notwendigen Mindestbesitz schmälern. Durdi Auslegung der Satzung (oder auch des Kapitalherabsetzungsbeschlusses) dürfte sich ergeben, daß fortan ein der Kapitalherabsetzung entsprechend geringerer Aktienbesitz vorausgesetzt ist. Dagegen wird man nicht umgekehrt als Folge einer Kapitalerhöhung einen entsprechend höheren Besitz fordern können. In allen Fällen der Kapitalherabsetzung und -erhöhung werden zweckmäßig die auftauchenden Fragen durchzudenken und durch den Inhalt des Hauptversammlungsbeschlusses auszuräumen sein. Zur Aufhebung des Entsendungsrechts ist immer Satzungsänderung und demnach Hauptversammlungsbeschluß erforderlich. Meist kann sich der Berechtigte damit genug sein lassen, daß er das Redit nicht ausübt, aber mitunter kann die angegebene Sachlage auch lästig werden. Beispiel: das Entsendungsrecht ist mit einem größeren Betrag vinkulierter Aktien verbunden, den der Berechtigte ganz oder teilweise veräußern möchte. Der Vorstand hat Bedenken, das Recht ganz oder teilweise (zum Mitrecht) in andere Hände kommen zu lassen. Der Berechtigte kann die Bedenken nicht beheben, indem er vor Veräußerung auf das Recht verzichtet. Man muß die Hauptversammlung zwecks Satzungsänderung berufen. Satzungsmäßige Bedingungen können derart sein, daß ihr Fehlen kein Grund für den Untergang des Rechts zu sein braucht, sondern auch einen bloßen Hinderungsgrund für die Ausübung des Rechts darstellen kann. Das gilt namentlich, wenn es sich nicht um einen notwendig bleibenden, vielmehr um einen möglicherweise nur vorübergehenden Zustand handelt (z. B. Wettbewerb, Fehlbeträge am Aktienmindestbesitz). O b das Recht trotzdem untergehen oder nur seine Ausübung ruhen soll, ist Sache der Satzungsauslegung. Regelmäßig wird wohl das letztere anzunehmen, aber die Hauptversammlung gleichwohl berechtigt sein, den Entsandten zunächst abzuberufen. Dieselbe Erwägung ist bei der Gesetzesauslegung hinsichtlich des gesetzlichen Erfordernisses des Besitzes wenigstens einer Aktie bei dem persönlichen Entsendungsrecht anzustellen und dürfte auch bei dieser zutreffen. Wenn mehrere gemeinsame Berechtigte vorhanden sind und die auch persönliche Eigenschaften oder persönliches Verhalten abgestellten Voraussetzungen nur bei einem von ihnen fortfallen, bleibt das Entsendungsrecht bestehen, und scheidet nur der eine Beteiligte dauernd oder vorübergehend aus der Ausübung aus. Sein Recht an der Aktie kann davon nicht betroffen werden. O b die Rechtsgemeinschaft an dieser, wenn eine Rechtsgemeinschaft an der Aktie bestand, dadurch aufgehoben wird und wie, ist eine Frage des bürgerlichen Rechts. In anderen Fällen ist ein Abberufungsbeschluß unwirksam und unbeachtlich. Der Entsandte bleibt Mitglied des Aufsichtsrats.
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Wilhelm!, Aktiengesetz
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§103
Anm. 3
Verfassung der Aktiengesellschaft
Der Hauptversammlung kann die Satzung auch das Recht vorbehalten, den Entsandten in jedem Fall mit dem Erfolg abzuberufen, daß der Berechtigte eine andere Person zu entsenden hat. Die Zulässigkeit eines solchen Vorbehalts ergibt sich daraus, daß es sich hierbei um ein von vornherein abgeschwächtes Entsendungsrecht handelt. Dazu kann die Satzung einfache Mehrheit als genügend erklären. Äußert sie sich über die Mehrheit nicht, ist Dreiviertelmehrheit erforderlich. Die Voraussetzung des Entsendungsrechts fällt nicht für immer weg, wenn der persönlich Berechtigte seine Aktien veräußert. Zwar kann die Hauptversammlung den Entsandten abberufen, aber das Entsendungsrecht geht nicht unter, sondern es ruht. Der Berechtigte kann das Entsendungsrecht neu ausüben, wenn er eine Aktie oder den von der Satzung vorausgesetzten höheren Aktienbesitz zurückerwirbt. Es ist nicht richtig, daß die Gesellschaft in der Zwischenzeit durch Satzungsänderung das Recht ohne seine Zustimmung aufheben könne (Sdimidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 88 I V ) , denn das Recht ist, wenn es auch gesetzlich den Besitz einer Aktie voraussetzt, mit einer Person verknüpft. Solange diese besteht, kann die gesetzliche Bedingung des Rechts (wenn sie nicht überhaupt nur eine Bedingung seiner Ausübung ist) eintreten. Steht das Recht mehreren bestimmten Aktionären gemeinsam zu und veräußert nur einer, so bleibt das Recht der übrigen bestehen. Auch hier sind aber verschiedene Gestaltungen denkbar. Es ist denkbar, daß der Besitz mehrerer bestimmter Aktien Voraussetzung des den mehreren persönlich zustehenden Rechts ist, und daß durch die Veräußerung eines Teils dieser Aktien, wenn sie unter die mehreren persönlich Berechtigten aufgeteilt sind, durch einen von diesen die übrigen nicht mehr über alle diese Aktien verfügen. Dann ruht auch ihr Recht bis sie die veräußerten Aktien zurückerworben haben. In einem solchen Fall dürften also die Aktien nicht aufgeteilt werden. Wie ist es, wenn das Recht einem bestimmten Aktionär zusteht und dieser Aktionär stirbt? Geht das Recht auf den Erben über, solange dieser die Aktie behält? Maßgebend ist die ausdrückliche oder durch Auslegung zu ermittelnde Satzungsbestimmung; läßt sich die Unvererblichkeit des Rechts aus der Satzung nicht entnehmen, ist es vererblich, denn auch wenn es mit einer vinkulierten Namensaktie verbunden ist, geht es auf den Erben über. Im Falle der Fusion einer entsendungsberechtigten Gesellschaft geht das Recht unter, wenn es ihr als Aktionärin persönlich eingeräumt war. War es mit einer ihr gehörigen Namensaktie verbunden, ruht es, wie die übrigen Rechte aus der Aktie, wenn die Gesellschaft dem Rechtsübergang nicht zustimmt, bis die aufnehmende bzw. neugebildete A G die Aktie mit Zustimmung der Gesellschaft weiter überträgt. Dies ergibt die Interessenlage in beiden Fällen der Fusion. Das Entsendungsrecht erlischt durch die Fusion der Gesellschaft, die es betrifft, weil es durch deren Untergang gegenstandslos wird. 530
Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder
§103
Anm. 4—6
III. Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer Anm. 4: Die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wird nicht im Aktiengesetz geregelt, vielmehr verweist dieses in Abs. 4 der vorliegenden Bestimmung auf das Betriebsverfassungsgesetz, das Mitbestimmungsgesetz und das Mitbestimmungsergänzungsgesetz. Neben den Bestimmungen dieser Gesetze gilt allerdings auch für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer der Abs. 3, wonach ganz allgemein Aufsichtsratsmitglieder durch das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats abberufen werden können, sofern ein wichtiger Grund vorliegt; s. hierzu unter Anm. 8 unten. 1. Abberufung nach dem Betriebsverfassungsgesetz Anm. 5: Nach § 76 V des Betriebsverfassungsgesetzes kann die Bestellung eines Aufsichtsratmitglieds der Arbeitnehmer widerrufen werden, auf Antrag der Betriebsräte oder von mindestens Vs der wahlberechtigten Arbeitnehmer der Betriebe des Unternehmens durch Beschluß der wahlberechtigten Arbeitnehmer. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens SU der abgegebenen Stimmen umfaßt. Das Verfahren ist recht umständlich und führt, wie eine Reihe von Fällen gezeigt hat, selbst dann nicht immer zum Ziel, wenn das Verbleiben des Aufsichtsratsmitglieds die Interessen der Gesellschaft gefährdet. Das ist auch der Grund, warum der Gesetzgeber die besondere Abberufung durch das Gericht aus wichtigem Grund eingeführt hat. 2. Abberufung nach dem Mitbestimmungsgesetz Anm. 6: Nach § 11 II des MitbestG sind die in § 6 MitbestG bezeichneten Mitglieder des Aufsichtsrats, das sind die in § 4 I b MitbestG aufgeführten, von den Arbeitnehmern bzw. von den Spitzenorganisationen der Hauptversammlung vorzuschlagenden fünf Aufsichtsratsmitglieder, nach der Bestimmung des § 87 II AktG 37 abzuberufen mit der Maßgabe, daß die Abberufung auf Vorschlag derjenigen Stelle erfolgt, auf deren Vorschlag das Aufsichtsratsmitglied gewählt wurde. Da diese in Bezug genommene Bestimmung des Aktiengesetzes 1937 in ihren hier allein in Frage kommenden Sätzen 2 und 3 wörtlich mit der neuen Bestimmung im § 103 I S. 2 und 3 übereinstimmt, war eine Änderung dieser Verweisung im Mitbestimmungsgesetz nicht erforderlich. Es gilt praktisch die neue Bestimmung des § 103 I S. 2 und 3, d. h., es gelten insoweit dieselben Bestimmungen wie für die Abberufung von durch die Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre. § 11 III MitbestG regelt die Abberufung des in § 8 MitbestG bezeichneten Mitglieds des Aufsichtsrats, das ist das in § 4 I unter c MitbestG aufgeführte „weitere Mitglied". Hier kann die Abberufung auf Antrag von mindestens 3 Aufsichtsratsmitgliedern durch das Gericht aus wichtigem Grunde erfolgen. Nach der ausdrücklichen Bestimmung des Abs. 4 531 34»
§103
Anm. 6—8
Verfassung der Aktiengesellschaft
gilt diese Bestimmung neben der des Abs. 3. Sie unterscheidet sich insofern von ihr, als für den Antrag bei Gericht auf Abberufung nur 3 Aufsichtsratsmitglieder mitzuwirken brauchen, während bei der Abberufung nach Abs. 3 durch das Gericht ein mit einfacher Mehrheit gefaßter Aufsichtsratsbeschluß vorliegen muß. Endlich besteht ein Unterschied noch insoweit, als nadi § 11 I I I MitbestG jeder wichtige Grund zur Abberufung genügt, während nach Abs. 3 der wichtige Grund in der Person des Abzuberufenden liegen muß. 3. Abberufung nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz Anm, 7: Nach § 10 I des MitbestErgG können die durch die Arbeitnehmer gewählten Mitglieder des Aufsichtsrats vor Ablauf der Wahlzeit auf Antrag der Mehrheit der Betriebsratsmitglieder aus den Betrieben sämtlicher Konzernunternehmen oder von mindestens 1/s der wahlberechtigten Arbeitnehmer abberufen werden. Die Abberufung erfolgt durch Beschluß der Wahlmänner derjenigen Gruppe, als deren Vertreter das Mitglied des Aufsichtsrats gewählt wurde. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens 3A der abgegebenen Stimmen umfaßt. Nach § 10 II MitbestErgG kann ein von einer Spitzenorganisation entsandtes Mitglied des Aufsichtsrats vor Ablauf der Zeit, für die es bestellt ist, auf Antrag der Spitzenorganisation durch das Gericht abberufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Auch diese Bestimmung gilt neben der gerichtlichen Abberufung aus Abs. 3; s. das oben unter Anm. 6 hierzu Ausgeführte. IV. Abberufung durch das Gericht Anm. 8: Nach dem bisherigen Recht konnten Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre, die von der Hauptversammlung gewählt wurden, nicht durch eine gerichtliche Entscheidung abberufen werden. Das galt lediglich für von Aktionären entsandte Aufsichtsratsmitglieder, wenn ein wichtiger Grund zur Abberufung vorlag. Für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sehen sowohl das Mitbestimmungsgesetz, als auch das Mitbestimmungsergänzungsgesetz Abberufung durch das Gericht aus wichtigem Grund vor. In der Praxis hat sich ein Bedürfnis dafür gezeigt, eine gerichtliche Abberufung auch in anderen Fällen zuzulassen. Es ist vorgekommen, daß ein Aufsichtsratsmitglied durch ein krasses gesellschaftswidriges Verhalten für die Gesellschaft untragbar geworden ist, ohne daß es möglich war, ihn auf dem bisher gangbaren Weg abberufen zu lassen. Ein solcher Fall war in jüngster Zeit Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung. Ein Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer war mit Zustimmung des Betriebsrats aus wichtigem Grund fristlos entlassen worden. Er trat dann in ein Konkurrenzunternehmen ein und blieb dennoch Aufsichtsratsmitglied. Der B G H (Die Aktiengesellschaft 1963, 245) hat ihn in dieser Stellung bestätigt. Dieser Fall gab Veranlassung, durch Ein532
Abberufung der Aufsiditsratsmitglieder
§103
Anm. 8
fügung der Bestimmungen des Absatzes 3 die Möglichkeit zu schaffen, ein solches Mitglied aus dem Aufsichtsrat zu entfernen, auch wenn die sonst für die Abberufung dieses Aufsichtsratsmitglieds zuständige Stelle noch nicht über die Abberufung entschieden hat oder eine Abberufung ablehnt. N a d i den neuen Bestimmungen hat das Gericht (§ 14) ein Aufsichtsratsmitglied abzuberufen, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Antragsberechtigt ist der Aufsichtsrat, der darüber mit einfacher Mehrheit beschließt. Insoweit gilt die Bestimmung für alle Aufsichtsratsmitglieder, gleichgültig, ob es sich um solche der Aktionäre oder der Arbeitnehmer handelt, und gleichgültig, auf Grund welcher Bestimmungen sie in den Aufsichtsrat gelangt sind. Eine Sonderbestimmung gilt für Aufsichtsratsmitglieder, die durch einen Aktionär in den Aufsichtsrat entsandt wurden. Bei ihnen kann der Antrag bei Gericht auch von einer Minderheit der Aktionäre — wie schon nach geltendem Recht — deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 2 Millionen D M erreichen, gestellt werden. Die Beschränkung der Abberufungsmöglichkeit durch das Gericht auf einen wichtigen Grund, der in der Person des Entsandten liegt, wird von der herrschenden Ansicht zu der gleichlautenden Bestimmung des AktG 37 nicht allzu strenggenommen. So wird ein wichtiger Grund in Pflichtverletzungen, insbesondere Bruch der Verschwiegenheit über vertrauliche Angaben, die vom Entsandten auch gegenüber dem Entsender zu beobachten ist, und in unüberbrückbaren persönlichen Streitigkeiten des Entsandten mit anderen Aufsichtsratsmitgliedern ohne Rücksicht auf die Verschuldensfrage gesehen. In Betracht kommt auch wirtschaftliches Interesse des Entsandten an Konkurrenzunternehmen (a. A. R G 165, 82 f.), verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen zu deren Leitern usw. Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen im Verfahren nach F G G . Zuständig in erster Instanz ist das Registergericht. Gegen die Entscheidung ist nur die sofortige Beschwerde zulässig, über die das übergeordnete Landgericht entscheidet. Die gerichtliche Abberufung wird durch Zustellung des Beschlusses wirksam (§ 16 FGG). Die sofortige Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Beteiligt sind Antragsteller und Entsendungsberechtigter. Antragsteller ist einmal der Aufsichtsrat, vertreten durch seinen Vorsitzenden, im anderen Fall die Minderheit der Aktionäre, selbstverständlich auch der Mehrheit, nicht aber der Vorstand. Entspricht die Mehrheit einer Hauptversammlung der zur Antragstellung notwendigen Minderheit, so kann die Hauptversammlung beschließen, den Vorstand mit dem Antrag und der Durchführung des Verfahrens zu beauftragen. Der Vorstand ist dann Vertreter dieser Aktionäre. D a s Gericht kann nur abberufen, nicht einen Ersatzmann bestellen. Letzteres bleibt Sache des Entsendungsberechtigten. Der Antrag und das Verfahren ist auch bei unwirksamer Entsendung statthaft. 533
§103
Anm. 9
Verfassung der Aktiengesellschaft
V . Beendigung des Amtes v o r Zeitablauf ohne A b b e r u f u n g Anm. 9: D a s Gesetz regelt nur die Abberufung, nicht aber die sonstigen Gründe für die vorzeitige Beendigung des Amtes. Als solche kommen in Frage: a) die Amtsniederlegung b) die Unmöglichkeit der Amtsausübung Zu a ) : Die Amtsniederlegung (auch Kündigung) ist zulässig, 1. wenn die Satzung sie gestattet unter den von ihr bestimmten Voraussetzungen; es empfiehlt sich auch für den Fall, daß ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, eine Kündigungsfrist vorzusehen oder die Kündigung erst zur Beendigung der nächsten Hauptversammlung wirksam werden zu lassen, wenn durch das sofortige Ausscheiden des Mitglieds die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats nicht mehr gegeben wäre, 2. mit Genehmigung der Hauptversammlung (nicht etwa des Vorstandes oder Aufsichtsrates oder gar nur -Vorsitzenden), 3. im übrigen nur aus wichtigem Grunde. D a s Recht, aus wichtigem Grunde zu kündigen, kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Jedoch ist Zurückhaltung bei Anerkennung eines wichtigen Grundes angebracht. Rechtsprechung ( R G 146 S. 152) und h. M. knüpfen an die Unterscheidung von A u f t r a g und Dienstvertrag an, was auf entsandte Mitglieder überhaupt nicht paßt. Aus dieser Unterscheidung ergibt sich folgendes: bei unentgeltlicher Amtsführung kann das Mitglied sein A m t jederzeit niederlegen ( § 6 7 1 I B G B ) . Die Niederlegung ist in jedem Fall, auch ohne wichtigen Grund, wirksam, verpflichtet aber zu Schadensersatz, wenn sie zur U n zeit geschieht. Dasselbe gilt nach § 627 B G B , wenn das Mitglied keine festen Bezüge, sondern nur Tantiemen ohne Gewährleistung eines Mindestbetrages erhält. Ist aber die Tantieme gewährleistet, oder erhält das Mitglied ausschließlich oder neben einer gewährleisteten Tantieme feste Bezüge, so kann es nur aus wichtigem Grunde niederlegen. Eine Amtsniederlegung ohne einen solchen ist unwirksam (§ 626 B G B ) . Wir halten diese, der N a t u r der Sache fremde, auf eine feste Vergütung abstellende Unterscheidung für unbegründet. Soll ein Mitglied ohne wichtigen Grund den Aufsichtsrat beschlußunfähig machen können, nur weil es keine festen Bezüge oder zwar Tantiemen, aber ohne Garantie und feste Bezüge hat, während es ein Mitglied mit garantierter Tantieme nicht kann, mag auch die Garantie, weil sie regelmäßig durch das Ergebnis übertroffen wird, praktisch noch sowenig eine Rolle spielen? Die Vorschriften des B G B sind nicht für Aufsichtsräte erlassen, nicht auf sie zugeschnitten und daher nur mit Einschränkungen anwendbar. Was wichtiger Grund ist, ist fallweise zu entscheiden. Als solcher wird von herrschender Meinung die Weisung desjenigen anerkannt, in dessen A u f t r a g das A m t übernommen wurde (so auch O L G Frankfurt/Oder J W 3 3 , 130; Schi.-Qu. § 87 Anm. 26), auch ein Gegensatz zwischen dessen und der Ge534
Bestellung durch das Gericht
§§ 103 /104 Anm. 9
sellschaft Interessen, welche das Mitglied (auch das von einem Aktionär entsandte) auch in diesem Falle wahrzunehmen hat. Die Erklärung der Amtsniederlegung ist empfangsbedürftig, sie kann gegenüber Vorstand, Aufsichtsratsvorsitzenden oder Hauptversammlung abgegeben werden. In jedem Fall ist sie der Gesellschaft zugegangen (a. A. Schl.-Qu. § 87 Anm. 29: nur wenn sie dem Vorstand zugehe). Zu b): Die Unmöglichkeit der Amtsausübung. Hierzu gehört der Wegfall der erforderlichen gesetzlichen Eigenschaften, auch sonstige dauernde Behinderung der Amtsausübung durch Krankheit, Abwesenheit, der Unmöglichkeit der Rückkehr. Eine Abberufung, die mitunter unbequem sein kann, ist also in einem solchen Fall nicht erforderlich (Godin ZAK 40 S. 389). § 104 Bestellung durdi das Gericht (1) Gehört dem Aufsichtsrat die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern nicht an, so hat ihn das Gericht auf Antrag des Vorstands, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Aktionärs auf diese Zahl zu ergänzen. Der Vorstand ist verpflichtet, den Antrag unverzüglich zu stellen, es sei denn, daß die rechtzeitige Ergänzung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist. Hat der Aufsichtsrat auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so können auch den Antrag stellen 1. der Betriebsrat jedes Betriebs der Gesellschaft, 2. der Betriebsrat jedes anderen Betriebs, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl teilnehmen, 3. mindestens ein Zehntel oder einhundert der Arbeitnehmer, die selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl teilnehmen, 4. Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, die das Recht haben, Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer vorzuschlagen oder zu entsenden. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (2) Gehören dem Aufsichtsrat länger als drei Monate weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl an, so hat ihn das Gericht auf Antrag auf diese Zahl zu ergänzen. In dringenden Fällen hat das Gericht auf Antrag den Aufsichtsrat auch vor Ablauf der Frist zu ergänzen. Das Antragsrecht bestimmt sich nach Absatz 1. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (3) Absatz 2 ist auf einen Aufsichtsrat, in dem die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach dem Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz haben, mit der Maßgabe anzuwenden, 1. daß das Gericht den Aufsichtsrat hinsichtlich des weiteren Mitglieds, das nach diesen Gesetzen auf Vorschlag der übrigen Aufsiditsratsmitglieder gewählt wird, nicht ergänzen kann, 535
§104 Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
2. daß es stets ein dringender Fall ist, wenn dem Aufsiditsrat, abgesehen von dem in Nummer 1 genannten weiteren Mitglied, nicht alle Mitglieder angehören, aus denen er nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat. (4) Hat der Aufsiditsrat audi aus Aufsiditsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so hat das Gericht ihn so zu ergänzen, daß das für seine Zusammensetzung maßgebende zahlenmäßige Verhältnis hergestellt wird. Wenn der Aufsichtsrat zur Herstellung seiner Beschlußfähigkeit ergänzt wird, gilt dies nur, soweit die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl der Aufsichtsratsmitglieder die Wahrung dieses Verhältnisses möglich macht. Ist ein Aufsichtsratsmitglied zu ersetzen, das nach Gesetz oder Satzung in perönlicher Hinsicht besonderen Voraussetzungen entsprechen muß, so muß auch das vom Gericht bestellte Aufsichtsratsmitglied diesen Voraussetzungen entsprechen. Ist ein Aufsichtsratsmitglied zu ersetzen, bei dessen Wahl eine Spitzenorganisation der Gewerkschaften oder die Betriebsräte ein Vorschlagsrecht hätten, so soll das Gericht Vorschläge dieser Stellen berücksichtigen, soweit nicht überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit der Bestellung des Vorgeschlagenen entgegenstehen; das gleiche gilt, wenn das Aufsiditsratsmitglied durch Wahlmänner zu wählen wäre, für gemeinsame Vorschläge der Betriebsräte der Konzernunternehmen, in denen Wahlmänner zu wählen sind. (5) Das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds erlischt in jedem Fall, sobald der Mangel behoben ist. (6) Das gerichtlich bestellte Aufsiditsratsmitglied hat Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und, wenn den Aufsiditsratsmitgliedern der Gesellschaft eine Vergütung gewährt wird, auf Vergütung für seine Tätigkeit. Auf Antrag des Aufsiditsratsmitglieds setzt das Gericht die Auslagen und die Vergütung fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Voraussetzungen 1. Fehlende Beschlußfähigkeit (Anm. 2) 2. Unvollständigkeit (Anm. 3) 3. Dringlichkeit (Anm. 4) III. Antragsbereditigte (Anm. 5)
IV. Entscheidung des Gerichts 1. Zusammensetzung (Anm. 6) 2. Persönliche Eignung (Anm. 7) 3. Vorschlagsrechte (Anm. 8) V. Stellung des vom Gericht Bestellten (Anm. 9)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift lehnt sich eng an den durch Art. 1, Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Aktienrechtes und des Mitbestim536
Bestellung durch das Gericht
§104 Anm. 1,2
mungsrechtes vom 15. 7. 1957 (BGBl I S. 714) neu gefaßten § 89 I I — V I AktG 37 an. Sie unterscheidet drei Fälle, in denen «ine Bestellung durch das Gericht erfolgen kann: 1. Wenn dem Aufsichtsrat die zur Beschlußfähigkeit (§ 108, II) nötige Zahl von Mitgliedern nicht angehört (Abs. 1). 2. Wenn dem Aufsichtsrat länger als 3 Monate weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl angehören (Abs. 2). 3. Wenn dem Aufsiditsrat weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl angehören und seine Ergänzung dringend ist (Abs. 2 S. 2). Eine solche Dringlichkeit besteht nach Abs. 3 Nr. 2 stets dann, wenn ein nach dem Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz zu bestellender Aufsichtsrat nicht ordnungsgemäß besetzt ist, abgesehen vom Fehlen des „weiteren Mitglieds", das nach diesen Gesetzen auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt wird. Das Gericht wird nur auf Antrag tätig. Die Antragsberechtigten werden in Abs. 1 im einzelnen aufgeführt; der Vorstand ist verpflichtet, den Antrag unverzüglich zu stellen. Die Abs. 3 und 4 geben besondere Vorschriften für den Fall, daß ein Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer vom Gericht zu bestellen ist. In Abs. 5 wird das Erlöschen des Amts des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitgliedes abweichend von der bisherigen Bestimmung des § 89 V I AktG 37 nicht mehr von der Wahl oder Entsendung des fehlenden Aufsichtsratsmitglieds abhängig gemacht, sondern davon, daß der Mangel behoben ist. Damit werden Streitfragen, die aufgetaucht waren, entschieden. Erst wenn das neue Aufsichtsratsmitglied ordnungsmäßig bestellt ist, wozu auch die Annahme der Bestellung durch den Betreffenden gehört, ist der Mangel behoben, so daß eine rechtlich unklare Zwischensituation zwischen Wahl und Annahme des Amtes im Falle der Anfechtung des Wahlbeschlusses damit beseitigt ist. Neu ist die Bestimmung des Abs. 6, in der der Anspruch des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds auf Ersatz angemessener Auslagen und einer Vergütung geregelt wird. II. Voraussetzungen 1. Fehlende
Beschlußfähigkeit
Anm. 2: Die Beschlußunfähigkeit des Aufsichtsrates liegt nach § 108 II vor, wenn weniger als die Hälfte der Mitglieder, aus denen er nach Gesetz oder Satzung insgesamt zu bestehen hat, und nicht mindestens drei Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. Eine Ergänzung aus diesem Grunde kommt nur dann in Frage, wenn die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl der Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr vorhanden ist. Tritt die Beschlußunfähigkeit 537
§ 104
Anm. 2—4
Verfassung der Aktiengesellschaft
deshalb ein, weil vorhandene Aufsichtsratsmitglieder an der Sitzung nicht teilnehmen und sich auch nicht an der Abstimmung durch Übergabe einer schriftlichen Stimmabgabe beteiligen, so ist das kein Grund zur Ergänzung durch gerichtliche Bestellung. Die zwangsweise Behinderung eines Aufsichtsratsmitglieds, seinen Pflichten nachzukommen, genügt nicht. Ob eine dauernde Behinderung dem Nichtvorhandensein gleichzusetzen ist, erscheint uns sehr fraglich. Jedenfalls könnte man nur dann zu einer Bejahung kommen, wenn das betreffende Aufsichtsratsmitglied nicht einmal mehr in der Lage ist, schriftlich seine Stimme abzugeben (vgl. aber § 105 Anm. 4; weitergehend Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 89 Anm. 10, der dauernde Behinderung für ausreichend hält; zu beachten ist, daß aber nach bisherigem Recht die Abgabe der Stimme auf schriftlichem Wege nicht möglich war.). 2.
Unvollständigkeit
Anm. 3: Ein Antrag auf Ergänzung durch das Gericht kann auch gestellt werden, wenn der Aufsichtsrat zwar unvollständig besetzt ist, aber seine Beschlußfähigkeit nach wie vor besteht, sofern dieser Zustand länger als 3 Monate besteht. Die 3-Monats-Frist beginnt mit dem Tage des Ausscheidens, also des Abberufungsbeschlusses der Hauptversammlung, der Niederlegung, des Todes, nicht aber erst mit der Bekanntmachung oder deren Eintragung zum Handelsregister. 3.
Dringlichkeit
Anm. 4: In dringenden Fällen kann die Ergänzung des Aufsichtsrats bis zur vollständigen Besetzung vor Ablauf der Frist von 3 Monaten gestellt werden. Als dringender Fall ist nach Abs. 3, soweit die Mitbestimmungsgesetze im engeren Sinne für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates maßgebend sind, stets anzusehen, wenn der Aufsichtsrat mit Ausnahme des erwähnten „weiteren Mitglieds" nicht voll besetzt ist. Für einen Aufsichtsrat, der nach dem Betriebsverfassungsgesetz sich zusammensetzt, gilt diese Bestimmung nicht. Bei den genau ausgewogenen Mehrheitsverhältnissen, wie sie in den nach den Bestimmungen des Mitbestimmungs- bzw. Mitbestimmungsergänzungsgesetzes zusammengesetzten Aufsichtsräten bestehen, ist es in der Tat nicht möglich, über einen Zeitraum von drei Monaten einen unvollständigen Aufsichtsrat bestehen zu lassen. Die gesetzliche Bestimmung, daß bei der Unvollständigkeit eines solchen Aufsichtsrates stets ein dringender Fall vorliegt, bedeutet im Grunde genommen nur einer ausdrücklichen Festlegung der Rechtslage, die auch ohne diese Bestimmung bestehen würde. Bei den nach dem Betriebsverfassungsgesetz zusammengesetzten Aufsichtsräten spielen die Mehrheitsverhältnisse zwischen Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und denen der Arbeitnehmer keine so entscheidende Rolle. Hier ist es deshalb tragbar, die 3-Monats-Frist abzuwarten. 538
Bestellung durch das Gericht
§104 Anm. 5
III. Antragsberechtigte Anm. 5: Der Antrag ist an das Registergericht zu richten. Antragsberechtigt sind: 1. Der Vorstand, und zwar in der zur Vertretung notwendigen Anzahl, also auch evtl. ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen (vgl. Schmatz in WM 1955, 642 ff.); 2. jedes Aufsichtsratsmitglied; 3. jeder Aktionär; und, wenn dem Aufsichtsrat auch Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer anzugehören haben: 4. Der Betriebsrat jedes Betriebes der Gesellschaft, auch wenn es sich nur um Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds der Aktionäre handelt; 5. der Betriebsrat jeden anderen Betriebs, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl teilnehmen; 6. mindestens ein Zehntel oder 100 der Arbeitnehmer, die selbst oder durch Wahlmänner an der Wahl teilnehmen; 7. Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, die das Recht haben, Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer vorzuschlagen oder zu entsenden. Aus der Formulierung des Abs. 1 S. 2 ergibt sich, daß der Vorstand nicht nur antragsberechtigt, sondern verpflichtet ist, bei Vorliegen einer der Voraussetzungen den Antrag zu stellen. Er ist unverzüglich zu stellen, es sei denn, daß die rechtzeitige Ergänzung des Aufsichtsrats vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist. Dabei muß der Vorstand berüdksichtigen, daß nach § 110 I I I der Aufsichtsrat in der Regel einmal im Kalendervierteljahr tagen soll und in jedem Kalenderhalbjahr tagen muß, das bedeutet, daß eine der nicht zwingend vorgeschriebenen vierteljährlichen Sitzungen ausfallen kann, wenn nichts Besonderes vorliegt und zu erwarten ist, daß die Ergänzung des Aufsichtsrates bis zur nächsten Halbjahressitzung anderweitig erfolgen kann. Erfüllt der Vorstand seine Verpflichtung nicht, so kann er durch Ordnungsstrafen nach § 407 zur Stellung des Antrages angehalten werden. Das Gesetz gibt jedem Aufsichtsratsmitglied ein Antragsrecht, ohne es jedoch ausdrücklich zur Stellung des Antrages zu verpflichten. Unseres Erachtens ergibt sich aber die Pflicht hierzu aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht (§§ 116, 93). Dem steht auch nicht der Wortlaut des Abs. 1 S. 2 entgegen, in dem lediglich der Vorstand genannt ist. Diese Bestimmung soll darauf hinweisen, daß der Vorstand in erster Linie zur Antragstellung verpflichtet ist, weil er allein verpflichtet ist, unverzüglich zu handeln. Für das einzelne Aufsichtsratsmitglied bedeutet das, daß es zunächst den Vorstand veranlassen kann, den Antrag zu stellen und mit der hierdurch evtl. entstehenden Verzögerung seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt. Unter den gesetzlichen Voraussetzungen ist das Gericht zur Bestellung verpflichtet, sobald ein Antrag von einem hierzu Berechtigten gestellt ist. Auf 539
§104
Anm. 5,6
Verfassung der Aktiengesellschaft
das gerichtlidie Verfahren sind die Bestimmungen des FGG anzuwenden. Der Beschluß ist den Beteiligten, daß sind die Antragsteller und stets auch die Gesellschaft sowie der Bestellte, zuzustellen. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Eine weitere Beschwerde ist zulässig und richtet sich nach dem § 27 ff. FGG. IV. Entscheidung des Gerichts 1. Zusammensetzung Anm. 6: Grundsätzlich können auf Grund des Abs. 2 sowohl Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre, als auch solche der Arbeitnehmer von dem Gericht bestellt werden. Ist der Aufsichtsrat nach den Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes oder des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes zusammenzusetzen, so finden die Bestimmungen des Abs. 3 zusätzlich Anwendung. Danach kann das „weitere Mitglied", das nach diesen Gesetzen auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt wird, nicht vom Gericht bestellt werden. Das ist der sogenannte 11., 15. oder 21. Mann. Die Bestimmung, daß das Gericht nicht die Bestellung des „weiteren Mitglieds" vornehmen kann, gilt übrigens auch für Abs. 1, obwohl das Gericht wohl schwerlich auf den Gedanken kommen wird, nach dieser Bestimmung ausgerechnet dieses Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, denn es hat ja nur so viele Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen, als zur Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats notwendig sind. Im übrigen wird die Bestimmung des Abs. 1 praktisch auf Aufsichtsräte, die nach dem Mitbestimmungsgesetz oder nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz zusammengesetzt sind, deshalb keine Anwendung finden, weil infolge des Wegfalls der Dreimonatsfrist jederzeit auch ein Antrag nach Abs. 2 möglich ist der zu dem weitergehenden Ergebnis führt, daß die Vollständigkeit und nicht nur die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrates hergestellt wird. Gleichgültig, ob die gerichtliche Bestellung zur Wiederherstellung der Beschlußfähigkeit oder zur Herstellung der Vollzähligkeit des Aufsichtsrats führen soll, hat das Gericht, wenn der Aufsichtsrat auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen hat, ihn so zu ergänzen, daß das für seine Zusammensetzung maßgebende zahlenmäßige Verhältnis hergestellt wird. Dieser Grundsatz gilt allerdings dann, wenn es sich um die Wiederherstellung der Beschlußfähigkeit handelt, nur soweit die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl der Aufsichtsratsmitglieder die Wahrung dieses Verhältnisses ermöglicht. Wenn z. B. ein nach dem Betriebsverfassungsgesetz zusammengesetzter Aufsichtsrat aus 9 Mitgliedern zu bestehen hat und sind davon 5 weggefallen, so muß eine Ergänzung des Aufsichtsrates stattfinden, wenn die Satzung keine von § 108 abweichende Regelung über die Beschlußfähigkeit vorher getroffen hat. Da das Gericht nur so viele neue Aufsichtsratsmitglieder bestellen kann, als zur Beschlußfähigkeit erforderlich sind, kann es zu 540
Bestellung durch das Gericht
§104
Anm. 6—9
den 4 verbliebenen Aufsichtsratsmitgliedern nur 1 Aufsichtsratsmitglied bestellen. Bei dem dann bestehenden Aufsichtsrat von 5 Mitgliedern kann das Verhältnis Vs zu 2/s nicht gewahrt werden. Anders ist es, wenn bei einem dreiköpfigen Aufsichtsrat ein Mitglied ausfällt, dann ist die Beschlußfähigkeit .nicht gegeben, und es muß dieses eine Mitglied so ersetzt werden, daß das gesetzliche Verhältnis 1/a und 2/s hergestellt wird. 2. Persönliche Eignung Anm. 7: In allen Fällen der Bestellung durch das Gericht müssen die nach Gesetz oder Satzung vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen von den zu Bestellenden erfüllt sein. Das bedeutet z. B. bei einem nach dem Betriebsverfassungsgesetz zusammengesetzten Aufsiditsrat, daß bei den Arbeitnehmern ein Arbeiter und ein Angestellter aus dem Betrieb stammen muß. Zu beachten ist, daß nicht nur gesetzliche persönliche Voraussetzungen (§ 100) zu beachten sind, sondern auch solche, die die Satzung vorschreibt. Das kann sie allerdings nur für Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre. 3. Vorschlagsrechte Anm. 8: Ist ein Aufsichtsratsmitglied zu ersetzen, bei dessen Wahl eine Spitzenorganisation der Gewerkschaften oder die Betriebsräte ein Vorschlagsrecht hätten, so soll das Gericht bei seiner Entscheidung Vorschläge dieser Stellen berücksichtigen, soweit nicht überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit der Bestellung des Vorgeschlagenen entgegenstehen. Das wäre z.B. der Fall, wenn ein nach § 103 III abberufenes Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer von den genannten Stellen erneut vorgeschlagen würde. Die Spitzenorganisation der Gewerkschaft und die Betriebsräte können verschiedene Vorschläge machen, und das Gericht hat dann die Auswahl. Anders ist es in dieser Beziehung, wenn das Aufsichtsratsmitglied durch Wahlmänner zu wählen wäre. In diesem Falle können die Betriebsräte der Konzernunternehmen, in denen Wahlmänner zu wählen sind, gemeinsame Vorschläge dem Gericht unterbreiten. Mehrere Betriebsräte müssen sich also vorher einigen. Andererseits sind sie nicht auf einen Vorschlag beschränkt, sondern sie können ihrerseits mehrere Personen zur Auswahl des Gerichtes vorschlagen. V. Stellung des vom Gericht Bestellten Anm. 9: Das vom Gericht bestellte Aufsichtsratsmitglied hat grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen Aufsichtsratsmitglieder. Es läßt sich nicht begründen, daß die dem Aufsichtsratsverhältnis durch Gesetz oder Satzung gegebene Ausgestaltung für das gerichtlich bestellte Mitglied nicht gelten solle. Auch die Tatsache, daß in Abs. 6 nunmehr neu der Anspruch des bestellten Aufsichtsratsmitglieds auf Ersatz angemessener barer 541
§ § 104 /105 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 9 Auslagen und einer Vergütung gesetzlich besonders geregelt ist, schließt nicht aus, daß in allen anderen, sich aus dem Aufsichtsratsverhältnis ergebenden Rechten und Pflichten das vom Gericht bestellte Aufsichtsratsmitglied ebenso behandelt wird, wie die auf andere Weise bestellten Aufsichtsratsmitglieder. In der Bestimmung des Abs. 6 wird dies auch anerkannt, denn das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied hat nur dann Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit, wenn den anderen Aufsichtsratsmitgliedern eine Vergütung gewährt wird. Warum ihm nicht ohne weiteres die gleiche Vergütung zusteht, ist nicht recht einzusehen. Audi soweit ihm ein Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen gewährt wird, steht er sich nicht besser als alle Aufsichtsratsmitglieder, denn dieser Anspruch steht auch ihnen zu, sicherlich dann, wenn sie keine Vergütung erhalten und mithin nicht etwa der Ersatz barer Auslagen als in der Vergütung abgegolten angesehen werden kann. Der einzige Vorteil, den das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied durch die neue Bestimmung hat, ist der, daß es, wenn es sich nicht mit der Gesellschaft über die Vergütung einigt, was selbstverständlich in erster Linie zu versuchen ist, es nicht auf einen Prozeß mit der Gesellschaft angewiesen ist, sondern die Festsetzung seiner baren Auslagen, gegebenenfalls seiner Vergütung, bei dem Gericht, das es bestellt hat, durch Beschluß zu erfolgen hat. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde zulässig. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Auf das Verfahren finden die Bestimmungen des FGG Anwendung. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung gegen die Gesellschaft statt. Dieses vereinfachte Verfahren ist nur ein schwacher Trost für den Wegfall eines Rechtsanspruches auf Vergütung in Höhe der Vergütung der übrigen Aufsichtsratsmitglieder. Es ist zu hoffen, daß die Gerichte sich bei der Festsetzung des von ihnen bestellten Aufsichtsratsmitglieds nach den Bezügen der übrigen Aufsichtsratsmitglieder richten werden.
§ 105 Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsiditsrat (1) Ein Aufsichtsratsmitglied kann nicht zugleich Vorstandsmitglied, dauernd Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern, Prokurist oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter der Gesellschaft sein. (2) Nur für einen im voraus begrenzten Zeitraum, höchstens für ein Jahr, kann der Aufsichtsrat einzelne seiner Mitglieder zu Stellvertretern von fehlenden oder behinderten Vorstandsmitgliedern bestellen. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit ist zulässig, wenn dadurch die Amtszeit insgesamt ein Jahr nicht übersteigt. Während ihrer 542
Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat § 1 0 5
Anm. 1,2
Amtszeit als Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern können die Aufsichtsratsmitglieder keine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ausüben. Das Wettbewerbsverbot des § 88 gilt für sie nicht. I. Übersicht (Anm. 1) II. Trennung zwischen Aufsichtsratstätigkeit und Geschäftsführung 1. Verbot der Doppelzugehörigkeit zu Aufsiditsrat und Vorstand (Anm. 2)
2. Verbot der Beteiligung von Aufsichtsratsmitgliedern an der Geschäftsführung als Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte (Anm. 3) I I I . Ausnahmebestimmungen (Anm. 4)
I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmung entspricht im wesentlichen der des § 90 AktG 37. In Abs. 1 wird an Stelle des dort gebrauchten Begriffs des leitenden Angestellten, ebenso wie in § 89 II, I I I , IV, ersetzt durch „Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten", um damit den in Betracht kommenden Personenkreis genauer zu umschreiben. Die Vorschrift, nach der der Aufsichtsrat einzelne seiner Mitglieder nur für einen im voraus begrenzten Zeitraum zu Vertretern von behinderten Vorstandsmitglieden bestellen kann, ist zur Klarstellung in einer Beziehung erweitert worden. Die Bestellung kann jetzt auch für fehlende Vorstandsmitglieder vorgenommen werden, was bisher auch schon angenommen wurde. In anderer Beziehung ist sie eingeschränkt worden. Der im voraus begrenzte Zeitraum darf ein Jahr nicht überschreiten. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit ist nur zulässig, wenn dadurch die Amtszeit insgesamt ein Jahr nicht übersteigt. Das Verbot der Tätigkeit des Vertretenden ist nunmehr durch die Verwendung des Wortes „kann" an Stelle von „darf" zwingend mit der Folge, daß seine trotzdem vorgenommenen Handlungen im Aufsichtsrat nichtig sind. II. Trennung zwischen Aufsichtsratstätigkeit und Geschäftsführung 1. Verbot der Doppelzugehörigkeit zu Aufsichtsrat und Vorstand Anm. 2: Aufsichtsratsmitglieder können nicht Vorstandsmitglieder oder dauernde Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern sein. Die Vorschrift ist zwingend. Sie spiegelt den Grundsatz des Deutschen Aktienrechts wider, daß die beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat streng getrennt sind, und daß der Aufsichtsrat an der aktiven Geschäftsführung nicht beteiligt sein darf, sie vielmehr kontrolliert. Ein Aufsichtsratsmitglied kann zum Vorstand wirksam nur bestellt werden, wenn es aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden ist, entweder durch Amtsablauf, Abberufung oder Amtsniederlegung. Zu letzterer wird ein wichtiger Grund in der Sachlage selbst zu sehen sein. 543
§105
Anm. 2—4
Verfassung der Aktiengesellschaft
Die Wahl eines im Amt befindlichen Vorstandsmitglieds zum Aufsichtsratsmitglied ist nichtig, es sei denn unter entsprechender aufschiebender Bedingung oder Betagung. 2. Verbot der Beteiligung von Aufsichtsratsmitgliedern an der Geschäftsführung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter Anm. 3: Aufsiditsratsmitglieder können auch nicht als Angestellte die Geschäfte der Gesellschaft führen. Dienstvertrag (nicht auch die gleichzeitig erteilte Vollmacht oder Prokura) bzw. Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied wäre nichtig, wohl aber ist es zulässig, daß Aufsiditsratsmitglieder die Ausführung einzelner Geschäfte nach den Weisungen des Vorstandes entgeltlich oder unentgeltlich übernehmen, wenn sie das nicht hindert, ihre Pflicht als Mitglieder des Aufsichtsrats zu erfüllen. Zulässig ist z. B. für Aufsiditsratsmitglieder der Aktionäre als Architekt, Vertrauensarzt, Rechtsanwalt, sei es als Prozeßbevollmächtigter oder Berater, weil diese damit nicht die Geschäfte der Gesellschaft, sondern ohne von dieser angestellt oder abhängig zu sein, ihre eigenen Berufsgeschäfte führen und in deren Bereich Aufträge der Gesellschaft unter eigener Verantwortung gegenüber dieser annehmen. Dies ist durch die neue Bestimmung des § 114 nunmehr anerkannt; zu beachten ist jedoch, daß der mit der Gesellschaft hinsiditlidi dieser Tätigkeit zustandekommende Vertrag der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf. Die in der Vorauflage vertretene Auffassung, daß der aus der vorliegenden Vorschrift abzuleitende Grundsatz der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Geschäftsführung verbiete, daß ein Arbeitnehmer, dem nicht die Unabhängigkeitsgarantien eines Betriebsratsmitglieds gewährt sind, nicht in den Aufsichtsrat gewählt werden könne, kann nicht mehr aufrechterhalten werden, nachdem die Mitbestimmungsgesetze diesen Grundsatz durchbrochen haben. Es muß deshalb für die Zukunft als zulässig erklärt werden, wenn etwa eine Gruppe von Arbeitnehmern als Aktionäre einen Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat wählt. Dieser ist dann kein Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer, sondern ein Aufsichtsratsmitglied der Aktionäre (so auch Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 90 Anm. 5 a). III. Ausnahmebestimmung Anm. 4: Eine Ausnahme gestattet einem Aufsichtsratsmitglied die Vertretung eines Vorstandsmitgliedes, nicht für dauernd, sondern für einen im voraus begrenzten Zeitraum, im Falle des Fehlens oder der Behinderung eines Vorstandsmitgliedes, zu übertragen. So z. B. im Falle des Ausscheidens oder Ablebens eines Vorstandsmitgliedes. Die Bestimmung ist dagegen nicht für den Fall gedacht, daß ein Vorstandsmitglied wegen Interessenkollision an der Ausübung seines Amtes behindert ist, vielmehr kommt dann § 112 in Frage. Es muß sich stets um eine bereits vorliegende oder sicher bevorstehende 544
U n v e r e i n b a r k e i t der Zugehörigkeit z u m V o r s t a n d und z u m Aufsichtsrat § 1 0 5
Anm. 4
Behinderung handeln. Eine Bestellung im voraus für alle in Frage kommenden Behinderungen ist nicht zulässig. Die Begrenzung muß kalendermäßig sein. Ihre Verlängerung ist zulässig, soweit dadurch die im Gesetz neu festgelegte Gesamtdauer der Amtszeit von einem Jahr nicht überschritten wird. Wird in der Festlegung des kalendermäßig begrenzten Zeitraums bereits die Jahresfrist überschritten, so ist die Bestellung bis zur gesetzlichen Höchstdauer dennoch rechtswirksam erfolgt. Sie endet mit dem Ablauf eines Jahres. Die Bestellung zum Vertreter des fehlenden oder behinderten Vorstandsmitgliedes erfolgt durch den Aufsichtsrat. Erforderlich ist also ein ordnungsmäßiger Beschluß, der, wenn die Satzung nichts anderes vorschreibt, mit Mehrheit der Stimmen zu fassen ist. Der zur Vertretung Bestimmte ist stimmberechtigt. D a der Vertretende Mitglied des Aufsichtsrats bleibt, kann durch seine Bestellung der Aufsichtsrat nicht unvollständig werden, so daß ein Fall des § 104 nur dann angenommen werden kann, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß die Behinderung eines Aufsichtsratsmitglieds zur Ausübung seiner Tätigkeit für einen zwar zeitlich festliegenden, aber doch erheblidien Zeitraum gleichzustellen ist der Nichtzugehörigkeit zum Aufsichtsrat. Hier wird man sich auf diesen Standpunkt stellen müssen, denn sonst ist eine Beschlußunfähigkeit oder eine völlige Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse in einem nach den Grundsätzen des Mitbestimmungsgesetzes oder des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes zusammengesetzten Aufsichtsrates möglich, denn das vertretende Aufsichtsratsmitglied muß sich während der Ausübung der Stellvertretung eines Vorstandsmitglieds jeder Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied enthalten, es kann also auch nicht etwa schriftlich seine Stimme abgeben, wie das sonst ein vorübergehend behindertes Aufsichtsratsmitglied tun kann. Man wird hier also die Möglichkeit einer Ergänzung des Aufsichtsrats durch Bestellung durch das Gericht nach § 104 sowohl dann, wenn eine Beschlußunfähigkeit vorliegt, wie auch dann, wenn die Behinderung länger als drei Monate gedauert hat oder ein dringender Fall vorliegt, zulassen müssen (vgl. auch § 104 Anm. 2). Daraus, daß der Vertretende Aufsichtsratsmitglied bleibt, ergibt sich, daß, wenn nichts anderes vereinbart ist, er den Anspruch auf die Aufsichtsratstantieme behält. Andererseits wird er Mitglied des Vorstandes. Als solches hat er keinen Anspruch auf besondere Vergütung. Nach herrschender Ansicht soll ihm eine solche zugebilligt werden können. Unter Aufgabe des Standpunktes in der Vorauflage, daß dies deshalb nicht möglich sei, weil er Aufsichtsratsmitglied bleibt, schließen wir uns dieser Auffassung an. Die Vereinbarung hat mit dem Aufsichtsrat zu erfolgen; da dessen Willensbildung, wie stets, durch Beschluß erfolgen muß, ist der Vertretende nicht berechtigt, an diesem Beschluß mitzuwirken, selbst wenn er vor seiner Bestellung erfolgt, also zu einem Zeitpunkt, an dem er an der Ausübung seiner Aufsichtsratsrechte an sich noch nicht gehindert ist. 35
Wilhelmi, A k t i e n g e s e t z
545
§§ 105 / 1 0 6
Anm. 4
Verfassung der Aktiengesellschaft
Der Vertreter muß als solcher nach § 81 in das Handelsregister eingetragen werden. Das Registergericht hat die Ordnungsmäßigkeit der Bestellung, aber nicht auch den Behinderungsfall zu prüfen. Im Falle der Eintragung ist der Gutgläubige nach § 15 H G B geschützt, andernfalls nicht. Die Zeitbegrenzung ist nicht einzutragen. Alle Bestimmungen für Vorstandsmitglieder finden auf ihn Anwendung, mit Ausnahme des Wettbewerbsverbots des § 88. Er hat, wenn er als Vorstand tätig wird, dessen Pflichten und Haftungen, auch, wenn er zu Unrecht bestellt ist. Sein Amt beginnt mit der Bestellung durch den Aufsichtsrat und endet mit der kalendermäßig bestimmten Zeit, spätestens mit dem Ablauf eines Jahres ohne weiteres, aber auch bei Wegfall der Behinderung. Für Beginn und Ende ist Eintragung und Löschung im Handelsregister belanglos. Die Eintragungen sind nur nachrichtlich, nicht rechtsbewirkend. Das Amt endet ferner, wenn das Amt als Mitglied des Aufsichtsrats endigt; beispielsweise durch Zeitablauf. § 15 H G B ist besonders bei Beendigung des Amtes zu beachten und deshalb auch diese alsbald zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Im Gegensatz zu der Bestimmung des Abs. 1 ist die des Abs. 2 insoweit nicht zwingend, als die Satzung dem Aufsichtsrat die Befugnis nimmt oder einschränken kann, z. B. eine kürzere Frist als ein Jahr festsetzen kann. Erweitern kann sie die Bestimmungen des Abs. 2 nicht (ebenso Schmidt-MeyerLandrut in Großkomm. § 90 Anm. 15).
§ 106 Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat Der Vorstand hat jeden Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen und die Bekanntmachung zum Handelsregister einzureichen. Die Vorschrift entspricht wörtlich der des § 91 AktG 37. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats muß öffentlich bekannt sein. Die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats werden gem. § 40 durch das Registergericht im Bundesanzeiger und den nach § 11 H G B bestimmten Blättern veröffentlicht, während nicht nur jeder Wechsel, sondern auch alle Veränderungen der Zusammensetzung des Aufsichtsrats durch Ausscheiden oder Neubestellung, aber nicht eine bloße Wiederwahl, bzw. Wiederbestellung ohne schuldhaftes Zögern so schnell, als es im normalen geordneten Geschäftsverkehr möglich ist und sobald der Eintritt der Veränderung feststeht (z. B. Wirksamkeit einer Amtsniederlegung) durch den Vorstand in den Gesellschaftsblättern, das ist im Bundesanzeiger und den in der Satzung bestimmten Blättern nach Name, Beruf und Wohnort bekanntgemacht werden müssen. Die Bekanntmachung muß nicht unterschrieben sein, es genügt, wenn sie erkenntlich von der Gesellschaft ausgeht. 546
Innere O r d n u n g des Aufsiditsrats
§§106/107
Die Bekanntmachung ist zum Handelsregister einzureichen, und zwar je ein Exemplar aller sie enthaltenden Zeitungen, die Gesellschaftsblätter sind. Es sind nach § 43 I so viele weitere Exemplare beizufügen, als Zweigniederlassungen bestehen. Die Einreichung und damit mittelbar die Bekanntmachung kann durch Ordnungsstrafe nach § 14 H G B erzwungen werden. Im Handelsregister eingetragen wird die Veränderung nicht. Gesetzliche Publizitätswirkungen sind mit der Bekanntmachung und der Einreichung zum Handelsregister nicht verbunden. § 107 Innere Ordnung des Aufsiditsrats (1) Der Aufsichtsrat hat nach näherer Bestimmung der Satzung aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter zu wählen. Der Vorstand hat zum Handelsregister anzumelden, wer gewählt ist. Der Stellvertreter hat nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden, wenn dieser behindert ist. (2) Über die Sitzungen des Aufsichtsrats ist eine Niederschrift anzufertigen, die der Vorsitzende zu unterzeichnen hat. In der Niederschrift sind der O r t und der Tag der Sitzung, die Teilnehmer, die Gegenstände der Tagesordnung, der wesentliche Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Aufsiditsrats anzugeben. Ein Verstoß gegen Satz 1 oder Satz 2 macht einen Beschluß nicht unwirksam. Jedem Mitglied des Aufsiditsrats ist auf Verlangen eine Abschrift der Sitzungsniederschrift auszuhändigen. (3) Der Aufsichtsrat kann aus seiner Mitte einen oder mehrere Ausschüsse bestellen, namentlich, um seine Verhandlungen und Beschlüsse vorzubereiten oder die Ausführung seiner Beschlüsse zu überwachen. Die Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1, § 59 Abs. 3, § 77 Abs. 2 Satz 1, § 84 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1, § 111 Abs. 3, §§ 171, 314 Abs. 2 und 3 und § 331 Abs. 3 Satz 3 sowie Beschlüsse, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsiditsrats vorgenommen werden dürfen, können einem Ausschuß nicht an Stelle des Aufsiditsrats zur Beschlußfassung überwiesen werden. I. Übersicht ( A n m . 1) II. Vorsitzender und Stellvertreter (Anm. 2) 1 . W a h l , A m t s z e i t und Abberufung des Vorsitzenden ( A n m . 3 ) 2 . Stellung des Vorsitzenden ( A n m . 4 ) 3. Stellung des Stellvertreters (Anm. 5)
35*
I I I . D i e Sitzungsniederschrift ( A n m . 6) I V . Ausschüsse 1. Bildung der Ausschüsse ( A n m . 7) 2. A u f g a b e n der Ausschüsse ( A n m . 8 ) V . Geschäftsordnung ( A n m . 9 ) V I . Rechte und Pflichten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ( A n m . 10)
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§107
Anin. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
I. Übersicht Anm. 1: Der Gesetzgeber überläßt es, wie im bisherigen Recht, grundsätzlich der Satzung, die innere Ordnung des Aufsichtsrats zu bestimmen. Diese kann es auch dem Aufsichtsrat selbst überlassen, seine Geschäftsordnung festzusetzen. Jedoch wird zwingend angeordnet, daß der Aufsichtsrat einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter für diesen zu wählen hat, der nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden hat, wenn dieser behindert ist (Abs. 1). In Abänderung des bisherigen Rechts (§ 92 AktG 37) ist — nicht wie bisher „soll" — eine Niederschrift über die Sitzungen des Aufsichtsrats anzufertigen, deren wesentlicher Inhalt vom Gesetz selbst festgelegt wird. Die bisher umstrittene Frage, ob jedes Aufsichtsratsmitglied einen Anspruch auf eine Abschrift der Sitzungsniederschrift hat, wurde vom Gesetz ausdrücklich bejahend entschieden. Die Zulässigkeit von Ausschüssen ist beibehalten worden. Sie haben namentlich die Verhandlungen und Beschlüsse des Gesamtaufsichtsrates vorzubereiten oder die Ausführung der Beschlüsse zu überwachen. Das Gesetz geht, wie bisher, davon aus, daß den Ausschüssen auch Entscheidungsbefugnisse übertragen werden können. Der Rechtsklarheit wegen bestimmt es ausdrücklich, welche Aufgaben einem Ausschuß nicht an Stelle des Aufsichtsrats zur Beschlußfassung überwiesen werden können. D a der Aufsichtsrat das Organ der Gesellschaft ist, in dem sowohl nach den Mitbestimmungsgesetzen als auch nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Arbeitnehmer maßgeblich vertreten sind, stellt sich die Frage, wie die Ausschüsse des Aufsichtsrats zusammengesetzt sein müssen. Im Schrifttum zum geltenden Recht wird zu dieser Frage die Ansicht vertreten, kein Aufsichtsratsmitglied, also auch kein Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer, habe ein Anrecht darauf, einem Ausschuß anzugehören. Unzulässig sei es allerdings, die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer von allen wichtigen Ausschüssen auszuschließen. Auch müßten wenigstens in den Ausschüssen, die sich mit sozialpolitischen Fragen befassen, Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer vertreten sein. Einige gehen noch weiter und meinen, nach dem Grundgedanken des Mitbestimmungsrechts der Arbeitnehmer müßten die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auch in allen Ausschüssen vertreten sein, die an Stelle des Aufsichtsrats zu entscheiden hätten, und zwar entsprechend dem Zahlenverhältnis im Gesamtaufsichtsrat. Selbst wenn man dieser letzteren Ansicht nicht folgt, kann doch festgestellt werden, daß nach allgemeiner Ansicht eine willkürliche und einseitige Benachteiligung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bei der Besetzung der Ausschüsse unzulässig ist. Es bestanden Bestrebungen, genaue Vorschriften hinsichtlich der Zusammensetzung der Ausschüsse zu erlassen, nämlich daß jedem Ausschuß mindestens ein Aufsichtsratsmitglied der Aktionäre und ein Aufsichtsratsmitglied 548
Innere Ordnung des Aufsichtsrats
§107
Anm. 1,2 der Arbeitnehmer angehören müssen, es sei denn, der Aufsichtsrat beschließe mit mehr als 2/a der vorhandenen Mitglieder eine andere Regelung. Diese Regelung hat den Nachteil, daß sie alle Ausschüsse gleich behandelt und sie nicht nach ihren Aufgaben unterscheidet. Sie ist deshalb zu schematisch. Wie es Ausschüsse gibt, von denen die Aufsichtsratsmitglieder der der Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen sein dürfen, so gibt es auch Ausschüsse, bei denen eine Nichtbeteiligung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht als ein Verstoß gegen Sinn und Zweck der Mitbestimmung erscheint. Zur ersteren Gruppe gehören die Ausschüsse, die sich mit Fragen der Belegschaft befassen, Kur zweiten Gruppe z. B. die Kreditausschüsse der Banken. Ausschlaggebend für die nunmehrige gesetzliche Regelung, die Zusammensetzung der Ausschüsse nicht ausdrücklich zu regeln, war jedoch die Erwägung, daß diese Frage künftig nicht mehr dieselbe Bedeutung wie im geltenden Recht haben wird. Das Gesetz entschärft das Problem dadurch, das es allen wichtigen Entscheidungen dem Gesamtaufsichtsrat vorbehält. Es sorgt ferner durch den neuen § 90 V dafür, daß alle Aufsichtsratsmitglieder, unabhängig davon, ob sie einem anderen Ausschuß angehören oder nicht, gleichmäßig unterrichtet werden. Der Gesetzgeber hielt es auch für erwünscht, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wenigstens an den Ausschüssen beteiligt werden, die sich mit Fragen befassen, die für die Arbeitnehmer von besonderem Interesse sind. Er hält es jedodi nicht für angebracht, darüber eine gesetzliche Vorschrift zu treffen. II. Vorsitzender und Stellvertreter Anm. 2: Die Bestimmung, daß ein Vorsitzender und mindestens ein Stellvertreter gewählt werden müssen, ist zwingend. Die Wahl muß auch erfolgen, wenn die Satzung nichts darüber enthält und selbst dann, wenn sie Abweichendes bestimmt, was unwirksam wäre. Es besteht keine Möglichkeit, die Mitglieder des Aufsichtsrats zur Wahl zu zwingen. Weder können sie durch Ordnungsstrafen dazu gezwungen werden, noch besteht eine Strafbestimmung. Eine zivilrechtliche Haftung nach § 116 kommt nur in Frage, wenn durch das Nichtvorhandensein eines Vorsitzenden ein Schaden entsteht. Jedoch wird man den Vorstand als verpflichtet ansehen müssen, alles zu tun, um die Durchführung der Gesetzesvorschrift zu erreichen. Er muß bei hartnäckiger Weigerung oder Uneinigkeit der Aufsichtsratsmitglieder evtl. eine Hauptversammlung einberufen und die Abberufung oder Ergänzung des Aufsichtsrates beantragen. Ein Teil der Rechtsprechung und der Rechtslehre (KG in DR 41, 502; Baumbach-Hueck § 92 Anm. 2 A) räumen in diesem Fall der Hauptversammlung das Recht ein, einen Vorsitzenden zu wählen, weil sie einen Aufsichtsrat gewählt habe. Dieser Ansicht können wir nicht folgen, da es sich um eine interne Angelegenheit des Aufsichtsrats handelt und 549
§107
Anm. 2,3
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
nicht um die Zugehörigkeit hierzu (wie hier Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 92 Anm. 1). Fehlt ein Aufsichtsratsvorsitzender, so ist die Aktionsfähigkeit des Aufsichtsrats stark beeinträchtigt, weil ihm gewisse Initiativen, z . B . Einberufung des Aufsichtsrats ( § 1 1 0 I gemildert durch Abs. 2) und Entscheidungen, z. B. Nichtzulassung von Aufsichtsratsmitgliedern zu einer Ausschußsitzung (§ 109 II), auch Zuständigkeiten, z. B. zur Entgegennahme des Vorstandsberichtes aus wichtigen Anlässen (§ 90 I, letzter Satz), auch die Mitwirkungen bei Anmeldungen zum Handelsregister, vorbehalten sind. Zu weit gehen würde es überdies, durch das Fehlen eines Vorsitzenden verursachten Ungelegenheiten hinaus, etwa einen Aufsichtsrat ohne Vorsitzenden als unvollständig im Sinne des § 101 anzusehen. Zur Vollständigkeit des Aufsichtsrats notwendig ist der Vorsitzende nicht. Fehlt er, so muß der Gesamtaufsichtsrat seine Pflichten übernehmen. Jedes einzelne Mitglied ist in einem solchen Fall berechtigt und verpflichtet, für den ordnungsmäßigen Geschäftsgang zu sorgen (Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 92 Anm. 1). 1. Wahl, Amtszeit und Abberufung des Vorsitzenden Anm. 3: Der Vorsitzende und sein Stellvertreter sind, und zwar aus den Aufsichtsratsmitgliedern, nach Bestimmung der Satzung zu wählen. Gemeint sind Bestimmungen über Art und Form des Wahlgangs und die erforderliche Mehrheit (einfädle oder qualifizierte Mehrheit oder relative). Indes ergibt § 23 nicht, daß die Satzung Bestimmungen hierüber enthalten müßte. Enthält die Satzung keine Bestimmungen, so sind der Vorsitzende und sein Stellvertreter mit einfacher Stimmenmehrheit zu wählen. Besteht über Art und Weise der Abstimmung (z. B. geheime Wahl) keine Einigkeit, so ist sie durch Mehrheitsbeschluß zu bestimmen, wenn die Satzung schweigt. Eine Wahl verlangt das Gesetz stets, und zwar durch den Aufsichtsrat, nicht nur einen Ausschuß. Auch die Hauptversammlung kann keine Wahl vornehmen. Ebensowenig kann die Ernennung durch das Gericht erfolgen. Niemand ist gehindert, sich selbst zu wählen. Die Satzung kann nicht die Ernennung des Vorsitzenden durch den Vorstand oder einen Dritten (Behörde) oder ein einzelnes, etwa entsandtes Mitglied oder gar einen einzigen Aktionär (auch nicht als Sonderrecht oder Sondervorteil nach § 26) vorsehen oder von seiner Zustimmung abhängig machen oder selbst den Vorsitzenden bestimmen oder ihm die Wahl seines Nachfolgers überlassen. Eine solche Bestimmung wäre unwirksam. Die Satzung kann Voraussetzungen der Wählbarkeit (z. B. Familienzugehörigkeit, Aktienmindestbesitz) nur in dem Umfang aufstellen, daß dadurch die Wahlfreiheit des Aufsichtsrats nicht zu sehr eingeengt oder der tragende Grundsatz ausgeschaltet wird, daß der Aufsichtsrat selbst (aus seinen Mitgliedern) seinen Vorsitzenden zu wählen hat. Deshalb werden solche Voraussetzungen von der Satzung besser für die Wählbarkeit zum 550
Innere Ordnung des Aufsiditsrats
§107
Anm. 3,4 Aufsichtsrat aufgestellt, was in Grenzen zulässig ist (vgl. § 100 Anm. 6). Es ist üblich, daß der Aufsichtsrat sich alljährlich nach der ordentlichen Hauptversammlung neu konstituiert, d. h., seinen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter und gegebenenfalls die Ausschüsse wählt. Aus einer solchen Übung ergibt sich einjährige Amtsdauer für den Vorsitzenden. Gesetzlich ist darüber nichts bestimmt. Es ist nicht unzulässig, den Vorsitzenden für die Dauer seines Aufsichtsratsamts zu wählen. Die Wahl zum Vorsitzenden ist jederzeit widerruflich. (Ebenso Schl.-Qu. § 82 Anm. 6; Baumbadi-Huedk § 92, Anm. 2 A), auch wenn er, wie fast immer, eine höhere Vergütung bezieht, als die übrigen Mitglieder. Es ist kein Grund ersichtlich, diesen Fall anders zu behandeln. Die Satzung kann hierfür nichts anderes bestimmen, denn grundsätzlich ist kein Gesellschaftsorgan unabsetzbar. Es besteht audi kein Bedürfnis nach Unabsetzbarkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden (Godin ZAK 39, 583; jetzt auch Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 92 Anm. 9, die den Vorsitzenden aber trotz Abberufung seine höheren Bezüge belassen wollen, was wir für unzutreffend halten). Selbstverständlich endet das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden, wenn sein Aufsichtsratsamt erlischt, z. B. wenn er abberufen wird. Einzutragen im Handelsregister sind der Vorsitzende und der Stellvertreter nicht, dagegen hat der Vorstand anzumelden, wer gewählt ist. Diese Anmeldung bedarf nicht der Form des § 12 HGB. Der Registerrichter kann sie durch Ordnungsstrafen gem. § 14 HGB erzwingen. Voraussetzung ist, daß ein Vorsitzender gewählt ist. Ist das nicht der Fall, so hat der Vorstand entsprechend zu melden. Es ist nicht möglich, auf dem Umweg der Ordnungsstrafe gegen den Vorstand, die Wahl des Vorsitzenden zu erzwingen. Eine Zeichnung der Unterschrift des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters ist nicht vorgeschrieben. 2. Stellung des Vorsitzenden Anm. 4: Über die Stellung und Tätigkeit des Vorsitzenden sagt das Gesetz an dieser Stelle nur, daß er die Niederschrift über die Aufsichtsratssitzungen zu unterzeichnen hat. Er trägt damit für ihren Inhalt und ihre Vollständigkeit die Verantwortung. Ferner hat er die Aufsichtsratssitzungen einzuberufen (§ 110 I), zu leiten und für die Vorbereitung und Ausführung der Beschlüsse des Aufsichtsrats Sorge zu tragen. Weitere Aufgaben ergeben sich aus dem Gesetz (vgl. z.B. 109 II; § 184 Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses; § 188 Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung; § 223 Anmeldungen des Kapitalherabsetzungsbeschlusses und seine Durchführung § 227 usw.). Aus diesen Bestimmungen geht hervor, daß der Vorsitzende als Leiter und als Repräsentant des Aufsichtsrats, aber auch nicht als mehr als das anzusehen ist, wenngleich seine gehobene Stellung durch § 90 I (Bericht des Vorstandes an den Aufsichtsratsvorsitzenden aus 551
§ 107 Anm. 4
Verfassung der Aktiengesellschaft
wichtigem Anlaß), § 109, II (Ausschluß von Mitgliedern von Ausschußsitzungen) angedeutet ist. Er ist daher auch dessen Sprachrohr, nicht Willensvertreter nach außen, wozu er auch durch die Satzungen nicht gemacht werden kann. Er ist befugt und verpflichtet, die Erklärungen des Aufsichtsrats abzugeben und, wenn schriftlich, zu unterzeichnen und die Beschlüsse zu verkünden und mitzuteilen. Gibt der Vorsitzende namens des Aufsichtsrats (z. B. gegenüber dem Vorstand über dessen Bezüge oder Ruhegehälter) eigenmächtig oder bewußt unrichtige Erklärungen ab, so können diese ihn persönlich, aber, auch wenn er Alleinaktionär ist, nicht die Gesellschaft verpflichten ( R G 90, 207). Ebenso ist der Vorsitzende Empfangsorgan des Aufsichtsrats für die an diesen gerichteten Erklärungen und verpflichtet, diese an die übrigen Mitglieder einzeln an alle oder in einer Sitzung des Aufsichtsrats an deren Teilnehmer weiterzugeben. D a er nicht Willensvertreter ist, genügt bei formbedürftigen Erklärungen die Beurkundung seiner Erklärung als bloßem Boten der Vorschrift des § 126 BGB nicht. Es muß ihm in diesem Fall durch Beschluß des Aufsichtsrates Vollmacht erteilt sein und der Beschluß formgerecht beurkundet werden. Bei privatschriftlicher Form genügt die Niederschrift nach Abs. 2, wenn sie von allen Teilnehmern, audi den Überstimmten, unterzeichnet ist. Die gesetzliche Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden kann von der Satzung nicht weiter gehoben werden, insbesondere kann ihm ebensowenig ein alleiniges Entscheidungsrecht eingeräumt werden, wie dem Vorsitzenden des Vorstandes. Dem Aufsichtsrat gesetzlich (z. B. Bestellung des Vorstands, Zustimmung zu Maßnahmen der Geschäftsführung) oder durch die Satzung eingeräumte Zuständigkeiten oder Befugnisse und Obliegenheiten können auch nicht ausschnittsweise auf den Vorsitzenden übertragen werden. Er kann kein mehrfaches Stimmrecht haben. Abweichend von der Vorauflage sind wir jedoch der Ansicht, daß die Satzung bestimmen kann, daß bei Stimmengleichheit seine Stimme entscheidet (so auch Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 92 Anm. 16). Irgendwelche Befugnisse gegenüber dem Vorstand, etwa gar disziplinärer Art, hat der Aufsichtsratsvorsitzende nicht, da ja auch das Aufsichtsratskollegium dem Vorstand nicht übergeordnet ist. Aber auch soweit dem Aufsichtsrat infolge seiner Zuständigkeit, den Vorstand zu bestellen, gegenüber diesem Befugnisse zustehen, wie der Widerruf der Bestellung und die vorläufige Amtsenthebung, kann sie der Vorsitzende nicht selbständig ausüben, sondern nur Beschlüsse des Aufsichtsrats herbeiführen. Auch hat er als einzelner so wenig, wie sonst ein Aufsichtsratmitglied, ein selbständiges Oberwachungsrecht, das er anders ausüben könnte, als in copore mit dem gesamten Kollegium. Auch er kann, wie jedes Mitglied, vom Plenum mit Aufträgen betraut werden und ist dazu natürlich wie kein zweiter berufen. Auch gegenüber den Mitgliedern des Aufsichtsrats nimmt er nicht die Stellung eines Vorgesetzten ein und ist er nicht mit irgendwelchen 552
Innere Ordnung des Aufsichtsrats
§107
Anm. 4—6
Zuständigkeiten disziplinärer Art ausgerüstet. Er kann auch nicht befinden, ob und in welchem Umfang die übrigen Mitglieder ihr Amt ausüben dürfen und sollen, insbesondere so wenig, wie das Plenum ihnen gegenüber ein Hausrecht ausüben oder sie von den Sitzungen des Aufsichtsrats ausschließen kann (es sei denn wegen grober Störung und Sabotierung der Verhandlungen). Die Leitung der Hauptversammlung obliegt dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats herkömmlich, aber nur auf Grund ausdrücklicher Bestimmung der Satzung. 3. Stellung des stellvertretenden Vorsitzenden Anm. 5: Es war bisher streitig, ob der Stellvertreter des Vorsitzenden nur dann in Aktion zu treten hat, wenn dieser behindert ist oder ob er diese Aufgaben jederzeit wahrnehmen kann, sofern der Vorsitzende sie nicht selbst wahrnimmt. Das Gesetz hat deshalb diese Frage durch Einfügung des Satzes 3 in Abs. 1 nunmehr ausdrücklich dahin entschieden, daß der Stellvertreter nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden hat, wenn dieser behindert ist. III. Die Sitzungsniederschrift Anm. 6: Über die Sitzungen — aucii wenn es nicht zu Beschlüssen kommt — ist eine Niederschrift herzustellen. Ob dies während der Sitzung oder später geschieht, ist gleichgültig. Inwieweit, wenn die Niederschrift in der Sitzung hergestellt wird, eine Hilfskraft zugezogen werden kann, die nicht Mitglied des Aufsichtsrats ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden und ist bei vertraulichen Verhandlungen- und Beschlüssen zu verneinen. Mangels einer dahingehenden (zulässigen) Satzungsbestimmung bedarf die Niederschrift nicht öffentlicher (notarieller) Form, doch ist es angesichts der Amtspflicht eines Notars zur Verschwiegenheit immer unbedenklich, einen Notar zuzuziehen. Die Niederschrift ist vom Aufsichtsratsvorsitzenden zu unterzeichnen. Daraus kann weder gefolgert werden, daß eine Beschlußfassung nur möglich ist bei Anwesenheit des Aufsichtsratsvorsitzenden oder seines Stellvertreters, noch, daß einer von beiden auch dann unterzeichnen muß, wenn er der Sitzung nicht beigewohnt hat, vielmehr hat alsdann das Aufsichtsratsmitglied die Niederschrift zu unterzeichnen, das den Vorsitz geführt hat. Wer das ist, kann durch die Anwesenden durch Mehrheitsbeschluß bestimmt werden, kommt ein Beschluß nicht zustande, so gilt der Altersvorsitz. Mit der Unterzeichnung wird die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift übernommen. Darüber, was in die Niederschrift aufzunehmen ist, gingen bisher die Meinungen auseinander. Es wurde insbesondere die Ansicht vertreten, daß nur die Beschlüsse, nicht aber der Inhalt der Verhandlungen, schriftlich niederzulegen seien. Das Gesetz 553
§107
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 6,7 bestimmt jetzt ausdrücklich, daß neben den Beschlüssen der wesentliche Inhalt der Verhandlungen anzugeben sei. Das bedeutet aber nicht, daß die Verhandlungen im einzelnen in der Niederschrift enthalten sein müssen, insbesondere ist es nicht erforderlich, jede Äußerung eines Aufsichtsratsmitgliedes in die Niederschrift aufzunehmen. Es muß sich aus ihr nur der wesentliche Gang der Verhandlungen ergeben. Die Beschlüsse sind wörtlich aufzunehmen. N u r das entspricht den Beweiszwecken, den die Niederschrift erfüllen soll. Weiterhin schreibt das Gesetz zwingend vor, daß der Ort und der Tag der Sitzung, die Teilnehmer und die Gegenstände der Tagesordnung angegeben werden müssen. Fehlt die Niederschrift ganz oder ist sie unvollständig, sei es, daß die Unterschrift fehlt oder der Inhalt den Anforderungen des Satzes 2 nicht entspricht, so macht dies die gefaßten Beschlüsse nicht unwirksam. Das entspricht der herrschenden Lehre nach dem bisherigen Recht, mußte aber jetzt besonders zum Ausdruck kommen, weil an Stelle der Soll-Vorschrift eine Muß-Vorschrift in bezug auf den Inhalt der Niederschrift getreten ist, so daß an sich ein Gesetzesverstoß vorliegt, wenn das Protokoll fehlt oder mangelhaft ist. Da für die ordnungsgemäße Herstellung der Niederschrift der Aufsichtsratsvorsitzende, gegebenenfalls der ihn bei Behinderung vertretende Stellvertreter oder u. U. das die Sitzung leitende Aufsichtsratsmitglied verantwortlich ist, kann er zivilrechtlich nach §§116, 93 in Anspruch genommen werden, wenn aus dem Fehlen oder der Unvollständigkeit der Niederschrift der Gesellschaft ein Schaden entsteht. IV. Ausschüsse 1. Bildung der Ausschüsse Anm. 7: Der Aufsichtsrat kann Ausschüsse aus seinen Mitgliedern bilden. Die Satzung kann Ausschüsse nicht wirksam vorschreiben (bestr.; ebenso Jannberg in Die Aktiengesellschaft 66, 2; a. A. Barz, ebenda, S. 41), wohl aber verbieten (Anscheinend ebenso Schl.-Qu. § 92 Anm. 40, ebenso Baumbach-Hueck §92 Anm. 5 B ; Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. §92 Anm. 26; für das neue Recht: Jannberg a. a. O., dessen Ansicht, dies folge aus § 23 IV S. 1 wir nicht zustimmen können. Hier ist § 23 IV S. 2 anzuwenden; § 107 bringt keine abschließende Regelung). Gesetzlich zugelassen ist nicht eine Übertragung der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Befugnisse und Obliegenheiten auf einen Ausschuß, sondern ein dem Ausschuß erteilter Auftrag des Gesamtaufsichtsrats. Kraft dieses Auftrags haben die Ausschüsse Obliegenheiten des Aufsichtsrats auszuführen oder dieser übt solche durch den Ausschuß aus. Er kann nicht nur seinen Auftrag jederzeit widerrufen und einen Ausschuß wieder abschaffen, sondern auch dessen Entscheidungen vorgreifen, sie aufheben oder ändern. Indem das Gesetz diese Art der Ausübung aufsichtsratlicher Befugnisse und Obliegen554
Innere O r d n u n g des Aufsichtsrats
§107
Anm. 7
heiten ausdrücklich zuläßt, enthebt es den übrigen Aufsichtsrat nicht seiner Verantwortung gem. §§ 116, 93 für die Überweisung seiner Funktionen auf einen Ausschluß und nicht seine Haftung für Verschulden bei seinen Überlegungen über die Bildung eines Ausschusses bei der Auswahl der Mitglieder und der Überwachung seiner Tätigkeit. Die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats genügen ihrer Pflicht fortan nur, wenn sie sich fortlaufend (durch Entgegennahme von Berichten, Teilnahme an den Ausschußsitzungen als Zuhörer, wenn Anlaß zu Bedenken vorhanden ist u. dgl.) gewissenhaft davon überzeugen, daß sie sich mit dem Ausschuß überhaupt und in seiner Zusammensetzung des richtigen Mittels bedienen, um ihre Obliegenheiten zu erfüllen, d. h., daß die bestellten Ausschüsse die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Obliegenheiten erfüllen, denen der Aufsiditsrat durch sie genügen will. Für die Maßnahmen und Unterlassungen der Ausschüsse haften die übrigen Aufsichtsratsmitglieder nur, wenn es ihnen zum Verschulden gereicht, daß sie davon infolge Nichtanwendung der ihnen zu Gebote stehenden Mittel keine Kenntnis erhalten und nicht (durch eigene Beschlußfassung, andere Zusammensetzung, Abschaffung des Ausschusses) eingegriffen haben, d. h. jedoch nicht, daß die übrigen Aufsichtsratsmitglieder, wenn einmal nach sorgfältiger Überlegung ein Ausschuß gebildet und sorgfältig zusammengesetzt ist, nun dauernd vor Mißtrauen ängstlich auf der Hut sein und mit ihrer Überwachung hinter dem Ausschuß her sein müßten. Davon abgesehen werden sie auch im Hinblick darauf leicht entschuldbar sein, daß den einzelnen Mitgliedern für sich nur an den Sitzungen und Arbeiten des Ausschusses und die Einsicht in die zum Ausschuß erwachsenen Unterlagen von der Satzung oder dem Aufsichtsratsvorsitzenden (nicht Ausschuß-Vorsitzenden) verwehrt werden (§ 109 II). Vorbehaltlich einer derartigen Satzungsbestimmung oder Anordnung des Aufsichtsratsvorsitzenden muß allen Aufsichtsratsmitgliedern auf Verlangen möglichst tiefer Einblick in die Arbeiten und die Unterlagen des Ausschusses gewährt werden, damit sie ihrer Überwachungspflicht genügen können. Die Beschlußfassung über Bildung eines Ausschusses folgt den allgemeinen Regeln über Beschlüsse des Aufsichtsrats, d. h., wenn die Satzung nichts Besonderes vorschreibt, genügt einfache Stimmenmehrheit. D a der Aufsichtsrat den Ausschuß zu bestellen hat, ist es nicht zulässig, dem Ausschuß selbst eine Zuwahl zu gestatten, denn die Befugnis, Ausschüsse zu bestellen, kann nicht selbst wieder Ausschüssen übertragen werden. Der Vorsitzende des Ausschusses kann vom Aufsichtsrat bestimmt oder seine Bestimmung der Wahl durch den Ausschuß selbst überlassen werden. Hierüber kann auch die Satzung bestimmen. D a die Satzung die Bildung von Ausschüssen ausschließen kann (s. oben), kann sie auch Bedingungen ihrer Zulässigkeit stellen. Dabei muß sie allerdings gewisse Grenzen einhalten, die sich aus dem Sinn des Betriebsverfassungsgesetzes und der Mitbestimmungsgesetze ergeben. Eine 555
§107
Anm. 7
Verfassung der Aktiengesellschaft
Satzungsbestimmung, die anordnet, daß Vorsitzender eines Ausschusses nur ein Aufsichtsratsmitglied der Aktionäre sein kann, wäre ungültig. Die Satzung kann bestimmen, daß Ausschüsse nur durch Beschluß des Aufsichtsrats mit qualifizierter Mehrheit gebildet werden können. Sie kann aber nicht die Bildung der Ausschüsse von der Zustimmung etwa der Mehrheit der Aktionärsvertreter davon abhängig machen, daß ein bestimmtes Mitglied des Aufsichtsrats, etwa der Vorsitzende oder ein von der Aktionärsseite entsandtes Mitglied, für die Bestellung des Ausschusses stimmen muß. Für die erforderliche Mindestzahl von Ausschußmitgliedern ergibt der Name, daß es gesetzlich wenigstens 2 sein müssen. Die Satzung kann eine höhere Mindestzahl vorsehen. Enthält die Satzung Vorschriften über die Beschlußfähigkeit, gelten diese auch für Ausschüsse mit beschließenden Befugnissen, da sie anderenfalls jederzeit umgangen werden könnten und nur auf dem Papier stünden, so daß diese entsprechend stark zu besetzen sind. Daß Ausschüsse gesetzlich aus wenigstens 3 Mitgliedern bestehen müssen, schließt nicht aus, daß einzelne Aufträge nicht entscheidender Art, insbesondere zur Vorbereitung und Ausführung der Aufsichtsratsbeschlüsse, die freilich für gewöhnlich Sache des Vorsitzenden sind, einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied erteilt werden, denn der Aufsichtsrat ist nicht gehindert, seine Geschäfte unter seine Mitglieder zu verteilen. Für die Auswahl und Beaufsichtigung gelten dann die gleichen Grundsätze wie für die Auswahl und Beaufsichtigung der Ausschüsse. Die Geschäftsordnung der Ausschüsse wird durch die Satzung, den Aufsichtsrat oder die Ausschüsse selbst bestimmt. Auch der Ausschuß bedarf eines Vorsitzenden, auch seine Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit regelmäßig in Sitzungen ausnahmsweise, wenn niemand widerspricht, schriftlich gefaßt. Die Ausschußmitglieder können ihre Stimmenabgabe in der Sitzung durch ein anderes Mitglied in Form einer schriftlichen Erklärung abgeben lassen. Grundsätzlich können den Sitzungen der Ausschüsse auch Aufsichtsratsmitglieder beiwohnen, die dem Ausschuß nicht angehören. Jedoch kann der Vorsitzende des Aufsichtsrates etwas anderes bestimmen (§ 109 II, vgl. dort). Die nicht unzweifelhafte Frage, ob die Beschlußunfähigkeit des Aufsichtsrats auf den Bestand des Ausschusses und den ihm erteilten Auftrag Einfluß hat, wird von uns verneint, denn die früheren Beschlüsse des Aufsichtsrats, welche er vor Eintritt der Beschlußunfähigkeit gefaßt hat, bleiben bestehen. D a der Aufsichtsrat nicht etwa als Organ der Gesellschaft fortfällt, indem er beschlußunfähig wird und demnach auch seine gesetzlichen und satzungsmäßigen Funktionen nicht fortfallen, wenn sie auch von ihm während seiner Beschlußunfähigkeit nicht erfüllt werden können, besteht kein denknotwendiger, noch weniger ein praktischer Grund, anzunehmen, daß die Übertragung einer Funktion an einen Ausschuß, der ja seinerseits nicht aufgehört hat, Auf556
Innere O r d n u n g des A u f s i d i t s r a t s
§107
Anm. 7 , 8
sichtsratsausschuß zu sein (so wenig wie das einzelne Mitglied während der Beschlußunfähigkeit des Aufsiditsrats aufhört, Aufsichtsratsmitglied zu sein), nicht bestehen bleiben und die überwiegene Funktion von dem Ausschuß nicht mehr ausgeübt werden könne. Natürlich kann ein beschlußunfähiger Aufsichtsrat nicht einen neuen Ausschuß erst bestellen. Dagegen wird der Ausschuß aktionsunfähig bei eigener Beschlußunfähigkeit. 2. Aufgaben
der Ausschüsse
Anm. 8: D i e Zuweisung von A u f g a b e n erfolgt durch ausdrücklichen — nicht stillschweigenden — Beschluß des Aufsichtsrats ( B G H 10, 187; 41, 282). D a s Aufgabengebiet der Ausschüsse ist in zwei G r u p p e n einzuteilen. Einmal kann ihnen die Vorbereitung der Verhandlungen und Beschlüsse des Gesamtaufsichtsrates und die Überwachung der Ausführungen dieser Beschlüsse übertragen werden. Dies kann völlig unbeschränkt für alle denkbaren Beschlüsse des Aufsichtsrats geschehen. Die andere G r u p p e von A u f g a b e n besteht darin, daß ihnen die gesamten Befugnisse des Aufsichtsrats f ü r bestimmte Angelegenheiten übertragen werden, d. h., nicht nur die Verhandlung und Vorbereitung der Beschlüsse, sondern auch die Beschlüsse selbst. D e m Ausschuß wird insoweit die dem gesamten Aufsichtsrat zustehende Entscheidungsbefugnis übertragen. Diese A u f g a b e kann ihm keineswegs generell f ü r alle Obliegenheiten des Aufsichtsrats übertragen werden. D a s Gesetz selbst führt eine Reihe von A u f g a b e n auf, die ihm nicht zur Entscheidung übertragen werden können. D a s ist zunächst einmal die organisatorische A u f g a b e , einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter f ü r den gesamten Aufsichtsrat zu wählen. Dies kann nur durch den gesamten Aufsichtsrat erfolgen, nicht durch einen Ausschuß, wohl aber könnte ein solcher die Wahl vorbereiten. Neben dieser im Gesetz ausdrücklich erwähnten organisatorischen A u f g a b e sind aber auch andere ihrer N a t u r nach nicht auf Ausschüsse übertragbar, so der Erlaß einer Geschäftsordnung für den Gesamtaufsichtsrat und die Beschlußfassung über Bildung und Auflösung von Ausschüssen. Alle die Organisation des Aufsichtsrats selbst betreffenden Beschlüsse können ihrem Wesen nach nur von dem Gesamtaufsichtsrat gefaßt werden. Ferner ergibt sich aus der Sache selbst, daß der Aufsichtsrat seine wichtigste Pflicht, aus der sein N a m e abgeleitet wird, nämlich die Geschäftsführung des Vorstandes zu überwachen, nicht auf einen Ausschuß übertragen kann. Schon deshalb nicht, weil es sich hier nicht um Entscheidungen handelt, die zu treffen sind, sondern um eine Tätigkeit, die mehr auf tatsächlichem Gebiet liegt. Sie ist so allgemein, daß sie nicht scharf abgrenzbar ist. Eine solche Abgrenzung ist aber f ü r die Uberweisbarkeit an einen Ausschuß Voraussetzung. Es ist deshalb möglich, eine ganz bestimmte Oberwachungsaufgabe einem Ausschuß zu überweisen. D a s hat aber praktisch k a u m besondere 557
§107
Anm. S, 9
Verfassung der Aktiengesellschaft
Bedeutung, da die Überwachungspflicht der übrigen Aufsichtsratsmitglieder zum mindesten nach außen dadurch nicht eingeschränkt wird. Nach der vorliegenden Bestimmung des Gesetzes dürfen ferner folgende Aufgaben nicht zur Beschlußfassung — wohl aber zur Vorbereitung des Beschlusses und zur Überwachung der Ausführungen des Beschlusses — an Ausschüsse überwiesen werden: a) Die Zustimmung des Aufsichtsrats für eine Abschlagszahlung an die Aktionäre auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn (§ 59 III). b) Den Erlaß einer Geschäftsordnung für den Vorstand (§ 77 II). c) Bestellung und Abberufung des Vorstandes und Ernennung eines Vorsitzenden des Vorstandes (§ 84 I S. 1 und 3 II III). d) Einberufung einer Hauptversammlung, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert (§111111). e) Prüfung des Jahresabschlusses, des Geschäftsberichts und Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstandes (§ 171). f) Prüfung des Berichtes über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen und Bericht hierüber (§ 314 II und III). g) Billigung des Konzernabschlusses (§ 331 II S. 3). h) Beschlüsse, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen ( § 1 1 1 IV). Beschlüsse von Ausschüssen, die gegen die vorstehend erörterten Grundsätze oder die ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen oder gegen Satzungsbestimmungen gefaßt werden, sind nichtig. Über die Beschlußfassung der Ausschüsse im einzelnen gilt dasselbe, was für den Gesamtaufsichtsrat gilt (vgl. § 108 und die Anm. dort). V. Geschäftsordnung Anm. 9: Der Aufsichtsrat kann seine Arbeitsweise durch eine Geschäftsordnung regeln. Einer besonderen Ermächtigung durch die Satzung bedarf es hierzu nur insofern, als er von einer gesetzlichen oder von der Satzung getroffenen Regelung abweichen will. a) Ohne weiteres kann der Aufsichtsrat durch seine Geschäftsordnung Bestimmungen über die Einberufung seiner Sitzungen treffen, welche für den Vorsitzenden als Einberufer und die Mitglieder verbindlich sind. Die Geschäftsordnung kann auch ein für allemal periodische Einberufung vorschreiben, die über die Bestimmung des § 110, III hinausgehen, nicht aber solche, die hinter dieser Bestimmung zurückbleiben. Sie kann auch bestimmte Anlässe der Einberufung vorsehen, dagegen nicht bestimmen, daß ein anderes Mitglied als der Vorsitzende oder sein Stellvertreter zuständig sein soll, den Auf sichtsrat einzuberufen, da § 110 ergibt, daß diese Zuständigkeit dem Vorsitzenden zugewiesen ist. Dasselbe gilt vom Vorsitz in den Aufsichtsrats558
Innere Ordnung des Aufsiditsrats
§107
Anm. 9
Sitzungen und ihrer Leitung, weil die gesetzliche Amtsbezeichnung des Vorsitzenden besagt, daß ihm der Vorsitz zukommt. Wohl aber kann die Geschäftsordnung die Stellung des Vertreters als Leiters der Verhandlungen innerhalb des gesetzlichen Rahmens stärken, z. B. ihm überlassen zu bestimmen, ob der Vorstand oder — ausnahmsweise — Dritte, insbesondere Auskunftspersonen und Sachverständige, an der Sitzung teilnehmen sollen, dagegen nicht, ob ein Mitglied zugelassen oder ausgeschlossen werden soll, denn ein Mitglied auszuschließen ist auch das Kollegium selbst nicht befugt. Auch die Art und Weise der Abstimmung in der Versammlung zu bestimmen, kann die Geschäftsordnung dem Vorsitzenden überlassen, auch die Bestimmung, ob Beschlüsse durch schriftliche Stimmabgabe gefaßt werden sollen, dies aber angesichts der Bestimmung des § 108 IV nur vorbehaltlich des Widerspruchsrechts jedes Mitglieds. b) Eine andere als die gesetzliche — absolute, einfache — Mehrheit kann u. E. in der Geschäftsordnung auch dann nicht vorgesehen werden, wenn der Aufsichtsrat nur aus Mitgliedern der Aktionäre besteht, denn es würde durch die Bestimmung einer qualifizierten Mehrheit in gewissem Maße das Gewicht der Stimme jedes einzelnen Mitglieds beeinträchtigt. Ist der Aufsichtsrat nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes oder der Mitbestimmungsgesetze zusammengesetzt, so kommt eine Änderung der Abstimmungsmehrheit schon deshalb nicht in Frage, weil dadurch das ausgewogene Verhältnis zwischen Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und solchen der Arbeitnehmer gestört würde. Die Geschäftsordnung kann jedoch bestimmen, daß bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt. Die in der Vorauflage vertretene Auffassung, daß damit dem Vorsitzenden ein doppeltes Stimmrecht zustehen würde, kann nicht aufrechterhalten werden, es wird vielmehr lediglich der Stimme des Vorsitzenden in einem ganz bestimmten Fall, nämlich im Falle der Stimmengleichheit, ein größeres Gewicht gegeben. c) Die Geschäftsordnung kann nicht die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats regeln, denn § 108 II bestimmt ausdrücklich, daß, soweit die Beschlußfähigkeit nicht gesetzlich oder durch die Satzung anderweitig geregelt ist, die dortigen Bestimmungen gelten. Für eine Regelung in einer Geschäftsordnung bleibt damit kein Raum. d) Die Geschäftsordnung kann auch die Pflichten des Vorsitzenden und seine Obliegenheiten das Gesetz ergänzend, nicht davon abweichend regeln, denn der Aufsichtsrat kann, vorbehaltlich der Verantwortlichkeit aller, seine Geschäfte unter seine Mitglieder verteilen. Die Geschäftsordnung kann den Vorsitzenden anweisen, wie er diese Obliegenheiten zu erfüllen hat, unter anderem, daß und wie er den Schriftwechsel in Angelegenheiten des Aufsichtsrates zu führen hat. Sie kann ihn auch verpflichten, bei Beendigung 559
§107 Anm. 9
Verfassung der Aktiengesellschaft
seines Amtes den gesamten Schriftwechsel, einschließlich persönlicher Niederschrift und Korrespondenzen, welche von ihm in seiner Eigenschaft als Vorsitzender oder aus Anlaß dieses Amtes geführt sind, an seinen Amtsnachfolger herauszugeben. Solche Bestimmungen muß jedenfalls ein Vorsitzender gegen sich gelten lassen, der ihrer Einführung zugestimmt oder seine Wahl unter ihrer Geltung angenommen hat. e) Die Geschäftsordnung kann auch über die Bestellung des stellvertretenden Vorsitzenden zum Tätigwerden Bestimmungen treffen. Jedoch ist die gesetzliche Bestimmung des § 107 I S. 3, wonach der Stellvertreter nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden hat, wenn dieser behindert ist, zu berücksichtigen. Diese Bestimmung kann aber ergänzt werden, indem festgelegt wird, wann der Fall der Behinderung anzunehmen ist, außerdem kann geregelt werden, wenn mehrere stellvertretende Vorsitzende vorhanden sind, in welcher Reihenfolge sie die Vertretung wahrzunehmen haben. f) Durch die Geschäftsordnung kann auch die Amtsdauer des Vorsitzenden bestimmt werden, also z. B., ob er alljährlich neu oder nur jeweils nach Ablauf seiner Amtszeit im Aufsichtsrat zu wählen ist. g) Die Geschäftsordnung kann auch ständige Ausschüsse für bestimmte Angelegenheiten vorsehen und Regeln über ihre Zusammensetzung aufstellen. Damit wird keinem künftig gewählten AufsichtsratsmitgLied vorgegriffen, eine Änderung der Bestimmungen zu beantragen. Natürlich müssen diese im Einklang mit der Satzung stehen (über die Frage der unzulässigen Ausschließung bestimmter Aufsichtsratsmitglieder vgl. Anm. 7). h) Ebenso kann die Geschäftsordnung von vornherein die Amtsdauer der Mitglieder in den ständigen Ausschüssen festlegen, also etwa auf 1 Jahr oder auf die Dauer des Aufsichtsratsmandats. i) Die Geschäftsordnung kann u. E. nicht Bestimmungen über die Vertretung der Aufsichtsratsmitglieder in Angelegenheiten treffen, in denen sie die Gesellschaft zu vertreten haben, insbesondere nicht ihren Vertreter bestimmen, denn sich vertreten lassen und den Vertreter zu bestimmen, ist in solchen Fällen Sache des Mitglieds selbst (s. auch Anm. 6 zu § 111). Die einmal erlassene Geschäftsordnung ist auch für erst später gewählte Mitglieder bindend, kann aber vom Aufsichtsrat jederzeit aufgehoben und geändert werden. Hierzu genügt ein mit einfacher Mehrheit gefaßter Beschluß, jedoch kann die Geschäftsordnung, wenn die Satzung es gestattet, für einen solchen Beschluß qualifizierte Mehrheit vorschreiben. Das halten wir auch dann für zulässig, wenn die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach den Mitbestimmungsgesetzen zu erfolgen hat. Eine solche Satzungsbestimmung kann allerdings nicht eine Geschäftsordnung sanktionieren, die ihrerseits gegen die sich aus den Mitbestimmungsgesetzen ergebenden Grundsätze verstößt. Eine solche Geschäftsordnung wäre nichtig; es kann infolgedessen 560
Innere Ordnung des Aufsichtsrats
§107
Anm. 9,10 der Aufsichtsrat anstelle dieser nichtigen Geschäftsordnung oder der einzelnen nichtigen Bestimmung in der Geschäftsordnung auch dann eine neue Fassung mit einfacher Mehrheit beschließen, wenn die Satzung eine Abänderung der Geschäftsordnung nur mit qualifizierter Mehrheit gestattet. VI. Rechte und Pfliditen des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes Anm. 10: Die Rechte und Pfliditen des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds (s. Godin Soz.Pr. 42,395) beschreibt das Gesetz nur in verstreuten Bestimmungen, welche den Inhalt des durch Bestellung zum Aufsichtsrat beruhenden Rechtsverhältnisses regeln. Größtenteils sind sie zwingend. Zur Vereinbarung ergänzenden Inhalts ist nur die Stelle zuständig, die die Bestellung vornimmt. Zur Vereinbarung ergänzenden Inhalts wird praktisch schon deshalb kein Raum sein, weil die Bestellung nicht mehr, wie früher, allein durch die Hauptversammlung erfolgt — mit Ausnahme der von Aktionären Entsandten — sondern teilweise auf Beschlüssen beruht, die von keinem Organ der Gesellschaft gefaßt sind. Jedenfalls kann eine Beschränkung der schlechthin gesetzlichen Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds von denjenigen, die es gewählt oder sonst bestellt haben, nicht erfolgen. Das bestellte Mitglied steht in keinem Rechtsverhältnis zu denjenigen, die es bestellt haben, auch nicht in einem allgemeinen Treueverhältnis zu dem Aktionär, auch nicht zu den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrats, sondern nur zur Gesellschaft. Soweit durch einen Vertrag ein Rechtsverhältnis zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und Aktionären besteht, kann er die Rechte und Pflichten des Mitgliedes in dieser seiner Eigenschaft nicht zum Gegenstand haben. Die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats sind, wenngleich vom Gesetz dem Kollegium zugewiesen, nur Rechte und Pflichten seiner Mitglieder, nur durch sie wahrnehmbar und erfüllbar. Dementsprechend wird jedes einzelne Mitglied mit der Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung belastet (§§ 116 93), aber weder können sie jedes für sich die Rechte des Aufsichtsrats ausüben noch einzeln die Pflichten erfüllen. Das einzelne Mitglied kann und muß dort, wo es kann, den Anstoß zu gemeinsamem Handeln geben und dafür wirken, daß die Mitglieder durch gemeinsames Handeln, insbesondere gemeinsame Anwendung ihrer Rechte, ihre gemeinsamen Pflichten erfüllen. Es kann auch die Satzung ihnen keine größere Selbständigkeit zuweisen; z.B. nicht bestimmen, daß jedes einzelne Mitglied auch ohne Sonderauftrag des Kollegiums für sich einzeln zur Überwachung verpflichtet und für sich einzeln mit entsprechenden Rechten ausgestattet sein sollte, denn die Struktur ist gesetzlich zwingend festgelegt. Der Aufsichtsrat kann einem einzelnen Mitglied Spezialaufträge zu einzelnen Uberwachungsmaßnahmen und zur Vorbereitung seiner Beschlüsse erteilen, denn er kann selbstverständlich seine Geschäfte unter seine Mitglieder aufteilen. Die Gesamtheit der Mitglieder bleibt aber ihrerseits für die ordnungsmäßige Ausführung der Maßnahmen und ihrer 561 36
Wilhclrai, Aktiengesetz
§107 Anm. 10
Verfassung der Aktiengesellschaft
Beschlüsse haftbar, hat sich also davon zu überzeugen, daß sich das Mitglied des Auftrags pflichtgemäß entledigt. Aufträge zu selbständigen Entscheidungen können einem einzelnen Mitglied nicht erteilt werden. Gemeinsames Handeln als Kollegium bedeutet z w a r nicht Handeln aller, aber bewußt gemeinsames Zusammenwirken der Handelnden auf eine allen Mitgliedern gemeinsam gegebene Veranlassung. Daß trotz des Erfordernisses kollegialen Zusammenwirkens das einzelne Mitglied seine Rechte und Pflichten nicht vom Kollegium, sondern von einem ihm individuellen Rechtsgrund, nämlich seiner Bestellung ableitet, zeigt sich bei der Beschlußunfähigkeit des Aufsichtsrats. Der beschlußunfähige Aufsichtsrat kann zwar nicht mehr durch das einzelne Mitglied handeln und die einem solchen erteilten Aufträge und Ermächtigungen werden — z. B. die dem Vorsitzenden erteilte Ermächtigung, ein Vorstandsmitglied zu verklagen —, wirkungslos, aber das Mitglied hat auch dann nach bestem Vermögen die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen, insbesondere auf Wiederherstellung der Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats hinzuwirken. Im einzelnen stehen dem einzelnen Mitglied folgende Befugnisse zu Gebote, denen entsprechende Pflichten gegenüberstehen: a) Es ist berechtigt und verpflichtet, an allen gemeinsamen Handlungen, insbesondere Sitzungen und Beschlußfassungen teilzunehmen. Dabei sind alle Mitglieder gleichberechtigt. Kein Mitglied kann oder darf an der Teilnahme gehindert werden. Beschlüsse sind nichtig, wenn ein Mitglied von der Mitwirkung ausgeschlossen oder diese erschwert oder behindert worden sein sollte, z. B. ein Jahresabschluß, wenn ein Mitglied zur Teilnahme an dem Beschluß, mit dem er gebilligt wurde, nicht zugelassen oder einem Mitglied der Bericht des Abschlußprüfers vorenthalten worden sein sollte. Dies gilt nach allgemeiner Regel, nur für den Fall nicht, daß es sich darum handelt, ein Rechtsgeschäft mit einem Mitglied abzuschließen oder einen Rechtsstreit gegen ein Mitglied zu führen. Jedes Mitglied hat das Recht der Einsicht in die Sitzungsniederschrift. Auf sein Verlangen ist ihm diese auszuhändigen (§ 107 II S. 3). Jedes Mitglied hat das Recht der Einsicht in alle Unterlagen und Hilfsmittel, welche dem Aufsichtsrat zur Verfügung gestellt werden und die Grundlage seiner Beschlüsse oder seiner Oberwachungstätigkeit bilden, insbesondere in die Berichte des Vorstandes, die ihm auf Verlangen auszuhändigen sind, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat (§ 90 V). Das gleiche gilt für den Prüfungsbericht der Abschlußprüfer nach § 170 III und § 337 I. Für den Bericht des Vorstandes über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen und den Prüfungsbericht der Abschlußprüfer gilt das gleiche nach § 314 I. Wenn auch die Behinderung eines Mitglieds an der Teilnahme u. U. Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge hat, die übrigen Mitglieder, evtl. auch der Vorstand, gegenüber der Gesellschaft schadenersatzpflichtig werden können 562
Innere Ordnung des Aufsichtsrats
§107
Anm. 10
(§§ 116, 93), hat doch das einzelne Mitglied selbst keine Möglichkeit, seine Zulassung zur Teilnahme bzw. zur Einsicht zu erzwingen, denn gegenüber der dienstberechtigten Gesellschaft hat es kein Recht auf Abnahme seiner Dienste, ist es vielmehr nur von Verpflichtung zur Dienstleistung und H a f tung für Erfüllung oder sachgemäße Erfüllung seiner Obliegenheit befreit, wenn ihm diese durch andere Gesellschaftsorgane unmöglich gemacht werden. Dies ist keine unzulässige Berufung auf mitwirkendes Verschulden der Gesellschaft, sondern Bestreiten eigenen Verschuldens. Die Gesellschaft befindet sich in Annahmeverzug. Um eigenes Verschulden erfolgreich bestreiten zu können, muß das Mitglied freilich alle ihm gegebenen rechtlichen — solche gibt es so gut wie gar nicht — und tatsächlichen Möglichkeiten, sich durchzusetzen, erschöpfen. Zu den übrigen Mitgliedern steht das einzelne überhaupt in keinem Rechtsverhältnis ( R G 158, 256). Es kann daher weder gegen die Gesellschaft noch gegen die übrigen Mitglieder oder etwa den Vorsitzenden auf Einladung zu den Sitzungen, Beratungen, Prüfungen oder Einblick in die Berichte und Gutachten usw. klagen oder entsprechende einstweilige Verfügungen erwirken (bzw. des Betretens der Geschäfts- oder Sitzungsräume, s. § 108 Anm. 2). Nur in dem schwer vorstellbaren Fall, daß ihm unmittelbar selbst aus der Behinderung, sein Amt auszuüben, Vermögensschaden erwächst, könnte er gegen die Behinderer durch Klage auf Unterlassung und Schadenersatz und durch Antrag auf einstweilige Verfügung vorgehen, wenn sie gegen die guten Sitten verstoßen und ihn persönlich, vorsätzlich in seiner berechtigten Interessensphäre schädigen (§ 826 BGB). Das hat mit seinen Rechten in seiner Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsrats nichts zu tun. Auch das Amtsgericht kann — etwa im Ordnungsstrafverfahren — nicht helfen. Die Wahrnehmung seiner Pflichten ist dem einzelnen Mitglied u. a. dadurch erleichtert, daß ihm die Satzung nach § 1 0 9 1 1 1 gestatten kann, einen Vertreter in die Sitzung zu schicken, der den Beratungen beiwohnen kann und er ferner die Möglichkeit hat, durch Überreichung einer schriftlichen Stimmabgabe nach § 108 I I I sich an der Abstimmung in der Sitzung zu beteiligen, an der er selbst nicht teilnehmen kann (im einzelnen vgl. Anm. dort). Das Recht des Mitglieds auf Mitwirkung bei den Funktionen des Aufsichtsrats ist geschmälert durch dessen Befugnis, Ausschüsse zu bilden, denn das einzelne Mitglied kann ohne Einschränkung durch die Satzung weder der Bildung des Ausschusses widersprechen noch die eigene Wahl in den Ausschuß beanspruchen oder gar erzwingen. Es darf zwar als Zuhörer an den Sitzungen und Beratungen des Ausschusses teilnehmen, sofern der Vorsitzende des Aufsichtsrates dies nicht ausdrücklich verbietet, es hat auch Anspruch auf die vom Ausschuß an den Gesamtaufsichtsrat erstatteten Berichte und sonst diesem zugeleiteten Unterlagen. Es hat aber, wenn es von der Zulassung am Ausschuß ausgeschlossen ist, keinen Anspruch auf die Nieder-
36 :t
563
§107
Anm. 10
Verfassung der Aktiengesellschaft
Schriften über die Ausschuß-Sitzung und die Unterlagen des Ausschusses, die dort verbleiben. b) Das einzelne Aufsichtsratsmitglied kann und muß bei gegebenem Anlaß, soweit es kann, den Anstoß zu gemeinsamen Handeln geben. Die tatsächliche Möglichkeit dazu hat es im Rahmen seines persönlichen Einflusses immer dadurch, daß es sich mit den übrigen Mitgliedern ins Benehmen setzt. Rechtlich sind ihm in dieser Hinsicht nur folgende Befugnisse gegeben: Es kann vom Vorstand Bericht an den Aufsichtsrat verlangen — wenn der Vorstand ablehnt, zusammen mit einem anderen Aufsichtsratsmitglied — (§ 90 I I I S. 2), die Einberufung einer Sitzung vom Aufsichtsratsvorsitzenden verlangen (§ 110 I) und zusammen mit einem anderen Aufsichtsratsmitglied selbständig eine Sitzung des Aufsichtsrats herbeiführen (§ 110 II). Hierher gehört auch die Befugnis, durch Widerspruch gegen schriftliche, telegrafische oder fernmündliche Abstimmung gemeinsame Beratung und Beschlußfassung in einer Sitzung herbeizuführen (§ 108 IV). Die Einberufung der Hauptversammlung kann ein einzelnes Mitglied nur veranlassen, wenn ihm die Satzung diese Befugnis gibt (§ 121 II S. 2). Selbständig die Bücher und Schriften der Gesellschaft oder deren Vermögensgegenstände (Kasse, Wertpapiere, Wechselportefeuille) prüfen, kann es nicht. Es kann dazu nur vom Aufsichtsrat beauftragt werden (§ 111 II S. 2). Nach § 118 II sollen die Mitglieder des Aufsichtsrats an der Hauptversammlung teilnehmen. Dementsprechend haben sie nach § 125 I I I das Recht, vom Vorstand die Übersendung der Mitteilungen zu verlangen, die den Aktionären auf deren Verlangen zugänglich zu machen sind. Der Vorstand als Organ der Gesellschaft kann deren Haus- (oder Besitz-)Recht nicht gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats selbst, also auch nicht gegen ein in rechtmäßiger Betätigung befindliches Mitglied ausüben. H a t das Mitglied einen persönlichen Auftraggeber, so kann sich ein Widerstreit zwischen dessen Interessen und denen der Gesellschaft ergeben. Wie es deren Interessen auch den eigenen voranstellen muß, muß es diese auch gegenüber den Interessen seines Auftraggebers wahren und diesen voranstellen (insbesondere durch Verschwiegenheit) und muß sich notfalls der Ausübung seiner Funktion enthalten und das Amt niederlegen, wenn dies ohne Schädigung der Gesellschaft möglich ist. Zu ersterem ist es nur unter der angegebenen Voraussetzung berechtigt. c) Dem Vorstand gegenüber hat das einzelne Mitglied nur das bereits erwähnte Recht auf Berichterstattung an den Aufsichtsrat, nicht an sich, auch nicht das Recht, Einsicht in die Bücher oder deren Vorlegung an sich oder einen Sachverständigen zu verlangen. Es kann auch keine Bestandsrevision u. dgl. für sich allein vornehmen. 564
Beschlußfassung des Aufsichtsrats
§108
Anm. 1
§ 108 Beschlußfassung des Aufsichtsrats (1) Der Aufsichtsrat entscheidet durch Beschluß. (2) Die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats kann, soweit sie nicht gesetzlich geregelt ist, durch die Satzung bestimmt werden. Ist sie weder gesetzlich noch durch die Satzung geregelt, so ist der Aufsichtsrat nur beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen er nach Gesetz oder Satzung insgesamt zu bestehen hat, an der Beschlußfassung teilnimmt. In jedem Fall müssen mindestens drei Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. Der Beschlußfähigkeit steht nicht entgegen, daß dem Aufsichtsrat weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl angehören, auch wenn das für seine Zusammensetzung maßgebende zahlenmäßige Verhältnis nicht gewahrt ist. (3) Abwesende Aufsichtsratsmitglieder können dadurch an der Beschlußfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse teilnehmen, daß sie schriftliche Stimmabgaben überreichen lassen. Die schriftlichen Stimmabgaben können durch andere Aufsichtsratsmitglieder überreicht werden. Sie können auch durch Personen, die nicht dem Aufsichtsrat angehören, übergeben werden, wenn diese nach § 109 Abs. 3 zur Teilnahme an der Sitzung berechtigt sind. (4) Schriftliche, telegrafische oder fernmündliche Beschlußfassungen des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses sind nur zulässig, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. I. Übersicht (Anm. 1) II. Entscheidung durch Beschluß (Anm. 2) III. Beschlußfähigkeit (Anm. 3)
IV. Stimmabgabe abwesender Aufsichtsratsmitglieder (Anm. 4) V. Beschlußfassung ohne Sitzung (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: Das Gesetz spricht in Abs. 1 das aus, was auch bisher unbestritten war: daß der Aufsiditsrat seine Entscheidungen nur in Form eines Beschlusses treffen kann. Die Bestimmungen über die Beschlußfähigkeit entsprechen der des bisherigen § 8 9 1 AktG 37 in der Fassung des Gesetzes vom 15. Juli 1957. Die Regelung der Stimmabgabe von Aufsichtsratsmitgliedern, die an der Sitzung nicht teilnehmen, ist gegenüber der entsprechenden Vorschrift des § 93 I I I AktG 37 geändert. Da die Bestellung von Stellvertretern von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 101 I I I nicht mehr möglich ist, wurde die Bestimmung des § 93 I I I S. 2 AktG 37 über die Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe durch Überreichung einer Erklärung durch einen Anderen eingefügt. Es bedarf nicht mehr einer Satzungsbestimmung, im Gegenteil, das 565
§108 Anm. 1,2
Verfassung der Aktiengesellschaft
sich aus Abs. 3 ergebende Recht kann durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden. Ferner gilt nicht mehr, wie bisher, die Einschränkung, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats und sein Stellvertreter nicht durch Überreichung einer Erklärung ihre Stimme abgeben durften. Auch diese können nunmehr in dieser Weise mit abstimmen. Wie im bisherigen Recht (§ 92 I I I A k t G 37) ist eine schriftliche Beschlußfassung nur zulässig, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Die Bestimmung ist erweitert auf telegrafische oder fernmündliche Beschlußfassung, die damit ausdrücklich zugelassen wird. Mit Ausnahme des Abs. 2 gelten die Vorschriften auch für die Beschlußfassung eines Ausschusses des Aufsichtsrats. II. Entscheidung durch Beschluß Anm. 2: Jede Entscheidung des Aufsichtsrats setzt einen Beschluß voraus. Diese sind regelmäßig in Sitzungen zu fassen. Jedes Mitglied ist teilnahmeberechtigt und kann die Ausübung dieses Rechts durch Klage und einstweilige Verfügung durchsetzen. Es ist auch jedes Mitglied teilnahmeverpflichtet in dem Sinn, daß es seine Pflicht verletzt, wenn es einer Sitzung ohne wichtigen Grund fern bleibt oder nicht wenigstens seine Stimme nach Abs. 3 abgibt. Kein Mitglied kann sonach, ohne sich u. U. haftbar zu machen, einer Beteiligung an einer Beschlußfassung oder einem Meinungskampf bequem oder feige ausweichen, indem es sich entschuldigt und ausbleibt. Es ist deshalb auch jedes Mitglied unter Wahrung der durch die Satzung etwa vorgeschriebenen Form und Frist zu laden, auch wenn es sein Votum im voraus, ja auch wenn die Mehrheit sich schon für oder gegen den Beschluß erklärt hat ( R G 66, 369). Auf die Behinderung eines Mitglieds braucht, auch wenn sie bekannt ist, keine Rücksicht genommen zu werden. Schreibt die Satzung nichts über Form und Frist der Ladung vor, so genügt jedem dem Vorsitzenden genügend erscheinende, auch die in der Satzung ausdrücklich meist zugelassene telegrafische und selbst telefonische Form. In jedem Fall muß dafür gesorgt werden, daß die Einladung die erreichbaren Mitglieder erreichen kann. Die Frist muß in diesem Falle angemessen sein. Sie kann nach der einen Seite von der Eilbedürftigkeit, nach der anderen von der Wichtigkeit des Gegenstandes der Tagesordnung bestimmt sein. Einberufen wird der Aufsichtsrat durch den Vorsitzenden (§ 110). Er soll in der Regel einmal im Kalendervierteljahr und muß einmal im Kalenderhalbjahr einberufen werden (§ 110 III). Der Aufsichtsratsvorsitzende kann die Durchführung der Einberufung dem Vorstand überlassen, nachdem er den Termin und die Tagesordnung festgesetzt hat. Die Aufsichtsratsmitglieder können verlangen, daß ihnen die Tagesordnung mitgeteilt wird, deren Festsetzung auf Grund der vorliegenden Anlässe und Anträge Sache des Vorsitzenden ist. Doch ist ein trotz unterbliebener Mitteilung einer Tagesordnung gefaßter Beschluß nur unter besonderen Voraussetzungen nichtig ( K G H R R 40 N r . 799, D R 40, 456). Ausnahmsweise 566
Beschlußfassung des Aufsiditsrats
§108
Anra. 2
kann davon abgesehen werden, die Tagesordnung mitzuteilen, wenn sie nach außen besonders geheimgehalten werden muß. Der Vorsitzende muß dann andere Mittel und Wege finden, um den Aufsichtsratsmitgliedern die Wichtigkeit des Anlasses und die Notwendigkeit ihrer Teilnahme klarzumachen. Die Tagesordnung kann auch erst nach der Einberufung mitgeteilt oder ergänzt werden, wenn bis zum Sitzungstag noch eine angemessene Frist dazwischen liegt (vgl. Anm. 2 zu § 110). Stillschweigende Beschlußfassung ist gänzlich ausgeschlossen (vgl. B G H 10, 194; 41, 286; a. A. Hafermehl Soz.Pr. 1942, 621). Ihrer Zulässigkeit widerspricht schon die gesetzliche Vorschrift, wonach über die Sitzungen des Aufsichtsrats eine Niederschrift anzufertigen ist, in der der wesentliche Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse anzugeben sind (§ 107 II). Audi aus der ausdrücklichen Zulassung schriftlicher, telegrafischer oder fernmündlicher Beschlußfassung nach Abs. 4 geht hervor, daß das Gesetz ausdrückliche Stimmabgabe voraussetzt. Davon abgesehen setzt jede Beschlußfassung ein bewußtes Zusammenwirken zur Bildung eines körperschaftlichen Willens voraus. Wie soll die Beschlußfähigkeit, Zustimmung, Ablehnung, Stimmenthaltung festgestellt werden? Für den Ausschluß von der Ausübung des Stimmrechts gelten die allgemeinen Grundsätze, daß niemand mitstimmen kann, wenn es sich um ein mit ihm abzuschließendes Rechtsgeschäft oder einen gegen ihn zu führenden Rechtsstreit handelt. Jedoch ist ein etwaiger Auftraggeber (Entsender) des Aufsichtsratsmitglieds nicht mit ihm zu identifizieren. Das Mitglied muß bei Interessenkollision die Interessen der Gesellschaft denen seines Auftraggebers voranstellen und wird, nicht einmal regelmäßig, sondern nur ausnahmsweise sich der Stimme enthalten können, ohne seine Pflicht zu verletzen und nach §§ 116, 93 haftbar zu werden. Ein Beschluß setzt regelmäßig absolute einfache Mehrheit voraus (Godin Soz.Pr. 40, 178 mit ausführlicher Begründung). Man hat in § 133 den Ausdruck eines allgemeingültigen, deshalb auch hier anwendbaren Grundsatzes zu sehen. Die Satzung kann nur dann abweichende Bestimmung vorschreiben, wenn für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht die Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes und des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes gelten. Auch die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebenden Rechte der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer dürfen durch Satzungsbestimmungen nicht eingeschränkt werden. Es ist deshalb auch ausgeschlossen, durch Satzungsbestimmungen etwa das Zustandekommen des Beschlusses von der Zustimmung eines bestimmten Aufsichtsratsmitgliedes, etwa eines von Aktionären entsandten, abhängig zu machen, auch nicht vom Vorsitzenden. Dessen Stimme kann lediglich bei Stimmengleichheit den Ausschlag geben. Abgesehen von dem besonderen Ausnahmefall der Stimmengleichheit, haben alle Mitglieder gleiches Stimmrecht. Die Satzung kann davon nicht abweichen, auch nicht aufgrund Aktienbesitzes (h. A.). 567
§108
Anm. 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
Zur Feststellung des Abstimmungsergebnisses sind alle in zulässiger Weise abgegebenen Stimmen mitzuzählen. Die Stimmen derjenigen, welche an der Sitzung nicht teilgenommen haben, werden nur mitgezählt, wenn sie nach Abs. 3 durch Übergabe der schriftlichen Stimmabgabe sich an der Beschlußfassung beteiligt haben. Ist die Stimmabgabe auf andere Weise — schriftlich, telegrafisch oder fernmündlich — oder nachträglich erfolgt, so kann sie keine Berücksichtigung finden, da der in einer Sitzung gefaßte Beschluß auf den vorausgegangenen Verhandlungen beruht. Es müßte dann der Antrag auf Aufhebung des gefaßten Beschlusses und erneute Beschlußfassung gestellt werden. Das ist in der Weise möglich, daß über die Aufhebung des gefaßten Beschlusses und die Neufassung eines Beschlusses in der gleichen Sache, auch durch schriftliche, telegrafische oder fernmündliche Stimmabgabe, ein entsprechender Beschluß des Aufsichtsrats zustande kommt, unter Beachtung der Vorschriften des Abs. 4. Ergibt die Feststellung des Abstimmungsergebnisses Stimmengleichheit ohne, daß die Satzung für einen solchen Fall die Stimme des Vorsitzenden entscheiden läßt, so ist kein Beschluß zustande gekommen, es sei denn, daß die Satzung etwa für diesen Fall eine andere Entsdieidungsmöglichkeit vorsieht, wobei es allerdings bedenklich erscheint, in diesem Fall das Los entscheiden zu lassen. Die dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben sind zu bedeutungsvoll, um den blinden Zufall entscheiden zu lassen. Die Losentscheidung ist nur bei Wahlen erträglich, scheidet im übrigen als in sich unsinnig aus. Die Entscheidung durch die Hauptversammlung, welche R G 73, 236 zuläßt (wo auch Stichentscheid durch den Vorsitzenden unbeanstandet geblieben ist), scheidet nach § 119 aus. Die Hauptversammlung hat nur die Möglichkeit, durch Abberufung und Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern den Aufsichtsrat wieder aktionsfähig zu machen. Für die Rechtswirksamkeit der Beschlüsse gilt die für die Hauptversammlung geltende Unterscheidung in nichtige und anfechtbare Beschlüsse nicht. Alle Beschlüsse sind nichtig, welche unter Verletzung einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Voraussetzung der Ordnungsmäßigkeit gefaßt worden sind, es sei denn, daß es sich um eine sogenannte Ordnungsvorschrift handelt. Zu unterscheiden von der Nichtigkeit eines Beschlusses sind Willensmängel bei der Stimmabgabe. Es kommt hauptsächlich Irrtum über den Inhalt des eigenen Votums (auch durch Mißverständnis des Antrags) und Irrtum im Beweggrund, wenn durch Täuschung erzeugt, in Frage. Der Willensmangel kann Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Stimmabgabe zur Folge haben. Wenn auch die abgegebene Stimme eine Stimme der Gesellschaft selbst war, eines Teiles eines ihrer Organe durch dessen Stimme ihr Wille zustande kommt, so kann es doch nicht anders sein, als daß dieser Organteil (das irrende, getäuschte Aufsichtsratsmitglied) selbst die Anfechtung erklärt, denn es allein ist zuständig, seinen wahren Willen festzustellen und auch durch Unterlassen 568
Beschlußfassung des Aufsichtsrats
§108 Anm. 2,3
der Anfechtung seine Stimmabgabe zu bestätigen. Die Anfechtung ist gegenüber der Gesellschaft, also dem Vorstand, zu erklären. Wird die Stimme alsbald nach ihrer Abgabe oder der Beschlußfassung bei noch versammeltem Aufsichtsrat angefochten, muß auch dieser als zuständig zum E m p f a n g der Anfechtungserklärung angesehen werden. Das Ergebnis wäre anderenfalls zu unpraktisch, weil ja der Vorstand nicht anwesend zu sein braucht. Die Nichtigkeit einer angefochtenen oder sonst z. B. wegen Geistesstörung nichtigen Stimmabgabe kann und muß unter Umständen jeder geltend machen, den es angeht. Meist wird es der Aufsichtsrat als Gremium — das einzelne, auch das Mitglied, dessen Stimme nichtig ist, hat wenig Möglichkeiten — geleitet von dem Vorsitzenden und der Vorstand sein. Die Nichtigkeit der Stimme braucht nicht unbedingt dem Beschluß den Boden zu entziehen. Die Nichtigkeit der Stimme kann zur Folge haben, daß die zu einem gefaßten Beschluß erforderliche Mehrheit nicht mehr vorhanden ist. III. Beschlußfähigkeit Anm. 3: Das Zustandekommen eines Beschlusses setzt voraus, d a ß der Aufsichtsrat beschlußfähig ist. Wird der Beschluß in einer Sitzung gefaßt, so müssen so viele Aufsichtsratsmitglieder, als zur Beschlußfähigkeit erforderlich sind, entweder an der Sitzung teilnehmen oder doch sich an der Beschlußfassung durch Überreichung einer Erklärung nach Abs. 3 beteiligen. Bei schriftlicher, telegrafischer oder fernmündlicher Beschlußfassung müssen sich so viele Mitglieder an diesem Verfahren beteiligen, als zur Beschlußfähigkeit erforderlich sind. In beiden Fällen sind f ü r die Feststellung der Beschlußfähigkeit Stimmenthaltungen mitzurechnen. Die Regelung der Beschlußfähigkeit durch die vorliegende Bestimmung gilt nur, wenn sie weder anderweitig gesetzlich geregelt, noch durch die Satzung anders bestimmt ist. Eine andere gesetzliche Regelung findet sich in § 1 0 Mitbest.G. und § 11 Mitbest.Erg.G. An sich ist dort die Regelung die gleiche wie in § 108 II S. 2; jedoch können bei Gesellschaften, bei denen die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes oder des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes zu erfolgen hat, von den Bestimmungen dieser beiden Gesetze abweichende Satzungsbestimmungen nicht getroffen werden, da die gesetzliche Regelung eine zwingende ist. In den Fällen, in denen die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes zu erfolgen hat oder in denen ein Aufsichtsrat ohne Arbeitnehmer besteht, kann die Satzung von der hier vorliegenden Bestimmung Abweichendes vorsehen. Die Satzung kann z. B. bestimmen, daß die Beschlußfähigkeit die Anwesenheit bestimmter Mitglieder (z. B. des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters, einer bestimmten Zahl gewählter oder entsandter Mitglieder) voraussetzt. Sie kann aber nicht bestimmen, daß eine geringere Zahl als 3 Mitglieder zur Beschlußfassung ge569
§108
Anm. 3,4
Verfassung der Aktiengesellschaft
nügt, denn dies ist als Mindestzahl im Abs. 2 S. 3 ausdrücklich festgelegt. Die Beschlußfähigkeit hat mit der Vollständigkeit des Aufsichtsrats nichts zu tun, jedoch kann die Satzung bestimmen, daß die Beschlußfähigkeit nur dann gegeben ist, wenn der Aufsichtsrat vollständig ist und eine bestimmte Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern an der Beschlußfassung teilnehmen. Soweit keine anderen gesetzlichen oder satzungsmäßigen Bestimmungen vorliegen, ist der Aufsichtsrat nur beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen er nach Gesetz oder Satzung insgesamt zu bestehen hat, an der Beschlußfassung teilnimmt. Maßgebend ist die Teilnahme an der Beschlußfassung, so daß auch in der Sitzung abwesende Aufsichtsratsmitglieder, die sich durch Übergabe der schriftlichen Stimmabgabe nach Abs. 3 an der Beschlußfassung beteiligen, bei der Prüfung der Beschlußfähigkeit mitzuzählen sind, nicht aber Aufsichtsratsmitglieder, die, obwohl der Beschluß in einer Sitzung gefaßt wird, ihre Stimme schriftlich, telegrafisch oder fernmündlich abgegeben haben oder nachträglich abgeben (siehe oben Anm. 2). Wenn für die Beschlußfähigkeit die Vollständigkeit des Aufsichtsrats keine Rolle spielt, so kann es auch bei einem unvollständigen Aufsichtsrat keinen Einfluß auf seine Beschlußfähigkeit haben, wenn seine Zusammensetzung mit Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und solchen der Arbeitnehmer nicht mehr dem maßgebenden zahlenmäßigen Verhältnis .entspricht. Dies wird in Abs. 3 S. 4 ausdrücklich zur Klarstellung bestimmt. Ein nach dem Betriebsverfassungsgesetz zusammengesetzter Aufsichtsrat von 6 Mitgliedern wäre auch dann noch beschlußfähig, wenn beide ArbeitnehmerVertreter weggefallen sind. D a ß in einem solchen Fall der Vorstand verpflichtet ist, für Durchführung von Neuwahlen zu sorgen, ist eine andere Frage. IV. Stimmabgabe abwesender Aufsichtsratsmitglieder Anm. 4: Abwesende Aufsichtsratsmitglieder können dadurch an der Beschlußfassung teilnehmen, daß sie eine schriftliche Stimmabgabe überreichen lassen. Aus ihrem Inhalt muß ersichtlich sein, ob das Aufsichtsratsmitglied für oder gegen den Beschluß stimmen oder ob es sich der Stimme enthalten will. Die Erklärung muß unterzeichnet sein. Aus dem Erfordernis der Schriftlichkeit ergibt sich, daß das vertretene Mitglied damit festgelegt und vermieden werden soll, daß derjenige, der die Erklärung überreicht, sie etwa nach seinem Gutdünken ausfüllen kann. Das würde bedeuten, daß, wenn die Erklärung von einem Aufsichtsratsmitglied übergeben wird, dieses eine doppelte Stimme abgeben würde, oder, wenn ausnahmsweise ein Nichtmitglied die Erklärung überreicht, alsdann dieses die Beschlußfassung beeinflussen könnte. Beides ist unzulässig, da die Übertragung einer Stimme eines Aufsichtsratsmitglieds unstatthaft ist. Es kann auch nicht als zulässig angesehen werden, daß das abwesende Mitglied etwa zwei Stimmabgabeerklärungen einem anderen Aufsichtsratsmitglied mitgibt und es ihm überläßt, welche er 570
Beschlußfassung des Aufsichtsrats
§108 Anm. 4, 5
abgeben will. Dann hätte das Formerfordernis der Schriftlichkeit keinen Sinn. Die tatsächliche Entscheidung würde bei dem Aufsichtsratsmitglied liegen, das die schriftliche Stimmabgabe überreicht. Nur wenn die Satzung es ausdrücklich zuläßt, daß an den Sitzungen des Aufsichtsrats Personen, die dem Aufsichtsrat nicht angehören, an Stelle von verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern teilnehmen können, wenn diese sie hierzu schriftlich ermächtigt haben, kann die schriftliche Stimmabgabe auch von solchen Personen überreicht werden (vgl. hierzu § 109 Abs. 3 und die Anm. dort). Das verhinderte Mitglied muß sich für die Übergabe seiner schriftlichen Stimme anderenfalls eines anderen Aufsichtsratsmitglieds bedienen. In Abweichung vom bisherigen Recht können nunmehr auch der Vorsitzende und sein Stellvertreter sich ebenfalls nach Abs. 3 durch Übergabe einer schriftlichen Stimmabgabe an der Beschlußfassung beteiligen, wenn sie an der Sitzung nicht teilnehmen können. V. Beschlußfassung ohne Sitzung Anm. 5: Voraussetzung ist zunächst ausreichende Information eines jeden Aufsichtsratsmitglieds. Diese mag durch Rundsdireiben oder auch fernmündlich oder telegrafisch erfolgen. Weiter ist es unerläßlich, daß für die Stimmabgabe eine angemessene Frist gewährt werden muß. Es ist nicht etwa möglich, dem Aufsichtsratsmitglied anzukündigen, daß die Fristversäumung als Zustimmung oder Ablehnung gelte. Wenn eine solche Frist gesetzt ist, kann und muß, solange der Beschluß noch nicht festgestellt ist, auch ein nach Fristablauf noch eingehendes Votum berücksichtigt werden. Die Abstimmung außerhalb einer Sitzung kann durch die Satzung ausgeschlossen werden. Jedes Aufsichtsratsmitglied kann in jedem einzelnen Fall der Abstimmung außerhalb einer Sitzung widersprechen. Geschieht dies, so ist die Abstimmung auf diesem Wege nach der zwingenden, auch durch die Satzung nicht abänderbaren Vorschrift des Abs. 4 unzulässig. Dagegen ist Zustimmung der Mitglieder zur schriftlichen Abstimmung nidit Voraussetzung ihrer Zulässigkeit. Wer nicht antwortet, hat zwar nicht abgestimmt, aber auch weder der schriftlichen Abstimmung noch dem Beschluß widersprochen. Es kann also ein Mehrheitsbeschluß der abgegebenen Stimmen zustande kommen, es sei denn, daß die Satzung für dieses Verfahren ausdrückliche Erklärung (Zustimmung, Ablehnung, Stimmenthaltung) für erforderlich erklärt. Jedenfalls ist es unerläßlich, für den Nachweis zu sorgen, daß jedes Mitglied aufgefordert worden ist, seine Stimme abzugeben. Ist ein Mitglied aus irgendwelchen Gründen nicht erreichbar, kommt z. B. das an ihn gerichtete Aufforderungsschreiben als unzustellbar zurück, so ist ihm die Möglichkeit, abzustimmen oder der Art der Abstimmung zu widersprechen genommen, so daß die Abstimmung nach Abs. 5 in einem solchen Fall nicht durchgeführt 571
§§ 108 / 1 0 9
Anm. 5
Verfassung der Aktiengesellschaft
werden kann; der Aufsichtsrat ist vielmehr zu einer Sitzung einzuberufen. Zulässig ist auch von vornherein eine teils mündliche Beschlußfassung in einer Sitzung, teils schriftliche miteinander zu verbinden, wenn es von vornherein den Aufsichtsratsmitgliedern freigestellt wird, an einer festgelegten Sitzung teilzunehmen oder ihre Stimme schriftlich, telegrafisch oder fernmündlich nach Abs. 4 abzugeben, so ist das dann unbedenklich, wenn keines der Aufsichtsratsmitglieder diesem Verfahren widerspricht. Die Dinge liegen hier anders, als in dem Fall, in dem eine Sitzung anberaumt ist und nur ein Teil der Aufsichtsratsmitglieder von sich aus sich durch Stimmabgabe nach Abs. 4, anstatt nach Abs. 3 beteiligen wollen. Dies würde eine unzulässige Vermischung der beiden möglichen Abstimmungsarten darstellen. Wenn jedoch vorher diese besondere Art der gemischten Abstimmung bekanntgegeben ist und niemand widerspricht diesem Verfahren, so kann sich auch niemand darüber beklagen, daß der Beschluß teilweise aufgrund einer Verhandlung in der Sitzung, teilweise durch schriftliche Stimmabgabe zustande gekommen ist. Ohne daß die Wahl zwischen Teilnahme an der Sitzung und schriftlicher Stimmabgabe zugelassen war, wird eine schriftlich abgegebene Stimme nichtig sein, es sei denn, daß alle Mitglieder (nicht nur die erschienenen) rechtzeitig von der schriftlichen Stimmabgabe unterrichtet werden, mit dem Anheimstellen, gleichfalls schriftlich abzustimmen und daß kein Mitglied widerspricht. Auch bei Abstimmung außerhalb von Sitzungen muß die Beschlußfähigkeit festgestellt werden. Dabei werden Stimmenthaltungserklärungen mitgezählt, unterlassene Erklärungen dürfen aber nicht als Stimmenthaltungen gewertet werden und bleiben bei der Feststellung der Beschlußfähigkeit außer Betracht. Schon nach bisherigem Recht wurde allgemein die telegrafische und fernmündliche Stimmabgabe der schriftlichen gleichgestellt. Dies ist nunmehr durch Einfügung in das Gesetz ausdrücklich festgestellt. Bei der fernmündlichen Beschlußfassung tritt die Schwierigkeit auf, daß eine schriftliche Unterlage nicht selbsttätig entsteht, wie bei der telegrafischen Abstimmung. Da eine Niederschrift über die Beschlüsse nach § 107 II nur bei Sitzungen des Aufsichtsrats vorgeschrieben ist, empfiehlt es sich, in der Satzung oder der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats hierüber Vorschriften zu erlassen. Es empfiehlt sich, den telefonisch gefaßten Beschluß in seinem Wortlaut zusammen mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis allen Aufsichtsratsmitgliedern unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Auf diese Weise hat, wenn ein Mißverständnis unterlaufen sein sollte, jedes Mitglied die Möglichkeit zur Berichtigung. § 109 Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse (1) An den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse sollen Personen, die weder dem Aufsichtsrat noch dem Vorstand angehören, nicht 572
Teilnahme an Sitzungen des Aufsiditsrats und seiner Ausschüsse
§109
Anm. 1,2 teilnehmen. Sachverständige und Auskunftspersonen können zur Beratung über einzelne Gegenstände zugezogen werden. (2) Aufsichtsratsmitglieder, die dem Ausschuß nicht angehören, können an den Ausschußsitzungen teilnehmen, wenn der Vorsitzende des Aufsiditsrats nichts anderes bestimmt. (3) Die Satzung kann zulassen, daß an den Sitzungen des Aufsiditsrats und seiner Ausschüsse Personen, die dem Aufsichtsrat nicht angehören, an Stelle von verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern teilnehmen können, wenn diese sie hierzu schriftlich ermächtigt haben. (4) Abweichende gesetzliche Vorschriften bleiben unberührt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Pflicht zur Teilnahme 1. Aufsichtsratsmitglieder (Anm. 2) 2. Vorstandsmitglieder (Anm. 3) 3. Sonstige (Anm. 4) III. Zulassung weiterer Personen 1. Sachverständige und Auskunftspersonen (Anm. 5)
2. Vertreter von Aufsichtsratsmitgliedern (Anm. 6) IV. Teilnahme an den Ausschüssen (Anm. 7) V. Abweichende gesetzliche Bestimmungen (Anm. 8)
I. Übersicht Anm. 1: Die Absätze 1 und 4 entsprechen dem bisherigen Recht § 93 I und IV AktG 37. Abs. 2 enthält insofern eine Änderung, als nach dem bisherigen Recht über das Teilnahmerecht von Aufsichtsratsmitgliedern, die dem Ausschuß nicht angehören, neben dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats auch die Satzung anders bestimmen konnte. Die Möglichkeit, durch die Satzung abweichende Bestimmungen zu geben, ist deshalb fallengelassen worden, weil der Grundsatz des Teilnahmerechts stärker betont werden soll. Bestrebungen, das Recht des Vorsitzenden des Aufsichtsrats dadurch einzuschränken, daß er nur im Einzelfall abweichende Bestimmungen treffen könne, haben sich nicht durchgesetzt. Das Recht des Vorsitzenden soll nicht eingeschränkt werden. Es würde auch zu Formalismus führen, wenn der Vorsitzende jedesmal „im Einzelfall" die gleiche Anordnung erteilen müßte. In Abs. 3 ist durch entsprechende Einfügung klargestellt, daß die Stellvertretung von Aufsichtsratsmitgliedern durch Personen, die dem Aufsichtsrat nicht angehören, nur dann zulässig ist, wenn das betreffende Aufsichtsratsmitglied, das sich vertreten läßt, „verhindert" ist. II. Pflicht zur Teilnahme 1. Aufsichtsratsmitglieder Anm. 2: Das Gesetz regelt nicht, wer zur Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse verpflichtet ist, sondern stellt nur Regeln 573
§109 Anm. 2—1
Verfassung der Aktiengesellschaft
darüber auf, wer an Aufsichtsratssitzungen nicht teilnehmen soll (Abs. 1) und wer an Ausschußsitzungen teilnehmen kann (Abs. 2). Daneben kann die Satzung weitere Teilnehmer zulassen (Abs. 3). Mitglieder des Aufsichtsrats haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, an den Sitzungen des Aufsichtsrats und der Ausschüsse, denen sie angehören, teilzunehmen. Dies ergibt sich aus dem Amt, das sie mit der Annahme der Wahl übernommen haben. 2. Vorstandsmitglieder Anm. 3: Vorstandsmitglieder haben grundsätzlich keine Pflicht, an den Sitzungen teilzunehmen. Sie haben nicht einmal das Recht hierzu, da der Aufsichtsrat die Tätigkeit des Vorstandes überwachen soll und sich mithin vertraulich über die Person und die Tätigkeit des Vorstandes aussprechen können muß. Im Einzelfall wird es ein Gebot der Sorgfalt des Aufsichtsrats sein, den Vorstand hinzuzuziehen um von ihm unterrichtet zu werden und mit ihm beraten zu können. Deshalb ist der Vorstand verpflichtet, an den Sitzungen des Aufsichtsrats teilzunehmen, soweit es erforderlich ist, um den Aufsichtsrat instand zu setzen, seine Obliegenheiten zweckmäßig zu erfüllen. Die in der Vorauflage vertretene Auffassung, daß sich diese Pflicht allein aus der Stellung des Vorstandes ergebe und daß er infolgedessen nicht unter allen Umständen verpflichtet sei, einer Aufforderung des Aufsichtsrates, an der Sitzung teilzunehmen, Folge zu leisten, kann nicht aufrechterhalten werden. Es muß dem Aufsichtsrat unbenommen bleiben, selbst zu entscheiden, ob eine Unterrichtung durch den Vorstand zu seiner Beschlußfassung erforderlich ist. Wenn er diese Frage bejaht, so hat der Vorstand der Aufforderung des Aufsichtsrats, an seiner Sitzung teilzunehmen, Folge zu leisten, auch dann, wenn er selbst dies nicht für erforderlich hält (so auch Schmidt-MeyerLandrut in Großkomm. § 93 Anm. 3). Mit allen diesen Fragen befaßt sich jedoch Abs. 1 nicht, er besagt nur, wen der Aufsichtsrat zu seinen Sitzungen zulassen darf, ohne sich, unbeschadet der Wirksamkeit der Beschlüsse, haftbar zu machen. 3. Sonstige Anm. 4: Mit Ausnahme der Mitglieder des Aufsichtsrats und gegebenenfalls des Vorstandes ist im allgemeinen niemand verpflichtet, an den Sitzungen des Aufsichtsrats oder seiner Ausschüsse teilzunehmen; jedoch kann der Aufsichtsrat verlangen, daß die Abschlußprüfer an seiner Bilanzsitzung teilnehmen (§ 171 12). Ohne weiteres hat niemand das Recht auf Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen, insbesondere dürfen „Beiratsmitglieder" oder Aktionäre als solche nicht zugelassen werden und haben keinen Anspruch darauf. Zuwiderhandlungen können eine Schadensersatzpflicht der Aufsichtsratsmit574
Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse
§109
Anm. 4,5
glieder nach §§116, 93 nach sich ziehen, z. B. wenn der zu Unrecht Zugelassene nicht ausdrücklich zur Verschwiegenheit verpflichtet wird und dieser von den Beratungen Außenstehende unterrichtet. Die Beschlüsse des Aufsichtsrats werden hierdurch jedoch nicht berührt, es sei denn, der unberechtigt Zugelassene hat mitgestimmt und dadurch den Ausgang des Beschlusses wesentlich beeinflußt (BGH 12, 327 ff.). Grundsätzlich sollen dritte Personen auch nicht bei schriftlicher Beschlußfassung mitwirken. Daß sie dabei keine Stimme haben, ist selbstverständlich. Auch die regelmäßige Herbeiführung der schriftlichen Meinungsäußerung bestimmter, nicht zum Aufsichtsrat oder Vorstand gehörender Personen würde unzulässig sein. III. Zulassung weiterer Personen 1. Sachverständige und Auskunftspersonen Anm. 5: Neben den Vorstandsmitgliedern können Sachverständige und Auskunftspersonen zugelassen werden. Der Begriff Sachverständiger ist hier im weitesten Sinne gemeint. Eine Person, die man auf Grund ihrer Sachkunde und Erfahrung (nicht ihres Einflusses) für die Beratung einer wichtigen Frage als besonders geeignet hält, kann zugezogen werden, auch wenn keine besonderen Fachkenntnisse erforderlich sind. Man kann also durchaus für Einzelfälle die allgemeine Erfahrung eines Beraters durch Zuziehung zur Sitzung ausnutzen. Wohl kann jemand regelmäßig als Berater für gewisse Gebiete, z. B. Banksachen, Rechtsfragen, zugezogen werden, aber niemals allgemein. Es muß sich immer um bestimmte einzelne, wenn auch mehrere Angelegenheiten handeln. Wenn man glaubt, ständig einen Banksachverständigen oder einen Rechtskundigen für die Beratung des Aufsichtsrates zu benötigen, so muß man ihn in den Aufsichtsrat wählen, weitergehend Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 93 Anm. 1, die es für zulässig halten, für Gebiete, auf denen es einer besonderen Fachkenntnis bedarf z. B. für Rechtsfragen, einen bestimmten Berater regelmäßig zuzuziehen. Unter Auskunftspersonen sind solche zu verstehen, die, wie Zeugen, über bestimmte Vorgänge oder über Einzelheiten aus ihrer Tätigkeit für die Gesellschaft, (z. B. Buchhalter, Reisender, Revisor) berichten sollen. Über Zuziehung oder Nichtzuziehung kann der Vorsitzende vorläufig entscheiden, endgültig nur das Kollegium, also der Gesamtaufsichtsrat oder der Ausschuß. Vor der eigentlichen Beratung sind, soweit entbehrlich, diese Personen zu entlassen. Das Erfordernis der Geheimhaltung ist sowohl bei der Auswahl der Anzuhörenden als auch für den Umfang ihrer Zulassung zu beachten. Entstehen durch die Zuziehung Kosten (Reisekosten, Honorare, etwa für Gutachten), so können die Aufsichtsratsmitglieder von der Gesellschaft deren direkte Begleichung verlangen (§§ 669, 670, BGB). Unmittelbar nach außen haften sie selbst und verpflichten sie die Gesellschaft nicht, weil ihnen eine 575
§109
Anm. 5—6
Verfassung der Aktiengesellschaft
Vertretungsbefugnis durch die vorliegende Bestimmung nicht eingeräumt ist (bestritten). Dasselbe gilt auch für sonstige, etwa schriftliche Gutachten, die der Aufsichtsrat einfordert. 2. Vertreter von
Aufsichtsratsmitgliedern
Anm. 6: Eine Vertretung von Aufsichtsratsmitgliedern in den Sitzungen des Gesamtaufsichtsrats oder eines seiner Ausschüsse ist nur dann möglich, wenn einmal die Satzung es ausdrücklich zuläßt, und zum anderen, wenn das Aufsiditsratsmitglied tatsächlich an der Teilnahme an der Sitzung verhindert ist. Die letztere Bestimmung ist neu. Über das Gesetz hinausgehende Bestimmungen kann die Satzung nicht treffen. Eine weitergehende Satzungsbestimmung wäre nichtig und kann nicht eingetragen werden, auch durch Eintragung nicht Rechtswirksamkeit erlangen. Dagegen sind Einschränkungen zulässig, z. B. auch Vertretung durch Aufsichtsratsmitglieder oder Personen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die gewisse Eigenschaften nicht haben. Die Satzung kann auch die Entscheidung über die Zulassung dem Vorsitzenden übertragen, auch dem Ausschuß-Vorsitzenden. Dem ersteren (nicht auch letzteren) dürfte (analog Abs. 2) auch ohne Satzungsbestimmung das Recht zustehen, den Vertreter wegen Bedenken gegen seine Person zurückzuweisen. Der Vertreter bedarf einer schriftlichen Ermächtigung. Sie muß also unterzeichnet (§ 126 BGB) sein, auf den Namen lauten und den Sitzungstag enthalten. Eine für die Dauer allgemein für alle Sitzungen ausgestellte Ermächtigung ist nicht zulässig, da nur ein verhindertes Aufsiditsratsmitglied die Ermächtigung erteilen kann. Allenfalls kann die Ermächtigung für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden, wenn sich bereits überblicken läßt, daß das Aufsichtsratsmitglied durch Krankheit oder eine größere Reise für diesen Zeitraum verhindert ist, an Sitzungen teilzunehmen. Die Ermächtigung schafft dem Vertreter nicht die Rechtsstellung des vertretenen Aufsichtsratsmitglieds. Er hat kein eigenes Stimmrecht, sondern nur das Recht auf Teilnahme an der Sitzung und das Recht, das Wort zu ergreifen, um die Meinung des Auftraggebers vorzutragen und dessen Anträge zu stellen. Er kann auch eine eigene Meinung und eigene Anträge vertreten, wenn sie der etwa überreichten Stimmabgabeerklärung und den Anträgen des Auftraggebers nicht widersprechen. Da die Satzung das Recht, sich vertreten zu lassen, den Aufsichtsratsmitgliedern überhaupt nicht zu geben braucht, kann sie dem Vertreter obige Befugnisse auch nur teilweise einräumen, erweitern kann sie diese nicht. Die Stellung des Vertreters nach der vorliegenden Bestimmung ist also eine weitergehende als die des reinen Stimmboten nach § 108 I I I . Während die Vertretung eines verhinderten Aufsichtsratsmitglieds nach der vorliegenden Bestimmung immer nur dann möglich ist, wenn die Satzung 576
Teilnahme an Sitzungen des Aufsiditsrats und seiner Ausschüsse
§ 109
Anm. 6,7
es ausdrücklich vorsieht, ist die Stimmabgabe durch einen Stimmboten nach § 108 III auch dann möglich, wenn in der Satzung nichts bestimmt ist. Der Vertreter haftet für Geheimnisbruch der Gesellschaft selbst nur nach § 826 BGB, niemals nach § 116, auch nicht, wenn der der Gesellschaft schädliche Beschluß unter seinen maßgebenden Einfluß zustande gekommen ist. Der Vertreter ist aber Gehilfe des Vertretenen bei Erfüllung der Mitgliedspflichten, so daß das vertretene Aufsichtsratsmitglied für Verschulden des Vertreters nach § 278 BGB haftet. Eine Haftung des Vertreters kann unter besonderen Umständen nach § 117 entstehen. Aus der Bestimmung ist nicht auch die Möglichkeit abzuleiten, daß sich ein Aufsichtsratsmitglied in dieser Eigenschaft in der Hauptversammlung vertreten läßt und sein Vertreter in dieser das Wort ergreift. IV. Teilnahme an den Ausschüssen Anm. 7: Das Recht zur Teilnahme an den Ausschuß-Sitzungen (nicht auf Einladung dazu oder auch nur Benachrichtigung davon) haben auch diejenigen Aufsichtsratsmitglieder, die nicht Ausschußmitglieder sind. Es kann ihnen aber durch eine Entscheidung des Vorsitzenden des Gesamtaufsichtsrates, nicht des Vorsitzenden des Ausschusses, genommen werden. Nach bisherigem Recht konnte auch die Satzung das Recht auf Teilnahme verbieten. Das ist jetzt nicht mehr möglich (vgl. hierzu oben Anm. 1). Die in der Vorauflage erörterte Frage, ob auch ein Mehrheitsbeschluß des Aufsichtsrats eine Beschränkung der Rechte aussprechen kann, dürfte sich in der Praxis nicht stellen, denn jedenfalls wäre der Vorsitzende des Aufsichtsrats nicht an einen Beschluß des Aufsichtsrats gebunden, der ihm etwa verbieten würde, eine Beschränkung auszusprechen. Andererseits scheint es uns nach der ganzen Grundtendenz des Gesetzes bedenklich, die Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden, die im Gesetz festgelegt ist, auf ein anderes Gremium zu verlagern. Die in der Vorauflage vertretene Auffassung, daß durch die vorstehende Bestimmung der mit der Bildung von Ausschüssen praktisch oft verfolgte Zweck der Geheimhaltung sanktioniert werde, ist durch die grundsätzliche Umgestaltung des Aufsichtsrates durch die Mitwirkung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer praktisch weitestgehend überholt. Zwar kann nach wie vor in den Ausschüssen eine vertrauliche Verhandlung geführt werden. Das Ergebnis dieser Verhandlungen muß aber dem Gesamtaufsichtsrat mitgeteilt werden, wenn es in einem Beschluß besteht oder wenn es von Bedeutung für die allgemeine Überwachungspflicht des Gesamtaufsichtsrats ist, die bei diesem verbleibt. Die Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden ist von dem betroffenen Mitglied nicht anfechtbar, insbesondere kann sie nicht durch einen Beschluß des Gesamtaufsichtsrats geändert werden. Auch die Hauptversammlung kann nicht angerufen werden. Allenfalls ist die Anrufung der ordentlichen 577 37
Wilhelmi, Aktiengesetz
§§109/110 Anm. 7,8
Verfassung der Aktiengesellschaft
Gerichte möglich, wenn beispielsweise in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise die Rechte eines Aufsichtsratsmitglieds verletzt werden. Dabei wird es aber stets fraglich sein, ob ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegt (ebenso Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 93 Anm. 6). Sind Aufsichtsratsmitglieder von der Teilnahme an den Sitzungen eines Ausschusses ausgeschlossen, so haben sie auch kein Recht auf Einsichtnahme in Ausschuß-Unterlagen und in Berichte, die an den Ausschuß gerichtet sind. Dagegen kann ihnen die Einsicht in Berichte, die der Ausschuß an den Gesamtaufsichtsrat erstattet hat, nicht verwehrt werden, denn sobald der Gesamtaufsichtsrat in Aktion tritt, und dazu gehört auch der E m p f a n g der Ausschuß-Berichte, kann kein Mitglied davon ausgeschlossen werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende selbst, dem die Entscheidung zusteht, kann weder von der Teilnahme an den Sitzungen noch von der Kenntnis der Ausschuß-Unterlagen ausgeschlossen werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat seine Entscheidung mit Unparteilichkeit und mit der Sorgfalt zu treffen, zu der er allgemein (§§ 116, 93) verpflichtet ist und kann sich bei Verschulden der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen, wenn durch den Ausschluß der übrigen Aufsichtsratsmitglieder Schaden von ihr nicht abgewendet worden ist oder ihr sonst entsteht. Der Vorstand hat gegenüber den Ausschüssen die gleiche Stellung wie zum Gesamtaufsichtsrat. Er hat kein Recht, an den Ausschuß-Sitzungen teilzunehmen, ist aber dazu verpflichtet, wenn es zur Erfüllung der Obliegenheiten des Ausschusses erforderlich ist oder der Ausschuß es verlangt. Insofern müssen dem Ausschuß die gleichen Rechte zugebilligt werden wie dem Gesamtaufsichtsrat. Weder der eine noch der andere ist z w a r Vorgesetzter des Vorstandes, das Recht, die Anwesenheit des Vorstandes in den Sitzungen zu verlangen, beruht auch nicht auf einem solchen Vorgesetztenverhältnis, sondern auf dem sachlichen Bedürfnis, daß der Aufsichtsrat bzw. der Ausschuß selbst bestimmen muß, ob er die ihm übertragenen Obliegenheiten nur unter Hinzuziehung des Vorstandes erfüllen will. V . Abweidiende gesetzliche Bestimmungen Anm. 8: Gemeint sind hiermit gesetzliche Vorschriften außerhalb des Aktiengesetzes, z. B. im Gesetz über das Kreditwesen, dem Hypothekenbankgesetz u. ä., nach denen noch andere als die im § 109 genannten Personen berechtigt sind, an Aufsichtsratssitzungen teilzunehmen. § 110 E i n b e r u f u n g des Aufsichtsrats (1) Jedes Aufsiditsratsmitglied oder der Vorstand kann unter Angabe des Zwecks und der G r ü n d e verlangen, daß der Vorsitzende des Aufsichts578
Einberufung des Aufsichtsrats
§110
Anm. 1,2 rats unverzüglich den Aufsiditsrat einberuft. Die Sitzung muß binnen zwei Wochen nach der Einberufung stattfinden. (2) Wird einem Verlangen, das von mindestens zwei Aufsichtsratsmitgliedern oder vom Vorstand geäußert ist, nidit entsprochen, so können die Antragsteller unter Mitteilung des Sachverhalts selbst den Aufsiditsrat einberufen. (3) Der Aufsichtsrat soll in der Regel einmal im Kalendervierteljahr, er muß einmal im Kalenderhalbjahr einberufen werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Einberufung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden (Anm. 2) III. Das Verlangen auf Einberufung 1. der Aufsiditsratsmitglieder (Anm. 3)
2. des Vorstandes (Anm. 4) 3. Allgemeine Bestimmungen (Anm. 5) IV. Turnusmäßige Sitzungen (Anm. 6)
I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht, abgesehen von geringfügigen sprachlichen Änderungen, der des § 94 AktG 37 mit dem durch § 84 IV BetrVG neu eingefügten Abs. 3. II. Einberufung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden Anm. 2: Das Recht und die Pflicht zur Einberufung des Aufsichtsrats liegt dem Vorsitzenden ob. Die dazu erforderliche Schreibarbeit kann natürlich auch einer anderen Person, insbesondere dem Vorstand, überlassen werden. Die Aufsiditsratsmitglieder haben darauf Anspruch, daß ihnen vor der Sitzung die Tagesordnung mitgeteilt wird. Unterbleibt ihre Mitteilung, ist der Beschluß gleichwohl nur unter besonderen Umständen nichtig. Der Vorsitzende ist jederzeit berechtigt, den Aufsichtsrat einzuberufen. Er ist dazu verpflichtet, so oft eine Sitzung erforderlich ist, um dem Aufsichtsrat Gelegenheit zu geben, seine gesetzlichen Obliegenheiten zu erfüllen. Ferner hat er Abs. 3 zu beachten. Danach soll der Aufsiditsrat in der Regel einmal im Kalendervierteljahr und er muß einmal im Kalenderhalbjahr einberufen werden. Eine Verletzung dieser Pflicht macht ihn nach §§ 116, 93 schadensersatzpflichtig. Die vom Vorsitzenden einberufene Sitzung ist ordnungsgemäß einberufen, auch wenn er selbst noch vor der Sitzung den Vorsitz abgibt. Ist weder ein Vorsitzender noch ein stellvertretender Vorsitzender vorhanden, etwa weil beide gestorben oder abberufen sind oder ihr Amt niedergelegt haben oder, wenn beide verhindert sind, den Vorsitz auszuüben, so können der Vorstand oder mindestens zwei Aufsichtsratsmitglieder unter 37*
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§110
Anm. 2—5
Verfassung der Aktiengesellschaft
Mitteilung des Sachverhalts selbst den Aufsichtsrat einberufen in analoger Anwendung des Abs. 2. III. Das Verlangen auf Einberufung 1. der Aufsichtsratsmitglieder Anm. 3: Die Einberufung des Aufsichtsrats kann zunächst jedes Mitglied verlangen, gleichgültig worauf seine Bestellung beruht, da alle Aufsichtsratsmitglieder die gleichen Rechte haben. Dieses Recht wird zur Pflicht, wenn er die Einberufung zur Erfüllung seiner Aufsichtspflicht für erforderlidi hält. Auf das Verlangen hat der Vorsitzende unverzüglich den Aufsichtsrat einzuberufen. Jedoch hat ein einzelnes Mitglied keine Möglichkeit, sein Verlangen durchzusetzen gegen den Willen des Vorsitzenden. Es hilft ihm insbesondere nicht, sich nachträglich ein zweites Mitglied zur Unterstützung zu suchen, vielmehr muß von vornherein das Verlangen von zwei Aufsichtsratsmitgliedern gestellt sein, wenn Abs. 2 angewendet werden soll. War das Verlangen nur von einem Mitglied gestellt, so müßte es zunächst noch einmal von zwei Mitgliedern an den Vorsitzenden gestellt werden. Erst wenn auch diesem Verlangen nicht entsprochen wird, kann nach Abs. 2 vorgegangen werden. 2. des Vorstandes Anm. 4: Die Einberufung kann auch der Vorstand als solcher, nicht jedes Vorstandsmitglied, auch nicht ein Vorsitzender des Vorstandes, verlangen. Es muß ein Beschluß vorliegen. Das einzelne Vorstandsmitglied ist also, wenn der übrige Vorstand sich seinem Verlangen nicht anschließt, darauf angewiesen, den Aufsichtsratsvorsitzenden zu bestimmen, den Aufsichtsrat von sich aus einzuberufen oder zwei Aufsichtsratsmitglieder für das Einberufungsverlangen zu gewinnen. Das Recht, die Hauptversammlung einzuberufen, hat das einzelne Vorstandsmitglied auch nicht. Seine Behelfe sind also unzulänglich, wenn es seiner Verantwortung halber diese Organe zuziehen will. 3. Allgemeine Bestimmungen Anm. 5: Für das Verlangen ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Die Satzung kann es nicht erschweren. Bei dem Verlangen sind Zweck und Grund anzugeben. Damit wird nicht etwa eine Begründung der beabsichtigten Anträge verlangt, sondern es muß nur dargetan werden, aus welchen Gründen der zur Verhandlung gestellte Gegenstand überhaupt einer Erörterung in einer Sitzung des Aufsichtsrats bedarf und warum diese Erörterung sofort stattfinden muß, nicht etwa erst bei einer späteren turnusmäßigen Aufsichtsratssitzung. 580
E i n b e r u f u n g des A u f s i d i t s r a t s
§110
Anm. 5
Der Vorsitzende hat die Ordnungsmäßigkeit des Verlangens zu prüfen, desgleichen, ob darin kein Rechtsmißbrauch liegt, z. B. ob ohne neue Tatsachen nochmalige Beschlußfassung über einen Gegenstand verlangt wird, über den schon Beschluß gefaßt ist. Im übrigen ist der Vorsitzende verpflichtet, auf das Verlangen nur eines einzigen Mitglieds hin unverzüglich den Aufsichtsrat zu einer Sitzung einzuberufen (nicht bloß zur schriftlichen Beschlußfassung aufzufordern, der das verlangende Mitglied übrigens ja doch widersprechen würde). D a die Sitzung spätestens innerhalb von 2 Wochen nach der Einberufung stattfinden muß, ist eine etwa längere satzungsmäßige Ladungsfrist abzukürzen. Mißachtet der Vorsitzende das Verlangen, setzt er sich der Haftung aus §§ 116, 93 aus. Irgendeine H a n d habe, die Einberufung durch den Vorsitzenden zu erzwingen, gibt es aber nicht. Es ist weder Klage noch eine einstweilige Verfügung gegeben noch ein Ordnungsstrafverfahren durch den Registerrichter. Nur wenn das Verlangen von zwei Mitgliedern gestellt wird, haben sie ein Selbsthilferecht nach Abs. 2 (s. oben Anm. 3). Entspricht der Aufsichtsratsvorsitzende einem von mindestens 2 Aufsichtsratsmitgliedern oder vom Vorstand gestellten Verlangen nicht oder wird es nicht innerhalb der in Abs. 1 bestimmten Frist durchgeführt, so können die Antragsteller unter Mitteilung des Sachverhalts selbst den Aufsichtsrat einberufen. Bei der Berufung ist anzugeben, „daß das Verlangen auf Einberufung des Aufsichtsrats von den unterzeichneten Aufsichtsratsmitgliedern oder vom Vorstand am (Datum) gestellt wurde und daß der Vorsitzende durch Schreiben vom dies Verlangen abgelehnt hat (oder ihm bis heute nicht stattgegeben hat). Das Verlangen sei zu folgendem Zweck und aus folgendem Grund gestellt worden Man lade nunmehr zu einer Sitzung des Aufsichtsrats ein und usw." Die Einberufung muß unverzüglich nach Ablehnung, bzw. nachdem erkennbar ist, daß der Vorsitzende dem Verlangen nicht stattgibt, erfolgen, anderenfalls wird das Recht verwirkt. Auch für die Beschlußfassung gelten die allgemeinen gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen. Ein Zwang zur Teilnahme kann nicht ausgeübt werden. N u r wird, wenn der Vorsitzende wegbleibt, die Beschlußfassung auch dann zulässig sein, wenn die Satzung seine Abwesenheit vorschreibt. Dagegen sind andere Satzungsbestimmungen über die Beschlußfassung des Aufsiditsrats anzuwenden, soweit sie mit den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und den Mitbestimmungsgesetzen vereinbar sind, denn die gesetzliche Befugnis, eine Sitzung, Beratung und Beschlußfassung gegen den Willen des Vorsitzenden herbeizuführen, bedeutet nicht, daß über diesen Erfolg hinaus für diese Sitzung nicht die gleichen Bestimmungen gelten, wie für jede andere Aufsichtsratssitzung. 581
§110
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 5,6 Ob die nach Abs. 2 Antragsberechtigten auch eine schriftliche Abstimmung in Lauf setzen können, wenn niemand widerspricht, ist zweifelhaft. Die Satzung kann es gestatten, anderenfalls dürfte die Frage zu verneinen sein, weil sich im schriftlichen Verfahren seine Rechtsmäßigkeit schwer nachprüfen läßt. Praktisch dürfte die Frage nur von geringer Bedeutung sein, da im allgemeinen der Aufsichtsratsvorsitzende in einem solchen Fall der schriftlichen Abstimmung widersprechen wird. Die Beschlüsse des auf eine solche Einladung hin zusammengetretenen Aufsichtsrats sind unwirksam, wenn die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, z. B. 2 Mitglieder einberufen haben, obwohl nur eines das Verlangen gestellt hatte, aber dann wohl trotzdem nicht, wenn alle Mitglieder zugegen waren. Schwierig ist die Frage, wenn die mangelnde Zulässigkeit auf Mißbräuchlichkeit beruht. Obwohl damit dem Zweifel Tür und Tor geöffnet sind, wird man auch dann die Rechtswirksamkeit verneinen müssen, wenn nicht alle Mitglieder zugegen waren. Anderenfalls würde die Frage des Mißbrauchs gegenstandslos. Haben die Antragsteller ihre Rechte mißbräuchlich ausgeübt, so können sie nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen (auch §§ 116, 93) für die Kosten der Sitzung ersatzpflichtig gemacht werden. IV. Turnusmäßige Sitzungen Anm. 6: Die Einführung turnusmäßiger Sitzungen beruht auf dem Gedanken, daß die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht dadurch lahmgelegt werden soll, daß keine oder nur die unbedingt notwendige Sitzung des Aufsichtsrates einmal im Jahr stattfindet. Das ergibt sich schon daraus, daß die Einfügung der Bestimmung in den § 94 AktG 37 durch das Betriebsverfassungsgesetz vorgenommen wurde. Trotz dieser Herkunft gilt die Bestimmung aber jetzt für alle Aktiengesellschaften, also auch für solche, die einen Aufsichtsrat ohne Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer haben. Der Aufsichtsrat muß — die Bestimmung ist zwingend — mindestens in jedem Kalenderhalbjahr eine Sitzung abhalten. Das Geschäftsjahr der Gesellschaft spielt keine Rolle. Da das Gesetz ausdrücklich die Abhaltung einer Sitzung verlangt, kann diese nicht durch schriftliche Abstimmung ersetzt werden. Sinn der Vorschrift ist, daß Mitglieder des Aufsichtsrats die Möglichkeit haben, sich in einer Sitzung auszusprechen, so auch Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. §94 Anm. 15. Verletzt der Aufsichtsratsvorsitzende, der für die Einberufung des Aufsichtsrats verantwortlich ist, diese Verpflichtung, so setzt er sich Schadensersatzansprüchen nach §§ 116, 93 aus. Auch die übrigen Aufsichtsratsmitglieder sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Mindestsitzungen abgehalten werden. Unter Umständen müssen sie von Abs. 2 Gebrauch machen. Darüber hinaus soll der Aufsichtsrat in der Regel einmal im Kalendervierteljahr einberufen werden. Das bedeutet, daß außer den zwingend vor582
Aufgaben und Rechte des Aufsiditsrats
§§110/111
Anm. 6
geschriebenen zwei Sitzungen im Jahr noch zwei weitere abgehalten werden sollen. Geschieht dies letztere nicht, so kann daraus nur dann eine Verletzung der Sorgfaltspflicht des Vorsitzenden und gegebenenfalls auch der übrigen Aufsichtsratsmitglieder sich ergeben, wenn durch den Wegfall dieser Sitzungen die Obliegenheiten des Aufsiditsrats nicht ordnungsmäßig erfüllt werden konnten. Das wird verhältnismäßig selten vorkommen, insbesondere wenn, wie bei großen Gesellschaften üblich, ein wesentlicher Teil der Obliegenheiten des Aufsichtsrats den Ausschüssen übertragen ist und diese regelmäßig getagt haben. Die Satzung kann mehr Aufsichtsratssitzungen vorschreiben, aber nicht die gesetzliche Regelung abschwächen. Zu beachten ist, daß neben der Verpflichtung, die turnusmäßigen Sitzungen einzuberufen, die allgemeine Pflicht für den Aufsichtsratsvorsitzenden gilt, den Aufsichtsrat unverzüglich einzuberufen, wenn es zur Durchführung seiner Obliegenheiten notwendig ist. Von dieser Verpflichtung wird er nicht durch die ordnungsmäßige Einberufung der turnusmäßigen Sitzung befreit.
§ 111 Aufgaben und Rechte des Aufsiditsrats (1) Der Aufsiditsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. (2) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. E r kann damit auch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachverständige beauftragen. (3) Der Aufsiditsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. Für den Beschluß genügt die einfädle Mehrheit. (4) Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsiditsrat nicht übertragen werden. Die Satzung oder der Aufsichtsrat kann jedoch bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorweggenommen werden dürfen. Verweigert der Aufsiditsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen. (5) Die Aufsiditsratsmitglieder können ihre Aufgaben nidit durch andere wahrnehmen lassen. 583
§111
Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
I. Übersicht (Anm. 1) II. Überwadiungspflicht (Anm. 2) I I I . Rechte zur Durchführung der überwachungspflicht (Anm. 3) IV. Einberufung der Hauptversammlung (Anm. 4)
V. Zustimmung zu Maßnahmen der Geschäftsführung (Anm. 5) VI. Vertretung von Aufsichtsratsmitgliedern (Anm. 6)
I. Übersicht Anm. 1: Die Aufgaben und Rechte des Aufsiditsrats werden in der vorliegenden Bestimmung nicht erschöpfend geregelt. Sowohl in diesem Gesetz als auch in anderen Gesetzen, so z. B. in § 15 MitbestErgG, der als Sondervorschrift neben der vorliegenden Bestimmung weiter gilt. Die Regierungsbegründung weist darauf hin, daß es weder möglich noch zweckmäßig sei, alle Aufgaben des Aufsichtsrats in einer Vorschrift zusammenzufassen. Das neue Gesetz hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, die Bestimmungen des bisherigen § 95 AktG 37 mit Ausnahme des Abs. 2 — der bereits in § 90 aufgenommen wurde — mit einigen Änderungen zu übernehmen. In Abs. 3 wird ergänzend bestimmt, daß der Beschluß über die Einberufung der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit gefaßt werden kann. In Abs. 4 S. 2 wird durch eine sprachliche Änderung deutlich gemacht, daß der Vorstand verpflichtet ist, die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen, wenn durch die Satzung oder Aufsichtsratsbeschluß diese für die Vornahme bestimmter Arten von Geschäften vorgeschrieben ist. Von besonderer Bedeutung und heftig umstritten war die neue Regelung eines Konfliktes zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, wenn ersterer an die Zustimmung des letzteren zur Vornahme von Geschäften gebunden ist und dieser die Zustimmung verweigert. Das Gesetz bestimmt, daß in diesem Fall der Vorstand verlangen kann, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß bedarf zwingend einer qualifizierten Mehrheit von ZU der abgegebenen Stimmen. Damit ist die Ansicht, es dürfe nicht zulässig sein, daß gegen die Entscheidung eines mitbestimmten Organs — des Aufsichtsrats — ein nicht mitbestimmtes Organ — die Hauptversammlung — angerufen werden könne und dieses Organ an Stelle des mitbestimmten Organs entscheide, gegenstandslos geworden. Das Gesetz folgt der einhelligen Ansicht im geltenden Recht. Streitig war lediglich zum geltenden Recht das Anrufungsrecht des Vorstandes bei Gesellschaften, deren Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz oder Mitbestimmungsergänzungsgesetz zusammengesetzt ist. Die Mitbestimmungsgesetze beschränken sich darauf, die Zusammensetzung des Vorstandes und des Aufsichtsrates zu ändern. Sie haben aber nicht die Aufgaben dieser Organe und ihre Rechtsstellung geändert. Darum hat der Gesetzgeber keinen Unterschied zwischen Gesellschaften, für die die Mitbestimmungsgesetze gelten und solchen, für die diese nicht gelten, gemacht und einheitlich bestimmt, 584
Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats
§ 111 Anm. 1,2
daß in dem oben dargelegten Fall die Hauptversammlung angerufen werden kann. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, daß die Stellung des Aufsichtsrats gegenüber dem bisherigen Recht dadurch verstärkt wird, daß in allen Fällen der Beschluß der Hauptversammlung, durdi den die Zustimmung des Aufsichtsrats ersetzt wird, einer qualifizierten Mehrheit bedarf. Eine noch weitergehende Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zugunsten des Aufsichtsrates würde dem Grundgedanken des Aktienrechts zuwider laufen. Der Aufsichtsrat behielte in allen wichtigen Geschäftsführungsfragen das letzte Wort, der Vorstand müßte sich seiner Entscheidung beugen, ohne gegen sie etwas unternehmen zu können. IL Überwachungspflidit Anm. 2: Die wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrats, von der er seinen Namen ableitet, ist, die Geschäftsführung des Vorstandes zu überwachen, auch soweit dieser sie Angestellten anvertraut hat. Letzteres mit der Maßgabe, daß der Aufsichtsrat über Anstände sich nicht gegenüber Angestellten, sondern nur gegenüber dem Vorstand auszulassen hat. Die Oberwachungspflicht bezieht sich auch darauf, daß der Vorstand Handlungen nicht unterläßt, zu denen er kraft allgemeiner Sorgfaltspflicht oder gesetzlicher Sonderbestimmungen verpflichtet ist. Sie enthält die Verpflichtung zu einem positiven Tun, nämlich zur Einwirkung auf den Vorstand, daß er seine Pflicht erfülle (z.B. die Hauptversammlung einberufe und den Konkursantrag stelle). Wie die Überwachung der Geschäftsführung von letzterer selbst abzugrenzen ist, ohne daß einerseits die Überwachung gegenstandslos, andererseits der Überwachte zum Untergebenen des Überwachers wird, ist eine der schwierigsten Fragen, deren befriedigende Lösung eine sehr sorgfältige Abwägung der Ziele des Gesetzes verlangt. Im Gesetz ist zum Ausdruck gekommen, daß dem Aufsichtsrat selbst Maßnahmen der Geschäftsführung nicht übertragen werden können (Abs. 4 S. 1) und daß durch Satzung und durch Aufsichtsratsbeschluß eine Zustimmung nur zu bestimmten, genau bezeichneten Geschäftsarten vorbehalten werden kann, nicht zu allen Geschäften und daß es unzulässig ist, ganz allgemein dem Vorstand zur Pflicht zu machen, den Weisungen des Aufsichtsrats Folge zu leisten (Abs. 4). Die Weisung des Aufsichtsrats würde den Vorstand ebensowenig von eigener Verantwortung entbinden wie nach § 93 IV die Zustimmung. Als unzweifelhaft kann auch angesehen werden, daß ein übertriebener Gebrauch von der in Abs. 4 Satzung und Aufsichtsrat gewährten Befugnis, die Zustimmung des Aufsichtsrats zu bestimmten Arten von Geschäften vorzuschreiben, der praktisch darauf hinausliefe, daß der Vorstand zu allen wesentlichen geschäftlichen Maßnahmen der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfe, den Absichten des Gesetzes widersprechen würde. 585
§111 Anm. 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
Immerhin ist ein verständiger Gebrauch dieser Befugnis durchaus anzuraten, weil gerade er geeignet ist, eine klare Linie zu schaffen. Die Überwachung hat sich auf die richtige Führung des Geschäftes, selbstverständlich auch auf die Beachtung aller Vorschriften des Gesetzes und der Satzung und auch auf die Beachtung derartiger nach Abs. 4 gegebener Vorschriften zu erstrecken. Ihre Beachtung hat der Aufsichtsrat notfalls mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu erzwingen. Eine Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrates, von seinem Recht, Vorschriften nach Abs. 4 zu erlassen, Gebrauch zu machen, scheint uns nicht allgemein zu bestehen, weil die Hauptversammlung in der Lage ist, durch Satzungsänderung selbst solche Vorschriften zu geben, wenn es als notwendig befunden wird. Das schließt nicht aus, daß u. U. der Erlaß von Vorschriften nach Abs. 4 von der Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats gefordert sein kann, z. B. wenn der Vorstand nur aus einer einzigen noch nicht bewährten Person besteht. Für solche Maßnahmen nach Abs. 4 werden dem Aufsichtsrat der Inhalt der Vorstandsberichte Anregungen geben können. Es kann auch zu den Überwachungspflichten des Aufsichtsrats gehören, dafür Sorge zu tragen, daß eine Geschäftsordnung für den Vorstand besteht. Nach § 77 II ist der Vorstand berechtigt, sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben, wenn nicht die Satzung den Erlaß der Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat übertragen hat oder der Aufsichtsrat selbst die Geschäftsordnung erläßt. Es kann sich auch die Notwendigkeit ergeben, eine vom Vorstand selbst erlassene Geschäftsordnung durch eine vom Aufsichtsrat erlassene zu ersetzen (vgl. § 77 Anm. 9). Wenn sich auch durch diese neue Bestimmung die Möglichkeit, der Überwachungspflicht zu genügen, gegenüber dem bisherigen Recht verstärkt hat, so bleibt letztlich das Problem, daß der Vorstand nicht verpflichtet ist, Bedenken, die der Aufsichtsrat ihm gegenüber geltend macht, auszuräumen. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, die dies anordnet. Nur indirekt werden sich Bedenken des Aufsichtsrats auf die Handlungen des Vorstands dadurch auswirken, daß seine Sorgfaltspflicht eine besondere ist, wenn vom Aufsichtsrat gegen seine Handlungen Bedenken erhoben werden. Das wird im allgemeinen genügen. Die Maßnahmen, die dem Aufsichtsrat zur Verfügung stehen, wie etwa Beanstandungen der Geschäftsleitung in dem der Hauptversammlung vorzulegenden Bericht des Aufsichtsrats oder gar Abberufung, sind insofern nur im äußersten Notfall anwendbar, weil dadurch meist eine Schädigung der Gesellschaft eintritt. Jedes einzelne Mitglied hat gemäß § 9 3 in Verbindung mit § 116 die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers anzuwenden. Nach Reichsgericht ( J W 1911, 223) haftet der Aufsichtsrat nur, wenn er Umstände nicht beachtet hat, auf die ein ordentlicher Geschäftsmann in gleicher Lage Gewicht legt, dagegen der Regel nach dann nicht, wenn er die wahrscheinlichen Folgen einer geschäftlichen Maßnahme, die sich mit Sicher586
Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats
§ 111 Anra. 2, 3
heit überhaupt nicht voraussehen läßt, falsch beurteilt hat. Wenn auch nicht die Nachprüfung der gesamten Geschäftstätigkeit des Vorstandes verlangt werden kann, so doch die bedeutenden Geschäfte. Überprüfung des Jahresabschlusses vgl. § 171; über die Überwachungspflicht für Gründungsvorgänge vgl. R G 144, 348. Die Prüfung des Berichts des Vorstandes über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§ 312) liegt dem Aufsichtsrat nach § 314 ob. III. Rechte zur Durchführung der Überwachungspflicht Anm. 3: Zur Erfüllung der Überwachungspflicht sind dem Aufsichtsrat die folgenden Rechte gegeben, die ausgeübt werden müssen, wenn es erforderlich ist, anderenfalls eine Haftung aus §§ 116, 93 in Frage kommt. Zunächst kann der Aufsichtsrat vom Vorstand — nicht von den einzelnen Angestellten — jederzeit einen Bericht verlangen. Im einzelnen vgl. hierzu § 90, in dem jetzt alle Vorschriften über die Berichterstattung des Vorstandes an den Aufsichtsrat zusammengefaßt sind. Weiterhin hat der Aufsichtsrat — nicht das einzelne Mitglied — das Recht, die Bücher und Schriften der Gesellschaft einzusehen. Das einzelne Mitglied kann aber vom Gesamtaufsichtsrat damit beauftragt werden. Letzterer hat sich davon zu überzeugen, daß das beauftragte Mitglied sich für seine Aufgabe eignet und sie ordnungsgemäß und gewissenhaft erledigt. Die sämtlichen Geschäftsbücher und die Schriften im weitesten Umfang stehen dem Aufsichtsrat zur Verfügung. Hierher gehören nicht nur solche Schriften, die sich auf den reinen Geschäftsgang beziehen, sondern auch technische Schriften, Patentschriften usw. Aber auch hier nur, wenn der Einblick in sie gerade zur Überwachung der Geschäftsführung dienlich sein kann. Er kann ferner die Gesellschaftskasse prüfen, hierzu gehören auch Wohlfahrtskassen des Unternehmens, selbst dann, wenn sie von den übrigen Kassen völlig getrennt geführt werden. Dies gilt nicht, wenn es sich bei den Wohlfahrtseinrichtungen um besondere juristische Personen handelt. Er kann mit dieser Prüfung auch Sachverständige beauftragen. Er ist dazu sogar verpflichtet, wenn er nicht selbst sachverständige Mitglieder hat, die die Prüfung in seinem Auftrag vornehmen können. Die Kosten der Sachverständigen gehen zu Lasten der Gesellschaft (§§ 669, 670 BGB), wenn diese auch durch den Aufsichtsrat nicht unmittelbar verpflichtet wird (vgl. § 109 Anm. 5). Für die sorgfältige Auswahl haften die Aufsichtsratsmitglieder. Durch Beauftragung eines sorgfältig ausgewählten Sachverständigen, Feststellung, ob dieser seinen Auftrag ordnungsgemäß ausgeführt hat und gewissenhaftes Studium des vom Sachverständigen erstatteten Berichts, endlich Fürsorge für die Abstellung der im Bericht etwa festgestellten Mängel, erfüllt der Aufsichtsrat die eigene Pflicht. Die Nachprüfung des Berichtes ist nur in Ausnahmefällen, wo Stichproben unschwer möglich sind, oder Zweifel sich aufdrängen, zu fordern. 587
§111
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 4,5 IV. Einberufung der Hauptversammlung Anm. 4: Wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert, hat der Aufsichtsrat auf Kosten der Gesellschaft die Hauptversammlung zu berufen. Auch hier als Gesamtorgan, d. h. nicht, daß alle Mitglieder die Einberufung zu unterzeichnen haben. Alle sind dazu verpflichtet, wenn sie die Mehrheit ordnungsgemäß beschlossen hat (und nicht etwa der Vorsitzende mit der Ausführung des Beschlusses beauftragt worden ist oder der Vorstand sie übernommen hat). Wirken nicht alle Aufsichtsratsmitglieder mit, obwohl ihnen dazu Gelegenheit gegeben wurde, so ist die Einberufung gleichwohl wirksam. Zur Mitwirkung genügt die Einwilligung, daß der Name des Mitglieds unter die Einberufung gesetzt werde. Es dürfte sich empfehlen, wenn nicht alle Mitglieder mitunterzeichnet haben, in der Einberufung den ihr zugrunde liegenden Aufsichtsratsbeschluß anzuführen. Dem einzelnen Mitglied, auch dem Vorsitzenden, steht das Recht nicht zu. Die Satzung kann das Recht des Aufsichtsrats nicht beseitigen. Über die Einberufung vgl. §§ 121 ff. Um die Hauptversammlung einberufen zu können, muß der Aufsichtsrat beschlußfähig, nicht aber vollständig sein. Die Beschlüsse einer von einem nicht beschlußfähigen Aufsichtsrat einberufenen Hauptversammlung sind nichtig. Das geht weit, muß aber gleichwohl gelten, da möglicherweise Aktionäre im Bewußtsein der Unzulänglichkeit der Einberufung ausbleiben (aus deren Unterschriften die Beschlußunfähigkeit hervorgeht). Beschlußunfähigkeit, die erst nach der Einberufung eintritt, ist unschädlich. Da die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur beschließt, wenn der Vorstand, nicht wenn der Aufsichtsrat es verlangt, die Abberufung des Vorstandes aber ebenso wie der Erlaß von Vorschriften nach Abs. 4 Sache des Aufsichtsrates selbst ist, wenn er mit der Geschäftsführung nicht einverstanden ist, der Aufsichtsrat auch die Bücher und Schriften mit Hilfe von Sachverständigen selbst einsehen kann, so daß er auch ohne Bestellung von Sonderprüfern zu einer umfassenden Prüfung in der Lage ist, hat die Einberufung der Hauptversammlung und ihre Stellungnahme mehr ein moralisches Gewicht. Der Vorstand braucht diese nicht zu beachten, aber er wird es. Das einzelne Mitglied als solches kann die Hauptversammlung nur berufen, wenn die Satzung ihm diese Befugnis gewährt, nicht aber, wie früher angenommen wurde, wenn es das einzige übrige Aufsichtsratmitglied ist, weil in diesem Fall der Aufsichtsrat die Beschlußfähigkeit verloren hat. V. Zustimmung zu Maßnahmen der Geschäftsführung Anm. 5: Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Diese liegen kraft zwingender Vorschrift des § 76 allein in der Hand des Vorstandes. Sowohl durch die Satzung, als auch durch einen Aufsichtsratsbeschluß kann aber angeordnet werden, daß der Vorstand bestimmte Arten von Geschäften oder bestimmte einzelne Geschäfte nur mit 588
Aufgaben und Rechte des Aufsiditsrats
§ 111 Anm. 5,6
Zustimmung des Aufsiditsrats vornehmen darf. Die Vorschrift ist zwingend. Das Recht des Aufsiditsrats, solche Anordnungen zu treffen, kann durch die Satzung nicht geschmälert werden. Der Aufsichtsrat kann deshalb auch weitergehen als die Satzung, dagegen nicht umgekehrt auf die Befolgung derartiger auch für ihn bindender und ihn verpflichtender Satzungsbestimmungen verzichten. Der Maßstab ist der Größe des Unternehmens zu entnehmen. Der Aufsichtsrat kann nach § 107 I I I Beschlüsse, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen, nicht einem Ausschuß überweisen. Zur Frage, inwieweit ein Ausschuß, wenn die Anordnung getroffen ist, die Zustimmung zu den einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen erteilen kann, vgl. Anm. 8 zu § 107. Besteht eine solche Anordnung, so liegt darin eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands, die er nach § 82 einzuhalten der Gesellschaft gegenüber verpflichtet ist. Nach außen wirken sie nicht. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand nach § 121 I die Hauptversammlung einberufen und verlangen, daß diese über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens s/i der abgegebenen Stimmen umfaßt. Im einzelnen vgl. oben Anm. 1. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen. Dies deshalb, weil der Gesetzgeber selbst die durch die Wirkung der Mitbestimmungsgesetze recht problematisch gewordenen Verhältnisse der Organe zueinander in einem solchen Fall abschließend regeln will. Der Vorstand soll nicht in eine völlig abhängige Lage von dem mitbestimmten Organ, das der Aufsichtsrat ist, kommen, andererseits soll er nur dann die Möglichkeit haben, sich dem Aufsichtsrat gegenüber durchzusetzen, wenn eine qualifizierte Mehrheit in der Hauptversammlung sich seiner Auffassung anschließt. VI. Vertretung von Aufsichtsratsmitgliedern Anm. 6: Aufsichtsratsmitglieder können sich grundsätzlich bei Erfüllung ihrer Pflichten nicht vertreten lassen, auch nicht durch ein anderes Mitglied. Über Vertretung in den Aufsichtsratssitzungen vgl. § 109 I I I und dort Anm. 6. Über Stimmabgabe abwesender Aufsichtsratsmitglieder in einer Aufsichtsratssitzung vgl. § 108 I I I und dort Anm. 4. Durch die Vorschrift werden nicht berührt die Bestimmungen, die es dem Aufsichtsrat gestatten, gewisse Aufgaben einzelnen Mitgliedern zu übertragen. So z. B. die Einsichtnahme in die Bücher und Schriften der Gesellschaft nach Abs. 2. Auch der Bildung von Ausschüssen steht vorliegende Bestimmung nicht entgegen, denn diese werden von dem Aufsichtsrat und nicht von einem Aufsichtsratsmitglied bestellt. Auch wird nach verbreiteter Ansicht durch diese Vorschrift nicht ausgeschlossen, daß ein Mitglied eine Vollmacht gibt, wenn es — ausnahmsweise 589
§§ T11/112
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm.6/1 — berufen ist, die Gesellschaft zu vertreten. Was für die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrates gilt, gilt audi für den Aufsichtsrat als solchen. Er kann seine Verpflichtungen die er als Organ hat, nicht auf ein anderes Organ übertragen, wohl aber kann er einzelne seiner Obliegenheiten auf Ausschüsse übertragen. Siehe im einzelnen hierzu § 107 III. § 112 Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. I. Übersicht (Anm. 1)
II. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern (Anm. 2) III. Durchführung (Anm. 3)
I. Obersicht Anm.l: Gegenüber der entsprechenden Bestimmung des § 9 7 A k t G 3 7 werden durch die vorstehende Bestimmung die Rechte des Aufsichtsrats wesentlich erweitert und damit weitestgehend die bisher bestehenden Streitfragen gegenstandslos. Wenn ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft gegenübersteht, sei es als Partner bei der Vornahme einer Rechtshandlung, sei es als Prozeßgegner, so wird die Gesellschaft stets vom Aufsichtsrat vertreten. Nach bisherigem Recht konnte bei Vornahme von Rechtsgeschäften zwischen einem einzelnen Vorstandsmitglied und der Gesellschaft diese von den übrigen Vorstandsmitgliedern — gegebenenfalls unter Mitwirkung eines Prokuristen — vertreten werden. Es wurde auch die Ansicht vertreten, daß ein einzelnes Vorstandsmitglied mit sich selbst Geschäfte abschließen kann, wenn die Bestimmung des § 181 durch die Satzung ausdrücklich ausgeschlossen war. In Rechtsstreitigkeiten mit einem Vorstandsmitglied wurde die Gesellschaft nur dann von dem Aufsichtsrat vertreten, wenn es sich um einen Rechtsstreit handelte, den zu führen die Hauptversammlung beschlossen hatte. Lag diese Voraussetzung nicht vor, so mußte die Klage abgewiesen werden, wenn die Gesellschaft, vertreten durch ihren Aufsichtsrat, die Klage erhoben hatte. In einem Rechtsstreit, in dem die Gesellschaft Beklagte, ein Vorstandsmitglied Kläger war, kam eine Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat überhaupt nicht in Frage. Auch in einem solchen Falle wird nunmehr zwingend die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten. Durch die Einführung dieser alleinigen Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat bei allen Rechtshandlungen oder Rechtsstreitigkeiten mit Vorstandsmitgliedern wird erreicht, daß auch bei einem mehrköpfigen Vorstand sie niemals durch Kollegen desjenigen vertreten wird, mit dem die Rechtshandlung abzuschließen ist oder der Prozeß geführt werden muß. Das erscheint zweckmäßig; es soll gar nicht der Gedanke aufkommen, daß das an sich er590
Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern
§ 112
Anm. 1—3
wünschte kollegiale Verhältnis innerhalb des Vorstandes sich irgendwie nachteilig auswirken kann, bei Geschäften, die mit einem Vorstandsmitglied abgeschlossen oder bei Prozessen, die gegen ein einzelnes Vorstandsmitglied geführt werden müssen. In noch stärkerem Maß unerwünscht muß es sein, wenn etwa die Gesellschaft durdi ein Vorstandsmitglied oder einen Prokuristen vertreten wird, welch letzterer ein Untergebener des Vorstandsmitgliedes ist, mit dem die Rechtshandlung vorgenommen oder ein Prozeß geführt werden soll. Durch diese Lösung wird die neue gesetzliche Bestimmung wesentlich einfacher als die bisherige. II. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern Anm. 2: In allen Fällen, in denen ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft gegenübersteht, wird letztere durch den Aufsichtsrat als Organ vertreten. Neben dieser Vertretung gibt es keine andere, insbesondere nicht durch die übrigen Vorstandsmitglieder oder sonstige vertretungsberechtigte Personen. Auch nicht das einzelne Aufsichtsratsmitglied hat ein Recht zur Vertretung, auch nicht der Vorsitzende des Aufsichtsrats. Die gesetzliche Bestimmung ist zwingend und kann mit Rücksicht auf § 23 I V durch die Satzung nicht geändert werden. Wir sind deshalb der Auffassung, daß es auch nicht möglich ist, in der Satzung das Vertretungsrecht des Aufsichtsrates einem ständigen Ausschuß zu übertragen, wohl aber kann der Aufsichtsrat beschließen, die Vertretung der Gesellschaft einem Ausschuß zu übertragen. Wir sehen auch keine Bedenken, wenn der Gesamtaufsichtsrat durch Beschluß oder ein etwa von ihm eingesetzter Ausschuß ebenfalls durch Beschluß die Durchführung der Vertretung einem bestimmten Aufsichtsratsmitglied, insbesondere dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder dem Vorsitzenden des mit der Vertretung beauftragten Ausschusses überträgt (so auch für das bisherige Recht SchmidtMeyer-Landrut in Großkomm. § 97 Anm. 2 und 4). Auch in der Begründung des Regierungsentwurfes wird dies für zulässig gehalten. Von einer besonderen gesetzlichen Regelung wurde deshalb Abstand genommen, weil man die Frage im Schrifttum zum geltenden Recht als geklärt ansah. Für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber früheren Vorstandsmitgliedern gilt § 78 (s. dort Anm. 3). III. Durchführung Anm. 3: Bei der außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft muß das handelnde Aufsichtsratsmitglied, wenn es verlangt oder erforderlich ist — etwa bei Abschluß eines notariellen Vertrages — den Aufsichtsratsbeschluß vorlegen, aus dem sich ergibt, daß der Aufsichtsrat ihn persönlich ermächtigt hat, die Vertretung für den Aufsichtsrat durchzuführen. Es kann sich dies auch aus den Umständen ergeben, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende handelt und bisher in ähnlichen Fällen diese Art der Vertretung üblich war. Wenn es 591
§§112/113
Anm. 3
Verfassung der Aktiengesellschaft
sich um den Nachweis gegenüber Behörden handelt, wird man aber verlangen müssen, daß ein ausdrücklicher Beschluß des Aufsichtsrates oder, wenn ein Ausschuß eingesetzt wurde, dieses Ausschusses vorgelegt wird. Die Klage gegen ein Vorstandsmitglied kann in der Weise erhoben werden, daß die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat und dieser vertreten durch ein durch Aufsichtsratsbeschluß legitimiertes Aufsichtsratsmitglied — in der Regel der Vorsitzende des Aufsichtsrats —, als Klägerin auftritt. Auch hier muß dem Gericht durch Beifügung des entsprechenden Beschlusses der Nachweis dafür erbracht werden, daß der Aufsichtsrat ordnungsgemäß entweder selbst oder durch einen von ihm eingesetzten Ausschuß den Handelnden mit der Durchführung der Vertretung beauftragt hat. Vollmacht für den Prozeßbevollmächtigten kann der so zur Vertretung Ermächtigte allein erteilen. Es bedarf nicht der Unterschrift aller Ausschußmitglieder oder gar aller Aufsichtsratsmitglieder. Erhebt ein Vorstandsmitglied Klage gegen die Gesellschaft, so muß er diese, vertreten durch den gesamten Aufsichtsrat, verklagen, denn zunächst wird kein Beschluß vorliegen, aus dem sich etwas anderes ergibt, als die durch das Gesetz vorgeschriebene Vertretung durch den Aufsichtsrat, d. h. durch den gesamten Aufsichtsrat.
§ H3 Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder (1) Den Aufsichtsratsmitgliedern kann f ü r ihre Tätigkeit eine Vergütung gewährt werden. Sie kann in der Satzung festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden. Sie soll in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsiditsratsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen. Ist die Vergütung in der Satzung festgesetzt, so kann die Hauptversammlung eine Satzungsänderung, durch welche die Vergütung herabgesetzt wird, mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen. (2) Den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats kann nur die Hauptversammlung eine Vergütung für ihre Tätigkeit bewilligen. Der Beschluß kann erst in der Hauptversammlung gefaßt werden, die über die Entlastung der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats beschließt. (3) Wird den Aufsichtsratsmitgliedern ein Anteil am Jahresgewinn der Gesellschaft gewährt, so beredinet sich der Anteil nach dem Bilanzgewinn, vermindert u m einen Betrag von mindestens vier v o m Hundert der auf den Nennbetrag der Aktien geleisteten Einlagen. Entgegenstehende Festsetzungen sind nichtig. I. Übersicht (Anm. 1) II. Ansprüche auf Vergütung (Anm. 2)
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III. Berechnung einer gewinnabhängigen Vergütung (Anm. 3) IV. Sondervergütung (Anm. 4)
Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder
§ 113
Arno, 1,2
I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 entsprechen im wesentlichen denen des § 98 Abs. 1 und 2 AktG 37. Geändert ist die Bestimmung über die Berechnung einer gewinnabhängigen Tantieme mit Rücksicht auf die neuen Bestimmungen über die Gewinnverwendung durch die Hauptversammlung. Als überflüssig gestrichen ist die in Abs. 4 des § 98 AktG 37 enthaltene Bestimmung, wonach Gewinnbeteiligungen in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufwendungen zugunsten der „Gefolgschaft" oder von Einrichtungen, die dem gemeinen Wohl dienen, bestehen sollen. Die Vorschrift hat keine praktische Bedeutung in der Vergangenheit erlangt, angesichts der Höhe der Sozialleistungen, die die Gesellschaft teils auf Grund von Gesetzen, teils auf Grund tariflicher Bestimmungen, teils freiwillig aufbringt, erscheint sie audi für die Zukunft als überflüssig und wurde deshalb nicht in das neue Gesetz übernommen.
II. AnsprGdie auf Vergütung Anm. 2: Das Gesetz bestimmt nicht, daß die Aufsichtsratsmitglieder für ihre Tätigkeit einen Anspruch auf Vergütung haben. Es stellt lediglich fest, daß ihnen eine Vergütung gewährt werden kann. Grundsätzlich ist die Gesellschaft frei, ob und in welcher Weise sie eine Vergütung festsetzen will. Die Vergütung kann in einem festen Betrag, einer Gewinnbeteiligung oder in beidem zusammen bestehen. Im ersteren Fall in einer bestimmten Summe oder einem Hundertsatz des Grundkapitals, im zweiten Falle in einem Hundertsatz des erzielten Bilanzgewinns oder des auszuschüttenden Gewinnes oder in einem bestimmten Betrag für jedes Prozent der ausgeschütteten Dividende, mit oder ohne Garantie eines Mindestbetrages. Wird die Tantieme vom Gewinn berechnet, so sind die Sonderbestimmungen des Abs. 3 zu beachten. Gleichgültig wie die Vergütung berechnet wird, gilt immer der Grundsatz, daß sie, wie die Bezüge der Vorstandsmitglieder, der Höhe nach so festgesetzt werden soll, daß sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Empfänger und der Lage der Gesellschaft steht (vgl. § 87 Abs. 1 für den Vorstand und im einzelnen dort Anm. 5 bis 7). Das Gesetz stellt nunmehr ausdrücklich fest, daß die Vergütung in der Satzung festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden muß. Das erstere ist im allgemeinen üblich. Auch wenn die Vergütung in der Satzung festgesetzt ist, haben die Aufsichtsratsmitglieder keine Sicherheit, daß diese ihnen während der Dauer ihrer Amtszeit nach diesen Bestimmungen gezahlt wird, denn die Hauptversammlung kann jederzeit durch eine 593 38
Wilhelmi, Aktiengesetz
§113
Anm. 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
Satzungsänderung mit einfacher Stimmenmehrheit die in der Satzung festgelegte Vergütung herabsetzen. Eine Erhöhung der Vergütung durch Satzungsänderung ist selbstverständlich auch möglich. Diese bedarf dann aber der qualifizierten Mehrheit, wie jede sonstige Satzungsänderung. Satzungsbestimmungen, die mit den vorstehenden Grundsätzen unvereinbar sind, insbesondere auch gegen die Vorschrift des Abs. 3 verstoßen, sind, auch wenn eingetragen, nicht gültig. Das Registergericht muß ihre Eintragung, soweit ein Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen offensichtlich ist, ablehnen. Das wird bei Nichtbeachtung der Bestimmungen des Abs. 3 ohne weiteres möglich sein. Dagegen wird ein Verstoß gegen die Abwägung der Höhe nach Abs. 1 meist dem Gericht nicht möglich sein, so daß nur ein offenbarer Verstoß den Registerrichter zur Ablehnung veranlassen kann. Hauptversammlungsbeschlüsse, die gegen die obigen Grundsätze verstoßen, sind anfechtbar, aber nicht nichtig. Über Sitzungsgelder schweigt das Gesetz, obwohl sie in der Praxis allgemein üblich sind. Insoweit sie mehr darstellen als Auslagenersatz, insbesondere auch an ortansässige Mitglieder gewährt werden, bedeuten sie Vergütung für Mühe und Zeitaufwand und unterstehen sie den Regeln der Abs. 1 und 2. Nach Schl.-Qu. § 98 Anm. 4 sind sie Barauslagen gleichzuachten und kann der Vorstand sie festsetzen. Das ist schwer zu begründen, entspricht aber dem allgemeinen Brauch. Ob dieser im Einzelfall ein Mißbrauch ist, hängt davon ab, ob die Auslagenvergütung unangemessen hoch ist. Der Anspruch auf Vergütung steht nicht dem Aufsichtsrat als Kollegium, sondern jedem einzelnen Mitglied selbständig zu ( R G 75, 308). Es kann die jedem einzelnen Mitglied zustehende Vergütung bestimmt sein. Dies geschieht gewöhnlich, wenn und soweit sie eine feste Vergütung ist, es kann aber auch die für den gesamten Aufsichtsrat ausgeworfene Gesamtvergütung festgesetzt sein, so gewöhnlich, soweit sie in einem Anteil am Gewinn besteht. Von einer Gesamtvergütung entfällt auf jedes Mitglied, wenn nichts anderes bestimmt ist, ein der Kopfzahl der Aufsichtsratsmitglieder entsprechender Anteil gem. § 240 BGB. Der Maßstab der Aufgabe gilt nicht für die Einzelvergütung und das Verhältnis der Mitglieder untereinander, sondern für die Gesamtvergütung und das Verhältnis aller zur Gesellschaft. Die Vergütung bezieht sich aber regelmäßig auf ein volles Geschäftsjahr (nicht Kalenderjahr), so daß das einzelne Mitglied, das während eines Geschäftsjahres ein- oder ausgetreten oder gestorben ist, nur einen der Zeitdauer seiner Mitgliedschaft im Aufsichtsrat entsprechenden Teil eines Kopfanteils von der Gesamtvergütung erhält. Es kann aber eine andere Verteilung vorgeschrieben oder dem Aufsichtsrat selbst, das ist nicht seiner Willkür, aber seinem billigen Ermessen, die Verteilung überlassen sein. Die übliche Formel „zur Verteilung unter seine Mitglieder" besagt übrigens nichts darüber, ob der Auf sichtsrat die Grundsätze über die Verteilung aufzustellen oder nur die rechnerische Ver594
Vergütung der Aufsiditsratsmitglieder
§113
Anm.2
teilung nach einem unabhängigen, von ihm bestehenden Maßstab (Kopfzahl und Amtsdauer) vorzunehmen hat. Meist wird letzteres der Fall sein, so daß die Verteilung Sache des Vorsitzenden ist. Soll der Aufsichtsrat nach eigenem Ermessen die Vergütung verteilen, ist darüber vom Plenum oder einem dazu eingesetzten Ausschuß Beschluß zu fassen. Ermessen ist aber auch dann nicht gleich Gutdünken oder gar Willkür, da jedes Mitglied Anspruch auf angemessene Berücksichtigung hat. Es gilt vielmehr in diesem Fall für jedes einzelne Mitglied als Maßstab, welches Maß von Mühe das einzelne Mitglied aufzuwenden hatte. Ist dies verschieden, so dürfte auch nach § 315 BGB eine verschiedene Behandlung zulässig sein. Audi in diesem Fall ist aber bei der Abstufung im Auge zu behalten, daß die Haftung gesetzlich bei allen Mitgliedern dieselbe ist. Weiterhin ist die grundsätzliche Gleichstellung aller Aufsichtsratsmitglieder zu beachten, insbesondere sollte kein Unterschied zwischen Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und solchen der Arbeitnehmer gemacht werden. Deshalb wird eine unterschiedliche Behandlung der Mitglieder bei der Zuteilung der Vergütung nur dann gerechtfertigt sein, wenn diese besondere Aufgaben zu erfüllen haben; üblich und regelmäßig, auch billig ist, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats doppelt soviel erhält wie ein sonstiges Mitglied. Häufig erhalten die Stellvertreter das Eineinhalbfache. Ob dies bereits Handelsbrauch ist, muß aber bezweifelt werden. Vielfach wird auch den Vorsitzenden der Ausschüsse, von denen die Hauptarbeit geleistet wird, entweder eine zusätzliche Vergütung oder eine Vorwegvergütung gewährt. Der Rechtsgrund für den Anspruch ist der dem Aufsichtsratsverhältnis zugrunde liegende Bestellungsvertrag, mit dem ihm durch Gesetz oder zu seiner Ergänzung durch die Satzung oder auch einem satzungsmäßig gefaßten Hauptversammlungsbeschluß gegebenen Inhalts, womit sich der Gewählte durch Annahme der Wahl einverstanden erklärt (RGSoz.Pr. 38,1066). An sich könnte davon ausgegangen werden, daß entsprechend § 612 B G B ein Anspruch immer besteht, auch wenn die Satzung darüber schweigt; es dürfte aber in diesem Fall regelmäßig anzunehmen sein, daß kein Anspruch bestehen soll, und daß sich das Mitglied auch dem unterworfen hat, so daß die Hauptversammlung, wenn sie gleichwohl von Jahr zu Jahr eine Vergütung beschließt, dies aus freien Stücken tut, ohne an § 315 BGB gebunden zu sein. Anders ist es, wenn die Satzung den Anspruch ausdrücklich oder gem. richtiger Auslegung anerkennt, aber hinsichtlich seiner Höhe auf alljährliche Festsetzung durch die Hauptversammlung verweist. Ein Hauptversammlungsbeschluß kann mit Geltungsanspruch für längere Zeit oder von Jahr zu Jahr gefaßt werden. In letzterem Fall entsteht der Anspruch aber erst unwiderruflich durch den Beschluß, es sei denn, daß die Satzung in der Hauptversammlung nur die Festsetzung der Höhe nach Maßgabe § 315 BGB überläßt und den Anspruch schon anerkennt. Der Anspruch auf die Ver-
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§113
Anm. 2,3
Verfassung der Aktiengesellschaft
gütung entsteht zugunsten des einzelnen Mitglieds, auch dann schon auf Grund des Hauptversammlungsbeschlusses, bzw. der Satzung, wenn die Hauptversammlung nur einen Gesamtbetrag festsetzt und die Verteilung dem Aufsichtsrat überläßt (vgl. die sehr eingehende Zusammenstellung von Natzel in D B 65, 1388 ff. und 1429 ff.). Auch die Fälligkeit des Anspruchs richtet sich nach der Satzung oder dem Beschluß. Bei Schweigen beider wird nach festem Brauch der Anspruch auf die feste Vergütung am Schluß des Geschäftsjahres, der Anspruch auf Gewinnanteil mit dem Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung fällig. Die Einrede des nichterfüllten Vertrages kann die Gesellschaft gegenüber dem Anspruch des einzelnen Mitglieds nur erheben, wenn der gesamte Aufsichtsrat seine Pflicht nicht erfüllt hat, oder das Mitglied Obliegenheiten nidit erfüllt hat, die auf Grund Vereinbarung oder Auftrages des Aufsichtsrates von ihm besonders erfüllt werden mußten ( R G 78, 308), denn die Vergütung ist eine Gegenleistung auch für die Haftung, die alle Mitglieder gleichmäßig tragen. Besonderes gilt für den nach §§ 30 und 31 von den Gründern bestellten ersten Aufsichtsrat, dessen Amtsdauer in § 30 I I I und § 31 V zwingend festgelegt ist. Die Vergütung kann für diesen nur von der Hauptversammlung, nicht durch die Satzung, bestimmt werden und erst durch die Hauptversammlung, die über die Entlastung des ersten Aufsichtsrats beschließt. III. Berechnung einer gewinnabhängigen Vergütung Anm. 3: Auch für eine vom Gewinn abhängige Vergütung gilt die Bestimmung des Abs. 1, daß sie in angemessenem Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen muß. Zu ergänzen ist ferner, daß die Haftung der Aufsiditsratsmitglieder dabei zu berücksichtigen ist. Nach dem bisherigen Recht war die Berechnung einer gewinnabhängigen Vergütung an den Vorstand oder den Aufsichtsrat insofern gleichmäßig geregelt, als in beiden Fällen Ausgangspunkt der Betrag war, der den Aktionären als Gewinn zur Verfügung steht. Das ist jetzt geändert. Für die Berechnung einer Gewinnbeteiligung des Vorstandes ist maßgebend der Jahresüberschuß und nicht mehr der Bilanzgewinn (vgl. hierzu § 86 Anm. 3 u. 4). Hinsichtlich des Aufsichtsrates ist es bei dem bisherigen Grundsatz geblieben. Auszugehen ist von dem Bilanzgewinn, auf den die Aktionäre nach § 58 IV Anspruch haben. Mit Rücksicht auf die neuen Bestimmungen über die Gewinnverwendung (§ 174 in Verbindung mit § 58) entsteht dieser Bilanzwinn heute anders als im bisherigen Recht der Reingewinn, insbesondere hat die Hauptversammlung einen wesentlich stärkeren Einfluß. Sie hat im Rahmen des § 58 die Möglichkeit, Beträge in die offenen Rücklagen einzustellen. 596
Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder
§113 Anm. 3
Dabei hat sie freie Hand. Sie kann dabei so weit gehen, daß ein Bilanzgewinn überhaupt nicht verbleibt (vgl. im einzelnen § 58 Anm. 6 bis 8). Auf diese Weise könnte durch den Hauptversammlungsbeschluß die gewinnabhängige Vergütung des Aufsichtsrates ganz entfallen, während durch die Neuregelung diejenige des Vorstandes durch einen solchen Beschluß nicht berührt werden kann. Es kommt nicht darauf an, ob im Gewinnverwendungsbeschluß die Ausschüttung des Bilanzgewinnes an die Aktionäre beschlossen wird oder seine völlige oder teilweise Einstellung in offene Rücklagen. Audi von dem nicht zur Ausschüttung gelangenden Teil hat der Aufsichtsrat seine Vergütung zu erhalten. Es kommt auch sonst nidit darauf an, wie der Bilanzgewinn entstanden ist. Das bedeutet, daß, wenn er durch Auflösung von Rücklagen entstanden ist, die Vergütung des Aufsichtsrats deshalb nicht eingeschränkt wird, so daß er, im Gegensatz zu dem bisherigen Recht auch von den Beträgen, die durch Auflösung von Rücklagen, soweit sich dies im Bilanzgewinn niederschlägt, Vergütung erhält. Er steht sich insofern also besser, als nach dem bisherigen Recht. Geblieben ist der Grundsatz, daß dem den Aktionären als Gewinn zur Verfügung stehende Betrag vor Berechnung der Aufsichtsratsvergütung vier vom Hundert von dem auf den Nennbetrag der Aktien geleisteten Einlagen abzuziehen sind. Durch die neu eingefügten Worte „der auf die Aktien geleisteten Einlagen" soll klargestellt werden, daß bei der Berechnung des Betrages, der vom Bilanzgewinn abzusetzen ist, ein etwaiges Aufgeld nicht zu berücksichtigen ist. Die entsprechende Vorschrift des § 98 I I I A k t G 37 wurde im Schrifttum schon bisher in diesem Sinne verstanden. Zu den Einlagen im Sinne dieser Vorschrift gehören auch die Beträge, die bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln als voll eingezahlt gelten (§ 211 II). Die Vorstandstantieme ist, auch wenn sie über Unkostenkonto verbucht worden ist, von dem für den Aufsichtsrat tantiemepflichtigen Jahresgewinn mangels etwa abweichender Satzungsbestimmungen nicht abzuziehen ( R G 91, 316; R G in J W 1924, 1519). Dessenungeachtet entsteht eine Rangfolge zugunsten der Tantieme des Vorstandes, da diese nach dem Jahresüberschuß berechnet wird und keine 4 °/o für die Aktionäre abgezogen werden. Für die Gesellschaft in Konkurs endigt zwar das Amt des Aufsichtsrates dadurch nicht, kann auch vom Konkursverwalter nicht beendigt werden. Es hört aber vom Zeitpunkt der Konkurseröffnung jeder Anspruch auf Vergütung auf, während bis zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Festvergütung besteht und in der dem abgelaufenen Teil des Geschäftsjahres entsprechenden Höhe als Konkursforderung anzumelden ist ( R G 81, 338). Tritt die Gesellschaft in Abwicklung, so geht der Anspruch auf eine feste Vergütung weiter, während nach der Fassung der Bestimmungen ein Anspruch auf Gewinnanteil auch für den Teil des Geschäftsjahres nicht besteht, der vor der Auflösung liegt. Natürlich kann die Satzung in der Hauptver597
§113 Anm. 3
Verfassung der Aktiengesellschaft
Sammlung vorbehalten, die Vergütung während der Abwicklung zu bestimmen. Dasselbe gilt in letzterer Beziehung in dem Fall, daß die Gesellschaft durch Verschmelzung, Umwandlung im Sinne des Umwandlungsgesetzes vom 5. 7. 34 zu bestehen aufhört, während der Anspruch auf die feste Vergütung für die Zeit bis zum Erlöschen der Gesellschaft besteht. Obwohl es aus diesen Anlässen nicht zu einer Feststellung eines Jahresabschlusses für den abgelaufenen Teil des Geschäftsjahres kommt, halten wir es für zulässig, daß in dem Verschmelzungsvertrag und in dem Beschluß der Hauptversammlung über die Verschmelzung, desgleichen über die Umwandlung, die Tantiemefrage abweichend geregelt wird. Es kann dies natürlich audi durch Vertrag zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern und der übernehmenden Gesellschaft bzw. den Übernehmern des Vermögens geschehen. Findet eine Umwandlung durch Satzungsänderung und Veränderung der Rechtsform nach §§ 362 und 393 statt und bleibt ein Aufsichtsrat bestehen, so haben wir keine Bedenken, anzuerkennen, daß sein Tantiemeanspruch für die Zeit vor und nach der Umwandlung zu Recht besteht, aber es finden auf den ungeteilten Anspruch die Vorschriften Anwendung, welche für die neu angenommene Rechtsform gelten. Bedenken, die Frage in dem Umwandlungsbeschluß zu regeln, bestehen nicht. Fällt der Aufsichtsrat fort, wie möglicherweise bei der Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine GmbH und regelt der Beschluß die Frage nicht, so hat der Aufsichtsrat für den abgelaufenen Teil des Geschäftsjahres den entsprechenden Teil des Tantiemeanspruchs, der sich nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen auf Grund des festgestellten Jahresabschlusses ergeben würde. Entgegenstehende Festsetzungen sind nichtig, soweit durch sie eine Besserstellung der Aufsichtsratmitglieder eintreten würde. Nichtig wäre sonach auch in dem Fall, in dem als Tantieme ein fester Betrag für jedes über 4 °/o hinaus ausgeschüttete Prozent Dividende gewährt würde, eine Festsetzung, wonach zusätzlich eine feste Vergütung in der den freigebliebenen 4 % entsprechenden Höhe gewährt wird. Festsetzungen, durch die die Aufsichtsratsmitglieder schlechter gestellt werden, sind gültig. Ebenso kann die Hauptversammlung für eine zurückliegende Zeit durch den Beschluß, mit dem sie die Gewinnverwendung regelt, aus dem ihr zur Verfügung stehenden Bilanzgewinn eine Sondervergütung festsetzen, ohne daß sie dabei an Abs. 3 gebunden wäre. N u r Abs. 1 S. 1 ist stets zu berücksichtigen. Die Vergütung wird mit rechtsgültiger Fassung des Beschlusses über die Gewinnverwendung fällig. Anfechtbarkeit und Anfechtung des Beschlusses hindern die Fälligkeit nicht, Nichtigkeit nur, wenn sie feststeht. Der Anspruch verjährt nach § 196 Ziff. 8 BGB in zwei Jahren. Der Lauf der Frist beginnt mit Schluß des Jahres, in welchem der Beschluß über die Gewinnverwendung gefaßt wird. Für die feste Vergütung vgl. oben Anm. 2. 598
Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern
§§113/114 Anm. 4
IV. Sondervergütungen Anm. 4: Für eine nach Art und M a ß ungewöhnliche Tätigkeit, welche ein Aufsichtsratsmitglied in dieser Eigenschaft — über Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern für eine Tätigkeit außerhalb der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied gilt § 114 — ausübt, kann ihm durch Satzung oder Hauptversammlungsbeschluß eine Sondervergütung zugebilligt werden. Es soll trotz der Unübertragbarkeit der Zuständigkeit nach herrschender Ansicht und R G J W 32, 720 zulässig sein, durch Satzung oder Hauptversammlungsbeschluß ihre Gewährung oder Bemessung dem Aufsichtsrat zu überlassen, der damit seinerseits einen Ausschuß betrauen kann. Ohne solche Ermächtigung hat der Aufsichtsrat, erst recht nicht der Vorstand, keine Befugnis, einem Aufsichtsratsmitglied eine Sondervergütung zu gewähren (RG a. a. O.), denn nur Satzung und Hauptversammlung sind zuständig das Vertragsverhältnis mit dem Aufsichtsrat zu gestalten. D a ß der Vorstand nicht zuständig sein kann, ergibt sich schon daraus, d a ß die Aufsichtsratsmitglieder in keiner Beziehung von ihm abhängen dürfen. D a ß der Aufsichtsrat nicht zuständig sein kann, ergibt sich daraus, d a ß der Fall nicht zu den Ausnahmefällen gehört, in denen das Gesetz ihn mit Vertretungsmacht ausgestattet hat, vielmehr für diesen Fall nach Abs. 1 die Vertretungsmacht der Hauptversammlung vorgesehen ist. Wenn auch unüblich, ist es möglich, die Vergütung durch Sondervertrag zu vereinbaren. Es bedarf zu seiner Wirksamkeit eines entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses. Weicht dieser von der Satzung nach oben ab, so ist er anfechtbar, aber maßgebend, wenn er nicht angefochten wird. Eine erfolgreiche Anfechtung berechtigt das Aufsichtsratsmitglied sein Amt niederzulegen.
§ 114 Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern (1) Verpflichtet sich ein Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat durch einen Dienstvertrag, durch den ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird, oder durch einen Werkvertrag gegenüber der Gesellschaft zu einer Tätigkeit höherer Art, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. (2) Gewährt die Gesellschaft auf Grund eines solchen Vertrags dem A u f sichtsratsmitglied eine Vergütung, ohne daß der Aufsichtsrat dem Vertrag zugestimmt hat, so hat das Aufsichtsratsmitglied die Vergütung zurückzugewähren, es sei denn, daß der Aufsichtsrat den Vertrag genehmigt. Ein Anspruch des Aufsichtsratsmitglieds gegen die Gesellschaft auf Herausgabe der durdi die geleistete Tätigkeit erlangten Bereicherung bleibt unberührt; 599
§114
Anm. 1,2
Verfassung der Aktiengesellschaft
der Anspruch kann jedoch nicht gegen den Rückgewähranspruch aufgerechnet werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Zustimmungspflichtige Verträge (Anm. 2)
III. Erteilung der Zustimmung und Genehmigung (Anm. 3) IV. Rückgewährungsanspruch der Gesellschaft (Anm. 4)
I. Obersicht Anm. 1: Die Bestimmung ist neu. Zu unterscheiden von der Sondervergütung, die einem Aufsichtsratsmitglied für die nach Art oder Maß ungewöhnliche Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied gewährt wird (vgl. hierzu § 1 1 3 Anm. 4) ist zu unterscheiden die Vergütung, die ein Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit erhält, die er außerhalb seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied für die Gesellschaft ausübt. Aus der vorliegenden Bestimmung ergibt sich zunächst einmal, daß der Abschluß von Verträgen über eine solche Tätigkeit zulässig ist. Beim Abschluß der Verträge wird die Gesellschaft von ihrem Vorstand vertreten. Eine Mitwirkung der Hauptversammlung, die nach bisherigem Recht vielfach angenommen wurde, ist nicht notwendig, wohl aber bestimmt das Gesetz nunmehr ausdrücklich, daß die Wirksamkeit eines solchen Vertrages von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängt. Der Mangel des Vertrages kann durch nachträgliche Genehmigung des Aufsichtsrates geheilt werden. Geschieht dies nicht, so hat das Aufsichtsratsmitglied eine ihm gewährte Vergütung zurückzugewähren, es bleibt ihm lediglich ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Gesellschaft, mit dem er aber nicht einmal gegen den der Gesellschaft zustehenden Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung aufrechnen kann. II. Zustimmungspflichtige Verträge Anm. 2: Nicht alle Verträge zwischen Gesellschaft und einem Aufsichtsratsmitglied sind zustimmungsbedürftig. Sowohl einzelne Verträge wie beispielsweise der Kauf oder Verkauf eines Grundstücks wie auch ständige Geschäftsbeziehungen zwischen einem einzelnen Kaufmann, der Mitglied des Aufsichtsrats ist und der Gesellschaft sind ohne eine solche Zustimmung zulässig. Nur Dienst- und Werkverträge fallen unter die vorliegende Bestimmung, und auch nicht alle, sondern nur, wenn sie eine Tätigkeit höherer Art im Sinne des § 622 BGB zum Gegenstand haben. Darunter fallen insbesondere die sog. Beratungsverträge, die auf längere Zeit abgeschlossen sein können, die meist mit Professoren oder sonstigen Sachverständigen auf dem Gebiet, auf dem die Gesellschaft arbeitet, oder mit Rechtsanwälten für alle Rechtsfragen bestehen. Sie können auch nur für eine ganz bestimmte Aufgabe abgeschlossen werden, etwa der Vertrag mit einem Architekten bei der Durch600
Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern
§ 114
Anm. 2—4
führung eines bestimmten Baues. Die Vorschrift gilt dagegen nicht für Arbeitsverhältnisse und selbstverständlich nicht für das Rechtsverhältnis, das zwischen der Gesellschaft und dem Aufsichtsratsmitglied durch die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied entsteht. Nach unserer Auffassung schon deshalb nicht, weil wir in diesem Rechtsverhältnis keinen Dienstvertrag sehen. Ebensowenig fallen darunter die Arbeitsverträge zwischen der Gesellschaft und den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer. III. Erteilung der Zustimmung und Genehmigung Anm. 3: Solange ein zustimmungsbedürftiger Dienst- oder Werkvertrag nicht die Zustimmung des Aufsichtsrats erhalten hat, ist er schwebend unwirksam. Für die Erteilung der Zustimmung ist der Aufsichtsrat zuständig, d.h. zunächst der Gesamtaufsichtsrat. Dieser kann aber, da § 1 0 7 I I I nichts Gegenteiliges vorschreibt, die Beschlußfassung über die Zustimmung einem von ihm gebildeten Ausschuß übertragen oder auch zu diesem Zweck einen besonderen Ausschuß bilden mit Entscheidungsbefugnis. Das Gesetz sieht für die zustimmungspflichtigen Verträge keine Schriftform vor; es müssen aber mindestens aus dem Beschluß des Aufsichtsrats oder eines Aufsichtsratsausschusses, über den nach § 107 II eine Niederschrift anzufertigen ist, die Essentiale eines solchen Vertrages ersichtlich sein. Insbesondere muß sich aus dem Beschluß die Höhe der Vergütung entweder unmittelbar ergeben oder es müssen die Faktoren angegeben werden, nach denen sie zu beredinen ist. Ist der Vertrag schriftlich abgeschlossen, so genügt eine Bezugnahme auf den Vertrag. Aus dem Beschluß muß sich ergeben, zu welchem Betrag und zu welcher Vergütung die Zustimmung erteilt wurde. Ist das nicht möglich, so ist der Beschluß unwirksam und der Vertrag, zum mindesten so lange bis ein ordnungsgemäßer Beschluß ergeht, schwebend unwirksam. Die schwebende Unwirksamkeit des Vertrages kann auch noch nach seinem Abschluß, auch noch nach seiner Durchführung durch eine Genehmigung des Aufsichtsrates geheilt werden. Für den Genehmigungsbeschluß gilt das gleiche wie für den Zustimmungsbeschluß. IV. Rückgewährungsanspruch der Gesellsdiaft Anm. 4: Solange der Aufsichtsrat seine Zustimmung zum Vertrag nicht gegeben oder ihn nicht nachträglich genehmigt hat, kann die Gesellsdiaft eine auf Grund des Vertrages dem Aufsichtsrat gewährte Vergütung zurückverlangen. Es spielt hierbei keine Rolle, warum die Zustimmung des Aufsichtsrats nicht vorliegt, z. B. daß ihm der Vertrag überhaupt nicht zur Beschlußfassung vorgelegt worden ist. U. E. ist der Vorstand, der den Vertrag für die Gesellsdiaft abschließt, zur Vorlage desselben an den Aufsichtsrat verpflichtet mit der Folge, daß er bei Unterlassung nach § 93 haften kann. 601
§§114/115
Anm. 4
Verfassung der Aktiengesellschaft
Kommt der Vertrag letztlich deswegen nicht zustande und hat das Aufsichtsratsmitglied keinen Bereicherungsanspruch gegen die Gesellschaft, so kann sich ein Anspruch gegen die Gesellschaft aus culpa in contrahendo ergeben. Nach der zwingenden, vorliegenden Vorschrift bleibt der Vertrag unwirksam, wenn er nicht die Zustimmung oder Genehmigung des Aufsichtsrats erhält und es bleibt deshalb der Anspruch auf Rückgewähr der Gesellschaft bestehen, auch wenn der Aufsichtsrat schuldhaft keinen Beschluß faßt. Gegenüber dem Rückgewährungsanspruch der Gesellschaft kann der Empfänger der Vergütung nicht einmal mit einem etwa ihm zustehenden Bereicherungsanspruch gegen die Gesellschaft aufrechnen. D a das Aufsichtsratsmitglied, das seine Leistung auf Grund des Vertrages erbracht hat, wissen muß, daß der Aufsichtsrat über die Zustimmung oder Genehmigung keinen oder gar einen ablehnenden Beschluß gefaßt hat, kann die Gesellschaft gegenüber einem Bereicherungsanspruch einwenden, das Aufsichtsratsmitglied habe bei der Leistung gewußt, daß es nicht zur Leistung verpflichtet war (§ 814 B G B ) . § 115 Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder (1) Die Gesellschaft darf ihren Aufsichtsratsmitgliedern Kredit nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats gewähren. Eine herrschende Gesellschaft darf Kredite an Aufsichtsratsmitglieder eines abhängigen Unternehmens nur mit Einwilligung ihres Aufsichtsrats, eine abhängige Gesellschaft darf Kredite an Aufsichtsratsmitglieder des herrschenden Unternehmens nur mit Einwillignug des Aufsichtsrats des herrschenden Unternehmens gewähren. Die Einwilligung kann nur für bestimmte Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften und nicht für länger als drei Monate im voraus erteilt werden. Der Beschluß über die Einwilligung hat die Verzinsung und Rückzahlung des Kredits zu regeln. Betreibt das Aufsichtsratsmitglied ein Handelsgewerbe als Einzelkaufmann, so ist die Einwilligung nicht erforderlich, wenn der Kredit für die Bezahlung von Waren gewährt wird, weldie die Gesellschaft seinem Handelsgeschäft liefert. (2) Absatz 1 gilt auch für Kredite an den Ehegatten oder an ein minderjähriges Kind eines Aufsichtsratsmitglieds und für Kredite an einen Dritten, der für Rechnung dieser Personen oder für Rechnung eines Aufsichtsratsmitglieds handelt. (3) Ist ein Aufsichtsratsmitglied zugleich gesetzlicher Vertreter einer anderen juristischen Person oder Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, so darf die Gesellschaft der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellsdiaft Kredit nur mit Einwilligung des Aufsichtsrat gewähren; Abatz 1 Satz 3 und 4 gilt sinngemäß. Dies gilt nicht, wenn die juristische 602
Kreditgewährung an Aufsiditsratsmitglieder
§ 115
Anm. 1,2 Person oder die Personenhandelsgesellschaft mit der Gesellschaft verbunden ist oder wenn der Kredit für die Bezahlung von Waren gewährt wird, welche die Gesellschaft der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellsdiaft liefert. (4) Wird entgegen den Absätzen 1 bis 3 Kredit gewährt, so ist der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren, wenn nicht der Aufsichtsrat nachträglidi zustimmt. (5) Ist die Gesellschaft ein Kreditinstitut, so gelten an Stelle der Absätze 1 bis 4 die Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Betroffene (Anm. 2) III. Ausnahmen (Anm. 3)
IV. Umgehungstatbestände (Anm. 4) V. Der Rückgewährungsanspruch (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: Nach dem bisherigen Recht war nur die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder an die Zustimmung des Aufsichtsrats geknüpft (§ 80 AktG 37 — jetzt § 89). Die vorliegende Bestimmung ist neu eingefügt. Sie dehnt die auf Kredite an Vorstandsmitglieder bestehenden Bestimmungen nunmehr auch auf Mitglieder des Aufsichtsrats aus. Die Vorschrift lehnt sich zwar eng an die des § 89 über die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder an, eine Verweisung war jedoch nicht möglich, weil die Stellung eines Vorstandsmitglieds und die eines Aufsichtsratsmitgliedes zur Gesellschaft zu verschieden sind. Die Vorschrift geht zurück auf eine Bestimmung im Entwurf eines Aktiengesetzes von 1930, die aber in das Gesetz von 1937 nicht aufgenommen wurde. Lediglich das Kreditwesengesetz hat in § 14 bestimmt, daß Aufsichtsratsmitglieder von Kreditinstituten nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates Kredit gewährt werden darf. Davon abgesehen, war die Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder frei. Ist die Gesellschaft ein Kreditinstitut, so gilt nach Abs. 5 an Stelle der vorliegenden Bestimmung der oben erwähnte § 14 des Kreditwesengesetzes (KWG). II. Betroffene Anm. 2: Die Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder ist ebensowenig verboten, wie die an Vorstandsmitglieder. In beiden Fällen muß jedoch das Aufsichtsorgan der Gesellschaft als solches, nämlich der Aufsichtsrat, mitwirken. Bei der Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder in der Weise, daß die Kreditgewährung nur auf Grund eines Beschlusses des Aufsichtsrates erfolgen darf, der sich nur auf bestimmte Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften beziehen kann und in dem bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Die Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder kann nur mit Einwilligung des Aufsichtsrates erfolgen. Diese Bestimmung entspricht 603
§115
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 2,3 •wörtlich der des § 89 II, in der es sich um Kreditgewährung der Gesellschaft an deren Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten handelt. Da der Aufsichtsrat seine Entscheidung immer nur in Form eines Beschlusses fassen kann, so ist auch hier ein Beschluß notwendig, der nur unter denselben Voraussetzungen ergehen kann, wie der Beschluß, der die Grundlage für eine Kreditgewährung eines Vorstandsmitgliedes bildet. Auch hier kann die Einwilligung nur für bestimmte Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften und nicht für länger als 3 Monate im voraus erteilt werden. Auch hier hat der Beschluß des Aufsichtsrats die Verzinsung und Rückzahlung des Kredites zu regeln. Besteht ein Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Aufsichtsratsmitglied, in dem diese Fragen geregelt sind, so genügt eine Bezugnahme auf diesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das zu § 89 I und II (s. dort Anm. 2 bis 4) Gesagte Bezug genommen. Eine herrschende Gesellschaft bedarf der Einwilligung ihres Aufsichtsrates, nicht nur zur Kreditgewährung an ein Mitglied des eigenen Aufsichtsrates (Abs. 1, S. 1), sondern auch für eine solche an ein Aufsichtsratsmitglied eines abhängigen Unternehmens. Diese Bestimmung kann sich überschneiden mit der des § 89, denn vielfach werden Vorstandsmitglieder der herrschenden Gesellschaft Aufsichtsratsmitglieder einer abhängigen Gesellschaft sein. Ein abhängiges Unternehmen bedarf, soweit es sich um eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien handelt, zur Kreditgewährung an eigene Aufsichtsratsmitglieder nach Abs. 1, S. 1 der Einwilligung des eigenen Aufsichtsrates, zur Kreditbewilligung an Aufsichtsratsmitglieder des herrschenden Unternehmens, jedoch nicht der Einwilligung des eigenen Aufsichtsrates, wohl aber der Einwilligung des Aufsichtsrates des herrschenden Unternehmens. Entsteht der Gesellschaft durch die Krediteinräumung ein Schaden, so kommt allenfalls § 117 in Frage, soweit ihr Vorstand schuldhaft gehandelt hat, dessen Haftung nach § 93, u. U. auch des Aufsichtsrats der Gesellschaft, auch wenn dieser nicht unmittelbar an dem Geschäft beteiligt war, wenn er seine Überwachungspflicht verletzt hat (§§ 116,93). Ferner bedarf es der Einwilligung des Aufsichtsrates zur Kreditgewährung an ein Unternehmen, wenn dessen gesetzlicher Vertreter ein Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft ist (Abs. 3). Die Bestimmung deckt sich sachlich mit der des § 89 Abs. 4 mit der Abweichung, daß es hier der Einwilligung des Aufsichtsrates der kreditgebenden Gesellschaft dann nicht bedarf, wenn das eigene Aufsichtsratsmitglied bei der den Kredit empfangenden Gesellschaft nur Aufsichtsratsmitglied ist (vgl. im übrigen § 89 Anm. 7 und 8). III. Ausnahmen Anm. 3: Abgesehen von der in Anm. 1 bereits erwähnten generellen Ausnahme für Gesellschaften, die ein Kreditinstitut sind, gelten die Bestimmun604
Sorgfaltspflidit und Verantwortlidikeit
§§115/116
Anm. 3—5
gen nicht, wenn es sich um einen Kredit handelt, der einem Aufsichtsratsmitglied gewährt wird, das ein Handelsgewerbe als Einzelkaufmann betreibt und der Kredit für die Bezahlung von Waren gewährt wird, welche die Gesellschaft seinem Handelsgeschäft liefert (Abs. 1, letzter Satz). Ferner nicht für Kredite, die an ein Unternehmen, deren gesetzlicher Vertreter ein Aufsichtsratsmitglied ist, gewährt werden, sofern der Kredit für die Bezahlung von Waren gewährt wird, welche der Gesellschaft, der juristischen Person oder der Personengesellschaft geliefert werden, ferner dann nicht, wenn es sich um verbundene Unternehmen handelt (Abs. 3, letzter Satz). Allen drei Ausnahmen liegt der Gedanke zugrunde, daß der Geschäftsverkehr der Gesellschaft nicht behindert werden soll. Das würde geschehen, wenn die Gesellschaft bei jeder Kreditgewährung bei Warenlieferungen der Einwilligung ihres Aufsichtsrats bedürfte. Auch bei verbundenen Unternehmen pflegt der gegenseitige Verkehr so stark zu sein, daß eine ungebührliche Behinderung eintreten würde, wenn bei jeder Kreditgewährung der Aufsichtsrat eingeschaltet werden müßte. Die Ausnahme ist allerdings eng zu begrenzen. Sie gilt nur für die Warenkredite, nicht für Kredite, die für geleistete Dienste oder zur Beschaffung von Maschinen und Rohstoffen gegeben werden. Hierfür ist die Einwilligung des Aufsichtsrats erforderlich. IV. Umgehungstatbestände Anm. 4: Wie in § 89 II wird auch hier ein Kredit, der an den Ehegatten oder ein minderjähriges Kind eines Aufsichtsratsmitglieds oder an einen Dritten, der für Rechnung dieser Personen oder für Rechnung eines Aufsichtsratsmitglieds handelt, so behandelt, wie ein unmittelbar dem Aufsichtsratsmitglied gewährter Kredit. Es bedarf der Einwilligung des Aufsichtsrates (vgl. im einzelnen § 89 Anm. 5). V. Der Rückgewähranspruch Anm. i: Ein ohne die erforderliche Einwilligung des Aufsichtsrates gewährter Kredit kann immer noch dadurch sanktioniert werden, daß der Aufsichtsrat nachträglich zustimmt. Tut er dies nicht, so ist der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarung sofort zurückzugewähren. Die Bestimmung entspricht der des § 89 V (vgl. dort Anm. 9).
§ 116
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gilt § 93 über die Sorgfaltspflidit und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. 605
§116
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 1,2 I. Übersicht (Anm. 1) II. Sorgfaltspflicht 1. Begriff des ordentlichen Gesdiäftsleiters (Anm. 2) 2. Einschaltung von Hilfskräften (Anm. 3)
III. Ausschluß der Haftung (Anm. 4) IV. Beweislast (Anm. 5) V. Haftender (Anm. 6) VI. Gesamtsdiuldnerische Haftung (Anm. 7)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist unverändert gegenüber dem bisherigen Recht (§ 99 AktG 37). Sie gilt f ü r alle Aufsichtsratsmitglieder, also sowohl für die der Aktionäre, wie f ü r die der Arbeitnehmer und f ü r die „weiteren Mitglieder". Diese Gleichstellung bedurfte einer Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes. Diese ist geschehen in § 40 EG N r . 1 durch die Streichung der Bezugnahme auf § 55 I S. 1 BetrVerfG in § 76 II S. 5 BetrVerfG. Nach dieser Bestimmung hatten die Mitglieder des Aufsichtsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz die gleiche Schweigepflicht, wie die Mitglieder des Betriebsrates. Danach waren sie verpflichtet, über vertrauliche Angaben oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekanntgeworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimzuhalten bezeichnet worden sind, Stillschweigen, auch nach dem Ausscheiden, zu wahren. Durch die Streichung dieser Bestimmung gilt jetzt die Schweigepflicht nach dem neu gefaßten § 93 I. Das bedeutet, daß sämtliche Aufsichtsratsmitglieder über vertrauliche Angaben oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat bekanntgeworden sind, Stillschweigen zu bewahren haben. Dadurch wird zwar die Schweigepflicht f ü r die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz Aufsichtsratsmitglieder geworden sind, etwas verschärft. Dies erschien aber zumutbar, zumal da nach dem Mitbestimmungsgesetz und Mitbestimmungsergänzungsgesetz schon bisher die Vorschriften des § 99 AktG 37 galten (vgl. Spieker in N J W 65, 1937; Veith in N J W 66, 526; Meyer-Landrut in Die Aktiengesellschaft 64, 525 ff.). II. Sorgfaltspflicht 1. Begriff des ordentlichen Geschäftsleiters Anm. 2: D a der Aufsichtsrat nicht Geschäftsleiter ist, sondern die Geschäftsleitung überwacht, hat er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers anzuwenden. Es haftet grundsätzlich nur das Mitglied für die Verletzung seiner Sorgfaltspflicht. Diese hat angewandt, wer die Mängel der eigenen Vorbildung durch Zuziehung sachverständiger Hilfskräfte zu beheben sucht. Freilich aber darf sich kein Mitglied nur auf die bessere Sachkunde der anderen Mitglieder verlassen (ähnlich, wenn auch anscheinend etwas weitergehend, Schi.-Qu. § 99 Anm. 2). Im übrigen ist auch durchaus nicht gesagt, daß selbst ein ordentlicher Geschäftsleiter für jeden 606
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit
§116
Anm.2,3
Teil des Geschäftes eigene Sachkunde haben muß. Da die Spezialisten meist einseitig sind, würde es dadurch der Gesellschaft unmöglich gemacht werden, die eigentlich wertvollsten Kräfte mit so hohen Fachkenntnissen (Techniker, Chemiker usw.) in ihre Aufsichtsräte zu bringen. Das Aufsichtsratsmitglied kann sich nicht durch Amtsniederlegung seiner Haftung für Vorgänge während seiner Amtszeit entziehen. Ein Widerspruch nur mit Worten ist ungenügend. Es müssen Anträge beim Aufsichtsrat auf Absetzung des Vorstandes, Berufung einer Hauptversammlung gestellt werden. Auch eigenes, persönliches Vorgehen, wie Anzeige an die Behörde, Anfechtungsklage muß u. U. verlangt werden. H a t das Mitglied alle diese Möglichkeiten erschöpft, so fällt seine Haftung fort, auch wenn es im Aufsichtsrat verbleibt. Die Prüfung eines Jahresabschlusses ist Sache des Gesamtaufsichtsrats. Jedes Mitglied hat ihn sorgfältig zu studieren und, wenn sich bei sorgfältigem Studium des Jahresabschlusses und des Prüfungsberichtes der Prüfer Bedenken gegen seine Richtigkeit aufdrängen, darauf hinzuwirken, daß der Aufsichtsrat durch Rücksprache mit den Prüfern oder auf andere Weise die Bedenken beseitigt. Das Aufsichtsratsmitglied darf sich nicht ohne weiteres auf das Ergebnis des Prüfungsberichtes verlassen. Andererseits ist er nicht verpflichtet, selbst (gar auf eigene Kosten) den Jahresabschluß prüfen zu lassen. Es fehlt ihm dazu die Berechtigung. Ergibt der Jahresabschluß eine Überschuldung, so ist das Kollegium (nicht das einzelne Mitglied) verpflichtet, durchzusetzen, daß der Vorstand nach § 92 II den Konkurs anmeldet. Ob das einzelne Mitglied den Vorstand durch Androhung einer Strafanzeige zum Konkursantrag zwingen kann, hält RG 161, 138 für zweifelhaft. Ist so zwischen dem Kollegium und den einzelnen Mitgliedern gegebenen Möglichkeiten der Schadensabwendung zu unterscheiden, so können letztere, wenn sie die Verfehlungen des Vorstandes gutheißen oder fördern, nach bürgerlichem Recht als mittelbare Täter oder unmittelbare Mittäter haftbar sein, also nicht nur wegen Verletzung des § 116 (so, allerdings zu weitgehend, RG a. a. O.), aktienrechtlich auch nach § 117. 2. Einschaltung von Hilfskräften Anm. 3: Es kann jedoch nicht übersehen werden, daß ein Aufsichtsratsmitglied schlechterdings nicht alles selbst verstehen kann und daher sehr oft auf Hilfskräfte angewiesen ist, für deren Auswahl es haftet. Ein Arzt, der Mitglied des Aufsichtsrats einer chemisch-pharmazeutischen Fabrik ist, wird unmöglich die Buchhaltung kontrollieren können oder den Jahresabschluß. Er ist hier auf die Abschlußprüfer angewiesen. Dies gilt von jedem Aufsichtsratsmitglied, wenn das Unternehmen übermäßig groß ist. Mag jemand ein noch so sicherer Bilanzbuchhalter sein, so wird er doch den Jahresabschluß eines Großunternehmens nicht selbst prüfen können. Dies kann nur ein großer Stab von Prüfern. Er wird in vielen Fällen auch den Jahresabschluß 607
§116 Anm. 3—5
Verfassung der Aktiengesellschaft
nur mit Hilfe der Erläuterungen im Prüfungsbericht verstehen. Deshalb ist diese eine wichtige Hilfe für die Arbeit jedes Aufsichtsratsmitglieds. Das ist auch der Grund, warum nach § 170 I I I jedes Aufsichtsratsmitglied das Recht hat, den Prüfungsbericht der Abschlußprüfer einzusehen und daß er ihm auf Verlangen auszuhändigen ist, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. Die Entscheidung des Reichsgerichts in D J 1937, 1685 (für das Genossenschaftsrecht), das gesetzliche Maß von Sorgfalt sei ein objektives, es könne sich deshalb kein Mitglied auf mangelnde Vorbildung berufen, bedarf der Einschränkung. Andererseits müßte es zu einer sehr einseitigen Zusammensetzung des Aufsichtsrats führen, besonders wenn anzuerkennen wäre, daß die Annahme der Wahl bei unzulänglicher Vorbildung schon eine Sorgfaltsverletzung wäre. Bei den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer kann nicht ohne weiteres die nötige Vorbildung für alle Aufgaben, die der Aufsichtsrat zu erfüllen hat, vorausgesetzt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Hauptversammlung oder das sonstige Organ, das das Aufsichtsratsmitglied zu bestellen hat, und damit die Gesellschaft weiß, wo die Grenzen des zu Bestellenden liegen. Ferner ist zu beachten, daß § 116 nur die sinngemäße Anwendung des § 93 anordnet. III. Ausschluß der Haftung Anm. 4: Obwohl der Aufsichtsrat seines Amtes ebenso unabhängig von der Hauptversammlung waltet wie der Vorstand und auch bei seiner Wahl oder Entsendung keine Weisungen entgegenzunehmen hat, so wird doch auch er der Gesellschaft gegenüber, ebenso wie der Vorstand, durch einen gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschluß gedeckt. Das einzelne Mitglied kann sich nicht darauf verlassen, daß Ausschüsse oder Beauftragte die Überwachung ordnungsgemäß ausgeübt haben, vielmehr muß das Ergebnis dieser Oberwachungsmaßnahmen, soweit dies nach den Umständen des einzelnen Falles erforderlich erscheint, von den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrates nachgeprüft werden (RG 93, 338). Auch durch Verhinderung ist ein Aufsichtsratsmitglied nicht ohne weiteres seiner Verantwortung für Pflichtwidrigkeiten der anderen Mitglieder ledig, welche in die Zeit der Verhinderung fallen, besonders dann nicht, wenn es noch möglich war, einen erst drohenden, noch nicht eingetretenen Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. IV. Beweislast Anm. 5: Die Beweislast trifft nach § 93 und ständiger Rechtsprechung das Aufsichtsratsmitglied dafür, daß es das gesetzliche Maß von Sorgfalt aufgewandt hat und daß es ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, das schädigende Ereignis abzuwenden (RG 161, 129). Dabei ist jedoch immer zwischen dem einzelnen Mitglied und dem Kollegium zu unterscheiden. 608
Schadenersatzpflicht
§§ 116/117 Anm. 5—7
Ersteres genügt seiner Pflicht, wenn es die Möglichkeiten erschöpft, die ihm als einzelnem offenstehen (RG a. a. O.). Insbesondere wenn es, da ihm keine eigenen Befugnisse gegen den Vorstand zustehen, auf abhelfende Beschlüsse des Aufsichtsrats hinzuwirken versucht. Ist dieser aktionsunfähig, weil nicht beschlußfähig, kann es dem Mitglied nicht zum Verschulden gereichen, wenn solche Maßnahmen unterbleiben, die nur das Kollegium beschließen kann (RG a. a. O.). V. Haftender Anm. 6: Die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder bestehen gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber denjenigen, die sie bestellt haben, auch nicht gegenüber den Aktionären, von denen sie gewählt wurden (RG 158, 256). Letztere können daher auch vertraglich die ersteren nicht binden, in bestimmter Richtung zu wirken, insbesondere etwa bei Familienunternehmen nicht den Familieneinfluß zu wahren. § 116 ist auch nicht Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB zugunsten derjenigen, die das Aufsichtsratsmitglied bestellt haben. Haftbar ist nach ständiger Rechtsprechung auch, wer als Aufsichtsratsmitglied tätig wurde, ohne es zu sein (vgl. die nicht überzeugend begründete R G 152, 277; 158, 186 und hierzu Schröder D J 1936,1861). VI. Gesamtschuldnerische Haftung Anm. 7: Die Haftung besteht gesamtschuldnerisch neben derjenigen des Vorstandes, ist aber keine Ausfallhaftung (RG 156, 196). Für den Ausgleich gilt § 426 BGB. Unter den Gesamtschuldnern ist aber § 254 BGB anwendbar (RG a. a. O.), was im allgemeinen dahin führen dürfte, daß der Vorstand keinen Ausgleichsanspruch gegen den Aufsichtsrat hat. Eine Haftung des letzteren kann sich aber auch aus § 117 ergeben. Dann dürfte die Frage des Ausgleichs für den Vorstand günstiger liegen. Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in 5 Jahren (§ 93 V), die Ausgleichsansprüche der Gesamtschuldner untereinander in 30 Jahren.
D r i t t e r Abschnitt B e n u t z u n g des Einflusses auf die Gesellschaft § 117 Schadenersatzpflicht (1) Wer vorsätzlich unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, einen Prokuristen oder einen Handlungsbevollmächtigten dazu bestimmt, zum Schaden der 39
WiJhelmi,
Aktiengesetz
609
§117
Verfassung der Aktiengesellschaft
Gesellschaf): oder ihrer Aktionäre zu handeln, ist der Gesellschaft zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Er ist auch den Aktionären zum Ersatz des ihnen daraus entstehenden Sdiadens verpflichtet, soweit sie, abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt worden sind. (2) Neben ihm haften als Gesamtschuldner die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. Der Gesellschaft und auch den Aktionären gegenüber tritt die Ersatzpflicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. (3) Neben ihm haftet ferner als Gesamtschuldner, wer durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt hat, sofern er die Beeinflussung vorsätzlich veranlaßt hat. (4) Für die Aufhebung der Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft gilt sinngemäß § 93 Abs. 4 Satz 3 und 4. (5) Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Gläubiger aus. (6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. (7) Diese Vorschriften gelten nicht, wenn das Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, der Prokurist oder der Handlungsbevollmächtigte durch Ausübung 1. des Stimmrechts in der Hauptversammlung, 2. der Leitungsmacht auf Grund eines Beherrschungsvertrags oder 3. der Leitungsmacht einer Hauptgesellschaft (§ 319), in die die Gesellschaft eingegliedert ist, zu der schädigenden Handlung bestimmt worden ist. I. Übersicht (Anm. 1) II. Haftende und Tatbestand (Anm. 2) III. Folgen der Tat, Geltendmachung des Anspruchs (Anm. 3) IV. Weitere als Gesamtschuldner Haftende (Anm. 4)
610
V. Aufhebung der Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft (Anm. 5) VI. Ausnahmefälle (Anm. 6) VII. Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern (Anm. 7)
Schadenersatzpflicht
§117
Anm. 1
I. Übersicht Anm. 1: Die dieser Vorschrift entsprechende Bestimmung des § 101 AktG 37 war die einzige zum Schutze der Gesellschaft vor einer Beeinflussung von außen zum Schaden der Gesellschaft. Wenn sie sich auch unmittelbar nur gegen die Beeinflussung von Mitgliedern der Verwaltung der Gesellschaft zu deren Schaden gerichtet hat, so hat sie mittelbar doch darüber hinaus weitgehende Bedeutung, denn in aller Regel wird eine Einflußnahme auf die Gesellschaft über deren Verwaltungsmitglieder ausgeübt. Tatsächlich lag die besondere Bedeutung dieser Bestimmung im Konzernrecht. Sie war der einzige Schutz gegen einen Großaktionär, der die Gesellschaft beherrscht und seinen Einfluß in einer für die Gesellschaft schädigenden Weise geltend macht. Das ist jetzt insofern anders, als neben die allgemeine Bestimmung des heutigen § 117 für das Gebiet des Konzernrechts neue Bestimmungen getreten sind, die teils neben, teils anstelle der Bestimmung des § 117 treten. Die §§ 309 und 310 regeln die Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden und der Verwaltungsmitglieder des abhängigen Unternehmens, wenn die Verbindung beider Unternehmen in einem Beherrschungsvertrag besteht. In diesem Fall ist eine Haftung der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens nach § 117 ausgeschlossen (Abs. 7 Nr. 2). Anders ist es jedoch beim faktischen Konzern, d. h., wenn die Verbindung der Unternehmen nicht in einem Beherrschungsvertrag besteht, dann gilt die Bestimmung des § 317 über die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter neben der des § 117. Der § 117 hat mithin auch heute noch seine Bedeutung für das Konzernrecht. Er gilt aber insbesondere weit darüber hinaus, denn zu seiner Anwendung ist weder Voraussetzung, daß es sich um Konzerngesellschaften handelt, noch ist es nicht einmal erforderlich, daß der Handelnde überhaupt ein Aktionär ist. § 117 stellt unabhängig von einem Verstoß gegen die guten Sitten — in welchem Fall auch § 826 B G B zur Anwendung kommen könnte — einen eigenen Tatbestand auf, bei dem neben dem eigentlichen Täter die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats als Gesamtschuldner haften, wenn sie ihre Pflicht verletzt haben. Ferner haftet auch derjenige, der durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt hat, mit den Vorgenannten als Gesamtschuldner, auch wenn er nicht selbst Täter ist, aber die Beeinflussung vorsätzlich veranlaßt hat. Eine wesentliche Einschränkung der Haftpflicht ist dadurch gegeben, daß die Haftung entfällt, wenn die schädigende Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht (Abs. 7 Nr. 1). Nur die Gläubiger können dann noch einen Anspruch geltend machen, nicht aber die Gesellschaft und ihre Aktionäre. Das ist bei den konzernrechtlichen Haftungsbestimmungen grundsätzlich anders. Die Haftung aus §§ 309 und 317 besteht auch dann, wenn die Handlung auf einem Hauptversammlungsbeschluß beruhte, dies deshalb, weil das herrschende Unternehmen in aller Regel einen 611 39»
§ 117
Anm. 1, 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
beherrschenden Einfluß in der Hauptversammlung ausüben kann und deshalb damit die Haftung ganz ausschließen könnte, wenn es jeweils die bedenklichen Beschlüsse durch die Hauptversammlung fassen läßt. Ein Schutzgesetz nach § 823 I I B G B ist § 117 nicht. Aus diesem Grunde kann auch nicht etwa ein Dritter neben der Gesellschaft, .ihren Aktionären oder Gläubigern einen Anspruch aus § 117 geltend machen. Ist der Täter ein verfassungsmäßiges Organ einer juristischen Person (Leiter eines Konzernunternehmens), so ist diese nach § 31 B G B haftbar. II. Haftende und Tatbestand Anm. 2: Haftender kann nicht nur ein Aktionär, sondern auch jeder Dritte (Lieferanten, Kreditgeber u. dgl.) sein, auch ein Mitglied des Vorstandes und Aufsichtsrats, wenn es andere Verwaltungsmitglieder oder Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte zu bestimmen versucht. In diesem Fall entsteht auch eine Haftung nach §§ 93 und 116. Der Haftende muß einen Einfluß auf die Gesellschaft haben. Das ist hier in weitestem Sinne zu verstehen. Einen unmittelbaren Einfluß auf die Gesellschaft als solcher kann nur der Großaktionär ausüben. Hier ist jedoch auch der mittelbare Einfluß durch eine sonstige Machtstellung gemeint, aber auch der bloße Einfluß eines Mitglieds des Vorstandes oder Aufsichtsrats auf den Vorstand oder auch auf einen Großaktionär. Immerhin muß, will man nicht ins Uferlose geraten, ein gewisser Grad von Einfluß vorliegen. Liegt nur eine Ausnutzung eines persönlichen Einflusses auf den Handelnden vor, so ist die Schadensersatzpflicht lediglich nach den allgemeinen Bestimmungen über die unerlaubten Handlungen zu beurteilen (so Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 101 Anm. 3 a. E.). Der bisherige § 101 AktG 37 sprach von einer Ausnutzung des Einflusses. Das ist, weil in der Rechtslehre gewisse Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung auftraten, geändert worden. Es ist jetzt von einer Benutzung des Einflusses die Rede. Das soll klarstellen, daß außer der Benutzung des Einflusses nicht noch irgend etwas hinzukommen muß, also etwa der Mißbrauch des Einflusses. Diese Benutzung des Einflusses muß in der Weise geschehen, daß unmittelbar oder mittelbar ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats, ein Prokurist oder ein Handlungsbevollmächtigter bestimmt wird, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln. Die Entschließung des Handelnden muß also ursächlich mit der Benutzung des Einflusses verknüpft sein und zumindest auf dieser mit beruhen. Auf der andern Seite muß der Haftende sich bewußt sein, daß er sich seines Einflusses bedient. Vorsatz ist auch Eventualvorsatz. Das Wort „zum" ist objektiv, nicht subjektiv gebraucht, d. h., der Vorsatz schädlichen Handelns muß nur beim Beeinflusser, nicht beim Beeinflußten bestehen. Ersterer, nicht auch letzterer muß die Ursächlichkeit der Handlung des letzteren für einen möglichen 612
Schadenersatzpflicht
§117
Anm. 2,3
Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre erkennen und diese Handlung trotzdem wollen. Während es zur Erfüllung des Tatbestands des § 101 AktG 37 erforderlich war, daß der Haftende zu dem Zweck handelte, für sich oder einen anderen gesellschaftsfremde Sonder vorteile zu erlangen, gehört dies jetzt nicht mehr zum Tatbestand des § 117. Dieser ist damit von einer wesentlichen Einengung befreit. Eine erweiterte Anwendungsmöglichkeit des § 117 gegenüber dem § 101 AktG 37 ist dadurch gegeben, daß nicht mehr nur die Beeinflussung von Verwaltungsmitgliedern unter den Tatbestand fällt, sondern auch die Beeinflussung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten. Das ist deshalb geschehen, weil die Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten über besonders große fremde Vermögenswerte verfügen und von den Aktionären, den wirtschaftlichen Eigentümern dieser Vermögenswerte, nur beschränkt überwacht werden können. Obermüller-Werner-Winden (S. 93) werfen die Frage auf, ob wirklich dem Gesetzeswortlaut entsprechend alle Handlungsbevollmächtigten unter diese Bestimmung fallen. Sie meinten, dem Grundgedanken der Gesetzesbestimmung entsprechend sollten nur solche Handlungsbevollmächtigten unter die gesetzliche Bestimmung fallen, die aufgrund einer verstärkten Vertrauensstellung zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen in besonderem Maße verpflichtet und infolge der ihnen eingeräumten Vollmachten in der Lage sind, unter fremder Einflußnahme Handlungen vorzunehmen, die die Gesellschaft selbst oder ihre Aktionäre schädigen können. Die Frage scheint uns rein theoretischer Natur zu sein, denn eine Anwendung des § 117 kommt nur in Frage, wenn ein Schaden entstanden ist. Die Entstehung des Schadens muß durch die Einflußnahme verursacht sein. Wenn also ein Handlungsbevollmächtigter beeinflußt wurde, der einen ganz beschränkten Wirkungskreis hatte, aber trotzdem im konkreten Fall in der Lage war, der Gesellschaft einen Schaden zuzufügen, so besteht die Haftung nach dem Gesetz. Ergibt sich, daß sein Einfluß zu gering ist, um überhaupt eine schädliche Handlung auszuführen, so entfällt deshalb die Anwendung des § 117. Die Abgrenzung des Personenkreises entsprechend dem Gesetzeswortlaut kann deshalb zu Schwierigkeiten nicht führen. III. Folgen der Tat, Geltendmachung des Anspruchs Anm. 3: Nur wenn aus dem Handeln des Beeinflußten ein Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre entsteht, kommt die Haftung aus § 117 zum Zuge. Was zum Schaden der Gesellschaft reicht, wird in der Regel auch einen Schaden der Aktionäre darstellen. Aber auch ohne Schaden für die Gesellschaft selbst können die Interessen bestimmter Gruppen von Aktionären (z. B. Kleinaktionäre durch Zusammenlegungsbeschlüsse usw.) geschädigt werden. Selbst die Schädigung der Interessen eines Einzelaktionärs kommt in Betracht, 613
§117
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 3,4 aber immer nur, wenn sein Interesse als Aktionär und nicht etwa als Dritter (Lieferant) geschädigt wurde (a. A. Bergmann ZGHR 38, 16). Der Anspruch des Aktionärs ist ein eigener mit eigenem Schicksal. Er braucht nicht einmal immer von dem der Gesellschaft zu leistenden Schadensersatz berührt zu werden. Ein Handeln zum Schaden der Gesellschaft kann in einem Unterlassen liegen, wenn eine Pflicht zum positiven Handeln bestand. Ein Schaden ist für die Gesellschaft und die Minderheitsaktionäre dann nicht verursacht, wenn ihr bzw. ihnen ein Ausgleich gewährt wird (Filbinger S. 60), z. B. durch dauernde Abnahmeverpflichtung zu einem über dem Marktpreis liegenden Mindestpreis, billiges Leihkapital u. dgl. Solche Ausgleichsgeschäfte kommen im allgemeinen nur im Rahmen eines Konzerns vor, sie unterliegen dann den besonderen Vorschriften des Konzernrechts; vgl. hierzu, insbesondere über die Sicherung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungsund Gewinnabführunsverträgen, §§ 304 bis 307 und für die besonderen Schutzbestimmungen abhängiger Gesellschaften im faktischen Konzern §§312 ff. Nach der fast allgemein anerkannten Auslegung des bisherigen § 101 I AktG 37 sollte der der Gesellschaft entstandene Schaden sowohl von dieser, als auch von den Aktionären geltend gemacht werden können, von letzteren allerdings mit der Maßgabe, daß sie den geleisteten Ersatz nach Bereicherungsrecht zurückzuerstatten hatten, sobald die Gesellschaft ihrerseits entschädigt worden war. Im Abs. 1 S. 2 ist jetzt eindeutig festgestellt, daß der Haftende den Aktionären nur den Schaden zu erstatten hat, der diesen unmittelbar entstanden ist. Soweit der Schaden für die Aktionäre in der Schädigung der Gesellschaft liegt, haben sie keinen eigenen Anspruch auf Ersatz. Während also früher die beiden Ansprüche der Gesellschaft und der der Aktionäre konkurrierten und dadurch u. U. die Durchsetzung des Anspruchs erschwert wurde, ist jetzt klargestellt, daß der der Gesellschaft entstandene Schaden nur von dieser und der darüber hinausgehende besondere Schaden von den Aktionären geltend gemacht werden kann. IV. Weitere als Gesamtschuldner Haftende Anm. 4: Der Gesellschaft und den geschädigten Aktionären haften neben dem Handelnden die Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft als Gesamtschuldner nach §§ 421 ff. BGB, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben, d. h., wenn sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters außer acht gelassen haben (§§ 93 und 116). Im bisherigen § 101 AktG 37 war verwiesen auf §§ 84, 99 AktG 37 (jetzt §§93, 116). Daraus entstand die Streitfrage, ob diese Vorschrift nur eine gesamtschuldnerische Haftung für die Ersatzansprüche nach §§ 84, 99, 101 AktG 37 (jetzt: §§93, 116, 117) begründet, oder ob sie ein selbständiger, neben die §§ 84, 99 AktG 37 tretender Haftungstatbestand ist. Durch den Verzicht auf die Verweisung kommt zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber 614
Schadenersatzpflicht
§117 Anm. 4,5
in § 117 einen selbständigen Haftungstatbestand schaffen wollte, der auch insoweit über die Haftung aus den allgemeinen Bestimmungen der §§ 93 und 116 hinausgeht, als er auch den Aktionären gegenüber bezüglich ihres zusätzlichen unmittelbaren Schadens besteht. Hiervon abgesehen ist die Haftung der Verwaltungsmitglieder nach § 117 allerdings weitestgehend die gleiche wie nach §§93, 116. Das bedeutet, daß sie auch für Fahrlässigkeit haften, während der Handelnde selbst nur für Vorsatz haftet. Die gesamtsdiuldnerische Haftung der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft hat nichts damit zu tun, ob gegen sie oder gegenüber einem von ihnen der Einfluß benutzt wurde. Ihre Haftung ergibt sich aus ihrer allgemeinen Geschäftsführungsbzw. Überwachungspflicht. Diese besteht insbesondere auch dann, wenn die Benutzung des Einflusses gegenüber einem Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten erfolgte. Eine besondere Haftungspflicht für den, der aufgrund des Einflusses handelt und den Schaden der Gesellschaft oder der Aktionäre herbeiführt, bestimmt das Gesetz nicht. Das war im bisherigen Recht, solange nur Verwaltungsmitglieder zu schädigenden Handlungen veranlaßt werden konnten, praktisch weitestgehend bedeutungslos, denn wenn ein Verwaltungsmitglied eine Handlung vornimmt, die die Gesellschaft schädigt, so wird es auch als Verwaltungsmitglied in aller Regel aus §§ 93, 116 haften und nicht nur aus § 117. Nachdem nunmehr Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte mit einbezogen sind, auf die ein Einfluß ausgeübt werden kann, ist zu prüfen, inwieweit sie für einen von ihnen der Gesellschaft oder den Aktionären zugefügten Schaden haften. Soweit es sich um einen Schaden der Gesellschaft handelt, wird diese aufgrund des Anstellungsvertrages den Schaden geltend machen können (so Reg.-Begründung). Soweit die Aktionäre einen selbständigen Schaden haben, können sie gegen die Handelnden nur vorgehen, wenn der Tatbestand des § 826 BGB erfüllt ist. Neben dem Einflußnehmer und den Verwaltungsmitgliedern haftet als Gesamtschuldner derjenige, der durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt hat, sofern er die Beeinflussung vorsätzlich veranlaßt hat. Diese Bestimmung weicht von der entsprechenden im bisherigen § 101 AktG 37 insofern erheblich ab, als danach derjenige haftete, der die Beeinflussung vorsätzlich veranlaßt hatte, um gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erreichen. Jetzt ist Voraussetzung, daß er durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt hat. Er muß also bei seinen Bemühungen Erfolg gehabt haben. Ist die schädigende Handlung zwar eingetreten, ist ihm aber der erwartete Vorteil nicht zugeflossen, so tritt eine Haftung für den der Gesellschaft oder ihren Aktionären entstandenen Schaden nicht ein. V. Aufhebung der Ersatzpflidit gegenüber der Gesellschaft Anm. 5: Die Ersatzpflicht der Verwaltungsmitglieder tritt nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung 615
§117
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 5, 6 beruht. Die Billigung durch den Aufsichtsrat schließt die Ersatzpflicht nicht aus. Die Bestimmungen sind insoweit die gleichen, wie die des § 93 I V S. 1 und 2, vgl. daher dort Anm. 22 und 23. Wie im bisherigen Recht wird auch jetzt auf die entsprechenden Bestimmungen über die Aufhebung der Ersatzpflicht aus der allgemeinen Haftung der Vorstandsmitglieder verwiesen. Daraus ergeben sich gewisse Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht. Die Gesellschaft kann bereits 3 Jahre nach der Entstehung des Anspruchs — gegenüber bisher 5 Jahren — verzichten. Die Zustimmung der Hauptversammlung setzt voraus, daß nicht eine Minderheit von 10 % des Grundkapitals Widerspruch zu Protokoll erklärt. Bisher waren 20 °/o erforderlich (vgl. im einzelnen § 93 I V S. 3 und 4 und dort Anm. 24—27). Auch die Verjährung der Ansprüche aus § 117 stimmt mit der aus § 93 überein. In beiden Fällen verjähren die Ansprüche in 5 Jahren (vgl. § 93 Anm. 31). VI. Ausnahmefälle Anm. 6: Im Abs. 7 sind drei Fälle aufgeführt, bei denen die Vorschriften nicht gelten, obwohl der Tatbestand des Abs. 1 erfüllt ist. Der erste Fall entspricht dem bisherigen Redit. Eine Haftung entfällt, wenn der Handelnde durch Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung zu der schädigenden Handlung bestimmt worden ist. Ohne diese ausdrückliche Bestimmung würde die Stimmreditsausübung des Aktionärs unter Haftung gestellt. Man hielt dies mit den Grundsätzen des Aktienrechts bisher nicht für vereinbar. Dieser Grundsatz ist im neuen Gesetz nicht aufrechterhalten. Das grundsätzliche Verbot des § 3 1 1 für das herrschende Unternehmen, dem abhängigen Unternehmen Nachteile zuzufügen, gilt schlechthin für alle Fälle, in denen kein Beherrschungsvertrag abgeschlossen ist. Es ist umfassend und umfaßt damit auch eine Benachteiligung, die durch Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erfolgt. Damit sind die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Fälle durch die Konzernbestimmungen erfaßt. Es erscheint unter diesen Umständen auch nicht angängig, darüber hinaus jeden Aktionär für die Ausübung seines Stimmrechts haften zu lassen. Von der Stimmrechtsausübung herrschender Unternehmen abgesehen, sind die Gesellschaft und die anderen Aktionäre gegen einen Mißbrauch des Stimmrechts durch die Anfechtungsmöglichkeit nach § 243 II hinreichend geschützt. In krassen Fällen kommt daneben eine Haftung für die Ausübung des Stimmrechts nach § 826 B G B in Betracht. Nur die Stimmrechtsausübung selbst kann keine Haftung begründen. Ausführungen, die in der Hauptversammlung gemacht werden, können sich sehr wohl als Benutzung des Einflusses darstellen und den Aktionär, der sie macht, zum Einflußnehmer nach Abs. 1 werden lassen. Der Ausschluß jeder Haftung für Stimmrechtsausübung zeigt, daß eine Treupflicht der Aktionäre nicht besteht (s. Anm. 3 bis 5 zu § 1). Die in der Vorauflage vertretene Auffassung, daß der Ausschluß der Haftung 616
Schadenersatzpflicht
§117
Anm. 6,7
aus § 117 bei Stimmrechtsausübung auch die Anwendung des § 826 BGB bei Sittenverstoß ausschließe, wird nicht aufrechterhalten, (s. oben). Zur Anwendung der Bestimmung des § 117 auf eine Einmanngesellschaft vgl. die Ausführung von Leo, Die Aktiengesellschaft 1965, S. 352 ff. (355). Danach kommt § 117 nur dann in Frage, wenn der Alleinaktionär keine Leitungsmacht besitzt. Das wird nur der Fall sein, wenn der Alleinaktionär keine Unternehmenseigenschaft hat. Anderenfalls kommen die §§ 311 ff. zur Anwendung. Eine Drohung mit Stimmrechtsausübung fällt nicht unter die Bestimmung des Abs. 7, sie stellt vielmehr eine massive Benutzung der Einflußmöglichkeit dar und erfüllt damit den Tatbestand des Abs. 1. Neu sind die N r . 2 und 3 des Abs. 7. Sie ergeben sich aus der Neuregelung im Konzern. Nach § 308 hat ein Unternehmen, das aufgrund eines Beherrschungsvertrags seine Leitungsmacht gegenüber einer Gesellschaft ausübt, das Recht, Weisungen zu erteilen. Der Vorstand ist verpflichtet, die Weisungen zu befolgen, wenn nicht offensichtlich ist, daß sie nicht den Belangen des herrschenden oder eines konzernverbundenen Unternehmens dienen. Noch weiter geht die Leitungsmacht einer Hauptgesellschaft im Falle der Eingliederung einer Gesellschaft (§ 319). Hier ist ein völlig unbeschränktes Weisungsrecht gegeben, dem der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft folgen muß. Da in beiden Fällen die Weisungen auch zum Nachteil der Gesellschaft erfolgen können, wäre es ein Widerspruch, wenn die Bestimmung des § 117 auch in solchen Fällen Anwendung fände. Zur Klarstellung wird sie ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt. VII. Haftung gegenüber den Gesellschaflsgläubigern Anm. 7: Auch gegenüber Gesellschaftsgläubigern besteht eine H a f t u n g der schuldigen Verwaltungsmitglieder nach Abs. 2, des Einflußnehmers nach Abs. 1 und des bevorteilten Dritten nach Abs. 3 nur hilfsweise, wenn sie nämlich von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen (vgl. hierzu § 93 Anm. 28). Die schuldigen Verwaltungsmitglieder haften hier aber gegenüber Gläubigern schon aufgrund des Tatbestandes des Abs. 1 ohne die übrigen Voraussetzungen der §§ 93 und 116. Die übrigen Voraussetzungen der §§ 93 und 116 gelten nur für die H a f t u n g derjenigen Verwaltungsmitglieder, welche die Schädigungshandlung weder unmittelbar noch mittelbar selbst verübt, sondern ihre Sorgfaltspflicht nur durch Unterlassung der Überwachung verletzt haben. Natürlich setzt auch die H a f t u n g gegenüber den Gläubigern einen Schaden der Gesellschaft voraus. Dieser kann auch entstanden sein, wenn den außenstehenden Aktionären unmittelbar ein Ausgleich gewährt worden ist; es muß also, um eine H a f t u n g gegenüber konzernfremden Gläubigern zu vermeiden, der Ausgleich der Gesellschaft selbst gewährt werden. 617
§§117/118
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 7 /1,2 Wie in § 93 wird die Haftung gegenüber den Gläubigern weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. Auch hier übt im Falle eines Konkursverfahrens der Konkursverwalter das Recht der Gläubiger aus.
Vierter Abschnitt Hauptversammlung Erster Unterabschnitt Rechte der H a u p t v e r s a m m l u n g § 118 Allgemeines (1) Die Aktionäre üben ihre Redite in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. (2) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsiditsrats sollen an der Hauptversammlung teilnehmen. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt im wesentlichen die Bestimmungen des bisherigen § 102 AktG37; geändert ist Abs. 2, der nunmehr eine allerdings nicht erzwingbare Verpflichtung für die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes zur Teilnahme an der Hauptversammlung ausspricht. Bisher war ein Teilnahmerecht normiert (s. Anm. 5). Anm. 2: Der Aktionär hat ein Recht der Mitverwaltung und Mitbestimmung in den Angelegenheiten der Gesellschaft, ein sogenanntes mit seiner Aktie verknüpftes Herrschaftsrecht, das ihm nicht um seiner selbst willen, sondern zur Wahrung seiner mit der Aktie verknüpften Vermögensinteressen gewährt ist. Nicht alle Aktionäre haben es in gleichem Umfange. Es gibt stimmrechtslose Aktien, und auch sonst haben nicht alle das gleiche Mitbestimmungsrecht. Es gab namentlich in der Vergangenheit und wird auch künftig bis auf weiteres, wenn auch nur ausnahmsweise, Mehrstimmrechtsaktien geben. Aber nicht als einzelner kann der Aktionär dieses Mitverwaltungs- und Mitbestimmungsrecht ausüben, sondern nur in der Hauptversammlung. Darunter versteht das Gesetz eine Versammlung der Aktionäre, die unter Einhaltung bestimmter Vorschriften über ihre Vorbereitung und ihre Berufung und über die Teilnahme stattfindet, um eine Ausübung des Mitverwaltungs- und -bestimmungsrechts der Aktionäre durch Zusammen618
Allgemeines
§118
Anm. 2—4
fassung ihrer Willenserklärungen zu Beschlüssen (meist Mehrheitsbeschlüssen) herbeizuführen. Die Bestimmung ist zwingend, daher kann die Satzung wohl Anwesenheit aller Aktionäre, Mitabstimmung aller Aktionäre und Einstimmigkeit, nicht aber Zustimmung aller (auch der abwesenden) Aktionäre vorschreiben. Der Einzelaktionär ist grundsätzlich nicht in der Lage, die Angelegenheiten der Gesellschaft zu besorgen, auch nicht gegenüber Dritten, z. B. gegenüber dem Registerrichter. Er kann in der Regel keine Anträge stellen, jedoch kann er ausnahmsweise nach § 20 FGG als Beteiligter Beschwerde erheben, so gegen die Eintragung der Erhöhung des Grundkapitals (KGJ 28 A 228), gegen die Eintragung einer Statutenänderung (Dresden OLG 8, 260); auch nach § 98 II Nr. 3 ist er als einzelner berechtigt, Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats geltenden Bestimmungen zu stellen; auch sonst gibt das Gesetz in einzelnen Fällen dem einzelnen Aktionär selbständige Rechte. Fassen die Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung einen Beschluß, etwa die Teilnehmer eines Konsortialvertrages, so ist dieser als Willenserklärung der Gesellschaft nicht beachtlich, so groß auch oft die Bedeutung eines solchen Beschlusses sein mag. Die Zuständigkeit der Hauptversammlung (§ 119) und damit das Mitverwaltungs- und -bestimmungsrecht der Aktionäre ist jedoch beschränkt (s. Anmerkungen zu § 119). Die Hauptversammlung ist ein Organ der Gesellschaft, mittelbar das oberste, aber nicht die AG selbst, nicht die „Gesellschaft der Aktionäre", nicht der Geschäftsherr der anderen Organe. Ein nach dem zweiten Weltkrieg gemäß Gesetz 52 US-Militärregierungsgesetz 57, Britische Verordnung 133, Französische Verordnung 25 eingesetzter Treuhänder trat an die Stelle jedes Organs der Gesellschaft, also auch der Hauptversammlung. Anm. 3: Soweit die Aktionäre der Gesellschaft als Dritte gegenüberstehen, gilt § 118 nicht, auch nicht, wenn an sich typische Aktionärsrechte zu reinen Gläubigerrechten geworden sind, so der bereits festgesetzte Dividendenanspruch. Die Vorschrift bezieht sich nur auf die Ausübung der Aktionärsrechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft. Wenn auch das Mitverwaltungs- und Mitbestimmungsrecht dem Aktionär als vermögensrechtlich an der Gesellschaft Interessiertem gewährt ist, so hat er es doch auszuüben wie ihre (nicht seine) Angelegenheiten und Interessen es erfordern. Man spricht von einer Treuepflicht des Aktionärs. Dies ist indessen problematisch. Wir verweisen auf Anm. 3 bis 5 zu § 1. Anm. 4: Die von Abs. 1 vorbehaltene gesetzliche Bestimmung über Aktionärsrechte, die außerhalb der Hauptversammlung auszuüben sind, z. B. §§ 122, 125 IV; 175 II, 245 stehen mit der Teilnahme an der Hauptversammlung im engen Zusammenhang und geben dem Aktionär die Möglich619
§§ 118/119
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
Anm. 4,5 keit, sich auf die Hauptversammlung vorzubereiten oder gegen ihre Beschlüsse oder die Diktatur der Mehrheit anzukämpfen. N u r § 85 (Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Vorstandsmitgliedes) und § 98 (Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die f ü r die Zusammensetzung des Aufsichtsrats anzuwendenden Bestimmungen) fallen aus diesem Rahmen. Anm. 5: Nach bisherigem Recht hatten die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates ein Teilnahmerecht an der Hauptversammlung. Diese Regelung, die es praktisch dem pflichtgemäßen Ermessen des Betroffenen überließ, an einer Hauptversammlung teilzunehmen, wird der Bedeutung, die eine Hauptversammlung für jede Gesellschaft hat, nicht gerecht. Es ist daher eine Teilnahmeverpflichtung festgelegt worden. Aktionäre oder Hauptversammlung haben aber keine Mittel, die Mitglieder der Verwaltung zur Teilnahme zu zwingen. Durch die Teilnahme an der Hauptversammlung erlangen die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats noch nicht die Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung. Der Vorstand hat das Recht und auch die Pflicht, die Beschlüsse nach § 245 Nr. 4, falls das Interesse der Gesellschaft es verlangt und Gesetz oder Satzung verletzt sind, anzufechten. Dieses Anfechtungsrecht besteht auch gegenüber Beschlüssen einer Vollversammlung. Der Aufsichtsrat hat die Ausführung der Hauptversammlungsbeschlüsse durch den Vorstand zu überwachen. Seine Mitglieder haben das Anfechtungsrecht aus § 245 N r . 5, sofern die Gefahr der zivil- oder strafrechtlichen H a f t u n g besteht.
§ H9 Rechte der Hauptversammlung (1) Die Hauptversammlung beschließt in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen, namentlich über 1. die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nadi dem Betriebsverfassungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz zu wählen sind; 2. die Verwendung des Bilanzgewinns; 3. die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Auf sichtsrats; 4. die Bestellung der Abschlußprüfer; 5. Satzungsänderungen; 6. Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung; 7. die Bestellung von Prüfern zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung; 8. die Auflösung der Gesellschaft. 620
Rechte der Hauptversammlung
§119
Anm. 1
(2) Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt. I. Obersicht (Anm. 1) II. Zuständigkeit der Hauptversammlung 1. die hier besonders Genannten (Anm. 2) 2. die an anderer Stelle Genannten (Anm. 3) 3. im Verhältnis zu anderen Organen (Anm. 4) 4. Grenzen (Anm. 5) III. Fragen der Geschäftsführung (Anm. 6) IV. Hauptversammlungsbeschlüsse 1. Rechtsnatur (Anm. 7)
2. Aufhebung a) Widerruf (Anm. 8) b) Anfechtung (Anm. 9) 3. Stimmabgabe (Anm. 10) 4. Auslegung (Anm. 11) V. Ablauf der Hauptversammlung 1. Vorsitz (Anm. 12) 2. Vorbereitungshandlungen (Anm. 13 bis 15) 3. Erledigung der Tagesordnung (Anm. 16 bis 21) 4. Beendigung (Anm. 22) 5. Satzungsbestimmungen (Anm. 23)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 103 AktG 37, führt jedoch in 8 Ziffern die wichtigsten Fälle der Zuständigkeit der Hauptversammlung auf (s. Anm. 3), ohne daß dadurch eine Änderung des bisherigen Rechtes eingetreten ist. § 1 1 9 regelt die Zuständigkeit der Hauptversammlung und ist (insbesondere auch Abs. 2) zwingendes Recht. Überschreitet die Hauptversammlung ihre Zuständigkeit, so sind die Beschlüsse regelmäßig (Ausnahme Abs. 2 und § 93 IV S. 1) schlechthin wirkungslos. Sie bedürfen dann weder der Anfechtung noch der Feststellung ihrer Nichtigkeit (vgl. §§ 241, 243). Soweit sie sich auf die Geschäftsführung beziehen, sind sie f ü r den Vorstand unverbindlich und unbeachtlich (Ausnahme Beschlüsse gem. Abs. 2). Er kann ihnen folgen, braucht es aber nicht, immerhin entlasten sie ihn (wenn sie nicht erfolgreich angefochten werden) nach § 9 3 IV S. 1. Der Wirkungskreis der Hauptversammlung beschränkt sich, abgesehen vom Falle des Abs. 2, auf alle mit dem wirtschaftlichen oder rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängenden Fragen. Oberstes Organ (vgl. RG 117, 206) ist die Hauptversammlung nur noch mittelbar, indem sie es ist, die den Aufsichtsrat bestellt und abberuft, der seinerseits den Vorstand zu bestellen und abzuberufen (§ 84) und die nicht zu unterschätzende Möglichkeit hat, auf die Geschäftsführung einzuwirken (z.B. § § 8 2 ; 111 IV). Auch bei Feststellung des Jahresabschlusses ist der Aufsichtsrat gleichberechtigt mit dem Vorstand (§ 172) und kann demnach auch darüber entscheiden, ob die Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses berufen werden soll. Die H a u p t versammlung entscheidet praktisch bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat (§111 IV), beschließt auch über die Entlastung 621
§119
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 1,2 nicht nur des Aufsichtsrates, sondern auch des Vorstandes und kann durch Satzungsänderung Vorschriften nach den § 82 und 111 IV treffen. Es empfiehlt sich f ü r die Aktionäre, in der Satzung nur einfache Mehrheit als Erfordernis zum Widerruf der Bestellung des Aufsichtsrates (§ 103 I S. 3) und zur Satzungsänderung (hier des vertretenden Grundkapitals § 1 7 9 1 1 S. 2) vorzusehen. Die Hauptversammlung kann auch den Vorstand mit einfacher Mehrheit, auch im Zuge der Erörterung von Geschäftsführungsfragen, das Mißtrauen aussprechen und damit seine Abberufung oder Amtsniederlegung herbeiführen. Sie kann aber unmittelbar heute über Fragen der Geschäftsführung nur entsdieiden, wenn ihr die Frage vom Vorstand, nidit Aufsichtsrat, gemäß § 119 I I vorgelegt wird. Im übrigen nur in den von der Satzung und dem Gesetz angeführten Fällen. D a ß das Gesetz der H a u p t versammlung jeden Einfluß auf die Geschäftsführung versagt, ist um so befremdlicher, als es andererseits gewissen Beschlüssen der Hauptversammlung, welche sehr wohl gerade durch Art der Geschäftsführung notwendig werden können, solche Wichtigkeit beilegt, daß es dafür sogar eine qualifizierte Mehrheit vorschreibt. Kann sich sonach die Hauptversammlung auch mittelbar und auf Umwegen als oberstes Organ durchsetzen, so ist unmittelbar im Rahmen seiner unentziehbaren Zuständigkeit jedes Organ selbst oberstes Organ (vgl. Würdinger, S. 109). II. Zuständigkeit der Hauptversammlung 1. die hier besonders Genannten Anm. 2: Abs. 1 umreißt die Zuständigkeit der Hauptversammlung. Nach dieser Vorschrift ist die Hauptversammlung in all den Fällen zuständig, in denen ihr entweder im Gesetz oder in der Satzung ausdrücklich die Zuständigkeit übertragen worden ist (s. aber Anm. 6). Das Gesetz zählt 8 Fälle besonders auf, ohne daß diese Aufzählung erschöpfend ist. Die genannten Fälle haben auch keinen Vorrang vor den nicht namentlich aufgeführten, so daß der Sinn dieser Aufzählung nicht zu ersehen ist. Auch die Begründung erläutert die vorgenommene unvollständige Aufzählung nicht. Hiernach hat die Hauptversammlung zu beschließen über Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
622
1 2 3 4 5 6
Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder, vgl. § 101 und Anm. dort; Verwendung des Bilanzgewinns, vgl. § 174 und Anm. dort; Entlastung der Verwaltung; vgl. § 120 und Anm. dort; Bestellung der Abschlußprüfer, vgl. § 163 und Anm. dort; Satzungsänderungen, vgl. § 179 und Anm. dort; Kapitalerhöhung und Herabsetzung, hierbei handelt es sich praktisch um eine Unterziffer der N r . 5, da dies, soweit das Grundkapital geändert wird, eine Satzungsänderung ist — siehe §§ 182, 186,192, 202, 207, 221, 222, 237 und Anm. dort;
Rechte der Hauptversammlung
§119
Anm. 2—5
Nr. 7 Nr. 8
Bestellung von Sonderprüfern, vgl. § 142 und Anm. dort; Auflösung, vgl. § 262 I N r . 2.
2. die an anderer Stelle
Genannten
Anm. 3: Nicht als namentlich hierzu gehörend aufgeführte, aber auch in die Zuständigkeit der Hauptversammlung zählende im Gesetz aufgeführte Fälle sind folgende: a) Nachgründung, s. § 52 b) Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern — s. § 103 c) Geltendmachung und Verzicht auf Ersatzforderungen gegen Mitglieder der Verwaltung und Gründer — siehe §§ 50 und 147 d) Zustimmung zu Unternehmensverträgen — s. § 293 e) Eingliederung — siehe §§ 319 und 320. f) Verschmelzung — siehe §§ 340, 353 bis 358 g) Vermögensübertragung — siehe §§ 359 bis 361 h) Umwandlung — siehe §§ 362, 366, 369, 386; i) ausnahmsweise die Feststellung des Jahresabschlusses — siehe § 173 k) bei der Abwicklung über die Feststellung der Eröffnungsbilanz mit dem Stichtag des Beginns der Abwicklung, des Jahresüberschusses und die Entlastung der Abwickler — s. § 270 Abs. 2 1) über die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft — s. § 274. 3. im Verhältnis zu anderen Organen Anm. 4: In allen, in den Anmerkungen 3 und 4 genannten Fällen ist eine Übertragung der Rechte der Hauptversammlung auf andere Organe unzulässig, da das Gesetz die Zuständigkeit der Gesellschaftsorgane aus grundsätzlichen Erwägungen zwingend geregelt hat. Die Satzung kann ebensowenig der Hauptversammlung Entscheidungen übertragen, f ü r die andere Organe nach Vorschrift des Gesetzes zuständig sind. Auch diese Vorschriften sind zwingend. Es scheidet mithin das ganze Gebiet der Geschäftsführung aus, da hierfür nach § 77 allein der Vorstand zuständig ist (vgl. Abs. 2). Auch die Bestellung des Vorstandes und die Überwachung der Geschäftsführung, die Sache des Aufsichtsrates sind, kann ihr nicht übertragen werden. Einen gewissen Einfluß erhält die Hauptversammlung jedoch dadurch, daß sie dem Vorstand ihr Mißtrauen aussprechen kann (S 84 III). 4. Grenzen Anm. 5: Ferner findet die Zuständigkeit der Hauptversammlung ihre Grenze in den sogenannten Sonderrechten der Aktionäre. Mit dem Sonderrecht befaßt sich § 35 BGB; „Sonderrechte eines Mitgliedes können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluß der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden." Nach herrschender Ansicht ist diese Bestimmung anwendbar 623
§119
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
Anm. 5
(vgl. Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 1 Anm. 11; Sdil.-Qu. Ubersicht vor § 8 4 Anm. 4; Baumbach-Hueck Ubersicht vor § 4 8 Anm. 4 A ) . Jedoch gibt es über das Wesen der Sonderrechte so viele und so weit auseinandergehende Meinungen, daß es unmöglich erscheint, eine aktienrechtlich gültige Theorie der Sonderrechte zu entwickeln. Es ist zudem festzustellen, daß die Entwicklung der Rechtsprechung für die Sonderrechte nicht günstig ist. Ein Sonderrecht sieht das Gesetz nur im § 101 II (Entsendungsrecht zum Aufsichtsrat) vor. Im übrigen kann, wenn nicht ausdrücklich ( z . B . § 1 8 0 ) bestimmt ist, daß ein dahingehender Beschluß der Zustimmung der Betroffenen bedarf, jedes sogenannte allgemeine Mitgliedschaftsrecht (s. Anm. 2 zu § 1 1 ) durch Satzungsänderung, vorbehaltlich des Grundsatzes gleichmäßiger Behandlung aller, eingeschränkt oder aufgehoben werden, so weit nicht zwingende Vorschriften entgegenstehen oder der geänderte Inhalt dem den zwingenden Vorschriften dieses Gesetzes zu entnehmenden Wesen einer Aktie widerspricht. Die Satzung kann den Inhalt des Aktienrechts im ganzen für unabänderlich erklären und die Zustimmung des Aktionärs zur Voraussetzung der Änderung machen, sie kann aber einzelne allgemeine Mitgliedschaftsrechte auch, soweit sie gesetzlich im Rahmen des mit dem Wesen der Aktie zu vereinbarenden entziehbar sind (z. B. Gewinnrecht, Beteiligung am Abwicklungsreinvermögen, satzungsmäßige Gebrauchsrechte und im gewissen Umfange das Stimmrecht) durch das Erfordernis der Zustimmung des Aktionärs zur Änderung zu jedem Aktionär zustehenden Sonderrechten erheben. Als Sonderrechte sind daher solche Vorrechte von Aktionären oder Gruppen anzusehen, die nicht alleine auf der Mitgliedschaft beruhen, sondern durch Satzung bzw. satzungsändernden Beschluß begründet werden (RG 170, 368). Die Verletzung eines Sonderrechtes hat zur Folge, daß der betreffende Beschluß sowohl nach § 243 anfechtbar, als auch gegenüber dem berechtigten Aktionär, auch ohne Anfechtung, relativ unwirksam, im übrigen aber, solange er nicht auf Anfechtungsklage hin für nichtig erklärt ist, rechtswirksam ist. An der Anfechtung hat sonach regelmäßig der Sonderberechtigte selbst nur ein Interesse, wenn das Sonderrecht nicht nur im Einzelfall verletzt, sondern grundsätzlich betroffen wird. Verschieden davon ist die Frage, ob unter Verletzung bestehender Vorschriften im Einzelfall ein gewöhnliches Aktionärrecht beeinträchtigt werden kann. Dies ist natürlich nicht zulässig, doch muß es dem Aktionär überlassen bleiben, sein Recht durch Anfechtungsklage (§ 243) zu wahren. Letzteres gilt aber nur von der Verletzung eines Aktionärrechts. Wird ein Gläubigerrecht eines Aktionärs oder eines Dritten oder ein Sondervorteil eines Aktionärs nach § 26, der ja nicht zum Inhalt der Aktie gehört, oder ein echtes Sonderrecht (z. B. § 101 II) verletzt, so ist der Beschluß zwar rechtsgültig, aber insoweit ohne Anfechtung wirkungslos und unbeachtlich, wie auch die Erklärung einer Privatperson, einer Verpflichtung ledig zu sein, diese Verpflichtung nicht berührt. 624
Rechte der H a u p t v e r s a m m l u n g
§119
Anm. 6
III. Fragen der Geschäftsführung Anm. 6: Abs. 2 ist zwingendes Recht. Auch die Satzung kann der Hauptversammlung in Fragen der Geschäftsführung keine Entscheidungsbefugnis übertragen, die über Abs. 2 hinausgeht. Es zeigt sich hierin die Meinung des Gesetzes, daß der Vorstand der Gesellschaft verbundener sei, als der jeweilige Inhaber der freizügigen Aktie. Nicht der Aufsichtsrat, nur der Vorstand kann die Hauptversammlung zur Entscheidung in Fragen der Geschäftsführung aufrufen, mag auch der Anlaß dazu gerade in Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bestehen. Das einzelne Vorstandsmitglied handelt als „Vorstand" gemäß § 77; ist es nach jenen Grundsätzen nicht befugt, als Vorstand aufzutreten, sondern nur als einzelnes Mitglied des Vorstandes, so kann es auch nicht die Entscheidung der Hauptversammlung herbeiführen; wenn aber deren Beschluß nicht nach § 241 Nr. 1 wegen mangelhafter Einberufung der Hauptversammlung nichtig ist, ist nach richtiger (anders wohl nach herrschender) Meinung der Vorstand gleichwohl im Sinne des § 93 IV gegenüber der Gesellschaft durch ihn gedeckt. Nach herrschender Ansicht ist der Vorstand intern an die von ihm selbst (nicht auch an eine etwa von dem Aufsichtsrat) herbeigeführte Entscheidung gebunden, d. h. er haftet auf Schadensersatz, auch wenn ihn kein weiteres Verschulden trifft, als die Entscheidung nicht befolgt zu haben. Diese Ansicht kann sich wohl auf den landesüblichen Wortsinn des Wortes „Entscheidung" berufen. Demgegenüber ergibt aber § 82 II, daß dies nur von beschränkenden und ablehnenden Beschlüssen gelten und außerdem § 93 V denknotwendig, daß im übrigen dem nicht so sein kann, weil der Beschluß der Hauptversammlung den Vorstand nicht auch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft deckt (vgl. Godin in JW 38, 1146 und in SozPr 38, 1113; dagegen Böttcher in SozPr 38, 818). Ist freilich gerade durch die Nichtbefolgung ein Schaden entstanden, so ist anzunehmen, daß durch die Befolgung ein Schaden entstanden und grobfahrlässig verschuldet erschienen wäre und deshalb eine Haftung gegenüber den Gläubigern begründet hätte. Aber das ist nicht notwendig immer so und im übrigen ist dies eine Beurteilung ex post, während es für die eine Haftung gegenüber den Gläubigern entscheidende Verschuldensfrage auf den Zeitpunkt der Entschließung des Vorstandes ankommt, dagegen ist aus § 93 IV abzuleiten, daß der Vorstand die Zustimmung des Aufsichtsrates durch die Hauptversammlung ersetzen lassen kann, denn da sie nur innere Bedeutung hat, ergibt sich aus ihrem Mangel nur eine Schadensersatzpflicht des Vorstandes, der durch den Hauptversammlungsbeschluß nach § 93 IV abgeholfen ist. Anträge und Erörterungen zu Fragen der Geschäftsführung schließt § 119 II nicht aus, ja es können lediglich zum Zweck solcher und ggf. zwecks einer Mißtrauenskundgebung ein Antrag nach § 122 I und II gestellt werden. Unhaltbar ist noch unter anderem die Meinung, daß ein Beschluß, den die Hauptversammlung ungefragt über eine 625 40
Wilhelmi,
Aktiengeserz
§119
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 6, 7 Maßnahme der Geschäftsführung gefaßt hat, nicht „gesetzmäßig" im Sinn des § 93 IV sei (s. dort Anm. 22). Nach außen kann der Vorstand ein Geschäft unter der Bedingung der Zustimmung einer einzuberufenden H a u p t versammlung abschließen. Die Hauptversammlung braucht dem Vorstand die H a f t u n g nicht abzunehmen, sie kann auch, wenn von ihm befragt, die Entscheidung ablehnen. IV. Hauptversammlungsbeschlüsse 1. Rechtsnatur Anm, 7: Die Rechtsnatur der Hauptversammlungsbeschlüsse ist problematisch und vielumstritten (vgl. Bartholomeyczyk in Z G H R 38, 293), ohne daß jedoch dieser Frage praktische Bedeutung zukommt. Wenn sie auch zustande kommen durch Erklärungen der Mitglieder über das, was diese in bezug auf die Gesellschaft wollen, so faßt das Gesetz doch offensichtlich die abgegebenen Stimmen nach Maßgabe ihrer Mehrheit zu etwas von ihrer bloßen Summe verschiedenem, nämlich zu einem einheitlichen (inhaltlich von den Erklärungen der in der Minderheit gebliebenen, ja — in besonderen Fällen bei geforderter aber nicht erzielter qualifizierter Mehrheit — sogar der in einfacher Mehrheit befindlichen Stimmen abweichenden) Beschluß zusammen, der als solcher nichtig und anfechtbar (im Sinne des Aktiengesetzes) sein kann, auch wenn keine der abgegebenen Willenserklärungen als solche nichtig und anfechtbar (im Sinne des bürgerlichen Rechts) ist, obwohl die Gesellschaft Objekt der Abstimmung (Bartholomeyczyk a. a. O., S. 302) gewesen sein kann. Zum Beispiel bei Auflösung, Verschmelzung, Satzungsänderung sehen wir in dem zustande gekommenen Beschluß eine Willenserklärung, deren Subjekt die Gesellschaft ist, meist aber nicht notwendig rechtsgeschäftlicher Art. Letzteres gilt nicht f ü r die Mehrzahl der negativen Beschlüsse (Ablehnung einer Satzungsänderung) f ü r Mißtrauensvoten, f ü r Beschlüsse, die den Verlauf der Hauptversammlung selbst betreffen. Beschlüsse rechtsgeschäftlicher N a t u r sind nur solche, welche die Beziehungen der Gesellschaft zu ihren Organen (Wahl, Abberufung) oder die Rechte der Aktionäre (Gewinnverwendungsbeschluß, Kapitalherabsetzung), wie überhaupt das Grundgesetz der Gesellschaft, die Satzung, betreffen. Rechtsgeschäftliche Beschlüsse können empfangsbedürftig sein oder nicht. Ersterenfalls müssen sie, wenn sie sich an einen Dritten wenden, diesem zugehen, in dem der Vorstand sie ihm zur Kenntnis bringt. Insoweit sie nicht empfangsbedürftig sind, werden sie mit der Niederschrift und Verkündung wirksam. So entsteht der Anspruch des Aktionärs auf den Gewinnanteil ohne weiteres mit dem H a u p t versammlungsbeschluß über die Gewinnverwendung. Der Beschluß, der den Jahresabschluß feststellt, ist sofort rechtswirksam. Bei Beschlüssen, die ein organisatorisches Rechtsgeschäft enthalten (z. B. Wahl des Aufsichtsrats) vertritt sie die Gesellschaft, sonst nach außen niemals, auch nicht in den Fällen, 626
Rechte der H a u p t v e r s a m m l u n g
§119 Anm. 7—9
in welchen ihr Beschluß Voraussetzung f ü r das Zustandekommen des Geschäftes ist (z. B. §§ 293, 340). 2.
Aufbebung
a)
Widerruf
Anm. 8: Ein Widerruf eines Beschlusses, der eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, ist mit Abschluß der Niederschrift nicht mehr möglich, sofern sich dadurch eine Rechtsveränderung vollzogen hat, es sei denn, daß es sich um eine Satzungsänderung handelt, da diese nach § 181 I I I erst mit der Eintragung im Handelsregister wirksam wird. Satzungsändernde Beschlüsse oder solche, die eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthalten, ferner uneingeschränkt Beschlüsse, die keine mittelbare Rechtswirkung erzeugen, können vor der Eintragung ins Handelsregister bzw. dem Zugang der Willenserklärung durch neuen Beschluß noch widerrufen werden (a. A. Ritter § 108 Anm. 2). Ob dieser Beschluß der gleichen Mehrheit bedarf wie der ursprüngliche, ist streitig, wohl aber zu verneinen. Einfache Mehrheit genügt zur Aufhebung. b) Anfechtung Anm. 9: Ist ein Beschluß, der eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung enthält oder betrifft, durch Willensmängel (Irrtum oder Täuschung) eines so großen Teiles der Mehrheit, daß diese ohnehin nicht zustande gekommen wäre, zustande gekommen — vgl. hierzu auch Bartholomeyczyk Z G H R 38, 311 —, so können die Voraussetzungen f ü r eine erfolgreiche Anfechtung durch Anfechtungsklage des Vorstandes nach §§ 243, 245 gegeben sein. Es ist aber, davon abgesehen, zu untersuchen, ob auch eine bürgerlich-rechtliche Anfechtung der Willenserklärung nach den §§ 119, 123 BGB oder ihre Rückforderung nach § 812 BGB möglich ist. Unseres Erachtens ist kein in der N a t u r der Sache liegender Grund erkennbar, warum dies ausgeschlossen sein soll, so daß es sich hauptsächlich darum handelt, von wem und in welcher Form die Anfechtung zu erklären ist. Handelte es sich um ein nur innerhalb der Gesellschaft wirkendes Geschäft, bei welchem die Gesellschaft durch die Hauptversammlung selbst vertreten werden konnte, und was unmittelbar durch den Beschluß zustande gekommen und wirksam geworden ist (Wahl, Gewinnverwendung, Auflösung), so dürfte es möglich sein, daß auch die Hauptversammlung selbst die Anfechtung beschließt. Dies ist wichtig, wenn der Vorstand die Anfechtung nach §§ 243, 245 unterläßt, aber der Aufsichtsrat nach § 111 I I I die Hauptversammlung beruft oder, wenn genügend Aktionäre sich zusammenfinden, um nach § 122 I I I vorzugehen. Ob daneben bei solchen Geschäften der Vorstand die in dem durch Willensmangel zustande gekommenen Hauptversammlungsbeschluß liegende Willenserklärung nach bürgerlichem Recht aufgrund seiner gesetzlichen Vertretungsbefugnis
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§119
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 9,10 anfechten oder zurückfordern kann, beantworten wir verneinend, weniger unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit, die wegen der ausschließlichen der Hauptversammlung zu dem angefochtenen Beschluß nicht verneint zu werden brauchte, als im Hinblick darauf, daß der Vorstand nicht als befähigt erscheint, die Wirkung des Willensmangels auf das Zustandekommen des Beschlusses zu ermessen. Wenn der Beschluß nicht ein nur intern wirkendes Rechtsgeschäft enthielt, sondern ein Rechtsgeschäft mit der Außenwelt betraf, rührt die f ü r dessen Zustandekommen erforderliche Willenserklärung der Gesellschaft nach außen, die in einem solchen Falle zu dem Beschluß hinzukommen muß, von dem zur Vertretung ausschließlich befugten Vorstand her. Diese kann kraft Gesetzes oder kraft Rechtsgeschäftes — z. B. durch Vereinbarung einer Bedingung — mit einem Beschluß der Hauptversammlung in dem Sinn gekoppelt sein, d a ß ihre Wirkung von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängig sein soll. Aus dieser Abhängigkeit folgt indessen nicht, d a ß die Willenserklärung des Vorstandes von dem Willensmangel des Hauptversammlungsbeschlusses infiziert zu sein braucht. Ist dies nicht der Fall, ist sie nicht anfechtbar. Ist aber der Beschluß nach § 243 erfolgreich angefochten, so fällt ihre gesetzliche oder vereinbarte Wirksamkeitsvoraussetzung fort. Unterbleibt eine aktienrechtliche Anfechtung oder liegen ihre Voraussetzungen nicht vor, so kann gleichwohl nach dem oben über die intern wirkenden Geschäfte entwickelten Erwägungen eine bürgerlich-rechtliche Anfechtung beschlossen werden, durch welche gleichfalls die vorausgegangene in dem fehlerhaft zustande gekommenen Beschluß enthaltene Zustimmung rückwirkend hinfällig wird. Eine technische Schwierigkeit liegt darin, daß dieser Beschluß die Wirkung einer Anfechtungserklärung nur erhalten kann, in dem der gesetzliche Vertreter der Gesellschaft, der Vorstand, ihn nach außen dem Anfechtungsgegner erklärt (§ 143 I BGB). Es muß also, wenn der Vorstand nicht in diesem Sinne mitwirkt, der Aufsichtsrat ihn abberufen und einen anderen Vorstand bestellen, vielleicht selbst erst abberufen und ersetzt werden. Als Anfechtungsgegner ist nach § 143 I I I BGB der Empfänger der Erklärung des Vorstandes anzusehen, f ü r welche der angefochtene Hauptversammlungsbeschluß Wirksamkeitsvoraussetzung war. J. Stimmabgabe Anm. 10: Davon verschieden ist die Anfechtung der Stimmabgabe eines Aktionärs, der z. B. falsch abgestimmt hat. Auch die Stimmabgabe ist eine meist rechtsgeschäftliche Willenserklärung, deren Empfängerin die Gesellschaft ist (vgl. Bartholomeyczyk a. a. O. und „die Stimmabgabe im System unserer Rechtshandlungen" S. 27). Andere fassen die Beschlußfassung als ein Rechtsgeschäft unter den daran beteiligten Aktionären auf, die unwiderruflich (bindend) ist, sobald sie der Gesellschaft zugegangen ist — nicht aber den Aktionären, denen sie überhaupt nicht zuzugehen braucht und im Falle der geheimen Abstimmung verborgen bleiben kann —. Von da ab ist sie nur 628
Rechte der
Hauptversammlung
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Anm. 10—12
nach allgemeinen Regeln anfechtbar (vgl. Bartholomeyczyk ArchZivPr 38, S. 287 mit Angabe der Gegenmeinungen; a. A. Baumbach-Hueck Anm. 2), wenn sie nicht nichtig ist (Geschäftsunfähigkeit, Bewußtlosigkeit, Sittenverstoß). Die Nichtigkeit der Stimme, besteht sie von vornherein oder sei sie durch Anfechtung herbeigeführt, führt aber im allgemeinen nicht Nichtigkeit, sondern nur Anfechtbarkeit des Beschlusses herbei, wenn er, d. h. seine Mehrheit, auf der Stimme beruht. Ihre Anfechtung oder Nichtigkeit wegen Willensmängeln kann aber zur Anfechtung des Beschlusses nach § 243 nur führen, wenn der Beschluß darauf beruht (vgl. R G 115, 385) und, wenn entweder der Vorstand aufgrund der Anfechtung der Stimmabgabe den Beschluß anficht oder ein Aktionär aus diesem oder einem anderen Grund in der Hauptversammlung gegen den Beschluß Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Die Anfechtung durch Stimmabgabe ist innerhalb der Hauptversammlung durch Erklärung in dieser, später durch Erklärung gegenüber dem Vorstand zu erklären. Erfolgt sie erst nach der Hauptversammlung, aber innerhalb der Monatsfrist (§ 246 I), so wird zwar noch der Vorstand, nicht aber ein Aktionär, insbesondere der Anfechter selbst, den Beschluß noch anfechten können, weil meist kein Widerspruch zur Niederschrift eingelegt worden sein dürfte; anderer Meinung Bartholomeyczyk ArchZivPr 1938, S. 328. Ein willkürlicher Widerruf der abgegebenen (der Gesellschaft zugegangenen, s. oben) Stimmen ist nicht zulässig (ebenso Bartholomeyczyk a. a. O.). 4.
Auslegung
Anm. 11: Maßgebend ist der Wortlaut des Beschlusses. Zur Auslegung eines Beschlusses können keine Umstände (auch nicht die Verhandlung) verwertet werden, die sich nicht aus ihm ergeben ( R G 108, 326; 146, 154; O G H 2, 206). Diese Regel gilt aber nur, soweit es sich um die Wirkung nach außen handelt. Im Innenverhältnis ist es, soweit der Wortlaut des Beschlusses Zweifel zuläßt, durchaus möglich, zu deren Behebung auf die Verhandlungen und Erörterungen zurückzugehen. Audi für die Wirkung nach außen scheint uns dies nicht ausgeschlossen, wenn die nach § 130 V zu den Handelsregisterakten einzureichende öffentliche Niederschrift die Verhandlungen und Erörterungen (ausnahmsweise — sie muß es nicht —) ergibt. Bei unrichtiger Verkündung muß der Beschluß, so wie er verkündet ist, angefochten werden (RG 142, 128). Die Aktionäre müssen also sofort Widerspruch zur Niederschrift erklären (§ 245 Nr. 1). V. Ablauf der Hauptversammlung 1. Vorsitz Anm. 12: Bestimmungen über den Ablauf der Hauptversammlung finden sich kaum im Gesetz, mit Ausnahme der §§ 129, 130. Aus diesen Vorschriften 629
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V e r f a s s u n g d e r Aktiengesellschaft
Anm. 12 ergibt sich, daß ein Vorsitzender vorhanden sein muß, aber das Gesetz schweigt über die Berufung zum Vorsitzenden. Meist bestimmt die Satzung (zulässigerweise) etwas darüber, und z w a r regelmäßig, daß der Aufsichtsratsvorsitzende die Hauptversammlung leitet. Sie kann auch das jeweils älteste Mitglied des Aufsichtsrates oder Vorstandes oder den Vorstandsvorsitzenden oder den Inhaber bestimmter Aktien usw. berufen, auch einen Außenstehenden oder die Wahl durch die Hauptversammlung von Fall zu Fall oder auf bestimmte Zeit vorsehen und letzterenfalls zur Bedingung machen, daß der Gewählte für die Dauer seiner Wahlperiode eine Aktie zu hinterlegen hat, oder bestimmen, daß ihm ohnedies vom Vorstand die Einberufung der Hauptversammlung und die Tagesordnung mittels eingeschriebenen Briefes mitzuteilen sind. Die Satzung kann aber die Aktionäre nicht verpflichten, die Wahl anzunehmen und den Vorsitz zu führen. Schweigt die Satzung oder ist der Berufene verhindert oder nicht willens — ein Mitglied des Aufsichtsrats ebenso des Vorstandes ist, wenn es von der Satzung berufen oder der Hauptversammlung gewählt ist, kraft Amtes dazu verpflichtet —, den Vorsitz zu führen, so liegt dieser dem von der Satzung nächst Berufenen, in Ermangelung eines solchen, dem von der Hauptversammlung zu wählenden ob. Dasselbe gilt, wenn der Vorsitz während der Hauptversammlung wechselt, weil er niedergelegt wird, insbesondere der Vorsitzende sich nicht nur vorübergehend entfernt, ohne die Hauptversammlung unterbrechen zu wollen, f ü r die Dauer seiner Entfernung. Den Ersatzmann selbst bestimmen kann der Vorsitzende nur, wenn ein kraft Satzung Berufener nicht zugegen ist und während seiner Abwesenheit keine Beschlüsse zu fassen sind. Der Vorsitzende kann durch die Hauptversammlung nur abberufen werden, wenn er von ihr gewählt ist. Bis zur Wahl eines Vorsitzenden, wenn eine solche nötig ist, präsidiert erforderlichenfalls der Einberufer, also meist ein Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates. D a schon die Wahl ein Beschluß im Sinne des § 130 ist, wird der Gewählte seine Wahl, wenn sie vorgenommen wurde, bevor das Teilnahmeverzeichnis fertiggestellt war, nach dessen Aufstellung und Auslegung bestätigen lassen. Die Beschlüsse einer H a u p t versammlung ohne Vorsitzenden oder unter Leitung eines weder durch Satzung noch Wahl berufenen Vorsitzenden sind anfechtbar (herrschende Ansicht; bestritten). D a es stillschweigende Hauptversammlungsbeschlüsse nicht gibt, weil f ü r jeden Beschluß das Abstimmungsergebnis nach Feststellung verkündet werden muß (§ 130 II), kann in der Duldung eines Vorsitzenden, der sich selbst eingesetzt hat, selbst wenn sie von der Urkundsperson als ihre Wahrnehmung beurkundet wird, eine Wahl nicht erblickt werden. Die Feststellung der Niederschrift hat also zu lauten: „ H e r r N N übernahm den Vorsitz und stellte nach Befragen der Hauptversammlung in Übereinstimmung mit der Wahrnehmung des Notars einstimmiges Einverständnis durch Zuruf damit 630
Redite der H a u p t v e r s a m m l u n g
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Anm. 12—14 fest." N u r wenn die Hauptversammlung aus einem einzigen Aktionär besteht, ist ein Vorsitzender entbehrlich (KG D J 38, 1242). 2.
Vorbereitungshandlungen
Anm. 13: Auch über den Gang der Hauptversammlung und die Befugnisse des Vorsitzenden im einzelnen sagt das Gesetz nichts. Sie zu eröffnen und zu schließen hat der Vorsitzende, und zwar hat er die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung zu prüfen, die er regelmäßig schon zu Beginn feststellt, indem er die Belege f ü r die Berufung und Ankündigung der Tagesordnung dem N o t a r zwecks Beifügung zu seinen Akten übergibt und diesen auffordert, seinerseits die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung zu prüfen und zu bestätigen. Ohne solche Aufforderung ist der N o t a r nicht dazu und im allgemeinen auch nicht verpflichtet, von Amts wegen Bedenken gegen die Einberufung geltend zu machen, die ihm etwa von selbst gekommen sind. K a n n festgestellt werden, daß alle Aktionäre, auch die etwa nicht stimmberechtigten, anwesend sind, so erübrigt sich die P r ü f u n g der Einberufung; doch muß alsdann geprüft werden, ob Vorstand und Aufsichtsrat von der H a u p t v e r sammlung Kenntnis haben (§118 II). Nichtige Beschlüsse, deren Nichtigkeit offensichtlich ist, insbesondere auf Einberufungsfehler nach § 121 I I und I I I beruhen, darf der Vorsitzende gar nicht erst fassen lassen, doch sind sie vom N o t a r zu beurkunden, wenn sie gefaßt werden, da sie ja — wenigstens in gewissen Fällen — nach § 242 I I wirksam werden können. Die Regel, d a ß der N o t a r es ablehnen müsse, nichtige Rechtsgeschäfte zu beurkunden, gilt nach Aktiengesetz nicht, indessen wird man zweifeln können, ob er im Falle eines Einberufungsfehlers nach § 121, wenn er ihn kennt, nicht auch ohne befragt zu sein, die Hauptversammlung doch darauf hinweisen muß. Fehler nach § 121 I I wird der N o t a r nicht leicht von selbst erkennen, weil er die Satzung nicht zu kennen braucht. Auf Befragen anderer als des Vorsitzenden braucht der N o t a r nicht einzugehen. Vorstehendes gilt audi f ü r anfechtbare Beschlüsse, es sei denn, daß alle Aktionäre mit der Beschlußfassung einverstanden sind und daß die Anfechtung durch einen abwesenden Aktionär nicht denkbar ist (ebenso, anscheinend etwas weniger weitgehend, Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 103 Anm. 17). Der Vorsitzende schließt sodann das Teilnehmerverzeichnis ab, indem er es nach § 129 unterzeichnet, womit er die Verantwortung f ü r seine Richtigkeit übernimmt, während er die Aufstellung Hilfskräften oder auch dem N o t a r (was nicht üblich ist) überlassen kann. Anm. 14: Das Teilnehmerverzeichnis muß nach § 129 vor der ersten Beschlußfassung ausgelegt werden. Regelmäßig wird auch mit der Verhandlung nicht früher begonnen, doch ist es nicht unzulässig, alle Abstimmungen bis zur Fertigstellung des Verzeichnisses, das bei großen Gesellschaften mit zer631
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Anm. 14—16
Verfassung der Aktiengesellschaft
splittertem Aktienbesitz oft große Mühe macht, zurückzustellen und inzwischen über die Gegenstände der Tagesordnung zu verhandeln. Ist ein Aktien- oder Teilnahmerecht bestritten, so kann der Vorsitzende den Streit nicht selbst entscheiden, muß die Entscheidung vielmehr der Versammlung überlassen (s. Anm. 8 zu § 123). In dem Teilnehmerverzeichnis, welches vor dieser Beschlußfassung fertigzustellen und auszulegen ist, ist der Teilnehmer, dessen Recht fraglich ist, aufzuführen und ein entsprechender Vermerk zu machen, aus dem ersichtlich ist, daß ein Streit über das Teilnahmerecht bestand. Ob der Teilnehmer zur Beschlußfassung darüber zugelassen wurde und welches Ergebnis die Beschlußfassung gehabt hat, kann gleichfalls vermerkt werden, geht aber auch aus der notariellen Niederschrift hervor. Anm. 15: Wenn die Satzung es anordnet oder ausnahmsweise ein Bedürfnis danach besteht, ernennt der Vorsitzende zu Beginn der Versammlung oder später vor der Abstimmung einen oder mehrere Stimmzähler oder läßt sie durch die Hauptversammlung wählen. Da nach § 130 II der Vorsitzende das Ergebnis der Beschlußfassung unter eigener Verantwortung festzustellen hat, ist es auch seine Sache, die Stimmen zu zählen. Die Stimmzähler sind nur seine Helfer, deshalb bestimmt er sie oder die Art und Weise ihrer Ernennung, wenn nicht etwa die Satzung Vorschriften darüber aufstellt, ihre Zählung bindet ihn nicht. 3. Erledigung der Tagesordnung Anm. 16: Auf diese vorbereitenden Handlungen folgt die Erledigung der Tagesordnung. Der Vorsitzende hat die Aufgabe, die ordnungsmäßige Abwicklung der angekündigten Tagesordnung durch Erörterung und Klärung der Willensmeinung der Versammlung und entsprechende Beschlußfassung herbeizuführen. Dieser Aufgabe entsprechend hat er alle Befugnisse, deren er bedarf, um die Versammlung so zu leiten, daß dieses Ziel erreicht werde. Bei ihrer Ausübung ist er gegenüber Verwaltung und Versammlung, Mehrheit und Minderheit zu völliger Unparteilichkeit verpflichtet (die ihm praktisch regelmäßig dadurch erschwert ist, daß er als Vorsitzender des Aufsichtsrats den Verwaltungsorganen angehört und ihnen und der Mehrheit nahesteht). Er darf sich zwar selbst an der Erörterung beteiligen und durch seine Darlegungen auf eine bestimmte Beschlußfassung hinwirken, letzteres jedoch nur, bei der der Abstimmung vorangehenden Beratung; daher darf er durch die Art, wie er sein Amt führt, weder vorsätzlich noch fahrlässig oder auch nur objektiv die Abstimmung und ihre Ergebnisse beeinflussen. Schwierig ist die grundsätzliche Fixierung der Stellung des Vorsitzenden gegenüber der Versammlungsmehrheit. Es ist außer Zweifel, daß der Vorsitzende die Minderheit gegenüber Vergewaltigungen durch die Mehrheit zu schützen hat (RG in LZ 1920, 764), er ist also wohl im allgemeinen von dem Willen der Mehrheit abhängig (von der er aber nur, wenn sie ihn gewählt 632
Rechte der
Hauptversammlung
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Anm. 16
hat, abgesetzt werden kann, siehe oben) — ohne diesen immer feststellen zu müssen, wenn kein Aktionär darauf anträgt und nur, wenn die Beschlüsse der Minderheit keinen Rechts- oder Machtmißbrauch darstellen und, wenn sie eine ordnungsmäßige dem Gesetz und der Satzung und Treu und Glauben entsprechende Erledigung des Verhandlungsstoffes nicht unmöglich machen. Ist der Vorsitzende der Meinung, daß sie letztere beeinträchtigen oder verhindern, so kann er sie unbeachtet lassen. Er wird also immer nur einem Mehrheitsbeschluß unterworfen sein, der den sachlichen Willen der Versammlung in höherem Maße zu klären möglich ist. Der Vorsitzende ist berechtigt, über geschäftsordnungsmäßige Anträge aus eigener Machtvollkommenheit zu entscheiden und nur dann verpflichtet, einem Appell an die Versammlung stattzugeben, wenn seine Entscheidung gleichmäßig alle Versammlungsteilnehmer betrifft. Im einzelnen ist zu sagen: der Vorsitzende kann gegen störende oder unbotmäßige Aktionäre einschreiten ( R G L Z 1920, 763), auch wenn sie die Mehrheit besitzen, ihnen das Wort entziehen und sie notfalls aus der Versammlung ausschließen und aus dem Versammlungsraum verweisen ( B G H in Die Aktiengesellschaft 66, 28; Kuhn in W M 66, 55). Audi wenn ein Aktionär nicht zur Sache spricht und trotz Ermahnung nicht von seinen Abschweifungen und der Erörterung genügend behandelter Punkte abläßt, kann ihm das Wort entzogen werden, denn ohne Recht handelt, wer sein Teilnahmerecht mißbraucht. Der Ausschluß von der Versammlung braucht nicht zu körperlicher Entfernung zu führen und bedeutet auch ohne diese, daß der unbotmäßige Aktionär für diese Versammlung seines Teilnahme- (daher Anwesenheits-, Rede-, Antrags-, Frage- und Stimm-)Rechts verlustig geht. Der Vorsitzende bedarf zur Wortentziehung und zum Ausschluß nach heute herrschender Ansicht nicht der Zustimmung der Versammlung (vgl. J W 31, 2961). Sie sind indessen äußerste Mittel, zu denen nur gegriffen werden darf, wenn ohne sie die ordnungsmäßige Erledigung der Tagesordnung nicht erreichbar ist. Ist danach ein Ausschluß berechtigt, so bedeutet er nicht, daß der Betreffende zur Hauptversammlung im Sinne des § 245 Nr. 2 nicht zugelassen worden wäre, der Ausgeschlossene kann aber keinen Widerspruch zur Niederschrift mehr erklären. Der unberechtigt Ausgeschlossene braucht auch keinen Widerspruch zur Niederschrift mehr zu erklären, da er wie ein unberechtigt Nichzugelassener zur Hauptversammlung im Sinne des § 245 Nr. 2 zu behandeln ist. Unberechtigte Wortentziehung und unberechtigter Ausschluß begründen regelmäßig Anfechtbarkeit des Beschlusses, auch wenn die Mehrheit dahintersteht, aber nicht schlechthin, sondern ausnahmsweise dann nicht, wenn die Möglichkeit ausscheidet, daß das Abstimmungsergebnis davon beeinflußt wurde ( J W a. a. O.). Wenn nur das Wort entzogen ist, ebenso ein dritter Aktionär, der wegen unberechtigter Wortentziehung oder Ausschlusses eines anderen den Beschluß anfechten will, muß dagegen Widerspruch zur Niederschrift erklären. Der
633
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Anm. 16—18 Ausgeschlossene, der nicht mehr dazu in der Lage ist, nicht (§ 245 N r . 2). Die Niederschrift braucht Wortentziehung oder Ausschluß nicht zu vermerken, wird aber letzteren vorsorglich immer, erstere, wenn Widerspruch gegen einen Beschluß erklärt wird, festhalten. Über den Ausschluß der Öffentlichkeit, insbesondere der Presse, zu befinden, ist Sache der Hauptversammlung. Der Ausschluß einzelner Dritter, die kein Teilnahmerecht haben, ist Sache des Vorsitzenden, solange kein Aktionär ihrer Anwesenheit widerspricht. Anm. 17: Es ist in letzter Zeit wegen Verwendens von Tonbändern zu Auseinandersetzungen gekommen. Kein Aktionär braucht sich Aufnahmen seiner Rede gefallen zu lassen ( B G H 27, 284). Die Hauptversammlung kann daher über die Benutzung von Tonbändern nicht durch Mehrheitsbeschluß entscheiden, sondern nur durch Einstimmigkeit (Baumbach-Hueck § 103 Anm. 5; Schmidt-Meyer-Landrut § 103 Anm. 16; Klag in das Wertpapier 1960, N r . 3). Der Vorsitzende ist verpflichtet, Teilnehmer von der Hauptversammlung auszuschließen, die ein Tonbandgerät mithaben und sich — sofern die Benutzung nicht einstimmig gestattet wird — weigern, das Gerät herauszugeben. Anm. 18: Der Vorsitzende hat d a f ü r zu sorgen, daß jeder Beschlußfassung die Möglichkeit ausreichender Erörterung vorausgeht. Es ist aber zulässig, d a ß die Hauptversammlung, nicht der Vorsitzende, die Redezeit f ü r den einzelnen Aktionär, aber f ü r jeden gleichmäßig beschränkt, jedoch darf das sich aus dem Teilnehmerrecht ergebende Rederecht nicht über Gebühr eingeschränkt werden (der Mißbrauch des Rederechts durch einen einzelnen Aktionär ist kein Grund, die Redezeit allgemein zu beschränken, weil gegen ihn durch Festsetzung einer Redezeit gegen diesen Aktionär oder Wortentziehung eingeschritten werden kann). Das Rederecht ist, wie das Teilnahmerecht, ein allgemeines Mitgliedschaftsrecht, gehört also zum Inhalt des Aktienrechtes. Es liegt also nicht so, daß ein bloßer Hauptversammlungsbeschluß, eine Geschäftsordnung, die sich die Hauptversammlung gibt, es schmälern könnte, es kann sich also immer nur um die Festlegung der Grenze handeln, die Treu und Glauben entspricht (§ 242 BGB). Der Vorsitzende hat daher einen Antrag auf Schluß der Debatte, auch wenn er weiß, daß die Mehrheit f ü r den Antrag ist, abzulehnen, wenn nach seiner Ansicht der Punkt der Tagesordnung noch nicht genügend erörtert ist und sich noch Redner zu Wort gemeldet haben. Es entscheidet das pflichtmäßige und unparteiliche Ermessen des Vorsitzenden darüber, ob er einen Antrag zur Geschäftsordnung zulassen und einem Aktionär das Wort dazu erteilen will (s. oben). Die Art der Verhandlung und die Reihenfolge der Redner zu bestimmen, ist Sache des Vorsitzenden. Die Reihenfolge der Verhandlungspunkte hat der Vorsitzende nach dem Gesichtspunkt der Sachdienlichkeit (Ritter Anm. 5 b: Treu 634
Rechte der Hauptversammlung
§119
Anm. 18—22 und Glauben, was hier wohl dasselbe ist) zu bestimmen und darf daher, wenn es unter diesem Gesichtspunkt richtig erscheint, aber nicht grundlos und willkürlich von der Reihenfolge der angekündigten Tagesordnung abweichen (Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 103 Anm. 21). Die Anfechtung eines Beschlusses wird sich mit Abweichung von der angekündigten Tagesordnung kaum begründen lassen, weil der Beschluß wohl nie darauf beruhen wird (KG in N J W 57, 1680). Natürlich können nur Anträge zu den angekündigten Beschlüssen vom Vorsitzenden zugelassen werden, es sei denn, daß die Versammlung einstimmig einen nicht angekündigten Beschluß zu fassen verlangt (Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 103 Anm. 22). Ober die Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung hat nur die Mehrheit zu beschließen, der Vorsitzende ist nach allgemeiner Ansicht nicht dazu berechtigt. Anm. 19: Wiederholte Beschlußfassung über denselben P u n k t der Tagesordnung ist zulässig, auch wenn sich inzwischen Aktionäre entfernt haben, da kein Beschluß vor Abschluß der Niederschrift rechtswirksam und unwiderruflich ist, satzungsändernde Beschlüsse nicht einmal vor ihrer Eintragung ins Handelsregister. Zur Aufhebung eines Beschlusses genügt, auch wenn er satzungsändernd war, aus letzterem Grund auch die einfache Mehrheit. Die wiederholte Beschlußfassung ist durch die angekündigte Tagesordnung gedeckt (bestritten; wie hier Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 103 Anm. 21 und § 108 Anm. 7). Anm. 20: Zu einer Unterbrechung der Hauptversammlung bedarf der Vorsitzende, wenn er sie f ü r zweckdienlich hält, sei es auch nur, um einen vorübergehend an der Teilnahme verhinderten Aktionär, dessen Stimme f ü r das Abstimmungsergebnis erheblich ist, die Teilnahme an der Abstimmung zu ermöglichen, nicht der Zustimmung der Versammlung, doch kann auch diese — f ü r den Vorsitzenden bindend — eine Unterbrechung beschließen. Einen diesbezüglichen Antrag wird der Vorsitzende regelmäßig zuzulassen haben. Anm. 21: In Fällen, in denen der Vorsitzende eine Abstimmung zu Fragen der Verhandlungsleitung vornehmen läßt, über die er auch selbst entscheiden könnte, um die Ansicht der Versammlung zu ermitteln, kann er auch nach Köpfen abstimmen lassen. Das Ergebnis der Abstimmung hat der Vorsitzende festzustellen und die Beschlüsse zu verkünden. 4.
Beendigung
Anm. 22: Nach Erledigung der Tagesordnung hat der Vorsitzende die Versammlung zu schließen. Zur vorzeitigen Schließung der Versammlung vor Erledigung der Tagesordnung ist der Vorsitzende nicht befugt, jedoch 635
§§ 119/120
Anin. 22,23
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beendigt auch sie die Hauptversammlung, weil jeder Aktionär sich darauf muß verlassen können, daß nun keine Beschlüsse mehr gefaßt werden. Indessen können die Teilnehmer einstimmig oder im Falle offenbar willkürlicher Schließung mit Mehrheit die Fortsetzung beschließen (herrschende Ansicht; KG in OLG 40, 200 und 202). Die offenbar willkürliche vorzeitige Schließung der Versammlung gegen den offensichtlichen Willen der Mehrheit kommt einer Amtsniederlegung des Vorsitzenden gleich (herrschende Ansicht; KG a. a. O.). Die Selbstvertagung kann die Versammlung mit Mehrheit beschließen, in dem Sinn, daß darin der Beschluß einer vorzeitigen Schließung der Versammlung liegt. Die neue Versammlung kann nicht etwa von der Mehrheit anberaumt, sondern muß ordnungsmäßig neu berufen werden. Uber Anträge und Auskünfte siehe § 131. Anfragen sind nicht vom Vorsitzenden, sondern vom Vorstand zu beantworten. 5. Satzungsbestimmungen Anm. 23: Die Satzung kann von Vorstehendem Abweichendes bestimmen. Derartige Bestimmungen sind maßgebend, soweit sie nicht gegen Grundsätze des Aktienrechts oder die guten Sitten verstoßen. Ungültig ist z. B. eine Bestimmung, die das Rederecht an einen Mindestbesitz von Aktien bindet, weil gleichmäßig jede Aktie das Teilnahme- und somit Rederecht gewährt oder die Redezeit vernünftig kurz nach nur wenigen Minuten bemißt. Insbesondere aber kann die Satzung hinsichtlich der Person, der Befugnis und des Entscheidungsrechts des Vorsitzenden Bestimmungen treffen. Weicht der Vorsitzende, wenn auch ohne Verschulden, von den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen und unparteilichen Leitung ab, so sind die gefaßten Beschlüsse anfechtbar, wenn sie darauf beruhen. § 120 Entlastung (1) Die Hauptversammlung beschließt alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahrs über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats. Über die Entlastung eines einzelnen Mitglieds ist gesondert abzustimmen, wenn die Hauptversammlung es beschließt oder eine Minderheit es verlangt, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen. (2) Durch die Entlastung billigt die Hauptversammlung die Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Die Entlastung enthält keinen Verzicht auf Ersatzansprüche. (3) Die Verhandlung über die Entlastung soll mit der Verhandlung über die Verwendung des Bilanzgewinns verbunden werden. Der Vorstand 636
Entlastung
§120
Anm. 1,2
hat den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Bericht des Aufsichtsrats der Hauptversammlung vorzulegen. Für die Auslegung dieser Vorlagen und für die Erteilung von Abschriften gilt § 175 Abs. 2 sinngemäß. I. Übersicht (Anm. 1) II. Bedeutung (Anm. 2) III. Durchführung (Anm. 3) IV. Die zu Entlastenden (Anm. 4)
V. Verweigerung und ihre Folgen (Anm. 5) VI. Zeitpunkt (Anm. 6) VII. Erforderliche Vorlagen (Anm. 7)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift hält an dem alljährlichen Entlastungsbeschluß (bisher § 104 AktG 37) fest, ändert die Bestimmungen jedoch in einigen Punkten. Die Frist, innerhalb welcher der Beschluß zu fassen ist, ist auf 8 Monate verlängert worden, die Satzung kann jedoch nicht mehr eine längere Frist bestimmen, s. Anm. 3. Über die Entlastung einzelner Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates kann unter bestimmten Voraussetzungen gesondert abgestimmt werden (s. Anm. 4). Abs. 2 legt die rechtliche Bedeutung der Entlastung fest (s. Anm. 2). Während § 119 die Zuständigkeit der Hauptversammlung grundsätzlich regelt, behandeln die §§ 120—147 und 174 die wichtigsten Aufgaben der alljährlich stattfindenden ordentlichen Hauptversammlung, nämlich Entgegennahme des Berichts des Aufsichtsrats nach § 171 und des Jahresabschlusses, die Beschlußfassung über die Entlastung des Vorstandes und Aufsichtsrats (§ 120) und über die Gewinnverwendung (§ 174). Beide Beschlüsse müssen alljährlich in den ersten 8 Monaten des Geschäftsjahres gefaßt werden. Die Satzung kann die Frist nicht mehr verlängern. Die Verhandlung über die Entlastung und die Gewinnverwendung sollen in der Regel miteinander verbunden werden. Der Jahresabschluß, der Geschäftsbericht sowie der Bericht des Aufsichtsrats sind bereits von der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung an (§ 175 III) in den Geschäftsräumen auszulegen. Nach dem apodiktischen Gesetzeswortlaut hat die Versammlung über die Entlastung auch stattzufinden, wenn Vorstand und Aufsichtsrat keinen Wert darauf legen, Entlastung nachzusuchen. Gewöhnlich erledigt die ordentliche alljährliche Hauptversammlung die erforderlichen Aufsichtsratswahlen und die Wahl des Abschlußprüfers, überhaupt ist ihre Tagesordnung nicht beschränkt. II. Bedeutung Anm. 2: Nach bisherigem Recht bestand ein Meinungsstreit über das Wesen der Entlastung (vgl. im einzelnen Vorauflage § 104 Anm. II 4). Das Gesetz beseitigt diese Rechtsunsicherheit und stellt in Abs. 2 die Bedeutung der Entlastung klar. Danach ist sie die Billigung der Verwaltung der Gesellschaft 637
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Anm. 2—4 durch die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Hierunter ist die Billigung der Arbeit der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen der Geschäftsführung und der Vertretung zu sehen sowie der Ausdruck des Vertrauens für diese Personen auch für die Zukunft. Gemäß ausdrücklicher Bestimmung in Abs. 2 S. 2 ist ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche in der Entlastung nicht enthalten. Eine weitere Bedeutung, wie z. B. eine Änderung der Beweislast bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 93 oder die Zustimmung zu einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen kann der Entlastung nicht beigemessen werden. Die Erläuterung der Bedeutung in Abs. 2 ist erschöpfend. Damit hat der Gesetzgeber die bereits von der Rechtsprechung entwickelte rechtliche Bedeutung der Entlastung übernommen (RG 167, 166; B G H 29, 319). Die Rechtsprechung hatte den Grundsatz entwickelt (BGH 29, 390), daß eine von allen Aktionären erteilte Entlastung einen Verzicht darstellt. Dieser Gedanke ist im Hinblick auf Einmanngesellschaften und Gesellschaften mit wenigen Aktionären durchaus richtig. Aufgrund der ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes in Abs. 2 S. 2 ist diese Rechtsprechung jedoch überholt; danach kann die Entlastung niemals — auch nicht in Ausnahmefällen — einen Verzicht auf Ersatzansprüche enthalten. III. Durchführung Anm. 3: Die Entlastung der Verwaltung kann nur durch Beschluß der Hauptversammlung erteilt werden. Eine Übertragung der Zuständigkeit an andere Organe der Gesellschaft ist unzulässig. Eine entsprechende Satzungsbestimmung wäre nichtig (RG 119, 229). Der Beschluß soll — muß aber nicht — in der ordentlichen Hauptversammlung gefaßt werden. Aus Abs. 1 S. 1 ergibt sich, daß die Hauptversammlung innerhalb von 8 Monaten nach Schluß des Geschäftsjahres stattfinden muß (s. auch Anm. 7). Die Satzung kann nichts anderes bestimmen. IV. Die zu Entlastenden Anm. 4: Die Entlastung wird dem Vorstand und dem Aufsichtsrat als solchen erteilt, jedoch kann auch jedem einzelnen Mitglied Entlastung erteilt werden, so jedenfalls, wenn einzelne zur Verantwortung gezogen werden sollen, andere nicht. Wenn auch üblicherweise die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats jeweils insgesamt entlastet werden, so betrifft die Entlastung doch nicht das Verhältnis der Gesellschaft zu den Gremien, sondern zu deren einzelnen Mitgliedern. Die gesonderte Abstimmung über einzelne Mitglieder ist zulässig, jedoch nur erzwingbar durch entweder einen Beschluß der Hauptversammlung oder durch das Verlangen einer Minderheit, deren Anteile zusammen 10 °/o des Grundkapitals (bei kleineren Gesellschaften) 638
Entlastung
§120 Anm. 4—6
oder den Nennbetrag von 2 Millionen Deutsche Mark (bei größeren Gesellschaften) erreichen. Bei großen Gesellschaften mit einem Grundkapital von z.B. 500 oder 800 Millionen DM wäre das Erfordernis von 1 0 % zu hoch, weswegen eine Minderheit, deren Anteile zusammen einen Nennbetrag von 2 Millionen DM erreichen, immer ausreichend ist. Fraglich ist, ob die Einzelabstimmung vom Vorsitzenden der Hauptversammlung angeordnet werden kann. Unseres Erachtens kann dann die Einzelabstimmung nur erfolgen, wenn kein stimmberechtigter Teilnehmer der Anordnung widerspricht. Erfolgt jedoch ein Widerspruch, so ist ein Beschluß der Hauptversammlung herbeizuführen. Da es sich bei diesem Beschluß nicht um ein „Verlangen" handelt, ist die Zustimmung einer Minderheit nach Abs. 1 nicht ausreichend. Diese müßte das Verlangen gesondert erheben. Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates haben keinen Anspruch auf Entlastung, da es im Belieben der Hauptversammlung steht, ob sie die Verwaltung billigt oder nicht. Es kann daher nicht auf Erteilung der Entlastung geklagt werden. V. Verweigerung und ihre Folgen Anm. Verweigert die Hauptversammlung die Entlastung, so lehnt sie damit die Billigung der Verwaltung ab. Betrifft dies den Aufsichtsrat, so wird die Hauptversammlung meist diesen abberufen, wofür allerdings gemäß § 103 I S. 2 eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. Wird nicht abberufen, so kann der Aufsichtsrat sein Amt niederlegen, da in der Verweigerung der Entlastung ein Mißtrauensvotum zu sehen ist. Wird dem Vorstand die Entlastung verweigert, so kann darin für den Aufsichtsrat die Verpflichtung liegen, die Bestellung zu widerrufen (§ 84 III). Er muß jedoch prüfen, inwieweit in der Verweigerung der Entlastung ein Vertrauensentzug der Hauptversammlung zu sehen ist (was in der Regel wohl angenommen werden muß) und ob der Beschluß nicht aus offenbar unsachlichen Gründen gefaßt worden ist. Wird die Bestellung nicht widerrufen, so hat das Vorstandsmitglied aus denselben Gründen, wie es oben für den Aufsichtsrat ausgeführt worden ist, das Recht, fristlos zu kündigen. VI. Zeitpunkt Anm. 6: Mit der Verhandlung über die Entlastung soll die über die Gewinnverwendung verbunden werden, nach Möglichkeit auch die Beschlußfassung über beides. Da dies nicht in der Hand des Vorstandes liegt, konnte sie vom Gesetz nicht besonders erwähnt werden. Gleichzeitige Verhandlung ist durch § 175 I und III bezüglich des Jahresabschlusses vorgeschrieben, wenn er von der Hauptversammlung festgestellt wird. „Gleichzeitig" bedeutet Verhandlung und Beschlußfassung durch dieselbe Hauptversammlung, 639
§§120/121 A n m . 6, 7
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
aber zu getrennten Punkten der Tagesordnung. Indessen macht nach allgemeiner Meinung ein Verstoß gegen die Vorschrift den Beschluß nicht anfechtbar. Die Fristen, innerhalb deren die Hauptversammlung alljährlich über die Gewinnverwendung zu beschließen hat, sind dieselben wie hier, so daß schon deshalb eine Verbindung zweckmäßig ist. VII. Erforderliche Vorlagen Anm. 7: Unabhängig davon, ob über die Entlastung in einer vor der ordentlichen Hauptversammlung (§ 175) stattfindenden Hauptversammlung Beschluß zu fassen ist, hat der Vorstand den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den nach § 171 zu erstattenden Bericht des Aufsichtsrates der Hauptversammlung vorzulegen, da die Rechnungslegung der Verwaltung für die Entlastung wesentlich ist. Es handelt sich um eine zwingende Vorschrift. Entgegenstehende Satzungsbestimmungen sind nichtig. Gemäß § 175 II sind der Jahresabschluß und die Berichte von der Einberufung der Hauptversammlung an im Geschäftsraum der Gesellschaft auszulegen. Jedem Aktionär ist auf Verlangen unverzüglich eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen. Kommt der Vorstand seiner Verpflichtung nicht nach, so kann er durch Ordnungsstrafe gemäß § 407 I vom Registerrichter angehalten werden. Antragsberechtigt ist der Aufsichtsrat, aber auch jeder Aktionär (vgl. K G J 30 A 125).
Zweiter Unterabschnitt Einberufung der H a u p t v e r s a m m l u n g § 121 Allgemeines (1) Die Hauptversammlung ist in den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen sowie dann einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. (2) Die Hauptversammlung wird durch den Vorstand einberufen, der darüber mit einfacher Mehrheit beschließt. Personen, die in das Handelsregister als Vorstand eingetragen sind, gelten als befugt. Das auf Gesetz oder Satzung beruhende Recht anderer Personen, die Hauptversammlung einzuberufen, bleibt unberührt. (3) Die Einberufung ist in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Sie muß die Firma, den Sitz der Gesellschaft, Zeit und Ort der Hauptversammlung und die Bedingungen angeben, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen. 640
Allgemeines
§121
Anm. 1
(4) Wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, soll die Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft stattfinden. Sind die Aktien der Gesellschaft an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen, so kann, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, die Hauptversammlung auch am Sitz der Börse stattfinden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Gründe zur Einberufung (Anm. 2 u. 3) III. Einberufer (Anm. 4 bis 6) IV. Absage (Anm. 7)
V. Bekanntmachung (Anm. 8) VI. O r t (Anm. 9 bis 12) VII. Vollversammlung (Anm. 13) VIII. Doppelte Einberufung (Anm. 14)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 106 I AktG 37 und des § 105 AktG 37 und hat sie in einigen Punkten geändert. Die Hauptversammlung ist nunmehr auch dann einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert (s. Anm. 3); die Beschlußfassung hinsichtlich der Einberufung innerhalb des Vorstandes ist besonders normiert (s. Anm. 4). Die Angaben, die in der Einberufung enthalten sein müssen, sind erweitert worden (s. Anm. 8). § 121 befaßt sich in Abs. 1 mit der Frage, wann, und in Abs. 2 von wem und in den Abs. 3 und 4 wie die Hauptversammlung einzuberufen ist. Die Hauptregel des Abs. 1 verweist freilich nur auf andere Gesetzes- und Satzungsbestimmungen, aus denen sich in Verbindung mit den Angelegenheiten der Gesellschaft (Jahresabschluß, Gewinnverwendung, Entlastung, Satzungsänderung, Kapitalerhöhung oder -herabsetzung usw.) die Notwendigkeit der Einberufung ergibt. Die Rechtswirksamkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse setzt voraus, daß die Hauptversammlung durch eine dafür zuständige Person (Abs. 2) form- und fristgerecht einberufen war. Es gelten in erster Linie die gesetzlichen Bestimmungen. Die Satzung kann sie ergänzen. Dies wird hinsichtlich der Befugnis zur Einberufung in Abs. 2 S. 2 ausdrücklich gesagt, gilt aber auch für andere Erfordernisse der Einberufung, z. B. Fristen, Ort, Auswahl der Blätter, Wiederholung der Einladung usw. Nach dem Gesetz muß die Einberufung durch Veröffentlichung in allen Gesellschaftsblättern erfolgen (Abs. 3) und die in Abs. 3 bestimmten Angaben enthalten. Über weitere Bestimmungen vgl. § 123 (Einberufungsfrist), 124 (Ankündigung der Tagesordnung), § 125 (Einzelmitteilungen). Eine Verletzung des § 121 II und I I I hat gemäß § 241 Nr. 1 die Nichtigkeit der gefaßten Beschlüsse zur Folge, während die der übrigen Bestimmungen, insbesondere der nur satzungsmäßigen, nur die Anfechtbarkeit nach § 243 begründet. Aber die Verletzung zwingender Bestimmungen führt nur zum Teil (§§ 130, 241 Nr. 2) Nichtigkeit, im übrigen nur Anfechtbarkeit der Beschlüsse herbei (§§ 241 Nr. 1, 243, 245 Nr. 1), letzteres auch, wenn es sich um 641 41
Wilhelmi, Aktiengesetz
§ 121
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 1—4 eine Vollversammlung (Universalversammlung) aller auch nicht (aber teilnahme-)berechtigten Aktionäre handelt (§241 I N r . 1).
stimm-
II. Gründe zur Einberufung Anm. 2: Die Hauptversammlung ist in den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen einzuberufen. Nach der amtlichen Begründung soll mit der Verwendung des Wortes „oder" eine Änderung zum bisherigen Recht eingetreten sein. Dies trifft jedoch nicht zu, da auch nach dem alten Gesetz nicht Gesetz „und" Satzung dies bestimmen mußten, sondern auch lediglich die Bestimmung in einer von beiden die Einberufung erforderlich machten. Eine Änderung ist demnach insoweit nicht eingetreten, allenfalls eine Klarstellung. Die Fälle, in denen das Gesetz die Einberufung einer Hauptversammlung vorschreibt, sind bei § 119 bereits aufgeführt (vgl. dort Anm. 2 und 3). Die Satzung kann weitere Fälle bestimmen, hierbei ist jedoch die strenge Aufteilung der Zuständigkeiten der einzelnen Organe (Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung) zu beachten. So wird eine Satzungsbestimmung, wonach die Hauptversammlung vor wichtigen Maßnahmen der Geschäftsführung gehört werden muß, als nichtig angesehen (h. A. vgl. Schmidt-Meyer-Landrut § 106 Anm. 3). Anm. 3: Daneben muß die Hauptversammlung einberufen werden, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert. Die Frage, wann dieses Erfordernis gegeben ist, wird vom einzelnen Fall abhängen. Hierunter ist jedenfalls nicht zu verstehen, daß der Vorstand vor allen großen oder riskanten Geschäften die Stellungnahme der Hauptversammlung einzuholen hätte. Natürlich kann er dies tun und es wird auch mit Rücksicht auf § 93 IV ratsam sein, aber verpflichtet werden kann er hierzu nicht. Hierunter fällt sicherlich § 92, der allerdings selbst schon die Verpflichtung zur Einberufung der Hauptversammlung vorschreibt. Allgemein muß gesagt werden, daß, wenn der Vorstand bei pflichtgemäßem Ermessen der Ansicht ist, im Interesse der Gesellschaft sei eine Information der Hauptversammlung oder ein Beschluß derselben erforderlich, die Voraussetzungen des § 121 I zweiter Halbsatz vorliegen. III. Einberufer Anm. 4: Die Hauptversammlung wird durch den Vorstand einberufen. Es ist zwischen zwei Maßnahmen der Geschäftsführung zu unterscheiden: a) die Beschlußfassung über die Einberufung und b) die Einberufung selbst. Wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, müßte gemäß § 77 beides vom Gesamtvorstand einstimmig erfolgen. Dadurch wäre die Möglichkeit ge642
Allgemeines
§121 Anm. 4—6
geben, daß die Einberufung einer Hauptversammlung bei dem Widerspruch nur eines Vorstandsmitgliedes unterbleiben müßte. Das Gesetz hat daher in Abs. 2 die Ausnahme zur Regel des § 77 festgelegt, daß nämlich der Beschluß des Vorstandes, die Hauptversammlung einzuberufen, nicht einstimmig gefaßt werden muß, sondern mit einfacher Mehrheit, dagegen ist die Einberufung selbst nach den Grundsätzen des § 77 durchzuführen, d. h. durch den Gesamtvorstand, so daß etwa überstimmte Vorstandsmitglieder verpflichtet sind, mitzuwirken, es sei denn, die Satzung hat für die Geschäftsführung anderes bestimmt. Anm. 5: Ist der Einberufer als Vorstand im Handelsregister zur Zeit der Einberufung eingetragen, so ist es gleichgültig, ob seine Bestellung etwa nicht ordnungsmäßig, und auch, ob er etwa rechtsgültig abberufen ist. Der Wortlaut „gelten" schließt auch Anfechtbarkeit aus. Es muß sogar angenommen werden, daß auch eine Aufklärung der Aktionäre durch den wahren Vorstand (in den Gesellschaftsblättern oder durch Einzelmitteilung) unerheblich ist, und die Gültigkeit der Beschlüsse einer nichtsdestoweniger zusammentretenden Versammlung nicht hindert. Vorausgesetzt wird aber, daß der nicht ordnungsgemäß bestellte (bzw. rechtswirksam abberufene) Einberufer noch im Handelsregister als Vorstand eingetragen ist; andernfalls gilt § 241 Nr. 1. Die Einberufung durch den ordnungsmäßig bestellten und nicht abberufenen Vorstand ist andererseits auch wirksam, wenn er nicht im Handelsregister eingetragen ist. Anm. 6: Das Recht des Vorstandes, die Hauptversammlung einzuberufen, besteht immer und kann durch Satzung nicht beschränkt werden. Dagegen kann die Satzung das Recht der Einberufung anderen Personen neben dem Vorstand gewähren, hier bestehen keine Grenzen. Es können der Aufsichtsrat ohne die Voraussetzung des § 111 III schlechthin, sein Vorsitzender, seine Mitglieder oder die Mitglieder des Vorstands, sogar Aktionäre für befugt erklärt werden, Prokuristen oder andere Angestellte der Gesellschaft und sogar Dritte, die weder Aktionäre noch Angestellte der Gesellschaft sind, erforderlich ist nur, daß die Aktionäre aus der Einladung ersehen können, ob die Einberufung von einer hierzu befugten Person ausgeht. Dies ist eine erhebliche Schwierigkeit, wenn nicht bestimmten Personen, sondern Inhaberaktionären (etwa unter der Voraussetzung eines Mindestbesitzes) das Einberufungsrecht eingeräumt wird. Auch nach dem Gesetz sind andere Personen oder Personengruppen in besonderen Fällen zur Einberufung berechtigt; so z. B. § 111 III. Danach hat der Aufsichtsrat eine Hauptversammlung zu berufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert; nicht der Konkursverwalter. Für den Abwickler wird man Abs. 2 S. 2 anwenden können (a. A. Schmidt-Meyer-Landrut § 105, Anm. 3 am Ende). Ferner kann eine Minderheit gemäß § 122 III vom Gericht zur Einberufung ermächtigt 643 41»
§121 Anm. 6—8
Verfassung der Aktiengesellschaft
werden. Zu beachten sind noch Sondergesetze — Hypothekenbankgesetz, Versicherungsaufsichtsgesetz usw. —, wonach die Aufsichtsbehörde zur Einberufung einer Hauptversammlung ermächtigt ist. Die Sonderbestimmung des Abs. 2 S. 2 ist aber nur auf den Vorstand und diesen gleichgestellten Personen (Abwickler) anwendbar, nicht auf sonstige Personen oder Gruppen, die zur Einberufung ermächtigt sind. Wurde demnach die Hauptversammlung von einem Aufsichtsrat einberufen, dessen Wahl nichtig (nicht bloß anfechtbar und angefochten) ist, so sind deren Beschlüsse nach allgemeiner Meinung nichtig. Es ist aber zu beachten, daß allgemein auch einem Pseudo-Aufsichtsrat die Pflichten eines wahren Aufsichtsrats zugesprochen werden, denen er unter Umständen nicht gerechnet werden kann, wenn ihm nicht auch seine Befugnisse eingeäumt werden, zumal die Berufung der Hauptversammlung sogar Pflicht sein kann (§111 III). Genehmigung der Einberufung eines Unbefugten durch einen Befugten heilt nicht (KG OLG 24,158). IV. Absage Anm. 7: Der Einberufer, nicht auch ein anderer Einberufungsberechtigter kann die Hauptversammlung auch wieder absagen (RG 166, 133). Dies muß nicht unter allen Umständen in der für die Einberufung gesetzlich oder satzungsmäßig vorgeschriebenen Form, doch eindeutig geschehen (RG a. a. O.). Die bloße Nichtteilnahme des Vorstandes bzw. des Einberufers ist keine Absage. Die erschienenen Aktionäre können vielmehr Beschlüsse fassen, sie können auch ihren Vorsitzenden selbst wählen, wenn der satzungsmäßige Vorsitzende ausbleibt. V. Bekanntmachung Anm. 8: Die Einberufung muß in allen Gesellschaftsblättern (vgl. zu § 25) veröffentlicht werden, stets also im Bundesanzeiger und den in der Satzung bezeichneten weiteren Gesellschaftsblättern. Einzelmitteilung durch eingeschriebenen Brief an jeden Aktionär ersetzt die öffentliche Bekanntmachung nicht, auch nicht, wenn die Satzung sie zusätzlich vorschreibt oder alternativ zuläßt (s. aber unten). Die Einberufung muß außer der Firma der Gesellschaft, den Sitz der Gesellschaft, Tag und Stunde der Versammlung sowie den Ort, also Stadt und Gebäude mit der üblichen Bezeichnung, an dem sie stattfinden soll, und schließlich die Bedingungen, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen, enthalten. Außerdem muß sie erkennen lassen, von wem sie ausgeht, wenn auch keine Namen angegeben zu werden brauchen, wenn der Vorstand oder Aufsichtsrat einberufen (h. A.; s. auch § 123, 124, 179 I I I ; 182 II S. 2, 183 I S. 2, 194 I S. 3, 202 II S. 3, 207 II; 222 II S. 2; 229 III). Über Unvoll644
Allgemeines
§ 121
Anm. 8—10
ständigkeit der Berufung s. §241. Zugleich mit der Einberufung muß die Tagesordnung angekündigt werden (§ 124).
VI. Ort Anm. 9: Die an sich selbstverständlichen Bestimmungen des Abs. 3 sind, wie die des Abs. 2 zwingend. Ihre Verletzung hat ebenso, wie die des Abs. 2 die Nichtigkeit aller gefaßten Beschlüsse zur Folge (§241 Nr. 1), dagegen zieht Fehlen der Tagesordnung in der Bekanntmachung der Einberufung nur Anfechtbarkeit nach sich. Trotz des Gesetzeswortlautes ist aber anzunehmen, daß kleine Ungenauigkeiten unschädlich sind, die nicht verhindert haben, daß unzweifelhaft war, zu welcher Gesellschaft die Hauptversammlung, zu welcher Zeit und an welchen Ort eingeladen wird. Der mitgeteilte Ort und die mitgeteilte Zeit sind innezuhalten, doch sind auch hier unerhebliche Abweichungen, z. B. Verlegung nach einem anderen Lokal, nadhdem die Versammlung bereits zusammengetreten ist, mit allgemeinem Einverständnis sowie kurze Verzögerungen unschädlich. Würde aber die Versammlung mit einer erheblichen Verspätung beginnen und ein Teil der Aktionäre sich schon entfernt haben, so könnten nur noch nichtige Beschlüsse gefaßt werden. Anm. 10: Die Hauptversammlung soll am Sitz der Gesellschaft (§ 23 II Nr. 1) stattfinden, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt. Letzterenfalls kommt § 121IV überhaupt nicht in Frage, auch nicht als Erweiterung der Satzungsbestimmung. Ist diese aber nicht ausdrücklich ausschließlich, so kann der Einberufende zwischen dem in der Satzung bestimmten und dem nach S. 2 dieses Absatzes zulässigen Ort wählen. Durch die Satzung kann jeder Ort innerhalb Deutschlands bestimmt werden, dagegen kein im Ausland befindlicher. Die Satzung kann es dem Einberufenden überlassen, den Ort der Versammlung zu bestimmen, denn darin würde nur die ausdrücklich für zulässig erklärte Ausschaltung der gesetzlichen Vorschrift liegen (ebenso Möh-Schwarz 114 und die von der Deutschen und von der Dresdner Bank zum Gesetz von 1937 entworfenen Mustersatzungen, wogegen die zum neuen Gesetz entworfene Mustersatzung der Dresdner Bank eine andere Meinung vertritt, ebenso wie Schl.-Qu., Anm. 11, Schmidt-Meyer-Landrut § 105, Anm. 10, Herbig D J 38, 235; nach diesen folgt aus dem angeblichen Zweck der Vorschrift, daß in ihrem Vorderhalbsatz statt „nichts anderes" zu lesen ist: „nicht einen anderen Ort"; jedoch soll zulässig sein, daß die Satzung „alle Orte" vorsieht, „an welchen eine Wertpapierbörse" besteht). Unzulässig ist, die Wahl zwischen mehreren Orten dem Aufsichtsrat zu überlassen. Diese hat vielmehr der Einberufer (Herbig a. a. O.; auch OLG München H R R 39, Nr. 1476, das aber für unzulässig hält, daß dem Einberufer die Wahl über645
§121 Anm. 10—13
Verfassung der Aktiengesellschaft
haupt überlassen wird, selbst wenn sie auf die Orte eines bestimmten Raumes beschränkt wird). Anm. 11: Der Einberufer hat ferner, wenn die Satzung schweigt und es nicht verbietet, die Wahl zwischen dem Ort des Sitzes der Gesellschaft bzw. dem durch die Satzung bestimmten Ort und jedem deutschen Börsenplatz, zu dessen amtlichem (nicht nur Frei-)Verkehr die Aktien zugelassen sind. Über die zulässige Zeit kann die Satzung Bestimmungen treffen. Das Gesetz schreibt nichts darüber vor, § 242 BGB gilt auch hier. Unübliche Zeit ermöglicht Anfechtung nach § 245 Nr. 1 und 2, dasselbe gilt vom Versammlungsraum. Anm. 12: Diese gesetzliche Vorschrift ist eine Ordnungsvorschrift, die nicht zwingend ist. Ihre Verletzung hat keine unmittelbaren Folgen. Die Beschlüsse einer Hauptversammlung, die an einem anderen Ort getagt hat, sind nicht anfechtbar (bestritten), es sei denn, daß eine Verhinderung der Ausübung des Stimmrechts und damit eine Verletzung des Grundsatzes des § 1 3 4 1 S. 1 im Einzelfall vorliegt. Von einem solchen Ausnahmefall abgesehen, muß, da selbst die Verletzung zwingender Vorschriften, wie z. B. über die Einberufungsfrist (§ 123), nach §§ 241, 243, 245 den Beschluß nur anfechtbar macht, angenommen werden, daß mit der auffälligen Abschwächung zur bloßen Sollvorschrift gewollt war, daß ihre Verletzung folgenlos sein soll. Dagegen begründet Verletzung einer Satzungsvorschrift die Anfechtbarkeit (§ 245 Nr. 2). VII. Vollversammlung Anm. 13: Im übrigen ist jedoch auch bei einer Vollversammlung die Form der Hauptversammlung zu wahren, also insbesondere die §§ 129, 130 (RG 19, 230) zu beachten. Der Notar muß sich davon überzeugen, daß sämtliche Aktionäre vertreten sind, dabei kann er sich auf die Richtigkeit des vom Vorsitzenden der Hauptversammlung zu unterzeichnenden Teilnehmerverzeichnisses verlassen. Er muß dies in der Niederschrift vermerken und angeben, in welcher Weise er sich diese Überzeugung verschafft hat (bestritten; teilweise a. A. Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 105, Anm. 13). Zu beachten ist, daß mit Rücksicht auf § 118 II den Mitgliedern des Vorstandes und Aufsichtsrats bei der Vollversammlung die Möglichkeit gegeben sein muß teilzunehmen, widrigenfalls der Vorstand die Beschlüsse anfechten kann (§ 245 Nr. 4). Einer formellen Einladung und Einhaltung der Frist nach § 123 oder Ankündigung der Tagesordnung nach § 124 bedarf es an sich allerdings hierzu nicht. Aber es kann nicht nur der Vorstand, sondern auch jeder erschienene Aktionär, wenn er dieserhalb Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, auch den Beschluß einer Vollversammlung mit der 646
E i n b e r u f u n g auf Verlangen einer Minderheit
§ § 121 / 1 2 2
Anm. 13,14
Begründung anfechten, daß sie nicht ordnungsmäßig, insbesondere nidit von einer zuständigen Person, einberufen oder daß den Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern nicht Gelegenheit gegeben worden sei teilzunehmen. D a s gilt nicht, wenn ausdrücklich auf die Einhaltung aller gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften für die Einberufung — wie dies allgemein üblich ist — verzichtet wurde, wozu Einstimmigkeit erforderlich ist. Eine Vollversammlung setzt auch die Teilnahme aller nicht stimmberechtigten Aktionäre voraus, weil auch diese teilnahmeberechtigt sind, also Anspruch auf ordnungsmäßige Einberufung haben. VIII. Doppelte Einberufung Anm. 14: Denkbar, wenn auch unseres Wissens noch nicht praktisch geworden, ist der Fall, daß zur Hauptversammlung für die (praktisch) gleiche Zeit (von verschiedenen Einberufungsberechtigten) nach verschiedenen Orten geladen wurde. In einem solchen Fall ist die später veröffentlichte Einberufung ungültig. Die Beschlüsse der gemäß der ersten Veröffentlichung zusammengetretenen Hauptversammlung sind gültig und unanfechtbar, andernfalls könnte das Einberufungsrecht zur Sabotage der Hauptversammlung mißbraucht werden. Die zweite Einberufung wird auch nicht durch Absage (s. Anm. 7) der ersten durch deren Einberufer gültig.
§ 122 Einberufung auf Verlangen einer Minderheit (1) Die H a u p t v e r s a m m l u n g ist einzuberufen, wenn Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals erreichen, die Einberufung schriftlich unter Angabe des Zwecks und der G r ü n d e verlangen; das Verlangen ist an den Vorstand zu richten. Die Satzung kann das Recht, die Einberufung der H a u p t v e r s a m m l u n g zu verlangen, an den Besitz eines geringeren Anteils am Grundkapital knüpfen. (2) In gleidier Weise können Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag v o n einer Million Deutsche M a r k erreichen, verlangen, daß Gegenstände zur Beschlußfassung einer H a u p t v e r s a m m l u n g bekanntgemacht werden. (3) Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Gericht die Aktionäre, die das Verlangen gestellt haben, ermächtigen, die H a u p t v e r sammlung einzuberufen oder den Gegenstand bekanntzumachen. Zugleich kann das Gericht den Vorsitzenden der Versammlung bestimmen. Auf die Ermächtigung muß bei der Einberufung oder Bekanntmachung hingewiesen werden. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. 647
§ 122
Anm. 1,2
Verfassung der Aktiengesellschaft
(4) Die Gesellschaft trägt die Kosten der Hauptversammlung und im Fall des Absatzes 3 auch die Gerichtskosten, wenn das Gericht dem Antrag stattgegeben hat. I. Übersicht (Anm. 1) II. Erforderliche Minderheit (Anm. 2) III. Antrag 1. auf Einberufung einer Hauptversammlung (Anm. 3) 2. auf Ergänzung der Tagesordnung (Anm. 4) IV. Erledigung des Antrags 1. durch den Vorstand (Anm. 5)
2. durch den Aufsichtsrat (Anm. 6) V. Gerichtliche Entscheidung 1. Antrag (Anm. 7) 2. Verfahren (Anm. 8) VI. Durchführung der gerichtlichen Entscheidung (Anm. 9) VII. Kosten (Anm. 10) VIII. Verstoß (Anm. 11)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 106 I I — V A k t G 3 7 (Abs. 1 ist bereits in § 121 I enthalten) mit einigen Ergänzungen und Änderungen: das Verlangen der Aktionäre ist an den Vorstand zu richten (s. Anm. 3); die Voraussetzungen zur Ausübung des Minderheitenrechts gemäß Abs. 2 sind insofern erweitert worden, als Aktionäre, deren Anteile zusammen einen Nennbetrag von 1 Million D M erreichen, das Recht nach Abs. 2 eingeräumt erhalten haben (s. Anm. 2); Abs. 3 hat die Rechtsmittelvorschrift des § 146 II F G G aufgenommen (s. Anm. 8); und schließlich ist neu bestimmt, daß die Gesellschaft die Kosten der Hauptversammlung und die Gerichtskosten zu tragen hat, falls dem Antrag stattgegeben wurde (s. Anm. 10). Während § 121 die allgemeinen Bestimmungen über die Einberufung einer Hauptversammlung regelt, befaßt sich § 122 mit der Möglichkeit, für eine Minderheit der Aktionäre die Einberufung zu erzwingen. Abs. 1 u. 3 regeln das Recht der Aktionäre, die Einberufung der Hauptversammlung zu verlangen. Sie sind insoweit zwingenden Rechts, als sie nicht erschwert werden können (vgl. unten Anm. 3). Sie gelten auch in der Abwicklung der Gesellschaft und sogar im Konkurs (Bayr. ObLG in J W 25, 628). Hauptanwendungsfälle des Abs. 1 sind Abberufung des Aufsichtsrats (§ 103) und der Abwickler (§ 265 I I I ) . Ein Mittel, Vorstand oder Aufsichtsrat zu zwingen, an einer nach Abs. 1 oder 3 oder überhaupt an einer — von ihnen oder nicht von ihnen (§ 121 I I ) — einberufenen Hauptversammlung teilzunehmen, gibt es nicht. Abs. 2 befaßt sich mit dem Recht, die Bekanntmachung von Gegenständen zur Beschlußfassung einer Hauptversammlung zu verlangen. II. Erforderliche Minderheit Anm. 2: Eine Minderheit von 5 °/o des Grundkapitals kann die Einberufung verlangen. Auch in diesem Fall ist die Hauptversammlung durch den Vor648
E i n b e r u f u n g auf V e r l a n g e n einer M i n d e r h e i t
§ 122
Anm. 2,3 stand gem. § 121 zu berufen. Dieses Aktionärsrecht ist unentziehbar. Es steht auch stimmrechtslosen Vorzugsaktien zu. Davon zu unterscheiden ist das Recht, die Hauptversammlung unmittelbar einzuberufen, das der Minderheit und selbst jedem einzelnen Aktionär nach der Satzung zustehen kann (vgl. Anm. 2 zu § 121). Das Minderheitsrecht nach § 122 besteht trotz einer derartigen Satzungsbestimmung, die ihm aber freilich viel von seiner Bedeutung nimmt. Die Antragsteller müssen sich als Aktionäre legitimieren. Bei Namensaktien ist maßgebend die Eintragung im Aktienbuch. Bei Inhaberaktien muß sich die Gesellschaft mit jedem Nachweis der Aktionäreigenschaft, z. B. dem Depotschein einer Bank oder der Bescheinigung eines Notars, begnügen, sie kann nicht Hinterlegung der Aktie oder Niederlegung bei der Gesellschaft verlangen (vgl. K G in D N Z 28, 234), weil darin eine unzulässige Erschwerung läge. Es ist stets nur die Inhaberschaft nachzuweisen, nicht das Eigentum (Hamburg O L G 41, 206). Es ist nicht erforderlich, daß Aktienurkunden ausgegeben sind, maßgebend ist der Nennbetrag und das Grundkapital, einschließlich der eigenen Aktien der Gesellschaft, nicht die H ö h e der Einzahlungen. III. Antrag 1. auf Einberufung einer Hauptversammlung Anm. 3: Wenn auch kein formulierter, der Hauptversammlung zu unterbreitender Antrag angegeben zu werden braucht, wie überhaupt die Einberufung nicht nur zur Beschlußfassung über einen Antrag verlangt werden kann, so muß doch der Zweck der Einberufung, also die Tagesordnung angegeben werden. Diese können weder Vorstand noch Gericht abändern. Eine Einberufung nach § 122 läge nicht vor, wenn die Hauptversammlung mit anderer Tagesordnung einberufen würde. Der Antrag auf Einberufung muß die Gründe angeben, die die Minderheit zu ihrem Verlangen veranlaßt. Eine Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen ist nicht erforderlich. Eine Einberufung lediglich zum Zwecke der Auskunftserteilung wird nicht verlangt werden können, da das Recht auf Auskunft nur ein Hilfsrecht zur Verhandlung über einen anderen Gegenstand ist. Das Verlangen muß schriftlich gestellt werden, also einschließlich Begründung von allen Antragsstellern oder von einem mit Vollmacht aller unterschrieben sein (§ 126 BGB). Für die Vollmacht besteht das Erfordernis der Schriftlichkeit nicht (§ 167 BGB). Für einen in nur behaupteter Vollmacht gestellten Antrag gilt § 174 BGB. Der Antrag ist an den Vorstand zu richten. Dies war im früheren Recht nicht geregelt und hat daher zu Meinungsverschiedenheiten geführt, diese sind nunmehr ausgeräumt. Der Antrag ist daher ausschließlich an den Vorstand zu richten. Es handelt sich hierbei um die Abgabe einer Willenserklärung an den Vorstand und nicht an die Gesellschaft, so daß der Antrag nicht nur bei 649
§122
Anm. 3—5
Verfassung der Aktiengesellschaft
einem Vorstandsmitglied gestellt werden kann (§ 78 II S. 2), ebenso ist ein an den Aufsichtsrat gerichteter Antrag wirkungslos, es sei denn, dieser leitet ihn an den Vorstand weiter. Die vorliegende Bestimmung ist zwingend und kann in der Satzung nur insoweit abgeändert werden, als es das Gesetz ausdrücklich gestattet. Danach können die Voraussetzungen des Rechts in keiner Weise vermehrt oder verschärft und kann seine Ausübung nicht erschwert, wohl aber der vorausgesetzte Aktienbesitz ermäßigt, aber nicht etwa auf die Schriftlichkeit des Verlangens verzichtet werden. 2. auf Ergänzung der Tagesordnung Anm. 4: Eine Minderheit von Aktionären, deren Anteil zusammen 5 °/o des Grundkapitals oder einen Nennbetrag von 1 Million DM erreicht, kann auch verlangen, daß auf die Tagesordnung einer Hauptversammlung die Beschlußfassung über weitere von ihr angegebene Punkte gesetzt und diese angekündigt wird. Mit dieser Minderung der Voraussetzungen für die Ausübung des Minderheitenredits soll diesen Aktionären ermöglicht werden, die Ankündigung der Beschlußfassung über eine Sonderprüfung verlangen zu können. Nach § 142 II kann eine Minderheit von Aktionären, deren Anteile 10°/» des Grundkapitals oder einen Nennbetrag von 2 Millionen erreicht, eine Sonderprüfung durchsetzen. Eine Beschlußfassung hierüber setzt aber vorherige Bekanntmachung voraus, diese war für diese Minderheit nach dem früheren § 106 AktG 37 nicht gewährleistet, allerdings sind durch § 122 II die Voraussetzungen noch weitergehend gemindert, als § 142 es erfordert hätte. Damit ist es dieser Minderheit möglich, die Bekanntmachung zu erzwingen, um in der Hauptversammlung evtl. weitere Aktionäre zu gewinnen, um die Sonderprüfung selbst durchsetzen zu können. Für das Verlangen nach Abs. 2 gelten auch Anm. 3 bis 5. Es muß ein schriftlicher Antrag an den Vorstand gerichtet werden, Zweck und Gründe sind anzugeben. Die Formulierung der Tagesordnung kann dem Vorstand überlassen werden, jedoch muß sich aus dem an den Vorstand gerichteten Antrag klar ergeben, was die Antragsteller meinen. IV. Erledigung des Antrags 1. durch den Vorstand Anm. 5: Der Vorstand hat die Pflicht, dem Verlangen auf Einberufung oder Ankündigung stattzugeben, wenn alle Voraussetzungen der Anm. 3 bis 6 erfüllt sind. Der Vorstand hat dies zu prüfen, auch ob das Verlangen keine ungesetzliche Zuständigkeit für die Hauptversammlung beansprucht und es dem Aufsichtsratsvorsitzenden mitzuteilen (§ 90). Ist es unberechtigt, so wird der Vorstand es ablehnen, aber auch dann, wenn es berechtigt ist, kann er nicht durch Klage oder einstweilige Verfügung zu Einberufung angehalten werden. Es greift vielmehr lediglich dann das Verfahren nach 650
Einberufung auf Verlangen einer Minderheit
§ 122
Anm. 5—8
Abs. 3 Platz. Ist dem Antrag stattzugeben, muß die Hauptversammlung ohne schuldhaftes Zögern einberufen werden. Das Gesetz sieht eine Frist nicht vor, eine satzungsmäßige Frist ist einzuhalten. Für die Einberufung gilt §121. 2. durch den Aufsichtsrat Anm. 6: Der Aufsichtsrat hat, wenn er anderer Ansicht ist als der Vorstand, gegen dessen Willen im Falle des § 111 III das Recht und die Pflicht, die Hauptversammlung einzuberufen, sofern er überhaupt Kenntnis von dem Antrag hat. V. Gerichtliche Entscheidung 1. Antrag Anm. 7: Entspricht der Vorstand nicht dem Verlangen — sei es auf Einberufung einer Hauptversammlung, sei es auf Ankündigung des Gegenstands einer Beschlußfassung —, so kann das Gericht (§ 14) auf Antrag, der in einfacher schriftlicher Form oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§11 FGG) gestellt werden kann, die Minderheit dazu ermächtigen. Eine Frist für die Antragstellung gibt es nicht, jedoch kann übermäßige Verzögerung unter Umständen die Ablehnung begründen. Die Antragsteller müssen dartun, daß ihrem an den Vorstand gerichteten Antrag, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt waren, innerhalb angemessener bzw. satzungsmäßiger Frist nicht stattgegeben, oder daß er abgelehnt wurde. Antragsberechtigt ist die Gruppe, die die Einberufung oder Ankündigung verlangt hat. Scheiden bei Gericht so viele Aktionäre aus der Gruppe aus, daß der Antrag nicht mehr von dem erforderlichen Mindestkapital gestützt wird, so kann der Antrag nicht durch eine neue Gruppe weiterverfolgt werden, vielmehr muß dann zunächst ein neuer Antrag an die Gesellschaft gestellt werden. Die ursprüngliche Gruppe muß bis zur Einberufung der Hauptversammlung unverändert zusammenbleiben (RG 170, 93). Würde eine andere oder anders zusammengesetzte Gruppe als die ermächtigte die Hauptversammlung einberufen, so läge ein Fall der Anm. 13 vor (a. A. teilweise RG a. a. O., wonach die Beschlüsse nur anfechtbar sein sollen, wenn die ermächtigte Gruppe vor Einberufung unter den Mindestbesitz gesunken ist). Fällt sie nach der Einberufung auseinander, so ist dies für die Beschlüsse der Hauptversammlung bedeutungslos. 2. Verfahren Anm. 8: Das Gericht hat nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Abs. 1 bzw. 2 gegeben sind, und ob das Verlangen nicht leichtfertig oder schikanös ist. Letzteres wird von KG (DNZ 35, 592) angenommen, wenn das für Antragsteller ungünstige Ergebnis der Hauptversammlung mit Sicherheit 651
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Anm. 8,9
Verfassung der Aktiengesellschaft
vorauszusehen ist (streitig). Wirtschaftliche und Zweckmäßigkeitserwägungen haben im übrigen nicht mitzusprechen. Das Gericht kann Erhebungen jeder Art, z. B. über die Aktionärlegitimation anstellen (§ 12 FGG), insbesondere die Gesellschaftsorgane anhören (§ 146 FGG). Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verlangens gegeben sind, so hat es die Antragsteller zur Einberufung der Hauptversammlung bzw. zur Ankündigung eines Gegenstandes zur Beschlußfassung zu ermächtigen. Es kann letzteres auch, statt einem Antrag auf ersteres stattzugeben oder ihn abzulehnen. Zweckmäßigerweise wird das Gericht in der Ermächtigung zur Einberufung der Hauptversammlung eine Frist bestimmen, binnen derer von ihr Gebrauch gemacht werden muß. Es kann ferner — auch ohne besonderen Antrag — den Vorsitzenden der Versammlung bestimmen und muß dies, wenn andernfalls der ordnungsmäßige Verlauf der Hauptversammlung nicht gesichert wäre (München H R R 40 N r . 17). Dies gilt auch, wenn nur zur Ankündigung eines Punktes der Tagesordnung ermächtigt wird. Ist keine solche Bestimmung getroffen worden, so ist die Satzung maßgebend, evtl. hat die Versammlung den Vorsitzenden zu wählen. Keineswegs steht etwa dem Antragsteller als solchem ohne weiteres der Vorsitz zu. Gegen die Entscheidung des Gerichts steht den Antragstellern und der Gesellschaft die sofortige und weitere Beschwerde zu. Dies ist nunmehr ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber bereits aus den §§ 145, 146 FGG. Dagegen kann nicht später ein Beschluß der zustande gekommenen Hauptversammlung mit der Begründung angefochten werden, die Voraussetzungen des § 122 hätten nicht vorgelegen (RG 170, 13). Die Hauptversammlung kann vor Rechtskraft des Ermächtigungsbeschlusses einberufen werden. Der Ermächtigungsbeschluß wird durch die Bekanntgabe an die Antragsteller wirksam (§16 FGG). Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Das Amtsgericht kann auch nicht die Vollziehung aussetzen (§ 24 II FGG), weil die Rechtsfolge des Ermächtigungsbeschlusses ohne weiteres mit der Wirksamkeit eintritt und keines Vollzuges bedarf (RG 170, 92), aber das Beschwerdegericht kann die Ermächtigung außer Kraft setzen oder die Versammlung verbieten (§ 24 II FGG; RG a. a. O.). VI. Durchführung der gerichtlichen Entscheidung Anm. 9: Die Einladung bzw. Ankündigung eines Gegenstandes der Beschlußfassung liegt im Fall des Abs. 3 den Antragstellern, und zwar unter Berücksichtigung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen, ob. Hinsichtlich der Fristen in § 124 I zu beachten, in dem hinsichtlich der nach § 122 II auf die Tagesordnung gesetzter Punkte eine besondere Frist zur Bekanntmachung gesetzt ist. Es genügt, wenn diese Punkte 10 Tage nach der Einberufung angekündigt werden. Hinzu kommt die zwingende Bestim652
E i n b e r u f u n g s f rist
§§ 122 / 123
Anm. 9—11
mung, daß in der Einberufung oder Ankündigung auf die Ermächtigung des Gerichts Bezug genommen werden muß. Fehlt dieser Hinweis, so ist die Hauptversammlung nicht ordnungsgemäß einberufen. Die Beschlüsse sind anfechtbar (§§ 241, 245 N r . 2). Eine wörtliche Wiedergabe der Ermächtigung oder auch nur die Angabe ihres Datums oder Aktenzeichens ist nicht erforderlich ( R G 170, 95). Es empfiehlt sich, je nach dem Anlaß, die Rechtskraft des Ermächtigungsbeschlusses abzuwarten, da seine nachträgliche Aufhebung den Hauptversammlungsbeschluß nichtig machen würde. Die Antragsteller haben weiterhin für einen Tagungsraum zu sorgen und die Urkundsperson zu bestellen. Die Rechtmäßigkeit der Einberufung ist der Hauptversammlung und der Urkundsperson durch Vorlage des Ermächtigungsbeschlusses nachzuweisen. Ist die Einberufung fehlerhaft, so deckt die Ermächtigung eine Wiederholung ( K G in O L G 41, 207). VII. Kosten Anm. 10: Die Gesellschaft hat die Kosten der Hauptversammlung zu tragen sowie die Gerichtskosten im Falle des Abs. 3, wenn dem Antrag stattgegeben wurde. Nach bisherigem Recht hatte die Hauptversammlung darüber zu beschließen. Darin lag eine Erschwerung der Ausübung der Minderheitsrechte, d a diese Aktionäre immer damit rechnen mußten, die Kosten tragen zu müssen, auch wenn ihr Begehren berechtigt war und ihm sogar stattgegeben wurde. Es ist daher folgerichtig, daß die Gesellschaft die Kosten einer solchen Hauptversammlung zu tragen hat und auch die Kosten, die bei der Durchsetzung des Anspruchs der Minderheitsaktionäre entstanden sind. VIII. Verstoß Anm. 11: Die Beschlüsse einer Aktionärsversammlung, welche auf Einberufung hierzu nicht gerichtlich ermächtigter, nicht gesetzlich oder satzungsmäßig einberufungsberechtigter Aktionäre oder Personen zusammengetreten ist, sind nichtig (§ 241 N r . 1). In solchem Fall kann es unter Umständen auch sein, daß die Versammlung nicht einmal dem Begriff einer Hauptversammlung entspricht, so daß ihre Beschlüsse überhaupt nicht als Hauptversammlungsbeschlüsse anzusehen sind.
§ 123 Einberufungsfrist (1) Die H a u p t v e r s a m m l u n g ist mindestens einen Monat v o r dem Tage der Versammlung einzuberufen. (2) Die Satzung kann die Teilnahme an der H a u p t v e r s a m m l u n g oder die Ausübung des Stimmrechts davon abhängig machen, daß die Aktien bis 653
§ 123 Anm. 1, 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Versammlung hinterlegt werden, ferner davon, daß sich die Aktionäre vor der Versammlung anmelden. Sieht die Satzung eine solche Bestimmung vor, so tritt für die Berechnung der Einberufungsfrist an die Stelle des Tages zur Versammlung der Tag, bis zu dessen Ablauf die Aktien zu hinterlegen sind oder sich die Aktionäre vor der Versammlung anmelden müssen. (3) Hängt nach der Satzung die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts davon ab, daß die Aktien bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Versammlung hinterlegt werden, so genügt es, wenn sie nicht später als am zehnten Tage vor der Versammlung hinterlegt werden. Die Hinterlegung bei einem Notar oder bei einer Wertpapiersammelbank ist ausreichend. (4) Hängt nach der Satzung die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmredits davon ab, daß sich die Aktionäre vor der Versammlung anmelden, so genügt es, wenn sie sich nicht später als am dritten Tage vor der Versammlung anmelden. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Ein-Monatsfrist (Anm. 3) III. Hinterlegung 1. Satzüngsbestimmung (Anm. 4) 2. Frist (Anm. 5)
3. Hinterlegungsstelle (Anm. 6) IV. Anmeldung (Anm. 7) V. Nachweis (Anm. 8) VI. Verstoß (Anm. 9) VII. Teilnahmerecht (Anm. 10)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift befaßt sich mit der Frist zur Einberufung der Hauptversammlung, die bisher in § 107 AktG 37 geregelt war. Es sind folgende Änderungen eingetreten: Die Frist ist auf einen Monat verlängert (s. Anm. 3); in Abs. 2 ist klarer aufgeführt, was die Satzung bestimmen kann (s. Anm. 4) und die Folgen für die Frist im Falle einer derartigen Satzungsbestimmung (s. Anm. 5); neu geregelt ist, daß die Satzung bestimmen kann, daß sich die Aktionäre vor der Versammlung anmelden (s. Anm. 7); Abs. 3 bestimmt die Frist, bis wann eine Hinterlegung zu erfolgen hat (s. Anm. 5) und Abs. 4 übernimmt die Frist des bisherigen § 107 III AktG 37, allerdings für den neu geregelten Fall, daß die Satzung vorherige Anmeldung der Aktionäre vorschreibt. Anm. 2: Das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts gehört zum Inhalt des Aktienrechts (zu den sogenannten allgemeinen Mitgliedschaftsrechten). Zu einer Ausübung müßte also genügen, daß der Aktionär sich als solcher legitimiert. Es gestattet § 123 II (s. auch § 134 IV) aber der Satzung die Ausübung außer von der Legitimation noch von formellen Voraussetzungen abhängig zu machen, und zwar 654
Einberufungsfrist
§ 123
Anm. 2—4
verlangt die Satzung meist Hinterlegung der Aktien, daneben kann sie die Anmeldung verlangen. Hieran knüpfen sich die weiteren Bestimmungen des § 123: a) evtl. eine Verlängerung der Einberufungsfrist, wenn Hinterlegung verlangt wird, b) Bestimmung, bis wann und wo in jedem Fall noch hinterlegt werden kann (Abs. 3), c) Bestimmung, bis wann in jedem Fall eine Anmeldung erfolgen kann. II. Ein-Monatsfrist Anm. 3: Die Hauptversammlung ist mindestens einen Monat vor dem Tag der Versammlung (s. aber Anm. 4) einzuberufen. Diese Bestimmung ist zwingend und kann daher von der Satzung nur verlängert, nicht verkürzt werden. Verletzung dieser Vorschrift macht die in der Versammlung gefaßten Beschlüsse anfechtbar (§ 245 Nr. 2). Die früher im § 107 I S. 2 AktG 37 enthaltene Bestimmung über die Berechnung der Frist ist als entbehrlich entfallen; das gleiche ergibt sich bereits aus §§ 187, 188 BGB, danach gilt folgendes: Erscheint die Bekanntmachung in mehreren Blättern, so ist für den Beginn der Frist das Erscheinen des letzten Blattes maßgebend. Wird die Zeitung vor oder nach dem Tage ausgegeben, dessen Datum sie trägt, so ist dies unerheblich, maßgebend ist das Ausgabedatum, da nur dies einwandfrei feststellbar ist ( K G J 2 A 2 3 ; z . T . abw. Schmidt-Meyer-Landrut im Großkomm. § 107, Anm. 1). Muß nach der Satzung die Bekanntmachung wiederholt werden, so läuft die Frist von der letzten Bekanntmachung ab. Wird sie, ohne daß die Satzung dies bestimmt, mehrfach vorgenommen, so ist die erste Bekanntmachung entscheidend. Der Tag der Bekanntmachung und der Versammlung wird nicht mitgerechnet. III. Hinterlegung 1. Satzungsbestimmung Anm. 4: Die Satzung kann eine Hinterlegung — auch bei Namensaktien — vorschreiben, wodurch ein zwischenzeitlicher Rechtswechsel zwar nicht ausgeschlossen, so doch einflußlos gemacht wird. Regelmäßig dürfte die Vorschrift der Hinterlegung so auszulegen sein, daß sie sich sowohl auf Teilnahme (s. Anm. 11) als auch auf Stimmrechtsausübung bezieht, sie kann sich aber auch auf letztere beschränken, dann brauchen Vorzugsaktien ohne Stimmrecht nicht hinterlegt zu werden. Für den Fall, daß die Satzung Hinterlegung oder Anmeldung vorschreibt, trifft das Gestz zwingende Vorschriften bezüglich Hinterlegungs- und Anmeldungsfrist. An Stelle des Tages der Versammlung in Abs. 1 tritt der Tag, bis zu welchem hinterlegt oder an655
§123
Anm. 4—6
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
gemeldet werden muß. Die Einberufungsfrist wird dadurch unter Umständen verlängert, d. h. wenn sie nach der Satzung nicht ohnehin länger als 1 Monat ist. 2. Frist Anm. 5: Sind die Aktien zu hinterlegen, so können sie immer bis zum 10. Tag vor der Hauptversammlung hinterlegt werden. Bestimmt die Satzung einen längeren Zeitraum, so ist diese Bestimmung nichtig, die Frist kann aber verkürzt werden. Die Formulierung einer derartigen Satzungsbestimmung ist sehr verschieden, wenn es heißt: die Hinterlegung muß spätestens 5 Tage vor der Hauptversammlung stattfinden, so müssen 4 volle Tage zwischen dem letzten Tag der Hinterlegungsfrist und der Hauptversammlung liegen. Das gleiche gilt, wenn es heißt: „die Hinterlegung muß am fünften Tage vor der Hauptversammlung stattfinden". Zweifelhaft ist es, wenn es heißt: „die Hinterlegung muß am fünften Tage vor der Hauptversammlung stattgefunden haben". Damit kann sowohl gemeint sein, daß am fünften Tage vor der Hauptversammlung die letzte Möglichkeit der Hinterlegung ist, als auch, daß der fünfte Tag der erste hinterlegungsfreie Tag ist. Im Zweifel ist jedoch zugunsten des Aktionärs zu entscheiden, da Unklarheiten in einer Willenserklärung grundsätzlich dem Urheber der Erklärung, hier also der Gesellschaft zur Last fallen. Ob die Hinterlegung, wenn das Ende der satzungsmäßigen Hinterlegungsfrist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, auch bei Schweigen der Satzung noch am folgenden Werktag erfolgen kann, auch wenn dadurch die von der Satzung vorgeschriebene Frist zwischen Ende der Hinterlegungsfrist und Tag der Hauptversammlung („hinterlegungsfreie Tage") nicht frei bleibt, ist streitig. Die Frist ist dafür da, der Gesellschaft die Möglichkeit einer ordnungsmäßigen Vorbereitung der Hauptversammlung zu geben, sie ist unseres Erachtens daher vom Tage der Hauptversammlung zurückzurechnen, zumal die Satzungsbestimmung auch immer vom Tage der Hauptversammlung ausgehen wird („am fünften Tage vor der Hauptversammlung"). Daraus ergibt sich, daß, wenn der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, die Hinterlegung an dem letzten Werktag vorher erfolgt sein muß (anderer Ansicht die Vorauflage). 3. Hinterlegungsstelle Anm. 6: Die Hinterlegungsstelle wird von der Gesellschaft (Vorstand oder Satzung) bestimmt, indessen schreibt das Gesetz weiter zwingend vor, daß der Aktionär in jedem Fall nach seiner Wahl auch bei einem Notar oder einer Wertpapiersammelbank hinterlegen kann, selbst wenn ausdrücklich die Satzung letztere ausschließt. Im übrigen kann die Satzung die Hinterlegungsstelle frei bestimmen, insbesondere ist die Gesellschaft selbst nicht ge656
Einberufungspflidit
§123 Anm.6—8
setzliche Hinterlegungsstelle, außer im Fall des § 125 IV. Bei der Hinterlegung ist der Zweck anzugeben. Die Stelle, bei der hinterlegt wird, steht zum Hinterleger in einem Verwahrungs-, zur Gesellschaft in einem Auftragsverhältnis. Sie ist gegenüber letzterer verpflichtet, die hinterlegten Aktien nur gegen Rückgabe des Hinterlegungsscheins und der etwa schon ausgegebenen Stimmkarte zurückzugeben. Dagegen kann der Aktionär, der diese Papiere zurückzugeben bereit ist, da er nicht verpflichtet ist, an der Hauptversammlung teilzunehmen, auch nicht verpflichtet sein, die Aktien bis zur Beendigung der Hauptversammlung bei der Hinterlegungsstelle zu belassen. Die Hinterlegungsstelle hat die Hinterlegung und evtl. die Rüdegabe der Gesellschaft zu melden. In Frage kommt jeder deutsche Notar. Es bedarf nicht der Aufnahme einer Niederschrift, es genügt ein vom Notar ausgestellter Hinterlegungsschein. In der Bescheinigung sind die Aktien genau zu bezeichnen, insbesondere sind die Nummern anzugeben (vgl. jedoch KG in D N Z 28, 234), Gebühr nach § 50 Kostenordnung. Ferner kann hinterlegt werden bei einer Wertpapiersammelbank. Wird bei einer anderen Bank hinterlegt, welche nicht selbst Hinterlegungsstelle ist, in der Weise, daß diese erklärt, daß sie die Stücke für Hinterlegungsstelle sperre, so ist das nicht gleichbedeutend mit einer ordnungsgemäßen Hinterlegung (RG 112, 113), jedoch verstößt es gegen die guten Sitten, sich auf diese Unzulässigkeit zu berufen, wenn bereits bei früheren Hauptversammlungen gegen die Zulassung von so hinterlegten Aktien zur Abstimmung kein Widerspruch erhoben war (RG a. a. O.). Da das Hinterlegungserfordernis nur auf Satzung beruht, kann diese es durch Zulassung einer solchen Hinterlegung mildern. IV. Anmeldung Anm. 7: Wird die Teilnahme oder die Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung von einer vorherigen Anmeldung der Aktionäre abhängig gemacht, so kann diese Anmeldung in jedem Fall bis zum dritten Tag vor der Hauptversammlung geschehen. Eine längere Frist kann in der Satzung nicht festgelegt werden, wohl aber eine kürzere. Für die Berechnung der Frist gilt Anm. 5. V. Nachweis Anm. 8: Der Nachweis der rechtzeitigen Anmeldung und Hinterlegung ist in der Hauptversammlung, letzterer durch Vorlegung des Hinterlegungsscheins, zu führen. Die Satzung konnte früher vorschreiben, daß die Hinterlegung schon vor der Hauptversammlung nachgewiesen oder doch angezeigt wird. Im allgemeinen verpflichten sich dazu die gewillkürten Hinterlegungs657 42
Wilhelmi, Aktiengesetz
§123 Anm. 8
Verfassung der Aktiengesellschaft
stellen in dem Vertrag mit der Gesellschaft, der ihrer Bestimmung zugrunde liegt. Heute kann die Satzung vom Gericht abweichendes nur bestimmen, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist. Ergänzende Bestimmungen kann die Satzung dann haben, wenn das Gesetz keine abschließende Regelung enthält (§ 23 IV). Aufgrund dieser neuen Regelung halten wir eine Satzungsbestimmung, wonach der Nachweis der Hinterlegung vor der Hauptversammlung bereits zu erbringen ist, für nichtig. Das Gesetz hat es zugelassen, daß die Hinterlegung zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Hauptversammlung zu erfolgen hat. Eine darüber hinausgehende Belastung des Aktionärs — und das wäre das Erfordernis des Nachweises der Hinterlegung vor der Hauptversammlung — ist nicht möglich. Der Nachweis der rechtzeitig erfolgten Hinterlegung ist erst bei der Hauptversammlung zu erbringen. Über die Erfüllung der Voraussetzung ordnungsmäßiger und rechtzeitiger Hinterlegung und Anmeldung entscheidet im Streitfall vorläufig, vorbehaltlich der Anfechtbarkeit der von ihr gefaßten Beschlüsse im Falle unrichtiger Entscheidung, die Hauptversammlung. Dasselbe gilt von der Legitimation eines Aktionärs und einem Streit über diese, welche selbstverständlich die Gesellschaft verlangen kann. Den Nachweis zu verlangen sind die Hauptversammlung und der Vorstand berechtigt, letzterer im Rahmen des § 93 und etwaiger Satzungsvorschrift auch verpflichtet. Der Aktionär, um dessen Zulassung es sich handelt, kann mitstimmen (RG 106, 258), wenn nicht der Bestand des Aktienrechts oder die Aktionärschaft selbst streitig ist (aber § 245 Nr. 2). Die Legitimation (Nachweis der Aktionärschaft oder der Befugnis, die Rechte aus der Aktie auszuüben) ist von der Anmeldung (Kundgebung der Absicht der Teilnahme an der Hauptversammlung) und erst recht von der Teilnahme an der Hauptversammlung verschieden, auch von der Hinterlegung, welche zugleich eine Form der Anmeldung und der Legitimation (durch den mit der Hinterlegung erbrachten Beweis der aktionärausweisenden Inhaberschaft) ist. Die Aktionärschaft ist eine Voraussetzung nicht nur der Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und Abstimmung, sondern auch zulässiger Anmeldung, doch kann bei letzterer darauf ohne Gefahr für die Gesellschaft verzichtet werden, anders, was die Teilnahme und gar Abstimmung betrifft. Wenn für den Nachweis der Legitimation keine Satzungsbestimmungen gegeben sind, wird er bei Namensaktien durch Aktienbuch, bei Inhaberaktien durch die Aktie, aber gerade auch durch den Hinterlegungsschein erbracht. Sind Urkunden überhaupt nicht ausgegeben, wird der Nachweis von Fall zu Fall verschieden zu erbringen sein. Wieder verschieden von einem Streit über die erfüllten Voraussetzungen der Teilnahme und über die Legitimation ist ein Streit über das Stimmrecht überhaupt und bei einer bestimmten Beschlußfassung. Audi darüber entscheidet — vorläufig — die Hauptversammlung (nach anderer Ansicht der Versammlungsvorsitzende). Hierbei ist der zugelassene Aktionär 658
Einberufungspflicht
§123
Anm. 8 , 9
mitzustimmen berechtigt. D i e materielle Berechtigung ist nicht zu prüfen, wenn die formale Legitimation erbracht ist. VI. Verstoß Anm. 9: H a t der Aktionär die Voraussetzungen der Teilnahme und Ausübung des Stimmrechts (Anmeldung, Hinterlegung) nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsmäßig erfüllt und wird ihm trotzdem die Ausübung des Stimmrechts oder die Teilnahme gestattet oder ist gar einem nicht Stimmberechtigten die Ausübung des Stimmrechts gestattet worden, so sind die auf diese Weise zustande gekommenen Beschlüsse, wenn sie darauf beruhen, anfechtbar aber nicht nichtig, auch dann nicht, wenn dem Aktionär durch gesetzliche Vorschrift die Ausübung des Stimmrechts untersagt w a r (§§ 243, 241). Dasselbe gilt im umgekehrten Fall, daß jemand zu Unrecht von der Teilnahme oder der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen worden ist. Ist dagegen ein wirklich Berechtigter ohne ausreichende Legitimation zugelassen worden, so ist dies nur Anfechtungsgrund, wenn es einer Gesetzoder Satzungsvorschrift und entweder damit dem G r u n d s a t z der Gleichberechtigung oder dem Interesse der Gesellschaft zuwiderlief. Wenn die gleiche Erleichterung in der Einberufung, wenn auch satzungswidrig, unter Ausnahmeverhältnissen allen Aktionären gewährt wurde, dürfte das zur Anfechtung durch einen Aktionär zu fordernde Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen sein. Ist die materielle Berechtigung bekannt, so muß nichtsdestoweniger die Satzungsvorschrift über die Hinterlegung erfüllt werden — in ihr ist denknotwendig auch die Vorschrift über die Legitimation (durch Nachweis der Inhaberschaft) enthalten (a. A. Ritter § 107 Anm. 7). Ihre Verletzung würde den Beschluß auch dann, wenn die materielle Berechtigung (trotz der Mängel ihres Nachweises der Legitimation) bekannt ist, anfechtbar aber nicht nichtig machen. Deshalb ist im Hinblick darauf, daß eine Anfechtung unterbleiben kann, zu untersuchen, ob bei Inhaberaktien neben dem Eigentum an ihnen auch die Innehabung nicht nur f ü r den Ausweis bedeutsam, sondern selbst eine materielle Voraussetzung (der Ausübung der Rechte aus der Aktie) des Stimmrechts ist. Diese ist z w a r in dem Sinn zu bejahen, daß die fehlende Innehabung der Gesellschaft auch gegenüber dem bekannten Eigentümer eine echte Einwendung gegen die Ausübung des Stimmrechts gibt, die sie aber nicht zu erheben braucht, so daß auch dieser Mangel den Beschluß nur anfechtbar macht. Dies ist bedeutsam für den Beschluß eines dem Vorstand als solchen bekannten Alleinaktionärs, der seine Aktien nicht innehat, und, sei es sogar ohne Einberufung durch den Vorstand, eine ordnungsmäßig beurkundete Vollhauptversammlung abhält (z. B . um den Aufsichtsrat abzuberufen), sein Beschluß ist rechtswirksam und bleibt es, wenn ihn der Vorstand nicht
42»
659
§§ 123/Vorbein. 124—128
Anm. 9,10
Verfassung der Aktiengesellschaft
anficht, wenn der Aktionär nach der Satzung zur Einberufung zuständig war. Der Vorstand ist zur Anfechtung nicht verpflichtet, wenn das Interesse der Gesellschaft die Beseitigung des Beschlusses nicht erfordert. Die Kriegs- und Besatzungsverhältnisse haben es mit sich gebracht, daß den Aktionären vielfach die Aktienurkunden unzugänglich waren oder aus irgendeinem anderen Grunde nicht zur Verfügung standen, darum ist es wichtig festzuhalten, daß begriffsnotwendige Voraussetzung für die Teilnahme an der Hauptversammlung und Ausübung des Stimmrechts, wie oben ausgeführt, lediglich die Aktionärschaft, nicht auch die Inhabung der Urkunde ist. Die Gesellschaft ist zwar berechtigt, aus dem Mangel der letzten gegen die Ausübung der Aktionärsrechte Einwendungen herzuleiten, sie muß es aber nicht, wenn sie die Aktionärschaft kennt oder diese ihr nachgewiesen wird. Auf die Verletzung der Satzung kann niemals eine Nichtigkeitsklage (§ 241) gestützt werden. Sogar wenn ein Nichtstimmberechtigter mitgewirkt hat, ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Beschluß nur anfechtbar. VII. Teilnahmerecht Anm. 10: Teilnahme an der Hauptversammlung und Beteiligung an der Abstimmung (Ausübung des Stimmrechts) sind zu unterscheiden. Erstere umfaßt außer dem Recht der Anwesenheit auch das Recht, Auskunft zu verlangen, das Wort zu ergreifen, Anträge zu stellen, Widerspruch zur Niederschrift zu erklären und Beschlüsse anzufechten. Die Unterscheidung ist wichtig für die stimmrechtslosen Aktien, denen nur das Stimmrecht fehlt. Das Recht zur Teilnahme steht jedem Aktionär ohne Rücksicht auf Stimmrecht und Stimmbehinderung zu und kann von der Satzung nicht beeinträchtigt oder von zusätzlich erschwerenden Voraussetzungen außer den in § 123 genannten Förmlichkeiten abhängig gemacht werden. Es ist von diesen Voraussetzungen nur abhängig, wenn die Satzung dies bestimmt, andernfalls nur von der Legitimation. Auch unberechtigte Verweigerung bloßer Teilnahme kann einen Beschluß anfechtbar machen, wenn er darauf beruht. Vorbemerkung vor §§ 124—128 Die §§ 124—128 haben den Zweck, den Aktionär besser zu informieren und ihm die Möglichkeit zu geben, seinen Einfluß in der Hauptversammlung wirklich geltend zu machen, insbesondere auch dann, wenn er sich durch eine Bank vertreten läßt. Damit wird in den Problemkreis mit eingezogen das sog. Depotstimmrecht. Der Regierungsentwurf wollte dieses Depotstimmrecht weitgehend abschaffen und die Kreditinstitute nur noch als Boten für die Stimmabgabe des Aktionärs ansehen. Dem sind die Ausschüsse nicht gefolgt. Sie haben zwar im Depotstimmrecht einige Änderungen des Regie660
Einberufungspflicht
Vorbein. §§ 124—128
Anm. 10
rungsvorschlags übernommen, nicht aber die entscheidende, die dahin ging, daß die Kreditinstitute nur dann berechtigt sein sollten, daß Stimmrecht aus den bei ihnen deponierten Aktien auszuüben, wenn der Aktionär ihnen nach der Bekanntmachung der Tagesordnung eine besondere Vollmacht für seine Aktien der Gesellschaft, um die es sich handelt, erteilt hatte, während nach bisherigem Recht, das insoweit auch vom jetzigen Recht übernommen ist, jeder Aktionär eine 15 Monate lang geltende Vollmacht für die Aktien aller Gesellschaften, die im Depot der Bank liegen, erteilen kann. Die Vollmacht wird also erteilt, bevor der Aktionär informiert ist. Das sollte durch den Regierungsentwurf vermieden werden. Der Regierungsentwurf stellte darauf ab, daß nur der hinreichend informierte Aktionär sinnvoll eine Vollmacht an die Bank geben kann. Bei der Umgestaltung des Regierungsentwurfs ist man davon ausgegangen, daß die bessere Unterrichtung des Aktionärs aufrechterhalten werden soll, und zwar schlechthin für alle Aktionäre, was im Regierungsentwurf nicht vorgesehen war. Soweit die Aktionäre sich durch Banken vertreten lassen, also das sog. Depotstimmrecht der Banken zum Zuge kommt, muß den Aktionären noch eine weitere Information zuteil werden, nämlich darüber, wie die Bank, wenn sie abstimmen will, abzustimmen gedenkt. Hier hat der Aktionär also noch einmal die Möglichkeit, zu widersprechen oder andere Weisungen zu erteilen oder seine Vollmacht zu widerrufen. Durch diese Konstruktion dürfte das ursprüngliche Ziel der Bestimmungen des Regierungsentwurfs voll erreicht sein. Die Bestimmungen, die den Zweck haben, den Aktionär besser zu informieren, beginnen bereits mit denen über die Einberufung und Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung. Nach dem bisherigen Recht (§ 107AktG37) hatte die Einberufung der Hauptversammlung mit einer Frist von 2 Wochen zu erfolgen. Die Bekanntmachung der Tagesordnung (§ 108 AktG 37) sollte zwar mit der Einberufung erfolgen, mußte es aber nicht. Die Frist für die Bekanntgabe war eine Woche vor der Hauptversammlung. Nach neuem Recht (§ 124) muß bereits mit der Einberufung, bei der die Frist einen Monat beträgt, die Tagesordnung mit bekanntgemacht werden. Das wesentlich Neue ist aber, daß außer der Tagesordnung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten die Verwaltung einen Vorschlag zu machen hat (§ 124 Anm. 6). Damit hat der Aktionär schon frühzeitig, nämlich einen Monat vor der Hauptversammlung einen Überblick über die Tagesordnung, und vor allem weiß er, welche Vorschläge der Vorstand zu machen hat. Er kann also selbst seine Überlegungen anstellen, insbesondere in der Richtung, ob er Gegenvorschläge zu machen hat. Während das bisherige Recht (§ 109 AktG 37) eine Einzelmitteilung nur für bestimmte Gruppen vorsah, sieht das neue Gesetz (§§ 125 und 128) die Mitteilung an alle Aktionäre vor. Die Einzelmitteilung hatte nach § 109 AktG 37 nur an den Aktionär zu gehen, der eine Aktie hinterlegt hatte, 661
V o r b e m . §§ 124—128
Anm. 10
Verfassung der Aktiengesellschaft
sowie an jedes Aufsichtsratsmitglied, auch soweit er nicht Aktionär war, wenn die Betreffenden es verlangten. Nach dem heutigen Recht haben zunächst nach den §§ 126, 127 die Aktionäre binnen einer Woche nach der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung, die zwangsläufig die Tagesordnung und die Vorschläge der Verwaltung enthält, das Recht, Anträge und Wahlvorschläge beim Vorstand einzureichen, der sie weitergeben muß, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. 12 Tage nach der Bekanntmachung der Einberufung hat der Vorstand von sich aus Einzelmitteilungen zu machen, die gegenüber dem bisherigen Recht vermehrt sind. Nach § 125 II erhält zunächst jeder Aktionär, der bei der Gesellschaft eine Aktie hinterlegt hat, diese Mitteilung, und jedes Aufsichtsratsmitglied (Abs. 3) kann eine solche Einzelmitteilung verlangen. Insoweit stimmen die Bestimmungen mit dem bisherigen Recht überein. Neu eingefügt ist aber, daß jeder Aktionär, der sich nach Bekanntmachung der Hauptversammlung meldet und eine Einzelmitteilung wünscht, diese verlangen kann, ferner alle Aktionäre, die im Aktienbuch der Gesellschaft eingetragen und deren Stimmrecht in der letzten Hauptversammlung nicht durch ein Kreditinstitut ausgeübt worden ist. Das gilt besonders für Namensaktionäre. Diese brauchen also keine Aktie mehr zu hinterlegen wie bisher, um Anspruch auf besondere Mitteilung zu haben. Das wesentlich Neue ist aber, daß nach § 125 I die Mitteilungen vom Vorstand allen Kreditinstituten und Vereinigungen von Aktionären zugehen müssen, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte f ü r Aktionäre ausgeübt haben oder die die Mitteilung verlangt haben. Diesen Mitteilungen sind die inzwischen etwa eingegangenen Anträge und weitere Vorschläge der Aktionäre nach §§126 und 127, gegebenenfalls mit Stellungnahme des Vorstandes, beizufügen. Diese Verpflichtung des Vorstandes nach § 125 I bildet die Grundlage f ü r die Weitergabe dieser Mitteilungen an die Aktionäre (§ 128). Diese Verpflichtung zur Weitergabe besteht nicht nur dann, wenn das betreffende Kreditinstitut beabsichtigt, in der Hauptversammlung ein Stimmrecht auszuüben, sondern stets dann, wenn es f ü r Aktionäre Aktien der Gesellschaften verwahrt.
§ 124 Bekanntmachung der Tagesordnung (1) Die Tagesordnung der Hauptversammlung ist bei der Einberufung in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Hat die Minderheit nach der Einberufung der Hauptversammlung die Bekanntmachung von Gegenständen zur Beschlußfassung der Hauptversammlung verlangt, so genügt es, wenn diese Gegenstände binnen zehn Tagen nach der Einberufung der Hauptversammlung bekanntgemacht werden. 662
Bekanntmachung der Tagesordnung
§ 124
Anm. 1
(2) Steht die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf der Tagesordnung, so ist in der Bekanntmachung anzugeben, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt, und ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist. Soll die Hauptversammlung über eine Satzungsänderung oder über einen Vertrag beschließen, der nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird, so ist auch der Wortlaut der vorgeschlagenen Satzungsänderung oder der wesentliche Inhalt des Vertrags bekanntzumachen. (3) Zu jedem Gegenstand der Tagesordnung, über den die Hauptversammlung beschließen soll, haben der Vorstand und der Aufsichtsrat, zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und Prüfern nur der Aufsichtsrat, in der Bekanntmachung der Tagesordnung Vorschläge zur Beschlußfassung zu machen. Dies gilt nicht, wenn die Hauptversammlung bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 6 des Mitbestimmungsgesetzes an Wahlvorschläge gebunden ist, oder wenn der Gegenstand der Beschlußfassung auf Verlangen einer Minderheit auf die Tagesordnung gesetzt worden ist. Der Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Püfern hat deren Namen, Beruf und Wohnort anzugeben. (4) Über Gegenstände der Tagesordnung, die nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht sind, dürfen keine Beschlüsse gefaßt werden. Zur Beschlußfassung über den in der Versammlung gestellten Antrag auf Einberufung einer Hauptversammlung, zu Anträgen, die zu Gegenständen der Tagesordnung gestellt werden, und zu Verhandlungen ohne Beschlußfassung bedarf es keiner Bekanntmachung. I. Übersicht (Anm. 1) II. Inhalt der Tagesordnung (Anm. 2) III. Frist der Bekanntmachung (Anm. 3) IV. Zusammensetzung des Aufsichtsrats (Anm. 4)
V. Satzungsänderungen und Verträge (Anm. 5) VI. Vorschläge (Anm. 6) VII. Verstoß (Anm. 7) VIII. Verhandlungsmöglichkeiten ohne Bekanntmachung (Anm. 8)
I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmung befaßt sich, wie bisher § 108 AktG 37, mit der Bekanntmachung der Tagesordnung. Die Vorschrift enthält einige Änderungen zum bisherigen Recht: Die Tagesordnung ist bereits mit der Einberufung bekanntzumachen (Abs. I S . 1; s. Anm. 2); neu sind die Bestimmungen des Abs. 1 S. 2 (s. Anm. 3); Abs. 2 S. 1 (s. Anm. 4) und der ganze Abs. 3 (s. Anm. 6). Im Absatz 2 S. 2 wird die Bestimmung des bisherigen § 145 I I AktG 37 mit der Maßgabe übernommen, daß die beabsichtigte Satzungsänderung ihrem Wort663
§124 Anm. 1 , 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
laut nach bekanntzumachen ist (s. A n m . 5). Das bisher in § 108 I S. 2 A k t G 37 geregelte Recht der Aktionäre, eine Abschrift der A n t r ä g e zu verlangen, ist n u n m e h r im § 125 I N r . 2 geregelt. Die Tagesordnung ist bei der E i n b e r u f u n g bekanntzumachen. Verletzung dieser Vorschrift macht die Beschlüsse anfechtbar (§ 245 N r . 2). N a c h § 122, I I aufgenommene Tagesordnungspunkte unterliegen einer besonderen Bekanntmachungsfrist. Besondere Bestimmungen sind f ü r die Bekanntmachungen f ü r Aufsichtsratswahlen u n d Satzungsänderungen ergangen. Alle P u n k t e der Tagesordnung sind mit Vorschlägen von entweder V o r s t a n d u n d A u f sichtsrat oder — je nachdem, u m was es sich h a n d e l t — v o m Aufsichtsrat allein zu versehen. Uber nicht ordnungsgemäß bekanntgemachte Tagesordnungspunkte darf — sofern sie der Bekanntmachung b e d ü r f e n — nicht abgestimmt werden.
II. Inhalt der Tagesordnung Anm. 2 : D e r Zweck der H a u p t v e r s a m m l u n g k o m m t in der Tagesordnung z u m Ausdruck. Es m u ß , wenn auch in aller K ü r z e , angegeben werden, w o r über verhandelt werden soll. Dies m u ß sich f ü r jeden A k t i o n ä r so k l a r u n d deutlich ergeben, d a ß er sich darauf vorbereiten k a n n . N a c h dem neuen Gesetz sind die A n t r ä g e der V e r w a l t u n g zu jedem P u n k t der Tagesordnung bekanntzumachen, so d a ß bereits hieraus unzweifelhaft zu erkennen sein w i r d , w o r ü b e r v e r h a n d e l t u n d Beschluß g e f a ß t w e r d e n soll. Die Bezeichnung der einzelnen P u n k t e der Tagesordnung w i r d z w a r dadurch nicht überflüssig u n d m u ß sorgfältig formuliert werden. Durch die eingehenden neuen Bestimmungen hinsichtlich des Inhalts der Bekanntmachungen ist die Rechtsprechung z u m bisherigen Recht z u m größten Teil überholt. D i e Bek a n n t m a c h u n g „Beschlußfassung über die W a h l eines Aufsichtsratsmitgliedes, Vorschlag der V e r w a l t u n g : H e r r N N . " ist nicht ausreichend, w e n n die A b b e r u f u n g eines bisherigen Mitgliedes zunächst erfolgen soll, u m einen P l a t z f ü r die bekanntgemachte W a h l zu schaffen. V o l l k o m m e n unzulänglich ist als einziger P u n k t der Tagesordnung „Verschiedenes". Ausreichend ist: „Beschlußfassung über die G e w i n n v e r w e n d u n g u n d die Entlastung der Verw a l t u n g " . N a c h bisherigem Recht handelte es sich u m eine Soll Vorschrift, n u n m e h r ist der Einberufer jedoch verpflichtet, die Tagesordnung gemäß § 124 bei der E i n b e r u f u n g bekanntzumachen. D i e Vorschrift ist zwingend u n d k a n n nicht durch die Satzung wegbedungen werden. Mit dieser V o r schrift ist die Bekanntmachung der Tagesordnung Bestandteil der Einberuf u n g geworden mit der Folge, d a ß die H a u p t v e r s a m m l u n g bei Verletzung des § 124 als nicht ordnungsgemäß einberufen angesehen werden m u ß , mit der Möglichkeit der Anfechtung gemäß § 245 N r . 2. 664
Bekanntmachung der Tagesordnung
§ 124
Anm. 3—5
III. Frist der Bekanntmachung Anm. 3: Einer besonderen Regelung bedurfte die Frist für die Bekanntmachung der durch eine Minderheit nach der Einberufung verlangten Bekanntmachung von Gegenständen zur Beschlußfassung der Hauptversammlung. Nadi bisherigem Recht galten die allgemeinen Bestimmungen (jetzt § 124 I S. 1). Die Erfüllung einer derartigen Verpflichtung ist ausgeschlossen; darum wurde bestimmt, daß diese Tagesordnungspunkte innerhalb von 10 Tagen nach der Einberufung bekanntgemacht werden müssen. Die Frist ist so kurz bemessen, damit die Kreditinstitute und geschäftsmäßig Handelnden auch diese Punkte bereits dem Aktionär mitteilen können (§ 128). Das Verfahren nach § 122 II muß daher im allgemeinen vor Bekanntmachung der Tagesordnung eingeleitet werden. Wird das Verlangen gestellt und der Einberufer macht diese Tagesordnungspunkte nicht innerhalb von 10 Tagen nach der Einberufung bekannt, so sind die darüber gefaßten Beschlüsse anfechtbar (§ 245 N r . 2). IV. Zusammensetzung des Aufsichtsrats Anm. 4: Die Entscheidungen des Aktionärs über seine Teilnahme an der Hauptversammlung kann davon abhängen, ob die Hauptversammlung bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern an Wahlvorschläge gebunden ist und nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt. Das Gesetz bestimmt daher, daß hierüber in der Bekanntmachung genaue Angaben enthalten sein müssen, wenn die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf der Tagesordnung steht. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats ergibt sich nicht allein aus § 96, sondern auch aus dem Betriebsverfassungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz, Mitbestimmungsergänzungsgesetz und der HoldingNovelle von 1956 (Bundesgesetzblatt I, S. 707) (vgl. im einzelnen Anm. 3 bis 6 zu § 96). Der Aktionär kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, sich selbst an Hand des Gesetzes zu informieren, wie sich der Aufsichtsrat zusammensetzt, sondern der Einberufer ist verpflichtet, Angaben hierüber zu machen. Die Hauptversammlung kann daneben an Wahlvorschläge — insbesondere nach dem Mitbestimmungsgesetz — gebunden sein, was ebenfalls mitzuteilen ist. V. Satzungsänderungen und Verträge Anm. 5: Einer besonderen Bekanntmachung bedarf ferner eine beabsichtigte Satzungsänderung oder der Abschluß eines an die Zustimmung der Hauptversammlung gebundenen Vertrages — z. B. Unternehmensvertrag (§ 293), Verschmelzungsverträge (§ 340) —, dies war bisher in § 145 II AktG 37 hinsichtlich der Satzungsänderungen geregelt, es ist jedoch nunmehr bestimmt, daß die Satzungsänderung nicht nur ihrem wesentlichen Inhalt nach — dies 665
§ 124
Anm. 5—7
Verfassung der Aktiengesellschaft
gilt für die Verträge —, sondern der genaue Wortlaut bekanntzumachen ist. Die Ankündigung ist auch notwendig, wenn nur beabsichtigt ist, den Aufsichtsrat zu einer Fassungsänderung zu ermächtigen, dagegen bedarf dann, wenn eine materielle Änderung, die ordnungsgemäß angekündigt war, beschlossen wurde und der Aufsichtsrat zur Neufassung der Satzung ermächtigt werden soll, diese Ermächtigung keiner besonderen Ankündigung. Es ist nicht erforderlich, daß der in der Bekanntmachung enthaltene Wortlaut auch die nachher endgültig beschlossene Satzungsänderung sein muß. Es kann sich bei der Erörterung über die Änderung ein anderer Wortlaut ergeben. Die Annahme eines derartigen Wortlautes würde den Beschluß nicht deshalb anfechtbar machen, weil dieser nicht in dieser Form bekanntgemacht worden ist. Durch die Änderung des Wortlauts darf allerdings nicht der beabsichtigte Sinn und Inhalt der beabsichtigten Satzungsänderung abgewandelt werden. Hinsichtlich der Verträge ist lediglich der wesentliche Inhalt bekanntzumachen. Die Verträge sind jedoch in den Gesellschaftsräumen auszulegen (vgl. z.B. §§ 293, 340).
VI. Vorschläge Anm. 6: Abs. 3 ist neu und befaßt sich mit Vorschlägen zu den einzelnen zur Beschlußfassung anstehenden Tagesordnungspunkten. Im allgemeinen sind diese Vorschläge vom Vorstand und Aufsichtsrat zu machen. Stehen Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern oder Prüfern an, so hat lediglich der Aufsichtsrat die Vorschläge zu machen, weil dieser den Vorstand und die Prüfer zu überwachen hat. Die Vorschläge sind zu allen Punkten zu machen und müssen in der Bekanntmachung der Tagesordnung enthalten sein. Dies gilt nicht, wenn der Gegenstand der Beschlußfassung auf Verlangen einer Minderheit auf die Tagesordnung gesetzt wurde und wenn die Hauptversammlung nach § 6 MitbestG an Wahlvorschläge hinsichtlich des Aufsichtsrats gebunden ist. Hinsichtlich der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und Prüfern ist zu beachten, daß Name, Beruf und Wohnort des Vorgeschlagenen anzugeben sind. Fehlen diese Angaben, so ist nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht.
VII. Verstoß Anm. 7: Über nicht ordnungsgemäß bekanntgemachte Gegenstände der Tagesordnung dürfen Beschlüsse nicht gefaßt werden. Trotzdem gefaßte Beschlüsse sind aber nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar (§§ 243, 245). D a ß nur über rechtzeitig angekündigte Punkte der Tagesordnung Beschluß gefaßt werden darf, hindert natürlich nicht, daß rein geschäftsordnungsmäßige Beschlüsse schlechthin zulässig sind. 666
Mitteilungen f ü r die A k t i o n ä r e u n d an Aufsichtsratsmitglieder
§§
124/125 Anm. 8
VIII. Verhandlungsmöglichkeiten ohne Bekanntmachung Anm. 8: Keiner besonderen Ankündigung bedürfen: a) der Beschluß über die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung, dem steht gleich der Antrag auf Vertagung der Hauptversammlung. Wird ein solcher Antrag angenommen, so entfällt damit nicht die Notwendigkeit der Einberufung der neuen Hauptversammlung gemäß den §§ 121,123,124. b) Anträge, die zu Gegenständen der Tagesordnung gestellt werden. Aktionäre können daher Anträge, die sich im Rahmen der Tagesordnung halten, stellen, ohne daß sie bekanntgemacht worden sind, d. h., die Anträge können nicht mit der Begründung der fehlenden Bekanntmachung zurückgewiesen werden. c) Verhandlungen ohne Beschlußfassung. Diese Bestimmung ermöglicht Aussprachen; hierher gehört nach dem Wortlaut die Erstattung von Berichten (§ 171 II) oder Anzeigen (§ 92), auch die Vorlegung des Jahresabschlusses, wenn sie (unüblich und entgegen § 120 III, etwa wenn kein Gewinn zu verteilen und niemand zu entlasten ist) nicht mit der Verhandlung über Entlastung und Gewinnverwendung verbunden wird. Da aber eine derartige Versammlung ihren Zweck verfehlen würde, wenn dieser nicht angekündigt würde und Abs. 4 für diesen Fall sicherlich Abs. 1 nicht aufheben will, würde der entsprechenden Vorschrift der Berichterstattung, Anzeige, Vorlegung nicht genügt sein, wenn die Hauptversammlung ohne Ankündigung dieser Gegenstände berufen worden sein sollte. Anträge, über die kein Beschluß zu fassen ist oder gefaßt werden kann, sind praktisch nur Anregungen, auch sie müssen sich aber im Rahmen der Tagesordnung halten. d) die Aufhebung eines eben gefaßten Beschlusses, welche bis zum Schluß der Hauptversammlung auch möglich ist, nachdem sich Aktionäre entfernt haben, die bei seiner Fassung mitgewirkt haben.
§ 125 Mitteilungen für die Aktionäre und an Aufsichtsratsmitglieder (1) Der Vorstand hat binnen zwölf Tagen nach der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger den Kreditinstituten und den Vereinigungen von Aktionären, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt oder die die Mitteilung verlangt haben, die Einberufung der Hauptversammlung, die Bekanntmachung der Tagesordnung und etwaige Anträge und Wahlvorschläge von Aktionären einschließlich des Namens des Aktionärs, der Begründung und einer etwaigen Stellungnahme der Verwaltung mitzuteilen. 667
§ 125
Anm. 1,2
Verfassung der Aktiengesellschaft
(2) Die gleiche Mitteilung hat der Vorstand den Aktionären zu übersenden, die 1. eine Aktie bei der Gesellschaft hinterlegt haben, 2. es nach der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger verlangen oder 3. als Aktionär im Aktienbuch der Gesellschaft eingetragen sind und deren Stimmrechte in der letzten Hauptversammlung nicht durch ein Kreditinstitut ausgeübt worden sind. (3) Jedes Aufsichtsratsmitglied kann verlangen, daß ihm der Vorstand die gleichen Mitteilungen übersendet. (4) Jeder Aktionär, der eine Aktie bei der Gesellschaft hinterlegt oder als Aktionär im Aktienbuch der Gesellschaft eingetragen ist, und jedes Aufsichtsratsmitglied kann verlangen, daß der Vorstand ihm die in der Hauptversammlung gefaßten Beschlüsse schriftlich mitteilt. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Inhalt der Mitteilung (Anm. 2) III. Frist (Anm. 3) IV. Mitteilungsempfänger 1. Kreditinstitute (Anm. 4 u. 5)
2. Aktionär (Anm. 6 bis 8) 3. Aufsichtsrat (Anm. 9) V. Verstoß (Anm. 10) VI. Mitteilungen über die Hauptversammlung (Anm. 11)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 106 I S . 2 A k t G 3 7 und des § 109 AktG 37, erweitert jedoch die darin enthaltenen Rechte der Aktionäre. Neu ist Abs. 1 (s. Anm. 2 bis 5), Abs. 2 Nr. 3 (s. Anm. 8). Abs. 2 Nr. 2 ist der bisherige § 108 I S. 2 AktG 37, demgegenüber jedoch die Vorschrift erweitert ist (s. Anm. 7); vgl. im übrigen Vorbem. vor §§ 124—128. II. Inhalt der Mitteilung Anm. 2: Folgendes ist nach § 125 mitzuteilen: a) die Einberufung der Hauptversammlung (vgl. § 121, insbesondere Abs. 3), b) die Bekanntmachung der Tagesordnung (vgl. § 124). Die Formulierung ist unglücklich, denn nicht die Bekanntmachung der Tagesordnung — Ausgabe der Gesellschaftsblätter und Tag des Erscheinens —, sondern die Tagesordnung selbst ist mitzuteilen, mit den darin nach § 124 III enthaltenen Vorschlägen der Verwaltung; c) Anträge und Wahlvorschläge von Aktionären, hierbei ist der Name des Aktionärs und seine Begründung mitzuteilen, sowie die Stellungnahme der Verwaltung hierzu, sofern sie eine abzugeben gedenkt. Nur solche Anträge von Aktionären sind mitzuteilen, die innerhalb einer Woche nach Be668
Mitteilungen für die Aktionäre und an Aufsichtsratsmitglieder
§ 125
Anm. 2—5
kanntmachung der Einberufung im Bundesanzeiger mitgeteilt worden sind, beachte jedoch § 126 II 127, die eine Mitteilungspflicht derartiger Anträge und Wahlvorschläge einschränken. III. Frist Anm. 3: Die Mitteilungen sind innerhalb einer Frist von 12 Tagen nach Bekanntmachung der Einberufung im Bundesanzeiger zu machen. Auf die Bekanntmachung in anderen Gesellschaftsblättern kommt es nicht an. Nur das Erscheinen der die Bekanntmachung enthaltenen Ausgabe des Bundesanzeigers ist für die Berechnung der Frist maßgebend; im übrigen gelten die §§ 187, 188 BGB. Wird die Frist nicht eingehalten, so hat das nicht etwa die Folge, daß die Kreditinstitute deshalb die unverzügliche Weitergabe an ihre Depotkunden verweigern könnten (so zu Unrecht Falkenhausen in Die Aktiengesellschaft 66, 75 und der Bundesverb, des priv. Bankgew. in WM 65, 1090 ff.), aber der Vorstand haftet, wenn wegen der Überschreitung der Frist die rechtzeitige Weitergabe an die Depotkunden nicht mehr möglich ist. Die Haftung besteht nur gegenüber den Aktionären, nicht der Bank. Der Schaden kann dadurch entstehen, daß der Aktionär sein Stimmrecht nicht durch das Kreditinstitut ausüben kann, wenn die Weitergabe nach § 128 unterblieben ist (s. die Anm. dort). IV. Mitteilungsempfänger 1. Kreditinstitute Anm. 4: Die Mitteilung ist zu richten an: a) Kreditinstitute und die Vereinigungen von Aktionären, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt haben. Eine besondere Anforderung ist in diesem Fall nicht erforderlich. Anm. 5: b) Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen, die eine Mitteilung verlangen. Hierbei kann nach dem Gesetzeswortlaut zweifelhaft sein, ob ein für die letzte Hauptversammlung gestelltes Verlangen dann noch von Bedeutung ist, wenn in dieser das Stimmenrecht nicht ausgeübt wurde. Sinn der Vorschrift ist, jedem Kreditinstitut und Aktionärvereinigung die Möglichkeit zu verschaffen, die Mitteilungen für seine Depotkunden zu beschaffen. Wird aber trotz Übersendung der Mitteilung das Stimmrecht nicht ausgeübt, so kann der Vorstand nicht verpflichtet sein, bei der nächsten Hauptversammlung ohne erneutes Verlangen die Mitteilung zu übersenden. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, denn der § 125 Abs. 1 handelt von den Mitteilungen, die für die neue Hauptversammlung zu machen sind. Durch die ausdrückliche Beifügung des Art. „die" ist klargestellt, daß es sich bei dem Verlangen um die Mitteilungen handeln muß, die für die anstehende 669
§125 Anm. 5, 6
Verfassung der Aktiengesellschaft
Hauptversammlung notwendig sind. Denn nur diese hat der Vorstand nach § 125 Abs. 1 zu übersenden. Es wäre auch eine Überforderung des Vorstandes, müßte er irgendwann gestellte Verlangen für alle Zukunft berücksichtigen. Er muß von seinem Teilnehmerverzeichnis ausgehen können und nicht darauf angewiesen sein müssen, alte Anforderungen ein ganzes Jahr aufzubewahren und auszuwerten. Jedes Kreditinstitut und jede Vereinigung von Aktionären kann eine derartige Mitteilung anfordern. Ein besonderes Interesse am Erhalt der Mitteilungen ist weder nachzuweisen noch glaubhaft zu machen. Jedes Kreditinstitut muß eine Mitteilung verlangen, wenn es neu die Aktie eines Aktionärs in ihr Depot nimmt. Dies ergibt sich aus § 128 I. Zwar besagt diese Bestimmung nur, daß ein Kreditinstitut, das für einen Aktionär Aktien der Gesellschaft verwahrt, die Mitteilung nach § 125 I unverzüglich weiterzugeben hat, nicht aber, daß es sie anzufordern hat. Diejenigen, die sich darauf berufen, daß die Anforderung nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, verkennen, daß der § 128 I eine gesetzliche Erweiterung jedes Depotvertrages beinhaltet und deshalb z. B. auch nicht durch Bankbedingungen ausgeschlossen werden kann. Der Sinn dieser gesetzlichen Festlegung ist, daß dem Aktionär, der seine Aktien in das Depot eines Kreditinstituts gibt, die Mitteilungen zuzuleiten sind. Da das Kreditinstitut aus § 125 die Möglichkeit hat, sich die Mitteilungen zu verschaffen, muß es von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen (vgl. auch Anm. 11 zu §128; a. A. der Bundesverb, des priv. Bankgew. a. a. O.; Obermüller-Werner-Winden, S. 76; Vallenthien in Bankbetrieb 65, 247; Obermüller in Die Aktiengesellschaft 66, 73 für den Fall, daß das Kreditinstitut nicht beabsichtigt, die Vertretung in der Hauptversammlung zu übernehmen). Zu der Frage, inwieweit der Aktionär gegenüber der Bank auf sein Recht auf Zusendung der Mitteilungen verzichten kann, vgl. § 128 Anm. 2. Bei der Pflicht zur Ubersendung der Mitteilungen handelt es sich um eine solche der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären. Zur Erfüllung dieser Pflicht werden durch die §§ 125, 128 die Kreditinstitute praktisch als Erfüllungsgehilfe des Vorstandes eingeschaltet, was wegen der Natur der Inhaberaktie notwendig ist. Daraus folgt, daß die Gesellschaft auf Verlangen des Kreditinstituts so viele Exemplare zu verschicken hat, wie dieses für seine Depotkunden benötigt. Wir sehen in der Übersendung an die Kreditinstitute nach § 125 und deren Weitergabe an die Aktionäre nach § 128 einen rein tatsächlichen Vorgang (a. A. Obermüller-Werner-Winden, S. 76). 2. Aktionär Anm. 6: c) jeden Aktionär, der eine Aktie bei der Gesellschaft hinterlegt hat; sind statt Aktien Zwischenscheine ausgegeben, so genügt ihre Hinter670
Mitteilungen f ü r die A k t i o n ä r e und an Aufsichtsratsmitglieder
§ 125
Anm. 6—10
legung. Sind Aktien, auch Namensaktien oder Zwischenscheine ausgegeben worden, so muß eine Aktie in natura, und zwar bei der Gesellschaft, hinterlegt werden. Gibt die Gesellschaft Hinterlegungsstellen an, so genügt auch die Hinterlegung bei einer von diesen, doch kann die Hinterlegung bei der Gesellschaft nicht ausgeschlossen werden. Einer besonderen Anforderung des Aktionärs — wie bisher nach § 109 AktG 37 — bedarf es nicht. Anm. 7: d) Aktionäre, die es nach der Bekanntmachung der Einberufung im Bundesanzeiger verlangen. Das Verlangen kann mündlich oder schriftlich gestellt werden und ist an den Einberufer zu richten. Jeder einzelne Aktionär kann den Anspruch durch Klage verfolgen. Der Anspruch ist unentziehbar durch Satzungsbestimmung. Der Nachweis der Aktionäreigenschaft kann verlangt werden und ist durch Vorlage einer Aktie oder einer Bescheinigung eines Kreditinstitutes zu führen. Anm. 8: e) jeden, der im Aktienbuch eingetragen ist und dessen Stimmrechte in der letzten Hauptversammlung nicht durch ein Kreditinstitut ausgeübt worden sind. Die Formulierung stellt klar, daß Inhabern von Namensaktien nur dann die Mitteilungen direkt von der Gesellschaft zu übersenden sind, wenn sie ihr Stimmrecht in der letzten Hauptversammlung nicht durch ein Kreditinstitut haben ausüben lassen. War jedoch ein solches bevollmächtigt, so sind die Mitteilungen diesem und nicht dem Aktionär zu übersenden. Die in diesem Jahr in einigen Fällen bekanntgewordene Weigerung der Gesellschaft, den Kreditinstituten in diesen Fällen die Mitteilungen zu übersenden, ist absolut contra legem und demnach unzulässig. Die Vereinigungen von Aktionären sind trotz der gleichlautenden Bestimmungen des Abs. 1 und § 128 hier nicht erwähnt, da sie wohl oft das Stimmrecht der Aktionäre ausüben, ohne daß dieser Aktionär Mitglied der Vereinigung ist (§ 128 V). 3.
Aufsichtsrat
Anm. 9: f) jedes Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen, es braucht nicht Aktionär zu sein. Das Verlangen kann mündlich oder schriftlich gestellt werden. Das Recht ist ebenfalls unentziehbar. V . Verstoß Anm. 10: Werden die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 verletzt, so sind die Beschlüsse der Hauptversammlung anfechtbar, und zwar auch nach § 245 Nr. 2, jedoch nur dann, wenn die Unterlassung auf die Beschlußfassung Einfluß hatte ( R G 103, 7), also nicht, wenn der Aktionär trotzdem rechtzeitig zuverlässige Nachricht von Ort, Zeit und Tagesordnung der bestehenden Hauptversammlung erlangt, insbesondere wenn er die Bekanntmachung gelesen hat. Die Gesellschaft, ihr gegenüber der Vorstand, macht sich schadens671
§§125/126
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 10,11 ersatzpflichtig. Werden einem Aufsichtsratsmitglied trotz Verlangens die Mitteilungen nicht übersandt, so kann das keinen Einfluß auf die Hauptversammlungsbeschlüsse haben, es sei denn, er ist auch Aktionär, insoweit fällt er jedoch unter Abs. 2 Nr. 2. Die Mitteilung hat kostenlos durch eingeschriebenen Brief zu erfolgen. Selbst die Übersendung der Aktien erfolgt auf Kosten der Gesellschaft.
VI. Mitteilungen über die Hauptversammlung Anm. 11: Nach der Hauptversammlung sind an die Aktionäre, die Aktien hinterlegt haben oder die im Aktienbuch eingetragen sind und jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen eine Mitteilung über die gefaßten Beschlüsse zu machen, und zwar schriftlich. Es kann aber nur Mitteilung der Beschlüsse verlangt werden, nicht Übersendung der Unterlagen, die den Beschlüssen zugrunde liegen, oder irgendwelcher Urkunden. Der Aktionär kann das Verlangen auch stellen, wenn er an der Hauptversammlung teilgenommen hat. Das Verlangen ist mündlich oder schriftlich an den Vorstand zu richten, der die Mitteilung auch zu versenden hat. Außerdem hat nach § 34 FGG jeder Aktionär, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, z. B. einen Beschluß anfechten will oder in der Hauptversammlung anwesend oder vertreten war, das Recht auf Einsicht der Niederschrift über die Hauptversammlung und Erteilung einer einfachen oder beglaubigten Abschrift der Niederschrift nebst Anlagen (KG OLG 16, 95). Unterbleibt die Mitteilung der Beschlüsse, so werden diese damit nicht anfechtbar. Es wird auch nicht der Lauf der Anfechtungsfrist gehemmt, jedoch ist die Gesellschaft unter Umständen schadensersatzpflichtig.
§ 126 Anträge von Aktionären (1) Anträge von Aktionären braudien nadi § 125 nur mitgeteilt zu werden, wenn der Aktionär binnen einer Woche nach der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger der Gesellschaft einen Gegenantrag mit Begründung übersandt und dabei mitgeteilt hat, er wolle in der Versammlung einem Vorschlag des Vorstands und des Aufsichtsrats widersprechen und die anderen Aktionäre veranlassen, für seinen Gegenantrag zu stimmen. (2) Ein Gegenantrag und dessen Begründung brauchen nicht mitgeteilt zu werden, 1. soweit sich der Vorstand durch die Mitteilung strafbar machen würde, 2. wenn der Gegenantrag zu einem gesetz- oder satzungswidrigen Beschluß der Hauptversammlung führen würde, 672
Anträge von Aktionären
§126
Anm. 1
3. wenn die Begründung in wesentlichen Punkten offensichtlich falsche oder irreführende Angaben oder wenn sie Beleidigungen enthält, 4.
wenn ein auf denselben Sachverhalt gestützter Gegenantrag des Aktionärs bereits zu einer Hauptversammlung der Gesellschaft nach § 125 mitgeteilt worden ist.
5. wenn derselbe Gegenantrag des Aktionärs mit wesentlich gleicher Begründung in den letzten fünf Jahren bereits zu mindestens zwei Hauptversammlungen der Gesellschaft nach § 125 mitgeteilt worden ist und in der Hauptversammlung weniger als der zwanzigste Teil des vertretenen Grundkapitals für ihn gestimmt hat, 6. wenn der Aktionär zu erkennen gibt, daß er an der Hauptversammlung nicht teilnehmen und sich nicht vertreten lassen wird, oder 7. wenn der Aktionär in den letzten zwei Jahren in zwei Hauptversammlungen einen von ihm mitgeteilten Gegenantrag nicht gestellt hat oder nicht hat stellen lassen. Die Begründung braucht nicht mitgeteilt zu werden, wenn sie insgesamt mehr als einhundert Worte beträgt. (3) Stellen mehrere Aktionäre zu demselben Gegenstand der Beschlußfassung Gegenanträge, so kann der Vorstand die Gegenanträge und ihre Begründungen zusammenfassen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Voraussetzung der Mitteilungspflidit (Anm. 2)
III. Befreiung von der Mitteilungspflicht (Anm. 3 bis 9) IV. Inhalt der Mitteilung (Anm. 10 u. 11)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist neu und bestimmt, welche Anträge von Aktionären gemäß § 125 mitzuteilen sind. Der Vorstand soll nicht verpflichtet sein, jede Opposition mitzuteilen. Bisher haben aufgrund der „Ergänzung und Grundsätze über die Ausübung des Stimmrechts aufgrund einer Ermächtigung nach § 114 I V Aktiengesetz von 1937" (Bundesanzeiger 1963, Nr. 240), die vom Bundesverband des privaten Bankgewerbes ergangen sind, die Banken über die Weiterleitung derartiger Anträge entschieden. Nunmehr liegt die Entscheidung unter Beachtung des § 126 beim Vorstand. Praktische Folge dieser Bestimmung ist, daß Gegenanträge nach § 126 auf Kosten der Gesellschaft mitzuteilen sind. Unbenommen bleibt einem Opponenten — z. B. weil seine Gegenanträge aus den Gründen des Abs. 2 nicht mitgeteilt werden — auf seine Kosten, durch Zeitungsanzeigen oder dergleichen, Mitstreiter zu suchen. Vgl. auch Vorbem. zu §§ 124 — 128. 673 43
Wilhelmi, Aktiengesetz
§126 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 2,3 II. Voraussetzung der Mitteilungspflicht Anm. 2: Voraussetzungen der Mitteilung dieser Anträge sind: a) binnen einer Woche nach Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger muß der Gegenantrag dem Vorstand angezeigt werden. Es muß sich also um einen Antrag handeln, der sich gegen einen nach § 124 III mitgeteilten Vorschlag des Vorstandes und Aufsichtsrats richtet. Völlig neue Anträge können nur berücksichtigt werden, wenn nach § 122 II eine Ergänzung der Tagesordnung verlangt wird (Falkenhausen in Die Aktiengesellschaft 66, 74). Die Frist beginnt mit dem Erscheinen der die Bekanntmachung der Einberufung enthaltenen Nummer des Bundesanzeigers. Wann die Bekanntmachung in den anderen Gesellschaftsblättern erfolgt ist, ist für die Berechnung der Frist unmaßgeblich; b) der Gegenantrag muß begründet sein. Der Antrag muß also auf einen bestimmten Sachverhalt gestützt werden, der dem Vorstand mitzuteilen ist. Diese Begründung ist für die Frage der Weiterleitung gemäß Abs. 2 Nr. 3 u. 4 von Bedeutung; c) der Aktionär muß mitteilen, daß er einem Vorschlag des Vorstandes und des Aufsichtsrates widersprechen will. Es muß aus der Anzeige des Aktionärs klar hervorgehen, daß er einem Vorschlag gemäß § 124 Abs. 3 widersprechen will und gegen welchen; d) es muß ferner erklärt werden, daß der Aktionär die anderen Aktionäre veranlassen will, für seinen Gegenantrag zu stimmen. Man wird einen ausdrücklichen Hinweis auf diese Absicht nicht mit der Folge verlangen können, daß bei nicht ausdrücklicher Erwähnung dieser Antrag nicht mitgeteilt zu werden braucht. In der Feststellung, gegen einen Vorschlag des Vorstandes und des Aufsichtsrates stimmen zu wollen, liegt das Bestreben, diesen Vorschlag zu Fall zu bringen; hierfür ist jedoch die Mehrheit der vertretenen Stimmen erforderlich, so daß er versuchen muß, die anderen Aktionäre für seinen Gegenantrag zu gewinnen. Wenn die Voraussetzung zu oben c) erfüllt ist, so liegt darin unseres Erachtens gleichzeitig die Mitteilung der Absicht, die anderen Aktionäre für den von ihm gestellten Gegenantrag zu gewinnen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist der Gegenantrag mit Begründung (s. aber unten) grundsätzlich nach § 125 mitzuteilen. Hiervon kann nur in vom Gesetz genau umrissenen Fällen Abstand genommen werden (s. Anm. 3 bis 10). III. Befreiung von der Mitteilungspflicht Anm. 3: a) Wenn sich der Vorstand durch die Mitteilung strafbar machen würde, hierunter fallen z. B. die Strafvorschriften der §§ 399, 400, 404, aber auch alle sonstigen strafrechtlichen Bestimmungen. 674
Anträge von Aktionären
§126
Anm. 4—7
Anm. 4: b) Wenn der Gegenantrag zu einem gesetz- oder satzungswidrigen Beschluß der Hauptversammlung führen würde. Der Vorstand kann nicht verpflichtet werden, solche Anträge weiterzuleiten, die auf einen nichtigen oder anfechtbaren Hauptversammlungsbeschluß abzielen, z. B. Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer, Ausschüttung eines Betrags zu Lasten des Grundkapitals. Anm. 5: c) Wenn die Begründung in wesentlichen Punkten offensichtlich falsche oder irreführende Angaben oder wenn sie Beleidigungen enthält. Der Vorstand hat ein Interesse daran, daß die Aktionäre über alles, was die Gesellschaft betrifft, richtig unterrichtet werden. Er muß daher die Möglichkeit haben, unrichtige oder irreführende Darstellungen zurückzuhalten. Fraglich ist, ob Beleidigungen ganz allgemein oder nur solche gegenüber Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrats den Vorstand berechtigen, von einer Mitteilung Abstand zu nehmen. Nur Beleidigungen der Organe der Gesellschaft und damit auch deren Mitglieder fallen unter diese Ziffer, zumal Beleidigungen anderer Personen kaum in einer solchen Begründung zu finden sein werden. Unter Beleidigung sind auch üble Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB) zu verstehen. Audi wenn der Aktionär die Voraussetzungen eines dieser Vorschriften erfüllt hat, so kann er doch wegen Wahrung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) oder deswegen straflos sein, weil er den Beweis der Wahrheit der behaupteten Tatsache (§ 192 StGB) antreten kann. Ergibt sich aus seiner Begründung, daß dies der Fall ist, so liegt unseres Erachtens der Fall des § 126 II Nr. 3 nicht vor, und der Vorstand kann die Mitteilung des Gegenantrages nicht mit dieser Begründung verweigern. Anm. 6: d) Wenn ein auf denselben Sachverhalt gestützter Gegenantrag des Aktionärs bereits zu einer Hauptversammlung der Gesellschaft nach § 125 mitgeteilt worden ist. Wenn auch § 13 EG (s. Anm. 7) die Nr. 4 nicht ausdrücklich aufzählt, so sind doch auch hier im allgemeinen nur solche Hauptversammlungen zu verstehen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abgehalten worden sind. Dies ergibt sich daraus, daß der Gegenantrag schon einmal nach § 125 mitgeteilt worden sein muß. § 125 ist aber insoweit neu. Sind aber aufgrund Satzungsbestimmungen oder aus sonstigen Gründen bereits früher von Einberufern Mitteilungen versandt worden, die dem § 125 entsprechen, so sind unseres Erachtens derartige Mitteilungen für die Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob die Voraussetzungen der Nr. 4 vorliegen. Anm. 7: e) Wenn derselbe Gegenantrag des Aktionärs mit wesentlich gleicher Begründung in den letzten fünf Jahren bereits zu mindestens zwei Hauptversammlungen der Gesellschaft nach § 125 mitgeteilt worden ist und in der Hauptversammlung weniger als der zwanzigste Teil des vertretenen 43*
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§126
Anm. 7—10
Verfassung der Aktiengesellschaft
Grundkapitals für ihn gestimmt hat. Nach § 13 EG sind hierbei nur die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (1.1. 1966) stattgefundenen Hauptversammlungen zu berücksichtigen. Zu beachten ist, daß ein gleicher Gegenantrag wiederholt gestellt werden kann und auch mitgeteilt werden muß, wenn die Begründung eine andere ist, denn Nr. 5 stellt drei Bedingungen auf, die alle erfüllt sein müssen, um die Mitteilung verweigern zu können: aa) er muß im wesentlichen die gleiche Begründung wie bisher haben, bb) er muß in den letzten 5 Jahren zu 2 Hauptversammlungen nach § 125 mitgeteilt worden sein und schließlich cc) müssen in der Hauptversammlung, zu denen er mitgeteilt worden ist, weniger als 5 % des Grundkapitals für ihn gestimmt haben. Haben genau 5 % dafür gestimmt, so liegen die Voraussetzungen der Nr. 5 nicht vor, da es im Gesetz heißt: „weniger als . . Anm. 8: f) Wenn der Aktionär zu erkennen gibt, daß er an der Hauptversammlung nicht teilnehmen und sich nicht vertreten lassen wird. Diese Bestimmung ist überflüssig, da Abs. 1 bereits bestimmt, daß der Aktionär ausdrücklich mitzuteilen hat, er wolle in der Versammlung dem Vorschlag des Vorstandes und des Aufsichtsrates widersprechen. Dies setzt voraus, daß er an der Hauptversammlung teilnimmt oder sich zumindest vertreten läßt. Hat er eine derartige Erklärung nicht abgegeben, so braucht der Gegenantrag schon nach Abs. 1 nicht mitgeteilt zu werden. Hat er sie aber abgegeben, so liegt darin immer die Erklärung, daß er bei der Hauptversammlung vertreten sei. Anm. 9: g) Wenn der Aktionär in den letzten zwei Jahren in zwei Hauptversammlungen einen von ihm mitgeteilten Gegenantrag nicht gestellt hat oder nicht hat stellen lassen. Auch für diese Ziffer gilt § 13 EG, wonach nur die nach dem 1.1. 1966 abgehaltenen Hauptversammlungen hierbei berücksichtigt werden können. IV. Inhalt der Mitteilung Anm. 10: Wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 (Anm. 2) und keine der in Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 7 genannten Fällen vorliegt (Anm. 3 bis 9), so ist der Vorstand verpflichtet, die Gegenanträge und die Begründung gemäß § 125 mitzuteilen. Von der Mitteilung der Begründung kann er absehen, wenn sie insgesamt mehr als 100 Worte umfaßt. Der Aktionär soll damit gezwungen sein, seine Begründung knapp zu halten und die Kosten der Mitteilungen sollen nicht unnötig erhöht werden. Hält der Vorstand die Begründung für nicht stichhaltig, so hat er sie dennoch mitzuteilen, da die in Abs. 2 aufgeführten Möglichkeiten, keine Mitteilung zu machen, erschöpfend sind. Es steht dem Vorstand allerdings frei (§ 125 I), eine eigene Stellungnahme beizufügen. 676
W a h l Vorschläge von Aktionären
§§126/127
Anm. 11/1—3
Anm. 11: Es ist möglich, daß gleiche oder ähnliche Gegenanträge gestellt werden oder mehrere Gegenanträge zum gleichen Tagesordnungspunkt. Der Vorstand müßte jeden Gegenantrag mit Begründung weiterleiten. Abs. 3 gestattet ihm deswegen, solche Gegenanträge mit den Begründungen zusammenzufassen. Soweit sie nicht völlig übereinstimmen, müssen aber die verschiedenen Anträge und Begründungen in der Zusammenfassung erkennbar sein. § 127 Wahlvorschläge von Aktionären Für den Vorschlag eines Aktionärs zur Wahl v o n Aufsichtsratsmitgliedern oder v o n Abschlußprüfern gilt § 126 sinngemäß. D e r Wahlvorschlag braucht nicht begründet zu werden. Der Vorstand braucht den Wahlvorschlag auch dann nicht mitzuteilen, wenn der Vorschlag nicht die Angaben nach § 124 Abs. 3 Satz 3 enthält.
Anm. 1: Die Bestimmung ist neu und ergänzt den § 126 in Zusammenhang mit § 125. § 125 bestimmt allgemein die Mitteilungspflicht des Vorstandes bezüglich der Anträge und Wahlvorschläge der Aktionäre. § 126 gibt hierzu Einzel Vorschriften bezüglich der Anträge und § 127 bezüglich der Wahlvorschläge. Diese sind deshalb gesondert geregelt worden, weil in einem anderen Wahlvorschlag nicht eine Opposition zu erblicken ist, was bei Gegenanträgen zu sonstigen Tagesordnungen stets der Fall ist. Vgl. im übrigen Vorbem. zu §§ 124—128; über die Behandlung der Wahlvorschläge in der Hauptversammlung vgl. § 137. Anm. 2: Für die Frage, ob ein Wahlvorschlag eines Aktionärs mitgeteilt werden muß, gilt § 126 sinngemäß; danach sind zunächst folgende Voraussetzungen zu beachten: Der Wahlvorschlag muß innerhalb einer Woche nach Bekanntmachung im Bundesanzeiger beim Vorstand eingehen (s. § 126 Anm. 2); da es sich nicht um einen Gegenvorschlag handelt (s. Anm. 1), muß die Mitteilung nicht enthalten, daß in der Versammlung dem Vorschlag des Aufsichtsrates (§ 124 Abs. 3) widersprochen werden soll. Auch eine Begründung ist gemäß § 127 S. 2 nicht erforderlich. Anm. 3:
Hinsichtlich der Fälle des § 126 I I gilt folgendes:
mit der Mitteilung des Wahlvorschlages kann sich der Vorstand nicht strafbar machen, so daß N r . 1 entfällt. Es kann jemand vorgeschlagen werden, der nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann, z. B. Minderjährige oder ein Vorstandsmitglied, N r . 2 ist daher anwendbar (s. § 126 Anm. 4). N r . 3 und 4 beziehen sich auf die Begründung, die bei einem Wahlvorschlag ent677
§§ 127/128
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 3—5 fällt; diese Ziffern sind daher nur anwendbar, wenn eine Begründung gegeben wird; Nr. 5 paßt nicht auf die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Prüfern. Es ist möglich, daß ein Wahlvorschlag mehrfach abgelehnt worden ist, da bessere Anwärter vorhanden waren, diese können inzwischen schon gewählt worden sein oder aus sonstigen Gründen nicht mehr zur Wahl stehen, daher ist es denkbar, daß ein schon mehrfach durchgefallener Wahlvorschlag nunmehr durchkommt. Nr. 5 ist daher nicht anwendbar. Hinsichtlich Nr. 6 siehe § 126 Anm. 8. Nr. 7 soll verhindern, daß ein Aktionär immer wieder Anträge ankündigt, ohne sie später in der Hauptversammlung zu verfolgen, damit soll praktisch Querulantentum unterbunden werden. Nr. 7 ist daher auch hier anwendbar (s. § 126 Anm. 9). Anm. 4: Eine Begründung ist bei einem Wahlvorschlag nicht erforderlich, kann aber trotzdem gegeben werden; wird sie gegeben, so gelten alle für die Begründung von Gegenanträgen bestehenden Bestimmungen auch hierfür (§ 126 I I S . 1 Nr. 3 und 4 und S. 2). Der Vorstand ist auch verpflichtet, diese Begründung mitzuteilen. Er kann mehrere Wahlvorschläge zusammenfassen (§ 126 III). Anm. 5: Der Aktionär muß bei seinem Wahlvorschlag § 124 III S. 3 beachten, das heißt er muß den Namen, Beruf und Wohnort seines vorgeschlagenen Kandidaten angeben. Fehlt es an einer dieser Angaben, so muß der Wahlvorschlag nicht mitgeteilt werden (§ 127 S. 3).
§ 128 Weitergabe der Mitteilungen durch Kreditinstitute und Vereinigungen von Aktionären (1) Verwahrt ein Kreditinstitut für Aktionäre Aktien der Gesellschaft, so hat es die Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 unverzüglich an sie weiterzugeben. (2) Beabsichtigt das Kreditinstitut, in der Hauptversammlung das Stimmrecht für Aktionäre auszuüben oder ausüben zu lassen, so hat es dem Aktionär außerdem eigene Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung mitzuteilen. Bei den Vorschlägen hat sich das Kreditinstitut vom Interesse des Aktionärs leiten zu lassen. Das Kreditinstitut hat den Aktionär ferner um Erteilung von Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts zu bitten und darauf hinzuweisen, daß es, wenn der Aktionär nicht rechtzeitig eine andere Weisung erteilt, das Stimmrecht entsprechend seinen nach Satz 1 mitgeteilten Vorschlägen ausüben werde. Das Kreditinstitut hat der Bitte um Erteilung von Weisungen ein Formblatt beizufügen, durch dessen Ausfüllung der Aktionär 678
Weitergabe von Mitteilungen
§128
Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilen kann. Gehört ein Vorstandsmitglied des Kreditinstituts dem Aufsichtsrat der Gesellschaft oder ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft dem Aufsichtsrat des Kreditinstituts an, so hat das Kreditinstitut auch dies mitzuteilen. (3) Soweit ein Aktionär nach Einberufung der Hauptversammlung dem Kreditinstitut zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung schriftlich Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts erteilt hat, braucht das Kreditinstitut keine eigenen Vorschläge nach Absatz 2 mitzuteilen und den Aktionär nicht um Erteilung von Weisungen zu bitten. (4) Die Verpflichtung des Kreditinstituts zum Ersatz eines aus der Verletzung der Absätze 1 oder 2 entstehenden Schadens kann im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. (5) Gehören einer Vereinigung von Aktionären Aktionäre der Gesellschaft als Mitglieder an, so hat die Vereinigung die Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 an diese Mitglieder auf deren Verlangen unverzüglich weiterzugeben. Im übrigen gelten die Absätze 2 bis 4 für Vereinigungen von Aktionären entsprechend. (6) Der Bundesminister der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung 1. ein Formblatt für die Erteilung von Weisungen durch den Aktionär vorzuschreiben, das die Kreditinstitute und die Vereinigungen von Aktionären ihrer Bitte um Weisungen nach Absatz 2 Satz 3 beizufügen haben, 2. vorzuschreiben, daß die Gesellschaft den Kreditinstituten und den Vereinigungen von Aktionären die Aufwendungen für die Vervielfältigung der Mitteilungen und für ihre Übersendung an die Aktionäre oder an ihre Mitglieder zu ersetzen hat. Zur Abgeltung der Aufwendungen kann für jedes Schreiben nach Absatz 1 ein Pauschbetrag festgesetzt werden. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. I. Übersicht (Anm. 1) II. Mitteilung des Vorstandes (Anm. 2) III. Voraussetzung der Stimmrechtsausübung 1. Vollmacht (Anm. 3) 2. Vorschläge über Stimmrechtsausübung (Anm. 4) 3. Weisungen des Aktionärs (Anm. 5) 4. Formblatt (Anm. 6) 5. Inhalt der Weisungen (Anm. 7)
6. Behandlung der Weisung (Anm. 8) 7. Mitteilungen von Verflechtungen (Anm. 9) IV. Befreiung nach Abs. 3 (Anm. 10) V. Schadensersatzpflicht und deren Ausschluß (Anm. 11) VI. Vereinigungen von Aktionären (Anm. 12 u. 13) VII. Ermächtigung (Anm. 14)
679
§128
Anm. 1,2
Verfassung der Aktiengesellschaft
I. Obersicht Anm. 1: Jedes Kreditinstitut, das Aktien eines Kunden im Depot hat, muß die Mitteilungen unverzüglich an diesen weiterleiten, die ihm nach § 125 I zugegangen sind (Abs. 1). Nach Abs. 2 muß es weiterhin, wenn es ein Stimmrecht in der Hauptversammlung ausüben will, außerdem eigene Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts zu den einzelnen Gegenständen in der Tagesordnung dem Aktionär mitteilen. Vgl. im übrigen Vorbem. zu §§ 124—128. II. Mitteilung des Vorstandes Anm. 2: Jedes Kreditinstitut, das Aktien einer Gesellschaft für Aktionäre verwahrt, hat die ihm von der Gesellschaft nach § 125 I zugegangenen Mitteilungen unverzüglich an die Aktionäre, d. h. also vom Kreditinstitut aus gesehen an seine Depotkunden weiterzugeben. Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob das Kreditinstitut beabsichtigt, Stimmrechte für Depotkunden auszuüben. Das Kreditinstitut handelt insoweit als Erfüllungsgehilfe des Vorstands (vgl. § 125 Anm. 5). Das schließt nicht aus, daß die Kreditinstitute, die sich mit dem Depotgeschäft überhaupt befassen, aufgrund des mit dem Kunden entstehenden Depotvertrages verpflichtet sind, dessen Interessen zu wahren, wenn ihnen die Mitteilungen von der Gesellschaft nicht zugehen (vgl. § 125 Anm. 4). Andererseits ergibt sich aus der Tatsache, daß die Weitergabe die Erfüllung einer Verpflichtung der Gesellschaft ist, die Frage, ob der Aktionär durch eine Abmachung mit seinem Kreditinstitut dieses von der Erfüllung der Pflicht befreien kann, worauf Consbruch ( 2 F K , 65, 1158) mit Recht hinweist, (ebenso Falkenhausen, Die Aktiengesellschaft 1966, 76; a. A. der Bundesverband des privaten Bankgewerbes in WM 65, 1091; Vallentin in Bankbetrieb 65, 247). Demgegenüber muß für die Praxis anerkannt werden, daß es Fälle gibt, in denen der Aktionär seiner Bank gegenüber auf die Übersendung der Mitteilungen verzichten kann, ja sogar darüber hinaus rechtswirksam die Anweisung geben kann, diese Zusendungen zu unterlassen. Das wird man stets dann zubilligen können, wenn Gründe für eine solche Anweisung vorliegen, also z. B. wenn einem im Ausland lebenden Kunden Schwierigkeiten dadurch entstehen können, daß die Tatsache seines Aktienbesitzes bekannt wird. Das wird insbesondere vielfach der Fall sein, wenn es sich um Aktionäre mit dem Wohnsitz in der Zone oder in den Ostblockländern handelt (Falkenhausen a. a. O.). Auch andere Gründe sind denkbar, z. B. wenn der Wohnsitz des Aktionärs soweit entfernt liegt, daß er rechtzeitig nur durch Luftpostsendung erreicht werden könnte. In diesem Fall wird mit Rücksicht auf die Höhe der Kosten der Übersendung der Aktionär das Recht haben zu verzichten. 680
Weitergabe von Mitteilungen
§128
Anm. 2 , 3
In allen solchen Fällen, in denen die Übersendung der Mitteilung nach § 1 2 5 unterbleibt, hat das Kreditinstitut nicht die Möglichkeit, aus den Aktien das Stimmrecht auszuüben. Die Aktien bleiben praktisch mithin unvertreten (allg. A., auch Bundesverb, des priv. Bankgew. a. a. O.). Ob die Mitteilungen des Vorstandes dem Kreditinstitut innerhalb der Frist von 12 Tagen des § 125 I zugegangen sind, ist gleichgültig. Die Weitergabe hat in allen Fällen unverzüglich zu erfolgen, soweit die Mitteilungen den Depotkunden noch rechtzeitig erreichen können, wobei unter rechtzeitig zu verstehen ist, noch vor der Hauptversammlung, so daß der Kunde in der Lage ist, u. U. telegrafisch seine Vollmacht zurückzuziehen (vgl. § 125) oder Weisungen zu erteilen. III. Voraussetzung der Stimmrechtsausübung 1. Vollmacht Anm. 3: Während die Mitteilungen nach Abs. 1 stets dann zu machen sind, wenn das Kreditinstitut Aktien für Aktionäre der Gesellschaft verwahrt, braucht es die Vorschläge nach Abs. 2 nur dann den Aktionären zu machen, wenn es in der bevorstehenden einberufenen Hauptversammlung das Stimmrecht für irgendeinen Aktionär auszuüben beabsichtigt. Ist das nicht der Fall, so bedarf es einer solchen Mitteilung nicht, auch dann nicht, wenn etwa in der letzten Hauptversammlung das Kreditinstitut das Stimmrecht für den jetzigen oder für andere Kunden ausgeübt hat. Auf der anderen Seite kommt es nicht darauf an, ob die Bank beabsichtigt, nun für alle Depotkunden das Stimmrecht ausüben; wenn es nur für einen das Stimmrecht auszuüben gedenkt, muß die Mitteilung allen Depotkunden, die Aktien dieser Gesellschaft haben, zugehen. Während die Mitteilung nach Abs. 1 den Sinn hat, den Aktionär über das zu informieren, was in der Hauptversammlung vorgehen soll, insbesondere auch, wie sich die Verwaltung der Gesellschaft den Ablauf der Hauptversammlung denkt, was sich aus ihren Vorschlägen ergibt, handelt es sich nach Abs. 2 darum, daß der Aktionär weiß, wie seine Bank zu stimmen gedenkt, wenn er sie gewähren läßt. Hier spielt die Neuregelung des Depotstimmrechts eine nicht unbedeutende Rolle. Während nach dem Reg.E. erst in diesem Zeitpunkt die Vollmacht erteilt werden sollte, der Aktionär also aktiv werden mußte, um dem Kreditinstitut das Recht zu geben, sein Stimmrecht auszuüben, bedarf es nach der jetzt vorgenommenen Neuregelung nur eines passiven Verhaltens des Aktionärs. Die Vollmacht kann er nach § 135 wie bisher generell mit einer Längstdauer von 15 Monaten für alle Aktien, die er im Depot einer Bank liegen hat, d. h. also auch für Aktien verschiedener Gesellschaften, in einem Zuge erteilen. Das wird wie bisher so vor sich gehen, daß der Aktionär mit der Depotaufstellung zu Beginn eines Kalenderjahres ein Vollmachtsformular erhält, mit der Bitte, es dem Kredit-
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§128
Anm. 3
Verfassung der Aktiengesellschaft
institut zurückzuschicken. Unterzeichnet der Depotkunde diese Vollmacht und schickt sie wieder zurück, so ist das Kreditinstitut berechtigt, in den Hauptversammlungen aller Gesellschaften, von denen sein Kunde Aktien im Depot liegen hat, für den Kunden aufzutreten, und zwar nach den neuen Bestimmungen entweder unter Angabe des Vollmachtgebers oder für denjenigen, den es angeht. Dies ist auch dann möglich, wenn der Aktionär auf die Mitteilung nach Abs. 1 und 2 überhaupt nicht reagiert, also wenn er sich passiv verhält. Rechtspolitisch spielt eine Rolle, daß die im Reg.E. vorgesehene scharfe Einschränkung der rechtlichen Möglichkeiten, Vollmacht zu erteilen, gegen das Prinzip verstößt, daß jeder grundsätzlich unbegrenzt und unbefristet Vollmacht erteilen kann, ja sogar über seinen Tod hinaus. Zwar ist schon im bisherigen und entsprechend auch im neuen Recht dieser Grundsatz im Aktienrecht durchbrochen insofern, als nur für einen beschränkten Zeitraum — 15 Monate — gültig eine Vollmacht zur Stimmvertretung für Kreditinstitute ausgestellt werden kann. Eine noch weitere Einschränkung des Grundsatzes wäre rechtspolitisch immerhin bedenklich gewesen. Die jetzt gefundene Lösung dürfte auch den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen, denn einmal ist die Information des Aktionärs schon durch die öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger der Tagesordnung mit den Vorschlägen der Verwaltung insofern eine wesentlich bessere, als der interessierte Aktionär zwar nicht den Bundesanzeiger, wohl aber die Wirtschaftstagespresse liest, die sich jedenfalls dann mit der Veröffentlichung befassen wird, wenn sie etwas Besonderes enthält. Außerdem bekommt der Aktionär, wenn er seine Aktie einem Kreditinstitut ins Depot gegeben hat, jedenfalls noch einmal schriftlich das, was in der Bekanntmachung bei der Einberufung der Gesellschaft enthalten ist, also auch wiederum die Tagesordnung und die Vorschläge des Vorstandes. Damit weiß er, auch wenn es sich um weniger wichtige Punkte handelt, die nicht von der Wirtschaftspresse aufgegriffen werden, jedenfalls darüber Bescheid, um was es in der Hauptversammlung geht. D a er noch eine Mitteilung von seiner Bank erhält, aus der er erkennen kann, wie diese abzustimmen gedenkt, so wird er damit noch einmal in der Richtung angestoßen, sich zu überlegen, ob er mit dem Vorschlag der Bank einverstanden ist. Kommt er zu dem Ergebnis, daß er in dem einen oder anderen Punkt anderer Ansicht ist, braucht er dies dem Kreditinstitut nur mitzuteilen, oder ihm überhaupt die Nutzung der Vollmacht zu verbieten. Er braucht also nicht etwa die ganze Vollmacht zurückzuziehen, denn ein solches Verbot, im Einzelfall von der Vollmacht Gebrauch zu machen, muß das Kreditinstitut schon aufgrund des zwischen ihm und dem Depotkunden bestehenden Vertrages erfüllen. Selbst wenn sich aus dem formularmäßigen Bankvertrag etwas anderes ergibt, könnte dieses Recht des Depotkunden nicht abgedungen werden, man müßte nämlich alsdann die Erklärung des Kunden, von der Vollmacht keinen Gebrauch zu machen, als 682
Weitergabe von Mitteilungen
§128
Anm. 3,4
Widerruf der gesamten Vollmacht auffassen, mit der Folge, daß dann das Kreditinstitut in keiner anderen Hauptversammlung für den Kunden mehr auftreten kann. Ein solcher Widerruf der Vollmacht kann aber niemals rechtswirksam ausgeschlossen werden (§ 135 II S. 2). 2. Vorschläge über Stimmrechtsausübung Anm. 4: Das Kreditinstitut ist in der Gestaltung seiner Vorschläge, wie es abzustimmen gedenkt, nicht völlig frei. Das Gesetz schreibt vor, es müsse sich dabei vom Interesse des Aktionärs leiten lassen. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß es grundsätzlich sich auf den Standpunkt stellen sollte, eine höhere Dividende zu verlangen, wenn etwa erhebliche Rüdslagen aus dem Jahresabschluß ersichtlich sind. Es ist keineswegs so, daß es stets im Interesse des Aktionärs liegt, eine möglichst hohe Dividende zu bekommen. Eine Stärkung der Rücklagen kann sehr wohl im wohlverstandenen Interesse des Aktionärs liegen. Daher muß das Kreditinstitut diese Frage sorgfältig prüfen. Wenn z. B. die Verwaltung bei Aufstellung des Jahresabschlusses die ihr nach § 58 gegebene Möglichkeit, die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rüdslagen einzustellen, voll ausgenutzt hat und gleichzeitig den Aktionären vorschlägt, weitere erhebliche Beträge in freie Rücklagen einzustellen, so wird das Kreditinstitut zu prüfen haben, ob ein Beschluß der Hauptversammlung, der diesem Vorschlag entspricht, nicht nach § 254 angefochten werden kann, d. h. es muß prüfen, ob die Einstellung weiterer Beträge in freie Rüdslagen bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für ein hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern. Diese Bestimmung soll Aktionäre bzw. Aktionärgruppen vor der Aushungerung durch eine andere Aktionärsgruppe schützen. Hier handelt es sich also kaum um das Interesse der Gesellschaft, sondern um das Interesse verschiedener rivalisierender Aktionärsgruppen. Gerade in einem solchen Fall sind die Kreditinstitute dazu berufen, durch ihre Vorschläge dafür zu sorgen, daß eine Aktionärsgruppe nicht zugunsten einer anderen benachteiligt wird. Selbstverständlich sind für den Gewinnverwendungsbeschluß genau umgekehrte Vorschläge der Kreditinstitute möglidi. Es ist durchaus denkbar, daß ein Kreditinstitut zu dem Ergebnis kommt, daß die vorgeschlagene Ausschüttung zu hoch ist und es besser wäre, die Hauptversammlung würde die freien Rüdslagen stärken. Aus diesen Beispielen ist zu ersehen, daß hier den Kreditinstituten nicht nur eine formelle Verpflichtung auferlegt worden ist, sondern daß sie auch eine materielle Verantwortung übernehmen müssen. Es entsteht damit die Frage, wie weit sich die Kreditinstitute über die Verhältnisse der Gesellschaft informieren müssen, um ihren Kunden einen Abstimmungsvorschlag zu unterbreiten, der seinem Interesse entspricht. Wir stehen auf dem Stand683
§128
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 4—6 punkt, daß unter keinen Umständen andere Dinge geprüft werden müssen als das, was durch die Bekanntmachung der Gesellschaft und die Mitteilungen der Verwaltung der Gesellschaft bekannt wird, es sei denn, es wird eine für die Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar wichtige Frage im überlokalen Teil der Wirtschaftspresse behandelt. Es kann im übrigen nur der Entscheidung im Einzelfall überlassen bleiben, wann das Kreditinstitut seine Sorgfaltspflicht verletzt, wenn es Dinge, die ihm hätten bekanntwerden können, bei der Bildung seiner Vorschläge nicht berücksichtigt. Beabsichtigt das Kreditinstitut, auch nur einen ihrer Depotkunden in der Hauptversammlung zu vertreten, so hat sie allen Depotkunden die Mitteilungen nach Abs. 1 und ihre Vorschläge nach Abs. 2 zuzuschicken, mit der in Anm. 2 ausgeführten Einschränkung, die sich aus einer entgegenstehenden Anweisung des Kunden ergeben kann. 3. Weisungen des Aktionärs Anm. 5: Bei der ganzen Frage des sogenannten Depotstimmrechts hat eine erhebliche Rolle das Weisungsrecht des Aktionärs gespielt. Es ist insofern auch heute noch von Bedeutung, als ein Kreditinstitut das Stimmrecht für Inhaberaktien, die ihm nicht gehören, in der eigenen Hauptversammlung nur dann ausübén kann, wenn der Aktionär eine ausdrückliche Weisung zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilt hat (§ 135 I S. 2). In allen übrigen Fällen ist jedoch eine solche ausdrückliche Weisung des Aktionärs nicht notwendig, wohl aber muß das Kreditinstitut den Aktionär um Erteilung einer Weisung für die Ausübung des Stimmrechts bitten und darauf hinweisen, daß es, wenn nicht rechtzeitig eine andere Weisung erteilt wird, das Stimmrecht entsprechend den ihm zugegangenen Vorschlägen ausgeübt wird. Es kann sich also jetzt nur darum handeln, daß bei der Mitteilung nach Abs. 2 über die Vorschläge, wie die Bank abzustimmen gedenkt, der Aktionär auf die Weisungen hingewiesen wird und ihm die Erteilung der Weisungen bequem gemacht wird. Eine Frist zur Erteilung der Weisungen kann dem Aktionär nicht gesetzt werden. Wohl aber könnte der spätere Eingangszeitpunkt genannt werden, da für die ordnungsmäßige Durchführung der Weisung gesorgt werden muß (vgl. Consbruch in ZSK 65, 1156). 4. Formblatt Anm. 6: Deshalb bestimmt das Gesetz, daß der Bitte um Erteilung von Weisungen ein Formblatt beizufügen ist, durch dessen Ausfüllung der Aktionär Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilen kann. Es kann angenommen werden, daß die Kreditinstitute sich über den Inhalt dieses Formblattes einigen, so daß ein einheitliches Formblatt von allen Kreditinstituten verschickt wird. Das 684
Weitergabe v o n Mitteilungen
§128
Anm. 6,7
wäre schon deswegen zu begrüßen, weil damit die Ausfüllung dem Aktionär, der Aktien von mehreren Gesellschaften besitzt und diese bei mehreren Kreditinstituten ins Depot gegeben hat, wesentlich erleichtert würde. Ein Interesse, ein solches Formblatt herauszugeben, hat das Kreditinstitut insofern auch, weil es dann das Formblatt so gestalten kann, daß es mechanisch auswertbar ist. Mit der Bestimmung über dieses Formblatt sollte also sowohl für das Kreditinstitut, als auch für den Aktionär eine Erleichterung geschaffen werden. Der Aktionär sollte noch einmal darauf hingewiesen werden, daß er solche Weisungen auch in diesem Zeitpunkt noch rechtswirksam erteilen kann. Inzwischen hat der Bundesverb, des priv. Bankgew. ein solches Muster herausgebracht (WM 65, 1090 ff.), das offenbar weitestgehend inhaltlich verwandt wird. 5. Inhalt der Weisungen Anm. 7: Darüber, welchen Inhalt diese Weisungen haben können, ist an dieser Stelle des Gesetzes schon deshalb nichts gesagt, weil es sich hier nur um die Mitteilungen, die dem Aktionär zugehen müssen, handelt. Auch an anderer Stelle des Gesetzes gibt es hierüber keine besonderen Bestimmungen. Sie können also jeden gesetzlichen Inhalt haben, insbesondere können sie dahin gehen, auch Gegenanträge oder bei Wahlen andere Wahlvorschläge zu machen. Die in den §§ 126 und 127 gesetzten Fristen für solche Anträge haben dort nur zur Folge, daß solche Anträge nach Ablauf der Frist nicht mehr mitzuteilen sind. Es können aber alle Anträge, die in der Hauptversammlung selbst zulässig sind, also solche, die zu einem Gegenstand der Tagesordnung gestellt werden, auch bei Erteilung der Weisungen als solche dem Kreditinstitut aufgegeben werden (a. A. der Bundesverb, des priv. Bankgew. (a. a. O.), der die Ansicht vertritt, die Vollmacht und der ihr zu Grunde liegende Auftrag erstrecke sich nur auf die Stimmabgabe, nicht aber auf die Vertretung des Aktionärs schlechthin. Wir sind der Ansicht, daß derjenige, der die Vertretung eines Aktionärs zur Ausübung seines Stimmrechts übernommen hat, verpflichtet ist, alle die Handlungen auszuführen, die damit zusammenhängen, also Gegenanträge stellen oder Erklärungen abgeben, sofern er dafür Weisungen erhalten hat. Die Weisung kann auch dahin gehen, sich zu einem oder mehreren Tagesordnungspunkten der Stimme zu enthalten. Selbst wenn die Weisung dahin geht, bei allen Tagesordnungspunkten sich der Stimme zu enthalten, ist das auch nicht gleichzusetzen mit dem Entzug der Vollmacht für diese bestimmte Hauptversammlung oder dem Entzug der Vollmacht schlechthin für alle Hauptversammlungen, denn im ersteren Fall kann das Kreditinstitut mit den Stimmen des Aktionärs in der Hauptversammlung auftreten. Sie erhöht damit also die Präsens in der Hauptversammlung, sie hat allerdings sich dann in allen Fällen der Stimme zu enthalten. Das kann aber gerade bei 685
§ 128 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 7—9 Beschlüssen, die eine qualifizierte Mehrheit des vertretenen Grundkapitals verlangen, von Bedeutung sein. Wird die Vollmacht für die Wahrnehmung der Rechte des Aktionärs für die betreffende Hauptversammlung oder sogar ganz widerrufen, so darf das Kreditinstitut überhaupt nicht in der Hauptversammlung für den Aktionär auftreten, infolgedessen zählen die Aktien eines Aktionärs, der in dieser Weise reagiert hat, nicht zu dem vertretenen Grundkapital. 6. Behandlung der Weisung Anm. 8: Das Kreditinstitut ist verpflichtet, die Weisung, soweit sie sich im gesetzlichen Rahmen hält, auszuführen, auch wenn es selbst mit dieser Weisung keineswegs einverstanden ist, oder wenn andere Aktionäre, die es in der Hauptversammlung vertritt, andere Weisungen erteilt haben. Es bleibt ihm überlassen, ob es dann mehrere Vertreter in die Hauptversammlung schickt oder einen Vertreter verschiedene Erklärungen abgeben läßt, was durchaus möglich und vielfach üblich ist. Die Verpflichtung ergibt sich indirekt aus § 135 X, der besagt, daß ein Kreditinstitut verpflichtet ist, den Auftrag eines Aktionärs zur Ausübung des Stimmrechts in einer Hauptversammlung anzunehmen, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen. Wenn die Verpflichtung für den Auftrag als solchen besteht, so muß sie auch bestehen für die Gestaltung des Auftrags, hier also, wie die Abstimmung zu erfolgen hat oder welche Anträge zu stellen sind. 7. Mitteilungen von
Verflechtungen
Anm. 9: Etwas versteckt enthält der Abs. 2 noch eine Mitteilungspflicht, die im Grunde genommen mit der Orientierung des Aktionärs über die zu erwartenden Vorgänge in der Hauptversammlung nichts zu tun hat. Das Kreditinstitut muß nämlich bei der Mitteilung, die es dem Aktionär zu machen hat, wenn es das Stimmrecht ausüben will, zusätzlich darüber orientieren, ob es durch personelle Verflechtung mit der Gesellschaft, in deren Hauptversammlung es das Stimmrecht ausüben will, verbunden ist. Eine solche wird dann angenommen, wenn ein Vorstandsmitglied des Kreditinstituts ein Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft ist, um deren Hauptversammlung es sich handelt, oder wenn ein Vorstandsmitglied dieser Gesellschaft Mitglied des Aufsichtsrats des Kreditinstituts ist. Der Aktionär soll also aufgrund einer solchen Mitteilung nochmals ganz besonders prüfen, ob er seine Vollmacht aufrechterhalten und den Abstimmungsvorschlägen zustimmen oder eine besondere Weisung erteilen will. Nur die Tatsache ist anzugeben, nicht der Name desjenigen, um den es sich handelt (ebenso Consbruch, ZSK 65,1156). 686
Weitergabe von Mitteilungen
§128
Anm. 10,11
IV. Befreiung nach Abs. 3 Anm. 10: Im Abs. 3 wird ausdrücklich festgelegt, daß, insoweit ein Aktionär nach Einberufung der Hauptversammlung bereits Weisungen erteilt hat, das Kreditinstitut weder seinen Vorschlag zur Stimmabgabe noch seine Bitte um Abgabe einer Weisung zu übersenden hat. Dies bezieht sich nur auf die Punkte der Tagesordnung, zu denen eine Weisung vorliegt. Diese muß auch eindeutig sein. Sollte sich aus der Weisung ergeben, daß der Aktionär offensichtlich nicht völlig unterrichtet war, insbesondere daß er noch keine Kenntnis von etwaigen Anträgen oder Wahlvorschlägen von Aktionären nach §§ 126, 127 hatte, als er die Weisung erteilte, so muß dennoch der Abstimmungsvorschlag gemacht werden und er darauf hingewiesen werden, daß er neue Weisungen erteilen kann. Die als Erleichterung für die Kreditinstitute gedachte Bestimmung dürfte sich in der Praxis kaum in diesem Sinne auswirken, denn es ist den Kreditinstituten dringend anzuraten, genau zu prüfen, ob die Weisungen wirklich in Kenntnis aller mitteilungspflichtigen Tatsachen abgegeben wurden. Sinn der Bestimmung ist lediglich, die Kreditinstitute davon zu befreien, Vorschläge über die Stimmabgabe an diejenigen Kunden versenden zu müssen, die in Kenntnis der Tagesordnung und der Vorschläge der Verwaltung dazu bereits Weisungen erteilt haben. Es ist aber irrig, aus ihnen herauslesen zu wollen (Bundesverb, des priv. Bankgew. a. a. O.), daß das Kreditinstitut nicht an Weisungen gebunden sei, die vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erteilt sind (vgl. § 135 Anm. 6). V. Schadensersatzpflicht und deren Ausschluß Anm. 11: Ergibt sich aus der Verletzung der Mitteilungspflichten ein Schaden, so sind die Kreditinstitute zu seinem Ersatz verpflichtet, und zwar aufgrund des zwischen ihnen und dem Depotkunden bestehenden Vertrages. D a es sich sowohl im Abs. 1 wie im Abs. 2 stets um Verpflichtungen handelt, die zur Voraussetzung haben, daß Aktionäre Aktien bei einem Kreditinstitut in Verwahrung gegeben haben, muß ein solcher Verwahrungsvertrag in allen Fällen vorliegen. Sein Inhalt wird zwingend durch die vorliegenden Bestimmungen des Abs. 1 und 2 ergänzt, so daß eine Verletzung der Mitteilungspflichten gleichzeitig eine Verletzung des Vertrages darstellt. D a s Entscheidende der vorliegenden Bestimmung ist, daß die sich aus einer solchen Vertragsverletzung ergebenden Schadensersatzansprüche nicht im voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden können. Entgegenstehende Bedingungen in den Formularen der Kreditinstitute sind also insoweit nichtig. Die Kreditinstitute haften damit u. U. für die nachteiligen Folgen eines Hauptversammlungsbeschlusses, wenn der Aktionär deshalb keine Weisungen erteilt oder die Vollmacht widerrufen hat, weil er nicht voll entsprechend der vorliegenden Vorschrift informiert wurde. Voraussetzung ist, daß das Kreditinstitut sich an der Stimmabgabe beteiligt hat. D a diese durch Verstöße 687
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Anm. 11,12
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
gegen die Mitteilungspflicht in ihrer Wirkung nicht beeinträchtigt wird (§ 135 VI) ist der unabdingbare Schadensersatzanspruch des Aktionärs gegen das Kreditinstitut von besonderer Bedeutung und ein Ausgleich dafür, daß Fehler im Verhältnis zwischen Aktionär und Kreditinstitut keine Rückwirkungen auf die in der Hauptversammlung gefaßten Beschlüsse haben. VI. Vereinigungen von Aktionären Anm. 12: Nach § 125 hat der Vorstand nicht nur den Kreditinstituten, sondern auch den Vereinigungen von Aktionären, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt oder die Mitteilungen verlangt haben, diese zu machen. Die in dieser Bestimmung zum Ausdruck gekommene Gleichstellung der Vereinigung von Aktionären mit den Kreditinstituten wird auch für die vorliegende Bestimmung beibehalten. Die Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen kann für die Vereinigung von Aktionären sehr viel schwieriger sein als bei den Kreditinstituten; denn auch hier gilt der Grundsatz, daß, wenn einer solchen Vereinigung ein Mitglied beitritt, das Aktien einer Gesellschaft hat, in deren Hauptversammlung die Vereinigung noch niemals Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt hat, die Vereinigung vom Augenblick des Beitritts des Mitglieds an auf die Einberufung und Bekanntmachung der Hauptversammlung achten und von ihrem Recht Gebrauch machen muß, vom Vorstand die Mitteilung nach § 125 zu erhalten, mit Rücksicht auf die nicht in der Bekanntmachung enthaltenen Anträge und Wahlvorschläge von Aktionären nach §§ 126, 127. Zwar ist die Vereinigung nicht nach Abs. 1 der vorliegenden Bestimmung verpflichtet, diese Mitteilung an ihre Aktionäre weiterzugeben, denn es finden nur die Abs. 2 bis 4 für die Vereinigung von Aktionären entsprechende Anwendung, das bedeutet aber, daß auch die Vereinigung von Aktionären diesen mitteilen muß, wie sie das Stimmrecht auszuüben gedenkt, und es gilt auch die Bestimmung, daß bei den Vorschlägen über die Ausübung des Stimmrechts die Vereinigungen sich vom Interesse des Aktionärs leiten lassen müssen. Um beurteilen zu können, ob die Vorschläge der Vereinigung den Interessen ihrer Mitglieder entsprechen, muß sich die Vereinigung mindestens so weit unterrichten, daß sie weiß, welche Mitteilungen nach § 125 vom Vorstand an die diesem bekannten Vereinigungen gegangen sind. Die Vereinigungen würden also ihre Sorgfaltspflicht z. B. dann verletzen, wenn sie die Bekanntmachung im Bundesanzeiger nicht laufend daraufhin verfolgen, ob die Hauptversammlung der Gesellschaft eines ihrer Mitglieder einberufen wird. Hinzu kommt, daß sie u. U. auch die Mitteilung nach § 125 I an ihre Mitglieder weitergeben müssen, nämlich dann, wenn diese es ausdrücklich verlangen. Diese letzte Einschränkung ist noch in allerletzter Minute in das Gesetz eingefügt worden, weil die Vereinigungen von Aktionären Bedenken bekamen, ob ihnen nicht unerfüllbare Lasten auferlegt werden, wenn sie 688
Weitergabe von Mitteilungen
§128
Anm. 12—14
praktisch an alle ihre Mitglieder alle Mitteilungen nach § 125 I verschicken müßten. Diesen Bedenken ist durch die Einfügung der Worte „auf deren Verlangen" Rechnung getragen worden. Dabei wurde berücksichtigt, daß der Mitgliederbestand ein wechselnder sein kann und daß auch der Aktienbesitz der einzelnen Mitglieder wechselt, so daß es keineswegs von der Vereinigung aus zu überblicken ist, an welchen Gesellschaften die einzelnen Mitglieder (noch) interessiert sind. Anm. 13: Die vom Gesetz vorgeschriebene Anwendung des Abs. 2 ist deshalb für die Vereinigungen unproblematischer, weil sie ja nur dann eine Stimmabgabe für den Aktionär vornehmen können, wenn sie sich vergewissert haben, daß die ihnen erteilte Vollmacht insofern noch wirksam ist, als der Betreffende, der die Vollmacht erteilt hat, überhaupt noch Aktionär ist. Sie müssen also immer den Nachweis der Hinterlegung der Aktie ihres Mitglieds bzw. die Stimmkarte haben, anderenfalls können sie nicht auftreten. Sie müssen deshalb praktisch, wenn sie Kenntnis von der Einberufung der Hauptversammlung haben, feststellen, welche ihrer Mitglieder bisher an der Gesellschaft beteiligt waren. Sie werden diese jedenfalls anschreiben, um festzustellen, ob und welche Aktien sie noch besitzen, und ob sie für diese Mitglieder in der Hauptversammlung auftreten sollen. Damit kann die Mitteilung nach Abs. 2 mühelos verbunden werden. Die Gestaltung der Vereinigung von Aktionären ist noch sehr im Fluß, so daß der Gesetzgeber große Zurückhaltung geübt hat. Es schien aber zweckmäßig, bei der Frage der Mitteilungspflicht an die Mitglieder dieser Vereinigungen diese den Kreditinstituten im wesentlichen gleichzustellen. VII. Ermächtigung Anm. 14: Wenn der Gesetzgeber auch davon ausgegangen ist, daß voraussichtlich die Kreditinstitute sich auf ein Formblatt für die Erteilung von Weisungen einigen werden, so mußte doch immerhin in Betracht gezogen werden, daß eine solche Einigung nicht zustande kommt, insbesondere mußte aber dafür Sorge getragen werden, daß für die Aktionärsvereinigungen u. U. im Verordnungswege ein solches Formular geschaffen würde, denn die Vereinigungen von Aktionären sind noch nicht hinreichend organisiert, um sicherzustellen, daß ein einheitliches Formular geschaffen wird. Ferner war bei den Verhandlungen mit den Organisationen der gewerblichen Wirtschaft keine Klarheit darüber zu erzielen, wer letzten Endes die Kosten der neu eingeführten Mitteilungen zu tragen hat. Es erscheint gerechtfertigt, diese Kosten nicht den Kreditinstituten und den Aktionärsvereinigungen, sondern der Gesellschaft aufzuerlegen, weil die Kreditinstitute nur deshalb mit der Mitteilung an den Depotkunden belastet sind, weil nach dem Wesen der Inhaberaktie die Verwaltung nicht unmittelbar an ihre 689 44
Wilhelm!, Aktiengesetz
§§128/129
Anm. 14
Verfassung der Aktiengesellschaft
Aktionäre herantreten kann. Wenn auch die Vereinigungen von Aktionären hier den Kreditinstituten gleichgestellt werden, so ist daraus zu erkennen, daß der Gesetzgeber an sich diesen Vereinigungen freundlich gegenübersteht, weil sie dazu führen können, zerstreute und völlig machtlose Minderheiten zusammenzuschließen. E r hat deshalb hier auch die Möglichkeit geschaffen, durch Rechtsverordnung ihnen einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die ihnen durch die Vervielfältigungen und Ubersendung der gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilung an ihre Mitglieder entstehen, zu ersetzen. Zum Erlaß dieser Rechtsverordnung ist der Bundesminister der Justiz ermächtigt, er bedarf des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Wirtschaft. Die Rechtsverordnung ist schwerlich in Kürze zu erwarten, gedacht ist, daß man die Entwicklung in der Wirtschaft abwartet.
Dritter Unterabschnitt Verhandlungsniederschrift. Auskunftsrecht § 129 Verzeichnis der Teilnehmer (1) In der Hauptversammlung ist ein Verzeichnis der erschienenen oder vertretenen Aktionäre und der Vertreter von Aktionären mit Angabe ihres Namens und Wohnorts sowie des Betrags der von jedem vertretenen Aktien unter Angabe ihrer Gattung aufzustellen. (2) Sind einem Kreditinstitut oder einer in § 135 Abs. 9 bezeichneten Person Vollmachten zur Ausübung des Stimmrechts erteilt worden und übt der Bevollmächtigte das Stimmrecht im Namen dessen, den es angeht, aus, so sind der Betrag und die Gattung der Aktien, für die ihm Vollmachten erteilt worden sind, zur Aufnahme in das Verzeichnis gesondert anzugeben. Die Namen der Aktionäre, welche Vollmachten erteilt haben, braudien nicht angegeben zu werden. (3) Wer von einem Aktionär ermächtigt ist, im eigenen Namen das Stimmrecht für Aktien auszuüben, die ihm nicht gehören, hat den Betrag und die Gattung dieser Aktien zur Aufnahme in das Verzeichnis gesondert anzugeben. Dies gilt auch für Namensaktien, als deren Aktionär der Ermächtigte im Aktienbuch eingetragen ist. (4) Das Verzeichnis ist vor der ersten Abstimmung zur Einsicht für alle Teilnehmer auszulegen. Es ist vom Vorsitzenden zu unterzeichnen.
690
Verzeichnis der Teilnehmer I. Übersicht (Anm. 1) II. Inhalt (Anm. 2 u. 3) III. Legitimationsaktionär (Anm. 4)
§129 Anm. 1,2
IV. Auslegung (Anm. 5) V. Verstoß (Anm. 6) VI. Vollversammlung (Anm. 7)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 110 AktG 37, ändert diese jedoch insoweit, als es die neuen Vorschriften über die Stimmrechtsausübung durch Kreditinstitute und durch geschäftsmäßig Handelnde (§ 135) erforderlich machten (Abs. 2). Abs. 3 erweitert den bisherigen § 110S. 2 AktG 37 auf Namensaktien, als deren Aktionär der Ermächtigte im Aktienbuch eingetragen ist. Abs. 4 stellt klar, daß das Verzeichnis für alle Teilnehmer auszulegen ist. §§ 129, 130 beziehen sich auf die Beurkundung der Hauptversammlung, und zwar § 129 der Präsenz durch das aufzunehmende Teilnehmerverzeichnis und § 130 der Beschlüsse durch gerichtliche oder notarielle (öffentliche) Niederschrift. § 129 behandelt das in jeder Hauptversammlung aufzustellende Teilnehmerverzeichnis. Abs. 1 behandelt den Fall, daß der Aktionär selbst die Hauptversammlung besucht, Abs. 2 die Ausübung des Stimmrechts durch Kreditinstitute oder einer in § 135 IX bezeichneten Person im Namen dessen, den es angeht. Abs. 3 die Stimmrechtsermächtigung und Abs. 4 die Auslegung und Unterzeichnung des Teilnehmerverzeichnisses. II. Inhalt Anm. 2: Das zwingend vorgeschriebene Teilnehmerverzeichnis wird praktisch aufgrund der Hinterlegungen oder Anmeldungen (§ 123 II) vorbereitet, was zulässig ist. Es sind aufzunehmen: a) die erschienenen Aktionäre, auch wenn sie nicht stimmberechtigt sind, sei es, weil sie die Voraussetzung des § 123 nicht erfüllt haben, seien es nach § 139 auch die Legitimationsaktionäre (RG 118, 333). Diese erfahren jedoch eine Sonderbehandlung (vgl. Abs. 3). Zur Beschlußfassung genügt gesetzlich eine einzige Stimme, die Satzung kann aber eine Mindestanwesenheit zur Bedingung der Beschlußfähigkeit machen. Ist diese nicht erreicht, oder sind überhaupt keine Aktionäre erschienen und auch nicht vertreten, so ist ein Hauptversammlungsbeschluß nicht zustande gekommen (vgl. Fuchs, D N Z 32, 369). Gleichwohl hat jedoch der Vorstand oder der Aufsichtsrat auch in einem solchen Fall doch durch die Einberufung mit ordnungsmäßiger Ankündigung einer etwaigen Pflicht zur Anzeige (§ 92), Berichterstattung (§ 171), Vorlegung genügt; b) die Vertreter von Aktionären, c) die vertretenen Aktionäre. 691
§129
Anm. 3—4
Verfassung der Aktiengesellschaft
Es ist ferner der Nennbetrag und die Gattung der Aktie jedes Teilnehmers aufzunehmen. Daraus ist ohne weiteres das Stimmrecht festzustellen, es empfiehlt sich jedoch bei nicht vollbezahlten Aktien die Höhe der Einzahlung, ferner neben Nennbetrag, Einzahlung und Gattung jeweils die Stimmenzahl ausdrücklich anzugeben. Anm. 3: Gesondert sind nach Abs. 2 Beträge und Gattung der Aktien anzugeben, für die einem Kreditinstitut oder einer in § 135 IX genannten Person Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts erteilt worden ist und diese das Stimmrecht im Namen dessen, den es angeht, ausübt. Wird es im Namen des Vertretenen ausgeübt, so ist durch Erfüllung des Abs. 1 der Pflicht genügt. Nur bei Ausübung des Stimmrechts im Namen dessen, den es angeht (§ 135IVS. 2 — s. die Anm. dort —), ist die gesonderte Angabe gem. Abs. 2 erforderlich, andererseits ist die gesonderte Angabe des Betrages und der Gattung der Aktie ausreichend, um im Teilnehmerverzeichnis kenntlich zu machen, daß sie mit fremdem Aktienbesitz stimmen. Das Bankgeheimnis verbietet die Angabe des Namens des die Vollmacht erteilenden Aktionärs, so daß der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt hat, daß diese Angaben für das Teilnehmerverzeichnis nicht erforderlich sind. III. Legitimationsaktionär Anm. 4: Eine weitere Sondervorschrift besteht — wie schon bisher im § 110 S. 2 AktG 37 — für den sogenannten Legitimationsaktionär, d.h. denjenigen, der ohne eigenes Recht an der Aktie, das ihn zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt (wie etwa des elterlichen Verwaltungs- und Nutzungsrechts, Nießbrauchs, Miteigentums, echtes Treuhandeigentum), durch Innehabung der Aktie oder Eintragung im Aktienbuch mit Willen des Berechtigten als Aktionär erscheint. Er wird grundsätzlich wie ein Vollaktionär behandelt, ohne daß die Gesellschaft Einwendungen gegen die Ausübung des Stimmrechts erheben könnte, er ist aber verpflichtet, ungefragt — weder Gesellschaft noch Notar sind verpflichtet, es von sich aus aufzuklären — Betrag und Gattung der Aktie anzugeben, die er als Legitimationsaktionär vertritt. Dies gilt auch, wie nunmehr ausdrücklich in Abs. 3 S. 2 festgelegt, wenn er vom Aktienbuch als Aktionär ausgewiesen wird. Uber die Möglichkeit von Einwendungen gegen den als Aktionär ausgewiesenen Nichtaktionär bei Namensaktien siehe §§ 67 und 68 und die Anm. dort. Bei Inhaberaktien s. §§ 783, 797 BGB (s. hierüber Godin SozPr. 20, 85), unterläßt er diese Angabe, so begeht er eine Ordnungswidrigkeit nach § 405 II und haftet für einen etwaigen Schaden (§ 823 II BGB). Es soll nach außen wenigstens zutage treten, daß er nicht Eigenbesitzer der Aktien ist. Wer tatsächlich Eigentümer ist, braucht jedoch, im Gegensatz zum Auftreten eines gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreters, mit Ausnahme des Falles des Abs. 2 nicht 692
Verzeichnis der Teilnehmer
§129 Anm. 4,5
angegeben zu werden; jedoch kann sidi aus der Satzung anderes ergeben; vgl. § 134 IV. Die Bestimmung dürfte auf den falschen Aktionär entsprechend anwendbar sein, der ohne Einwilligung des Berechtigten nach außen als Aktionär erscheint. Die Legitimationszession kann, muß aber nicht, mit einem Auftrag verbunden sein. Eine Verpflichtung, das Stimmrecht auszuüben, wird daher nur ausnahmsweise aufgrund besonderer Vereinbarung bestehen. Die Legitimationszession ist bei der Inhaberaktie formlos, regelmäßig aber nicht ohne Übergabe der Aktie, wenigstens des Mantels, möglich. Bei der Namensaktie ist sie regelmäßig nicht ohne Umschreibung im Aktienbuch durchführbar. Anders als bei der Vollmacht, bei welcher der Maditgeber auch gegenüber der Gesellschaft legitimiert bleibt, berührt die Nichtigkeit und der Widerruf der Legitimationsübertragung die Legitimation gegenüber der Gesellschaft nicht, solange sie (durch Innehabung der Aktien bei Inhaber-Aktien, Eintrag im Aktienbuch bei Namensaktien §§ 67 u. 68) besteht, und demzufolge die Wirksamkeit der Stimmabgabe nicht. IV. Auslegung Anm. 5: Das Verzeichnis ist vor der ersten Abstimmung, aber nicht notwendig zu Beginn der Hauptversammlung, auszulegen. Eine Verlesung ist nicht erforderlich. Erscheinen nachträglich Aktionäre, nachdem das Verzeichnis ausgelegt ist, so dürfen diese nicht zurückgewiesen werden, vielmehr ist ihr nachträgliches Erscheinen in dem Teilnehmerverzeichnis zu vermerken. Entfernen sich Aktionäre vorzeitig, gilt das gleiche. Aus dem Verzeichnis in Verbindung mit der Niederschrift muß ersichtlich sein, vor welcher Abstimmung der Aktionär sich eingefunden bzw. entfernt hat. Das Verzeichnis muß bis nach der letzten Abstimmung ausgelegt bleiben; es ist aber auch dann anzufertigen, wenn kein Beschluß gefaßt wird oder werden soll oder — mangels Beschlußfähigkeit — kann. Das Gesetz sagt nicht, wer das Verzeichnis herzustellen hat, es ist eine Obliegenheit der Gesellschaft, also des Vorstandes, jedoch hat auch der Vorsitzende der Versammlung dafür zu sorgen, denn es ist vom Vorsitzenden zu unterzeichnen, und zwar wenn der Vorsitz gewechselt hat, von allen denjenigen, die den Vorsitz während einer Beschlußfassung innehatten. Das Verzeichnis braucht noch nicht vor der Auslegung oder ersten Beschlußfassung unterschrieben zu sein, sondern erst bei seiner Ubergabe zur Niederschrift, die erst nach der letzten Abstimmung zulässig ist. Es ist dann gemäß § 130 III dem notariellen Protokoll beizufügen. Durch Beifügung eines erst nachträglich hergestellten Verzeichnisses wird der Vorschrift nicht einmal dann entsprochen, wenn es mit einem vor der ersten Abstimmung hergestellten übereinstimmt (RG 114, 203). 693
§§ 129/130 Anm. 6,7
Verfassung der Aktiengesellschaft
V. Verstoß Anm. 6: Werden die Bestimmungen des § 129 verletzt, so sind die gefaßten Beschlüsse nicht nichtig aber anfechtbar (herrschende Meinung), wenn sie auf dem Verstoß beruhen, was freilich nicht leicht zutreffen kann. Unter derselben Voraussetzung führt Verletzung des Abs. 3 Anfechtbarkeit herbei. Daß das Verzeichnis in die Niederschrift selbst aufgenommen werden kann, dürfte auch dann nicht richtig sein, wenn diese vor der ersten Abstimmung ausgelegt und vom Vorsitzenden mitunterzeichnet wird, weil sie nicht während der gesamten Versammlung ausgelegt bleiben kann, es sei denn, daß sie erst nach dieser fortgeführt wird. VI. Vollversammlung Anm. 7: Bei einer Vollversammlung ist nach herrschender Meinung (ebenso bezüglich des Beschlusses eines Alleinaktionärs KG D J 1938) das Verzeichnis entbehrlich, jedoch kann auch in diesem Falle nicht auf die Angabe der Vertretungsverhältnisse verzichtet werden, die üblicherweise dann in die Niederschrift selbst aufgenommen werden.
§ 130 Niederschrift (1) Jeder Beschluß der Hauptversammlung ist durch eine über die Verhandlung gerichtlich oder notariell aufgenommene Niederschrift zu beurkunden. Gleiches gilt für jedes Verlangen einer Minderheit nach § 120 Abs. 1 Satz 2, §§ 137 und 147 Abs. 1. (2) In der Niederschrift sind der Ort und der Tag der Verhandlung, der Name des Richters oder Notars sowie die Art und das Ergebnis der Abstimmung und die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlußfassung anzugeben. (3) Das Verzeichnis der Teilnehmer an der Versammlung sowie die Belege über die Einberufung sind der Niederschrift als Anlagen beizufügen. Die Belege über die Einberufung braudien nicht beigefügt zu werden, wenn sie unter Angabe ihres Inhalts in der Niederschrift aufgeführt werden. (4) Die Niederschrift ist von dem Richter oder Notar zu unterschreiben. Die Zuziehung von Zeugen ist nicht nötig. (5) Unverzüglich nach der Versammlung hat der Vorstand eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Niederschrift und ihrer Anlagen zum Handelsregister einzureichen. 694
Niederschrift I. Übersicht (Anm. 1) II. Inhalt (Anm. 2 bis 4) III. Haftung der Urkundsperson (Anm. 5) IV. Ausschluß der Urkundsperson (Anm. 6) V. Verstoß (Anm. 7 u. 8)
§130
Anm. 1,2
VI. Teilnehmerverzeichnis (Anm. 9) VII. Anlagen (Anm. 10) VIII. Unterzeichnung (Anm. I I ) IX. Berichtigung (Anm. 12) X . Einreichung zum Handelsregister (Anm. 13)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 111 AktG 37. Bis auf einige sprachliche Änderungen sind zwei Zusätze erfolgt: Abs. 1 ist nach seinem Satz 2 auch auf bestimmte Verlangen der Minderheit anzuwenden (s. Anm. 3); in Abs. 5 ist ausdrücklich festgestellt, daß auch die Anlagen zur Niederschrift dem Handelsregister einzureichen sind (s. Anm. 13). Über den Ablauf der Hauptversammlung im allgemeinen vgl. Anm. 12 bis 23 zu § 119. § 130 bestimmt, daß jeder Beschluß der Hauptversammlung der gerichtlichen oder notariellen Niederschrift bedarf, und zwar der Beschluß als solcher. Die Bestimmung ist zwingend, ihn verletzen hat die Nichtigkeit der gefaßten Beschlüsse zur Folge (§ 241 Nr. 2 mit der Möglichkeit der Heilung § 242 I). Auch ein Verzicht auf die Form durch alle Aktionäre bei der Vollversammlung ist bedeutungslos (RG114, 205; 119, 230). Wird das Ergebnis der Abstimmung falsch, der gefaßte und richtig verkündete Beschluß aber richtig beurkundet, so ist ersteres unschädlich (zweifelhaft), anders wenn der Beschluß falsch niedergeschrieben wird, dann ist der tatsächlich gefaßte Beschluß nichtig, weil er nicht niedergeschrieben ist, der niedergeschriebene, weil er gar nicht gefaßt ist (RG 125, 149; 122, 107; 142, 123). Jedes Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrates hat das Recht auf Einsicht in die Niederschrift. Es kann auch einfache oder beglaubigte Abschrift zum Notar fordern. Jeder Aktionär, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, z. B. daß er einen Beschluß anfechten will, hat das gleiche Recht (vgl. § 34 FGG), außerdem das Recht aus § 125 IV. II. Inhalt Anm. 2: Das Gesetz erwähnt die öffentliche Beurkundung nur als Formerfordernis der Niederschrift von Beschlüssen, aber jede Hauptversammlung ist öffentlich zu beurkunden (s. hierüber ausführlich Godin in Soz.Pr. 40, 531), auch wenn sie keinen Beschluß faßt, ja gar nicht zur Beschlußfassung, sondern ausschließlich zum Empfang von Mitteilungen, Anzeigen (§ 92), Berichten (§ 171) des Jahresabschlusses einberufen wurde, ja auch wenn kein Aktionär sich eingefunden hat (a. A. Fuchs, D N Z 32, 369). Es wäre anderenfalls auch dem Bedürfnis, dem Abs. 5 Rechnung trägt, nur lückenhaft abge695
§130 Anm. 2
Verfassung der Aktiengesellschaft
holfen, aber die Unterlassung der Beurkundung einer beschlußlosen Hauptversammlung bedeutet nur einen Verstoß gegen die Pflicht des Vorstands und Versammlungsleiters, welche eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft begründen kann, aber nicht auch, daß die unbeurkundete Hauptversammlung überhaupt keine Hauptversammlung gewesen ist. Vorgeschriebene Berichte, Anzeigen usw. sind also der Hauptversammlung erstattet, auch wenn darüber entgegen der Vorschrift und dem Bedürfnis keine Urkunde aufgenommen worden ist (Godin a. a. O.). Auch bezüglich des Inhalts der Niederschrift ist die gesetzliche Vorschrift nicht erschöpfend, weder was den sachlichen noch was den förmlichen Inhalt betrifft. In sachlicher Hinsicht beschränkt sich das Gesetz darauf, die Beurkundung der Beschlüsse vorzuschreiben (Abs. 1), sowie das Verlangen einer Minderheit nach §§ 120 I S . 2; 137, und 147 I. Vom Gesetz gefordert werden Mindestangaben über das Zustandekommen der Beschlüsse (Abs. 2). Darüber hinaus muß die Niederschrift aber mancherlei ersehen lassen, z. B. daß Personen, die das Stimmrecht nicht ausüben durften, sich der Abstimmung enthalten haben, ferner wenn Zweifel an der Legitimation eines Aktionärs oder an der Rechtzeitigkeit der Aktienanmeldung entstanden sind, ob der Aktionär zur Teilnahme und zur Abstimmung zugelassen worden ist oder nicht, auch den Ausschluß eines Aktionärs aus der Versammlung und eine Wortentziehung, diese wenigstens, wenn Widerspruch zur Niederschrift erklärt wird. Die Abkürzung der Redezeit und den Schluß der Debatte, bei noch vorliegenden Wortmeldungen, wobei es wünschenswert ist, daß die Niederschrift ersehen läßt, ob eine genügend gründliche Erörterung möglich gewesen ist. Über Auskunftsverlangen und Antwort s. Anm. zu § 131. Man kann dies dahin zusammenfassen, daß aus der Niederschrift alles ersichtlich sein muß, was zur Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit und Wirksamkeit der Beschlüsse — auch durch das Registergericht, wenn sie eintragungsbedürftig sind — erheblich sein kann und was als Voraussetzung für die Wahrung der Rechte eines Beteiligten (Gesellschaft, Vorstand, Aufsichtsrat, Aktionär) nachweisbar sein muß. Aber gleichwohl ist zwischen dem gesetzlich vorgeschriebenen und dem übrigen Inhalt der Niederschrift zu unterscheiden. Von der materiellen Nichtigkeit mangels Beurkundung kann nur bei Beschlüssen die Rede sein (also z. B. nicht beim Widerspruch gegen einen Beschluß, obwohl er „zur Niederschrift" zu erklären ist). Ob eine nach § 241 die Nichtigkeit eines Beschlusses nach sich ziehende Verletzung der Vorschrift nur in der Unterlassung der nach Abs. 2 erforderlichen Mindestangaben oder auch sonstiger Angaben liegt, welche notwendig sind, um das ordnungsmäßige Zustandekommen des Beschlusses ersehen zu lassen, mag zweifelhaft erscheinen, weil Abs. 1 bei Beschlüssen eine Niederschrift „über die Verhandlung" fordert. Es ist aber wohl anzu696
Niederschrift
§130
Anm. 2—4
nehmen, daß Abs. 2 die diesbezüglich aufzustellenden Erfordernisse erschöpfend aufzählen will. Anm. 3: Jeder, auch ein ablehnender, nicht die erforderliche Mehrheit für den Antrag ergebender Beschluß bedarf der öffentlichen Beurkundung. Die Frage, ob auch die Beschlüsse eines behördlich bestellten Treuhänders, der die Stelle der Hauptversammlung vertritt, beurkundet werden müssen, läßt KG in DJ 42, 1458 dahingestellt. Auf lediglich geschäftsordnungsmäßige Beschlüsse (z.B. Unterbrechung: RG 81, 33) bezieht sich die Vorschrift nicht. Regelmäßig kann die Niederschrift — je nach ihrer Wichtigkeit — darüber schweigen. Zu beurkunden ist der vom Vorsitzenden verkündete Beschluß; ist dieser nicht gefaßt worden, so ist der verkündete und beurkundete Beschluß anfechtbar; ist der Notar über das Ergebnis der Beschlußfassung anderer Meinung als der Vorsitzende, kann und muß er die Versammlung darauf hinweisen, aber beurkunden, was der Vorsitzende als Beschluß verkündet hat. Er wird dabei auch seine eigenen Wahrnehmungen urkundlich feststellen. Daneben sind kraft gesetzlicher Bestimmung (Abs. 1 S. 2) die Verlangen der Minderheiten gemäß § 120 I — gesonderte Abstimmung über die Entlastung eines Aufsichtsrats oder Vorstandsmitgliedes —, § 137 — Beschluß über einen Wahl Vorschlag eines Aktionärs — und § 147 I — Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft — in der Niederschrift zu beurkunden. Über den übrigen Inhalt der Niederschrift schweigt das Gesetz (s. auch Anm. 2). In jedem Fall ist ein Widerspruch „zur Niederschrift" zu protokollieren, zumal dieser für manches vorausgesetzt wird (z. B. § 163 II; § 245 Nr. 1), ebenso ist ein Widerspruch des Vorstandes oder des Aufsichtsrates zu protokollieren. Daneben wird sich empfehlen, in der Niederschrift anzugeben, wer die Versammlung geleitet hat, ob dem Auskunftsbegehren eines Aktionärs nach § 131 entsprochen worden ist und dergleichen. Anm. 4: Im einzelnen verlangt Abs. 2 neben der inhaltlichen Wiedergabe des gefaßten Beschlusses folgende Angaben, deren Unterbleiben Nichtigkeit zur Folge hat: a) Ort (Stadt, nicht auch Gebäude) und Tag (nicht auch Stunde) der Verhandlung, das Datum muß richtig sein, andernfalls die Beschlüsse nichtig sind (RG 109, 368). Wird die Verhandlung an einem Tag nicht zu Ende geführt, so muß dies für die am zweiten Tag gefaßten Beschlüsse in irgendeiner Form zum Ausdruck kommen. b) Name des Richters oder Notars, es genügt nicht der Hinweis auf die Unterzeichnung: „der unterzeichnende Notar", sondern es muß der Name ausdrücklich angegeben werden. c) Art und das Ergebnis der Abstimmung. Es muß angegeben werden, ob die Beschlüsse durch schriftliche Abstimmung, durch Zuruf, durch Auf697
§ 130 Anm. 4,5
Verfassung der Aktiengesellschaft
heben der Hände usw. zustande gekommen sind. Nach RG 105, 373 liegt ein nichtigkeitsbegründender Mangel nicht vor, wenn nach der Gesamtheit der Beurkundung kein Zweifel über die Ordnungsmäßigkeit des Hergangs bestehen kann, als dessen Ergebnis die Niederschrift den Beschluß feststellt. Es ist ferner das ziffernmäßige Abstimmungsergebnis anzugeben, und zwar, wenn es nach der Art des Beschlusses erheblich ist, getrennt nach Aktiengattungen (RG 122, 107; KG in D N Z 33, 728). Auch das Abstimmungsergebnis wird vom Vorsitzenden festgestellt. Für den Notar ist diese Feststellung maßgebend (vgl. Anm. 2). Der Notar hat jedoch zweckmäßig auch seine eigene Feststellung zu verlautbaren und im Fall des Auseinandergehens Vorsitzenden und Versammlung darauf hinzuweisen und den Hinweis zu vermerken. Nach KG DJ 38, 1242 kann die Feststellung des Beschlusses durch den Vorsitzenden nur aufgrund „des aus der Anwesenheitsliste und aus der notariellen Niederschrift zu entnehmenden Abstimmungsergebnisses entnommen werden". Zu unterscheiden von dieser Feststellung des Abstimmungsergebnisses ist die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlußfassung, d. h. das Fazit, welches der Vorsitzende aus der Feststellung des Abstimmungsergebnisses zieht, nämlich ob der Antrag angenommen oder abgelehnt wurde. Auch die Ablehnung eines Antrags ist ein zu beurkundender Beschluß, dagegen sind Anträge als solche, über die nicht abgestimmt wurde, sowie die Reden, die gehalten werden, nicht in die Niederschrift aufzunehmen, vielmehr nur in Verbindung mit einem daraufhin ergehenden (ablehnenden oder annehmenden) Beschluß, um diesen inhaltlich zu beurkunden. H a t die Gesellschaft nur einen einzigen Aktionär (oder nimmt ein einziger an der Hauptversammlung teil), so ist es nicht erforderlich, daß der von ihm gefaßte Beschluß von dem Vorsitzenden noch besonders festgestellt und verkündet wird ,(KG in JW 38, 1901), ebensowenig, wenn eine Vollversammlung einstimmig einen Beschluß faßt. Besonderes »ist für die Wahl des Abschlußprüfers bestimmt (vgl. § 163). Das was der Vorsitzende als Ergebnis der Beschlußfassung feststellt, ist maßgebend, auch wenn sich der Vorsitzende irrt und sich ein Irrtum aus der Niederschrift ergibt. Der von ihm verkündete Beschluß kann nur durch Anfechtungsklage beseitigt werden (RG 142, 127); auch wenn sie Erfolg hat, kann sie nicht dahin führen, daß an die Stelle des fälschlich verkündeten Beschlusses der richtige gesetzt wird (RG ebenda, S. 129). III. Haftung der Urkundsperson Anm. 5: Soweit nach unserer Darlegung der Inhalt der Niederschrift über das gesetzlich Erforderliche hinauszugehen hat oder ihre Unvollständigkeit nach § 241 Nichtigkeit verursacht, kann die Urkundsperson schadensersatzpflichtig werden, weil sie ihrer Amtspflicht nicht genügt hat (vgl. auch Godin 698
Niederschrift
§130
Anm. 5 , 6
a. a . O . ; Knur D N Z 38, 700; Gessler, Soz.Pr. 41, 264; Bernbrok, D N 2 33, 13; Seybold D N Z 33, 22). Über die Verantwortung für formgerechte und nach Vorstehendem ausreichende Beurkundung hinaus, ist die Urkundsperson der Gesellschaft nicht verantwortlich, insbesondere nicht für die Rechtsgültigkeit eines Beschlusses nach Art seines Zustandekommens oder nach seinem Inhalt. Auf offensichtliche Verstöße hinzuweisen, welche die Rechtswirksamkeit gefährden oder gar gesetzliche Verbotsbestimmungen verletzen, ist freilich Amtspflicht, nicht aber eine dahingehende Prüfung. Die Beurkundung von Beschlüssen, welche gegen zum ordre public zu rechnendes gesetzliches Verbot verstoßen, ist abzulehnen. Im übrigen genügt die Urkundsperson ihrer Amtspflicht durch den Hinweis, daß sie zu ihrer Deckung in der Urkunde vermerken wird, wenn er wirkungslos verhallen sollte. Zu einer Belehrung oder Beratung über die Zweckmäßigkeit der Fassung oder des Inhalts der Beschlüsse ist die Urkundsperson, befragt oder nicht, nicht verpflichtet. Erteilt sie, wie oft, auf Befragen Rat, ist diese Beratung nicht Nebengeschäft und durch die Beurkundungsgebühr nicht abgegolten, sie ist ein besonderer Rechtsgrund für Haftung der Urkundsperson. Über die Gebühren des Notars s. § 47 KostO — 20/10 — Höchstgebühr 6 0 0 0 , — DM. IV. Ausschluß der Urkundsperson Anm. 6: Wann der Notar von der Amtstätigkeit wegen eigener Beteiligung oder Verwandtschaft, Verschwägerung oder ständigen Dienstvertrages mit einem Beteiligten ausgeschlossen ist, ist nach § 16 Bundesnotarordnung vom 24. 2. 1961 zu beurteilen. Beteiligt im Sinne der Vorschrift ist die Gesellschaft (a. A. Richter Anm. 2 c), denn die Hauptversammlung äußert innerhalb ihrer Zuständigkeit den Willen der Gesellschaft, nicht der Aktionäre. Viel weiter geht die ins uferlose führende herrschende Meinung, wonach jeder der Aktionäre, die der Notar doch gar nicht kennt, ferner jedes Vorstandsmitglied und jedes Aufsichtsratsmitglied beteiligt sein soll. Hiernach dürfte einer großen Publikumsgesellschaft schwerfallen, der Vorschrift des § 130 zu genügen, da es kaum einen Notar geben wird, der weder selbst Aktien dieser Gesellschaft besitzt, noch mit irgend jemand, der eine solche Aktie besitzt, verheiratet oder im zweiten Grade der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist (schon Verwandtschaft oder Verschwägerung mit teilnehmendem Aktionär ist bei einer derartigen Gesellschaft kaum vermeidbar). Abgesehen von eigener Beteiligung oder naher Beziehung zu einem Beteiligten ist der Notar nach § 16 Bundesnotarordnung ausgeschlossen, wenn er selbst dem Vorstand oder Aufsichtsrat angehört. Die Vorschrift wäre überflüssig, wenn Zugehörigkeit zu einem dieser Organe an sich schon „Beteiligung" wäre. Die Beteiligung dieser Organpersonen kann sich aber daraus ergeben, daß sie ent699
§130
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 6—8 lastet, gewählt, abberufen werden sollen. Soweit kein Beschluß oder keine sonstige Willenserklärung (z.B. Minderheitsverlangen) beurkundet wird, handelt es sich um die Beurkundung von Tatsachen (z. B. Berichten § 171, Vorlegungen); daß es sich aber bei der Beurkundung eines Beschlusses um die Beurkundung einer formbedürftigen Willenserklärung handelt, kann angesichts Abs. 1 und § 241 Nr. 2 nicht mehr zweifelhaft sein. Auch eine von einem ausgeschlossenen Notar aufgenommene Niederschrift ist gültig. Daß die Beschlüsse sonach rechtswirksam beurkundet und daher keinesfalls nichtig nach § 241 Nr. 2 sind, schließt aber nicht aus, daß auch diese Gesetzesverletzung einen Beschluß nach § 243 anfechtbar macht, wenn er, wie schwerlich, auf ihr beruht und die Voraussetzungen der Anfechtungsklage (§§ 245, 246) gegeben und gewahrt sind. V. Verstoß Anm. 7: Fehlt es an der Form, so sind die gefaßten Beschlüsse nichtig und nicht nur anfechtbar (§ 241 Nr. 2). Ist ein einzelner Beschluß nicht ordnungsgemäß beurkundet, so ist nur dieser nichtig, es sei denn, daß es sich um zusammenhängende Beschlüsse handelt, dann findet § 139 BGB Anwendung (vgl. RG 146, 394 und in DNZ 33, 670). Für den Inhalt der Niederschrift kommen neben Abs. 2 in Verbindung mit § 245 Nr. 1 (Widerspruch eines Aktionärs), § 173 (Widerspruch gegen die Wahl des Abschlußprüfers) weder §§ 167 ff. FGG noch die entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmungen ergänzend in Frage. Soweit es sich um den notwendigen Inhalt der Niederschrift handelt, ist die gesetzliche Regelung erschöpfend. Auch die Satzung kann weitergehendes (insbesondere über Verlesung der Niederschrift oder ihrer Mitunterzeichnung durch den Vorsitzenden oder Aktionäre oder andere Personen) mit Nichtig- oder Anfechtbarkeitsfolge nicht vorschreiben (RG 65, 91; München in HRR 39, Nr. 1109; Schl.-Qu. § 111 Anm. 3; Ritter § 111 Anm. 8). Anm. 8: Entspricht die Niederschrift Abs. 2 nicht, so sind die fehlerhaft protokollierten Beschlüsse schlechthin nichtig (§ 241 Nr. 2). Für den Fall daß die Niederschrift die Angabe vermissen läßt, daß der Vorsitzende das Abstimmungsergebnis festgestellt und den gefaßten Beschluß verkündet habe, wird mitunter eine freiere Ansicht vertreten (vgl. Gessler, Soz. Pr. 1941, 264). Regelmäßig empfiehlt sich und paßt folgende (vermutlich zusammenfassende) Angabe am Schluß der Niederschrift: „der (bzw. alle) Beschluß (Beschlüsse) wurde(n) durch (Zuruf) und wie der Vorsitzende in Ubereinstimmung mit der Wahrnehmung des Notars feststellte, mit . . . gegen . . . Stimmen (einstimmig) gefaßt und vom Vorsitzenden verkündet, wie vorstehend niedergeschrieben". Niederschrift und Beschluß sind auch nichtig, wenn die nach Abs. 4 notwendige Unterschrift fehlt, nicht aber wenn 700
Niederschrift
§130
Anm. 8—10
die im Abs. 3 aufgeführten Anlagen fehlen; letzteres ergibt sich aus § 241 N r . 2, w o Abs. 3 nicht a u f g e f ü h r t ist. A u d i wenn der Beschluß nicht einzutragen ist, hat das Registergericht Recht und Pflicht, ihn auf Nichtigkeitsgründe (nicht Anfechtbarkeit) zu prüfen, sofern der Beschluß gesetzlich vorgeschrieben und notwendig und es berufen ist, auf dessen Fassung hinzuwirken und einzuschreiten, wenn es unterbleibt (Gessler a. a. O . ) .
VI. Teilnehmerverzeichnis Anm. 9: D a s Teilnehmerverzeichnis (§ 129) ist vor der ersten Beschlußfassung zur Einsicht für die Aktionäre auszulegen und muß während der ganzen D a u e r der Versammlung ausgelegt bleiben. Es empfiehlt sich, beides in der Niederschrift ausdrücklich festzustellen. D a s Verzeichnis muß in U r schrift der Niederschrift beigefügt werden, nicht e t w a in einer später hergestellten Reinschrift, und z w a r v o r Abschluß der Niederschrift. „ B e i g e f ü g t " wird es, indem es als Anlage zur Niederschrift bezeichnet wird. D i e äußere Befestigung kann nachfolgen. In der Niederschrift selbst werden die Erschienenen nicht aufgeführt. Es ist z w a r üblich, aber nicht erforderlich, daß die erschienenen Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates aufgeführt werden. Besonders empfehlenswert ist dies bei ohne Einberufung freiwillig zusammengetretener Vollversammlung mit Rücksicht auf § 118 I I und das in seiner Anwesenheit möglicherweise liegende Einverständnis des Vorstands mit der Abhaltung. Es ist ferner üblich, festzustellen, wer den Vorsitz führt, dies ist schon deshalb zweckmäßig, weil nach § 129 der Vorsitzende das Teilnehmerverzeichnis zu unterschreiben hat und die Beschlüsse einer nicht von einer dazu berufenen Person geleiteten Versammlung anfechtbar sind.
VII. Anlagen Anm. 10: F e m e r sind der Niederschrift die Belege über die Einberufung der H a u p t v e r s a m m l u n g beizufügen, m a g sie ordnungsgemäß oder widerrechtlich gewesen sein. Im Gesetz ist daher das Wort „ordnungsmäßige" weggefallen. D a die Bekanntmachung der Tagesordnung nunmehr zur Einberuf u n g gehört, sind auch die Belege hierüber beizufügen. Es sind demnach beizufügen die Belegstücke sämtlicher Blätter, in denen die Einberufung der H a u p t v e r s a m m l u n g gemäß Gesetzes (Bundesanzeiger) und S a t z u n g zu veröffentlichen ist. V o n ihrer Beifügung kann Abstand genommen werden, wenn der Inhalt (nicht Wortlaut) der Einberufung in der Niederschrift wiedergegeben wird. D i e einzelnen Zeitungen sollen mit dem T a g ihres Erscheinens und möglichst mit der N u m m e r angegeben werden, dabei braucht der T e x t der Anzeige, wenn er in allen Zeitungen der gleiche ist, nur einmal wiedergegeben zu werden. Auch bei einer Vollversammlung ist der Beleg der Einberufung wichtig, weil auch ihre Beschlüsse mangels Einberufung anfechtbar 701
§ 130 Anm. 10—12
Verfassung der Aktiengesellschaft
sind, es sei denn, daß auf die Einhaltung aller Formerfordernisse einstimmig verzichtet wurde oder daß kein Aktionär Widerspruch zur Niederschrift erklärt und der Vorstand mit der Abhaltung der Hauptversammlung einverstanden ist. Die Vollmachten der Vertreter von Aktionären werden häufig dem Notar übergeben, sind aber nicht der Niederschrift beizufügen, vielmehr von der Gesellschaft zu verwahren. VIII. Unterzeichnung Anm. 11: Die Niederschrift muß von der Urkundsperson unterschrieben werden. Die Unterschrift weiterer Personen ist nicht erforderlich, selbst wenn es die Satzung bestimmen sollte. Aus § 245 Nr. 1 ergibt sich zwar, daß die Niederschrift in der Hauptversammlung zu führen ist, aber sie muß nicht notwendig unmittelbar nach Schluß der Hauptversammlung abgeschlossen werden (herrschende Meinung, so auch OLG München in H R R 39, Nr. 1109). Regelmäßig bringt der Notar, wenn keine Opposition gegen die Verwaltung und ihre Anträge zu erwarten ist, den fertigen Entwurf der Niederschrift zur Hauptversammlung mit. In Zweifelsfällen empfiehlt sich für den Notar, mit der Unterschrift zu warten, bis die Zweifel behoben sind, allerdings entsteht dadurch die Gefahr, daß im Falle der späteren Verhinderung des Notars an der Unterschrift (z. B. Tod oder Abberufung) die Niederschrift nicht mehr gültig hergestellt werden kann, so daß die gefaßten Beschlüsse unwirksam bleiben (§ 241 N r . 2). In diesem Falle ist der Notar schadensersatzpflichtig, wenn ihn ein Verschulden trifft. Dasselbe gilt, wenn er die Unterschrift ungebührlich verzögert (vgl. § 130 V). In der Regel wird es sich deshalb empfehlen, sofort am Schluß der Hauptversammlung die Niederschrift zu unterzeichnen (schon damit es später nicht vergessen wird). IX. Berichtigung Anm. 12: Eine abgeschlossene Niederschrift kann berichtigt werden, jedenfalls wenn sie Beurkundung eines Vorgangs, nicht eines Beschlusses ist (s. Anm. 3), aber auch letzterenfalls, denn wenn auch ein Beschluß eine formbedürftige Willenserklärung ist, so braucht eben doch die Urkunde darüber in diesem Fall nicht von dem Erklärenden unterschrieben zu sein. Urkunde und Erklärung fallen also nicht zusammen, wie bei bürgerlich-rechtlichen Erklärungen meist, aber auch nicht immer, z. B. nicht bei falscher Beurkundung eines nach § 313 BGB der öffentlichen Form bedürftigen Vertrages, wenn die Eintragung entsprechend der wirklichen Erklärung erfolgen sollte; etwas Derartiges ist auch nach Aktiengesetz möglich, vgl. § 242 II, wenn etwa der wirklich gefaßte Beschluß eingetragen werden sollte. Wenn also die Eintragung im Handelsregister nach Maßgabe der wirklichen Willenserklärung 702
Auskunftsrecht der Aktionäre
§§130/131 Anm. 12,13
(theoretisch, nicht praktisch) denkbar ist, warum sollte die Berichtigung der Urkunde unzulässig sein (wie hier Bayr. Ob. L G in J W 27, 1704; anders die fast übereinstimmend herrschende Meinung und O L G München H R R 39, 1109, weil es an einer sicheren Zulässigkeitsgrenze nach Zeit und Inhalt fehle, nur Schreibversehen und offenbare Unrichtigkeiten dürften berichtigt werden). Die Urkunde kann auch ergänzt werden, es ist nicht einzusehen, warum die versehentlich unterbliebene Beurkundung eines Widerspruchs, der zur Niederschrift erklärt wurde, ja selbst der vom Vorsitzenden getroffenen Feststellung des Abstimmungsergebnisses oder der Verkündung des Beschlusses nicht soll nachgeholt werden können. Die Grenze ist die nach sorgfältiger Prüfung zuverlässige Erinnerung der Urkundsperson. Der Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der Niederschrift ist möglich, er kann jedoch, auch wenn er gelingt (z. B. daß der vom Vorsitzenden verkündete Beschluß anders als beurkundet gelautet habe), nie dazu führen, daß der verkündete nicht beurkundete Beschluß wirksam wird. X . Einreichung z u m Handelsregister Anm. 13: Der Vorstand hat unverzüglich eine öffentlich beglaubigte Abschrift zum Handelsregister der Hauptniederlassung einzureichen, und zwar auch je eine weitere zur Weitergabe an das Gericht jeder Zweigniederlassung (§ 43 I), auch wenn es sich um eintragungsfähige (bedürftige) Beschlüsse handelt und der Vorstand sie zur Eintragung vorläufig noch nicht anmeldet. Auch die Anlagen sind einzureichen. D a s wird im Gesetz nunmehr ausdrücklich bestimmt, ergab sich aber schon nach bisherigem Recht; gewöhnlich erledigt dies der N o t a r aber nicht, ohne vom Vorstand (herkömmlich oder besonders) beauftragt zu sein, was für eine Vollversammlung wichtig ist, die ohne Kenntnis des Vorstandes getagt hat. Amtspflicht des N o t a r s ist es, dem Vorstand unverzüglich so viele zur Einreichung geeignete beglaubigte Abschriften der Niederschrift zu liefern, als er zur Einreichung bei den Gerichten aller Niederlassungen bedarf, wenn er nicht im A u f t r a g des Vorstandes selbst einreicht. Diese Verpflichtung des Vorstandes kann nach § 14 H G B durch Ordnungsstrafe erzwungen werden. Sind Beschlüsse gefaßt worden, die zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden sind, so steht die bloße Einreichung der Niederschrift der Anmeldung zur Eintragung nicht gleich, vielmehr bedarf es dann dieser daneben.
§ 131 Auskunftsrecht des Aktionärs (1) Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der H a u p t v e r s a m m l u n g v o m Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erfor703
§131
Verfassung der Aktiengesellschaft
derlich ist. Die Auskunftspflidit erstreckt sich auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen. (2) Die Auskunft hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. (3) Der Vorstand darf die Auskunft verweigern, 1. soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblidien Nachteil zuzufügen; 2. soweit sie sich auf steuerliche Wertansätze oder die Höhe einzelner Steuern bezieht; 3. über den Unterschied zwischen dem Wert, mit dem Gegenstände in der Jahresbilanz angesetzt worden sind, und einem höheren Wert dieser Gegenstände, es sei denn, daß die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt; 4. über die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden, soweit die Angabe dieser Methoden im Geschäftsbericht zur Vermittlung eines möglichst sicheren Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft ausreidit; dies gilt nicht, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt; 5. soweit sich der Vorstand durch die Erteilung der Auskunft strafbar machen würde. Aus anderen Gründen darf die Auskunft nidit verweigert werden. (4) Ist einem Aktionär wegen seiner Eigenschaft als Aktionär eine Auskunft außerhalb der Hauptversammlung gegeben worden, so ist sie jedem anderen Aktionär auf dessen Verlangen in der Hauptversammlung zu geben, audi wenn sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung nicht erforderlich ist. Der Vorstand darf die Auskunft nicht nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 verweigern. (5) Wird einem Aktionär eine Auskunft verweigert, so kann er verlangen, daß seine Frage und der Grund, aus dem die Auskunft verweigert worden ist, in die Niederschrift über die Verhandlung aufgenommen werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Berechtigte (Anm. 2) III. Verpflichteter (Anm. 3) IV. Inhalt des Auskunftsrechts (Anm. 4 u. 5) V. Sorgfaltspflicht (Anm. 6) VI. Verstoß (Anm. 7)
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VII. Verweigerungsrecht (Anm. 8 bis 10) VIII. Umfang des Auskunftsrechts (Anm. 11) IX. Auskunft außerhalb der Hauptversammlung (Anm. 12) X . Protokollierung der Gründe (Anm. 13)
Auskunfhsredit der Aktionäre
§ 131
Anm. 1,2
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 112 AktG 37 mit einigen Änderungen. Abs. 1 bestimmt, daß die Auskunft vom Vorstand zu verlangen ist (s. Anm. 3). Nur soweit die Auskunft erforderlich ist zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Hauptversammlung, kann sie verlangt werden (s. Anm. 5). Das Recht der Auskunftsverweigerung ist in Abs. 3 neu geregelt (s. Anm. 8 bis 10); neu sind die Abs. 4 und 5, die den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre (s. Anm. 12) und das Recht, die Protokollierung der gestellten Frage und die Begründung der Verweigerung verlangen zu können (s. Anm. 13), behandeln. Das Gesetz räumt jedem einzelnen Aktionär ein Recht darauf ein, daß der Hauptversammlung Auskunft erteilt werde, aber auch der Aktionär hat dieses Recht nicht im eigenen Interesse, sondern um der Gesellschaft willen. Er darf es nur so ausüben, wie es der Gesellschaft genehm sein kann (Abs. 3). Dies bestimmt den Inhalt des Rechts. Wer diese Grenze überschreitet, handelt rechtslos. Das Recht des Aktionärs ist unabdingbar, weder Satzung noch Hauptversammlung können daran etwas ändern, letztere kann nicht durch Beschluß auf die von einem Aktionär begehrte Auskunft verzichten, obwohl sie ihr zu erteilen ist, denn das Recht ist darauf gerichtet, daß der Hauptversammlung Auskunft erteilt werde. Es ist indessen (und deshalb) nicht ein Recht, sich allgemein über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten, vielmehr muß die begehrte Auskunft mit einem Verhandlungsgegenstand im Zusammenhang stehen. Es ist aber nicht auch Voraussetzung, daß das Auskunftsbegehren eine Beschlußfassung vorbereiten soll. Die Auskunft hat den Grundsätzen gewissenhafter und getreuer Rechenschaft zu entsprechen. Man erschöpft aber die Bedeutung der Auskunftspflicht nicht, wenn man sie nur als Ausfluß der Rechenschaftspflicht auffaßt. Es können vielmehr auch Anfragen über rein konjunkturelle Umstände an den Vorstand gerichtet werden, die mit seiner Rechenschaftspflicht nichts zu tun haben. Über Weigerungsgründe siehe Anm. 9. II. Berechtigte Anm. 2: Das Recht auf Auskunft hat jeder einzelne Aktionär, auch der Inhaber einer stimmrechtslosen Vorzugsaktie, auch der im Einzelfall von der Ausübung des Stimmrechts Ausgeschlossene. Besitz einer einzigen Aktie genügt, größerer Aktienbesitz kann nicht vorausgesetzt werden. Es ist ein Ausfluß des Rechts des Aktionärs, an der Hauptversammlung teilzunehmen. Einem Aufsichtsratsmitglied (gar einem Dritten) steht es nicht zu. Auskunft in der Hauptversammlung — demnach nur mündliche Auskunft — kann verlangt werden (siehe auch § 118). Darin liegt, daß der Aktionär einerseits nicht außerhalb der Hauptversammlung — mündlich oder schriftlich — 45
Wilhelm:, Aktiengesetz
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§131
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 2,3 Auskunft verlangen kann (wohl aber im Rahmen des § 93 I — siehe dort über Schweigepflicht des Vorstandes — erhalten darf), andererseits sich nicht mit einer ihm außerhalb der Hauptversammlung in Aussicht gestellten Auskunft zufrieden zu geben braucht und nicht darauf verwiesen werden kann, sich außerhalb der Hauptversammlung zu unterrichten, gar die Bücher oder Schriften der Gesellschaft einzusehen (RG 167, 170), denn sein Recht geht darauf, daß die Hauptversammlung — besonders vor einer Beschlußfassung — unterrichtet werde; darum ist es auch unerheblich, ob der Aktionär selbst — etwa als Aufsichtsratsmitglied — Kenntnis der Dinge hat, über die er Auskunft begehrt, ja selbst, ob er sich, nachdem er das Verlangen gestellt hat, entfernt, bevor die Auskunft erteilt ist. Es kann daraus — etwa nach Treu und Glauben — keine Einwendung gegen das Auskunftsbegehren hergeleitet werden. Ankündigung ist nicht Voraussetzung des Auskunftsverlangens, aber auch dieses Recht ist gemäß Treu und Glauben auszuüben und zu erfüllen. Die Zumutungen, die an den Vorstand gestellt werden können, um ein unangekündigtes Verlangen zu erfüllen, dürften viel weniger weitgehen, als gegenüber einem angekündigten, besonders wenn die Ankündigung dem Aktionär ohne weiteres möglich war, zwecks Erteilung der Antwort auf ein nichtangekündigtes Auskunftsverlangen. Bücher und Schriften herbeizuschaffen und besonders unterrichtete Angestellte herbeizurufen, kann dem Vorstand nur zugemutet werden, wenn die Hauptversammlung ,in oder nahe bei den Geschäftsräumen der AG stattfindet und dadurch nicht verzögert wird (RG 167, 169). Vorlegung der Auskunftsunterlagen (Bücher, Schriften) und Einsicht in diese, kann auch dann nicht verlangt werden, wenn sie zur Stelle sind. III. Verpflichteter Anm. 3: Wer die Auskunft zu geben hat, ergibt Abs. 1 S. 1, wonach es der Vorstand ist, an welchen das Verlangen zu richten ist. Danach und nach allgemeinen Grundsätzen (§ 77) ist der Vorstand zur Auskunft verpflichtet (RG 167, 169). Er muß daher auch als verpflichtet angesehen werden, sich zur Hauptversammlung einzufinden, wenn ihm ein Auskunftsverlangen angekündigt worden ist. Schon aus diesem Grunde ist im § 118 II nicht mehr ein Recht, sondern eine Pflicht des Vorstandes zur Teilnahme normiert worden. Die Abwesenheit des Vorstandes kann, wenn infolge ihrer die Auskunft unterbleibt, die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründen, auch wenn dem Vorstand das Auskunftsverlangen nicht angekündigt war, auch wenn ihn kein Verschulden trifft, sofern die Möglichkeit besteht, daß der Beschluß darauf beruht, daß die Auskunft unterblieben ist. Auch wenn der Vorstand die Auskunft durch eine andere Person erteilen läßt, etwa einem leitenden Angestellten oder ein die Hauptversammlung leitendes Aufsichtsratsmitglied, wird sie unter seiner Verantwortung erteilt. Tatsächlich beantwortet häufig 706
Auskunftsrecht der
Aktionäre
§131
Anm. 3,4
der dem Aufsichtsrat angehörende Versammlungsvorsitzende eine Anfrage aus eigener Sachkunde. Dies kann aber nur vorbehaltlich der Verantwortung des Vorstands für die Richtigkeit der Auskunft (wenn er zugegen ist) und des Auskunftsverweigerungsrechts des Vorstandes geschehen, darum kann und darf in Abwesenheit des Vorstandes der Vorsitzende keine Auskunft erteilen oder durch Angestellte erteilen lassen. Der Vorstand braucht die Antwort durch den Vorsitzenden nicht zu dulden und der Aktionär sich (auch in Abwesenheit des Vorstandes) nicht damit zufrieden zu geben (Anfechtbarkeit wie oben). Natürlich haftet der Vorsitzende, der die Auskunft erteilt, der Gesellschaft für einen Schaden, sowohl wenn die Auskunft unrichtig war, als auch, wenn sie abzulehnen gewesen wäre. Auskunftspflichtig ist der Vorstand, nicht das einzelne Vorstandsmitglied. Es ist also denkbar, daß darüber ein Vorstandsbeschluß zu fassen ist. Die Auskunftserteilung ist kein Rechtsgeschäft, sie braucht also nicht nach den für die Vertretung der Gesellschaft nach außen geltenden Grundsätzen durch mehrere Vorstandsmitglieder erteilt zu werden. Die Erteilung durch ein Mitglied genügt sowohl, wenn mehrere zugegen sind — der Aktionär kann nicht verlangen, daß jedes sich auf seine Anfrage äußert oder, daß über den Inhalt der ihm zu gebenden Antwort Beschluß gefaßt wurde — als auch, wenn die übrigen Mitglieder nicht zugegen sind und von Anfrage und Antwort nichts wissen, jedoch kann jedes andere Mitglied, das mit der Erteilung der Auskunft oder ihrem Inhalt nicht einverstanden ist, ersterenfalls ihr widersprechen — dann ist darüber Beschluß zu fassen nach Maßgabe der Erläuterungen zu § 77 — letzterenfalls die Auskunft zu berichtigen. D a jedes Vorstandsmitglied für die Erfüllung der Vorstandspflichten einzutreten hat, kann auch ein abwesendes Vorstandsmitglied durch eine unrichtige oder nicht abgelehnte Auskunft, aus welcher der Gesellschaft Schaden entsteht, ersatzpflichtig sein und zu beweisen haben, daß seine Abwesenheit sich nicht als Verschulden im Sinne des § 93 darstellt. IV. Inhalt des Auskunftsrechts Anm. 4: Auskunft konnte bisher über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verlangt werden, die mit dem Gegenstand der Verhandlung evtl. Abstimmung in Zusammenhang stehen. Diese Bestimmung hat dazu geführt, daß alle Fragen, sobald sie nur einen losen Zusammenhang zur Tagesordnung hatten, zuzulassen waren. D a r u m ist diese Vorschrift dahingehend beschränkt worden, daß nur insoweit Auskunft erteilt werden muß, als diese zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. D a s wird im allgemeinen bei der häufig gestellten Frage nach den Bezügen der einzelnen Vorstandsmitglieder nicht der Fall sein (ebenso K u h n in W M 66, 51). Es braucht sich dabei nicht um eine Beschlußfassung zu handeln, so kann auch anläßlich des vom Vorstand vorgelegten Jahresabschlusses und Aufsichtsratsberichtes eine Auskunft begehrt werden, auch wenn dieselbe
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Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 4—6 Frage wie meist auch anläßlich des Beschlusses über Gewinnverwendung, wenn ein solcher zu fassen ist, gestellt werden kann. Inwieweit die Auskunft für die Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist, hängt vom Einzelfall ab, insbesondere bei der Behandlung der Entlastung sind Fragen in weitgehender Beziehung denkbar. Durch die Entlastung wird die Verwaltung der Gesellschaft gebilligt (§ 120 II), sie ist also auch eine Vertrauensfrage. Dieses kann im Augenblick der Entlastung auch durch Kundwerden von Geschäftsvorgängen erschüttert werden, die sich nach Schluß des Geschäftsjahres zugetragen haben (BGH 32, 164), demnach sind auch insoweit Fragen zu beantworten; dieses Erfordernis darf jedoch nicht überspannt werden. Nicht schon deshalb, weil ein Aktionär meint, ohne diese Auskunft nicht sachgemäß urteilen zu können, ist die Auskunft zu erteilen. Hierüber entscheidet in der Hauptversammlung der Vorstand. Er hat hierbei zu prüfen, ob die Auskunft bei Kenntnis aller dem Aktionär mitgeteilten Tatsachen entbehrlich ist, um sachgemäß urteilen zu können. Ist dies der Fall, so kann die Auskunft verweigert werden, weil insoweit ein Recht auf Auskunft nicht besteht. Hieraus ergibt sich für den Aktionär die Verpflichtung, seine Fragen zu begründen, d. h. darzulegen, inwiefern die erbetene Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes erforderlich ist, es sei denn, dies ist offenkundig (so schon zum bisherigen Recht Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 122 Anm. 3 f.; Barz in BB 1957, 1254). Anm. 5: Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen (vgl. §§15 ff., 291 ff.), aber damit soll nicht über alle diese Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten Auskunft verlangt werden können, vielmehr ist eine Auskunft auch insoweit nur dann zu erteilen, wenn sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Hierunter können auch Geschäfte eines verbundenen Unternehmens selbst fallen, da diese die Beziehungen der Gesellschaft beeinflussen können. V. Sorgfaltspflicht Anm. 6: Die Auskunft muß einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft entsprechen, also wahr und vollständig sein (vgl. RG 131, 196; 167, 151), insbesondere auch, soweit es sich um die Entlastung und die Nachprüfung der Geschäftsführung handelt. Es darf nichts verschwiegen werden, dessen Kenntnis für den Gegenstand der gestellten Frage von Bedeutung und für die Hauptversammlung im Augenblick für die von ihr zu fassende Entschließung wissenswert ist, so genügt es z. B. nicht, wenn auf die Frage, zu welchem Preis Beteiligungen verkauft wurden, geantwortet wird, sie seien über Nennwert verkauft worden. Will der Vorstand — zulässigerweise — etwas verschweigen, so muß er die Auskunft ausdrücklich verweigern, darf 708
Auskunftsrecht der Aktionäre
§ 131 Anm. 6 , 7
aber keine unvollständige oder gar infolge UnVollständigkeit irreführende Auskunft geben. VI. Verstoß Anm. 7: Eine Verletzung der Auskunftspflicht kann in Erteilung einer falschen oder unvollständigen Auskunft oder in unberechtigter (s. Anm. 9) Verweigerung der Auskunft bestehen. Erstere erzeugt strafrechtliche und bürgerlich-rechtliche Verantwortung nach § 400 Nr. 1 bzw. §§ 93, 116. Erteilung der unberechtigt verweigerten Auskunft kann durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 132 erzwungen werden (siehe im einzelnen dort). Außerdem kann wegen falscher oder unvollständiger oder unberechtigt verweigerter Auskunft nach allgemeinen Grundsätzen der Beschluß angefochten werden (BGH 36, 121). Den Beschluß kann auch ein anderer Aktionär als derjenige anfechten, der die Auskunft verlangt hat, vorausgesetzt, daß er Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Nach RG 167, 167 kann der Aktionär nicht mehr auf die Auskunft klagen (nach neuem Recht das Verfahren nach § 132 betreiben) oder den Beschluß anfechten, wenn er sich mit einer unzureichenden Auskunft zufrieden gegeben hat. Den anderen Aktionären greift nur deren eigenes Verhalten vor, diesbezüglich gilt aber das gleiche. Da der Widerspruch zur Niederschrift dem Beschluß nachfolgt, ist er kein genügender Ausdruck dafür, daß der Widersprechende sich nicht mit der Auskunft zufrieden gegeben habe. Übrigens ist infolge des Erfordernisses des Widerspruchs zur Niederschrift die Anfechtung eines Beschlusses wegen unrichtiger Auskunft nur dem eingeweihten Aktionär möglich. Auch dieser wird, wenn er Widerspruch beabsichtigt, die Auskunft beanstanden und ihre Unrichtigkeit rügen, wenn auch nicht darlegen müssen. Zur Begründung der Anfechtung hat der Kläger zu behaupten und zu beweisen, daß die Auskunftspflicht verletzt worden ist (RG a. a. O.). Diese Beweislast ist wichtig (s. Anm. 12), dagegen hat die Gesellschaft darzutun und zu beweisen, daß und warum der angefochtene Beschluß nicht auf der Verletzung beruht (RG a. a. O). Dieser Nachweis ist nicht schon damit erbracht, daß die Hauptversammlung auf Anfrage des Vorsitzenden beschlossen hat, daß die Auskunft nicht erteilt zu werden braucht, denn damit ist noch nicht bewiesen, daß der angefochtene Beschluß zustande gekommen wäre, wenn die Hauptversammlung die Auskunft erhalten hätte (RG a. a. O.). Für die Frage des ursächlichen Zusammenhanges wird es oft auf den Inhalt von Frage und Antwort ankommen. Es empfiehlt sich darum, daß die notarielle Niederschrift beides ergibt, obwohl § 130 es nicht vorschreibt, wenigstens wenn der Fragesteller Widerspruch erklärt. 709
§131 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 8,9 VII. Verweigerungsrecht Anm. 8: Die Auskunftsverweigerung ist berechtigt, wenn sie mit einem der in Abs. 3 aufgezählten Möglichkeiten begründet werden kann. Nach Abs. 3 S. 2 sind die Gründe des Satzes 1 erschöpfend, so daß mit keiner anderen Begründung die Auskunft verweigert werden kann (s. aber Anm. 10). Danach kann die Auskunft verweigert werden: a) soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Hiernach kommt es nicht auf die überwiegenden Belange der Gesellschaft oder des Aktionärs an. Der Vorstand hat vielmehr nach objektivem Maßstab als ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann zu prüfen, ob die Erteilung der Auskunft nachteilig sein kann; b) soweit sie sich auf steuerliche Wertansätze oder die Höhe einzelner Steuern bezieht; der Aktionär soll nach wie vor einen wahren Uberblick über die Ertragslage der Gesellschaft erhalten, jedoch sind die steuerlichen Wertansätze und die Höhe der einzelnen Steuern Internas der Gesellschaft. Mit einer Auskunft hierüber kann beim Aktionär leicht eine falsche Vorstellung entstehen, die durch das Auskunftsrecht gerade vermieden werden soll; er kann annehmen, daß der steuerlich erzielte Gewinn identisch sei mit dem betriebswirtschaftlichen; deshalb hat er nur Anspruch auf Kenntnis der für die Handelsbilanz wichtigen Gesichtspunkte; c) über den Unterschied zwischen dem Wert, mit dem Gegenstände in der Jahresbilanz angesetzt worden sind und einem höheren Wert dieser Gegenstände, es sei denn, daß die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt; stellt die Hauptversammlung die Jahresbilanz fest, so kann insoweit die Auskunft nicht verweigert werden, weil die Kenntnis dieser Dinge für die Beurteilung wesentlich ist; d) über die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden hinsichtlich der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung gilt das gleiche wie bei c). Eine weitere Einschränkung liegt darin, daß die Angaben im Geschäftsbericht einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage vermittelt; dieses Verweigerungsrecht hat besondere Beachtung für die Frage der Zulässigkeit einer Sonderprüfung nach § 258 I Nr. 3; denn dafür ist u. a. erforderlich, daß eine Auskunft zu Unrecht verweigert worden ist; e) soweit sich der Vorstand durch die Erteilung der Auskunft strafbar machen würde. Dem Vorstand kann nicht zugemutet werden, sich durch eine Auskunft strafbar zu machen (s. § 126 II Nr. 1, vgl. dort Anm. 3). Anm. 9: Abs. 3 S. 2 bezeichnet die in Satz 1 aufgezählten Gründe als erschöpfend. In Abs. 1 ist jedoch bereits definiert, worüber Auskunft zu er710
Auskunftsrecht der Aktionäre
§131 Anm. 9—11
teilen ist. D a r a u s ergibt sich, d a ß die A u s k u n f t auch v e r w e i g e r t w e r d e n k a n n , wenn die V o r a u s s e t z u n g e n des A b s . 1 nicht gegeben sind. D a r ü b e r hinaus unterliegt aber auch d a s Auskunftsrecht den Beschränkungen des § 2 4 2 B G B , d. h. den G r u n d s ä t z e n v o n T r e u u n d G l a u b e n . D e r A k t i o n ä r k a n n nicht berechtigt sein, F r a g e n a u f der H a u p t v e r s a m m l u n g z u stellen, deren B e a n t w o r t u n g er nach T r e u u n d G l a u b e n nicht verlangen k a n n . Wir denken hierbei a n F r a g e n , deren B e a n t w o r t u n g eine umfangreiche N a c h f o r s c h u n g u n d einer nicht unerheblichen V o r b e r e i t u n g bedürfen (vgl. insoweit A n m . 11). M i t derartigen F r a g e n könnte der A b l a u f der H a u p t v e r s a m m l u n g wesentlich v e r z ö g e r t , ja s o g a r ihre V e r t a g u n g v e r a n l a ß t werden. I n derartigen F ä l l e n m u ß den A k t i o n ä r die Pflicht treffen, seine F r a g e n a n z u k ü n d i g e n , d a m i t die erforderlichen Vorbereitungen f ü r die B e a n t w o r t u n g noch rechtzeitig getroffen werden können ( B G H 32, 159 ff.). T u t er d a s nicht, so ist er nicht berechtigt, derartige F r a g e n in der H a u p t v e r s a m m l u n g z u stellen u n d der V o r s t a n d k a n n die A u s k u n f t verweigern.
Anm. 10: D e r V o r s t a n d h a t , soweit es sich u m die N r . 1 u n d 5 sowie u m die V o r a u s s e t z u n g e n des A b s . 1 handelt, nach pflichtmäßigem Ermessen z u entscheiden, o b er die A u s k u n f t verweigern will. I n allen a n d e r e n F ä l l e n k o m m t es a u f d a s Ermessen des V o r s t a n d e s nicht an, d a o b j e k t i v feststellbar ist, ob sich die F r a g e n a u f die in den N r . 2, 3 u n d 4 genannten D i n g e beziehen. D a s Ermessen des V o r s t a n d e s ist pflichtmäßig, wenn er, seiner Pflicht einer gewissenhaften u n d getreuen Rechenschaft sich bewußt, bei P r ü f u n g der F r a g e , o b die V o r a u s s e t z u n g e n der N r . 1 oder 5 gegeben sind, die S o r g f a l t eines ordentlichen Geschäftsleiters a n g e w a n d t hat. Bezüglich eines A n t r a g s auf gerichtliche Entscheidung über die Auskunftserteilung oder A n f e c h t u n g des Beschlusses, hinsichtlich dessen die A u s k u n f t v e r w e i g e r t w o r d e n ist, s. § 132. Ist nur f ü r einen Teil der F r a g e die A u s k u n f t s v e r w e i g e r u n g berechtigt, so k a n n auch nur insoweit die A u s k u n f t verweigert w e r d e n , der andere Teil der F r a g e m u ß beantwortet werden ( B G H 32, 159 ff.). V I I I . U m f a n g des A u s k u n f t s r e c h t s Anm. 11: D i e A u s k u n f t ist nur in der H a u p t v e r s a m m l u n g z u erteilen. N u r hier besteht f ü r den A k t i o n ä r d a s Recht u n d f ü r den V o r s t a n d die Pflicht; t r o t z d e m k a n n eine A u s k u n f t auch außerhalb einer H a u p t v e r s a m m l u n g erteilt werden, es besteht aber hierzu keine Pflicht, es entsteht vielmehr d a n n eine neue Pflicht (s. A b s . 4 u n d A n m . 12). D e r V o r s t a n d ist nicht verpflichtet, Belege v o r z u l e g e n ( B a r z in B B 1957, 1254). D e r V o r s t a n d h a t nicht nur solche F r a g e n z u beantworten, deren B e a n t w o r t u n g ihm aus d e m Stegreif möglich ist, sondern auch solche, zu deren B e a n t w o r t u n g U n t e r l a g e n e r f o r derlich sind, deren Beischaffung ohne weiteres möglich ist, ohne die H a u p t v e r s a m m l u n g über G e b ü h r z u verzögern ( R G 167, 1 6 9 ; B G H 32, 159 ff.). 711
§131 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 11,12 Hieraus ergibt sich, daß der Vorstand das nötige Personal zur Verfügung halten muß, um sich die notwendigen Unterlagen zu beschaffen. Dies gilt auch, wenn sich die Hauptversammlung in die Nachtzeit erstreckt oder an einem arbeitsfreien Tag abgehalten wird (BGH a. a. O.). Die Pflicht zur Beibringung von Unterlagen findet seine Grenze dann, wenn die Hauptversammlung dadurch über Gebühr verzögert wird (s. Anm. 10). IX. Auskunft außerhalb der Hauptversammlung Anm. 12: Neu ist die Vorschrift des Abs. 4, mit dem gewährleistet werden soll, daß alle Aktionäre gleichmäßig unterrichtet werden. Dem Aktionär kann auch außerhalb der Hauptversammlung eine Auskunft erteilt werden, er hat aber kein Recht darauf (s. Anm. 11). Ist eine solche Auskunft erteilt worden, so muß diese auch jedem Aktionär auf der Hauptversammlung erteilt werden, allerdings nur auf Verlangen. Es spielt hierbei keine Rolle, von wem die Auskunft erteilt worden ist — Vorstand oder Aufsichtsrat —, es ist lediglich die Tatsache der erteilten Auskunft maßgebend, sie muß aber dem Aktionär in seiner Eigenschaft als Aktionär erteilt worden sein, also nicht etwa als Aufsichtsratsmitglied, Vertragspartner, Wirtschaftsprüfer od. dgl. Die Erteilung dieser Auskunft in der Hauptversammlung kann nur verweigert werden, wenn sich der Erteiler der Auskunft dadurch strafbar machen würde. Es müssen weder die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, noch kann sich der Vorstand auf Abs. 3 Nr. 1—4 berufen. Das Gesetz gibt in Abs. 4 S. 2 nur dem Vorstand dieses Verweigerungsrecht; es ist jedoch möglich, daß die Auskunft außerhalb der Hauptversammlung von anderen — etwa vom Aufsichtsrat — erteilt worden ist und u. E. dann auch in der Hauptversammlung von diesem den anderen Aktionären zu erteilen ist. Für diesen gilt Satz 2 entsprechend. Das Gesetz sagt nichts darüber, in welcher Hauptversammlung diese Auskunft zu erteilen ist. Nach dem Wortlaut kann jeder Aktionär die Erteilung von Auskünften verlangen, die schon vor Jahren einem anderen Aktionär außerhalb der Hauptversammlung erteilt worden ist, insbesondere deswegen, weil die Auskunft nur verweigert werden kann, wenn sich der Vorstand durch die Erteilung strafbar machen würde. Das kann nicht der Sinn dieser Vorschrift sein, andererseits wird man nicht verlangen können, daß dieses Verlangen in der der Auskunftserteilung außerhalb der Hauptversammlung folgenden Hauptversammlung zu stellen ist, denn ein Aktionär kann von der Tatsache, daß eine derartige Auskunft erteilt worden ist, erst nach dieser Hauptversammlung Kenntnis erlangen, z. B. kann einem Aktionär außerhalb der Hauptversammlung Auskunft über steuerliche Wertansätze erteilt worden sein. Ein anderer Aktionär hat ein berechtigtes Interesse an dieser Auskunft, stellt aber mit Rücksicht auf Abs. 3 S. 1 Nr. 2 keine dementsprechende Frage. Nach der Hauptversammlung erfährt er dann, daß 712
Gerichtliche Entscheidung über das Auskunftsrecht
§§131/132
Anm. 12,13 dem anderen Aktionär eine entsprechende Auskunft vor der Hauptversammlung erteilt worden ist, der Vorstand hätte sich also bei einer von ihm gestellten dahingehenden Frage nicht auf Abs. 3 S. 1 Nr. 2 berufen können. Dem Aktionär muß deshalb für die dann folgende Hauptversammlung das Recht eingeräumt werden, diese Auskunft zu verlangen. Hieraus folgt, daß das Verlangen in der nächsten Hauptversammlung nach Kenntniserlangen von der Auskunftserteilung außerhalb der Hauptversammlung gestellt werden muß. Es steht aber jedem Aktionär frei, in der Hauptversammlung zu fragen, ob außerhalb der Hauptversammlung Auskünfte erteilt worden sind und seinerseits die Erteilung dieser Auskunft zu verlangen. Für das bisherige Recht mit Stellungnahme zum Entwurf vgl. Boesebeck in Die Aktiengesellschaft 63, 89 ff. X. Protokollierung der Gründe Anm. 13: Für die Nachprüfung der Frage, ob die Auskunft verweigert werden dürfte, ist die genaue Fragestellung und die vom Vorstand für die Verweigerung gegebene Begründung wichtig. Der Aktionär kann daher verlangen, daß beides in der Niederschrift festgehalten wird. Für die Begründung der Verweigerung ist dies nicht so entscheidend, da bei einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung über das Recht auf Auskunftserteilung auch neue Gründe nachgeschoben werden können (s. § 132 Anm. 7).
§ 132 Gerichtliche Entscheidung über das Auskunftsrecht (1) Ob der Vorstand die Auskunft zu geben hat, entscheidet auf Antrag ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so entscheidet diese an Stelle der Zivilkammer. Die Landesregierung kann die Entscheidung durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte einem der Landgerichte übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen. (2) Antragsberechtigt ist jeder Aktionär, dem die verlangte Auskunft nicht gegeben worden ist, und, wenn über den Gegenstand der Tagesordnung, auf den sich die Auskunft bezog, Beschluß gefaßt worden ist, jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, der in der Hauptversammlung Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach der Hauptversammlung zu stellen, in der die Auskunft abgelehnt worden ist. 713
§132
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 1 (3) § 99 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 2, 4 bis 9 und Abs. 5 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Die sofortige Beschwerde findet nur statt, wenn das Landgericht sie in der Entscheidung für zulässig erklärt. Es soll sie nur zulassen, wenn dadurch die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erwarten ist. (4) Wird dem Antrag stattgegeben, so ist die Auskunft auch außerhalb der Hauptversammlung zu geben. Aus der Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung statt. (5) Für die Kosten des Verfahrens gilt die Kostenordnung. Für das Verfahren des ersten Rechtszugs wird das Doppelte der vollen Gebühr erhoben. Für den zweiten Rechtszug wird die gleiche Gebühr erhoben; dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde Erfolg hat. Wird der Antrag oder die Beschwerde zurückgenommen, bevor es zu einer Entscheidung oder einer vom Gericht vermittelten Einigung kommt, so ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte. Der Geschäftswert ist von Amts wegen festzusetzen. Er bestimmt sich nach § 30 Abs. 2 der Kostenordnung mit der Maßgabe, daß der Wert regelmäßig auf zehntausend Deutsche Mark anzunehmen ist. Das mit dem Verfahren befaßte Gericht bestimmt nach billigem Ermessen, welchem Beteiligten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind. I. Übersicht (Anm. 1) II. Zuständigkeit (Anm. 2 u. 3) III. Antragsberechtigte (Anm. 4) IV. Frist (Anm. 5) V. Prüfungspflicht (Anm. 6 u. 7)
VI. Verfahren (Anm. 8) VII. Vollzug der Entscheidung (Anm. 9) VIII. Kosten (Anm. 10)
I. Obersicht Anm. 1: Die Bestimmung ist neu. Nach bisherigem Recht konnte der Aktionär Klage gegen die Gesellschaft wegen Verweigerung der Auskunft erheben, diese richtete sich jedoch nach den allgemeinen Bestimmungen. Das hatte zwei wesentliche Nachteile: a) da die Entscheidung, ob eine Auskunft zu erteilen war, dem pflichtgemäßen Ermessen des Vorstandes oblag, konnte das Gericht lediglich prüfen, ob ein Ermessensmißbrauch vorlag; b) das Verfahren richtete sich nach der Z P O und war dementsprechend zeitraubend. Damit war das Recht des Aktionärs auf Auskunft nur unzureichend gesichert. Durch die Neugestaltung der Möglichkeiten, die Auskunft zu verweigern (§131 Abs. 3) ist es möglich, weitestgehend die Berechtigung zur Auskunftsverweigerung nachzuprüfen. Es wird in Abs. 1 eine besondere Zuständigkeit normiert, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Um eine schnellere Entscheidung zu erreichen, wird ein besonderes, den 714
Gerichtliche Entscheidung über das Auskunftsrecht
§ 132
Anm. 1—3
Grundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechendes Verfahren eingeführt und eine kurze (2 Wochen) Antragsfrist festgesetzt. Abs. 3 verweist auf die Verfahrensvorschriften hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates. II. Zuständigkeit Anm. 2: Das Landgericht entscheidet über das Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstandes, es wird auf Antrag tätig; wer antragsberechtigt ist, siehe Anm. 4. Zuständig ist das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, nicht etwa das Gericht, in dessen Bezirk die Hauptversammlung, in der die Auskunft verweigert worden ist, abgehalten worden ist. Hier ist, sofern vorhanden, die Kammer für Handelssachen zuständig. Bei Vorhandensein mehrerer Kammern für Handelssachen wird es sich empfehlen, die Zuständigkeit für dieses Verfahren einer Kammer für den gesamten Landgerichtsbezirk in der Geschäftsverteilung zu bestimmen. Darüber hinaus kann die Landesregierung — und durch Übertragung von dieser die Landesjustizverwaltung — durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit mehrerer Landgerichtsbezirke einem Landgericht übertragen. Natürlich kann dies nur auf Landesebene geschehen, also nicht eine Zuständigkeit über Landesgrenzen hinweg bestimmt werden. Anm. 3: Die Zuständigkeit des Abs. 1 ist eine ausschließliche. Die Begründung des Regierungsentwurfs geht so weit, daß angenommen wird, ein Rechtsstreit — insbesondere eine Anfechtung — für den die Frage der Berechtigung der Auskunftsverweigerung entscheidend ist, müsse ausgesetzt werden, bis das nach § 132 zuständige Gericht die Frage entschieden habe. Das bedeutet aber, daß der die Anfechtung betreibende Aktionär neben der Anfechtungsklage auch das Verfahren nach § 132 betreiben muß; er muß also zwei Gerichte befassen, zweimal ein Kostenrisiko eingehen, um das Ziel — die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses — erreichen zu können. Da der Antrag gem. § 132 innerhalb von 2 Wochen gestellt sein muß, müßte man so weit gehen, für die Klage wegen Anfechtung des Beschlusses, zu dem eine Auskunft verweigert worden ist, den Antrag gem. § 132 vorauszusetzen. Diese Klage muß erst nach Ablauf eines Monats erhoben worden sein (§ 246), zu einem Zeitpunkt also, zu dem der Antrag nach § 132 nicht mehr gestellt werden kann; das hätte zur Folge, daß die Anfechtungsklage abgewiesen werden müßte, da nicht mehr festgestellt werden könnte, ob der Vorstand die Auskunft zu erteilen hat, wenn man für diese Entscheidung das Gericht des § 132 für ausschließlich zuständig hält. Ein Anfechtungsprozeß ist daher unseres Erachtens nur auszusetzen, wenn vorher ein Antrag nach § 132 gestellt worden oder ausnahmsweise die Frist des § 132 noch nicht abgelaufen ist, andernfalls hat das Gericht, das über die Anfechtungsklage zu entschei715
§132 Anm. 3—6
Verfassung der Aktiengesellschaft
den hat, auch die Frage zu klären, ob die Auskunft zu Recht verweigert worden ist. Dies geschieht lediglich in den Entscheidungsgründen, ohne daß durch eine entsprechende Feststellung der Vorstand verpflichtet würde, nunmehr die verweigerte Auskunft zu erteilen, dazu kann er nur ausschließlich durch das Verfahren nach § 132 gezwungen werden, nur in diesem Sinn ist das Wort „ausschließlich" im § 132 Abs. 1 zu verstehen.
III. Antragsberechtigte Anm. 4: Antragsberechtigt ist ohne jede weitere Voraussetzung jeder A k tionär, dem die Auskunft verweigert worden ist. E s ist nicht erforderlich, daß er gem. § 131 V seine F r a g e und den G r u n d der Auskunftsverweigerung im Protokoll hat aufnehmen lassen, noch daß Widerspruch zu Protokoll erhoben worden ist. D a er in diesem Fall aber nicht berechtigt ist, Anfechtungsklage zu erheben (jedenfalls nicht wegen dieses Grundes; § 245), wird auch der die Frage stellende Aktionär zweckmäßig immer Widerspruch zu Protokoll erheben, wenn die Auskunft verweigert wird. Daneben ist jeder Aktionär antragsberechtigt, der in der H a u p t v e r s a m m lung erschienen ist und Widerspruch zu Protokoll erhoben hat. Diese Aktionäre sind jedoch nur insoweit antragsberechtigt, als über den die verweigerte Auskunft betreffenden Gegenstand der Tagesordnung Beschluß gefaßt worden ist. Antragsberechtigt ist auch der A k t i o n ä r , der sich in der H a u p t versammlung hat vertreten lassen, denn „erschienen" im Sinne dieser Bestimmung heißt nicht persönlich anwesend sein.
IV. Frist Anm. 5: D e r A n t r a g ist innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Wochen zu stellen. Mit einer so kurzen Frist soll eine schnelle K l ä r u n g der Frage, ob Auskunft zu erteilen ist, gewährleistet werden (s. A n m . 1). D i e Frist beginnt mit dem T a g , an dem die H a u p t v e r s a m m l u n g stattgefunden hat, in der die Auskunft verweigert worden ist. Erstreckt sich die H a u p t v e r s a m m l u n g ausnahmsweise über mehrere Tage, so ist der T a g , an dem die Auskunft verweigert worden ist, maßgebend, das gilt auch dann, wenn über den die verweigerte Auskunft betreffenden Gegenstand der Tagesordnung erst an einem anderen T a g — aber nicht in einer neuen H a u p t v e r s a m m l u n g — Beschluß gefaßt worden ist, obwohl der Aktionär, der die Auskunft nicht verlangt hat, erst durch die Beschlußfassung antragsberechtigt wird ( § 1 3 2 I I S . 1; s. A n m . 4).
V. Prüfungspflicht Anm. 6: D a s Gericht hat zu prüfen, ob der V o r s t a n d die verlangte Auskunft zu erteilen hat. Für die Verweigerungsmöglichkeiten des Abs. 3 S. 1 716
Gerichtliche Entscheidung über das Auskunftsrecht
§ 132 Anra. 6—8
Nr. 2 bis 4 werden Schwierigkeiten kaum entstehen. Aus der Fragestellung wird zu erkennen sein, ob eine der dort genannten Möglichkeiten vorliegt, anders liegt es bei den Nr. 1 und 5. Meist wird sich erst aus der Auskunft selbst ergeben, ob sie nach Nr. 1 oder 5 verweigert werden konnte. Es kann sich in einigen Fällen auch schon aus der Frage ergeben, was aber die Ausnahme sein wird. In der Begründung zum Regierungsentwurf ist ausgeführt, daß es ausreiche, wenn die Gesellschaft darlegt, daß eine Auskunft wie die verlangte im allgemeinen geeignet ist, der Gesellschaft Nachteile zuzufügen; damit wird dem Aktionär die Beweislast zugeschoben für die Behauptung, in dem speziellen Falle könnten Nachteile nicht eintreten. Ob er hierzu in der Lage ist, hängt vom Einzelfall ab. Ist er dazu erst nach Erhalt der Auskunft in der Lage, bleibt er beweisfällig, da der Gesellschaft nicht zugemutet werden kann, die verlangte Auskunft im Verfahren dem Gericht zu geben, um ihr Verweigerungsrecht zu begründen, da die Stellungnahme der Gesellschaft dem Antragsteller zugeleitet wird und somit die Auskunft erteilt und das Verfahren illusorisch wäre. In diesem Falle ist daher der Antrag zurückzuweisen. Anm. 7: Streitig ist, ob der Vorstand noch im Verfahren Gründe nachschieben kann oder auf die in der Hauptversammlung gegebene Begründung allein angewiesen ist. Unseres Erachtens ist das Nachschieben ohne weiteres zulässig (so auch BGH 36, 121 ff.; a. A. Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 112 Anm. 7 d; Barz in BB 1957, 1256). Eine in der Hauptversammlung gegebene Begründung kann schlecht und ungeschickt sein. Das Recht, die Auskunft zu verweigern, wird meist jedoch eine Pflicht sein, da die Auskunft der Gesellschaft Nachteile bringen kann. H a t der Vorstand tatsächlich ein Recht auf Auskunftsverweigerung, hat er aber in der Hauptversammlung eine falsche und erst im Verfahren die richtige Begründung angegeben, so ist die Auskunft nicht zu erteilen. Nach Abs. 5 werden in einem solchen Fall der Gesellschaft die Kosten aufzuerlegen sein, andererseits wird dieser Fall kaum eintreten, da er ebenfalls nur die Nummern 1 und 5 des § 131 Abs. 3 S. 1 betreffen kann. Liegen andere N r . (2 bis 4) vor, so kann das Gericht meist schon aus der Fragestellung den Verweigerungsgrund ersehen und ist so auf keine Begründung der Gesellschaft angewiesen. Wenn ein erkennbarer Verweigerungsgrund vorliegt, hat das Gericht dies von sich aus zu prüfen, auch wenn sich die Gesellschaft fälschlich auf eine andere Nr. — die nicht gegeben ist — beruft. VI. Verfahren Anm. 8: Auf das Verfahren sind die Vorschriften über das Verfahren über die gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates teilweise sinngemäß anzuwenden. Hieraus ergibt sich, daß für das Verfah717
§ 132 Anm. 8 , 9
Verfassung der Aktiengesellschaft
ren d a s G e s e t z über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit a n z u w e n d e n ist (s. § 99 A n m . 2). D a s L a n d g e r i c h t entscheidet durch Beschluß, der m i t G r ü n d e n zu versehen ist (vgl. § 99 A n m . 4). D i e Entscheidung ist m i t der sofortigen Beschwerde anfechtbar, die im G e g e n s a t z z u § 9 9 in der gerichtlichen Entscheidung ausdrücklich zugelassen w o r d e n sein muß. Ist dies nicht geschehen, so k a n n d a s Oberlandesgericht angerufen w e r d e n mit dem A n t r a g , die sofortige Beschwerde zuzulassen, weil die Z u l a s s u n g v o m Landgericht zu Unrecht verweigert w o r d e n sei. D a s L a n d g e r i c h t h a t die Beschwerde zuzulassen, einmal wenn die Sache v o n grundsätzlicher B e d e u t u n g ist — w a s w o h l bei den V e r w e i g e r u n g s g r ü n d e n des § 131 I I I S . 1 N r . 1 o d e r 5 möglich sein w i r d — , z u m anderen aber auch, wenn d a s Landgericht v o n einer Entscheidung eines Oberlandesgerichtes abweicht; andererseits ist der Beschluß des Landgerichtes aus allgemeinen G r u n d s ä t z e n immer anfechtbar, also auch wenn die Beschwerde nicht zugelassen w o r d e n ist, wenn d a s Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt oder ein Richter m i t g e w i r k t hat, der k r a f t Gesetzes v o n der A u s ü b u n g des Richteramtes ausgeschlossen w a r . Gleiches gilt, wenn ein Richter m i t g e w i r k t hat, der mit E r f o l g wegen B e s o r g n i s der Befangenheit abgelehnt w o r d e n w a r . Ü b e r die Beschwerde entscheidet d a s Oberlandesgericht. E b e n s o wie die Z u s t ä n d i g k e i t des Landgerichtes (s. A n m . 2) k a n n ein zentrales O b e r l a n d e s gericht oder oberstes Landgericht a u f Landesebene auch f ü r mehrere O L G B e z i r k e f ü r z u s t ä n d i g erklärt w e r d e n . D a s Oberlandesgericht h a t die Sache d e m Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es v o n einer anderen O L G - o d e r einer B G H - E n t s c h e i d u n g abweichen will. D e n Beteiligten ist eine Abschrift des Vorlegungsbeschlusses zu übersenden. In diesen F ä l l e n entscheidet der Bundesgerichtshof über die s o f o r t i g e Beschwerde. D i e s o f o r t i g e Beschwerde ist innerhalb v o n 2 Wochen einzulegen (§ 2 2 F G G ) u n d m u ß v o n einem R e c h t s a n w a l t unterzeichnet sein. E i n e weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. D i e Entscheidung w i r d erst mit der Rechtskraft w i r k s a m u n d ist nach der Rechtskraft v o m V o r s t a n d unverzüglich z u m H a n d e l s r e g i s t e r einzureichen. D i e a m V e r f a h r e n nicht beteiligten A k t i o n ä r e sollen d a m i t leicht in E r f a h r u n g bringen können, o b sie in der nächsten H a u p t v e r s a m m l u n g eine A u s kunft gem. § 131 I V v e r l a n g e n können. VII. Vollzug der Entscheidung Anm. 9: W i r d d e m A n t r a g stattgegeben, so ist die A u s k u n f t unverzüglich z u erteilen, a n d e r e n f a l l s sich der V o r s t a n d der G e f a h r der Z w a n g s v o l l streckung (§ 888 Z P O ) aussetzt. F ü r im Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g s v e r f a h r e n festgesetzte G e l d s t r a f e n h a f t e t die Gesellschaft, dieser w i e d e r u m a u f g r u n d § 93 der V o r s t a n d . D e r V o r s t a n d k a n n sich nicht d a r a u f berufen, d a ß eine A u s k u n f t nur in der H a u p t v e r s a m m l u n g z u erteilen sei u n d so den obsiegenden A k t i o n ä r bis zur nächsten H a u p t v e r s a m m l u n g vertrösten. A b s . 4 be718
Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit
§§132/133
Anm. 9,10 stimmt ausdrücklich, daß die Auskunft auch außerhalb der Hauptversammlung zu erteilen sei. VIII. Kosten Anm. 10: Abs. 5 befaßt sich mit den Kosten des Verfahrens, und zwar zunächst mit der Höhe der Gebühr, dann mit der Höhe des Geschäftswertes und schließlich mit der Frage der Kostenhaftung. Für den ersten und zweiten Rechtszug werden je zwei volle Gebühren erhoben, es sei denn, der Antrag wird vor der Entscheidung oder einer vom Gericht vermittelten Einigung zurückgenommen. Für diesen Fall wird nur eine Gebühr erhoben. Wird der Antrag erst in zweiter Instanz zurückgenommen, so verbleibt es für die erste Instanz bei zwei vollen Gebühren, da diese Instanz bereits abgeschlossen ist und von dieser bereits eine Entscheidung vorliegt. Vermittelt das Gericht eine Einigung, so verbleibt es ebenfalls bei zwei vollen Gebühren, was dem Grundsatz des § 29 GKG widerspricht. Die Vorschriften gelten lediglich für die Kosten des Gerichtes, für Rechtsanwälte gilt die BRAGO. Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 30 II Kostenordnung mit der Maßgabe, daß der dort genannte Wert von DM 3000,— durch DM 10 000,— zu ersetzen ist. Im allgemeinen hat der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Gericht soll aber, um besonders gelagerten Fällen Rechnung tragen zu können, nicht an diese starre Norm gebunden sein (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf). Es hat daher die Kosten nach billigem Ermessen zu erteilen. Fallen die Kosten der Gesellschaft zur Last, so haftet dieser gem. § 93 der Vorstand.
Vierter Unterabschnitt Stimmrecht § 133 Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit (1) Die Beschlüsse der Hauptversammlung bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Stimmenmehrheit), soweit nicht Gesetz oder Satzung eine größere Mehrheit oder weitere Erfordernisse bestimmen. (2) Für Wahlen kann die Satzung andere Bestimmungen treffen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Willensbildung durch Beschluß 1. Stimmenmehrheit (Anm. 2) 2. Stimmrecht der einzelnen Aktien (Anm. 3)
3. Abweidlende Gesetzes- oder Satzungsbestimmungen (Anm. 4) III. Wahlen (Anm. 5)
719
§133 Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmung des § 113 AktG 37 ist mit einer sachlich bedeutungslosen sprachlichen Änderung im Abs. 1 übernommen worden. Das neue Gesetz hält an dem Grundsatz fest, daß für die Willensbildung in der Hauptversammlung, soweit sie in Beschlüssen ihren Niederschlag findet, der Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit gilt, obwohl seit langem Übereinstimmung darin besteht, daß dieser Grundsatz nicht geeignet ist, in sich bereits eine gewisse Garantie dafür zu schaffen, daß die Willensbildung auf diese Weise im Interesse der Gesellschaft erfolgt. Die Vorstellung eines weit verstreuten Aktienbesitzes ohne Mehrheitsbildungen als für alle Aktiengesellschaften gültig, ist sicherlich nicht mehr richtig, obwohl es nach wie vor in den großen Publikumsgesellschaften mitunter solche gibt, in denen tatsächlich keine wesentlichen Mehrheiten bestehen. Bei der weitaus größten Zahl der Gesellschaften bestehen aber Mehrheiten und mehr oder weniger große Minderheiten, die sich zusammenschließen können, so daß man von einem natürlichen Ausgleich der Interessen dadurch, daß man das Mehrheitsprinzip als das herrschende bestimmt, nicht mehr sprechen kann. Das Aktiengesetz sucht die Gegensätze zu mildern und der tatsächlichen Entwicklung Rechnung zu tragen, teils indem es der Satzung freie Hand läßt, die erforderliche Mehrheit anders zu bestimmen — was auch durch Satzungsänderung noch geschehen kann, wenn diese noch rechtzeitig kommt —, teils indem es selbst für Beschlüsse von größerer Bedeutung qualifizierte Mehrheit, bestehend aus einer Stimmenmehrheit und Kapitalmehrheit, fordert (die regelmäßig zusammenfällt); ferner dadurch, daß gewisse Minderheiten entweder Beschlüsse verhindern (z. B. § 50; § 93 IV; § 117 IV; § 302 III; §30911; §317 IV) oder wirkungslos machen können, weil sie trotz eines ablehnenden Beschlusses die betreffende Maßnahme einleiten können, so bei Sonderprüfungen, s. § 142 II. Dies darf aber nicht zu der Auffassung führen, als würden die Interessen, welche Mehrheit und Minderheit vertreten, quantitativ abgewogen und als gingen die Interessen der Mehrheit, wenn die qualifizierte Mehrheit festgestellt ist, nun ohne weiteres den Interessen der Minderheit als den quantitativ geringeren vor. Da jeder Antrag angenommen oder abgelehnt werden muß, ist entweder die Annahme oder die Ablehnung zu beschließen. Der Beschluß ergibt sich aus der Zählung der Ja- und Nein-Stimmen (letzterer meist nur indirekt durch Zählung der ersteren; doch ist auch die Gegenprobe nicht selten und oft zweckmäßig). Wo aber für die Annahme eines Antrags die qualifizierte Mehrheit (höhere Stimmenmehrheit, z. B. 3A oder das Zusammentreffen der einfachen Mehrheit und einer Kapitalmehrheit od. dgl.) erfordert wird, kann sich ergeben, daß für den Antrag zwar die einfache Mehrheit erreicht wurde, aber nicht die qualifizierte. Dann liegt, obwohl die Mehrheit sich für den 720
Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit
§ 133 Anm. 1,2
Antrag ausgesprochen hat, dennoch ein den Antrag ablehnender Beschluß der Hauptversammlung vor. II. Willensbildung durch Besdiluß 1. Stimmenmehrheit Anm. 2: Die Willensbildung in der Hauptversammlung erfolgt regelmäßig durch Beschlüsse. Diese bedürfen grundsätzlich der absoluten einfachen Stimmenmehrheit. Ein Hauptversammlungsbeschluß kann immer nur durch Abstimmung zustande kommen. Es ist nicht zulässig, daß die Mehrheit mit der Minderheit einen Vertrag schließt (OLG Bamberg in LZ 1910, 167). Außerhalb der Hauptversammlung können wirksame Beschlüsse überhaupt nicht gefaßt werden (§ 118). Das gilt auch dann, wenn alle Aktien im Besitz eines Aktionärs sind, doch können derartige Beschlüsse als Beschlüsse eines Konsortiums innerhalb des letzteren oder schuldrechtliche Wirkungen von großer Tragweite haben. Es genügt, wenn in einer Hauptversammlung auch nur ein einziger Aktionär — jeder Aktiengattung, wenn Sonderabstimmung erforderlich ist — mit einer Aktie erscheint (RG 34, 116; 82, 383). Dieser kann rechtsgültig beschließen, es sei denn, daß die Satzung die Anwesenheit einer Mindestzahl von Stimmen vorschreibt. Uber die Hauptversammlung ohne Aktionäre vgl. Anm. 2 zu § 129. Stimmenmehrheit setzt voraus, daß eine Stimme mehr f ü r den Beschluß abgegeben worden ist. Ergibt sich die erforderliche Mehrheit nicht, desgl. nach herrschender Ansicht bei Stimmengleichheit, so ist ein Beschluß nicht zustande gekommen; der Antrag ist, wenn nicht die absolute einfache Stimmenmehrheit erreicht ist, abgelehnt und er gilt als abgelehnt bei Stimmengleichheit und, wenn er zwar die absolute einfache Stimmenmehrheit erreicht hat jedoch eine qualifizierte Mehrheit f ü r die Annahme des Antrags erforderlich gewesen wäre. Auch ein derartig ablehnender Beschluß muß beurkundet werden und unterliegt den Grundsätzen über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit. Es werden nur die Aktien, deren Stimmenrecht ausgeübt wird, mitgezählt. Es scheiden also alle Aktien aus, die nicht vertreten sind, ferner aber auch die vertretenen, wenn f ü r sie nicht abgestimmt wird, sei es, daß der Aktionär an der Abstimmung verhindert ist, sei es, daß er nicht abstimmen will. Auf eine kurze und vorübergehende Verhinderung eines an der Versammlung teilnehmenden Aktionärs, an der Abstimmung teilzunehmen, hat der Vorsitzende Rücksicht zu nehmen, wenn sie ihm gemeldet ist. Es würde eine Beeinträchtigung des Stimmrechts des behinderten Aktionärs bedeuten und die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründen, wenn der Vorsitzende trotz der Behinderung oder gar unter Ausnutzung der Behinderung abstimmen ließe. Die Abgabe eines weißen Zettels bei einer schriftlichen Abstimmung bedeutet Stimmenthaltung, ist aber eine Stimmabgabe, so daß die Aktie bei der Berechnung der Mehrheit mitgezählt werden muß (a. A. RG 20, 147; 82, 388). 721 46
Wilhelmi, Aktiengesetz
§ 133
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
Anm. 3,4 2. Stimmrecht der einzelnen Aktien Anm. 3: Grundsätzlich hat jede Aktie Stimmrecht, und zwar wird das Stimmrecht nach Aktiennennbeträgen ausgeübt. Vgl. aber über Aktien mit Mehrstimmrecht § 12 II, über Vorzugsaktien ohne Stimmrecht §§ 139 ff. und Anm. dort. 3. Abweichende
Gesetzes- oder
Satzungsbestimmungen
Anm. 4: Der Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit gilt nur, soweit Gesetz oder Satzung keine andere Mehrheit vorschreiben. Es ist zu unterscheiden zwischen einer Stimmenmehrheit und einer Kapitalmehrheit. Erstere verlangt das Gesetz immer. In vielen Fällen verlangt es neben der einfachen oder einer erhöhten Stimmenmehrheit außer dieser auch eine Kapitalmehrheit, so daß zweierlei Mehrheiten nebeneinander erreicht werden müssen (so in §§ 52, 179, 182, 186, 193, 202, 207, 221, 222, 262, 274, 293, 295, 296, 320, 340,353,362,369). Die Satzung kann nicht schlechthin andere Bestimmungen treffen, etwa eine Minderheit oder relative Mehrheit, Stimmengleichheit mit Los oder mit Stichentscheid des Vorsitzenden oder eines Aktionärs genügen lassen, sondern nur eine größere Mehrheit oder (zusätzlich noch) andere Erfordernisse vorschreiben. Mit Rüdssicht auf die neue Bestimmung des § 23 IV, wonach grundsätzlich die Satzung von den Vorschriften des Gesetzes nur dann abweichen darf, wenn es ausdrücklich zugelassen ist, gilt dies auch im Zusammenhang mit der f ü r das Zustandekommen eines Beschlusses erforderlichen Mehrheit, nur mit der Maßgabe, d a ß Satzungsänderungen nur dort wirksam sind, wo sie ausdrücklich zugelassen sind. Ist das der Fall, so gibt es in der Richtung der Bestimmungen einer größeren Mehrheit oder anderen Erfordernissen keine Beschränkung, so daß wiederholte Abstimmung Mindestanwesenheit, ja Anwesenheit aller und Mindestteilnahme an der Abstimmung und Mindestmehrheit, auch ausgedrückt in Prozenten des Grundkapitals (woneben aber zwingend Stimmenmehrheit erforderlich ist), Zugehörigkeit eines bestimmten Aktionärs zur Mehrheit, Einstimmigkeit (nicht aber Zustimmung auch aller Abwesenden und nicht Zustimmung eines Dritten) verlangt werden kann. In den oben erwähnten Fällen, in denen durch Gesetz f ü r das Zustandekommen eines Beschlusses die Zustimmung eines bestimmten Bruchteils des bei der Beschlußfassung vertretenen (abstimmenden) Grundkapitals verlangt wird, sind bei der Berechnung des vertretenen Grundkapitals und des Abstimmungsergebnisses Aktien mit erhöhtem mehrfachem Stimmrecht nur mit ihrem Nennbetrag (RG 125, S. 359) nicht voll bezahlte Aktien, sofern stimmberechtigt (§ 134), nur mit der auf das Grundkapital geleisteten Einlage zu rechnen. Aktien, die kein Stimmrecht haben (§ 139) oder deren Stimmrecht ruht (eigene Aktien) oder deren Aktionäre freiwillig oder nach 722
Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit
§133
Anm. 4
Gesetz oder Satzung nicht mitstimmen, sind nicht zu berücksichtigen, denn diese nehmen an der Beschlußfassung nicht teil. Erklärt ein Aktionär mündlich oder bei schriftlicher Abstimmung durch Abgabe eines weißen Stimmzettels, d a ß er sich der Stimme enthält, so hat er sich an der Abstimmung beteiligt, ist also bei der Berechnung des bei der Abstimmung vertretenen Grundkapitals mit seinem Aktienbesitz mitzurechnen. Die Stimme wirkt sich also praktisch als Neinstimme aus, soweit f ü r das Zustandekommen des Beschlusses die Zustimmung eines bestimmten Bruchteils des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals Voraussetzung ist. Soweit die Satzung Bestimmungen enthält, kommt es auf deren Auslegung an. Es wird nichts im Wege stehen und meistens richtig sein, sie in dem angegebenen Sinn auszulegen. Nach unserer Ansicht kann die Satzung aber nicht bestimmen, daß ausdrückliche Stimmenthaltung bei der Berechnung des Bruchteils des Grundkapitals nicht mitgerechnet werden, denn das wäre eine Erleichterung der gesetzlichen Mehrheitsbestimmung. Verlangt die Satzung nicht eine Mehrheit des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals, d. h. der abgegebenen Stimmen, sondern des in der Versammlung anwesenden Kapitals, d. h. der Erschienenen, so sind bei dessen Feststellung die freiwillig nicht mitstimmenden — das sind nicht diejenigen, die sich ausdrücklich der Stimme enthalten — Aktionäre mitzuzählen, nicht die gesetzlich an der Ausübung des Stimmrechts verhinderten oder stimmrechtslosen, weil diese anderenfalls entgegen dem Gesetz das Abstimmungsergebnis mittelbar beeinflussen würden. Ist die etwa nach Satzung erforderliche Mindestzahl nicht vertreten, oder wegen ungenügender Teilnahme die erforderliche in einem Bruchteil aller Stimmen (Aktionäre) ausgedrückte Mehrheit nicht erreichbar, so kann überhaupt kein Beschluß gefaßt werden, auch kein anfechtbarer. Meist ist in der Satzung vorgesehen, daß eine zweite H a u p t v e r sammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der vertretenen Stimmen beschlußfähig ist. Fehlt es an einer solchen Satzungsbestimmung, so ist nicht ohne weiteres anzunehmen, daß f ü r die nächste Hauptversammlung das Anwesenheitserfordernis nicht gilt (streitig). Die zweite Hauptversammlung darf erst nach der ersten erfolglosen einberufen werden und muß sich auch als „zweite" bezeichnen. Verstoß hiergegen begründet Anfechtbarkeit (KG D J 1938,1426). Unter „anderen Erfordernissen" sind nur solche des Zustandekommens des Beschlusses in der Hauptversammlung gemeint, nicht Erfordernisse, die zusätzlich zum Beschluß hinzutreten sollen, solche können nicht vorgeschrieben werden (allgemeine Ansicht). Sonach kann die Satzung nicht bestimmen, daß außer der Mehrheit der Hauptversammlung die Zustimmung eines anderen Organs der Gesellschaft oder gar eines Dritten (Behörde) erforderlich sei (RG 169, S. 80). Dies widerspräche § 134, wonach nur ein Aktionär stimmberechtigt ist und bei der Bildung des Gesellschaftswillens mitwirken kann, aber auch § 1, weil es mit der rechtlichen Freiheit der anerkannten 723 46'*
§133
Anm. 4, 5
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
Rechtsperson unvereinbar wäre, wenn die Wirksamkeit ihrer Willensäußerung von der Zustimmung eines Dritten abhängig wäre. Sie kann an letztere nur schuldrechtlich gebunden werden (vgl. Godin Z A K 40, 75 gegen Groschuff D R 39, 2133). Es kann auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt, daß sie von dem Beschluß betroffen werden, die Zustimmung von Aktionären vorausgesetzt werden, die an der Hauptversammlung nicht teilgenommen haben, es sei denn, es soll ein einzelnes Recht für sie zu einem Sonderrecht (§ 35 BGB) ausgestaltet werden. Wohl aber ist es zulässig zu bestimmen, daß auch ein Mehrheitsbeschluß nur mit den Stimmen bestimmter Aktien zustande kommen könne (Veto eines Aktionärs). Eine solche Bestimmung kann beschränkt werden auf den Fall, daß die (Namens-)Aktien einer bestimmten Person gehören, oder sie kann nicht auf eine bestimmte Person abgestellt werden in dem Sinn, daß die jeweiligen Aktien mit dem Veto ausgestattet sind. Ein solches Veto bedeutet in allen Fällen einen Gattungsunterschied, nicht aber etwa ein Mehrstimmrecht. Ist derartiges bestimmt, kann kein Beschluß gefaßt werden, wenn der Aktionär dieser Aktien mit ihnen an der Hauptversammlung nicht teilnimmt (was aus dem Teilnehmerverzeichnis ersichtlich sein muß). Der Fall liegt dann so, wie wenn er mit „nein" gestimmt hätte. Als „anderes Erfordernis" ist dagegen unzulässig, daß ohne Schaffung besonderer Aktiengattungen neben der Mehrheit die Mehrheit innerhalb verschiedener nur nach äußerlichen Merkmalen (wie Buchstaben oder geraden oder ungeraden Nummern) gekennzeichneten Aktiengruppen erreicht sein müsse. Hier kann, muß aber nicht, ein Mehrstimmrecht vorliegen, das nach § 12 II im allgemeinen unzulässig ist. III. Wahlen Anm. 5: Für Wahlen kann von der Norm des Abs. 1 nicht nur erschwerend abgewichen, sondern schlechthin anderes bestimmt werden. Die Grenze ist die, daß das Stimmrecht des einzelnen Aktionärs nicht beeinträchtigt werden kann, insbesondere ist es also zulässig, für Wahlen die relative Mehrheit genügen und bei Stimmengleichheit das Los entscheiden zu lassen, (nach h. M. auch den Vorsitzenden; hiergegen spricht aber schon die Möglichkeit, daß er nicht Aktionär ist und deshalb am Beschluß nicht mitwirken kann). Der Grundsatz gleichen Stimmrechts darf nicht verletzt, die Wahl also nicht einer bestimmten Gruppe vorbehalten werden. Auch Verhältniswahlen sind grundsätzlich statthaft (Schmidt-Meyer-Landrut einschränkend in Großkomm. § 113 Anm. 11). Für die wichtigste Wahl, nämlich die zum Aufsichtsrat, gelten die neuen Bestimmungen, insbesondere § 137 (s. im einzelnen dort). Die Einführung gesetzlicher Bestimmungen über das Verhältniswahlrecht ist ausdrücklich bei der Beratung des Gesetzes abgelehnt worden. 724
§134
Stimmrecht
§ 134 Stimmrecht (1) Das Stimmrecht wird nach Aktiennennbeträgen ausgeübt. Für den Fall, daß einem Aktionär mehrere Aktien gehören, kann die Satzung das Stimmrecht durch Festsetzung eines Höchstbetrags oder von Abstufungen beschränken. Die Satzung kann außerdem bestimmen, daß zu den Aktien, die dem Aktionär gehören, auch die Aktien rechnen, die einem anderen für seine Rechnung gehören. Für den Fall, daß der Aktionär ein Unternehmen ist, kann sie ferner bestimmen, daß zu den Aktien, die ihm gehören, auch die Aktien rechnen, die einem von ihm abhängigen oder ihn beherrschenden oder einem mit ihm konzernverbundenen Unternehmen oder für Rechnung solcher Unternehmen einem Dritten gehören. Die Beschränkungen können nicht für einzelne Aktionäre angeordnet werden. Bei der Berechnung einer nach Gesetz oder Satzung erforderlichen Kapitalmehrheit bleiben die Beschränkungen außer Betracht. (2) Das Stimmrecht beginnt mit der vollständigen Leistung der Einlage. Die Satzung kann bestimmen, daß das Stimmrecht beginnt, wenn auf die Aktie die gesetzliche oder höhere satzungsmäßige Mindesteinlage geleistet ist. In diesem Fall gewährt die Leistung der Mindesteinlage eine Stimme; bei höheren Einlagen richtet sich das Stimmenverhältnis nach der Höhe der geleisteten Einlagen. Bestimmt die Satzung nicht, daß das Stimmrecht vor der vollständigen Leistung der Einlage beginnt, und ist nodi auf keine Aktie die Einlage vollständig geleistet, so richtet sich das Stimmenverhältnis nach der Höhe der geleisteten Einlagen; dabei gewährt die Leistung der Mindesteinlage eine Stimme. Bruchteile von Stimmen werden in diesen Fällen nur berücksichtigt, soweit sie für den stimmberechtigten Aktionär volle Stimmen ergeben. Die Satzung kann Bestimmungen nach diesem Absatz nicht für einzelne Aktionäre oder für einzelne Aktiengattungen treffen. (3) Das Stimmrecht kann durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden. Für die Vollmacht ist die schriftliche Form erforderlich und genügend. Die Vollmachtsurkunde ist der Gesellschaft vorzulegen und bleibt in ihrer Verwahrung. (4) Die Formen der Ausübung des Stimmrechts richtet sich nach der Satzung. I. Übersicht ( A n m . 1) I I . Ausübung des Stimmrechts 1. G r u n d s a t z ( A n m . 2) 2. Beschränkung der Ausübung Stimmrechts ( A n m . 3) 3 . Sonderregelung für nicht vollbezahlte A k t i e n
a) Gesetzliche Bestimmungen (Anm. 4) Satzungsbestimmungen ( A n m . 5) c) Gemeinschaftliche Bestimmungen ( A n m . 6 )
b) des
725
§134
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 1,2 4. Vertretung bei Ausübung des Stimmrechts (Anm. 7)
5. Form der Stimmrechtsausübung (Anm. 8)
I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmungen des bisherigen § 114 AktG 37 werden insoweit in der neuen Vorschrift übernommen, als sie sich nicht mit dem Bankenstimmrecht befassen, das jetzt in § 135 eingehend geregelt ist. Der erste Satz des bisherigen § 114 AktG 37, wonach jede Aktie das Stimmrecht gewährt, ist nicht mehr aufgenommen worden, da es Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gibt. Neu eingefügt sind im Abs. 1 die Sätze 3—6, die sich mit der Beschränkung des Stimmrechts durch Festsetzung von Höchstbeträgen oder von Abstufungen befassen und Fragen klarstellen, die zum bisherigen Recht umstritten waren. Die Bestimmungen der Abs. 5 und 6 des § 114 AktG 37 finden sich jetzt im § 1 3 6 1 und II. II. Ausübung des Stimmrechts 1. Grundsatz Anm. 2: Wenn auch in der neuen Bestimmung der § 114 I S. 1 AktG 37 („jede Aktie gewährt das Stimmrecht") nicht mehr aufgenommen ist, so bleibt der Grundsatz dennoch erhalten; er wird allerdings durchbrochen durch die Zulassung der Vorzugsaktie ohne Stimmrecht. Aber auch der zweite Grundsatz, der nunmehr als einziger in der neuen Bestimmung im Abs. 1 S. 1 niedergelegt ist, wonach das Stimmrecht nach den Aktiennennbeträgen ausgeübt wird, gilt nicht ohne Ausnahme. Für den Fall der nicht vollständigen Leistung der Einlage enthält der Abs. 2 bereits Ausnahmevorschriften. Darüber hinaus gibt es aber nach wie vor Aktien mit Mehrstimmrecht, und zwar nicht nur die alten Aktien, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestanden, sondern es können auch neue Mehrstimmrechtsaktien nach § 12 II entstehen, im einzelnen vgl. Anm. dort. Wenn man auch nicht allgemein sagen kann, das jedes Aktienrecht ein Stimmrecht gewährt, so ist umgekehrt jedenfalls festzustellen, daß Satzungsbestimmungen und Hauptversammlungsbeschlüsse, die inhaltlich gegen diesen Grundsatz verstoßen, nichtig sind, letztere sofern sie unter Verletzungen des Grundsatzes zustande gekommen sind, anfechtbar. Das Stimmrecht kann nicht von persönlichen Eigenschaften oder Voraussetzungen abhängig sein, auch kann nicht bestimmt werden, daß es in gewissen Fällen durch einen Vertreter ausgeübt werden müsse. Es gibt nur schuldrechtliche Abstimmungsbindungen, (Poolverträge), keinen Verzicht auf das Stimmrecht und keine Abspaltung des Stimmrechts von der Aktie. Diese Unabspaltbarkeit ist in dem Wesen des Aktienrechts begründet, weil das Herrschaftsrecht von dem Mitgliedschaftsrecht nicht trennbar ist und 726
Stimmrecht
§134 Anm. 2
beruht also nicht nur auf der Unentbehrlichkeit der Aktienurkunde für die Herstellung der äußeren Legitimation. Es kann also auch eine Legitimationsübertragung (s. § 129 III) nicht mit der Folge für bestimmte Zeit stattfinden, daß sie gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger des Aktionärs bindend ist, auch dann nicht, wenn letzterer sich des Besitzes an der Urkunde zugunsten des Legitimationszessionärs begibt und die Aktie durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen letzteren überträgt. Hinsichtlich der Urkunde mag § 986 BGB im Einzelfall durchgreifen. Es hat dies dann die Bedeutung, daß der neue Aktionär nicht entgegen den mit den früher getroffenen Abstimmungsvereinbarungen stimmen kann, was auf begrenzte Zeit ein schutzwürdiger Anspruch sein kann. Dagegen wird nach einem solchen Eigentumswechsel, wenn es sich um ein ernstliches Übertragungsgeschäft handelt, der Legitimationszessionär das Stimmrecht nicht mehr ausüben dürfen, denn dies liefe auf eine Lösung des Stimmrechts von der Aktie hinaus. Der Legitimationszessionär ist auf Schadenersatzansprüche gegenüber seinem Vertragsgegner angewiesen. Freilich gilt im Verhältnis zur Gesellschaft Anm. 4 zu § 129, aber der Legitimationszessionär darf die Bußgeldandrohung des § 405 III Nr. 1 nicht übersehen. Ist eine Aktie zur Hauptversammlung hinterlegt, was vielfach auf den Namen des Legitimationszessionärs geschieht, und wird sie nach der Hinterlegung veräußert, so gilt zwar grundsätzlich das gleiche, aber praktisch wird es vor der Hauptversammlung nicht zur Erfüllung des Veräußerungsgeschäfts kommen, weil sie nach den Lieferungsbedingungen nur durch Lieferung der Aktie möglich ist. Mit der Verpfändung der Aktie ist rein äußerlich begriffsnotwendig eine Legitimationsübertragung verbunden, weil sie die Übergabe der Aktie voraussetzt, welche gegenüber der Gesellschaft wirksam ist, auch wenn der Pfandgläubiger die äußerliche Rechtsstellung mißbraucht. Aber nach allgemeiner Meinung ist er kraft Pfandrechts nicht berechtigt, das Stimmrecht auszuüben, muß er vielmehr die Aktie dem Verpfänder vorübergehend überlassen, damit dieser das Stimmrecht ausüben kann. Es wird damit begründet, daß das Herrschaftsrecht nicht Gegenstand des Pfandrechts ist. Es wird aber selbstverständlich anerkannt, daß der Verpfänder dem Pfandgläubiger zugleich mit der Verpfändung eine Legitimationszession oder eine Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts erteilen könne, wie dies umgekehrt im Fall der bloßen Sicherungsübertragung einer Aktie seitens des gesicherten Gläubigers zugunsten des Fiduzianten geschehen kann. In diesen Fällen gilt Anm. 4 zu § 129. Der Umfang des Stimmrechts richtet sich nach den Nennbeträgen der Aktien. Die Vorschrift ist zwingend, soweit nicht § 12 I oder § 5 EG über Mehrstimmrechtsaktien Platz greift. Werden Aktien mit verschiedenen Nennbeträgen ausgegeben, so kann eine Aktie ein mehrfaches Stimmrecht haben, ohne daß dadurch eine besondere Gattung entsteht. 727
§ 134
Anm. 2,3
Verfassung der Aktiengesellschaft
Stimmberechtigt ist der Aktionär (Eigentümer) der Aktie. Der Pfandgläubiger muß ihm durch Hinterlegung der Aktie evtl. Übergabe an einen Treuhänder die Ausübung des Stimmrechts ermöglichen. Diese Verpflichtung kann durch Klage und einstweilige Verfügung erzwungen werden (über Miteigentümer vgl. § 69), natürlich kann ein Miteigentümer und darf er mit Zustimmung des anderen das Stimmrecht einer Inhaberaktie allein ausüben. Beim Nießbrauch ist der Nießbraucher nicht, weil er nutzt — aber weil er verwaltungsberechtigt ist (sehr bestritten Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 114 Anm. 4, die den Nießbrauch des BGB u. E. zu Unrecht für das Aktienrecht verändern) —, bei der elterlichen Verwaltung und Nutznießung der Vater oder die Mutter aufgrund des ihnen zustehenden Verwaltungsrechts, und zwar ohne jede Beschränkung. Für Geschäftsunfähige, beschränkt Geschäftsfähige, insbesondere Minderjähre, übt der gesetzliche Vertreter das Stimmrecht aus. Ferner ist stimmberechtigt kraft eigenen Rechts der Nachlaßpfleger, Testamentsvollstrecker, der Konkursverwalter, Vorerbe, endlich der Treuhänder (über den Treuhänder nach § 346 s. dort) und derjenige, der die Aktie durch Legitimationsübertragung innehat; vgl. Anm. 4 zu § 129. Inhaberschaft (neben dem Eigentum) ist bei der Inhaberaktie Voraussetzung des Ausweises und insofern materielle Voraussetzung der Ausübung (auch des Rechts, also auch) des Stimmrechts, als die Gesellschaft daraus Einwendungen gegen die Rechtsausübung herleiten kann, aber wenn der das Recht Ausübende ihr als Aktionär bekannt ist, nicht herleiten muß. Uneinheitliche Stimmausübung selbst durch einen Legitimationsaktionär, der seine Legitimation von mehreren ableitet, hält RG 118, 67 entsprechend der damals h. M. für unzulässig; dagegen angesichts des Widerspruchs im Schrifttum (Klausing J W 2 7 , 2982, Flechtheim Bank Arch28, 418), wonach selbst die mit einer Aktie verbundenen mehreren Stimmen verschieden abgegeben werden können. RG 137, 305 hält sie bei GmbH wenigstens bei entsprechender Satzungsbestimmung für zulässig uner Anzweiflung der älteren Entscheidung für die Aktiengesellschaft. Sie ist als zulässig anzusehen, auch wenn ein Einzelaktionär mehrere Stimmen hat (Sch.-Qu. § 114 Anm. 3; Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 114 Anm. 11; a. A. RG 157, S. 47). Die Satzung kann sie nicht verbieten. Zu der Frage, inwieweit Vereinbarungen über die Ausübung des Stimmrechts zulässig sind, vgl. Anm. zu § 136 III. 2. Beschränkung der Ausübung des Stimmrechts Anm. 3: Es verstößt nicht gegen den Grundsatz, daß jede Aktie ein Stimmrecht gewährt, wenn die Satzung das Stimmrecht der Aktionäre, welche mehrere Aktien besitzen, durch eine Höchstzahl von Stimmen beschränkt oder abstuft, um auf diese Weise auszuschließen, daß die Gesellschaft von einem einzelnen Aktionär abhängig wird. Durch eine solche Satzungsbestimmung 728
§ 134
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 3
könnte z.B. die gesetzliche Vermutung aus § 17 II, wonach von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet wird, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist, widerlegt werden, wenn dieses von seinem Aktienbesitz nur in einem Umfang Gebrauch machen kann, daß sich die Mehrheitsbeteiligung nicht mehr in einer Stimmenmehrheit auszuwirken vermag. Das mit jeder einzelnen Aktie verbundene objektive Stimmrecht berührt diese Beschränkung der subjektiven Stimmenmacht des einzelnen Aktionärs nicht. Diese Erkenntnis ist für Fälle bedeutsam, in welchen Gesetz oder Satzung zum Zustandekommen eines Beschlusses eine Kapitalmehrheit fordert. In diesen Fällen sind die Aktien des von der Beschränkung betroffenen Aktionärs sowohl bei der Feststellung des vertretenen Kapitals als der erzielten Kapitalmehrheit (nicht bei der Stimmenmehrheit) voll mitzuzählen (Godin DG u. WR 37, 261, ebenso Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 113 Anm. 9; Berger JW 38, 1444; a. A. Ritter § 113 Anm. 3 a). Die Satzung muß selbst die Bestimmung treffen, kann sie nicht etwa dem Aufsichtsrat oder Vorstand überlassen. Die Bestimmung kann schlechthin oder nur für bestimmte Beschlüsse vorgesehen werden, auch nur für Aktien einer von mehreren Gattungen. Dies letztere sollte durch den Reg.-Entwurf abgeändert werden. Dieser sah eine ausdrückliche Bestimmung dahin vor, daß die Beschränkung nicht nur, wie es jetzt Gesetz geworden ist, für einzelne Aktionäre nicht angeordnet werden kann, sondern auch nicht für einzelne Aktiengattungen. Dem ist der Gesetzgeber nicht gefolgt, da in der Praxis ein Bedürfnis dafür besteht, daß zwar bei einem Teil der Aktien die Stimmenhöchstzahl für den einzelnen Aktionär eingeschränkt werden kann, nicht aber für einen anderen Teil der Aktien, so z. B. beim Volkswagenwerk, bei dem die öffentliche Hand für einen gewissen Zeitraum noch ihr volles Stimmrecht erhalten hat, während für alle anderen Aktionäre ein Höchststimmrecht eingeführt ist. Ein derartiges praktisches Bedürfnis dürfte in Fällen der Privatisierung, aber auch u. U. dann bestehen, wenn eine Aktiengesellschaft z. B. durch Ausgabe von Belegschaftsaktien eine Paketbildung bei diesen Aktien verhindern will. Der dem Reg.-Entwurf zugrunde liegende Gedanke, daß ein Verbot der Einführung des Höchststimmrechts nur für bestimmte Aktiengattungen und nicht für alle Aktien deshalb notwendig sei, weil sonst auf diesem Wege ein Mehrstimmrecht der nicht betroffenen Aktien entstehen würde, ist nicht richtig. Sind bei einer Gesellschaft Mehrstimmrechtsaktien vorhanden, so haben diejenigen Aktionäre, die diese Mehrstimmrechtsaktien besitzen, mehr Einfluß, als ihnen nach dem Kapitaleinsatz zusteht. Die übrigen Aktionäre sind dadurch benachteiligt, obwohl sie den ihrem Kapitaleinsatz entsprechenden Stimmenanteil haben. Ist bei einer Gesellschaft für eine besondere Aktiengattung ein Höchststimmrecht eingeführt und wirkt sich das dahin aus, daß ein bestimmter Aktionär nicht seinem Kapitaleinsatz ent729
§ 134
Anm. 3
V e r f a s s u n g der Aktiengesellschaft
sprechend das Stimmrecht ausüben kann, so ist dieser zwar geschädigt, das weiß er aber bereits, wenn er Aktien dieser Gattungen erwirbt. Er kann sich also darüber nicht beklagen. Die anderen Aktionäre sind zwar bevorteilt, denn ihr dem Kapitaleinsatz entsprechendes Stimmrecht wird durch den Ausfall des Aktionärs, der mehr Aktien besitzt als er Stimmrechte ausüben kann, an Bedeutung gewinnen, sie sind dadurch aber nicht Mehrstimmrechtsaktien gleichzusetzen. Eine bei Erwerb der Aktien mögliche Benachteiligung irgendeiner Aktionärgruppe kann hier nicht entstehen, wohl aber wenn Mehrstimmrechte vorhanden sind. Die Einführung eines Höchststimmrechts allein schafft keine selbständige Gattung, da sie ja nicht gegen den objektiven Inhalt des Aktienrechts, sondern gegen den Aktionär gerichtet ist. Wenn man eine bestimmte Zahl von Aktien in der Stimmrechtsausübung beschränken will, so muß man zunächst daraus eine besondere Gattung bilden, also etwa dadurch, daß man ihnen ein Vorredit bei der Liquidation vor den anderen Aktien einräumt. Erst dann kann für die eine Gattung die Höchststimmbeschränkung eingeführt werden, bei anderen Aktien kann sie unterbleiben. Die Festsetzung des Höchststimmrechts darf nicht in der Weise erfolgen, daß nicht mehr jede Aktie ein Stimmrecht hat. Es kann also nicht bestimmt werden, daß nur je 10 Aktien eine Stimme haben. Es kann aber bestimmt werden, daß für je 10 Aktien nur eine Stimme abgegeben werden darf oder daß kein Aktionär mehr als 10 Stimmen abgeben darf. Sind Aktien verschiedenen Nennbetrags ausgegeben worden, muß einer einzelnen Aktie, laute sie auch über den niedrigsten Nennbetrag, objektiv eine volle Stimme zustehen; denn gestattet ist nur das Verbot der Stimmenhäufung, aber nicht umgekehrt der Ausschluß des Kleinbesitzes. Von anderen Umständen als von der Höhe des Aktienbesitzes darf die Stimmrechtsbeschränkung oder Abstufung nicht abhängig gemacht werden ( K G SozPr 39, 246; Godin ebenda, 423). Die in Abs. 1 neu eingefügten Sätze 3 und 4 befassen sich damit, daß die Satzung außerdem bestimmen kann, daß zu den Aktien, die dem Aktionär gehören, auch noch andere Aktien hinzugerechnet werden können. Dadurch soll verhindert werden, daß eine Stimmrechtsbeschränkung dadurch umgangen wird, daß der betroffene Aktionär seine Aktien auf einen Dritten überträgt und von diesem das Stimmrecht im Interesse des Aktionärs ohne die bei Zusammenrechnung eintretende Beschränkung ausgeübt wird. Dieses Ziel wird aber keineswegs erreicht, denn nach der gesetzlichen Bestimmung ist Voraussetzung, daß entsprechende Satzungsbestimmungen vorliegen. Wie ist es aber, wenn die Satzung darüber nichts sagt? Gerade dann sollten die Bestimmungen hinsichtlich der Umgehungstatbestände, die hier erfaßt werden, ebenfalls gelten. Zunächst handelt es sich darum, daß zu den Aktien, die dem Aktionär gehören, auch die Aktien zugerechnet werden sollen, die einem 730
Stimmrecht
§134 Anm. 3
anderen für seine Rechnung gehören. Es erscheint selbstverständlich, daß diese Zurechnung zu erfolgen hat und eben gerade auch dann, wenn die Satzung nichts darüber sagt. Denn bei der Begrenzung des Stimmrechts kommt es darauf an, die Einflußmöglichkeit des Aktionärs, die ihm das Stimmrecht auf die Geschicke der Gesellschaft gibt, in Grenzen zu halten. Es kann also nicht entscheidend sein, wie die formelle Eigentumslage ist, sondern es kommt darauf an, ob der Aktionär die Art der Ausübung des Stimmrechts bestimmen kann. Das kann er in aller Regel dann, wenn ein anderer Aktien für Rechnung des Aktionärs hält, denn dann ist der Aktionär wirtschaftlich der Eigentümer der Aktien. Dasselbe gilt für den zweiten Fall, wenn der Aktionär ein Unternehmen ist, so sind zu den Aktien, die diesem Unternehmen gehören, auch diejenigen zu redinen, die einem von ihm abhängigen oder ihn beherrschenden oder einem mit ihm konzernverbundenen Unternehmen oder für Rechnung soldier Unternehmen einem Dritten gehören. Auch hier ist entscheidend, daß die Aktien, die zwar formell im Eigentum verschiedener, sei es natürlicher, sei es juristischer Personen stehen, durch die Verbindung dieser Personen nach einheitlichem Willen bei der Stimmabgabe gelenkt werden. Deshalb ist unserer Ansicht nach die Zusammenrechnung aller Aktien in einem solchen Fall auch dann zulässig, wenn die Satzung nichts darüber sagt. Es ist aber zuzugeben, daß der Wortlaut des Gesetzes gegen diese von uns vertretene Auffassung spricht. Denn wenn es ausdrücklich heißt „die Satzung kann außerdem bestimmen", so liegt darin, daß, wenn die Satzung nichts in dieser Richtung bestimmt, diese Tatbestände nicht so behandelt werden können, vielmehr also die Zurechnung in solchen Fällen nicht erfolgen darf. Für unsere Auffassung spricht allerdings die Begründung des Reg.-Entwurfs. Bereits im bisherigen Recht wurde jedenfalls die Auffassung vertreten, daß dann, wenn zur Umgehung der Stimmbeschränkung Dritte Aktien besitzen, diese mitzuzählen sind (vgl. Voraufl. Anm. 4). Ein Bevollmächtigter, der mehrere voneinander unabhängige Aktionäre vertritt und dadurch über Stimmen verfügt, die die Höchstgrenzen übersteigen, fällt dennoch nicht unter die Beschränkung, wenn nur durch die Addition mehrerer Aktionäre die Höchstgrenze überschritten wird. Nur wenn einer seiner Vollmachtgeber die Grenze überschreitet, kann er für diesen nur bis zur Höchstgrenze vom Stimmrecht Gebrauch machen. Für die anderen kann er auch dann vollen Gebrauch vom Stimmrecht machen. Ein Höchststimmrecht kann auch durch Satzungsänderung eingeführt werden, auch wenn dadurch in bestehende Machtverhältnisse eingegriffen wird, ohne daß die Betroffenen zuzustimmen brauchen (Godin D Gern u. WR 37, 261; Schi.-Qu. § 114 Anm. 5; Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 9; a. A. Meilicke J W 3 7 , 2431 unter III, 1 und 3). Die durch § 13 der 3. DVO eingeführte Genehmigungspflicht für solche Satzungsbestimmungen gilt nicht mehr, da diese Durchführungsverordnung durch § 29 I EG aufgehoben ist, 731
Stimmrecht
§134
Anm. 3, 4
soweit nicht einzelne Vorschriften nach diesem Gesetz weiter anzuwenden sind. Das ist für die hier in Frage kommende Vorschrift nicht der Fall. Es ist demnach unbedenklich, etwa bei einer Kapitalerhöhung, bei der das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre durch entsprechenden Beschluß ausgeschlossen ist, eine neue Gattung von Aktien zu schaffen und gleichzeitig bei dieser neugeschaffenen Gattung eine Beschränkung des Stimmrechts einzuführen. Dagegen ist die Schaffung einer neuen Aktiengattung bereits vorhandener Aktien nur dann möglich, wenn dadurch der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre nicht verletzt wird, oder wenn alle Aktionäre, deren Rechte durch die aufgrund der Gattungsbildung eintretenden Verschiedenheit der Aktienrechte berührt werden, zustimmen. Während also, wie oben ausgeführt, die Einführung einer Stimmrechtsbeschränkung für alle Aktien durch Satzungsänderung stets möglich ist, setzt die Einführung einer Stimmrechtsbeschränkung für einen Teil der Aktien die Bildung einer besonderen Gattung voraus. Ob diese noch durch nachträgliche Satzungsänderung geschaffen werden kann, ist nicht ohne weiteres für alle Fälle zu bejahen, es kommt vielmehr auf die Besonderheiten des Einzelfalles an (vgl. hierzu Anm. 7 und 8 zu § 11). Das Gesetz stellt nunmehr durch ausdrückliche Bestimmung fest, daß bei der Berechnung einer nach Gesetz oder Satzung erforderlichen Kapitalmehrheit die Beschränkungen außer Betracht bleiben. Das entspricht der nach bisherigem Recht fast allgemein vertretenen Auffassung. Im Gegensatz zum bisherigen Recht ist ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 134 I nach § 405 II Nr. 5 als Ordnungswidrigkeit strafbar, und zwar ist sowohl derjenige strafbar, der Aktien, für die er nach § 134 I das Stimmrecht nicht ausüben darf, einem anderen zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts überläßt, wie auch derjenige, der solche ihm überlassene Aktien zur Ausübung des Stimmrechts benutzt. Die Stimmrechtsbeschränkung kann nicht für einzelne Aktionäre angeordnet werden. Es kann also z. B. nicht, wenn man aufgrund der Mitteilung nach § 20 erfährt, daß ein bestimmtes Unternehmen einen Aktienbesitz von mehr als 25 °/o erworben hat, die Satzung dahin geändert werden, daß dieses Unternehmen nicht mehr als Stimmen in Höhe von 25 °/o ausüben kann, ohne Rücksicht auf den Aktienbesitz; oder in einer Familiengesellschaft kann in der Satzung nicht bestimmt werden, daß eine bestimmte Gruppe von Aktionären, die zu einem Familienstamm gehören, nicht mehr als 20 °/o aller Stimmen ausüben kann. 3. Sonderregelung
für nicht vollbezahlte
Aktien
a) Gesetzliche Bestimmungen Anm. 4: Aktien, auf welche die Einlagen ganz oder teilweise ausstehen, haben grundsätzlich kein Stimmrecht. Nur für den Fall, daß überhaupt noch 732
Stimmrecht
§134
Anm. 4,5 keine Aktie voll bezahlt ist, macht das Gesetz im Satz 4 eine Ausnahme (s. unten). Die Einlage — gleichgültig ob Bar- oder Sacheinlage — ist geleistet, wenn der Vorstand frei darüber verfügen kann. Ist die Einlage zur freien Verfügung des Vorstandes geleistet, so sind nachträglich eingetretene Veränderungen (durch Verwendung, Gegenforderung der Bank usw.) für das Stimmrecht unerheblich. Das Teilnahmerecht haben auch Aktien, auf welche die Einzahlung nicht voll geleistet ist, selbst wenn sie nicht stimmberechtigt sind, also das Recht, der Hauptversammlung beizuwohnen, das Wort zu nehmen, Anträge zu stellen, Auskünfte zu verlangen, Widerspruch zu erklären, Beschlüsse anzufechten. Deshalb ist zu einer Vollversammlung auch deren Anwesenheit erforderlich. Bestimmt sich die Mehrheit nach dem vertretenen Grundkapital, so sind nicht vollbezahlte Aktien, wenn sie nach der Satzung oder nach Abs. II S. 4 der vorliegenden Bestimmung stimmberechtigt sind, sowohl bei Errechnung des „vertretenen" Grundkapitals als auch der erreichten Kapitalmehrheit, nur mit der auf das Grundkapital geleisteten Einlage mitzurechnen (Godin SozPr 38,1507). Eine gesetzliche Ausnahme gilt für den Fall, daß überhaupt noch keine Aktien voll geleistet sind, weil ja anderenfalls kein stimmberechtigter Aktionär vorhanden wäre. Mangels abweichender Satzungsbestimmung richtet sich das Stimmrecht in diesem Fall nach geleisteten Einlagen und gewährt die gesetzliche Mindesteinzahlung ein Stimmrecht, unberücksichtigt bleibt das Aufgeld. Die Satzung kann aber ein anderes Stimmenverhältnis vorsehen, sie braucht dabei keinen Maßstab zu wählen, wonach etwa alle Aktien verhältnismäßig gleichberechtigt sind. Wie bei Vorhandensein vollbezahlter Aktien die teilbezahlte Aktie gesetzlich noch kein Stimmrecht hat, kann die Satzung, wenn keine Aktien voll bezahlt sind, den Beginn des Stimmrechts von der Leistung eines bestimmten Betrags, z. B. 75 °/o des Nennbetrags (zuzüglich Aufgeld) abhängig machen, so daß Aktien mit geringerer Einzahlung überhaupt nicht stimmberechtigt sind. Dagegen kann die Satzung nicht umgekehrt auch den mit 25 °/o einbezahlten Aktien dasselbe Stimmrecht gewähren, wie den mit 75 % einbezahlten, also ein Mehrstimmrecht gewähren, das die Gesetzesstelle ausschließen will. Denn das Gesetz behält der Satzung nur Freiheit für die Bestimmung vor, welche Mindesteinlage zu leisten ist, um ein Stimmrecht zu haben, nicht für das Stimmenverhältnis. b) Satzungsbestimmungen Anm. 5: Die Satzung kann — nur sie selbst — abweichend das Stimmrecht schon vor der Vollzahlung gewähren, wenn die gesetzliche (§ 36 II, § 54 III) oder (höhere) satzungsmäßige Mindesteinzahlung oder eine von der Satzung angeordnete höhere Einzahlung geleistet ist. 733
§134 Anm. 5 , 6
Verfassung der Aktiengesellschaft
D a die Sacheinlage auf die einzelnen Aktien im allgemeinen nicht teilbar ist, bei Teilleistungen einer Sacheinlage vielmehr wohl auf einen Teil der d a f ü r gewährten Aktien die Einlage voll, auf den anderen Teil gar nicht geleistet ist, wird die Frage, ob die Satzung auch bei Teilleistung der Sacheinlage das Stimmrecht schon gem. Abs. 2 S. 2 beginnen lassen kann, praktisch keine Rolle spielen. Theoretisch ist sie u. E. zu bejahen, wenn etwa Mengengüter (bei Gründung einer Kohlenhandlung z. B. x Zentner Kohlen) den Gegenstand der Einlage bilden und zum Teil geleistet sein sollten. Trifft die Satzung eine Bestimmung, so regelt aber das Gesetz f ü r diesen Fall das Stimmverhältnis zwingend selbst. Eine davon abweichende Satzungsbestimmung ist nichtig. Die gesetzliche (§ 36 II) oder höhere satzungsmäßige Mindesteinzahlung, aber nur auf das Grundkapital, nicht auf das Aufgeld, gewährt eine Stimme. Macht die Satzung zur Voraussetzung f ü r den Beginn des Stimmrechts eine höhere Einzahlung als die gesetzliche oder satzungsmäßige Mindesteinzahlung, so ändert sich trotzdem nichts an dieser f ü r das Stimmverhältnis maßgebenden Grundlage. Sind die Einzahlungen auf das Grundkapital relativ oder absolut ungleich hoch, so ergibt sich das Stimmrecht aus ihrem Verhältnis. Das gilt auch, wenn die volle Einlage auf Aktien geringeren Nennbetrags von der Teileinzahlung auf Aktien höheren Nennbetrags übertroffen wird (Pohle Bankarchiv X X X V I , 447; Schl.-Qu. § 114 Anm. 12; Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 114 Anm. 14), sofern letztere überhaupt nach der Satzung vor der Vollzahlung stimmberechtigt sind. Quotient ist dann die gesetzliche Mindesteinzahlung auf die Aktien mit dem geringsten Nennbetrag. Beispiele: 1. Betrag der Mindesteinzahlung 250,— D M (ein etwaiges Aufgeld hat außer Betracht zu bleiben); so hat die vollbezahlte Aktie 4 Stimmen, die mit 250,— oder 500,— D M teilgezahlte Aktie eine Stimme bzw. 2 Stimmen. 2. Beträgt die satzungsmäßige Mindesteinzahlung 500,— D M , so hat die teilgezahlte Aktie eine Stimme, die vollbezahlte Aktie 2 Stimmen. 3. Läßt die Satzung, obwohl die Mindesteinzahlung nur 250,— D M beträgt, das Stimmrecht erst nach der Einzahlung von 400,— D M beginnen (was freilich eine unzweckmäßige Bemessung wäre), so hat die mit nicht mehr als 400 eingezahlte Aktie eine Stimme. Die vollbezahlte Aktie 4 Stimmen. 4. Sind Aktien im Nennbetrag von 100,— D M vorhanden und voll bezahlt, daneben Aktien im Nennbetrag von 1000,— DM, auf die nur 250,— D M (und außerdem ein etwaiges Aufgeld) einbezahlt sind, so hat erstere 4, letztere 10 Stimmen. c) Gemeinschaftliche
Bestimmungen
Anm. 6: Bruchteile von Stimmen werden in allen Fällen des Abs. 2 nur gerechnet, soweit damit der einzelne Aktionär volle Stimmen erhält. Bei der 734
Stimmrecht
§134
Anm. 6,7
Abstimmung können daher nur volle Stimmen, keine Bruchteile abgegeben werden. Abs. 2 S. 1 gilt auch, wenn nur eine einzige Aktie voll bezahlt ist. Daraus ergibt sich weiter, d a ß kein Aktionär der Gesellschaft unaufgefordert die Einzahlung aufdrängen kann, und daß alle Aktionäre ein Recht auf gleichmäßige Einforderung haben. Die der Satzung gestatteten Abweichungen dürfen nur gleichmäßig für alle Aktionäre, nicht f ü r einzelne Aktiengattungen getroffen werden. Auch diese zwingende Vorschrift soll ein verkapptes Mehrstimmrecht verhindern. 4. Vertretung
bei Ausübung
des
Stimmrechts
Anm. 7: Jeder Aktionär kann sich, ohne daß die Satzung oder ein H a u p t versammlungsbeschluß dies ausschließen oder gar umgekehrt vorschreiben könnte (RG 55, 11), kraft zwingender N o r m bei Ausübung des Stimmrechts, aber überhaupt aller mit der Aktie zusammenhängenden Befugnisse wegen aller oder eines Teils seiner Aktien, durch einen oder mehrere Bevollmächtigte, letzterenfalls durch Einzel- oder Gesamtvollmacht, vertreten lassen, daneben auch f ü r einen anderen Teil seiner Aktien seine Befugnisse selbst ausüben. Das Stimmrecht einer einzelnen Aktie kann nicht durch den Aktionär und gleichzeitig daneben von einem Bevollmächtigten oder mehrere Einzelbevollmächtigte ausgeübt werden. Kein Aktionär ist aber berechtigt, einen Rechtsbeistand in die Hauptversammlung mitzubringen, ohne ihn f ü r die Ausübung eines Teils seiner Stimmen oder eines Teils seiner Befugnisse zu bevollmächtigen oder eine Aktie f ü r ihn als Legitimationsaktionär anzumelden. Ein nicht bevollmächtigter Rechtsbeistand kann durch Ausschluß der öffentlichkeit oder auch persönlich ausgeschlossen werden, hat kein Frage-, kein Rede- und kein Antragsrecht. D a ß der Aktionär nicht einen Bevollmächtigten mitbringen und neben sich in der Hauptversammlung auftreten, ebensowenig das Stimmrecht der Aktien durch mehrere Einzelbevollmächtigte ausüben lassen kann, wird zwar nicht aus dem Wesen der Vollmacht, die ja sonst ein eigenes H a n d e l n des Vollmachtgebers nicht ausschließen kann, aber aus § 69 I zu folgern sein. Auch wird ja das Teilnahme-(Stimmen-)Recht schon durch Ausübung seitens eines jeden der mehreren Stimmbefugten verbraucht. Trotz der zwingenden N a t u r der Bestimmung, kann die Satzung nach Abs. 4 f ü r die Ausübung des Stimmrechts durch Bevollmächtigte, insbesondere bezüglich ihrer Person, Bedingungen aufstellen (vgl. K G H R R 38, N r . 1183; z . B . nur Aktionäre als Bevollmächtigte zulassen (RG 55, 41). Eine solche Beschränkung ist aber im Einzelfall hinfällig, wenn sie f ü r den Aktionär nicht erträglich und ihm deshalb nicht zumutbar ist, weil sie den Kreis der Personen, die als Bevollmächtigte zugelassen sind, über Gebühr 735
§134
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 7 einengt oder eine Auswahl ganz unmöglich macht oder darauf hinausläuft, daß sie den Aktionär außer Stande setzt, das Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben zu lassen. Die Satzung muß bei Beschränkung selbst einen solchen Vorbehalt machen, anderenfalls läßt K G a. a. O. die Eintragung nicht zu. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, entscheidet, wenn ein Aktionär ihn behauptet, die Hauptversammlung, aber, wenn sie den der Satzung nicht entsprechenden Bevollmächtigten nicht zuläßt (vgl. Groschuff J W 38, 2412), im Streitfall das Prozeßgericht (vgl. hierzu Gessler in SozPr 38, 1118). Die Vollmacht erlischt gemäß den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts, also z. B. durch formlosen Widerruf. E r ist gegenüber dem Bevollmächtigten bzw. dem Vorstand oder dem Versammlungsleiter zu erklären. D a eine Vollmachtsurkunde vorliegen muß, ist ein dem Bevollmächtigten erklärter Widerruf, wenn dieser sich darüber hinwegsetzt, gegenüber der Gesellschaft wirkungslos, solange er nicht zu ihrer Kenntnis gelangt. Für die Vollmacht ist schriftliche Form zwingend vorgeschrieben. Die Satzung kann die Formvorschrift weder abschwächen — etwa anordnen, daß bestimmte Personen, wie Ehegatten, ohne schriftliche Vollmacht als Bevollmächtigte zuzulassen seien — noch verschärfen, etwa öffentliche Beglaubigung oder Beurkundung der Vollmacht verlangen. Die Vollmachtsurkunde muß nach § 126 B G B eigenhändig unterschrieben sein. Es genügt also nicht telegrafische Vollmacht, nicht Einverständniserklärung mit den eine Vollmacht enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn erstere nicht unter die Geschäftsbedingung selbst gesetzt, sondern in besonderer Urkunde abgegeben ist ( R G 105, 289). Blankovollmacht ist zulässig, Untervollmachten nur mit Gestattung des Vollmachtgebers, wenn diese schriftlich erklärt ist. Auch durch schriftliche, nachträgliche Genehmigung wird der Mangel schriftlicher Vollmacht nicht geheilt. H a t aber der Bevollmächtigte allgemeine Handlungs-(Prokura oder General-)Vollmacht, so bedarf es für die Stimmvollmacht keiner besonderen Urkunde. In diesem Fall und dem Fall gesetzlicher Vertretung, der überhaupt nicht unter die Bestimmung fällt, muß und kann die Vertretungsmacht auf andere Weise, z. B. durch Auszug aus dem Handels- oder Standesamtsregister, Bestellungsurkunde nachgewiesen werden (Schl.-Qu. § 114 Anm. 14; Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 1 1 4 Anm. 21). Ist die Vollmacht nichtig oder nach B G B wirksam widerrufen, so muß es auch die Gesellschaft gelten lassen, daß es an einer Vollmacht gefehlt hat. Dagegen berührt es die Stimmabgabe nicht, wenn der Bevollmächtigte gegen die Weisung oder das Interesse des Vollmachtgebers stimmt. Die schriftliche Vollmacht bleibt in der Verwahrung der Gesellschaft. Daraus ist nicht zu folgern, daß neben der Schriftlichkeit der Vollmacht, die zwar im Zeitpunkt der Hauptversammlung erteilt und ausgestellt sein muß, weil ja anderenfalls keine rechtswirksame Vollmacht vorliegt, auch die Vor736
Ausübung des Stimmrechts
§§ 134 /135 Anm. 7,8
legung in der Hauptversammlung Voraussetzung der Rechtswirksamkeit der Vollmacht oder des Gebrauchs der Vollmacht ist. Vielmehr kann der Bevollmächtigte, wenn an seiner Vollmacht kein Zweifel besteht, zur Abstimmung zugelassen werden (RG 106, 260). Die Zulassung ist für sich kein Grund zur Anfechtung. H a t aber ein Bevollmächtigter mitgestimmt aufgrund rechtsunwirksamer, z. B. nur mündlicher Vollmacht, über die eine Urkunde erst nachträglich ausgestellt wurde, so kann der Beschluß angefochten werden, wenn er darauf beruht, und Widerspruch zur Niederschrift erklärt wird. Außerdem läuft der Bevollmächtigte — auch bei nachträglicher Ausstellung der Urkunde oder Genehmigung — Gefahr, wegen Ordnungswidrigkeit nach § 405 I I I Nr. 1 mit einer Geldbuße belegt zu werden, wenigstens dann, wenn er z. Z. der Abstimmung nicht einmal mündlich bevollmächtigt war. Das Registergericht kann die Vollmachten, die ja in die Niederschrift nicht aufzunehmen, ja nicht einmal der Urschrift beizufügen sind, oder auch nur zu den Beiakten des Notars gelangen, von der Gesellschaft anfordern, hat sie ihr aber zurückzugeben. 5. Form der Stimmrechtsausübung Anm. 8: Nach Abs. 4 richtet sich die Form der Ausübung des Stimmrechtes nach der Satzung. Diese kann also hierüber besondere Bestimmungen treffen, nicht aber über die Bedingungen für die Ausübung des Stimmrechtes, wie es im bisherigen entsprechenden Abs. 7 des § 114 AktG 37 hieß. Der Unterschied ist sachlich nicht von Bedeutung, da die Bedingungen, unter denen überhaupt das Stimmrecht ausgeübt werden kann, gesetzlich festgelegt sind. Im übrigen ergibt sich aus § 123 II—IV, daß die Satzung weitgehend „Bedingungen für die Ausübung des Stimmrechtes" setzen kann. Die Satzung könnte nach der vorliegenden Bestimmung beispielsweise bestimmen, daß bei der Ausübung des Stimmrechts der Aktionär verpflichtet ist, gewisse Fragen des Vorsitzenden, z. B. bei Aktienbesitz für fremde Rechnung, wer der wirklich Berechtigte sei, etwa in Verbindung mit Stimmrechtsbeschränkung nach Abs. 1, zu beantworten. Die Verletzung solcher Satzungsbestimmungen zieht Anfechtbarkeit des Beschlusses, aber nicht mehr, wie im bisherigen Recht (§ 300 Ziffer 3 AktG 37), Strafbarkeit nach sich. Auch eine Ordnungswidrigkeit liegt bei Verletzung von Satzungsbestimmungen, die auf Abs. 4 beruhen, nicht vor. § 135 Ausübung des Stimmrechts durch Kreditinstitute und geschäftsmäßig Handelnde (1) Ein Kreditinstitut darf das Stimmrecht für Inhaberaktien, die ihm nicht gehören, nur ausüben oder ausüben lassen, wenn es schriftlich bevollmächtigt ist. In der eigenen Hauptversammlung darf das bevollmächtigte 737 47
Wilhclmi, Aktiengesetz
§135
Verfassung der Aktiengesellschaft
Kreditinstitut das Stimmrecht auf Grund der Vollmacht nur ausüben, soweit der Aktionär eine ausdrückliche Weisung zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilt hat. (2) Die Vollmacht darf nur einem bestimmten Kreditinstitut und nur für längstens fünfzehn Monate erteilt werden. Sie ist jederzeit widerruflich. Die Vollmachtsurkunde muß bei der Erteilung von Vollmacht vollständig ausgefüllt sein und darf keine anderen Erklärungen enthalten. Sie soll das Datum der Ausstellung enthalten. Die Frist in Satz 1 beginnt spätestens mit dem Tage der Ausstellung. (3) Das bevollmächtigte Kreditinstitut darf Personen, die nicht seine Angestellten sind, nur unterbevollmächtigen, wenn die Vollmacht eine Unterbevollmächtigung ausdrücklich gestattet und das bevollmächtigte Kreditinstitut am Ort der Hauptversammlung keine Niederlassung hat. Gleiches gilt für eine Übertragung der Vollmacht durch das bevollmächtigte Kreditinstitut. (4) Auf Grund der Vollmacht kann das Kreditinstitut das Stimmrecht unter Benennung des Aktionärs in dessen Namen ausüben. Wenn es die Vollmacht bestimmt, kann das Kreditinstitut das Stimmrecht auch im Namen dessen, den es angeht, ausüben. Übt das Kreditinstitut das Stimmrecht unter Benennung des Aktionärs in dessen Namen aus, ist die Vollmachtsurkunde der Gesellschaft vorzulegen und von dieser zu verwahren. Übt es das Stimmrecht im Namen dessen, den es angeht, aus, genügt zum Nachweis seiner Stimmberechtigung gegenüber der Gesellschaft die Erfüllung der in der Satzung für die Ausübung des Stimmrechts vorgesehenen Erfordernisse; enthält die Satzung darüber keine Bestimmungen, genügt die Vorlegung der Aktien oder einer Bescheinigung über die Hinterlegung der Aktien bei einem Notar oder eine Wertpapiersammelbank. (5) Hat der Aktionär dem Kreditinstitut keine Weisung für die Ausübung des Stimmrechts erteilt, so hat das Kreditinstitut das Stimmrecht entsprechend seinen eigenen, den Aktionären nach § 128 Abs. 2 mitgeteilten Vorschlägen auszuüben, es sei denn, daß das Kreditinstitut den Umständen nach annehmen darf, daß der Aktionär bei Kenntnis der Sachlage die abweichende Ausübung des Stimmrechts billigen würde. (6) Die Wirksamkeit der Stimmabgabe wird durch einen Verstoß gegen Absatz 1 Satz 2, Absätze 2, 3 und 5 nicht beeinträchtigt. (7) Ein Kreditinstitut darf das Stimmrecht für Namensaktien, die ihm nicht gehören, als deren Aktionär es aber im Aktienbuch eingetragen ist, nur auf Grund einer schriftlichen Ermächtigung, wenn es nicht als deren Aktionär eingetragen ist, nur unter Benennung des Aktionärs in dessen Namen auf Grund einer schriftlichen Vollmacht ausüben. Auf die Ermäch738
Ausübung des Stimmredits
§135
tigung oder Vollmacht sind Absatz 1 Satz 2, Absätze 2, 3 und 5, auf die Vollmacht außerdem Absatz 4 Satz 3 anzuwenden. Im übrigen gilt Absatz 6. (8) Ist das Kreditinstitut bei der Ausübung des Stimmrechts von einer Weisung des Aktionärs oder, wenn der Aktionär keine Weisung erteilt hat, von seinem eigenen, dem Aktionär nach § 128 Abs. 2 mitgeteilten Vorschlag abgewichen, so hat es dies dem Aktionär mitzuteilen und die Gründe anzugeben. (9) Die Absätze 1 bis 8 gelten sinngemäß für die Ausübung des Stimmredits durch 1. Vereinigungen von Aktionären, 2. Geschäftsleiter und Angestellte eines Kreditinstituts, wenn die ihnen nicht gehörenden Aktien dem Kreditinstitut zur Verwahrung anvertraut sind, 3. Personen, die sich geschäftsmäßig gegenüber Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erbieten. Dies gilt nicht, wenn derjenige, der das Stimmrecht ausüben will, gesetzlicher Vertreter oder Ehegatte des Aktionärs oder mit ihm bis zum vierten Grade verwandt oder verschwägert ist. (10) Ein Kreditinstitut ist verpflichtet, den Auftrag eines Aktionärs zur Ausübung des Stimmrechts in einer Hauptversammlung anzunehmen, wenn es für den Aktionär Aktien der Gesellschaft verwahrt und sich gegenüber Aktionären der Gesellschaft zur Ausübung des Stimmredits in derselben Hauptversammlung erboten hat. Die Verpflichtung besteht nicht, wenn das Kreditinstitut am Ort der Hauptversammlung keine Niederlassung hat und der Aktionär die Übertragung der Vollmacht auf oder die Unterbevollmächtigung von Personen, die nicht Angestellte des Kreditinstituts sind, nicht gestattet hat. (11) Die Verpflichtung des Kreditinstituts zum Ersatz eines aus der Verletzung der Absätze 1 bis 3, 5, 7, 8 oder 10 entstehenden Schadens kann im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Kreditinstitute als Bevollmächtigte (Anm. 2) 1. Inhalt der Vollmacht (Anm. 3) 2. Voraussetzungen für den Gebrauch der Vollmacht (Anm. 4) 3. Art der Verwendung der Vollmacht (Anm. 5) 4. Ausübung des Stimmrechts (Anm. 6) 5. Sonderregelung für Namensaktien (Anm. 7)
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6. Ausübung des Stimmrechtes in der eigenen Hauptversammlung (Anm. 8) 7. Ausübung des Stimmredits in der Hauptversammlung der Volkswagenwerk-A.G. (Anm. 9) III. Den Kreditinstituten Gleichgestellte (Anm. 10) IV. Kontrahierungszwang (Anm. 11) V. Folgen der Verletzung der Bestimmungen (Anm. 12)
739
§ 135
Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
I. Übersicht Anm. 1: Die Ausübung des Stimmrechts durch Kreditinstitute und geschäftsmäßig Handelnde regeln im wesentlichen das umstrittene Depotstimmrecht der Banken. Während sich die einzige Bestimmung im bisherigen Recht (§ 114 IV AktG 37) in der Tat nur auf Banken bezog, gelten die neuen Bestimmungen zunächst für alle Kreditinstitute, also auch beispielsweise für Sparkassen, und weiterhin für alle geschäftsmäßig Handelnde. Diese Ausdehnung erschien nicht nur zweckmäßig, sondern auch verfassungsmäßig notwendig, da eine Sonderbehandlung der Banken jedenfalls im Verhältnis zu den Sparkassen verfassungsrechtlich bedenklich gewesen wäre, denn insoweit liegen die Verhältnisse gleich. Bei geschäftsmäßig Handelnden würde man das nur dann sagen können, wenn diese, so wie bei den Kreditinstituten üblich, die Aktien in Verwahr nehmen würden. Das ist im allgemeinen wohl nicht der Fall, aber immerhin denkbar. Diese Ausdehnung hat es möglich gemacht, die Aktionärvereinigungen weitgehend den Kreditinstituten gleich zu behandeln und ihnen damit auf der einen Seite einen Status im Gesetz zu geben, auf der anderen Seite ihre Pflichten zu regeln. Im Regierungsentwurf wurde eine umfassende und grundsätzliche Neuregelung des Depotstimmrechts vorgesehen, durch die man sowohl den Interessen der Aktionäre als auch denen der Banken selbst dienen wollte. In der Begründung zum Regierungsentwurf wird folgendes zusammenfassend ausgeführt: „Ziel der Neuregelung ist es nicht, die Ausübung des Stimmrechts durch Banken zu unterbinden. Aufgrund ihrer Erfahrung und Sachkunde sind die Banken besonders geeignet, den Aktionär bei der Ausübung seiner Rechte zu beraten und zu unterstützen. Es gibt gegenwärtig keine Stelle, welche diese Aufgabe in derselben Weise wie die Banken erfüllen könnte. Zweck der Neuregelung ist es vielmehr, die Verwaltung der Gesellschaft mehr als bisher unter die Kontrolle der Aktionäre zu stellen und die Banken von dem Verdacht zu befreien, daß sie das Stimmrecht im eigenen Interesse ausübten." Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Regierungsentwurf folgende Grundsätze aufgestellt: 1. Die bisher übliche Legitimationsübertragung, die es den Kreditinstituten erlaubt, das Stimmrecht für Aktien, die ihnen nicht gehören, im eigenen Namen auszuüben, ist verboten. 1. Das Stimmrecht kann nur aufgrund einer Vollmacht ausgeübt werden, die frühestens 2 Wochen nach der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger erteilt werden darf. 3. Das Stimmrecht aufgrund der Vollmacht kann nur ausgeübt werden, wenn der Aktionär vor ihrer Erteilung: 740
Ausübung des Stimmrechts
§135
Anm. 1
a) Mitteilung über die Gegenstände der Tagesordnung, der Vorschläge der Verwaltung und etwaiger Gegenanträge der Aktionäre erhalten hat. b) Wenn das Kreditinstitut eigene Vorschläge gemacht und c) um Weisungen für die Ausübung des Stimmrechtes gebeten hat. Von diesen Vorschlägen waren die umstrittensten die unter 2. und 3. c), zumal da die Vollmachtserteilung und die Weisungen insofern gekoppelt waren, als der Regierungsentwurf als Anlage zum Gesetz ein besonderes Formular vorsah, das für die Einholung der Vollmacht benutzt werden mußte. Dies vereinte die Erteilung der Vollmacht insofern mit der Erteilung von Weisungen, als in dem Formular die Erteilung von Weisungen zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung vorgesehen war. Für den Fall, daß solche Weisungen dennoch nicht erteilt wurden, sondern das Formular lediglich unterzeichnet vom Aktionär zurückgeschickt wurde, so bedeutete das die Erteilung der Vollmacht mit der Anweisung, das Stimmrecht so auszuüben, wie es von dem Kreditinstitut vorgeschlagen war. Ob man hierin die Erteilung einer Weisung sehen will, oder ob man sich auf den Standpunkt stellt, auch nach dem Regierungsentwurf wäre die Erteilung einer Weisung nicht Voraussetzung zur Ausübung der Vollmacht gewesen, mag dahingestellt bleiben. Das Gesetz hat die Gedanken des Regierungsentwurfs mit einer, allerdings entscheidenden, Ausnahme übernommen. Es hat davon Abstand genommen, die Vollmacht nur dann als gültig anzusehen, wenn sie erst nadi der Bekanntmachung der Tagesordnung erteilt wird. Hier waren erhebliche Bedenken entstanden, ob eine solche Regelung praktikabel sei. Es wurde von der gesamten gewerblichen Wirtschaft, nicht nur von den Banken, darauf hingewiesen, daß die Einholung der Vollmacht in einer verhältnismäßig kurzen Frist zu Schwierigkeiten bei der Bearbeitung führen müsse, zumal da sich die Termine für die Hauptversammlungen der Gesellschaften auf wenige Monate zusammenballen. Man hat sich deshalb entschlossen, es insoweit bei der bisherigen Regelung zu belassen, daß die Vollmacht wie bisher zu einem beliebigen Zeitpunkt eingeholt werden kann; beibehalten ist die bisherige Bestimmung, daß sie längstens 15 Monate Gültigkeit hat. Es wird mithin insoweit bei der bisherigen Praxis bleiben, daß Anfang des Jahres mit der Ubersendung der Depotauszüge die Banken die Vollmacht zur Vertretung in den Hauptversammlungen aller Gesellschaften, für die der Aktionär Aktien im Depot hat, anfordern werden. Es bleibt auch insoweit bei der bisherigen Bestimmung, daß diese Vollmacht gesondert erteilt werden muß und nicht mit anderen Erklärungen verbunden sein darf, insbesondere kann also nicht im Rahmen der Unterzeichnung der allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank eine für die Stimmabgabe in der Hauptversammlung gültige Vollmacht erteilt werden. 741
§135 Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
Beibehalten ist der Grundsatz, daß der Aktionär vor Ausübung des Depotstimmrechts eingehend informiert sein muß. Dieser Gedanke ist insofern weiter ausgebaut worden, als die Mitteilung der Gegenstände der Tagesordnung, der Vorschläge der Verwaltung und etwaiger Gegenanträge oder Wahlvorschläge der Aktionäre auch dann zu erfolgen hat, wenn das Kreditinstitut überhaupt nicht beabsichtigt, das Depotstimmrecht auszuüben. Es erhält also jetzt jeder Aktionär, der seine Aktien bei einem Kreditinstitut verwahrt hat, diese Mitteilung, und zwar nach § 128 (vgl. dort Anm. 1 u. 2). Beabsichtigt das Kreditinstitut in der Hauptversammlung das Stimmrecht für ¡irgendwelche Aktionäre auszuüben oder ausüben zu lassen, so muß es allen Aktionären, die bei ihm Aktien verwahrt haben, Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechtes zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung machen und um Weisungen für die Ausübung des Stimmrechtes bitten und darauf hinweisen, daß es, wenn der Aktionär nicht rechtzeitig eine andere Weisung erteilt, das Stimmrecht entsprechend seinen mitgeteilten Vorschlägen ausüben werde. Es bleibt also auch bei dem Grundsatz, daß der Aktionär aufzufordern ist, Weisungen zu erteilen. N u r wird die Weisung nicht mehr mit der Vollmacht gekoppelt, weil diese ja im allgemeinen bereits vorher erteilt ist. Es bleibt sogar bei einem Formblatt für die Erteilung von Weisungen, jedenfalls dann, wenn sich die beteiligten Kreise nicht über ein solches Formblatt einigen sollten (vgl. das inzwischen erarbeitete Muster des Bundesverb. d. priv. Bankgew. in WM 65, 1091). Nach § 128 VI ist der Bundesminister der Justiz ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung ein Formblatt für die Erteilung von Weisungen durch den Aktionär vorzuschreiben. Geschieht das, so müssen die Kreditinstitute dieses Formblatt ihrer Bitte um Erteilung von Weisungen beifügen. Durch diese Regelung ist gegenüber dem Regierungsentwurf im Grunde genommen nur geändert, daß der Aktionär, der seiner Bank einmal Vollmacht erteilt hat, im weiteren Ablauf der Dinge passiv bleiben kann, ohne daß die Bank dadurch das Recht verliert, von der Vollmacht Gebrauch zu machen. Er erhält aber die volle Information, die ihm auch nach dem Regierungsentwurf zugedacht war und hat jederzeit die Möglichkeit, Weisungen zu erteilen oder auch seine Vollmacht zu widerrufen und sich anderweitig vertreten zu lassen oder selbst in der Hauptversammlung sein Stimmrecht auszuüben. Mit dieser Lösung dürfte praktisch das Ziel des Regierungsentwurfs erreicht sein, unter Vermeidung technischer Schwierigkeiten, die sonst aufgetreten wären. Da man nicht ohne weiteres damit rechnen kann, daß wenigstens in der ersten Zeit wirklich der größte Teil der Aktionäre zu der Aktivität, die in der Erteilung einer Sondervollmacht zu einem bestimmten Zeitpunkt liegt, zu bewegen wären, war zu befürchten, daß die Regelung des Regierungsentwurfs die Präsens in der Hauptversammlung vermindern 742
Ausübung des Stimmrechts
§135 Anm. 1,2
würde. Außerdem hat man erwogen, daß viele Aktionäre, insbesondere Kleinaktionäre, allmählich die Erteilung von Vollmachten zu jeder Hauptversammlung überdrüssig würden und auf die Schreiben ihrer Kreditinstitute überhaupt nicht mehr eingehen. Das könne dann dazu führen, daß über die von der Hauptversammlung zu entscheidenden Fragen nicht mehr die Mehrheit der Aktionäre, sondern nur eine Minderheit entscheidet. Außerdem würde ein solches Resignieren der Aktionäre genau das Gegenteil von dem sein, was der Gesetzgeber erreichen will, nämlidi durch gute Information über das, was in der Hauptversammlung zur Erörterung steht, das Interesse des Aktionärs an „seinem" Unternehmen zu wecken. Endlich bestanden gegenüber dem Regierungsentwurf auch rechtspolitische Bedenken insofern, als durch ihn die nach allgemeinem bürgerlichen Recht bestehende Freiheit, einem anderen eine Vollmacht zu erteilen, noch schärfer eingeschränkt worden wäre, als das schon im bisherigen Recht durdi die Begrenzung der Gültigkeit der Vollmacht auf 15 Monate und ebenso im neuen Redit der Fall ist. Über die Sonderregelung bei der Volkswagenwerk AG vgl. unten Anm. 9. II. Kreditinstitute als Bevollmächtigte Anm. 2: Aktien, die einem Kreditinstitut gehören, verschaffen diesem selbstverständlich die gleichen Rechte wie jedem anderen Aktionär. Die Sonderbestimmungen des § 135 greifen dann nicht Platz, insbesondere kann das Kreditinstitut selbst seinerseits Vollmacht erteilen, ohne an die einengende Bestimmung des Abs. 3 gebunden zu sein. Nur wenn die Aktien dem Kreditinstitut nicht gehören, finden die Bestimmungen des § 135 Anwendung. Das gilt ganz allgemein. Es ist nicht notwendig, daß sich die Aktien im Depot der bevollmächtigten Bank in Verwahrung befinden, jedoch wird das der Regelfall sein. Gleichgültig ist es, ob sich die Aktien in einem Streifbanddepot befinden oder ob sie dem Depotkunden auf Giro-Sammeldepot gutgeschrieben sind. In beiden Fällen gehören sie nicht dem Kreditinstitut. Die in der Vorauflage vertretene abweichende Auffassung wird nicht mehr aufrechterhalten. Die Legitimationsübertragung einer Aktie auf ein Kreditinstitut zur Ausübung des Stimmrechts im eigenen Namen ist nicht mehr zulässig. Insoweit wird der § 129 I I I für Kreditinstitute ausgeschlossen. Im Regierungsentwurf war dies durch einen besonderen Satz zum Ausdruck gekommen. In der Gesetzesformulierung steckt es in dem „nur" (Abs. 1 S.l). Ein Kreditinstitut kann das Stimmrecht für Aktien, die ihm nicht gehören, nur aufgrund einer Bevollmächtigung ausüben. Die Möglichkeit, das Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausüben zu lassen, ergibt bereits ganz allgemein der § 134 III. Auch hier sind die Bestimmungen des § 135 Ausnahmebestimmungen, die zusätzlich neben denen des § 134 III anzuwenden sind. Insbesondere gelten verschärfte Bestimmungen für den Inhalt der Voll743
§135 Anm. 2,3
Verfassung der Aktiengesellschaft
maditsurkunde und deren Dauer. Endlich gelten besondere Bestimmungen für die Erteilung einer Untervollmacht. Auch von einer ordnungsgemäßen Vollmacht kann nur Gebrauch gemacht werden, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind (Abs. 4). Ein besonderer Fall, der nicht unter die vorliegenden Bestimmungen fällt, ist gegeben, wenn einem Kreditinstitut aufgrund eines Treuhandverhältnisses zu Eigentum (wenn auch für fremde Rechnung) Aktien gehören. Dann bedarf es keiner Vollmacht, auch dann nicht, wenn sich der Zweck des Treuhandverhältnisses in der Ausübung des Stimmrechtes erschöpft, z. B. wenn zwei Aktionäre, die das gesamte Grundkapital je zur Hälfte besitzen, je eine gleiche Anzahl Aktien an eine Bank abgeben, um eine Mehrheitsentscheidung für solche Fälle sicherzustellen, in denen sie sich nicht einigen. Ein solcher Treuhandvertrag könnte mithin auch für länger als 15 Monate geschlossen werden. Bedenklich könnte eine solche Abmachung nur sein, wenn sie als Umgehung der verbotenen Legitimationsübertragung anzusehen wäre. 1. Inhalt der Vollmacht Anm. 3: Die Vollmacht bedarf — wie schon nach § 134 III so auch hier nach Abs. 1 S. 1 — der schriftlichen Form (vgl. hierzu §134 Abs. 7). Sie darf nicht blanko erteilt werden. Es wird vielmehr ausdrücklich bestimmt, daß die Vollmachtsurkunde bei der Erteilung der Vollmacht vollständig ausgefüllt sein muß. Eine Blankovollmacht wäre also nichtig. Sie soll das Datum der Ausstellung enthalten. Fehlt dieses, so tritt allerdings keine Nichtigkeit ein, da es sich nur um eine Soll-Bestimmung handelt. Das Datum ist dennoch wesentlich, weil die Vollmacht nur für längstens 15 Monate erteilt werden kann und diese Frist spätestens mit dem Tage der Ausstellung beginnt. Es ergibt sich damit die Frage, ob dieser Zeitraum oder der Ablaufstermin der Vollmacht in der Urkunde angegeben sein muß, insbesondere ob es zur „vollständigen Ausfüllung" der Vollmacht im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen gehört. Sicherlich ist die Bestimmung insoweit zwingend, als jedenfalls nach Ablauf von 15 Monaten die Vollmacht ungültig wird. Sie erscheint uns aber nicht zu erfordern, daß unbedingt diese Frist sich aus der Vollmacht ergibt. Dagegen ist es zwingend, daß sich aus dem Text der Vollmacht selbst ergibt, daß sie nur einem bestimmten Kreditinstitut erteilt wird. Nach Abs. 2 S. 5 soll die Gültigkeitsfrist für die Vollmacht mit dem Tage ihrer Ausstellung beginnen. Die Vorschrift ist neu und soll verhindern, daß die Vollmacht vordatiert wird. Eine Rückdatierung erscheint jedoch unbedenklich, weil es den Geschäftsgang vereinfacht, wenn bei einem Kreditinstitut die Frist von 15 Monaten für alle Depotkunden gleichmäßig abläuft. Weiterhin wird bestimmt, daß die Vollmacht jederzeit widerruflich ist. Das ist an sich jede Vollmacht. Die ausdrückliche Erwähnung soll sicher744
Ausübung des Stimmrechts
§135
Anm. 3,4
stellen, daß der Widerruf nicht ausgeschlossen werden kann, weder durch den Wortlaut der Vollmacht noch etwa durch allgemeine Geschäftsbedingungen des Kreditinstitutes, die der Vollmachtgeber als Kunde unterzeichnet hat. Es folgt aber nicht zwingend daraus, daß ausdrücklich in der Vollmacht stehen muß, daß sie jederzeit widerruflich ist. Sie ist es auch dann, wenn ein solcher ausdrücklicher Vermerk fehlt. Wie im bisherigen Recht darf die Vollmacht nicht mit anderen Erklärungen verbunden werden. Sie darf also nicht Teil der allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditinstituts sein, aber sich auch nicht auf einem Blatt mit der am Jahresanfang üblichen Depotbestätigung befinden. Aufgrund einer solchen Vollmacht ist das bevollmächtigte Kreditinstitut berechtigt, seinen Angestellten Untervollmacht zur Vertretung in der Hauptversammlung zu geben. Hierzu bedarf es keiner besonderen Ermächtigung. Andere Personen können nur dann unterbevollmächtigt werden, wenn das bevollmächtigte Kreditinstitut am Ort der Hauptversammlung keine Niederlassung hat und außerdem die Unterbevollmächtigung ausdrücklich in der Vollmacht gestattet ist. Durch diese Bestimmung soll die sogenannte Aktienleihe vermieden werden, die darin besteht, daß ein Kreditinstitut aufgrund der bisher üblichen Legitimationsübertragung diese einem anderen Kreditinstitut weiter überträgt, um diesem eine stärkere Position in der Hauptversammlung zu verschaffen. Aus dem gleichen Grunde wird die Übertragung der Vollmacht durch das bevollmächtigte Kreditinstitut unter die gleichen Voraussetzungen gestellt wie die Erteilung einer Unterbevollmächtigung. Es wird nicht verlangt, daß in der Vollmacht der Name des Unterbevollmächtigten genannt werden muß, sonst müßten kleinere Kreditinstitute offenlegen, mit welchen größeren Kreditinstituten sie zusammenarbeiten. Über die Folgen eines Verstoßes vgl. unten Anm. 12. 2. Voraussetzungen für den Gebrauch der Vollmacht Anm. 4: Verwahrt das Kreditinstitut, dem die Vollmacht erteilt ist, Aktien der Gesellschaft für den vollmachtgebenden Aktionär — was nicht immer der Fall zu sein braucht, s. oben Anm. 2 —, so kann es von der ihm erteilten Vollmacht nur Gebrauch machen, wenn es dem Aktionär die Mitteilung nach § 128 hat zugehen lassen. Das ist einmal die Weitergabe der Mitteilungen, die der Vorstand binnen 12 Tagen nach Bekanntmachung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger den Kreditinstituten zusenden muß; diese enthalten die Einberufung der Hauptversammlung, die Bekanntmachung der Tagesordnung mit den Vorschlägen der Verwaltung und etwaige Anträge und Wahlvorschläge der Aktionäre (§ 128 I); weiterhin die Vorschläge des Kreditinstitutes für die Ausübung des Stimmrechtes und die Bitte des Kreditinstitutes an den Aktionär um Erteilung von Weisungen für die Ausübung des Stimmrechtes mit dem Hinweis, daß, wenn der Aktionär nicht rechtzeitig eine andere Weisung erteilt, es das Stimmrecht entsprechend seinen 745
§ 135 Anm. 4,5
Verfassung der Aktiengesellschaft
Vorschlägen ausüben werde (vgl. § 128 I I sowie Anm. 2, 4 u. 5 dort). Über die Folgen einer Verletzung vgl. unten Anm. 11. 3. Art der Verwendung
der
Vollmacht
Anm. 5: Enthält die Vollmacht nichts weiteres als in Abs. 2 vorgeschrieben (vgl. Anm. 3), so kann das Kreditinstitut das Stimmrecht nur unter Benennung des Aktionärs in dessen Namen ausüben. In diesem Fall muß es die Vollmachtsurkunde der Gesellschaft vorlegen, die sie alsdann zu verwahren hat. Das stößt insofern auf Schwierigkeiten, weil die Vollmacht nicht nur für die Vertretung der Aktie dieser Gesellschaft ausgestellt sein muß, vielmehr kann sie sich auf alle Aktien des Aktionärs, die sich im Depot des Kreditinstitutes befinden, beziehen in der Weise, daß dem Kreditinstitut Vollmacht für die Vertretung in den Hauptversammlungen aller Gesellschaften, von denen der Aktionär Aktien besitzt, erteilt wird. In einem solchen Fall muß also entweder eine Sondervollmacht für diese Gesellschaft erbeten werden, oder es müssen für die späteren Hauptversammlungen neue Vollmachten angefordert werden. Das Gesetz läßt nicht zu, daß etwa nur Abschriften der Vollmachtsurkunde oder Fotokopien vorzulegen seien. In der Praxis werden solche Fälle, in denen das Kreditinstitut das Stimmrecht unter Benennung des Aktionärs ausübt, verhältnismäßig selten sein. Im allgemeinen wird die zweite, vom Gesetz gegebene Möglichkeit gewählt werden, die aber voraussetzt, daß die Vollmacht ausdrücklich bestimmt, daß das Kreditinstitut das Stimmrecht auch im Namen dessen, den es angeht, ausüben kann. Die Vollmachtsformulare, die der Kunde der Bank erhält, werden mit Sicherheit diesen besonderen Zusatz enthalten (so auch der Bundesverb. d. priv. Bankgew. in WM 65, 1094). Wenn der Kunde ihn nicht streicht und die Vollmacht in vollem Wortlaut erteilt, kann nunmehr das Kreditinstitut das Stimmrecht im Namen dessen, den es angeht, ausüben. Das Kreditinstitut bleibt immer nach außen hin deutlich erkenntlich nur Bevollmächtigter. Es braucht aber seinen Vollmachtgeber nicht zu nennen. Infolgedessen genügt zum Nachweis seiner Stimmberechtigung gegenüber der Gesellschaft die Vorlegung der Aktien oder eine Bescheinigung über die Hinterlegung der Aktien bei einem Notar oder einer Wertpapiersammelbank, dies dann, wenn die Satzung nichts Besonderes über den Nachweis der Stimmberechtigung verlangt. Tut sie dies, so genügt die Erfüllung der in der Satzung vorgesehenen Erfordernisse. Hier ist also nicht notwendig, daß das Kreditinstitut die Vollmacht vorlegt. Infolgedessen ist es auch nicht Sache der Gesellschaft zu prüfen, ob die Vollmacht in Ordnung geht, d. h., ob sie den Zusatz enthält, daß das Kreditinstitut das Stimmrecht auch im Namen dessen, den es angeht, ausüben kann. 746
Ausübung des Stimmrechts
4. Ausübung des
§135
Anm. 6
Stimmrechts
Anm. 6: Oberster Grundsatz ist, daß das Kreditinstitut den Weisungen des Aktionärs für die Ausübung des Stimmrechts zu folgen hat. Wann diese Weisungen erteilt sind, ist gleichgültig. Sie können schon vor der Einberufung der Hauptversammlung und in Unkenntnis der Tagesordnung und der Vorschläge der Verwaltung erteilt worden sein (a. A. Bundesverb. d. priv. Bankgew. a. a. O.). Das ist praktisch durchaus möglich, weil vielfach bereits zu einem früheren Zeitpunkt in der Fachpresse die Lage des Unternehmens und auch häufig die Dividendenvorschlag besprochen wird. Es wäre durchaus denkbar, daß aufgrund solcher Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse bereits von einem Aktionär eine Weisung an sein Kreditinstitut erteilt wird. Die Bestimmung des § 128 I I I darf hiermit nicht verwechselt werden. Sie besagt, daß das Kreditinstitut keine Weisungen einzuholen braucht, wenn der Aktionär nach Einberufung der Hauptversammlung dem Kreditinstitut bereits schriftlich Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts erteilt hat. Hier spielt die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Weisungen erteilt sind, eine Rolle, denn nur Weisungen, die nach Bekanntmachung der Tagesordnung und den Vorschlägen der Verwaltung — das alles ist mit der Einberufung verbunden — erteilt werden, befreien das Kreditinstitut von der Übersendung der eigenen Vorschläge zur Abstimmung nach § 128 II, nicht aber von der Weitergabe der Mitteilungen des § 125, (§ 128 I). Hier wird aber nicht die Frage entschieden, wann der Aktionär Weisungen erteilen kann. Im vorliegenden Abs. 5 wird der Fall geregelt, daß der Aktionär weder vor noch nach Übersendung der Mitteilungen und Vorschläge nadi § 128 eine Weisung erteilt. Es liegen dann dem Aktionär die Vorschläge des Kreditinstitutes über die Ausübung des Stimmrechtes vor, mit dem Zusatz, daß, falls er die erbetenen Weisungen nicht erteilt, das Kreditinstitut entsprechend seinen Vorschlägen abstimmen wird. An diese Erklärungen ist es gebunden, es sei denn, es verändern sich nach der Mitteilung der eigenen Vorschläge die Umstände derart, daß dem Kreditinstitut eine abweichende Ausübung des Stimmrechts angezeigt erscheint und es annehmen darf, daß der Aktionär bei Kenntnis der Sachlage die abweichende Ausübung des Stimmrechtes billigen würde. Die Bestimmung ist dem § 665 BGB nachgebildet. Sie findet deshalb auch dann Anwendung, wenn der Aktionär eine ausdrückliche Weisung erteilt hat. Es besteht kein Grund, diesen Fall anders zu behandeln, als das Schweigen des Aktionärs auf die Vorschläge des Kreditinstituts, denn auch in diesem letzteren Fall unterstellt zum mindesten das Gesetz, daß der Aktionär mit diesen Vorschlägen einverstanden ist und stellt dadurch eine Bindung des Kreditinstitutes an seine eigenen Vorschläge bei der Ausübung des Stimmrechtes her. Auf der anderen Seite muß man bei dieser Auslegung der Bestimmungen des Abs. 5 davon ausgehen, daß von der Ausnahme nur Gebrauch gemacht wird, wenn keine Möglichkeit mehr besteht festzustellen, 747
§135
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 6,7 welche Abstimmung der Aktionär bei Kenntnis der neu aufgetauchten Sachlage wünscht. Das Kreditinstitut ist u. U. verpflichtet, eine neue Entscheidung des Aktionärs dadurch herbeizuführen, daß es ihm seine veränderten Vorschläge zur Abstimmung gemäß § 128 II erneut mitteilt. Eine solche Verpflichtung wird nur dann gegeben sein, wenn eine solche Mitteilung an alle Depotkunden, die dafür in Frage kommen, überhaupt technisch noch möglich ist, und die Änderung im Vorschlag nicht unbedeutend ist. Eine solche Verpflichtung wird zwar nicht ausdrücklich vom Gesetz an dieser Stelle verlangt, sie dürfte sich aber aus dem durch § 128 inhaltlich gesetzlich festgelegten Vertragsverhältnis zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut ergeben. Das Gesetz verlangt nur in Abs. 8, daß das Kreditinstitut, das bei der Ausübung des Stimmrechtes von einer Weisung des Aktionärs oder von seinen eigenen Vorschlägen abgewichen ist, dies dem Aktionär nach der Hauptversammlung unter Angabe der Gründe, die es dazu veranlaßt hat, anzugeben hat. Nur wenn sich aus dieser nachträglichen Mitteilungspflicht ein Schaden ergeben sollte, kann die Verpflichtung zum Ersatz dieses Schadens nach Absatz 11 im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. 5. Sonderregelung für Namensaktien Anm. 7: Die Bestimmungen des § 135 gelten, wie sich aus Abs. 1 S. 1 ergibt, grundsätzlich nur für Inhaber-Aktien. Die Vorschrift des Absatzes 7 regelt das Stimmrecht für Namensaktien dahin, daß die Ausübung durch ein Kreditinstitut im großen und ganzen den gleichen Grundsätzen unterliegt, wie die Ausübung des Stimmrechts von Inhaber-Aktien. Auf diese Bestimmungen wird weitestgehend Bezug genommen mit einer Ausnahme: es ist nicht möglich, daß ein Kreditinstitut das Stimmrecht für Namensaktien für denjenigen ausübt, den es angeht. Eine solche Bestimmung erscheint auch überflüssig, weil der Aktionär sich aus dem Aktienbuch ergibt, seine Geheimhaltung ist also unnötig. Es werden zwei Fälle vom Gesetz behandelt. Einmal der Fall, in dem das Kreditinstitut als Aktionär im Aktienbuch eingetragen ist für Aktien, die ihm in Wahrheit nicht gehören. Der Gesellschaft gegenüber ist das Kreditinstitut durch die Eintragung im Aktienbuch als Aktionär legitimiert. Dennoch schreibt das Gesetz vor, daß es das Stimmrecht aus diesen Aktien nur aufgrund einer schriftlichen Ermächtigung des Aktionärs ausüben darf. Die Ermächtigung bedarf der Schriftform. Sie muß in einer besonderen Urkunde niedergelegt sein. Sie muß einem bestimmten Kreditinstitut erteilt sein und nur für längstens 15 Monate. Der Inhalt der Ermächtigungsurkunde muß den Vorschriften des Abs. 2 entsprechen. Das Kreditinstitut darf die Ermächtigung nicht an andere Personen weitergeben als die in Abs. 3 Genannten und nur unter den dort gegebenen Voraussetzungen. Es darf auch nur dann von der Ermächtigung Gebrauch machen, wenn 748
Ausübung des Stimmredits
§135
Anm. 7,8
es dem Aktionär die Vorschläge nach § 128 II und die Mitteilungen nach § 128 I gemacht hat — dies beinhaltet die Verweisung auf Abs. 5 — und es hat das Stimmrecht so auszuüben wie es Abs. 5 vorschreibt. Die Ermächtigung selbst ist eine interne Angelegenheit zwischen dem nicht im Aktienbuch eingetragenen wahren Aktionär und dem im Aktienbuch eingetragenen Kreditinstitut. Die Gesellschaft hat deshalb mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun. Beteiligt sich das Kreditinstitut ohne Ermächtigung an der Abstimmung, so kann es von der Gesellschaft jedenfalls nicht zurückgewiesen werden, weil es dieser gegenüber durch die Eintragung im Aktienbuch als Aktionär gilt. Es begeht aber eine Ordnungswidrigkeit nach § 405 III N r . 1 und haftet dem Aktionär auf Ersatz eines etwa ihm entstehenden Schadens. Diese Ersatzpflicht kann nach Abs. 11 nicht im voraus ausgeschlossen und beschränkt werden. Ist das Kreditinstitut nicht als Aktionär im Aktienbuch eingetragen, so kann es nur aufgrund einer schriftlichen Vollmacht unter Benennung des Aktionärs das Stimmrecht ausüben. In diesem Fall muß der Vollmachtgeber der im Aktienbuch Eingetragene sein, denn nur er ist der Gesellschaft gegenüber als Aktionär legitimiert. Sollte inzwischen eine Veräußerung der Aktie stattgefunden haben, so kann überhaupt kein Stimmrecht aus dieser Aktie geltend gemacht werden, solange nicht die Umschreibung im Aktienbuch vorgenommen ist (vgl. § 68 III in Verbindung mit § 67 II und Anm. dort). Zwar gilt der Veräußerer gegenüber der Gesellschaft nach § 67 II bis zur Umschreibung als Aktionär, aber er ist tatsächlich nicht mehr Träger des Aktienrechts, das auf den Erwerber übergegangen ist. Deshalb kann er das Stimmrecht nicht mehr, der Erwerber wegen der noch fehlenden Umschreibung noch nicht ausüben. 6. Ausübung des Stimmrechtes in der eigenen Hauptversammlung Anm. 8: Zum geltenden Recht war streitig, ob ein Kreditinstitut auf der eigenen Hauptversammlung das Stimmrecht aufgrund einer Ermächtigung oder Vollmacht ausüben darf. Im Schrifttum wurde dies meist verneint, während die Praxis die Stimmrechtsausübung durch das Kreditinstitut für zulässig hielt. Das Gesetz entscheidet die Streitfrage dahin, daß das Kreditinstitut auch in der eigenen Hauptversammlung aufgrund einer ihm erteilten Vollmacht das Stimmrecht für ihm nicht gehörende Aktien ausüben darf, und zwar kann dies sowohl unter Benennung des Aktionärs, dem die Aktien gehören, geschehen, wie auch im Namen dessen, den es angeht. Es gelten grundsätzlich alle Bestimmungen des § 135, die für die Ausübung des Stimmrechtes durch ein Kreditinstitut in fremden Hauptversammlungen gelten. N u r eine weitere Bestimmung kommt hinzu: es muß eine ausdrückliche Weisung des Aktionärs vorliegen. 749
§135 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 8,9 Insoweit tritt anstelle der Bestimmungen des Abs. 5 die des Abs. 1 S. 2, nach der das Kreditinstitut in der eigenen Hauptversammlung das Stimmrecht nur ausüben darf, soweit der Aktionär eine ausdrückliche Weisung zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilt hat. Es kann also, wenn zu zwei von fünf Tagesordnungspunkten eine Weisung erteilt ist, bei diesen aufgrund der Vollmacht mitstimmen, nicht aber bei den drei Tagesordnungspunkten, für die eine Weisung nicht erteilt ist. Da es hier kein Stimmrecht hat, sind die Aktien als nicht vertreten anzusehen, was Bedeutung haben kann bei der Feststellung des bei der Abstimmung „vertretenen Grundkapitals". Wohl aber kann eine Weisung für alle Tagesordnungspunkte einheitlich erteilt werden, z. B. „nach den Vorschlägen der Verwaltung". Die Weisung des Aktionärs muß eine ausdrückliche sein, es ist aber keine bestimmte Form vorgeschrieben, insbesondere nicht die Schriftform, sie kann also auch noch telegrafisch erfolgen, ebenso wie sie mündlidi erteilt werden kann. In diesem Falle muß sie der Gesellschaft gegenüber abgegeben werden. Die Weisung kann auch noch in der Hauptversammlung selbst erteilt werden. Auch dann ist nicht etwa der Vorsitzende der Hauptversammlung der Empfänger, sondern immer das Kreditinstitut, also der Vorstand der Gesellschaft. Durch diese Regelung wird das Bedenken beseitigt, daß der Vorstand mit den Stimmen der Depotkunden für seine eigenen Anträge stimmen kann, ohne zu wissen, ob dies dem Willen des Depotkunden entspricht. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß Angestellte des Kreditinstitutes aufgrund der Vollmacht dem Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung erteilen, denn es handelt sich um weisunggebundene Stimmen, bei denen die tatsächliche Abhängigkeit des Bevollmächtigten von denjenigen, denen er durch Ausübung der Vollmacht Entlastung erteilt, keine Rolle spielt. Liegen die Voraussetzungen des § 665 BGB vor, kann von der Weisung abgewichen werden (s. Anm. 4). Erteilt ein anderes Kreditinstitut für seine Depotkunden der Gesellschaft Untervollmacht, so bedarf es keiner besonderen Weisung, wenn die Gesellschaft als Unterbevollmächtigte in der eigenen Hauptversammlung diese Aktien vertritt. 7. Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung der Volkswagenwerk A.G. Anm. 9: Das Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in privater Hand vom 21. 7. 1960 (BGBl. I S. 585) enthält besondere Bestimmungen über die Ausübung des Stimmrechtes durch Bevollmächtigte. Bei den Beratungen des Einführungsgesetzes ist der Antrag gestellt worden, die in Frage kommenden Paragraphen des Gesetzes aufzuheben. Der Antrag wurde damit begründet, daß es unnötig sei, diese Sondervorschriften, die nur auf eine Aktien750
Ausübung des Stimmrechts
§135
Anm. 9
gesellschaft anzuwenden seien, aufrechtzuerhalten. Wenn man der Ansicht sei, daß die Vorschriften des neuen Aktienrechtes die Interessen der Aktionäre hinreichend schützten, so sei nicht einzusehen, warum noch besondere Vorschriften für eine einzige Aktiengesellschaft getroffen werden müssen. Der Antrag wurde leider abgelehnt. Der Gesetzgeber war der Ansicht, daß die Sondervorschriften für die Volkswagenwerk A. G. aus gesellschaftspolitischen Gründen gegenwärtig nicht beseitigt werden sollten. Im § 38 EG sind einige Anpassungen an das neue Gesetz vorgenommen und eine Erleichterung rein technischer Art geschaffen worden. Die Vorschrift des § 3 II des genannten Gesetzes ist aufgehoben worden. Diese Vorschrift regelte die Erteilung von Untervollmachten. Die entsprechende Vorschrift im Aktiengesetz (§ 135 III) geht insofern weiter, als sie zusätzlich bestimmt, daß das, was über die Untervollmacht bestimmt wird, auch für die Übertragung der Vollmacht gilt. Um zu verhindern, daß im bisherigen § 3 II des obengen. Gesetzes eine abschließende Sonderregelung für das Volkswagenwerk erblickt wird, die bewußt die Übertragung der Vollmacht nicht der Unterbevollmächtigung gleichstellt, erschien es zweckmäßig, die Vorschrift ausdrücklich aufzuheben. Es gilt insoweit jetzt die Vorschrift des § 135 III auch für die Volkswagenwerk A. G. Neu gefaßt ist § 3 III S. 2 der VW-Ges. Nach dieser Vorschrift hat der geschäftsmäßige Vertreter bei der Einholung von Vollmacht und Weisungen dem Aktionär die Tagesordnung und etwaige Vorschläge der Verwaltung für die Abstimmung mitzuteilen. Nach der Bestimmung des § 125 I und § 128 I sind dagegen noch weitere Mitteilungen zu machen. Um sicherzustellen, daß auch bei der Volkswagenwerk A. G. die Mitteilungen in diesem Umfange gemacht werden, ist nunmehr im Abs. 2 S. 2 VW-Ges. auf § 128 Bezug genommen. Nach wie vor bleibt es aber insofern bei der Sonderregelung des § 3 III VW-Ges., als bei der Volkswagenwerk A. G. die Vollmacht für die Ausübung des Stimmrechts erst nach Einberufung der Hauptversammlung und mit Übersendungen der Mitteilungen über die Hauptversammlung an den Aktionär eingeholt werden darf. Eine gewisse Erleichterung bringt die Neufassung der Abs. 1 und 4 des § 3 VW-Ges. Sie soll Schwierigkeiten beseitigen, die sich bei der Gesellschaft dadurch ergeben haben, daß in der Hauptversammlung Listen der vertretenen Aktionäre überreicht werden müssen, die als Anlage zur Hauptversammlungsniederschrift zu nehmen und mit ihr aufzubewahren sind. Künftig brauchen nur noch die Vollmachtsurkunden der Gesellschaft vorgelegt zu werden. Die Vollmachtsurkunden sind nicht als Anlage zur Niederschrift über die Hauptversammlung zu nehmen. Die Gesellschaft kann sie vielmehr 3 Jahre nach der Hauptversammlung vernichten. Bis dahin ist jedem Aktionär auf Verlangen Einsicht in die Urkunden zu gewähren. Eine Übergangsbestimmung gestattet die Vernichtung der in den bisherigen Hauptversamm751
§135 Anm. 9 , 1 0
Verfassung der Aktiengesellschaft
lungen überreichten Listen 3 Jahre nach der jeweiligen Hauptversammlung. Ist eine Anfechtungsklage anhängig, so verlängert sich die Frist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat. Die volle Unterstellung der Volkswagenwerk A. G. unter das neue Gesetz ist damit auch nicht annähernd erreicht, obwohl sich aus der Sonderrechtsstellung bereits Nachteile für die Placierung der Aktien der Gesellschaft, insbesondere im Ausland, ergeben haben, und diese Schwierigkeiten zunehmend größer werden müssen, nachdem sich herausgestellt hat, daß die Sonderregelung nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, eine Ubergangsregelung war, sondern nunmehr einen Dauercharakter erhält. III. Den Kreditinstituten Gleichgestellte Anm. 10: 1. In den letzten Jahren haben sich Organisationen zur Vertretung von Aktionären gebildet, deren Bedeutung sehr unterschiedlich ist. Grundsätzlich sind sie zu begrüssen, weil sie insbesondere für den Kleinaktionär eine Hilfe sein können, einmal um für seine bessere Orientierung zu sorgen, aber auch um seine Rechte wahrzunehmen. In gewissen Fällen könnten sie auch geeignet sein, Minderheitsgruppen zusammenzuführen oder auch eine Mehrheit für Anträge zu bilden. Auf der anderen Seite sind die Dinge auf diesem Gebiet noch so in Fluß, daß der Gesetzgeber sich nicht entschließen konnte, etwa eine bestimmte Abgrenzung für solche Vereinigungen von Aktionären zu schaffen. Er läßt die Frage, wie solche Vereinigungen organisiert sind, deshalb völlig offen und beschränkt sich darauf, sie bei der Weitergabe der Mitteilungen an die Aktionäre (§ 128 V) und bei der Ausübung des Stimmrechts den Kreditinstituten gleichzustellen. Das hat zur Folge, daß ihnen der Vorstand die gleichen Mitteilungen nach § 125 zuzuleiten hat, wenn sie in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt oder die Mitteilung verlangt haben. Die Verpflichtung der Weitergabe dieser Mitteilungen an ihre Mitglieder ist in § 128 V dahin eingeschränkt worden, daß die Weitergabe nur an die Mitglieder zu erfolgen hat, die dies verlangen (im einzelnen vgl. hierzu § 125 Anm. 4 und 5 und § 128 Anm. 12 und 13). 2. Um eine Umgehung der Bestimmungen des § 135 zu vermeiden, gelten diese auch für Geschäftsleiter und Angestellte eines Kreditinstitutes, wenn diese das Stimmrecht für Aktionäre, deren Aktien im Depot des Kreditinstitutes liegen, wahrnehmen wollen. 3. Anwendbar sind ferner die Bestimmungen des § 135 auf Personen, die sich geschäftsmäßig gegenüber Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erbieten. Auch hier handelt es sich im wesentlichen darum, eine Umgehungsmöglichkeit des Gesetzes auszuschalten. Die Bestimmungen der Nr. 2 und 3 gelten nicht, wenn derjenige, der das Stimmrecht 752
Ausübung des Stimmrechts
§135
Anm. 10 ,11
ausüben will, gesetzlicher Vertreter, Ehegatte, Verwandter oder Verschwägerter des Aktionärs ist. In diesem Falle wird unterstellt, daß die persönlichen Beziehungen zum Aktionär den Ausschlag bilden und nicht etwa eine Umgehung des Gesetzes. IV. Kontrahierungszwang Anm. 11: Einer der wesentlichen Gründe, die für die Berechtigung des Depotstimmrechts der Kreditinstitute angeführt werden, ist der, daß nur dadurch der Vielzahl der Aktionäre die Möglichkeit geboten wird, überhaupt in der Hauptversammlung sich vertreten zu lassen. Dies ist in der Tat ein wichtiger Gesichtspunkt, der bei der Erörterung der Frage, ob nicht überhaupt ein Verbot für die Vertretung durch Kreditinstitute ausgesprochen werden sollte, eine entscheidende Rolle gespielt hat. Es erschien deshalb zweckmäßig, eine Bestimmung zu schaffen, durch die verhindert wird, daß das Kreditinstitut ohne Grund den Auftrag eines Aktionärs, für ihn das Stimmrecht auszuüben, ablehnt oder gar nach Übernahme sich weigert, den Auftrag auszuführen. Nach dem bisherigen Recht war die Berechtigung hierzu allgemein anerkannt, insbesondere dann, wenn der Aktionär etwa Weisungen erteilte, die dem Kreditinstitut nicht paßten, oder die es vielleicht auch nur als unzweckmäßig empfand. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Das Kreditinstitut ist verpflichtet, den Auftrag anzunehmen und auszuführen, allerdings nur, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: a) es muß für den Aktionär Aktien der Gesellschaft in Verwahrung haben, b) sich gegenüber irgendwelchen Aktionären der Gesellschaft zur Ausübung des Stimmrechts in derselben Hauptversammlung erboten haben. Der Kontrahierungszwang besteht also nicht, wenn — was nach § 135 I grundsätzlich möglich ist — der Auftrag zur Ausübung des Stimmrechts einem Kreditinstitut erteilt wird, das keine Aktien des Auftraggebers in Verwahrung hat, und zwar auch dann nicht, wenn dasselbe Kreditinstitut andere Aktionäre in derselben Hauptversammlung vertritt. Anders ist die Lage, wenn das Kreditinstitut bereits durch den Verwahrungsvertrag mit dem Aktionär in Verbindung steht. Nach dem Gesetzeswortlaut genügt diese Tatsache allein jedoch noch nicht, um die Verpflichtung zur Annahme und Ausführung des Auftrages zu begründen. Es muß das grundsätzliche Erbieten hinzukommen, Aktionäre in derselben Hauptversammlung, auf die sich der Auftrag bezieht, zu vertreten. Ein solches ausdrückliches Erbieten hat es nach dem bisherigen Recht nicht gegeben. Unter der Herrschaft des neuen Rechts ist dies anders, denn ein solches ausdrückliches Erbieten liegt in der Mitteilung an auch nur einen Aktionär der betreffenden Gesellschaft für die Ausübung des Stimmrechts in der betreffenden Hauptversammlung nach 753 48
Wilhelmi, Aktiengesetz
§135
Anm. 11
Verfassung der Aktiengesellschaft
§ 128 II. Ist dies geschehen, so kann das Kreditinstitut nicht mehr zurück, wenn es nunmehr einen ihm nicht passenden Auftrag zur Ausübung des Stimmrechts mit entsprechender Weisung erhält. Den vom Bundesverb, des priv. Bankgew. (WM 65, 1091 ff.) vertretenen Standpunkt, ein Erbieten liege nur dann vor, wenn das Kreditinstitut selbst eine gewisse Aktivität entfalte und seine Bereitschaft zur Stimmrechtsausübung für eine bestimmte Hauptversammlung bekanntgibt, nicht aber, wenn es sich gegenüber einem einzelnen Kunden auf dessen Bitte zur Ausübung des Stimmrechts bereit erklärt, halten wir für unvereinbar mit dem Gesetz. Jedes Tätigwerden in bezug auf eine Stimmrechtsausübung ist ein Erbieten im Sinne des Gesetzes, also schon die notwendige Übersendung der Vorschläge nach § 128 II an einen einzelnen Kunden. Die Auffassung, die Bank müsse sich aktiv um die Vertretung des Aktionärs bemühen, entspricht weder dem allgemeinen Brauch noch ist sie in sich schlüssig. Wenn ein Kreditinstitut den Auftrag eines Aktionärs zur Ausübung des Stimmrechts in einer Hauptversammlung angenommen hat, so hat es sich damit auch erboten im Sinne des § 135 X . Sinn dieser Bestimmung ist es gerade, es dem Kreditinstitut zu versagen, sich diejenigen seiner Kunden, die es vertreten will, auszusuchen. Wenn es einen Kunden vertritt, muß es alle vertreten, gleichgültig welche Weisungen es von diesem Kunden erhält. Die vom Bundesverb. a. a. O. weiter angeschnittene Frage, ob die Einholung der 15-Monats-Vollmacht bereits ein Erbieten im Sinne der Bestimmung ist, ist streitig; wir möchten dies verneinen (a. A. Consbruch, Z f K 65, 1155). Sollte ein Kreditinstitut nur die Mitteilung nach § 128 I an seine Depotkunden weitergeben, so ergibt sich daraus bereits, daß es nicht die Absicht hat, einen Aktionär in der Hauptversammlung zu vertreten. Es kann dann nicht ein einzelner Depotkunde die Vertretung verlangen. Das Kreditinstitut kann einen solchen Auftrag ablehnen, selbstverständlich aber auch annehmen. Dann muß es nur dafür Sorge tragen, daß entweder der betreffende Auftraggeber Weisung erteilt, so daß es nach § 128 I I I nicht verpflichtet ist, Vorschläge über die Ausübung des Stimmrechts nach Abs. 2 zu machen oder es muß unverzüglich, nachdem es den Auftrag bekommen hat, die Vorschläge nach § 128 II dem Auftraggeber und allen übrigen Depotkunden, die Aktien der fraglichen Gesellschaft deponiert haben, unterbreiten. Ist dies nicht mehr möglich, so kann es den Auftrag nach den Bestimmungen des § 135 nicht ausführen und muß dies ebenso unverzüglich dem Auftraggeber mitteilen. Es bleibt die Frage offen, ob ein Kreditinstitut, das ständig seine Depotkunden in Hauptversammlungen der Gesellschaften vertritt, dies in einem konkreten Fall unterlassen kann, wenn ihm frühzeitig von einem Depotkunden eine Weisung zugeht, die es nicht durchführen will. Wir sind der Auffassung, daß es in einem solchen Fall, trotz der entgegenstehenden 754
A u s ü b u n g des Stimmrechts
§135
Anm. 11,12
allgemeinen Übung bisher, in dem konkreten Fall darauf verzichten kann, seine Depotkunden zu vertreten, denn das Erbieten muß sich nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes auf die Vertretung „in derselben Hauptversammlung" beziehen. Dennoch wäre ein solches Verhalten bedenklich, weil der Kunde kaum bemerken wird, daß es lediglich die Mitteilungen nach § 128 I erhält und keine Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts. Es ist deshalb die Frage, ob nicht aufgrund des zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden bestehenden Vertragsverhältnisses in einem solchen Fall das Kreditinstitut verpflichtet ist, darauf aufmerksam zu machen, daß es nicht die Absicht hat, aufgrund der ihm ja früher schon erteilten Vollmacht des Kunden das Stimmrecht für seine Aktien auszuüben, denn schließlich kann der Kunde nach den bisherigen Erfahrungen annehmen, daß ein Kreditinstitut, wenn es keine besonderen Vorschläge macht, den Vorschlägen der Verwaltung zustimmen wird, wird also annehmen, wenn er lediglich die Mitteilungen nach § 128 I erhält, daß aufgrund der von ihm erteilten Vollmacht das Kreditinstitut in der Hauptversammlung seine Stimmen in diesem Sinne abgegeben wird. Unseres Erachtens besteht deshalb eine Verpflichtung des Kreditinstituts, darauf hinzuweisen, wenn es abweichend von der bisherigen Praxis bei anderen Gesellschaften oder in früherer Zeit in diesem besonderen Fall eine Vertretung von Aktionären nicht vornehmen will. Die ganze Frage kann überhaupt nur für Regionalbanken in Frage kommen, denn eine Großbank wird niemals in der Lage sein, generell die Vertretung von Aktionären in der Hauptversammlung einer Gesellschaft abzulehnen. Der Kontrahierungszwang entfällt aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung dann, wenn der Aktionär sich weigert, in der Vollmacht eine Unterbevollmächtigung oder Übertragung der Vollmacht ausdrücklich zu gestatten und das Kreditinstitut, dem die Vollmacht erteilt wird, keine Niederlassung am Ort der Hauptversammlung hat. In diesem Fall kann dem Kreditinstitut nicht zugemutet werden, die Hauptversammlung wahrnehmen zu lassen. Auf diese Ausnahme kann sich das Kreditinstitut auch dann berufen, wenn die Hauptversammlung in einem unmittelbar vor den Toren einer Großstadt liegenden selbständigen Gemeinde stattfindet. Man wird nicht sagen können, daß die Berufung auf diese ausdrückliche gesetzliche Bestimmung nach den gegebenen Umständen des Einzelfalles arglistig sein könnte. V . Folgen der Verletzung der Bestimmungen Anm. 12: Die Erteilung einer Ermächtigung oder Vollmacht von Weisungen spielt sich zwischen dem Kreditinstitut und seinem Kunden ab ohne Mitwirkung der Gesellschaft. D a s hat zur Folge, daß Verstöße gegen diese Bestimmungen die Wirksamkeit der Stimmabgabe, d. h. also die Mitwirkung bei der Willensbildung des Organs der Gesellschaft, der Hauptversammlung, 755
§ 135
Anm. 12
Verfassung der Aktiengesellschaft
nicht berühren. Das gilt auch dann, wenn das Kreditinstitut in seiner eigenen Hauptversammlung das Depotstimmrecht ausübt, ohne vom Aktionär eine ausdrückliche Weisung erhalten zu haben. Das mag zunächst erstaunlich sein, weil hier die Gesellschaft, um deren Hauptversammlung es sidi handelt, gleichzeitig der Bevollmächtigte des Aktionärs ist, mithin wissen muß, ob eine Weisung erteilt ist oder nicht. Es erscheint dennoch richtig, daß unterschieden wird zwischen der Gesellschaft als Vertragspartner des ihr Vollmacht erteilenden Aktionärs und der Willensbildung in der Hauptversammlung der Gesellschaft, also eines ihrer Organe. Beides hat nichts miteinander zu tun und es kann deshalb auch in einem solchen Fall keine Ausnahme von dem Grundsatz gemacht werden. Demgemäß kann auch ein Verstoß gegen die Abs. 2 und 3, die sich mit der Vollmacht und der Untervollmacht bei der Ausübung von Stimmrechten für Inhaberaktien befassen, wie auch bei Abs. 7 — in dessen letztem Satz auf den Abs. 6 hingewiesen wird — , in dem die Ermächtigung für Kreditinstitute zur Ausübung des Stimmrechts für Namensaktien geregelt wird, die Wirksamkeit der Stimmabgabe ebensowenig berühren, wie ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Abs. 5, der sich mit den Weisungen des Aktionärs an das Kreditinstitut befaßt. Für die Nichtbeachtung all dieser Vorschriften kann nicht die Gesellschaft in der Weise verantwortlich gemacht werden, daß ein Verstoß gegen sie die Anfechtung ihrer Hauptversammlungsbeschlüsse begründet. Um die Beachtung der Bestimmungen dennoch zu erreichen, wird ein Verstoß gegen sie als Ordnungswidrigkeit behandelt. Nach § 405 I I I Nr. 5 handelt ordnungswidrig, wer Aktien, für die er oder der von ihm Vertretene das Stimmrecht nach § 135 nicht ausüben darf, einem anderen zum Zweck der Ausübung des Stimmrechts überläßt oder solche ihm überlassene Aktien zur Ausübung des Stimmrechts benutzt. Dies gilt nicht nur für Kreditinstitute, sondern auch für die diesem Gleichgestellten nach Abs. 9. Für die Kreditinstitute allein ist noch eine weitere Sicherung getroffen worden, und zwar im Einführungsgesetz § 36. Danach enthält der § 30 I des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. 7 . 1 9 6 1 (BGBl. I, S. 881) folgenden zweiten Satz: „Die Prüfung hat sich auch auf die Einhaltung des § 128 des Aktiengesetzes über die Mitteilung des Kreditinstitutes und des § 135 des A k tiengesetzes für die Ausübung des Stimmrechts durch Kreditinstitute zu erstrecken." Die zivilrechtliche Verpflichtung des Kreditinstituts zum Ersatz eines aus der Verletzung der Bestimmungen entstehenden Schadens richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. D a in den Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute weitestgehend die Haftung ausgeschlossen oder eingeschränkt ist, z. B. nur auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit unter Ausschluß der leichten Fahrlässigkeit, bestimmt Absatz 11, daß die Verpflichtung zum Ersatz eines Scha-
756
Ausschluß des Stimmrechts
§§135/136
Anm. 12/1
dens, der aus einem Verstoß gegen die Bestimmungen des § 135 entstanden ist, im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden kann. Die Bestimmung gilt nur für Kreditinstitute, nicht für die diesen gleichgestellten Personen des Abi. 9, denn dort werden nur die Abs. 1—8, nicht auch der hier in Frage kommende Absatz 11 als sinngemäß anwendbar erklärt. In der Tat ist für diese auch das Verbot, die Schadensersatzpflicht im voraus auszuschließen oder zu beschränken, nicht so bedeutsam, weil im allgemeinen keine umfangreichen Geschäftsbedingungen vorgelegt werden, so daß man davon ausgehen kann, daß etwaige allgemeine Bedingungen vor Abschluß des Vertrages mit diesem Personenkreis vom Vertragspartner geprüft werden.
§ 136 Ausschluß des Stimmrechts (1) Niemand kann für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluß gefaßt wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Für Aktien, aus denen der Aktionär nach Satz 1 das Stimmrecht nicht ausüben kann, kann das Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden. (2) Das Stimmrecht kann nicht ausgeübt werden für Aktien, die der Gesellschaft oder einem abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen Unternehmens gehören. (3) Ein Vertrag, durch den sich ein Aktionär verpflichtet, nach Weisung der Gesellschaft, des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Gesellschaft oder nach Weisung eines abhängigen Unternehmens das Stimmrecht auszuüben, ist nichtig. Ebenso ist ein Vertrag nichtig, durch den sich ein Aktionär verpflichtet, für die jeweiligen Vorschläge des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu stimmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Verbot der Ausübung des Stimmrechts (Anm. 2) 1. Entlastungen (Anm. 3) 2. Befreiung von einer Verbindlichkeit (Anm. 4)
3. Geltendmachung eines Anspruchs (Anm. 5) III. Ruhen des Stimmrechts (Anm. 6) IV. Gebundene Aktien (Anm. 7 u. 8)
I. Übersicht Anm. 1: Die Abs. 1 und 2 entsprechen im wesentlichen den Abs. 5 und 6 des § 114 A k t G 3 7 . Eine bisher nicht unbestrittene Frage wird im Sinne der herrschenden Ansicht dahin geklärt, daß für Aktien, aus denen der Aktionär 757
§136
Anm. 1—3
Verfassung der Aktiengesellschaft
das Stimmrecht nicht ausüben kann, das Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden darf. Neu ist der Abs. 3, der Verträge für niditig erklärt, die einen Aktionär verpflichten, nach Weisung von Vorstand oder Aufsichtsrat der Gesellschaft oder für die jeweiligen Vorschläge des Vorstandes oder des Aufsichtsrates zu stimmen. II. Verbot der Ausübung des Stimmrechts Anm. 2: Durch die von § 114 V A k t G 3 7 abweichende Formulierung wird klargestellt, daß in den Fällen des Abs. 1 nicht nur ein Aktionär an der Ausübung des Stimmrechts verhindert ist, sondern jedermann, also auch, wenn ein Nichtaktionär das Stimmrecht ausübt. Das entspricht zwar der überwiegenden Auslegung des bisherigen Rechtes, ist aber jetzt ausdrücklich klargestellt. Wenn also z. B. ein Vorstandsmitglied, das nicht Aktionär ist, bevollmächtigt ist, das Stimmrecht für einen Aktionär auszuüben, so kann es dies nicht, wenn es sich um seine Entlastung handelt. Weiterhin ist durch den Abs. 1 S. 2 klargestellt, daß das Verbot der Stimmausübung auch dann gilt, wenn der Abstimmende von dem Verbot persönlich nicht betroffen wird, er aber für Aktien das Stimmrecht ausübt, deren Aktionär das Stimmrecht nicht ausüben könnte. Es ist also nicht möglich, daß jemand als Bevollmächtigter oder Legitimationsaktionär oder auch als Treuhänder das Stimmrecht für Aktien ausübt, die einem Vorstandsmitglied gehören, wenn es sich um dessen Entlastung handelt. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen hat die Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Folge, außerdem begeht derjenige, der Aktien, für die er oder der von ihm Vertretene das Stimmrecht nach § 136 nicht ausüben darf, einem anderen zum Zweck der Ausübung des Stimmrechts überläßt, oder solche ihm überlassene Aktien zur Ausübung des Stimmrechts nutzt, eine Ordnungswidrigkeit nach § 405 I I I Nr. 5. 1.
Entlastungen
Anm. 3: Das Stimmrecht kann nicht ausgeübt werden aus Aktien, die jemandem gehören, dem Entlastung erteilt werden soll. Die Bestimmung bezieht sich nicht nur auf die alljährliche Entlastung in der ordentlichen Hauptversammlung, sondern auch auf die Entlastung, die auf die Genehmigung eines einzelnen vom Vorstand abgeschlossenen Geschäftes erfolgt (vgl. R G 106, 262). Wird über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat einheitlich abgestimmt, so kann das Stimmrecht aus sämtlichen Aktien, die den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsachtsrates gehören, nicht ausgeübt werden. Bei getrennter Abstimmung kann das Stimmrecht aus den Aktien, die den Mitgliedern des Vorstandes gehören, bei der Entlastung über den Aufsichtsrat und aus den Aktien, die Mitgliedern des Aufsichtsrates gehören, bei der Entlastung des Vorstandes das Stimm758
Ausschluß des Stimmrechts
§136 Anm. 3—5
recht ausgeübt werden. Wird für jedes einzelne Mitglied einzeln abgestimmt, so kann aus den Aktien aller anderen Mitglieder beider Organe, also auch des gleichen Organs, dem derjenige angehört, über den abgestimmt wird, das Stimmrecht geltend gemacht werden. Dies hat sich gegenüber dem bisherigen Recht dadurch geändert, daß die Entlastung nach § 120 nicht mehr dem Vorstand und dem Aufsichtsrat erteilt wird, sondern den Mitgliedern des Vorstandes und den Mitgliedern des Aufsichtsrats. Außerdem sieht § 120 die Einzelabstimmung nunmehr ausdrücklich vor. Ist von mehreren Miteigentümern nur einer zu entlasten, so können auch die anderen das Stimmrecht nicht ausüben (RG 160, 74). Handelt es sich um den Gesellschafter einer O H G , so sind die Aktien der O H G nicht stimmbefugt (RG 146, 75). Das gleiche gilt für Aktien im Besitz von juristischen Personen, deren Rechtshandlungen entscheidend vom Willen eines Verwaltungsmitglieds, dem Entlastung erteilt werden soll, beherrscht werden (RG a. a. O.). Ein in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenes Kreditinstitut kann aus den Aktien seiner Depotkunden das Stimmrecht ausüben, sofern die Voraussetzungen des § 135 I S. 2 erfüllt sind, d. h., wenn eine Weisung des Kunden vorliegt. Dann ist es an diese Weisung gebunden. Geht diese dahin, die Entlastung zu erteilen, so handelt das Kreditinstitut nur als Bote des Aktionärs, sein eigener Wille kommt in der Abstimmung nicht zum Ausdruck, sondern nur der des Aktionärs. Es bestehen deshalb keine Bedenken, die Aktien der Depotkunden durch einen Angestellten des Kreditinstitutes auch dann zur Stimmausübung vertreten zu lassen, wenn es sich um die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates handelt. 2. Befreiung von einer Verbindlichkeit Anm. 4: Wenn es sich um die Befreiung von einer Verbindlichkeit handelt, kann das Stimmrecht aus Aktien des Betroffenen nicht ausgeübt werden. Dies geschieht nicht nur, wenn dies unmittelbar geschieht, sondern auch mittelbar, wenn durch die Befreiung des Schuldners der Aktionär von einer Verbindlichkeit befreit wird, z.B. §§ 50, 93 IV; die Regel gilt nicht ausnahmslos, z. B. nicht, wenn eine Kapitalherabsetzung beschlossen wird, um die Aktionäre von der Einzahlungspflicht zu befreien. 3. Geltendmachung eines Anspruchs Anm. 5: Wenn gegen einen Aktionär ein Anspruch geltend gemacht werden soll, kann aus dessen Aktien das Stimmrecht nicht ausgeübt werden. Ob sich der Anspruch, der im Beschluß gefaßt wird, gegen den Aktionär richtet, ist im Einzelfall nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu prüfen. Audi hier gilt, daß eine Gesellschaft nicht mitbestimmen darf, deren Aktien sämtlich demjenigen gehören, der befreit werden soll. Bei nachträglicher Genehmigung einer Geschäftsführungsmaßnahme handelt es sich nicht 759
§136 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 5, 6 um Unterlassung der Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Vorstand (§ 93). Bei einem Anspruch gegen eine andere AG ruht nicht das Stimmrecht ihrer Aktionäre, bei einer G.m.b.H. nicht das ihrer Gesellschafter (RG in JW 29, 650), bei einer stillen Gesellschaft nicht das des stillen Gesellschafters, bei einem rechtsfähigen Verein nicht das eines Vereinsmitgliedes, wohl aber bei einer O H G das Stimmrecht aller Mitinhaber, bei einer Kommanditgesellschaft sowohl das des Komplementärs als auch das der Kommanditisten, bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien nur das des Komplementärs, bei einem nicht rechtsfähigen Verein das jedes Mitglieds (RG 107, 205). Was für Ansprüche geltend gemacht werden sollen, ist gleichgültig. Nicht vorausgesetzt ist gerichtliche Geltendmachung, vielmehr genügt die Geltendmachung in irgendwelcher Art. III. Ruhen des Stimmrechts Anm. 6: Das Stimmrecht von Aktien ruht entsprechend § 71 VI ohne Rücksicht auf den Gegenstand der Abstimmung, die der Gesellschaft, einem abhängigen Unternehmen, einem Dritten für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen Unternehmens gehören. Die Frage, ob das Stimmrecht für eigene Aktien eines Kreditinstituts ruht, die diesem von einem Kunden nur sicherheitshalber oder treuhänderisch übereignet sind, hängt davon ab, ob nach dem zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut bestehenden Vertrag der Kunde oder das Kreditinstitut abstimmungsberechtigt sein soll. Bleibt das Stimmrecht beim Kunden, so ruht das Stimmrecht nicht. Ganz sicherlich ruht es dann nicht, wenn es sich um eigene Aktien handelt, die einem Kunden aus Girosammeidepot geschuldet werden. Die in der Vorauflage vertretene Auffassung, daß in diesem Fall das Stimmrecht grundsätzlich ruht und nur dann geltend gemacht werden kann, wenn es durch den Depotgläubiger selbst ausgeübt werden soll, halten wir nicht aufrecht. Entweder ruht das Stimmrecht für jedermann oder überhaupt nicht. Richtig ist, daß in einem solchen Falle es überhaupt nicht ruht. Infolgedessen kann es von jedermann ausgeübt werden, wenn die Bestimmung des § 135 beachtet und nicht der besondere Tatbestand des § 136 I vorliegt. Das Stimmrecht ruht auch bei Aktien, die einem abhängigen Unternehmen im Sinne des § 17 gehören, nicht also bei einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen im Sinne des § 16, denn hier kommt es gerade darauf an, eine mögliche Beeinflussung des herrschenden Unternehmens, um dessen Aktien es sich handelt, bei der Willensbildung in der Hauptversammlung auszuschließen. Deshalb bezieht sich die Bestimmung keineswegs auf alle Konzernunternehmen, insbesondere da nicht, wo es sich um einen Gleichordnungskonzern im Sinne des §1811 handelt. Ein aufgrund eines Beherrschungsvertrages (§ 291) an Weisung gebundenes oder eingegliedertes Unternehmen (§ 319) ist immer ein abhängiges Unternehmen im Sinne der 760
Ausschluß des Stimmrechts
§136
Anm. 6,7
vorliegenden Vorschrift. Dies ergibt sich aus der bestehenden weitgehenden Weisungsbefugnis des herrschenden Unternehmens (§ 308) bzw. der Hauptgesellschaft (§ 323). Eine Sonderregelung gilt nach § 328 für die Ausübung des Stimmrechts durch wechselseitig beteiligte Unternehmen (s. Anm. dort). IV. Gebundene Aktien Anm. 7: Im A k t G 37 gab es keinerlei Bestimmung, die sich mit den Verträgen befaßte, durch die sich Aktionäre verpflichten, ihre Stimme in einem bestimmten Sinne abzugeben. Derartige Verträge gibt es in der Praxis in großer Anzahl als sogenannte Poolverträge. In ihnen schließt sich meist eine Gruppe von Aktionären zusammen. Die einzelnen Aktionäre verpflichten sich, in der Hauptversammlung ihre Stimme so abzugeben, wie es die Mehrheit der im Pool zusammengeschlossenen Aktionäre festlegt. In dieser Beziehung gibt es eine Fülle von Varianten (s. Anm. 8). D a s Gesetz greift hier zwei Fälle heraus, die es ausdrücklich verbietet, um zu verhindern, daß die Verwaltung über solche in einem Vertrag gebundene Aktien einen ihr nicht zustehenden Einfluß auf die Willensbildung der Hauptversammlung ausüben kann. Nichtig ist danach ein Vertrag, durch den sich ein Aktionär verpflichtet, entweder 1. nach Weisung der Gesellschaft, des Vorstandes oder des Aufsichtsrates der Gesellschaft oder eines abhängigen Unternehmens das Stimmrecht auszuüben, oder 2. für die jeweiligen Vorschläge des Vorstandes oder des Aufsichtsrates der Gesellschaft zu stimmen. Mit wem der Vertrag, durch den der Aktionär sich in dieser Weise verpflichtet, abgeschlossen wird, ist gleichgültig. Im allgemeinen pflegt er nicht mit der Gesellschaft oder „dem Vorstand" oder „dem Aufsichtsrat" der Gesellschaft abgeschlossen zu werden, sondern derartige Verträge schließen Aktionäre untereinander ab. Es kommt aber häufig vor, daß Mitglieder der Verwaltung der Gesellschaft selbst Aktionäre sind und an dem Pool beteiligt sind. Dadurch können sie bei der Vorabstimmung innerhalb des Pools ihren Einfluß geltend machen. Das ist so lange sicherlich nicht schädlich, solange sie nicht durch ihre Stimmen allein den Pool beherrschen. Aber auch wenn dies der Fall ist, wird nicht in allen Fällen die Bestimmung zur Anwendung gelangen können. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen und ist nur ein Vorstandsmitglied mit Mehrheit am Pool als Aktionär beteiligt, so wird man nicht sagen können, daß die übrigen Aktionäre, wenn sie sich im Vertrag verpflichtet haben, ihre Stimme in der Hauptversammlung so abzugeben, wie es mit Mehrheit im Pool beschlossen wurde, sich verpflichtet haben, nach Weisung „des Vorstandes" zu handeln. Allenfalls kann ihnen praktisch durch die Mehrheit, die ein Vorstandsmitglied im Pool hat, dessen Wille aufge761
§136
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 7, 8
zwungen werden. Das mag im Einzelfall der Wille des Vorstandes sein, muß es aber nicht. Es ist jedenfalls nur der Wille eines Vorstandsmitgliedes, der zum Ausdruck kommt. Dieses Vorstandsmitglied kann sich sehr wohl auch im Gegensatz zur Meinung des übrigen Vorstandes befinden. Wir sind der Auffassung, daß eine Bestimmung, deren Verletzung so weitgehende Folgen hat, wie hier — Nichtigkeit des Vertrages, Anfechtbarkeit des Beschlusses, Ordnungswidrigkeit — nicht über den Gesetzeswortlaut hinaus ausgelegt werden kann. Denkbar wäre eine Umgehung der Bestimmung in der Weise, daß in einem Pool von Aktionären sämtliche Vorstandsoder sämtliche Aufsichtsratsmitglieder — was bei Familiengesellschaften denkbar wäre — im Pool so vertreten wären, daß sie die für die Beschlußbildung im Pool erforderliche Mehrheit darstellen. Aber auch dann wird man noch im Einzelfall zu prüfen htben, ob wirklich eine Umgehung vorliegt. Wenn sich dieses Verhältnis zwanglos aus den Familienstämmen oder aus dem gesamten Familienbesitz ergibt, wird man dagegen nichts einzuwenden haben. Sollte aber der Pool so gebildet sein, daß nicht mehr nicht zur Verwaltung gehörige Aktionäre zum Pool zugelassen werden, als es möglich ist, um das Übergewicht der in der Verwaltung befindlichen Aktionäre zu sichern, so könnte ein solcher Vertrag in der Tat als Umgehung ebenso nichtig sein wie es ein Vertrag ist, bei dem ein Aktionär die Verpflichtungen eingeht, die im Gesetz ausdrücklich verboten sind. Die ausdrückliche Aufzählung „der Gesellschaft" neben „des Vorstands" soll zum Ausdruck bringen, daß auch eine Bindung an Weisungen des Vorstands als Gremium und nicht nur als Vertreter der Gesellschaft verboten ist. Das wird bei der Prüfung der Frage, ob im Einzelfall eine Umgehung der oben geschilderten Art vorliegt, eine gewisse Rolle spielen. Bei Weisungen eines abhängigen Unternehmens wird dieser Unterschied mit Recht nicht gemacht, weil sich die Abhängigkeit auf das Unternehmen bezieht und nicht auf dessen Geschäftsleitung. Über die Abgrenzung des abhängigen Unternehmens zu den übrigen verbundenen Unternehmen gilt hier das gleiche wie oben in Anm. 6 ausgeführt. Enthält ein Vertrag die nach Abs. 3 unzulässige Verpflichtung des Aktionärs, so ist der Vertrag im ganzen nichtig, nicht etwa nur die darin enthaltene Verpflichtung. Das bedeutet, daß die Aktionäre nicht an die darin enthaltene Regelung der Stimmausübung gebunden sind und daß die üblicherweise in solchen Verträgen vereinbarten Vertragsstrafen nicht gegen sie geltend gemacht werden können, wenn sie frei abstimmen. Anm. 8: Abstimmungsverträge, durch die Aktien gebunden werden, kommen allein und lin Konsortialverträgen vor. Sie sind, wenn nicht die Bestimmung des Abs. 3 verletzt ist oder ein verbotener Stimmenkauf (§ 405 III Nr. 6 und 7) anzunehmen ist, in ständiger Rechtsprechung des Reichsge762
Ausschluß des Stimmrechts
§136
Anm. 8
richts (HRR 36 Nr. 347; J W 3 0 , 2833; 40, 244 = RG 161, 300, s. daselbst auch über Abstimmungsvereinbarungen deutscher Aktionäre einer ausländischen Gesellschaft; RG 156, 139; 160, 257; 165, 78) als zulässig und verbindlich anerkannt. Es ist unerheblich, ob die Bindung gegenüber der Gesellschaft oder unter Aktionären eingegangen ist (HRR 36, Nr. 347). Nichtig ist jedoch die Abrede, wenn sie einen Grundsatz des Aktienrechts umgeht oder zu einer Schädigung der Gesellschaft führen kann. Aus diesem Grunde ist es auch unzulässig, gesellschaftsfremde Vorteile eines Vertragsschließenden durch Abstimmungsvereinbarungen zu sichern, zumal sich kein Beteiligter des Anfechtungsrechtes aus § 243 II begeben kann. Die Verpflichtung, für die Wahl bestimmter Personen oder Mitglieder des Aufsichtsrats zu stimmen, verstößt nicht gegen aktienrechtliche Grundsätze und nicht ohne weiteres gegen das Interesse der Gesellschaft und ist rechtsgültig (RG 133, 94 unter Widerlegung der gegenteiligen RG 131, 179). Die bloße Möglichkeit, daß für die Gesellschaft Schaden entstehen kann oder daß ein Vertragsbeteiligter die Vereinbarung mißbraucht, macht diese noch nicht nichtig (DRW 40, S. 245), wohl aber kann im Einzelfall die Vereinbarung unverbindlich werden, wenn ihre Erfüllung gegen das Interesse der Gesellschaft verstoßen würde (DRW 40, S. 245), z. B. für die Wahl einer ungeeigneten oder als Aufsichtsratsmitglied nach § 100 ausgeschlossenen Person, gestimmt werden soll. Jedoch ist ein Angehöriger eines Konkurrenzunternehmens in diesem Sinne nicht ohne weiteres ungeeignet (RG 165, 82). Auf die Erfüllung der Vereinbarung kann nicht geklagt werden, weil die Vollstreckung des Urteils weder technisch durchführbar noch zulässig wäre (RG 107, 167; 112, 273; 119, 368; 165, 78), ein schutzwürdiges Interesse an einem solchen Urteil deshalb nicht besteht. Wohl aber kann im Rahmen der Verbindlichkeit der Vereinbarung ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder auf Vertragsstrafe geltend gemacht werden (RG 165, 78). Nach Bartholomeyczik in D R W 41, S. 338) soll die Vollstreckung nach § 888 ZPO möglich sein. Dies ist abzulehnen, weil es den Grundsätzen des Aktienrechtes widerspricht, wonach das Stimmrecht mit der Aktie verknüpft ist. Die Ansicht läuft darauf hinaus, daß jemand die Aktie durch schuldrechtlichen Vertrag (für die Dauer des Vertrages und seines eigenen Aktienbesitzes) des Stimmrechts entkleiden und dieses auf einen anderen übertragen könnte. Der Anspruch auf Unterlassung der Stimmabgabe ist zwar nach § 890 Z P O vollstreckbar, aber die ungeachtet der Vollstreckungsstrafandrohung abgegebene Stimme ist gültig. Abstimmungsvereinbarungen werden oft durch Hinterlegung der Aktien gesichert. Diese macht die Stimmabgabe unmöglich, wenn die Aktien nicht zwecks Anmeldung zur Hauptversammlung von der Hinterlegungsstelle aufgrund Bestimmung der Hinterlegungsbegünstigten oder des mit ihr von den Parteien des Abstimmungsvertrages gemeinsam beschlossenen Hinterlegungsvertrages freigegeben werden. Je nach diesen Verträgen setzt dies eine Ver763
§136
Anm. 8
Verfassung der Aktiengesellschaft
ständigung über die Abstimmung voraus. Die davon — in Fällen, in denen die Stimmabgabe nicht einem mit Legitimation auszurüstenden Treuhänder anvertraut wird — etwa abweichend abgegebene Stimme ist natürlich gültig abgegeben. Wenn auf diese Weise das ganze Grundkapital hinterlegt ist, besteht die Gefahr, daß keine Hauptversammlung zustande kommen kann, was aktienrechtlichen Grundsätzen widerspricht. Eine solche Hinterlegungsvereinbarung ist selbst nichtig (ausführlich Godin SozPr 40, 150) und macht wohl auch den Hinterlegungsvertrag mit dem Verwahrer und die Abstimmungsvereinbarung selbst, letztere im Rahmen des § 139 B G B nichtig. Uber die gesellschaftsähnliche Natur der Abstimmungsvereinbarung und ihrer Kündbarkeit aus wichtigem Grund gem. § 7 2 3 BGB vgl. R G J W 3 8 , 2833; 40, 2445. Mit einem Abstimmungsvertrag nidht zu verwechseln ist eine Vereinbarung, durch die ein (insbesondere Einmann-)Aktionär sich verpflichtet, ein bestimmtes Verhalten der Gesellschaft herbeizuführen oder erklärt, f ü r ein solches einzustehen. Hier ist Gegenstand der Vereinbarung und Verpflichtung nicht die Abgabe der Stimme in einem vereinbarten Sinn, sondern die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges, gleichviel auf welchem Wege. Bei einer solchen Vereinbarung ist nach R G 160, 257 die Verurteilung zur Erfüllung, demnach auch Erfüllungsklage und Vollstreckung des Urteils zulässig. Ist die Leistung unmöglich, so ist Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern. Der Verpflichtete wird indessen § 117 nicht aus dem Auge verlieren dürfen und sich nicht selten, wenn er auf einem Wege außerhalb der Abstimmung vorgehen will, durch § 117, wenn er aber durch Abstimmung vorgehen will, durch § 243 II behindert sehen. Das tut der Gültigkeit der Vereinbarung keinen Abbruch; der Verpflichtete hat, wenn er sich in diesen Maschen verstrickt und deshalb die Vereinbarung nicht erfüllt, Schadensersatz (evtl. Vertragsstrafe) zu leisten. Ein Fall des § 137 BGB liegt nicht vor. Eine solche Vereinbarung kann wegen übermäßiger Freiheitsbeschränkung (Knechtung) nach § 138 I BGB nichtig oder im Einzelfall wegen Nichtzumutbarkeit infolge Nichtvorhandenseins oder Wegfalls der vertragsmäßig vorausgesetzten Geschäftsgrundlage unverbindlich sein oder werden; hierfür kommt es auf die Verhältnisse der Gesellschaft an ( R G a. a. O.). Vereinbarungen über die Abstimmung in ausländischen Gesellschaften sind nach dem Recht zu beurteilen, dem sie nach dem Parteiwillen unterworfen sind. Obwohl der Erfüllungsort im Ausland liegt, ist nach den mutmaßlichen Parteiwillen deutsches Recht anzuwenden, wenn die Vereinbarung von Inländern, die im Ausland ihren Wohnsitz haben, im Inland geschlossen wurde. Sie kann aber auch auf eine unmögliche Leistung gerichtet und nach § 306 B G B nichtig sein, wenn etwa das ausländische Recht die Stimmabgabe 764
Abstimmung über Wahl vorschlage von Aktionären
§§136/137
Anm. 8
eines durdi Abstimmungsvereinbarung gebundenen Stimmberechtigten verbietet und eine solche Abstimmung im Verhältnis zur Gesellschaft die Anerkennung versagen sollte ( R G 161, S. 300). § 137 Abstimmung über Wahlvorsdiläge von Aktionären H a t ein Aktionär einen Vorschlag zur Wahl von Aufsiditsratsmitgliedern nach § 127 gemacht und beantragt er in der Hauptversammlung die Wahl des von ihm Vorgeschlagenen, so ist über seinen Antrag vor dem Vorschlag des Aufsichtsrats zu beschließen, wenn es eine Minderheit der Aktionäre verlangt, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des vertretenen Grundkapitals erreichen. Die Bestimmung ergänzt die des § 127. Danach kann jeder Aktionär einen Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern machen. Für einen solchen Vorschlag gelten die Bestimmungen des § 126 über Anträge von Aktionären sinngemäß, das bedeutet, daß ein solcher Wahlvorschlag, wenn er binnen einer Woche nach der Bekanntgabe der Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger der Gesellschaft unterbreitet wird, von dieser nach § 125 an alle Kreditinstitute und Vereinigungen von Aktionären, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt oder die die Mitteilung verlangen, weiterzugeben ist. Damit ist die Möglichkeit geschaffen, einem Wahlvorschlag eines Aktionärs oder einer Aktionärgruppe eine breitere Basis für die Abstimmung in der Hauptversammlung zu geben. Solche Vorschläge werden vermutlich auch in der Fachpresse von den Hauptversammlungen erörtert werden. Dennoch könnte ein solcher Wahlvorschlag in der Hauptversammlung kaum zum Zuge kommen, wenn zunächst über die Vorschläge der Verwaltung abgestimmt wird. Es muß damit gerechnet werden, daß diese eine Mehrheit bekommen und dann kein Sitz mehr frei ist für den von den Aktionären Vorgeschlagenen. Infolgedessen bedurfte es einer besonderen Bestimmung, wonach dann, wenn der Aktionär in der Hauptversammlung die Wahl des von ihm Vorgeschlagenen beantragt, über seinen Antrag als ersten abzustimmen ist, vor dem Vorschlag des Aufsichtsrates. Allerdings soll dies nicht für jeden Antrag eines Aktionärs gelten, denn sonst könnte es vorkommen, daß eine große Zahl derartiger Vorschläge in einer Hauptversammlung zunächst zu behandeln sind, die alle keine Mehrheit finden. Auf diese Weise könnte eine Hauptversammlung sich unerträglich lange hinziehen. Infolgedessen ist nur dann über den Antrag eines Aktionärs oder einer Aktionärgruppe vorab vor dem Vorschlag des Aufsichtsrates abzustimmen, wenn eine Minderheit von 10 %> des vertretenen Grundkapitals dies verlangt. Das Gesetz sagt nicht, wie diese Minderheit festzustellen ist. Wir sind der Auffassung, daß es Sache des antragstellenden 765
§§137/138 Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
Aktionärs ist, diese Minderheit nachzuweisen. Er muß sich also vor der Hauptversammlung oder in der Hauptversammlung vergewissern, daß eine solche Minderheit vorhanden ist und dies dem Vorsitzenden der Hauptversammlung nachweisen. Er ist nicht berechtigt, vom Vorsitzenden zu verlangen, daß dieser durch Vorwahlen feststellt, ob die Minderheit erreicht wird. Würde man das zulassen, so würde derselbe Zustand eintreten wie bei einer Wahl. Es müßten u. U. eine große Zahl von derartigen Vorabstimmungen erfolgen, um festzustellen, ob die vom Gesetz verlangte Minderheit erreicht wird.
Fünfler Unterabschnitt Sonderbeschluß § 138 Gesonderte Versammlung. Gesonderte Abstimmung In diesem Gesetz oder in der Satzung vorgeschriebene Sonderbeschlüsse gewisser Aktionäre sind entweder in einer gesonderten Versammlung dieser Aktionäre oder in einer gesonderten Abstimmung zu fassen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Für die Einberufung der gesonderten Versammlung und die Teilnahme an ihr sowie für das Auskunftsrecht gelten die Bestimmungen über die Hauptversammlung, für die Sonderbeschlüsse die Bestimmungen über Hauptversammlungsbeschlüsse sinngemäß. Verlangen Aktionäre, die an der Abstimmung über den Sonderbeschluß teilnehmen können, die Einberufung einer gesonderten Versammlung oder die Bekanntmachung eines Gegenstands zur gesonderten Abstimmung, so genügt es, wenn ihre Anteile, mit denen sie an der Abstimmung über den Sonderbeschluß teilnehmen können, zusammen den zehnten Teil der Anteile erreichen, aus denen bei der Abstimmung über den Sonderbeschluß das Stimmrecht ausgeübt werden kann. I. Übersicht (Anm. 1) l l . Sonderbeschlüsse (Anm. 2)
I I I . Gesonderte Versammlungen und gesonderte Abstimmung (Anm. 3)
I. Übersicht Anm. 1: Durch die vorliegende Bestimmung soll eine Lücke in dem Gesetz ausgefüllt werden. Im AktG37 war nur in § 117 eine Bestimmung darüber enthalten, wie ein Sonderbeschluß zu fassen sei und welche Bestimmungen anzuwenden seien. Für die übrigen Fälle, in denen das AktG 37 Sonderbeschlüsse vorsah, war eine Regelung nicht getroffen. Da nunmehr die Zahl der Fälle, in denen ein Sonderbeschluß erforderlich ist, durch das Gesetz vermehrt wurde, erschien es zweckmäßig, eine einheitliche Bestimmung für 766
Gesonderte Versammlung. Gesonderte Abstimmung
§ 138
Anm. 1—3
solche Sonderbeschlüsse zu geben. Geregelt werden nur die Fragen, die mit dem äußeren Ablauf der Beschlußfassung zusammenhängen, nicht aber z. B. mit welchen Mehrheiten die Beschlüsse zu fassen sind. Das wird jeweils an der betreffenden Gesetzesstelle, die den Sonderbeschluß vorsieht, bestimmt. II. Sonderbeschlüsse Anm. 2: Die Bestimmung findet Anwendung auf die in diesem Gesetz oder in der Satzung vorgeschriebenen Sonderbeschlüsse. Im Gesetz sind Sonderbeschlüsse für erforderlich erklärt, wenn die Aktionäre einer bestimmten Gattung in ihren Rechten beeinträchtigt werden, so § 141 II bei der Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs von Vorzugsaktionären, oder wenn das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung geändert werden soll (§ 179 III). Bei besonders wichtigen Beschlüssen sind, auch ohne daß eine Veränderung im bisherigen Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien eintritt, Sonderbeschlüsse der einzelnen Gattungen erforderlich. So bei Kapitalerhöhungen §18211 und Kapitalherabsetzung § 222 II. Ferner sind Sonderbeschlüsse der außenstehenden Aktionäre erforderlich bei der Änderung (§ 295), Aufhebung (§ 296) und Kündigung (§ 297) von Unternehmens Verträgen. Die Satzung kann Sonderabstimmung vorsehen aufgrund ihrer allgemeinen Ermächtigung, die Form der Ausübung des Stimmrechts zu bestimmen nach § 134 IV. Allerdings kann sie nicht willkürlich Aktien, die nicht eine eigene Gattung bilden, zu Sonderbeschlüssen zusammenschließen, wohl aber kann sie über das Gesetz hinaus Sonderbeschlüsse für die einzelnen Gattungen der Aktien vorschreiben, wenn es verschiedene Gattungen in einer Gesellschaft gibt. III. Gesonderte Versammlungen und gesonderte Abstimmung Anm. 3: Grundsätzlich können Sonderbeschlüsse, gleichgültig ob sie durch Gesetz oder Satzung vorgeschrieben sind, sowohl in einer gesonderten Versammlung, als auch in der Hauptversammlung durch gesonderte Abstimmung gefaßt werden. Hiervon gibt es zwei Ausnahmen: 1. wenn das Gesetz etwas anderes bestimmt, 2. wenn Aktionäre, die an der Abstimmung über den Sonderbeschluß teilnehmen können, die Einberufung einer gesonderten Versammlung verlangen und ihre Anteile zusammen den zehnten Teil der Anteile erreichen, aus denen bei der Abstimmung über den Sonderbeschluß das Stimmrecht ausgeübt werden kann. Zu 1. Eine gesetzliche Ausnahme gibt es für den Zustimmungsbeschluß der Vorzugsaktionäre bei Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs nach 767
§138 Anm. 3
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§ 141 III. In diesem Fall ist stets eine Abstimmung in einer gesonderten Versammlung notwendig (vgl. Anm. dort). Zu 2. Hiermit wird klargestellt, welche Minderheit der zur Teilnahme an einer gesonderten Beschlußfassung berechtigten Aktionäre die Einberufung einer gesonderten Versammlung und die Bekanntmachung eines Gegenstandes zur gesonderten Beschlußfassung verlangen kann. Die Klarstellung ist namentlich für die Sonderbeschlüsse der außenstehenden Aktionäre nach § 296 und § 297 bedeutsam, weil dort eine Hauptversammlung überhaupt nicht stattfindet. Soweit Sonderbeschlüsse aufgrund von Satzungsbestimmungen erforderlich sind, kann die Satzung vorschreiben, ob diese in einer gesonderten Versammlung oder nur in einer gesonderten Abstimmung im Rahmen der Hauptversammlung stattzufinden haben. Sie kann allerdings das Recht der Minderheit von 10 °/o der an der Sonderabstimmung Teilnahmeberechtigten dadurch nicht aufheben. Dieses Recht besteht auch dann, wenn allgemein die Satzung für von ihr vorgesehene Sonderbeschlüsse nur die gesonderte Abstimmung vorschreibt. Soweit das Gesetz etwas anderes bestimmt, kann die Satzung nichts abändern, die gesetzlichen Vorschriften sind zwingend ($ 23 IV). Für die gesonderte Versammlung gelten grundsätzlich die gesetzlichen und auch die satzungsmäßigen Bestimmungen über die Hauptversammlung. Das Gesetz zählt zwar nur die Einberufung, die Teilnahme und das Auskunftsrecht auf und spricht überhaupt nicht von den satzungsmäßigen Bestimmungen. Es ist aber schon nach dem bisherigen Recht unbestritten gewesen, daß diese zur Anwendung gelangen, so z. B. bzgl. des Vorsitzes in einer solchen Versammlung. Wenn die Satzung darüber nichts anderes bestimmt, so gilt die Satzungsbestimmung für die Hauptversammlung, die in der Regel den Aufsichtsratsvorsitzenden zum Vorsitzenden bestellt. Für alle Beschlüsse, gleichgültig ob sie in einer besonderen Versammlung oder nur in einer besonderen Abstimmung im Rahmen der Hauptversammlung gefaßt sind, gelten die Bestimmungen über Hauptversammlungsbeschlüsse sinngemäß. Das bedeutet, daß sie der Feststellung und der Protokollierung bedürfen wie Hauptversammlungsbeschlüsse. Da festgehalten werden muß, welche Aktionäre die Sonderbeschlüsse fassen, bedarf es auch eines Teilnehmerverzeichnisses, wenn es sich um eine gesonderte Versammlung handelt, und eines Zusatzes im Teilnehmerverzeichnis, wenn Sonderbeschlüsse in einer Hauptversammlung gefaßt werden. Alsdann muß sich aus dem Teilnehmerverzeichnis ergeben, welche Aktionäre an der Sonderabstimmung teilgenommen haben. Das wird zweckmäßig in einer besonderen Spalte des Teilnehmerverzeichnisses vermerkt werden. Weiter finden Anwendung die Bestimmungen über die erforderliche Stimmenmehrheit von Beschlüssen, § 133, über die Nichtigkeit und Anfechtung §§ 241 ff. 768
Wesen
§§138/139 Anm. 3 / 1
Die Verweisung auf die Bestimmungen über die Einberufung einer Hauptversammlung hat zur Folge, daß, wenn dem Antrag auf Einberufung einer gesonderten Versammlung durch die Minderheit nicht stattgegeben wird, die Bestimmungen des § 122 III sinngemäß Anwendung finden, also die Minderheit vom Gericht ermächtigt werden kann, die Versammlung einzuberufen. Hinsichtlich des Auskunftsrechts gelten die §§ 131, 132 sinngemäß.
Sechster Unterabschnitt Vorzugsaktien ohne Stimmrecht § 139 Wesen (1) Für Aktien, die mit einem nachzuzahlenden Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet sind, kann das Stimmrecht ausgeschlossen werden (Vorzugsaktien ohne Stimmrecht). (2) Vorzugsaktien ohne Stimmrecht dürfen nur bis zu einem Gesamtnennbetrag in Höhe des Gesamtnennbetrags der anderen Aktien ausgegeben werden. I. Überblick (Anm. 1) II. Rechtsnatur (Anm. 2)
III. Begrenzung (Anm. 3)
I. Übersicht Anm. 1: Während der Abs. 1 wörtlich dem Abs. 1 des § 115 AktG 37 entspricht, enthält der Abs. 2 insofern eine wesentliche Änderung, als künftig Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bis zum Gesamtnennbetrag in Höhe des Gesamtnennbetrages der anderen Aktien ausgegeben werden können. Bisher durften sie nur in Höhe der Hälfte des Gesamtnennbetrages der anderen Aktien ausgegeben werden. Das ist vor allem für Familiengesellschaften von Bedeutung, die ihren Kapitalbedarf nicht mehr aus der Familie decken können, die aber andererseits ihren bisherigen beherrschenden Einfluß als Familie im Unternehmen bewahren wollen. Ob ein solcher Anspruch in der heutigen Zeit gerechtfertigt ist, darüber gehen die Ansichten auseinander. Der Gesetzgeber hat die Berechtigung anerkannt, zumal da u. U. die Ausgabe von Aktien ohne Stimmrecht auch im Zuge der erwünschten breiten Streuung von Aktien im Publikum dienen kann. D a die Vorzugsaktien ohne Stimmrecht im allgemeinen geringeren Kurswert haben als die Stammaktien, ist der Erwerb solcher Aktien für einen Anleger mitunter besonders vorteilhaft. Außerdem kommt in Betracht, daß ein Bedürfnis zur Ausgabe
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Wilhelmi, Aktiengesetz
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§139 Anm. 1,2
Verfassung der Aktiengesellschaft
stimmrechtsloser Aktien u. U. auch für die Ausgabe von Belegschaftsaktien in Frage kommen kann. Über das Verhältnis der Vorzugsaktie ohne Stimmrecht zur Mehrstimmrechtsaktie und den dort auftauchenden Problemen vgl. § 12 Anm. 1. II. Rechtsnatur Anm. 2: Die Vorzugsaktie ohne Stimmrecht bleibt, wie ihr Name schon sagt, eine Aktie, also ein Anteilsrecht, obwohl ihr ein wesentliches Recht, das mit der Aktie verbunden ist, nämlich das Stimmrecht, fehlt und sie in gewissem Sinne auch durch den nachzuzahlenden Vorzug bei der Gewinnverteilung den Charakter eines Rentenpapiers hat. In der Regel haben derartige Aktien überhaupt kein Stimmrecht. Es ist aber denkbar, daß das Stimmrecht auch nur teilweise, nämlich für bestimmte Beschlüsse, ausgeschlossen wird (Ritter § 1 1 5 Anm. 2; a. A. ohne überzeugende Begründung Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 115 Anm. 6). Dasselbe gilt für die Ausstattung mit einem Minderstimmrecht. In Abweichung von der Vorauflage können wir auch hier keinen Verstoß gegen das Verbot der Schaffung von Aktien mit einem Mehrstimmrecht (§ 12) sehen (a. A. Schmidt-MeyerLandrut in Großkomm. a. a. O.). Der Vorzugsaktionär erhält einen Gewinnanteil, der dem festen Zinsanspruch eines Schuldverschreibungsgläubigers angenähert ist, anders als der letztere zwar von der Erzielung eines Gewinnes abhängig bleibt, aber in doppelter Weise mit besonderen Aussichten auf Verwirklichung als bei anderen Aktien ausgestattet ist, nämlich dadurch, daß er, wie sein Name sagt, aus dem Gewinn, der verteilt wird, vorweg befriedigt wird — dies ist bei allen Vorzugsaktien die Regel — und dadurch, daß er in Jahren mit Gewinnverteilung nachzuzahlen ist, wenn und soweit er in vorangegangenen Jahren ausgefallen ist. Audi dies kann bei jeder Art Vorzugsaktie vorgesehen werden. Beides muß vorgesehen werden, wenn die Aktie ohne Stimmrecht sein soll. Mit Ausnahme des Stimmrechtes gewährt auch diese Aktie alle anderen Mitverwaltungs- und sonstigen Rechte (§ 1401), insbesondere das Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen. Diese Rechte können auch durch Satzung nicht ausgeschlossen werden. Die Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bleiben auch beteiligt am Gesellschaftsvermögen und werden von dessen Verlust betroffen. Doch ist hier meistens ein weiterer Vorzug vorhanden, der darin besteht, daß nicht nur bei der Verteilung des Gewinns, sondern auch des Gesellschaftsvermögens die Vorzugsaktie vor den anderen berücksichtigt wird. Hierin besonders liegt eine Annäherung an eine Schuldverschreibung. Es sind dabei zahlreiche Varianten möglich. Dieser Vorzug ist jedoch nicht Voraussetzung der Zulässigkeit der Stimmrechtslosigkait, obwohl diese gerade durch die Ausschaltung des Kapitalrisikos am meisten gerechtfertigt wäre. Gesetzliche Voraus770
Wesen
§139
Anm. 2
Setzung ist nur der Gewinnvorzug mit zeitlich unbeschränktem Nachzahlungsrecht. Dieses ist unerläßlich und wesentlich, weil es den Schutz gegen einen Mißbrauch der Stimmrechtslosigkeit der Vorzugsaktionäre durch stimmberechtigte Aktionäre ist. Gegen die Aufhebung des Vorzugs schützt § 1 4 1 . D a s Nachzahlungsrecht ist trotz der irreführenden gesetzlichen Terminologie in § 140 II („Rückstand nachzahlen") kein bedingter Anspruch auf Nachzahlung des Gewinnanteils für das Ausfalljahr, sondern ein um den Ausfall gesetzlich erhöhter Gewinnanteil für das Gewinnverteilungsjahr. Stimmrechtslose Vorzugsaktien können bei der Gründung und einer Kapitalerhöhung geschaffen werden. Aus der Erwähnung nachträglichen Ausschlusses des Stimmrechts in § 141 I I S. 2 folgt, daß Vorzugsaktien, welche trotz eines nachzuzahlenden Vorzugs volles Stimmrecht haben, das Stimmrecht nachträglich durch satzungsändernden Beschluß (s. § 179 II) entzogen werden kann, für den § 179 I I I anzuwenden ist. Es ist dagegen nicht möglich, umgekehrt stimmrechtlose Aktien zu schaffen, denen erst nachträglich ein Vorzug eingeräumt wird. Solche würden von Anfang an gegen § 134 I verstoßen. Die Umwandlung alter Stammaktien ohne Neuemission in stimmrechtslose Vorzugsaktien ist dann möglich, wenn die Betroffenen sämtlich dem Entzug des Stimmrechts zustimmen, und die anderen Aktionäre als Gattungen nach § 179 I I I durch Sonderbesdiluß dem satzungsändernden Beschluß der Hauptversammlung zustimmen. Es ist also dem Alleinaktionär, der einen Teil seiner Aktien veräußern will, möglich, sie vorher in stimmrechtslose Vorzugsaktien umzuwandeln. Nicht immer ist der gesamte Gewinnanteil, auf den die Vorzugsaktie Anrecht gibt, bevorrechtigt. Nicht immer ist der gesamte bevorrechtigte Gewinnanteil nachzuzahlen. Mit einem nachzuzahlenden Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ist die Vorzugsaktie auch in einem solchen Falle ausgestattet, in dem nur ein Teil des Vorzugs „kumulativ" ist. Auch in diesem Falle darf sie stimmrechtslos sein. Nicht möglich ist es, daß der Vorzug nur darin bestehen soll, daß der Ausfall der Dividende bis zu einer bestimmten Höhe in einem späteren Gewinnjahr auf den Dividendenschein dieses Jahres nachgezahlt wird, bevor auf letzteren eine Dividende an die stimmberechtigten Aktionäre gezahlt wird (so auch Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 115 Anm. 2). Der Vorzug muß darin bestehen, daß die Vorzugsaktionäre das oder einen Teil desjenigen, was sie als Gewinn erhalten, vorweg vor den übrigen Aktionären zu erhalten haben, und daß dies oder ein Teil davon im Gewinnverteilungsjahr nachzuzahlen ist, wenn ein Ausfalljahr war. Eine zeitliche Grenze für die Nachzahlung des Rückstandes kann nur bei der gewöhnlichen, aber nicht bei der stimmrechtslosen Vorzugsaktie gezogen werden. Das Nachbezugsrecht der stimmrechtslosen Aktie ist „unselbständig", d. h., es hängt an der Aktie, nicht an dem ausgefallenen Gewinnanteilschein (vgl. § 140 I I I und Anm. dort). Der früher ausgefallene Vorzugsgewinnanteil wird also auf den Ge-
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§§139/140
Antn. 2,3
Verfassung der Aktiengesellschaft
winnanteilschein des späteren Jahres nachzahlungshalber gewährt. Es wird keine rückständige Dividende bezahlt, sondern es erhöht sidi im späteren Gewinnjahr der bevorrechtigte Gewinnanteil um den Ausfall des früheren Jahres. Kommt der gesamte Vorzugsgewinnanteil nicht zum Zuge, so erhöht sich um den neuen Ausfall der Vorzugsgewinnanteil des nächsten Gewinnjahres. Natürlich muß der Vorzug fest bestimmt sein, weil sonst eine Nachzahlung nicht möglich wäre. Wird kein Gewinn verteilt, so entsteht auch kein Gewinnanspruch. Es beginnt dann auch nicht etwa eine Verjährung zu laufen. Das gilt insbesondere auch dann, wenn die Hauptversammlung beschließt, den ganzen Gewinn vorzutragen oder einer Rücklage zuzuweisen. Das Recht der Hauptversammlung, über die Gewinnverwendung zu beschließen, insbesondere auch Teile des Gewinns in Rücklagen einzustellen, wird durch das Gewinnvorrecht und das Nachbezugsrecht der Vorzugsaktionäre ebensowenig ausgeschlossen, wie dasjenige der Verwaltung bei Aufstellung des Jahresabschlusses. Eine Satzungsbestimmung, die Aktien ohne Stimmrecht vorsehen würde, ohne sie mit einem nachzuzahlenden Vorzug auszustatten, kann nicht eingetragen werden. Wird sie versehentlich ieingetragen, so steht der Aktie das Stimmrecht zu. III. Begrenzung Anm. 3: Während nach bisherigem Recht stimmrechtslose Vorzugsaktien nur bis zur Hälfte des Gesamtnennbetrages der anderen Aktien ausgegeben werden konnten, kann dies jetzt in der gleichen Höhe geschehen, in der Stammaktien vorhanden sind. Dabei kommt es nur auf die Nennbeträge, nicht auf die Einzahlungen an. Eine Gesellschaft mit stimmberechtigten Stammaktien im Nennbetrag von 1 Million DM, auf die 1 A, also 250 000 DM eingezahlt sind, könnte mithin eine Million voll eingezahlte stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgeben. Eine spätere Störung des Verhältnisses durch Herabsetzung des Grundkapitals ist möglich; die darüber bisher bestandene Streitfrage ist durch Einfügung der Bestimmung des § 140 III geklärt. § 140 Redite der Vorzugsaktionäre (1) Die Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gewähren mit Ausnahme des Stimmrechts die jedem Aktionär aus der Aktie zustehenden Rechte. (2) Wird der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt und der Rückstand im nächsten Jahr nicht neben dem vollen Vorzug dieses Jahres nachgezahlt, so haben die Vorzugsaktionäre das Stimmrecht, bis die Rückstände nachgezahlt sind. In diesem Fall sind die Vorzugs772
Rechte der Vorzugsaktionäre
§ 140
Anm. 1,2 aktien auch bei der Berechnung einer nach Gesetz oder Satzung erforderlichen Kapitalmehrheit zu berücksichtigen. (3) Soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, entsteht dadurch, daß der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt wird, noch kein durch spätere Beschlüsse über die Gewinnverteilung bedingter Anspruch auf den rückständigen Vorzugsbetrag. I. Übersicht (Anm. 1) II. Rechte der Vorzugsaktionäre 1. Im Regelfall (Anm. 2) 2. Bei Nichtzahlung des Vorzugsbetrags (Anm. 3)
3. Verlust des Stimmrechts (Anm. 4) III. Berechnung der Kapitalmehrheit (Anm. 5) IV. Rechtsnatur des Nachbezugsrechts (Anm. 6)
I. Übersicht Anm.l: Der Abs. 1 ist unverändert aus dem bisherigen Recht § 1 1 6 1 AktG 37 übernommen worden. Im Abs. 2 ist durch die Weglassung der Worte „bei der Verteilung des Gewiinns" entsprechend der herrschenden Meinung klargestellt worden, daß es für die Anwendung des Abs. 2 nicht auf die Nichtaufnahme in den Beschluß über die Gewinnverwendung ankommt, sondern auf die Nichtzahlung des Vorzugsbetrages. Neu eingefügt ist Satz 2 in Abs. 2 und der Abs. 3. II. Rechte der Vorzugsaktionäre 1. Im Regelfall Anm. 2: Der Vorzugsaktionär ohne Stimmrecht hat außer diesem alle Mitverwaltungsrechte des Stammaktionärs, ohne daß die Satzung Abweichendes bestimmen könnte, insbesondere also auch das Recht der Teilnahme an der Hauptversammlung, die Rechte aus § 122 I und II; § 125 II gegenüber dem Vorstand und § 125 I in Verbindung mit § 128 I gegenüber den Kreditinstituten, nicht aber aus § 128 II, jedenfalls dann nicht, wenn das Stimmrecht für alle Beschlüsse ausgeschlossen ist (vgl. darüber, daß dies nicht unbedingt notwendig ist, § 139 Anm. 2). Ferner haben sie das Recht aus § 175 II S. 2, sie können Anträge stellen und sich an der Aussprache beteiligen, haben das Auskunftsrecht nach § 131 und auch das Recht der Anfechtung von Beschlüssen nach § 243. Es ist auch seine oder eines Vertreters Anwesenheit erforderlich, um eine Vollversammlung zustande zu bringen. Er hat auch alle Vermögensrechte des Stammaktionärs, doch sind in letzterer Hinsicht abweichende Bestimmungen der Satzung statthaft und üblich. Die Satzungen weisen vielerlei Abwandlungen auf. Die Grundform ist, daß der Gewinnanteil überhaupt auf den bevorrechtigten Gewinnanteil beschränkt und der Anteil am Ab wicklungsrein vermögen bevorrechtigt und gleichzeitig auf den Aktiennennbetrag (nicht selten mit einem Aufgeld) be773
§ 140 Anm. 2,3
Verfassung der Aktiengesellschaft
schränkt ist. Der Vorzugsaktionär hat endlich auch das allgemeine Bezugsrecht auf neue Aktien bei Kapitalerhöhung nadi § 186, doch kann dieses im Beschluß über die Kapitalerhöhung ausgeschlossen werden. Über die besondere Behandlung des Bezugsrechts der Vorzugsaktionäre vgl. § 141 und dort Anm. 4 u. 5. 2. Bei Nichtzahlung
des
Vorzugsbetrags
Anm. 3: Wenn der Vorzugsaktionär den Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht erhalten hat und er ihm im nächsten Jahr nicht vollständig nachgezahlt wird, hat er neben allen sonstigen Rechten auch das Stimmrecht, und zwar in vollem Umfange. Der Rückstand mit dem Vorzugsbetrag für ein Jahr hat für das Stimmrecht zunächst keinerlei Bedeutung. Erst wenn er im folgenden Jahr nicht voll nachgezahlt wird, wird die Aktie stimmberechtigt, dann allerdings auch, wenn es sich nur um einen Teilrückstand handelt und auch dann, wenn zwar der Rüdestand voll bezahlt wird, nicht aber der volle Vorzug des letzten Jahres. Wie nunmehr durch die Änderung der Formulierung klargestellt ist, kommt es auf die Nichtzahlung und nicht auf den Gewinnverwendungsbeschluß an. Freilich hat der Vorzugsaktionär, welcher trotz eines ihn voll berücksichtigenden Gewinnverwendungsbeschlusses nicht bezahlt wird und sein Stimmrecht ausüben will, den unbezahlten Gewinnanteilschein vorzulegen, und zwar dürfte, auch wenn die Satzung die Hinterlegung der Aktie vorschreibt, sofern den Vorschriften über Hinterlegung und Anmeldung der Aktie entsprochen ist, Vorlegung des Scheins in der Hauptversammlung genügen. Die Entstehung des Stimmrechts hat nicht zur Voraussetzung, daß in dem Jahr, in dem der Vorzugsbetrag nicht gezahlt wird, überhaupt ein Gewinn ausgeschüttet wird. Audi wenn dies nicht der Fall ist, sei es in dem Jahr, in dem der Rückstand entsteht, sei es in dem darauffolgenden Jahr, in dem er hätte getilgt werden müssen, entsteht das Stimmrecht. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gewinnverteilung deshalb unterbleibt, weil kein Gewinn erzielt worden ist (Gessler SozPr 40, 184), oder die Hauptversammlung bei der Gewinnverwendung eine Verteilung ausschließt. Die Feststellung, daß kein Gewinn verteilt wird, ist nicht unbedingt abhängig vom Vorliegen eines Gewinnverwendungsbeschlusses, sondern kann sich bei der Feststellung des Jahresabschlusses bereits ergeben. Weist dieser keinen Bilanzgewinn aus, so kommt ein Gewinnverwendungsbeschluß nicht in Frage. Wird in zwei Jahren hintereinander ein Jahresabschluß ohne Gewinn festgestellt, so sind die Vorzugsaktionäre in der ordentlichen Hauptversammlung, die über die Entlastung der Verwaltung und etwa Neuwahlen beschließt, bereits stimmberechtigt (zustimmend Schi.-Qu. § 116 Anm. 3). 774
Redite der Yorzugsaktionäre
§ 140 Anm. 3—5
Ist nach dem Jahresabschluß genug Gewinn vorhanden, über den die Hauptversammlung zu beschließen hat, so ist das Stimmrecht des Vorzugsaktionärs praktisch erst in der Hauptversammlung des dritten Geschäftsjahres gegeben, in dem der Vorzug nicht vollständig bezahlt ist. Denn in der Hauptversammlung, die über die Gewinnverteilung des zweiten Geschäftsjahres zu beschließen hat, ist der Vorzug noch nicht für zwei Jahre rückständig, weil er erst nach dem Gewinnverwendungsbeschluß dieser Hauptversammlung fällig würde (zustimmend Schl.-Qu § 116 Anm. 3). 3. Verlust des Stimmrechts Anm. 4: Durch die Nachzahlung verliert die Aktie automatisch das Stimmrecht, ohne daß es irgendeiner Maßnahme bedürfte. Beschlüsse, die mit den Stimmen der Vorzugsaktionäre zustande kommen, sind anfechtbar. Eintritt und Wegfall des Stimmrechts vollziehen sich ohne Eintragung im Handelsregister und berühren die Satzung nicht. Die Abschaffung des nach Abs. 2 entstehenden Stimmrechts der Vorzugsaktionäre ist auch mit Zustimmung jedes einzelnen von ihnen nicht möglich, weil der Grundsatz, daß jeder Aktie ein Stimmrecht zusteht, keine weitergehende als die gesetzlich zugelassene Ausnahme zuläßt. Die Nachzahlung der Rückstände steht nicht im Ermessen des Vorstandes, denn über die Verwendung des Gewinns hat die Hauptversammlung zu beschließen. Der Vorstand muß deshalb auch, wenn das Jahresergebnis die Zahlung der Rückstände zuläßt, zunächst den Hauptversammlungsbeschluß abwarten. In dieser Hauptversammlung sind deshalb u. U. die Vorzugsaktionäre noch stimmberechtigt, ohne daß durch den Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstandes oder gar dies durch vorherige Zahlung vermieden werden könnte. Anders ist es, wenn im Gewinnverwendungsbeschluß des Vorjahres ein an die Vorzugsaktionäre auszuschüttender Betrag zwar vorgesehen war, aber nicht zur Auszahlung gelangt ist. Dieser Betrag kann wie eine beschlossene, aber nicht ausgezahlte Dividende jederzeit gezahlt werden, ohne daß es eines erneuten Hauptversammlungsbeschlusses oder auch nur eines Gewinnausweises für das folgende Geschäftsjahr bedarf. Das Stimmrecht erlischt automatisch mit der Zahlung. III. Berechnung der Kapitalmehrheit Anm. 5: Durch die Einfügung des Satzes 2 in Abs. 2 ist nunmehr einerseits klargestellt, daß solange Vorzugsaktien ohne Stimmrecht kein Stimmrecht haben, d. h. also, solange der Vorzugsbetrag ordnungsgemäß gezahlt wird, diese Aktien bei der Berechnung einer Kapitalmehrheit nicht mitrechnen. Dies ergibt sich schon daraus, weil es sonst möglich wäre, daß die zur Satzungsänderung erforderliche Kapitalmehrheit nicht zustande kommen könnte, wenn die Ausgabemöglichkeiten für Vorzugsaktien nach § 139 II 775
§§ 140/141 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 5,6 voll ausgenützt sind. Es ergibt sich nunmehr aber auch aus der neuen Bestimmung, die besagt, daß, wenn das Stimmrecht bei solchen Aktien dadurch entstanden ist, daß der Vorzugsbetrag nicht oder nicht voll bezahlt ist, die Vorzugsaktien auch bei der Berechnung einer nach Gesetz oder Satzung erforderlichen Kapitalmehrheit zu berücksichtigen sind. IV. Rechtsnatur des Nachbezugsrechts Anm. 6: Durch die neue Bestimmung des Abs. 3 ist entsprechend der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung (BGH 9, 283 f. und in WM 56, 87) und Schrifttum (Kuhn, Die Aktiengesellschaft 1956, 28; Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 115 Anm. 2) klargestellt worden, daß das Nachbezugsrecht der Vorzugsaktionäre im Zweifel unselbständig ist, d. h. durch Hauptversammlungsbeschlüsse noch geändert werden kann. Hieraus folgt, daß sich das Nachzahlungsrecht auch nachträglich durch eine Kapitalherabsetzung verringern kann. Will man dies verhindern, so muß die Satzung das Vorzugsrecht ausdrücklich zu einem selbständigen Recht erklären, was zulässig ist. § 141 Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs (1) Ein Beschluß, durch den der Vorzug aufgehoben oder beschränkt wird, bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Vorzugsaktionäre. (2) Ein Beschluß über die Ausgabe von Vorzugsaktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschaftsvermögens den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorgehen oder gleichstehen, bedarf gleichfalls der Zustimmung der Vorzugsaktionäre. Der Zustimmung bedarf es nicht, wenn die Ausgabe bei Einräumung des Vorzugs oder, falls das Stimmrecht später ausgeschlossen wurde, bei der Ausschließung ausdrücklich vorbehalten worden war und das Bezugsrecht der Vorzugsaktionäre nicht ausgeschlossen wird. (3) Über die Zustimmung haben die Vorzugsaktionäre in einer gesonderten Versammlung einen Sonderbeschluß zu fassen. Er bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen. Wird in dem Beschluß über die Ausgabe von Vorzugsaktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschaftsvermögens den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorgehen oder gleichstehen, das Bezugsrecht der Vorzugsaktionäre auf den Bezug solcher Aktien ganz oder zum Teil ausgeschlossen, so gilt für den Sonderbeschluß § 186 Abs. 3 bis 5 sinngemäß. (4) Ist der Vorzug aufgehoben, so gewähren die Aktien das Stimmrecht. 776
Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs I. Übersicht (Anm. 1) II. Aufhebung und Beschränkung des Vorzugs 1. Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 2) 2. Zustimmungsbeschluß der Vorzugsaktionäre (Anm. 3)
§141 Anm. 1,2
III. Ausgabe neuer Vorzugsaktien (Anm. 4) IV. Entziehung des Bezugsrechts (Anm. 5) V. Form des Zustimmungsbeschlusses (Anm. 6) VI. Folgen der Aufhebung des Vorzugs (Anm. 7)
I. Übersicht Anm.l: Die Bestimmungen des § 117 AktG 37 sind im wesentlichen inhaltlich übernommen worden. Weggefallen ist die Bestimmung, wonach das Recht der Vorzugsaktionäre auf den Bezug von neuen Vorzugsaktien mit vorhergehenden oder gleichstehenden Rechten unentziehbar sein sollte, weil diese Bestimmung zu Mißverständnissen geführt hat. Es wird jetzt im Abs. 3 klargestellt, daß das Bezugsrecht ausgeschlossen werden kann, wenn ein Sonderbeschluß der Vorzugsaktionäre mit qualifizierter Mehrheit dem zustimmt. II. Aufhebung und Beschränkung des Vorzugs 1. Beschluß der Hauptversammlung Anm. 2: Das Recht auf den Vorzug hat nicht die Natur eines Gläubigerrechts (vgl. hierzu § 139 Anm. 2) oder Sonderrechts. Es ist daher durch satzungsändernden Beschluß der Hauptversammlung entziehbar, ohne daß jeder einzelne Vorzugsaktionär zuzustimmen braucht. Aber es wäre unbillig, dies gegen den Willen der Vorzugsaktionäre und durch satzungsändernden Beschluß der Hauptversammlung allein geschehen zu lassen, bei dem sie mangels Stimmrechts nicht mitwirken können. Auch ein Sonderbeschluß nach § 179 III ist nicht ausreichend. Es gilt vielmehr die Sonderregelung des Abs. 3. Vorzugsaktionäre, denen nach § 140 II das Stimmrecht zusteht, weil der Vorzugsbetrag nicht bezahlt ist, können in der Hauptversammlung bei dem satzungsändernden Beschluß mitstimmen. Für den erforderlichen Sonderbeschluß kommt in keinem Fall § 179 III zur Anwendung, weil hierfür die Sonderregelung des Abs. 3 besteht. Durch eine Kapitalherabsetzung wird der Vorzug beschränkt, aber nur mittelbar, weil diese den Bestand des Aktienrechts selbst betrifft. Für eine solche mittelbare Aufhebung gilt Abs. 1 nicht. Die Fälle mittelbarer Berührung des Vorzugs sind in Abs. 2 erschöpfend geregelt. Würden durch Kapitalherabsetzung nur die Vorzugsaktien beseitigt, so könnten die Vorzugsaktionäre den Beschluß wegen ungleicher Behandlung anfechten, wenn sie an der Versammlung teilgenommen und Widerspruch zur Niederschrift erklärt 777
§ 141
Verfassung der Aktiengesellsdiafl
Anm.2,3 haben (die bekanntgemachte Tagesordnung gab ihnen dazu Anlaß), in anderen Fällen nicht. Von der Kapitalherabsetzung an besteht auch das Nadizahlungsrecht nur noch verhältnismäßig für das bestehengebliebene Aktienrecht (§ 140 III). Eine Aufhebung oder Beschränkung liegt nicht vor, wenn die Hauptversammlung beschließt, den erzielten Gewinn nicht zu verteilen, sondern anderweitig zu verwenden. 2. Zustimmungsbeschluß der Vorzugsaktionäre Anm. 3: In allen Fällen, in denen der Vorzug ganz oder teilweise, z. B. nur das Gewinnvorrecht oder das Nachzahlungsrecht oder auch nur ein anderes Vorrecht, welches wie z. B. ein Vorrecht bei der Verteilung des Abwicklungsreinvermögens nicht Voraussetzung der Stimmrechtslosigkeit ist, bedarf der Hauptversammlungsbeschluß, durch den die Satzung geändert wird, der Zustimmung der Vorzugsaktionäre, die in einer besonderen Versammlung durch einen Beschluß erteilt wird, der einer Mehrheit bedarf, die mindestens SU der abgegebenen Stimmen umfaßt. Fehlt es an dem Zustimmungsbeschluß der Vorzugsaktionäre, so ist der Beschluß der Hauptversammlung unwirksam. Das Vorzugsrecht wird nicht berührt. Die Vorzugsaktionäre können einen Gewinnverwendungsbeschluß anfechten, der ihren Vorzug nicht berücksichtigt. Sie müssen zu diesem Zweck allerdings an der Hauptversammlung teilnehmen. Der Zustimmung der Vorzugsaktionäre bedarf es nicht, wenn der Vorzug von vornherein zeitlich begrenzt war und der Endtermin eintritt. Sie erwerben dann von selbst das Stimmrecht. Das Nachzahlungsrecht wegen bestehender Rüdestände erlischt. In einem solchen Fall bedarf es keines Beschlusses der Hauptversammlung. Nach dem Gesetz bedürfen aber nur Beschlüsse, die den Vorzug beeinträchtigen, der Zustimmung. Deshalb ist es zweifelhaft, ob die herrschende Auffassung auch unter dem Geltungsbereich des neuen Gesetzes noch aufrechterhalten werden kann, daß es der Zustimmung der Vorzugsaktionäre dann nicht bedarf, wenn von vornherein bei der Einräumung des Vorzugs in der Satzung bestimmt war, daß dieser ohne Zustimmung der Vorzugsaktionäre wieder aufgehoben oder beschränkt werden kann. Diese Bedenken ergeben sich aus der neuen Bestimmung des § 23 IV, wonach die Satzung von den Vorschriften dieses Gesetzes nur abweichen kann, wenn es ausdrücklich zugelassen ist, oder dieses Gesetz eine abschließende Regelung nicht enthält. Wir möchten annehmen, daß der Abs. 1 eine solche abschließende Regelung darstellt, mithin eine entgegenstehende Bestimmung der Satzung ungültig ist. Das ergibt sich weiterhin auch daraus, daß im Abs. 2 bei der Ausgabe von neuen Vorzugsaktien mit gleichen oder vorgehenden Rechten im Verhältnis zu den bestehenden Vorzugsaktien es grundsätzlich der Zustimmung der Vorzugsaktionäre bedarf und hier ausdrücklich bestimmt ist, daß es der Zu778
Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs
§ 141
Anm. 3,4
Stimmung nicht bedarf, wenn die Ausgabe solcher neuen Aktien bei Einräumung des Vorzugs der alten Vorzugsaktien ausdrücklich vorbehalten war. In aller Regel wird dieser Vorbehalt in dem satzungsändernden Beschluß, aufgrund dessen die Ausgabe der neuen Vorzugsaktien erfolgt, enthalten sein. Wir sind deshalb der Meinung, daß die Zustimmung der Vorzugsaktionäre nach § 1411 im Falle der Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden kann. III. Ausgabe neuer Vorzugsaktien Anm. 4: Im bisherigen § 117 II AktG37 war von der Ausgabe neuer Aktien die Rede. Das hat zu dem Streit geführt, ob auch die Ausgabe von Stammaktien im Fall einer Kapitalerhöhung der Zustimmung der Vorzugsaktionäre bedürfe. Das ist dadurch klargestellt, daß in dem jetzt vorliegendem Gesetzestext nur von der Ausgabe von Vorzugsaktien die Rede ist, bei der u. U. die Zustimmung erforderlich ist. Die Zustimmung der alten Vorzugsaktionäre bei der Ausgabe neuer Vorzugsaktien ist dann erforderlich, wenn in der Ausgabe dieser neuen Vorzugsaktien die Rechte der alten Vorzugsaktionäre dadurch beeinträchtigt werden, daß die neuen mit gleichstehenden oder vorgehenden Rechten ausgestattet sind, oder die Umwandlung vorhandener Aktien in gleich- oder besser berechtigte Vorzugsaktien erfolgt. Diese liegen auch darin, daß die neuen Vorzugsaktien nur einen stärkeren oder gleichen Vorzug ohne Nachzahlungsrecht haben, oder einen Vorzug, der nicht mit dem Gewinnvorrecht, sondern einem anderen Vorrecht, z.B. bei der Vermögensverteilung, in Konkurrenz tritt. Unter „gleichstehend" ist schon ein gleichrangiges Recht gemeint, auch wenn es quantitativ nicht gleich ist. Wegen Beeinträchtigung der Vorzugsaktionäre bedarf auch ein solcher Beschluß ihrer Zustimmung mittels Beschlusses in gesonderter Versammlung. Auch hier muß außerdem ein satzungsändernder Beschluß der Hauptversammlung gefaßt werden. Der Zustimmung bedarf es, wenn damit vorgehende oder gleichstehende Aktien ausgegeben werden sollen, auch die bedingte Kapitalerhöhung und die Ermächtigung des Vorstandes zur Kapitalerhöhung, dagegen die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen und Gewinnschuldverschreibungen und Genußrechten nur, wenn es zur Ausgabe von Aktien oder zur bedingten Kapitalerhöhung kommt. Sollen Aktien mit nachstehenden Rechten ausgegeben werden, so ist nur ein Beschluß der Vorzugsaktionäre, wenn sie nach § 140 II wegen Nichtzahlung des Vorzugs das Stimmrecht haben, nach § 182 II innerhalb der Hauptversammlung, nicht aber eine besondere Zustimmung im Sinne des § 141 III erforderlich. Der Vorzugsaktionär hat im letzteren Fall nur das Bezugsrecht nach § 186 in Verbindung mit § 221 III. 779
§ 141
Anm. 4 , 5
Verfassung der Aktiengesellschaft
Ausnahmsweise bedarf es trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Abs. 2 der Zustimmung der Vorzugsaktionäre dann nicht, wenn bei Einräumung des Vorzugs oder, falls das Stimmrecht später ausgeschlossen wurde, bei der Ausschließung des Stimmrechts für die alten Vorzugsaktien ausdrücklich die Ausgabe neuer Vorzugsaktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschafts Vermögens den alten Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorgehen, ausdrücklich vorbehalten war, und wenn außerdem das Bezugsrecht der Vorzugsaktionäre nicht ausgeschlossen wird. N u r wenn beide Voraussetzungen vorliegen, entfällt der Zustimmungsbeschluß. Soll aber das Bezugsrecht ausgeschlossen werden, so muß sowohl die Zustimmung zu dem ganzen Hauptversammlungsbeschluß nach Abs. 3, d. h. in gesonderter Versammlung durch einen Sonderbeschluß erteilt werden, wie auch der Ausschluß des Bezugsrechts nach der besonderen Vorschrift des Abs. 3 S. 3 erfolgt. D a ß der Vorbehalt, neue Vorzugsaktien ohne Zustimmung der alten Vorzugsaktionäre ausgeben zu können, auf der Aktienurkunde vermerkt sein müßte, ist nicht vorgeschrieben, mithin auch nicht erforderlich. Der Erwerber von Vorzugsaktien muß sich über ihre Ausgabebedingungen unterrichten. I V . Entziehung des Bezugsrechtes Anm. 5: Nach der bisherigen Gesetzesformulierung (§ 117 I I letzter S a t z A k t G 37) erschien es zumindest sehr zweifelhaft, ob bei der Ausgabe neuer Vorzugsaktien das Bezugsrecht der alten Vorzugsaktionäre ausgeschlossen werden könnte. Die Frage ist durch die Einfügung des Satzes 4 in Abs. 3 geklärt. Danach kann das Bezugsrecht ausgeschlossen werden, wenn zunächst die Hauptversammlung im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals dies unter Beachtung der Bestimmung des § 186 tut, und außerdem die Vorzugsaktionäre ihre Zustimmung durch einen Sonderbeschluß nach § 141 I I I S. 1, also in einer gesonderten Versammlung, fassen. Auf diesen Sonderbeschluß, insbesonder auf die Mehrheit, die für ihn gilt, findet § 186 I I I — V sinngemäß Anwendung; das bedeutet, daß der Sonderbeschluß neben den im Gesetz aufgestellten Erfordernissen für die Kapitalerhöhung zwingend eine Mehrheit erfordert, die mindestens 3 A des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. In diesem Fall kann die Satzung im Gegensatz zu den sonstigen Sonderbeschlüssen nach § 141 eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Der Beschluß kann nur gefaßt werden, wenn Ausschließung ausdrücklich und ordnungsgemäß (§ 124 I) bekanntgemacht worden ist (§ 186 IV). Auch hier gilt nach § 186 V, daß es nicht als Ausschluß des Bezugsrechts anzusehen ist, wenn den Aktionären die neuen Aktien über ein Kreditinstitut angeboten werden. 780
Bestellung der Sonderprüfer
§ § 141 / 1 4 2
Anm. 6,7
V. Form des Zustimmungsbesdilusses Anm. 6: Die Zustimmung der Vorzugsaktionäre erfolgt durch Beschluß. Es bedarf nicht der Zustimmung jedes einzelnen Aktionärs. Dieser Beschluß muß in einer besonderen Versammlung, also nicht nur in gesonderter Abstimmung, gefaßt werden, die nicht mit der Hauptversammlung verbunden werden kann, die über die in der Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs liegende Satzungsänderung zu beschließen hat, für welche aber alle Vorschriften über Hauptversammlungen gelten. Dies ist jetzt in der Sonderbestimmung des § 138 geregelt. Im einzelnen siehe die Anm. dort. Die Stammaktionäre haben kein Recht, an der gesonderten Versammlung teilzunehmen, wohl aber die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats. Es gibt keinen Vertreter und Vertrauensmann der Vorzugsaktionäre, der etwa ein Einberufungsrecht hätte. Diese Versammlung wird vielmehr durch den Vorstand einberufen. Die Bestimmung des bisherigen Rechts, wonach die Veröffentlichung über die Einberufung der Versammlung nicht mit einer Veröffentlichung über die Einberufung einer Hauptversammlung verbunden werden durfte, ist weggefallen; eine solche Verbindung ist deshalb möglich, es muß sich aber deutlich erkennen lassen, daß es sich um die Einberufung einer gesonderten Versammlung handelt. VI. Folge der Aufhebung des Vorzugs Anm. 7: Ist der Vorzug durch Beschluß oder Zeitablauf aufgehoben, so haben die Aktionäre Stimmrecht. Die Vorschrift ist zwingend und folgt schon aus § 134 und § 139. Auf eine diesbezügliche Bestimmung des Hauptversammlungsbeschlusses kommt es nicht an. Selbst wenn mit Zustimmung der Vorzugsaktionäre beschlossen werden sollte, daß trotz Aufhebung des Vorzugs die Aktien kein Stimmrecht haben sollen, würde das Stimmrecht für die Aktien gegeben sein, sofern nicht nach § 241 N r . 3 in Verbindung mit § 139 BGB der ganze Beschluß als nichtig anzusehen ist; dann würde auch der Vorzug bestehenbleiben.
Siebenter Unterabschnitt Sonderprüfung Geltendmachung von Ersatzansprüchen § 142 Bestellung der Sonderprüfer (1) Zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung, namentlich auch bei Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und 781
§142
Verfassung der Aktiengesellschaft
Kapitalherabsetzung, kann die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit Prüfer (Sonderprüfer) bestellen. Bei der Beschlußfassung kann ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats weder für sich noch für einen anderen mitstimmen, wenn die Prüfung sich auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsiditsrats zusammenhängen. Für ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsiditsrats, das nach Satz 2 nicht mitstimmen kann, kann das Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden. (2) Lehnt die Hauptversammlung einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung eines Vorgangs bei der Gründung oder eines nicht über fünf Jahre zurückliegenden Vorgangs bei der Geschäftsführung ab, so hat das Gericht auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen, Sonderprüfer zu bestellen, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, daß bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Die Antragsteller haben die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag zu hinterlegen und glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Gericht oder Notar. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Vorgänge, die Gegenstand einer Sonderprüfung nach § 258 sein können. (4) Hat die Hauptversammlung Sonderprüfer bestellt, so hat das Gericht auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen, einen anderen Sonderprüfer zu bestellen, wenn dies aus einem in der Person des bestellten Sonderprüfers liegenden Grund geboten erscheint, insbesondere, wenn der bestellte Sonderprüfer nicht die für den Gegenstand der Sonderprüfung erforderlichen Kenntnisse hat, oder wenn Besorgnis der Befangenheit oder Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit bestehen. Der Antrag ist binnen zwei Wochen seit dem Tage der Hauptversammlung zu stellen. (5) Das Gericht hat außer den Beteiligten auch den Aufsichtsrat und im Fall des Absatzes 4 den von der Hauptversammlung bestellten Sonderprüfer zu hören. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (6) Die vom Gericht bestellten Sonderprüfer haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. 782
Bestellung der Sonderprüfer
§ 142 Anm. 1
Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Gegenstand der Prüfung (Anm. 2) III. Der Beschluß der Hauptversammlung 1. Erfordernisse (Anm. 3) 2. Stimmverbot (Anm. 4)
IV. Bestellung durch das Gericht 1. Antragstellung (Anm. 5) 2. Entscheidung des Gerichts (Anm. 6) V. Bestellung anderer Sonderprüfer durch das Gericht (Anm. 7)
I. Übersicht Anm. 1: Im wesentlichen sind die Bestimmungen des § 118 A k t G 3 7 übernommen worden, dabei sind im Abs. 1 die Bestimmungen über das Stimmrechtsverbot gestrafft worden; im Abs. 2 ist die Frist von 2 Jahren für die Prüfung zurückliegender Vorgänge auf 5 Jahre in Anlehnung an die Verjährungsfrist des § 93 V I heraufgesetzt und genauer als bisher bestimmt worden, unter welchen Voraussetzungen das Gericht auf Antrag der Minderheit eine Sonderprüfung anzuordnen hat. Geändert sind die Bestimmungen über die antragsberechtigte Minderheit in den Abs. 2 und 4. Weggefallen ist die Bestimmung im bisherigen § 118 I V S. 2 AktG 37, wonach das Gericht die Bestellung der Sonderprüfer unter bestimmten Voraussetzungen von einer Sicherheitsleistung abhängig machen konnte. Neu geregelt ist im Abs. 5 die Anhörungspflicht des Gerichts und im Abs. 6 der Anspruch der Sonderprüfer auf Auslagenersatz und Vergütung. Neben der Prüfung der Gründung, die durch Gründungsprüfer (§ 33) vorgenommen wird, und der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer (§ 162) kennt das Gesetz 3 Fälle von Sonderprüfungen, einmal die nach § 142 zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung, ferner nach § 258, die wegen unzulässiger Unterbewertung und endlich nach § 315 zur Prüfung der geschäftlichen Beziehung der Gesellschaft zu dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen. Alle diese Prüfungen werden von Prüfern vorgenommen, die im neuen Gesetz erstmalig als „Sonderprüfer" bezeichnet werden. Die einzelnen Gebiete der Sonderprüfungen überschneiden sich. Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist eine Geschäftsführungsmaßnahme, so daß dabei vorkommende Unterbewertungen, die der Sonderprüfung nach § 258 unterliegen, auch unter § 142 fallen. Da die Sonderprüfung nach § 258 gewissermaßen anstelle einer Anfechtung des Jahresabschlusses getreten ist, mußte eine Reihe von Bestimmungen getroffen werden (§§ 259—261); deshalb wird hier im Abs. 3 ausdrücklich bestimmt, daß die Abs. 1 und 2 für Sonderprüfungen über Vorgänge, die Gegenstände einer Sonderprüfung nach § 258 sind, 783
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Anm. 1—3
Verfassung der Aktiengesellschaft
keine Anwendung finden können. Anders ist es bei der Sonderprüfung nach §315, zwar ist dort der Gegenstand der Prüfung ein anderer als bei § 142, jedoch werden auch bei der Prüfung der geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen Geschäftsführungsmaßnahmen zur Erörterung stehen. Es bestehen deshalb keine grundsätzlichen Bedenken, daß bereits die Hauptversammlung nach § 142 mit einfacher Stimmenmehrheit eine Sonderprüfung dieser Vorgänge beschließt. Es bestand deshalb keine Notwendigkeit, die Abs. 1 und 2 des § 142 auch im Falle des § 315 auszuschließen. Die Rechtstellung des Sonderprüfers ist von der des Abschlußprüfers insofern verschieden, als letzterer im Gegensatz zu ersterem Organ der Gesellschaft ist (Adler-Düring-Schmaltz § 135 Anm. 243). II. Gegenstand der Prüfung Anm. 2: Es müssen bestimmte Vorgänge der Gründung oder der Geschäftsführung, die geprüft werden sollen, angegeben werden, z. B. bei einer Kapitalbeschaffung die Entrichtung der Einlagen und die Festsetzung der Sacheinlagen. Nicht zulässig ist die Nachprüfung der Gründung in ihrer Gesamtheit oder die Geschäftsführung schlechthin für einen gewissen Zeitraum ( R G 146, 393). Geschäftsführung ist nicht nur die Tätigkeit des Vorstandes, sondern auch der Angestellten. Wann die Vorgänge sich ereignet haben, ist gleichgültig. Auch wenn etwaige Haftungsansprüche bereits verjährt sind, kann die Prüfung beschlossen werden, da für die gesamte Beurteilung der Geschäftsführung und der Personen, in deren Händen sie oder ihre Überwachung liegt, die Aufklärung zurückliegender Vorfälle auch für die Zukunft bedeutungsvoll ist. Auch dann, wenn für den Zeitraum, in den die Vorgänge fallen, Entlastung erteilt ist, da diese nach § 120 II S. 2 keinen Verzicht auf Ersatzansprüche enthält. Für die Hauptversammlung gilt nicht die fünfjährige Frist des Abs. 2. Mittelbar kann auch der Jahresabschluß Gegenstand der Sonderprüfung sein insofern, als er selbst ein Akt der Geschäftsführung ist (Schl.-Qu. § 118 Anm. 3) und als die zu prüfenden Vorgänge ihm zugrunde liegen (SchmidtMeyer-Landrut in Großkomm. § 118 Anm. 2). Eine Ausnahme gilt für die Überprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung. Hier finden die vorliegenden Bestimmungen nach Abs. 3 keine Anwendung. Bei der Bestellung der Prüfer ist der Gegenstand der Prüfung dem genauen Inhalt nach festzulegen (Adler-Düring-Schmaltz § 135 Anm. 241). III. Beschluß der Hauptversammlung 1. Erfordernisse Anm. 3: Zum Beschluß einer Sonderprüfung und zur Bestellung der Prüfer durch die Hauptversammlung genügt einfache Stimmenmehrheit. Das Mehr784
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heitserfordernis kann nicht verschärft werden. Sonderprüfung und Bestellung muß als Tagesordnungspunkt angekündigt sein. Beabsichtigt die Verwaltung, einen Vorschlag für die Sonderprüfer zu machen, so müssen diese ebenfalls in der Bekanntmachung enthalten sein (§ 124 III). Ergibt sich in der Hauptversammlung während der Verhandlung über einen angekündigten Gegenstand die Zweckmäßigkeit eines Antrags auf Sonderprüfung, so kann dieser, obwohl er nicht angekündigt ist, gestellt werden. Die Hauptversammlung hat die Prüfer selbst zu bestimmen. Audi das neue Gesetz spricht von der Bestellung der Sonderprüfer durch die Hauptversammlung. Zum bisherigen Recht wurde die Ansicht vertreten, die Bestellung als solche könne dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat übertragen werden (so auch die Vorauflage). Hieraus ergab sich die Frage, wann die Frist, innerhalb welcher ein Antrag auf Bestellung eines anderen Sonderprüfers zu stellen sei, beginnen würde. Da der Gesetzgeber diese Frage trotz der bestehenden oben dargelegten Ansicht keine Bestimmungen getroffen hat, die sich auf eine Möglichkeit der Bestellung durch Vorstand oder Aufsichtsrat bezieht, im Gegenteil ausdrücklich an der Bestellung durch die Hauptversammlung (Abs. 1 S. 1) festgehalten hat, ist die Streitfrage dahin geklärt, daß die Zuständigkeit der Hauptversammlung eine ausschließliche ist (so auch schon für das bisherige Recht Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 118 Anm. 1). Sind die Gewählten bei der Bestellung zugegen und nehmen sie das Amt an, so kommt damit der Prüfungsauftrag zustande. Im allgemeinen ist jedoch sein Abschluß mit den von der Hauptversammlung bestellten Prüfern Sache des Vorstandes. Er ist ein Werksvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Ein unentgeltlicher Geschäftsbesorgungsauftrag liegt vor, wenn unentgeltlich Prüfung ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart wird. Letzteres kann anzunehmen sein, wenn Aktionäre, seien es auch Rechtsanwälte oder Kaufleute, zu Sonderprüfern bestellt werden, und sie bei der Annahme der Bestellung keinen Vergütungsanspruch erhoben haben. Im übrigen aber gilt entsprechend § 632 BGB die übliche Vergütung als stillschweigend vereinbart, auch wenn keine Vereinbarung getroffen wird. Uber Kündigung der Gesellschaft nur aufgrund Hauptversammlungsbeschlusses vgl. § 649 BGB. Natürlich kann nicht nur der Beschluß, der die Prüfer bestellt, sondern auch derjenige, der die Sonderprüfung anordnet, durch einen neuen Beschluß aufgehoben werden (RG 143, 410). Über die rechtliche Stellung des Prüfers vgl. auch § 143. Über das Zustandekommen des Vertrags und die Vergütung bei gerichtlicher Bestellung s. unten Anm. 6. 2. Stimmverbot Anm. 4: Den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrats ist die Mitwirkung bei der Beschlußfassung unter bestimmten Voraussetzungen verboten. Sie können weder aus eigenen Aktien noch als Legitimationsaktio785 50
Wilhelmi, Aktiengesetz
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Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 4 när (§ 129 III) im eigenen N a m e n noch als Bevollmächtigte anderer Aktionäre, weder in deren N a m e n noch etwa im N a m e n dessen, den es angeht, eine Stimme abgeben, wenn die P r ü f u n g sich auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung auch eines Mitgliedes des Vorstandes oder eines Mitgliedes des Aufsichtsrats oder der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft u n d einem Mitglied des Vorstandes oder einem Mitglied des Aufsichtsrats zusammenhängen. Auch ein anderer kann nicht f ü r ein an der Stimmabgabe verhindertes Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats f ü r dieses das Stimmrecht ausüben. Das deckt sich weitgehend mit den Bestimmungen des § 136 I f ü r die Fälle, in denen es sich um die Entlastung, die Befreiung einer Verbindlichkeit oder um die Geltendmachung eines Anspruchs handelt. Insofern sind die Bestimmungen hier jedoch noch schärfer, als nicht nur diejenigen Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrats von dem Verbot der Stimmausübung betroffen werden, auf die sich die P r ü f u n g bezieht, sondern es sind immer alle Mitglieder des Vorstandes und alle Mitglieder des Aufsichtsrats von der Beteiligung einer Beschlußfassung in den genannten Fällen ausgeschlossen. Das ist anders als in § 136, denn nach der dortigen Bestimmung können z. B. alle Mitglieder des Vorstandes mitstimmen, wenn über die Entlastung des Aufsichtsrats getrennt von der des Vorstandes abgestimmt wird, und es können auch die übrigen Mitglieder des Vorstandes mitstimmen, wenn über die Entlastung der einzelnen Vorstandsmitglieder getrennt abgestimmt wird. Die schärferen Bestimmungen hier sind dadurch gerechtfertigt, daß Vorstand und Aufsichtsrat die Verwaltung der Gesellschaft darstellen u n d als solche eine gewisse Einheit bilden. Ein Interessenwiderstreit ist daher bei einem Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrats schon dann möglich, wenn ein anderes Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats betroffen ist. Voraussetzung f ü r das Stimmverbot ist, daß die P r ü f u n g sich auf Vorgänge erstrecken soll, die entweder mit der Entlastung oder mit der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen Gesellschaft u n d Verwaltungsmitgliedern im Zusammenhang stehen. Es genügt „nur mittelbarer Zusammenhang". Auch ein „noch so entfernter" Zusammenhang ist zu berücksichtigen (Klausing, S. 275). Auch diejenigen Mitglieder sind an der Abstimmung verhindert, die an dem nachzuprüfenden Vorgang nicht beteiligt waren, weil sie noch gar nicht Mitglieder gewesen sind, als er sich zutrug. Ebenso können auch jene Aktionäre nicht mitstimmen, die zwar zur Zeit der Abstimmung keinem der beiden Organe mehr angehören (etwa infolge Abberufung gerade wegen der zu prüfenden Vorgänge), aber an dem nachzuprüfenden Vorgang als Organmitglieder beteiligt gewesen sind (RG 142, 133; J W 1933, 2900). Zuwiderhandlungen gegen das Stimmverbot haben Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Folge, durch den die Bestellung von Sonderprüfern abgelehnt 786
Bestellung der S o n d e r p r ü f e r
§142
Anm. 4 , 5
wird ( R G 146, 385), wenn er darauf beruht. Die Ablehnung oder Wiederaufhebung eines Beschlusses, der die Bestellung von Sonderprüfern anordnete ( R G 143, 410), sind als solche allein aufgrund ihrer selbst nicht anfechtbar, weil ein Recht auf die Bestellung von Prüfern durch die Hauptversammlung zugunsten eines Aktionärs oder einer Minderheit nicht besteht ( R G 143, 410). Der Beschluß kann aber aus anderen Gründen anfechtbar sein, insbesondere etwa wegen der Art und Weise seines Zustandekommens, z. B. wegen Verstoßes gegen Abs. 1 S. 2 oder gegen die guten Sitten. Der Anfechtung ist aus Zweckmäßigkeitsgründen meist ein Vorgehen nach Abs. 2 vorzuziehen, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. Wird auf Anfechtungsklage oder wegen eines Nichtigkeitsgrundes der ablehnende Beschluß durch richterliches Urteil für nichtig erklärt, so kann es doch nicht durch einen Beschluß den Sonderprüfer ersetzen ( R G 142, 129). Die Nichtigkeit des angefochtenen, die Bestellung von Sonderprüfern ablehnenden Beschlusses hat auch die Nichtigkeit des daraufhin ergangenen Entlastungsbeschlusses zur Folge ( R G 146, 71). Desgleichen eines daraufhin ergehenden Hauptversammlungsbeschlusses über den Jahresabschluß ( R G ebenda, insoweit veraltet, es sei denn, daß der J a h resabschluß ausnahmsweise von der Hauptversammlung festgestellt wird). Nach § 405 III N r . 5 macht sich derjenige, der Aktien für die er oder der von ihm Vertretene das Stimmrecht nach § 142 I nicht ausüben darf, einen anderen zum Zweck der Ausübung des Stimmrechts überläßt oder solche ihm überlassenen Aktien zur Ausübung des Stimmrechts benutzt, einer Ordnungswidrigkeit schuldig. IV. Bestellung durch das Gericht 1. Antragstellung Anm. 5: Eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 2 Millionen D M erreichen, sind antragsberechtigt. Bei der Berechnung der Minderheit kommt es nicht etwa auf das in der Hauptversammlung vertretene Grundkapital an, sondern auf das tatsächliche gesamte Grundkapital. Dazu rechnen auch die Teile des Grundkapitals, für die stimmrechtslose Aktien ausgegeben sind. Es kommt auch nicht etwa darauf an, was auf das Grundkapital eingezahlt ist, sondern ausschließlich auf den Nennbetrag. Gegenüber dem bisherigen Recht, das auf eine Minderheit von 10 % des Grundkapitals abstellte, ist die Antragstellung jetzt dadurch erleichtert worden, daß auch eine Minderheit, die weniger als 10 °/o des Grundkapitals beträgt, dann antragsberechtigt ist, wenn der Nennwert ihrer Anteile zusammen den Betrag von 2 Millionen D M erreicht. Diese Verbesserung des Minderheitenschutzes ist deshalb vorgenommen worden, weil bei sehr großen Gesellschaften der zehnte Teil des Grundkapitals ein so hoher Betrag ist, daß er praktisch nicht zusammengebracht werden kann und 787 50*
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Verfassung der Aktiengesellschaft
damit ein nur in Prozenten zum Grundkapital ausgedrücktes Minderheitenrecht problematisch wird. Eine Herabsetzung des Prozentsatzes schien deshalb nicht zweckmäßig, weil dann eine unverhältnismäßig kleine Minderheit, in absoluten Zahlen ausgedrückt, bei kleinen Gesellschaften schon Minderheitsrechte ausüben könnte, was ebenso unangemessen erscheint, wie die Ausschließung von Minderheitsrechten bei sehr großen Gesellschaften. Die Berechnung der Minderheit nach absoluten Nennbetragsziffern ist nur in den Fällen eingeführt worden, in denen die Ausübung des Minderheitsrechts nicht unmittelbare, über die Hauptversammlung hinausgehende Folgen für die Gesellschaft hat, sondern einer Uberprüfung durch das Gericht unterworfen ist. In allen diesen Fällen ist gegen die gerichtliche Entscheidung die sofortige Beschwerde für zulässig erklärt worden; so auch hier. Das Minderheitsrecht hat zum Gegenstand einen Antrag bei Gericht. Das Gericht hat diesen Antrag zu prüfen, gegen seine Entscheidung ist nach Abs. 5 die sofortige Beschwerde zulässig. Die gerichtliche Nachprüfung soll eine Sicherheit dafür gewähren, daß eine in festen Nennwertzahlen ausgedrückte vielleicht nach Prozenten des Grundkapitals sehr kleine Minderheit nicht in der Lage ist, unmittelbar der Gesellschaft Schaden zuzufügen. Nur wenn die Berechtigung des Anliegens dieser kleinen Minderheit durch zwei Instanzen des Gerichts bejaht ist, treten die weitergehenden Folgen für die Gesellschaft ein. Die sicherlich auch möglichen Folgen, die allein durch die Antragstellung bei Gericht der Gesellschaft erwachsen können, müssen in Kauf genommen werden, zumal da sie nicht wesentlich über das hinausgehen dürften, was bereits durch einen in der Hauptversammlung abgelehnten Antrag entstehen kann. Dieser kann aber von jedem einzelnen Aktionär gestellt werden. Die Antragstellung hat zur Voraussetzung, daß die Hauptversammlung die Bestellung abgelehnt hat, auch wenn die Hauptversammlung zwar die Sonderprüfung beschlossen, aber die Bestellung der Sonderprüfer dem Aufsichtsrat überlassen hat oder den Beschluß, Sonderprüfer zu bestellen (RG 143, 410), wieder aufhebt oder den Antrag der Sonderprüfer widerruft, ohne neue Sonderprüfer zu bestellen. War überhaupt kein Antrag in der Hauptversammlung gestellt, so kann Abs. 2 nicht in Frage kommen. Gegenüber der Befugnis der Hauptversammlung ist das Antragsrecht der Minderheit zeitlich enger. Voraussetzung ist nämlich, daß der zu prüfende Vorgang sich entweder auf die Gründung oder auf einen nicht weiter als 5 Jahre zurückliegenden Fall der Geschäftsführung bezieht. Die Fünfjahresfrist gilt nur für die Prüfung von Vorgängen bei der Geschäftsführung, nicht für solche bei der Gründung. Die Frist rechnet von der Hauptversammlung zurück. Bei Aufhebung des die Sonderprüfung anordnenden Beschlusses von jenem, welcher die Prüfung angeordnet hatte. Der Antrag an das Gericht braucht nicht innerhalb der fünfjährigen Frist gestellt zu werden. Er ist an das Amtsgericht (§ 14) gem. § 11 FGG schriftlich oder zu Protokoll des Ur788
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Anm. 5,6
kundsbeamten zu stellen. Kein Anwaltszwang. In dem Antrag muß der zu prüfende Vorgang bezeichnet und dargelegt sein, daß die Hauptversammlung die Sonderprüfung abgelehnt hat. Weitere Einzelheiten sind nicht erforderlich. Nicht erforderlich ist, daß gerade die jetzigen Antragsteller auch den Antrag in der Hauptversammlung gestellt hatten (RG in JW 1903, 244). Sie brauchen in dieser nicht einmal anwesend gewesen zu sein. Das Antragsrecht haben auch die stimmrechtslosen Vorzugsaktionäre. Die Antragsteller haben die Aktien, sofern Urkunden darüber ausgegeben sind, zu hinterlegen, d. h. zusammen entweder 10 °/o des Grundkapitals oder 2 Millionen Nennbetrag. Die Aktie muß nicht bei der Hinterlegungsstelle, sie kann auch bei dem Amtsgericht (KG JW 30, 3777) hinterlegt werden und muß es bleiben, bis der Antrag zurückgenommen oder rechtskräftig darüber entschieden ist. Die Antragsteller haben glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens 3 Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Unter Inhaberschaft ist hier Aktionärschaft, nicht Innehabung gemeint, auch nicht Legitimation. Darum ist Eintragung im Aktienbuch erst im Zeitpunkt des Antrags erforderlich (Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 118 Anm. 9). Pfandgläubiger, Entleiher oder Nießbraucher sind nicht Inhaber im Sinne der Gesetzesstelle und überhaupt nicht antragsberechtigt, vielmehr (trotz des Erfordernisses der Innehabung des unmittelbaren Besitzes) der Verpfänder, Verleiher, Besteller des Nießbrauchs. Bei der gesetzlichen Verwaltung und Nutznießung ist es der gesetzliche Verwalter und Nutznießer (Inhaber der elterlichen Gewalt). Besteht die Gesellschaft noch keine 3 Monate, so genügt der Nachweis des Besitzes der Aktie von der Entstehung der Gesellschaft an. Dasselbe gilt entsprechend für Aktien, die aus einer Kapitalerhöhung stammen, wenn diese noch keine 3 Monate zurück liegt. Zur Glaubhaftmachung genügt eidesstattliche Versicherung vor einem Gericht oder Notar (vgl. im übrigen § 294 ZPO). 2. Entscheidung des Gerichts Anm. 6: Das Gericht hat dem Antrag nur stattzugeben, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, daß bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind, d. h., das Gericht braucht nicht überzeugt zu werden, aber es muß ihm ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit gegeben erscheinen. Zu diesem Zweck ist nicht gerade eine Glaubhaftmachung erforderlich. Immerhin ist unter Vorliegen von Tatsachen, die einen Verdacht rechtfertigen, mehr zu verstehen, als nur die Aufstellung von Verdächtigungen. Unter Unredlichkeiten sind auch nicht strafbare zu verstehen. Eine grobe Gesetzesverletzung ist auch die grobe Verletzung der Sorgfaltspflicht nach §§ 93, 116. Unberück789
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Verfassung der Aktiengesellschaft
sichtigt bei der gerichtlichen Prüfung haben die Zweckmäßigkeit und die Aussichten der Sonderprüfung zu bleiben (Adler-Düring-Schmaltz § 135 Anm. 238). Das Gericht hat nach Abs. 5 stets — nicht nur wie nach bisherigem Recht vor der Bestellung — außer den Beteiligten auch den Aufsichtsrat zu hören. Die Beteiligten sind die Antragsteller einerseits und die Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, andererseits. Der Aufsichtsrat ist als Organ zu hören, nicht etwa die einzelnen Mitglieder. Der Aufsichtsrat hat infolgedessen einen Beschluß zu fassen. Er kann dazu sowohl zur Vorbereitung, wie auch zur Beschlußfassung selbst einen Ausschuß bestellen und diesem insoweit seine Funktion übertragen. Die Person, gegen die die Vorwürfe gerichtet werden, gehört nicht zu dem Kreis der Beteiligten. Bei der Auswahl des zu bestellenden Sonderprüfers hat das Gericht § 143 zu beachten. Gegen die Entscheidung des Gerichtes ist die sofortige Beschwerde gegeben, für die das dem Amtsgericht übergeordnete Landgericht zuständig ist. Beschwerdeberechtigt ist im Falle der Zurückweisung der Antragsteller, sonst die Gesellschaft. Um die Unabhängigkeit der vom Gericht bestellten Sonderprüfer sicherzustellen, wird im Abs. 6 bestimmt, daß diese einen Anspruch auf Ersatz angemessener Auslagen und eine Vergütung für ihre Tätigkeit haben, daß die Festsetzung nicht etwa durch den Vorstand der Gesellschaft, sondern durch das Gericht erfolgt. Gegen die Festsetzung können die Beteiligten, also sowohl der Sonderprüfer wie auch die Gesellschaft, die sofortige Beschwerde einlegen; eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Damit sind in der Tat die gerichtlich bestellten Prüfer völlig unabhängig, denn ihre Pflichten und Rechte ergeben sich einerseits aus dem Beschluß des Gerichtes, der die zu prüfenden Vorgänge enthält, andererseits aus den Bestimmungen der §§ 144 ff. Die vom Gericht festgesetzten angemessenen Auslagen und die Vergütung für die Tätigkeit des Prüfers gehören zu den Kosten des Verfahrens, die nach § 146 die Gesellschaft unbeschadet eines ihr nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes zustehenden Ersatzanspruchs zu tragen hat. Das Gericht kann nicht mehr eine Sicherheitsleistung von den Antragstellern verlangen, wie nach bisherigem Recht. V. Bestellung anderer Sonderprüfer durch das Gericht Anm. 7: H a t die Hauptversammlung Sonderprüfer bestellt, so kann die gleiche Minderheit, die den Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern bei Gericht stellen kann, den Antrag stellen, einen anderen Sonderprüfer zu bestellen. Das bedeutet, daß der von der Hauptversammlung bestellte Sonderprüfer nicht tätig werden kann (Bayer. ObLG JW 31, 2998). 790
Auswahl der Sonderprüfer
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Anm. 7
Im Gegensatz zu dem Antrag nach Abs. 2 ist die Stellung des Antrags eines anderen Sonderprüfers an eine Frist von 2 Wochen seit dem Tage der Hauptversammlung gebunden. Die Bestimmung des Abs. 5 gilt auch für dieses Verfahren, und zwar mit der Maßgabe, daß außer den Beteiligten und dem Aufsichtsrat in diesem Fall auch der von der Hauptversammlung bestellte Sonderprüfer zu hören ist. D a man die Auffassung vertreten kann, daß er nicht zu den Beteiligten des Verfahrens gehört, weil die gerichtliche Entscheidung ihn nur mittelbar berührt, erschien es zweckmäßig, durch ausdrückliche Bestimmung seine Anhörung vorzuschreiben. Seine Anhörung ist auch deshalb unumgänglich notwendig, weil nach den neuen Bestimmungen im Abs. 4 die Entscheidung von Dingen abhängig sein kann, über die der von der Hauptversammlung bestellte Sonderprüfer teilweise allein erschöpfende Auskunft geben kann. In Ergänzung der bisher geltenden Bestimmungen des § 118 I I I A k t G 37 ist jetzt im einzelnen bestimmt, wann das Gericht einen anderen Sonderprüfer zu bestellen hat. Es darf dies nur, wenn die Bestellung aus einem in der Person des bestellten Sonderprüfers liegenden Grund geboten erscheint. Solche Gründe werden keineswegs ausschließend, sondern nur „insbesondere" genannt: wenn der bestellte Sonderprüfer nicht die für den Gegenstand der Sonderprüfung erforderlichen Kenntnisse hat oder, wenn Besorgnis der Befangenheit oder Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit bestehen. Das Gericht wird in seiner Entscheidung angeben müssen, aus welchen Gründen es die Abberufung des bestellten Sonderprüfers für geboten hält. Gegen seine Entscheidung ist nach Abs. 5 die sofortige Beschwerde zulässig. Kommt das Gericht zur Bestellung eines anderen Sonderprüfers, so ist dieser ein gerichtlich bestellter Sonderprüfer, auf den der Abs. 6 Anwendung findet (vgl. im einzelnen oben Anm. 6). § 143 Auswahl der Sonderprüfer (1) Als Sonderprüfer sollen, wenn der Gegenstand der Sonderprüfung keine anderen Kenntnisse fordert, nur bestellt werden 1. Personen, die in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sind; 2. Prüfungsgesellschaften, von deren gesetzlichen Vertretern mindestens einer in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren ist. (2) Sonderprüfer kann nicht sein, wer 1. Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft ist oder in den letzten drei Jahren vor seiner Bestellung oder während der Zeit war, in der sich der zu prüfende Vorgang ereignet hat; 791
§143
Anm. 1
Verfassung der Aktiengesellschaft
2. gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsrats einer juristisdien Person, Gesellschafter einer Personengesellschaft oder Inhaber eines Unternehmens ist, sofern die juristisdie Person, die Personengesellsdiaft oder das Einzelunternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist; 3. Angestellter eines Unternehmens ist, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist. (3) Eine Prüfungsgesellschaft kann nicht Sonderprüfer sein, 1. wenn sie oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist; 2. wenn bei Prüfungsgesellschaften, die juristische Personen sind, ein gesetzlicher Vertreter, bei anderen Prüfungsgesellsdiaften ein Gesellschafter nach Absatz 2 nicht Sonderprüfer sein könnte; 3. wenn ein Aufsichtsratsmitglied der Prüfungsgesellsdiaft nach Absatz 2 Nr. 1 nicht Sonderprüfer sein könnte. I. Übersicht (Anm. 1) II. Wer als Sonderprüfer bestellt werden soll (Anm. 2) III. Wer nicht als Sonderprüfer bestellt werden kann (Anm. 3)
1. Einzelpersonen (Anm. 4) 2. Prüfungsgesellschaften (Anm. 5) IV. Verstoß (Anm. 6)
I. Übersicht Anm. 1: In allen Fällen, in denen es sich um die Bestellung von Prüfern handelt, bestimmt das Gesetz zunächst, wer als Prüfer bestellt werden kann. Das ist bei der Gründungsprüfung nach § 3 3 I V derselbe Personenkreis wie bei der Sonderprüfung nach § 143 I. Enger ist er bei der Abschlußprüfung nach § 164 I. Zum anderen beschäftigt sich das Gesetz damit, welche Personen nicht zu Prüfern bestellt werden dürfen, um die Unabhängigkeit der Prüfer sicherzustellen. Hier wird für die Gründungsprüfer durch § 33 V auf die Vorschriften für die Sonderprüfer § 143 II und I I I verwiesen. Diese decken sich wörtlich mit denen für die Abschlußprüfer § 146 I I und I I I . Soweit es sich darum handelt, wer zum Prüfer bestellt werden kann, sind bei allen drei Prüferarten die Bestimmungen des bisherigen Rechtes in der Sache unverändert übernommen worden (§§ 25, 119, 137 AktG37). Dagegen sind die Bestimmungen, die die Unabhängigkeit des Prüfers sicherstellen sollen, zwar ebenso wie im bisherigen Recht wieder einheitlich für alle Arten von Prüfern gleich, aber wesentlich anders als im Aktiengesetz 1937. Auf der einen Seite sind die Tatbestände präzisiert, auf der anderen Seite ist die Generalklausel des bisherigen Rechts weggefallen, da Bedenken aufgetaucht waren, ob die scharfen Folgen einer Verletzung der Bestimmungen, nämlich die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, an eine allgemeine Generalklausel gekoppelt werden könnten. 792
Auswahl der Sonderprüfer
§143 Anm. 2
II. Wer als Sonderprüfer bestellt werden soll Anm. 2: Während nach § 1 1 9 1 AktG 37 nur bestimmt wurde, wer als Prüfer zu bestellen sei, wenn das Gericht die Bestellung vornimmt, so bezieht sich die neue Vorschrift auf jede Art der Bestellung, also auch wenn die Bestellung durch die Hauptversammlung erfolgt. Es ist nicht einzusehen, warum nidit die Hauptversammlung auch bei der Bestellung von Sonderprüfern an die gleiche Bestimmung für deren Auswahl gebunden sein soll, wie das Gericht bei seiner Bestellung, zumal sie bei der Wahl der Abschlußprüfer nach § 136 AktG 37 schon immer zwingend an die Bestimmungen über die Auswahl der Abschlußprüfer §137 AktG 37 gebunden war. Es werden jetzt also nur die gleichen Grundsätze, die für die Bestellung der Abschlußprüfer schon galten, nunmehr auch für die Sonderprüfer insoweit übernommen. Dagegen weichen die Bestimmungen von denen über die Auswahl der Abschlußprüfer (§ 164) insofern ab, als die Sonderprüfer nicht öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu sein brauchen. Sie entsprechen vielmehr den Bestimmungen über die Gründungsprüfer (§33 IV). Da sich die Sonderprüfung auf alle erdenklichen Vorgänge bei der Gründung oder die Geschäftsführung beziehen kann, also nicht wie bei der Abschlußprüfung nur auf die Prüfung des Jahresabschlusses, der Buchführung und des Geschäftsberichtes, kommt es in erster Linie darauf an, daß der Sonderprüfer die Kenntnisse besitzt, die speziell für die Vorgänge, die er überprüfen soll, erforderlich sind. Es ist deshalb nicht möglich, zwingend vorzuschreiben, wer als Sonderprüfer bestellt werden kann, sondern hier war nur eine Soll-Bestimmung möglich. Verstößt die Hauptversammlung dagegen, so ist der Beschluß anfechtbar; ferner können Aktionäre, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 2 Mill. DM erreichen, nach § 142 IV Antrag auf Bestellung eines anderen Sonderprüfers mit der Begründung stellen, die Bestimmungen des § 143 seien verletzt, sie können also vortragen, es seien keine Sonderprüfer gewählt, die den Bestimmungen der Nr. 1 und 2 entsprächen, obwohl der Gegenstand der Sonderprüfung keine anderen Kenntnisse erfordere. Wird einem solchen Antrag nicht stattgegeben oder wird ein solcher Antrag überhaupt nicht gestellt, so bleibt es dabei, daß möglicherweise ungeeignete Sonderprüfer bestellt sind. Rechtsfolgen ergeben sich dann schon um deswillen nicht, weil die Sonderprüfung ein interner Vorgang ist, der weitestgehend auf tatsächlichem Gebiet liegt und dort die gleichen Auswirkungen hat, ob nun die Sonderprüfer nach den Bestimmungen des § 143 ausgewählt wurden oder nicht. Die Bestimmungen der §§ 144 ff. sind auf sie und ihren Bericht stets anwendbar. Sind keine Sonderkenntnisse erforderlich, so sollen als Sonderprüfer nur Einzelpersonen oder Prüfungsgesellschaften bestellt werden, bei denen die buchhalterische Sachkenntnis sichergestellt ist, und zwar bei Einzelpersonen durch ausreichende Vorbildung und Erfahrung, bei 793
§ 143
Anm. 2—4
Verfassung der Aktiengesellschaft
Prüfungsgesellschaften dadurch, daß mindestens einer ihrer gesetzlichen Vertreter diese Vorbildung und Erfahrung besitzt. Das geforderte Maß buchhalterischer Kenntnis ist bei den Sonderprüfern wesentlich geringer als bei den Abschlußprüfern (§ 164). Es genügt „ausreichende" Vorbildung und Erfahrung; was ausreicht und ob bei den ausgewählten Prüfern das ausreichende Maß von Vorbildung und Erfahrung vorhanden ist, kann nicht genau abgegrenzt werden. Im Falle der Bestellung durch das Gericht wird dieses nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden haben. Es kann sich auf Empfehlungen verlassen und ist nicht an die für Wirtschaftsprüfer aufgestellten Richtlinien gebunden. Nr. 2 enthält eine sachliche Änderung insoweit, als für Prüfungsgesellschaften in der Rechtsform der Personengesellschaft es nicht mehr genügt, daß ein Gesellschafter bestimmte Voraussetzungen erfüllt, vielmehr muß ein vertretungsberechtigter Gesellschafter diese Voraussetzungen erfüllen. III. Wer nicht als Sonderprüfer bestellt werden kann Anm. 3: Über die grundsätzliche Änderung gegenüber dem bisherigen Recht vgl. oben Anm. 1. Der besseren Übersicht wegen unterscheidet das Gesetz zwischen Einzelperson als Sonderprüfer (Abs. 2) und Prüfungsgesellschaften als Sonderprüfer (Abs. 3). 1. Einzelpersonen Anm. 4: Einzelpersonen können nicht Prüfer sein, a) wenn sie Mitglied eines Organs oder Angestellte der zu prüfenden Gesellschaft sind oder es in den letzten 3 Jahren vor der Bestellung oder in der Zeit waren, in der sich der zu prüfende Vorgang ereignet hat. Die Vorschrift bezieht sich auf alle Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats, gleichgültig wie ihre Bestellung erfolgt ist, und auf alle Angestellten, nicht nur etwa auf leitende Angestellte, also auch auf Reisende und Provisionsvertreter, soweit diese als Angestellte anzusehen sind. Darüber hinaus wird man, wenn ausnahmsweise ein Arbeiter, der nicht Angestellter ist, der zur Überprüfung eines technischen Vorgangs als Sonderprüfer denkbar herangezogen werden könnte, diesen auch unter die Bestimmung fallend ansehen müssen. Gegenüber dem bisherigen Recht ist die Rückbeziehung auf die letzten 3 Jahre neu, während schon nach dem bisherigen Recht die Auffassung dahin ging, daß Personen, die eine entsprechende Stellung in der zu prüfenden Gesellschaft in der Zeit hatten, in der der zu prüfende Vorgang sich ereignet hat, als Prüfer ungeeignet seien. b) gesetzliche Vertreter, Mitglieder des Aufsichtsrats, Gesellschafter, Inhaber und Angestellte eines Unternehmens, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist (Abs. 2 Nr. 2 u. 3). 794
Auswahl der Sonderprüfer
§143 Anm. 4
Diese Bestimmung geht weit über das bisherige Recht hinaus, das nur von Mitgliedern des Vorstandes oder des Aufsichtsrates sowie von Angestellten einer Gesellschaft sprach, die von der zu prüfenden Gesellschaft abhängig ist oder sie beherrscht. Die jetzige Bestimmung bezieht sich auf alle Unternehmen, gleichgültig welche Rechtsform sie haben, und erfaßt zunächst, soweit es sich um juristische Personen handelt, die gesetzlichen Vertreter und, soweit ein Aufsichtsrat vorhanden ist, die Mitglieder des Aufsichtsrates. Bei Personengesellschaften werden nicht nur die Vertretungsberechtigten, sondern alle Gesellschafter erfaßt, also beispielsweise die Kommanditisten in einer Kommanditgesellschaft und sogar die stillen Gesellschafter in einer Personengesellschaft, nicht aber eines Einzelunternehmens oder einer juristischen Person, ferner den Inhaber eines Einzelunternehmens und endlich sämtliche Angestellte von Unternehmen, gleichgültig welcher Rechtsform, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist. Welche Unternehmen das sind, ergibt sich aus § 15. Dazu gehören auch solche Unternehmen, bei denen von einem Abhängigkeitsverhältnis nicht gesprochen werden kann. Das sind die in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen und mit Mehrheit beteiligten Unternehmen des § 16, in einem Abhängigkeitskonzern nicht nur das herrschende und die von ihm abhängigen Unternehmen, sondern auch die von dem herrschenden Unternehmen abhängigen Unternehmen untereinander, ohne daß ein Herrschafts- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht und endlich die Konzernunternehmen im Gleichordnungskonzern, bei denen kein Unternehmen von dem anderen abhängig ist. Die Bestimmung stellt also nicht auf die Möglichkeit der Ausübung eines Einflusses ab, denn es spielt keine Rolle mehr, ob ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der zu prüfenden Gesellschaft und derjenigen, der der Sonderprüfer angehört, besteht, sondern bereits die entfernte Möglichkeit einer Interessenbindung des Sonderprüfers an die Interessen der zu prüfenden Gesellschaft genügt, um ihn auszuschließen. Diese sehr weitgehende Bestimmung ist gerade bei der Sonderprüfung auffällig, weil es in der Praxis vorkommt, daß ein oder mehrere Aktionäre sich selbst zu Sonderprüfern wählen lassen. Eine solche Aktionärsgruppe hat nicht nur u. U. sehr viel stärkere Interessenbindung als irgendein Konzernunternehmen, sondern es kann auch sein, daß sie einen beherrschenden Einfluß auf die Geschäftsführung ausüben, sofern es sich um Privataktionäre handelt und nicht um Unternehmen, es würde damit ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 nicht geschaffen. Solche Prüfer könnten für die Aktionärsminderheiten außerordentlich unangenehm sein. Ihnen bleibt nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die Möglichkeit, einen Antrag auf Bestellung von anderen Prüfern zu stellen (§ 142 IV). Für den Begriff der Angestellten im Sinne der N r . 3 gilt das gleiche wie das zu N r . 1 unter a) Ausgeführte. 795
§143 Anm. 5
2.
Verfassung der Aktiengesellschaft
Prüfungsgesellschaften
Anm. 5: Prüfungsgesellschaften können nicht Sonderprüfer sein, a) wenn sie mit der zu prüfenden Gesellschaft im Sinne des § 15 verbunden sind. Hierunter fallen u. a. alle Konzernunternehmen, auch wenn sie unmittelbar nichts miteinander zu tun haben, sondern nur unter einheitlicher Leitung, sei es im Abhängigkeitskonzern, sei es im Gleichordnungskonzern, zusammengefaßt sind; b) der zweite unter Nr. 1 aufgeführte Fall, wonach eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auch dann nicht Prüfer sein kann, wenn nicht sie selbst, wohl aber ein mit ihr verbundenes Unternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist, bezieht sich z. B. auf den Fall, daß die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; und die zu prüfende Gesellschaft von dem gleichen herrschenden Unternehmen abhängig sind. Voraussetzung ist allerdings, daß es sich dann nicht um einen Konzern handelt, also keine einheitliche Leitung vorhanden ist, denn würde es sich um einen Konzern handeln, so trifft schon die unter a) genannte Alternative zu. Schon nach dem bisherigen Recht wurde im allgemeinen angenommen, daß in einem solchen Fall die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von der Abschlußprüfung ausgeschlossen ist, und zwar beruhte dies auf der Generalklausel nach altem Recht; c) wenn bei Prüfungsgesellschaften, die juristische Personen sind, ein gesetzlicher Vertreter nach irgendeiner der drei N r . des Abs. 2 nicht Sonderprüfer sein könnte, d. h. er darf weder Mitglied der Organe noch Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft sein oder in den letzten 3 Jahren bzw. zur Zeit des zu prüfenden Vorganges gewesen sein (Nr. 1), und er darf nicht gesetzlicher Vertreter, Mitglied des Aufsichtsrats, Gesellschafter einer Personengesellschaft, Inhaber oder Angestellter eines mit der zu prüfenden Gesellschaft verbundenen Unternehmens sein (Nr. 2 u. 3); d) andere Prüfungsgesellschaften, d. h. solche, die in der Form einer Personengesellschaft geführt werden, dürfen nicht Sonderprüfer sein, sofern einer der Gesellschafter, also auch der Kommanditist oder der stille Gesellschafter, oder einer ihrer Angestellten nach allen 3 Nr. des Abs. 2 nicht Sonderprüfer sein könnten. Auch hier geht die Bestimmung sehr weit, denn es ist nicht richtig, wenn in der Regierungsbegründung gesagt wird, der leitende Gesichtspunkt sei der, daß die Unabhängigkeit einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gefährdet werde, wenn die Personen, die ihre Geschäftsleitung maßgebend bestimmen, in irgendwelchen Beziehungen zu der zu prüfenden Gesellschaft stehen, denn man kann nicht sagen, daß bei einer Kommanditgesellschaft die Kommanditisten die Geschäftsführung maßgebend bestimmen können. Auch bei Angestellten solcher Gesellschaften ist das keineswegs der Fall, allenfalls bei leitenden, auf welche die Bestimmung aber 796
Auswahl der Sonderprüfer
§ 143 Anm. 5, 6
nicht beschränkt ist. Der leitende Gedanke für diese Bestimmung ist ein in der Tat sehr viel weitergehender: es soll jede Verbindung personeller Art mit der zu prüfenden Gesellschaft unterbunden werden; e) wenn ein Aufsichtsratsmitglied der Prüfungsgesellschaft Mitglied eines Organs oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft ist, oder in den letzten Jahren oder während der Zeit, in der der zu prüfende Vorgang sich ereignet hat, war (Abs. 2 Nr. 1). Das Aufsichtsratsmitglied einer Prüfungsgesellschaft ist für deren Eignung als Sonderprüfer mithin nur schädlich, wenn er unmittelbar aus der zu prüfenden Gesellschaft kommt, nicht aber, wenn er aus einem mit der zu prüfenden Gesellschaft verbundenen Unternehmen stammt. Diese Einschränkung erschien deshalb gerechtfertigt, weil das Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf deren Geschäftsführung nur einen mittelbaren Einfluß hat, da ihm grundsätzlich nur die Überwachung der Geschäftsführung, nicht aber die Geschäftsführung selbst obliegt. Ob das zutreffend ist, erscheint fraglich. Soll wirklich ein Aufsichtsratsmitglied weniger Einfluß auf die Geschäftsführung haben als ein Kommanditist?
IV. Verstoß Anm. 6: Aus der Fassung des Gesetzes „kann nicht sein" folgt, daß, wer entgegen den Bestimmungen der Abs. 2 und 3 als Prüfer gewählt oder bestellt ist, nicht Prüfer ist. Die Bestellung ist nichtig, auch wenn sie durch das Gericht geschieht und der Gerichtsbeschluß rechtskräftig ist. Es ist durch sie kein Vertrag zustande gekommen im Fall der Bestellung der Prüfer durch die Hauptversammlung, auch ohne daß der Hauptversammlungsbeschluß angefochten wird. Es liegen die Voraussetzungen des § 142 II vor, d. h. es kann ein Antrag auf Bestellung durch das Gericht gestellt werden. Hat die Hauptversammlung Prüfer bestellt, die nicht kraft Gesetzes, sondern nach Satzungsbestimmungen — die zulässig sind — ausgeschlossen, so ist einmal der Hauptversammlungsbeschluß anfechtbar, ferner kann aber auch ein Antrag nach § 142 IV auf Bestellung anderer Sonderprüfer gestellt werden. Das Gericht ist, wenn es seinerseits auf Antrag Prüfer bestellt, an Satzungsbestimmungen nicht gebunden. Es kann sie aber insoweit beachten, als dadurch nicht gegen die zwingende Bestimmung der Abs. 2 und 3 verstoßen wird. Ein Verstoß gegen Abs. 1 hat lediglich Anfechtbarkeit zur Folge. Daneben ist die Möglichkeit aus § 142 IV gegeben (vgl. Anm. 2). 797
§§144/145
Verfassung der Aktiengesellschaft
§ 144 Verantwortlichkeit der Sonderprüfer § 168 über die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer gilt sinngemäß. Wie im bisherigen Recht (§ 120 AktG 37) wird für die Verantwortlichkeit der Sonderprüfer auf § 168 über die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer verwiesen. Die Bestimmungen gelten sinngemäß. Die Prüfer haben die Prüfung gewissenhaft und unparteilich vorzunehmen; sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Bei Verletzung ihrer Verpflichtung haften sie zivilrechtlich nach § 168 und strafrechtlich nach § 403, wenn sie ihre Berichtspflicht verletzen, und nach § 404, wenn sie die Geheimhaltungspflicht verletzen. Im einzelnen siehe § 168 und die dortigen Anm. § 145 Rechte der Sonderprüfer. Prüfungsbericht (1) Der Vorstand hat den Sonderprüfern zu gestatten, die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, zu prüfen. (2) Die Sonderprüfer können von den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche die sorgfältige Prüfung der Vorgänge notwendig macht. (3) Die Sonderprüfer haben die Rechte nach Absatz 2 auch gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen. (4) Die Sonderprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Auch Tatsachen, deren Bekanntwerden geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, müssen in den Prüfungsbericht aufgenommen werden, wenn ihre Kenntnis zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs durch die Hauptversammlung erforderlich ist. Die Sonderprüfer haben den Bericht zu unterzeichnen und unverzüglich dem Vorstand und zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. Auf Verlangen hat der Vorstand jedem Aktionär eine Abschrift des Prüfungsberichts zu erteilen. Der Vorstand hat den Bericht dem Aufsichtsrat vorzulegen und bei der Einberufung der nächsten Hauptversammlung als Gegenstand der Tagesordnung bekanntzumachen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Auskunftsredit der Prüfer 1. Offenlegungspflicht des Vorstandes (Anm. 2)
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2. Auskunftspflicht der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates der zu prüfenden Gesellschaft (Anm. 3)
Rechte der Sonderprüfer. Prüfungsbericht 3. Auskunftspflicht verbundener U n ternehmen (Anm. 4)
§ 145
Anm. 1
III. Der Prüfungsbericht 1. Inhalt (Anm. 5) 2. Vorlage (Anm. 6)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschriften der Absätze 1—3 regeln das Auskunftsrecht der Sonderprüfer, das in zweierlei Hinsicht gegenüber dem bisherigen Recht (§ 121 I u. I I AktG 37) erweitert ist. Einmal können die Sonderprüfer nicht nur wie bisher vom Vorstand, sondern von den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates Aufklärung und Nachweise verlangen, und zum anderen haben sie dieses Auskunftsrecht auch gegenüber einem Konzernunternehmen, sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen. Von den Bestimmungen über den Inhalt des Prüfungsberichtes ist die in § 1 2 1 I I I AktG 37 enthaltene Schutzklausel, nach der in den Bericht nicht aufgenommen werden durfte einmal, was der Vorstand dem Prüfer unter Hinweis auf eine ihm im Interesse des gemeinen Nutzens von Volk und Reich auferlegten Geheimhaltungspflicht mitgeteilt hatte und zum anderen nicht Tatsachen, deren Aufnahme in dem Bericht nach pflichtmäßigem Ermessen der Prüfer überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder der gemeine Nutzen von Volk und Reich entgegenstehen würde. Es ist selbstverständlich und bedarf keiner gesetzlichen Bestimmung, daß eine dem Vorstand im öffentlichen Interesse auferlegte Geheimhaltungspflicht nicht dadurch verletzt werden kann, daß die Prüfer das ihnen Mitgeteilte in den Bericht aufnehmen und damit die Geheimhaltungspflicht verletzt wird. Soweit sich die Schutzklausel auf die Wahrung überwiegender Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens bezog, steht sie in Widerspruch zu dem Zweck einer Sonderprüfung. Diese wird dazu angesetzt, Mißstände bei der Gesellschaft selbst oder auch bei beteiligten Gesellschaften aufzudecken. Es ist auch nicht vorstellbar, daß die Aufdeckung solcher Mißstände gegen das allgemeine Interesse verstoßen könnte. Zur völligen Klarstellung wird nunmehr ausdrücklich bestimmt, daß Tatsachen, deren Bekanntwerden der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen können, nur dann in den Prüfungsbericht aufgenommen werden dürfen, wenn ihre Kenntnis zur Beurteilung des zu prüfenden Vorganges durch die Hauptversammlung erforderlich ist. In diesem Fall müssen sie aber auch in den Bericht aufgenommen werden. Die bisher schon bestehende Publizität des Berichtes durch Einreichung beim Handelsregister und Vorlage der Hauptversammlung zur Beschlußfassung wird dadurch noch verstärkt, daß nunmehr auf Verlangen der Vorstand jedem Aktionär eine Abschrift zu erteilen hat. Die Kostentragung wird jetzt gesondert in § 146 geregelt. 799
§145
Verfassung der Aktiengesellschaft
Anm. 2—i II. Auskunftsredit der Prüfer 1. Offenlegungsp flicht des Vorstandes Anm. 2: N u r der Vorstand kann und muß dem Prüfer, und zwar jedem einzelnen Prüfer, aber nur ihm, nicht dem Antragsteller, die Einsicht in die Verhältnisse der Gesellschaft gestatten, nicht etwa der einzelne Angestellte, Kassierer u. dgl., auch nicht, wenn er Prokura hat. Der Prüfer kann sich daher nur an den Vorstand wenden. Lehnt der Vorstand die Offenlegung ab, so kann der Prüfer nur das Registergericht anrufen, das den Vorstand zur Erfüllung seiner Verpflichtung durch Ordnungsstrafen zwingen kann (§ 407) oder den Aufsichtsrat, der den Vorstand abberufen kann. Einen bürgerlich-rechtlichen, durch Klage oder einstweilige Verfügung zu verwirklichenden Anspruch gegen den Vorstand hat der Prüfer nidit. Die Einsicht ist dem Prüfer unbeschränkt, wie nach dem Gesetzeswortlaut „die" außer Zweifel steht, in sämtliche Bücher im Sinne des § 38 HGB und Schriften im weitesten Sinn (z. B. auch Niederschriften des Aufsichtsrats, technische Schriften wie Patentschriften) zu gestatten, nicht nur in solche, deren Prüfung zur Untersuchung des bestimmten Vorganges (§ 142 I) erforderlich oder gar unerläßlich ist. 2. Auskunftspflicht der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates der zu prüfenden Gesellschaft Anm. 3: Soweit es die sorgfältige Prüfung der Vorgänge notwendig macht, ist der Prüfer berechtigt, von den Mitgliedern des Vorstandes und auch — über das bisherige Recht hinaus — des Aufsichtsrates Auskünfte und Nachweise zu verlangen. Der Registerrichter kann auch zur Erfüllung dieser Pflicht die Vorstandsmitglieder durch Ordnungsstrafe nach § 407 anhalten, nicht aber die Aufsichtsratsmitglieder. Die Auskunft ist auch über Tatsachen zu erteilen, zu deren Geheimhaltung der Auskunftspflichtige seinerseits verpflichtet ist. Bei der Auskunftserteilung sind in diesem Falle die Prüfer auf diese Tatsache hinzuweisen, sowie zweckmäßigerweise darauf, daß sie infolgedessen die Tatsachen auch in ihrem Prüfungsbericht nicht verwenden dürfen. 3. Auskunftspflicht verbundener Unternehmen Anm. 4: Die Bestimmung des Abs. 3 ist neu. Sie war im Regierungsentwurf insofern weiter gefaßt, als die Sonderprüfer nicht nur die Rechte nach Abs. 2, sondern auch die Rechte nach Abs. 1 gegenüber Konzernunternehmen und einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen haben sollten, „soweit es die sorgfältige Erfüllung ihrer Prüfungspflicht fordert". Man hielt eine so weitgehende Vorschrift für notwendig, damit eine Sonderprüfung bei Gesellschaften, die zu einem Konzern gehören oder abhängige oder herrschende Unternehmen sind, erfolgreich durchgeführt werden kann. 800
Rechte der Sonderprüfer • Prüfungsbericht
§ 145
Anm. 4,5
Der Gesetzgeber hat sich dahin entschieden, dem Sonderprüfer gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen nur die Redite nach Abs. 2 einzuräumen. Das bedeutet, daß die Sonderprüfer von den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates dieser Unternehmen alle Aufklärungen und vor allem auch alle Nachweise verlangen können, welche die sorgfältige Prüfung des Vorganges notwendig macht. Dagegen soll der Sonderprüfer nicht das Recht haben, schlechthin die Bücher und Schriften des Unternehmens zu prüfen. Es wäre bedenklich gewesen, ihm ein solches Recht einzuräumen, weil er nicht bei diesem Unternehmen als Sonderprüfer bestellt ist, sondern bei einer anderen Gesellschaft. Soweit Bücher und Schriften zu den Nachweisen gehören, ist die Leitung des anderen Unternehmens auch nach Abs. 2 verpflichtet, diese dem Prüfer vorzulegen. Allerdings muß der Sonderprüfer darlegen, daß und welche Bücher und Schriften er zur sorgfältigen Prüfung der Vorgänge, die er untersuchen soll, benötigt. Nach dem Gesetz hat der Sonderprüfer erst die Möglichkeit, an die Leitung der Konzern- oder abhängigen oder herrschenden Unternehmen heranzutreten, wenn er die Anhaltspunkte für seine Fragen nach Aufklärung und Vorlage der Nachweise aus der Prüfung festgestellt hat. III. Der Prüfungsbericht 1. Inhalt Anm. 5: Die Prüfer haben einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Die Erfüllung dieser jedem Prüfer für sich obliegende Pflicht kann nur durch Klage erzwungen werden. Von mehreren Prüfern kann der Bericht gemeinschaftlich erstattet werden. Können sie sich nicht einigen, so sind Sonderberichte einzureichen. Zu berichten ist über das Ergebnis der Prüfung. Das sind zunächst Tatsachen. Ob auch kritische Bemerkungen zu machen sind, hängt vom Prüfungsauftrag ab. Unvollständigkeit und Unwahrhaftigkeit des Berichtes sind durch § 403 mit Strafe bedroht. Es ist deshalb von besonderer Bedeutung, was in den Bericht aufzunehmen ist und was nicht aufgenommen werden darf. Dabei handelt es sich in erster Linie darum, inwieweit geheimzuhaltende Tatsachen und solche, die geeignet sind, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen durch ihr Bekanntwerden einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, in den Bericht aufgenommen werden dürfen oder müssen. In § 121 III AktG 37 war bestimmt, daß die Prüfer Tatsachen, die ihnen vom Vorstand unter Hinweis auf eine ihnen obliegende Geheimhaltungspflicht mitgeteilt wurden, nicht in den Prüfungsbericht aufnehmen dürfen. Eine solche Bestimmung gibt es im neuen Gesetz nicht mehr. Das hat aber nicht etwa zur Folge, daß sich in der Sache etwas geändert hätte. Es erschien jedoch nicht erforderlich, ausdrücklich zu bestimmen, daß eine dem Vorstand im öffentlichen Interesse auferlegte Geheimhaltungspflicht nicht 51
Wilhelmi, Aktiengesetz
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§145
Anm. 5
Verfassung der Aktiengesellschaft
dadurch verletzt werden kann, daß die Prüfer die geheimzuhaltenden Tatsachen in ihrem Bericht erwähnen, der der Öffentlichkeit zugänglich ist. Die dem Vorstand auferlegte Verpflichtung zur Geheimhaltung verpflichtet die Prüfer, wenn ihnen die Tatsachen unter Hinweis auf diese Geheimnispflicht mitgeteilt ist, aus allgemeinen Gesichtspunkten, so daß deshalb eine besondere Bestimmung nicht notwendig war. Andererseits kann man aus dem Fehlen einer solchen Bestimmung nicht folgern, daß etwa der Vorstand solche Tatsachen, zu deren Geheimhaltung er im öffentlichen Interesse verpflichtet ist, den Prüfern verschweigen darf. Nach wie vor ist die Offenbarungspflicht des Vorstandes gegenüber den Prüfern selbst (insoweit aber nicht gegenüber den Hilfspersonen) so weitgehend, daß er auch geheimzuhaltende Dinge offenbaren muß, auch wenn eine gesetzliche Pflicht dazu besteht. Voraussetzung ist jedoch stets, daß die Offenlegung solcher geheimzuhaltenden Tatsachen für die Durchführung einer sorgfältigen Prüfung notwendig ist (Abs. 2). Wenn nach bisherigem Recht ferner solche Tatsachen nicht in den Bericht aufgenommen werden sollten, deren Aufnahme nach Ansicht des Prüfers überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder das Allgemeininteresse entgegensteht, so sagt jetzt das Gesetz positiv, welche Tatsachen in den Bericht aufgenommen werden müssen, durch deren Bekanntwerden der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen nicht unerhebliche Nachteile entstehen können, und zwar stellt es allein darauf ab, ob die Kenntnis der Tatsachen zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs durch die Hauptversammlung erforderlich ist. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, entscheidet allein der Prüfer. Die Meinung des Vorstandes ist unwesentlich. Sie kann auch zur Entscheidung des Prüfers wenig beitragen. Der Vorstand wird auf die Nachteile hinweisen, die durch die Veröffentlichung entstehen. Das berücksichtigt das Gesetz aber bereits, denn es geht davon aus, daß der Gesellschaft oder einem ihr verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblicher Nachteil durch die Bekanntmachung entstehen könnte. Wenn es sich nur um einen geringfügigen Nachteil handelt, kommt überhaupt die ganze Bestimmung nicht in Frage, dann bestehen gar keine Bedenken, die Tatsachen, um die es sich handelt, in den Bericht aufzunehmen. Es kommt bei der vom Prüfer zu entscheidenden Frage nicht darauf an, welchen Umfang die Nachteile haben, mögen sie auch noch so groß sein, denn er muß die Tatsachen, wenn sie zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs erforderlich sind, in seinen Bericht aufnehmen. Diese Frage kann aber letztlich nur der Prüfer aufgrund des Ergebnisses seiner Prüfung beurteilen, deshalb trägt er die alleinige Verantwortung für diese Entscheidung. Nimmt er die Tatsachen zu Unrecht nicht auf, so setzt er sich der Strafbarkeit nach § 403 aus. Diese Strafandrohung wird dem Sonderprüfer den Rücken stärken gegen an sich durchaus verständliche Bemühungen der 802
Redite der Sonderprüfer • Prüfungsbericht
§ 145
Anm. 5, 6 Verwaltung, Nachteile von der Gesellschaft und von mit ihr verbundenen Unternehmen fernzuhalten. Nach dem bisherigen Recht sollten auch solche Tatsachen nicht in den Bericht aufgenommen werden, deren Bekanntgabe dem allgemeinen N u t z e n entgegenstehen könnte. D a nicht einzusehen ist, wie die Aufdeckung von Mißständen bei einer Gesellschaft dem allgemeinen öffentlichen Interesse entgegenstehen könnte, ist auf die Aufnahme dieser Bestimmung verzichtet worden. Das hat nichts zu tun mit der oben erörterten Frage der Geheimhaltung von Tatsachen, deren Geheimhaltung im öffentlichen Interesse liegt. N e u ist die ausdrückliche Bestimmung, daß die Prüfer den Bericht zu unterzeichnen haben. Das galt nach dem bisherigen Recht schon f ü r den Bericht der Abschlußprüfer, nicht aber f ü r den der Sonderprüfer. Für eine unterschiedliche Behandlung besteht kein Anlaß. Die Vorschrift wurde der f ü r Abschlußprüfer weiterhin bestehenden angepaßt. Solange der Bericht nicht unterzeichnet ist, liegt ein ordnungsgemäßer Bericht nicht vor. Ist die P r ü f u n g durch eine Prüfungsgesellschaft vorgenommen worden, so genügt die zur Vertretung der Gesellschaft gesetzlich oder satzungsgemäß vorgeschriebene Mindestzahl von Unterschriften zeichnungsberechtigter Mitglieder des Vertretungsorgans oder sonstiger Bevollmächtigter. 2. Vorlage Anm. 6: Die Sonderprüfer haben den Prüfungsbericht unverzüglich dem Vorstand und dem Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. Während die Aktionäre bisher schon darauf angewiesen waren, den Prüfungsbericht beim Handelsregister einzusehen oder sich gegen Zahlung einer Gebühr eine Abschrift anfertigen zu lassen, ist jetzt der Vorstand verpflichtet, auf Verlangen jedes Aktionärs ihm kostenlos eine Abschrift des Prüfungsberichtes zu erteilen. Damit ist sichergestellt, daß jeder Aktionär sich auf die Hauptversammlung, bei der die Erörterung des Berichtes auf der Tagesordnung steht, ordnungsgemäß vorbereiten kann. Der Vorstand hat die Verpflichtung, den Bericht bei der Einberufung der nächsten Hauptversammlung als Gegenstand der Tagesordnung bekanntzumachen. Dabei hat er die Vorschläge, die er bei dem Bericht zu machen gedenkt, nach § 124 I I I in die Bekanntmachung aufzunehmen, wenn er der Ansicht ist, daß ein Beschluß zu fassen ist. Das muß nicht immer der Fall sein. Es ist durchaus möglich, daß, wenn der Bericht nichts Besonderes enthält, er der Hauptversammlung lediglich zur Kenntnis vorgelegt wird. Dazu bedarf es aber keiner Beschlußfassung, was die Voraussetzung f ü r die Verpflichtung des Vorstandes ist, bei der Bekanntmachung der Tagesordnung Vorschläge zu unterbreiten. Zur Aufnahme des Berichtes in die Tagesordnung kann der Vorstand nach § 407 durch Ordnungsstrafen vom Registerrichter angehalten werden. Das bedeutet aber nicht, daß er verpflichtet wäre, sofort eine außerordentliche H a u p t v e r 803
§§ 145/146 Anm. 6
Verfassung der Aktiengesellschaft
Sammlung einzuberufen. Die Minderheit kann aber nach § 122 auch die Einberufung einer solchen erzwingen. Ist der Bericht als Gegenstand der Tagesordnung bekanntgemacht, so können Anträge, die sich auf den geprüften Vorgang beziehen, ohne besondere Ankündigung gestellt werden. Die in der Vorauflage vertretene Auffassung, daß eine Beschlußfassung der Hauptversammlung über Geltendmachung von Ersatzansprüchen ohne besondere Ankündigung nicht erfolgen kann, halten wir nicht aufrecht, d a es nicht einzusehen ist, warum — was in der Vorauflage bereits bejaht wurde — das Minderheitsverlangen nach § 147 zulässig sein soll, nur aus der formellen Begründung heraus, daß es sich hier nicht um einen Beschluß handelt und damit zwar die Minderheit die Geltendmachung von Ersatzansprüchen erzwingen könnte, nicht aber die Mehrheit durch eine Beschlußfassung. N e u ist die ausdrückliche Hervorhebung, daß der Vorstand verpflichtet ist, den Bericht der Sonderprüfer dem Aufsichtsrat vorzulegen. D a die Berichtspflicht des Vorstandes an den Aufsichtsrat im § 90 jetzt sehr spezifiziert ist, erschien es zweckmäßig, um Mißverständnisse zu vermeiden, hier ausdrücklich auf die Vorlagepflicht hinzuweisen. § 146 Kosten Bestellt das Gericht Sonderprüfer, so trägt die Gesellschaft unbeschadet eines ihr nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zustehenden Ersatzanspruchs die Gerichtskosten und die Kosten der P r ü f u n g . Die Vorschrift regelt die Frage, wer die Gerichtskosten und die Kosten der Prüfung zu tragen hat, nur für den Fall, wenn der Sonderprüfer durch das Gericht bestellt ist. D a s sind die Fälle des § 142 II, d. h. wenn die Hauptversammlung einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern abgelehnt und von einer Aktionärsminderheit ein Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern an das Gericht gestellt wird, und § 142 IV, wenn zwar die Hauptversammlung Sonderprüfer bestellt hat, eine Minderheit aber den Antrag bei Gericht stellt, andere Sonderprüfer zu bestellen. Für den ersten Fall konnte nach bisherigem Recht (§ 121 I V A k t G 3 7 ) die Hauptversammlung beschließen, ob die Kosten von der Gesellschaft zu tragen seien. Dadurch wurde die Minderheit von vornherein mit einem erheblichen Risiko belastet, wenn schon die Hauptversammlung die Bestellung von Sonderprüfern abgelehnt hatte, war anzunehmen, daß sie auch später mit der gleichen Mehrheit einen Beschluß fassen würde, daß die Kosten nicht von der Gesellschaft zu tragen seien. D a m i t wäre die Geltendmachung des Minderheitsrechts beeinflußt worden. Es wird deshalb nunmehr festgestellt, daß in allen Fällen, in denen das Gericht Sonderprüfer bestellt, die Gesellschaft die Kosten zu tragen hat. Für den zweiten obengenannten Fall war das schon nach dem 804
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
§§146/147
bisherigen Recht die herrschende Auffassung, da auf diesen Fall die erwähnte Bestimmung des § 121 I V A k t G 3 7 nicht anwendbar war. Wenn schon die Hauptversammlung mit Mehrheit eine Sonderprüfung beschlossen und Sonderprüfer bestellt hatte, so muß ein Anlaß dafür bestanden haben. Wenn es sich nunmehr nur darum handelte, daß auf Antrag einer Minderheit andere Prüfer durch das Gericht bestellt werden sollten, so sollte diese Kosten die Gesellschaft auf alle Fälle tragen, da unterstellt werden konnte, daß die Durchführung der Sonderprüfung im Interesse der Gesellschaft liegt. Die Verpflichtung der Gesellschaft, die Gerichtskosten und die Kosten der Prüfung zu tragen, besteht nur dann, wenn es zur Bestellung eines Sonderprüfers durch das Gericht kommt. Wird der Antrag abgelehnt, so haben nach allgemeinen kostenrechtlichen Gesichtspunkten die Antragsteller die Gerichtskosten zu tragen; Kosten der Prüfung können nicht entstehen. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob, wenn dem Antrag stattgegeben ist und Sonderprüfer bestellt wurden, das Ergebnis der Prüfung die Bestellung der Sonderprüfer als begründet nachträglich rechtfertigt oder nicht. Ergibt sich aus der Durchführung der Sonderprüfung, daß der Antrag unbegründet war, so ist es möglich, daß der Gesellschaft nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Ersatzanspruch gegen die Antragsteller erwachsen ist. Besteht danach ein Schadensersatzanspruch etwa aus unerlaubter Handlung, so kann sie zunächst einmal die Erstattung der Gerichtskosten und die Kosten der Prüfung von den Antragstellern verlangen. Sie kann aber auch einen darüber hinausgehenden Schaden geltend machen. Das Gesetz hat zwar die besondere Bestimmung des § 121 IV S. 2 AktG 37 nicht übernommen, wonach Aktionäre, denen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, für den der Gesellschaft durch den Antrag entstehenden Schaden als Gesamtschuldner verantwortlich waren, aber nicht deshalb, weil ein solcher Anspruch nicht geltend gemacht werden könnte, sondern eine solche ausdrückliche Bestimmung erschien überflüssig, weil der Tatbestand weitgehend sich mit dem Tatbestand des § 826 BGB deckt. Soweit § 826 BGB schwächer sein sollte, so ist es nicht gerechtfertigt, einen unbegründeten prozessualen Antrag nach § 142 II mit schärferen Schadensersatzpflichten zu bedrohen als andere prozessuale Anträge.
§ 147 Geltendmachung von Ersatzansprüchen (1) Die Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Gründung gegen die nach den §§ 46 bis 48, 53 verpflichteten Personen oder aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats oder aus §117 müssen geltend gemacht werden, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt oder es eine Minderheit verlangt, 805
§147
Verfassung der Aktiengesellschaft
deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen. Das Verlangen der Minderheit ist nur zu berücksichtigen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Aktionäre, die die Minderheit bilden, seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Gericht oder einem Notar. (2) Der Ersatzanspruch soll binnen sechs Monaten seit dem Tage der Hauptversammlung geltend gemacht werden. (3) Zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs kann die Hauptversammlung besondere Vertreter bestellen. H a t die Hauptversammlung die Geltendmachung des Ersatzanspruchs beschlossen oder eine Minderheit sie verlangt, so hat das Geridit (§ 14) auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen, als Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs andere als die nach §§ 78, 112 oder nach Satz 1 zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Personen zu bestellen, wenn ihm dies f ü r eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die gerichtlich bestellten Vertreter können von der Gesellschaft den Ersatz angemessener barer Auslagen und eine Vergütung f ü r ihre Tätigkeit verlangen. Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. (4) Hat eine Minderheit die Geltendmachung des Ersatzanspruchs verlangt und hat die Gesellschaft, weil sie im Rechtsstreit ganz oder teilweise unterlegen ist, Kosten des Rechtsstreits zu tragen, so ist die Minderheit der Gesellschaft zur Erstattung dieser Kosten verpflichtet. Ist die Gesellschaft ganz unterlegen, so ist die Minderheit der Gesellschaft auch zur Erstattung der Gerichtskosten, die der Gesellschaft durch die Bestellung besonderer Vertreter nach Absatz 3 Satz 2 und 4 entstanden sind, sowie der baren Auslagen und der Vergütung der besonderen Vertreter verpflichtet. I. Übersicht (Anm. 1) II. Art der Ansprüche (Anm. 2) III. Zwang zur Geltendmachung (Anm. 3) 1. H a u p t Versammlungsbeschluß (Anm. 4) 2. Minderheitsverlangen (Anm. 5) IV. Frist zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs (Anm. 6)
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V. Gesetzliche Vertretung der Gesellschaft bei der Geltendmachung (Anm. 7) VI. Vertretung der Gesellschaft durch Sondervertreter 1. nach Hauptversammlungsbeschluß (Anm. 8) 2. nach Gerichtsbeschluß (Anm. 9) VII. Kostentragung (Anm. 10)
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
§ 147
Anm. 1, 2 I. Übersicht Anm. 1: D a s bisherige Recht behandelte die Verpflichtung zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen und die Geltendmachung selbst in zwei verschiedenen Paragraphen (§§ 122 und 123 A k t G 37). Die Vorschriften werden jetzt in § 147 zusammengefaßt und wesentlich vereinfacht. Die Ersatzansprüche werden um die Schadensersatzpflicht aus § 117 (Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft) erweitert. D a s Minderheitenrecht wird vereinfacht. D i e Sonderbestimmung, nach der in gewissen Fällen statt V i o des Grundkapitals nur V20 erforderlich war, ist weggefallen. D a f ü r wird aber die Geltendmachung der Minderheitenrechte dadurch erleichtert, daß die Minderheit nicht mehr für die D a u e r des Rechtstreits Aktien zu hinterlegen hat (bisher § 123 II A k t G 37) und daß das Prozeßgericht der Minderheit keine Sicherheitsleistung mehr auferlegen kann (bisher § 123 I I I A k t G 37). D e r Minderheit bleibt das Prozeßkostenrisiko (Abs. 4). II. A r t der Ansprüche Anm. 2: D a s Gesetz spricht von „Ersatzansprüchen" und nicht mehr, wie der § 122 A k t G 37, von „Ansprüchen". Dadurch w i r d klargestellt, d a ß die Vorschrift nur Ersatzansprüche, dagegen nicht Ansprüche auf E r f ü l l u n g erfaßt. Es muß sich um Ansprüche der Gesellschaft, nicht etwa um solche der einzelnen Aktionäre handeln. Diese können sich einer K l a g e der Gesellschaft u. U . als Nebenintervenienten anschließen. Nicht alle Ersatzansprüche der Gesellschaft schlechthin fallen unter § 147, sondern nur die aus der G r ü n dung oder einer Nachgründung oder der Geschäftsführung und durch die Einfügung des § 117 solche, die sich aus der Geltendmachung eines Einflusses auf Vorstand, Aufsichtsrat und den übrigen in § 117 genannten Personenkreis ergeben. Ersatzansprüche aus der Gründung richten sich gegen die Gründer (§ 46), die Gründergenossen (§ 47) und gegen die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats (§ 48). Die Ersatzansprüche bei der Nachgründung richten sich nach § 53 gegen die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Letzteres gilt auch für alle Ersatzansprüche aus der Geschäftsführung, was im übrigen noch einmal ausdrücklich im Gesetz gesagt wird. Ersatzansprüche der Gesellschaft aus § 117 wegen unzulässiger Beeinflussung des Vorstandes und des Aufsichtsrats sowie der übrigen dort genannten Personen richten sich aber nicht allein gegen die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats, sondern hier kommt einmal derjenige, der den unzulässigen Einfluß ausübt, als Ersatzpflichtiger in Frage und ferner die in § 117 genannten weiteren Personen, d. h. Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte. Neben diesem möglichen Täterkreis haftet nach § 117 I I I derjenige, der einen Vorteil erlangt, sofern er die Einflußnahme vorsätzlich veranlaßt hat 807
§147 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 2,3 und schließlich nach Abs. 2 die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben, als Gesamtschuldner. Es ist die Frage, ob hier die Einfügung des § 117 zur Folge hat, daß die Ersatzansprüche aus § 117 gegen den eigentlichen Täterkreis, § 1 1 7 1 unter die Bestimmungen des § 147 fällt oder nur die nach Abs. 2 gegen die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats. Da es sich bei den Ersatzansprüchen, die nach § 147 geltend zu machen sind, immer um solche handelt, die sich gegen Personen richten, die aus ihrer Stellung zur Aktiengesellschaft zu einer besonderen Sorgfalt verpflichtet sind, so wird man annehmen können, daß aus dem Täterkreis des § 117 I jedenfalls die Personen ausscheiden, die nicht Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates sind, d. h. also der möglicherweise außerhalb der Gesellschaft Stehende, der seinen Einfluß geltend macht und auch die Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten, denen gegenüber der Einfluß geltend gemacht wird. Wenn aber der Einfluß nach Abs. 1 Mitgliedern des Vorstandes oder Aufsichtsrates gegenüber geltend gemacht wird, so sind die Ersatzansprüche nach § 147 zu behandeln; das gleiche gilt für die Ansprüche aus §11711. Wären nur letztere gemeint, so hätte auch nur § 117 II in § 147 erwähnt werden dürfen. Da aber der ganze § 117 erwähnt ist, müssen unserer Meinung nach auch Ansprüche aus § 117 I, soweit sie sich gegen Mitglieder des Vorstandes oder Aufsichtsrats richten, nach § 147 geltend gemacht werden. Nicht nur die Ersatzansprüche, die sich gegen im Amt befindliche Verwaltungsmitglieder richten, sind geltend zu machen, sondern auch diejenigen, die sich gegen ehemalige Verwaltungsmitglieder richten. Wie lange die Vorgänge zurückliegen, ist hier anders als im Falle des § 142 II gleichgültig. Belanglos ist ferner, trotz des Wortlauts, ob etwa das zu belangende Verwaltungsmitglied bereits ausgeschieden ist (KGJ 21 A 86). III. Zwang zur Geltendmachung Anm. 3: Die Ansprüche müssen geltend gemacht werden, a) wenn es die Hauptversammlung auch mit nur einfacher Stimmenmehrheit beschließt (s. Anm. 4), b) wenn es in der Hauptversammlung eine Minderheit von 10 °/o nicht nur des vertretenen, sondern auch des nicht stimmberechtigten Grundkapitals verlangt (s. Anm. 5). Weder das Mehrheitserfordernis zu a) noch das Mindesterfordernis zu b) kann erhöht werden. In beiden Fällen ist von den zur Durchführung der Ansprüche berufenen Organen nicht zu prüfen, ob die Ansprüche aussichtsvoll sind. Es sind diese vielmehr geltend zu machen, auch wenn sie offensichtlich unbegründet oder etwa nach §§ 51, 53, 93,116 verjährt sind. 808
Geltendmadiung von Ersatzansprüchen
§147 Anm. 3—5
Daneben besteht die Pflicht der Verwaltungsorgane, bei Vermeidung ihrer Verantwortlichkeit aus §§93, 116, auch ohne Verlangen der Hauptversammlung oder einer Minderheit, diejenigen Ansprüche geltend zu machen, die sie bei pflichtmäßigem Ermessen für begründet halten. Die früher umstrittene Frage, ob, wenn Entlastung erteilt sei, Ansprüche noch geltend gemacht werden können, ist heute überholt, da nach § 120 II S. 2 die Entlastung keinen Verzicht auf Ersatzansprüche enthält. 1. Hauptversammlungsbeschluß Anm. 4: Die Geltendmachung aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses hat zur Voraussetzung, daß diese als Punkt der Tagesordnung angekündigt ist. Es kann nicht als Ergebnis der Verhandlungen über die Entlastung die Geltendmachung von Ersatzansprüchen beschlossen werden, wenn sie nicht angekündigt ist. Dagegen kann sich aus dem Tagesordnungspunkt, Vorlage des Berichtes der Sonderprüfer, ein solcher Beschluß der Hauptversammlung ergeben, auch wenn der Vorstand bei der Tagesordnung ihn nicht vorgeschlagen hat, sondern sein Vorschlag etwa dahin geht, den Bericht lediglich zur Kenntnis zu nehmen. Der Beschluß kann, wie jeder Beschluß der Hauptversammlung, wenn die Voraussetzungen vorliegen, angefochten werden. 2. Minderheitsverlangen Anm. 5: Eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des gesamten Grundkapitals erreicht, nicht etwa nur des in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals, kann die Geltendmachung der Ersatzansprüche verlangen. Hier ist keine Minderheit mit einem absoluten Betrag von Aktien im Nennbetrag von 2 Millionen vorgesehen, weil hier das Verlangen der Minderheit sich unmittelbar ohne richterliche Nachprüfung auswirkt. Ganz allgemein ist im Gesetz durchgeführt, daß nur in den Fällen, in denen es sich entweder um Angelegenheiten handelt, die nur für eine kurze Zeitspanne Bedeutung haben, wie z. B. Änderung der Geschäftsordnung der Hauptversammlung durch Vorziehen eines Wahl Vorschlages oder wenn sich das Vorgehen der Minderheit auf die Gesellschaft erst nach einer Entscheidung des Gerichtes auswirken kann, gegen die stets die sofortige Beschwerde für zulässig erklärt ist. Im einzelnen vgl. hierzu Anm. 5 zu § 142. Auch das Minderheitsverlangen kann nur in einer Hauptversammlung gestellt werden. Es bedarf auch hier einer besonderen Ankündigung in der Bekanntmachung der Tagesordnung. Die in der Vorauflage vertretene Auffassung, daß die Geltendmachung zum Tagesordnungspunkt gefordert werden kann, wird nicht aufrechterhalten, nachdem durch § 120 II ausdrücklich festgelegt worden ist, daß die Entlastung keinen Verzicht auf Ersatzansprüche enthält. Die Minderheit ist in der Ausübung ihres Rechtes dadurch auch nicht beschränkt, da sie nach § 122 die Möglichkeit hat, selbst die Ein809
§147 Anm. 5,6
Verfassung der Aktiengesellschaft
berufung einer H a u p t v e r s a m m l u n g mit entsprechender T a g e s o r d n u n g zu erzwingen. Ein Minderheitsverlangen ist nach heute durchaus herrschender Meinung nicht anfechtbar. Mängel des Verlangens, daß es z. B . in keinem Zusammenhang mit der angekündigten Tagesordnung steht, können aber von der Beklagten im Rechtstreit eingewandt werden, sind auch in einem Verfahren zur gerichtlichen Bestellung der Sonderprüfer zu prüfen und schließen endlich die gesetzliche Folge des Verlangens aus, daß der Anspruch geltend gemacht werden muß. D a s Verlangen der Minderheit muß ausdrücklich gestellt werden, es genügt nicht der von der erforderlichen Minderheit gestellte oder unterstützte Antrag, daß die H a u p t v e r s a m m l u n g beschließen wolle, den Anspruch geltend zu machen, noch daß bei einem von der Mehrheit abgelehnten A n t r a g eine genügende Minderheit d a f ü r gestimmt hat ( K G J 20 A 170). D a s Minderheitsverlangen kann auch neben einem damit übereinstimmenden H a u p t versammlungsbeschluß gestellt werden und hat audi neben einem solchen Bedeutung. E s kann jedoch in einem mit 10 °/o des G r u n d k a p i t a l s gefaßten Mehrheitsbeschluß allein nicht auch gleichzeitig ein Minderheitsverlangen erblickt werden (h. A . ; a. A . Ritter § 122 Anm. 2 b). Andererseits ist (nach zutreffender h. M., anders K G J 20 A 167) Beschlußfassung nicht V o r a u s setzung, auch nicht wie in § 142 I I , daß ein A n t r a g abgelehnt wurde. D a s Verlangen hat nicht selbst N a t u r oder F o r m eines Beschlusses. U m die Identität der Minderheit im Falle des Abs. 2 festzuhalten, empfiehlt es sich, die N a m e n der Aktionäre, aus denen sich die Minderheit zusammensetzt, in die Niederschrift aufzunehmen. J e d e r zur Minderheit gehörige A k t i o n ä r muß glaubhaft machen, daß er seit mindestens 3 Monaten vor der H a u p t v e r sammlung Inhaber der Aktie ist. Z u r Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung v o r einem Gericht oder einem N o t a r , z. B . dem, der die H a u p t v e r s a m m l u n g protokolliert (vgl. auch § 142 A n m . 5). D a das Gesetz die Bestimmung des § 133 I I A k t G 37, wonach die Minderheit verpflichtet war, f ü r die D a u e r des Rechtsstreits die zur Geltendmachung des Verlangens notwendige Zahl von Aktien zu hinterlegen, nicht übernommen hat, braucht die Minderheit, die sich zusammengefunden hat, um das Verlangen zu stellen, nicht mehr weiter zu bestehen. S o b a l d das Verlangen ordnungsgemäß geltend gemacht ist, löst es die Folge aus, daß die Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen sind, und z w a r v o n dieser, gleichgültig durch wen die Gesellschaft vertreten wird, ob durch ihren Vorstand, den Aufsichtsrat (§ 112) oder etwa durch von der H a u p t v e r sammlung oder dem Gericht nach Abs. 3 besonders bestellten Vertreter. I V . Frist zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs
Anm. 6: Der Ersatzanspruch soll innerhalb von 6 Monaten nach dem T a g e der H a u p t v e r s a m m l u n g geltend gemacht werden. Wird der Anspruch später 810
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
§147
Anm.6—8
geltend gemacht, so kann dies nicht zur Klageabweisung führen, wohl aber haften die säumigen Sondervertreter oder Verwaltungsmitglieder nach §§ 93, 116 der Gesellschaft, nicht aber im Falle der Geltendmachung auf Verlangen einer Minderheit und auch deren Mitglieder, es sei denn, daß eine Haftung für einen durch die Verzögerung etwa entstandenen Schaden aus §§ 823 ff. BGB in Frage kommt. Die Frist rechnet (vgl. §§ 187 und 188 BGB) vom Tage der Hauptversammlung ab, in der die Geltendmachung beschlossen oder verlangt wurde. V. Gesetzliche Vertretung der Gesellschaft bei der Geltendmachung Anm. 7: Zur Geltendmachung der Ansprüche ist grundsätzlich der Vorstand berufen, der Aufsichtsrat zur Führung der von der Hauptversammlung beschlossenen Rechtsstreitigkeiten gegen den Vorstand (§ 112), audi wenn Ansprüche auf Verlangen der Minderheit geltend zu machen sind. VI. Vertretung der Gesellschaft durch Sondervertreter 1. nach Hauptversammlungsbeschluß Anm. 8: Die Hauptversammlung kann — auch bei nur Minderheitsverlangen und auch gegenüber einer negativen Feststellungsklage — zur Geltendmachung der Ersatzansprüche schlechthin besondere Vertreter bestellen. Letzteres ist in 2 Fällen unumgänglidi, nämlich wenn alle im Amt befindlichen und belassenen Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats verklagt werden sollen, ferner, wenn der Vorstand oder Aufsichtsrat es unterläßt, den beschlossenen Rechtsstreit einzuleiten. In diesem Fall bleibt nichts anderes übrig, als nach § 122 eine neue Hauptversammlung einberufen zu lassen. Die gewählten Sondervertreter sind im Rahmen ihrer Befugnisse, also soweit es zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs erforderlidi ist, gesetzliche Vertreter der Gesellschaft. Jeder andere Vertreter der Gesellschaft ist insoweit ausgeschlossen (vgl. R G 83, 248). Gerichtlich bestellte Vertreter schließen die erwählten Vertreter aus ( J W 3 1 , 2920). Hat der Vorstand oder aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses der Aufsichtsrat bereits Klage erhoben und werden nachträglich durdi Hauptversammlung oder Gericht Sondervertreter bestellt, so können diese nicht eine neue Klage erheben, ohne der Einrede der Rechtshängigkeit zu begegnen. Sie führen vielmehr den schwebenden Rechtsstreit fort, nachdem durch ihre Bestellung die bisherigen gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft ausgeschaltet sind. Prozeßpartei auf der Klageseite ist die Gesellschaft, nicht etwa die Minderheit. Soweit die Vorstandsmitglieder nicht Partei sind, können sie in dem für die Gesellschaft von Sondervertretern geführten Rechtsstreitigkeiten als Zeugen vernommen werden. Das Prozeßgericht hat nicht nachzuprüfen, ob die Vertreter ordnungsgemäß bestellt sind (OLG Hamburg in Z H R 43, 326). Die 811
§147 Anm. 8,9
Verfassung der Aktiengesellschaft
Vertreter haben das Recht, von der Gesellschaft die nötigen Unterlagen zu verlangen (RG 83, 248). Sie können evtl. gegen die Gesellschaft auf Herausgabe klagen. Ebenso hat ihnen der Vorstand auf Verlangen Auskunft zu geben. Mehrere Sondervertreter handeln gemeinsam. 2. nach Gerichtsbeschluß Anm. 9: Eine Minderheit von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des gesamten, nicht etwa nur des vertretenen Grundkapitals, oder den Nennbetrag von 2 Millionen DM erreichen, können bei Gericht den Antrag stellen, andere Vertreter zu bestellen. Hier kann der Antrag auch von einer Minderheit mit festem Nennbetrag gestellt werden, weil es sich hier um einen Antrag an das Gericht handelt, gegen dessen Entscheidung die sofortige Beschwerde zulässig ist. Es kann also nichts geschehen, bevor der Antrag nicht das Filter der gerichtlichen Entscheidung in zwei Instanzen durchlaufen hat. Vgl. hierzu im einzelnen § 142 Anm. 1 und 5. Der Antrag kann stets gestellt werden, gleichgültig ob die Hauptversammlung die Geltendmachung der Ersatzansprüche beschlossen hat, oder ob eine Minderheit die Geltendmachung verlangt hat. Es ist auch gleichgültig, ob die Gesellschaft bei der Geltendmachung der Ersatzansprüche von ihren gesetzlichen Vertretern, also Vorstand oder evtl. Aufsichtsrat, vertreten wird, oder ob die Hauptversammlung besondere Vertreter bestellt hat. In allen Fällen hat das Gericht nach § 14, d. h. das für die Gesellschaft zuständige Registergericht, auf Antrag der Minderheit als Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung der Ersatzansprüche andere Personen zu bestellen, als nach §§78 (Vorstand), 112 (Aufsichtsrat) oder nach § 147 III S. 1 (von der Hauptversammlung bestellte Sondervertreter) an sich zur Vertretung zuständig wären, wenn dem Gericht dies für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint. Da die Erfordernisse für die Minderheit in Abs. 1 andere sind, als in Abs. 3, ist es durchaus möglich, daß eine Minderheit vorhanden ist, die zwar nicht mit Erfolg die Geltendmachung von Ersatzansprüchen verlangen kann, aber, wenn die Hauptversammlung mit Mehrheit die Geltendmachung beschließt, dadurch eingreifen kann, daß sie, wenn etwa die Hauptversammlung ungeeignete Sondervertreter bestellt oder die gesetzlichen Vertreter nach den Umständen des Falles als ungeeignet erscheinen, daß sie den Antrag auf Bestellung anderer Personen bei Gericht stellt. In der Auswahl der Personen hat das Gericht — im Gegensatz zum bisherigen Recht, wo es an die Vorschläge der Minderheit gebunden war — völlig freie Hand, da es sich um die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs der Gesellschaft und nicht eines solchen der Minderheit handelt. Bei der Prüfung der Frage, ob dem Antrag stattzugeben ist, hat das Gericht nunmehr nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen, ob die Bestellung anderer Personen für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig 812
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
§ 147 Anm. 9,10
erscheint. Damit ist dem Gericht immer noch ein erheblicher Spielraum gelassen worden. Das Verfahren ist das der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Beteiligten, d. h. also die Minderheit und die Gesellschaft, aber auch ein etwa bereits nach Abs. 2 S. 1 bestellter Sondervertreter, sind zu hören. Nicht zu prüfen hat das Gericht, ob die geltend zu machenden Ansprüche aussichtsreich sind. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die Rechtstellung der gerichtlich bestellten Sondervertreter ist die gleiche wie die der von der Hauptversammlung bestellten. Sie sind gesetzliche Vertreter der Gesellschaft, nicht etwa der Minderheitsaktionäre. Als solche sind sie Herren des Rechtstreits, jedoch sind sie verpflichtet, die Ansprüche in Höhe des Hauptversammlungsbeschlusses bzw. des Minderheitsverlangens durchzuführen. Für einen Verzicht oder Vergleich sind die besonderen Bestimmungen des § 50 S. 1 und 93 I V S. 3 zu beachten. Um die Unabhängigkeit der vom Gericht bestellten Sondervertreter zu sichern, haben diese, ähnlich wie die Prüfer, die Möglichkeit, das Gericht anzurufen, wenn sie mit der Gesellschaft über den Ersatz ihrer angemessenen baren Auslagen und der Vergütung nicht einig werden sollten. In diesem Fall setzt das Gericht auf Antrag die Auslagen und die Vergütung fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Zuständig ist auch hier das Gericht nach § 14, also das Registergericht. Aus der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Das Amt des Sondervertreters endigt durch T o d oder Verlust der Geschäftsfähigkeit, Tilgung des Anspruchs. Das Amt der gewählten Sondervertreter ferner durch Abberufung seitens der Hauptversammlung, durch Bestellung gerichtlicher Stellvertreter auf Verlangen der Minderheit. Das Amt der letzteren durch gerichtliche Abberufung (welche die Minderheit anregen, aber nicht etwa selbst beschließen kann). Das Gesetz hat den besonderen Haftungstatbestand des § 123 V A k t G 37 nicht übernommen, der einen besonderen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns der Aktionäre vorsah. Es verbleibt aber möglicherweise ein Ersatzanspruch aus § 826 B G B (vgl. hierzu im einzelnen Anm. zu § 146). V I I . Kostentragung Anm. 10: Wer die Kosten des Rechtstreits zu tragen hat, entscheidet das Gericht, Partei auf der einen Seite ist immer die Gesellschaft, gleichgültig ob die Hauptversammlung die Geltendmachung der Ersatzansprüche beschlossen hat oder die Minderheit es erzwungen hat. Ist ersteres der Fall, so bleibt es bei der gerichtlichen Entscheidung. Die Gesellschaft hat die Kosten zu tragen, die ihr das Prozeßgericht auferlegt hat. H a t die Minderheit die Geltendmachung der Ersatzansprüche verlangt, so hat zunächst einmal die 813
§ 1 4 7 / V o r b e m . § 148
Anm. 10
Verfassung der Aktiengesellschaft
Gesellschaft auch die Kosten zu tragen, die ihr das Prozeßgericht auferlegt. Sie hat jedoch einen Ersatzanspruch gegen die Minderheit, soweit es sich um Kosten handelt, die ihr deshalb auferlegt werden, weil sie im Rechtsstreit ganz oder teilweise unterlegen ist. Das müssen nicht alle Kosten sein; so ist es denkbar, daß die Gesellschaft deshalb Prozeßkosten zu tragen hat, weil sie z. B. einen Termin versäumt hat (§ 95 ZPO), diese Kosten kann sie nicht der Minderheit gegenüber geltend machen. Der Erstattungsanspruch der Gesellschaft ist nicht von einem Verschulden der Minderheit abhängig. Die Minderheit trägt das volle Prozeßrisiko, das sich aus ihrem Verlangen ergibt. Darüber hinaus haftet sie auch, wenn die Gesellschaft ganz unterlegen ist und sich damit gezeigt hat, daß das Verlangen der Minderheit unbegründet war. So hat die Gesellschaft auch einen Anspruch auf Erstattung der Gerichtskosten, die der Gesellschaft durch die Bestellung besonderer Vertreter nach Abs. 3 S. 2 und 4 entstanden sind und weiterhin auch einen Anspruch auf Ersatz der baren Auslagen und der Vergütung dieser besonderen Vertreter. Aus dieser besonderen gesetzlichen Bestimmung ergibt sich der Rückschluß, daß die baren Auslagen und die Vergütung der besonderen Vertreter nicht zu den Prozeßkosten gehören. Das ergibt sich aus der Stellung der Sondervertreter als gesetzliche Vertreter der Gesellschaft. Vertreten die letzteren die Gesellschaft, so entsteht jedenfalls kein Vergütungsanspruch, denn die Vertretung gehört zu ihren Obliegenheiten. Es könnten bare Auslagen der Gesellschaft entstehen, diese sind möglicherweise als Prozeßkosten erstattungsfähig. Soweit hier von baren Auslagen die Rede ist, sind es aber nicht solche, die der Gesellschaft, sondern den besonderen Vertretern unmittelbar entstehen. Vorbemerkung vor § 148 Die Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft geht davon aus, daß eine Vielzahl von Geldgebern sich als Aktionäre an der Gesellschaft beteiligen, die Geschäftsführung in den Händen anderer Personen, den Mitgliedern des Vorstandes, liegt, die vom Aufsichtsrat überwacht werden. Es ist ein allgemeiner Grundsatz, daß derjenige, der fremdes Geld zu verwalten hat, hierüber Rechenschaft zu legen hat, und zwar gegenüber demjenigen, der das Geld gegeben hat, das sind hier die Aktionäre. Die Bestimmungen über die Rechnungslegung sind deshalb von jeher ein Kernstück des Aktienrechts gewesen. Es ist das Ziel des Gesetzes, den Aktionären einen möglichst eingehenden Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu geben. Deshalb sind die Bestimmungen über die Rechnungslegung gegenüber dem bisher geltenden Recht verschärft. Bereits das Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. 12. 59 (BGBl. I S. 789) hat die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung verfeinert; das neue Gesetz geht auf diesem Gebiet insofern weiter, als 814
Geltendmadiung von Ersatzansprüchen
Vorbem. § 148
es jetzt nur noch die Staffelform für die Gewinn- und Verlustrechnung zuläßt, während bisher daneben auch die Kontoform zulässig war. Ferner ist nunmehr auch die Bilanz so gegliedert, daß sich ihr Aussagewert, insbesondere hinsichtlich der Liquidität, erhöht. Der Aufbau des Gesetzes ist gegenüber dem bisherigen insofern geändert, als die Vorschriften in der zeitlichen Reihenfolge, in der sich die Rechnungslegung abspielt, aufgeführt werden. An der Spitze stehen die Bestimmungen über die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes (§§ 148 bis 161). Es folgen die Vorschriften über die Prüfung durch den Abschlußprüfer (§§ 162 bis 169) und durch den Aufsichtsrat (§ 170 bis 171), erst dann die Feststellungen des Jahresabschlusses (§§ 172 u. 173) und die Gewinnverwendung (§ 174). Es folgen die Bestimmungen über die ordentliche Hauptversammlung (§§ 175 u. 176) und über die Bekanntmachung des Jahresabschlusses (§§ 177 u. 178). Nach § 14 E G gelten die Vorschriften über die Rechnungslegung erstmals für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr; bis zu diesem Zeitpunkt, der bei den einzelnen Gesellschaften ein verschiedener ist, je nachdem wann das Geschäftsjahr nach den Satzungen endet, bleibt es jeweils für die einzelne Gesellschaft bei den bisherigen gesetzlichen Vorschriften. Soweit die Gesellschaften die Satzungsbestimmungen auf die neuen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere über die Gewinnverwendung, bereits umgestellt haben, ist davon auszugehen, daß diese Umstellung im Hinblick auf das Inkrafttreten der Bestimmungen über die Rechnungslegung erfolgt, so daß, wenn die neuen Satzungsbestimmungen etwa zu den bisherigen gesetzlichen Vorschriften nicht passen, sie noch nicht anzuwenden sind, sondern erst dann, wenn für die Gesellschaft die neuen gesetzlichen Bestimmungen Anwendung finden. Durch das Einführungsgesetz wird lediglich der späteste Zeitpunkt bestimmt, für den die Vorschriften über die Rechnungslegung für die einzelne Gesellschaft anzuwenden sind. Die Gesellschaft kann bereits die neuen gesetzlichen Vorschriften auch auf ein früheres Geschäftsjahr anwenden. Dies bedarf keines Beschlusses der Hauptversammlung, vielmehr entscheidet dies zunächst der Vorstand; man wird jedoch annehmen müssen, daß dieser außergewöhnliche Beschluß des Vorstandes der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf. Das gilt sicherlich dann, wenn etwa dadurch Tantiemeansprüche der Aufsichtsratsmitglieder zu deren Ungunsten beeinflußt werden. Es wäre auch höchst unzweckmäßig, wenn ein Vorstand gegen den Willen des Aufsichtsrates sich hier durchsetzen wollte, denn der Aufsichtsrat kann die Zustimmung zum Jahresabschluß verweigern, so daß er dann der Hauptversammlung zur Feststellung vorgelegt werden müßte. Nach § 15 E G gelten auch die Bestimmungen über die Verwendung des Jahresüberschusses und über die Gewinnverwendung erstmalig für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr. D a die §§ 14 u. 15 E G die 815
Vorbem. § 148
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gleiche Überschrift tragen wie der 5. Teil des 1. Buches und inhaltlich besagen, daß die Vorschriften über Rechnungslegung und Gewinnverwendung erstmalig auf das nach dem 31.12. 66 beginnende Geschäftsjahr Anwendung finden, sollte man daraus schließen können, daß die gesamten Vorschriften des 5. Teils des ersten Buches — daneben auch noch § 58 — erst von dem oben genannten Zeitpunkt an Gültigkeit haben. Das ist jedoch umstritten. Der Sonderausschuß des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (BB 1966, 52) hat sich auf den Standpunkt gestellt, es sei sicherheitshalber davon auszugehen, daß gewisse Abschnitte des 5. Teils des 1. Buches bereits am 1.1. 1966 in Kraft treten, insbesondere die Vorschriften über die Prüfung des Jahresabschlusses, soweit sie nicht auf später in Kraft tretende Rechnungslegungsvorschriften Bezug nehmen. Das Bundesjustizministerium hat auf Anfrage diese Auffassung für vertretbar erklärt. Inzwischen hat Kropff in DB 1966, 709 ff. überzeugend dargelegt, daß § H E G einengend dahin ausgelegt werden müsse, daß er sich nur auf die Vorschriften bezieht, die sich unmittelbar mit der Rechnungslegung der Verwaltung durch den Jahresabschluß befassen, also zunächst auf die Vorschriften über die äußere Gestalt und den inneren Gehalt des Jahresabschlusses (§§ 151—159). Das wirkt sich auch auf andere Vorschriften des 5. Teils aus, so auf die Frist des § 148 zur Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses, auf § 150, soweit darin eine Bestimmung für die Bildung der gesetzlichen Rücklage enthalten ist. Es gilt zunächst § 130 AktG 37 weiter. Beim Geschäftsbericht treten Zweifel auf; Abs. 2 des § 160 ist eindeutig auf die neuen Bewertungsvorschriften zugeschnitten, für ihn gilt mithin § 14 EG. Bei einigen Nr. des Abs. 2 ist dies, wie Kropff (a. a. O.) zuzugeben ist, zweifelhaft. Gerade deswegen aber kann es keine nachteiligen Folgen haben, wenn der Vorstand sich auf den Standpunkt stellt, daß die Ubergangsfrist für den ganzen § 160 gilt. § 14 EG ist nicht anzuwenden auf § 161, da ein Interesse daran besteht, daß von der darin enthaltenen Ermächtigung, Formblätter zu erlassen, möglichst bald Gebrauch gemacht wird. Ferner ist § 14 nicht anzuwenden auf die Prüfung durch Abschlußprüfer (§§ 162—169) und durch den Aufsichtsrat (§§ 170, 171), die Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 172, 173), die ordentliche Hauptversammlung (§§ 165, 176), mit der Einschränkung, daß kein Gewinnverwendungsvorschlag zu machen ist, und die Bekanntmachung des Jahresabschlusses (§§ 177, 178). Die Gewinnverwendung (§ 174) fällt unter die Übergangsvorschrift des § 15 EG.
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Aufstellung durch den Vorstand
§148
Fünfter Teil Rechnungslegung. Gewinnverwendung E r s t e r Abschnitt A u f s t e l l u n g des Jahresabschlusses u n d des Geschäftsberichts § 148 Aufstellung durch den Vorstand Der Vorstand hat in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr die Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung (Jahresabschluß) sowie den Geschäftsbericht aufzustellen und den Abschlußprüfern vorzulegen. Der Jahresabschluß der Gesellschaft ist zweigeteilt und besteht aus der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Damit ist letztere und eine entsprechende Buchführung für die Aktiengesellschaft zwingend vorgeschrieben, während eine gleiche Vorschrift für andere Kaufleute nach H G B nicht besteht, diese vielmehr ihr Kapital in einem Posten ausweisen dürfen, so daß sich nur aus einem Vergleich mit der vorjährigen Bilanz Kapitalzuwachs oder -Schwund ergeben. Der Gesamtvorstand hat den Jahresabschluß aufzustellen und damit an seiner Feststellung mitzuwirken. Jedes Vorstandsmitglied ist für die Erfüllung der Pflicht haftbar, was nicht ausschließt, daß — unter Mitverantwortung aller übrigen — einzelne Vorstandsmitglieder damit betraut werden. Das Gesetz unterscheidet zwischen der Aufstellung des Jahresabschlusses und seiner Feststellung. Ersterer ist die Vorbereitung der letzteren. Zwischen beiden liegt die Abschlußprüfung und die Prüfung durch den Aufsichtsrat. Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist allein Sache des Vorstandes, auch die Satzung kann hieran nichts ändern. Die Übertragung auf den Aufsichtsrat ist nicht möglich, da es sich um eine Maßnahme der Geschäftsführung handelt. Die Aufstellung des Jahresabschlusses, seine Vorlegung an die Abschlußprüfer, später an den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung, ist eine öffentliche Pflicht und als solche durch Ordnungsstrafe (§ 407) erzwingbar, aber auch eine Verpflichtung des Vorstandes gegenüber der Gesellschaft. Die Gesellschaft kann, wenn ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluß ergeht, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112), auf Erfüllung klagen. Der Aufsichtsrat als solcher ist ebensowenig zur Klage berechtigt wie ein Aktionär oder eine Aktionärminderheit. Selbstverständlich kann aber jeder
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Wilhelm!, Aktiengesetz
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§148
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
Interessierte beim Registergericht die Erzwingung durch Festsetzung von Ordnungsstrafen anregen. Der Aufsichtsrat muß dies tun, ebenso wie jedes Mitglied in Erfüllung seiner Überwachungspflicht. Die Aufstellung des Jahresabschlusses beginnt mit den buchhalterischen Arbeiten, die bestimmt sind, das Ergebnis der Bücher festzustellen. Sie sind Aufgabe der Buchhaltung. Hier ist für eine Willensentschließung des Vorstandes kein Platz. Dazu gehört aber auch die Inventuraufnahme, insbesondere die Aufnahme der Fertig-, Halb- u. Rohwaren, sowie der Fabrikationsmaterialien. Hier ist es der Vorstand, der die Grundsätze bestimmt, nach denen das Inventar aufgestellt wird, insbesondere seine Bewertung zu erfolgen hat. Dasselbe gilt von der Bemessung der Abschreibungen und Wertberichtigungen. Außerdem ist die Einbringlichkeit der Außenstände zu prüfen und bei deren Bewertung zu berücksichtigen. Audi darin liegt eine Willensentschließung, welche Sache des Vorstandes ist. Bis dahin ist eine Mitwirkung des Aufsichtsrates schwer denkbar, obwohl zu seiner Überwachungspflicht gehört, sich in geeigneter und zuverlässiger Weise auch davon zu überzeugen, daß diese Arbeiten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters erledigt worden sind. Für echte Willensentschlüsse läßt bis dahin die Aufstellung des Jahresabschlusses keinen Raum. Diese beginnt erst, wenn der Rohabschluß vorliegt. Nunmehr hat sich der Vorstand schlüssig zu werden, welchem besonderen Risiko oder bevorstehenden Aufwendungen (Steuern) er durch besondere Rückstellungen begegnen, welche außerordentlichen Abschreibungen oder Wertberichtigungen er vornehmen und inwieweit er offene Rüdilagen schaffen will. Dabei ist er selbstverständlich an die gesetzlichen Bewertungsvorschriften und in bezug auf Einstellung in offene Rücklagen an die Bestimmung des § 58 sowie an etwaige Satzungsbestimmungen gebunden, sofern diese sich in den Grenzen des § 23 IV bewegen. Daran reiht sich die Feststellung der Gewinnanteile der Gewinnanteilsberechtigten. Alles das versteht das Gesetz unter „Aufstellung" des Jahresabschlusses, die also der vollständige, wenn auch nicht unabänderliche Entwurf des Jahresabschlusses ist. Zum Jahresabschluß gehört der Geschäftsbericht, da in ihm der Jahresabschluß zu erläutern ist und er Angaben über die Bewertungsmethoden, insbesondere Abweichungen von den bisherigen Bewertungsmethoden, enthalten muß (§ 160 II). Das Gesetz schreibt deshalb vor, daß beide zusammen innerhalb der ersten drei Monate aufzustellen sind. Spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums müssen beide den Abschlußprüfern vorgelegt werden. Nach dem bisherigen Recht hatte die Vorlage an den Aufsichtsrat zu erfolgen; die Frist von 3 Monaten konnte durch die Satzung bis zu äußerst 5 Monaten verlängert werden. Das ist jetzt nicht mehr möglich, die Frist ist eine gesetzliche, die Satzung kann keine andere Frist bestimmen (§ 23 IV). 818
Inhalt des Jahresabschlusses
§149 Anm. 1—3
§ 149 Inhalt des Jahresabschlusses (1) Der Jahresabschluß hat den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen. Er ist klar und übersichtlidi aufzustellen und muß im Rahmen der Bewertungsvorsdiriften einen möglichst sidieren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft geben. (2) Soweit in den folgenden Vorschriften nidits anderes bestimmt ist, sind die Vorschriften des Vierten Abschnitts des Ersten Buchs des Handelsgesetzbuchs über Handelsbüdier anzuwenden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Zu beachtende Grundsätze und VorSchriften (Anm. 2)
1. Allgemeine Grundsätze (Anm. 3) 2. Rechtssätze (Anm. 4) III. Verstoß (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht der des § 129 AktG 37. Neu ist lediglich die Ergänzung des Abs. 1 S. 2. Danach ist der Jahresabschluß so aufzustellen, daß er im Rahmen der Bewertungsvorschriften einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft gewährt. Diese Einfügung war notwendig, weil die neuen Bewertungsvorschriften einen erheblichen Spielraum in der Wahl der Bewertungs- und Abschreibungsmethode lassen. Es erschien deshalb zweckmäßig, gerade in der vorliegenden Bestimmung, die sich mit allgemeinen Grundsätzen für die Rechnungslegung befaßt, auch für die Bewertungsvorschriften den allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck zu bringen, daß bei der Wahl der Bewertungsmethoden und bei der Anwendung der gesetzlichen Bewertungsvorsdiriften der zulässige Rahmen dadurch gebildet wird, daß der Jahresabschluß im ganzen einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft geben muß. Dabei ist auf der anderen Seite zu beachten, daß die Bewertungsvorschriften dieser Forderung im Einzelfall bis zu einem gewissen Grade entgegenstehen können, wegen des Verbots einen höheren Wert als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. II. Zu beachtende Grundsätze und Vorschriften Anm. 2: Der Abs. 1 gibt allgemeine Richtlinien, nach denen der Jahresabschluß aufzustellen ist, während Abs. 2 die Rechtssätze, nach denen er aufzustellen ist, aufführt. Das sind zunächst die §§ 150—159 und 161, ferner die §§ 39—42 HGB. 1. Allgemeine Grundsätze Anm. 3: Der Jahresabschluß hat den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen. Diese im einzelnen auszuführen, hat das Gesetz ver52*
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§ 149
Anm. 3
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mieden, weil sie zu zahlreich und mannigfaltig sind und einer ständigen Entwicklung unterliegen. Der Jahresabschluß muß klar und übersichtlich sein. Er muß vor allem dem Grundsatz der Bilanzwahrheit entsprechen. Nach dem bisherigen Redit war dieser Grundsatz insoweit eingeschränkt, als das Gesetz zwar eine Höchstbewertung für Aktiven vorschrieb, aber einer Minderbewertung ausdrücklich freien Spielraum ließ. Das ist jetzt insofern anders, als es zwar nach wie vor nicht zulässig ist, Aktiven höher zu bewerten, als die gesetzlichen Vorschriften es erlauben. Es ist aber hinzugekommen, daß das Gesetz nicht nur die Höchstgrenze der Bewertung festsetzt, sondern bestimmt, zu welchen Werten die Gegenstände anzusetzen sind. Es läßt also nicht mehr eine Unterbewertung der Aktiven zu. Das gleiche gilt umgekehrt für die Passiven. Hier gilt nicht mehr nur eine Wertgrenze, zu der sie mindestens eingesetzt werden müssen, sondern es ist bestimmt, zu welchem Betrag sie einzusetzen sind; sie können also nicht beliebig überhöht werden (vgl. im einzelnen Vorbemerkung zu §§ 153 bis 156 und die Einzelanmerkungen zu diesen Paragraphen). Der Jahresabschluß muß ferner einen möglichst sicheren Einblick in die Lage der Gesellschaft gewähren. Dies setzt voraus, daß der Jahresabschluß vollständig ist. Es darf nichts fehlen, es kann eine Gruppe von Gegenständen bis auf 1,— D M abgeschrieben werden, sie muß aber immer noch in dem Jahresabschluß aufgeführt werden (RG 131, 197). Das gilt sogar von Rechnungsabgrenzungsposten. Es darf keine Neuanschaffung über Aufwendungen gebucht und bei der Inventur kein Stück nicht mitgezählt werden. Erdichtete Passivposten sind unstatthaft. Endlich muß der Jahresabschluß einheitlich sein. Es sind zwar Sonderabschlüsse für Zweiggeschäfte oder einzelne Geschäftszweige zulässig; neben ihnen muß aber die Aktiengesellschaft einen Gesamtabschluß vorlegen. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft ein Konzernunternehmen ist und ein Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß erstellt wird. Es gilt sogar für die eingegliederte Gesellschaft, die lediglich nach § 325 von der Einreichung und Bekanntmachung ihres Jahresabschlusses unter bestimmten Voraussetzungen befreit ist. Bilanzkontinuität in dem Sinne, daß die Verwaltung ein für allemal an die einmal benutzten Werte oder Bewertungsmethoden gebunden wäre, ist nicht vorgeschrieben, aber sie muß, wenn sie von den bisherigen Grundsätzen abweicht, dies im Geschäftsbericht angeben, u. U. den Betrag, um den sich die Bilanz dadurch verändert (vgl. im einzelnen zu § 160). Diese Angaben im Geschäftsbericht sollen die Einschränkung, die in der Bestimmung liegt, daß der möglichst sichere Einblick nur „im Rahmen der Bewertungsvorschriften" gegeben sein muß, wieder ausgleichen. Der Jahresabschluß ist nicht dazu da, eine objektive Bewertung des Vermögens der Gesellschaft am Bilanzstichtag zu geben, sondern die Entwicklung des Vermögens der Gesellschaft zwischen den Bilanzstichtagen. Es kommt also darauf an, daß man er820
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sehen kann, inwieweit sich das Vermögen geändert hat. Das kann man aber nur, wenn entweder die Bewertungsmethoden und die Bewertung selbst immer eine starre ist oder, wenn man zwar Abweichungen zuläßt, diese Abweichungen dann aber offengelegt werden müssen. Durch diese Offenlegung wird die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse wiederhergestellt und damit eine ausreichende Erkenntnis über die Veränderungen des Vermögens der Gesellschaft erreicht. 2. Rechtssätze Anm. 4: Über die verschiedenen Rechtssätze vgl. oben Anm. 2. Der Abs. 2 verweist auf §§ 39—47 HGB nur für den Inhalt des Jahresabschlusses, jedoch sind diese Bestimmungen hilfsweise und zur Ergänzung des Aktiengesetzes auch darüber hinaus anzuwenden (z. B. bzgl. des im Aktiengesetz unmittelbar nicht vorgeschriebenen, aber in § 1 5 1 Aktivseite I I I A vorausgesetzten Inventars, der Höchstdauer des Geschäftsjahres, die sich aus dem Aktiengesetz auch nur mittelbar, nämlich aus den Vorschriften über die Rechnungslegung ergibt), vorbehaltlich aber nicht nur der „folgenden", sondern auch der § 149 vorgehenden Bestimmungen dieses Gesetzes, z . B . des § 148 über die Frist für die Aufstellung des Jahresabschlusses. § 38 HGB bestimmt, daß jeder Kaufmann nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung Bücher zu führen hat. Darüber geht das Aktiengesetz hinaus. § 39 HGB normiert die Verpflichtung zur Einreichung eines Inventars der Eröffnungsbilanz und Bilanz für den Schluß des Geschäftsjahres. Zwischenbilanzen sind wie nach Aktiengesetz auch nach HGB nicht vorgeschrieben, dagegen verlangt abweichend von § 39 I I I HGB das nach § 38 I HGB maßgebende Gewohnheitsrecht ordentlicher Buchführung für die Aktiengesellschaft ausnahmslos jährliche Inventur (Trumpler, S. 11). Nach § 4 0 HGB ist die Bilanz in „Reichswährung" — also in DM — aufzustellen. Im Inventar und in der Bilanz sind sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden nach dem Wert einzusetzen, der ihnen am Bilanzstichtag beizulegen ist. Nach § 41 HGB sind Inventar und Bilanz zu unterzeichnen und ordnungsgemäß aufzubewahren. § 42 HGB enthält Sonderbestimmungen für Unternehmen der öffentlichen Hand. §§ 43, 44 HGB geben Bestimmungen über die äußere Einrichtung und Aufbewahrung von Handelsbüchern, §§ 45—47 HGB über ihre Vorlegung im Prozeß. III. Verstoß Anm. 5: Die Verletzung der Vorschriften über den Inhalt des Jahresabschlusses sind durch § 400 Nr. 1 mit Strafe bedroht. Dazu kommen im Falle des Konkurses die Strafbestimmungen des § 239 Nr. 3 und 4 KO, § 240 Nr. 3 und 4 KO, bei Versicherungsgesellschaften § 111 VHG. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen einer Verletzung ist zu unterscheiden, ob bei der Be821
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Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Wertung der Aktiven die Bewertungsvorschriften des § 40 HGB und des § 153 durch Über- oder Unterbewertung (Begriff s. § 256 V und Anm. dort) verletzt sind. Überbewertung macht den Jahresabschluß nichtig (§ 156 V N r . 1). Unterbewertung nur dann, wenn dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Die Gesellschaftsorgane haften nicht nur der Gesellschaft, sondern auch den Gläubigern aus § 93 III Nr. 2 und § 116 für leichte Fahrlässigkeit, falls aufgrund eines unrichtigen Jahresabschlusses zu Unrecht Dividenden bezahlt sind.
§ 150 Gesetzliche Rücklage (1) Es ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden. (2) In diese sind außer den Beträgen, deren Einstellung in die gesetzliche Rücklage für den Fall der Kapitalherabsetzung nach den §§ 232, 237 Abs. 5 oder nach anderen Vorschriften vorgeschrieben ist, einzustellen 1. der zwanzigste Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses, bis die Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht; 2. der Betrag, der bei der Ausgabe von Aktien einschließlich von Bezugsaktien über den Nennbetrag der Aktien hinaus erzielt wird; 3. der Betrag, der bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen über ihren Rückzahlungsbetrag hinaus erzielt wird; 4. der Betrag von Zuzahlungen, die Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien leisten. (3) Übersteigt die gesetzliche Rücklage nicht den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals, so darf sie nur verwandt werden 1. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist und nicht durch Auflösung freier Rücklagen ausgeglichen werden kann; 2. zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuß gedeckt ist und nicht durch Auflösung freier Rücklagen ausgeglichen werden kann. (4) Übersteigt die gesetzliche Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals, so darf der übersteigende Betrag verwandt werden 1. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist; 822
Gesetzliche Rücklage
§150
Anm. 1
2. zum Ausgleidi eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresübersdiuß gedeckt ist; 3. zur Kapitalerhöhung aus Gesellsdiaftsmitteln nach §§ 207 bis 220. Die Verwendung nach Nummern 1 und 2 ist nicht zulässig, wenn gleichzeitig freie Rücklagen zur Gewinnausschüttung aufgelöst werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Bildung der gesetzlichen Rücklage (Anm. 2) I I I . Einstellung in die gesetzliche Rücklage nach Abs. 2 1. Einstellung nach dem Jahresüberschuß (Anm. 3) 2. Das Aufgeld bei Ausgabe neuer Aktien (Anm. 4) 3. Einstellung des Unterschieds bei Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen und Rückzahlungsbetrag (Anm. 5)
4. Zuzahlung durch Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs (Anm. 6) IV. Verwendung der gesetzlichen Rücklage (Anm. 7) 1. solange der gesetzlich oder durch Satzung vorgeschriebene Betrag nicht überschritten ist (Anm. 8) 2. wenn der vorgeschriebene Betrag überschritten ist (Anm. 9)
I. Übersicht Anm. 1: Abs. 1 stimmt mit der bisherigen Vorschrift des § 1301 AktG 37 wörtlich überein. Im übrigen enthält die Vorschrift aber erhebliche Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht. Im bisherigen Recht wurde der in die gesetzliche Rücklage einzustellende Betrag vom „Reingewinn" ausgehend berechnet, während nach den neuen Vorschriften der Jahresübersdiuß Ausgangspunkt ist. Das ist der Posten 28 in § 1571. Da erst nach der Errechnung des Jahresüberschusses der Gewinnvortrag bzw. der Verlustvortrag aus dem Vorjahr (Posten 29) und die Entnahmen aus offenen Rücklagen (Posten 30), sowie die Einstellung aus dem Jahresüberschuß in offene Rücklagen (Posten 31) später in die Gewinn- und Verlustrechnung einzusetzen sind, ergeben sich zwangsläufig Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht, weil der „Reingewinn", aus dem sich der in die offene Rücklage einzustellende Betrag errechnete, der letzte Posten der Gewinn- und Verlustrechnung war. In ihm waren also sowohl ein Gewinnvortrag oder Verlustvortrag als auch die Veränderungen der Rücklagen bereits berücksichtigt. Der neue Bezug auf den Jahresüberschuß hat zur Folge, daß der Betrag, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, sich aus dem Ergebnis des betreffenden Geschäftsjahres ergibt und unbeeinflußt bleibt von Vorgängen, die mit diesem Ergebnis nichts zu tun haben. Unverändert wie nach bisherigem Recht kann die Satzung bestimmen, daß in der gesetzlichen Rücklage ein höherer Betrag als der zehnte Teil des Grundkapitals anzusammeln ist. 823
§150
Anm. 1,2
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Insofern ist eine wesentliche sachliche Änderung gegenüber dem bisherigen Recht eingetreten, als die Satzung nicht mehr von sich aus festsetzen kann, welcher Betrag jährlich der gesetzlichen Rücklage zugewiesen werden kann. Im bisherigen Recht hieß es, daß der der gesetzlichen Rücklage zuzuführende Betrag „mindestens" dem zwanzigsten Teil des jährlichen Reingewinns entsprechen müsse. Dies ließ für die Satzung die Möglichkeit offen, eine Bestimmung dahin zu treifen, daß ein höherer Betrag vom Reingewinn einzustellen sei. Dadurch, daß das Wort „mindestens" weggelassen worden ist, hat das Gesetz nunmehr abschließend geregelt, welcher Betrag jährlich einzustellen ist. Infolgedessen ist nach § 23 IV S. 2 kein Raum mehr für eine Satzungsbestimmung. Das steht in engem Zusammenhang mit der Bestimmung des § 58 I, der die Befugnisse der Verwaltung zur Einstellung von Beträgen in Rücklagen zugunsten der Hauptversammlung begrenzt. In freie Rücklagen darf höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses von der Verwaltung eingestellt werden, über die andere Hälfte verfügt die Hauptversammlung. Die Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, sind vorher vom Jahresüberschuß abzuziehen. Wenn nun die Möglichkeit bestünde, in den Satzungen die Zuweisungen zur gesetzlichen Rücklage höher festzusetzen, als es das Gesetz in § 150 II Nr. 1 tut, so könnte dadurch der Teil des Jahresüberschusses, über den die Hauptversammlung verfügen kann, beliebig herabgemindert werden. Die Verwendung der gesetzlichen Rücklage ist sehr viel eingehender geregelt als im bisherigen Recht. Dabei wird unterschieden, ob die gesetzliche Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals noch nicht erreicht hat (Abs. 3) und ob die gesetzliche Rücklage diese Grenze überschritten hat und es sich um die Verwendung des die Grenze übersteigenden Betrages handelt (Abs. 4). Wie bisher darf sie immer nur zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages Verwendung finden und es darf nicht durch die Verwendung direkt oder indirekt eine Gewinnausschüttung ermöglicht werden (Abs. 4 letzter Satz). Solange die durch Gesetz oder Satzung vorgeschriebene Erhöhung der gesetzlichen Rücklage nicht überschritten ist, darf sie dann nicht verwandt werden, wenn sich der entstandene Verlust durch Auflösung freier Rücklagen ausgleichen läßt. Ist der Betrag überschritten, so kann der übersteigende Betrag auch zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages verwandt werden, ohne daß vorher die freien Rücklagen aufzulösen sind (Abs. 4). Die Einstellung von Beträgen in die gesetzliche Rücklage beim Bestehen von Gewinnabführungsverträgen ist in § 300 gesondert geregelt. II. Bildung der gesetzlichen Rücklage Anm. 2: Das Gesetz überläßt die Bildung von Rücklagen nicht ganz der Geschäftsleitung. In bestimmter Höhe schreibt es eine aus dem Jahresüber824
Gesetzliche Rücklage
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Anm. 2
Schuß zu bildende Rücklage zwingend vor, der es auch alle Einlagen über das Grundkapital hinaus zuweist, die schon durch § 57 von der Wiederausschüttung an die Aktionäre ausgeschlossen sind. Dieser Zwang wäre indessen ein Schlag ins Wasser, wenn die gesetzliche Rücklage nach Belieben aufgelöst werden könnte. Die Bestimmungen der Abs. 3 und 4 schreiben im einzelnen vor, wann dies allein zulässig ist. Bei der Bildung der gesetzlichen Rücklage handelt es sich um einen buchmäßigen Vorgang durch Bildung eines Passivpostens, wie beim Grundkapital, um einen gleich hohen Betrag des Aktivvermögens von der Ausschüttung auszuschließen. So wenig wie beim Grundkapital, so ist auch bei der Bildung der gesetzlichen Rücklagen nicht etwa eine effektive Aussonderung von Vermögensteilen zwecks gesonderter Verwaltung vorgeschrieben, etwa in besonders liquider Anlage. Eine solche besondere Anlage ist zulässig, aber nicht erforderlich. Wird sie getroffen, so sind die Erträgnisse nicht ohne weiteres der Rücklage zuzuschlagen, sondern nur, wenn es durch die Satzung ausdrücklich angeordnet ist. Auch in einem solchen Fall ist jedoch zu beachten, daß der gesetzlich zwingend vorgeschriebene Betrag von 5 °/o des Jahresüberschusses nicht nach oben überschritten werden darf (a. A. Schäfer Z f K 66, 276). Wird entgegen den gesetzlichen Bestimmungen keine gesetzliche Rücklage gebildet oder ihr nicht zugeführt, was ihr zuzuführen ist, so ist der Jahresabschluß nach § 256 I N r . 1 nichtig, weil die Vorschrift, durch die die Bildung einer gesetzlichen Rücklage vorgeschrieben ist, zu denen gehört, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger gegeben sind. Die Verletzung über das Gesetz hinausgehender Satzungsbestimmungen — z. B. Erhöhung der Grenze von 10 °/o des Grundkapitals — hat keine Wirkung auf die Gültigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses, auch dann nicht, wenn die Feststellung durch Beschluß der Hauptversammlung erfolgt, da nach § 257 — im Gegensatz zum bisherigen Recht — die Anfechtung nicht darauf gestützt werden kann, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Die Verwaltungsmitglieder haften nach den §§ 93, 116. Eine Gewinnausschüttung bei ungenügender Berücksichtigung der gesetzlichen Rücklage fällt unter § 93 I I I Nr. 2 und 5 und § 62. Das Gesetz führt zunächst zwei Bestimmungen des Aktiengesetzes selbst auf, nach denen zusätzlich zwingend Beträge in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind: a) § 232 — Fall zu hoher Abschreibungen oder Rückstellungen vor Sanierung durch vereinfachte Kapitalherabsetzung. Will man die Werte berichtigen, so muß der sich aus dieser Berichtigung ergebende Buchgewinn der Rücklage zugeführt werden. b) § 237 V — Fall der Einziehung von Aktien, welche die Gesellschaft unentgeltlich oder zu Lasten des Bilanzgewinns oder einer freien Rücklage 825
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Anm. 2,3
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
erworben hat. In diesem Fall ist der Betrag der Grundkapitalermäßigung in die gesetzliche Rücklage einzustellen. Neu eingefügt sind die Worte „oder nach anderen Vorschriften''. Damit sind solche außerhalb des Aktiengesetzes gemeint; z. B. sind nach §§ 35, 47 des DM-Bilanz-Gesetzes Beträge in die gesetzliche Rücklage einzustellen. III. Einstellung in die gesetzlidie Rücklage nach Abs. 2 1. Einstellung nach dem Jahresüberschuß Anm. 3: Während nach dem bisherigen Recht der Reingewinn — jetzt Bilanzgewinn genannt — der Betrag war, von dem 5 % in die gesetzliche Rücklage einzustellen war, geht das Gesetz nunmehr von dem Jahresüberschuß aus. Der Begriff ist festgelegt in § 157 I Posten 28. Es gab ihn schon im bisherigen Recht (§ 132 I I I AktG 37), wenn die Gewinn- und Verlustrechnung in Staffelform aufgestellt wurde. Dieser neue Ausgangspunkt erleichtert zunächst einmal die Berechnung. Bisher war es erforderlidi, eine Rückrechnung vorzunehmen, da der in die gesetzliche Rücklage einzustellende Betrag einerseits vom Reingewinn zu berechnen war, andererseits aber in diesem Reingewinn nicht mehr enthalten war, da Rücklagen und damit audi die gesetzlidie Rücklage schon in der Jahresbilanz vorzunehmen waren (§ 131 II AktG 37). Das erübrigt sidi jetzt, weil die Zuweisung in die Rücklagen, und zwar auch die in die gesetzlichen Rücklagen, in der Gewinn- und Verlustrechnung erst unter Posten 30, also nach dem Jahresüberschuß, aufzuführen sind. Auch sachlich ist es richtiger, den Jahresüberschuß als Bezugspunkt zu nehmen, da dieser das Ergebnis des jeweiligen Geschäftsjahres ergibt. Alle folgenden Posten haben mit dem Ergebnis des Geschäftsjahres, auf das sich die Gewinn- und Verlustrechnung bezieht, nichts zu tun. Dennoch läßt das Gesetz eine Ausnahme zu, nämlich dann, wenn ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr unter Posten 29, also audi hinter dem Jahresüberschuß, auszuweisen ist. Dieser Verlustvortrag ist von dem Jahresüberschuß abzuziehen. Von dem sich dann ergebenden Betrag sind 5 °/o der gesetzlichen Rücklage zuzuweisen und unter dem Posten 3 1 a aufzuführen. Diese Regelung ist an sich nicht selbstverständlich. Fehlte sie, so würde sich das in Posten 32 auszuwerfende Ergebnis um 5 % aus dem Verlustvortrag aus dem Vorjahr verschlechtern. Es hat sich aber der Gedanke durchgesetzt, daß ein Jahresüberschuß in allererster Linie dazu verwendet werden soll, einen etwa aus dem Vorjahr vorhandenen Verlust zu decken. Tut man dies, so erhält man als Ergebnis nicht den Jahresüberschuß, sondern den Uberschuß, über den die Gesellschaft zum Bilanzstichtag verfügen kann. Von diesem ausgewiesenen Überschuß ist deshalb der Betrag von 5 % in die gesetzliche Rücklage zu stellen. Im Gegensatz zum bisherigen Recht kann der Betrag von 5 °/o nicht durch die Satzung abgeändert werden. Im bisherigen Recht war er ein Min826
Gesetzliche Rücklage
§150
Anm. 3,4
destbetrag, jetzt ist er vom Gesetz festgestellt, es ist kein Raum mehr für eine Satzungsbestimmung mit Rücksicht auf § 23 I V S. 2, wonach ergänzende Bestimmungen der Satzung nicht zulässig sind, wenn das Gesetz eine abschließende Regelung enthält. Ein Gewinn Vortrag aus dem Vorjahr ( § 1 5 7 I Posten 29) hat ebensowenig Einfluß auf die Berechnung des in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Betrages, wie eine Erhöhung des Bilanzgewinns durch Auflösung offener Rüdklagen (§ 1571 Posten 30 b), da beide in der Gewinn- und Verlustrechnung hinter dem Jahresüberschuß auszuweisen sind. Dadurch wird eine Ungerechtigkeit des bisherigen Rechts beseitigt, denn danach mußte ein Gewinnvortrag, obwohl er schon im ersten Jahr für die Berechnung der Zuweisung zur gesetzlichen Rücklage zu berücksichtigen war, in jedem folgendem Jahr wieder berücksichtigt werden. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Die Höhe der gesetzlichen Rücklage wird vom Gesetz nicht abschließend bestimmt, vielmehr wird nur eine Mindesthöhe festgesetzt auf 10 °/o des Grundkapitals. Hier kann, wie das Gesetz ausdrücklich sagt, die Satzung einen bestimmten höheren Teil des Grundkapitals festsetzen. Auf diese Weise kann der zur Verfügung der Hauptversammlung für den Gewinnverwendungsbeschluß zur Verfügung stehende Betrag auch dann noch jährlich um 5 °/o des Jahresüberschusses geschmälert werden, wenn die gesetzliche Rücklage den Betrag von 10 °/o bereits überschritten hat. Eine Satzungsbestimmung, die eine gesetzliche Rücklage vorsieht, die höher ist als das Grundkapital, halten wir für unzulässig, weil das Gesetz nur von einem „Teil des Grundkapitals" spricht (a. A. Barz in Die Aktiengesellschaft 1966, 43). Eine solche Festsetzung durch die Satzung hat praktisch die gleiche Wirkung wie die gesetzliche Mindestgrenze. Bei der Verwendungsmöglichkeit macht es zwar einen Unterschied, ob die gesetzliche Rüdslage die gesetzte Grenze überschritten hat, es macht aber keinen Unterschied, ob die gesetzte Grenze vom Gesetz oder von der Satzung bestimmt ist. 2. Das Aufgeld bei Ausgabe neuer
Aktien
Anm. 4: Das Aufgeld (agio) bei der Ausgabe neuer Aktien ist in voller Höhe in die gesetzliche Rücklage einzustellen. Aufgeld ist alles, was der Gesellschaft über den Nennbetrag hinaus zufließt. Stückzinsen, die die Aktionäre zahlen, weil die neuen Aktien für das bei der Ausgabe laufende Jahr voll dividendenberechtigt sind (RG 55, 46; R F H 7, 18, 321; 11, 236), sind vorzeitige (Teil-)Rück(Ausgleichs-)Zahlungen eines dem Zeichner aus formellen Gründen zufließenden übermäßigen Gewinnanteils, deshalb nicht rücklagepflichtig. Auch bei Sacheinlagen kann ein solches Aufgeld vorkommen. Wird die an sich wertvollere Sacheinlage nur zum Nennwert der Aktie hereingenommen und entsprechend bilanziert, so liegt eine Bewertungsreserve vor, es braucht jedoch nichts in die gesetzliche Rücklage eingestellt zu 827
§150
Redinungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 4—6 werden. Anders wenn der hohe Sachwert durch Ausgabe der Aktien über dem Nennwert zum Ausdruck kommt. Zwei Änderungen sind gegenüber dem bisherigen Recht vorgenommen worden: einmal ist durch die Einfügung der Worte „einschließlich von Bezugsaktien" klargestellt, daß die Vorschrift auch für die bedingte Kapitalerhöhung gilt, und zum anderen ist die Bestimmung gestrichen worden, nach der „der Betrag der durch die Ausgabe entstehenden Kosten" abgezogen werden konnte. Diese Bestimmung hatte zur Folge, daß die Ausgabekosten nicht als Unkosten behandelt werden konnten, wenn die Ausgabe der Aktie mit einem hinreichenden Aufgeld erfolgte, wohl aber konnten bei Ausgabe zum Nennwert die Kosten als Ausgaben über die Gewinn- und Verlustrechnung laufen. Eine solche unterschiedliche Behandlung erscheint weder unter aktienrechtlichen Gesichtspunkten noch aus betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Erwägungen gerechtfertigt. Vielmehr wird der Gewinnausweis verzerrt, wenn die Ausgaben bei einer Pari-Emission den Gewinn belasten, bei einer Über-Pari-Emission dagegen nicht. In diesem Zusammenhang wurde in den Beratungen auch eine Uberprüfung des § 11 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes als notwendig bezeichnet. 3. Der Unterschiedsbetrag bei Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen und Rückzahlungsbetrag Anm. 5: Das Aufgeld aus dem Umtausch von Wandelschuldverschreibungen in Bezugsaktien ist jetzt im Abs. 2 unter Nr. 2 geregelt, und zwar durch die Worte „einschließlich von Bezugsaktien". Es erschien zweckmäßig, unter Abs. 2 Nr. 3 den anderen bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen vorkommenden Fall, daß nämlich bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen ein höherer Betrag als Erlös erzielt wird, als der Rückzahlungsbetrag ausmacht, gleich zu behandeln. Man kann in einem solchen Fall nicht von einem Aufgeld sprechen; dennoch fließt der Gesellschaft durch die günstige Ausgabe der Wandelschuldverschreibungen etwas zu, das sie bei Einlösung nicht aufzubringen hat. Ihr Vermögen vergrößert sich also durch eine von außen kommende Zahlung. Nach den allgemeinen Grundsätzen ist eine solche in die gesetzliche Rücklage einzustellen, und zwar auch hier ohne Abzug der durch die Ausgabe entstehenden Kosten. Insoweit gilt das oben in Anm. 4 Gesagte entsprechend. 4. Zuzahlung durch Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs Anm. 6: Zuzahlung durch Aktionäre, gleichgültig ob es sich um Barleistungen oder um Sachleistungen handelt, sind in voller Höhe — also ohne Abzug etwa entstandener Kosten — in die gesetzliche Rücklage einzustellen, wenn sie gegen Gewährung eines Vorzugs erfolgen. Wenn die Leistung zur Deckung 828
Gesetzliche Rücklage
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Anm. 6—8
außerordentlicher Abschreibungen oder Verluste verwandt wird, brauchen sie nicht in die gesetzliche Rücklage eingestellt zu werden. Dies ist erst nach Eingang der Zuzahlung zu erkennen, auch wenn schon vorher eine zu aktivierende Forderung darauf bestand, für welche bis zum Eingang ein gesonderter, gleich der gesetzlichen Rücklage gebundener Gegenposten zu bilden ist.
IV. Verwendung der gesetzlichen Rücklage Anm. 7: Wie im bisherigen Recht darf die gesetzliche Rücklage nur zur Deckung eines Verlustes verwendet werden. Klarer als im bisherigen Gesetzeswortlaut ist nunmehr gesagt, welcher Verlust gemeint ist. Es ist nicht etwa eine Wertminderung bei irgendeinem Posten der Bilanz gemeint, sondern immer nur der sich aus dem Jahresabschluß ergebende Verlust, und zwar in erster Linie der Jahresfehlbetrag, der sich unmittelbar aus dem Jahresabschluß des betreffenden Geschäftsjahres ergibt, in zweiter Linie ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr, soweit er nicht anderweitig gedeckt werden kann. Neu ist, daß das Gesetz nunmehr bei der Verwendung der gesetzlichen Rücklage zwei verschiedene Fälle unterscheidet. Im Abs. 3 wird der Fall behandelt, daß der Betrag in der gesetzlichen Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals nicht übersteigt, während in Abs. 4 geregelt wird, inwieweit der Teil der gesetzlichen Rücklage, der den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Betrag des Grundkapitals übersteigt, verwandt werden darf. N u r darauf bezieht sich Abs. 4, nicht etwa schlechthin auf die ganze gesetzliche Rücklage, wenn diese höher ist als durch Gesetz oder Satzung vorgeschrieben. Ist der übersteigende Betrag verwandt, gilt für den Rest Abs. 3. Zu den freien Rücklagen im Sinne der vorliegenden Bestimmung gehören auch die zweckbestimmten freien Rücklagen. Die Deckung eines Jahresfehlbetrages hat den Vorrang vor jeder anderen Verwendung freier Rücklagen. Dagegen sind die nach § 1 5 2 V in „Sonderposten mit Rücklagenanteil" einzusetzenden Beträge keine freien Rücklagen im Sinne dieser Vorschrift. Es handelt sich dabei um Beträge, die aufgrund steuerlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind (vgl. im einzelnen § 152 und Anm.). 1. solange der gesetzlich oder durch Satzung vorgeschriebene Betrag nicht überschritten ist Anm. 8: Während nach § 130 I I I AktG 37 der Verwendung der gesetzlichen Rücklage nicht entgegenstand, daß freie, zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung von sonstigen Verlusten bestimmte Rücklagen vorhanden waren, ist das jetzt anders, soweit die gesetzliche Rücklage den vom Gesetz oder von der Satzung vorgeschriebenen Betrag nicht übersteigt. Die gesetzliche Rücklage ist neben dem Grundkapital die wichtigste 829
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Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 8,9 Sicherung für die Gläubiger der Gesellschaft. Diese kann nur verringert werden, wenn das, was zur Verfügung der Verwaltung oder der Hauptversammlung steht, verbraucht ist, d. h., wenn alle offenen Rücklagen aufgelöst sind. Ergibt sich nach der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157 I Posten 28) ein Jahresfehlbetrag, so ist zunächst von diesem Betrag ein etwaiger Gewinnvortrag aus dem Vorjahr (Posten 29) zur Deckung heranzuziehen. Der Betrag, den man dann erhält, ist dann nicht mehr der Jahresfehlbetrag, sondern der gesamte Fehlbetrag, der sich zum Zeitpunkt des Bilanzstichtages für die Gesellschaft ergibt, wenn der Gewinnvortrag aus dem Vorjahr nicht ausreicht, um den Jahresfehlbetrag ganz zu decken. Der etwa verbleibende Rest kann nicht aus der gesetzlichen Rücklage gedeckt werden; solange noch freie Rücklagen vorhanden sind, muß er aus freien Rücklagen ausgeglichen werden. Nur wenn diese verbraucht sind, darf die Deckung aus der gesetzlichen Rücklage erfolgen. Ist kein Gewinnvortrag, sondern ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu berücksichtigen, so erhöht sich damit der Jahresfehlbetrag. Der Gesamtfehlbetrag der Gesellschaft ist am Bilanzstichtag damit höher. Hier gilt dasselbe. Der Gesamtverlust kann aus freien Rücklagen abgedeckt werden. N u r wenn solche nicht vorhanden sind, kann die gesetzliche Rücklage zur Deckung herangezogen werden. In beiden Fällen kann der Verlust ganz oder teilweise vorgetragen werden. Ergibt sich ein Jahresüberschuß, ist aber ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu berücksichtigen, so ist der Jahresüberschuß in erster Linie zur Deckung des Verlustvortrages aus dem Vorjahr zu verwenden. Die Bestimmung ist insofern zwingend, als nicht etwa der Verlustvortrag aus dem Vorjahr in das neue Jahr vorgetragen werden darf. Das ergibt sich schon aus der Gliederung in § 157 I. Danach ist der Betrag des Postens 29, Gewinnvortrag und Verlustvortrag, von dem Posten 28, Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag, abzuziehen oder zuzuzählen. Der sich daraus ergebende Betrag wird zur Ermittlung des Bilanzgewinns oder -Verlustes verwendet. Wird der Verlustvortrag aus dem Vorjahr aus dem Jahresüberschuß nicht voll gedeckt, so kann die Verwaltung oder die Hauptversammlung, je nachdem wer den Jahresabschluß feststellt, entscheiden, ob sie den Verlust durch Entnahme aus den freien Rücklagen decken will. Sie kann aber auch beschließen, ihn vorzutragen. Ihn aus der gesetzlichen Rücklage decken kann sie nur dann, wenn freie Rüdslagen nicht vorhanden sind oder zur Deckung des Verlustes nicht ausreichen. Dann kann der noch fehlende Betrag aus der gesetzlichen Rücklage entnommen werden. 2. wenn der vorgeschriebene Betrag überschritten ist Anm. 9: Uber den Betrag, der die durch Gesetz oder Satzung bestimmte Höhe der Rüdslage übersteigt, kann freier verfügt werden, als über den nach Gesetz oder Satzung festgelegten Betrag, aber nur über den übersteigenden 830
Gliederung der Jahresbilanz
§§150/151 Anm. 9
Betrag, nicht etwa über die ganze gesetzliche Rücklage. Dieser Betrag kann in den beiden in Abs. 3 unter Nr. 1 und 2 behandelten Fällen zur Deckung eines Jahresfehlbetrages oder eines Verlustvortrages aus dem Vorjahr auch dann verwendet werden, wenn noch freie Rücklagen vorhanden sind. Allerdings darf nicht gleichzeitig mit der Verwendung dieses Betrages zur Verlustdeckung eine Auflösung von freien Rücklagen erfolgen, wenn dies geschieht, um eine Gewinnausschüttung vorzunehmen. Wenn man sich in früheren Jahren entschlossen hatte, Beträge in die gesetzliche Rücklage einzustellen, obwohl man dazu nicht verpflichtet war, so hat man damit bewußt diese Beträge stärker gebunden als bei Einstellung in freie Rücklagen. Diese stärkere Bindung würde aufgehoben, wenn man gleichzeitig, wie das Gesetz es erlaubt, die übersteigenden Beträge für eine Verlustdeckung verwendet und freie Rüdciagen auflöst, um einen Gewinn ausschütten zu können. Diese Gewinnausschüttung würde gewissermaßen zu Lasten der gesetzlichen Rücklage erfolgen, wenn auch nur des Teils, der über der nach Gesetz oder Satzung vorgeschriebenen Grenze liegt. Will man eine Gewinnausschüttung vornehmen, obwohl ein Jahresfehlbetrag oder ein Verlustvortrag nicht gedeckt ist, so muß dieser zunächst durch Auflösung freier Rücklagen gedeckt werden. Alsdann kann man weitere Beträge aus den freien Rücklagen zur Gewinnausschüttung entnehmen. Die gesetzliche Rücklage darf aber auch nicht um den die festgesetzte Grenze übersteigenden Betrag zur Deckung des Verlustes herangezogen werden. Ferner kann der übersteigende Betrag zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden, vgl. § 208 S. 2. Diese Verwendung ist auch dann möglich, wenn Beträge aus freien Rücklagen zur Gewinnausschüttung verwandt werden. Im allgemeinen werden die freien Rücklagen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln für diese eingesetzt und eine Kapitalerhöhung nur dann vorgenommen, wenn die Gewinnausschüttung aus dem Jahresüberschuß erfolgen kann.
§ 151 Gliederung der Jahresbilanz (1) In der Jahresbilanz sind, wenn der Gesdiäftszweig keine abweichende Gliederung bedingt, die gleichwertig sein muß, unbeschadet einer weiteren Gliederung folgende Posten gesondert auszuweisen: Auf der Aktivseite: I. Ausstehende Einlagen auf das Grundkapital; davon eingefordert: II. Anlagevermögen: A. Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte: 1. Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte mit Geschäfts-, Fabrik- und anderen Bauten; 831
§151
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
2. Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte mit Wohnbauten; 3. Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte ohne Bauten; 4. Bauten auf fremden Grundstücken, die nicht zu Nummer 1 oder 2 gehören; 5. Maschinen und maschinelle Anlagen; 6. Betriebs- und Geschäftsausstattung; 7. Anlagen im Bau und Anzahlungen auf Anlagen; 8. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten. B. Finanzanlagen: 1. Beteiligungen; 2. Wertpapiere des Anlagevermögens, die nicht zu Nummer 1 gehören; 3. Ausleihungen mit einer Laufzeit von mindestens vier Jahren; davon durch Grundpfandrechte gesichert: III. Umlaufvermögen: A. Vorräte: 1. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe; 2. unfertige Erzeugnisse; 3. fertige Erzeugnisse, Waren. B. Andere Gegenstände des Umlaufvermögens: 1. geleistete Anzahlungen, soweit sie nicht zu II A Nr. 7 gehören; 2. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen; davon mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr: 3. Wechsel; davon bundesbankfähig: 4. Schecks; 5. Kassenbestand, Bundesbank- und Postscheckguthaben; 6. Guthaben bei Kreditinstituten; 7. Wertpapiere, die nicht zu Nummer 3, 4, 8 oder 9 oder zu II B gehören; 8. eigene Aktien unter Angabe ihres Nennbetrags; 9. Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft unter Angabe ihres Nennbetrags, bei Kuxen ihrer Zahl; 10. Forderungen an verbundene Unternehmen; 11. Forderungen aus Krediten, die a) unter §89, b) unter §115 fallen; 12. sonstige Vermögensgegenstände. 832
Gliederung der Jahresbilanz
§151
IV. Rechnungsabgrenzungsposten: V. Bilanzverlust Auf der Passivseite: I. Grundkapital II. Offene Rücklagen: 1. gesetzliche Rücklage; 2. andere Rüdklagen (freie Rücklagen). III. Wertberichtigungen IV. Rückstellungen: 1. Pensionsrückstellungen; 2. andere Rückstellungen. V. Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens vier Jahren: 1. Anleihen; davon durch Grundpfandrechte gesichert: 2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten; davon durch Grundpfandrechte gesichert: 3. sonstige Verbindlichkeiten; davon durch Grundpfandrechte gesichert: Von Nummern 1 bis 3 sind vor Ablauf von vier Jahren fällig: VI. Andere Verbindlichkeiten: 1. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; 2. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel; 3. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, soweit sie nicht zu V gehören; 4. erhaltene Anzahlungen; 5. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen; 6. sonstige Verbindlichkeiten. VII. Rechnungsabgrenzungsposten VIII. Bilanzgewinn (2) Sind unter einen Posten fallende Gegenstände bei einer Gesellschaft nicht vorhanden, so braucht der Posten nicht aufgeführt zu werden. (3) Fällt ein Gegenstand unter mehrere Posten, so ist bei dem Posten, unter dem er ausgewiesen wird, die Mitzugehörigkeit zu den anderen Posten zu vermerken, wenn dies zur Aufstellung einer klaren und übersichtlichen Jahresbilanz nötig ist. Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen sind in der Regel als solche auszuweisen; werden sie unter anderen Posten ausgewiesen, so muß diese Eigenschaft vermerkt werden. Eigene Aktien und Anteile an einer herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft dürfen nicht unter anderen Posten aufgeführt werden.
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Wilhelmi, Aktiengesetz
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§151
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
(4) Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen und Einstellungen in Sonderposten mit Rücklageanteil sind bereits in der Jahresbilanz vorzunehmen. Gleiches gilt für Entnahmen aus offenen Rücklagen sowie für Einstellungen in offene Rücklagen, die nach Gesetz oder Satzung vorzunehmen sind oder die Vorstand und Aufsichtsrat auf Grund des § 58 Abs. 2 vornehmen. Der Überschuß der Aktivposten über die Passivposten (Bilanzgewinn) oder der Überschuß der Passivposten über die Aktivposten (Bilanzverlust) ist am Schluß der Jahresbilanz ungeteilt und gesondert auszuweisen. (5) In der Jahresbilanz sind, sofern sie nicht auf der Passivseite auszuweisen sind, in voller Höhe gesondert zu vermerken 1. Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln; 2. Verbindlichkeiten aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften; 3. Verbindlichkeiten aus Gewährleistungsverträgen; 4. Haftung aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten. Sie sind auch dann zu vermerken, wenn ihnen gleichwertige Rückgriffsforderungen gegenüberstehen. Besteht die Verbindlichkeit oder die Haftung gegenüber verbundenen Unternehmen, so ist dies bei den einzelnen Vermerken unter Angabe des Betrags anzugeben. I. Übersicht (Anm. 1) II. Allgemeines (Anm. 2) III. Aktivseite (Anm. 3) 1. Ausstehende Einlagen auf das Grundkapital (Anm. 4) 2. Anlagevermögen (Anm. 5) A. Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte a) Bebaute Grundstücke (Anm. 6) b) Unbebaute Grundstücke (Anm. 7) c) Bauten auf fremden Grundstücken (Anm. 8) d) Maschinen und maschinelle Anlagen (Anm. 9) e) Betriebs- und Geschäftsausstattung (Anm. 10) f) Anlagen im Bau und A n zahlung auf Anlagen (Anm. 11) g) Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche 834
Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten (Anm. 12) B. Finanzanlagen a) Beteiligungen (Anm. 13) b) Andere Wertpapiere (Anm. 14) c) Ausleihungen mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren (Anm. 15) 3. Umlaufvermögen (Anm. 16) A . Vorräte (Anm. 17) B. Andere Gegenstände des Umlaufvermögens (Anm. 18) a) Geleistete Anzahlungen (Anm. 19) b) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Anm. 20) c) Wechsel (Anm. 21) d) Schecks (Anm. 22) e) Kassenbestand, Bundesbank- und Postscheckguthaben (Anm. 23)
Gliederung der Jahresbilanz f ) Guthaben bei Kreditinstituten (Anm. 24) g) Wertpapiere (Anm. 25) h) Eigene Aktien (Anm. 26) i) Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft (Anm. 27) k) Forderungen an verbundene Unternehmen (Anm. 28) 1) Forderungen aus Krediten, die unter §§ 89 und 115 fallen (Anm. 29) m) Sonstige Vermögensgegenstände (Anm. 30) 4. Rechnungsabgrenzungsposten (Anm. 31) 5. Bilanzverlust (Anm. 32) IV. Passivseite 1. Grundkapital (Anm. 33) 2. Offene Rüdilagen (Anm. 34) 3. Wertberichtigungen (Anm. 35) 4. Rückstellungen (Anm. 36) 5. Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren (Anm. 37)
§151 Anm. 1
6. Andere Verbindlichkeiten a) Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (Anm. 38) b) Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel (Anm. 39) c) Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten (Anm. 40) d) Erhaltene Anzahlungen (Anm. 41) e) Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen (Anm. 42) f) Sonstige Verbindlichkeiten (Anm. 43) 7. Rechnungsabgrenzungsposten (Anm. 44) 8. Bilanzgewinn (Anm. 45) V. Wegfall von Posten und Zugehörigkeit zu mehreren Posten (Anm. 46) VI. Behandlung von Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen, Rücklagen und Ergebnis in der Bilanz (Anm. 47) VII. Vermerke in der Jahresbilanz (Anm. 48)
I. Übersicht
Anm. 1: Gegenüber den Bestimmungen des § 131 Aktiengesetz 1937 bringen die neuen Vorschriften eine gewisse Verfeinerung der einzelnen Posten, insbesondere w i r d W e r t darauf gelegt, durch weitere Aufgliederung einen besseren Einblick in die Liquidität der Gesellschaft zu verschaffen. Die Gliederung ist nicht erschöpfend. Es fehlen eine Reihe von Posten, die nach zwingender gesetzlicher Bestimmung (z. B. § 153 V — Geschäftswert bei übernommenen Unternehmen —, § 348 — Unterschiedsbetrag bei Verschmelzung) in gesonderten Posten auszuweisen sind. Es handelt sich um Mindestbestimmungen (§ 149 I S. 2), von denen Abweichungen durch Abs. 1 vorbehalten sind. Weiterhin sieht § 161 die Herausgabe von Formblättern f ü r besondere Fälle ausdrücklich v o r (vgl. im einzelnen Anm. zu § 161). Daneben kommen Sondervorschriften f ü r Versicherungsgesellschaften und f ü r Hypothekenbanken in Betracht. Ergänzt werden die Gliederungsvorschriften durch die Vorschriften zu den einzelnen Posten der Jahresbilanz (§ 152) und durch die BewertungsVorschriften (§§ 153 bis 156). In unmittelbarem Zusam835 53*
§151
Anm. 1,2
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
menhang mit der Gliederung der Jahresbilanz steht die Gliederung der Gewinn* und Verlustrechnung (§ 157), die Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 158) und der Vermerk der Pensionszahlungen (§ 159). II. Allgemeines Anm. 2: Die gesetzliche Gliederung stellt nur eine Mindestvorschrift dar. Insoweit es der Grundsatz nach § 149 erfordert, muß das gesetzliche Schema durch weitere Posten oder durch die weitere Aufteilung gesetzlicher Posten ergänzt werden. Letzteres darf nicht zu einer Unklarheit führen. Weitere Posten ergeben sich teilweise aus dem Gesetz. Es fehlt bei den Aktiven das Konto f ü r den Firmenwert (§ 153 Anm. 8) und das f ü r den Unterschiedsbetrag bei der Verschmelzung (§ 348). Bei den Passiven sind die in § 152 IV und V genannten Beträge gesondert auszuweisen. Unzulässig ist es, einzelne Posten des gesetzlichen Schemas zusammenzufassen, vgl. hierzu auch § 152 VII und V I I I . Das gesetzliche Gliederungsschema gilt nicht, soweit der Geschäftszweig eine abweichende Gliederung bedingt. In einem solchen Fall kann und muß im Interesse der vom Gesetz erstrebten Durchsichtigkeit und Übersichtlichkeit von dem gesetzlichen Gliederungsschema abgewichen werden. Das Gesetz betont aber besonders, daß die abweichende Gliederung der gesetzlichen, namentlich in bezug auf die Gewährleistung eines möglichst sicheren Einblicks (§ 149 I S. 2), gleichwertig sein muß. Der Geschäftszweig ist nicht zu verwechseln mit der Art des bilanzierenden, individuellen Geschäftes, h. h. mit seinem Aufbau etwa als Gesellschaft eines Konzerns (über die Konzernbilanz vgl. § 329—333). Damit oder mit irgendwelchen Sonderinteressen der Gesellschaft kann eine Abweichung nicht begründet werden. Bei vielen Gesellschaften wird nicht jeder der im Bilanzsdiema aufgeführten Posten vorhanden sein. In diesem Falle kann er einfach weggelassen werden, eine Fehlanzeige würde die Bilanz nur unübersichtlich gestalten (Abs. 2). Für die während der Abwicklung aufzustellenden Bilanzen gilt abweichend von dem bisherigen Recht (§ 211 I I I A k t G 37) die vorliegende Bestimmung sinngemäß (§ 270 II S. 2). Die Gliederungsvorschrift des Abs. 1 gilt nach § 17 EG nicht f ü r Gesellschaften, f ü r deren Geschäftszweig Formblätter aufgrund des § 134 A k t G 37 vorgeschrieben sind. Sie sind in § 17 EG im einzelnen aufgeführt. Die Jahresabschlüsse dieser Unternehmen sind zunächst nach den bisherigen Vorschriften zu gliedern, solange nicht aufgrund der Ermächtigung nach § 161 neue Formblätter oder andere Vorschriften f ü r die Gliederung der Jahresabschlüsse erlassen sind. 836
Gliederung der Jahresbilanz
§151 Anm. 3,4
III. Aktivseite Anm. 3: In die Aktivseite aufzunehmen sind alle Vermögenswerte, auch die immateriellen Güter. Über das sog. goodwill vgl. § 1 5 3 V und dort Anm. 6. Bei der Frage, ob ein Gegenstand schon oder noch zum Vermögen der Gesellschaft gehört, ist nicht der juristische Begriff maßgebend, sondern es entscheidet die wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit (RG 83, 175). So werden bewegliche Sachen, die der Gesellschaft zur Sicherung übereignet sind, nicht bilanziert, andererseits sind Gegenstände, die die Gesellschaft ihrerseits einem Gläubiger zur Sicherung übereignet hat, in der Bilanz aufzuführen. Die dem Kommissionär überlassene Kommissionsware hat der Kommittent, nicht der Kommissionär zu aktivieren. Treuhänderisches Eigentum wird meist gar nicht bilanziert, evtl. muß es als solches gesondert bezeichnet und ein Ausgleichsposten unter die Passiven aufgenommen werden. Eigentumsvorbehalte an gekauften oder verkauften Gütern bleiben unberücksichtigt, solange sie nicht geltend gemacht sind. Bestellte, noch nicht gelieferte Ware wird nicht bilanziert. 1. Ausstehende Einlagen auf das Grundkapital Anm. 4: Diese sind Forderungen der Gesellschaft, die von den übrigen Forderungen getrennt aufzuführen, aber wie diese nach § 40 I I I HGB zu bewerten sind. Es ist mithin einerseits die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu berücksichtigen, andererseits ein möglicher Rüdsgriff und die Möglichkeit der Kaduzierung. Neu ist, daß neben der Gesamtsumme der ausstehenden Einlagen anzugeben ist, welcher Betrag davon eingefordert ist. Diese Angabe ist für die Beurteilung der Liquidität der Gesellschaft nicht ohne Bedeutung, vor allem weil es nicht selbstverständlich ist, daß die außenstehenden Einlagen auch tatsächlich eingefordert werden. Eine Minderbewertung muß in Form eines Wertberichtigungspostens auf der Passivseite erscheinen, so daß auf der Aktivseite die volle Höhe der ausstehenden Einlage ersehen werden kann (Trumpler, S. 97). Weil gesetzlich nicht zum Anlagevermögen zu rechnen, fallen sie auch nicht unter § 152 I. Nebenleistungen im Sinne des § 55 gehören nicht hierher, sie können nur dann bilanziert werden, wenn sie etwa rückständig sind, und zwar dann unter Aktivseite III B Posten 12. Das gleiche gilt von Zuzahlungen der Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien (vgl. § 150 II Nr. 4 und dort Anm. 4). Vorratsaktien gehören dem Zeichner. Eine etwa ausstehende Vollzahlung ist daher ebenso auszuweisen wie auf andere Aktien ausstehende Einlagen. Die Forderung der Gesellschaft gegen den Übernehmer auf einen Überparierlös kann erst nach Verwertung unter Aktivseite III B Posten 12 bilanziert werden (Trumpler a. a. O.). 837
§151 Anm. 5—7
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
2. Anlagevermögen Anm. 5: Zu den Verfeinerungen der bisherigen Bestimmungen gehört die Aufteilung des Anlagevermögens in zwei Untergruppen. Es wird unterschieden zwischen A. Sachanlagen und immateriellen Anlagenwerten und B. Finanzanlagen. A. Sachanlagen und. immaterielle Anlagewerte Die Sachanlagen (A Posten 1—7) stehen grundsätzlich unmittelbar im Dienst des eigenen Unternehmens, das in der Finanzanlage angelegte Geld aber dagegen unmittelbar in fremden Unternehmen. Dementsprechend sind auch die Erträge aus den Substanzanlagen betriebswirtschaftlich gesehen verschieden von den Erträgen aus den Finanzanlagen. Ebenso sind die Abschreibungen auf Finanzanlagen betriebswirtschaftlich anders zu beurteilen als Abschreibungen auf Sachanlagen. Immaterielle Anlagewerte (A Posten 8) stehen den Sachanlagen näher als den Finanzanlagen, da auch sie in der Regel unmittelbar dem eigenen Unternehmen dienen, sie werden daher mit den Sachanlagen zusammengefaßt. a) Bebaute Grundstücke Anm. 6: Diese sind, wie schon im früheren Recht, in zwei Gruppen aufzuführen, jedoch ist die Zusammenfassung der verschiedenen Bauten in die beiden Gruppen eine andere und sinnvollere. Während nach § 131 AktG 37 die Geschäfts- und Wohngebäude eine Gruppe bilden und die Fabrikgebäude oder andere Baulichkeiten die andere, ist jetzt alles, was zum Geschäftsoder Fabrikationsbetrieb gehört, zusammengefaßt in eine Gruppe, in der anderen Gruppe bleiben allein die Wohnbauten. Unter „andere Bauten" fallen Straßenanlagen, Kaianlagen usw. Nicht hierher gehören Gebäude auf fremden Grundstücken. Diese sind jetzt gesondert unter N r . 4 aufzuführen. Neu ist die Einführung des Begriffs der grundstücksgleichen Rechte. Damit ist gemeint z. B. das Erbbaurecht und das Bergwerkseigentum, auch das Wohnungseigentum. Da sie wirtschaftlich und in vieler Beziehung auch rechtlich den Grundstücken gleichstehen, sollen sie mit diesen zusammen ausgewiesen werden. Das dürfte schon nach dem bisherigen Recht überwiegend geschehen sein. Bei den bebauten Grundstücken ist die Scheidung in Grundstücke und Gebäude statthaft, wenn dies trotz Schwierigkeiten, erstere zu bewerten, wegen der verschiedenen Abschreibungssätze erwünscht ist. b) Unbebaute Grundstücke Anm. 7: Ein unbebautes Grundstück kann, auch wenn dafür ein besonderes Grundstücksblatt angelegt ist, wirtschaftlich einem bebauten Komplex zuzu838
Gliederung der Jahresbilanz
§151 Anm. 7—11
rechnen sein (Adler-Düring-Schmaltz § 131 Anm. 35). Auch hier kann es grundstücksgleiche Rechte geben, Erbbaurecht, Bergwerkseigentum, Kohle-, Erdöl-, Erd-, Ton-, Abbaurechte an fremden Grundstücken usw. c) Bauten auf fremden Grundstücken Anm. 8: Der Posten ist neu. Die Sonderbehandlung solcher Bauten erscheint deshalb notwendig, weil derartige Bauten nicht den gleichen Wert darstellen, den sie haben würden, wenn sie auf eigenem Boden errichtet wären, zumindest ist der Bau nicht ohne weiteres veräußerbar. Der Zusatz: „die nicht zu Nr. 1 oder Nr. 2 gehören" bedeutet, daß, wenn Bauten aufgrund eines Erbbaurechts auf einem fremden Grundstück errichtet sind, diese unter 1. oder 2. auszuweisen sind, da das Erbbaurecht eines der wichtigsten Beispiele für „grundstücksgleiche Rechte" im Sinne der Bestimmungen 1 und 2 ist und dennoch es sich um Bauten auf fremden Grundstücken handelt. d) Maschinen und maschinelle Anlagen Anm. 9: Maschinen sind audi dann hier aufzuführen, wenn sie wesentlidie Bestandteile der Grundstücke sind (a. A. Baumbach-Hueck, § 131, Anm. 4; wie hier Schl.-Qu., § 131, Anm. 12), soweit sie nicht dem Gebäudezweck dienen; letzterenfalls gehören sie, wenn wesentlidie Bestandteile, unter Posten 1. Nicht die juristische, sondern die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist maßgebend (wie hier Mellerowicz in Großkomm. § 131, Anm. 10). e) Betriebs- und Geschäftsausstattung Anm. 10: Abweichend vom bisherigen Recht sind Werkzeuge hier nidit besonders aufgeführt. Eine sachliche Änderung bedeutet dies nicht, da Werkzeuge regelmäßig zur Betriebsausstattung gehören. Vielfach wird es sich um so kurzlebige Gegenstände handeln, daß eine Aktivierung überhaupt kaufmännischen Grundsätzen widersprechen würde. Aufzuführen sind hier der Kraftfahrzeugpark, aber auch Werkstätten-, Büro- und Lagerausstattung. f ) Anlagen im Bau und Anzahlung auf Anlagen Anm. 11: Der Posten ist neu. Er entspricht einer bereits weit verbreiteten Übung, im Bau befindliche Anlagen und darauf geleistete Anzahlungen gesondert auszuweisen. Da die Bewertung der Anlage im Bau und die darauf geleisteten Anzahlungen nicht immer klar auseinanderzuhalten sind, wird beides in einem Posten zusammengezogen. Die bisher vielfach übliche Art, die Beträge über einen Verrechnungsposten laufen zu lassen und erst die fertige Anlage auf die für sie maßgebende Anlageposten zu übertragen, ist künftig nicht mehr zulässig (vgl. Kropff in DB 66, 670). 839
§ 151
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 12—14 g) Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten Anm. 12: Für immaterielle Anlagewerte darf ein Aktivposten nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden (§ 153 III). Zu den „ähnlichen Rechten" zählen auch die Urheber- und Verlagsrechte sowie nicht patentierte oder sonst geschützte Geheimverfahren. B. Finanzanlagen a) Beteiligungen Anm. 13: Beteiligungen sind auf Einlage von Kapital beruhende ursprünglich oder abgeleitet erworbene Mitgliedschaft bei einer anderen Gesellschaft, gleichgültig ob darüber besondere Urkunden (Aktien, Kuxe) vorhanden sind oder nidit (Geschäftsanteile). Voraussetzung ist, daß überhaupt die Mitgliedschaft zum Anlagevermögen nach § 152 I gehört, d. h., daß sie dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen bestimmt ist. H a n delt es sich nur um eine Anlage flüssiger Mittel, deren jederzeitiger Wechsel, wenn auch nicht beabsichtigt jedoch vorbehalten ist, so sind sie im Umlaufvermögen aufzuführen, und zwar, wenn es sich um Wertpapiere handelt, unter B Posten 7, sonst unter Posten 12. Die Beteiligungen brauchen nicht im einzelnen aufgeführt zu werden, Angabe in einer Summe genügt. Die in § 131 A k t G 3 7 in den Gliederungsvorschriften enthaltene Vermutung, daß der Besitz von Vi der Anteile eines anderen Unternehmens im Zweifel als Beteiligung anzusehen ist, befindet sich jetzt unverändert in § 152 II. Eigene Aktien zählen nach III B Posten 8 zum Umlaufvermögen, ebenso die Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft (III B Posten 9). Dagegen sind die Anteile einer abhängigen Gesellschaft in aller Regel Beteiligungen. h) Andere Wertpapiere Anm. 14: Die Trennung zwischen Beteiligungen und „anderen Wertpapieren des Anlagevermögens" ist, obwohl die Bewertungsvorschriften für beide die gleichen sind, erfolgt, weil zwischen beiden ein Liquiditätsunterschied besteht. Es kann sich um Anleihen oder Schuldverschreibungen des Bundes oder eines Landes, eines öffentlich-rechtlichen Verbandes oder eines industriellen Unternehmens, aber auch um Aktien handeln. Immer aber müssen sie zum Anlagevermögen gehören. Bei derartigen Wertpapieren, von denen Versicherungsgesellschaften und Banken auch große Bestände, erstere nicht zu Dauerzwecken, unterhalten, mag es mitunter schwer sein, zu entscheiden, ob sie zum Anlage- oder Umlaufvermögen gehören, was für die Bewertung (§§ 154, 155) erheblich ist. Maßgeblich ist nach § 1521 die Bestimmung des Wert840
Gliederung der Jahresbilanz
§151
Anm. 14—16
papiers, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, also nicht ohne dringenden Grund und nicht alsbald veräußert zu werden. c) Ausleihungen mit einer Lauf zeit von mindestens 4 Jahren Anm. 15: Nach dem bisherigen Recht (§ 1311 A I I I Posten 6 AktG 37) waren Hypotheken-, Grund- und Rentenschulden im Umlaufvermögen auszuweisen. Das war insofern widerspruchsvoll, da gerade in dieser Weise gesicherte Forderungen im allgemeinen auf eine Daueranlage schließen lassen. Deshalb ist nunmehr im Anlagevermögen dieser neue Posten aufgenommen worden. Hier sind aufzunehmen die im Sinne des § 152 I zum Anlagevermögen gehörigen Forderungen, das können, da sie dazu bestimmt sein müssen, dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen, nur Forderungen von einer gewissen Dauer sein. Das Gesetz bestimmt deshalb ausdrücklich, daß es sich um Ausleihungen handeln muß mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren. Maßgebend ist die vertraglich vereinbarte Laufzeit, nicht etwa die Restlaufzeit, denn hier gilt es, nicht nur die Liquidität, sondern auch die Art der Geldanlage zu zeigen, die das Merkmal der Langfristigkeit nicht etwa in den letzten Jahren der Laufzeit verliert. Abweichend vom bisherigen Recht liegt das Schwergewicht auf der Forderung selbst und ihrer Laufzeit, nicht etwa auf dem Nominalbetrag, Sicherung durch Grundpfandrechte. Das wurde allerdings auch nach dem bisherigen Recht schon allgemein angenommen. Handelt es sich um mehrere Ausleihungen, so ist es nicht notwendig, sie einzeln aufzuführen, vielmehr genügt eine Zahl. Bei der Angabe, wieviel davon durch Grundpfandrechte gesichert sind, kommt es auch nicht auf den Nominalwert der Grundpfandrechte an, sondern auf die Forderungen, die durch diese Rechte gesichert sind. Wenn z. B. drei Forderungen von je 10 000,— DM vorhanden sind, die in einem Betrag von 30 000,— DM unter Nr. 3 ausgewiesen werden, und eine davon durch eine Sicherungshypothek in Höhe von 15 000,— DM gesichert ist, so darf als „davon durch Grundpfandrechte gesichert" nur ein Betrag von 10 000,— DM, nicht aber von 15 000,— DM eingesetzt werden. 3. Umlaufvermögen Anm. 16: Im Gegensatz zum AktG 37 enthielt der Regierungsentwurf nicht den Oberbegriff „Umlaufvermögen". Er behandelt unter I I I Vorräte, unter IV andere Vermögensgegenstände. Es ist nicht zu verkennen, daß dies logischer war als die jetzige Einteilung, denn unter I I I B, das nunmehr mit „andere Gegenstände des Umlaufvermögens" bezeichnet wird, werden Dinge aufgeführt, die kein Umlaufvermögen im betriebswirtschaftlichen Sinne zu sein brauchen. Gleichwohl hat man sich entschlossen, einem entsprechenden Vorschlag der Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft zu 841
§151
Anm. 16—21
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
folgen, und den Begriff „Umlaufvermögen" wieder eingefügt, weil er sich eingebürgert hat und bei der Bilanzanalyse eine wesentliche Rolle spielt. A. Vorräte Anm. 17: Die Posten 1 und 2 scheiden bei allen Aktiengesellschaften, die sich nicht mit Fabrikation befassen, aus (Abs. 2). Unter den Posten 3 können als Waren auch Grundstücke fallen, wenn sie zur Weiterveräußerung bestimmt sind. B. Andere Gegenstände des Umlaufvermögens Anm. 18: Die Reihenfolge der hier aufgeführten Gegenstände ist gegenüber § 131 I A III Posten 4—16 AktG 37 geändert worden. Posten 1—7 stehen im Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr, während Posten 8 bis 11 aktienrechtliche Sonderposten enthalten. a) Geleistete Anzahlungen Anm. 19: Geleistete Anzahlungen — die Worte „von der Gesellschaft" sind als überflüssig gestrichen worden — auf Waren oder Vermögensgegenstände, die noch nicht geliefert sind (Klausing, S. 100). Audi nach kaufmännischer Übung ist die geleistete Zahlung, nicht der Lieferungsansprudi zu bilanzieren. Anzahlungen, die für Anlagen im Bau geleistet wurden, sind nicht hier, sondern unter Aktivseite II A Posten 7 aufzuführen. b) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen Anm. 20: Voraussetzung ist, daß die Gesellschaft ihrerseits die Waren geliefert und die Leistung erbracht hat. Ist der Eingang der Forderung zweifelhaft, so sind gemäß § 40 I I I HGB entsprechende Abschläge zu machen oder auf der Passivseite eine Wertberichtigung vorzunehmen. Um einen besseren Einblick in die Liquidität der Gesellschaft zu erreichen, ist neu vorgesehen ein Vermerk der Forderungen mit einer Restlaufzeit von mehr als 1 Jahr. Hier kommt es im Gegensatz zu II B Nr. 3 nicht auf die ursprünglich vereinbarte Laufzeit an, sondern auf die Laufzeit vom Bilanzstichtag an. c) Wechsel Anm. 21: In erster Linie sind Kundenwechsel gemeint. Wechsel, in denen unbeschäftigte Mittel vorübergehend angelegt werden (Privatdiskonten), (Privatdiskonten), werden zweckmäßig gesondert ausgewiesen oder durch einen Zusatz hervorgehoben. Bundesbankwechsel fallen unter B Posten 7. Kautionswechsel, die nur verwertet werden dürfen, wenn der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, gehören nicht in die Bilanz, es sei denn, daß ein Ausgleichsposten eingesetzt wird. 842
Gliederung der Jahresbilanz
§151 Anm. 21—26
Neu ist, daß die Summe aus bundesbankfähigen Wechseln als Vermerk anzugeben ist. Das sind Wechsel, die die Bundesbank nach § 19 I Nr. 1 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 26. 7. 57 (BGBl. S. 745) von Kreditinstituten kaufen darf. Da diesen Wechseln ein höherer Grad von Liquidität zuzusprechen ist als den übrigen Wechseln, sollen sie besonders kenntlich gemacht werden (vgl. Regierungsbegründung). d) Schecks Anm. 22: Obwohl Schecks in kaufmännischen Kreisen wie bares Geld angesehen werden, dürfen sie nicht unter dem Kassenbestand aufgeführt werden. c) Kassenbestand,
Bundesbank-
und
Postscheckgutbaben
Anm. 23: Quittungen, auch wenn sie noch nicht gebucht sind, dürfen nicht in den Kassenbestand eingeredinet werden. f) Guthaben bei Kreditinstituten Anm. 24: Die Bezeichnung „andere Bankguthaben" des § 131 A I I I Posten 1 5 A k t G 3 7 ist durch den Ausdruck „Kreditinstitute" ersetzt worden. Er stammt aus § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen. Damit ist klargestellt, daß unter diesem Posten auch Guthaben bei Sparkassen auszuweisen sind. Ein gesonderter Ausweis von „täglichem" und „festem" Geld ist nicht erforderlich, wohl aber solcher Guthaben, die aus irgendeinem Grunde gesperrt sind. g) Wertpapiere Anm. 25: Alle Wertpapiere, soweit sie nicht als Beteiligungen (II B Posten 1) oder weil sie dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen bestimmt sind, zum Anlagevermögen (II B Posten 2) gehören, ferner nicht Wechsel, Schecks, eigene Aktien und Aktien oder Kuxe an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Aktiengesellschaft oder KGaA oder bergrechtlichen Gewerkschaft, weil diese gesondert unter B Posten 3, 4, 8 und 9 aufzuführen sind. Es braucht nur ein Gesamtbetrag angegeben zu werden, eine Aufteilung nach Art oder Gattung ist nicht erforderlich. Die Position umfaßt auch fällige Gewinnanteile und Zinsen. h) Eigene
Aktien
Anm. 26: Für ihre Einordnung unter Umlaufvermögen spridit einmal die gesetzlidie Definition des Anlagevermögens nach § 152 I, zum anderen, daß sie den Bewertungsgrundsätzen für Gegenstände des Umlaufvermögens (§ 155) zweckmäßigerweise zu unterstellen sind. Nur die Aktien, die sich im Eigentum der Gesellschaft befinden, gehören in die Bilanz. Gehören sie einem 843
§151 Anm. 26—28
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Dritten für Rechnung der Gesellschaft, so sind sie nicht aufzuführen, weil die Vereinbarung nach §§ 56, 71 unwirksam ist (s. aber § 160 I I I Nr. 2, Angaben im Geschäftsbericht). Anders wenn der Dritte die Aktie von der Gesellschaft als Treuhänder erhalten hat. Lieferungsansprüche aus Kauf oder Kommission sind, wenn einer der Ausnahmefälle des § 71 vorliegt und der Anspruch besteht, zu bilanzieren, sofern die Gesellschaft erfüllt hat. Aktien einer abhängigen Gesellschaft sind unter Beteiligungen I I B Posten 1 aufzuführen. Für den Wertansatz gilt § 155. Der Nennbetrag ist vor der Linie anzugeben. Die nach dem bisherigen Recht mit den eigenen Aktien zusammen anzugebenden Aktien einer herrschenden Gesellschaft sind jetzt unter Posten 9 gesondert anzugeben. i) Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft unter Angabe ihres Nennbetrages, bei Kuxen ihrer Zahl Anm. 27: Bisher waren zusammen mit den eigenen Aktien nur Aktien einer herrschenden Gesellschaft anzugeben. Diese Bestimmung wird jetzt wesentlich erweitert, es sind nicht nur Aktien, sondern alle Anteile, gleich welcher Art, an einer herrschenden Kapitalgesellschaft, das sind Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft a. A. und GmbH und Anteile an einer herrschenden bergrechtlichen Gewerkschaft hier aufzuführen. Das gleiche gilt für die Anteile eines nach § 16 mit Mehrheit beteiligten Unternehmens, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft oder eine bergrechtliche Gewerkschaft handelt. Audi hier ist eine Aufgliederung nicht erforderlich, anzugeben ist eine Zahl. Für die Bewertung gilt § 155. Der Nennbetrag der Anteile, bzw. bei Kuxen ihre Zahl, sind als Vermerk anzugeben. Der besondere Ausweis erschien nach der Regierungsbegründung deshalb erforderlich, weil Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft insofern unsichere Werte sind, als sie, soweit die herrschende Gesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft an der bilanzierenden Gesellschaft beteiligt ist, wirtschaftlich dem Besitz eigener Aktien gleichkommen. k) Forderungen
an verbundene
Unternehmen
Anm. 28: Während bisher nur Forderungen an Konzernunternehmen gesondert auszuweisen waren, sind jetzt die Forderungen an alle verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 auszuweisen. D a zwischen verbundenen Unternehmen in aller Regel Vermögensbeziehungen bestehen, erhöht ein gesonderter Ausweis der Forderungen an alle verbundenen Unternehmen die Aussagefähigkeit des Jahresabschlusses. Entsprechendes gilt für die Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen (Passivseite V I Posten 5). 844
Gliederung der Jahresbilanz
§ 151
Anm. 28,29
Unerheblich ist der Rechtsgrund der Forderung. Es gehören hierher sowohl Finanzforderungen als auch Forderungen aufgrund Lieferung, Leistung, Anzahlung auf den beschlossenen Gewinnanteil. Dagegen halten wir die Aktivierung einer noch nicht beschlossenen Dividende einer Konzerngesellschaft auch dann für unzulässig, wenn sie ausschließlich von dem Willen der bilanzierenden Obergesellschaft bestimmt wird, weil etwas, was rechtlich überhaupt noch nicht besteht, auch nicht bilanziert werden kann, mag die Entstehung auch noch so sicher sein (ebenso Schl.-Qu. 23, 51; R G 112, 19). Eine Aufteilung der Forderungen auf die verschiedenen Gesellschaften ist ebensowenig notwendig wie die Aufgliederung nach Art oder Entstehung. Es genügt ein Gesamtbetrag (Klausing, S. 110). Auch wenn die Forderung gleichzeitig unter eine andere Position fällt, ist sie in der Regel hier auszuweisen (Abs. 3) oder da, wo sie ausgewiesen werden, als Forderung gegen verbundene Unternehmen kenntlich zu machen. Die für das bisherige Recht ergangene Entscheidung des B G H (44, 35) ist auch für das neue Recht zu beachten (teilweise a. A. Möhring in N J W 66, 88). I) Forderungen aus Krediten die unter §§ 89 und 115 fallen Anm. 29: Unter § 89 fallen Kredite, die das Monatsgehalt des Empfängers übersteigen, wenn sie an den in § 89 genannten Personenkreis gewährt 1. Vorstandsmitglieder 2. Prokuristen 3. zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte. Ist einer dieses Personenkreises zugleich gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsrates einer anderen juristischen Person oder Gesellschafter einer Personenhandelsgesellchaft, so fällt ein der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellschaft gewährter Kredit unter § 89, und zwar Abs. 4. Im einzelnen vgl. § 89 Anm. 5—7. Getrennt hiervon ist unter Posten I I b ) die Summe der Forderungen aus Krediten, die unter § 115 fallen, anzugeben. Dies sind: Kredite an Aufsichtsratsmitglieder, an den Ehegatten oder ein minderjähriges Kind eines Aufsichtsratsmitglieds und die Kredite an einen Dritten, der für Rechnung dieser Personen oder für Rechnung eines Aufsichtsratsmitgliedes handelt, § 115 I und II, Kredite an eine juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft, wenn ein Aufsichtsratsmitglied der bilanzierenden Gesellschaft zugleich gesetzlicher Vertreter der juristischen Person oder Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft ist. Im einzelnen vgl. § 115 Anm. 2—4. Im bisherigen Recht wurde der gesonderte Ausweis der „Forderungen an Aufsichtsratsmitglieder, soweit sie nicht aus Geschäften entstanden sind, die der Betrieb der Gesellschaft gewöhnlich mit sich bringt" (§ 131 I A I I I 845
§151
Anm. 29—33
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
Posten 11 AktG 37) verlangt. Diese Bestimmung ist nicht übernommen worden, da neben dem gesonderten Ausweis der Forderungen aus Krediten an Aufsichtsratsmitglieder nach § 115 diese Bestimmung keine praktische Bedeutung mehr hat. Auch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gewährte Kredite sind nach Inkrafttreten der Bestimmungen über die Rechnungslegung nach diesen auszuweisen (ebenso Kropf! in DB 66, 670). m) Sonstige Vermögensgegenstände Anm. 30: Der Posten „sonstige Forderungen" in § 131 I A III Posten 16 AktG 37 erschien zu eng, denn es können auch Vermögensgegenstände in Frage kommen, die nicht Forderungen sind. Daher ist nunmehr von sonstigen Vermögensgegenständen die Rede. Hier sind beispielsweise aufzuführen Wohnungsbaudarlehen an Arbeitnehmer, wie überhaupt alle Darlehensforderungen, die nicht unter einen der vorausgegangenen Posten fallen. Nebenforderungen, wie Zinsforderungen, sind nur besonders zu aktivieren, wenn sie rückständig sind. Das gilt auch von fälligen Zinsscheinen. Forderungen und Verbindlichkeiten aus Miete oder Pachtverträgen werden so lange nicht bilanziert, solange nicht die eine oder andere Leistung rückständig ist. Nebenrechte, wie Bürgschaftsforderungen und Pfandrechte, dürfen nicht besonders aktiviert werden. 4. Rechnungsabgrenzungsposten Anm. 31: Nach § 152 IX Nr. 1 dürfen unter diesem Posten nur Ausgaben vor dem Abschlußstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, ausgewiesen werden (vgl. im einzelnen § 152 Anm. 8). 5. Bilanzverlust Anm. 32: Als letzter Posten der Aktivseite ist ein etwaiger Bilanzverlust einzusetzen. Das muß zwangsläufig geschehen, um die Jahresbilanz vollständig zu machen. Selbstverständlich handelt es sich nicht um einen Aktivposten, sondern um einen rechnerischen Posten, der sich ergibt aus dem Überschuß der Passivposten über die Aktivposten (Abs. 4 S. 3). IV. Passivseite 1. Grundkapital Anm. 33: Es ist mit dem Nennbetrag in voller Höhe einzusetzen, auch soweit es verloren, nicht voll eingezahlt oder im Eigenbesitz der Gesellschaft ist. In diesen Fällen steht ihm als Aktivposten der Verlust, der Betrag der außenstehenden Einlagen oder eigenen Aktien gegenüber. Die Vorschrift hat zur Folge, daß niemals der Gewinn eines einzelnen Jahres verwendungs846
Gliederung der Jahresbilanz
§151
Anm. 33—36
fähig ist, solange ein Teil des Grundkapitals verloren ist. Sie gehört daher zu den Bestimmungen, die das Grundkapital „garantieren". Darauf besteht ein Anspruch auch der Aktionäre, nicht nur der Gläubiger. Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen sind erst nach der Eintragung in das Handelsregister zu berücksichtigen, vorbehaltlich der Sonderfälle „rückwirkender" Kapitalherabsetzung und -erhöhung nach den §§ 234 und 235. Über Aktien verschiedener Gattung, bedingtes Kapital und Mehrstimmrechtsaktien vgl. §152111 und dort Anm. 3. Der Betrag des genehmigten Kapitals wird nicht in der Bilanz, sondern nur im Geschäftsbericht nach § 160 III Nr. 5 vermerkt. 2. Off ene Rücklagen Anm. 34: Über gesetzliche Rücklage vgl. § 150 und die Anm. dort. Anders als die „gesetzliche Rücklage" bezeichnet das Gesetz als freie Rücklagen einmal, weil sie freiwillig gebildet sind und zum andern, weil sie — deshalb — nicht gebunden sind. Hierher gehören auch Fonds für soziale Zwecke aller Art. Das Gesetz verlangt nur die Angabe einer einzigen Summe, jedoch ist der gesonderte Ausweis der Rücklagen nach ihrem Charakter und ihrer Bestimmung allgemein üblich und zweckmäßig. 3. Wertberichtigungen Anm. 35: Bei Wertberichtigungen handelt es sich um mittelbare Abschreibungen. Auf der Aktivseite der Bilanz werden bei diesem Verfahren die Anschaffungswerte ausgewiesen, die Abschreibung wird nicht davon abgezogen, sondern der Passivseite als Wertberichtigungsposten zugeführt. Die im wesentlichen neue Bestimmung im §152 VI schränkt die Möglichkeit der Wertberichtigung erheblich ein. Sie dürfen nur zu Sachanlagen (Aktivseite I I A Posten 1 bis 7), zu Beteiligungen (Aktivseite II B Posten 1) und zu Wertpapieren des Anlagevermögens (Aktivseite II B Posten 2), sowie als Pauschalwertberichtigung wegen des allgemeinen Kreditrisikos zu Forderungen vorgenommen werden (vgl. im einzelnen § 152 VI und dort Anm. 2). 4. Rückstellungen Anm. 36: Rückstellungen dürfen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste bei schwebenden Geschäften gebildet werden (§ 152 VII 5. 1). Ferner für im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung oder Abraumbeseitigung und für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden (§ 152 VII S. 2). Von diesen „anderen" Rückstellungen getrennt sind unter dem Posten „Pensionsrückstellungen" die Rückstellungen für laufende Pensionen und für Anwartschaften auf Pensionen auszuweisen (§ 152 VII S. 3). Die Einsetzung dieses Postens besagt nicht, daß eine Pensionsrückstellung gebildet werden müsse. Hier besteht wie bisher Freiheit. Wenn es aber geschieht, muß sie an dieser Stelle ausgewiesen wer847
§151
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 36,37 den. Die Rückstellungen für laufende Pensionen und die für Anwartschaften müssen nicht getrennt ausgewiesen zu werden (str.; wie hier Heubeck in DB 66, 629). Nur von den „anderen Rückstellungen" sind sie getrennt auszuweisen, weil sie vielfach eine besondere Art Eigenkapital darstellen (Möhring in N J W 66, 89). Soweit eine Rückstellung nidit erfolgt, ist ein Vermerk nach § 159 zu machen (s. dort). 5. Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren Anm. 37: Der Posten ist der Gegenposten zu Aktivseite II B Posten 3. Während auf der Aktivseite die langfristigen Ausleihungen in einem Posten zusammenzufassen sind, lediglich mit dem Vermerk, welcher Betrag davon durch Grundpfandrechte gesichert ist, werden die langfristigen Verbindlichkeiten aufgegliedert. Besonders auszuweisen sind die Anleihen und die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, während alle anderen langfristigen Verbindlichkeiten zusammenzufassen sind. Bei allen drei Posten ist jeweils anzugeben, wieviel der angegebenen Beträge durch Grundpfandrechte gesichert sind. Bei den Verbindlichkeiten ist, ebenso wie bei den Aktiven, unter der Laufzeit von 4 Jahren die vereinbarte Laufzeit zu verstehen. Das kommt hier besonders zum Ausdruck, weil außer dem Vermerk, welche Beträge durch Grundpfandrechte gesichert sind, ein weiterer Vermerk vorgeschrieben ist, nämlich der Betrag der langfristigen Verbindlichkeiten, der vor Ablauf von 4 Jahren fällig ist. Hier rechnen die 4 Jahre vom Bilanzstichtag an. Hier wird besonders deutlich, daß es für die Frage, ob es sich um eine langfristige Verbindlichkeit handelt, es darauf ankommt, ob die vereinbarte Laufzeit mindestens 4 Jahre beträgt. Um aber zu verhindern, daß die Liquidität der Gesellschaft zu günstig erscheint, wird der besondere Vermerk verlangt, aus dem man ersehen kann, welche der langfristigen Verbindlichkeiten vom Zeitpunkt des Bilanzstichtages aus gesehen, nicht mehr „langfristig" ist oder anders ausgedrückt, inwieweit die Fälligkeit langfristiger Verbindlichkeiten die Liquidität im Zeitraum der nächsten 4 Jahre verschlechtert. Es ist nur die Gesamtsumme in dem Vermerk anzugeben, wenn mehrere langfristige Verbindlichkeiten innerhalb der nächsten 4 Jahre fällig werden. Es ist ferner nicht erforderlich, das Datum der Fälligkeit zu nennen. Dies wird aber zweckmäßig sein, da mit einiger Sicherheit damit zu rechnen ist, daß, wenn es nicht angegeben wird, in der Hauptversammlung danach gefragt wird, mindestens dann, wenn es sich um einen verhältnismäßig hohen Betrag handelt, der geeignet ist, die Liquidität der Gesellschaft mehr als unwesentlich zu beeinflussen. Bereits nach dem bisherigen Recht, § 131 B V Posten 1 AktG 37 waren Anleihen unter Angabe ihrer dinglichen Sicherung gesondert auszuweisen. Sie sind als Verbindlichkeiten nach § 156 II zu ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Die dingliche Sicherung ist in der Vorspalte zu vermerken. Audi Verbindlichkeiten gegenüber Banken waren bereits nach dem bis848
Gliederung der Jahresbilanz
§151
Anm. 37—39 herigen Recht § 131 Abs. 1 B V Posten 9 AktG 37 gesondert auszuweisen, auch sie sind nach § 156 II mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Ist der Rückzahlungsbetrag von Verbindlichkeiten oder Anleihen höher als der Ausgabebetrag, so darf der Unterschied unter die Rechnungsabgrenzungsposten der Aktivseite aufgenommen werden (§ 156 III S. 1). Wie auch sonst an anderer Stelle spricht das Gesetz hier nicht mehr von Banken, sondern von Kreditinstituten. Als sonstige Verbindlichkeiten kommen z. B. Verpflichtungen aus Genußrechten in Frage, wenn sie den Zweck gehabt haben, der Gesellschaft neues Kapital anstelle von Aktien zuzuführen, ohne daß dieses buchmäßig der Sanierung dienen und zu Abschreibungen oder Beseitigungen einer Unterbilanz dienen sollte. Dann sind sie zu passivieren, um einen diesem Kredit entsprechenden Betrag zu binden. Zu beachten ist, daß hier nur langfristige Verbindlichkeiten aufzuführen sind; kurzfristige, sonstige Verbindlichkeiten fallen unter VI Posten 6. 6. Andere
Verbindlichkeiten
a) Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Anm. 38: Der Posten ist das Gegenstück zur Aktivseite III B Posten 2. Eines gesonderten Vermerks von Verbindlichkeiten mit einer längeren Restlaufzeit bedarf es jedoch nicht, da es hier nur darauf ankommt, den Anschein einer günstigen Liquidität der Gesellschaft zu vermeiden. b) Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel Anm. 39: Hierher gehören nicht nur die Akzepte für Warenbezüge und empfangene Darlehen, sondern auch Wechsel, für die der Gesellschaft ein Gegenwert nicht zugeflossen ist, wie Gefälligkeitswechsel (ebenso Schi.-Qu. § 131 Anm. 43), dagegen nicht Kautionswechsel oder Depotwechsel, die beide nicht zu bilanzieren sind. Regreßverpflichtungen aus Wechseln, z. B. aus Kundenwechseln, die bei einer Bank diskontiert oder für eine eigene Warenschuld in Zahlung gegeben wurden, brauchen nicht passiviert zu werden, solange nicht zu befürchten ist, daß der Wechsel notleidend wird und die Forderung gegenüber dem Vormann wertlos ist. Sie müssen jedoch nach § 160 II Nr. 7 im Geschäftsbericht erwähnt werden. Die Einstellung unter die Passiven ist erforderlich, wenn einerseits die dem Wechsel zugrunde liegende (Waren-) Forderung unter den Aktiven weitergeführt wird, andererseits die Schuld nicht, für welche der Wechsel remittiert wird. Bei Ziehungen auf eine Bank zwecks Ausnützung eines Akzeptkredits ist im Geschäftsbericht nur die Weitergabe zu erwähnen, während die Verpflichtung, für Deckung bei Verfall zu sorgen, unter den Passiven erscheint. 849 54
Wilhelmi, Aktiengesetz
§151
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 40—44 c) Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten Anm. 40: Der Posten stimmt mit § 131 Abs. 1 B V Posten 9 AktG 37 insoweit überein, als es sich nicht um langfristige Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten handelt. Wie auf der Aktivseite der Bilanz wird statt des Ausdrucks „Banken" der Ausdrude „Kreditinstitute" verwandt. d) Erhaltene Anzahlungen Anm. 41: Aufzuführen sind alle Zahlungen, die die Gesellschaft von Kunden auf noch nicht gelieferte Waren erhalten hat. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um Teil- oder Vollzahlungen handelt. e) Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen Anm. 42: Es handelt sich um den Gegenposten zur Aktivseite III B Posten 10 (vgl. Anm. 28). f ) Sonstige Verbindlichkeiten Anm. 43: Hierunter fallen nur die kurzfristigen Verbindlichkeiten, die langfristigen sind unter V, Posten 3 aufgeführt. Es sind dies rückständige oder nicht erhobene Anleihezinsen, Verpflichtungen aus Bürgschaften und Gewährleistungen für fremde Leistungen, wenn die Inanspruchnahme ohne volle rechtliche und tatsächliche Rückgriffsmöglichkeit zu besorgen ist (anderenfalls sind sie nach Abs. 5 in der Bilanz nur zu vermerken). Für Ansprüche aus Gewährleistung für eine eigene Leistung können Rückstellungen gebildet werden. Geschieht dies nicht, so sind sie, wenn noch keine Verpflichtungen entstanden sind, nach § 160 III Nr. 7 im Geschäftsbericht zu vermerken. Verpflichtungen, die davon abhängig sind, daß ein Bilanzgewinn entstanden ist, sind nur, soweit nicht die Hauptversammlung berufen ist, diese Ansprüche bei der Gewinnverwendung zu berücksichtigen, als Verpflichtungen hier auszuweisen (wie z. B. die Gewinnanteile des Vorstandes und der Angestellten oder Dritter, z. B. Erfinder), Besserungsscheine nachzuzahlender Vorzugsrechte u. dgl. Ist ein Bilanzgewinn nicht erzielt, sind derartige Verpflichtungen nicht aufzunehmen. Dagegen gehören hierher nicht erhobene Dividenden. Verpflichtungen und Forderungen aus beiderseits noch nicht erfüllten gegenseitigen Verträgen werden nicht gebucht. 7. Rechnungsabgrenzungsposten Anm. 44: Als Rechnungsabgrenzungsposten dürfen nur ausgewiesen werden Einnahmen vor dem Abschluß-Stichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tage darstellen (vgl. § 152 IX Nr. 2 und dort Anm. 8). 850
Gliederung der Jahresbilanz
§151
Anm. 45—47 8. Bilanzgewinn Anm. 45: Es ist der Gegenposten zu der Aktivseite unter V. Das dort Gesagte gilt hier sinngemäß, vgl. Anm. 32. V. Wegfall von Posten und Zugehörigkeit zu mehreren Posten Anm. 46: Die neu eingefügte Vorschrift des Abs. 2 stellt in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre zum bisherigen Recht klar, daß Leerposten nicht aufgeführt zu werden brauchen, sie würden nur die Übersichtlichkeit stören. Sind umgekehrt Gegenstände vorhanden, für die ein besonderer Posten nicht vorgesehen ist, so können sie unter Aktivseite H I B Posten 12 „sonstige Vermögensgegenstände" ausgewiesen werden, wenn nicht das Gebot der Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses (§ 149 I) den gesonderten Ausweis unter entsprechender Bezeichnung fordert. Fällt ein Gegenstand unter mehrere Posten, so ist das dort, wo er nicht aufgeführt ist, zu vermerken, jedoch nur, wenn es zur Herstellung eines klaren und übersichtlichen Bilanzbildes nötig ist. Ob dies der Fall ist und wie dieser Vermerk zu lauten hat, steht im Ermessen der Verwaltung. Maßgebend muß für sie der Grundsatz der Übersichtlichkeit der Bilanz sein. Zu häufige Verweisungen beeinträchtigen die Klarheit. Der Gesichtspunkt der Bilanzklarheit muß auch darüber entscheiden, wo ein Aktivum oder Passivum aufzuführen ist. Verbindlichkeiten und Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen sind regelmäßig unter dem dafür vorgesehenen Gliederungsposten aufzuführen und ist ein Vermerk, der sie als solche kennzeichnet, zu machen, wenn sie ausnahmsweise unter anderen Posten ausgewiesen werden. Für eigene Aktien und Anteile an einer herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft besteht ein absoluter Zwang, sie als solche und als besonderen Posten aufzuführen, selbst wenn sie an sich unter einen anderen fielen. Das gilt nicht für Aktien einer abhängigen Gesellschaft. Diese gehören meist unter Beteiligungen, Aktivseite II B Posten 1. VI. Behandlung von Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen, Rüdciagen und Ergebnis in der Bilanz Anm. 47: Wie im bisherigen Recht sind Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen bereits in der Jahresbilanz vorzunehmen. Neu hinzugekommen ist zur Rückstellung der Sonderposten mit Rücklageanteil (vgl. hierzu § 152 V und dort Anm. 5). Die Einstellung dieser Posten gehört zur Feststellung des Jahresergebnisses, damit zur Feststellung des Jahresabschlusses und sind selbstverständlich Sache des Organs, das ihn feststellt, gleichgültig ob dies Vorstand und Aufsichtsrat tun oder die Hauptversammlung. Anders ist es mit den Rücklagen. Hier versteht es sich nicht von selbst, daß sie nicht Sache der Gewinnverwendung, sondern vorweg vom Gewinn abzu851 54*
§ 151 A n m . 47
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
ziehen sind. Dies gilt sowohl für die gesetzlichen als auch die freien Rücklagen, soweit sie von der Verwaltung gebildet werden können. Insofern enthält die vorliegende Bestimmung eine Einschränkung gegenüber dem bisherigen Recht. Diese ergibt sich aus der Verschiebung über die Befugnisse, freie Rücklagen zu bilden. Nach § 58 kann im allgemeinen die Verwaltung nur die Hälfte des Jahresüberschusses für die Bildung von freien Rücklagen verwenden, nachdem vorher vom Jahresüberschuß die Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, und ein etwaiger Verlustvortrag vorab vom Jahresüberschuß abgezogen sind. Der verbleibende Rest des Jahresüberschusses steht der Hauptversammlung zur Verfügung. Diese verfügt über ihn im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses. Insbesondere hat die Zuweisung in die gesetzliche Rücklage nach den Bestimmungen des § 150 und unter Berücksichtigung etwaiger Satzungsbestimmungen zu erfolgen, d. h., es muß stets 5 o/o des nach § 150 berichtigten Jahresübersdiusses so lange in die gesetzliche Rücklage eingestellt werden, bis diese die gesetzliche oder einen höheren, von der Satzung bestimmten Prozentsatz des Grundkapitals erreicht hat. Auch für die Zuweisung in freie Rücklagen sind Satzungsbestimmungen nach § 58 denkbar, einmal nach § 58 I, wenn der Jahresabschluß durch die Hauptversammlung festgestellt wird, dann aber auch nach § 58 II für den Fall, daß Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß feststellen, kann die Satzung bestimmen, daß mehr als die Hälfte des Jahresübersdiusses in freie Rücklagen einzustellen ist, allerdings hat eine solche Bestimmung nur so lange Wirkung, bis die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals erreicht haben. Alle diese Bestimmungen sind bereits bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses in der Bilanz zu berücksichtigen. Dagegen darf der Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung nicht eingeschränkt werden; alles worüber diese zu verfügen hat, kann nicht in der Jahresbilanz zum Ausdruck kommen. Der neue Posten „Sonderposten mit Rücklageanteil" ist hier deshalb aufgeführt, um möglichen Zweifeln zu begegnen, die sich aus der gemischten Natur dieser Posten ergeben könnten. Sie werden wie die Abschreibungen und Wertberichtigungen und Rückstellungen behandelt. Das bedeutet, daß ihre Bildung in die Zuständigkeit der Verwaltung fällt, wenn diese den Jahresabschluß feststellt, ferner, daß auch, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, diese Sonderposten bereits in der Jahresbilanz, nicht etwa außerhalb der Bilanz, im Beschluß über die Gewinnverwendung zu bilden sind (vgl. Regierungsbegründung). Die Auflösung der Rücklagen ist ebenso Sache des Organs, das den Jahresabschluß feststellt. Das wird im Gegensatz zum bisherigen Redit nunmehr an dieser Stelle ausdrücklich festgestellt. Über die Natur des Postens Bilanzverlust und Bilanzgewinn vgl. Anm. 32 und 45. Es konnte hier von der Bestimmung im bisherigen Recht, daß der 852
Gliederung der Jahresbilanz
§ 151
Anm. 47,48
Gewinn- oder Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu vermerken sei, verzichtet werden, da sich dieser aus der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157 I Posten 29) ergibt. Er ist in dem an dieser Stelle auszuweisenden Bilanzgewinn oder -verlust enthalten. Bilanzgewinn ist nicht Betriebsgewinn, sondern der Überschuß der Aktivposten über die Passivposten. Letztere einschließlich Kapital und aller, auch der in dem Bilanzjahr neu gestellten Rücklagen, der sich aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt. Er ist gleichzusetzen dem Bilanzgewinn, über dessen Verteilung die Hauptversammlung zu beschließen hat. Allerdings kann nunmehr die Hauptversammlung anders beschließen, als es der festgestellte Jahresabschluß vorsieht. Der Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung ändert aber den Jahresabschluß nicht (§ 174 III). Bilanzverlust ist nicht Betriebsverlust, sondern der Uberschuß der Passivposten über die Aktivposten, also einschl. der Rüdklagen. Beide sind gesondert und ungeteilt auszuweisen. Nach den Regeln der Buchführung wird die Bilanz so aufgestellt, daß beide Seiten sich ausgleichen. Ist Gewinn entstanden, so haben sich die Aktiven vermehrt, der Ausgleichsposten „Bilanzgewinn" muß daher in die Passivseite eingestellt werden, der Bilanzverlust umgekehrt in die Aktivseite. VII. Vermerke in der Jahresbilanz Anm. 48: Gewisse Risiken, die nicht zwingend auf der Passivseite der Jahresbilanz auszuweisen sind, müssen entweder in der Jahresbilanz oder im Geschäftsbericht §160 III Nr. 7 vermerkt werden. Da der Jahresabschluß nach § 177 II in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen ist, während der Geschäftsbericht lediglich dem Registergericht einzureichen ist, hat erstere die größere Publizität. Deshalb sind in ihm die Risiken aufzuführen, die die schwereren sind. Sämtliche in Abs. 5 aufgeführten Verbindlichkeiten und Haftungen können insoweit unter den Passiven in die Jahresbilanz aufgenommen werden, als für sie Rückstellungen gemacht werden können. Nur wenn das nicht geschieht, sind sie in der Jahresbilanz zu vermerken. Neu ist die Nr. 1. Danach sind die Verbindlichkeiten, die sich aus der Begebung und Übertragung von Wechseln ergeben könnten, aufzuführen. Das ist praktisch die Haftung aus Indossament. Damit ist die Offenlegung der Verbindlichkeit aus Wechseln erweitert. Nach bisherigem Recht nahm man an, daß die sich aus der Übertragung von Wechseln ergebenden Verbindlichkeiten nicht zu vermerken seien. Wie nach bisherigem Recht (§ 131 VII AktG 37) sind Verbindlichkeiten aus Bürgschaften im Sinne der §§ 765 ff. BGB und 349 ff. H G B zu vermerken. Die Verpflichtungen aus einem Kreditauftrag sind einer Bürgschaft gleichzustellen. Ebenso sind Verbindlichkeiten aus Wechsel- und Scheckbürgschaften zu vermerken. Gewährleistungsverträge sind „Verträge, in denen jemand sich verpflichtet, für das Eintreten eines bestimmten Erfolges einzu853
§§ 151/152
Anm. 48
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
stehen" (RG 90, 416), z. B. Ausbietungsgarantien, Garantien für die Ausführung von Arbeiten Dritter, nicht dagegen die sog. Garantie für die eigenen Leistungen der Gesellschaft, insbesondere also nicht die Garantien für Haltbarkeiten, der guten Beschaffenheit der von ihr gelieferten Waren und dergleichen. Neu ist Nr. 4, Haftung aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten. Auch Bürgschaften sind solche Sicherheiten; hier sind also nur andere Sicherheiten aufzuführen, z. B. Bestellung von Sicherungshypotheken oder Übereignung von beweglichen Gegenständen. Soldie Verbindlichkeiten dürfen, wenn ihnen Rückgriffsforderungen gegenüberstehen, niemals mit diesen verrechnet werden. Werden die Verbindlichkeiten passiviert, so müssen die Rückgriffsforderungen gemäß § 40 III HGB aktiviert werden, d. h., ihr Wert richtet sich nach der Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Werden die Verbindlichkeiten lediglich vor dem Strich vermerkt, so empfiehlt sich, auf der Aktivseite auch die Rückgriffsforderung zu vermerken. Zu bewerten ist nach § 40 III HGB. Die Passivierung der Verbindlichkeit ist erforderlich, wenn die Inanspruchnahme wahrscheinlich und der mögliche Rückgriff nicht vollwertig ist, denn § 151 enthält nur Mindestforderungen im Rahmen von § 149. Besonders, wenn die Verbindlichkeit oder Haftung gegenüber verbundenen Unternehmen besteht, ist die Bilanzierung zu empfehlen. Geschieht dies nicht, so ist diese Tatsache bei den einzelnen Verbindlichkeiten jeweils anzugeben. Die in Abs. 5 aufgeführten verschiedenen Gruppen von Verbindlichkeiten sind getrennt aufzuführen, jedoch jeweils mit einem Betrag. Von Bedeutung ist die Bestimmung, daß in dieser Bilanz anzugeben ist, inwieweit die Haftung oder Verbindlichkeit gegenüber verbundenen Unternehmen besteht, insbesondere für ihre Konsilidierung in der Konzernbilanz (vgl. § 331 Anm. 1). Die hier aufgeführten Haftungsverhältnisse bedürfen keiner Aufnahme im Geschäftsbericht (Esser in Die Aktienges. 1965, 314).
§ 152 Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz (1) Beim Anlagevermögen sind nur die Gegenstände auszuweisen, die am Absdhlußstiditag bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen. Die Zugänge und Abgänge, die Zusdireibungen, die für das Geschäftsjahr gemachten Abschreibungen sowie die Umbuchungen sind bei den einzelnen Posten des Anlagevermögens gesondert aufzuführen. (2) Als Beteiligung gelten im Zweifel Anteile an einer Kapitalgesellschaft, deren Nennbeträge insgesamt den vierten Teil des Nennkapitals dieser Gesellschaft erreichen, sowie Kuxe einer bergrechtlichen Gewerk854
Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz
§152
schafl, deren Zahl insgesamt den vierten Teil der Kuxe dieser Gewerkschaft erreicht. (3) Beim Grundkapital sind die Gesamtnennbeträge der Aktien jeder Gattung gesondert anzugeben. Bedingtes Kapital ist mit dem Nennbetrag zu vermerken. Bestehen Mehrstimmrechtsaktien, so sind beim Grundkapital die Gesamtstimmenzahl der Mehrstimmrechtsaktien und die der übrigen Aktien zu vermerken. (4) Bei den offenen Rüdciagen sind gesondert aufzuführen 1. die Beträge, die die Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn des Vorjahrs eingestellt hat, 2. die Beträge, die aus dem Jahresüberschuß des Geschäftsjahrs eingestellt werden, 3. die Beträge, die für das Geschäftsjahr entnommen werden. (5) Werden auf der Passivseite Posten ausgewiesen, die auf Grund steuerlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind, so sind diese Posten gesondert von den offenen Rücklagen unter Angabe der Vorschriften, nach denen sie gebildet sind, auf der Passivseite unter „II a Sonderposten mit Rücklageanteil" auszuweisen. (6) Wertberichtigungen dürfen nur zu Sachanlagen, zu Beteiligungen und zu Wertpapieren des Anlagevermögens sowie als Pauschalwertberichtigung wegen des allgemeinen Kreditrisikos zu Forderungen vorgenommen werden. Die auf die einzelnen Posten entfallenden Wertberichtigungen sind in einer Absatz 1 Satz 2 entsprechenden Gliederung gesondert, die Pauschalwertberichtigung ist als „Pauschalwertberichtigung zu Forderungen" auszuweisen. (7) Rückstellungen dürfen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet werden. Ferner dürfen Rückstellungen gebildet werden für 1. im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung oder Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden; 2. Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden; diese Rückstellungen sind unter näherer Bezeichnung ihres Zwecks gesondert auszuweisen. Für andere Zwecke dürfen keine Rückstellungen gebildet werden. Unter dem Posten „Pensionsrückstellungen" sind die Rückstellungen für laufende Pensionen und die für Anwartschaften auf Pensionen auszuweisen. (8) Forderungen dürfen nicht mit Verbindlichkeiten, nicht abgerechnete Leistungen nicht mit Anzahlungen, Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten verrechnet werden. Rücklagen, Wertberichtigungen und Rückstellungen dürfen nicht als Verbindlichkeiten aufgeführt werden. 855
§152
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 1,2 (9) Als Rechnungsabgrenzungsposten dürfen nur ausgewiesen werden 1. auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlußstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen; 2. auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlußstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anlagevermögen (Anm. 2) III. Grundkapital (Anm. 3) IV. Rücklagen (Anm. 4) V. Sonderposten mit Rücklageanteil (Anm. 5)
VI. Wertberichtigungen (Anm. 6) VII. Rückstellungen (Anm. 7) VIII. Verbot der Verrechnung (Anm. 8) IX. Rechungsabgrenzungsposten (Anm. 9) X . Verstoß (Anm. 10)
I. Übersicht Anm. 1: Um die Vorschriften über die Gliederung der Bilanz zu entlasten, sind einige Bestimmungen, die im bisherigen Recht in § 131 AktG 37 enthalten waren, nunmehr in § 152 übernommen worden. Dies gilt für die Vorschriften der Abs. 1—3 und 8. Die Abs. 4 und 5 befassen sich mit Posten der offenen Rücklagen und enthalten Vorschriften über deren gesonderten Ausweis. Abs. 6 schränkt die Zulässigkeit von Wertberichtigungen ein. Abs. 7 klärt einige Zweifelsfragen und erweitert damit die Möglichkeiten für Rückstellungen. Abs. 9 schränkt die Möglichkeit, die Rechnungsabgrenzungsposten als allgemeine Sammelposten zu betrachten, ein, indem es im einzelnen vorschreibt, was dort allein ausgewiesen werden darf. II. Anlagevermögen Anm. 2: Das Anlagevermögen besteht aus den Gegenständen, die am Abschluß-Stichtag bestimmt sind, dauernd, d.h. durch Gebrauch, nicht durch Verwendung der Substanz, andere als allmähliche Abnutzung infolge Gebrauchs dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen. Gebrauch in diesem Sinne ist auch ein Verbrauch der Substanz, der auf lange Zeit berechnet ist (z. B. Abbau von Bergwerken, Steinbrüchen u. dgl.). Alle anderen Gegenstände mit Ausnahme der ausstehenden Einlagen (Aktivseite I) und der transitorischen Posten (Aktivseite IV, Rechnungsabgrenzungsposten) sind unter Umlaufvermögen aufzuführen. Ein Gegenstand hört auf, zum Anlagevermögen zu gehören, wenn er endgültig zur Veräußerung bestimmt wird. Während Abschreibungen und Wertberichtigungen den Ausgleich eines Wertverlustes bedeuten, sind unter Zugang und Abgang mengenmäßige Veränderungen zu verstehen. Eine Saldierung ist unzulässig, und zwar nicht nur von Zuschreibungen (Erhöhung des Wertansatzes) und Abschreibungen und Zugängen und Abgängen, sondern auch von Zugängen und Abschreibungen, Zuschreibungen und Abgängen. Abschreibungen und Wertberichtigungen können aus dem Betriebsgewinn oder aufgelösten offenen Rücklagen gedeckt 856
Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz
§ 152 Anm. 2, 3
werden. I m m e r müssen sie, desgleichen die Z u - u n d A b g ä n g e , f ü r jeden einzelnen Posten des Bilanzschemas — nicht aber f ü r jeden einzelnen G e g e n s t a n d — , aber nur des A n l a g e v e r m ö g e n s gesondert ausgewiesen w e r d e n , u n d z w a r nunmehr z w i n g e n d in der J a h r e s b i l a n z u n d nicht, wie i m bisherigen Recht, w a h l w e i s e im Geschäftsbericht. D a s bedeutet eine V e r s c h ä r f u n g der P u b l i z i t ä t , weil die B e k a n n t m a c h u n g des Jahresabschlusses in den Gesellschaftsblättern erfolgt, w ä h r e n d der Geschäftsbericht nur dem Registergericht einzureichen ist ( v g l . auch A n m . 6). E s ist verboten, Z u g ä n g e z u m A n l a g e v e r m ö g e n über Geschäftsunkosten z u buchen. S t a t t h a f t ist eine sofortige Vollabschreibung, aber Z u g a n g u n d Abschreibung sind gesondert auszuweisen. Indessen besteht f ü r bloße E r s a t z beschaffung u n d E r n e u e r u n g v o n G e g e n s t ä n d e n schnellere A b n u t z u n g oder v o n H i l f s g e g e n s t ä n d e n in einzelnen Geschäftszweigen eine abweichende Ü b u n g , die nicht v e r w o r f e n w e r d e n k a n n . D i e A b g ä n g e sind z u L a s t e n des Restbuchwertes auszubuchen, d. h., gibt die A k t i v s e i t e die jeweiligen Restbuchwerte an, so ist der Restbuchwert des abgehenden Stückes (nicht der V e r k a u f s e r l ö s ) abzusetzen. G i b t aber die A k t i v s e i t e den A n s c h a f f u n g s w e r t a n u n d enthält die Passivseite Wertberichtigungsposten, ist a u f erstere der A n s c h a f f u n g s w e r t des abgehenden Stückes u n d a u f letztere der B e t r a g abzusetzen, der v o n den Abschreibungen, aus denen der Wertberichtigungsposten gespeist w o r d e n ist, d a r a u f entfallen w a r . Ist der Veräußerungserlös höher als der Buchwert, so entsteht ein G e w i n n aus A u f l ö s u n g einer Bewertungsreserve. Dieser ist unter Posten 11 des § 157 I als E r t r a g aus dem A b g a n g v o n G e g e n s t ä n d e n des A n l a g e v e r m ö g e n s auszuweisen. Verluste aus dem A b g a n g v o n G e g e n s t ä n d e n des A n l a g e v e r m ö g e n s sind in der G e w i n n - u n d Verlustrechnung unter Posten 2 2 auszuweisen. N e u sind in d a s G e s e t z die „ Z u s c h r e i b u n g e n " u n d die „ U m b u c h u n g e n " eingefügt. E i n e Ä n d e r u n g tritt d a m i t aber nicht ein. Zuschreibungen sind Wertzusdireibungen z u einzelnen G e g e n s t ä n d e n des A n l a g e v e r m ö g e n s , die jedoch n u r in sehr beschränktem U m f a n g nach den Bewertungsvorschriften der §§ 153 ff. ü b e r h a u p t zulässig sind. „ U m b u c h u n g e n " sind Umschreibungen v o n B e t r ä g e n v o n einem Posten auf einen anderen. B e i d e V o r g ä n g e sind bei den einzelnen Posten des A n l a g e v e r m ö g e n s gesondert a u f z u f ü h r e n . A b s . 2 stellt eine w i d e r l e g b a r e gesetzliche V e r m u t u n g d a f ü r a u f , w a n n eine Beteiligung anzunehmen ist. D i e B e s t i m m u n g entspricht inhaltlich der des § 131 A I I Posten 6 A k t G 37, v g l . A n m . 13 z u § 151. III. G r u n d k a p i t a l
Anm. 3: D a s G r u n d k a p i t a l entspricht den G e s a m t n e n n b e t r ä g e n aller A k tien. Dieser B e t r a g ist einzusetzen, gleichgültig ob er nicht v o l l eingezahlt ist oder o b die Gesellschaft im Besitz eigener A k t i e n ist oder o b e t w a ein Teil des G r u n d k a p i t a l s bereits verloren ist. N e b e n diesem B e t r a g sind die N e n n 857
§ 152 Rechnungslegung • Gewinnverwendung Anm. 3—5 beträge der verschiedenen Aktiengattungen in der Vorspalte anzugeben. Das gleiche gilt für bedingtes, noch nicht ausgegebenes Kapital. Sind Mehrstimmrechtsaktien ausgegeben, so ist deren Stimmenzahl sowie die der übrigen Aktien in einer Vorspalte zu vermerken. Den Vermerk kann die Verwaltung bestimmen. Es ist nicht vorgeschrieben, daß die einzelnen Aktiengattungen — soweit es nicht Mehrstimmreditsaktien sind — mit ihren Unterschiedsmerkmalen bezeichnet werden. Es wird dies aber im allgemeinen zweckmäßig sein. Es wäre nicht recht einzusehen, dies zu verschweigen, da es sich sowieso aus der Satzung ergibt, vgl. im übrigen Anm. 33 zu § 151. IV. Rüdciagen Anm. 4: Die neuen Vorschriften über die Gewinnverwendung durch die Hauptversammlung haben es notwendig gemacht, eine Aufgliederung der offenen Rüdilagen vorzuschreiben. Da die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß Einstellungen in offene Rücklagen vornehmen kann, andererseits aber dadurch der Jahresabschluß nicht berührt wird (§ 174 III), sondern diese Änderung erst im nächsten Jahresabschluß zum Ausdruck kommt, muß bei dem Posten offene Rücklage gesondert angegeben werden, welche Beträge auf diese Weise, also aufgrund eines Gewinnverwendungsbeschlusses des Vorjahres in die Rüdciagen gekommen sind. Ferner sind gesondert anzugeben die Beträge, die aus dem Jahresabschluß des Geschäftsjahres, auf das sich der Jahresabschluß bezieht, neu eingestellt werden. Das sind diejenigen, die die Verwaltung einstellen kann. Sollte die Hauptversammlung weitere Einstellungen vornehmen, so gehören diese in den nächsten Jahresabschluß. Endlich sind gesondert anzugeben die Beträge, die für das Geschäftsjahr aus Rüdciagen entnommen werden. Das kann, wenn die Verwaltung den Jahresabschluß feststellt, nur von dieser geschehen, nicht von der Hauptversammlung. Stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluß fest, so kann auch sie Beträge aus freien Rücklagen entnehmen. Das Gesetz schreibt nicht vor, daß zwischen der gesetzlichen Rücklage und den freien Rücklagen zu unterscheiden sei. Dies wird jedoch bei Abs. 4 Nr. 1 notwendig sein, um einen klaren Uberblick zu ermöglichen. Die Hauptversammlung kann im Gewinnverwendungsbeschluß neben offenen Rüdciagen, was der häufigere Fall sein wird, auch die gesetzliche Rücklage mit Zuweisungen bedenken. Infolgedessen sollte bei Abs. 1 Nr. 1 klargestellt werden, ob die Zuweisung von Beträgen in die gesetzliche oder in die freie Rücklage erfolgt ist. Bei Abs. 4 Nr. 2 und 3 ist das deshalb nicht notwendig, weil sich dies aus der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt (§ 157 I Posten 30 und 31). V. Sonderposten mit Rüdclageanteil Anm. 5: Als Anpassung an die steuerrechtliche Entwicklung kann gegebenenfalls ein Posten unter die Passiven unter II a „Sonderposten mit Rück858
Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz
§ 152
ÄnnL 5, 6
lageanteil" aufgeführt werden. Es gibt steuerliche Vorschriften, nach denen die Besteuerung des Ertrags in der Weise hinausgeschoben wird, daß in Höhe des begünstigten Betrages eine Rücklage oder ein anderer Passivposten gebildet wird, der das steuerliche Ergebnis mindert, der aber innerhalb einer bestimmten Zeit wieder aufgelöst werden muß und dabei das steuerliche Ergebnis erhöht. Diese Posten haben keinen einheitlichen Charakter. Es sind z. T. Rückstellungen für die bei ihrer Auflösung entstehende Steuerschuld und z. T. echte Rüdciagen. Auch echte Wertberichtigungen können in solchen Posten enthalten sein. Es wäre daher irreführend, sie unter „Rücklagen" oder unter „Rückstellungen" oder unter „Wertberichtigungen" auszuweisen. Es bleibt nur übrig, diese Mischposten gesondert auszuweisen und dabei auf den in ihnen enthaltenen Rücklagenteil hinzuweisen. D a s geschieht durch die Bezeichnung „Sonderposten mit Rücklageanteil" und der Vorschrift, daß dieser Posten gesondert auszuweisen ist, und zwar jede Art für sich unter Angabe der Vorschriften, nach denen sie gebildet sind (so Regierungsbegründung).
VI. Wertberichtigungen
Anm. 6: D a die Wertberichtigung auf der Passivseite erfolgt, ist es nicht ohne weiteres selbstverständlich, daß erkenntlich ist, auf welche einzelnen Posten der Aktivseite die Wertberichtigung sich bezieht. Abs. 6 S. 2 bestimmt deshalb ausdrücklich, daß die auf die einzelnen Posten entfallenden Wertberichtigungen in einer dem Abs. 1 S. 2 für die Abschreibungen bestimmten Gliederung gesondert auszuweisen sind. Abs. 6 beschränkt im übrigen die Möglichkeit der Wertberichtigungen insofern, als diese nur zulässig sind für Sachanlagen, das sind die auf der Aktivseite unter II A Posten 1—7 aufzuführenden Gegenstände, Beteiligungen (Aktivseite II B Posten 1) und zu Wertpapieren des Anlagevermögens (Aktivseite II B Posten 2). Wertberichtigungen können nur zu Posten des Anlagevermögens vorgenommen werden. Es gibt jedoch eine Ausnahme, es kann eine Pauschalwertberichtigung wegen des allgemeinen Kreditrisikos zu Forderungen vorgenommen werden. Diese bezieht sich dann auf alle Forderungen, sowohl auf die langfristigen Ausleihungen (Aktivseite II B Posten 3) wie auch auf die zum Umlaufvermögen gehörigen Forderungen (Aktivseite III B Posten 1, 2, 10, 11). In dieser Pauschalwertberichtigung können mithin auch Gegenstände des Umlaufvermögens in einer Wertberichtigung erfaßt werden. Sonst ist dies deshalb nicht zulässig, weil die Gegenstände des Umlaufvermögens höchstens zum Zeitwert anzusetzen sind (§ 155 II). Daraus folgt, daß Wertminderungen bei dem Umlaufvermögen bereits auf der Aktivseite der Jahresbilanz bei der Ermittlung des Wertansatzes zu berücksichtigen sind. Nur bei den Forderungen besteht wegen des allgemeinen Kreditrisikos ein Interesse an einer Wertberichtigung. 859
§ 152
Anm. 6, 7
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Für die ebenfalls zum Anlagevermögen zählenden immateriellen Anlagewerte (Aktivseite II A Posten 8) ist als einziger Posten im Anlagevermögen eine Wertberichtigung deshalb nicht möglich, weil es sich um nicht greifbare und daher unsichere Werte handelt, die, obwohl es sich um Anlagewerte handelt, wie sonst nur Umlaufvermögen, schon auf der Aktivseite zum niedrigeren Wert angesetzt werden sollen. Sind auf der Aktivseite Gegenstände des Anlagevermögens zu den Anschaffungswerten eingesetzt und auf der Passivseite ein Wertberichtigungsposten ihnen gegenübergestellt, so sind folgerichtig die Abgänge gleichfalls in Höhe der ehemaligen Anschaffungskosten bei dem für diesen Posten gesondert ausgewiesenen Wertberichtigungsposten auf der Passivseite abzusetzen. VII. Rückstellungen Anm. 7: Rückstellungen dürfen nicht nur wie im bisherigen Recht für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 131 B IV AktG 37), „gewisse Schulden", sondern auch für „drohende Verluste aus schwebenden Geschäften" gebildet werden (vgl. Nehm in WP 66, 3 ff.). Sachlich liegt darin jedoch kein Unterschied, da dies auch nach bisherigem Recht ganz allgemein angenommen wurde (vgl. über Wesen der Rückstellungen Anm. 36 zu § 151). Zwei besondere Arten von Rückstellungen sieht das Gesetz neu vor. Einmal für unterlassene Aufwendungen, für Instandsetzung oder Abraumbeseitigung und zum anderen für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden (vgl. Döllerer in BB 65, 1410). Damit sind die Möglichkeiten der Rückstellungen erschöpft, es wird ausdrücklich festgestellt, daß für andere Zwecke keine Rückstellungen gebildet werden dürfen. Die Bildung von Rückstellungen für diese Fälle ist deshalb vom Gesetz zugelassen worden, weil derartige Rückstellung z. Z. steuerlich anerkannt werden. Das setzt aber nach dem Grundsatz, daß die Steuerbilanz der Handelsbilanz folgt, voraus, daß die Rückstellungen auch in der Handelsbilanz gebildet werden dürfen. Da sich die Gesellschaften auf die steuerliche Lage eingestellt haben, die auch vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt her gesehen vernünftig ist, ist ihre Bildung in der Handelsbilanz für zulässig erklärt worden, um damit die steuerliche Anerkennung nicht zu gefährden. Allerdings erkennt das Steuerrecht Rückstellungen für unterlassene Reparaturen z. Z. nur an, wenn sie innerhalb von 3 Monaten nach dem Bilanzstichtag durchgeführt werden. Handelsrechtlich erscheint die Frist von 3 Monaten nicht begründet, weil im allgemeinen für ähnliche Fälle immer das laufende Geschäftsjahr maßgebend ist. Hier handelt es sich um das dem Bilanzstichtag folgende Geschäftsjahr. Es genügt, wenn innerhalb dieses die Reparatur nachgeholt wird. Beim Posten Rückstellungen ist in der Vorspalte gesondert der Betrag der Rückstellungen, die auf Reparaturen, Abraumbeseitigung und für Gewährleistungen vorgenommen werden, unter näherer Bezeichnung ihres Zwecks geson860
Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz
§ 152 Anm. 7—9
dert auszuweisen (vgl. Albach in BB 66, 382). Für andere Zwecke dürfen keine Rückstellungen gebildet werden. Das bedeutet, daß eine extensive Auslegung der im Gesetz genannten Fälle nicht möglich ist (Döllerer in BB 65, 1410). Kropff (Neue Betriebswirtschaft 66, 59) hält es für zulässig aus der Zulassung von Rückstellungen für Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtung, auch solche für andere Verpflichtungen zu machen, die rechtlich nicht mehr durchsetzbar aber kaufmännisch zu erfüllen sind, wie z. B. verjährte oder nichtige. Über Pensionsrückstellungen vgl. § 151 Anm. 36. VIII. Verbot der Verrechnung Anm. 8: Das Verbot der Verrechnung gilt nach allgemeiner Meinung für alle Bilanzposten, es beruht auf § 149 I, wonach der Jahresabschluß nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen ist. Er muß klar und übersichtlich sein. Sowohl das bisherige Recht (§ 131 V A k t G 3 7 ) , wie auch das neue greifen nur einige Posten heraus, bei denen die Versuchung zu einer Verrechnung besonders naheliegt und bei denen das Verrechnungsverbot nach bekanntgewordenen Fällen nicht immer eingehalten wurde. Neu eingefügt ist die Bestimmung, wonadi nicht abgerechnete Leistungen nicht mit Anzahlungen verrechnet werden dürfen. Das Verrechnungsverbot von Forderungen mit Verbindlichkeiten gilt nur, wenn Schuldner und Gläubiger der Gesellschaft verschiedene Personen sind. Wenn Schuldner und Gläubiger dieselbe Person ist, wäre das Verrechnungsverbot dazu angetan, ein unter dem Gesichtspunkt der Deckung der Gläubiger falsches Bild entstehen zu lassen, denn die Aufrechnungsbefugnis wirkt wie ein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht, welches nach § 160 im Geschäftsbericht zu erwähnen wäre. Die Verrechnung in der Bilanz ist in einem solchen Falle als zulässig anzusehen. Bei Kontokorrent darf sogar nur der Saldo angeführt werden. Auch für das Verbot der Verrechnung sind die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung maßgebend. Das Verbot, Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten zu verrechnen, bedeutet, daß ein Grundstück nicht in der Weise aktiviert werden darf, daß die auf ihm ruhenden Lasten abgezogen werden, vielmehr ist der volle Wert zu aktivieren und die Belastung zu passivieren. Das Verbot, Rücklagen, Wertberichtigungen und Rückstellungen als Verbindlichkeiten aufzuführen, bedeutet, daß die Schaffung fiktiver Verbindlichkeiten und damit stiller Rüdslagen verhindert wird. IX. Rechnungsabgrenzungsposten Anm. 9: Das AktG 37 ließ die Frage offen, was unter Rechnungsabgrenzungsposten zu verstehen ist. Man verstand darunter solche Posten, welche 861
§152 Anm. 9
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
geleistete Zahlungen für Aufwendungen (Aktivseite) oder empfangene Zahlungen aus Erträgen (Passivseite) darstellen, die ganz oder teilweise in die neue Rechnungsperiode verlegt werden müssen, weil die Aufwendungen oder der Ertrag ganz oder teilweise dem folgenden bzw. dem abgelaufenen Jahr zuzurechnen ist. Immer handelt es sich nur um solche Posten, welche die Gewinn- und Verlustrechnung angehen und nicht unter die Bestandskonten der Bilanz fallen (Trumpler, S. 117). Im Interesse der Bilanzklarheit dürfen erhebliche Geschäftsvorfälle nicht unter dem Sammelbegriff der Rechnungsabgrenzungsposten aufgeführt werden (Trumpler a. a. O.), ebenso nicht Posten für empfangene oder geleistete Zahlungen, die auf mehr als 1 Jahr zu verteilen sind. Für solche ist ein besonderes Bilanzkonto zu errichten, sie gehören zu den „transitorischen Konten" im weiteren Sinn, während unter die gesetzlich gemeinten Rechnungsabgrenzungsposten transitorische Konten im engeren Sinn fallen. Das ist durch Abs. 9 nunmehr eindeutig klargestellt. Auf der Aktivseite dürfen unter Rechnungsabgrenzungsposten nur Ausgaben aufgeführt werden, die vor dem Bilanzstichtag entstanden sind und Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, umgekehrt auf der Passivseite nur Einnahmen, die vor dem Bilanzstichtag bereits eingegangen sind, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen (beachte jedoch § 156 III und dort Anm. 3). Zu den transitorischen Konten im weiteren Sinne, die nicht unter Rechnungsabgrenzungsposten aufgeführt werden dürfen, sondern für welche Spezialkonten einzurichten sind, zählen auch das Geschäfts- odei Firmenwertkonto (§ 153 V); ferner gehören hierzu die aktivierbaren Aufwendungen für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs (§ 153 IV). Nicht zu aktivieren sind sonstige Organisations-, Betriebs- und Verwaltungskosten, die auch späteren Jahren zugute kommen, soweit sie nicht im Rechnungsjahr durch Zuschläge zu den Herstellungskosten der Erzeugnisse getilgt werden können; insbesondere seien erwähnt Kosten der Reklame, der Organisation, einer Betriebsverlegung, der Aufschließung von Terrain, von Bohrversuchen, für Geheimverfahren usw., auch die Bauzinsen (§ 53 III). Charakteristisch ist in all diesen Fällen, daß durch die gemachten Aufwendungen ein aktivierbarer Vermögensgegenstand nicht oder noch nicht geschaffen worden ist (Trumpler, S. 94; Döllerer in BB 65, 1408). Soweit Reparaturen den Wert des reparierten Gegenstandes gegenüber dem letzten Bilanzwert oder seine Lebensdauer erhöht haben oder ihre Höhe die Verteilung auf mehrere Jahre erfordert, sind sie als Zuschreibung bei diesem Gegenstand zu aktivieren, was nach Abs. 1 gesondert aufzuführen ist. Ist das nicht möglich, so sind sie von der Gewinn- und Verlustrechnung zu tragen. Vielfach sind unter den Rechnungsabgrenzungsposten die sogenannten antizipativen Konten verbucht worden. Darunter versteht man z. B., daß ein erst bevorstehender Aufwand oder Ertrag auf das Rechnungsjahr mit zu verteilen und als Rech862
Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz
§ 152/Vorbem. § § 153—156
Anra. 9,10
nungsabgrenzungsposten zu berücksichtigen ist, soweit hier nicht schon eine Schuld (sei es auch als Rückstellung) zu passivieren oder eine Forderung zu aktivieren ist, z. B. Zinsen und Mieten, die erst nach dem Abschluß-Stichtag fällig werden. Das ist jetzt nicht mehr zulässig. Entweder sind in Wahrheit Forderungen oder Verbindlichkeiten entstanden, diese sollen dann als solche ausgewiesen werden, oder es handelt sich um überhaupt noch nicht bilanzierungsfähige Vorgänge (vgl. Albach in BB 66, 379). X. Verstoß Anm. 10: Wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses ist der Jahresabschluß nach § 256 IV nur nichtig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt sind. Eine solche wesentliche Beeinträchtigung wird vom Gesetz angenommen, wenn Abs. 1 S. 2 und Abs. 6 nicht beachtet sind, d. h., wenn Zugänge und Abgänge, Zuschreibungen, Abschreibungen und Wertberichtigungen sowie Umbuchungen nicht bei den einzelnen Posten des Anlagevermögens gesondert aufgeführt sind. Ferner bei Verletzung des Abs. 8, wenn gegen das Verbot der Verrechnung verstoßen wird. Eine Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses gibt es, wenn die Verwaltung ihn feststellt, überhaupt nicht; erfolgt die Feststellung durch Beschluß der Hauptversammlung, kann sie nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Sie ist nur möglich, wenn der Beschluß als solcher nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sind. Strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats und Abwickler nach § 400 Nr. 1. Die zivilrechtliche Haftung für die Abwickler aus § 264 II in Verbindung mit § 93.
Vorbemerkung vor §§ 153—156 Grundkonzeption der neuen Bewertungsvorschriften Die Vorschriften des AktG 37 über die Wertansätze in der Jahresbilanz waren einseitig auf den Gläubigerschutz abgestellt. Sie sorgten nur dafür, daß in der Jahresbilanz nicht zu hohe Werte angesetzt werden, ließen aber Unterbewertungen zu. Dies kommt in § 133 Nr. 1—3 AktG 37 in der Weise zum Ausdruck, daß die Gegenstände des Anlage- und des Umlaufvermögens höchstens zu einem bestimmten Wert anzusetzen sind, und daß Vorschriften, die der Bewertung eine Grenze nach unten setzen, fehlen (Regierungsbegründung). Von der Praxis wurde eine Unterbewertung — meist als Bildung stiller Rücklage bezeichnet — für zulässig gehalten. Auf den Grundlagen des bisherigen Rechts bauten auch die Bewertungsvorschriften des Regierungsent863
Vorbem. §§ 153—156
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
wurfs auf, wenn auch die Möglichkeit der Bildung stiller Rücklagen eingeschränkt wurde. In den Ausschüssen hat man sich dieser Konzeption aus folgenden Gründen nicht angeschlossen: Es ist eines der wichtigsten Anliegen der Aktienrechtsreform, die Rechnungslegung zu verbessern. Ein Hauptmangel des bisherigen Rechts wird darin gesehen, daß durch nicht erkennbare Bildung — und in gewissen Grenzen auch nicht erkennbare Auflösung — stiller Rücklagen die Vermögensund Ertragslage der Gesellschaft verschleiert wird. Die Möglichkeit, durch Bildung und Auflösung stiller Rücklagen den Gewinnausweis zu beeinflussen, ist aber mit der Natur des aktienrechtlichen Jahresabschlusses, durch den die Verwaltung gegenüber den Beteiligten, namentlich den Aktionären, Rechnung legt, im Grunde nicht zu vereinbaren, denn sie erschwert die Beurteilung und damit die Kontrolle der Verwaltung. Eine angemessene Kontrolle der Verwaltung ist aber Voraussetzung für das gute Funktionieren des Aktienrechts. Ohne sie wäre auf die Dauer der Fortbestand der sidi selbst verwaltenden Aktiengesellschaft gefährdet. Wesentliche Verbesserungen der aktienrechtlichen Rechnungslegung sind auch im Hinblick auf das gesellschaftspolitische Ziel der Reform erforderlich, die Voraussetzungen für eine breite Streuung des Aktienbesitzes zu schaffen. Viele Bevölkerungskreise dürfen durch den Erwerb von Aktien nicht zu gewinnen sein, solange der Eindruck besteht, daß der veröffentlichte Jahresabschluß nicht die wirkliche Vermögens- und Ertragsentwicklung zeigt. Aktienkäufer und -Verkäufer verlieren durch nicht erkennbare Bildung und Auflösung stiller Rüdklagen wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung des Wertes der Aktien. Sie müssen befürchten, daß besser unterrichtete „Insider" ihre besonderen Kenntnisse zu Lasten der Kleinaktionäre ausnutzen. Von diesen Überlegungen ausgehend hat man sich entschlossen, auf ein anderes System von Bewertungsvorschriften überzugehen. Zwar bleibt es auch nach wie vor für die Gegenstände des Anlage- und des Umlaufvermögens bei der Beibehaltung von Höchstwerten, die mit der Folge der Nichtigkeit des Jahresabschlusses nicht überschritten werden dürfen. Neu ist jedoch, daß dieser höchstzulässige Wertansatz nicht beliebig unterschritten werden darf, vielmehr bestimmt das Gesetz, mit welchem Wert die einzelnen Vermögensgegenstände anzusetzen sind. Dabei überlassen die neuen Bewertungsvorschriften die Wahl der Bewertungsmethode im einzelnen weitgehend der Gesellschaft (vgl. Albach in B B 66, 3 7 9 ; Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 71). Der anzusetzende Wert ergibt sich daher in vielen Fällen nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern nur aus dem Gesetz in Verbindung mit der in den gesetzlichen Grenzen gewählten Bewertungs- und Abschreibungsmethode. Von entscheidender Bedeutung ist daher, daß im Geschäftsbericht über die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden berichtet 864
Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz
Vorbem. §§ 153—156
werden muß, in dem jede Änderung der Bewertungs- und Abschreibungsmethode erörtert werden muß und daß die betragsmäßigen Auswirkungen solcher Änderungen genannt werden müssen, wenn sie erheblich sind (§ 160 II). In diesen Berichtspflichten kommt als wesentlicher Grundzug des neuen Bewertungsrechts der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit zum Ausdruck. Hauptziel der neuen Bewertungsvorschriften ist, die Ergebnisse aufeinanderfolgender Geschäftsjahre vergleichbar zu machen. Vergleichbare Jahresabschlüsse sollen den Beteiligten die Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft zeigen und in gewissem Umfange auch den Ertragsvergleich mit anderen Gesellschaften erleichtern. Nach § 256 macht ein Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften den Jahresabschluß nichtig, wenn Posten überbewertet sind, d. h. wenn Aktivposten mit einem höheren Wert, Passivposten mit einem niedrigeren Wert angesetzt sind, als nadi § 153—156 zulässig ist. Sind Posten unterbewertet, d. h. sind Aktivposten mit einem niedrigeren, Passivposten mit einem höheren Wert angesetzt, als nach den §§ 153—156 zulässig ist, so ist der Jahresabschluß nur dann nichtig, wenn dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird (§ 256 V). Eine Anfechtung des Jahresabschlusses wegen Verstoßes gegen die Bewertungsvorschriften gibt es nicht, wohl aber eine Sonderprüfung, für die die besonderen Bestimmungen der §§ 258—261 gelten. Sie kommt nur in Frage wegen unzulässiger Unterbewertung. Eine Sonderregelung gilt für Aktienbanken. Diese dürfen nach wie vor stille Rücklagen bilden und diese auch wieder still auflösen. Nach § 36 EG ist das Kreditwesengesetz dahin ergänzt worden, daß Aktienbanken Forderungen und Wertpapiere mit einem niedrigeren als den nach § 155 vorgeschriebenen Wert ansetzen können und daß sie die Angaben nach § 160 II im Geschäftsbericht nicht zu machen haben, d. h., sie brauchen Abweichungen des Jahresabschlusses vom vorangegangenen nicht anzugeben, sie können also Forderungen ausbuchen und stille Rücklagen auflösen. Die Bestimmung über die Folgen von Bewertungsverstößen ist für sie entsprechend verändert. Dies geschah, weil die Banken eine ausgleichende Funktion haben, als sie in erster Linie Konjunkturschwankungen unterworfen sind und Verluste auffangen müssen, deren offener Ausweis zu einer ungerechtfertigten Vertrauenskrise der Bank gegenüber und zu unübersehbaren Folgen führen könne. Aus der Anhörung des Präsidenten des Bundesaufsichtsamts ergab sich, daß Mißbrauch der Banken verhindert werden könne, so daß sich der Gesetzgeber für diese Ausnahmeregelung entschieden hat (vgl. hierzu Scholz in Wp 66, 57 ff.; Mertin in Wp 66, 148 ff.; Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 79 ff.). 865 55
Wilhelm!, Aktiengesetz
§153
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 1
§ 153 Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens (1) Gegenstände des Anlagevermögens sind zu den Ansdiaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um Abschreibungen oder Wertberichtigungen nach § 154 anzusetzen. Zugänge sind mit den AnschafFungs- oder Herstellungskosten aufzuführen. (2) Bei der Berechnung der Herstellungskosten dürfen in angemessenem Umfang Abnutzungen und sonstige Wertminderungen sowie angemessene Teile der Betriebs- und Verwaltungskosten eingerechnet werden, die auf den Zeitraum der Herstellung entfallen; Vertriebskosten gelten nicht als Betriebs- und Verwaltungskosten. (3) Für immaterielle Anlagewerte darf ein Aktivposten nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden. (4) Die Aufwendungen für die Gründung und Kapitalbeschaffung (§§ 182 bis 221) dürfen nicht als Aktivposten eingesetzt werden. Die Kosten der Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft dürfen unter die Posten des Anlagevermögens aufgenommen werden. Der Betrag ist gesondert auszuweisen und in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens einem Fünftel durch Abschreibungen zu tilgen. (5) Für den Geschäfts- oder Firmenwert darf kein Aktivposten eingesetzt werden. Übersteigt jedoch die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens im Zeitpunkt der Übernahme, so darf der Unterschied unter die Posten des Anlagevermögens aufgenommen werden. Der Betrag ist gesondert auszuweisen und in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens einem Fünftel durch Abschreibungen zu tilgen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Wertansätze der Gegenstände Anlagevermögens (Anm. 2) 1. Anschaffungskosten (Anm. 3) 2. Herstellungskosten (Anm. 4) 3. Immaterielle Anlagewerte (Anm. 5)
des
4. Aufwendungen für die Gründung und Kosten der Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes (Anm. 6) 5. Aufwendungen für Kapitalbeschaffung (Anm. 7) 6. Geschäfts- und Firmenwert (Anm. 8)
I. Übersicht Anm. 1: Während in dem AktG 37 die Wertansätze für die Gegenstände des Anlagevermögens und diejenigen des Umlaufvermögens zusammen mit den Abschreibungen und Wertberichtigungen, ferner mit den Bestimmungen über Ansätze von Passivposten geregelt waren, enthält nunmehr der § 153 die Bestimmungen über die Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens, der § 155 diejenigen über die Gegenstände des Umlaufvermögens, 866
W e r t a n s ä t z e der Gegenstände des A n l a g e v e r m ö g e n s
§ 153
Anm. 1—3
§ 1 5 4 regelt die Abschreibungen und Wertberichtigungen und § 156 die Ansätze von Passivposten (im übrigen vgl. Vorbem. zu §§ 153 bis 156). Abs. 1 regelt, zu welchem Betrag Gegenstände des Anlagevermögens anzusetzen sind, jedoch grundsätzlich anders als § 133 AktG 37, der nur die Höchstgrenze bestimmte, während hier nunmehr gesagt ist, zu welchem Betrag die Gegenstände des Anlagevermögens anzusetzen sind und ferner ausdrücklich bestimmt ist, daß Zugänge mit diesem Wert aufzuführen sind. Im Abs. 2 ist die Vorschrift des § 133 Nr. 1, 3. Abs. A k t G 37 übernommen worden. Abs. 5 übernimmt der Sache nach die Bestimmung des § 133 N r . 5 AktG 37, wonach für den Geschäfts- oder Firmenwert nur dann ein Aktivposten eingesetzt werden darf, wenn sie entgeltlich erworben wurde. Abs. 4 entspricht dem § 133 N r . 4 AktG 37 mit der Maßgabe, daß, abgesehen von einer gewissen Erweiterung der Vorschrift, nunmehr die Höhe der Mindestabschreibung und deren Beginn festgelegt wird. Neu ist Abs. 3, der die immateriellen Anlagewerte behandelt (s. im einzelnen Anm. 5). II. Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens Anm. 2: Die bebauten und unbebauten Grundstücke, Maschinen und maschinelle Anlagen, Werkzeuge, Betriebs- und Geschäftsausstattung, also alle körperlichen Gegenstände des Anlagevermögens (Begriff vgl. § 151 Aktivseite II unter Anm. 5 bis 11) sind — nicht wie im bisherigen Recht: „dürfen höchstens" — zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, sowohl wenn diese hinter dem wahren Wert zurückbleiben als auch wenn sie darüber hinausgehen. 1.
Anschaffungskosten
Anm. 3: Zu den Anschaffungskosten (auch gleich Kosten abgeleiteten Erwerbs), wofür eine gesetzliche Begriffsbestimmung nicht gegeben wird und die nur in einer Beziehung argumentum e contrario durch Abs. 2 begrenzt werden, gehören neben dem Kaufpreis auch die Provisionen, Versicherungen, Steuern, Zölle, Transport-, Auslage- und Monatekosten, auch Kosten eines Prozesses. Werden bei der Anschaffung Skonti oder Rabatte in Anspruch genommen, so ist der um diese ermäßigte Kaufpreis anzusetzen. Zinsen für ein zur Anschaffung aufgenommenes Darlehen gehören nicht zu den Anschaffungskosten (sofern nicht durch das Darlehen etwa — ihrerseits abzusetzende — Skonti erzielt wurden oder sich der Wert lange lagernder Waren erhöht, die mit dem Darlehen bezahlt wurden). Ebenso auch nicht etwa anteilig die Generalverwaltungsunkosten (argumentum e contrario Abs. 2), deshalb auch nicht die Lagerverwaltungskosten (bis zum Beginn der Fabrikation Abs. 2), Grenzfälle: Lagerung von Holz, Wein (Adler-Düring-Sdimaltz 55*
867
§153
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 3,4 § 1 3 5 A n m . 65), Unterhaltung eines eigenen Baubüros (Adler-DüringSchmaltz a. a. O.). Erwirbt die Aktiengesellschaft als H y p o t h e k a r in der Zwangsversteigerung ein Grundstück, so ist ein etwaiger Ausfall der eigenen H y p o t h e k zum Kaufpreis zuzuschlagen, soweit sich der Ausfall nicht durch den Wert der erhalten gebliebenen Forderung gegen den persönlichen Schuldner mindert. Ermäßigen sich die Selbstkosten durch (unentgeltliche) Leistungen Dritter (Zuschüsse), so ermäßigt sich dementsprechend der zulässige Höchstwert. Werden Gegenstände in die Gesellschaft eingebracht, so ist der Anschaffungspreis der volle f ü r sie angesetzte Wert. Bei Austausch von Gegenständen ist der Wert anzusetzen, zu dem die fortgegebenen Werte unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen hätten zu Buch stehen können. Gleiches gilt f ü r Empfänge an Erfüllungs Statt. Waren die fortgegebenen Werte bereits über das Erforderliche abgeschrieben, so kann diese stille Rücklage, wie auch sonst, aufgelöst werden, indem zum wirklichen Wert übergegangen wird. Der dadurch entstehende Buchgewinn ist in der Gewinnund Verlustrechnung besonders auszuweisen (§ 157 I Posten 11). Ist ein Gegenstand unentgeltlich erworben, so ist der Verkaufswert am Stichtag einzusetzen, wobei der Wert etwaiger Lasten natürlich zu passivieren und damit besonders auszuweisen ist. Satz 2 ist neu und stellt eine bisher nicht ganz unumstrittene Frage klar, nämlich ob es im Ermessen der Gesellschaft liegt, einen tatsächlichen Zugang als solchen zu behandeln. Das wird nunmehr ausdrücklich bestimmt. Er ist mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Es ist also nicht zulässig, als Zugang schon einen durch Abschreibung verminderten Betrag aufzuführen. 2.
Herstellungskosten
Anm. 4: Bei der Berechnung der Herstellungskosten gestattet (zu eng Döllerer in BB 65, 1405, der eine Verpflichtung annimmt; wie hier Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 76) das Gesetz die Aktivierung des auf den hergestellten Gegenstand, richtiger seiner Herstellung, entfallenden angemessenen Anteils an den Abschreibungen auf die zu seiner Herstellung in Gebrauch genommenen Güter des Anlagevermögens, f ü r deren Abnutzung und an den „Generalunkosten" (Betriebs- und Verwaltungskosten), natürlich berechnet auf die Zeit der Herstellung, denn anderenfalls würde der Gewinn bei wachsenden stillen Zwangsrücklagen um so kleiner, je mehr auf Lager gearbeitet werden muß, dagegen unter Auflösung dieser stillen Rücklagen um so größer, je mehr vom Lager verkauft wird. Angemessen ist nur der Anteil an gesetzlich notwendigen der Abnutzung entsprechenden, nicht den bilanzmäßigen, Abschreibungen, mögen letztere überhöht sein oder etwa, weil der Gegenstand schon voll abgeschrieben ist, unterbleiben, äußerst in 868
Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens
§ 153
Anm. 4,5 derjenigen Höhe, in welcher ein solcher Anteil in dem Preis für die zum Verkauf, nicht zur Verwendung im eigenen Betrieb, gelangenden Güter berücksichtigt werden kann. Bis zu dieser Grenze kann aber auch ein Anteil an einem „Stillstandkonto" aktiviert werden, auf dem die Leerlaufkosten bei nicht ausgenützter Kapazität gesammelt werden, ohne daß dadurch die Schranke des Angemessenen übersprungen wird (Trumpler, S. 28). Spätere Aufwendungen auf Gegenstände des Anlagevermögens können dann zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten zugeschlagen werden, wenn es sich nicht um laufende Reparaturen, sondern um solche Aufwendungen handelt, durch die die Nutzungsdauer des Gegenstandes erhöht wird. Der Betrag ist dann als Zugang gemäß § 152 I in der Bilanz gesondert aufzuführen. Auch für solche aktivierbaren Erneuerungsaufwendungen gilt die Zulässigkeit, einen Anteil an den Abschreibungen und Generalunkosten mitzuaktivieren. Tritt nachträglich eine Werterhöhung eines Gegenstandes ein, so kann diese, sofern sie nicht nur vorübergehender Art ist, in der Bilanz berücksichtigt werden bis zur Höhe des Anschaffungs- oder Herstellungspreises abzüglich Abschreibungen. Ausdrücklich ausgenommen sind die Vertriebskosten, die schon begrifflich nicht zu den Betriebs- und Verwaltungskosten (Generalunkosten) gehören. Das ist im Grunde selbstverständlich, denn § 153 spricht nur von den Wertansätzen der Gegenstände des Anlagevermögens. Diese sind aber nach § 152 I nur die Gegenstände, die dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen bestimmt sind. Hier kann es also keine Vertriebskosten geben. 3. Immaterielle Anlagewerte Anm. 5: Die immateriellen Anlagewerte sind die in § 151 auf der Aktivseite unter I I A Posten 8 aufgeführten: Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten. Für sie darf ein Aktivposten nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Es ist also unzulässig, die „Herstellungskosten", d. h. die Kosten der Entwicklung bis zum Erwerb gewerblicher Schutzrechte, insbesondere also Patente, wenn sie im eigenen Unternehmen entstanden sind, zu aktivieren, auch dann, wenn sie einen selbständigen wirtschaftlichen Wert darstellen, also z. B. Lizenzen vergeben werden. Das beruht darauf, daß es schwer ist, derartige immaterielle Anlagewerte in ihrem wahren Wert zu beurteilen. Anders ist es, wenn diese Werte nicht selbst geschaffen, sondern entgeltlich erworben wurde. Es kann, muß aber nicht der Anschaffungswert eingesetzt werden. Im Grunde genommen besagt diese Bestimmung, daß es bei diesen Werten keine Aktivierung von Herstellungskosten gibt. Bisher wurde das vielfach angenommen (vgl. Adler-Düring-Schmaltz, § 133 Anm. 147). Sind die Werte von Dritten geschaffen und alsdann von der Gesellschaft gegen Entgelt erworben worden, so sind außer dem Entgelt audi Nebenkosten akti869
§153
Aiun. 5,6
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
vierungsfähig wie Gebühren, Prozeßkosten und ähnliches (Adler-DüringSchmaltz a. a. O.). 4. Aufwendungen Geschäftsbetriebs
für die Gründung
und Kosten
der Ingangsetzung
des
Anm. 6: Die Aufwendungen für die Gründung dürfen nidit als Aktivposten eingesetzt werden. Hierzu gehören Gerichts- und Notariatskosten, Gebühren der Gründungspriifer, Kosten für sonstige Prüfungen, Schätzungen und Gutachten Sachverständiger, Druckkosten für Prospekte, Aktien usw.; ferner Kapitalverkehrssteuer, Maklerprovision, Gründungsaufwand, Entschädigung usw. Sie dürfen alle nicht aktiviert, keinem Bestandskonto gutgeschrieben, sondern nur der Gewinn- und Verlustrechnung belastet werden. Dagegen dürfen die Kosten der „Ingangsetzung" — im bisherigen Redit „Einrichtung" — des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft unter die Posten des Anlagevermögens aufgenommen werden. Die Änderung im Wortlaut soll verdeutlichen, daß nur die ersten Anlaufkosten bei der Gründung der Gesellschaft aktiviert werden können, also insbesondere nicht Erweiterungen nach einer Kapitalerhöhung. Besteht ein Aktivposten für Erweiterung, so ist auf ihn Abs. 4 S. 3 anzuwenden (Kopff in DB 66, 673). Zu den Kosten gehören alle Aufwendungen, die zur Organisation des Geschäftsbetriebes und zu seinem Anlauf notwendig sind, aber ohne daß der Wert bestimmter einzelner Gegenstände erhöht wird, was einer Erhöhung des Wertansatzes für diese schon nadi Abs. 1 gestattet, z. B. Vorversuche, Anlaufreklame, aber nicht die Verluste durch die sogenannten Kinderkrankheiten. Wie schon im bisherigen Recht (§ 133 Nr. 4 AktG 37) darf die Aktivierung niemals durch Zuschlag zu einem Gegenstand des Anlagevermögens, sondern immer nur als gesonderter Posten erfolgen. Auch die Verpflichtung zur Abschreibung war bereits im bisherigen Recht vorgesehen, sie ist jetzt im einzelnen genauer insofern vorgeschrieben, als die Abschreibung im folgenden Geschäftsjahr zu beginnen hat, und daß sie in diesem und in den späteren Geschäftsjahren mindestens Vs des aktivierten Betrages ausmachen muß. Diese Art der Regelung will vermeiden, daß bei der Gründung einer Gesellschaft dadurch Verlust eintritt, daß diese mit der Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes zusammenhängenden Kosten die Gewinn- und Verlustrechnung belasten, so daß leicht schon im ersten Jahr ein Verlust entstünde, der vor Beginn von Dividendenzahlung erst getilgt werden müßte. Die Aktivierung dieser Beträge und die verhältnismäßig schnelle Abschreibung ermöglicht auf der einen Seite eine zeitige Gewinnausschüttung, auf der anderen Seite wird dafür die Gewähr geboten, daß ein Posten, der im Grunde nicht aktivierungsfähig ist, in verhältnismäßig kurzer Zeit verschwindet. Die 870
Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens
§ 153
Anm.6—8 gleiche Regelung ist für den Fall vorgesehen, daß ausnahmsweise ein Geschäfts- oder Firmenwert aktiviert werden darf, Abs. 5 S. 3. 5. Aufwendungen für Kapitalbeschaffung Anm.7: Durch die Angabe der §§ 182—221 wird vom Gesetz ausdrücklich klargestellt, daß alle Kapitalbeschaffungsmaßnahmen unter diese Bestimmung fallen, d. h. auch die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen und von Gewinnschuldverschreibungen (§221). Es besagt weiter, daß die Aufwendungen für die Kapitalbeschaffungen aller Art nicht als Aktivposten eingesetzt werden dürfen. Dies entspricht dem bisherigen Recht. Unklar war nur, ob nach einer Kapitalbeschaffung die Kosten einer Betriebserweiterung als „Kosten der Betriebseinrichtung" aktiviert werden dürften. Das ist nunmehr dahin klargestellt, daß das nicht der Fall ist, vgl. oben Anm. 6. 6. Geschäfts- und Firmenwert Anm. 8: Der Geschäfts- und Firmenwert (sog. goodwill) darf grundsätzlich nicht aktiviert werden. Hierher gehört z. B. auch der Wert, der in der Beteiligung an Syndikaten und Kartellen sowie in Quoten und Kontingenten steckt (s. DR 1941, 2113, 2115 mit Anm. von Haupt, ferner RG 167, 260; Haupt, „Die bilanzmäßige Behandlung von Kontingenten", Rechtsspiegel der Wirtschaft 1942, Nr. 1). Dieses Verbot der Aktivierung gilt nur, wenn der goodwill selbst geschaffen ist. Es darf also die selbst errichtete Firma und der selbst gewonnene Geschäftswert nicht aktiviert werden, ebenso nicht die Quoten und Kontingente, wenn sie infolge Eintritts der Gesellschaft in Syndikate oder Kartelle ohne Ankauf des Rechts entstanden sind. H a t aber die Gesellschaft einen dieser Werte entgeltlich (z. B. käuflich oder als Einlage auf Aktien) erworben, so ist die Aktivierung zulässig. Voraussetzung ist letzterenfalls für die Aktivierung des Geschäfts- und Firmenwerts bei Übernahme eines Unternehmens, daß der Kaufpreis des Gesamtunternehmens höher war als die Summe der Werte der einzelnen Gegenstände; die Differenz, aber höchstens sie, stellt den Preis für den goodwill dar und kann dementsprechend aktiviert werden. Er muß als besonderer Bilanzposten unter die Aktiven aufgenommen werden und, wie die Kosten für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes (s. oben Anm. 6), vom folgenden Geschäftsjahr an und in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens Vä des aktivierten Betrages abgeschrieben werden. Schwierigkeiten können sich daraus ergeben, daß im Kaufvertrag der Preis für den goodwill nicht gesondert ausgeworfen ist, sondern durch Überhöhung der Preise für einzelne Gegenstände des Anlagevermögens ausgedrückt worden ist. Dürfte dieser überhöhte Preis der einzelnen Gegenstände als Wertansatz für diese in der Bilanz gemäß Abs. 1 übernommen werden, so würde sich seine gesetzliche Abschreibebedürftigkeit nach anderen Regeln richten und der Satz 3 871
§153
Anm. 8
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
des Abs. 5 umgangen werden. Es sind darum auch bei der Ermittlung der Werte im Sinn dieser Bestimmung nicht die Vertragswerte (-ansätze) ohne weiteres in allen Fällen maßgebend. Es gibt dann auch keine verläßlichen Anschaffungskosten, denn die scheinbaren Anschaffungskosten sind ja gerade diese Vertragswerte. Es handelt sich darum, die wirklichen Anschaffungskosten und mit ihnen den Überpreis zu finden. Es muß also unter dem Begriff „Werte der einzelnen Vermögensgegenstände" etwas anderes gemeint sein als die Vertragswerte, und zwar muß zunächst ein objektiver Maßstab gefunden werden. Man kann an die Kosten der Neuherstellung oder -beschaffung denken (mit entsprechenden Minderungen für gebrauchte Sachen), ohne daß dies zwingend ist, denn ein Kaufmann wird für eine fertige Anlage, die ihm sofortiges Verdienen gestattet, auch unter diesem Gesichtspunkt mehr bewilligen als den Aufwand, den er machen müßte, um sie herzustellen, und dieses Plus selbst wieder Geschäftswert zu nennen, scheint uns nicht anhängig. Nach RG 167, 263 verstehen Verkehr und Rechtsprechung unter Firmen- und Geschäftswert den Betrag, um den der Wert des lebenden Unternehmens als Ganzes den Saldo der Aktiven über die Passiven übersteigt. Eine andere Frage sei, was davon als maßgeblicher Bestandteil umfaßt wäre. Das seien alle für die Bewertung des lebenden Betriebes und seine Erfolgsaussichten wichtigen Umstände, die in anderen Posten der Bilanz nicht erfaßt sind, also z. B. die nidit aktivierungsfähigen immateriellen Anlagewerte nach Abs. 3. Gerade hier ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten, weil die eigenen Aufwendungen für diese Gegenstände nicht aktiviert werden dürfen, sondern nur, wenn sie entgeltlich erworben sind, die Anschaffungskosten. Ebenso schwierig ist die Abgrenzung des Geschäftswerts vom Wert laufender Verträge. Diese sind, wenn auch im allgemeinen nicht bilanzfähig, selbständige Vermögenswerte und gehören mehr zum inneren Geschäftswert, anders als ihre bloßen Erneuerungsaussichten (RG a. a. O., 265). Nur rechtlich gesicherte Vermögensvorteile (so Vertreterverträge mit Alleinverkaufsrecht, Beteiligungen an Syndikaten und Kartellen, Quoten und Kontingente, Interessengemeinschaften) sind dagegen Bestandteile des inneren Geschäftswertes, auch während die rechtliche Sicherung dauert (in dieser Beziehung unrichtig RG a. a. O. und II 34/1943, wo derartige Verträge nur aufgrund Parteiwillens nicht zu den nach Maßgabe von § 740 BGB zu beendigenden schwebenden Geschäften gerechnet und in der Abfindungsbilanz zu einem Schätzungswert aktiviert werden). Entscheidend ist, daß die Gewinne, deren Grundlage diese Vertragsverhältnisse sein mögen, das Ergebnis neuer Operationen sind. Daher sind diese Rahmenverhältnisse selbst keine Aktiva, deren Vermögenswert festzustellen wäre. Ob sie übertragbar sind oder nicht (vgl. RG 167, 267), dürfte keine Rolle spielen. Die genaue Abgrenzung des Geschäftswerts von anderen, normalerweise nicht bilanzierungsfähigen Ver872
Abschreibungen • Wertberichtigungen
§§153/154
Anm. 8 /1
mögenswerten ist nur für den Fall, daß bei abgeleitetem Erwerb ein Entgelt gewährt wird, interessant, weil die vorliegende Vorschrift nur auf den Geschäftswert anzuwenden ist, nicht aber auf andere, nur wegen Aufwendung von Anschaffungskosten, sonst aber nicht aktivierbare Vermögenswerte. Letztere folgen vielmehr eigenen Grundsätzen, auch wenn bei abgeleitetem Erwerb für sie und den Geschäftswert ein einheitliches Entgelt bezahlt wurde. S 154 Abschreibungen. "Wertberichtigungen (1) Bei den Gegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um planmäßige Abschreibungen oder Wertberichtigungen zu vermindern. Der Plan muß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach einer den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Abschreibungsmethode auf die Geschäftsjahre verteilen, in denen der Gegenstand voraussichtlich genutzt werden kann. (2) Ohne Rücksicht darauf, ob ihre Nutzung zeitlich begrenzt ist, können bei Gegenständen des Anlagevermögens außerplanmäßige Abschreibungen oder Wertberichtigungen vorgenommen werden, um die Gegenstände 1. mit dem niedrigeren Wert, der ihnen am Abschlußstichtag beizulegen ist, oder 2. mit dem niedrigeren Wert, der für Zwecke der Steuern vom Einkommen und vom Ertrag für zulässig gehalten wird, anzusetzen; sie sind vorzunehmen bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Der niedrigere Wertansatz darf beibehalten werden, auch wenn die Gründe der außerplanmäßigen Abschreibung oder Wertberichtigung nicht mehr bestehen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Abschreibungen und Wertberichtigungen (Anm. 2)
1. Planmäßige (Anm. 3) 2. Außerplanmäßige (Anm. 4) III. Übergangsbestimmungen (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift betont durch die getrennte Regelung der planmäßigen (Abs. 1) und der außerplanmäßigen Abschreibungen (Abs. 2) den Grundgedanken des neuen Bewertungsrechts, das planmäßig zu bewerten ist. Diesem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit entspricht es, daß nach Abs. 2 S. 2 ein niedrigerer Wertansatz beibehalten werden darf, auch wenn die Gründe der außerplanmäßigen Abschreibung nicht mehr bestehen. 873
§154
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 1—3 Über das Verhältnis zum bisherigen Recht, insbesondere Aufgliederung des § 133 AktG 37 in die §§ 153—156, vgl. § 153 Anm. 1 und Vorbem. zu §§ 1 5 3 - 1 5 6 . II. Abschreibungen und Wertberichtigungen Anm. 2: Während der Beratung des Gesetzes wurde erörtert, ob Abschreibungen auf Anlagen nur in Form von Wertberichtigungen (auf der Passivseite) vorgenommen werden sollten. Nach Anhörung von Wirtschaftsprüfern als Sachverständige hat man sich jedoch dahin entschieden, dem Unternehmen — wie bisher — die Wahl zwischen der direkten und der indirekten Abschreibung (in der Form von Wertberichtigung) zu belassen (im einzelnen vgl. hierzu § 152 Anm. 2). Abschreibungen kommen nur für Gegenstände des Anlagevermögens in Frage, Wertberichtigungen, in erster Linie auch für diese, können auch für die zum Umlaufvermögen gehörigen Forderungen, und zwar in Form einer Pauschalwertberichtigung wegen des allgemeinen Kreditrisikos vorgenommen werden. Diese ist unter der Bezeichnung „Pauschalwertberichtigung zu Forderungen" auszuweisen (vgl. § 152 VI). 1. Planmäßige Anm. 3: Im Gegensatz zu § 133 AktG 37 wird nicht mehr auf die Gliederungsvorschriften verwiesen. Die neue Vorschrift stellt darauf ab, ob die Gegenstände des Anlagevermögens in der Nutzung zeitlich begrenzt sind, und bestimmt, daß bei diesen planmäßigen Abschreibungen oder Wertberichtigungen vorgenommen werden müssen. Die Höhe schreibt das Gesetz nicht vor, auch nicht die Methode. In beidem hat die Gesellschaft freie Hand, nur zwei Voraussetzungen müssen erfüllt sein: a) die Abschreibungen oder Wertberichtigungen müssen planmäßig sein; b) der Plan muß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach einer den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Abschreibungsmethode auf das Geschäftsjahr verteilen, in denen der Gegenstand voraussichtlich genutzt werden kann. Aus dem Gesetzeswortlaut — der im wesentlichen der Vorschrift des § 133 Nr. 1, 2. Absatz AktG 37 entspricht — könnte gefolgert werden, daß der Wertverlust auf die einzelnen Jahre gleichmäßig verteilt werden müßte. Dies ist nicht der Fall. Es kann sehr wohl in den Jahren, in denen er stärker eintritt, auch in erhöhtem Maße berücksichtigt werden, auch ist selbstverständlich die degressive Abschreibungsmethode zulässig, die sich weitestgehend eingebürgert hat. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die Entwertung in den ersten Jahren nach der Anschaffung größer zu sein pflegt als in späteren Jahren. Die Abschreibung kann aber auch eine lineare sein. Es muß 874
Abschreibungen • Wertberichtigungen
§154
Anm. 3,4
jährlich stets wenigstens soviel abgeschrieben werden, als der mutmaßlichen Nutzungsdauer entspricht. Es können mithin die Abschreibungen nur dann unter diesen Jahresanteil bemessen werden oder unterbleiben, wenn in den Jahren vorher mehr abgeschrieben wurde als nötig. Diese Abweichung muß jedoch im Geschäftsbericht mitgeteilt werden (vgl. § 160). Wird jährlich gleichbleibend abgeschrieben, so ist es nicht notwendig, den Satz zu erhöhen, wenn der Wertverlust tatsächlich im einzelnen Jahr höher ist, als dieser Anteil der Jahresabschreibung war. Neben der Wertminderung durch tatsächliche Abnutzung ist der Wertverlust zu berücksichtigen, der durch technische Neuerungen eintritt. Er spielt eine zunehmende Rolle in den letzten Jahrzehnten. Es ist eine schwierige Aufgabe, die voraussichtliche Nutzungsdauer eines Gegenstandes festzustellen. Selbstverständlich handelt es sich dabei, wie immer, um eine Schätzung. Auch insoweit hat die Gesellschaft weitestgehend freie Hand. Es gibt keinen sicheren objektiven Maßstab; es ist durchaus denkbar, ja sogar wahrscheinlich, daß derselbe Gegenstand bei gleicher Nutzung in zwei verschiedenen Gesellschaften mit einer verschiedenen Nutzungsdauer bei der Berechnung der Abschreibung eingesetzt wird. Der Grundsatz der freien Bewertungsmöglichkeiten für die Gesellschaft, wie er sich insbesondere aus § 155 bei den Gegenständen des Umlaufvermögens unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, gilt auch hier für die Abschreibungen oder Wertberichtigungen beim Anlagevermögen (vgl. Vorbemerkungen vor §§ 153—156). Praktisch wird dadurch die Gesellschaft gezwungen, einen internen Abschreibungsplan aufzustellen, in dem die Abschreibungsmethode und -zeit festgelegt werden (vgl. Möhring in N J W 1966, 89). 2. Außerplanmäßige Anm. 4: Der Grundsatz, daß nur planmäßige Abschreibungen und Wertberichtigungen zulässig sind, wird in zwei Fällen durchbrochen. Es war im bisherigen Recht zweifelhaft, inwieweit das Niederstwertprinzip, das bei der Bewertung von Gegenständen des Umlaufvermögens gültig ist, auch für Gegenstände des Anlagevermögens zu gelten hat. Diese Frage wird nunmehr dahin entschieden, daß die Gegenstände, deren Wert am Abschlußstichtag niedriger liegen als sich nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den planmäßigen Abschreibungen nach Abs. 1 ergibt, durch außerplanmäßige Abschreibungen auf diesen niedrigeren Wert abgeschrieben werden können, nicht müssen. Ist die Wertminderung voraussichtlich eine dauernde, so müssen sie auf diesen Wert abgeschrieben werden. Es entspricht der weitaus herrschenden Meinung, daß beim Anlagevermögen trotz geringeren Zeitwerts der höhere Anschaffungswert, vermindert um die planmäßigen Abschreibungen, anzusetzen ist, wenn es sich nicht um dauernde, sondern um vorübergehende Wertverluste handelt, welche mehr in 875
§154
Anm. 4
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
der Marktbewertung als in dem wirklichen Wert der Vermögensanlage begründet sind. So wird bei festverzinslichen Papieren mit bestimmtem Auszahlungskurs und -termin auch bei dauerndem Kursverlust eine Abschreibung nicht notwendig sein, wenn feststeht, daß die Gesellschaft den Rückzahlungstermin abwarten kann. Ähnliches gilt für Aktien, die die Gesellschaft nicht zu verkaufen gedenkt, wenn ihr Börsenkurs unter ihren wahren Wert sinkt bei dauernden rückläufigen Kursbewegungen. In diesen Fällen hat die Gesellschaft das Wahlrecht, ob sie eine außerplanmäßige Abschreibung machen will oder nicht. Anders ist es, wenn ein Dauerverlust vorliegt, z. B. dann, wenn von vornherein aus machtpolitischem Interesse für Aktien ein erheblicher Überpreis gezahlt wurde — solche Überpreise für geschlossene Pakete können zwar einem bleibenden Mehrwert entsprechen, aber es ist zu beachten, daß große Pakete auch oft nur mit Verlusten zu placieren sind — oder wenn z. B. eine Zusammenlegung der Beteiligungen erfolgt oder gar das Beteiligungsunternehmen in Konkurs geht. Die Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns entscheiden auch in solchen Fällen über das Maß außerplanmäßiger Abschreibungen. Daß solche zu machen sind, sieht das Gesetz vor, sofern die Frage, ob es sich voraussichtlich um einen Dauerverlust handelt, zu bejahen ist. Wenn das Beteiligungsunternehmen Verluste erleidet und anzunehmen ist, daß diese überwunden werden, so liegen die Voraussetzungen für eine außerplanmäßige Abschreibung nicht vor. Diese kann, muß aber nicht, erfolgen, wenn der Wert der Beteiligungen am Abschlußstichtag unter dem Buchwert liegt. Eine Sonderabschreibung kann auch bereits dann erfolgen, wenn sich übersehen läßt, daß der Zeitwert den Wert, der sich aus planmäßigen Abschreibungen ergibt, während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer nicht erreichen wird. Der zweite Fall, für den außerplanmäßige Abschreibungen für zulässig erklärt werden, ist völlig anders gelagert. Hier handelt es sich nicht um die Anpassung an niedrigere Tageswerte, sondern um eine Rücksichtnahme auf den steuerlichen Grundsatz, daß die Steuerbilanz der Handelsbilanz folgt (§ 5 EStG). Es soll der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben werden, einen steuerlich zulässigen, niedrigeren Ansatz der Bewertung eines Gegenstandes des Anlagevermögens dadurch auszunutzen, daß auch handelsrechtlich durch entsprechende Abschreibungen der Gegenstand auf diesen Wert abgeschrieben wird. Es wäre eine Unbilligkeit, die Gesellschaft durch die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften daran zu hindern, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten auszunutzen. Erweist sich, daß der niedrigere Ansatz von den Steuerbehörden nicht anerkannt wird, so kann es für die Handelsbilanz dennoch bei den niedrigeren Ansätzen verbleiben, wenn diese nicht von vornherein ein Ermessensmißbrauch waren (Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 78). 876
Abschreibungen • Wertberichtigungen
§154
Anm. 4,5 Jede außerplanmäßige Abschreibung ist — ebenso wie eine Änderung in der planmäßigen Abschreibungsmethode oder -maß — im Geschäftsbericht nach § 160 II anzugeben (vgl. im einzelnen dort Anm. 4). Wenn nach Abs. 2, N r . 1 und 2 eine außerplanmäßige Abschreibung stattgefunden hat, so kann dieser dadurch erreichte niedrigere Wertansatz beibehalten werden, auch wenn die Gründe der außerplanmäßigen Abschreibung oder Wertberichtigung nicht mehr bestehen. Damit kommt der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit erneut deutlich zum Ausdruck. Es beständen keinerlei Bedenken, ja es müßte sogar als richtig angesehen werden, wenn bei einer Wertsteigerung der einer Sonderabschreibung unterlegenen Gegenstände diese zumindest wieder zum alten Buchwert, vermindert um die zwischenzeitlichen planmäßigen Abschreibungen, angesetzt werden müßten. Unter dem Gesichtspunkt, daß der wahre Bilanzgewinn den Aktionären zur Gewinnverwendung zur Verfügung gestellt werden soll, wäre dies sogar in der Gesamttendenz des Gesetzes das Richtige. Wenn man trotzdem davon abgesehen hat, so nur deshalb, weil der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit eine so hohe Bedeutung dadurch gewonnen hat, daß man auf der anderen Seite sehr weitgehende Ermessensfreiheit in der Auswahl der Bewertungsmethode und damit in der Bewertungshöhe dem Unternehmen gelassen hat. Ein ständiger Wechsel in der Bewertung würde trotz der Vorschrift des § 160 zu Unklarheiten führen. III. Übergangsbestimmungen Anm. 5: Über das Inkrafttreten der Bestimmungen über die Rechnungslegung (§ 14 EG) vgl. Vorbem. zu § 148. Da die neuen Bewertungsvorschriften nicht mehr nur eine Höchstgrenze bestimmen, sondern ausdrücklich angeben, mit welchem Wert die Gegenstände des Anlagevermögens einzusetzen sind, müßte an sich mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen eine völlig neue Bilanz aufgestellt werden. Die Bilanzkontinuität würde damit unterbrochen, allerdings würden nunmehr durch Aufstellung der Bilanz mit den neuen Werten die bisherigen stillen Rücklagen, die im Anlagevermögen stecken, aufgelöst. Das hätte zwar f ü r die Publizität einen gewissen Fortschritt bedeutet, aber zum Ausweis von Gewinnen geführt, die in ganz anderen Zeitabschnitten entstanden sind. Deshalb geht das Gesetz davon aus, daß die Gegenstände des Anlagevermögens mit dem bisherigen Wert angesetzt werden dürfen, auch, wenn dieser niedriger war als nach den neuen Bestimmungen der §§ 153, 154 in Zukunft zulässig ist (vgl. Hornef in BB 66, 505). Der Wertansatz gilt gewissermaßen als Anschaffungs- bzw. Herstellungswert von dem nunmehr die Abschreibungen und Wertberichtigungen nach den Bestimmungen des § 154 zu machen sind. Eine Bindung an diese Bewertung besteht aber nicht, vielmehr darf auch eine Neubewertung und damit eine Auflösung stiller Reserven erfolgen. In diesem Fall halten wir es f ü r zuläs877
§§ 154/155
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 5 / 1 sig, § 14 IV EG anzuwenden (vgl. § 155 Anm. 5; ebenso KropfT in BB 66, 675; Esser in Die Aktienges. 65, 318; a. A. Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 79).
§ 155 Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens (1) Die Gegenstände des Umlaufvermögens sind zu den Anschaffungsoder Herstellungskosten anzusetzen, soweit nicht ein niedrigerer Wertansatz nach Absatz 2 geboten oder nach den Absätzen 3 und 4 zulässig ist. Für die Berechnung der Herstellungskosten gilt § 153 Abs. 2. Soweit es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann für den Wertansatz gleichartiger Gegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, daß die zuerst oder daß die zuletzt angeschafften oder hergestellten Gegenstände zuerst oder in einer sonstigen bestimmten Folge verbraucht oder veräußert worden sind. (2) Sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten höher als der Wert, der sich aus dem Börsen- oder Marktpreis am Abschlußstichtag ergibt, so ist dieser Wert anzusetzen. Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Wert, der den Gegenständen am Abschlußstiditag beizulegen ist, so ist dieser Wert anzusetzen. (3) Die Gegenstände des Umlaufvermögens dürfen mit einem niedrigeren Wert als dem Wert nach Absatz 1 oder Absatz 2 angesetzt werden, soweit der niedrigere Wertansatz 1. bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um zu verhindern, daß in der nächsten Zukunft der Wertansatz dieser Gegenstände auf Grund von Wertschwankungen geändert werden muß oder 2. für Zwecke der Steuern vom Einkommen und vom Ertrag für zulässig gehalten wird. (4) Ein niedrigerer Wertansatz nach den Absätzen 2 oder 3 darf beibehalten werden, auch wenn seine Gründe nicht mehr bestehen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Wertansätze 1. Allgemeines (Anm. 2)
2. Einzelne Posten (Anm. 3) 3. Außergewöhnliche Wertansätze (Anm. 4) III. Übergangsbestimmungen (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: So wie in § 153 für die Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens wird in § 155 für die des Umlaufvermögens nicht mehr nur eine Höchstgrenze festgesetzt, sondern es wird bestimmt, zu welchen Werten die Ansätze zu erfolgen haben. Es sind, ebenso wie beim Anlagevermögen, die 878
Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens
§ 155 Anm. 1,2
Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Für die Berechnung der Herstellungskosten wird auf die Bestimmungen des § 153, II verwiesen. Weitgehend angeglichen sind jetzt auch die Gegenstände des Anlagevermögens und die des Umlaufvermögens insoweit, als jetzt auch bei den Anlagewerten das Niederstwertprinzip gilt, das bisher schon für das Umlaufvermögen maßgebend war. Entsprechend den außerplanmäßigen Abschreibungen und Wertberichtigungen bei den Gegenständen des Anlagevermögens nach § 154 II, kann bei Gegenständen des Umlaufvermögens in bestimmten Fällen ein niedrigerer Wert als der sich aus der allgemein vorgeschriebenen Bewertung ergebende eingesetzt werden, der auch dann beibehalten werden darf, wenn die Gründe für den niedrigeren Wertansatz nicht mehr bestehen. Abs. 1, S. 1 und 2 und Abs. 2 entsprechen im wesentlichen den Bestimmungen des § 133 Nr. 3 AktG 37, vgl. im übrigen Vorbem. vor §§ 153—156 und § 153 Anm. 1. II. Wertansätze 1. Allgemeines Anm. 2: Für alle Gegenstände des Umlaufvermögens, auch den sogenannten eisernen Bestand, sind folgende Werte anzusetzen: Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, also der Wert des Entstehungstages des Wirtschaftsgutes und außerdem der Wert am Abschlußstichtag, und zwar ist maßgebend der geringere der beiden Werte, d. h., es gilt beim Umlaufvermögen das Niederstwertprinzip. Unrealisierte Gewinne dürfen also nicht ausgewiesen werden. Das Gegenteil ist für die unrealisierten Verluste vorgeschrieben (Trumpler, S. 36). Sie dürfen nicht allmählich, sondern müssen sofort in voller Höhe abgeschrieben werden. Liegen sie auf noch schwebenden Geschäften, müssen sie durch Rückstellungen berücksichtigt werden. Bei der Frage, was als Wert des Bilanzstichtages anzusehen ist, muß unterschieden werden: Besteht ein Börsen- oder Marktpreis, so ist es dieser, und zwar derjenige des Bilanzstichtages. Börsenpreis ist der an einer deutschen Börse amtlich festgestellte Preis. Marktpreis ist der Durchschnittspreis, der sich aus dem Vergleich einer erheblichen Anzahl an dem Ort, an dem die Gesellschaft ihre Waren abzusetzen pflegt, am Abschlußstichtag über Waren und Wertpapiere der betreffenden Art und Güte geschlossener Kaufverträge ergibt. Sind an diesem Tag mehrere Börsen- oder Marktpreise notiert, so ist der zuletzt notierte maßgebend. Besteht ein Börsen- oder Marktpreis nicht, so ist der Wert des Bilanzstichtages nach sorgfältiger kaufmännischer Überlegung zu ermitteln. Er ist nicht gleich dem erzielbaren Verkaufspreis, vielmehr müssen 879
§155
Anm. 2,3
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
davon abgesetzt werden einmal die Unkosten, die durch den Verkauf entstehen, Kosten evtl. Lagerung und ein geschätzter Betrag für das Risiko der Unverkäuflichkeit. Sind Waren bereits verkauft, aber noch nicht abgesandt (Gefahrenübergang), so sind sie mit dem Anschaffungs- und Herstellungspreis zu bilanzieren, auch wenn der Verkaufspreis darüber liegt. Dagegen ist als Wertansatz der erzielte Verkaufspreis zugrunde zu legen, wenn er unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegt. Das gilt auch von der lagernden Rohware, die für die Ausführung des Verkaufsantrags zu verwenden ist, denn weder wäre es richtig, Verluste, die entstanden sind, weil der Verkaufspreis tiefer als der Einstandspreis ist, noch nicht zu zeigen, weil nachträglich die Preise über den Einstandspreis gestiegen sind, noch umgekehrt darunter bei gesunkenen Preisen nicht entstandene Verluste auszuweisen, die im nächsten Jahr in überhöhte Gewinne umschlagen müssen. Halbfabrikate sind zu den Herstellungskosten oder zum (geringeren) Wert einzusetzen, der sich aus dem Weg der Fertigerzeugnisse durch Abzug der Restkosten ihrer Fertigstellung ergibt. Für die Anschaffungs- und Herstellungskosten gilt das in Anm. 3 und 4 zu § 153 Gesagte. Jedoch ist hier zu berücksichtigen, daß bereits bei Berechnung der Wertansätze nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten u. U. ein niedrigerer Wert anzusetzen ist, und zwar wenn die Fälle des Abs. 3 vorliegen. Das ist bei Gegenständen des Anlagevermögens insofern anders, als dort sich die Wertminderung in verstärkter Abschreibung oder erhöhter Wertberichtigung niederschlägt, während hier schon beim Wertansatz die zusätzlichen Abschläge gemacht werden müssen. Zum Umlaufvermögen gehören alle die Gegenstände, die nicht dazu bestimmt sind, dauernd durch Gebrauch, sondern durch Verbrauch oder Verkauf dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen, denn nicht alle Gegenstände, die sich rasch aufbrauchen, gehören zum Umlaufvermögen. So sind z. B. Büroutensilien, wenn überhaupt, unter Anlagewerte zu aktivieren, während Roh- und Hilfsstoffe zum Umlaufvermögen gehören. Was im einzelnen zum Umlaufvermögen gehört, ergibt sich aus § 151 Aktivseite III. 2. Einzelne Posten Anm. 3: Vorräte (§ 151 Aktivseite III Posten 1 bis 3) sind zum Einstandswert (Anschaffungswert oder Herstellungskosten) oder dem Wert des Bilanzstichtages anzusetzen, falls letzterer niedriger ist (vgl. Albach in BB 66, 379; Döllerer in BB 65, 1412). Die neu eingefügte Bestimmung in Abs. 1 S. 3 befaßt sich mit Bewertungsmethoden von Gegenständen des Vorratsvermögens, bei denen die tatsächlich angefallenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten deshalb im einzelnen nicht mehr zu ermitteln sind, weil laufend „gleichartige" Gegenstände dem Vorratsvermögen zufließen und ebenso entnommen werden. Das Gesetz gestattet, daß in diesem Fall von 880
Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens
§ 155 Anm. 3
einer Einzelbewertung der Gegenstände des Vorratsvermögens abgesehen werden kann. Die Zulässigkeit der Gruppenbewertung von Vorratsvermögen ist inzwischen in § 40 IV HGB durch das Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuches und der Abgabenordnung vom 2. 8. 1965 (BGBl. I, S. 665) geregelt worden. Es ist auch nicht notwendig festzustellen, welche einzelnen „gleichartige" Gegenstände verbraucht sind. Es wird vielmehr jeder den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechender Wertansatz für zulässig erklärt und zwei besonders bekannte und gebräuchliche Methoden ausdrücklich genannt, nämlich die sogenannte Lifo ( (last in, first out) — und die Fifo — (first in, first out) -Bewertung (vgl. hierzu Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 77). Das bedeutet, daß man bei gleichartigen Gegenständen des Vorratsvermögens davon ausgehen kann, daß die zuletzt angeschafften als erste wieder verbraucht worden sind, was zur Folge hat, daß bei steigenden Preisen die ersten zu niedrig, also zu niedrigeren Preisen gekauften Partien mit diesem geringeren Anschaffungspreis übrigbleiben und damit eine Bewertungsreserve darstellen (Lifo-Methode). Wendet man diese Methode bei sinkenden Preisen an, so könnte damit eine Überbewertung entstehen, die bedenklich und jedenfalls nur zulässig ist, soweit in einer solchen Entwicklung die Anwendung dieser Methode nodi mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vereinbar ist. Die Fifo-Methode, bei der man unterstellt, daß die zuerst angeschafften Gegenstände des Vorratsvermögens als erste wieder herausgehen, wird man bei sinkender Preistendenz anwenden und kommt dann zu dem Ergebnis einer Bewertungsreserve, während umgekehrt bei steigenden Preisen für die Anschaffung der Gegenstände des Vorratsvermögens sich ein Scheingewinn ergibt, weil die zu billigeren Preisen erworbenen Gegenstände nicht mehr zu den gleichen Preisen wiedererworben werden können, die bei dem Wertansatz zugrunde gelegt sind. Auch hier sind aber, da stets die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung maßgebend sind, Grenzen gezogen, so daß eine Gefährdung der Bewertungsgrundsätze im ganzen durch diese Bestimmung nicht in Frage kommt (vgl. auch Esser in Die Aktiengesellschaft 1965, S. 310 ff.; zu eng Döllerer in BB 65, 1412; ihm zu Recht entgegentretend Görrer in BB 66, 264; Kropff in Neue Betriebswirtschaft 66, 61; Saage a. a. O.) Neben diesen beiden im Gesetzestext beschriebenen Methoden ist auch jede weitere Methode zulässig, in der eine sonstige bestimmte Folge im Verbrauch oder Veräußerung beim Wertansatz angenommen wird. Wertpapiere des Umlaufvermögens, einschließlich der eigenen Aktien und der Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft (§151 Aktivseite III B Posten 7 bis 9), sind zum Börsen- oder Marktpreis oder dem niedrigeren Einstandspreis aufzunehmen. Laufende Zinsen, die im Kurs nicht mitberücksichtigt sind, sind dem Wert zuzuschlagen. Fällige Zins- und Divi881 56
Wilhelmi, Aktiengesetz
§155 Anm. 3 , 4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
dendenscheine sind als besondere Wertpapiere zu bewerten. Wertsteigerung, etwa durch Steigen der Börsenkurse, kann zu einer Höherbewertung führen, jedoch nicht über den ursprünglichen Anschaffungswert hinaus. Forderungen (§ 151 Aktivseite III B Posten 2, 3, 10, 11) sind, wenn sie zweifelhaft sind, zu ihrem wahrscheinlichen Wert (§ 40 HGB) zu bewerten. Daneben ist bei Unverzinslichkeit der Gegenstandswert und der Marktwert zu beachten, z. B. wenn auch sichere und verzinsliche langfristige Forderungen nur mit Abschlag verwertbar sind. Audi für ausländische Forderungen ist der Kurs des Stichtages maßgebend, wenn er unter dem Kurs des Erwerbstages liegt, daneben die Aussicht beachtlich, ob und wann sie eingehen werden. Daß jeder Wertansatz auch gegenüber einer späteren Wertsteigerung in einer späteren Bilanz beibehalten werden kann, gilt auch von Auslandsforderungen, wenn der Kurs der fremden Währung wieder steigt. J. Außergewöhnliche 'Wertansätze Anm. 4: So wie es beim Anlagevermögen nach § 154 II außerplanmäßige Abschreibungen und Wertberichtigungen gibt, so gibt es beim Umlaufvermögen außergewöhnliche Wertansätze, und zwar handelt es sich darum, daß ein niedrigerer Wert als nach Abs. 1 und 2 angesetzt werden darf. Während es bei der Abschreibung oder Wertberichtigung von Gegenständen des Anlagevermögens eine Verpflichtung gibt, diese vorzunehmen, wenn die Wertminderung voraussichtlich eine dauernde ist, gibt es im Umlaufvermögen eine ähnliche Verpflichtung für einen niedrigeren Wertansatz nicht, vielmehr ist der Gesellschaft nur in den im Gesetz aufgeführten Fällen der Ansatz eines niedrigeren Wertes gestattet („dürfen"). Es ist dies einmal der Fall, wenn ein niedrigerer Ansatz notwendig ist, um zu verhindern, daß in der nächsten Zukunft der Wertansatz dieser Gegenstände aufgrund von Wertschwankungen geändert werden muß. Damit wird in einem gewissen Umfang der Grundsatz, daß die Bewertung zu einem bestimmten Stichtag, nämlich dem Abschlußstichtag (Abs. 2), zu erfolgen hat, insoweit verlassen, als für die Zukunft zu erwartende Wertminderung berücksichtigt werden können (ebenso Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 77). Diese müssen aber so sein, daß bei ihrem Eintritt deshalb der Wertansatz dieser Gegenstände geändert werden müßte. Das bedeutet, daß sie voraussichtlich von einer gewissen Dauer sein müssen. Wertschwankungen, von denen man erwarten kann, daß sie sich innerhalb eines Geschäftsjahres wieder ausgleichen, berechtigen nicht zu einem niedrigeren Wertansatz. Muß man aber annehmen, daß der Wert auch am nächsten Abschlußstichtag geringer sein wird als der nach Abs. 1 und 2 anzunehmende Wert, so kann das berücksichtigt werden, denn nach dem Grundsatz des Niederstwertprinzips des Abs. 2 müßte ja dann im folgenden Jahr der niedrigere Wert angesetzt werden. Man kann also auf diese Weise dem Risiko, das in der Zukunft liegt, Rechnung tragen und sich auf 882
Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens
§ 155
Anm. 4,5 diese Weise eine gewisse Bewertungsreserve schaffen. Voraussetzung ist, daß bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung die außergewöhnlich niedrige Beurteilung notwendig ist, um Veränderungen des Wertansatzes in der nächsten Zukunft vermeiden zu können. Der zweite Fall, in dem ein niedrigerer Wert angenommen werden kann als er sich aus den Abs. 1 und 2 ergibt, ist der, daß ein solch niedrigerer Wert für Zwecke der Steuern vom Einkommen und Ertrag für zulässig gehalten wird. Die Bestimmung berücksichtigt den steuerlichen Grundsatz, daß die Steuerbilanz der Handelsbilanz folgt. Sie soll verhindern, daß der Gesellschaft die Ausnutzung einer steuerlichen Möglichkeit durch die Bewertungsvorschriften unmöglich gemacht wird. Ein auf dem Niederstwertprinzip beruhender niedrigerer Wertansatz nach Abs. 2 und einer aufgrund der beiden Fälle des Abs. 3 erfolgter niedrigerer Wertansatz darf beibehalten werden, auch wenn seine Gründe nicht mehr bestehen. Das entspricht der Vorschrift des § 154 II bei Gegenständen des Anlagevermögens, es kommt darin der Gedanke der Bilanzkontinuität besonders zum Ausdruck (vgl. auch Anm. 4 zu § 154). III. Übergangsbestimmungen Anm.i: Uber das Inkrafttreten der Bestimmungen über die Rechnungslegung sowie die Verwendung des Jahresüberschusses und die Gewinnverwendung (§S 14 und 15 EG) vgl. Vorbem. vor S 148. In § 14 III EG wird klargestellt, daß die für Gegenstände des Umlaufvermögens im letzten Geschäftsjahr vor Anwendung der neuen Bewertungsvorschriften angesetzten Werte, die unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegen, in zwei Fällen beibehalten werden dürfen. Der niedrigere Wertansatz bleibt zulässig, soweit er aufgrund des bereits dem Aktiengesetz 37 entsprechenden Niederstwertprinzips (S 133 N r . 3 S. 3 u. 4 A k t G 3 7 ) angesetzt werden mußte. Er kann ferner beibehalten werden, wenn er bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig war, um zu verhindern, daß in der nächsten Zukunft der Wertansatz dieser Gegenstände aufgrund von Wertschwankungen geändert werden mußte und, wenn der niedrigere Wertansatz f ü r Zwecke der Steuer vom Einkommen und vom Ertrag f ü r zulässig gehalten wird. Es wäre unbillig, wollte man die Gesellschaft zwingen, Bewertungsreserven aufzulösen, zu deren Bildung das alte Gesetz sie gezwungen hat. Ebenso wäre es unbillig, von der Gesellschaft die Auflösung von Bewertungsreserven zu verlangen, die sie zwar vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geschaffen haben, aber auch hätte schaffen können, wenn das Gesetz zur damaligen Zeit schon in Kraft gewesen wäre. Was das neue Gesetz f ü r die Zukunft erlaubt, sollte es auch für die Vergangenheit als Rechtens anerkennen (vgl. Hornef in BB 66, 505). Trotz dieser den Übergang erleichternden Bestimmungen ist es durchaus möglich, daß Wertansätze f ü r Gegenstände
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883
§§155/156
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 5 des Umlaufvermögens nicht beibehalten werden dürfen. Im allgemeinen werden diese Bewertungsreserven sich von selbst durch den Umschlag des Umlaufvermögens auflösen. Soweit das nicht der Fall ist, muß die Bewertung f ü r den Jahresabschluß f ü r das nach dem 31. Dez. 1966 beginnende Geschäftsjahr die Bewertung nach den neuen Vorschriften enthalten. Der Betrag, der sich aus dem Unterschied zwischen dem im letzten, vorausgehenden Jahresabschluß angesetzten Wert und dem nunmehr nach den neuen Bestimmungen anzusetzenden Wert ergibt, kann in freie Rücklagen eingestellt werden. Er muß es nicht, es ist auch denkbar, daß er als Bilanzgewinn ausgewiesen und damit zur Verfügung der Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß gestellt wird. Entschließt sich die Verwaltung, ihn in freie Rücklagen einzustellen, so wird der Betrag nicht auf den Teil des Jahresüberschusses angerechnet, der der Verwaltung zur Bildung freier Rücklagen zur Verfügung steht, nämlich die H ä l f t e des jeweiligen Jahresüberschusses. Er bleibt aber im Jahresüberschuß und erhöht diesen, was f ü r die Berechnung der gesetzlichen Rücklage und der Tantieme von Bedeutung ist (ebenso Kropff in DB 66, 676). Es kann also in diesem Geschäftsjahr sowohl der Betrag, der sich aus der Auflösung der Bewertungsreserve ergibt, in die freie Rücklage eingestellt werden, wie auch die H ä l f t e des Jahresüberschusses. Lediglich die andere Hälfte des Jahresüberschusses steht zur Verfügung der Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß, niemals aber der Betrag, der durch die Auflösung der Bewertungsreserve freigeworden ist, es sei denn, er wird, wie oben bereits ausgeführt, von der Verwaltung bei Feststellung des Jahresabschlusses ganz oder teilweise als Bilanzgewinn ausgewiesen.
§ 156 Ansätze von Passivposten (1) Das Grundkapital ist zum Nennbetrag anzusetzen. (2) Verbindlichkeiten sind zu ihrem Rückzahlungsbetrag, Rentenverpflichtungen zu ihrem Barwert anzusetzen. (3) Ist der Rückzahlungsbetrag von Verbindlichkeiten oder Anleihen höher als der Ausgabebetrag, so darf der Unterschied unter die Rechnungsabgrenzungsposten der Aktivseite aufgenommen werden. Der Betrag ist gesondert auszuweisen und durch planmäßige jährliche Abschreibungen, die auf die gesamte Laufzeit verteilt werden dürfen, zu tilgen. (4) Rückstellungen sind nur in Höhe des Betrags anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. I. Übersicht (Anm. 1) I I . Das G r u n d k a p i t a l (Anm. 2)
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III. Verbindlichkeiten (Anm. 3) IV. Rückstellungen (Anm. 4)
Ansätze von Passivposten
§156
Anm. 1—3 I. Übersicht Anm. 1: Während nach dem bisherigen Recht im § 133 AktG 37 alle Bestimmungen über die Wertansätze in der Jahresbilanz enthalten waren, sowohl f ü r die Aktiv- wie für die Passivposten, behandelt das neue Gesetz die Wertansätze für die Anlagewerte in § 153, die zulässigen Abschreibungen und Wertberichtigungen in § 154, die Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens in § 155 und die Ansätze von Passivposten in der vorliegenden Bestimmung des § 156. Abs. 1 bis 3 entsprechen im wesentlichen den N r . 7 und 6 des § 133 AktG 37 mit der Maßgabe, daß die letztere Bestimmung, die sich nur auf Anleihen der Gesellschaft bezog, dahin erweitert ist, daß nunmehr alle Verbindlichkeiten unter Abs. 3 fallen. Neu ist der Abs. 4. Er entspricht im wesentlichen der bisher schon herrschenden Auffassung. II. Das Grundkapital Anm. 2: Das Grundkapital ist zum Nennbetrag einzusetzen, also ohne Rücksicht darauf, ob noch Einlagen rückständig sind. Diese sind als Forderungen der Gesellschaft unter den Aktiven nach § 151 I Aktivseite I in gesondertem Posten zu buchen. III. Verbindlichkeiten Anm. 3: Die Bestimmung des § 133 N r . 6 AktG 37, wonach Anleihen mit ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen waren, ist allgemein auf Verbindlichkeiten erweitert worden. Dazu gehören auch die Anleihen. Als Rückzahlungsbetrag ist der Betrag anzusehen, der bei normaler Tilgung aufgebracht werden muß, ohne außergewöhnliche Aufwendungen, wie Strafzuschläge wegen unpünktlicher Zahlung. Maßgebend ist im Falle der Staffelung ein durchschnittlicher Rückzahlungsbetrag. Ist der Rückzahlungsbetrag höher als der Ausgabebetrag, sei es, daß bei der Ausgabe ein Disagio in Kauf genommen oder ein Aufgeld bei Rückzahlung versprochen werden mußte, so braucht die Gesellschaft diesen Unterschiedsbetrag nicht im Ausgabejahr als Verlust zu tragen. Sie kann vielmehr den Betrag in die Aktiven einstellen, muß ihn aber während der Laufzeit der Anleihe abschreiben. Die Aktivierung des Betrages erfolgt unter der Position Aktivseite IV, Rechnungsabgrenzungsposten, des § 151 I, jedoch getrennt von den anderen dort aufgeführten Beträgen, als gesonderte, meist als Disagio bezeichnete Position (Abs. 3). Unter Ausgabebetrag ist nicht der Emissionskurs zu verstehen, sondern der Betrag, der der Gesellschaft nach Abzug aller Unkosten, Provisionen der Bank, Kapitalverkehrs-, Börsenumsatzsteuer, Eintragungskosten für H y p o theken oder Grundschulden, Druckkosten für die Schuldverschreibungen usw. tatsächlich zufließt. Der Posten ist kein echtes Aktivum, sondern nur ein Wertberichtigungs- oder Rechnungsabgrenzungsposten. Er muß bei Ende der 885
§ 156
Anm. 3,4
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
Laufzeit der Anleihe ausgeglichen sein. Für die Art der Abschreibung gelten die Grundsätze des § 154. Sie muß eine planmäßige, jährliche sein, was nicht unbedingt bedeutet, daß die Jahresbeträge gleich hoch sein müssen (vgl. Anm. 3 zu § 154). Der umgekehrte Fall ist im Gesetz nicht geregelt, wenn nämlich z. B. eine Anleihe mit Aufgeld gegeben wurde und nur zu pari zurückzuzahlen ist. Schon nach bisherigem Recht wurde angenommen, daß in diesem Fall ein besonderer Posten unter die Aktiven einzusetzen und durch jährliche Beträge, die zu seinen Lasten dem Zinsenkonto gutzubringen sind, zu amortisieren seien. Anderenfalls entsteht im Emissionsjahr zu Unrecht ein einmaliger Gewinn, während das Aufgeld in Wahrheit eine Verringerung der Gesamtzinslast während der Anleihedauer darstellt. Über Währungsverbindlichkeiten vgl. Trumpler, S. 137. Der Grundsatz, daß unrealisierte Verluste zu berücksichtigen sind, unrealisierte Gewinne dagegen nicht, gilt auch hier. Demnach ist, wenn der Kurs gegenüber dem Kurs zur Zeit der Entstehung am Bilanzstichtag gestiegen ist, der gestiegene Kurs, wenn er gefallen ist, der Entstehungskurs anzuwenden oder in beiden Fällen eine Rückstellung zu schaffen. Im ersteren Fall ist sie zu Lasten der Gewinnund Verlustrechnung zu schaffen, im letzteren zu Lasten des Währungsgläubigerkontos. Die Einstellung der Schuld zu dem gefallenen Kurs ohne gleichzeitige Rückstellung ist zulässig, wenn der sorgfältige Kaufmann eine bleibende Stabilisierung auf dem gesunkenen Kursniveau voraussetzen darf. Es empfiehlt sich, im Geschäftsbericht zu vermerken, nach welchen Grundsätzen die Währungsschulden eingestellt worden sind. Stehen sich Währungsschulden und Forderungen gegenüber, so können die Kursdifferenzen kompensiert werden. Selbstverständlich dürfen aber die Schulden und Forderungen selbst nicht saldiert werden. Rentenverpflichtungen sind nach ausdrücklicher Bestimmung des Abs. 2 zu ihrem Barwert anzusetzen. IV. Rückstellungen Anm. 4: In § 1511 Passivseite unter IV wird der Posten Rückstellungen ohne Zusatz genannt und aufgegliedert in Pensionsrückstellungen und andere Rückstellungen, während in § 131 B I V AktG 37 von „Rückstellungen für ungewisse Schulden" die Rede war. Das ist auch in Zukunft im Grunde nicht anders; Rückstellungen werden für ungewisse Verbindlichkeiten gemacht. Hierunter versteht man Verbindlichkeiten, deren Entstehung oder Bestehen zum Bilanzstichtag geltend gemacht, aber ungewiß, z. B. bestritten ist (etwa eine bestrittene Schadensersatz- oder Abfindungspflicht oder Steuerschuld), im weiteren Sinne auch Verpflichtungen, die nur der Höhe nach unbestimmt sind, also eigentlich in der Mindesthöhe zu den bestehenden Verpflichtungen 886
Gliederung der G e w i n n - und Verlustrechnung
§§156/157
Anm. 4
zu rechnen wären (der Höhe nach bestritten oder ungewisse Verpflichtungen, z . B . Prozeßkosten oder Steuern, Vorstandstantieme). Rückstellungen für bereits drohende Verluste (etwa aus Geschäften, die im nächsten J a h r abzuwickeln sind und, wie bereits feststeht, falsch kalkuliert waren) oder Aufwendungen pflegt man gleichfalls hierher zu rechnen. Die Praxis hält die Vorfälle nicht scharf auseinander und ist darum nicht einheitlich. Hier sind bedingte Verpflichtungen aus einem gegebenen Rechtsgrund nach § 40 HGB unter die Verpflichtungen einzustellen. Bei der am häufigsten vorkommenden und höchsten Verpflichtung dieser Art, nämlich der Pensionsverpflichtung, werden aber üblicherweise Rückstellungen gebildet, wenn nicht Pensionskassen oder Versicherungen bestehen und die laufenden Beträge bzw. Prämien über Unkosten gebucht werden. Dem trägt das Gesetz auch Rechnung, indem es nunmehr derartige Pensionsverpflichtungen gesondert unter den Rückstellungen aufführt, also damit entscheidet, daß derartige bedingte Verpflichtungen durch Rückstellungen abzusichern sind. Darüber, daß keine Verpflichtung besteht, die Pensionsverpflichtungen zu passivieren, vgl. § 159 und Anm. dort. Für alle diese verschiedenen Arten von Rückstellungen bestimmt Abs. 4, daß sie nur in Höhe des Betrages anzusetzen seien, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Eine solche Bestimmung war notwendig, um zu verhindern, daß an dieser Stelle unerwünschte, grundsätzlich nicht mehr zulässige stille Rücklagen gebildet werden. Es bleibt z w a r dabei und ist unvermeidlich, daß die Höhe der Rückstellungen im einzelnen geschätzt werden muß, denn sie dienen begrifflich der Abdeckung für ungewisse Schulden und für drohende Verluste. Diese Schätzungen müssen sich aber im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung halten, andernfalls sind sie unzulässig. Die Abschlußprüfer müssen die Einhaltung dieser Bestimmung überprüfen und gegebenenfalls den Bestätigungsvermerk versagen, wenn sie die Rückstellungen als zu hoch erachten (vgl. Albach in BB 66, 382). § 157 Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (1) In der Gewinn- und Verlustrechnung sind, wenn der Geschäftszweig keine abweichende Gliederung bedingt, die gleichwertig sein muß, unbeschadet einer weiteren Gliederung folgende Posten in Staffelform gesondert auszuweisen: 1. Umsatzerlöse 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen 887
§157
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
3. andere aktivierte Eigenleistungen 4. Gesamtleistung 5. Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren 6. Rohertrag/Rohaufwand 7. Erträge aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsverträgen 8. Erträge aus Beteiligungen 9. Erträge aus den anderen Finanzanlagen 10. sonstige Zinsen und ähnlidie Erträge 11. Erträge aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens und aus Zuschreibungen zu Gegenständen des Anlagevermögens 12. Erträge aus der Herabsetzung der Pauschalwertberichtigung zu Forderungen 13. Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen 14. sonstige Erträge davon außerordentliche 15. Erträge aus Verlustübernahme 16. Löhne und Gehälter 17. soziale Abgaben 18. Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung 19. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte 20. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Finanzanlagen mit Ausnahme 888
Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung
§157
des Betrags, der in die Pauschalwertberichtigung zu Forderungen eingestellt ist 21. Verluste aus Wertminderungen oder dem Abgang von Gegenständen des Umlaufvermögens außer Vorräten (§ 151 Abs. 1 Aktivseite HIB) und Einstellung in die Pauschalwertberichtigung zu Forderungen 22. Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens 23. Zinsen und ähnliche Aufwendungen 24. Steuern a) vom Einkommen, vom Ertrag und vom Vermögen b) sonstige 25. Aufwendungen aus Verlustübernahme 26. sonstige Aufwendungen 27. auf Grund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- und eines Teilgewinnabführungsvertrags abgeführte Gewinne 28. Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag 29. Gewinnvortrag/Verlustvortrag aus dem Vorjahr 30. Entnahmen aus offenen Rücklagen a) aus der gesetzlidien Rücklage b) aus freien Rücklagen 31. Einstellungen aus dem Jahresüberschuß in offene Rücklagen a) in die gesetzliche Rücklage b) in freie Rücklagen 32. Bilanzgewinn/Bilanzverlust 889
§157
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
(2) Sind unter einen Posten fallende Aufwendungen oder Erträge bei einer Gesellschaft nicht angefallen, so braucht der Posten nicht ausgewiesen zu werden. (3) Werden Aufwendungen oder Erträge unter einem anderen Posten ausgewiesen als gleichartige Aufwendungen oder Erträge in der Gewinnund Verlustrechnung für das vorausgegangene Geschäftsjahr, so ist dies unter Angabe des auf sie entfallenden Betrags in der Gewinn- und Verlustrechnung zu vermerken. (4) Sind am Abschlußstichtag keine Aktien der Gesellschaft an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen und ist audi nicht die Zulassung von Aktien zum amtlichen Handel an einer deutschen Börse beantragt, so braudien die Posten unter Absatz 1 Nr. 1 bis 5 nicht gesondert ausgewiesen zu werden, wenn 1. die Bilanzsumme drei Millionen Deutsche Mark nicht übersteigt oder 2. die Gesellschaft eine Familiengesellsdiaft ist und die Bilanzsumme zehn Millionen Deutsche Mark nicht übersteigt; als Familiengesellschaften gelten solche Aktiengesellschaften, deren Aktionär eine einzelne natürlidie Person ist oder deren Aktionäre natürlidie Personen sind, die untereinander im Sinne von § 10 Nr. 2 bis 5 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (Reidisgesetzbl. I S. 925) verwandt oder verschwägert sind. Macht eine Familiengesellschaft von der Befugnis nach Satz 1 Gebrauch, so kann jeder Aktionär verlangen, daß ihm in der Hauptversammlung über den Jahresabschluß die Gewinn- und Verlustrechnung in der Form vorgelegt wird, die sie ohne Anwendung des Satzes 1 hätte. I. Übersicht (Anm. 1) II. Allgemeines (Anm. 2) III. Die einzelnen Posten 1. Umsatzerlös (Anm. 3) 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen (Anm. 4) 3. Andere aktivierte Eigenleistungen (Anm. 5) 4. Gesamtleistung (Anm. 6) 5. Aufwendungen für Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren (Anm. 7) 6. Rohertrag (Anm. 8) 7. Erträge aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungs- und
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8. 9. 10. 11.
12.
13.
Teilgewinnabführungsverträgen (Anm. 9) Erträge aus Beteiligungen (Anm. 10) Erträge aus anderen Finanzanlagen (Anm. 11) Sonstige Zinsen und ähnliche E r träge (Anm. 12) Erträge aus dem Abgang von und aus Zuschreibungen zu Gegenständen des Anlagevermögens (Anm. 13) Erträge aus der Herabsetzung der Pauschalwertberichtigung zu Forderungen (Anm. 14) Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen (Anm. 15)
Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung
§157
Anm. 1 14. Sonstige Erträge (Anm. 16) 15. Erträge aus Verlustübernahme (Anm. 17) 16. Löhne und Gehälter (Anm. 18) 17. Soziale Abgaben (Anm. 19) 18. Aufwendungen für Altersversor-
gung und Unterstützung
(Anm. 20) 19. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte (Anm. 21) 20. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Finanzanlagen (Anm. 22) 21. Verluste aus Wertminderungen oder dem Abgang von Gegenständen und Einstellung in die Pauschalwertberichtigung zu Forderungen. (Anm. 23) 22. Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens (Anm. 24) 23. Zinsen und ähnliche Aufwendungen (Anm. 25)
24. Steuern (Anm. 26) a) Lastenausgleichs- und Vermögensabgabe (Anm. 27) 25. Aufwendung aus Verlustübernahme (Anm. 28) 26. Sonstige Aufwendungen (Anm. 29) 27. Aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungsund eines Teilgewinnabführungsvertrages abgeführte Gewinne (Anm. 30) 28. Jahresüberschuß — Jahresfehlbetrag (Anm. 31) 29. Gewinnvortrag — Verlustvortrag aus dem Vorjahr (Anm. 32) 30. Entnahmen aus offenen Rücklagen (Anm. 33) 31. Einstellung aus dem Jahresüberschuß in offene Rücklagen (Anm. 34) 32. Bilanzgewinn — Bilanzverlust (Anm. 35) IV. Ausnahmen für bestimmte Gesellschaften (Anm. 36) V. Verstoß (Anm. 37)
I. Übersicht
Anm. 1: Durch das Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (§ 19) erhielt der § 132 AktG 37 über die „Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung" eine Neufassung, die drei grundsätzliche Abweichungen von der bisherigen Regelung enthielt: a) Es gilt das Bruttoprinzip. Ausgangspunkt für die Gewinn- und Verlustrechnung sind die Umsatzerlöse. b) Neben der bisher allein gesetzlich geregelten Kontoform wurde auch die Staffelform gesetzlich geregelt. Beide Formen waren nebeneinander zulässig. Das neue Gesetz kennt nur noch die Staffelform. c) Für bestimmte Aktiengesellschaften wurden besondere Bestimmungen getroffen und damit die bisher einheitliche Publizitätspflicht für alle Aktiengesellschaften aufgespalten. Das neue Gesetz übernimmt die Vorschriften des Gesetzes vom 23. 12. 59 (BGBl. I, 789) im wesentlichen unverändert unter Fortfall der Kontoform und unter einigen Anpassungen an die neuen Vorschriften. 891
§157
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 2 II. Allgemeines Anm. 2: Wie § 151 für die Jahresbilanz gibt § 157 Gliederungsvorschriften für die Gewinn- und Verlustrechnung. Abweichung von der vorgeschriebenen Gliederung ist zulässig, wenn der Geschäftszweig eine abweichende Gliederung bedingt. Diese muß gleichwertig sein, d. h. sie muß insbesondere eine Bruttorechnung darstellen. Die im Gesetz gegebenen Gliederungsvorschriften sind Mindestvorschriften. Die Vorschrift des § 149, wonach der Jahresabschluß den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu entsprechen hat und klar und übersichtlich sein muß, gilt ebenso f ü r die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung wie für die Gliederung der Jahresbilanz. Eine Erweiterung der Gliederung ist deshalb zulässig, mitunter notwendig. Daß Posten weggelassen werden können, wenn diese nicht vorkommen, wird jetzt ausdrücklich in der neuen Bestimmung des Abs. 2 ebenso gesagt, wie es in der Vorschrift des § 151 über die Gliederung der Jahresbilanz ausdrücklich bestimmt ist. Auf der anderen Seite ist es aber unzulässig, einen bei der Gesellschaft vorkommenden Betrag anderweitig auszuweisen, als es in den Gliederungsvorschriften vorgeschrieben ist, insbesondere ist eine Verrechnung unzulässig. Werden Beträge unter einem anderen Posten ausgewiesen als in der vorangegangenen Gewinn- und Verlustrechnung, so ist dies unter Angabe des Betrages in der Gewinn- und Verlustrechnung zu vermerken (Abs. 3). Das gilt auch für die erste nach den neuen Bestimmungen aufzustellenden Gewinn- und Verlustrechnung (vgl. Kropff in DB 66, 672). Bereits bei der Einführung der Staffelform in der sogenannten „kleinen Aktienrechtsreform" von 1959 hatte man angenommen, daß bei der großen Aktienrechtsreform den Wünschen der Wirtschaftsprüfer (Vorschläge zur Aktienrechtsreform des Arbeitskreises Aktienrechtsreform Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. S. 57) die Staffelform als einzige Gliederungsvorschrift in das Gesetz aufzunehmen, Rechnung getragen werden könne (vgl. Wilhelmi/Friedrich § 19 Anm. 7). Die Staffelform hat den Vorteil, daß sich das Ergebnis aus der Anfangszahl entwickelt und bestimmte Phasen einzeln ablesbar sind. Bei der Beratung des Gesetzes sind dennoch gegen die Abschaffung der Kontoform Bedenken vorgetragen worden, die Staffelform sei bei Unternehmen der Energieversorgung, bei denen aufgrund des Konzessionsvertrages hohe Eigenleistungen anfielen, ungeeignet. Würden diese Eigenleistungen — entsprechend der Staffelform — unter dem Posten 3 aktiviert, erscheine der Posten „Gesamtleistung" (Nr. 4) verhältnismäßig hoch. Da von ihm bei diesem Unternehmen nur verhältnismäßig geringe Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (Posten 5) abzusetzen seien, werde auch der Posten „Rohertrag" (Posten 6) überhöht ausgewiesen und erwecke einen zu günstigen Eindruck von der Ertragslage. Die Richtigkeit dieses Einwandes wurde nicht verkannt, jedoch war es nicht notwendig, deshalb ausnahmsweise die Kontoform für solche Betriebe zuzulassen, es genügt die 892
Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung
§ 157
Anm. 2—4
in Abs. 1 ausgesprochene Möglichkeit, im Rahmen der Staffelform eine abweichende Gliederung zu wählen, wenn der Geschäftszweig dies bedingt. Wir gehen aber nicht so weit wie Kropff (DB 66, 67), der auch den Ubergang zur Kontoform in besonders gelagerten Fällen f ü r zulässig hält. Durch den Wegfall der Kontoform entfallen die bisherigen Abs. 1 und 2 des § 132 AktG 37 in der Fassung des Gesetzes von 1959. III. Die einzelnen Posten 1. Umsatzerlöse Anm. 3: Umsatzerlöse sind zunächst die Erlöse, die sich aus der wirtschaftlichen Betätigung der Gesellschaft ergeben, die Gegenstand der Gesellschaft nach der Satzung sind (ähnlich Döllerer in BB 65, 1406). Im einzelnen ist das nicht immer leicht zu bestimmen. Dazu kommt, daß Streit darüber bestand, ob der Umsatz von Nebenbetrieben, wie beispielsweise ein Kantinenbetrieb, mit unter diesen Posten aufzuführen sei. Zur Klarstellung dieser Zweifelsfragen bestimmt jetzt § 158 I für einen Großteil von Unternehmen, was unter Umsatz im Sinne der vorliegenden Bestimmung zu verstehen ist, nämlich f ü r die Unternehmen, deren Geschäftszweig in der Erzeugung oder Fertigung von Gegenständen oder im Vertrieb von Waren besteht. In diesen Fällen sind als Umsatzerlöse nur die Erlöse aus der Erzeugung, Fertigung oder Lieferung dieser Gegenstände unter Posten 1 auszuweisen. Nach § 158 II sind von den Umsatzerlösen Preisnachlässe und zurückgewährte Entgelte abzuziehen, da in Höhe dieser Beträge echte Umsatzerlöse nicht erzielt worden sind. Unter den Begriff „Preisnachlässe", der dem § 1 des Rabattgesetzes entspricht, fallen daher vor allem auch die Skonti. Damit ist die bisherige Streitfrage, ob Skonti als Zins f ü r pünktliche Zahlung oder als Minderung des Erlöses anzusehen sind, im Sinne der letzteren Ansicht vom Gesetzgeber entschieden. Zu den Preisnachlässen gehören auch alle Rückerstattungen von bereits empfangenen Beträgen, die aufgrund von Differenzen über ordnungsmäßige Lieferung oder wegen Rücktrittes vom Vertrag zurückgezahlt werden müssen. Abzugsfähig sind aber stets nur die Preisnachlässe usw., die zur Erlösschmälerung in dem betreffenden Wirtschaftsjahr geführt haben, nicht dagegen Preisnachlässe usw. im Zusammenhang mit Lieferungen früherer Wirtschaftsjahre (so auch Döllerer in BB 1960, 109). Nebenkosten, die vertragsgemäß der Verkäufer zu tragen hat, wie etwa Frachten und Provisionen, fallen nicht unter den Begriff der Preisnachlässe (vgl. Gessler WM 1960, Sonderbeilage N r . 1, 27). 2. Erhöhung Erzeugnissen
oder Verminderung
des Bestandes an fertigen und
unfertigen
Anm. 4: Aufgabe der Gewinn- und Verlustrechnung ist es, das Erfolgsergebnis der Gesellschaft innerhalb des Zeitraumes, auf den sich die Rech893
§ 157
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 4—6 nungslegung bezieht, darzustellen. Infolgedessen bedarf der Posten Umsatzerlöse einer Ergänzung durch die Angabe, ob und in welchem Umfang eine Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen während der Berichtszeit eingetreten ist. Der hier einzusetzende Betrag ist die Differenz zwischen den Beträgen, der in der vorangegangenen Jahresbilanz auf der Aktivseite unter III A Posten 2 und 3 eingesetzt sind, und dem Betrag, der sich aus der neuen Bilanz ergibt, die den Zeitraum abschließt, auf den sich die Gewinn- und Verlustrechnung bezieht. Während in der Jahresbilanz die unfertigen Erzeugnisse getrennt von den fertigen Erzeugnissen anzugeben sind, gibt es für die Gewinn- und Verlustrechnung nur einen Posten, in dem die Erhöhung oder Verminderung auszuweisen ist. Treten bei dem einen Posten der Jahresbilanz Bestandserhöhungen, bei dem anderen -minderungen auf, so ist der Saldo der Bestandsveränderung hier auszuweisen (ebenso Mellerowicz in Großkomm. § 132 Anm. 18). Worauf die Veränderung beruht, ist gleichgültig. Meist wird es eine Veränderung in der Menge sein, es kann aber auch eine Änderung in der Bewertung dazukommen oder gar allein vorliegen. 3. Andere aktivierte
Eigenleistungen
Anm. 5: Zur Feststellung der Gesamtleistungen des Unternehmens (Posten 4) ist es notwendig, unter die Erträge auch die Eigenleistungen aufzunehmen, jedoch nur soweit sie aktivierungsfähig sind und auch tatsächlich aktiviert worden sind, z. B. Ausbau und Umbauten an Gebäuden mit eigenen Arbeitskräften oder Reparaturen von Maschinen, die deren Wert oder Lebensdauer erhöhen, wenn bei diesen Gegenständen eine Zuschreibung nach § 152 I erfolgt ist. Durch die Bestimmung wird keine zusätzliche Verpflichtung zur Aktivierung eingeführt, sondern nur der offene Ausweis für tatsächlich aktivierte eigene Leistungen auch in der GuV verlangt, da die Aufwendungen hierfür in den Aufwendungen der GuV enthalten sind. Nicht aktivierte Eigenleistungen sind nicht in der GuV auszuweisen. Dadurch entsteht, weil die Zuschreibung unterlassen ist, möglicherweise eine Bewertungsreserve. 4.
Gesamtleistung
Anm. 6: Der Posten bildet die Zusammenfassung der vorangegangenen Posten 1 — 3 und zeigt die Gesamtleistung des Jahres. Die Bestandsveränderung für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (Bilanzposten § 151 Aktivseite III A 1) sind, da sie unter II nicht aufgeführt sind, in diesem Posten nicht miterfaßt. Betriebswirtschaftlich gesehen stellt die Erhöhung des Bestandes keine Leistung der Gesellschaft, die Verminderung keine Leistungsschmälerung dar (vgl. Döllerer in BB 1960,109). 894
Gliederung der G e w i n n - und Verlustrechnung
§ 157
Anm. 7—9 5. Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und. Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren Anm. 7: In der entsprechenden Bestimmung des §132 Abs. 3 Posten 5 AktG 37 n. F. hieß es zusätzlich „für diese gleichzusetzende Fremdleistungen". Diese Worte sind gestrichen worden, um damit einige bestehende Auslegungsstreitigkeiten zu beenden. Als derartige Fremdleistungen werden überwiegend nur die in die Fertigung eingehenden Fremdleistungen angesehen; daß diese Fremdleistungen den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen gleichstehen, braucht nicht besonders gesagt zu werden. Aus der besonderen Erwähnung der Fremdleistungen ist aber teilweise geschlossen worden, daß hier alle oder nahezu alle Aufwendungen für Fremdleistungen — z. B. auch für Werbung, Versicherung, Porto — auszuweisen seien; diese nicht in die Fertigung eingehenden Aufwendungen sollten aber unter den „sonstigen Aufwendungen" ausgewiesen werden. Es bleibt dennoch schwierig die Abgrenzung, was unter sonstige Aufwendungen, jetzt Posten 26 (bisher 27), einzustellen ist. Man wird mit Adler-Düring-Schmaltz (Ergänzungsband § 132 Anm. 107) annehmen müssen, daß der Verwendungszweck maßgebend ist, gleichgültig ob es sich um Material handelt, das einem bestimmten Auftrag zugeredinet werden kann, oder um Gemeinkostenmaterial. Demnach sind hier aufzuführen alle Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für bezogene Ware, soweit diese in den Produktionsprozeß eingehen, nicht aber Materialkosten, die zu Verwaltungs- und Vertriebskosten gehören. Diese sind vielmehr unter dem Posten 26 — sonstige Aufwendungen — zu buchen. Der Aufwand für Waren ist hier insbesondere dann aufzuführen, wenn es sich um solche handelt, die zur Weiterveräußerung angeschafft sind, aber auch wenn z. B. ganze Aggregate in Maschinen eingebaut werden, nicht dagegen Waren, die im Betrieb der Gesellschaft verwandt werden, ohne in deren Produkte einzugehen (vgl. Döllerer, a. a. O., S. 109). 6. Rohertrag Anm. 8: Es handelt sich um einen Zwischenposten, der ungefähr dem vor Inkrafttreten des AktG 37 nach § 261 c HGB auszuweisenden Posten „Jahresertrag" entspricht (s. auch Anm. 36 a. E.). 7. Erträge aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsverträgen Anm. 9: Die Begriffe ergeben sich aus § 296 I Nr. 1 (Gewinngemeinschaft) § 2 9 1 1 (Gewinnabführungsvertrag) und § 292 I Nr. 2 (Teilgewinnabführungsvertrag). Bestehen mehrere derartige Verträge, so sind deren Erträge in einer Summe auszuwerfen, dagegen ist es nicht zulässig, aufgrund anderer Verträge der gleichen Art abgeführte Gewinne zu verrechnen. Diese müssen vielmehr unter Posten 27 gesondert ausgewiesen werden (vgl. Anm. 30). Von 895
§157
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 9—11 den Erträgen aus Unternehmensverträgen sind zu unterscheiden solche aus Arbeitsgemeinschaften. Sie sind Umsatzerlöse im Sinne des Postens 1. Die im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft gemachten Aufwendungen sind unter den entsprechenden Posten auszuweisen (vgl. Gessler in WM 1960, 28; Döllerer, a . a . O . , S. 109). Nach § 158 III kann von dem Ertrag aus einem Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrag ein vertraglich zu leistender Ausgleich für außenstehende Gesellschafter abgesetzt werden. Übersteigt dieser den Ertrag, so ist der übersteigende Betrag unter dem Posten 25 auszuweisen. Andere Beträge dürfen nicht abgesetzt werden. Damit ist die Saldierung mit den meist vielfältigen Leistungen der Obergesellschaft ausdrücklich verboten, wie z. B. Reklame, Entwicklungsaufwendungen u. s. w. 8. Erträge aus Beteiligungen Anm. 10: Was unter Beteiligungen zu verstehen ist vgl. § 151 Anm. 13 in Verbindung mit der gesetzlichen Vermutung in § 152 II dort Anm. 2. Die Erträge aus Beteiligungen sind grundsätzlich in der GuV auszuweisen, die den Zeitraum umfaßt, in dem der Rechtsanspruch auf die Erträge entstanden ist. Bei einer Kapitalgesellschaft entsteht dieser mit dem Gewinnverteilungsbeschluß der Haupt- und Gesellschaftsversammlung. Ist dieser Beschluß nicht vor Beendigung des Geschäftsjahres der beteiligten Gesellschaft gefaßt worden, so kann der Anspruch nicht in die Bilanz und demgemäß auch nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung für dieses Geschäftsjahr aufgenommen werden (weitergehend Adler-Düring-Schmaltz § 131 Anm. 84 und §115; Sehl.-Qu. § 131 Anm. 23). Bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft gelten die gleichen Grundsätze. Jedoch wird häufig kein Beschluß erforderlich sein, um den Anspruch auf die Erträgnisse aus der Beteiligung zur Entstehung gelangen zu lassen. In allen diesen Fällen ist der Anspruch auf die Erträge aus der Beteiligung mit dem Ablauf des Geschäftsjahres des Unternehmens, an dem die Beteiligung besteht, entstanden und kann infolgedessen unbedenklich noch in die Gewinn- und Verlustrechnung der beteiligten Gesellschaft für das Geschäftsjahr eingestellt werden, das etwa am gleichen Tage abläuft. 9. Erträge aus den anderen Finanzanlagen Anm. 11: Der Begriff ist neu, er entspricht dem des § 151 I Aktivseite II B mit Ausnahme des dortigen Postens 1, Beteiligungen, die unter Posten 8 fallen. Es handelt sich mithin um Wertpapiere des Anlagevermögens, soweit sie nicht unter Beteiligungen fallen und um Ausleihungen mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren, gleichgültig ob sie durch Grundpfandrechte gesichert sind oder nicht. Zu beachten ist, daß hier Erträge aus Wertpapieren nur aufzuführen sind, wenn es sich um Wertpapiere des Anlagevermögens handelt, nicht um solche des Umlaufvermögens, § 151, Aktivseite, III, B Posten 7, deren Erträge sind unter Posten 14, sonstige Erträge, aufzuführen. 896
Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung
§ 157
Anm. 12—16
10. Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge Anm. 12: Soweit Zinsen bereits in Posten 8 und 9 enthalten sind, müssen sie dort aufgeführt werden. Audi hier gilt das Verrechnungsverbot. Zinsaufwendungen fallen unter Posten 23, vgl. hierzu im einzelnen § 152 Anm. 7. 11. Erträge aus dem Abgang von und aus Zuschreibungen zu Gegenständen des Anlagevermögens Anm. 13: Es sind zunächst die Buchgewinne auszuweisen, die dadurch entstehen, daß Gegenstände des Anlagevermögens über dem Buchwert veräußert werden. Zuschreibungen zu Gegenständen des Anlagevermögens sind nur in beschränktem Umfang unter Berücksichtigung der Bewertungsvorschriften zulässig, z. B. wenn wertsteigernde Umbauten oder Reparaturen vorgenommen worden sind. Vergleiche hierzu § 152 I und dort Anm. 2. Auf eine Zuschreibung zu Gegenständen des Umlaufvermögens bezieht sich nach dem Wortlaut die Bestimmung nicht. Solche Zuweisungen sind vielmehr unter Posten 14, sonstige Erträge, auszuweisen. Vergleiche Döllerer, a. a. O., S. 109. 12. Erträge aus der Herabsetzung der Pauschalwertberichtigung zu Forderungen Anm. 14: Der Posten lautete im bisherigen Recht „Erträge aus der Auflösung von Wertberichtigungen, soweit sie nicht unter Nr. 11 aufzuführen sind". Durch die neue Vorschrift des § 152 VI ist die Vornahme von Wertberichtigungen anstelle von Abschreibungen eingeschränkt worden, so daß für Posten 12 nur noch Erträge aus der Herabsetzung der Pauschalwertberichtigung zu Forderungen in Betracht kommt; über den Begriff vgl. § 152 VI und dort Anm. 2, sowie § 151 Anm. 35. 13. Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen Anm. 15: Nicht mehr benötigte Rückstellungen sind über die Gewinn- und Verlustrechnung aufzulösen, soweit nicht eine gleichartige und gleichwertige Rückstellung, z. B. erneut, nach kaufmännischen Grundsätzen notwendig erscheint (vgl. Adler-Düring-Schmaltz, § 131 Anm. 162). Die bisher als zulässig erachtete Umbuchung einer frei gewordenen oder zu hohen Rückstellung auf Rücklagen dürfte jetzt nicht mehr zulässig sein. Vielmehr ist unter Posten 13 die Auflösung der Rückstellung auszuweisen, während unter Posten 3 1 b die Einstellung in die freie Rücklage gesondert auszuweisen ist, wobei § 58 zu beachten ist. 14. Sonstige Erträge Anm. 16: Es handelt sich um einen Sammelposten, in dem alle Erträge unterzubringen sind, die unter keinen Posten der Gliederung unterzubringen sind, wie z. B. Erträge aus Nebenleistungen, Nebenleistungsbetrieben, wie 897 57
Wilhelmi, Aktiengesetz
§157
Anm. 16—18
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Kantine, oder aus Wertpapieren, die zum Umlaufvermögen gehören, auch Steuern, die von der Obergesellschaft auf den abgeführten Betrag gezahlt aber auf die abhängige Gesellschaft umgelegt werden (Döllerer BB 65, 1407). Besonders zu vermerken sind in einer Vorspalte die außerordentlichen Erträge. Das ist neu und dient zur Verbesserung der Publizität, weil derartige außerordentliche Erträge zwar das Jahresergebnis beeinflussen, aber weil sie außerordentlich sind, letztlich nichts mit dem Jahresergebnis zu tun haben, soweit man dieses mit den vorangegangenen Jahren vergleichen will. Zu den sonstigen Aufwendungen (Posten 26) ist kein entsprechender Vermerk vorgesehen worden, weil eine gesonderte Erfassung der außerordentlichen sonstigen Aufwendungen Schwierigkeiten bereiten könnte. Es erscheint auch weniger gefährlich, wenn das Jahresergebnis durch außerordentliche Aufwendungen verschlechtert wird als umgekehrt, wenn das Jahresergebnis günstiger erscheint, weil außerordentliche Erträge nicht als solche kenntlich sind. 15. Erträge aus Verlustübernahme Anm. 17: Der Posten kommt insbesondere dann in Frage, wenn ein Gewinnabführungsvertrag nach § 291 abgeschlossen ist, weil sich daraus nach § 302 eine Verlustübernahme gesetzlich ergibt. Dasselbe gilt bei der Eingliederung einer Gesellschaft nach § 324. Es sind aber auch andere Verträge und Rechtsbeziehungen denkbar, aus denen sich die Verpflichtung eines Dritten ergibt, den Verlust einer Gesellschaft zu decken. Der Ertrag, der der Gesellschaft auf diese Weise zufließt, ist ein nicht selbst erwirtschafteter und deshalb gesondert auszuweisen. 16. Löhne und Gehälter Anm. 18: Aufzuführen sind alle Arbeitsentgelte, gleichgültig ob sie in bar oder in Sachleistungen geleistet wurden und ob sie produktiv oder unproduktiv sind. Die gesamten Aufwendungen in dem Geschäftsjahr, auch soweit sie nur angefallen und nicht bezahlt sind, sind in einem Gesamtposten hier anzuführen. Das sind alle festen Vergütungen, auch die an Vorstand und Aufsichtsrat gezahlten Gehälter, sowie die Tantieme, soweit es sich um garantierte Tantiemen handelt, nicht aber wenn sie nur aus dem Bilanzgewinn zu zahlen ist (streitig; wie hier Schi.-Qu. § 132 Anm. 4; a. A. Wirtz S. 196, und zwar letzterer auch für den Fall, daß die Tantieme teilweise beschlossen wird; ferner Adler-Düring-Schmaltz, § 132 Anm. 39). Ferner sind hier Gratifikationen und Tantiemen für Angestellte aufzuführen, die nicht Mitglieder des Vorstandes sind, Umsatzprovisionen an Festangestellte, nicht aber an freie Vertreter, nicht Jubiläumsgaben, nicht Auslagenersatz, Reisekosten, Abfindungen und auch nicht Ruhegehälter oder Rückstellungen für diese, die unter Posten 18 aufzuführen sind. Stets sind die gezahlten Bruttolöhne und -gehälter anzugeben, also einschl. der Beträge, die zu Lasten der Empfänger 898
Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung
§ 157 Anm. 18—21
an Steuer einbehalten werden, nicht dagegen die Sozialbeiträge. Diese fallen unter Posten 17. Auch wenn Rückstellungen für die Arbeiten vorhanden sind, für welche die Aufwendung erfolgt, sind die dafür aufgewandten Löhne und Gehälter mit aufzuweisen. Die Rückstellung ist daher über Gewinn- und Verlustkonto aufzulösen (Trumpler, 166). 17. Soziale Abgaben Anm. 19: Das sind Beiträge zur Kranken-, Unfall-, Invaliditäts- und Arbeitslosenversicherung, soweit es sich um den Anteil der Gesellschaften handelt. Freiwillige soziale Leistungen gehören nicht hierher, soweit es sich um Aufwendungen für die Altersversorgung handelt, fallen sie unter Posten 18. Über weitere freiwillige soziale Leistungen vgl. Anm. 21. 18. Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung Anm. 20: In § 132 Abs. 3 Posten 18 AktG 37 hieß dieser Posten „Soziale Aufwendungen, soweit sie nicht unter anderen Posten auszuweisen sind". Hiergegen sind von Seiten der Wirtschaftsprüfer Bedenken erhoben worden, da er gegen das Grundprinzip der gesetzlichen Gliederung nach Aufwandsarten verstoße und insofern irreführe, als er nur einen Teil des sozialen Aufwandes zeige. Diesen Bedenken ist durch eine Beschränkung des Postens auf die Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung Rechnung getragen worden. Es sind jetzt deshalb nur unter diesen Posten sowohl die laufenden Pensionszahlungen aus dem Ertrag als auch Zuweisungen an Pensionsrückstellungen und Zahlungen an besondere Pensionskassen oder sonstige selbständige Rechtsträger aufzuführen. Auch die Pensionen früherer Vorstandsmitglieder und deren Hinterbliebenen sind hier einzubeziehen (Heubeck in DB 66, 629). Andere freiwillige soziale Abgaben sind teils bei anderen Posten aufzuführen, so z. B. die Abschreibung für ein Erholungsheim oder eine Kantine unter Posten 19, das Gehalt eines Werkarztes oder Sozialbetreuers fällt unter Posten 16 (vgl. Döllerer in BB 1960, 110). Da die Gliederungsvorschriften nur Mindestvorschriften sind, bleibt es den Gesellschaften unbenommen, einzelne oder alle freiwilligen Sozialleistungen in einem besonderen Posten in der Gliederung aufzunehmen, jedoch sind die Aufwendungen für Altersversorgung, Unterstützung auch in diesem Fall getrennt unter Posten 18 aufzuführen. 19. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte Anm. 21: Die Terminologie der Posten 20 bis 21 ist der des § 151 angepaßt. Wie bereits in der neuen Fassung des § 132 AktG 37 werden die Abschreibungen auf das Anlagevermögen auf zwei Posten verteilt. Ist in der Pauschalwertberichtigung eine Wertberichtigung für langfristige Ausleihungen 57»
899
§157
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anra. 21—24 nach §151 Aktivseite II B Posten 3 enthalten; steckt dieser sogar in drei Posten, denn diese ist unter dem Posten 21 beim Umlaufvermögen zu berücksichtigen. Über Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte vgl. § 151 Anm. 2 und 6 bis 12. Uber Abschreibungen und Wertberichtigungen beim Anlagevermögen vgl. § 152 I und VI und dort Anm. 2.
20. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Finanzanlagen Anm. 22: Zu den Finanzanlagen gehören nach § 151 Aktivseite II B: 1. Beteiligungen, 2. Wertpapiere des Anlagevermögens, die nicht zu Nr. 1 gehören, 3. Ausleihungen mit einer Laufzeit von mindestens vier Jahren. Hier sind nur Abschreibungen und Wertberichtigungen für die Posten 1 und 2 aufzuführen, während eine Wertberichtigung für die langfristigen Ausleihungen unter Posten 3 nur in der sogenannten Pauschalwertberichtigung zu Forderungen vorgenommen werden kann, die zum Umlaufvermögen gehört, weil sie nicht nur die langfristigen Ausleihungen und die, die als Finanzanlagen angesehen werden, umfaßt, sondern sämtliche Forderungen, d. h. Gegenstände, die zum Umlaufvermögen gehören. Über Finanzanlagen vgl. §151 Anm. 13 bis 15, über Abschreibungen und Wertberichtigungen § 152 I und VI sowie dort Anm. 2. 21. Verluste aus Wertminderungen oder dem Abgang von Gegenständen des Umlaufvermögens und Einstellung in die Pauschalwertberichtigung zu Forderungen Anm. 23: In § 132 III AktG 37 wurde dieser Posten als Abschreibung und Wertberichtigung auf das Umlaufvermögen bezeichnet. Die Neufassung soll gegenüber einer zum geltenden Recht entstandenen Streitfrage klarstellen, daß hier auch Verluste aus der Ausbuchung von Forderungen und aus der Veräußerung von Wertpapieren des Umlaufvermögens auszuweisen sind. Die Bezeichnung des Postens spricht statt von „Abschreibungen" von „Verlusten aus Wertminderungen", weil der Begriff der Abschreibung für das Umlaufvermögen nicht paßt und im Zusammenhang mit § 160 II zu Mißverständnissen führen kann. Durch die Einbeziehung der Pauschalwertberichtigung zu Forderungen kann in diesem Posten, obwohl er sich auf Gegenstände des Umlaufvermögens bezieht, dann eine Wertberichtigung für einen Posten des Anlagevermögens mit enthalten sein, wenn in der Pauschalwertberichtigung für Forderungen eine Wertberichtigung für eine langfristige Ausleihung nach § 151 Aktivseite II B Posten 3 enthalten ist. Uber den Begriff der Pauschalwertberichtigung vgl. § 152 VI und dort Anm. 2. 22. Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens Anm. 24: Der Posten korrespondiert mit dem Posten Nr. 11. Wird ein Gegenstand des Anlagevermögens unter dem Buchwert veräußert, so entsteht 900
Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung
§ 157
Anm. 24—28 ein entsprechender Verlust, der hier auszuweisen ist. Die Bestimmung findet übrigens nicht nur bei einem Verkauf des Gegenstandes, sondern auch bei seiner Zerstörung Anwendung (vgl. Gessler in WM i960, 29). 23. Zinsen und ähnliche Aufwendungen Anm. 25: Der Posten korrespondiert mit Posten 10 (vgl. Anm. 12). Unter ähnlichen Aufwendungen ist z. B. die Bereitstellungsprovision für Kredite sowie ein Disagio oder ein Damnum zu verstehen. 24. Steuern Anm. 26: Die Vorschrift soll einen Einblick in die gesamte Steuerbelastung der Firma vermitteln. Wie schon bei der kleinen Aktienreform so sind auch jetzt Anträge gestellt und abgelehnt worden, die eine Aufgliederung des Postens in Steuern a) vom Einkommen und vom Ertrag b) vom Vermögen und c) sonstige vorschreiben wollten. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß man aus den Steueraufwendungen gewisse Schlüsse auf die anderen Angaben in der Bilanz ziehen und vergleichende Berechnungen anstellen könne. Die Ablehnung erfolgte, weil sich aus solchen Berechnungen irreführende Rückschlüsse auf den auszuschüttenden Gewinn ergeben könnten und durch eine Aufgliederung des Jahresabschlusses nicht klarer wird. Im übrigen geht das Gesetz grundsätzlich von der Trennung zwischen Steuer- und Handelsbilanz aus. Deshalb sollte auch hier kein Anlaß geboten werden, steuerliche Zahlungen zur Beurteilung des Unternehmens heranzuziehen. Als Steuern sind die Beträge auszuweisen, die die Gesellschaft zu entrichten hat (§ 158 IV). a) Lastenausgleichs- und Vermögensabgabe Anm. 27: Nach § 16 EG ist in der Gewinn- und Verlustrechnung die Lastenausgleichs-, Vermögensabgabe in einem zwischen den Posten Nr. 24 und 25 einzufügenden Posten „Lastenausgleichs-, Vermögensabgabe" besonders auszuweisen. Mit Rücksicht auf das Auslaufen dieses Postens ist er nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung selbst, sondern nur im Einführungsgesetz aufgenommen worden. 25. Aufwendung aus Verlustübernahme Anm. 28: Die Bestimmung korrespondiert nur scheinbar mit dem Posten 15. Während Erträge aus Verlustübernahme nur in Frage kommen können, wenn die bilanzierende Gesellschaft einen Verlust hätte ohne diese Erträge, so ist das keineswegs so, daß die Aufwendungen aus Verlustübernahme etwa 901
§157 Anm. 28—31
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
einen Gewinn der bilanzierten Gesellschaft voraussetzen. Vielmehr handelt es sich um gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung, die mannigfaltig gestaltet sein können. Es ist also durchaus denkbar, daß auch bei einem Verlust der bilanzierenden Gesellschaft diese Aufwendung aus Verlustübernahme zu machen hat. Die Bestimmung soll sicherstellen, daß die Aktionäre einen Einblick in die Ergebnisse der Verträge und die ihnen aus diesen drohenden Gefahren erhalten (so Gessler in W M 1960, 30). 26. Sonstige
Aufwendungen
Anm. 29: Es handelt sich um einen Sammelposten, der dem unter Posten 14 in bezug auf Erträge entspricht. Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen insbesondere mit dem Posten 5 — Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe — sowie für bezogene Waren, vgl. oben Anm. 7. 27. Aufgrund einer Gewinngemeinschaft, Teilgewinnabführungsvertrags abgeführte
eines GewinnabführungsGewinne
und eines
Anm. 30: Über den Begriff dieser Verträge vgl. oben Anm. 9. Man kann darüber streiten, ob es sich hier um eine echte Aufwendung der Gesellschaft handelt. Eine Gewinnabführung kommt nur in Frage, wenn ein Gewinn erzielt ist, und zwar nur aus diesem Gewinn. Andererseits ist beim Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages die Verpflichtung, einen Teil oder den ganzen Gewinn abzuführen, eine Schuld und damit ihre Begleichung auch eine Aufwendung. Die Einsetzung dieses Postens war umstritten, da nicht zu Unrecht eingewandt wurde, man könne nicht ersehen, welche Gegenleistungen von der Firma, die den Gewinn erhält, erbracht werden (z. B. Unterhaltung einer besonderen Forschungsabteilung, deren Ergebnisse der gewinnabführenden Gesellschaft zugute kommen usw.); vgl. Anm. 9. Man hat trotzdem die Bestimmung eingefügt, weil die Gesellschaft in ihrem Geschäftsbericht über die Beziehungen zu berichten hat und dabei auf die in der T a t für die Beurteilung der Gewinnabführung wesentlichen Gesichtspunkte hinreichend Aufschlüsse geben kann. 28. Jahresüberschuß
—
Jahresfehlbetrag
Anm. 31: Es handelt sich hier um einen entscheidenden Zwischenposten. Aus ihm ergibt sich das unverfälschte Jahresergebnis. Von ihm ist nach § 58 bei der Rücklagenbildung auszugehen. Die Verwaltung kann nach § 58 I über die Hälfte des Jahresüberschusses bei der Aufstellung des Jahresabschlusses verfügen, während die andere Hälfte für den Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung zur Verfügung steht. Das Jahresergebnis soll auch nicht beeinflußt werden durch einen Gewinn- oder Verlustvortrag aus dem Vorjahr. Dieser folgt deshalb erst als nächster Posten. 902
Gliederung der Gewinn- und Verlustredinung
29. Gewinnvortrag
— Verlustvortrag
aus dem
§ 157
Anm. 32—34
Vorjahr
Anm. 32: Nur unter Berücksichtigung dieses Postens ergibt sich der Betrag, über den tatsächlich frei verfügt werden kann. Ergibt sich ein Jahresüberschuß, so ist aus ihm zunächst ein etwaiger Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu decken. Ergibt sich ein Jahresfehlbetrag, so erhöht er sich durch einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr, er vermindert sich um einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr. Erst der um den Gewinnvortrag oder Verlustvortrag bereinigte Jahresüberschuß bzw. Jahresfehlbetrag kann bei den Entscheidungen zugrunde gelegt werden, ob Entnahmen oder Einstellungen in Rücklagen zu erfolgen haben bzw. erfolgen können. 30. Entnahmen aus offenen
Rücklagen
Anm. 33: Ergibt das um den Gewinn- oder Verlustvortrag aus dem Vorjahr (Posten 29) berichtigte Jahresergebnis (Posten 28) einen Verlust, so ist bei Feststellung des Jahresabschlusses, gleichgültig ob er durch Vorstand und Aufsichtsrat oder durch die Hauptversammlung erfolgt, zu entscheiden, ob dieser Verlust ganz oder teilweise durch Entnahmen aus offenen Rücklagen gedeckt werden oder ob er als neuer Verlust vorgetragen werden soll. Ist bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung letzteres entschieden worden, so kann die Hauptversammlung das nicht mehr abändern. Sie ist nicht berechtigt, Entnahmen aus den Rücklagen zu beschließen, sie kann vielmehr nur Beträge den Rücklagen zuführen. Über die Möglichkeit, aus der gesetzlichen Rücklage Beträge zu entnehmen , vgl. § 150 Anm. 7 bis 9. Sind neben der gesetzlichen Rücklage mehrere Rücklagen vorhanden, so ist es denkbar, daß eine Entnahme aus der einen Rücklage und eine Zuweisung zur anderen Rücklage erfolgt. Alsdann ist hier nur der Saldo im Betrag auszuweisen. Erfolgt eine Zuweisung in die gesetzliche Rücklage unter gleichzeitiger Entnahme aus einer offenen Rücklage, so sind die Beträge getrennt auszuweisen. 31. Einstellung aus dem Jahresüberschuß
in offene
Rücklagen
Anm. 34: Nur Einstellungen aus dem Jahresüberschuß sind hier aufzuführen. Infolgedessen sind Beträge, die der Gesellschaft durch Ausgabe von Aktien oder Wandelschuldverschreibungen, durch Zuzahlung der Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs zufließen oder die durch Kapitalherabsetzung frei werden, obwohl sie sämtlich nach § 150 II Nr. 2 bis 4, soweit sie den Nennbetrag bei der Ausgabe oder den Rückzahlungsbetrag übersteigen oder durch Kapitalherabsetzung frei werden, in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind. Das geschieht aber nicht über die Gewinn- und Verlustrechnung (S 158 V). Wird der Jahresabschluß durch Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt, können nur die Beträge hier als Einstellung in freie Rücklagen aufgeführt 903
§157
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 34—36 werden, über die die Verwaltung nach § 58 verfügen kann. Ist sie der Auffassung, daß darüber hinaus weitere Beträge in offene Rücklagen zu stellen sind, muß sie dieses im Gewinnverwendungsvorschlag zum Ausdruck bringen (vgl. § 170 II und Anm. dazu). 32. Bilanzgewinn — Bilanzverlust Anm. 35: Die Bezeichnung ist anstelle der bisherigen „Reingewinn—Reinverlust" getreten. Er ist ein reiner Rechnungsposten. Er muß mit dem Bilanzgewinn—Bilanzverlust in § 1 5 1 Passivseite V I I I Aktivseite V übereinstimmen. Die gesetzliche Definition ergibt sich aus § 151 IV S. 3. Danach ist der Bilanzgewinn der Überschuß der Aktivposten über die Passivposten, der Bilanzverlust der Überschuß der Passivposten über die Aktivposten. IV. Ausnahmen für bestimmte Gesellschaften Anm. 36: Während im allgemeinen die Vorschriften des Gesetzes für alle Aktiengesellschaften gelten und nur zusätzliche oder abweichende Bestimmungen f ü r solche Gesellschaften in Frage kommen, die auf einem bestimmten durch Sondergesetz geregelten Gebiet tätig sind, wie z. B. Banken, Hypothekenbanken, Versicherungsgesellschaften, so wird hier dieser Grundsatz durchbrochen. Es können Gesellschaften, gleichgültig was der Gegenstand ihres Unternehmens ist, von einem Teil der Vorschriften des § 157 befreit werden, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen. Die Bestimmungen, die die bisher für alle Aktiengesellschaften gemeinsame Publizitätspflicht f ü r ihre Rechnungslegung in der Weise aufspalten, daß ein Teil der Aktiengesellschaft einer eingeschränkten Publizität der Rechnungslegung unterliegt, zeigen, daß sich die Vorstellungen über den Zweck einer solchen öffentlichen Rechnungslegung in einer Wandlung befinden. Bisher wurde die Verpflichtung der Gesellschaft zur Publizität damit begründet, daß sich Aktiengesellschaften an den öffentlichen Kapitalmarkt wenden und daß damit alle diejenigen, die Aktien erwerben wollen, einen Anspruch auf Orientierung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft haben. Daneben spielte der Gedanke des Gläubigerschutzes eine Rolle. Da ihnen nur das Gesellschaftsvermögen haftet, haben auch sie ein rechtlich zu schützendes Interesse, sich über die Situation der Gesellschaft orientieren zu können. D a ß dies letztere jedoch nur ein untergeordneter Gesichtspunkt war, ergibt sich aus der Tatsache, daß jedenfalls bis jetzt bei der GmbH, bei der auch nur das Gesellschaftsvermögen haftet, diese Möglichkeit dem Gläubiger nicht gegeben ist. Wäre für die neuen Publizitätsvorschriften die bisherige Begründung f ü r die Verpflichtung der Aktiengesellschaft zur Publikation allein maßgebend gewesen, so hätte man — wollte man schon eine Aufspaltung der Publizität vornehmen — alle Gesellschaften, deren Aktien nicht an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr eingezogen sind, der einge904
Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung
§157
Anm. 36
schränkten Publizitätspflicht unterwerfen müssen. Das ist aber nicht geschehen. Es unterliegen zwar alle Gesellschaften, deren Aktien an der Börse, sei es amtlich oder im Freiverkehr, gehandelt werden, der verschärften Publizitätspflicht, dagegen gilt die eingeschränkte Publizitätspflicht keineswegs für alle Gesellschaften, deren Aktien nicht an der Börse gehandelt werden. Vielmehr spielt hier die Größe des Unternehmens eine Rolle. Damit bekam mit der Neufassung des § 132 AktG 37 im Jahre 1959 zum ersten Male der in neuerer Zeit vertretene Gedanke einen gesetzlichen Niederschlag, es bestehe ein allgemeines öffentliches Interesse an der Kenntnis der wirtschaftlichen Lage solcher Gesellschaften, die durch ihre Größe eine nicht unerhebliche Rolle in der Gesamtwirtschaft spielen. Selbst wenn man die Berechtigung eines solchen allgemeinen öffentlichen Interesses in unserem Wirtschaftssystem bejaht, so erscheint es doch grundsätzlich bedenklich, diesen Gedanken in den Bestimmungen eines Gesetzes zum Ausdruck zu bringen, das seiner Natur nach lediglich Vorschriften für Unternehmen, die in einer bestimmten Rechtsform betrieben werden, enthalten kann. Folgerichtig bedürfte es dann eines Gesetzes, das eine Publizitätspflicht für alle Unternehmen von einer gewissen Größe an, ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in der sie betrieben werden, vorschreibt (ebenso Würdinger, S. 172). Bei der Neufassung des § 132 AktG 37 im Jahre 1959 enthielt der Regierungsentwurf lediglich die Bestimmung, daß Gesellschaften, deren Bilanzsumme 3 Millionen DM nicht übersteigt und deren Aktien nicht an einer Börse gehandelt werden, der eingeschränkten Publizitätsvorschrift unterliegen. Bei der Beratung des Gesetzes ist der Antrag gestellt worden, zusätzlich Familiengesellschaften ganz allgemein der eingeschränkten Publizitätspflicht zu unterstellen, sofern ihre Aktien nicht an der Börse gehandelt werden. Dieser Antrag hatte nur teilweise Erfolg. Auch hier ist die eingeschränkte Publizitätspflicht von der Höhe der Bilanzsumme abhängig gemacht worden. Diese ist auf 10 Millionen DM festgesetzt worden, so daß nunmehr zwei verschiedene Grenzen für die Größe des Unternehmens gelten, je nachdem, ob es sich um eine Familiengesellschaft oder um eine andere Gesellschaft handelt. Bei den Familiengesellschaften besteht noch die Besonderheit, daß jeder Aktionär, wenn die Gesellschaft an sich unter die Ausnahmeregelung fällt, verlangen kann, daß ihm die Gewinn- und Verlustrechnung in der allgemein gültigen Form vorgelegt wird. Einen Anspruch auf Aushändigung hat er nicht. Die Vorlage kann nur vor der Hauptversammlung verlangt werden, da sie dem Zweck dient, sich zur sachgerechten Ausübung der Gesellschaftsrechte in dieser Hauptversammlung die erforderlichen Informationen zu verschaffen (so Döllerer in BB 1960, 110). Maßgebend ist die Bilanzsumme, die sich aus der Jahresbilanz ergibt, die für das Ende des Geschäftsjahres, für das die Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt wird. Es ist deshalb möglich, daß eine Gesellschaft, die an der 905
§157
Anm. 36
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Grenze in ihrer Bilanzsumme liegt, das eine Jahr unter die normale Publizitätspflicht, das andere Jahr unter die eingeschränkte Publizitätspflicht fällt. Der Begriff der Familiengesellschaft ist im Gesetz dahin definiert, daß entweder alle Aktien einer einzelnen natürlichen Person gehören oder mehreren natürlichen Personen, die untereinander im Sinne des § 10 N r . 2 bis 5 des Steueranpassungsgesetzes verwandt oder verschwägert sind. Das sind: a) der Ehegatte, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht (§ 10 N r . 3 StAG). Das gilt auch dann, wenn die Ehe für nichtig erklärt wurde, wie sich aus § 10 Nr. 4 a StAG ergibt. b) Verwandte in grader Linie und Verwandte zweiten und dritten Grades in der Seitenlinie, und zwar auch, wenn die Verwandtschaft auf einer unehelichen Geburt beruht ( § 1 0 N r . 2 StAG). Für den Begriff der Verwandtschaft sind die Bestimmungen des BGB, mithin § 1589 I maßgebend, jedoch mit der wesentlichen Änderung, das § 1589 II BGB, wonach ein uneheliches Kind und dessen Vater nicht als verwandt gilt, hier keine Anwendung findet. Angehörige im Sinne dieser Bestimmung sind mithin das uneheliche Kind des Vaters zu dessen ehelichen Kindern und allen übrigen Verwandten des Vaters in grader Linie und in der Seitenlinie zweiten und dritten Grades. Die Verwandtschaft des unehelich geborenen Kindes mit seiner Mutter und deren Verwandten ergibt sich aus dem BGB. c) Verschwägerte in gerader Linie und Verschwägerte zweiten Grades in der Seitenlinie. Das gilt auch 1. wenn die Ehe, die die Schwägerschaft begründet hat, nicht mehr besteht (für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist); 2. wenn die Schwägerschaft auf einer unehelichen Geburt beruht (§ 10 Nr. 4 StAG). Auch hier gilt das zu b) gesagte. Das uneheliche Kind gilt auch als Angehöriger zu der Ehefrau des Vaters des unehelichen Kindes, wenn diese nicht seine Mutter ist; 3. durch Annahme an Kindesstatt in gerader Linie verbundene (§ 10 Nr. 5 StAG). Zu beachten ist hier, daß in der Seitenlinie durch die Annahme an Kindesstatt kein Angehörigenverhältnis im Sinne des Gesetzes begründet wird (vgl. hierzu die Kommentare zum StAG). Zu beachten ist, daß die Bezeichnung im Gesetz „verwandt oder verschwägert" nicht auf die Bestimmung des § 10 N r . 5 des S t A G paßt, denn das Adoptivkind steht nicht in einem Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis (§ 1763 BGB). D a aber ausdrücklich die N r . 5 des StAG genannt ist, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß hier auch Adoptivkinder zu den Angehörigen zählen. Aus dem § 10 S t A G sind nicht übernommen N r . 1, das sind Verlobte, und Nr. 6, das sind Pflegekinder. 906
G l i e d e r u n g der Gewinn- und Verlustrechnung
§ 157
Anm. 36,37
Zu bemerken ist, daß nicht jede Einmanngesellschaft unter die eingeschränkte Publizität fällt, sondern nur die, bei der der eine Aktionär eine natürliche Person ist; ist er eine juristische Person, so ist die Gesellschaft voll publizitätspflichtig. D i e eingeschränkte Publizität bedeutet, daß diese Gesellschaften ihre G e winn- und Verlustrechnung mit dem Posten 6, Rohertrag, R o h a u f w a n d , beginnen können. Sie brauchen die Posten unter I N r . 1 bis 5 nicht gesondert auszuweisen. D a s bedeutet einmal, daß sie den Umsatzerlös nicht in einer Zahl gesondert auszuweisen brauchen. D a s kann gerade f ü r kleinere Gesellschaften, die nur wenige oder gar nur einen einzigen Artikel herstellen, deshalb von gewisser Bedeutung sein, weil in einem solchen Fall aus dem U m s a t z erlös auf die K a l k u l a t i o n der Preise geschlossen werden kann. Von besonderer Bedeutung ist, daß nicht nur die Aufgliederung der Gesamtleistung (Posten 4) nicht erforderlich ist, sondern daß auch ein Posten Aufwendungen, nämlich der f ü r Roh-, H i l f s - und Betriebsstoffe, sowie bezogene Waren abgezogen werden kann, so daß der erste Posten, der auszuweisen ist (Posten 6, R o h ertrag, R o h a u f w a n d ) bereits nach einer sonst verbotenen Verrechnung liegt.
V. Verstoß Anm. 37: Nach § 256 I V ist ein Jahresabschluß, gleichgültig ob er v o m Vorstand und Aufsichtsrat oder von der H a u p t v e r s a m m l u n g festgestellt ist, dann wegen Verstoßes gegen die Vorschrift über die Gliederung des Jahresabschlusses nichtig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt ist. Eine wesentliche Beeinträchtigung liegt namentlich vor, wenn in der Gewinn- und Verlustrechnung die Posten § 157 I N r . 1 bis 5 nicht gesondert ausgewiesen sind, obgleich die Gesellschaft nicht zu denen gehört, die nach Abs. 4 zu diesem besonderen Ausweis nicht verpflichtet sind. Dasselbe gilt, wenn Aufwendungen oder Erträge, die unter die Posten 7, 15, 24, 25 oder 27 fallen, nicht unter diesen Posten ausgewiesen sind. D a s sind einmal die Posten, aus denen sich der R o h e r t r a g — R o h a u f w a n d a u f b a u t ( 1 — 5 ) , die Erträge und Belastungen aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungsund Teilgewinnabführungsverträgen (Posten 7 u. 27), die E r t r ä g e und A u f wendungen aus Verlustübernahmen (Posten 15 u. 25) und der Sonderausweis der Steuern (Posten 24). Werden andere Posten der Gewinn- und Verlustrechnung nicht ausgewiesen, so hat das weder die Nichtigkeit noch die Anfechtung zur Folge, denn ein durch Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluß kann überhaupt nicht angefochten werden, und die Anfechtung des Beschlusses, mit dem die H a u p t v e r s a m m l u n g den Jahresabschluß feststellt, kann nach § 257 I S. 2 nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. 907
§158
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
§ 158 Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustredinung (1) Bei Unternehmen, deren Geschäftszweig in der Erzeugung oder Fertigung von Gegenständen oder im Vertrieb von Waren besteht, sind als Umsatzerlöse nur die Erlöse aus der Erzeugung, Fertigung oder Lieferung dieser Gegenstände oder Waren auszuweisen. (2) Die Umsatzerlöse sind nach Abzug von Preisnachlässen und zurückgewährten Entgelten auszuweisen; andere Beträge dürfen nicht abgesetzt werden. (3) Von dem Ertrag aus einem Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrag ist ein vertraglich zu leistender Ausgleich für außenstehende Gesellschafter abzusetzen; übersteigt dieser den Ertrag, so ist der übersteigende Betrag unter den Aufwendungen aus Verlustübernahme (§ 157 Abs. 1 N r . 25) auszuweisen. Andere Beträge dürfen nicht abgesetzt werden. (4) Als Steuern sind die Beträge auszuweisen, die die Gesellschaft als Steuerschuldner zu entrichten hat. (5) Einstellungen in die gesetzliche Rücklage nach § 150 Abs. 2 N r . 2 bis 4 oder § 237 Abs. 5 sind nicht als Beträge auszuweisen, die nach Gesetz oder Satzung aus dem Jahresüberschuß in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind. (6) Erträge aus der Auflösung von Sonderposten mit Rücklageanteil (§ 152 Abs. 5) sind in einem zwischen den Posten N u m m e r 13 und N u m mer 14, Einstellungen in Sonderposten mit Rüdklageanteil in einem zwischen den Posten Nummer 25 und N u m m e r 26 einzufügenden Posten gesondert auszuweisen. Die Vorschriften sind im unmittelbaren Zusammenhang mit den Bestimmungen über die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157) behandelt. So wie der § 152 Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz gibt, so werden hier Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung gegeben. In Abs. 1 wird für die überwiegende Zahl aller Gesellschaften, nämlich für Unternehmen, deren Geschäftsbereich in der Erzeugung oder Fertigung von Gegenständen oder im Vertrieb von Waren besteht, eine Definition des Umsatzerlöses gegeben (vgl. hierzu § 157 Anm. 3). Absatz 2 bestimmt zwingend, was vom Umsatzerlös abgezogen werden kann (vgl. § 157 Anm. 3). Abs. 3 befaßt sich mit einer ausnahmsweise zulässigen Verrechnung bei einem Ertrag aus einem Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrag (vgl. § 157 Anm. 30). 908
Vermerk der Pensionszahlungen
§§158/159
Abs. 4 bestimmt, welche Beträge als Steuern auszuweisen sind, vgl. § 157 Nr. 24 und dort Anm. 26. Abs. 5 stellt klar, welche Beträge, die an sich in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, nicht unter Nr. 31 a aufzuführen sind, vgl. § 157 Anm. 34). Abs. 6 knüpft an die Bestimmung des § 1 5 2 V an. Danach ist in der Jahresbilanz auf der Passivseite unter I I a ein „Sonderposten mit Rücklageanteil" mit den Posten auszuweisen, die aufgrund steuerlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind. Ist in der Jahresbilanz ein solcher Posten vorhanden, so sind in der Gewinn- und Verlustrechnung Erträge aus der Auflösung dieses Postens in einem Zwischenposten zwischen Posten 13 und 14 einzuschiebenden Sonderposten mit der Bezeichnung „Erträge aus der Auflösung von Sonderposten mit Rücklagenanteil (§ 152 Abs. 5 ) " , Einstellungen in zwischen den Posten 25 und 26 einzufügenden Posten unter der Bezeichnung „Einstellungen in Sonderposten mit Rücklageanteile (§ 152, V ) " gesondert auszuweisen.
§ 159 Vermerk der Pensionszahlungen Im Jahresabschluß sind der Betrag der im Geschäftsjahr geleisteten Pensionszahlungen einschließlich der Zahlungen an rechtlich selbständige Versorgungskassen und in Vom-Hundert-Sätzen dieses Betrags die in jedem der folgenden fünf Geschäftsjahre voraussichtlich zu leistenden Zahlungen zu vermerken. Die Frage, wie Pensionszusagen im Jahresabschluß zu behandeln seien, hat bei der Beratung des Gesetzes erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. 2. 1961 ( B G H 34, 324), wonach für Verpflichtungen aus Pensionsanwartschaften keine Rückstellungen gebildet zu werden brauchen, hat allgemein zu der Überzeugung geführt, daß der Gesetzgeber an dieser Frage nicht vorbeigehen darf. Von den vernommenen Sachverständigen haben sich die meisten für die Passivierungspflicht ausgesprochen, und zwar in dem Sinn, daß in Höhe des Gegenwartwerts der Verpflichtungen aus Anwartschaften auf Pensionen und des Barwertes der Verpflichtungen aus den laufenden Pensionen Rückstellungen zu bilden sind, mit der Begründung, Pensionsverpflichtungen seien echte Schulden. Würden sie nicht passiviert, ergäbe die Bilanz ein falsches — zu günstiges — Bild von dem Vermögen der Gesellschaft. Pensionen würden erdient in den Jahren der aktiven Dienstzeit und seien daher betriebswirtschaftliche Kosten dieses J a h res. Würden sie nicht in den Jahren der aktiven Dienstzeit durch eine entsprechende Rückstellung berücksichtigt, gäbe die Gewinn- und Verlustrechnung die Ertragslage der Gesellschaft falsch — zu günstig — wieder.
909
§159
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
Aus wirtschafts- und sozialpolitischer Sicht wurde geltend gemacht, die Passivierungspflicht zwinge die Unternehmen, sich über ihre Belastungen mit Pensionsverpflichtungen klar zu werden und könne sie von später möglicherweise nicht erfüllbaren Pensionszusagen abhalten. Die Passivierungspflicht erhöhe die Sicherheit der Pensionsansprüche, da das Unternehmen die zurückgestellten Beträge nicht als Gewinn ausschütten könne. Andererseits wurde geltend gemacht, die Passivierungspflicht könne die Unternehmen von Pensionszahlungen abhalten und damit eine sozialpolitisch erwünschte Entwicklung einschränken. D a die Pensionszahlungen in der Regel unter dem Vorbehalt ausreichender Leistungsfähigkeit des Unternehmens gemacht werden und bei laufenden Pensionen ungewiß ist, wie lange sie gezahlt werden müssen, bei Anwartschaften auf Pensionen außerdem, ob der Versorgungsfall überhaupt eintritt, sind Pensionsverpflichtungen im besonderen Maße ungewiß, so daß es fraglich erscheinen muß, ob überhaupt eine passivierungspflichtige Verpflichtung vorliegt. Diese Bedenken gegen die Einführung eines Passivierungszwangs wurden durch die Überlegung verstärkt, daß damit gerechnet werden muß, daß eine aktienrechtliche Vorschrift über die Passivierung der Pensionsverbindlichkeiten als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung angesehen und auch auf Unternehmen anderer Rechtsform angewandt würde. D a solche Unternehmen bisher häufiger als Aktiengesellschaften keine ausreichenden Pensionsrückstellungen gebildet haben, könnte die Einführung der Passivierungspflicht zu größeren Schwierigkeiten führen. Es wurde femer erwogen, die Pensionsverpflichtungen ähnlich zu behandeln wie die Verpflichtung aus der Lastenausgleichs-Vermögensabgabe. Das würde bedeuten, daß in den Fällen, in denen keine Pensionsrückstellungen gebildet worden sind, im Jahresabschluß der nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechnete Gegenwartswert der Pensionsverpflichtungen zu vermerken ist. Auch dies wurde aus der Erwägung abgelehnt, daß ein Unternehmen durch einen solchen Vermerk deutlich mache, daß es die Pensionsverpflichtungen ganz oder teilweise nicht passiviert habe. Ein solcher Vermerk werde sich auf den Kredit und die sozialpolitische Stellung des Unternehmens nachteilig auswirken. Er komme daher im praktischen Ergebnis einem Zwang zur Passivierung der Pensionsverpflichtungen sehr nahe. Gegen ihn sprächen daher weitgehend die gleichen Bedenken wie gegen die Passivierungspflicht Andererseits hielt man es aber für nicht möglich, auf die Offenlegung der Peinsionsverpflichtungen vollständig zu verzichten. Die Vorschrift bestimmt deshalb, daß einmal der Betrag der im Geschäftsjahr tatsächlich geleisteten Pensionszahlungen anzugeben ist und ferner die in jedem der folgenden fünf Geschäftsjahre voraussichtlich zu leistenden Zahlungen. Bei dem ersten Betrag sind auch die Zahlungen an rechtlich selbständige Versorgungskassen mit 910
Inhalt des Geschäftsberichts
§§159/160
einzubeziehen. Die Beträge für die fünf folgenden Geschäftsjahre sind in Prozentsätzen zu dem im Geschäftsjahr gezahlten Betrag anzugeben. Die fünf Jahre sind der nach allgemeinen Gesichtspunkten als überschaubar geltende Zeitraum. Auf der anderen Seite ist er hinreichend, um eine gewisse Entwicklungstendenz für die künftigen Pensionsleistungen daraus ersehen zu können. Der entsprechende Vermerk ist im Jahresabschluß, nicht etwa im Geschäftsbericht zu machen, da der Jahresabschluß wegen seiner Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern eine größere Publizität hat als der Geschäftsbericht, der nur beim Handelsregister einzureichen ist. D a für die geleisteten Pensionszahlungen, das sind die laufenden Pensionen, und für die Zahlungen an Versorgungskassen, in denen mindestens zum Teil Zahlungen für Anwartschaften für Pensionen stecken, in einem Betrag zu vermerken sind, ist der Aussagewert des Vermerks nicht sehr erheblich. Bei der Berechnung der voraussichtlichen Zahlungen in den nächsten 5 Jahren können dadurch Schwierigkeiten entstehen, wenn im Berichtsjahr z. B. aus steuerlichen Gründen keine Zahlungen erfolgen. Es ist dann der für das nächste Jahr vorgesehene Betrag anzugeben (Heubeck in D B 66, 630 ff.). Der Vermerk ist von allen Gesellschaften zu machen, also auch von denen, die an sich ausreichende Rückstellungen im Jahresabschluß ausweisen. Gerade der Vermerk ermöglicht es nunmehr, schätzungsweise zu überprüfen, ob die Pensionsrückstellungen das volle Risiko decken. D a die Pensionsrückstellungen abweichend vom bisherigen Recht gesondert auf der Passivseite unter I V Posten 1 in der Jahresbilanz (§ 151) aufzuführen sind, wird im Ergebnis damit für jeden Interessenten dargelegt, ob die Gesellschaft hinreichend für ihre Pensionsverpflichtungen vorgesorgt hat oder ob sie sich auf den durchaus nach dem Gesetz vertretbaren Standpunkt stellt, daß die jeweils erforderlichen Pensionszahlungen Belastungen des Geschäftsjahres darstellen, in dem sie erfolgen. § 160 Inhalt des Geschäftsberichts (1) Im Geschäftsbericht sind der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft darzulegen. Zu berichten ist auch über Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluß des Geschäftsjahrs eingetreten sind. (2) Im Geschäftsbericht ist ferner der Jahresabschluß zu erläutern. Dabei sind die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden so vollständig anzugeben, wie es zur Vermittlung eines möglichst sicheren Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft erforderlich ist; auf die Angabe dieser Methoden im Geschäftsbericht für ein früheres Geschäftsjahr, das nicht weiter zurückliegt als das dritte vorausgegangene Geschäftsjahr, kann Bezug genommen werden. In jedem Geschäftsbericht sind zu den ein911
§160
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
zelnen Posten des Anlagevermögens die Abschreibungen und Wertberichtigungen anzugeben, die auf Zugänge des Geschäftsjahrs gemacht worden sind. In jedem Geschäftsbericht sind ferner Abweichungen des Jahresabschlusses von dem letzten Jahresabschluß, die die Vergleichbarkeit mit dem letzten Jahresabschluß beeinträchtigen, namentlich wesentliche Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden einschließlich der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen zu erörtern; dabei brauchen Einzelheiten nicht angegeben zu werden. Wird infolge von Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden einschließlich der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen ein Jahresüberschuß oder Jahresfehlbetrag ausgewiesen, der um mehr als zehn vom Hundert unter oder über dem Betrag liegt, der ohne die Änderung auszuweisen wäre, so ist der Unterschiedsbetrag anzugeben, wenn er einhalb vom Hundert des Grundkapitals übersteigt. (3) In jedem Geschäftsbericht sind Angaben zu machen über 1. Bestand und Zugang an Aktien, die ein Aktionär für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehenden Unternehmens oder ein abhängiges oder im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts übernommen hat; sind solche Aktien im Geschäftsjahr verwertet worden, so ist auch über die Verwertung unter Angabe des Erlöses und die Verwendung des Erlöses zu berichten; 2. Bestand an eigenen Aktien der Gesellschaft, die sie, ein abhängiges oder im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen oder ein anderer für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehenden Unternehmens erworben oder als Pfand genommen hat; sind solche Aktien im Geschäftsjahr erworben oder veräußert worden, so ist auch über den Erwerb oder die Veräußerung unter Angabe des Ewerbs- oder Veräußerungspreises und über die Verwendung des Erlöses zu berichten; 3. das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung unter Angabe des Unternehmens; 4. Aktien, die bei bedingter Kapitalerhöhung im Geschäftsjahr bezogen worden sind; 5. das genehmigte Kapital; 6. Genußrechte, Rechte aus Besserungsscheinen und ähnliche Rechte unter Angabe der im Geschäftsjahr neu entstandenen; 7. aus der Jahresbilanz nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse einschließlich der Bestellung von Sicherheiten für eigene Verbindlichkeiten; 912
Inhalt des Geschäftsberichts
§160
8. die Gesamtbezüge (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) der Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats und eines Beirats oder einer ähnlichen Einriditung jeweils gesondert unter Bezeichnung der einzelnen Einrichtung. In die Gesamtbezüge sind auch Bezüge einzurechnen, die nicht ausgezahlt, sondern in Ansprüche anderer Art umgewandelt oder zur Erhöhung anderer Ansprüche verwandt werden. Außer den Bezügen für das Geschäftsjahr sind die weiteren Bezüge anzugeben, die im Geschäftsjahr gewährt, bisher aber in keinem Geschäftsbericht angegeben worden sind. Erhalten Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft von verbundenen Unternehmen für ihre Tätigkeit für die Gesellschaft oder für ihre Tätigkeit als gesetzliche Vertreter oder Angestellte der verbundenen Unternehmen Bezüge, so sind diese Bezüge gesondert anzugeben; 9. die Gesamtbezüge (Abfindungen, Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art) der früheren Mitglieder des Vorstands und ihrer Hinterbliebenen. Nummer 8 Satz 2 und 3 gilt sinngemäß. Erhalten frühere Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft oder ihre Hinterbliebenen auch von verbundenen Unternehmen Abfindungen oder Ruhegehälter, so sind diese Bezüge gesondert anzugeben; 10. die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen mit Sitz im Inland, ferner über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können; 11. das Bestehen eine Beteiligung an der Gesellschaft, die ihr nach § 20 Abs. 1 oder 4 mitgeteilt worden ist; dabei ist anzugeben, wem die Beteiligung gehört und ob sie den vierten Teil aller Aktien der Gesellschaft übersteigt oder eine Mehrheitsbeteiligung (§ 16 Abs. 1) ist. (4) Der Beridit hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Die Berichterstattung hat insoweit zu unterbleiben, wie es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Bei der Berichterstattung nach Absatz 3 Nr. 7 und 10 brauchen Einzelheiten insoweit nicht angegeben zu werden, als nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit gerechnet werden muß, daß durch die Angaben der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen. Werden auf Grund von Satz 3 Angaben nicht gemacht, so ist im Geschäftsbericht unter Anführung der Nummer, nach der sie erforderlich sind, anzugeben, daß für Angaben nach dieser Nummer von der Schutzklausel nach Satz 3 Gebrauch gemacht worden ist. (5) Im Geschäftsbericht sind alle Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, auch die im Geschäftsjahr oder nachher ausgeschiedenen, mit dem 58
Wilhelmi, Aktiengesetz
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§160 Anm. 1
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, seine Stellvertreter und ein etwaiger Vorsitzender des Vorstands sind als solche zu bezeichnen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Bericht über den Gesdiäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft (Anm. 2) III. Erläuterungen des Jahresabschlusses (Anm. 3) IV. Angabe der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden (Anm. 4) V. Die besonderen Angaben 1. Vorratsaktien (Anm. 5) 2. Erworbene Aktien (Anm. 6) 3. Das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung (Anm. 7) 4. Aktien, die bei bedingter Kapitalerhöhung im Geschäftsjahr bezogen sind (Anm. 8) 5. Das genehmigte Kapital (Anm. 9) 6. Genußrechte, Recht aus Besserungsscheinen und ähnliche Rechte (Anm. 10)
7. Aus der Jahresbilanz nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse (Anm. 11) 8. Gesamtbezüge (Anm. 12) 9. Bezüge früherer Vorstandsmitglieder (Anm. 13) 10. Die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (Anm. 14) 11. Das Bestehen einer Beteiligung an der Gesellschaft, die ihr nach § 20 I oder IV mitgeteilt worden ist (Anm. 15) VI. Die Schutzklausel (Anm. 16) VII. Angabe der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat (Anm. 17) VIII. Verstoß (Anm. 18)
I. Übersicht Anm. 1: Nach § 148 hat der Vorstand in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres den Jahresabschluß sowie den Geschäftsbericht aufzustellen und den Abschlußprüfern vorzulegen. Unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichtes der Abschlußprüfer hat er den Geschäftsbericht zusammen mit dem Jahresabschluß und dem Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat vorzulegen (§ 170) und endlich hat er ihn nach § 175 der Hauptversammlung vorzulegen. Der Bericht hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Sein Inhalt zerfällt in zwei Teile: 1. Ist der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft zu erörtern (Abs. 1). 2. Ist der Jahresabschluß zu erläutern. Obwohl die Einzelbestimmungen aus §128 AktG 37 — mit einer Ausnahme: Abs. 2 Nr. 9 — übernommen worden sind, bestehen doch einige Abweichungen, die von besonderer Bedeutung sind und deshalb zu erheblichen Auseinandersetzungen bei der Beratung des Gesetzes geführt haben. Einmal ging es darum, genauer zu bestimmen, nach welchen Grundsätzen die Erläuterung des Jahresabschlusses zu erfolgen hat. Insbesondere war dies deshalb wichtig, weil die neuen Bewertungsvorschriften ihr Ziel, einen verbesserten Einblick in die Vermögens- und Er914
Inhalt des Geschäftsberichts
§160 Anm. 1—3
tragslage der Gesellschaft zu vermitteln, nur dann erreichen können, wenn die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden im Geschäftsbericht angegeben werden und wenn insbesondere jede Abweichung deutlich klargelegt wird. Damit im unmittelbaren Zusammenhang steht die sogenannte Schutzklausel, die nach den Vorschlägen der Ausschüsse ganz gestrichen werden sollte, die dann aber in der zweiten Lesung des Gesetzes vor dem Plenum des Bundestags, wenn auch in abgeschwächter Form, dennoch eingefügt wurde. II. Bericht über den Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft: Anm. 2: Es ist der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft darzulegen, also ein dynamischer und statischer Überblick zu gewähren. Die Lage der Gesellschaft ist ihre Vermögenslage und die augenblickliche Geschäftslage. Der Bericht wird alles erwähnen, was f ü r das Jahresergebnis von Einfluß war und die Gegenwart und Zukunft bestimmt. Neben der allgemeinen Wirtschaftslage und der Lage des Geschäftszweiges und den allgemeinen und besonderen Aussichten zur Zeit der Abfassung, alle wichtigen Geschäftsvorgänge, sozialen Leistungen, besonders für die eigene Gefolgschaft, die Entwicklung des Umsatzes, Gründung von Zweigniederlassungen, den Abschluß wichtiger Verträge, Beziehungen zu anderen Gesellschaften, insbesondere zu verbundenen Unternehmen (vgl. Abs. 3 N r . 10 und Anm. 14). In diesem ersten Teil ist auch über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu berichten, die sich nach Schluß des Geschäftsjahres ereignet haben. Das sind nur solche, die eine maßgebliche Wirkung auf die Lage und den Geschäftsablauf haben; ferner ist über die eingetretenden oder drohenden Verluste zu berichten, weil diese die Beschlüsse der Aktionäre (Feststellung des Jahresabschlusses, Vertrauenskundgabe durch Entlastung, Gewinnverwendung) beeinflussen können. Dagegen gehören nicht hierher Angaben über den Unfallschutz und -ablauf. III. Erläuterung des Jahresabschlusses Anm. 3: Der zweite Teil des Geschäftsberichts (vgl. oben Anm. 1) ist die Erläuterung des Jahresabschlusses. Das bloße Zahlenbild, das der Jahresabschluß gibt, soll demjenigen, der eine Bilanz lesen kann (nicht jedem ganz Unkundigen) verständlich gemacht werden. Das wichtigste, was dazu erforderlich ist, ist die Angabe der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden und deren etwaige Abweichung von dem vorjährigen Jahresabschluß. D a f ü r gibt Abs. 2 eine neue ins einzelne gehende Regelung. Abs. 3 enthält eine 11 Ziffern enthaltende Liste von Angaben, die bei Vermeidung einer Freiheitsstrafe (§ 400 N r . 4) immer zu machen sind, ohne daß das Ermessen des Vorstandes walten könnte. 915 58*
§ 160
Anm. 4
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
IV. Angabe der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden Anm. 4: Obwohl das Gesetz nur von Bewertungs- und Abschreibungsmethoden spricht, sind mit letzteren auch Wertberichtigungen gemeint. Sie sind nur aus sprachlichen Gründen nicht erwähnt. Die Bedeutung der neuen Bewertungsvorschriften (vgl. hierzu Vorbem. vor §§ 153—156) hat es notwendig gemacht, deren Behandlung im Geschäftsbericht in einem besonderen Abs. 2 zu regeln, während der Inhalt des bisherigen Abs. 2 mit Ausnahme des ersten Satzes nunmehr in Abs. 3 aufgenommen ist. Nach Abs. 2 S. 2 sind die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden so vollständig anzugeben, wie es zur Vermittlung eines möglichst sicheren Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft erforderlich ist. Diese Formulierung war sehr umstritten. Sie soll der Tatsache Rechnung tragen, daß durch die Angabe von Bewertungs- und Abschreibungsmethoden kein vollkommen sicherer Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt werden kann. Sie soll klarstellen, daß die Unternehmen nur gehalten sind, das im Rahmen eines Geschäftsberichtes Mögliche zu tun (vgl. Ausschußbericht zu Drucksache IV/3296). Das bedeutet, daß neben allgemeinen Angaben, z. B., daß die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe nach dem Einstandswert, dem Durchschnittswert, dem Lifo-, Fifo-, Festwertverfahren bewertet sind (Goerdeler in Wp 66, 116), besondere Angaben zu machen sind, wenn die Bewertung streitig ist, wie z. B. beim Posten unfertige und fertige Erzeugnisse und Waren. Über die bei den Angaben der Abschreibungsmethoden auftretenden Schwierigkeiten vgl. im einzelnen Goerdeler (a. a. O.). Diese Angaben müssen grundsätzlich in jedem Geschäftsbericht gemacht werden. Sie können nicht einfach weggelassen werden, wenn sie in einem früheren Geschäftsjahr gemacht wurden, jedoch ist gestattet, auf solche früher gemachten Angaben Bezug zu nehmen, wenn das Geschäftsjahr, für das sie gemacht wurden, nicht weiter zurückliegt als das dritte vorausgegangene Geschäftsjahr. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf das Anlagevermögen sind nach § 151 IV bereits in der Jahresbilanz vorzunehmen. Nach § 152 I S. 2 sind Zugänge sowie die für das Geschäftsjahr gemachten Abschreibungen bei den einzelnen Posten des Anlagevermögens gesondert aufzuführen. Im Geschäftsbericht sind zu den einzelnen Posten des Anlagevermögens die Abschreibungen und Wertberichtigungen anzugeben, die auf Zugänge des Geschäftsjahres gemacht worden sind. Von besonderer Bedeutung ist die Angabe von Abweichungen des Jahresabschlusses von dem letzten Jahresabschluß. In § 128 II S. 2 AktG 37 hieß es: „Dabei sind auch wesentliche Abweichungen von dem letzten Jahresabschluß zu erörtern." In der jetzigen Formulierung fehlt das Wort „wesentliche". Nach der jetzigen Fassung müssen alle Abweichungen erörtert werden, die die Vergleichbarkeit mit dem letzten Jahresabschluß beeinträchtigen. Damit wird das gesagt, worauf es ankommt. Der Geschäftsbericht soll dazu 916
Inhalt des Geschäftsberichts
§160
Anm. 4
beitragen, die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse der verschiedenen Geschäftsjahre zu erhöhen. Namentlich sind Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden und die Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen geeignet, die Vergleichbarkeit mit dem letzten Jahresabschluß zu beeinträchtigen. Deshalb sind sie besonders hervorgehoben. Die neuen Bewertungsvorschriften überlassen die Wahl der Bewertungsmethode im einzelnen weitgehend der Gesellschaft. Der anzusetzende Wert ergibt sich daher in vielen Fällen nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern nur aus dem Gesetz in Verbindung mit der in den gesetzlichen Grenzen gewählten Bewertungs- und Abschreibungsmethode. Von entscheidender Bedeutung ist daher, daß im Geschäftsbericht über die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden berichtet werden muß, daß jede Änderung der Bewertungs- und Abschreibungsmethode erörtert werden muß und daß die betragsmäßigen Auswirkungen solcher Änderungen genannt werden müssen, wenn sie erheblich sind. In diesen Berichtspflichten kommt als wesentlicher Grundsatz des neuen Bewertungsrechts der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit zum Ausdruck. Hauptziel der neuen Bewertungsvorschriften ist es, die Ergebnisse aufeinander folgender Geschäftsjahre vergleichbar zu machen. Vergleichbare Jahresabschlüsse sollen den Beteiligten die Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft zeigen und in gewissem Umfang auch den Ertragsvergleich mit anderen Gesellschaften erleichtern. Bei der ersten Anwendung der neuen Bestimmungen, also im allgemeinen für das nach dem 31. 12. 1966 beginnende Geschäftsjahr, wird man von einer Änderung nicht sprechen können, um so mehr wird aber eine eingehende Darstellung der angewandten Methoden notwendig sein. Obwohl bereits in der Formulierung der Ausschüsse insofern eine Einschränkung an dieser Stelle gemacht wurde, daß hier das Wort „wesentliche" im Zusammenhang mit den Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden gebraucht wurde, waren die Spitzenverbände der Wirtschaft besorgt, daß durch den Wegfall der allgemeinen Schutzklausel des § 128 II AktG 37 die Gesellschaften zu Angaben genötigt würden, die ihnen selbst oder verbundenen Unternehmen Nachteile bereiten könnten. Deshalb ist noch im Plenum des Bundestages eingefügt worden: „Dabei brauchen Einzelheiten nicht angegeben zu werden." Ob sich diese Einschiebung schädlich auswirken wird, muß abgewartet werden. Eine zu weite Auslegung durch die Rechtsprechung würde Sinn und Zweck des Abs. 2 widersprechen. Auf jeden Fall gilt in erster Linie der Satz 2 dieses Absatzes, wonach die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden so vollständig anzugeben sind, wie es zur Vermittlung eines möglichst sicheren Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft erforderlich ist. Deshalb muß jede Abweichung insoweit in „Einzelheiten" angegeben werden, daß man erkennen kann, inwieweit die bisheri917
§ 160
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 4,5 gen Bewertungs- und Abschreibungsmethoden dadurch abgeändert sind und ob durch diese Abänderungen nicht der Satz 2 dieses Absatzes verletzt wird. Ist das nicht erkennbar, so sind nicht „Einzelheiten" weggelassen worden, sondern etwas, was für das Verständnis wesentlich ist, und dies ist verboten. Auch die Angabe wesentlicher Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden machen es nicht ohne weiteres möglich, zu erkennen, inwieweit sich dadurch das Ergebnis des Jahresabschlusses geändert hat. Deshalb schreibt das Gesetz weiterhin vor, daß, wenn die Änderung das Jahresergebnis mehr als 10 % beträgt, der Unterschiedsbetrag zahlenmäßig anzugeben ist. Wenn das Jahresergebnis ein ausgeglichenes ist, d. h. wenn ein nur kleiner Gewinn oder Verlust ausgewiesen wird, könnten die 10 °/o einen so unbedeutetenden Betrag ausmachen, daß es nicht zumutbar ist, ihn zahlenmäßig zu nenen. Deshalb ist die Mindestgrenze genannt: der Betrag muß nur dann angegeben werden, wenn er V2 °/o des Grundkapitals übersteigt. Abgesehen von der oben erörterten Einschränkung, die darin liegt, daß Einzelheiten nicht angegeben zu werden brauchen, gilt für die Angaben, die nach Abs. 2 zu machen sind, nur die Schutzklausel des Abs. 4, wonach die Berichterstattung insoweit zu unterbleiben hat, wie es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Eine solche, das öffentliche Interesse schützende Klausel erscheint an sich überflüssig, weil Fälle, in denen die Berichterstattung nach § 160 die Staatssicherheit gefährden könnte, kaum denkbar sind. Kämen sie vor, so folgt aus den Vorschriften des Strafgesetzbuches ohne weiteres, daß die Berichterstattung unterbleiben muß. V. Die besonderen Angaben 1. Vorratsaktien Anm. 5: Unter Nr. 1 fallen die bei Kapitalerhöhung ursprünglich erworbenen eigenen Aktien, die als Vorratsaktien bezeichnet werden, vgl. § 56 mit Anm. Trotz § 56 I ist zunächst über den Bestand und den etwaigen Erwerb solcher Aktien zu berichten. Weder der Aktionär noch die abhängige Gesellschaft braucht genannt zu werden (streitig, wie hier Adler-DüringSchmaltz § 128 Anm. 42). Mellerowicz in Großkomm. § 128 Anm. 9 hält die Angaben für angebracht, wenn sie für die Beurteilung der Verhältnisse der Gesellschaft erforderlich sind (so auch Schi.-Qu. § 128 Anm. 9). Über den jeweiligen Bestand ist auch dann in jedem Geschäftsjahr zu berichten, wenn sich der Bestand nicht verändert hat, das kommt zum Ausdruck durch die Formulierung „Bestand und Zugang". Umgehungen soll die Bestimmung verhindern, daß auch die Aktien, die ein Aktionär für Rechnung eines abhängigen oder eines in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehenden Unternehmens oder ein solches Unter918
Inhalt des Geschäftsberichts
§160
Anm. 5—7
nehmen selbst als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausdis oder Bezugreciits übernommen hat, hierher gehören. Insoweit sind die neuen Bestimmungen der Terminologie des § 16 angepaßt. Sind solche angabepflichtige Aktien verwertet, so ist auch dies anzugeben, und zwar muß der Erlös und seine Verwendung zusätzlich angegeben werden. Bei einem Verkauf wird der Erlös meist der Verstärkung der Betriebsmittel gedient haben, doch evtl. die Verwertung auch der Vermehrung der Anlagen, z.B. einer Angliederung. Ersternfalls ist darüber nicht mehr zu sagen als dies: sind die Aktien oder ihr Erlös zu einem bestimmten Zwedt verwandt worden, so ist dieser Zweck anzugeben. 2. Erworbene Aktien Anm. 6: Anzugeben sind die von der Gesellschaft abgeleitet erworbenen oder in Pfand (oder zu Sicherungs-Eigentum) genommenen eigenen Aktien, die bereits im Verkehr waren, ohne Rücksicht darauf, ob der Erwerb nach §71 zulässig war oder nicht. Jedoch muß die Zulässigkeit dargetan und der Erwerb gerechtfertigt werden. Sie sind getrennt von den unter Nr. 1 aufgeführten ursprünglich erworbenen Aktien bestandsmäßig nach dem Bilanzstichtag anzugeben. Auch über eigene Aktien, die am Bilanzstichtag nicht mehr vorhanden, sondern im Laufe des Geschäftsjahres veräußert worden sind, mögen sie auch erst im Laufe des Geschäftsjahres erworben gewesen sein, muß berichtet werden. Im übrigen siehe Anm. 5. Auch hier gilt dasselbe von Aktien der Gesellschaft, die ein von ihr abhängiges oder im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen oder ein Dritter für ihre oder eines solchen Unternehmens Rechnung auf abgeleitetem Wege erworben hat. Dem Erwerb „für Rechnung" steht ein Erwerb mit Kursgarantie der Gesellschaft gleich. Auch hier ist neben dem Bestand der Erwerb und die Veräußerung solcher Aktien anzugeben, dabei sind hier sowohl der Erwerbs- als auch der Veräußerungspreis mitzuteilen, und es ist über die Verwendung des Erlöses zu berichten (vgl. oben Anm. 5). 3. Das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung Anm. 7: Die Bestimmung ist neu, sie ergibt sich aus der besonderen Bedeutung, die das Gesetz einer wechselseitigen Beteiligung beilegt. Anzugeben ist einmal die Tatsache der wechselseitigen Beteiligung und zum anderen das Unternehmen, mit dem sie besteht. Über den Begriff der wechselseitigen Beteiligung vgl. § 19 und über deren Folgen § 328. Letzterer findet jedoch nach § 19 IV nur auf eine wechselseitige Beteiligung im Sinne des § 19 II Anwendung, d. h. nur auf die Fälle, in denen keine Mehrheitsbeteiligung des einen Unternehmens vorliegt und keine Abhängigkeit des anderen aus anderen Gründen. Dennoch sind hier auch die wechselseitigen Beteiligungen anzugeben, 919
§160
Anm. 7—10
Rechnungslegung . G e w i n n v e r w e n d u n g
die unter die Abs. 2 und 3 des § 19 fallen, da das Gesetz schlechthin vom Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung spricht. Dagegen verlangt das Gesetz nicht die Angabe, wie hoch diese Beteiligung ist. Sie muß nach § 19 I mehr als der vierte Teil der Anteile der jeweiligen Gesellschaften betragen, das wird also bereits mit der Aufnahme der Gesellschaft unter diesem Posten kundgetan. Steigt die wechselseitige Beteiligung bei einem der Unternehmen über 50 °/o, so ist dies von der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, nach § 20 VI in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Damit wird die Öffentlichkeit unterrichtet. Es besteht also kein Interesse daran zu verschweigen, ob eine Beteiligung über 25 °/o oder eine Beteiligung über 50 °/o vorliegt. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Angabe aber nicht. 4. Aktien, die bei bedingter Kapitalerhöhung im Geschäftsjahr bezogen sind Anm. 8: Eine Angabe der Zahl ist schon deshalb notwendig, weil sich um den Nennbetrag das Grundkapital der Gesellschaft erhöht hat und diese in der Bilanz zum Ausdruck kommende Tatsache der Erläuterung im Geschäftsbericht bedarf. Anzugeben sind nur die im Laufe des Geschäftsjahres nach § 1 9 9 ausgegebenen Aktien. Der Ausgabebetrag steht nach § 1 9 3 fest. Er braucht nicht besonders genannt zu werden. Auch die Bezieher brauchen nicht genannt zu werden. Nach der weitergehenden herrschenden Meinung soll der Bericht ersehen lassen, welches Aufgeld erzielt worden ist und ob alle Bedingungen des Kapitalerhöhungsbeschlusses erfüllt worden sind und wie. 5. Das genehmigte Kapital Anm. 9: Das genehmigte Kapital in der sich aus dem Beschluß nach § 202 I ergebenden Höhe, also auch und gerade wenn noch keine Aktien ausgegeben worden und deshalb das genehmigte Kapital als Passivposten in der Bilanz noch nicht erscheint. Sind auf das genehmigte Kapital Aktien ausgegeben worden, so ist über Tatsache, Umstände, Bedingungen der Ausgabe, bei welchen der Vorstand viel größere Freiheit haben kann als bei bedingter Kapitalerhöhung (vgl. § 205 II mit § 194 I S. 1), nach den Grundsätzen des Abs. 4 5. 1 erschöpfend zu berichten, der Vorstand muß mitteilen, welchen Gebrauch er vom genehmigten Kapital gemacht hat. 6. Genußrechte,
Recht aus Besserungsscheinen
und ähnliche
Rechte
Anm. 10: Die Vorschrift ist gegenüber § 128 II Nr. 5 AktG 37 erweitert. Dort waren nur Genußrechte aufgeführt. Bisher ist über andere Rechte Dritter am Gewinn der Gesellschaft im allgemeinen unter „Aus der Jahresbilanz nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse" berichtet worden. Das ist jetzt nicht mehr zulässig, vielmehr ist über sie zusammen mit den Genußrechten zu berichten. Dabei ist Art und Inhalt der einzelnen Rechte anzugeben. Von jedem der verschiedenen Rechte ist der Gesamtbestand anzugeben und in einer weiteren Zahl die davon im Geschäftsjahr neu geschaffenen. 920
Inhalt des Geschäftsberichts
§160
Anm. 11
7. Aus der Jahresbilanz nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse Anm. 11: Die Vorschrift ist gegenüber der des § 128 II Nr. 6 AktG 37 insoweit abgeändert worden, als durch die Zufügung der Worte „Eigene Verbindlichkeiten" klargestellt wurde, daß es sich hier nur um Haftungsverhältnisse für eigene Verbindlichkeiten handelt, während die Haftung für fremde Verbindlichkeiten im Jahresabschluß zu vermerken sind. Dies ist in § 151 V Nr. 4 durch die Worte „für fremde Verbindlichkeiten" ausdrücklich festgelegt worden. Damit ist die Publizität gegenüber der bisherigen Vorschrift für Haftungsverhältnisse für fremde Verbindlichkeiten verstärkt, denn der Jahresabschluß wird in den Geschäftsblättern veröffentlicht, während der Geschäftsbericht nur dem Handelsregister einzureichen ist. Eine weitere Verbesserung der Publizität besteht darin, daß auch die Verbindlichkeiten aus der Begebung von Wechseln nicht wie nach geltendem Recht im Geschäftsbericht, sondern in der Jahresbilanz zu vermerken sind (§ 151 V S. 1 Nr. 1). Demgemäß wurden hier gegenüber § 128 II Nr. 6 AktG 37 die Worte „sowie von Verbindlichkeiten aus der Begebung von Wechseln und Schecks" nicht aufgeführt. Soweit nach dieser Vorschrift Angaben zu machen sind, handelt es sich weniger um eine Erläuterung als um eine Ergänzung des Jahresabschlusses. Sie sind neben den etwa erforderlichen Erläuterungen zu den aus dem der Jahresbilanz hervorgehenden Verpflichtungen und Haftungsverhältnissen zu machen. Hier sind zwei ganz verschiedene Dinge anzugeben, nämlich: a) schuldrechtliche Haftung der Gesellschaft, b) zusätzliche dingliche Sonderhaftung einzelner Vermögensgegenstände der Gesellschaft, beides für Verbindlichkeiten der Gesellschaft selbst, soweit sie nicht aus der Bilanz hervorgehen. Zu a) Aus der Einschränkung, daß es sich nur um Haftungsverhältnisse handelt, die nicht aus der Jahresbilanz hervorgehen, ergibt sich für die Auslegung der Bestimmung zwangsläufig, daß nur Eventual-Verpflichtungen gemeint sind, welche nach dem Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung nicht in die Bilanz eingestellt zu werden pflegen, aber möglicherweise (unter gewissen Voraussetzungen) zu den aus der Bilanz ersichtlichen hinzutreten können (so jetzt auch Mellerowicz in Großkomm. § 128 Anm. 14). Obwohl auch Verpflichtungen aus schwebenden, beiderseits unerfüllten gegenseitigen Verträgen nicht aus der Bilanz ersichtlich und unbedingt sind, sind auch sie nicht gemeint. Der Grundsatz der Erfüllung Zug um Zug gibt ihnen (wirtschaftlich) etwas bedingtes, weshalb sie ebensowenig in die Bilanz eingestellt werden, wie der Anspruch auf die Gegenleistung (wohl aber letzterer als Passivum, soweit sie vor der eigenen Leistung empfangen wurde). Da sie aber gewöhnlich branchenüblich, ja selbstverständlich und notwendig sind, bedarf es ihrer ergänzenden Erwähnung im Geschäftsbericht nicht, dessen Zweck es 921
§ 160
Anm. 11
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
ist, den kundigen Leser über Dinge aufzuklären, die er sich nicht ohnedies sagt. Anders ist es, wenn feststeht, daß die Gegenleistung den Wert der eigenen Leistung nicht deckt, d. h. ein Verlust entstehen wird. Dieser ist nur durch Rückstellung zu berücksichtigen und im Geschäftsbericht zu erwähnen, soweit er aus dem gewöhnlichen Rahmen fällt. Über gesetzliche Haftungsmöglichkeiten, die noch nicht verwirklicht sind, so daß daraus noch keine unbedingten und deshalb zu bilanzierenden Verbindlichkeiten hervorgegangen sind (z. B. Kraftfahrzeughaftung, Haftung für unerlaubte Handlung eines Vertreters, Haftung eines Eisenbahnunternehmens für Betriebsunfälle), ist selbstverständlich nidit zu berichten. Dagegen hindert ein eigener evtl. Rückgriffsanspruch das Bedürfnis nicht, über eine eigene Eventual-Verpflichtung zu berichten; was für die Bilanz gilt, muß auch für den Geschäftsbericht gelten. Verpflichtungen aus eigenen Akzepten oder eigenen Wechseln sind auf der Passivseite der Bilanz unter V I Posten 2 auszuweisen. Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln sowie aus Wechsel- und Scheckbürgschaften sind nach § 151 V Nr. 1 und 2 im Jahresabschluß zu vermerken. Infolgedessen bedarf es eines besonderen Hinweises im Geschäftsbericht nicht mehr. Mobilisierungs- oder Depot- oder Kautionswechsel für eigene Verpflichtungen, welche der Kommerzialisierung oder Sicherung (nicht mittels besonderen Vermögensgegenstandes) eigener Verbindlichkeiten dienen, die ohnedies unter den Passiven der Bilanz enthalten sind, sollen auch keine zusätzlichen Eventualverpflichtungen darstellen, welche möglicherweise zu den aus der Bilanz ersichtlichen Verpflichtungen hinzutreten können, sind gleichwohl wegen ihrer aus der Bilanz nicht hervorgehenden formellen und materiellen Wechselstrenge im Geschäftsbericht zu erwähnen (a. A. Adler-DüringSchmaltz, § 128 Anm. 81). Gefälligkeitsakzepte und Kautionswechsel zur Deckung fremder Schulden sind gleich Bürgschaften in der Bilanz ersichtlich zu machen. Das gleiche gilt für Gewährleistungen für fremde Leistungen oder hinsichtlich des Eintritts besonderer mit eigener Leistung nicht zusammenhängender Umstände (Kurs-, Dividenden-Garantie). Auch sie sind, obwohl sie in der Bilanz erscheinen, im Geschäftsbericht zu erläutern, weil das Risiko nicht nur der Höhe, sondern auch der Wahrscheinlichkeit nach wissenswert ist, dagegen Gewährleistungen für eigene Leistungen nur ausnahmsweise, wenn sie stark aus dem übrigen Rahmen heraustreten, also nicht die übliche Gewährleistung bei Lieferungen. Dasselbe gilt von Vertragsstrafen, es sei denn, daß bereits mit ihrer Geltendmachung zu rechnen und keine Rückstellung gemacht ist. EinZahlungsverpflichtungen aus Aktien oder Beteiligung sind anzugeben, wenn die Aktie oder Beteiligung in der Bilanz nur mit dem Betrag der bisherigen Einzahlung, nicht aber, wenn sie mit dem Nennbetrag aktiviert und die noch zu leistende Einzahlung passiviert ist. Bei erstem Verfahren wird ein Trugbild vermieden, das einen Vermögenswert vortäuscht, der nach
922
Inhalt des Geschäftsberichts
§160
Anm. 11,12
von der Erfüllung einer eigenen Verpflichtung, also der eigenen Bonität abhängt. Haftung für die Vollzahlung durch Dritte (nach Veräußerung einer Aktie oder GmbH-Anteils oder infolge Übernahme gem. § 24 GmbH-Gesetz), mögliche Zubuße- und Nachschußpflichten sind anzugeben, wenn erhebliche Beträge in Frage kommen. Verbindlichkeiten, die aus dem Bilanzgewinn zu tilgen und deshalb aus der Bilanz nicht ersichtlich sind, nicht nur Gewinnbeteiligung Dritter, sondern insbesondere Gläubigerversicherungsscheine — warum sollten sie keine „Haftungsverhältnisse" sein? — sind zu erwähnen, (a. A. Schi.-Qu § 128 Anm. 9). 2h b) Audi Sicherheiten brauchen nur angegeben zu werden, soweit sie nicht aus der Bilanz ersichtlich sind. Das gilt für die Grundpfandrechte, die nach § 151 auf der Passivseite unter V für Anleihen, Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und sonstigen Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren dort anzugeben sind. Alle sich nicht aus der Bilanz selbst ergebenden Sicherheiten für eigene Verbindlichkeiten sind hier aufzuführen, während die Haftung aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten nach § 151 V Nr. 4 im Jahresabschluß zu vermerken sind. Im Geschäftsbericht sind anzugeben nicht nur die aus dem Jahresabschluß nicht ersichtlichen dinglichen Sicherungen, sondern auch passive Eigentumsvorbehalte, wenn sich der Lieferant das Eigentum bis zur völligen Bezahlung vorbehalten hat und diese noch nicht erfolgt ist. Ferner Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretungen und Verpfändung von Forderungen. Pfandrechte, die durch Rechtsgeschäfte oder Zwangsvollstreckung begründet sind, nicht die gesetzlichen, weil hier keine „Bestellung" vorliegt. Entscheidend ist der Gesichtspunkt, daß Sicherungen nicht geheim sein sollen, daß also solche, mit denen nicht zu rechnen ist, durch den Geschäftsbericht kundgemacht werden sollen. Sicherungen, welche aufgrund formularmäßiger Vertragsordnung bestehen, wie Eigentumsvorbehalte, Forderungsabtretungen, Pfandrechte (des Bankiers) an Wertpapieren aufgrund allgemeiner Geschäfts- und Lieferungsbedingungen, die Verkehrs- oder branchenüblich sind, brauchen daher nicht erwähnt zu werden (bestritten). Mit Adler-Düring-Schmaltz (a. a. O.) ist deshalb auch anzunehmen, daß die im gewöhnlichen Rahmen liegenden Effektlombardierungen einer Bank, mit denen vom Verkehr gerechnet wird, weil sie branchenüblich sind, nicht erwähnt zu werden brauchen. Anzugeben ist in allen diesen Fällen, soweit eine Angabe nach dem Gesagten notwendig ist, die Höhe der gesicherten Forderung. Über Haftungsverhältnisse nach a) und b), die erst nach dem Bilanzstichtag entstanden sind, ist nur zu berichten, wenn sie nach Abs. 1 S. 2 von besonderer Bedeutung sind. 8. Gesamtbezüge Anm. 12: Gegenüber dem bisherigen Recht ist der Satz 2 neu eingefügt, da es in der Praxis nicht selten vorgekommen ist, daß Ansprüche aus der Ge923
§160 Anm. 12
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
winnbeteiligung in Pensionsansprüche umgewandelt und damit der Berichtspflidit für das abgelaufene Geschäftsjahr entzogen worden sind. Weiterhin ist die Berichtspflicht durch Satz 4 auf die Bezüge der Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft erweitert worden, die diese von verbundenen Unternehmen erhalten. Es sind nicht die Bezüge des einzelnen Mitgliedes anzugeben, sondern die Gesamtbezüge aller Mitglieder des Vorstandes in einer, der Mitglieder des Aufsichtsrates in einer zweiten und die Gesamtbezüge der Mitglieder eines etwa vorhandenen Beirats in einer dritten anzugeben. Bezüge, die ein nach § 105 II zum Vertreter eines behinderten Vorstandsmitgliedes bestelltes Aufsichtsratsmitglied in dieser Eigenschaft erhält, fallen unter die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder. Die Bezüge jeder Gruppe sind getrennt ziffernmäßig anzugeben. Es ist unzulässig, nur mittelbar dem Leser zu ermöglichen, sie auszurechnen. Zu den Gesamtbezügen gehören alle geldwerten Leistungen, auch einmalige und außerordentliche, auch die freiwilligen, wie Jubiläumsgaben, einschließlich der Naturalbezüge (Dienstwohnung, Kraftwagen usw., soweit sie auch außerhalb des Dienstes benutzt werden darf), Auslagenerstattung, soweit diese die wirklichen Auslagen übersteigt. Dienstaufwandsentschädigung, Prämien für Versicherungen, durch die ein Vorstandsmitglied unmittelbar begünstigt ist. Die Einräumung von Bezugsrechten und Konsortialbeteiligung fällt nur hierher, wenn sie für die Gesellschaft ein Opfer bedeutet (anscheinend weitergehend Adler SozPr 38, 362). Zinsermäßigungen sind keine Bezüge. Vergütungen für Leistungen, die außerhalb der Tätigkeit als Mitglied des Vorstandes, Aufsichtsrats, Beirates liegen, zählen nicht hierher. Dagegen selbstverständlich alle verschleierten Zuwendungen. Der Hauptfall ist durch die Einfügung des Satzes 4 für die Vorstandsmitglieder ausdrücklich geregelt. Erhalten diese von verbundenen Unternehmen für ihre Tätigkeit der Gesellschaft oder für ihre Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter oder Angestellter der verbundenen Unternehmen Beträge, so sind auch diese Bezüge anzugeben, und zwar gesondert von den Gesamtbezügen des Vorstandes. Nicht ganz klar ist, ob sich die gesonderte Angabe darauf bezieht, daß für jedes Mitglied des Vorstandes, vielleicht sogar unter Nennung des betreffenden Mitglieds, die Angabe zu erfolgen hat oder ob für alle Mitglieder zusammen eine Zahl anzugeben ist, auch wenn sie von verschiedenen verbundenen Unternehmen ihre Bezüge beziehen. Wir neigen zu letzterem, da der gesetzliche Wortlaut eine ausdrückliche Aufgliederung auf die einzelnen Mitglieder des Vorstandes unter Benennung des betreffenden Mitglieds nicht vorschreibt. Da auch keine Aufgliederung der Gesamtbezüge auf die einzelnen Mitglieder erfolgt, kann man annehmen, daß dieser Grundsatz auch für die Bezüge von verbundenen Unternehmen gilt. Abs. 4 bezieht sich nicht auf die Bezüge, die ein Vorstandsmitglied von einem Konzernunternehmen als dessen Aufsichtsratsmitglied erhält. Da sich Abs. 4 nur auf die Vorstandsmit924
Inhalt des Geschäftsberichts
§160
Anm. 12,13 glieder und auf diese nur insoweit bezieht, als diese f ü r ihre Tätigkeit f ü r die Gesellschaft oder als gesetzliche Vertreter oder Angestellte des verbundenen Unternehmens beziehen, bleibt die Möglichkeit anderer verschleierter Zuwendungen noch offen, etwa solche, welche von einem verbundenen Unternehmen gemacht werden und in Wahrheit nicht ein Entgelt f ü r eine diesem, sondern eine der Gesellschaft geleisteten Tätigkeit darstellen, deren Vorstands-, Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied der Empfänger ist. Diese Beträge sind unter die Gesamtbezüge einzurechnen, weil es sich nur um verschleierte Zuwendungen handelt, die über andere Firmen geleitet wurden, letztlich aber ein Entgelt f ü r die Tätigkeit in der Gesellschaft selbst darstellen. Die Bestimmung, wonach die bisherigen in keinem Geschäftsbericht angeführten Bezüge aus anderen Geschäftsjahren anzugeben sind, ist anwendbar auf Nachzahlungen f ü r frühere Geschäftsjahre. Eine wesentliche Neuerung gegenüber dem bisherigen Recht ist die Einführung der N r . 9, unter der die Gesamtbezüge der früheren Mitglieder des Vorstandes und ihrer Hinterbliebenen anzugeben sind. Diese dürfen also nicht mehr in die Gesamtbezüge des aktiven Vorstandes nach N r . 8 einbezogen werden. Damit ist praktisch überhaupt erst möglich, die Gesamtbezüge des Vorstandes mit den Gesamtbezügen des Vorstandes anderer Gesellschaften zu vergleichen, denn man konnte nie wissen, welche Beträge, die als Pension f ü r frühere Vorstandsmitglieder und deren Hinterbliebenen gezahlt wurden, in den Gesamtbezügen enthalten waren. Insoweit war man völlig auf Schätzungen angewiesen. Jetzt kann man zwar nicht feststellen, welche Bezüge das einzelne Vorstandsmitglied hat, und damit wird die Offenlegung des Einzeleinkommens mit Recht vermieden. Man kann aber sehen, welche Aufwendungen von der Gesellschaft f ü r ihre Verwaltung zu machen sind. Allein darauf kann es den übrigen Beteiligten ankommen. I n aller Regel sind auch die Bezüge sowohl der Aufsichtsratsmitglieder untereinander wie der Vorstandsmitglieder untereinander verschieden. Für erstere haben sich gewisse Regeln herausgebildet, die man unterstellen kann. Im übrigen kann man sich auch die Mühe machen, die Satzung einzusehen, um dann genau berechnen zu können, was das einzelne Aufsichtsratsmitglied erhalten hat. Bei Vorstandsmitgliedern ist das im allgemeinen nicht möglich, weil sich hier ihre Bezüge nach der Dauer ihrer Tätigkeit in der Gesellschaft und ihren Aufgaben richten. 9. Bezüge
früherer
Vorstandsmitglieder
Anm. 13: Die nach dieser neu eingefügten N r . zu machenden Angaben sind weniger interessant als die Tatsache, daß durch ihre gesonderte A u f f ü h r u n g die Angaben unter N r . 8 einen besseren Einblick in die Verhältnisse der Gesellschaft gewähren. Was hier anzugeben ist, ist vom Gesetz bereits im wesentlichen gesagt. Praktisch kommen nur Bezüge an ehemalige Vorstands925
§160 Anm. 13,14
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
mitglieder in Frage, da weder Aufsichtsrats- noch Beiratsmitglieder solche Bezüge erhalten. Es gilt im einzelnen das zu Nr. 8 Gesagte. Erhalten frühere Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft oder ihre Hinterbliebenen von verbundenen Unternehmen Bezüge, so sind diese in einem Betrag gesondert auszuweisen. Es ist nicht erforderlich, daß das Unternehmen, das die Bezüge zahlt, genannt wird. Es genügt hier zu wissen, daß die Gesellschaft; selbst mit diesem Betrag nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar belastet ist. Audi hier bleiben Aufsichtsratsbezüge früherer Vorstandsmitglieder, die sie von verbundenen Unternehmen beziehen, außer Betracht. 10. Die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen Anm. 14: Gegenüber § 128 II Nr. 9 AktG 37 ist der Kreis der in die Beriditspflicht einbezogenen Unternehmen einerseits erweitert worden. Dort war nur von Konzernunternehmen die Rede, während jetzt alle verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 hierhergehören. Andererseits bezieht sich die Bestimmung nur auf Unternehmen mit Sitz im Inland. Das ist einmal deshalb geschehen, weil im Ausland vielfach solche Angaben nicht gemacht zu werden brauchen und die Wirtschaft nicht einseitig belastet werden sollte. Insbesondere auch deshalb nicht, weil die allgemeine Schutzklausel des bisherigen Rechts heute nur noch eingeschränkt besteht. Der Umfang der Berichtspflicht der im bisherigen Recht mit dem Ausdruck „Beziehungen zu" etwas farblos umrissen wurde, ist jetzt dadurdi genauer klargestellt, als angegeben wird, daß „über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen" zu berichten ist. Dabei werden noch besonders hervorgehoben „Vorgänge, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können". Das bedeutet vor allem, daß die rechtliche Grundlage der Verbundenheit mit dem anderen Unternehmen anzugeben ist, insbesondere auch die rechtliche Grundlage eines Konzernverhältnisses. Bei den geschäftlichen Beziehungen werden die wirtschaftlichen Auswirkungen des Geschäftsverkehrs mit dem verbundenen Unternehmen auf die berichtende Gesellschaft anzugeben sein. Wie meist bei den Angaben im Geschäftsbericht kommt es insbesondere darauf an, auf Veränderungen in rechtlicher und geschäftlicher Beziehung besonders hinzuweisen. Die Bestimmung will die durch die Verbindung mehrerer Unternehmen mögliche Unübersichtlichkeit verringern. Diesem Zweck entspricht nur eine Offenlegung, die diese Nachteile einer Verflechtung wettmacht. Die Bestimmung soll weiter dazu beitragen, die Gefahr der Ausbeutung einer Gesellschaft zum Schaden ihrer Minderheitsaktionäre durch ein übergeordnetes Unternehmen rechtzeitig zu erkennen. Uber die inneren Verhältnisse eines verbundenen Unternehmens ist nur insoweit zu berichten, als durch diese Verhältnisse die berichtende Gesellschaft selbst berührt werden könnte. Die 926
Inhalt des Geschäftsberichts
§160
Anm. 14—16
Einzelnen verbundenen Unternehmen sind mit ihrer Firma zu nennen, es sei denn, daß ausnahmsweise dadurch erhebliche Nachteile im Sinne des Abs. 4 entstehen (vgl. Möhring in N J W 66, 89). Angaben über die Zugehörigkeit zu Kartellen u. ä. Bindungen, die nach § 128 II S. 2 Nr. 9 AktG 37 zu machen waren, werden jetzt nicht mehr verlangt, da Kartelle grundsätzlich verboten sind (§ 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 5.1957, BGBl. S. 1081). Außerdem erscheint der Zusammenhang zwischen dem Jahresabschluß und der Zugehörigkeit zu einem Kartell nicht so eng, daß man auf diese Angaben für diese Fälle, in denen eine Gesellschaft einem erlaubten Kartell angehört, nicht verzichten könnte (vgl. Reg.Beg.). 11. Das Bestehen einer Beteiligung an der Gesellschaft, die ihr nach §20 Abs. 1 oder 4 mitgeteilt worden ist Anm. 15: Nach der neu eingeführten Mitteilungspflicht des § 20 hat nach Abs. 1 ein Unternehmen, dem mehr als der 4. Teil der Aktien einer Aktiengesellschaft gehören und sobald ihm mehr als 50 % gehören (Abs. 4), dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Mit Rücksicht auf die besondere Bedeutung, der eine solche Beteiligung an der Gesellschaft zukommt, ist über sie auch im Geschäftsbericht zu berichten, obwohl bereits die Gesellschaft nach § 20 VI verpflichtet war, das Bestehen einer Beteiligung in den Gesellschaftsblättern unverzüglich nach Zugang der Mitteilung bekanntzumachen. Es soll dennoch noch einmal im Geschäftsbericht darauf hingewiesen werden. Die Angaben, die hier zu machen sind, sind die gleichen wie bei der Bekanntmachung. Es muß angegeben werden, daß eine Beteiligung entweder über mehr als 25 % oder über mehr als 50 °/o besteht und wem die Beteiligung gehört. Nicht anzugeben ist der genaue Betrag der Beteiligung, den die Gesellschaft auch nicht unbedingt wissen muß, denn sie ist nicht Gegenstand der Mitteilungspflicht nach § 20. Audi nach der dortigen Bestimmung ist nur anzugeben, ob sie über 25 °/o oder über 50 % liegt (im einzelnen vgl. Anm. zu §20). VI. Die Schutzklausel Anm. 16: Nach § 128 III S. 2 AktG 37 konnte die Berichterstattung „soweit unterbleiben, wie überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern". Diese sogenannte Schutzklausel war im Reg.E. nicht vorgesehen. Auch die Ausschüsse haben alle Anträge auf Einführung dieser oder einer abgeschwächten Schutzklausel abgelehnt. Die Ausschüsse waren in ihrer Mehrheit der Auffassung, daß kein überzeugendes Beispiel für die Notwendigkeit einer solchen Schutzklausel ersichtlich sei. Namentlich müßten Nach927
§ 160
Anm. 16,17
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
teile, die sich aus der nach Abs. 2 erforderlichen Erläuterung des Jahresabschlusses in besonderen Fällen allenfalls ergeben könnten, gegenüber den Interessen an einer vollständigen Berichterstattung zurücktreten. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß eine Schutzklausel das Vertrauen in dem Geschäftsbericht aller Aktiengesellschaften gefährden und damit die aktienrechtliche Publizität, die zu verbessern eines der wesentlichen Ziele des Gesetzes sei, erheblich beeinträchtigen würde. Über die Problematik, die sich aus der Schutzklausel ergibt, vgl. oben Anm. 4. Auch die Schutzklausel, die im öffentlichen Interesse gegeben wurde, ist im Grunde überflüssig, vgl. im einzelnen dazu oben Anm. 4. Bedeutungsvoller ist die Bestimmung, wonach bei der Berichterstattung nach Abs. 3 Nr. 7 u. 10, d. h. bei den aus der Jahresbilanz nicht ersichtlichen Haftungsverhältnissen einschließlich der Bestellung von Sicherheiten für eigene Verbindlichkeiten und bei der Berichterstattung über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen Einzelheiten insoweit nicht angegeben zu werden brauchen, als nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit gerechnet werden muß, daß durch die Angaben der Gesellschaft oder einem anderen Unternehmen erhebliche Nachtele entstehen. Insoweit bei Abs. 3 Nr. 7 und 10 Einzelheiten nicht angegeben werden, weil durch die Angabe der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen würden, so muß die Tatsache, daß von der Schutzklausel Gebrauch gemacht wird, angegeben werden. Dabei muß klargestellt werden, bei welcher der beiden in Frage kommenden Nummern 7 und 10 dies geschehen ist. Es dürfte deshalb am einfachsten sein, bei diesen Nummern am Schluß der Ausführungen, die noch für tragbar gehalten werden, darauf hinzuweisen, daß im übrigen von der Schutzklausel des Abs. 4 S. 3 des § 160 Gebrauch gemacht wird. Es kann aber auch in anderer Weise und an anderer Stelle des Geschäftsberichtes geschehen. Immer muß aber die betreffende Erklärung unter Ausführung der Nr., für die die Schutzklausel beansprucht wird, erfolgen. Diese Bestimmung dürfte geeignet sein, die Anwendung der Schutzklausel einzuschränken, denn es ist für die Verwaltung mißlich, wenn jeder, der den Geschäftsbericht liest, auf diese heikle Stelle geradezu hingestoßen wird (vgl. auch Morgner und Tiefenbacher in BB 65, 1173). VII. Angabe der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat Anm. 17: Über § 80 hinaus sind im Geschäftsbericht nicht nur alle der Verwaltung angehörigen Mitglieder, sondern auch die im Laufe des Geschäftsjahres, über das berichtet wird, oder später, also bis zum Erscheinen des Berichtes ausgeschiedenen Mitglieder aufzuführen. 928
Formblätter für den Jahresabschluß
§§160/161 Anm. 18
VIII. Verstoß Anm. 18: Entspricht der Geschäftsbericht nicht den vorstehenden Bestimmungen, so haben Abschlußprüfer und Aufsichtsrat auf Behebung der Mängel hinzuwirken und, wenn dies erfolglos ist, nach §§ 166 und 171 in ihren Berichten darauf hinzuweisen. Die Abschlußprüfer haben gegebenenfalls den Bestätigungsvermerk nach § 167 einzuschränken oder zu versagen. Ein Ordnungsstrafverfahren zur Vervollständigung oder Berichtigung gibt es nicht. Das Amtsgericht ist auch gar nicht in der Lage, so weit in die Verhältnisse einzudringen, daß es beurteilen könnte, ob der Geschäftsbericht unvollständig ist. § 177 I I I nimmt ihm diese Prüfungspflicht für den Geschäftsbericht ausdrücklich ab. Nach § 407 kann eine Ordnungsstrafe festgesetzt werden, wenn § 160 V nicht befolgt wird, d. h., wenn die Namen der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates nicht angegeben werden. Fehler und Unvollständigkeiten im Geschäftsbericht haben keinen Einfluß auf die Gültigkeit des festgestellten Jahresabschlusses, auch dann nicht, wenn die Feststellung durch die Hauptversammlung erfolgt, denn die Anfechtung des Feststellungsbeschlusses kann nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt (§ 257 I). Wenn dies schon nicht möglich ist, so kann die Anfechtung erst recht nicht auf den den Jahresabschluß nur erläuternden, ergänzenden Geschäftsbericht gestützt werden. Anders ist es bei dem Beschluß der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung. Dieser könnte mit der Begründung angefochten werden, daß er auf einer fehlerhaften oder unvollständigen Berichterstattung im Geschäftsbericht beruht. Hat die Anfechtung Erfolg, haben Aktionäre die empfangene Dividende zurückzuzahlen, wenn sie nicht gutgläubig waren. Die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates werden nach § 400 Nr. 4 straffällig, wenn sie im Geschäftsbericht über die Gegenstände nach Abs. 3 falsche Angaben machen oder erhebliche Umstände verschweigen. Die Strafdrohung bezieht sich also nicht auf die sehr wesentlichen Bestimmungen des Abs. 2, weil es ihrer Natur nach sehr schwer wäre, hier eine strafrechtliche Schuld festzustellen. § 161 Formblätter für den Jahresabschluß (1) Der Bundesminister der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und den sonst für den Geschäftszweig der Gesellschaft zuständigen Bundesministern durch Rechtsverordnung Formblätter vorzuschreiben oder andere Vorschriften für die Gliederung des Jahresabschlusses zu erlassen, wenn der Geschäftszweig eine von § 151 Abs. 1, 2 und 5, §§ 152, 157, Abs. 1 und 2, § 158 abweichende Glie59
W ü h c l m i , Aktiengesetz
929
§161
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
derung des Jahresabschlusses bedingt. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. (2) H a t eine Gesellschaft mehrere Geschäftszweige und bedingen diese die Gliederung des Jahresabschlusses nadi verschiedenen Gliederungsvorschriften, so hat die Gesellschaft den Jahresabschluß nach der für einen ihrer Geschäftszweige vorgeschriebenen Gliederung auszustellen und nach der für ihre anderen Geschäftszweige vorgeschriebenen Gliederung zu ergänzen. Sowohl in § 151 wie auch i n § 157 wird festgestellt, daß die Bestimmungen für die Gliederung der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nur gelten, wenn der Geschäftszweig keine abweichende Gliederung bedingt. Darüber hinaus hat es sich als notwendig erwiesen, für gewisse Geschäftszweige besondere Gliederungen vorzuschreiben. Deshalb wurde bereits in § 1 3 4 A k t G 37 dem „Reichsminister der Justiz" die Ermächtigung erteilt, im Einvernehmen mit dem „Reichswirtschaftsminister" Formblätter vorzuschreiben oder andere Vorschriften zu erlassen, die von den Gliederungsvorschriften über die Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung abweichen oder sie ergänzen. Diese Vorschrift ist insoweit verändert übernommen worden, als der Bundesminister der Justiz von der Ermächtigung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und den sonstigen für den Geschäftszweig der Gesellschaft zuständigen Bundesministern, also z. B. mit dem Verkehrsministerium, wenn es sich um eine Luftfahrtgesellschaft handelt oder mit dem Wohnungsbauministerium, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, die auf dem Wohnungssektor tätig sein will. Gegen eine sonstige Ermächtigung können schon mit Rücksicht darauf, daß bereits § § 1 5 1 und 157 die Abweichung von den gesetzlichen Gliederungen mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Geschäftszweigs zulassen, keine Bedenken aus dem Grundgesetz geltend gemacht werden. Um Art. 80 G G , wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt sein müssen, zu entsprechen, wird festgesetzt, daß eine Rechtsverordnung durch die Formblätter vorgeschrieben oder andere Vorschriften für die Gliederung des Jahresabschlusses gegeben werden, nur dann erlassen werden kann, wenn der Geschäftszweig eine von den gesetzlichen Vorschriften, die im einzelnen aufgezählt sind, abweichende Gliederung des Jahresabschlusses notwendig macht. Bei der Aufzählung der gesetzlichen Vorschriften sind nicht nur die entscheidenden §§ 151 und 157 genannt, sondern auch die ergänzenden Bestimmungen in den §§ 152 und 158, um klarzustellen, daß auch hier von den gesetzlichen Gliederungsvorschriften abgewichen werden kann. Die nach §§ 151 und 157 vorgeschriebene Gleichwertigkeit abweichender Gliederungen muß auch in diesem Falle gewahrt bleiben. D a auch hier der Grundsatz des § 149 gilt, daß der Jahresabschluß den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen muß und so klar 930
Formblätter für den Jahresabschluß
§161
und übersichtlich aufzustellen ist, daß er einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft gibt, haben Gesellschaften, die in mehreren Geschäftszweigen tätig sind, die eine Gliederung des Jahresabschlusses nach verschiedenen Gliederungsvorschriften bedingen, ihren Jahresabschluß so aufzustellen, daß dabei die verschiedenen Gliederungsvorschriften berücksichtigt werden. Das Gesetz sagt, daß der Jahresabschluß nach einer für ihren Geschäftszweig vorgeschriebenen Gliederung aufzustellen ist und nach der zu ihrem anderen Geschäftszweig vorgeschriebenen Gliederung zu ergänzen ist. Das darf nicht allzu wörtlich aufgefaßt werden. Es könnte nämlich dadurch geschehen, daß die Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt wird. Gemeint ist, daß, wenn besondere Angaben nach einem der für die Gesellschaft in Betracht kommenden Gliederungsvorschriften zu machen sind, diese dann in den Jahresabschluß, der nach der anderen Gliederungsvorschrift aufgestellt ist, aufzunehmen sind, wenn dies, ohne die Übersichtlichkeit zu gefährden, möglich ist. Praktisch wird man sich dabei helfen können, daß bei den ergänzenden Posten eine entsprechende Bemerkung gemacht wird. In § 17 E G sind die aufgrund dieser Bestimmung bisher vorgeschriebenen Formblätter bzw. die Gesellschaften mit dem Geschäftszweig, für die diese vorgeschrieben sind, aufgeführt und bestimmt, daß die Jahresabschlüsse dieser Unternehmen nach den bisherigen Vorschriften zu gliedern sind. Es sind dies: 1. Kreditinstitute, einschl. Hypothekenbanken und Schiffspfandbriefbanken, und zwar aufgrund der „Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses der Kreditinstitute und des Jahresabschlusses der Hypothekenbanken und Schiffspfandbriefbanken" vom 28.12. 1960. Die Bankenaufsichtsbehörden des Bundesgebietes haben in Anpassung ihrer Richtlinien für die Aufstellung der Jahresbilanz in die neuen Formblätter diese Richtlinien durch eine gemeinsame Bekanntmachung vom 30. 12. 1960 ergänzt (die Wirtschaftsprüfung, Heft 3 vom 1. 2.1961, S. 78). 2. Gesellschaften, die Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs betreiben. Hierunter fallen die nach § 25 I S. 2 und II der ersten Durchführungsverordnung zum Aktiengesetz vom 29. 9. 1937 von der Einhaltung der aktienrechtlichen Gliederungsvorschriften befreit sind. Die dort verwandten Begriffe „Eisenbahn des allgemeinen Verkehrs" und „Kleinbahn" sind durch den gleichbedeutenden Begriff „Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs" ersetzt (vgl. hierzu Schmaltz-Sandig-Forster und WP- Jahrbuch 1959, S. 208 ff.; Mellerowicz in Großkomm., Anm. 4 zu § 134). 3. Gesellschaften, die Straßenbahn- und Linienverkehr nach dem Gesetz über die Beförderung von Personen zu Lande vom 4. Dezember 1934 in der 59»
931
§§161/162
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Fassung der Gesetze vom 6 . 1 2 . 1 9 3 7 (RGBl. S. 1319), vom (BGBl. S. 21) und vom 12. 9 . 1 9 5 5 (BGBl. S. 573) betreiben.
16.1.1955
4. Gesellschaften, die die Beförderung von Gütern für andere mit Kraftfahrzeugen betreiben. Zu 3. und 4. gilt das zu 2. Ausgeführte. 5. Wohnungsunternehmen, die nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. 2. 1940 (RGBl. S. 437) als gemeinnützig anerkannt sind. Soweit diese dem Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen angeschlossen sind, sind sie verpflichtet, die von dem Gesamtverband im Jahre 1951 herausgegebenen Formblätter zu benutzen. Gehören sie dem Gesamtverband nicht an, so ist für sie das nach der 1. D V O zum Aktiengesetz § 26 herausgegebene Muster 8 und 9 auch jetzt noch bindend (vgl. hierzu im einzelnen BP-Jahrbuch 1959, S. 393).
Z w e i t e r Abschnitt P r ü f u n g des Jahresabschlusses Erster Unterabschnitt Prüfung durch Abschlußprüfer § 162 Gegenstand und Umfang der Prüfung (1) Der Jahresabschluß ist unter Einbeziehung der Buchführung und des Geschäftsberichts durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Abschlußprüfer) zu prüfen. Hat keine Prüfung stattgefunden, so kann der Jahresabschluß nicht festgestellt werden. (2) Die Prüfung des Jahresabschlusses hat sich darauf zu erstrecken, ob die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über den Jahresabschluß beachtet sind. Der Geschäftsbericht ist darauf zu prüfen, ob § 160 Abs. 2 bis 5 beachtet ist und ob die sonstigen Angaben im Geschäftsbericht nicht eine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erwecken. (3) Ändert der Vorstand den Jahresabschluß oder den Geschäftsbericht, nachdem ihm der Prüfungsbericht (§ 166) vorgelegt worden ist, so haben die Abschlußprüfer den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht erneut zu prüfen, soweit es die Änderung fordert. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist unwirksam. I. Übersicht (Anm. 1) II. Gegenstand der Prüfung
932
(Anm. 2)
III. Umfang der Prüfung (Anm. 3) IV. Naditragsprüfung (Anm. 4)
Gegenstand und Umfang der Prüfung
§162
Anm. 1
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift befaßt sich im Abs. 1 mit dem Gegenstand und in Abs. 2 mit dem Umfang der Prüfung. Diese stimmen im wesentlichen mit § 135 I und II AktG 37 überein. Klar geregelt ist, daß neben dem Jahresabschluß der ganze Geschäftsbericht Gegenstand der Prüfung ist und nicht nur „soweit er den Jahresabschluß erläutert". Das war allerdings trotz der nunmehr weggefallenen einschränkenden Worte in § 135 I AktG 37 nach dem bisherigen Recht schon so, denn nach § 140 III AktG 37 können Abschlußprüfer die Bestätigung auch dann versagen oder einschränken, „wenn der Geschäftsbericht, soweit in ihm der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft dargelegt sind, offensichtlich eine falsche Darstellung von den Verhältnissen der Gesellschaft erweckt, die geeignet ist, das durch den Jahresabschluß vermittelte Bild von der Lage der Gesellschaft zu verfälschen". Der Umfang der Prüfung der einzelnen Teile des Geschäftsberichtes wird in Abs. 2 geregelt. Die Vorschrift des § 135 I AktG 37, daß ein ohne vorherige Prüfung festgestellter Jahresabschluß nichtig ist, wird in § 256 I N r . 2 aufgenommen. In Abs. 2 wird klargestellt, daß sich die Prüfung des Jahresabschlusses auf die Einhaltung der Bestimmung des Gesetzes und der Satzungen zu erstrecken hat, was letzteres in der bisher gültigen Bestimmung nicht ausdrücklich gesagt war. Der Abs. 3 ist neu. Er regelt die Naditragsprüfung für den Fall, wenn der Vorstand den Jahresabschluß oder Geschäftsbericht geändert hat. Die Naditragsprüfung bei Änderung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung ist in § 173 III geregelt. Die in § 135 I I I AktG 37 enthaltene Bestimmung über die Entscheidung einer Spruchstelle bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Abschlußprüfern und dem Vorstand ist jetzt in § 169 aufgenommen worden. Die in § 142 AktG 37 vorgesehene Ermächtigung für den „Reichsminister der Justiz", allgemeine Vorschriften über die Prüfung des Jahresabschlusses zu erlassen und für Gesellschaften von besonderer Art Ausnahmen von den Vorschriften über die Prüfung des Jahresabschlusses zuzulassen, sowie ergänzende und abweichende Vorschriften zu treffen, ist nicht in das neue Gesetz aufgenommen worden, da sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist. Ein Vorschlag des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, Sonderbestimmungen für die Prüfung von Gesellschaften, von denen Aktien von mehr als der vierte Teil Gebietskörperschaften gehören, zu erlassen, wurde abgelehnt. Der Vorschlag ging dahin zuzulassen, daß bei solchen Gesellschaften die Satzung den an ihnen beteiligten Gebietskörperschaften Rechte nach § 48 II; § 113 III zur Rechtshaushaltsordnung einräumen können. Dabei handelt es sich um die Rechte auf Prüfung der Gesellschaft durch einen dem zuständigen Minister genehmen Prüfer nach vom zuständigen Minister festgesetzten Richtlinien und auf Vorlage des Prüfungsberichtes, ferner um das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen auf Kosten der Ge933
§ 162 Anm. 1,2
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
sellschaft unmittelbar Prüfungsaufträge zu erteilen und schließlich um die Befugnis, durch einen Beauftragten des Bundesrechnungshofes Einsicht in den Betrieb und die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu nehmen. Der Gesetzgeber hielt es nicht für zweckmäßig, die in der Rechtshaushaltsordnung vorgesehenen Prüfungsrechte, die die seit 1931 bestehende aktienrechtliche Pflichtprüfung noch nicht berücksichtigen, unverändert einer aktienrechtlichen Regelung zugrunde zu legen. Damit ist erreicht, daß die Prüfungsvorschriften für alle Gesellschaften einheitlich gelten. Über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen über die Prüfung (§§ 162—167) vgl. Vorbem. vor § 148 a. E. II. Gegenstand der Prüfung Anm. 2: Gegenstand der Prüfung ist zunächst der Jahresabschluß, und zwar sein Inhalt, nicht sein Zustandekommen. Er besteht aus der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Nicht prüfungspflichtig sind Zwischenbilanzen und, wenn das Gericht es nicht besonders vorschreibt, auch nicht die Abwicklungsbilanzen (vgl. § 270 I I I ) . Einzubeziehen in die Prüfung ist die Buchführung, d. h. die Grundlage, aus der der Jahresabschluß zu entwickeln ist. Sie ist auch daraufhin zu prüfen, ob sie allgemein kaufmännischen Grundsätzen entspricht, denn nur dann kann der Jahresabschluß, wie es § 149 I S. 1 verlangt, den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechen. Weiterhin ist in die Prüfung einzubeziehen der Geschäftsbericht, und zwar grundsätzlich der ganze Geschäftsbericht im Gegensatz zum bisherigen Recht, das die Einschränkung enthielt, „soweit er den Jahresabschluß erläutert"; vgl. oben Anm. 1 und unten Anm. 3. Die Prüfung hat durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer zu erfolgen, die Abschlußprüfer genannt werden. Sie werden nach § 163 I von der Hauptversammlung gewählt. Wer wählbar ist, ergibt sich aus § 164. Es können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. Nach § 1 6 4 1 1 und I I I sind solche Abschlußprüfer ausgeschlossen, die in irgendeiner Verbindung zu der zu prüfenden Gesellschaft stehen, so daß ihre Objektivität gefährdet erscheinen könnte. Im einzelnen s. Anm. zu § 164. Nach überwiegender Meinung ist der Abschlußprüfer ein selbständiges und unabhängiges Prüfungsorgan der Gesellschaft, das eine bestimmte Kontrollfunktion unter eigener Verantwortung ausübt. Über die Haftung der Abschlußprüfer vgl. § 168, über ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit vgl. § 403. Sie sind nach § 168 zur Verschwiegenheit verpflichtet und unterliegen insoweit der Strafbestimmung des § 404. Hat keine Prüfung durch einen ordnungsmäßig bestellten und geeigneten Prüfer stattgefunden — nicht schon, wenn andere Gesetzes- oder Satzungsbestimmungen verletzt sind —, so kann der Jahresabschluß nicht festgestellt 934
Gegenstand und Umfang der Prüfung
§162 Anm. 2,3
•werden. Weder durch Billigung des Aufsichtsrates noch durch die Hauptversammlung. Er ist und bleibt letzterenfalls nicht nur anfechtbar, sondern unheilbar nichtig. Darin drückt sich aus, daß die Abschlußprüfung keine innere Angelegenheit der Gesellschaft, sondern im öffentlichen Interesse vorgeschrieben ist. Jedoch ist damit nicht gesagt, daß auch der Prüfungsbericht fertiggestellt und vor der Billigung des Jahresabschlusses dem Aufsichtsrat vorgelegt und inhaltlich von ihm zur Kenntnis genommen sein muß. Die Einsicht vor Billigung ist, wenn der Bericht schon vorliegt, Pflicht des Aufsichtsrates, und zwar jedes einzelnen Mitgliedes. Wenn aber der Bericht noch nicht fertiggestellt ist, kann es genügen, wenn die Abschlußprüfung stattgefunden hat und ihr Ergebnis bekannt ist (bestritten), denn der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluß unter eigener Verantwortung zu prüfen und es muß sich ja auch, selbst wenn sie den Jahresabschluß feststellt, die Hauptversammlung mit der Kenntnis der ihr nach § 171 vom Aufsichtsrat mitzuteilenden Ergebnisse der Prüfung begnügen, ohne daß der Bericht vorgelegt wird. Im Zeitpunkt seines Berichts an die Hauptversammlung nach § 171 muß dem Aufsichtsrat der Prüfungsbericht vorliegen, auch wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß nicht feststellt (vgl. Adler, Der Wirtschaftstreuhänder 43, S. 67; Godin ebenda, S. 151). Nachträgliche Abschlußprüfung heilt die Nichtigkeit des ohne sie festgestellten Jahresabschlusses auch dann nicht, wenn der Prüfer nichts beanstandet. Der Aufsichtsratsbeschluß, der den Jahresabschluß billigt, muß vielmehr wiederholt werden. Diese Form ist unentbehrlich, denn ließe man die Billigung des Aufsichtsrats unter der Bedingung zu, daß die nachträgliche Prüfung zu keiner Beanstandung führt, so liefe dies praktisch auf eine Abänderung der gesetzlichen Bestimmungen hinaus, daß die Prüfung der Feststellung vorangehen muß. Auch die Satzung kann nicht von dem Erfordernis der Abschlußprüfung befreien. III. Umfang der Prüfung Anm. 3: Die Neufassung des Abs. 2 verzichtet im Gegensatz zur alten Fassung darauf, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß sich der Umfang der Prüfung auch auf die Prüfung zu erstrecken hat „ob der Jahresabschluß äußerlich sachgemäß aufgestellt ist und mit dem Bestandsverzeichnis und den Geschäftsbüchern übereinstimmt", da dies selbstverständlich ist, denn die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, deren Beachtung zu prüfen ist (§§ 149, 162 II), fordern auch, daß der Jahresabschluß äußerlich in Ordnung ist. Besonders betont wird, daß sich die Prüfung des Jahresabschlusses nicht nur auf die Beachtung der Bestimmung des Gesetzes, sondern auch auf die der Satzung zu erstrecken hat. Während der Geschäftsbericht als Ganzes nach Abs. 1 Gegenstand der Prüfung ist, wird für den Umfang der Prüfung doch unterschieden zwischen den beiden Teilen, in die der Geschäftsbericht zerfällt (vgl. § 160 Anm. 1). 935
§162
Anm. 3,4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Soweit sich der Geschäftsbericht nach Abs. 1 mit der Lage des Unternehmens zu beschäftigen hat, ist er nur darauf zu prüfen, ob der Bericht eine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erweckt. Eine Prüfung des Lageberichts in allen Einzelheiten würde die Abschlußprüfer überfordern, außerdem in den Verantwortungsbereich des Vorstandes übergreifen, da der Lagebericht notwendigerweise ein stark persönlich geprägtes Urteil des Vorstandes über die Lage der Gesellschaft enthalten wird. Dagegen ist der zweite Teil des Geschäftsberichtes, der sich mit der Erläuterung und Ergänzung des Jahresabschlusses zu befassen hat, in vollem Umfange auf die Beachtung der Vorschriften des § 160 II bis V zu prüfen. Den Prüfern gegenüber kann sich der Vorstand nicht auf die Schutzklausel des § 160 I V berufen. Die Abschlußprüfer haben nicht die Geschäftsführung als solche daraufhin zu begutachten, ob sie ordnungsgemäß, zweckentsprechend und erfolgreich gewesen ist. Sie haben sich auch nicht zur Angemessenheit des Gewinnverwendungsvorschlages zu äußern. Der Prüfungsauftrag, der vom Vorstand zu erteilen ist, kann über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen. Diese bilden nur ein Mindestmaß, das unbedingt eingehalten werden muß. IV. Nachtragsprüfung Anm. 4: Eine Nachtragsprüfung ist in zwei Fällen nötig. Einmal dann, wenn der Vorstand eine Änderung des Jahresabschlusses nach Abschluß der Prüfung vornimmt, der einmal dann erfolgt ist, wenn ihm der Prüfungsbericht nach § 166 von den Abschlußprüfern vorgelegt wird, und zum anderen dann, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß festzustellen hat und dabei eine Änderung vornimmt. Hier wird nur der erste Fall geregelt, während der zweite in § 173 I I I behandelt wird. In beiden Fällen haben die Abschlußprüfer den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht erneut zu prüfen, soweit es die Änderung fordert. Das letztere bedeutet jedoch nur, daß nicht alles erneut zu prüfen ist, sondern nur die geänderten Teile, und zwar sowohl, wenn sich die Änderung auf den Jahresabschluß bezieht, als auch dann, wenn der Geschäftsbericht geändert ist. Eine Nachtragsprüfung hat aber auf alle Fälle zu erfolgen, auch wenn die Änderung noch so geringfügig ist. Es wird auch stets der bereits erteilte Bestätigungsvermerk unwirksam. Es muß ein neuer, mit neuem Datum versehener und unterzeichneter Bestätigungsvermerk erteilt werden, nachdem die Änderung geprüft ist und sich Beanstandungen nicht ergeben haben. Auf die Nachtragsprüfung finden die Vorschriften über die Abschlußprüfung Anwendung, insbesondere auch — wie das Gesetz ausdrücklich feststellt — Abs. 1 S. 2, d. h., wenn eine Nachtragsprüfung nicht stattgefunden hat, so kann der Jahresabschluß festgestellt werden. Die Bestimmung des § 256 I N r . 2, nach der ein dennoch festgestellter Jahresabschluß nichtig ist, bezieht sich sowohl auf Abs. 1 als auch auf 936
Bestellung der Abschlußprüfer
§§162/163 Anm. 4
Abs. III des § 162. Ein nachträglich geänderter Jahresabschluß ist, auch wenn die Abschlußprüfung stattgefunden hat, dann nichtig, wenn die Nachtragsprüfung unterblieben ist. § 163 Bestellung der Abschlußprüfer (1) Die Abschlußprüfer werden von der Hauptversammlung gewählt. Sie sollen jeweils vor Ablauf des Geschäftsjahrs gewählt werden, auf das sich ihre Prüfungstätigkeit erstreckt. Der Vorstand hat den gewählten Prüfern unverzüglich den Prüfungsauftrag zu erteilen. (2) Auf Antrag des Vorstands, des Aufsichtsrats oder von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen, hat das Gericht nach Anhörung der Beteiligten und des gewählten Prüfers einen anderen Abschlußprüfer zu bestellen, wenn dies aus einem in der Person des gewählten Prüfers liegenden Grund geboten erscheint, insbesondere wenn Besorgnis der Befangenheit besteht. Der Antrag ist binnen zwei Wochen seit dem Tage der Hauptversammlung zu stellen. Ihn kann nur stellen, wer gegen die Auswahl der Abschlußprüfer Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Stellen Aktionäre den Antrag, so haben sie glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Gericht oder einem Notar. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (3) H a t die Hauptversammlung bis zum Ablauf des Geschäftsjahrs keine Abschlußprüfer gewählt, so hat auf Antrag des Vorstands, des Aufsichtsrats oder eines Aktionärs das Gericht die Abschlußprüfer zu bestellen. Gleiches gilt, wenn ein gewählter Prüfer die Annahme des Prüfungsauftrags abgelehnt hat, weggefallen ist oder am rechtzeitigen Abschluß der Prüfung verhindert ist und die Hauptversammlung keinen anderen Prüfer gewählt hat. Der Vorstand ist verpflichtet, den Antrag zu stellen. Gegen die Entscheidung des Gerichts findet die sofortige Beschwerde statt; die Bestellung der Abschlußprüfer ist unanfechtbar. (4) Die vom Gericht bestellten Abschlußprüfer haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nadi der Zivilprozeßordnung statt. 937
§ 163 Anm. 1
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
(5) Die Wahl zum Abschlußprüfer kann die Hauptversammlung bis zur Vorlegung des Prüfungsberichts an den Vorstand widerrufen; vor dem Widerruf ist dem Abschlußprüfer Gelegenheit zur Stellungnahme vor der Hauptversammlung zu geben. Dies gilt auch für die von den Gründern bestellten Abschlußprüfer; wird deren Wahl widerrufen, so werden die Abschlußprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr von der Hauptversammlung gewählt. Hat das Gericht den Prüfer bestellt, so kann es auf Antrag des Vorstands die Bestellung widerrufen. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Der abberufene Abschlußprüfer hat über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung zu berichten. Für den Bericht gilt § 166. Der Vorstand hat den Bericht unverzüglich dem Aufsichtsrat vorzulegen. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, von dem Bericht Kenntnis zu nehmen. Der Bericht ist auch jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen auszuhändigen, soweit der Aufsiditsrat nichts anderes beschlossen hat. I. Übersicht (Anm. 1) II. Bestellung durch Hauptversammlung und Vorstand 1. Wahl durch Hauptversammlung (Anm. 2) 2. Prüfungsauftrag des Vorstandes (Anm. 3)
III. Bestellung eines anderen Abschlußprüfers durch das Gericht 1. Antrag (Anm. 4) 2. Das gerichtliche Verfahren (Anm. 5) IV. Bestellung durch das Gericht, wenn ein Abschlußprüfer fehlt (Anm. 6) V. Widerruf der Bestellung (Anm. 7)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschriften des § 136 AktG 37 sind nur mit geringfügigen Änderungen übernommen und ergänzt worden. Die Berechnung der Minderheit, die einen Antrag bei Gericht auf Bestellung anderer Abschlußprüfer stellen kann, ist den neuen Grundsätzen angepaßt worden. Für den Widerruf der Wahl der Abschlußprüfer wird klargestellt, daß er nur bis zur Vorlegung des Prüfungsberichtes an den Vorstand erfolgen kann. Will die Hauptversammlung die Wahl widerrufen, so ist dem Abschlußprüfer Gelegenheit zur Stellungnahme vor der Hauptversammlung zu geben. Wird er abberufen, so hat er über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung schriftlich zu berichten. Damit soll verhindert werden, daß eine nur einseitig unterrichtete Hauptversammlung die Abberufung vornimmt und der neu ernannte Abschlußprüfer keine Kenntnis von dem Ergebnis der bisherigen Prüfung des abberufenen Abschlußprüfers erhält. Die Verwaltung soll nicht in der Lage sein, bei Meinungsverschiedenheiten mit dem ursprünglich bestellten Abschlußprüfer diesen durch einen neuen ersetzen zu lassen, ohne daß dessen Prüfungsergebnis bekannt wird. 938
Bestellung der Abschlußprüfer
§163 Anm. 2
II. Bestellung durch Hauptversammlung und Vorstand 1. Wahl durch Hauptversammlung Anm. 2: Nach überwiegender Meinung ist der Abschlußprüfer ein selbständiges und unabhängiges Prüfungsorgan der Aktiengesellschaft, das eine bestimmte Kontrollfunktion unter eigener Verantwortung ausübt ( B G H 16, 17). Durch den Abschlußprüfer wird der Aufsichtsrat von Arbeit, insbesondere von solcher entlastet, die er selbst nicht leisten kann. Jedoch ist er seiner Aufsichtspflicht nicht enthoben. Der Abschlußprüfer muß, um seine Unabhängigkeit sicherzustellen, von der Hauptversammlung mit einfacher, evtl. aufgrund Satzung größerer Mehrheit gewählt werden. Eine Übertragung der Zuständigkeit zur Wahl des Abschlußprüfers auf ein anderes Organ, etwa an den Aufsichtsrat, ist nicht zulässig. Die Wahl ist nach zwingender Vorschrift jeweils nur für die Prüfung eines einzelnen Jahresabschlusses wirksam. Daß die Prüfer bereits vor Ablauf des Geschäftsjahres, auf das sich ihre Prüfungstätigkeit erstreckt, gewählt werden sollen, ist eine Sollvorschrift. Sonach kann nach Ablauf des Geschäftsjahres die Wahl noch rechtsgültig beschlossen werden, jedoch nur so lange, bis etwa gemäß Abs. 3 vom Gericht ein Abschlußprüfer bestellt ist. Vorstand und Aufsichtsrat sind verpflichtet, rechtzeitig eine Hauptversammlung zur Wahl der Abschlußprüfer einzuberufen. Es können ein oder mehrere Abschlußprüfer gewählt werden. Mehrere Prüfer können mit der Maßgabe gewählt werden, daß sie jeder selbständig oder daß sie gemeinsam prüfen sollen. Ersteres bedeutet eine mehrfache Prüfung — jeder Prüfer hat für sich den Bestätigungsvermerk zu erteilen — und ist unpraktisch, kann auch von der Hauptversammlung nicht über den Kopf des Vorstandes hinweg beschlossen werden, da sie ihm keine Prüfung über das gesetzliche Maß hinaus aufzwingen kann und § 163 nur die Auswahl des Prüfers, nicht die Anordnung der Prüfung der Zuständigkeit der Hauptversammlung überweist und letztere sich auch aus § 162 nicht ergibt. In einem solchen Fall müßte daher auch die Wahl mehrerer Prüfer angekündigt sein, um unanfechtbar vorgenommen werden zu können. Dagegen hält sich die Bestellung mehrerer Prüfer zwecks gemeinsamer Prüfung im Rahmen der Auswahl der Prüfer, gehört also zur Zuständigkeit der Hauptversammlung und braucht neben der Wahl des Abschlußprüfers für das Geschäftsjahr nicht besonders angekündigt zu werden. In einem solchen Fall können die Prüfer die Arbeit verteilen, ist das wohl auch meist der Zweck der Bestellung mehrerer Prüfer — rechtlich einfacher wird er freilich erreicht, wenn eine große Prüfungsgesellschaft mit genug Hilfskräften gewählt wird —, aber jeder ist für die ganze Prüfung verantwortlich, wenn nicht, was denkbar und zulässig ist, die Hauptversammlung selbst die einzelnen Prüfer für bestimmte Teilgebiete gewählt hat. Der Bestätigungsvermerk ist von allen Prüfern gemeinsam zu 939
§163
Anm. 2,3
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
erteilen, wozu ihre Übereinstimmung erforderlich ist. Der Bestätigungsvermerk kann, wenn ihn ein Prüfer ablehnt, hier auch von den anderen nicht erteilt werden. Ferner kann, wenn aus irgendeinem Grunde einer der Prüfer ausfällt, die Prüfung nicht durchgeführt werden. Eine nur von den anderen Prüfern durchgeführte Prüfung wäre — vorbehaltlich Auslegung des Hauptversammlungsbeschlusses — nicht ordnungsmäßig im gesetzlichen Sinne, der Jahresabschluß könnte nicht festgestellt werden, es müßte eine Hauptversammlung zur Wahl eines Abschlußprüfers berufen werden. Die Hauptversammlung kann dann natürlich die anderen Prüfer allein wählen. Werden dagegen mehrere Prüfer jeder zur selbständigen Prüfung gewählt, so ist davon auszugehen, daß die Hauptversammlung zwar im Einverständnis mit dem Vorstand mehrere Prüfungen anordnen, aber nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer ordnungsmäßigen Feststellung des Jahresabschlusses vervielfältigen kann. Es folgt daraus, daß die Prüfung durch auch nur einen der mehreren Prüfer genügt, um die Feststellung des Jahresabschlusses zu ermöglichen. Der Aufsichtsrat aber dürfte nach § 171 über das Ergebnis aller Prüfungen zu berichten haben. Es kann auch für den Fall, daß der ursprünglich Gewählte wegfällt oder im Falle eines Widerspruchs zur Niederschrift (Abs. 2), für den Fall, daß dieser Erfolg hat, hilfsweise ein anderer gewählt werden. Dies empfiehlt sich, weil dann, wenn der Abschlußprüfer infolge eines Widerspruchs oder aus anderen Gründen wegfällt, der hilfsweise Gewählte Abschlußprüfer wird, ohne daß es einer Bestellung durch das Gericht gemäß Abs. 2 oder 3 bedarf. Die im bisherigen § 136 I Akt G 37 enthaltene ausdrückliche Bestimmung, daß das Wahlergebnis in die Niederschrift aufzunehmen ist, wurde gestrichen, weil sich dies aus § 130 von selbst ergibt, denn die Wahl ist ein Beschluß und mithin in die Niederschrift aufzunehmen. 2. Prüfungsauftrag
des
Vorstandes
Anm. 3: Der Prüfungsauftrag wird durch den Vorstand erteilt. Ist auch der Wahlbeschluß der Hauptversammlung Rechtsvoraussetzung der Rechtswirksamkeit des Vertrages mit dem Prüfer, so ist doch der Vorstand dabei Vertreter im Willen, nicht nur Bote der Gesellschaft (Überbringer der Wahlerklärung der Hauptversammlung). Darin liegt, daß auch der gewählte Prüfer nicht ohne weiteres aus eigenem Antrieb die Tätigkeit aufnehmen kann. Der Vorstand ist verpflichtet, den Auftrag unverzüglich zu erteilen (Abs. 1 S. 3; Ordnungsstrafe §407). Der Prüfer kommt dadurch in die Lage, alsbald die Vorbereitung der Prüfung einzuleiten. Immerhin kann der Vorstand hinsichtlich des Beginnes der Tätigkeit des Prüfers bei Auftragserteilung, soweit es die Belange der Gesellschaft nach seiner pflichtmäßig gebildeten Meinung fordern, Vorbehalte machen. Widerrufen kann der Vorstand den Auftrag nicht. Der Vorstand ist zur unverzüglichen Erteilung verpflich940
Bestellung der Abschlußprüfer
§163 Anm. 3,4
tet. Hat er Bedenken es zu tun und den Widerspruch versäumt, muß er eine neue Hauptversammlung berufen. Anderenfalls kann er nach § 407 durch Ordnungsstrafen zur Erteilung des Auftrages angehalten werden, wenn das Gericht (z. B. durch den Prüfer) die Unterlassung des Auftrages erfährt. Auf das Rechtsverhältnis zum Prüfer sind, soweit es nicht vom Aktiengesetz geregelt ist, die Vorschriften über den Werkvertrag anzuwenden, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Die Vergütung kann frei vereinbart werden. Geschieht dies nicht, so gilt gemäß § 632 BGB die übliche Vergütung als vereinbart. Abs. 4 ist in diesem Falle nicht anwendbar. Mindestsätze sieht die Wirtschaftsprüfergebührenordnung für Pflichtprüfung vor. Kommt eine Einigung über die Vergütung nicht zustande, so liegt ein Fall des Abs. 3 vor (Ablehnung des Prüfungsauftrages). Der Prüfer ist nicht verpflichtet, den Prüfungsauftrag anzunehmen, er muß jedoch eine etwaige Ablehnung gemäß § 663 S. 1 BGB unverzüglich anzeigen. Er hat die Prüfung selbst unter eigener Verantwortung auszuführen. Übertragung an einen Dritten ist gemäß § 664 I BGB ausgeschlossen. Die Verwendung von Gehilfen ist gestattet. Weisungen hat er seitens des Vorstandes oder Aufsichtsrates nicht entgegenzunehmen. Der Abschlußprüfer kann einen Vorschuß und Ersatz seiner Aufwendungen fordern. Der Prüfungsvertrag kann seitens der Gesellschaft nach § 649 BGB jederzeit gekündigt werden, jedoch nur, wenn die Wahl durch Beschluß der Hauptversammlung widerrufen ist (s. Abs. 5), seitens des Abschlußprüfers nur im Falle des § 643 BGB. Ein Widerspruch hindert die Erteilung des Auftrages nicht, doch endet der Auftrag, wenn dem Widerspruch stattgegeben wird. Seine Durchführung wird damit unmöglich. Dem Prüfer steht ein entsprechender Teil der Vergütung zu (analog § 645 BGB). Natürlich kann darüber eine Vereinbarung getroffen werden. III. Bestellung eines anderen Abschlußprüfers durch das Gericht 1. Antrag Anm. 4: Einen Antrag an das Gericht auf Bestellung eines anderen als des gewählten Abschlußprüfers können stellen: der Vorstand, der Aufsichtsrat, beide als Kollegium, nicht die einzelnen Mitglieder, eine Minderheit von Aktionären, deren Anteile 10 °/o des Grundkapitals oder 2 Millionen D M Nennbetrag erreichen. Über die Festsetzung der Minderheit vgl. § 142, Anm. 5. Das Antragsrecht setzt Stimmrecht nicht voraus. Dies gilt auch für den hilfsweise gewählten Abschlußprüfer. Erscheint dieser nicht geeignet, so muß bereits bei seiner Wahl der Antrag gestellt werden, nicht etwa erst dann, wenn der in erster Linie Gewählte wegfällt. Voraussetzung für die Antragsteller, für alle dazu Berechtigten ist, daß sie a) gegen die Auswahl des Abschlußprüfers Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben, 941
§ 163 Anm. 4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
b) der Antrag binnen zwei Wochen seit dem Tage der Hauptversammlung gestellt wird. 2 « a): Der Widerspruch braucht bei Erklärung zur Niederschrift nicht begründet zu werden. Einer Begründung bedarf erst der bei Gericht zu stellende Antrag. Es können nur solche Gründe vorgebracht werden, die in der Person des gewählten Prüfers liegen und derart sind, daß die Bestellung eines anderen Abschlußprüfers geboten erscheint. Das Gesetz nennt „insbesondere" Besorgnis der Befangenheit. Das ist aber nicht der einzige Grund. Die Bestimmung ist an sich ähnlich der des § 142 IV bei der Sonderprüfung, jedoch mit dem Unterschied, daß dort als Gründe, einen anderen Sonderprüfer zu bestellen, besonders hervorgehoben wird, daß der bestellte Sonderprüfer nicht die für den Gegenstand der Sonderprüfung erforderliche Kenntnis hat. Das fehlt hier, weil nach § 164 nur solche Abschlußprüfer bestellt werden können, die dafür besonders geeignet sind. Zur Abschlußprüfung sind auch keine Sonderkenntnis erforderlich, wie sie mitunter bei einer Sonderprüfung notwendig sind, etwa besondere technische Kenntnisse oder dgl. Auch die in § 142 IV genannten Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Sonderprüfers werden hier mit Rücksicht auf den engen Kreis, der nach § 164 als Abschlußprüfer in Frage kommt, nicht erwähnt. In einem besonderen Ausnahmefall könnte ein solches Bedenken wohl bestehen, dann fällt es unter den allgemeinen Begriff „aus einem in der Person des gewählten Prüfers liegenden Grund". Als Begründung für die Besorgnis der Befangenheit könnte geltend gemacht werden, daß der Prüfer schon so lange geprüft hat, daß eine Einbuße seiner Unabhängigkeit zu befürchten ist (a. A. Forster in Wp 65, 391). Die nach bisherigem Recht streitige Frage, ob die Bestellung durch das Gericht nach dieser Bestimmung auch dann erfolgen könnte, wenn die Hauptversammlung weniger Prüfer als zweckmäßig oder in der Satzung vorgesehen gewählt habe, kann nach der Neuformulierung nicht mehr auftauchen, da jetzt ein solcher Antrag nur auf in der Person des gewählten Prüfers liegende Gründe gestützt werden kann; wohl aber könnte vorgebracht werden, daß der gewählte einzelne Prüfer bei dem Umfang der Prüfung ungeeignet sei und ein Prüfungsunternehmen mit großem Prüfungsstab erforderlich ist. Wurde der Widerspruch nicht zur Niederschrift erklärt, so kann er nicht nachgeholt werden, weder von der Verwaltung noch einem Aktionär, der nicht in der Hauptversammlung vertreten war. § 245 N r . 2 kann nicht analog angewendet werden. Wird der Antrag von einer Minderheit gestellt, so muß sie außer dem Nachweis, daß sie Widerspruch zur Niederschrift eingelegt hat, den Nachweis führen, daß sie seit mindestens 3 Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber der Aktien in (vgl. im einzelnen § 142 Anm. 5 a. E). Dies kann durch Depotbescheinigung, Abrechnung, Hinweis auf das Aktienbuch geschehen. Bei Namensaktien muß der Aktionär zur Zeit des Wider942
Bestellung der Abschlußprüfer
§163
Anm. 4,5
spruchs eingetragen sein, aber im übrigen ist Eintragung nicht Voraussetzung der zurechenbaren Besitzzeit. Zur Glaubhaftmachung genügt eidesstattliche Versicherung vor Gericht (z. B. dem zur Entscheidung Berufenen) oder einem Notar (z. B. dem den Widerspruch beurkundenden). Die Glaubhaftmachung kann bis zur Entscheidung über den Antrag geschehen. Vorstand und Aufsichtsrat können u. U. auch verpflichtet sein, den Antrag bei Gericht zu stellen, wenn durch die Wahl das Gesetz oder die Satzung oder das Interesse der Gesellschaft verletzt ist. 2 » b): Der Antrag ist bei dem Gericht des Sitzes der Gesellschaft (§ 14) innerhalb einer Ausschlußfrist von 2 Wochen seit dem Tage der Hauptversammlung zu stellen (vgl. § 132 Anm. 5). Wird diese Frist versäumt, so ist ein Verfahren nach Abs. 2 nicht mehr möglich. Es bleibt dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, gegebenenfalls auch der entsprechenden Minderheit von Aktionären, die Möglichkeit, eine neue Hauptversammlung einzuberufen, die die Wahl zum Abschlußprüfer nach Abs. 5 widerrufen kann. 2. Das gerichtliche Verfahren Anm. 5: Das Verfahren richtet sich nach FGG. Beteiligte sind einmal die jeweiligen Antragsteller, also der Vorstand, der Aufsichtsrat oder die Minderheit von Aktionären, stets die Gesellschaft; der gewählte Prüfer aber nur dann, wenn er bestellt ist, d. h. wenn ihm der Vorstand den Auftrag trotz des eingelegten Widerspruchs erteilt hat. Das ergibt sich daraus, daß hier im Gegensatz zu § 142 V bei der Sonderprüfung nicht gesagt wird, daß der gewählte Abschlußprüfer zu den Beteiligten gehört. Der Unterschied in der Stellung des gewählten Sonderprüfers und des gewählten Abschlußprüfers besteht darin, daß der Sonderprüfer mit der Wahl durch die Hauptversammlung bestellt wird, während der Abschlußprüfer erst aufgrund der Wahl durch den Vorstand bestellt wird. Ist das geschehen, so ist er Beteiligter, aber nicht vorher. Das mag man bedauern, weil die Gründe, die zur Einführung der Bestimmung im § 142 V geführt haben, weitestgehend auch für den gewählten, aber noch nicht bestellten Abschlußprüfer gelten. Die unterschiedliche Behandlung im Gesetz läßt u. E. aber keine andere Auslegung zu. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig, wie gegen alle Entscheidungen, die von einer Minderheit mit festem Nennbetrag veranlaßt werden können (vgl. hierzu Anm. 5 zu § 142). Wenn für das Gericht auch keine Verpflichtung besteht, den gewählten, aber noch nicht bestellten Abschlußprüfer zu hören, so kann dies doch nach § 12 FGG von Amts wegen geschehen. Die Kosten des Verfahrens trägt stets die Gesellschaft, auch wenn der Antrag zurückgewiesen wurde, als Teil der Prüfungskosten (ebenso Schl.-Qu. § 136, Anm. 14; a. A. Mellerowicz in Großkomm. § 136, Anm. 28). Dies ent943
§ 163
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 5, 6 spricht dem in der neuen Bestimmung des § 146 bei der Sonderprüfung zum Ausdruck gekommenen Gedanken. Wenn die Bestimmung auch nicht unmittelbar auf die Abschlußprüfung anzuwenden ist, so gilt auch hier, daß die Gesellschaft einen ihr nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes zustehenden Ersatzanspruch geltend machen kann, darüber hinaus auch einen Anspruch, der sich aus dem vorliegenden Gesetz ergibt, etwa wenn der Vorstand oder der Aufsichtsrat unter Verletzung seiner Sorgfaltspflicht nach §§ 93, 116 die Kosten verursacht hat. IV. Bestellung durch das Gericht, wenn ein Abschlußprüfer fehlt Anm. 6: Das Gericht hat ferner einen Abschlußprüfer zu bestellen, wenn die Hauptversammlung bis zum Ablauf des Geschäftsjahres keinen gewählt hat oder der gewählte den Auftrag abgelehnt hat oder nach § 164 nicht Abschlußprüfer sein kann, in welchem Fall das Verfahren nach Abs. 2 nicht möglich ist, oder wenn die Wahl auf Nichtigkeit oder Anfechtungsklage hin für nichtig erklärt wird, und zwar in diesen Fällen ohne vorherigen neuen Wahlversuch auf Antrag. Antragsberechtigt sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und jeder einzelne Aktionär, ohne Rücksicht auf die Höhe des Aktienbesitzes. Mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse an der Abschlußprüfung ist der Vorstand durch ausdrückliche Gesetzesvorschrift verpflichtet, einen Antrag zu stellen, er kann hierzu durch Ordnungsstrafen vom Gericht nach § 407 angehalten werden. Der Unterlassung der Wahl wird die Unterlassung einer Ersatzwahl gleichgestellt, wenn der Gewählte nicht annimmt oder (z. B. durch Widerruf der Hauptversammlung) wegfällt oder behindert ist, sein Amt auszuüben. Auch in diesem Fall hat das Gericht den Prüfer auf Antrag zu bestellen, wenn die Gesellschaft es unterläßt, vor Ablauf des Geschäftsjahres einen Ersatzmann zu bestellen. Fällt der Prüfer erst nach Ablauf des Geschäftsjahres weg, wird gleichwohl die Hauptversammlung die Vorhand vor dem Gericht haben, wenn unverzüglich gewählt wird. Bei Wegfall des Gewählten sind Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet, mit der nach der Sachlage gebotenen Beschleunigung eine außerordentliche Hauptversammlung zur Wahl eines Ersatzmannes einzuberufen, ebenso bei vorwaltenden Bedenken gegen die Person des Gewählten. Das Registergericht kann aber keinen Zwang in dieser Richtung ausüben, dagegen können die Aktionäre gegebenenfalls die Einberufung gemäß § 122 erzwingen. Kommt eine Ersatzwahl nicht zustande, kann das Registergericht gemäß § 407 mit Ordnungsstrafen den Vorstand anhalten, Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Abschlußprüfers zu stellen. Ist schon in einer früheren Hauptversammlung ein Ersatzprüfer gewählt worden, so kommt das Verfahren nach Abs. 3 nicht in Frage, vielmehr ist dann der gewählte Ersatz944
Bestellung der Abschlußprüfer
§163 Anm. 6,7
mann Abschlußprüfer. Ebenso ist die Wahl eines Ersatzmannes entbehrlich, wenn einer von mehreren Prüfern fortfällt, die die P r ü f u n g jeder selbständig f ü r sich durchführen sollte. Sollten sie die P r ü f u n g gemeinsam durchführen, so ist die Wahl eines Ersatzmannes nur dann entbehrlich, wenn der H a u p t versammlungsbeschluß ausdrücklich bestimmt oder dahin auszulegen ist, d a ß bei Fortfall eines Prüfers der andere allein die P r ü f u n g vornehmen solle. Für das Verfahren vor Gericht gilt grundsätzlich das gleiche wie f ü r das Verfahren nach Abs. 2. Auch hier ist die Entscheidung durch sofortige Beschwerde anfechtbar. Ist die Bestellung des Abschlußprüfers rechtskräftig erfolgt, so ist sie unanfechtbar, jedoch kann das Gericht selbst sie auf Antrag des Vorstandes nach Abs. 5 widerrufen. Die Bestellung durch das Gericht hat die Wirkung, die sonst die Wahl und der Abschluß des Prüfungsvertrages durch den Vorstand zusammen haben, d. h., daß durch die Annahme des Prüfers das unter Anm. 3 beschriebene Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Abschlußprüfer zustande kommt, mit der Maßgabe, daß ein vom Gericht bestellter Abschlußprüfer sich die angemessene Vergütung f ü r seine Tätigkeit und seine baren Auslagen, die selbstverständlich jeder Abschlußprüfer verlangen kann, vom Gericht festsetzen lassen kann, wenn er sich mit dem Vorstand nicht einigt. Das letztere ist in der gesetzlichen Bestimmung in Abs. 4 nicht ausdrücklich gesagt, ist aber selbstverständlich. Im allgemeinen wird diese Einigung zustande kommen. Deshalb hat das Gericht nicht von vornherein die Vergütung und die Auslagen festzusetzen, sondern nur auf Antrag des Berechtigten. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig, die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Die Bestimmung entspricht der des § 142 V I bei der Sonderprüfung. Beschwerdeberechtigt sind der Vorstand und der Prüfer, nicht aber diejenigen, welche die Bestellung nach Abs. 2 oder 3 beantragt haben. Kommt zwischen dem Vorstand und einem gewählten Abschlußprüfer keine Verständigung über die Vergütung zustande, so kann das Gericht die Vergütung nicht festsetzen. Es kann höchstens von sich aus, wenn die Voraussetzungen vorliegen, d. h. wenn der Prüfer ablehnt und die Ersatzwahl unterbleibt, denselben Abschlußprüfer nach Abs. 3 bestellen und dann nach Abs. 4 die Vergütung festsetzen. V. Widerruf der Bestellung Anm. 7: Ist der Abschlußprüfer von der Hauptversammlung gewählt, so kann diese die Wahl bis zur Vorlegung des Prüfungsberichtes an den Vorstand — nach bisherigem Recht „vor Abschluß der P r ü f u n g " — jederzeit widerrufen. Der Widerruf kann nur durch einen Hauptversammlungsbeschluß erfolgen. Dieser setzt voraus, daß dem Abschlußprüfer Gelegenheit zur Stellungnahme
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Wilhelmi, Aktiengesetz
945
§163
Anm. 7
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
vor der Hauptversammlung gegeben wurde. Das kann und wird in der Regel in der Hauptversammlung erfolgen, die sich mit dem Widerruf zu befassen hat. Es kann jedoch auch in einer vorangegangenen Hauptversammlung erfolgen. Der Sinn dieser neuen Bestimmung ist zu verhindern, daß die Hauptversammlung aufgrund einer einseitigen Information den Widerruf beschließt. Es soll verhindert werden, daß ein Vorstand, der möglicherweise in erhebliche Differenzen mit dem Abschlußprüfer gekommen ist, auf diese Weise einen ihm nicht genehmen Abschlußprüfer durch einen ihm genehmen ersetzen kann. Demselben Zweck dient die weitere neue Vorschrift, daß der abberufene Abschlußprüfer über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung zu berichten hat. Für den Inhalt des Berichtes gilt das gleiche wie für den Prüfungsbericht. H a t der abberufene Abschlußprüfer bei seiner Prüfung Tatsachen festgestellt, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder die schwerwiegende Verstöße des Vorstandes gegen Gesetz oder Satzung erkennen lassen, so muß er in seinem Bericht über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung auch dies vermerken. Der Vorstand ist verpflichtet, den Bericht unverzüglich dem Aufsichtsrat vorzulegen. Dieser hat ihn zur Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus hat aber auch jedes Aufsichtsratsmitglied das Recht und damit auch die Pflicht, von dem Bericht Kenntnis zu nehmen. Um ihm das zu erleichtern, kann er die Aushändigung des Berichtes verlangen, es sei denn, der Aufsichtsrat hat nichts anderes beschlossen. Diese letztere Bestimmung ist eine auch an anderen Stellen des Gesetzes (§ 90 V ; § 1 7 0 1 1 ; § 3 1 4 1 ; § 337 1) vermittelnde Lösung zwischen dem Regierungsentwurf, der kein Recht auf Aushändigung vorsah und einem in den Ausschußberatungen zunächst gestellten Antrag, der jedem Aufsichtsratsmitglied ein auch durch Mehrheitsbeschluß nicht entziehbares Recht einräumen wollte. Solange der Aufsichtsrat, und zwar der gesamte Aufsichtsrat, keinen Beschluß mit einfacher Mehrheit gefaßt hat, daß der Bericht nicht an jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied auszuhändigen sei, hat dies auf Verlangen zu geschehen. Niemals kann der Aufsichtsrat dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied das Recht nehmen, von dem Bericht Kenntnis zu nehmen. Die Hauptversammlung oder Aktionäre haben kein Recht auf Kenntnis des Berichtes. Auch über das Auskunftsrecht nach § 131 kann sich der Aktionär keine Information über den Inhalt dieses Berichtes verschaffen, jedenfalls dann nicht, wenn ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk vom neuen Abschlußprüfer vorliegt. Es würde zu weit führen, wollte man das Auskunftsrecht darüber zulassen, zu prüfen, ob der Bestätigungsvermerk ordnungsgemäß erteilt wurde. Nach ausdrücklicher Gesetzesbestimmung kann die Hauptversammlung auch die von den Gründern nach § 30 bestellten Abschlußprüfer abberufen, obwohl diese weder von der Hauptversammlung noch überhaupt gewählt, sondern bestellt sind. Erfolgt ihre Abberufung durch die Hauptversammlung, 946
Auswahl der Abschlußprüfer
§§163/164
Anm. 7
so sind neue Abschlußprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr von der Hauptversammlung zu wählen. H a t das Gericht nach Abs. 2 oder 3 die Abschlußprüfer bestellt, so kann es auf Antrag des Vorstandes die Bestellung widerrufen. Für das Verfahren gilt grundsätzlich das gleiche wie für die Verfahren nach Abs. 2 und 3 mit der Maßgabe, daß hier der abzuberufende Abschlußprüfer zwar nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung als Beteiligter wie nach § 142 V der abzuberufende Sonderprüfer, sondern deshalb, weil er auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung bereits nach den Grundsätzen des F G G als Beteiligter anzusehen ist. Die Hauptversammlung kann einen vom Gericht bestellten Abschlußprüfer nicht abberufen. Wählt die Hauptversammlung nach gerichtlicher Bestellung eines Prüfers einen anderen, so ist diese Wahl unwirksam. Auch wenn auf sie hin das Gericht seinen Mann abberuft, wird der Gewählte damit nicht Abschlußprüfer. Es hat vielmehr eine Neuwahl oder eine Neubestellung durch das Gericht zu erfolgen. O b das Gericht gemäß § 18 F G G von Amts wegen seine Entscheidung abändern kann, wenn ihm ein Fehler unterlaufen ist, z. B. wenn es gegen § 164 verstoßen hat, ist streitig. Hierauf kommt es mit Rücksicht auf § 407 nicht an, da das Gericht den Vorstand zur Stellung eines entsprechenden Antrages durch Ordnungsstrafen zwingen kann. Dieser ist verpflichtet, von sich aus den Antrag zu stellen. Eine Versäumung dieser Pflicht würde eine Haftung aus § 93 zur Folge haben. Einer Begründung des Widerrufs durch das Gericht bedarf es nicht. Gegen die Entscheidung des Gerichtes ist nach ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes die sofortige Beschwerde gegeben. Diese kann von der Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, oder von dem abberufenen Prüfer, eingelegt werden. Ruft das Gericht einen Prüfer ab, so hat es einen anderen zu bestellen, ebenso wenn der von ihm ernannte wegfällt. Auch wenn das Gericht den von ihm bestellten Prüfer abberuft, hat dieser über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung zu berichten. Für den Bericht und seine weitere Behandlung gilt das oben Gesagte.
§ 164 Auswahl der Abschlußprüfer (1) Nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften können Abschlußprüfer sein. (2) Ein Wirtschaftsprüfer kann nicht Abschlußprüfer sein, wenn er 1. Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft ist oder in den letzten drei Jahren vor seiner Bestellung war; 60'
947
§ 164
Anm. 1,2
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
2. gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsrats einer juristischen Person, Gesellschafter einer Personengesellschaft oder Inhaber eines Unternehmens ist, sofern die juristische Person, die Personengeselischaft oder das Einzelunternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist; 3. Angestellter eines Unternehmens ist, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist. (3) Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kann nicht Abschlußprüfer sein, 1. wenn sie oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist; 2. wenn bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die juristische Personen sind, ein gesetzlicher Vertreter, bei anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ein Gesellschafter nach Absatz 2 nicht Abschlußprüfer sein könnte; 3. wenn ein Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach Absatz 2 Nr. 1 nicht Abschlußprüfer sein könnte. I Übersicht (Anm. 1) II. Qualifikation zum (Anm. 2)
Abschlußprüfer
III. Ausschluß (Anm. 3) IV. Verstoß (Anm. 4)
I. Übersicht Anm. 1: Über den Zusammenhang, über die Bestimmung und über die Auswahl von Gründungsprüfer, Sonderprüfer und Abschlußprüfer vgl. § 143 Anm. 1. Die Vorschriften des § 137 I AktG 37 sind inhaltlich übernommen worden. Der Hinweis auf die öffentliche Bestellung der Wirtschaftsprüfer konnte als überflüssig gestrichen werden, weil die Wirtschaftsprüferordnung vom 24. 7. 1962 (BGBl. I, S. 1049) die Bezeichnung „Wirtschaftsprüfer" bzw. „Wirtschaftsprüfungsgesellschaft" den öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfern bzw. anerkannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vorbehält. Eine Änderung ist ferner gegenüber dem bisherigen Recht dadurch eingetreten, daß nicht mehr auf den Zeitpunkt der Wahl oder Bestellung abgestellt wird, sondern es wird nunmehr durch die Formulierung „können Abschlußprüfer sein" klargestellt, daß die Abschlußprüfer während der ganzen Dauer der Prüfung die Qualifikation als Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft haben müssen. Die Abs. 2 und 3 enthalten erhebliche Abweichungen vom bisherigen Recht (vgl. hierzu § 143 Anm. 1). II. Qualifikation zum Abschlußprüfer Anm. 2: Während die Auswahlbestimmungen für Gründungsprüfer (§ 33 IV) und Sonderprüfer (§ 143) nur Soll-Vorschriften sind, wird für die Wahl 948
Auswahl der Abschlußprüfer
§164
Anm. 2 , 3
der Abschlußprüfer zwingend und ausschließlich erklärt, daß nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Abschlußprüfer sein können. Damit ist der Kreis der Personen und Gesellschaften, die als Abschlußprüfer in Frage kommen, wesentlich enger gezogen als derjenige der Sonderprüfer nach § 143 oder der Gründungsprüfer nach § 33. Das hat seine Ursache darin, daß die Abschlußprüfer ein selbständiges und unabhängiges Prüfungsorgan der Gesellschaft, das eine bestimmte Kontrollfunktion unter eigener Verantwortung ausübt, sind, während bei den Sonderprüfern eine derartige Organstellung fehlt. Es kann deshalb jede Persönlichkeit Sonderprüfer werden, die vom Vertrauen derjenigen, die die Sonderprüfer bestellen, getragen wird. Nur müssen die zwingenden Bestimmungen des § 143 I I und I I I , die sich im wesentlichen mit denen des § 164 I I und I I I decken, beachtet werden. Während die Bestellung von Gründungsprüfern oder Sonderprüfern nur dann nichtig ist, wenn Personen oder Gesellschaften bestellt werden, die nicht bestellt werden können, aber voll gültig ist, wenn bei der Auswahl Personen genommen werden, die nach den Bestimmungen nicht hätten genommen werden sollen, ist dies bei den Abschlußprüfern anders; ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Abs. 1 hat die Nichtigkeit der Wahl und damit der Bestellung des Abschlußprüfers zur Folge, mit der weiteren Folge, daß die von ihnen vorgenommene Prüfung ungültig ist. Der Jahresabschluß ist demnach nicht geprüft, er kann mithin nach § 162 I nicht festgestellt werden. Geschieht dies doch, so ist er nach § 256 I Nr. 3 nichtig. Die Nichtigkeit kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger 6 Monate verstrichen sind (§ 256 V I ) . D a die Wahl eines nach Abs. 1 nicht wählbaren Abschlußprüfers nichtig ist, kommt die gerichtliche Bestellung nach § 163 II nicht in Frage, wohl aber könnte, wenn die Hauptversammlung nicht bis zum Ablauf des Geschäftsjahres eine neue gültige Wahl vornimmt, ein Antrag nach § 163 I I I auf gerichtliche Bestellung gestellt werden. Der Vorstand ist zur Stellung des Antrages verpflichtet. III. Ausschluß Anm. 3: Das Gesetz verzichtet auf die bisherige Generalklausel, wonach Personen, auf deren Geschäftsführung die zu prüfende Gesellschaft selbst oder eine andere Gesellschaft, die von der zu prüfenden Gesellschaft abhängig ist oder sie beherrscht, nicht als Abschlußprüfer zugelassen werden durften. Der Übersichtlichkeit wegen gliedert es die Gründe in solche auf, die für Wirtschaftsprüfer als Einzelpersonen (Abs. 2) und solche, die für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Abs. 3) als Abschlußprüfer gelten. Ein Wirtschaftsprüfer als Einzelperson kann nicht Abschlußprüfer sein, wenn er Mitglied eines Organs oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft ist oder in den letzten 3 Jahren vor seiner Bestellung war. Da sich die Ab949
§ 164 Anm. 3
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Schlußprüfung stets auf einen bestimmten Zeitraum, nämlich das zu prüfende Geschäftsjahr, bezieht, bedurfte es hier nicht der zusätzlichen Bestimmung in § 143 II Nr. 1, wonach auch derjenige nicht Sonderprüfer sein kann, der während der Zeit, in der sich der zu prüfende Vorgang ereignet hat, eine entsprechende Stellung bei der zu prüfenden Gesellschaft einnahm. Hiervon abgesehen ist die Bestimmung gleichlautend; vgl. § 143 Anm. 4. Das gleiche gilt für gesetzliche Vertreter, Mitglieder des Aufsichtsrates, Gesellschafter, Inhaber oder Angestellte eines mit der zu prüfenden Gesellschaft verbundenen Unternehmens. Die Bestimmungen (Nr. 2 und 3) entsprechen wörtlich denen des § 143 II Nr. 2 und 3, vgl. dort Anm. 4 b. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kann nicht Abschlußprüfer sein, a) wenn sie mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist oder wenn ein mit der Prüfungsgesellschaft verbundenes Unternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist, wenn also z. B. beide Gesellschaften von einem herrschenden Unternehmen abhängig sind ohne Konzernunternehmen zu sein, denn dann würden sie unter die erste Alternative fallen; b) wenn der gesetzliche Vertreter bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die juristische Personen sind, oder ein Gesellschafter bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die Personengesellschaften sind, aus einem der in Abs. 2 unter Nr. 1 bis 3 aufgeführten Gründe nicht Abschlußprüfer sein könnten. Das bedeutet, daß der gesetzliche Vertreter im ersten Fall und jeder Gesellschafter im zweiten Fall nicht Mitglied der Verwaltung oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft sein oder in den letzten 3 Jahren gewesen sein darf; ferner, daß gesetzliche Vertreter, Mitglieder des Aufsichtsrats, Gesellschafter, Inhaber und Angestellte eines mit der zu prüfenden Gesellschaft verbundenen Unternehmens nicht die erwähnte Stellung in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft haben dürfen. Audi diese Bestimmung ist die gleiche wie in § 143, vgl. dort Anm. 5 b; c) wenn eines ihrer Aufsichtsratsmitglieder Mitglied der Organe oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft ist oder es in den letzten drei Jahren waren. Auch hier vgl. im einzelnen § 143 Anm. 5 c. Für diese Fälle wird in § 19 EG eine Erleichterung geschaffen. Danach ist eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der zu prüfenden Gesellschaft unschädlich, wenn sie spätestens mit der Beendigung der ersten Hauptversammlung der zu prüfenden Gesellschaft endet, die nach Inkrafttreten des Aktiengesetzes stattfindet. Der Betreffende kann also Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bleiben, wenn er bei der zu prüfenden Gesellschaft seinen Aufsichtsratsposten niederlegt und es wird diese Gesellschaft auch nicht als Abschlußprüfer ausgeschlossen, obwohl der Betreffende durch die Niederlegung seines Aufsichtsratsamtes in der zu prüfenden Gesellschaft nicht ausräumen kann, daß er in den letzten 3 Jahren dieses Amt inne hatte. Diese 950
Auskunftsrecht
§§164/165 Anm. 3,4
Vergünstigung gilt aber nicht, wenn ein Mitglied des Vorstandes oder ein Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist. D a s entspricht auch der Sachlage, denn schwerlich wird ein Mitglied des Vorstandes oder ein Angestellter sein Amt in der zu prüfenden Gesellschaft niederlegen, um Aufsichtsratsmitglied bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bleiben zu können. Diese müssen, wenn die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft fähig bleiben soll, Abschlußprüfer zu werden, vielmehr ihr Aufsichtsratsmandat bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft niederlegen, und z w a r bevor diese erneut zum Abschlußprüfer bestellt wird. D a nach Abs. 3 N r . 3 eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nur dann nicht Abschlußprüfer sein kann, wenn gegenwärtig einer der in Abs. 2 N r . 1 genannten Personen ihrem Aufsichtsrat angehört, kommt bei Niederlegung der Ämter die Frist von 3 Jahren nicht in Betracht. IV. Verstoß
Anm. 4: Die Folgen eines Verstoßes gegen die Abs. 2 und 3 sind die gleichen wie gegen Abs. 1, vgl. oben Anm. 2. Auch hier ist der Wahlbeschluß der Hauptversammlung, die einen Prüfer wählt, der nach Abs. 2 oder 3 nicht gewählt werden kann, nichtig. Es muß entweder eine neue Wahl durch die Hauptversammlung stattfinden oder es kann, wenn die Voraussetzungen dazu vorliegen, nach § 163 I I I die gerichtliche Bestellung beantragt werden. Ein Jahresabschluß, der von einem Abschlußprüfer geprüft ist, der dies nach Abs. 2 und 3 nicht sein durfte, kann nicht festgestellt werden. Wird er dennoch festgestellt, ist er nach § 256 I N r . 3 nichtig mit der Maßgabe, daß die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn 6 Monate nach der Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger verstrichen sind (§ 256 VI). Dies gilt auch dann, wenn die Qualifikation des Wirtschaftsprüfers zwar bei seiner Bestellung vorhanden war, aber vor Abschluß der Prüfung wegfällt (vgl. Forster in Wp 65, 390). § 165 Auskunftsrecht (1) Der Vorstand hat den Abschlußprüfern zu gestatten, die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, zu prüfen. (2) Die Abschlußprüfer können v o m Vorstand alle A u f k l ä r u n g e n und Nachweise verlangen, welche f ü r eine sorgfältige P r ü f u n g notwendig sind. (3) Soweit es die Vorbereitung der Abschlußprüfung fordert, haben die Prüfer diese Rechte auch schon vor Aufstellung des Jahresabschlusses. 951
§165 Anm. 1,2
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
(4) Soweit es für eine sorgfältige Prüfung notwendig ist, haben die Abschlußprüfer die Redite nach den Absätzen 2 und 3 auch gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Pflichten des Vorstandes (Anm. 2)
III. Pflichten men (Anm. 3)
verbundener
Unterneh-
I. Übersicht Anm. 1: Das Auskunftsrecht der Abschlußprüfer ist nach denselben Grundsätzen wie das der Sonderprüfer in § 145 gestaltet. Der Abs. 1 über die Gestattungspflicht des Vorstandes entspricht wörtlich dem § 145 I. Auf die Anm. 2 zu § 145 wird verwiesen. Aufklärungen und Nachweise können die Abschlußprüfer nur vom Vorstand verlangen (Abs. 2). Die in § 145 II neu eingefügte Bestimmung, daß Sonderprüfer auch von Mitgliedern des Aufsichtsrates Auskunft verlangen können, fehlt hier. Sie ist nur bei der Sonderprüfung sinnvoll, weil es dort vorkommen kann, daß gerade Mitglieder des Aufsichtsrates aus ihrer persönlichen Kenntnis heraus besondere Aufklärungen für die Vorgänge geben können, mit denen sich die Sonderprüfung zu befassen hat. Gegenstand der Abschlußprüfung ist der vom Vorstand aufzustellende Jahresabschluß unter Einbeziehung der Buchführung, für deren Ordnungsmäßigkeit den Vorstand die Verantwortung trifft, und des Geschäftsberichtes, der vom Vorstand aufgestellt ist. Die Tätigkeit der Abschlußprüfer bezieht sich mithin ausschließlich auf Aufgabengebiete des Vorstandes. In einer Beziehung geht das Auskunftsrecht der Abschlußprüfer über das der Sonderprüfer hinaus — wie schon im bisherigen Recht nach § 138 III AktG 37 — als es nicht erst mit der Prüfung beginnt, sondern schon vor Aufstellung des Jahresabschlusses, der ja der eigentliche Gegenstand der Abschlußprüfung ist, wenn es die Vorbereitung der Abschlußprüfung fordert. Die im bisherigen Gesetz enthaltene Einschränkung: „und nicht die überwiegenden Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens entgegenstehen" ist nicht übernommen worden aus der allgemeinen Tendenz heraus, derartige Schutzklauseln fallenzulassen (vgl. §§ 131,145, 160). Wie bei der Sonderprüfung, § 145 III, haben auch hier (Abs. 4) die Abschlußprüfer das Recht, Aufklärungen und Nachweise nach Abs. 2 und 3 von einem Konzernunternehmen sowie von einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen der zu prüfenden Gesellschaft zu verlangen. II. Pflichten des Vorstandes Anm. 2: Die Abs. 1 und 2 handeln von der Vorlegungs- und Auskunftspflicht des Vorstandes gegenüber den Abschlußprüfern. Sie bestehen im Rah952
Auskunftsredit
§165
Anm. 2
men des Prüfungszwecks. Soweit zur sorgfältigen Erfüllung der Prüfungspflicht erforderlich, ist die Vorlegungs- und Auskunftspflicht des Vorstandes unbegrenzt. Die Bestimmungen sind zwingend und können weder durch Satzung noch durch Hauptversammlungsbeschluß eingeengt werden. Der Prüfer kann die Erteilung der geforderten Aufschlüsse erzwingen, zwar nicht mit Klage und einstweiliger Verfügung, aber indem er beim Registergericht Ordnungsstrafen gegen den Vorstand nach § 407 beantragt. Denkbar ist auch die Verweigerung einer Auskunft im Rahmen eines Streites über die Auslegung von Bestimmungen über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht. Dann kann nach § 169 I der Abschlußprüfer das nach § 132 I zuständige Gericht anrufen. Der Prüfer kann auch die Hilfe des Aufsichtsrats anrufen, der seinerseits gegen den Vorstand vorgehen kann, jedoch nur durch dessen Abberufung. Unter Umständen ist der Aufsichtsrat nicht befugt, vom Vorstand ihm gemäß § 90 erteilte, dem Prüfer aber, weil zur Prüfung nicht erforderlich, verweigerte Auskunft weiterzugeben. Wenn dem Prüfer all dies nicht aussichtsreich erscheint, kann er, freilich auf die Gefahr hin, dies im Honorarstreit rechtfertigen zu müssen, sein Amt niederlegen. Dann kann ein Fall des § 163 III vorliegen. Endlich kann der Abschlußprüfer seine Tätigkeit trotz der Verweigerung der Auskunft fortsetzen und in dem Prüfungsbericht feststellen, daß er die verlangten Aufklärungen und Nachweise nicht erhalten hat. Evtl. kann er den Bestätigungsvermerk verweigern. Die Wahrheit der dem Prüfer erteilten Auskünfte sucht das Gesetz durch eine besondere Strafandrohung (§ 400 Nr. 3) zu sichern. Über die Erfüllung der Auskunftspflicht hat der Prüfer im Prüfungsbericht nach § 166 I zu berichten. Der Vorstand allein ist es, der dem Abschlußprüfer die Einsicht in die Verhältnisse der Gesellschaft zu gestatten hat, nicht etwa der einzelne Angestellte, Kassierer usw. ohne Ermächtigung durch den Vorstand. Lehnt der Vorstand die Offenlegung ab, so darf ein Angestellter, auch wenn der Vorstand ungesetzlich handelt, nicht von sich aus dem Abschlußprüfer die Einsicht gestatten. Vorzulegen verpflichtet ist der Vorstand erstens das, was der Prüfer zu prüfen hat, nämlich den Jahresabschluß, Bücher, die ihm zugrunde liegen, sowie Vermögensgegenstände, die er aufzuführen und zu bewerten hat. Zweitens, zur Unterrichtung über die Richtigkeit des vom Vorstand aufgestellten Jahresabschlusses, die Schriften. Der Vorstand hat dem Prüfer die Prüfung der Vermögensgegenstände, also deren Besichtigung und Zählung und den Zutritt zu ihnen, die Prüfung der Bücher und Schriften, also deren Einsicht, zu gestatten. Zu den vorzulegenden Vermögensgegenständen, Büchern und Schriften gehören zwar auch die der Zweigniederlassungen, nicht aber die von Konzerngesellschaften. Hierüber s. unten Anm. 3. 953
§ 165
Anm. 2,3
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
Zur Ergänzung, nicht zum Ersatz eigener Prüfung darf der Prüfer vom Vorstand alle Aufklärungen und Nachweise verlangen. Der Vorstand ist verpflichtet, sie zu geben. Der Vorstand kann sich nicht darauf berufen, daß die Interessen der Gesellschaft eine Geheimhaltung erfordern. Diese sind geschützt durch die Schweigepflicht und Haftpflicht des Abschlußprüfers (§ 168) und seiner Strafbarkeit im Falle der Verletzung der ersteren (§ 404). Bestehen nichtsdestoweniger begründete Bedenken gegen die Verschwiegenheit des Prüfers, so kann der Vorstand bis zur Entscheidung der Hauptversammlung bzw. des Gerichtes über die von ihm unverzüglich zu beantragende Abberufung, die Auskunft vorläufig unterlassen. Die Abschlußprüfer haben nur die Ergebnisse der Geschäftsführung festzustellen, nicht aber die A r t der Geschäftsführung zu beurteilen. N u r vom Vorstand, ohne dessen Zustimmung weder vom Angestellten noch vom Aufsichtsrat, hat der Prüfer Aufklärung und Nachweise zu erhalten, andererseits braucht sich der Prüfer mit Aufklärung, die er — im Auftrage des Vorstands — nur von Angestellten erhält, nicht zufrieden zu geben. Abs. 3 läßt erkennen, daß der Abschlußprüfer, sobald er den ihm unverzüglich nach der Wahl zu erteilenden A u f t r a g erhalten hat, mit der Vorbereitung der Prüfung beginnen darf und behandelt die Vorlegung und Auskunftspflicht des Vorstandes bzw. das Recht des Prüfers auf Vorlegung und Auskunft vor Aufstellung des Jahresabschlusses. D a s Auskunftsrecht besteht für diese Zeit nicht in dem gleichen U m f a n g wie nach Aufstellung des Jahresabschlusses, der ja noch gar nicht vorliegt und auch nicht zu prüfen ist, sondern „soweit es die Vorbereitung der Abschlußprüfung fordert". Die Vorbereitung der Prüfung des erst aufzustellenden Jahresabschlusses dürfte mehr die Bucheinsicht als Auskünfte erfordern. Die Rechte, die dem Prüfer selbst zustehen, stehen auch denjenigen Personen zu, die er als Hilfspersonen zuzieht. Jedoch erfüllt der Vorstand seine Pflicht auch dann, wenn er einzelne Aufklärungen nur dem Prüfer zu erteilen und einzelne Konten oder Schriften nur diesem selbst und nicht seinem Hilfspersonal vorzulegen bereit ist. III. Pflichten verbundener Unternehmen Anm. 3: Nach der neuen Bestimmung des Abs. 4 haben mit der zu prüfenden Gesellschaft als Konzernunternehmen oder als abhängige oder herrschende oder verbundene Unternehmen den Prüfern gegenüber die gleichen Pflichten wie der Vorstand selbst nach Abs. 2, d. h. es müssen den Prüfern alle Aufklärungen und Nachweise gegeben werden, welche für eine sorgfältige Prüfung der Gesellschaft, die sie zu prüfen haben — nicht etwa des verbundenen Unternehmens — notwendig sind. D a s gilt auch für die Vorbereitung der Abschlußprüfung vor Aufstellung des Jahresabschlusses (Abs. 3). Im Regierungsentwurf war vorgesehen, daß den Abschlußprüfern in diesem Falle 954
Prüfungsbericht
§§165/166 Anm. 3 / 1
auch die Rechte aus Abs. 1 zustehen sollten. Im Gesetz ist eine solche Verweisung nicht mehr enthalten. Ein unmittelbares Prüfungsrecht bei anderen Unternehmen, wie es sich bei Anwendung des Abs. 1 ergäbe, ist mit der rechtlichen Selbständigkeit dieser Unternehmen nicht zu vereinbaren. Sie verstoßen, soweit es sich um herrschende Unternehmen handelt, auch gegen das natürliche Organisationsgefälle. Unmittelbare Prüfungsrechte erscheinen auch unnötig, weil sich der Abschlußprüfer über sein Recht, nach Abs. 2 von der Leitung des anderen Unternehmens alle Aufklärungen und Nachweise zu verlangen, alle erforderlichen Unterlagen verschaffen kann. Hinzu kommt, daß die Anwendung auch des Abs. 1 wahrscheinlich in der Praxis dazu führen würde, daß in einem Konzern für alle dem Konzern angehörenden Gesellschaften die gleichen Abschlußprüfer bestellt werden. Damit würde das Gegenteil von dem erreicht, was im Regierungsentwurf beabsichtigt war; der Abschlußprüfer würde von der Konzernspitze ausgesucht und die abhängigen Konzernunternehmen würden damit nicht von einem völlig unabhängigen, von ihnen selbst bestellten Abschlußprüfer geprüft werden (vgl. § 145 Anm. 4). § 166 Prüfungsbericht (1) Die Abschlußprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Im Bericht ist besonders festzustellen, ob die Buchführung, der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht, soweit er den Jahresabschluß erläutert, den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und ob der Vorstand die verlangten Aufklärungen und Nachweise erbracht hat. Die Posten des Jahresabschlusses sind aufzugliedern und ausreichend zu erläutern. (2) Stellen die Abschlußprüfer bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben Tatsachen fest, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder die schwerwiegende Verstöße des Vorstands gegen Gesetz oder Satzung erkennen lassen, so haben sie auch darüber zu berichten. (3) Die Abschlußprüfer haben den Bericht zu unterzeichnen und dem Vorstand vorzulegen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Inhalt des Berichtes (Anm. 2)
III. Bericht über gelegentlich der Prüfung getroffene Feststellungen (Anm. 3) IV. Vorlage des Prüfungsberichtes (Anm. 4)
I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmungen der Abs. 1 und 3 entsprechen inhaltlich denen des § 139 I und II AktG 37. Im Abs. 1 ist die Bestimmung neu eingefügt, 955
§166
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 1,2
daß die Posten des Jahresabschlusses aufzugliedern und ausreichend zu erläutern sind. Das ist geschehen, um die Aussagefähigkeit des Prüfungsberichtes zu erhöhen. Dagegen ist ein Antrag, nachdem im Prüfungsbericht die Entwicklung der Vermögens- und Ertragsverhältnisse sowie die Bilanzstruktur darzustellen sein sollten, abgelehnt worden. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß die Prüfungsberichte schon jetzt ganz überwiegend diese Darstellung enthalten. Dabei werde es auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung bleiben. Gegen eine gesetzliche Regelung spreche, daß aus einer solchen Ausweitung der gesetzlichen Berichtspflicht auf eine Erweiterung des Prüfungsumfanges geschlossen werden könnte. Neu eingefügt ist der Abs. 2, vgl. hierzu unten Anm. 3. II. Inhalt des Berichtes
Anm. 2: Der Abs. 1 bestimmt den Mindestinhalt des Prüfungsberichtes. Danach muß einmal — entsprechend dem bisherigen Recht — festgestellt werden, daß die gesetzlichen Vorschriften bei dem, was nach § 162 Gegenstand der Prüfung ist und bei der Auskunftserteilung des Vorstandes eingehalten wurden. Daneben muß — nach der neuen Bestimmung des Abs. 1 letzter Satz — der Prüfungsbericht eine Aufgliederung und Erläuterung der Posten des Jahresabschlusses enthalten. Hier wird also im Grunde mehr verlangt als eine Prüfung. Hieraus — in Verbindung mit der Bestimmung des § 170 I, wonach der Vorstand verpflichtet ist, den Prüfungsbericht unverzüglich nach Eingang dem Aufsichtsrat vorzulegen, ist zu erkennen, daß der Prüfungsbericht, wie schon seit langem üblich, wesentlich mehr enthält, als nur die Feststellung, daß in der Gesellschaft alles ordnungsgemäß zugegangen ist. Er soll durch seine Erläuterungen zum Jahresabschluß insbesondere dem Aufsichtsrat die Überwachung der Geschäftsführung erleichtern. Deshalb ist das, was das Gesetz in Abs. 1 aufzählt, in der Tat nur eine Minimalforderung. Der Bericht hat festzustellen, ob a) die Buchführung, b) der Jahresabschluß, c) der Geschäftsbericht, soweit er den Jahresabschluß erläutert, den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, d) der Vorstand seiner Auskunftspflicht nachgekommen ist. Ist dies der Fall, so genügt die einfache Feststellung, anderenfalls muß im einzelnen angegeben werden, inwiefern Beanstandungen zu erheben sind. Die Ansicht des Vorstandes ist dabei zweckmäßig anzuführen und zu erörtern. Neben der Feststellung, ob die gesetzlichen Vorschriften erfüllt sind, ist auch zu prüfen und zu berichten, ob die Satzungsbestimmungen eingehalten sind (streitig!). Wie die einleitenden Worte des Satzes 2: „im" und „ist besonders" ergeben, darf der Bericht sich nicht auf diese Feststellungen beschränken. Das ergibt sich nunmehr auch aus der Neuanfügung des letzten 956
Prüfungsbericht
§ 166 Anm. 2,3
Satzes des Abs. 1. Der Prüfer hat den Bericht schriftlich (Abs. 1 S. 1) zu erstatten und zu unterzeichnen (Abs. 3). Solange er nicht unterzeichnet ist, liegt ein ordnungsgemäßer Bericht nicht vor. Ist die Prüfung durch eine Prüfungsgesellschaft vorgenommen worden, so genügt die zur Vertretung der Gesellschaft gesetzlich oder satzungsgemäß vorgeschriebene Mindestzahl von Unterschriften zeichnungsberechtigter Mitglieder des Vertretungsorgans oder sonstiger Bevollmächtigter, da nach den Bestimmungen der Wirtschaftsprüferordnung vom 24. Juli 1962 (BGBl. 1, S. 1049) die Bezeichnung „Wirtschaftsprüfer" oder „Wirtschaftsprüfungsgesellschaften" den öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfern bzw. anerkannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vorbehalten ist. III. Bericht über gelegentlich der Prüfung getroffene Feststellungen Anm. 3: Mit der neuen Bestimmung des Abs. 2 soll eine Frage geregelt werden, die nach bisherigem Recht Schwierigkeiten bereitet hat. D a der Prüfungsbericht als Analyse des gesamten Rechnungswerks der Gesellschaft immer größere Bedeutung erlangt hat und damit weit über das ursprünglich und auch heute noch gesetzlich vorgesehene Maß der Nachprüfung, ob Gesetz und Satzung eingehalten wurden, hinausgeht, ist die Frage aufgetaucht, ob nicht für die Abschlußprüfer eine Verpflichtung besteht, auf Gefahren für die Entwicklung der Gesellschaft aufmerksam zu machen, wenn sich diese aus Tatsachen ergeben, auf die sie während der Durchführung der Prüfung gestoßen sind. Tatsächlich enthalten die Prüfungsberichte üblicherweise Aufstellungen und Gegenüberstellungen mit vorangegangenen Jahresabschlüssen, aus denen der fachkundige Leser selbst ganz bestimmte Schlüsse auf die Entwicklung des Unternehmens zieht. Mitunter enthalten auch die Prüfungsberichte selbst solche Schlußfolgerungen. Diese Entwicklung macht es notwendig, gesetzlich festzulegen, daß die Abschlußprüfer verpflichtet sind, unter gewissen Voraussetzungen auch über ungünstige Entwicklungen Bericht zu erstatten. Bereits zum geltenden Recht hat der Bundesgerichtshof ( B G H 16/17) zu der Frage dahin Stellung genommen, daß die Abschlußprüfer zu berichten haben, wenn ihnen bei der Abschlußprüfung schwerwiegende Bedenken gegen die Geschäftsführung, die Rentabilität oder Liquidität kommen. Wenn sie bei der Durchführung ihrer Pflichtaufgaben die Bedrohlichkeit der Lage erkennen oder feststellen, daß sich eine ruinöse Entwicklung anbahnt, so haben sie Vorstand und Aufsichtsrat auf ihre Erkenntnisse hinzuweisen und mit ihnen die nach ihrer Ansicht erforderlichen Maßnahmen zu besprechen. Die Entscheidung blieb nicht ohne Widerspruch, da grundsätzlich daran festgehalten werden muß, daß die Lage der Gesellschaft und die Geschäftsführung nicht Gegenstand der Abschlußprüfung und damit auch nicht Gegenstand des Prüfungsberichtes sein sollen. Nunmehr wird festgelegt, daß die Abschlußprüfer Tatsachen, die sie bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben festge957
§ § 166/167 Anm. 3 , 4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
stellt haben, dann zu berichten haben, wenn diese den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder sich aus ihnen schwerwiegende Verstöße des Vorstandes gegen Gesetz oder Satzung erkennen lassen. Es bleibt also dabei, daß die Abschlußprüfer sich nicht über die Zweckmäßigkeit von Entscheidungen des Vorstandes über Geschäftsführungsmaßnahmen zu äußern haben. Nur wenn Verstöße, und zwar, wie besonders hervorgehoben wird, nur schwerwiegende Verstöße des Vorstandes gegen Gesetz oder Satzung festgestellt werden, müssen sie darüber berichten. Ferner haben sie nur über solche Tatsachen zu berichten, die die Entwicklung des Unternehmens wesentlich beeinflussen können, nicht über solche, die sich nur ganz allgemein schädlich auswirken könnten. Ferner über solche, die den Bestand des Unternehmens gefährden. Nach den Bestimmungen des Abs. 2 wird, wie in der Regierungsbegründung zutreffend ausgeführt wird, ein Bericht nur in schwerwiegenden Fällen gefordert, also nicht schon dann, wenn der Abschlußprüfer sieht, daß die Lage der Gesellschaft angespannt ist oder wenn er leichtere Gesetzes- oder Satzungsverstöße entdeckt. Die Bestimmung des Abs. 2 unterscheidet sich dadurch wesentlich von der des Abs. 1, als dort auch der geringste Verstoß gegen Gesetz oder Satzung festzustellen und im Bericht festzuhalten ist, wenn es sich um die Buchführung, den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht, soweit er den Jahresabschluß erläutert, handelt. IV. Vorlage des Prüfungsberichtes
Anm. 4: Die Abschlußprüfer haben den Bericht dem Vorstand vorzulegen. Der Bericht hat nicht die gleiche Publizität wie der der Sonderprüfer. Er ist nicht dem Handelsregister einzureichen. Der Bericht selbst ist eine interne Angelegenheit der Verwaltung. Der Vorstand hat ihn nach § 170 unverzüglich nach Eingang dem Aufsichtsrat vorzulegen, der ihn bei seiner Prüfung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen hat. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, von dem Prüfungsbericht Kenntnis zu nehmen. Er ist ihm auf Verlangen auszuhändigen, sofern der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat (§ 170 III, s. Anm. dort). Die Hauptversammlung wie auch die einzelnen Aktionäre haben keinen Anspruch auf Einsicht des Prüfungsberichtes. Sie erhalten nur Kenntnis über das Ergebnis der Prüfung durch den Bericht des Aufsichtsrats nach § 171 an die Hauptversammlung. § 167 Bestätigungsvermerk (1) Sind nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben, so haben die Abschlußprüfer dies durch folgenden V e r m e r k zum Jahresabschluß zu bestätigen:
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Bestätigungsvermerk
§167
Anm. 1
Die Buchführung, der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht entsprechen nach meiner (unserer) pflichtmäßigen P r ü f u n g Gesetz und Satzung. (2) Sind Einwendungen zu erheben, so haben die Abschlußprüfer die Bestätigung einzuschränken oder zu versagen. (3) Die Abschlußprüfer haben den Bestätigungsvermerk mit Angabe von O r t und T a g zu unterzeichnen. D e r Bestätigungsvermerk ist auch in den Prüfungsbericht aufzunehmen. I. Übersicht ( A n m . 1) II. Erteilung des Bestätigungsvermerks (Anm. 2)
I I I . Inhalt des Bestätigungsvermerks (Anm. 3) I V . Einschränkung oder V e r s a g u n g des Bestätigungsvermerks (Anm. 4)
I. Übersicht
Anm. 1: Die Bestimmungen des § 1 4 0 1 und I I A k t G 37 sind inhaltlich übernommen, aber in der Form wesentlich gestrafft worden. Für den Bestätigungsvermerk ist nunmehr ein bestimmter Wortlaut vorgeschrieben, in dem zwar nach wie vor von der pflichtmäßigen Prüfung die Rede ist, nicht aber mehr ausdrücklich betont wird, daß dieser auf der Einsicht der Bücher und der Schriften der Gesellschaft sowie der vom Vorstand erteilten A u f klärung und Nachweise beruht. Eine sachliche Änderung besteht darin, daß sich der Bestätigungsvermerk nunmehr auf den gesamten Geschäftsbericht bezieht. Die Einschränkung, „soweit er den Jahresabschluß erläutert", ist weggefallen, weil nach § 162 II der Geschäftsbericht darauf zu prüfen ist, ob § 160 I I bis V beachtet ist und ob die sonstigen Angaben im Geschäftsbericht nicht eine falsche Vorstellung von der L a g e der Gesellschaft erwecken. Aus dem gleichen Grunde ist die Bestimmung des § 140 I I I A k t G 37 nicht mehr übernommen worden. Diese ging dahin, daß die Abschlußprüfer die Bestätigung auch dann versagen oder einschränken können, wenn der Geschäftsbericht, soweit in ihm der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft dargelegt sind, offensichtlich eine falsche Darstellung von den Verhältnissen der Gesellschaft erweckt, die geeignet ist, das durch den Jahresabschluß vermittelte Bild von der Lage der Gesellschaft zu verfälschen. Durch die ausdrückliche Einbeziehung des Teils des Geschäftsberichtes, der sich mit der allgemeinen Darstellung der Lage der Gesellschaft befaßt, in die Prüfung nach § 162 ergibt sich von selbst, daß der Bestätigungsvermerk einzuschränken ist, wenn dieser Teil des Geschäftsberichtes eine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erweckt. Die neue Bestimmung ist in zweierlei Hinsicht erweitert. Es ist weder eine „offensichtlich" falsche Darstellung erforderlich noch muß die Darstellung geeignet sein, das durch den Jahresabschluß vermittelte Bild von der Lage der Gesellschaft zu verfälschen. Es genügt eine Darstellung, die geeignet ist, falsche Vorstellungen zu erwecken, ohne daß ein Zusammenhang mit dem Jahresabschluß bestehen müßte. 959
§167
Anm. 2, 3
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
II. Erteilung des Bestätigungsvermerks Anm. 2: Der Bestätigungsvermerk ist zu erteilen, wenn nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben sind. N u r das abschließende Ergebnis ist maßgebend. Sind ursprünglich vorhandene Beanstandungen durch Verhandlungen mit der Verwaltung beseitigt, so darf ihretwegen der Vermerk nicht versagt oder eingeschränkt werden. Durch die Einfügung der Worte im Abs. 1 „zum Jahresabschluß" ist klargestellt, daß der Bestätigungsvermerk in den Jahresabschluß als Teil des Jahresabschlusses aufzunehmen ist. Ferner ist er nach Abs. 3 auch in den Prüfungsbericht aufzunehmen. In beiden Fällen ist er vom Abschlußprüfer mit Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen. Diese Bestimmung ist als solche neu, nicht der Sache nach, denn es wurde schon bisher ganz allgemein so verfahren. Die Aufnahme einer besonderen gesetzlichen Bestimmung erschien deshalb zweckmäßig, weil der Tag der Ausstellung mit Rücksicht auf die Vorschriften über die Nachtragsprüfung (§ 162 I I I ; § 173 III) eine neue Bedeutung gewonnen hatte. Der Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks kann für die Frage seiner Gültigkeit entscheidend sein. Die Gesellschaft hat einen klagbaren nach § 888 Z P O vollstreckbaren Anspruch auf Erteilung des Bestätigungsvermerks. Schuldhafte Verzögerung, Nichterfüllung, desgleichen unbegründete Versagung oder Einschränkung des Bestätigungsvermerks, sein unbegründeter Widerruf machen den Prüfer schadensersatzpflichtig. Beruft sich der Prüfer auf zu machende erhebliche Einwendungen, so ist freilich sein pflichtmäßiges Ermessen maßgebend, wenn es sich um Ermessensfragen handelt, ohne daß das Gericht dieses nachzuprüfen hätte. Sind Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abschlußprüfer und der Gesellschaft über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht aufgetaucht, so kann der Abschlußprüfer wie auch die Gesellschaft nach § 169 das nach § 132 I zuständige Gericht anrufen. III. Inhalt des Bestätigungsvermerks Anm. 3: Der Bestätigungsvermerk ist scharf zu trennen von dem Prüfungsbericht nach § 166. Während letzterer nur intern für die Verwaltung bestimmt ist, ist sein Resumé, der Bestätigungsvermerk, der Öffentlichkeit mitzuteilen. Damit übernimmt ihr gegenüber der Prüfer die Mitverantwortung für Jahresabschluß und Geschäftsbericht. Das Gesetz schreibt entgegen dem bisherigen Recht nunmehr einen festen Inhalt für den Bestätigungsvermerk vor, von dem nicht abgewichen werden kann, wenn nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben sind. Inhaltlich läuft der Bestätigungsvermerk darauf hinaus, daß die Buchführung, der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht dem Gesetz und der Satzung entsprechen. Neu eingefügt sind die Worte „und Satzung", damit klargestellt ist, daß auch dies 960
Bestätigungsvermerk
§167
Anm. 3,4
Gegenstand der Prüfung ist. Das entspricht der neuen Formulierung in § 162 I I , wo ebenfalls bereits ausdrücklich gesagt wird, daß sich die Prüfung darauf zu erstrecken hat, ob die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung beachtet sind. Darüber, daß die Prüfung des Geschäftsberichtes erweitert ist, vgl. Anm. 2 und 3 zu § 162 und oben Anm. 1. Es muß ferner bestätigt werden, daß die Feststellungen sich aus der pflichtmäßigen Prüfung ergeben. Was unter pflichtmäßiger Prüfung zu verstehen ist, ergibt sich einmal aus § 168. Danach sind die Prüfer zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet, ferner aber auch aus dem Grundsatz der Vollständigkeit des Prüfungsberichtes nach § 166 unter Berücksichtigung der zusätzlichen Verpflichtung aus § 166 II in Verbindung mit der Strafbestimmung des § 403, die nicht nur eine falsche Berichterstattung, sondern auch eine unvollständige unter Strafe stellt. IV. Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks Anm. 4: Es sind nicht nur bedeutungslose Einwendungen zu erheben, mag es sich auch nur um Verstöße gegen die Satzung handeln, so ist der Bestätigungsvermerk nach billigem Ermessen des Prüfers einzuschränken oder zu versagen. Ersterenfalls muß die Einschränkung zugleich ihre Begründung ergeben. Unzulässig wäre eine Einschränkung, die nur darin besteht, daß einzelne Punkte des gesetzlich vorgeschriebenen Wortlauts des Bestätigungsvermerks fortgelassen werden. Wird der Vermerk eingeschränkt oder versagt, so muß dies ebenso „zum Jahresabschluß" (Abs. 1) wie im Prüfungsbericht (Abs. 3) schriftlich erklärt werden. Dafür, ob zu versagen oder einzuschränken ist, ist maßgebend, ob die Einwendungen sich abgrenzen lassen, so daß eine Einschränkung formuliert werden kann, ferner unter dem gleichen Gesichtspunkt, ob sie nicht zu zahlreich oder so erheblich sind, daß dadurch der Jahresabschluß im ganzen unrichtig ist, ferner ob infolge Verweigerung der geforderten Auskünfte und Nachweise oder Unzulänglichkeit und Mangelhaftigkeit der Prüfungsunterlagen, insbesondere der Buchführung, keine Möglichkeit vorlag, den Jahresabschluß zuverlässig zu prüfen, so daß ein Urteil über ihn nicht möglich ist. Beziehen sich die Einwendungen nur darauf, daß beispielsweise der Geschäftsbericht nicht völlig den gesetzlichen Bestimmungen entspricht oder daß die einzelnen Gliederungsvorschriften oder andere nicht zwingende Gesetzes- oder Satzungsbestimmungen nicht eingehalten wurden, so wird in der Regel der Bestätigungsvermerk nur einzuschränken sein. Der Bestätigungsvermerk ist auch dann einzuschränken, wenn der Geschäftsbericht Angaben enthält, die eine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erwecken (§ 162 II). Nicht aber, wenn bei Durchführung der Prüfung Tatsachen festgestellt werden, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder 961 61
Wilhelmi, Akciengesetz
§§ 167/168 Rechnungslegung • Gewinnverwendung Anm. 4 schwerwiegende Verstöße des Vorstandes gegen Gesetz oder Satzung vorliegen (§ 166 II), sofern diese nicht unmittelbar Einfluß auf den Prüfungsgegenstand nach § 162 haben. Sie müssen nur in den Prüfungsbericht aufgenommen werden. Ändert der Vorstand den Jahresabschluß oder den Geschäftsbericht, nachdem der Prüfungsbericht mit Bestätigungsvermerk vorgelegt worden ist (§ 162 III) oder ändert die Hauptversammlung den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß (§ 173 III), so haben die Abschlußprüfer den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht erneut zu prüfen, soweit es die Änderung fordert. Ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist unwirksam (§ 173 III). § 168 Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer (1) Die Abschlußprüfer, ihre Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie dürfen nicht unbefugt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verwerten, die sie bei ihrer Tätigkeit erfahren haben. Wer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt, ist der Gesellschaft und, wenn ein Konzernunternehmen oder ein herrschendes oder abhängiges Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner. (2) Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, beschränkt sich auf fünfhunderttausend Deutsche Mark für eine Prüfung. Dies gilt auch, wenn an der Prüfung mehrere Personen beteiligt gewesen oder mehrere zum Ersatz verpflichtende Handlungen begangen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich gehandelt haben. (3) Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht, wenn eine Prüfungsgesellschaft Abschlußprüfer ist, auch gegenüber dem Aufsichtsrat und den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft. (4) Die Ersatzpflicht nach diesen Vorschriften kann durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. (5) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. I. Übersicht (Anm. 1) II. Der haftende Personenkreis (Anm. 2) III. Haftung für: 1. Durchführung der Prüfung (Anm. 3) 962
2. Verschwiegenheit (Anm. 4) 3. Verschulden (Anm. 5) IV. Einschränkung der Haftung (Anm. 6) V. Ausschluß der Haftung (Anm. 7) VI. Verjährung (Anm. 8)
Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer
§ 168 Anm. 1—3
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift weicht von § 141 AktG 37 nur geringfügig ab. In Abs. 1 ist als Folge der Auskunftspflicht von Konzernunternehmen und herrschenden und abhängigen Unternehmen nach § 165 IV die Ersatzpflicht des Prüfers auf die Schädigung dieser Unternehmen ausgedehnt worden. Dabei kommt es aber nicht darauf an, ob die Sdiädigung gerade durch eine Auskunftserteilung dieser Unternehmen verursacht wurde, vielmehr gilt die Ersatzpflicht schlechthin, auch wenn eine Auskunft der Unternehmen überhaupt nicht vom Prüfer in Anspruch genommen wurde. In Abs. 1 S. 3 sind neu eingefügt die Worte „vorsätzlich oder fahrlässig", womit klargestellt werden sollte, daß nur bei schuldhafter Pflichtverletzung gehaftet wird. In Abs. 3 wurde die Ausnahmebestimmung gestrichen, wonach der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft und sein Stellvertreter die Prüfungsberichte einsehen durften. Die dadurch entstehende geringere Oberwachungsmöglichkeit der Prüfungsgesellschaft durch deren Aufsichtsrat ist bewußt zugunsten einer streng durchgeführten Verschwiegenheitspflicht bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Kauf genommen worden (vgl. Regierungsbegründung). Für die Verantwortlichkeit sowohl der Gründungsprüfer (§ 49) als auch der Sonderprüfer (§ 144) wird auf die vorliegende Bestimmung für die Abschlußprüfer verwiesen. II. Der haftende Personenkreis Anm. 2: Den Abschlußprüfern sind, wie selbstverständlich, die gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft gleichgestellt, vorausgesetzt, daß sie bei der Prüfung mitwirken. Angestellte einer solchen, welche die Prüfung selbst durchführen, sind neben der Gesellschaft Prüfer, nicht etwa Hilfspersonen. Unter Gehilfen der Abschlußprüfer sind alle Hilfspersonen zu verstehen, deren sich diese zur Ausübung der Prüfung bedienen. Dazu gehören auch diejenigen, die untergeordnete Tätigkeit verrichten, wie z. B. Stenotypistinnen. Bei letzteren kommt allerdings praktisch nur eine H a f t u n g wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht in Frage. Es hat für die Hilfsperson nicht nur der Prüfer einzutreten, sondern sie haftet nach § 823 (II) BGB mit §§ 403, 404 der Gesellschaft, evtl. auch den Aktionären oder Dritten unmittelbar. III. Haftung für 1. Durchführung der Prüfung Anm. 3: Die Prüfung muß gewissenhaft und unparteiisch sein. Darunter ist nicht nur ein subjektiver, sondern ein objektiver Maßstab zu verstehen. Damit wird ausgedrückt, daß der Prüfer ohne Rücksicht auf andere Personen 963
§168
Anm. 3,4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
nicht nur die Interessen der Gesellschaft, sondern auch der Gläubiger, Aktionäre und Allgemeinheit nach rein sachlichen Erwägungen im Auge halten muß. Die Prüfung muß unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften und der anerkannten Buchführungs- und Bilanzführungsgrundsätze durchgeführt werden. Der Prüfer kann sich nicht auf mangelnde Sachkenntnis berufen. 2.
Verschwiegenheit
Anm. 4: Der Prüfer ist ferner zeitlich unbegrenzt bei Strafe (§ 404) zur Verschwiegenheit, daher auch zur Geheimhaltung des Prüfungsberichtes nebst Unterlagen verpflichtet. Diese Pflicht erstreckt sich auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft, nicht nur auf die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im eigentlichen Sinne, die das Gesetz ausdrücklich hervorhebt, d. h. Umstände, die nach dem Willen der Beteiligten geheim bleiben sollen und niemand oder nur wenigen bekannt und erkennbar sind. Es besteht grundsätzlich gegenüber allen Personen, gegenüber den Angestellten der Gesellschaft, soweit ihnen eine Angelegenheit dienstlich nicht bekannt ist. Jedoch ergeben sich aus der Sache folgende Ausnahmen: Sie besteht nicht gegenüber dem Vorstand, der kraft seines Amtes über alle Dinge Bescheid wissen muß, und seinen Mitgliedern. Ferner nicht gegenüber Mitgliedern des Aufsichtsrates. Dagegen ist der Prüfer berechtigt, vor den Strafgerichten und Strafverfolgungsbehörden das Zeugnis zu verweigern (§ 53 I Nr. 3), ebenso vor den Zivilgerichten (§ 383 I Nr. 5 ZPO). Auf allgemein bekannte Dinge erstreckt sich die Verschwiegenheitspflicht nicht. Jedoch darf der Prüfer Berichte in der Presse, auch wenn sie richtig sind, nicht etwa bestätigen. Die Gesellschaft kann dem Prüfer Mitteilungen ausdrücklich oder stillschweigend gestatten. Der Prüfer ist nicht nur zur Verschwiegenheit verpflichtet, sondern er darf grundsätzlich auch nichts von dem, was er aus Anlaß oder bei Gelegenheit der Prüfung wahrgenommen hat, zu eigenen Zwedken unbefugt verwerten. Unbefugt ist die Verwertung stets dann, wenn keine ausdrückliche oder stillschweigende Erlaubnis der Gesellschaft vorliegt oder keine besondere Rechtspflicht zur Mitteilung besteht, z. B. Pflicht zur Erstattung einer Anzeige (§ 139 StGB). Bei Prüfungsgesellschaften, deren Vorstand oder Geschäftsführung von einem Aufsichtsrat überwacht wird, ergibt sich das Problem, inwieweit sich die Überwachungspflichten des Aufsichtsrates mit der Verschwiegenheitspflicht vereinen lassen. In Abs. 3 wird nunmehr eindeutig festgelegt, daß die Verschwiegenheitspflicht den Vorrang hat. Die Zwischenlösung des bisherigen Rechts, wonach der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft und sein Stellvertreter ein Einsichtsrecht in die Prüfungsberichte hatte, 964
Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer
§ 168
Anm. 4—6
aber die dabei erlangte Kenntnis nur zur Erfüllung der Überwachungspflicht des Aufsichtsrates benutzen durfte, ist nicht übernommen worden. Man hat bewußt auch die Einschränkung, die die Überwachungspflicht damit möglicherweise erleidet, zugunsten des Vorrangs der absoluten Verschwiegenheitspflicht der Abschlußprüfer in Kauf genommen. 3. Verschulden Anm. 5: Wer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt, ist der Gesellschaft und, wenn ein Konzernunternehmen oder ein herrschendes oder abhängiges Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Das gilt sowohl für die Art der Durchführung der Prüfung wie für die Verschwiegenheitspflicht. Unparteilich sind die Prüfer, wenn sie sich davor hüten, der Verwaltung gefällig zu sein. Vorstehendes gilt sowohl für den Prüfer selbst als auch für seine Gehilfen aller Art. Letztere haften also bei Verletzung ihrer spezifischen Pflichten unmittelbar der Gesellschaft, aber natürlich nur, soweit sie ein Verschulden trifft, z. B. nicht, wenn der Prüfer einen von ihnen festgestellten Verstoß in seinem Bericht verschweigt. Der Prüfer haftet nach der vorliegenden Bestimmung für seine Gehilfen nicht, soweit er nicht eigene Pflichten verletzt, indem er unterläßt, ihre Pflichtverletzung abzuwenden oder unschädlich zu machen (h. A.). § 278 BGB ist wegen der infolge der gesteigerten Sorgfaltspflicht höchst persönlichen N a t u r der Leistungen unanwendbar (a. A. Mellerowicz in Großkomm. § 141, Anm. 11), wenn es sich um Versehen anderer Gehilfen bei Erfüllung ihrer Obliegenheiten, z. B. von Schreibgehilfen und dgl., handelt. H a f t u n g für Gehilfen besteht nur aus § 831 BGB in den Fällen der §§ 403 und 404. Von dieser H a f t u n g kann der Prüfer sich durch den Nachweis gewissenhafter und unparteilicher Auswahl, Anweisung und Überwachung befreien. Außerdem kann darauf im voraus verzichtet werden. Die H a f t u n g besteht nur gegenüber der Gesellschaft und etwa geschädigter Konzernunternehmen oder herrschenden oder abhängigen Unternehmen, nicht gegenüber anderen Dritten, auch nicht gegenüber sonstigen Aktionären oder den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern. § 168 ist nicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II anzusehen, wohl aber §§ 403 und 404, so daß aufgrund dieser Bestimmung auch ein geschädigter Aktionär oder Gläubiger den Abschlußprüfer haftbar machen kann. IV. Einschränkung der Haftung Anm. 6: Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, beschränkt sich auf 500 000,— D M für eine Prüfung. Daneben haften diejenigen, die vorsätzlich gehandelt haben in voller Höhe. Ist z. B. durch das vorsätzliche Verhalten eines Prüfers ein Schaden von 1 Million D M entstanden und hat dieser Prüfer 500 000,— D M auf seine Schadensersatzschuld von 965
§§ 168 / 1 6 9
Anm. 6—8
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
1 Million D M gezahlt, so entfällt jede weitere H a f t u n g , der nur für Fahrlässigkeit verantwortlichen Personen. H a t im gleichen Beispiel der vorsätzlich handelnde Prüfer nur 200 000,— D M gezahlt, so haften die übrigen als Gesamtschuldner nur noch wegen eines Betrages von 300 000,— D M . In diese Haftungsgrenze wird auch eine etwaige H a f t u n g für Gehilfen aus § 831 B G B einzubeziehen sein. Soweit eine H a f t u n g nach § 276 B G B bestehen kann, gilt auch hier die Einschränkung zugunsten des Prüfers nach Abs. 2. Prüfungsgesellschaften haften für Pflichtverletzung ihrer gesetzlichen und verfassungsmäßigen Vertreter nach § 31 B G B unbeschränkt, für Fahrlässige gemäß Abs. 2 beschränkt. Daneben haften aber auch gesetzliche Vertreter oder Angestellte, welche die Prüfung durchgeführt haben oder bei der Prüfung mitgewirkt haben, als Prüfer oder Prüfungsgehilfen selbst. V . Ausschluß der H a f t u n g Anm. 7: Die Ersatzpflicht der Prüfer und ihrer Gehilfen kann durch Vertrag im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden, wohl aber kann nachträglich, wenn die Verfehlung bekannt ist, auf Ersatz verzichtet werden. Eine Erweiterung der H a f t u n g ist auch im voraus grundsätzlich möglich. Fraglich ist jedoch, ob die H a f t u n g für Fahrlässigkeit über die Grenzen des Abs. 2 hinaus erweitert werden kann (Mellerowicz in Großkomm. § 141 Anm. 19; Baumbach-Hueck § 141 Anm. 4 B). Die Minderheit hat kein Recht, zu verlangen, daß die H a f t u n g geltend gemacht werde. V I . Verjährung
Anm. 8: Die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre und beginnt mit der Vollendung des den Ersatzanspruch begründenden Verhaltens, das ist, sofern die T a t im Prüfungsbericht liegt, dessen Unterzeichnung, im übrigen mit Vollendung der Tat. Auf die Kenntnis der Gesellschaft kommt es nicht an. Erlangt diese erst nach Ablauf von 5 Jahren Kenntnis, so kann sie nur noch gegebenenfalls nach §§ 823 ff. B G B vorgehen. Dieser Anspruch verjährt z w a r nach § 852 Abs. 1 B G B in 3 Jahren. Die Verjährungsfrist läuft aber erst von dem Zeitpunkt an, an welchem der Verletzte von dem Schaden Kenntnis erlangt.
§ 169 Meinungsverschiedenheiten zwischen Gesellschaft und Abschlußprüfern (1) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Abschlußprüfern und der Gesellschaft: über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht entscheidet auf Antrag eines Abschlußprüfers oder des Vorstands das nach § 132 Abs. 1 zuständige Gericht. 966
Meinungsverschiedenheiten
§169 Anm. 1,2
(2) § 99 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 2, 4 bis 9 und Abs. 5 Satz 1 gilt sinngemäß. Die sofortige Beschwerde findet nur statt, wenn das Landgericht sie in der Entscheidung für zulässig erklärt. Es soll sie nur zulassen, wenn dadurch die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erwarten ist. (3) Für die Kosten des Verfahrens gilt die Kostenordnung. Für das Verfahren des ersten Reditszugs wird das Doppelte der vollen Gebühr erhoben. Für den zweiten Rechtszug wird die gleiche Gebühr erhoben; dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde Erfolg hat. Wird der Antrag oder die Beschwerde zurückgenommen, bevor es zu einer Entscheidung kommt, so ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte. Der Gesdiäftswert ist von Amts wegen festzusetzen. Er bestimmt sich nach § 30 Abs. 2 der Kostenordnung. Der Abschlußprüfer ist zur Leistung eines Kostenvorschusses nicht verpflichtet. Schuldner der Kosten ist die Gesellschaft. Die Kosten können jedoch ganz oder zum Teil dem Abschlußprüfer auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anwendungsbereich (Anm. 2)
III. Das gerichtliche Verfahren (Anm. 3) IV. Kosten (Anm. 4)
I. Übersicht Anm. 1: Abs. 1 übernimmt im wesentlichen die Vorschrift des § 135 III AktG 37. Es handelt sich um Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abschlußprüfer und der Gesellschaft, nicht wie nach bisherigem Recht, dem Vorstand. Damit wird klargestellt, daß auch dann, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt und dabei Meinungsverschiedenheiten mit dem Abschlußprüfer auftreten, die vorliegenden Bestimmungen zur Anwendung gelangen. Während nach dem bisherigen Recht § 135 III AktG 37, §§ 27 bis 32 der I. DVO zum AktG 37 (RGBl. S. 1026) für die Entscheidung eine Spruchstelle am Oberlandesgericht zuständig war, so ist es jetzt das Landgericht, gegebenenfalls die Kammer für Handelssachen, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Das gerichtliche Verfahren ist weitestgehend das gleiche wie das über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, § 99. Abs. 3 regelt die Kosten des Verfahrens. Die Vorschrift tritt an die Stelle des § 32 der 1. DVO zum Aktiengesetz 1937. Es ist an die Kostenordnung und der Fassung des Gesetzes vom 26. 7. 57 (BGBl. I, S. 861) angepaßt worden. II. Anwendungsbereich Anm. 2: Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Abschlußprüfern und der Gesellschaft, nicht etwa über die von dem Vorstand zu gebenden Auf967
§169 Anm. 2 , 3
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
klärungen u n d Nachweise wie bei der G r ü n d u n g s p r ü f u n g (§ 35), sondern über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluß u n d den Geschäftsbericht ist die vorliegende Bestimmung a n z u w e n d e n . Das bedeutet nicht n u r über die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften, sondern auch über die sich aus der Satzung ergebenden entscheidet auf A n t r a g eines Abschlußprüfers oder des Vorstandes das nach § 132 I zuständige Gericht, d. h. das L a n d gericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Ist bei dem L a n d gericht eine K a m m e r f ü r Handelssachen gebildet, so ist diese zuständig an Stelle der Zivilkammer. Die Landesregierung k a n n die Entscheidung durch Rechtsverordnung f ü r die Bezirke mehrerer Landgerichte einem Landgericht übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Alsdann ist dieses Gericht zuständig. N u r w e n n es sich u m Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Gesetzes oder der Satzung handelt, trifft die Bestimmung zu, mithin nicht auf Meinungsverschiedenheiten über einen Wertansatz, w e n n nicht die Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift strittig ist. W e n n auch der Abschlußprüfer die Beobachtung der gesetzlichen Bewertungsvorschriften zu überwachen hat, so sind doch die zur Feststellung des Jahresabschlusses berufenen O r g a n e f ü r die Bewertung zuständig, also V o r s t a n d u n d Aufsichtsrat oder H a u p t versammlung u n d nicht der P r ü f e r . Soweit bei Bewertung innerhalb der gesetzlichen Vorschriften f ü r Ermessen R a u m ist, entscheidet das des Vorstandes und Aufsichtsrates, nicht das des Prüfers. Auch darüber, welche Bewertungsmethode z u g r u n d e zu legen ist, entscheidet die V e r w a l t u n g ; wohl aber m u ß der Abschlußprüfer p r ü f e n , ob bei einem Wechsel der Bewertung die gesetzlichen Vorschriften gewahrt sind. D a r ü b e r k a n n es zu Meinungsverschiedenheiten kommen, die in dem hier geregelten V e r f a h r e n zu entscheiden sind. K o m m t es in Bewertungsfragen zu keiner Einigung zwischen V o r s t a n d und Abschlußprüfer, so k a n n dieser den Bestätigungsvermerk einschränken oder versagen, aber nicht nach der vorliegenden Bestimmung das Gericht a n r u f e n . III. Das gerichtliche Verfahren Anm. 3: Antragsberechtigt ist jeder Abschlußprüfer. Sind mehrere v o r h a n den, so k a n n jeder selbständig das Gericht a n r u f e n . Auf der anderen Seite ist antragsberechtigt der Vorstand, auch dann, w e n n es sich um Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abschlußprüfer u n d der den Jahresabschluß festsetzenden H a u p t v e r s a m m l u n g handelt. In diesem Fall ist der Vorstand verpflichtet, den A n t r a g zu stellen, w e n n die Klarstellung der Meinungsverschiedenheit im Interesse der Gesellschaft liegt, was in aller Regel der Fall sein wird. E r handelt im eigenen N a m e n u n d nicht etwa als Vertreter der H a u p t v e r s a m m l u n g . Diese k a n n gar keinen Vertreter haben, sie ist nur O r gan. Praktisch ist an dem Verfahren die Gesellschaft beteiligt, vertreten durch den Vorstand. 968
Meinungsverschiedenheiten
§169
Anm. 3 Das Verfahren ist ein solches nach FGG (§ 99 I). Die Entscheidung des Gerichtes kann immer nur eine Feststellung sein, niemals aber dahin lauten, daß der Bestätigungsvermerk zu erteilen oder zu versagen sei oder daß der Jahresabschluß so oder so zu lauten habe. Sie stellt auch keine Ansprüche zwischen den Parteien fest. Diese müssen vielmehr vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden. Das Landgericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen Beschluß (§ 99 I I I S. 1). Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde (§ 99 I I I S. 2) nur statthaft, wenn das Landgericht sie in der Entscheidung f ü r zulässig erklärt. Es soll sie nur zulassen, wenn dadurch die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erwarten ist (§ 169 Abs. I I ; f ü r die Frage, w a n n die Beschwerde f ü r zulässig zu erklären ist und wann sie auch ohne Zulassung erhoben werden kann, vgl. § 132 Anm. 8). Diese Regelung ist gewissermaßen ein Ersatz dafür, daß nicht mehr, wie bisher, in erster Instanz das Oberlandesgericht zuständig ist. Es sind zwei Gesichtspunkte hier abzuwägen; auf der einen Seite müssen derartige Meinungsverschiedenheiten zwischen Abschlußprüfer und Gesellschaft schnell entschieden werden, denn von ihrer Entscheidung hängt die P r ü f u n g des Jahresabschlusses ab. Auf der anderen Seite ist es wegen der Bedeutung f ü r die Prüfungen im allgemeinen notwendig, daß die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sichergestellt wird. D a es aus rechtspolitischen Gründen unerwünscht erschien, es bei der bisherigen Regelung, daß im ersten Rechtszug das Oberlandesgericht, im zweiten der Bundesgerichtshof entscheidet, zu belassen, können z w a r jetzt auf dem Wege der sofortigen Beschwerde die Oberlandesgerichte angerufen werden, aber nur dann, wenn es im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich ist. Hierüber entscheidet das Landgericht endgültig. D a derartige Verfahren verhältnismäßig selten vorkommen und auf der anderen Seite gewisse Spezialkenntnisse f ü r die Entscheidung Voraussetzung sind, haben auch hier die Landesregierungen die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung die Entscheidung über die Beschwerde f ü r die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte einem der Oberlandesgerichte oder dem obersten Landesgericht zu übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient (§ 99 I I I S. 8 und 9). Wird die Beschwerde für zulässig erklärt, so kann sie nur durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift eingelegt werden (§ 99 IV S. 4). Auch das Oberlandesgericht entscheidet in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 99 I I I S. 5 und 6). Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen (§ 99 I I I S. 7). Die Entscheidung wird erst mit der Rechtskraft wirksam (§ 99 V S. 1). Über das Verfahren vgl. auch Anm. zu § 99. 969
§§ 169/170 Anm. 4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
IV. Kosten Anm. 4: Wie für das Verfahren nach § 99 gilt auch hier die Kostenordnung. Während aber für das Verfahren nach § 99 im ersten Rechtszug das Vierfache der vollen Gebühr erhoben wird, wird hier nur das Doppelte der vollen Gebühr erhoben. Für den zweiten Rechtszug gilt das gleiche. Für die Ermäßigung der Gebühr bei Zurücknahme des Antrags oder der Beschwerde und die Festsetzung des Geschäftswertes gilt das gleiche wie in § 99 VI (vgl. § 99 Anm. 6). Während nach § 99 Kostenvorschüsse von keiner Seite erhoben werden, ist hier nur der Abschlußprüfer zur Leistung eines Kostenvorschusses nicht verpflichtet, von der Gesellschaft kann mithin das Gericht einen Kostenvorschuß anfordern. Auch hier ist Schuldner der Kosten die Gesellschaft. Die Kosten können jedoch ganz oder zum Teil dem Abschlußprüfer auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Bestimmung des § 99, wonach Kosten der Beteiligten nicht erstattet werden, fehlt hier. Demnach ist hier eine Erstattung außergerichtlicher Kosten zulässig (§ 13 a FGG).
Zweiter Unterabschnitt Prüfung durch den Aufsichtsrat § 170 Vorlage an den Aufsichtsrat (1) Unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts der Abschlußprüfer hat der Vorstand den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat vorzulegen. (2) Zugleich hat der Vorstand dem Aufsichtsrat den Vorschlag vorzulegen, den er der Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinns machen will. Der Vorschlag ist, sofern er keine abweichende Gliederung bedingt, wie folgt zu gliedern: 1. Verteilung an die Aktionäre 2. Einstellung in offene Rücklagen 3. Gewinnvortrag 4. zusätzlicher Aufwand bei Beschlußfassung nach dem Vorschlag des Vorstands 5. Bilanzgewinn (3) Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, von den Vorlagen Kenntnis zu nehmen. Die Vorlagen sind auch jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen auszuhändigen, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. 970
Vorlage an den Aufsiditsrat I. Übersicht (Anm. 1) II. Vorlage und Fristen (Anm. 2) III. Vorlage des Gewinnverwendungs-
§170
Anm. 1,2
Vorschlages (Anm. 3) IV. Rechte des einzelnen Mitgliedes des Aufsichtsrats (Anm. 4)
I. Übersicht Anm. 1: Das Gesetz hat im 2. Abschnitt des 5. Teils die Vorschriften über Prüfung des Jahresabschlusses zusammengefaßt, und zwar im Unterabschnitt 1 die Prüfung durch Abschlußprüfer im Unterabschnitt 2 die Prüfung durch den Aufsichtsrat. Dort sind die bisher verstreuten Bestimmungen (§ 96 I; § 125 I S. 1 und I I ; § 126 II S. 1; § 139 II AktG 37) in den §§ 170 und 171 zusammengefaßt worden. § 170 befaßt sich mit den dem Aufsichtsrat zu machenden Vorlagen. § 171 mit der Prüfung des Aufsichtsrats, seinem Bericht und dessen Weitergabe. Die Vorschrift des § 170 entspricht im wesentlichen dem bisherigen Recht (§ 125 I S. 1; § 139 II A k t G 37) mit folgenden Abweichungen. Die Abschlußprüfer haben den Prüfungsbericht nicht wie bisher unmittelbar dem Aufsichtsrat vorzulegen, sondern nur dem Vorstand. Dieser ist für die Vorlage an dem Aufsichtsrat verantwortlich. Eine Frist ist nicht vorgesehen, vielmehr hat die Vorlage unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts der Abschlußprüfer, den diese nach § 166 I I I dem Vorstand vorzulegen haben, zu erfolgen, und zwar zusammen mit dem Jahresabschluß und dem Geschäftsbericht, die beide Berichte vorlegen müssen, da sie Gegenstand der Prüfung waren. Zugleich hat der Vorstand seinen Vorschlag, den er der Hauptversammlung f ü r die Verwendung des Bilanzgewinns machen will, dem Aufsichtsrat vorzulegen. Das entspricht bereits dem bisherigen Recht. Neu ist die vom Gesetz vorgeschriebene Aufgliederung des Vorschlags. Sie ergibt sich aus den neuen Bestimmungen über die Gewinnverwendung (§ 58) und der in § 174 II vorgeschriebenen Aufgliederung der Verwendung des Bilanzgewinns im Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung. Neu ist die Bestimmung des Abs. 3, wonach jedes Aufsichtsratsmitglied das Recht hat, von den sämtlichen Vorlagen, also dem Jahresabschluß, dem Geschäftsbericht, dem Prüfungsbericht der Abschlußprüfer und dem Vorschlag des Vorstandes über die Verwendung des Bilanzgewinns Kenntnis zu nehmen und die Aushändigung dieser Vorlagen zu verlangen, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. II. Vorlage und Fristen Anm. 2: Nach § 125 I AktG 37 hatte der Vorstand in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres den Jahresabschluß aufzustellen und dem Aufsichtsrat vorzulegen. Nach § 127 I AktG 37 war innerhalb der gleichen Frist der Geschäftsbericht aufzustellen und dieser zusammen mit dem Jahresabschluß 971
§170
Anm. 2 , 3
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
und mit dem Vorschlag für die Gewinnverteilung dem Aufsichtsrat vorzulegen. Diese Frist für die Vorlage an den Aufsichtsrat ist weggefallen. Nach § 1 4 8 hat der Vorstand zwar in derselben Frist von 3 Monaten — die abweichend vom geltenden Recht nicht verlängert werden kann — den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht aufzustellen, aber nicht dem Aufsichtsrat vorzulegen, sondern den Abschlußprüfern. Erst wenn die Abschlußprüfung abgeschlossen ist, erfolgt die Vorlage des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts zusammen mit dem Prüfungsbericht der Abschlußprüfer und dem Gewinnvorschlag des Vorstandes an den Aufsichtsrat, und zwar unverzüglich. Der Vorstand genügt seiner Pflicht, wenn er den Jahresabschluß dem Aufsichtsratsvorsitzenden zuleitet. Der Vorstand kann durch Ordnungsstrafen nach § 407 zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten werden. III. Vorlage des Gewinnverwendungsvorschlages Anm. 3: Der Vorstand hat nicht etwa dem Aufsichtsrat einen Gewinnvorschlag zu unterbreiten, denn dieser ist nicht dazu berechtigt, die Gewinnverwendung vorzunehmen. Hierfür ist allein die Hauptversammlung zuständig. Er hat aber dem Aufsichtsrat zusammen mit den in Abs. 1 genannten Unterlagen den Vorschlag vorzulegen, den er der Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinns machen will. Der Vorschlag muß aufgegliedert sein. Für den Fall, daß sich nicht aus der Art des Vorschlags eine abweichende Gliederung ergibt, bestimmt das Gesetz, wie aufzugliedern ist. Die Aufgliederung ist eine andere als die für den Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung nach § 174 vorgeschriebene. Da der Beschluß der Hauptversammlung von dem Bilanzgewinn auszugehen hat, steht dort dieser an erster Stelle, während er beim Vorschlag des Vorstandes an letzter Stelle kommt, weil er sich erst aus den vorangegangenen Positionen ergibt. Auszugehen ist dabei von der Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 157. Danach hat nach Posten 31 der Vorstand den Posten „Einstellung aus dem Jahresüberschuß" in offene Rücklagen einzustellen und in Posten 29 den Gewinnvortrag. Deshalb sind diese unter Nr. 2 und 3 im Gewinnverwendungsvorschlag des Aufsichtsrats aufzuführen. Welcher zusätzliche Aufwand bei der Beschlußfassung nach dem Vorschlag des Vorstandes entsteht, läßt sich nur feststellen, wenn die Verteilung an die Aktionäre feststeht, denn danach richtet sich mit Rücksicht auf den gespaltenen Körperschaftssteuersatz, welcher Betrag an Steuern zurückzustellen ist. Infolgedessen muß der Vorschlag in Nr. 1 den Betrag enthalten, der an die Aktionäre verteilt werden soll und in Nr. 4 den zusätzlichen Aufwand, der bei Durchführung des Vorschlags des Vorstandes entsteht. Die Nr. 5 „Bilanzgewinn" muß die gleiche sein wie die Nr. 1, denn der Vorschlag des Vorstandes muß zwangsläufig dahin gehen, daß die Beträge, die nicht in offene Rücklagen eingestellt 972
Prüfung durch den Aufsichtsrat
§§ 170/171 Anm. 3,4
oder als Gewinn vorgetragen und nicht als zusätzlicher Aufwand Verwendung finden müssen, an die Aktionäre zu verteilen sind. IV. Rechte des einzelnen Mitgliedes des Aufsichtsrats
Anm. 4: Die in § 170 I und II aufgeführten Vorlagen sind von so großer Bedeutung für die Überwachungspflichten, die dem Aufsichtsrat gegenüber der Geschäftsführung obliegen, daß nicht nur der Aufsichtsrat als Gremium, sondern jedes einzelne Mitglied von ihnen Kenntnis nehmen muß, um seiner Überwachungspflicht zu genügen. Deshalb schreibt Abs. 3 ausdrücklich vor, daß jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied — gleichgültig wie es dazu bestellt wurde — das Recht hat, von den Vorlagen Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus sollte jedes Aufsichtsratsmitglied die Möglichkeit haben, die teilweise umfangreichen Vorlagen, insbesondere den Bericht des Abschlußprüfers, in Ruhe zu überprüfen. Deshalb wird grundsätzlich angeordnet, daß jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen die Unterlagen auszuhändigen sind. Der Grundsatz, daß der Aufsichtsrat mit Mehrheit seine Ordnung bestimmen kann, wird insofern gewahrt, als das Recht des Aufsichtsratsmitgliedes auf Aushändigung der Vorlagen dann nicht besteht, wenn der Aufsichtsrat mit Mehrheit etwas anderes beschlossen hat. Er kann dies generell tun oder in jedem Einzelfall. Die Vorschrift entspricht der des § 163 V, vgl. im einzelnen dort Anm. 7. § 171 Prüfung durch den Aufsichtsrat (1) Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen. Auf Verlangen des Aufsichtsrats haben die Abschlußprüfer an seinen Verhandlungen über diese Vorlagen teilzunehmen. (2) Der Aufsichtsrat hat über das Ergebnis der Prüfung schriftlich an die Hauptversammlung zu berichten. In dem Bericht hat der Aufsichtsrat auch mitzuteilen, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung der Gesellschaft während des Geschäftsjahrs geprüft hat. Er hat ferner zu dem Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer Stellung zu nehmen. A m Schluß des Berichts hat der Aufsichtsrat zu erklären, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind und ob er den v o m Vorstand aufgestellten Jahresabschluß billigt. (3) Der Aufsichtsrat hat seinen Bericht innerhalb eines Monats, nachdem ihm die Vorlagen zugegangen sind, dem Vorstand zuzuleiten. Wird der Bericht dem Vorstand nicht innerhalb der Frist zugeleitet, hat der 973
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Vorstand dem Aufsichtsrat unverzüglich eine weitere Frist von nicht mehr als einem Monat zu setzen. Wird der Bericht dem Vorstand nidit vor Ablauf der weiteren Frist zugeleitet, gilt der Jahresabschluß als vom Aufsiditsrat nicht gebilligt. I. Obersicht (Anm. 1) II. Prüfungspflicht des Aufsichtsrats (Anm. 2)
III. Bericht des Aufsiditsrats 1. Inhalt (Anm. 3) 2. Vorlage (Anm. 4)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift des Abs. 1 S. 1 entspricht der des § 96 I AktG 37. Die Prüfung ist eine selbständige neben der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer. D a der Aufsichtsrat aber den Prüfungsbericht bei seiner Prüfung vorliegen hat und sich seiner selbstverständlich weitestgehend bedienen wird, ist die neue Bestimmung eingefügt worden, daß auf Verlangen des Aufsichtsrats die Abschlußprüfer an seinen Verhandlungen über diese Vorlage teilzunehmen haben. Uber das Ergebnis seiner Prüfung hat der Aufsichtsrat der Hauptversammlung schriftlich zu berichten. In diesem Bericht hat er weiterhin — wie bisher nach § 96 II AktG 37 — über Art und Umfang seiner Überwachung der Geschäftsführung der Gesellschaft zu berichten. Nicht mehr notwendig ist die Angabe im Bericht des Aufsichtsrats, welche Stelle den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht geprüft hat, da sich dies ohne weiteres aus dem zum Jahresabschluß gehörenden Bestätigungsvermerk ergibt. Andererseits ist die bisherige Vorschrift des § 96 II AktG 37 insofern verschärft worden, als der Aufsichtsrat nunmehr verpflichtet ist, in dem Bericht auf das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer ganz allgemein Stellung zu nehmen, während er sich bisher nach § 96 II AktG 37 nur darüber zu äußern hatte, ob die Prüfungen — die eigenen des Aufsichtsrats und die der Abschlußprüfer — nach ihrem abschließenden Ergebnis zu wesentlichen Beanstandungen Anlaß gegeben haben. Abs. 2 und 3 S. 1 entsprechen dem bisherigen § 125 II AktG 37, wonach der Aufsichtsrat dem Vorstand gegenüber seine Billigung zu erklären hat, allerdings mit der Maßgabe, daß sie nunmehr im Bericht aufzunehmen sei (Anm. 3 a. E.). Abs. 3 normiert eine Frist, innerhalb welcher der Aufsichtsrat seinen Bericht dem Vorstand zuzuleiten hat, was sich bisher nur mittelbar aus § 125 II AktG 37 ergab (Anm. 4). II. Prüfungspflicht des Aufsichtsrats Anm. 2: Trotz der Prüfung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes durch die Abschlußprüfer hat auch der Aufsichtsrat, und zwar jedes Mitglied (RG 161, 133), den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht zu prüfen. 974
Prüfung durch den Aufsichtsrat
§171 Anm.2
Die Arbeit der Abschlußprüfer ist die eines anderen Organs, nicht die seine, kann also seine Prüfungspflicht nicht erfüllen. Nichtsdestoweniger erfüllt diese das Aufsichtsratsmitglied selbst (§ 276 BGB), indem es den Bericht eines ihm mit Grund zuverlässig erscheinenden Abschlußprüfers sorgfältig durcharbeitet. Gibt die Abschlußprüfung oder der Inhalt des Berichts Bedenken gegen den Bericht selbst Anlaß, so ist diesen nachzugehen ( R G 93, 340). Es ist zu prüfen: a) der Jahresabschluß (Einrichtung der Bücher, ihre Übereinstimmung mit den Belegen, des Jahresabschlusses mit ihnen und den Bestandsverzeichnissen). Der Aufsichtsrat kann mit der Vorbereitung — nicht aber mit der Beschlußfassung — Ausschüsse oder auch einzelne Mitglieder beauftragen, nach Ermessen sich auf Stichproben beschränken und sachkundige Hilfspersonen zuziehen. Nicht auch geprüft zu werden braucht eine etwaige Zwischenbilanz, wie durch den Wortlaut (Jahresabschluß) klargestellt werden soll (Schi.-Qu. § 9 6 Anm. 31), doch ergibt sich die Pflicht, Zwischenbilanzen zu prüfen ( R G 161, 133) — wenn sie nach § 90 dem Aufsichtsrat vorgelegt werden — aus § 111 I. D a Zwischenbilanzen nicht durch Abschlußprüfer vorgeprüft werden, ist diese Prüfung für den Aufsichtsrat sogar beschwerlicher als die der Jahresabschlüsse. b) der Geschäftsbericht (vgl. §§ 160, 175), der ebenfalls vom Vorstand zu erstatten ist. Eine Änderung durch den Aufsichtsrat ist nicht zulässig. Auch hier ist zu prüfen, ob der Vorschlag den gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen entspricht. Eine Änderung des Inhalts kann, selbst wenn eine Besprechung mit dem Vorstand dies zweckmäßig erscheinen läßt und dieser dazu bereit ist, nicht ohne weiteres erfolgen, weil der Geschäftsbericht bereits von den Abschlußprüfern geprüft ist. Es müßte dann eine Nachprüfung stattfinden und ein neuer Bestätigungsvermerk erteilt werden. c) der Vorschlag der Gewinnverwendung. Dieser wird nach § 170 II vom Vorstand gemacht. Der Aufsichtsrat hat unter eigener Verantwortung zu prüfen, ob der Vorschlag den gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen entspricht. Darüber hinaus auch, ob er ihn für zweckmäßig hält. Er kann von sich aus ihn nicht abändern. Es ist ihm aber unbenommen, in der Hauptversammlung seine abweichende Ansicht zu äußern und durch einzelne seiner Mitglieder, die Aktionäre sind, oder durch andere Aktionäre entsprechende Anträge zu veranlassen. Die neue Bestimmung, wonach auf Verlangen des Aufsichtsrats die Abschlußprüfer an seinen Verhandlungen über die Vorlagen teilzunehmen haben, hat, abgesehen davon, daß sie dabei Fragen beantworten und zusätzliche Aufklärung geben können, ist auch insofern von Bedeutung, als möglicherweise der Aufsichtsrat und der Vorstand, der üblicherweise an den Sitzungen des Aufsichtsrats teilnimmt, zu dem Ergebnis kommen können, daß an den Vorlagen, sei es der Jahresabschluß selbst, dem Geschäftsbericht oder dem Vor975
§171
Anm. 2,3
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
schlag für die Gewinnverteilung noch etwas zu ändern ist. Das braucht nicht deshalb notwendig zu sein, weil Gesetz oder Satzung nicht beachtet sind — das hätte bereits die vorausgegangene Prüfung beim Jahresabschluß und dem Geschäftsbericht ergeben müssen —, sondern weil der Aufsichtsrat es für zweckmäßig hält, z. B. den Text des Geschäftsberichts abzuändern. Ist der Vorstand damit einverstanden, so kann dies geschehen, allerdings nur unter Mitwirkung des Abschlußprüfers, denn der Geschäftsbericht ist mit dem Jahresabschluß zusammen geprüft. Der Bestätigungsvermerk, der bereits erteilt ist, ist vom Abschlußprüfer erteilt. Er muß erneuert werden, wenn am Geschäftsbericht etwas geändert wird. Ist der Abschlußprüfer bei der Sitzung zugegen, so kann er bereits dazu Stellung nehmen, ob er die Änderung bestätigen wird oder nicht. Dasselbe gilt für eine etwaige Änderung des Jahresabschlusses selbst. Dagegen hat der Abschlußprüfer mit dem Gewinnverwendungsvorschlag nichts zu tun. III. Bericht des Aufsichtsrats 1.
Inhalt
Anm. 3: Neben dem Ergebnis der Prüfung der Vorlagen nach Abs. 1 muß der Bericht außerdem ersehen lassen, in welcher Art die Geschäftsführung überwacht wurde und ferner, welches Ergebnis diese Überwachung hatte. Es muß angegeben werden, auf welche Teile der Geschäftsführung sich die Prüfung bezogen hat, ferner wie der Aufsichtsrat die Überwachung ausgeführt hat, z . B . durch Entgegennahme und Anforderung von Berichten des Vorstandes über die Geschäftsführung, Vornahme von Kassenrevisionen, Zuziehung von Sachverständigen, Bildung von Ausschüssen usw. Die Angaben können allgemein gehalten werden, da sie sonst zu umfangreich würden und auch eine Gefährdung der Interessen der Gesellschaft zu befürchten wäre. Es wird in der Regel genügen, wenn in den Berichten angegeben wird, daß der Aufsichtsrat in soundso viel Sitzungen, die sich etwa gleichmäßig über das Geschäftsjahr verteilen, die Geschäftsführung durch Erörterung mit den Mitgliedern des Vorstandes geprüft hat, und daß er eine Reihe von Kassenrevisionen, Prüfungen des Warenbestandes usw. vorgenommen habe. Ausdrücklich schreibt das Gesetz ferner vor, daß er zu dem Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer Stellung nehmen muß. Er hat zu erklären, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind, und ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß billigt. Das Gesetz schreibt nicht vor, daß in diesem Bericht des Aufsichtsrats das Ergebnis der Prüfung der Abschlußprüfer aufzunehmen sei. Dieses ergibt sich aus dem Bestätigungsvermerk der Abschlußprüfer selbst, der ein Teil des Jahresabschlusses ist und damit jedem Aktionär nach § 175 I I zugänglich ist. Anders ist es bei der Prüfung des Berichts des Vorstandes über 976
Prüfung durch den Aufsichtsrat
§ 171
Anm. 3,4
Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§312) durch den Aufsichtsrat (§ 314). Hier hat der Aufsichtsrat einen vom Abschlußprüfer erteilten Bestätigungsvermerk in seinen Bericht aufzunehmen oder seine Versagung ausdrücklich mitzuteilen, weil dies die einzige Möglichkeit ist, wie der Aktionär von dem Ergebnis der Prüfung dieses Vorstandsberichts durch die Abschlußprüfer Kenntnis erlangen kann. Da nur das Ergebnis der Prüfung im Bericht mitzuteilen ist, sind Beanstandungen, die rechtzeitig erhoben wurden, nicht zu berichten. Haben sich Beanstandungen ergeben, so ist über sie unter eigener Stellungnahme des Aufsichtsrats zu berichten. Insbesondere wenn die Hauptversammlung wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat die Feststellung des Jahresabschlusses vornehmen muß, wird der Aufsichtsrat diese Meinungsverschiedenheiten in dem Bericht darlegen. Die unvermeidliche Wirkung, welche die Feststellung haben muß, daß die Prüfung der Geschäftsführung zu wesentlichen Beanstandungen Anlaß gegeben habe, darf trotzdem den Aufsichtsrat nicht abhalten, die Wahrheit mitzuteilen. Neu ist die Bestimmung, daß der Aufsichtsrat am Schluß des Berichtes die Erklärung abzugeben hat, ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß billigt. Eine solche Erklärung war zwar auch nach dem bisherigen Recht (§ 125 II AktG 37) notwendig, weil mit der Billigung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat dieser festgestellt war, wenn sich nicht Vorstand und Aufsichtsrat für eine Feststellung durch die Hauptversammlung entschieden. Es war aber nicht verlangt, daß diese Erklärung im Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung enthalten sein müsse. 2. Vorlage Anm. 4: Der Aufsichtsrat hat seinen Bericht dem Vorstand zuzuleiten. Dieser hat für die Vorlage an die Hauptversammlung Sorge zu tragen. Die Zuleitung muß innerhalb eines Monats erfolgen, nachdem die Vorlagen dem Aufsichtsrat zugegangen sind. Daraus ergibt sich, daß die Prüfung der Vorlagen durch den Aufsichtsrat innerhalb dieser Zeit abgeschlossen sein muß. Da dem Aufsichtsrat keine Ordnungsstrafen zur Erfüllung seiner Pflicht gesetzt werden können, konnte das Registergericht den Vorstand nicht unter Androhung von Ordnungsstrafen zur Vorlage des Jahresabschlusses an die Hauptversammlung anhalten, weil diesem entgegengehalten werden konnte, daß zwar der Vorstand den Jahresabschluß rechtzeitig aufgestellt, der Aufsichtsrat aber zum Jahresabschluß noch nicht Stellung genommen habe. Infolgedessen sei dieser noch nicht festgestellt und könne daher nicht vorgelegt werden. Nunmehr ist der Vorstand verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß der Bericht rechtzeitig vorgelegt wird. Die Möglichkeit dazu wird ihm dadurch gegeben, daß, wenn der Bericht dem Vorstand nicht innerhalb der Frist des Abs. 3 S. 1 zugeleitet wird, er dem Aufsichtsrat unverzüglich eine wei977 62
Wilhelmi, Aktiengesetz
§ 171
Anm. 4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
tere Frist von nicht mehr als einem Monat zu setzen hat. Hierzu kann der Vorstand nach § 407 durch Ordnungsstrafe angehalten werden. Wird der Bericht dem Vorstand nicht innerhalb der weiteren Frist zugeleitet, so gilt der Jahresabschluß als vom Aufsichtsrat nicht gebilligt, was wiederum zur Folge hat, daß nunmehr der Vorstand tätig werden muß. Er muß eine Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses einberufen. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß die Feststellung des Jahresabschlusses nicht dadurch hinausgezögert werden kann, daß sich der dem Ordnungsstrafverfahren unterliegende Vorstand auf die Untätigkeit des Aufsichtsrats, der dem Ordnungsstrafverfahren nicht unterliegt, berufen kann. Bedenken, die in der Richtung erhoben wurden, es sei für den Aufsichtsrat nicht zumutbar, daß ihm vom Vorstand eine Frist gesetzt werde, sind nicht berechtigt, da grundsätzlich die Organe der Gesellschaft, wenn auch mit verschiedenen Aufgaben, gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Die Tatsache, daß die Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat ernannt werden, macht diesen ebensowenig zum Untergebenen des Aufsichtsrats, wie dieser nicht deshalb Untergebener der Hauptversammlung ist, weil er ganz oder zum Teil von dieser gewählt ist. Entgegen dem bisherigen Recht können die in dieser Vorschrift enthaltenen Fristen durch die Satzung nicht abgeändert werden. Die dem Aufsichtsrat nach § 171 obliegenden Aufgaben kann er nach § 107 III nicht einem Ausschuß zur Beschlußfassung überweisen, sondern nur zur Vorbereitung seines Beschlusses. Enthält der Bericht des Aufsichtsrats die Erklärung nach Abs. 2, daß er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß billigt, so ist damit der Jahresabschluß noch nicht festgestellt, denn Vorstand und Aufsichtsrat können nach § 172 beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen. N u r wenn sie dies nicht tun, ist der Jahresabschluß festgestellt. Sowohl der Aufsichtsrat wie der Vorstand sind hieran gebunden, sobald die Hauptversammlung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses einberufen ist (§ 175 IV). Fassen sie den Beschluß, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen (§ 173 I), so sind sie auch an diesen Beschluß von dem gleichen Zeitpunkt an gebunden (§ 175 IV). Bis dahin können sie die Beschlüsse wieder aufheben.
978
Feststellung durch Vorstand und Aufsiditsrat
§ 172
Anm. 1,2
Dritter Abschnitt Feststellung des Jahresabschlusses. Gewinnverwendung Erster Unterabschnitt Feststellung des Jahresabschlusses §
172
Feststellung durch Vorstand und Aufsiditsrat Billigt der Aufsiditsrat den Jahresabschluß, so ist dieser festgestellt, sofern nicht Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen. Die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrats sind in den Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung aufzunehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Feststellung durch die Verwaltung (Anm. 2)
III. Überlassen der Feststellung der Hauptversammlung (Anm. 3) IV. Beseitigung der Feststellung (Anm. 4)
I. Übersicht Anm. 1: Satz 1 entspricht dem § 125 III AktG 37 mit der Maßgabe, daß klargestellt ist, daß wenn Vorstand und Aufsiditsrat die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung überlassen wollen, dies durch Beschlüsse beider Gremien zu erfolgen hat. Neu ist Satz 2, der bestimmt, daß diese Beschlüsse in dem Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung aufzunehmen sind, und zwar auch der Beschluß des Vorstandes, denn dessen Geschäftsbericht liegt bereits fest und ist von den Abschlußprüfern geprüft. II. Feststellung durch die Verwaltung Anm. 2: Die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt wie im geltenden Recht in aller Regel dadurch, daß der Aufsichtsrat den ihm vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß billigt. Jedoch hat sich der materielle Inhalt dieser Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung insoweit geändert, als die Hauptversammlung nicht wie bisher über die Verteilung des sich aus dem Jahresabschluß ergebenden „Reingewinns" zu beschließen hat, sondern daß sie nunmehr über die Hälfte des Jahresüberschusses nach § 58 II in ihrem Gewinnverwendungsbeschluß nach § 174 verfügen kann. Zwar konnte die Hauptversammlung auch nach bisherigem Recht von dem von der Verwaltung festgestellten Jahresabschluß sich ergebenden Reinbetrag von sich aus weitere Rücklagen bilden. Es wurde aber im allgemeinen von vornherein nur so viel Reingewinn ausgewiesen, als zur Ausschüttung einer von der Ver62*
979
§172
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
Anm. 2,3 waltung vorgeschlagenen Dividende erforderlich war. Da die Verwaltung nach § 58 im allgemeinen nur bis zu 50 % des Jahresüberschusses in Rücklagen einstellen darf, ist die Verfügungsmacht der Hauptversammlung auch dann, wenn der Jahresabschluß von der Verwaltung festgestellt wird, eine erheblich größere als bisher (vgl. im einzelnen dazu die Anm. zu §§58 und 174). Es ist nicht erforderlich, daß der Aufsichtsrat den vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß unverändert billigt, vielmehr ist eine Änderung des Jahresabschlusses mit Zustimmung des Vorstandes durchaus möglich. Dabei ist die Bestimmung des § 162 III zu beachten, wonach bei jeder Änderung, die nach Vorlage des Prüfungsberichts der Abschlußprüfer vorgenommen wird, den Bestätigungsvermerk unwirksam macht. Die Abschlußprüfer müssen den Jahresabschluß und gegebenenfalls den Geschäftsbericht zwar nur insoweit erneut prüfen, als es die Änderung fordert. Der Bestätigungsvermerk muß aber in jedem Fall neu erteilt werden, und es muß sich aus dem Datum ergeben, wann er erteilt ist. Das bedeutet nach der Sitzung, in der sich Vorstand und Aufsichtsrat für eine Abänderung des Jahresabschlusses oder evtl. auch des Geschäftsberichts geeinigt haben. III. Überlassen der Feststellung der Hauptversammlung
Anm. 3: Kommt eine Einigung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat über den Jahresabschluß nicht zustande, so kommt es nicht zu einer Billigung durch den Aufsichtsrat. Dieser hat es, im Gegensatz zum Vorstand, in der Hand, ob er der Hauptversammlung die Feststellung überlassen will, und zwar dadurch, daß er die Billigung nicht beschließt. Dann muß nach § 173 I der Jahresabschluß von der Hauptversammlung festgestellt werden. Hat er aber durch Beschluß die Billigung ausgesprochen, so kann er allein nicht mehr veranlassen, daß die Feststellung durch die Hauptversammlung erfolgt. Es müssen dann übereinstimmende Beschlüsse des Vorstands und Aufsichtsrats vorliegen, daß trotz Billigung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung überlassen werden soll. Beide Organe der Gesellschaft haben die Beschlüsse als solche zu fassen. Der Aufsichtsrat kann die Beschlußfassung einem Ausschuß überlassen, aber nur die Beschlußfassung über die Frage, ob ein von ihm gebilligter Jahresabschluß von der Hauptversammlung festgestellt werden soll, nicht den Beschluß, mit dem er den Jahresabschluß billigt. Dies letztere verbietet ausdrücklich § 107 III. Liegen keine übereinstimmende Beschlüsse beider Organe vor, so bleibt es dabei, daß durch die Billigung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat dieser festgestellt ist. Bis zur Einberufung der Hauptversammlung, die den Jahresabschluß feststellen soll, können Vorstand und Aufsichtsrat ihre Beschlüsse wieder aufheben und es dabei belassen, daß es bei der Feststellung 980
Feststellung durch V o r s t a n d und Aufsichtsrat
§172
Anm. 3 , 4
des Jahresabschlusses durch Billigung des Aufsichtsrats verbleibt. Es genügt, wenn eines der beiden Gremien den gefaßten Beschluß aufhebt. N a c h diesem Zeitpunkt ist die Aufhebung nicht mehr möglich (§ 175 I V ) . Nach der neu eingefügten Bestimmung des Abs. 2 sollen diese Beschlüsse, die der Feststellung des Jahresabschlusses durch die H a u p t v e r s a m m l u n g zur Folge haben, den Aktionären möglichst frühzeitig bekanntgegeben werden. Deshalb sind beide Beschlüsse, sowohl die des Vorstandes als auch die des Aufsichtsrats, in den Bericht des Aufsichtsrats an die H a u p t v e r s a m m l u n g aufzunehmen. Dies deshalb, weil der Geschäftsbericht des Vorstandes bereits zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen vorliegt und der P r ü f u n g durch die Jahresabschlußprüfer unterzogen war. Eine Abänderung oder E r g ä n z u n g dieses Vorstandsberichts hätte eine N a c h p r ü f u n g zur Folge und damit eine E r neuerung des Bestätigungsvermerks. U m das zu vermeiden, sind auch die Beschlüsse des Vorstandes in den Bericht des Aufsichtsrats aufzunehmen, der erst nach der Abschlußprüfung fertigzustellen ist (§ 171 I I S. 1). D a nach § 175 I I dieser Bericht des Aufsichtsrats von der Einberufung der ordentlichen H a u p t v e r s a m m l u n g an in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen ist und auf Verlangen jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen ist, wird sichergestellt, daß auf diese Weise frühzeitig die Aktionäre Kenntnis von den Beschlüssen erlangen. Sie bekommen auch dadurch bereits Kenntnis, daß auf der Tagesordnung, die ja mit der Einberufung der H a u p t v e r s a m m l u n g bekanntzumachen ist, die Feststellung des Jahresabschlusses durch die H a u p t v e r s a m m lung stehen muß. Es wäre dann aber noch nicht ersichtlich, ob dies deshalb geschieht, weil der Aufsichtsrat den Jahresabschluß nicht gebilligt hat oder weil übereinstimmende Beschlüsse des Vorstands und Aufsichtsrats vorliegen, die Feststellung des Jahresabschlusses der H a u p t v e r s a m m l u n g zu überlassen. Es w i r d sich allerdings empfehlen, dies bereits bei der Bekanntmachung der Tagesordnung mitzuteilen. Wenn es auch nicht unmittelbar als „Vorschlag des Vorstandes" angesehen werden kann — dieser ging j a vermutlich darauf, den Jahresabschluß unverändert anzunehmen — , so wird es jedenfalls eine Erleichterung für die Verwaltung sein, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses durch die H a u p t v e r s a m m l u n g deshalb erfolgt, weil beide O r g a n e dies gemeinsam beschlossen haben, obwohl der Jahresabschluß v o m Aufsichtsrat gebilligt war, denn dann sieht der einzelne Aktionär bereits aus der Bekanntmachung der Tagesordnung und der Vorschläge des Vorstandes dazu, daß keine Bedenken von dem Aufsichtsrat gegen den Jahresabschluß geltend gemacht werden.
IV. Beseitigung der Feststellung Anm. 4: Es liegt im Begriff der Feststellung, daß sie, von Irrtümern und Täuschungen abgesehen, endgültig ist und mithin die Feststellung des Jahres981
§ 172 Anm. 4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
abschlusses nicht der Anfechtung unterworfen ist, zumal es sich auch nicht um einen Hauptversammlungsbeschluß handelt. Wohl aber kann ein festgestellter Jahresabschluß nichtig sein, vgl. hierüber § 2 5 6 . Ferner unterliegt jeder Jahresabschluß, gleichgültig ob er von der Verwaltung oder von der Hauptversammlung festgestellt wurde, der Sonderprüfung nach § 2 5 8 , wenn A n l a ß zu der Annahme besteht, daß eine nicht unwesentliche Unterbewertung einiger Posten des Jahresabschlusses vorliegt, oder der Geschäftsbericht die Angaben, die nach § 1 6 0 I I und I I I über die Bewertungsgrundsätze zu machen sind, nicht oder nicht vollständig enthält und der Vorstand die fehlenden Angaben in der Hauptversammlung nicht gemacht hat, obwohl nadi ihnen gefragt worden ist, und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist. D e r Antrag ist beim Registergericht einzureichen. E r kann auch von einer Minderheit von Aktionären, deren Anteile zusammen V20 des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 1 Million D M erreichen, gestellt werden (vgl. im einzelnen § 2 5 8 und die Anm. dort); für das Verfahren vgl. §§ 2 5 9 und 2 6 0 . Ergibt sich, daß eine höhere Bewertung gerechtfertigt war, so ist der sich ergebende Differenzbetrag im nächsten Jahresabschluß einzusetzen. Im einzelnen vgl. hierzu § 261 und die Anm. dort. Durch dieses Verfahren wird mithin der festgestellte Jahresabschluß selbst nicht berührt. Gegen den von der Verwaltung festgestellten Jahresabschluß kann also — abgesehen von der Geltendmachung der Nichtigkeit — weder von einzelnen Aktionären noch von einer Minderheit noch durch einen Mehrheitsbeschluß der Hauptversammlung etwas unternommen werden. N a t u r g e m ä ß kann die Hauptversammlung für die Zukunft Vorsorge treffen, indem sie den Aufsichtsrat, der ihrer Ansicht nach den Jahresabschluß nicht hätte billigen dürfen, abberufen und dafür Sorge tragen, daß ein anderer Aufsichtsrat den nächsten Jahresabschluß der Feststellung durch die Hauptversammlung überläßt. Dies kann nicht bei der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder zur Bedingung gemacht werden, sondern es unterliegt der alleinigen Entscheidung der Aufsichtsratsmitglieder, was sie in dieser Beziehung tun werden, wenn ihnen der Vorstand den nächsten Jahresabschluß vorgelegt hat. Endlich könnte die Hauptversammlung
dem Vorstand
das Vertrauen
entziehen. Das ergäbe nach § 84 I I I für den Aufsichtsrat die Möglichkeit, den Vorstand wegen wichtigen Grundes
abzuberufen. Praktisch wird
das
selten vorkommen, denn wenn der Aufsichtsrat den v o m Vorstand vorgelegten Jahresabschluß gebilligt hat, kann er es kaum als hinreichenden Grund zur Abberufung der Vorstandsmitglieder ansehen, wenn die H a u p t v e r s a m m lung in diesem Punkt anderer Ansicht ist. Immerhin wäre es denkbar, wenn neue Gesichtspunkte zutage getreten sind. 982
Feststellung durch die Hauptversammlung
§ 173 Anm. 1
§ 173 Feststellung durch die Hauptversammlung (1) Haben Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, oder hat der Aufsichtsrat den Jahresabschluß nicht gebilligt, so stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluß fest. (2) Auf den Jahresabschluß sind §§ 149 bis 159, 161 anzuwenden. Die Hauptversammlung darf bei der Feststellung des Jahresabschlusses nur die Beträge in offene Rüdklagen einstellen, die nach Gesetz oder Satzung in offene Rücklagen einzustellen sind. (3) Ändert die Hauptversammlung den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß, so haben die Abschlußprüfer ihn erneut zu prüfen, soweit es die Änderung fordert. Ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist unwirksam. Vor der erneuten Prüfung gefaßte Beschlüsse der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung werden erst wirksam, wenn auf Grund der erneuten Prüfung ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt worden ist. Sie werden nichtig, wenn nicht binnen zwei Wochen seit der Beschlußfassung ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird. I. Ubersicht (Anm. 1) I I . Feststellung durch Sammlung (Anm. 2)
I. Übersicht
die
Hauptver-
I I I . Anzuwendende Vorschriften (Anm. 3) IV. Nachtragsprüfung (Anm. 4) V. Bedingte Hauptversammlungsbeschlüsse (Anm. 5)
Anm. 1: Die Vorschrift des Abs. 1 entspricht im wesentlichen der des § 125 I V AktG 37. Im Abs. 2 werden zunächst sämtliche Bestimmungen des 5. Teils, 1. Abschnitt über die Aufstellung des Jahresabschlusses auch dann für anwendbar erklärt, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß aufstellt (§§ 149 bis 161). Nur der § 160, der sich mit dem Inhalt des Geschäftsberichts befaßt, wird hier nicht zitiert. Der Geschäftsbericht ist vom Vorstand zu erstatten, auch wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt. Weicht die Hauptversammlung bei der Feststellung des Jahresabschlusses von den bisherigen Bewertungs- und Abschreibungsmethoden ab, so muß der Vorstand dafür Sorge tragen, daß eine Ergänzung des Geschäftsberichts erfolgt. Die Hauptversammlung kann nach § 58 I, wenn sie den Jahresabschluß selbst feststellt, nur dann Beträge in freie Rücklagen einstellen, wenn die Satzung ihr dies gestattet und auch dann nur höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses. Hierauf weist das Gesetz ausdrücklich hin. 983
§173
Anm. 1,2
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
In Abs. 3 wird bestimmt, daß, wenn die Hauptversammlung den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß ändert, er erneut von den Abschlußprüfern zu prüfen ist, soweit es die Änderung erfordert. Das gilt nicht nur für den Jahresabschluß selbst, sondern auch für den Geschäftsbericht. Ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist, sofern die Änderung eine neue Prüfung erfordert, unwirksam (so Reg.Begr.). Es erscheint zweifelhaft, ob diese Einschränkung richtig ist, denn der Bestätigungsvermerk soll sich auf den tatsächlich festgestellten Jahresabschluß beziehen. Wenn dieser eine Änderung erfährt, die vielleicht keine Prüfung erforderlich macht, so müßte u. E. dennoch ein neuer Bestätigungsvermerk erteilt werden, damit klar ist, daß auch ohne Prüfung die Abschlußprüfer auf dem Standpunkt stehen, daß ein Bestätigungsvermerk, so wie er bisher vorlag, trotz der Änderung erteilt werden kann, mögen diese Änderungen auch geringfügig sein. Können die Änderungen nicht vom Abschlußprüfer bereits während der Hauptversammlung so weit geprüft werden, daß der neue Bestätigungsvermerk erteilt wird, so kann dennoch die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellen, allerdings dadurch bedingt, daß binnen zwei Wochen ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk auch für die Änderung erteilt wird (Abs. 3). Geschieht dies nicht, so werden die Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses und der damit zwingend verbundene Gewinnverwendungsbeschluß nichtig. Es muß eine neue Hauptversammlung stattfinden. II. Feststellung durch die Hauptversammlung Anm. 2: Wenn der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten und ihm vorgelegten Jahresabschluß nicht gebilligt hat, so hat die Feststellung durch die Hauptversammlung zu erfolgen. Insoweit hat der Aufsichtsrat es allein in der Hand, ob es zur Feststellung durch die Hauptversammlung kommt. H a t er einmal den Jahresabschluß gebilligt, so kann er zwar, wenn der Vorstand dennoch die Feststellung durch die Hauptversammlung wünscht, dies dadurch verhindern, daß er sich einem entsprechenden Vorstandsbeschluß selbst nicht anschließt. Er kann aber nicht mehr von sich aus die Feststellung rückgängig machen, wenn der Vorstand keinen entsprechenden Beschluß faßt, denn der Aufsichtsrat allein kann ebensowenig wie der Vorstand allein beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen. Wie im bisherigen Recht gibt es folgende Ausnahmen: nach § 234 hat in bestimmten Fällen bei der Kapitalherabsetzung die Feststellung des Jahresabschlusses des letzten vor der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung abgelaufenen Geschäftsjahrs immer die Hauptversammlung zu beschließen. Ferner ist bei der Abwicklung die Eröffnungsbilanz stets von der Hauptversammlung festzustellen (§ 270 II). Endlich verbleibt es auch für die Komman984
Feststellung durch die H a u p t v e r s a m m l u n g
§ 173
Anm. 2,3
ditgesellschaft a. A. bei der bisherigen Bestimmung, wonach stets die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses beschließt (§ 286). III. Anzuwendende Vorschriften Anm. 3: Es ist an sich selbstverständlich, daß, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, sie sämtliche Vorschriften zu beachten hat, die für die Aufstellung des Jahresabschlusses zwingend vorgeschrieben sind. Wenn dennoch eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung eingefügt ist, so deshalb, weil im Gegensatz zum bisherigen Recht die Gliederung des Jahresabschlusses und die Bewertung im Zusammenhang mit der Aufstellung des Jahresabschlusses durch den Vorstand geregelt ist. Es sollte klargestellt werden, daß für die Hauptversammlung alle diese Bestimmungen, insbesondere auch die Bewertungsvorschriften, zu beachten sind. Daraus ergibt sich, daß unter Umständen die Hauptversammlung andere Bewertungsmethoden anwenden kann, als es der Vorstand in dem von ihm aufgestellten Jahresabschluß getan hat. Dies wiederum setzt eine Ergänzung des Geschäftsberichtes voraus, denn diese Abweichung von den bisherigen Methoden verlangt die Angabe im Geschäftsbericht. Hier wird der Geschäftsbericht nicht ausdrücklich erwähnt. Aus dem inneren Zusammenhang ergibt sich aber diese Ergänzung oder möglicherweise auch Änderung im Inhalt des Geschäftsberichtes, was wiederum zur Folge hat, daß der geprüfte Geschäftsbericht einer neuen Prüfung unterzogen werden muß. Auch diese ist nicht ausdrücklich erwähnt, da nur vom Jahresabschluß die Rede ist. Wenn also die Hauptversammlung bei Aufstellung des Jahresabschlusses etwa die Bewertungsmethoden ändert, so muß dies auch im Geschäftsbericht erwähnt werden, und es muß sowohl die Änderung des Jahresabschlusses — wie die im Geschäftsbericht — von den Abschlußprüfern geprüft und in einem neuen Bestätigungsvermerk versehen sein. In der Praxis mag es nicht allzu häufig vorkommen, daß derartige Beschlüsse von der Hauptversammlung gefaßt werden. Es ist praktisch nur bei kleineren, übersichtlichen Gesellschaften denkbar. In besonderen Fällen kann es aber auch bei großen Gesellschaften vorkommen. Weiterhin hat die Hauptversammlung die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung bei der Feststellung des Jahresabschlusses — nicht etwa erst beim Gewinnverwendungsbeschluß — zu beachten. Nach dem Gesetz hat sie nicht ohne weiteres die gleiche Stellung wie Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses. Diese können nach § 58 II, ohne daß es einer Satzungsbestimmung bedarf, bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einstellen. Das kann die Hauptversammlung nicht. Sie darf überhaupt nur dann Teile des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einstellen, wenn die Satzung ihr dies gestattet. Audi dann kann sie es höchstens bis zur Hälfte des Jahresüberschusses, gleichgültig ob die Satzung etwa 985
§173 Anm. 3 , 4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
diese gesetzliche Höchstgrenze ausdrücklich erwähnt oder ob die Satzung weitergeht. Eine etwa weitergehende Satzung ist insoweit, als gegen das Gesetz verstoßend nichtig. Man wird ihr aber die Gültigkeit insoweit nicht abstreiten können, als sie grundsätzlich der Hauptversammlung das Recht gibt, bei Feststellung des Jahresabschlusses im gesetzlichen Rahmen Beträge in die offene Rücklage zu überweisen. Zu unterscheiden von dem Beschluß der Hauptversammlung, durch den der Jahresabschluß festgestellt wird, ist der über die Gewinnverwendung nach § 174, der stets von der Hauptversammlung zu fassen ist. Hierbei muß sie § 254 beachten, wonach ihr Beschluß, abgesehen von den üblichen Anfechtungsgründen nach § 243 — Gesetzes- oder Satzungsverletzung — , auch dann angefochten werden kann, wenn sie übermäßige Zuweisungen in die Rücklagen beschließt, sofern dadurch unter die Aktionäre kein Gewinn in H ö h e von mindestens 4 %> verteilt werden kann. Der Beschluß über die Feststellung des Jahresabschlusses kann zwar nach § 257 aus den allgemeinen Gründen des § 243 angefochten werden, also insbesondere wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung. Die Anfechtung kann jedoch nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt (§ 257 I S. 2). D a m i t kommt auch hier wie an anderen Stellen des Gesetzes zum Ausdruck, daß die Anfechtung des Jahresabschlusses selbst vermieden werden soll, weil sonst das Anfechtungsrecht eine zu große Auswirkung haben könnte, und diese für die Gesellschaft außerordentlich wichtige Feststellung des Jahresabschlusses dadurch in ungebührlicher Weise verzögert oder verhindert werden könnte. IV. Nachtragsprüfung
Anm. 4: Wenn der Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses obliegt, sei es, weil der Aufsichtsrat den ihm vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß nicht gebilligt hat, sei es, daß ihr durch übereinstimmenden Beschluß von Vorstand und Aufsichtsrat die Feststellung überlassen ist, so hat die Hauptversammlung zwei Beschlüsse zu fassen, die man voneinander getrennt behandeln muß. Nämlich einmal den Beschluß, durch den sie den Jahresabschluß feststellt und zum anderen den Gewinnverwendungsbeschluß nach § 174. Im ersteren Fall kann die Hauptversammlung durch ihren Beschluß zu einer Änderung des Jahresabschlusses kommen, wie ihn der Vorstand vorgelegt hat und wie er von den Abschlußprüfern geprüft wurde. Im zweiten Fall, dem Gewinnverwendungsabschluß, erfolgt jedoch niemals eine Änderung des festgestellten Jahresabschlusses. D a s wird in § 174 I I I ausdrücklich bestimmt. Infolgedessen gibt es in diesem Fall auch keine Nachtragsprüfung. Anders ist es bei dem Beschluß, durch den die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, wenn sie eine Änderung in dem vom Vorstand vorgelegten Jahres986
Feststellung durch die Hauptversammlung
§173
Anm. 4
abschluß vorgenommen hat. Nicht jede Änderung löst die Nachtragsprüfung aus, vielmehr ist nur dann erneut zu prüfen „soweit es die Änderung fordert". Hierüber entscheidet verbindlich der Abschlußprüfer, der nach § 176 II an den Verhandlungen über die Feststellungen des Jahresabschlusses teilzunehmen hat. Er kann in der Hauptversammlung eine bindende Erklärung dahin abgeben, daß er eine Änderung nicht für notwendig hält. Er muß es aber nicht. Vielmehr steht ihm das Recht zu, sich die Angelegenheit zu überlegen, wobei er allerdings zu beachten hat, daß er, falls er zu dem Ergebnis kommt, daß eine Prüfung der Änderungen notwendig ist, diese nicht nur binnen zwei Wochen durchgeführt sein muß, sondern es muß innerhalb dieser Frist der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk hinsichtlich der Änderung erteilt werden, denn nach Abs. 3 S. 4 werden die Beschlüsse der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Gewinnverwendung nichtig, wenn nicht innerhalb dieser Frist der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk hinsichtlich der Änderungen vorliegt. Hält der Abschlußprüfer eine Nachtragsprüfung nicht für erforderlich, so muß er auch dies in irgendeiner Form mitteilen, denn der Vorstand muß schließlich wissen, ob der Beschluß, mit dem die Hauptversammlung den Jahresabschluß festgestellt hat, wirksam ist. Wir sind deshalb der Auffassung, daß bei jeder Änderung, gleichgültig welchen Umfang sie hat, ein neuer Bestätigungsvermerk erteilt werden muß, und wir glauben uns dabei auf den Gesetzeswortlaut stützen zu können, obwohl die Regierungsbegründung eine andere Auffassung zum Ausdruck bringt. Nach unserer Auffassung besagt der Satz 1 des Abs. 3, daß eine erneute Prüfung nur notwendig ist, soweit es die Änderung fordert. Dieser Gedanke wird im Satz 2 aber nicht fortgeführt, sondern es heißt, ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist unwirksam. Dies wird in der Regierungsbegründung wie folgt interpretiert: „Ist eine Nachtragsprüfung danach erforderlich, so wird ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk unwirksam, da er den geänderten Jahresabschluß nicht mehr deckt." Wir sind der Auffassung, daß bei jeder Änderung des Jahresabschlusses der erteilte Bestätigungsvermerk unwirksam wird. Das führt auch zu dem allein vernünftigen Ergebnis, daß der Abschlußprüfer in dieser seiner Eigenschaft verbindlich erklären muß, ob der frühere Bestätigungsvermerk auch nach der Änderung noch voll gültig ist. Das erfordert die Rechtssicherheit. In § 167 I I I ist gerade mit Rücksicht auf etwaige Nachtragsprüfungen bestimmt, daß der Prüfungsvermerk mit Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen ist. Wenn man der in der Regierungsbegründung zum Ausdruck gekommenen Auffassung folgt, so müßte der Abschlußprüfer dennoch eine Erklärung abgeben, die vielleicht nicht dem Wortlaut des Bestätigungsvermerks entspricht, die aber doch die gleiche Bedeutung hat, wie ein neuer Bestätigungsvermerk. Warum soll man dann nicht von vornherein verlangen, daß bei jeder Änderung ein neuer Bestätigungsvermerk zu erteilen ist. Man kommt dann auch um die recht schwie987
§173 Anm. 4,5
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
rige Auslegungsfrage herum, wann eine Änderung eine Nachtragsprüfung nicht erfordert. Darüber können die Meinungen außerordentlich weit auseinandergehen. Es wäre aber unerträglich, wenn gerade in diesem Punkt eine Rechtsunsicherheit entstehen würde. Diese wird auf alle Fälle beseitigt, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß der Bestätigungsvermerk bei jeder Änderung unwirksam wird, gleichgültig, ob sie eine Nachprüfung erforderlich macht oder nicht, denn immer muß eine neue Entscheidung des AbschlußÄnderung unwirksam wird, gleichgültig ob sie eine Nachprüfung erforderlich ist, dann sollte dies in dem neu erteilten Bestätigungsvermerk zum Ausdruck kommen. Ebenso wie es ja, wenn eine Nachtragsprüfung stattgefunden hat, in dem neuen Bestätigungsvermerk zum Ausdruck kommt, daß sich die Nachtragsprüfung auf die Änderung bezogen hat. V. Bedingte Hauptversammlungsbeschlüsse Anm. 5: Das Gesetz stellt klar, daß, wenn eine erneute Prüfung stattfindet, sowohl der Beschluß der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses, als auch der über die Gewinnverwendung erst wirksam werden, wenn aufgrund der erneuten Prüfung ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk hinsichtlich der Änderung erteilt worden ist. Die Beschlüsse sind also bis dahin auflösend bedingt. Wird ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk nicht binnen zwei Wochen seit der Beschlußfassung erteilt, so werden die Beschlüsse nichtig. Das bedeutet, daß dann eine neue Hauptversammlung einberufen werden muß, die sich zu entscheiden hat, ob sie an den vom Abschlußprüfer beanstandeten Änderungen festhalten will. Es ist nicht möglich, nunmehr etwa den Jahresabschluß, so wie ihn die Hauptversammlung beschlossen hat, durch eine Billigung des Aufsichtsrates nach § 172 festzustellen. Auch dann nicht, wenn der Vorstand sich den abgeänderten Jahresabschluß zu eigen macht. Dem steht § 175 IV entgegen; denn wenn die Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses berufen ist, sei es, weil der Aufsichtsrat nach § 172 den Jahresabschluß nicht gebilligt hat oder weil nach § 173 I Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen haben, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, bleibt sie dies auch dann, wenn die Hauptversammlung nicht zu einem rechtsgültigen Ergebnis kommt, weil sich später herausstellt, daß ihre Beschlüsse nichtig waren. Nach wie vor bleibt allein die Hauptversammlung in der Lage, den Jahresabschluß festzustellen. Das Gesetz sagt nichts darüber, was geschieht, wenn keine Nachtragsprüfung erfolgt, weil die Änderung es nicht erforderte. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es an dieser Stelle, „vielfach könne der in der Hauptversammlung anwesende Abschlußprüfer sich zu den Änderungen äußern" und „ohne weitere Prüfung auch für den geänderten Jahresabschluß 988
Feststellung durdi die Hauptversammlung
§173
Anm. 5
den Bestätigungsvermerk erteilen können". Dies kommt der von uns vertretenen Ansicht sehr nahe, denn es ist schließlich ein Streit um Worte, ob man feststellt, daß die Änderungen keiner Nachtragsprüfung bedürfen oder ob man erklärt, die Änderungen seien unbedenklich, und einen neuen Bestätigungsvermerk erteilt. Dieser Unterschied scheint uns für die Praxis so bedeutungslos, daß in allen Fällen zu empfehlen ist, daß ein neuer Bestätigungsvermerk erteilt wird, was sich nach unserer Ansicht (siehe oben Anm. 4) aus dem Gesetz sogar zwingend ergibt. Wird der Bestätigungsvermerk in der Hauptversammlung in dieser Weise erteilt, ist damit alles erledigt. Die Beschlüsse sind dann auch keine bedingten, sondern sie werden sofort voll wirksam. Es wird in einem solchen Fall sich auch empfehlen, den neu erteilten Bestätigungsvermerk vor Beschlußfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung erteilen zu lassen. Dann sind sie schon deshalb nicht bedingt, weil sie nicht vor, sondern nach der „erneuten Prüfung" gefaßt worden sind. Es ist auch möglich, daß der Abschlußprüfer erklärt, er könne nicht innerhalb der zur Verfügung stehenden zwei Wochen die Prüfung der Änderung durchführen und einen entsprechenden Bestätigungsvermerk erteilen. Dann wird es zweckmäßig sein, die Hauptversammlung zu vertagen, denn es erscheint nicht sinnvoll, die Hauptversammlung Beschlüsse fassen zu lassen, wenn man bereits sicher weiß, daß sie der Nichtigkeit anheimfallen. Eine weitere Möglichkeit ist die, daß der Abschlußprüfer erklärt, daß er jetzt schon sagen könne, daß er die Änderungen der Hauptversammlung unter keinen Umständen anerkennen wird und daß er infolgedessen den Bestätigungsvermerk versagen wird. Dann könnte man so vorgehen, daß man diese Erklärung des Abschlußprüfers zu Protokoll nimmt und dann erst die Feststellungsbeschlüsse fassen läßt. Dann hat die Hauptversammlung in Kenntnis des eingeschränkten oder versagten Bestätigungsvermerkes ihre Beschlüsse gefaßt. Auch solche Beschlüsse sind, da sie nach der Prüfung der Änderung erfolgt sind, nicht bedingt, sondern unbedingt und fallen nicht unter diese Vorschrift. Ob sie aus sonstigen Gründen anfechtbar oder nichtig sind, ist eine andere Frage, wobei au § 257 I S. 2 hinzuweisen ist, wonach eine Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung nicht darauf gestützt werden kann, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Ferner kann der Abschlußprüfer in der Hauptversammlung erklären, daß er der Ansicht sei, die vorgenommenen Änderungen erforderten keine Nachtragsprüfung. Dann ist unserer Ansicht nach ein neuer Bestätigungsvermerk sofort abzugeben, wobei es dann gleichgültig wäre, ob der Feststellungsbeschluß vor dieser Erklärung des Abschlußprüfers erfolgte oder nachher. Im ersteren Fall läge zwar ein bedingter Beschluß vor. Es wäre aber die auflösende Bedingung weggefallen, sobald der Bestätigungsvermerk erteilt ist. 989
§§173/174 Anm. 5 / 1
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Im zweiten Fall läge überhaupt kein bedingter Beschluß vor, denn dann würde er nach der „erneuten Prüfung", die hier allerdings nur darin bestehen würde, daß der Wirtschaftsprüfer eine erneute Prüfung nicht für notwendig hält, liegen.
Zweiter Unterabschnitt Gewinnverwendung § 174 (1) Die Hauptversammlung beschließt über die Verwendung des Bilanzgewinns. Sie ist hierbei an den festgestellten Jahresabschluß gebunden. (2) zelnen 1. der 2. der 3. die 4. ein 5. der
In dem Beschluß ist die Verwendung des Bilanzgewinns im eindarzulegen, namentlich sind anzugeben Bilanzgewinn; an die Aktionäre auszuschüttende Betrag; in offene Rücklagen einzustellenden Beträge; Gewinnvortrag; zusätzliche Aufwand auf Grund des Beschlusses.
(3) Der Beschluß führt nicht zu einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses. I. Übersicht (Anm. 1) II. Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 2) III. Bindung an den festgestellten Jahresabschluß (Anm. 3)
IV. Aufgliederung des Gewinnverwendungsbesdilusses (Anm. 4) V. Keine Änderung des festgestellten Jahresabschlusses (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: Während die Feststellung des Jahresabschlusses nur ausnahmsweise der Hauptversammlung obliegt, ist sie ausschließlich zuständig für den Gewinnverwendungsbeschluß. Auch die Satzung kann daran nichts ändern. Wenn die neuen Vorschriften auch bis zu einem gewissen Grade mit denen des bisherigen Rechts (§ 126 A k t G 3 7 ) übereinstimmen, so sind sie dadurch doch in ihrem Inhalt und in ihrer Bedeutung wesentlich verändert, weil der sich nach den neuen Bestimmungen aus dem festgestellten Jahresabschluß ergebende Gewinn, um dessen Verwendung es sich handelt, etwas grundsätzlich anderes ist, als der „Reingewinn" des bisherigen Rechts. Deshalb hat man auch die Begriffe verändert, während der § 126 AktG 37 von „Gewinnverteilung" sprach, handelt es sich jetzt beim § 174 um „Gewinnverwendung". Die Hauptversammlung beschließt nicht wie im § 1 2 6 AktG 37 über „die Verteilung des Reingewinns", sondern über „die Verwendung des Bilanz990
Gewinnverwendung
§174
Anm. 1,2
gewinnes". Der entscheidende Unterschied besteht darin, daß nach § 58 derjenige, der den Jahresabschluß feststellt, sei es der Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates, sei es die Hauptversammlung, nicht mehr unbeschränkt über die Rücklagenbildung verfügen kann. Danach kann grundsätzlich nur bis zur Hälfte des unter Posten 28 nach § 1571 ausgewiesenen Jahresüberschusses bei der Feststellung des Jahresabschlusses Rücklagen zugewiesen werden. Dagegen kann nach § 58 II die Hauptversammlung im Beschluß über die Gewinnverwendung weitere Beträge in offene Rüdciagen einstellen. Dadurch und weiterhin durch die neuen Bewertungsvorschriften ist die Bedeutung der Gewinnverwendung wesentlich gestiegen. Hier liegt eine deutliche Stärkung der Stellung des Aktionärs, der nur in der Hauptversammlung seine Mitgliedschafts rechte ausüben kann. Die aus dem bisherigen Recht § 126 III AktG 37 übernommene Bestimmung, wonach die Hauptversammlung bei der Gewinnverwendung an den festgestellten Jahresabschluß gebunden ist, gilt nicht nur unverändert, sondern sie ist nicht mehr nur darauf beschränkt, daß es sich auf den vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates festgestellten Jahresabschluß bezieht, sondern sie bezieht sich auch auf den von der Hauptversammlung selbst festgestellten Jahresabschluß. Wie an allen Stellen des Gesetzes, so wird auch hier streng unterschieden zwischen dem Hauptversammlungsbeschluß, der den Jahresabschluß feststellt, und dem Gewinnverwendungsbeschluß. Bei ersterem ist die Hauptversammlung an die Vorschrift des § 58 in ihrer Rücklagenpolitik gebunden, im zweiten Fall muß sie nur die Vorschrift des § 254 im Auge behalten, wonach eine übermäßige Rücklagenbildung dann zur Anfechtung des Beschlusses führen kann, wenn nicht mindestens eine Dividende von 4 °/o verteilt wird. Neu ist die Bestimmung des Abs. 2, wonach der Gewinnverwendungsbeschluß einer besonderen Aufgliederung bedarf. Eine Änderung gegenüber dem bisherigen Redit liegt in der Vorschrift des Abs. 3, wonach der Gewinnverwendungsbeschluß nicht zu einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses führt. Bisher war man überwiegend der Ansicht, daß dies der Fall sei, und sie vom Vorstand vorgenommen werden müsse. II. Beschluß der Hauptversammlung Anm. 2: Entsprechend dem bisherigen Recht ist die Hauptversammlung allein zuständig für den Gewinnverwendungsbeschluß. Die Satzung kann nichts Abweichendes bestimmen. Bilanzgewinn ist nach §151 IV S. 3 der Überschuß der Aktivposten über die Passivposten. Er ergibt sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung und wird dort unter Posten 32 des § 157 I ausgewiesen. Wie sich der Bilanzgewinn im einzelnen errechnet, ergibt sich aus § 157 und den Anm. dort. Nicht ausdrücklich geregelt ist die umstrittene Frage, ob gewinnabhängige Verpflichtungen der Gesellschaften, z. B. Vergütungen an Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder, als Aufwand oder Teil des Ge991
§ 174
Anm. 2 , 3
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
winnes zu behandeln sind. Da weder in der gesetzlichen Aufschlüsselung des Vorschlages des Vorstandes an den Aufsichtsrat über die Gewinnverwendung (§ 170 I I ) noch im vorliegenden Abs. 2 diese Positionen genannt werden, kann man nunmehr davon ausgehen, daß derartige gewinnabhängige Verpflichtungen der Gesellschaft als Aufwendungen zu behandeln sind. Das bedeutet, daß sie nicht im Gewinnverwendungsvorschlag und dem Gewinnverwendungsbeschluß aufzuführen sind, sondern unter „sonstige Verbindlichkeiten" (§ 151 I Passivseite V I Posten 6) oder unter „andere Rückstellungen" ( § 1 5 1 I Passivseite I V Posten 2) einzustellen sind. Umgekehrt steht aus den gleichen Gründen nunmehr fest, daß der Gewinnvortrag nicht wie eine Rücklage zu behandeln ist, die bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses festzustellen ist, sondern daß er zum Gewinnverwendungsbeschluß gehört, denn er ist im § 170 I I beim Gewinnvorschlag des Vorstandes unter Nr. 3 und in § 174 I I in Nr. 4 beim Gewinn verwendungsbesdhluß der Hauptversammlung ausdrücklich aufgeführt. Er wird in der Gewinn- und Verlustrechnung des nächsten Geschäftsjahres nach § 157 I Posten 29 nach dem Posten Jahresüberschuß (28) berücksichtigt. III. Bindung an den festgestellten Jahresabschluß Anm. 3: Nach § 170 I I hat der Vorstand dem Aufsichtsrat gleichzeitig mit dem Jahresabschluß den Vorschlag vorzulegen, den er der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung machen will. Der Aufsichtsrat hat den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinnes zu prüfen (§ 171) und das Ergebnis der Prüfung in seinen schriftlichen Bericht an die Hauptversammlung aufzunehmen (§ 171 II). Nach § 175 I I ist der Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinnes zusammen mit dem Jahresabschluß in dem Geschäftsbericht und dem Bericht des Aufsichtsrates in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift der Vorlage zu erteilen (§ 175 II S. 2). Bis dahin werden gewissermaßen Jahresabschluß und Geschäftsbericht auf der einen Seite und Gewinnverwendungsbeschluß auf der anderen Seite gleichmäßig behandelt. Allerdings mit der einen wichtigen Ausnahme, daß der letztere nicht der Prüfung der Abschlußprüfer unterliegt. Wenn Beträge in offene Rüdciagen eingestellt werden oder wenn sich kein Gewinnvortrag ergibt, so sind diese Posten wegzulassen. In der Hauptversammlung selbst sind Jahresabschluß und Gewinnverwendungsbeschluß grundsätzlich verschieden zu behandeln. Im allgemeinen wird die Hauptversammlung nur den bereits durch Billigung des Aufsichtsrates festgestellten Jahresabschluß entgegennehmen. Aber selbst wenn sie dazu berufen ist, ihn festzustellen, muß sie dies tun, bevor überhaupt ein Gewinnverwendungsbeschluß möglich ist. Aus Abs. 1 S. 2, der neu eingefügt ist, ergibt sich zweierlei. Zunächst daß 992
Gewinnverwendung
§174
Anm. 3
ein Gewinnverwendungsbeschluß nur erfolgen kann, aufgrund eines festgestellten Jahresabschlusses und ferner, daß die Hauptversammlung in allen Fällen an den festgestellten Jahresabschluß gebunden ist. Nicht nur — wie nach dem bisherigen Recht § 126 I I I AktG 37 — an den vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates festgestellten Jahresabschluß, also auch wenn sie selbst die Feststellung vornimmt. Dabei ist sie durch die Bestimmung des § 58 bei der Zuweisung in offene Rücklagen stärker eingeschränkt als die Verwaltung, wenn sie den Jahresabschluß feststellt. Letztere können auch ohne Satzungsbestimmung bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einstellen, während die Hauptversammlung dies nur kann, wenn eine entsprechende Satzungsbestimmung die Zuweisung von Beträgen in freie Rücklagen erlaubt und auch das ist nur möglich bis zur H ä l f t e des Jahresüberschusses. Ferner kann, wenn die Verwaltung den Jahresabschluß feststellt, aufgrund einer Satzungsbestimmung dann mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen eingestellt werden, wenn diese die H ä l f t e des Grundkapitals noch nicht erreicht haben. Die Hauptversammlung hat diese Möglichkeit nicht. Diese Einschränkung der Möglichkeiten der Hauptversammlung bei der Feststellung des Jahresabschlusses wird dadurch wieder ausgeglichen, daß sie bei dem Gewinnverwendungsbeschluß frei ist. Hier kann sie in freie Rücklagen einstellen, soviel sie für richtig hält. Sie muß sich hierbei nur in den Grenzen des § 254 halten, d. h., es muß entweder noch so viel vom Gewinn verbleiben, daß daraus eine Dividende von 4 °/o bezahlt werden kann, oder, wenn das nicht möglich ist, dürfen die Beträge, die in offene Rücklagen eingestellt werden, den Betrag nicht übersteigen, der bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeit übersehbaren Zeitraum zu sichern (im einzelnen vgl. Anm. zu § 254). In der Begründung zum Regierungsentwurf wird zu § 257 ausgeführt, daß nach § 58 I I I die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß Beträge in offene Rücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen kann, und zwar durch einfachen Mehrheitsbeschluß, ohne daß es einer Satzungsbestimmung bedarf. Es heißt dann weiter: „Diese Regelung birgt, namentlich bei Gesellschaften, die von einem Großaktionär beherrscht werden, die Gefahr in sich, daß die Hauptversammlungsmehrheit jahrelang jede Ausschüttung verhindert und statt dessen Rücklagen in einem Ausmaß ansammelt, das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr zu rechtfertigen ist." Daraus könnte man entnehmen, daß auch ein übermäßiger Gewinnvortrag unter § 254 fallen würde. Der Wortlaut des Gesetzes würde dies aber nur dann decken, wenn man den Gewinnvortrag als Rücklage ansieht. Das tut das Gesetz aber offensichtlich nicht, denn es unterscheidet stets zwischen den offenen Rüdslagen und dem Gewinnvortrag. So auch hier. Es wäre sonst wohl richtiger gewesen, die offenen Rücklagen und den Gewinnvortrag 993 63
Wilhelmi, Aktiengesetz
§174
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 3 unter einer Nummer zusammenzufassen. Aber selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß dies hier nicht geschehen ist, um den Gewinnvortrag als solchen besonders darzustellen, so wird in der für die Verwendung des Jahresüberschusses entscheidenden Bestimmung des § 58 von offenen Rücklagen und Gewinnvortrag getrennt gesprochen, so daß die Erwähnung eines Gewinnvortrages in § 254 notwendig gewesen wäre, wenn man die Bestimmung des § 254 auch auf den Gewinnvortrag hätte anwenden wollen. Die Bestimmung des § 254 hat nach unserer Meinung nur insoweit Bedeutung für den Gewinnvortrag, als, wenn dieser offensichtlich übermäßig hoch ist und gleichzeitig die Möglichkeiten zur Bildung von stillen Rücklagen im Sinne des § 254 erschöpft sind, die Zuweisung von übermäßig hohen Beträgen in den Gewinnvortrag als eine Umgehung der Bestimmung des § 254 anzusehen und damit nach § 243 anfechtbar ist. Man wird aber nicht daraus den Schluß ziehen können, daß das Gesetz im Gewinnvortrag eine Rücklage im Sinne der Gesetzesminologie sieht. Die Bindung der Hauptversammlung an den festgestellten Jahresabschluß bedeutet, daß sie die bei der Feststellung vorgenommenen Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rücklagen und Rückstellungen nicht rückgängig machen kann. Dabei ist jedoch zu beachten, daß nach § 256 I Nr. 4 ein von der Verwaltung festgestellter Jahresabschluß nichtig ist, wenn bei seiner Feststellung die Bestimmung des Gesetzes oder der Satzung über die Einstellung von Beträgen in offene Rücklagen oder über die Entnahme von Beträgen aus offenen Rücklagen verletzt worden sind. Die Hauptversammlung ist auch nicht in der Lage, bestehende Rüdklagen aufzulösen, wenn der Jahresabschluß festgestellt ist. Stellt sie ihn selbst fest, so kann sie bei dieser Gelegenheit, nicht aber beim Gewinnverwendungsbeschluß, auch bestehende Rücklagen im gesetzlich zulässigen Umfang auflösen. Stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluß fest, und überschreitet sie bei der Rücklagenbildung die ihr nach § 58 gesetzte Grenze, so ist dennoch der Beschluß, mit dem der Jahresabschluß festgestellt wird, nach § 243 nicht anfechtbar, da § 257 II die Anfechtung dann ausschließt, wenn sie darauf gestützt werden soll, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Die im bisherigen Recht erörterte Frage, ob die Hauptversammlung Rücklagen, die sie selbst in früheren Jahren beschlossen hat, von sich aus wieder auflösen kann, ist eindeutig zu verneinen. Es wird nach der Konstruktion des neuen Gesetzes vielfach vorkommen, daß die Hauptversammlung Rücklagen beschließt. Es wäre nicht erträglich, wenn sie in der Lage wäre, gegen den Willen der Verwaltung diese in früheren Jahren gebildeten Rücklagen selbst wieder auflösen zu können. Die weitere zum früheren Recht behandelte Frage, ob sie Abschreibungen erhöhen kann, wenn sie ihr zu niedrig erscheinen, ist ebenfalls zu verneinen. Die Hauptversammlung hat jetzt die Möglichkeit, eine besondere Rücklage zu bilden, etwa dafür, daß bei den Abschreibungen nicht vom Wiederbeschaffungspreis ausgegangen werden 994
Gewinnverwendung
§174
Anm. 3,4
kann, sondern nach wie vor der Anschaffungspreis maßgebend ist und das Höchstmaß der Abschreibungen darstellt. Eine solche, während der Beratung zum Gesetz sehr umstrittene Substanzerhaltungsrücklage, kann auf dem Wege des Gewinnverwendungsbeschlusses unbedenklich gebildet werden, sofern sich ihre Bildung im Rahmen des § 254 hält. Der Streit geht darum, ob eine solche besondere Substanzerhaltungsrücklage vor Feststellung des Jahresergebnisses ohne Anrechnung auf die 50 °/o, die die Verwaltung vom Jahresüberschuß in Rücklagen einstellen kann, gebildet werden darf. Den darauf abzielenden Anträgen ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Außer an den festgestellten Jahresabschluß ist die Hauptversammlung bei dem Gewinnverwendungsbeschluß auch an etwaige Satzungsbestimmungen gebunden, wenn auch für diese der mögliche Rahmen durch die eingehende Regelung im Gesetz eine engere geworden ist. Nach § 58 III S. 2 kann die Satzung z. B. die Hauptversammlung ermächtigen, Teile des Gewinnes an außenstehende Dritte, etwa eine gemeinnützige Stiftung, zu beschließen. Die Hauptversammlung hat es dann noch in der Hand, ob sie von dieser Ermächtigung Gebrauch machen will. Dagegen dürfte eine Satzungsbestimmung, die die Überweisung eines bestimmten Bruchteiles des Gewinnes an eine solche Stiftung zwingend vorschreibt, nicht gültig sein. Sie widerspricht dem Gedanken des Gesetzes, das die Gewinnverwendung letztlich ausschließlich und ohne jede Einschränkung in der Hand der Hauptversammlung liegen muß. Andererseits darf die Hauptversammlung keine Gewinnverwendung beschließen, durch die andere als die Gesellschaft selbst oder deren Aktionäre einen Vorteil haben. Sie kann deshalb, wenn es an einer Satzungsbestimmung nach § 58 III fehlt, nicht etwa von sich aus einen Teil des Gewinnes einer Stiftung durch Beschluß zuweisen. IV. Aufgliederung des Gewinnverwendungsbeschlusses Anm. 4: Bereits der Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstandes ist nach einer besonderen Gliederung aufzustellen (§ 170 II), die sich von der hier vorliegenden dadurch unterscheidet, daß dort der Bilanzgewinn an letzter Stelle steht, während er hier an erster Stelle aufzuführen ist (hierüber vgl. Anm. 3 zu § 170). Im übrigen sind die Aufgliederungen in beiden Bestimmungen gleich. Sie sind insoweit zwingend, als sämtliche 5 Posten aufgegliedert werden müssen, wenn sie nach dem Inhalt des Gewinnverwendungsbeschlusses in Frage kommen. Wenn aber beispielsweise keine Beträge in offene Rücklagen eingestellt werden, so entfällt naturgemäß diese Nummer und damit der Regel auch die Nr. 5, da ein zusätzlicher Aufwand aufgrund des Beschlusses nur dann entsteht, wenn durch Einstellung von Beträgen in offene Rücklagen bei dem zur Zeit gespaltenen Steuersatz für die Körperschaftsteuer eine erhöhte Steuer — also ein zusätzlicher Aufwand — entsteht. Auf der anderen Seite ist die Aufgliederung auch nicht vollständig. Es ist durch63*
995
§ 174 Anm. 4
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
aus denkbar, daß bei einer anderen Gewinnverwendung, wie z. B. die Zuwendung eines Teiles des Gewinnes an eine gemeinnützige Stiftung, die Aufgliederung ergänzt werden muß. Es ist auch denkbar, daß ein Bedürfnis dafür besteht, die in offene Rücklagen einzustellenden Beträge im einzelnen zu gliedern, wenn Rücklagen mit Zweckbindung geschaffen werden. Alles dies ist zulässig, wie sich aus der Formulierung „namentlich sind anzugeben" eindeutig ergibt. Die vorgeschriebene Aufgliederung soll dazu beitragen, daß die Hauptversammlung sich bis in das letzte Detail hinein über die Aufteilung des Bilanzgewinnes klar ist. Deshalb ist von besonderer Bedeutung die Position 5 über den zusätzlichen A u f w a n d aufgrund des Beschlusses. Dieser muß errechnet werden, da die Summen der Beträge zu N r . 2 bis 5 der N r . 1, d. h. dem Bilanzgewinn, entsprechen muß. Sollte sich später ergeben, daß der zusätzliche A u f w a n d aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses falsch errechnet war und der A u f w a n d höher ist, so kann der höhere Betrag von keinem der anderen Posten abgesetzt werden. Auch nicht vom Gewinnvortrag. Er wird in der Gewinn- und Verlustrechnung des folgenden Geschäftsjahres unter sonstiger Aufwendung (§ 1 5 7 1 Posten 26) aufzuführen sein. Es kann andererseits nicht zweifelhaft sein, daß durch einen solchen fehlerhaften, zu geringen Ansatz des zusätzlichen Aufwandes der Gewinnverwendungsbeschluß insofern gegen das Gesetz verstößt, als mehr verteilt wurde, als vorhanden war. D a s ist stets eine Verletzung des Gesetzes und besonders bedenklich, wenn eine Verteilung an die Aktionäre erfolgt ist. Infolgedessen unterliegt ein solcher Beschluß der Anfechtung nach § 243, wobei allerdings kaum eine Anfechtung durch einen Aktionär in Frage kommen wird, denn dieser müßte gegen den Beschluß Widerspruch erhoben haben, also den Fehler bereits bemerkt haben; wohl aber könnte der Vorstand verpflichtet sein, die Anfechtung geltend zu machen. O b diese Verpflichtung besteht, muß davon abhängig gemacht werden, ob durch den Fehler die Verteilung eines erheblich größeren, über dem Bilanzgewinn liegenden Betrages erfolgt ist. Dabei wird vom Vorstand abzuwägen sein, ob der Gesellschaft durch die fehlerhafte Gewinnverwendung ein Schaden entstehen kann, der nicht im folgenden Geschäftsjahr von selbst mit Sicherheit ausgeglichen wird. Insbesondere werden dabei die Interessen der Gläubiger geprüft werden müssen, so daß bei jedem wirklich irgendwie nennenswerten Fehler in der Gewinnverwendung der Vorstand zur Anfechtung verpflichtet ist. Wenn es sich aber um Beträge handelt, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Gewinn- und Verlustrechnung des nächsten Geschäftsjahres ausgeglichen werden können, so würde es gegen die Pflichten des Vorstandes verstoßen, dennoch eine Anfechtung vorzunehmen mit der Folge, daß ein neuer Gewinnverwendungsbeschluß erfolgen muß, also die Kosten einer neuen Hauptversammlung der Gesellschaft zur Last fielen. Dieser Kostenbetrag wird bei der pflichtgemäßen Entschließung des Vorstandes eine entscheidende Rolle spielen müssen. 996
Einberufung
§§ 174 /175 Anm. 5
V. Keine Änderung des festgestellten Jahresabschlusses Anm. 5: Wenn die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß Beträge in offene Rücklagen einstellt, so wird damit der materielle Inhalt des Jahresabschlusses in doppelter Weise geändert: einmal durch die Einstellung dieser Beträge in neue oder bestehende Rücklagen und zum anderen auch durch den zusätzlich dadurch entstehenden Aufwand. Dennoch stellt das Gesetz fest, daß der Gewinnverwendungsbeschluß nicht zu einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses führt. Damit soll gesagt werden, daß der Gewinnverwendungsbeschluß selbständig neben dem Jahresabschluß besteht. Dieser müßte, wenn man den Gewinnverwendungsbeschluß als Änderung des Jahresabschlusses behandeln würde, mindestens einer Nachtragsprüfung unterzogen und dann erneut festgestellt werden. Alles das wird durch die neue Lösung im Gesetz überflüssig. Es bleibt bei dem ordnungsgemäßen Jahresabschluß. Andererseits muß in der Bekanntmachung des Jahresabschlusses in den Gesellschaftsblättern nach § 178 I Nr. 3 der Gewinn Verwendungsbeschluß mitgeteilt werden. Damit ist für die Öffentlichkeit und jeden Aktionär ersichtlich, welche materiellen Änderungen durch den Gewinnverwendungsbeschluß der festgestellte Jahresabschluß erhalten hat. Auf der anderen Seite wird den Bedürfnissen der Praxis dadurch Rechnung getragen, daß die Auswirkungen des Gewinnverwendungsbeschlusses nicht in dem alten Jahresabschluß aufgenommen werden müssen, sondern im folgenden Geschäftsjahr sich auswirkt. In der Jahresbilanz des nächsten Geschäftsjahres erhöht sich dementsprechend der Posten offene Rücklagen um die Zuweisung durch den Gewinnverwendungsbeschluß und in der Gewinn- und Verlustrechnung für das nächste Geschäftsjahr erscheint unter Posten 26 sonstige Aufwendungen der zusätzliche Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses. Während der Gewinnvortrag unter Posten 29 ausgewiesen wird. Dritter Unterabschnitt Ordentliche H a u p t v e r s a m m l u n g § 175 Einberufung (1) Unverzüglich nach Eingang des Berichts des Aufsichtsrats hat der Vorstand die Hauptversammlung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses und zur Beschlußfassung über die Verwendung eines Bilanzgewinns einzuberufen. Die Hauptversammlung hat in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahrs stattzufinden. (2) Der Jahresabschluß, der Geschäftsbericht, der Bericht des Aufsichtsrats und der Vorschlag des Vorstands für die Verwendung des Bilanz997
§175
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
Anm. 1 gewinns sind von der Einberufung an in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen. (3) Hat die Hauptversammlung den Jahresabschluß festzustellen, so gelten für die Einberufung der Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses und für die Auslegung der Vorlagen und die Erteilung von Abschriften die Absätze 1 und 2 sinngemäß. Die Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Verwendung des Bilanzgewinns sollen verbunden werden. (4) Mit der Einberufung der Hauptversammlung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses oder, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß festzustellen hat, der Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses sind Vorstand und Aufsichtsrat an die in dem Bericht des Aufsichtsrats enthaltenen Erklärungen über den Jahresabschluß (§§ 172, 173 Abs. 1) gebunden. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Einberufung (Anm. 2) III. Fristen (Anm. 3)
IV. Auslage und Versendung von Abschriften (Anm. 4) V. Wirkung der Einberufung der Hauptversammlung (Anm. 5)
I. Übersidit Anm. 1: Für den 3. Unterabschnitt „ordentliche Hauptversammlung" legt das Gesetz neu einen bisher schon allgemein üblichen Begriff fest. In der ordentlichen Hauptversammlung sollen nach § 175 III S. 2 die Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Verwendung des Bilanzgewinnes und nach § 120 III über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates verbunden werden. Der Sachzusammenhang zwischen dem Jahresabschluß und dem Gewinnverwendungsbeschluß ist ohne weiteres deutlich, aber auch für die Entlastung der Verwaltungsmitglieder ist ein sachlicher Zusammenhang gegeben, nachdem im § 120 I festgestellt wird, daß durch die Entlastung die Hauptversammlung die Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates billigt. Das geschieht am zweckmäßigsten zusammen mit den Verhandlungen über das erzielte Ergebnis, wenn auch sicherlich die Entlastung sich nicht nur auf dieses bezieht, sondern auf die Gesamttätigkeit der einzelnen Verwaltungsmitglieder. Einer der Gründe, die Institution der Entlastung überhaupt weiter bestehen zu lassen, war der, daß eine allgemeine Kritik an einzelnen Mitgliedern der Verwaltung bei diesem besonderen Punkt der Tagesordnung angebracht werden kann, während sie sonst etwa mit der Entgegennahme oder Feststellung des Jahresabschlusses verbunden werden müßte, auch wenn sie im Grunde genommen nichts mit diesem Tagesordnungspunkt 998
Einberufung
§175
Anm. 1,2
zu tun hat. Der Hauptgrund für die Beibehaltung war allerdings das offenbar unausrottbare Bedürfnis aller Verwaltungsmitglieder nach dieser rechtlich völlig bedeutungslosen — vgl. § 120 II S. 2 — Geste durch die Hauptversammlung. Die Einberufung der Hauptversammlung hat unverzüglich nach Eingang des Berichtes des Aufsichtsrates durch den Vorstand zu erfolgen. Die Hauptversammlung selbst muß in den ersten 8 Monaten des Geschäftsjahres stattfinden (s. Anm. 3). Die frühere gesetzliche Frist von 5 Monaten ist damit verlängert, und zwar noch um einen Monat mehr als die früher zulässige Verlängerung durch die Satzungsbestimmungen (§ 125 V AktG 37 bis zu 7 Monaten). Die jetzige gesetzliche Frist kann nicht durch Satzungsbestimmungen verlängert werden. Nach § 407 kann der Vorstand zur Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung durch Ordnungsstrafen angehalten werden. Wie im bisherigen Redit — § 120 VI AktG 37 — sind der Jahresabschluß, die Berichte des Vorstandes und des Aufsichtsrates und der Gewinnverwendungsvorschlag in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Neu ist, daß die Auslegung bereits mit der Einberufung der Hauptversammlung erfolgen muß und daß jedem Aktionär auf Verlangen unverzüglich eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen ist (s. Anm. 4). Neu ist ferner die Bestimmung, daß von der Einberufung der Hauptversammlung ab Vorstand und Aufsichtsrat an ihre Beschlüsse, ob sie selbst den Jahresabschluß feststellen wollen oder dies der Hauptversammlung überlassen, gebunden sind (s. Anm. 5). Nach § 13 EG gilt diese Bestimmung für alle Hauptversammlungen, die nach dem 1.1. 66 stattfinden (ebenso Kropff in DB 66, 709). II. Einberufung Anm. 2: Der Vorstand hat unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Eingang des Berichtes des Aufsichtsrates die ordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Ist der Jahresabschluß durch die Verwaltung festgestellt, so folgt die Einberufung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses. Soll die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellen, so erfolgt die Einberufung zur Feststellung des Jahresabschlusses. In beiden Fällen wird zur Beschlußfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns einberufen, da nach Abs. 3 die Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Verwendung des Bilanzgewinnes in derselben Hauptversammlung stattfinden sollen. Außerdem soll nach § 120 III S. 1 die Verhandlung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats mit der Verhandlung über den Jahresabschluß und den Gewinnverwendungsbeschluß verbunden werden, so daß auch dieser Punkt auf die Tagesordnung der ordentlichen Hauptversammlung zu setzen ist. 999
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Anm.2,3 Man wird den Begriff „unverzüglich" nicht allzu eng auslegen dürfen. Es ist im allgemeinen üblich, d a ß schon lange vor Fertigstellung des Berichtes des Aufsichtsrates ein Terminkalender aufgestellt wird, schon deshalb, weil nach § 118 I I die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates an der Hauptversammlung teilnehmen sollen. Wenn man das einigermaßen erreichen will, m u ß der Hauptversammlungstermin rechtzeitig festgelegt werden. Im übrigen könnte man, wenn man das unverzüglich allzu wörtlich nimmt, es dadurch entschärfen, d a ß man die Hauptversammlung mit einer über die Mindestfrist von einem Monat weit hinausgehenden Frist einberuft. Das ist sicherlich erwünscht und liegt sowohl im Interesse der Gesellschaft selbst, als auch in dem der Aktionäre. III. Fristen Anm. 3: Das Gesetz hat die Frist, innerhalb derer die ordentliche H a u p t versammlung stattzufinden h a t — nicht etwa einzuberufen ist — gegenüber dem bisherigen Recht (§ 125 V S. 1 A k t G 37) von fünf auf acht Monate verlängert. Allerdings ist es jetzt nicht mehr erlaubt, diese Frist durch die Satzung zu verlängern. Innerhalb dieser äußersten Frist von 8 Monaten, gerechnet vom Beginn des Geschäftsjahres an, spielt sich in bezug auf Jahresabschluß und den Gewinn Verwendungsvorschlag folgendes ab: Nach § 148 hat innerhalb der ersten 3 Monate des Geschäftsjahres der Vorstand den Jahresabschluß u n d den Geschäftsbericht aufzustellen und den Abschlußprüfern vorzulegen. Für die Abschlußprüfung besteht keine Frist. Die P r ü f e r können mit der Vorbereitung der Abschlußprüfung bereits vor der Vorlage des Jahresabschlusses beginnen und haben nach § 165 I I I besondere Auskunftsrechte. Die Abschlußprüfer haben ihren Prüfungsbericht (§ 166 I I I ) mit dem Bestätigungsvermerk (§ 167 III) dem Vorstand vorzulegen. Der Vorstand hat nach § 170 unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichtes diesen zusammen mit dem Jahresabschluß und dem Geschäftsbericht dem Aufsichtsrat vorzulegen (§ 170 I). Gleichzeitig hat er ihm den Vorschlag vorzulegen, den er der Hauptversammlung f ü r den Gewinnverwendungsbeschluß machen will (§ 170 II). Der Aufsichtsrat hat seinen Bericht innerhalb eines Monats, nachdem ihm die Vorlagen zugegangen sind, dem Vorstand zuzuleiten (§ 171 I I I ) . Wird die Frist nicht eingehalten, so hat der Vorstand unverzüglich eine weitere Frist von nicht mehr als einem Monat zu setzen. Wird auch diese nicht eingehalten, gilt der Jahresabschluß als vom Aufsichtsrat nicht gebilligt. Die Einberufungsfrist der Hauptversammlung beträgt einen Monat vom Tage der Versammlung aus gerechnet (§ 123 I). Die Frist verlängert sich nach § 123 I I im Fall der satzungsmäßig vorgeschriebenen Hinterlegung oder An1000
Einberufung
§ 175 Anm. 3 , 4
meidung um die Zeit, bis zu der äußerst angemeldet oder hinterlegt werden muß. Mit der Einberufung hat die Bekanntmachung der Tagesordnung und der Vorschläge der Verwaltung zu jedem Punkt der Tagesordnung zu erfolgen. Eine Woche nach der Bekanntmachung können die Aktionäre Anträge und Wahlvorschläge einreichen (§ 126 und § 127). 12 Tage nach der Bekanntmachung der Einberufung hat der Vorstand den Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen den Inhalt der Bekanntmachung der Tagesordnung nebst Vorschlägen der Verwaltung und etwaigen Anträgen oder Wahlvorschlägen der Aktionäre mitzuteilen (§ 125). Diese haben sie unverzüglich an die Aktionäre weiterzuleiten (§ 128 I), gegebenenfalls mit ihren eigenen Vorschlägen für die Ausübung des Stimmrechts (§ 128 II). In allen Fällen, in denen der Vorstand innerhalb einer bestimmten Frist oder unverzüglich zu handeln hat (§§ 148, 170, 171 I I I ; § 175), können seine Mitglieder nach § 407 durch Ordnungsstrafe des Registergerichts angehalten werden. IV. Auslage und Versendung v o n Abschriften
Anm. 4: Der Jahresabschluß, der Geschäftsbericht, der Bericht des Aufsichtsrats und der Vorschlag des Vorstandes für die Verwendung des Bilanzgewinns sind von der Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung an, d. h. spätestens an dem Tage, an dem das letzte der Gesellschaftsblätter, in denen die Bekanntmachung über die Einberufung zu erfolgen hat ( § 1 2 1 I I I ) , erschienen ist. Die Satzung kann keinen späteren Zeitpunkt vorschreiben. Sie könnte theoretisch einen früheren bestimmen, es wird dies aber kaum praktisch sein, weil vor Eingang der letzten Unterlage, nämlich des Berichtes des Aufsichtsrats, die Auslegung nicht erfolgen kann und der Vorstand unverzüglich nach Eingang dieses Berichts die Einberufung der Hauptversammlung vorzunehmen hat (vgl. oben Anm. 2). Zur Einsicht ist jeder Aktionär berechtigt, der als solcher durch das Aktienbuch (Namensaktie) oder Vorlegung einer Inhaberaktie oder der Hinterlegungsbescheinigung oder in anderer Weise ausgewiesen ist. Sie kann auch durch einen Bevollmächtigten vorgenommen werden. Die Gewährung der Einsicht kann durch Ordnungsstrafe nach § 407 erzwungen sowie später mit ihrer Verweigerung die Anfechtung der Beschlüsse, insbesondere des Gewinnverwendungsbeschlusses, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, auch der Feststellungsbeschluß und die Entlastung begründet werden. Steht nur die Entlastung der Verwaltungsmitglieder auf der Tagesordnung, so gilt nach § 120 I I I der § 175 II sinngemäß. Auch hier müssen die mit der Entlastung in sachlichem Zusammenhang stehenden Vorlagen, das ist der Jahresabschluß, der Geschäftsbericht und der Bericht des Aufsichtsrats, ausgelegt werden. Dasselbe gilt auch dann, wenn entgegen der Sollvorschrift 1001
§175
Anm. 4,5
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
des Abs. 3 S. 2 in einer Hauptversammlung entweder der festgestellte Jahresabschluß entgegengenommen wird, oder die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt, ohne daß gleichzeitig ein Gewinnverwendungsbeschluß ergeht. Jedem wie oben legitimierten Aktionär ist auf Verlangen eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen. Das Verlangen kann formlos, auch mündlich oder fernmündlich gestellt werden (vgl. auch R G in Recht 1924, 463). Audi ein für allemal, dann wohl nur schriftlich, wenn für eine Dauerlegitimation gesorgt ist, Aktienbuch, Hinterlegung einer Aktie. Nach der Hauptversammlung kann das Verlangen nicht mehr gestellt werden, da es, ebenso wie das Recht auf Einsicht, dem Aktionär nur dienen soll, sich auf diese vorzubereiten. Die Kosten, auch die der Versendung, hat die Gesellschaft zu tragen (vgl. Baumbach-Hueck, § 125 Anm. 4; a. A. die Voraufl. und Mellerowicz in Großkomm. § 125 Anm. 15). Da dem Aktionär ein Recht auf Zusendung zusteht, muß ihm das auch kostenlos eingeräumt sein, da dem Recht eine Verpflichtung der Gesellschaft gegenübersteht. Sollte ihn die Kostenlast treffen, so hätte dies ausdrücklich im Gesetz vermerkt werden müssen. Die Pflicht des Vorstandes zur Ubersendung von Abschriften an den Aktionär kann nach § 407 durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. Die Pflidit zur Auslegung der Vorlage und gegebenenfalls zur Übersendung von Abschriften an die Aktionäre besteht auch dann, wenn die Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses selbst vornimmt, ebenso wie die Bestimmungen des Abs. 1 über die Einberufung auch in diesem Fall gelten (vgl. oben Anm. 2). V. Wirkung der Einberufung der Hauptversammlung Anm. 5: Die neue Bestimmung des Abs. 4 befaßt sich mit einer besonderen Wirkung, die die Einberufung der Hauptversammlung auslöst. Von diesem Zeitpunkt an, d. h. mit dem Wirksamwerden der Einberufung, die durch Bekanntmachung in allen Gesellschaftsblättern erfolgt, und zwar mit dem Erscheinen des letzten Blattes, können Vorstand und Aufsichtsrat die nach § 172 und § 173 gefaßten Beschlüsse nicht mehr abändern, d.h., wenn bis dahin der Aufsichtsrat den Jahresabschluß nicht gebilligt hat, so kann er es nachträglich nicht mehr tun. Das ergibt sich im Grunde schon aus der neuen Bestimmung des § 124 I, nach der nunmehr zwingend die Tagesordnung der Hauptversammlung bei der Einberufung in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen ist. Es wäre schon einigermaßen merkwürdig, wenn es zulässig sein sollte, daß die ordentliche Hauptversammlung mit dem Tagesordnungspunkt, Feststellung des Jahresabschlusses und gleichzeitige Auslegung eines Berichts des Aufsichtsrats, aus dem sich ergibt, daß dieser den Jahresabschluß nicht gebilligt hat, erfolgen könnte, und die Hauptversammlung dann erfahren würde, daß es sich nicht um die Feststellung, sondern um die 1002
Vorlagen • Anwesenheit der Abschlußprüfer
§§175/176 Anm. 5
Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses handelt. Eine solche Abänderung der Tagesordnung wäre auch nicht zulässig. Die Bestimmung ist aber insofern von Bedeutung, als durch sie verhindert wird, daß eine einmal einberufene Hauptversammlung abgesagt oder vertagt wird, und daß nunmehr etwa ein abgeänderter Jahresabschluß von Vorstand und Aufsichtsrat durch Billigung des letzteren festgestellt wird. Selbst wenn eine ordnungsmäßige Nachtragsprüfung stattgefunden hätte, wäre ein solches Verfahren nach der vorliegenden Bestimmung unzulässig. Weiterhin ist es unzulässig, wenn Vorstand und Aufsichtsrat sich durch Beschlüsse dahin festgelegt haben, daß der Jahresabschluß von der Hauptversammlung festgestellt werden soll, daß einer von beiden Organen der Gesellschaft den Beschluß wieder aufhebt, wenn die Einberufung der Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses bereits erfolgt ist. An sidi setzt die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung nach § 172 voraus, daß beide Organe ihre Beschlüsse aufrechterhalten. Es kann also, selbst wenn die Beschlüsse nach § 172 S. 2 gefaßt sind, bis zur Einberufung sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat seinen Beschluß mit einfacher Stimmenmehrheit wieder aufheben, soweit Satzung oder Geschäftsordnung nicht eine andere Stimmenmehrheit vorsieht. Dann ist die Einberufung der Hauptversammlung zunächst überhaupt nicht möglich, vielmehr müßte auf alle Fälle, gleichgültig ob der Vorstand oder der Aufsichtsrat seinen Beschluß aufgehoben hat, der Aufsichtsrat nunmehr von sich aus den ihm vorgelegten Jahresabschluß billigen, es sei denn, dies ist bereits vor den Beschlüssen geschehen, den Jahresabschluß von der Hauptversammlung feststellen zu lassen (§ 172 Anm. 3). Praktisch wird sich das auch so abspielen, denn die Aufhebung der Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, erfolgt nur dann, wenn Bedenken aufkommen, ob die Hauptversammlung den von der Verwaltung vorgelegten Jahresabschluß feststellen wird. Die Billigung durch den Aufsichtsrat wird in aller Regel erfolgen, denn die Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, erfolgt nur dann, wenn beide Gremien sich über den Jahresabschluß an sich einig sind und nur aus besonderen Gründen dennoch die Feststellung durch die Hauptversammlung beschließen. Diese Möglichkeit der Aufhebung der Beschlüsse und nachträglicher Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung ist mit dem Augenblick der Einberufung nicht mehr möglich.
§ 176
Vorlagen. Anwesenheit der Abschlußprüfer (1) Der Vorstand hat der Hauptversammlung die in § 175 Abs. 2 angegebenen Vorlagen vorzulegen. Zu Beginn der Verhandlung soll der Vor1003
§176 Anm. 1
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
stand seine Vorlagen, der Vorsitzende des Aufsichtsrats den Beridit des Aufsiditsrats erläutern. Der Vorstand soll dabei auch zu einem ausgewiesenen Bilanzverlust Stellung nehmen. (2) Die Abschlußprüfer haben an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses teilzunehmen. Sie sind nicht verpflichtet, einem Aktionär Auskunft zu erteilen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Vorlage und Erläuterungspflicht (Anm. 2)
III. Anwesenheit der Abschlußprüfer (Anm. 3)
I. Übersicht Anm. 1: Der Vorstand hat der Hauptversammlung, gleichgültig ob sie zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses oder zur Feststellung des Jahresabschlusses einberufen worden ist, den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht, den Bericht des Aufsiditsrats und den Vorschlag für den Gewinnverwendungsbeschluß vorzulegen. Neben dem schriftlichen Rechenschaftsbericht, der in diesen Vorlagen enthalten ist, soll der Vorstand den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht, der Vorsitzende des Aufsichtsrats den Bericht des Aufsichtsrats erläutern. Weist der Jahresabschluß einen Bilanzgewinn aus, so hat der Vorstand seinen Vorschlag über die Gewinnverwendung zu erläutern. Wird ein Bilanzverlust ausgewiesen, so hat er hierzu Stellung zu nehmen, nicht schriftlich, aber mündlich in der Hauptversammlung. Die Hauptversammlung hat zwar, wenn sie den Jahresabschluß nur entgegennimmt, keinen Beschluß zu fassen, denn sie kann nicht etwa von sich aus durch Auflösung offener Rücklagen den Verlust decken. Das könnte sie nur dann, wenn sie den Jahresabschluß feststellt. Wenn der festgestellte Jahresabschluß einen Bilanzverlust ausweist, so ist dieser auf neue Rechnung vorzutragen. Es bedarf hierzu keines Beschlusses der Hauptversammlung. Dennoch soll durch die neue Bestimmung, daß der Vorstand zu einem Bilanzverlust Stellung nehmen soll, erreicht werden, daß den Akitonären die Ursachen des Verlustes und die Möglichkeiten seiner Beseitigung in der Zukunft dargelegt werden. Neu ist die Bestimmung des Abs. 2, nach der die Abschlußprüfer an der Hauptversammlung teilnehmen sollen, wenn diese den Jahresabschluß feststellt. Die Vorschrift gilt nicht für den Fall, daß die Hauptversammlung einen festgestellten Jahresabschluß zur Kenntnis nimmt und nur über die Gewinnverwendung beschließt. Nach bisherigem Recht (§ 125 V I I AktG 37) war die Verhandlung über die Gewinnverteilung und die Entlastung zu vertagen, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschloß oder eine Minderheit es verlangte, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichten. Diese Bestimmungen sind in das neue Gesetz nicht aufgenommen 1004
Vorlagen • Anwesenheit der Abschlußprüfer
§ 176
Anm. 1,2
worden, einmal weil jede Hauptversammlung zu jedem Punkt der Tagesordnung mit einfacher Mehrheit die Vertagung beschließen kann, zum anderen weil ein Minderheitenschutz nicht mehr erforderlich erschien, nachdem seit 1931 die Abschlußprüfungen und seit 1937 das Auskunftsrecht der Aktionäre gesetzlich geregelt worden sind. II. Vorlage und Erläuterungspflicht Anm. 2: Der Vorstand hat — wie im bisherigen Recht ( § 1 2 5 V S . 3 AktG 37) — den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Bericht des Aufsichtsrats sowie, wenn ein Bilanzgewinn erzielt wurde, den Vorschlag über dessen Verwendung der Hauptversammlung vorzulegen. Das muß auch dann geschehen, wenn die Hauptversammlung überhaupt keinen Beschluß zu fassen hat, weil der Jahresabschluß bereits festgestellt ist und ein Gewinnverwendungsbeschluß deshalb nicht in Frage kommt, weil kein Bilanzgewinn ausgewiesen wird. Die Vorlagen haben auch dann zu erfolgen, wenn die einzelnen Verhandlungsgegenstände der ordentlichen Hauptversammlung, die nach § 175 III S. 2 und § 120 III S. 1 verbunden werden sollen, nämlich diejenigen über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Verwendung des Bilanzgewinns und über die Entlastung der Vorstandsmitglieder, in verschiedenen Hauptversammlungen stattfinden, in jeder der Hauptversammlungen, in der eine der drei Verhandlungen erfolgt, da diese Vorlagen in allen Fällen zur Erörterung stehen. Neu ist die Bestimmung, wonach zu Beginn der Hauptversammlung Vorstand und Aufsichtsrat ihre Vorlagen zu erläutern haben. Der Vorstand hat mithin zunächst den von ihm vorgelegten Jahresabschluß und den Geschäftsbericht zu erläutern und, wenn sich aus dem Jahresabschluß ein Gewinn ergibt, den von ihm hierzu gemachten Vorschlag für die Gewinnverwendung. Ergibt sich aus dem Jahresabschluß kein Gewinn, sondern ein Bilanzverlust, so hat er auch nach der ebenfalls neuen ausdrücklichen Bestimmung in Satz 3 auch zu dem ausgewiesenen Bilanzverlust Stellung zu nehmen. Das hat in der Weise zu geschehen, daß er einmal die Ursachen, die zu dem Verlust geführt haben, vortragen wird, ferner muß er dazu Stellung nehmen, aus welchen Gründen der Bilanzverlust nicht durch Auflösung von Rücklagen ausgeglichen wurde, und endlich wird er sich darüber aussprechen, wie er sich die Beseitigung des Bilanzverlustes in der Zukunft denkt. Daß der Vorstand zu einem ausgewiesenen Bilanzverlust Stellung nehmen muß, ergibt sich schon aus seiner Verpflichtung, den Jahresabschluß zu erläutern. Der besondere Hinweis in einem besonderen Satz soll zum Ausdruck bringen, daß über einen ausgewiesenen Bilanzverlust ebenso verhandelt werden soll wie über einen Bilanzgewinn, obwohl in diesem Fall kein Hauptversammlungsbeschluß in Frage kommt, denn die Hauptversammlung kann den Verlust nicht dadurch beseitigen, daß sie vorhandene Rücklagen auflöst, 1005
§176
Anm.2,3
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
da sie hierzu niemals berechtigt ist. Das könnte sie nur im Rahmen des Feststellungsbeschlusses für den Jahresabschluß selbst; wenn dieser ihr aber nicht obliegt, kann sie den Verlust nicht beseitigen. Sie braucht auch keinen Beschluß zu fassen, denn, wenn er nicht beseitigt wird, muß er auch ohne Mitwirkung der Hauptversammlung auf neue Rechnung vorgetragen werden. Darüber hinaus pflegt der Vorstand über den Ablauf des neuen Geschäftsjahres bis zum Tage der Hauptversammlung zu berichten. Gesetzlich vorgeschrieben ist dies aber nicht, da die Hauptversammlung es grundsätzlich nur mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr zu tun hat. Wenn in der Begründung zum Regierungsentwurf ausgeführt wird, die neue Bestimmung, wonach Vorstand und Aufsichtsrat jeweils ihre Vorlagen zu erläutern haben, entspreche schon der allgemeinen bisherigen Übung, so ist das sicherlich richtig in bezug auf den Vorstand und seine Vorlagen, jedoch nur bedingt in bezug auf den Bericht des Aufsichtsrats. Zunächst einmal ist es üblich, diesen Bericht knapp zu halten und sich darauf zu beschränken, daß und wie der Aufsichtsrat seiner Oberwachungspflicht nachgekommen ist, daß der Jahresabschluß vom Prüfer N N geprüft und mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk versehen ist und daß der Aufsichtsrat dem Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstands zustimmt. Dies war in aller Regel auch das, was der Vorsitzende des Aufsichtsrats bisher als „Erläuterung" des Berichts ausführte. Man wird wohl annehmen können, daß in der Zukunft die Aufsichtsratsberichte etwas umfangreicher sein werden, vor allem dann, wenn eine Gesellschaft Konzerngesellschaft in einem faktischen Konzern ist und ein Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erstatten ist. Hier spielt der Bericht des Aufsichtsrats um deswillen eine besondere Rolle, weil nur durch ihn das Ergebnis der Prüfung des Berichts der Hauptversammlung bekanntgemacht wird. Dennoch dürfte es bei den Erläuterungen im wesentlichen dabei bleiben, daß der Aufsichtsratsvorsitzende auf die Erläuterungen des Vorstandes hinweist und sich ihnen namens des Aufsichtsrates anschließt. Zur Erfüllung der gesetzlichen Sollvorschrift dürfte ein solcher Hinweis auch genügen. III. Anwesenheit der Abschlußprüfer Anm. 3: Der Regierungsentwurf sah vor, daß die Abschlußprüfer an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Gewinnverwendung teilzunehmen haben. Das hätte bedeutet, daß die Abschlußprüfer praktisch bei allen Hauptversammlungen hätten zugegen sein müssen, was zu einer Überlastung der Abschlußprüfer geführt hätte, zumal sich die Hauptversammlungstermine in einem verhältnismäßig kurzem Zeitraum zusammenballen. Man glaubte daher, die Bestimmung dahin einschränken zu sollen, daß die Abschlußprüfer nur an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses teilzunehmen haben. Sie haben also nur dann eine Teilnahmepflicht an der Hauptversammlung, wenn diese den Jahres1006
Vorlagen • Anwesenheit der Abschlußprüfer
§ 176
Anm. 3
abschluß feststellt, nicht, wenn sie ihn nur entgegennimmt. Damit verringert sich die Zahl der Hauptversammlungen erheblich, an denen der Abschlußprüfer teilzunehmen hat. Andererseits ist es bedauerlich, daß man auf die Teilnahme an den Hauptversammlungen verzichtet hat, die über die Gewinnverwendung einen Beschluß zu fassen haben, weil dann, wenn der Beschluß vom Vorschlag des Vorstandes abweicht, Berechnungen über den zusätzlichen Aufwand angestellt werden müssen, die nicht ganz einfach sind und bei denen die Anwesenheit eines Abschlußprüfers erwünscht wäre. Immerhin muß man davon ausgehen, daß die Gesellschaft dafür Sorge trägt, daß geeignete Personen von Seiten der Gesellschaft an der Hauptversammlung teilnehmen, um diese Rechnungen einwandfrei vornehmen zu können. Über die weitgehenden Folgen, die sich daraus ergeben können, daß durch eine falsche Berechnung des zusätzlichen Aufwandes im Gewinnverwendungsbeschluß über einen höheren Betrag als den ausgewiesenen Bilanzgewinn verfügt wird, vgl. § 174 Anm. 4. Jedenfalls ist die Anwesenheit der Abschlußprüfer dann notwendig, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, denn, wenn sie bei der Feststellung von dem vorgelegten, geprüften Jahresabschluß abweicht, besteht die Möglichkeit, daß der in der Hauptversammlung anwesende Abschlußprüfer zu dem Ergebnis kommt, daß die Änderung eine Nachtragsprüfung nicht nötig mache (§ 173 III), oder er kann bei einer geringfügigen Änderung die nach seiner Ansicht erforderliche Nachtragsprüfung sofort in der Hauptversammlung vornehmen und einen entsprechenden Bestätigungsvermerk erteilen. Unserer Ansicht nach muß allerdings stets ein neuer Bestätigungsvermerk erteilt werden (vgl. Anm. 4 zu § 173). Die zusätzlichen Ausführungen in der Begründung des Regierungsentwurfs, die Teilnahme des Abschlußprüfers sei auch deshalb nützlich, weil er die Fragen der Aktionäre zur Rechnungslegung erfahren und seine Aufmerksamkeit dadurch auf Vorgänge gelenkt werden könne, die er bei der Prüfung bisher nicht besonders beachtet hat, halten wir nicht für sehr überzeugend. Wenn es sich wirklich um allgemein auch für die Zukunft interessierende Fragen handelt, wird der Vorstand dies den Abschlußprüfern schon im eigenen Interesse mitteilen, so daß sich dadurch der erhebliche Zeitaufwand der Abschlußprüfer nicht rechtfertigen ließe. Von der Möglichkeit, als Gast an der Hauptversammlung teilzunehmen, ist in gewissem Umfange schon bisher Gebrauch gemacht worden, so daß es aus diesem Grunde allein sicherlich nicht der gesetzlichen Änderung bedurft hätte. Wenn in Abs. 2 S. 2 ausdrücklich gesagt wird, die Abschlußprüfer seien nicht verpflichtet, einem Aktionär Auskunft zu erteilen, so besagt dies, daß der Aktionär nicht berechtigt ist, an den anwesenden Abschlußprüfer Fragen zu stellen und daß er nicht das Recht hat, daß ihm diese Fragen beantwortet werden. Eine andere Frage ist es, ob der Abschlußprüfer, obwohl er nicht verpflichtet ist, die Auskunft aus freien 1007
§§176/177
Anm. 3
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
Stücken erteilen darf. Nach unserer Auffassung darf er das nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses. Die grundsätzliche Verschwiegenheitspflicht des Abschlußprüfers gilt auch gegenüber dem Aktionär und beruht auf seinem Verhältnis zur Gesellschaft. Er ist deshalb nicht nur nicht verpflichtet, dem Aktionär eine Auskunft zu erteilen, sondern er darf es nicht, wenn er nicht ausdrücklich hierzu vom Vorstand ermächtigt ist. Erteilt ihm der Vorsitzende, der meist der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist, das Wort, so kann der Vorstand dem widersprechen. Tut er das nicht, so liegt darin sein Einverständnis mit der Handlung des Vorsitzenden, so daß nunmehr der Abschlußprüfer berechtigt ist, eine Auskunft zu erteilen. Es hängt aber immer nodi von seiner Entscheidung ab, ob er von diesem Recht Gebrauch machen will. Es ist durchaus denkbar, daß der Abschlußprüfer von sich aus Bedenken hat, ohne Aussprache mit dem Vorstand die Auskunft zu erteilen. Dies braucht er nicht zum Ausdruck zu bringen, sondern er kann sich schlechthin auf die vorliegende Gesetzesbestimmung beziehen und ohne Angabe von Gründen die Auskunft verweigern, auch wenn die Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, ausdrücklich oder stillschweigend zu erkennen gibt, daß sie gegen die Auskunftserteilung nichts einzuwenden hätte. Wir sind weitergehend der Meinung, daß weder der Vorsitzende der Hauptversammlung noch der Vorstand, indem sie ihrerseits den Abschlußprüfer fragen, diesen zu einer Stellungnahme vor der Hauptversammlung veranlassen können. Mit Recht wird in der Regierungsbegründung darauf hingewiesen, daß die Unterrichtung der Aktionäre nicht im Rahmen der Prüfungsaufgaben der Prüfer liegt. Wenn das richtig ist, so kommt es nicht darauf an, wer die Auskunft verlangt, auch wenn das nicht von einem Aktionär, sondern von anderer Seite erfolgt, kann sich der Prüfer darauf berufen, daß er vor der Hauptversammlung, also vor den Aktionären, nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet ist.
Vierter Abschnitt Bekanntmachung des Jahresabschlusses § 177 Einreichung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts zum Handelsregister. Bekanntmachung des Jahresabschlusses (1) Der Vorstand hat unverzüglich nadi der Hauptversammlung über den Jahresabschluß den festgestellten Jahresabschluß mit Bestätigungsvermerk und den Geschäftsbericht nebst dem Bericht des Aufsichtsrats (§ 171 Abs. 2) zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. Der dem eingereichten Jahresabschluß beigefügte Bestätigungsvermerk muß von den Abschlußprüfern unterschrieben sein. Haben die Abschlußprüfer die Bestätigung des Jahresabschlusses versagt, so muß dies auf dem eingereidi1008
Einreichung des Jahresabschlusses und des Gesellschaftsberichtes
§ 177
Anm. 1
ten Jahresabschluß vermerkt, der Vermerk von den Abschlußprüfern unterschrieben sein. (2) Der Vorstand hat unverzüglich nach der Hauptversammlung über den Jahresabschluß den festgestellten Jahresabschluß in den Gesellsdiaftsblättern bekanntzumachen und die Bekanntmachung zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. (3) Das Gericht hat zu prüfen, ob der eingereichte Jahresabschluß dem Absatz 1 entspricht, ob er bekanntgemacht worden ist und ob die Bekanntmachung dem § 178 Abs. 1 entspricht. Es hat ferner zu prüfen, ob der Jahresabschluß offensichtlich nichtig ist. Im übrigen braucht es nicht zu prüfen, ob der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht den Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung entsprechen. I. Übersicht (Anm. 1) I I . Einreichung beim Handelsregister (Anm. 2)
I I I . Bekanntmachung des Jahresabschlusses (Anm. 3) I V . Prüfung durch das Gericht (Anm. 4) V. Verstoß (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: Die neuen Vorschriften übernehmen die des bisherigen Rechts (§ 143 AktG 37), jedoch mit zwei wichtigen Ergänzungen. Einmal soll Sicherheit dafür geschaffen werden, daß der dem Handelsregister einzureichende Bestätigungsvermerk sich auf den Jahresabschluß bezieht, der dem Registergericht gleichzeitig vorgelegt wird, und daß der in den Gesellschaftsblättern bekanntgemachte Jahresabschluß dem dem Handelsregister eingereichten Jahresabschluß entspricht. Zu diesem Zweck wird in Abs. 1 bestimmt, daß der dem eingereichten Jahresabschluß beigefügte Bestätigungsvermerk von den Abschlußprüfern unterschrieben sein muß. Nach Abs. 3 hat das Gericht zu prüfen, ob der ihm eingereichte Jahresabschluß dem bekanntgemachten entspricht. Eine weitere grundsätzliche Neuerung enthält Abs. 3 insofern, als das Gericht zu prüfen hat, ob der Jahresabschluß offensichtlich nichtig ist. Gegen diese Bestimmung wurden bei der Beratung des Gesetzes im Bundesrat Bedenken geltend gemacht. Man vertrat die Auffassung, daß der Registerrichter hier überfordert werde, zumal da die Prüfung nach § 177 dem Rechtspfleger im allgemeinen obliege. Die Bedenken sind nicht zutreffend, und sie wurden letztlich auch zurückgestellt, denn es ist keineswegs Aufgabe des Registerrichters zu prüfen, ob kein Nichtigkeitsgrund vorliegt, sondern er hat nur dann den Jahresabschluß zurückzuweisen, wenn er offensichtlich nichtig ist. Man wird nach den Verhandlungen im Bundesrat annehmen können, daß die Landesjustizverwaltungen Merkblätter herausgeben, was bei einer solchen Prüfung der „offensichtlichen Nichtigkeit" zu prüfen ist. Geblieben ist der Grundsatz, daß der Registerrichter nicht zu prüfen hat, ob der Jahresabschluß oder Geschäftsbericht den Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzungen entsprechen.
64a
Wilhelmi, Aktiengesetz
1009
§177 Anm. 2
Rechnungslegung • Gewinnverwendung
II. Einreichung beim Handelsregister Anm. 2: Der Vorstand hat den festgestellten Jahresabschluß mit Bestätigungsvermerk, den Geschäftsbericht und den Bericht des Aufsichtsrats zum Handelsregister einzureichen. Es war bisher nicht ganz unstreitig, wann das zu geschehen hat. Es wurde die Auffassung vertreten, daß dies dann geschehen müßte, wenn der Beridit des Aufsichtsrats beim Vorstand eingegangen sei. Nunmehr ist klargestellt, daß dies unverzüglich nach der Hauptversammlung, in der über den Jahresabschluß verhandelt wird, zu geschehen hat. Es ist gleichgültig, ob der Jahresabschluß in dieser Hauptversammlung festgestellt wurde, oder ob er ihr nur zur Kenntnisnahme vorgelegt wurde. Der Bestätigungsvermerk der Abschlußprüfer ist ein Teil des Jahresabschlusses, er wird nach § 167 „zum Jahresabschluß" erteilt. Es bedarf deshalb keiner besonderen Erwähnung bei den vorzulegenden Unterlagen. Es wird aber bestimmt, daß der dem eingereichten Jahresabschluß als Bestandteil beigefügte Bestätigungsvermerk von den Abschlußprüfern unterschrieben sein muß. Dadurch soll die Gewähr dafür geboten werden, daß der dem Registergeridit vorgelegte Jahresabschluß derjenige ist, auf den sich der Bestätigungsvermerk bezieht. Der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, daß die Abschlußprüfer ausdrücklich bestätigen sollten, daß der Bestätigungsvermerk zu diesem Jahresabschluß von ihnen erteilt worden sei. Diese Bestimmung ist gestrichen worden, weil sie geeignet gewesen wäre, den Eindruck zu erwecken, als bestehe ein Mißtrauen gegen die Verwaltung. Da der von den Abschlußprüfern unterzeichnete Bestätigungsvermerk bei der Unterzeichnung mit Angabe von Ort und Tag zu versehen ist, kann man aus dem Bestätigungsvermerk insbesondere auch entnehmen, ob eine Nachtragsprüfung stattgefunden hat, bzw. ob diese vom Abschlußprüfer nicht für erforderlich gehalten wurde (vgl. §162111; §173111). Da nach § 1781 Nr. 1 der volle Wortlaut des Bestätigungsvermerks, also auch das Datum, mit zu veröffentlichen ist, kann man feststellen, ob er vor oder nach einer Hauptversammlung, die die Feststellung des Jahresabschlusses beschlossen hat, ausgestellt wurde, und gegebenenfalls auch, wenn diese Hauptversammlung den Jahresabschluß abgeändert hat, ob der Bestätigungsvermerk die Änderung deckt. Ist der Vermerk vorher ausgestellt, so deckt er ihn unserer Meinung nach nicht, da bei jeder Änderung ein neuer Bestätigungsvermerk mit neuem Datum ausgestellt werden muß. Nur wenn man dies verlangt (vgl. § 173 Anm. 4), kommt die Wirkung der vorliegenden Bestimmung voll zum Zuge. Haben die Abschlußprüfer den Bestätigungsvermerk eingeschränkt, so ergibt sich das aus dem Bestätigungsvermerk selbst. Es bedarf hierüber also keiner besonderen Bestimmung, wohl aber, wenn die Abschlußprüfer die Bestätigung überhaupt versagt haben. In diesem Fall muß dies auf dem eingereichten Jahresabschluß vermerkt werden, und zwar auch von den Abschlußprüfern, die diesen Vermerk zu unterschreiben haben. 1010
Einreichung des Jahresabschlusses und des Gesellschaftsberidites
§ 177
Anm. 2—i
Auffallend ist, daß der Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung (§ 174) hier nicht erwähnt ist, obwohl er nach § 178 I N r . 3 in der Bekanntmachung anzugeben ist. D a die Bekanntmachung dem Handelsregister nach Abs. 2 einzureichen ist, kann jeder Interessierte allerdings den Gewinnverwendungsbeschluß einsehen. Immerhin wäre es vielleicht zweckmäßiger gewesen, nach Abs. 1 die Einreichung des Gewinnverwendungsbeschlusses vorzuschreiben, weil dieser letzten Endes eine Ergänzung des Jahresabschlusses ist. Vor allem aber in den Fällen, in denen etwa die Hauptversammlung beschließt, weitere Rücklagen zu bilden, den Jahresabschluß also materiell abändert, wenn auch formell der Jahresabschluß als nicht abgeändert gilt (§ 174 I I I und dort Anm. 5). Nicht einzureichen ist der Prüfungsbericht, der nur für die Verwaltung und nicht für die Aktionäre oder Dritte bestimmt ist. Das gleiche gilt für den Bericht über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen. Jedes Mitglied des Vorstandes ist verpflichtet, für die Einreichung und Bekanntmachung zu sorgen, es handelt jedoch der Vorstand als Kollegium. Die Einreichung kann durch Ordnungsstrafen nach § 14 H G B vom Registergericht erzwungen werden. III. Bekanntmachung des Jahresabschlusses Anm. 3: Zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Einreichung bei dem H a n delsregister zu erfolgen hat, nämlich unverzüglich nach der ordentlichen Hauptversammlung, muß der Vorstand den festgestellten Jahresabschluß, zu dem der Bestätigungsvermerk oder gegebenenfalls der Vermerk, daß die Bestätigung versagt wurde, als Bestandteil gehört — nicht aber den Geschäftsbericht und den Bericht des Aufsichtsrats — in den Gesellschaftsblättern, das sind nach § 25 stets der Bundesanzeiger und etwa von der Satzung zusätzlich bestimmte andere Blätter, bekanntmachen. Form und Inhalt der Bekanntmachung ergibt sich aus § 178. Der Bundesanzeiger, der die Bekanntmachung enthält, und gegebenenfalls die weiteren Gesellschaftsblätter sind zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. IV. Prüfung durch das Gericht Anm. 4: Abweichend von der Bestimmung des § 143 I I I A k t G 37, der nur negativ feststellte, was das Gericht nicht zu prüfen hatte, nämlich ob der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, stellt das Gesetz nunmehr zunächst positiv fest, auf was sich die Prüfung des Gerichtes zu erstrecken hat. In Übereinstimmung mit den schon im bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen muß das Gericht zunächst einmal prüfen, ob das, was ihm eingereicht wurde, vollständig ist. Das be64a*
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§ 177
Anm. 4,5
Rechnungslegung • G e w i n n v e r w e n d u n g
deutet in bezug auf den Jahresabschluß, daß das Gericht feststellen muß, ob er mit einem von den Abschlußprüfern unterschriebenen Bestätigungsvermerk versehen ist, oder ob sich, wenn der Bestätigungsvermerk versagt wurde, dies ebenfalls von den Abschlußprüfern unterzeichnet, auf dem Jahresabschluß vermerkt ist. Es muß aber weiter auch prüfen, ob neben dem Jahresabschluß der Geschäftsbericht und der Bericht des Aufsichtsrats eingereicht wurden. Endlich hat es zu prüfen, ob der Vorstand seiner Verpflichtung aus Abs. 2 nachgekommen ist, d. h., ob der Jahresabschluß bekanntgemacht worden ist. Dabei ist in erster Linie zu prüfen, ob der bekanntgemachte Jahresabschluß mit dem dem Gericht eingereichten übereinstimmt und ferner, ob der Inhalt der Bekanntmachungen den gesetzlichen Vorschriften des § 178 I entspricht. Insoweit tritt eine Änderung der Rechtslage nicht ein. Jedoch hat das Gericht ferner zu prüfen, ob der Jahresabschluß offensichtlich nichtig ist (vgl. oben Anm. 1). Das bedeutet nicht etwa, daß der Registerrichter im einzelnen prüfen müßte, ob die Nichtigkeitsgründe des § 256 gegeben sind. Einige Nichtigkeitsgründe werden für ihn aber schon bei der vorgeschriebenen Prüfung nach Satz 1 offensichtlich. So, wenn der festgestellte Jahresabschluß nicht nach § 162 I und III geprüft worden ist, wenn überhaupt kein Bestätigungsvermerk oder ein Vermerk über die Versagung des Bestätigungsvermerks vorliegt. Es ist auch denkbar, daß sich aus den vorgelegten Unterlagen offensichtlich ein Verstoß gegen § 173 III ergibt, aber keineswegs muß das immer der Fall sein. Ähnliches gilt für Verstöße gegen § 234 III und § 235 II. Dagegen wird es selten sein, daß sich die Nichtigkeitsgründe in § 256 I Nr. 1 und 4 II und III für den Registerrichter ohne weiteres erkennbar aus seinen Unterlagen ergeben und damit für ihn die Nichtigkeit des Jahresabschlusses „offensichtlich" ist. Im letzten Satz des Abs. 3 wird das gleiche festgestellt wie im bisherigen Recht, nämlich das, was er nicht zu prüfen hat: ob der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht den Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung entsprechen.
V. Verstoß Anm. 5: Der Vorstand handelt als Kollegium. Die Einreichung kann durch Ordnungsstrafe nach § 14HGB vom Registerrichter erzwungen werden. Jedes Mitglied des Vorstandes ist verpflichtet, für die Einreichung und Bekanntmachung zu sorgen. Ein Vorstandsmitglied, das vorsätzlich oder leichtfertig nicht für die Einhaltung der Bestimmungen über Form und Inhalt der Bekanntmachungen des Jahresabschlusses nach § 178 — nicht also des vorliegenden § 177 — sorgt, begeht eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 405 I Nr. 4. Zivilrechtlich haften Vorstandsmitglieder für Verschulden bei Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten nach § 93. 1012
Form und Inhalt
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Anm. 1
§ 178 Form und Inhalt der Bekanntmachung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts (1) Bei allen Veröffentlichungen und Vervielfältigungen des Jahresabschlusses, die durch das Gesetz oder die Satzung vorgeschrieben sind, sind die folgenden Vorschriften einzuhalten: 1. Der Jahresabschluß ist vollständig und richtig mit dem vollen Wortlaut des Bestätigungsvermerks wiederzugeben; haben die Abschlußprüfer die Bestätigung versagt, so ist hierauf in einem besonderen Vermerk zum Jahresabschluß hinzuweisen; 2. die in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Posten müssen in der Weise untereinandergesetzt werden, daß jeder Posten mit dem dazugehörigen, in Ziffern ausgedrückten Betrag eine besondere Zeile erhält; 3. der Beschluß der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns mit den Angaben nach § 174 Abs. 2 ist mitzuteilen; 4. alle im Zeitpunkt der Veröffentlichung oder Vervielfältigung im Amt befindlichen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sind mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben; die Vorsitzenden des Vorstands und des Aufsichtsrats sind als solche zu bezeichnen. (2) Wird der Jahresabschluß in Veröffentlichungen und Vervielfältigungen, die nicht durch das Gesetz oder die Satzung vorgesdirieben sind, nicht vollständig wiedergegeben, so ist in einer Überschrift zum Jahresabschluß ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß es sidi nicht um den vollständigen Jahresabschluß handelt. Der Bestätigungsvermerk darf nicht beigefügt werden. Es ist jedoch anzugeben, ob die Abschlußprüfer den vollständigen Jahresabschluß bestätigt haben oder ob sie die Bestätigung eingeschränkt oder versagt haben. Ferner ist anzugeben, in welcher Nummer des Bundesanzeigers der vollständige Jahresabschluß bekanntgemacht worden ist. (3) Absatz 1 Nr. 1 und Absatz 2 Satz 1 bis 3 gelten sinngemäß für Veröffentlichungen und Vervielfältigungen des Geschäftsberichts. I. Obersicht (Anm. 1) II. Pflichtveröffentlichung des Jahresabschlusses (Anm. 2) III. Freiwillige Veröffentlichung des
Jahresabschlusses (Anm. 3) IV. Veröffentlichung des Geschäftsberichtes (Anm. 4) V. Verstoß (Anm. 5)
I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift befaßt sich mit Form und Inhalt der Bekanntmachung, und zwar 1013
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Abs. 1 bei den Pflichtveröffentlichungen des Jahresabschlusses; das sind nicht nur solche, die durch das Gesetz, sondern auch diejenigen, die durch die Satzung vorgeschrieben sind. Abs. 2 bezieht sich auf die freiwilligen Veröffentlichungen des Jahresabschlusses. Abs. 3 bezieht sich auf Veröffentlichungen des Geschäftsberichtes. Durch das Gesetz wird eine solche überhaupt nicht vorgeschrieben, könnte aber von der Satzung vorgeschrieben sein, was wohl nur selten der Fall sein wird, und es könnte sich um eine freiwillige Veröffentlichung handeln. Das bisherige Recht (§ 144 AktG 37) kannte nur Vorschriften für die Veröffentlichung des Jahresabschlusses, nicht des Geschäftsberichts. Bei der Veröffentlichung des Jahresabschlusses machte es keinen Unterschied, ob es sich um eine Pflichtveröffentlichung oder um eine freiwillige Veröffentlichung handelte. Die Vorschriften entsprachen im wesentlichen denen des heutigen Abs. 1. Die neue Unterscheidung zwischen Pflicht Veröffentlichung und freiwilliger Veröffentlichung des Jahresabschlusses ist deshalb vorgenommen worden, weil es auf der einen Seite zu begrüßen ist, wenn die Gesellschaften freiwillige Veröffentlichungen vornehmen, d. h. also, Veröffentlichungen in weiteren Blättern, die nicht Gesellschaftsblätter sind, oder auch in Aktionärsbriefen und ähnlichen Rundschreiben an die Aktionäre. Auf der anderen Seite muß, wenn bei solchen Veröffentlichungen der Jahresabschluß nicht vollständig veröffentlicht wird, dafür Sorge getragen werden, daß dies ausdrücklich kenntlich gemacht wird, und es darf nicht dadurch ein falscher Eindruck entstehen, daß der Bestätigungsvermerk beigefügt wird. Dies ist deshalb ausdrücklich verboten. Es ist jedoch anzugeben, ob die Abschlußprüfer den Jahresabschluß eingeschränkt oder uneingeschränkt bestätigt oder die Bestätigung versagt haben. Endlich ist die Nummer des Bundesanzeigers, der die Pflichtveröffentlichung enthält, anzugeben. II. Pflichtveröffentlichung des Jahresabschlusses Anm. 2: Die Vorschriften des Abs. 1 gelten für alle sog. Pflichtveröffentlichungen, gleichgültig ob sie durch das Gesetz oder durch die Satzung vorgeschrieben sind. Nr. 1 enthält das Verbot der Kürzung des Jahresabschlusses. Zusammenziehung der nach den Gliederungsvorschriften zu trennenden Posten sind auch, soweit sie den Sinn nicht entstellen und die Übersichtlichkeit des Abschlusses nidit gefährden, unstatthaft. Zum vollständigen Jahresabschluß gehört der volle Wortlaut des Bestätigungsvermerks, für den das neue Gesetz in § 167 I den genauen Wortlaut festlegt. Es ist selbstverständlich, daß, wenn dieser Vermerk eingeschränkt ist, die Einschränkung ebenfalls mit zu veröffentlichen ist. Zu veröffentlichen ist auch das Datum und die Unterschrift der Abschlußprüfer. Dies ist, weil es selbstverständlich ist, im Gesetz nicht 1014
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noch einmal gesagt. Wohl aber ist ausdrücklich bestimmt, daß, wenn die Bestätigung ganz versagt worden ist, hierauf in einem besonderen Vermerk zum Jahresabschluß hingewiesen ist. Dieser Vermerk ist nach § 177 I von den Abschlußprüfern zu unterschreiben. Audi hier ist Datum und Untersdirift mit dem Inhalt des Vermerks zu veröffentlichen. Nr. 2 gilt nicht nur für die Veröffentlichung, sondern auch für die Aufstellung des Jahresabschlusses. Insoweit gehört sie zu § 149 I, wonadi der Jahresabschluß den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung zu entsprechen hat, denn es kann nicht zweifelhaft sein, daß schon nach diesen die vorgeschriebene Zahlenanordnung zu beobachten ist. Die Bestimmung hat deshalb für die Aufstellung des Jahresabschlusses keine eigene Bedeutung, wohl aber für seine Veröffentlichung und Vervielfältigung. Jeder Posten des Jahresabschlusses muß eine Zeile für sich allein in der Veröffentlichung erhalten (Tabellen- oder Spaltenform). Nr. 3 ist gegenüber dem bisherigen Recht neu. Zu veröffentlichen ist der Beschluß der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns, und zwar im Schema des § 174 II (vgl. Anm. 4 zu § 174). Diese Veröffentlichung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil durch den Gewinnverwendungsbeschluß der Jahresabschluß dadurdi materiell geändert werden kann, daß die Hauptversammlung weitere Beträge in offene Rücklagen stellt. Nadi der ausdrücklichen Bestimmung des § 174 I I I erfolgt dadurch jedoch keine Änderung im Jahresabschluß. Man kann also das letzte Ergebnis nur erkennen, wenn man den festgestellten Jahresabschluß und den Gewinnverwendungsbeschluß kennt (vgl. § 174 Anm. 5 u. § 177 Anm. 2). Nach Nr. 4 sind sämtliche Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder namentlich anzuführen. Für die Vorstandsmitglieder entspricht die Bestimmung § 80, für die Aufsichtsratsmitglieder geht sie darüber hinaus. Nicht anzugeben sind die im Geschäftsjahr oder nachher ausgeschiedenen Mitglieder, wie nach § 160 V für den Geschäftsbericht vorgeschrieben, sondern nur die zur Zeit der Veröffentlichung im Amt befindlichen, auch wenn etwa der Aufsichtsrat infolge der dazwischenliegenden Neuwahl anders zusammengesetzt ist als zur Zeit der Feststellung des Jahresabschlusses. III. Freiwillige Veröffentlichung des Jahresabschlusses Anm. 3: Für die freiwillige Veröffentlichung gilt das Kürzungsverbot des Abs. 1 nicht, das nur für die Pflichtveröffentlichungen gilt. Die Bedeutung der Bestimmung ist zunächst einmal die, daß jetzt klargestellt ist, daß unvollständige Jahresabschlüsse veröffentlicht werden können. Das geschieht in der Tat auch vielfach in den Mitteilungen an die Aktionäre. Solche Mitteilungen sind durchaus zu begrüßen. Nur muß sichergestellt werden, daß dadurch kein falscher Eindruck erweckt wird. Nicht vollständig ist ein Jahresabschluß auch dann, wenn nicht nur Teile weggelassen sind, sondern Zah1015
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len, die im vollständigen Jahresabschluß gesondert auszuweisen sind, zusammengezogen werden. Eine solche Zusammenziehung darf aber nicht zu einem „falschen" Jahresabschluß werden. Die Grenze kann nur im Einzelfall gezogen werden. Jedenfalls dürfen die Zusammenziehungen nicht so sein, daß der Sinn entstellt und die Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses gefährdet würde. In allen Fällen, in denen der Jahresabschluß in diesem Sinne nicht „vollständig" wiedergegeben wird, muß auf diese Tatsache ausdrücklich hingewiesen werden, etwa durch Überschriften wie „Auszug aus dem Jahresabschluß" oder „Zusammengefaßte Angaben aus dem Jahresabschluß". Nach allgemeinen Grundsätzen kann sich dieser ausdrückliche Hinweis nicht etwa in Kleindruck an einer versteckten Stelle befinden, sondern er muß klar und deutlich für jeden, der sich mit den Zahlen befaßt, lesbar sein. Die Beifügung des Bestätigungsvermerks könnte einmal den Eindruck erwecken, daß dieser unvollständige Jahresabschluß geprüft und bestätigt wäre, zum anderen kann aber auch der Eindruck entstehen, daß es sich trotz eines Hinweises um den vollständigen, dem Gesetz entsprechenden Jahresabschluß handelt. U m beide Irrtümer zu vermeiden, ist die Beifügung des Bestätigungsvermerks ausdrücklich untersagt. Dagegen ist bei jedem unvollständigen Jahresabschluß anzugeben, ob die Abschlußprüfer den vollständigen Jahresabschluß bestätigt haben, oder ob sie die Bestätigung eingeschränkt oder versagt haben. Diese Formulierung zwingt dazu, noch einmal außer dem ausdrücklichen Hinweis nach Abs. 2 S. 1 zum Ausdruck zu bringen, daß es noch einen anderen, nämlich den vollständigen Jahresabschluß gibt. Endlich wird zwingend vorgeschrieben, daß bei jeder Veröffentlichung eines unvollständigen Jahresabschlusses die Nummer des Bundesanzeigers, in dem der vollständige Jahresabschluß bekanntgemacht worden ist, angegeben wird. Auf diese Weise soll es jedem Interessenten erleichtert werden, sich den vollständigen Jahresabschluß zu beschaffen. Die nach dem bisherigen Recht vielfach vertretene Auffassung, daß die Vorschriften auf Vervielfältigungen keine Anwendung finden, die nur für den inneren Betrieb der Gesellschaft bestimmt sind, beruhte im wesentlichen auf dem allgemein geltenden Verbot der Kürzung. Nachdem dieses weggefallen ist und das Gesetz in Abs. 2 schlechthin von Veröffentlichungen und Vervielfältigungen ohne jede Einschränkungen spricht, besteht kein praktisches Bedürfnis mehr, das Gesetz insoweit einengend auszulegen. Wir sind deshalb der Auffassung, daß auch für Vervielfältigungen, die nur für den Gebrauch innerhalb des Betriebes gedacht sind, die Vorschriften des Abs. 2 angewandt werden müssen, zumal da bei großen Gesellschaften die innerbetriebliche Benutzung schon einen weitgehenden Grad von Publizität erreicht und auf der anderen Seite die Vorschriften des Abs. 2 mühelos erfüllt werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine Vervielfältigung des Jah1016
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resabsdilusses nicht etwa in jedem internen Rundsdireiben, in dem ein kleiner Abschnitt des Jahresabschlusses -wiedergegeben wird, zu erblicken ist. Alles, was in dieser Beziehung im internen Verkehr der Gesellschaft geschieht, fällt nicht unter die Bestimmungen des Abs. 2. IV. Veröffentlichungen des Geschäftsberichtes Anm. 4: Wenn, was sicherlich nur ganz ausnahmsweise der Fall ist, die Satzung die Veröffentlichung des Geschäftsberichtes anordnet, so findet Abs. 1 Nr. 1 Anwendung, d. h., der Geschäftsbericht ist in diesem Fall vollständig und selbstverständlich auch richtig wiederzugeben. Besteht keine Verpflichtung zur Veröffentlichung aufgrund einer Satzungsbestimmung — eine gesetzliche Verpflichtung gibt es nicht —, so findet Abs. 2 sinngemäße Anwendung mit Ausnahme des letzten Satzes. Es kann keine Nummer des Bundesanzeigers angegeben werden, in der der Geschäftsbericht veröffentlicht wurde, weil es eine solche Veröffentlichung nicht gibt. Die sinngemäße Anwendung des Abs. 2 S. 1 bis 3 bedeutet, daß die Veröffentlichung oder Vervielfältigung eines unvollständigen Geschäftsberichtes ausdrücklich darauf hingewiesen werden muß, daß es sich nicht um den vollständigen Geschäftsbericht handelt (Abs. 2 S. 1). Da sich der Bestätigungsvermerk nach § 1 6 7 1 auch darauf bezieht, daß der Geschäftsbericht Gesetz und Satzung entspricht, darf er nicht in den unvollständigen Geschäftsbericht aufgenommen oder ihm angefügt werden, dagegen muß in den Geschäftsbericht, auch wenn es im Vollständigen nicht stehen sollte, gesagt werden, ob die Abschlußprüfer den vollständigen Jahresabschluß bestätigt haben oder ob sie die Bestätigung eingeschränkt oder versagt haben. Ob das in diesem Fall wirklich notwendig und zweckmäßig ist, erscheint fraglich; bei der eindeutigen Bezugnahme des Gesetzes auch auf diesen Abs. 2 S. 3 muß aber insoweit die Vervollständigung des unvollständigen Geschäftsberichts erfolgen. V. Verstoß Anm. 5: Zur Bekanntmachung nach § 177 kann der Vorstand, der insofern als Kollegium verpflichtet ist, durch Ordnungsstrafe nach § 14 HGB vom Registerrichter angehalten werden. Da jedes Mitglied des Vorstandes verpflichtet ist, für die ordnungsgemäße Bekanntmachung zu sorgen, trifft ihn einmal die zivilrechtliche Verantwortung, wenn der Gesellschaft ein Schaden entsteht, aus § 93; das wird aber wohl nur selten vorkommen, es sei denn, es wird von einem Dritten ein ihm entstandener Schaden gegen die Gesellschaft geltend gemacht. In diesem Fall könnte sich die Gesellschaft am Vorstand schadlos halten, sofern dieser seine Pflichten verletzt hat. Vor allem aber ist die Nichteinhaltung der Bestimmungen des § 178 eine Ordnungswidrigkeit. Nach § 405 I handelt u. a. ordnungswidrig, wer als Mitglied des Vorstandes 1017
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Asm. 5 oder des Aufsichtsrats vorsätzlich oder leichtfertig nicht für die Einhaltung des § 178 über Form und Inhalt der Bekanntmachung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes sorgt.
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