Aktiengesetz vom 6. September 1965: Kommentar [Reprint 2020 ed.] 9783112316092, 9783112304907


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German Pages 2215 [2216] Year 1971

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Table of contents :
VORWORT ZUR 4. AUFLAGE
INHALTSÜBERSICHT
LITERATURVERZEICHNIS
ERSTES BUCH. Aktiengesellschaft
ERSTER TEIL: Allgemeine Vorschriften
ZWEITER TEIL: Gründung der Gesellschaft
DRITTER TEIL: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
VIERTER TEIL: Verfassung der Aktiengesellschaft
Erster Abschnitt: Vorstand
Zweiter Abschnitt: Aufsichtsrat
Dritter Abschnitt: Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft
Vierter Abschnitt: Hauptversammlung
FÜNFTER TEIL: Rechnungslegung. Gewinnverwendung
SECHSTER TEIL: Satzungsänderung. Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung
SIEBENTER TEIL: Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und des festgestellten Jahresabschlusses. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung
ACHTER TEIL: Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft
ZWEITES BUCH: Kommanditgesellschaft auf Aktien
DRITTES BUCH: Verbundene Unternehmen
VIERTES BUCH: Verschmelzung. Vermögensübertragung. Umwandlung
FÜNFTES BUCH: Sonder-, Straf- und Schlußvorschriften
Einführungsgesetz zum Aktiengesetz
Sachverzeichnis
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Aktiengesetz vom 6. September 1965: Kommentar [Reprint 2020 ed.]
 9783112316092, 9783112304907

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AKTIENGESETZ

Sammlung

Guttentag

Aktiengesetz vom 6. September 1965 Kommentar begründet von Freiherr von Godin und Dr. Hans Wilhelmi 4. Auflage neubearbeitet von Sylvester W I L H E L M I Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.

w DE

_G 19 7 1

WALTER DE GRUYTER • BERLIN . NEW YORK

© Copyright 1971 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J . Göschen'sdie Verlagshandlung, J . G u t t e n t a g , Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, K a r l J. Trübner, Veit & C o m p . , Berlin 30. — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nadidrucks, der photomedianisdien Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten. — P r i n t e d in G e r m a n y . — Satz und Drude: T h o r m a n n & Goetsch, 1 Berlin 44

Dem Andenken an

Dr. Hans Wilhelmi meinen Vater und Ratgeber

V O R W O R T Z U R 4. A U F L A G E Die Entwicklung im Aktienrecht hat es mit sich gebracht, daß verschiedene Erweiterungen gegenüber der Vorauflage vorgenommen werden mußten. Einige inzwischen eingetretene Gesetzesänderungen bedurften ebenfalls der Einarbeitung. Die seit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes erschienene, zum Teil recht umfangreiche Literatur und Rechtsprechung ist bis Januar 1971 berücksichtigt. Bereits bei der dritten Auflage konnte einer der Mitbegründer des Kommentars — Freiherr von Godin — nicht mehr mitwirken. Vor der eigentlichen Ausarbeitung der 4. Auflage ist auch der zweite Mitbegründer — mein Vater Dr. Hans Wilhelmi — gestorben. Trotz seiner Krankheit hatte er sich bei seinen Ärzten die Erlaubnis erwirkt, Arbeiten für den Kommentar durchzuführen. Es war ihm aber nur noch vergönnt, einige Vorarbeiten zu leisten. Ich habe midi bemüht, audh sein Gedankengut im Kommentar zu erhalten. Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die sich bemüht haben, uns in unserer Arbeit zu unterstützen und diese zu erleichtern, insbesondere Fräulein Ulrike Brauer. Frankfurt am Main, im März 1971 Sylvester Wilhelmi

INHALTSÜBERSICHT

Erstes Buch Aktiengesellschaft (§§ 1—277) §§ Erster Teil

1—22

Seite Allgemeine Vorschriften

1

Zweiter Teil

23—53

G r ü n d u n g der Gesellschaft

118

Dritter Teil

54—75

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und d e r G e s e l l s c h a f t e r

276

Vierter Teil 1. Abschnitt 2. Abschnitt 3. Abschnitt 4. Abschnitt 1. Unterabschnitt 2. Unterabschnitt 3. Unterabschnitt 4. Unterabschnitt 5. Unterabschnitt 6. Unterabschnitt 7. Unterabschnitt

Verfassung der Aktiengesellschaft Vorstand Aufsichtsrat Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft Hauptversammlung Rechte der Hauptversammlung Einberufung der Hauptversammlung Verhandlungsniederschrift. Auskunftsrecht.... Stimmrecht Sonderbesdiluß Vorzugsaktien ohne Stimmrecht Sonderprüfung. Geltendmachung von Ersatzansprüchen

401 401 511 651 660 660 685 736 770 818 821

148—178 R e c h n u n g s l e g u n g . G e w i n n v e r w e n d u n g 148—161 Aufstellung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts 2. Abschnitt 162—171 Prüfung des Jahresabschlusses 1. Unterabschnitt 162—169 Prüfung durch Abschlußprüfer 2. Unterabschnitt 170—171 Prüfung durch den Aufsichtsrat 3. Abschnitt 172—176 Feststellung des Jahresabschlusses. Gewinnverwendung 1. Unterabschnitt 172—173 Feststellung des Jahresabschlusses 2. Unterabschnitt 174 Gewinnverwendung 3. Unterabschnitt 175—176 Ordentliche Hauptversammlung 4. Abschnitt 177—178 Bekanntmachung des Jahresabschlusses

868

Fünfter Teil 1. Abschnitt

76—147 76—94 95—116 117 118—147 118—120 121—128 129—132 133—137 138 139—141 142—147

834

868 992 992 1032 1042 1042 1053 1060 1072

IX

Inhaltsübersicht

SS Seite 179—240 S a t z u n g s ä n d e r u n g . M a ß n a h m e n d e r K a p i t a l b e s c h a f f u n g und K a p i t a l herabsetzung 1083

Sechster Teil

1. Abschnitt 179—181 2. Abschnitt 182—221 1. Unterabschnitt 182—191 2. Unterabschnitt 192—201 3. Unterabschnitt 202—206 4. Unterabschnitt 207—220 5. Unterabschnitt 221

Satzungsänderung Maßnahmen der Kapitalbeschaffung Kapitalerhöhung gegen Einlagen Bedingte Kapitalerhöhung Genehmigtes Kapital Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln . . . . Wandelschuldverschreibungen. Gewinnschuldverschreibungen

1083 1098 1098 1137 1166 1193

3. Abschnitt 222—240 1. Unterabschnitt 222—228 2. Unterabschnitt 229—236 3. Unterabschnitt 237—239

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung Ordentliche Kapitalherabsetzung Vereinfachte Kapitalherabsetzung Kapitalherabsetzung durch Einziehung Aktien Ausweis der Kapitalherabsetzung

1252 1252 1286

4. Unterabschnitt Siebenter Teil

240

von

1246

1310 1333

241—261 N i c h t i g k e i t von Haupt Versamml u n g s b e s c h l ü s s e n und des f e s t g e stellten Jahresabschlusses. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung 1336

1. Abschnitt 241—255 Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen 1336 1. Unterabschnitt 241—249 Allgemeines 1336 2. Unterabschnitt 250—255 Nichtigkeit bestimmter Hauptversammlungsbeschlüsse 1393 2. Abschnitt 3. Abschnitt

256—257 Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses 1413 258—261 Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung 1428

Achter Teil

262—277

1. Abschnitt 262—274 1. Unterabschnitt 262—263 2. Unterabschnitt 264—274 2. Abschnitt 275—277

Auflösung und Nichtigerklärung der G e s e l l s c h a f t 1454 Auflösung Auflösungsgründe und Anmeldung Abwicklung Nichtigerklärung der Gesellschaft

1454 1454 1465 1509

Zweites Buch Kommanditgesellschaft auf Aktien (§§278—290)

X

1526

Inhaltsübersicht Drittes Buch Verbundene Unternehmen (§§ 291—338) §§

Seite

Erster Teil 1. Abschnitt 2. Abschnitt

291—307 U n t e r n e h m e n s v e r t r ä g e 1575 291—292 Arten von Unternehmensverträgen 1575 293—299 Abschluß, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen 1604

3. Abschnitt 4. Abschnitt

300—309 Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger 1636 304—307 Sicherung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen 1657

Zweiter Teil

308—318 L e i t u n g s m a c h t u n d V e r a n t w o r t l i c h keit bei A b h ä n g i g k e i t von U n t e r nehmen 1695 308—310 Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags 1695 311—318 Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrsdiungsvertrags 1705

1. Abschnitt 2. Abschnitt Dritter Teil Vierter Teil Fünfter Teil

319—327 E i n g e g l i e d e r t e 328

Gesellschaften

Wechselseitig beteiligte men

329—338 R e c h n u n g s l e g u n g

1757

Unterneh-

im K o n z e r n

1797 ....

1805

Viertes Buch Verschmelzung. Vermögensübertragung. Umwandlung (§§ 339—393) Erster Teil 339—358 V e r s c h m e l z u n g 1. Abschnitt 339—353 Verschmelzung von Aktiengesellschaften . . . . 1. Unterabschnitt 340—352 Verschmelzung durch Aufnahme 2. Unterabschnitt 353 Verschmelzung durch Neubildung 2. Abschnitt 354 Verschmelzung von Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie von Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften 3. Abschnitt 355—356 Versdimelzung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien . . . . 4. Abschnitt 357—358 Verschmelzung einer bergrechtlichen Gewerkschaft mit einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien Zweiter Teil

359—361 V e r m ö g e n s ü b e r t r a g u n g

1854 1854 1861 1919

1933

1935

1939 1948

XI

Inhaltsübersicht S§ Dritter Teil 1. Absdinitt 2. Abschnitt 3. Abschnitt 4. Abschnitt 5. Abschnitt 6. Absdinitt 7. Abschnitt 8. Abschnitt 9. Abschnitt

10. Abschnitt 11. Abschnitt

362—393

Seite Umwandlung

1958

362—365 Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien 366—368 Umwandlung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine Aktiengesellschaft 369—375 Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . 376—383 Umwandlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Aktiengesellschaft . . . . 384—385 Umwandlung einer bergrechtlichen Gewerkschaft in eine Aktiengesellschaft 385a—385c Umwandlung einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft 385d—3851 Umwandlung eines Versieherungsvereins auf Gegenseitigkeit in eine Aktiengesellschaft.. 385m—385q Umwandlung einer Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft 386—388 Umwandlung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung 389—392 Umwandlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien 393 Umwandlung einer bergrechtlidien Gewerkschaft in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien

1958 1967 1971 2004 2031 2035 2038 2049 2054

2056 2058

Fünftes Buch Sonder-, Straf- und Schluß Vorschriften (§§ 394—410) Erster Teil

394—395

Sondervorschriften

bei

Beteili-

von G e b i e t s k ö r p e r s c h a f t e n

....

Zweiter Teil

396—398 G e r i c h t l i c h e

Auflösung

Dritter Teil

399—410

Bußgeldvorschriften.

Straf-

und

Schlußvorschriften

2059 2065

2071

Einführungsgesetz zum Aktiengesetz

2099

Sachverzeichnis

2133

XII

LITERATURVERZEICHNIS Adler-Düring-Schmal tz Ardi. ziv. Pr. Arb. u. Recht BA Baiser Ballerstedt Bankbetrieb Bartholomeyczik Baumbach HGB Baumbach-Hueck (B.-H.) BB Bergwerkszeitschrift BGH Benkhard BllntPr Böttcher-Meilicke Boldt Brandt-Marowski Brodmann

Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft 4. Auflage, Stuttgart 1968 Archiv für zivilistische Praxis (Band und Seite) Arbeit und Recht Bankarchiv, Zeitschrift für Bank und Börsenwesen (Jahr und Seite) Die Aktiengesellschaft, Band 1, Baden-Baden 1966 Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949 (Jahr und Seite) Die Stimmabgabe im System unserer Rechtshandlungen Baumbach — Duden — Kuzkommentar zu HGB, 13. Auflage 1959 Kurzkommentar zum Aktiengesetz 13. Auflage 1968 und Ergänzungsband 1970 Betriebsberater (Jahr und Seite) Bundesgerichtshof und Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (Band und Seite) Patentgesetz, Kurzkommentar, 3. Auflage 1953 Blatt für internationale Praxis Umwandlung und Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, 5. Auflage 1958 Kommentar zum Mitbestimmungsgesetz Eisen und Kohle, München und Berlin 1952 Registersachen Kommentar zum Aktienrecht, 1928

Brönner

Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 7. Auflage Stuttgart 1968

Crisolli-Groschuff Kämmel

Umwandlung und Löschung von Kapitalgesellschaften 1937

Coing-Kronstein

Die nennwertlose Aktie als Rechtsproblem, Frankfurt 1959

DB

Der Betrieb (Jahr und Seite)

XIII

Literaturverzeichnis Deuss

Das Auskunftsrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft nadi § 112 AktG und das Problem der Aktienrechtsform, München und Berlin 1962

DFG

Deutsche freiwillige Gerichtsbarkeit (Jahr und Seite)

DGemWR

Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht (Jahr und Seite)

Die AktGes.

Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Jahr und Seite)

Dietz

DJ

DJZ DNZ Dose DR DRW DRZ

Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, 1953 Deutsche Justiz (Jahr und Seite) Deutsche Juristenzeitung (Jahr und Seite) Zeitschrift des deutschen Notarvereins (Jahr und Seite) Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft, 2. Auflage Hamburg 1968 Deutsches Recht (Jahr und Seite) Deutsche Rechtswissenschaft (Jahr und Seite) bis 1935 Deutsche Richterzeitung (Jahr und Seite; Nr. des Rechtssprediungsteiles ab 1946 Deutsche Rechtszeitschrift

Düringer-Hachenburg

Kommentar zum HGB, 3. Auflage 1932

Ebenroth

Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, Bielefeld 1970

Eckart

Die Substanzerhaltung industrieller Betriebe, Köln und Opladen 1963 Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 15. Auflage 1960

Enneccerus-Nipperdev Falkenhausen Filbinger Fitting-Kraegelo-Auffahrt Friedländer Georgakopoulos Gessler, Jörg Gierkc GmbH-R.

XIV

Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nadi dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967 Schranken der Mehrheitsherrschaft im Aktienrecht und Konzernrecht 1942 Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 7. Auflage Berlin und Frankfurt 1966 Das Konzernrecht Die Gründung der Aktiengesellschaft, Diss. 1959 Kommentar zum Aktiengesetz, Frankfurt am Main 1969 Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 7. Auflage 1955 GmbH-Rundschau, Monatsschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Handelsrecht (Jahr und Seite)

Literaturverzeichnis Golling

Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder für ihre Geschäftsführung innerhalb der nicht-konzerngebundenen Aktiengesellschaft Bad Schwartau 1969

Grossfeld

Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär 1968 Großkommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage 1961 und teilweise 3. Auflage 1970 und 1971 Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr und Seite)

Großkomm. GRUR Hachenburg-Schilling

Kommentar zum GmbH-Gesetz, 6. Auflage 1956

Handbuch für den Aufsidnsrat HansRGZ

München 1971

HRR

Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitung (Jahr und Seite) Höchstrichterliche Rechtsprechung (Band und Nummer)

Hueck

Der Treue-Gedanke im modernen Privatrecht 1947

Hueck

Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversamm-

Hueck

Das Recht der o H G

Jahr und Stütze!

Aktien ohne Nennbetrag, 1963

lungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften 1924

Iherjahrb

Jehrimlas-Jahrbücher (Jahr und Seite)

JR

Juristische Rundschau (Jahr und Seite)

jw

Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite)

JZ

Juristenzeitung (Jahr und Seite)

KGJ

Jahrbuch für Entscheidungen (Band und Seite) Reform des Aktienrechts Aktiengesetz 1937

Klausing Klausing Kölner-Komm. Krieger-Lenz Kronstein-Claussen Kropf

des

Kammergerichts

Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Köln, Berlin, Bonn, München 1970 und 1971 Firma und Handelsregister Publizität und Gewinnverteilung im neuen Aktienrecht, Frankfurt am Main 1960 Aktiengesetz 1965

Küster

Inhalt und Grenzen der Rcchte der Gesellschafter 1954

Lehmann

Heinrich Lehmann, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 1959

Lehmann (Dresdner Bank)

Karlheinz Lehmann, Aktiengesetz 1965

Lehmann-Hirsch

Handelsgesetzbuch

XV

Literaturverzeichnis Lind.-Möhr.

Lindenmeyer-Möhring, Nachschlagewerk der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (Gesetzesstelle und Nummer)

Lobedanz

Der Einfluß von Willcnsmängeln auf Gründungs- und Beitrittsgesdiäfte 1938 Leipziger Zeitschrift ( J a h r und Seite) Monatsschrift für deutsches Recht ( J a h r und Seite)

LZ MDR Mestmäcker

Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, 1958

Möhr.-Schw.

Möhring-Schwartz, Die Aktiengesellschaft und ihre Satzung, 2. Auflage 1966

Möhr.-Tank

Möhring-Tank, Handbuch der Aktiengesellschaft

Müller-Erzbach

Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Reditsdenkens, 1948

NJW

Neue Juristische Wochenschrift ( J a h r und Seite)

NB

Neue Betriebswirtschaft ( J a h r und Seite)

Neum.-D.

Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, 1960

Obermüller-Werner-Winden

Aktiengesetz 1965,1965

Obermüller-Werner-Winden

In die H V der AG — die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Düsseldorf 1967

OGH

Entsdieidungssammlung des obersten Gerichtshofes der britischen Zone (Band und Seite)

OLGR

Entscheidungshandlung der Oberlandesgerichte (Band und Seite) Die Hafltung des Vorstandes einer beherrschten Aktiengesellschaft, S. 1970 Deutsches Konzernrecht, 2. Auflage 1966 Die Schwierigkeiten bei der Ausübung der Gesamtvertretung beim Vorstand der Aktiengesellschaft, Diss. Köln 1965 Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, 3. Auflage 1947 Patentgesetz und Gesetz betreffend den Schutz von Gebrauchtmustern, 2. Auflage 1947 Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band und Seite)

Neuhaus Rasch Rath

Rauch Reimer RG RGR-Komm. RFH Ritter

XVI

Kommentar der Reichsgerichtsräte zum HGB, 2. Auflage Entscheidungen des Reichsfinanzhofes (Band und Seite) Kommentar zum Aktiengesetz, 1939

Literaturverzeichnis RJA

Schlegelberger

Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Reichssteuerblatt Rechts- und Wirtschaftspraxis D a s Auskunftsrecht des Aktionärs, Diss. Köln 1959 Kommentar zum Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit, 6. Auflage 1952

Schi.-Qu.

Schlegelberger-Quassowski-Herbig-Gessler-Hafermehl, Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage 1939

RStBl. RuW Scheu

Schmal tz-Sauding-Forster

Formblätter für den Jahresabschluß, 1955

Schmolder-Geßler-Merkel

Kommentar zum GMBilG, 1950

Scholz

Ausschließung und Austritt aus der G m b H , 1950

Scholz

Kommentar zum GmbH-Gesetz 2./3. Auflage 1950

Sengelmann Serik

Die Sachübernahme im Aktienrecht, Diss. 1965 Rechtsform und Realität juristischer Personen

Seuff.Arch.

Seufferts Archiv für Entscheidungen oberster Gerichte

SJZ

Süddeutsche Juristenzeitung (Jahr und Seite)

Soz.Pr.

Sozialistische Praxis (Band und Seite)

Staub

Staub-Pinner, Kommentar zum H G B , 14. Auflage

Stein-Jonas

lage

StuW Teidimann-Köhler Trumpler Volkswirt Warm.Rspr. W Wiedemann

Wiesenhöfer

(Band und Seite)

Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zum ZPO, 18. AufSteuer und Wirtschaft Aktiengesetz, 3. Auflage 1950 Die Bilanz der Aktiengesellschaft 1937 Der Volkswirt (Jahr und Seite) Warneyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts (Jahr und Nummer) Das Wertpapier Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, München und Berlin 1965 Die Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat der deutschen Aktiengesellschaft, Diss. Köln 1960 Kleine Aktienrechtsreform 1960

Wilhelmi-Friedrich Wirtz WM

Wp Würdinger

Der Wirtschaftstreuhänder 1938 Wertpapiermitteilungen (Jahr und Seite) Die Wirtschaftsprüfung (Jahr und Seite) Aktienrecht und Konzernrecht, 2. Auflage 1966

XVII

Literaturverzeichnis ZAK Z G H R (ZHR) Zöllner

XVIII

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Redit Zeitschrift für das gesamte Handels- und Konkursrecht Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privaten Personenverbänden, München und Berlin 1963

AKTIENGESETZ vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089 ff.) D e r Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: ERSTES BUCH

Aktiengesellschaft ERSTER TEIL

Allgemeine Vorschriften S 1 Wesen der Aktiengesellschaft (1) Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. (2) Die Aktiengesellschaft hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital. I. Übersicht (Anm. 1) II. Die AG als Gesellschaft 1. Begriffsbestimmung (Anm. 2) 2. Die Treupflicht des Aktionärs (Anm. 3—5) 3. Die eigene Rechtspersönlichkeit (Anm. 6—12) 4. Die Einmanngesellschaft (Anm. 13) III. Das Grundkapital 1. Begriffsbestimmung (Anm. 14)

2. Zerlegung in Aktien a) Nennbetrag (Anm. 15) b) Rechtliche Selbständigkeit der Aktie (Anm. 16) IV. Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft 1. Grundsätzlicher Ausschluß der Haftung (Anm. 17) 2. Die Durchgriffstheorie (Anm. 18)

I. Übersicht Anm. 1: Wie schon im bisherigen Recht, hat der Gesetzgeber auf eine umfassende Begriffsbestimmung verzichtet u n d nur einige typische Merkmale als Wesen der Aktiengesellschaft im § 1 aufgeführt. Man kann darüber streiten, ob es die wichtigsten Merkmale sind, denn es gehört keineswegs 1

§ 1

Allgemeine Vorschriften

Anm. 1,2 begrifflich zum Wesen einer Aktiengesellschaft, daß sie ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat, und daß das Mitgliedschaftsrecht, das in den Aktien verkörpert wird, auf das Grundkapital bezogen wird. Die Vorschrift weicht in verschiedenen Punkten von dem früheren § 1 AktG 37 ab. Die wichtigste Änderung ist der Wegfall des Erfordernisses der Beteiligung mit Einlagen. Die jetzt zugelassene Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln hat zur Folge, daß Aktionäre Aktien erhalten, auf die Einlagen auf das erhöhte Grundkapital nicht geleistet worden sind (§§ 207 ff.). Es handelt sich hierbei um den gleichen Vorgang wie bei dem sogenannten Splitting (im amerikanischen Recht). Die negative Bestimmung, daß die Gesellschafter nicht persönlich f ü r die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, ist positiv ausgedrückt worden, womit inhaltlich das Gleiche zum Ausdruck kommt. Damit ist die alte Vorschrift des § 48 II AktG 37 überflüssig geworden. Abs. 2 ist an dieser Stelle neu eingefügt. Es handelt sich um die alte Vorschrift des § 6 I AktG 37.

II. Die AG als Gesellschaft 1. Begriffsbestimmung Anm. 2: Die Aktiengesellschaft ist ihrem Wesen nach eine Personenvereinigung. Ob sie als Verein oder Gesellschaft im Sinne des BGB anzusehen ist, war und bleibt streitig. Von besonderer praktischer Bedeutung ist dieser Streit allerdings nicht, denn § 1 bezeichnet die AG zwar als eine „Gesellschaft", legt aber gleichzeitig fest, daß sie eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ist, also keineswegs eine Gesellschaft des BGB nach §§ 705 ff. Indem das Gesetz die Aktiengesellschaft ausdrücklich als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit bezeichnet, hat es die Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Gesellschaft auch hilfsweise abgelehnt, weil es offensichtlich den Rechtsstoff erschöpfend regeln wollte. Eine wichtige, aus der Rechtsnatur als Gesellschaft abzuleitende Folge, die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, ist sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Die Bestimmungen des BGB über die Gesellschaft sind allenfalls im Gründungszustand vor Eintragung der Gesellschaft anwendbar. Die §§ 26, 30, 31, 35, 43 BGB über Vereine dagegen sind anwendbar. (Meyer-Landrut in Großkomm. § 1 Anm. 4; Kölner Komm. Anm. 3). Die Anwendung insbesondere der §§ 30, 31 BGB ergibt sich aus der Fassung des Gesetzes, da die Bestimmungen nicht von der Rechtsnatur, sondern von der Struktur der juristischen Person bedingt sind. Bei der Haftung der AG nach § 31 BGB kommen jedoch nicht nur Personen in Betracht, die kraft Satzung für die AG tätig sind. Wenn dem Vertreter der juristischen Person wesensmäßige Funktionen zur eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen worden sind, ist der Begriff des 2

Wesen der Aktiengesellschaft

§ 1 Anm. 2 , 3

Vertreters nach § 31 BGB erfüllt. (BGH 49, 21; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 4). Vom Verein wird die Aktiengesellschaft durch Versadilichung der Mitglieder unterschieden. Anstelle der §§ 29 und 43 BGB s. §§ 85 und 396. Wichtiger war die Streitfrage für den Gründungsabschnitt (vgl. Huth J W 34, 2687; Anm. 4 zu § 29). 2. Die Treupflicht des Aktionärs Anm. 3: Ein Teil der Rechtsprechung (RG 146, 71; 158, 25) und der Rechtslehre (Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatredit Anm. 38; Küster, Inhalt und Grenzen der Rechte der Gesellschafter; Schl.-Qu. § 4 Anm. 1) will in der Bezeichnung „Gesellschaft" eine gesetzliche Anerkennung der sogenannten Treupflicht im Aktienrecht sehen. Aus der gesellschaftlichen Natur müsse sich ein Anspruch unter den Aktionären gegeneinander ergeben, den Gesellschaftszweck nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages zu fördern. Dieser Anspruch der Aktionäre untereinander besteht nicht. Sie stehen untereinander in keiner rechtlichen Beziehung (RG 158, 254; BGH 18, 365; Geßler Soz.Pr. 1938, 1450). Rechtsbeziehungen bestehen lediglich zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft. Es kann daher auch bei der AG nicht wie bei den Personalgesellschaften ein Gesellschafter aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden (BGH 9,163). Dagegen haben an anderer Stelle RG und BGH (BGH 14, 38) eine Treupflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft anerkannt und leiten hieraus das Verbot des Stimmenmißbrauchs ab. Gerade bei diesem ist aber u. E. der Gesichtspunkt einer aus der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft abzuleitenden Treupflicht entbehrlich, weil hier ein anderer Gesichtspunkt eingreift. Die Aktiengesellschaft ist vom Recht als ein besonderes Lebewesen anerkannt, aber ein solches eigener Art, ohne eigenen Willen und eigene Handlungen. Sie ist darauf angewiesen, daß natürliche Personen an seiner Statt handeln und wollen. Um eine dem Interesse der Aktiengesellschaft dienenden vernünftigen Willensbildung der Aktiengesellschaft willen ist das Stimmrecht gegeben. Aus diesem Grunde heraus muß deshalb gefordert werden, daß die an ihrer Stelle wollenden und handelnden physischen Personen so wollen und handeln, wie sie selbst in der Lage der Aktiengesellschaft wollen und handeln würden. Dies gilt für alle Willensorgane der Aktiengesellschaft: Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung, bzw. die natürlichen Personen, aus denen sie sich zusammensetzen, ohne daß sich daran durch die Verteilung der Zuständigkeit etwas ändern würde. Mit Treue hat diese Forderung nichts zu tun. Sie ist vielmehr unmittelbar eine Folgerung aus der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit und der Willensfähigkeit der Aktiengesellschaft. Durch sie wird das Stimmrecht inhaltlich bestimmt. Wer anders stimmt, sein Stimmrecht zu anderen Zwecken verwendet, handelt ohne Recht und mißbraucht es. Dieses 3

§ 1

Anm. 3,4

Allgemeine Vorschriften

Handeln ohne Recht mag, auch wenn es eigensüchtig ist, hingehen, solange das Interesse der Aktiengesellschaft und der übrigen Gesellschafter dadurdi nicht beeinträchtigt wird. Von dieser Grenze an wird der Mißbrauch aber unerträglich. Es ergibt sich deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der guten Sitten, sondern als aktienreditliche Norm, daß ein Beschluß anfechtbar ist, wenn ein Aktionär bei der Abstimmung vorsätzlich gesellschaftsfremde Vorteile zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre verfolgt (§ 243 II). Es wäre nicht denknotwendig und ist auch mit der Annahme einer Treupflicht unvereinbar, daß das Gesetz dabei Halt gemacht und grundsätzlich eine Schadenersatzpflicht ausgeschlossen hat (§ 117 VII). Abweichend von diesem Grundsatz ist in den konzernrechtlichen Haftungsvorschriften der §§ 311, 317 das herrschende Unternehmen nicht von der Haftung für die Ausübung des Stimmrechts befreit. Hiervon abgesehen, besteht eine Schadenersatzpflicht aufgrund Abstimmung, wenn keine Schutzvorschrift (§ 405 I I I Nr. 2 und 3, Stimmenkauf, und § 405 I I I Nr. 1, strafbarer Stimmrechtsmißbrauch) verletzt ist, weder gegenüber der Gesellschaft noch gegenüber einem Minderheitsaktionär. Sie kann sich nur aus besonderen rechtlichen Beziehungen ergeben, wie Abstimmungsvereinbarungen (RG 119, 386; 133, 90) oder aus besonderer echter Treupflicht des Legitimationsaktionärs (§ 129 Anm. 4) gegenüber dem Legitimationsgeber. Nur ausnahmsweise bei schrankenloser Ausbeutung durch die Mehrheit, nämlich wenn diese sich Vorteile unmittelbar auf Kosten der anderen Gesellschafter verschafft und hierin ein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden liegt, wird zugunsten der Minderheit § 826 BGB trotz § 117 VII für anwendbar gehalten (so auch Schmidt in Großkomm. § 1 Anm. 8 b). Anm. 4: Das Recht jedes Aktionärs auf Gleichbehandlung, die Geltung des Grundsatzes gleiches Recht für alle, wird gleichfalls oft aus der Treupflicht und aus Treu und Glauben abgeleitet oder als ein rechtspolitisches und rechtsethisches aktienrechtliches Prinzip anerkannt, das ohne weiteres zu gelten habe, denn die Treupflicht habe auch das Verhalten der Gesellschaft zu den Gesellschaftern zu bestimmen. Andere (Gierke § 63, 47; Raiser Z G H R 111, 84 ff.) begründen es mit dem genossenschaftlichen Ordnungsprinzip oder führen dafür gar den der Rechtsidee eigenen Gerechtigkeitsgrundsatz selbst an. Indessen ist das Recht auf Gleichbehandlung entsprechend seiner begrenzten Funktion starrer als das gleiche Recht der Geborenen nach § 1 BGB. Es bedeutet nicht, daß alle Aktionäre schlechthin gleich zu behandeln seien (vgl. BGH 33,175 ff.), sondern daß die Gesellschafter bei gleichen Voraussetzungen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Der Gleichheitsgrundsatz ist von der Rechtsprechung (RG 132, 165; 149, 300; O H G BrZ N J W 1950, 427; BGH in Lind.-Möhr. § 35 BGB Nr. 1; BGH 20, 369; 21, 354; 33, 175 ff.; BVG im BB 62, 900 = Feldmühle-Urteil) und Rechtslehre (Enneccerus-Nip4

Wesen der Aktiengesellschaft

§1 Anm. 4,5 perdey S. 445; Meyer-Landrut in Großkomm. § 1 Anm. 36) als ein das gesamte Korporationsrecht und damit auch das Aktienrecht beherrschender Grundsatz anerkannt worden. Unter Umständen ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag (auch Raiser a.a.O. unterwirft ja den Gleichheitsgrundsatz der Vertragsautonomie), daß die Aktionäre, wenn nicht im Gesellschaftsvertrag selbst eine unterschiedliche Behandlung vorgesehen ist, gleichmäßig zu behandeln sind, so daß der Aktiengesellschaft diese Pflicht durch die Satzung — das für sie maßgebende autonome Gesetz — in die Wiege gelegt ist. Diese Erkenntnis liegt wohl auch — vielleicht unbewußt — § 237 I S. 2 über die Zwangseinziehung zugrunde, wo der Schutz gegen ungleiche Behandlung noch gesteigert wird (vgl. Anm. 8 zu § 237). Die Gesellschaft muß sonach nach ihrem Lebensgesetz gleiches Recht für alle wollen und wer an ihrer Willensbildung beteiligt ist, muß ebenso wollen und dieses Gesetz beachten. Wer anders stimmt, handelt daher ohne Recht, auch wenn er nicht eine Treupflicht gegenüber dem Mitaktionär verletzt. Ein selbständiges zum Aktieninhalt gehörendes Recht (wie das Stimmrecht, Gewinnrecht usw.) ist das Recht auf Gleichbehandlung übrigens wohl nicht, sondern der Reflex der nach dem Gesellschaftsvertrag gleichen Rechtsstellung aller. Erst recht ist es kein selbständiges Sonderrecht. Ein Beschluß, der einen Teil der Aktionäre benachteiligt, bedarf nicht deren Einzelzustimmung und ist ohne diese nicht ihnen gegenüber unwirksam (Anm. 5 zu § 119; Anm. 2 zu § 179), sondern anfechtbar (§§ 243 II, 245 Nr. 3; jetzt auch Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 36 entgegen ihrer Voraufl.). Sonderfälle siehe Anm. 8 zu § 237 und Anm. 7 zu § 222.

Daß das Verhalten des Aktionärs außerhalb der Abstimmung sich nach einer allgemeinen Treupflicht zu richten habe, läßt sich auch nicht aus § 117 nachweisen (s. hierüber" dort), da dort als Täter kein Aktionär vorausgesetzt wird. Anm. 5: Aus dem Dargelegten ergibt sich, daß Fälle, für deren Lösung von verschiedenen Seiten die besondere Treupflicht im Aktienrecht eingeführt wurde, auch ohne diese Treupflidit gelöst werden können. Der allgemeine Rechtsgedanke, daß jede Rechtsausübung den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht widersprechen darf, gilt selbstverständlich auch im Aktienrecht. Er ist u. E. völlig ausreichend. Es darf nicht übersehen werden, daß die Aktiengesellschaft die Gesellschaftsform ist, die ihrem ganzen Zuschnitt nach am meisten auf einen Wechsel der Gesellschafter eingestellt ist; dieser gehört geradezu zu ihrem Wesen. In aller Regel wollen Personen, die Aktien erwerben, nicht mit ihren Mitaktionären in irgendwelche Rechtsbeziehungen treten. Sie wollen auch keine Treupflicht gegenüber der Gesellschaft eingehen, sondern sie behalten sich ganz selbstverständlich vor, durch Verkauf ihrer Aktien aus der Gesellschaft wieder auszuscheiden. Die rechtliche Konstruktion 5

§1

Anm. 5,6

Allgemeine Vorschriften

einer Treupflicht, sowohl der Gesellschafter untereinander, wie auch gegenüber der Gesellschaft erscheint uns deshalb eine dem Wesen der Aktiengesellschaft völlig fremde Konstruktion (im Ergebnis ähnlich Meyer-Landrut in Großkomm. § 1 Anm. 34; Möhring-Tank Rz. 178; Würdinger S. 50). Das schließt nicht aus, daß durch positive Bestimmung im Aktiengesetz die Aktionäre gegen vorsätzliches Handeln zum Schaden der Gesellschaft geschützt werden, wie in § 117 und im Konzernrecht in den Bestimmungen über den Schutz der außenstehenden Aktionäre. 3. Die eigene Rechtspersönlichkeit Anm. 6: Die Gesellschaft hat eigene Rechtspersönlichkeit. Auf die in Lehre und Schrifttum auseinandergehenden Meinungen darüber, was unter Rechtspersönlichkeit zu verstehen ist, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Was gemeint ist, ist für die Praxis hinreichend klar: Die AG ist nicht nur Gegenstand von Rechten ihrer Gesellschafter, sondern auch selbständiger Träger eigener Rechte und eigener Pflichten. Sie hat ihr eigenes, von jedem der Aktionäre getrenntes Vermögen. Die Einlagen dieser scheiden aus deren Vermögen gänzlich aus. Die Gesellschaft tritt zwischen die Aktionäre und das Gesellschaftsvermögen, von dem letzteren besitzergreifend und erstere davon abhaltend. Die Aktionäre sind an dem Gesellschaftsvermögen in keiner Form des Miteigentums beteiligt. Sie haben nur Anspruch auf anteilmäßige Berücksichtigung, wenn es zu Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen kommt. Das gilt auch vom Einmannaktionär. Deshalb ist zur Übertragung von Gesellschaftsvermögen auf ihn ein besonderes schuldrechtliches bzw. dingliches Rechtsgeschäft erforderlich, und zwar gilt Sonderrechtsnachfolge, Gesamtrechtsnachfolge nur, wenn das Vermögen im ganzen durch Umwandlung nach § 1 5 UmwG übertragen wird. Der Gläubiger des Einmannaktionärs kann nicht in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken (vgl. Anm. 17). Auch im strafrechtlichen Sinn ist das Vermögen der Gesellschaft für die Aktionäre ein fremdes und sind ihre Interessen, wenn der Aktionär Vorstand ist, ihm anvertraute fremde Interessen, selbst wenn er zugleich Einmanngesellschafter ist (RG St 42, 383 über Untreue). Über Abmilderungen dieses Grundsatzes in der Rechtsprechung und Rechtslehre siehe Anm. 18. Der Reichsfinanzhof hat die Unterscheidung, welche die Grundlage für den Aufbau der Körperschafls- und Kapitalverkehrssteuer ist, immer streng durchgeführt, auch bei Einmanngesellschaften trotz der sonst im Steuerrecht vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (RFH 19, 139; 27, 89; RSt Bl. 30, 440; 31, 741; 35, 615). Indes wurde das Mißbrauchsverbot des § 6 Steueranpassungsgesetz vom Reichsfinanzhof vom 21.10. 36 (StuW 1937 Nr. 75) für anwendbar gehalten in einem Falle, in dem eine AG, die des Schachtelprivilegs aus § 9 Körperschaftssteuergesetz 6

Wesen der Aktiengesellschaft

§1 Anm.6,7

teilhaftig wurde, gegründet wurde, um in ihr die Dividenden einer anderen AG aufzufangen und aufzuspeichern, welche anderenfalls einkommenssteuerpflichtig gewesen wäre. Verpflichtungen des Aktionärs sind niemals Verpflichtungen der AG, auch solche des Mehrheitsaktionärs nicht, etwa aus einem Wettbewerbsverbot, selbst dann nicht, wenn er die AG zur Umgehung gegründet hat (RG 142,119). Der schlechte Glaube eines Aktionärs, eine von ihm ausgehende Täuschung oder verübte unerlaubte Handlung ist der Gesellschaft nicht zuzurechnen, wohl aber in ihren Angelegenheiten, wenn er Alleinaktionär ist (RG 129, 53; 156,27). Anm. 7: Wo es auf persönliche Eigenschaften ankommt, sind niemals diejenigen der Aktionäre, auch nicht des Einmanns, entscheidend (anders für die Anfechtung wegen Irrtums über die Kreditwürdigkeit RG 143, 431), schon deshalb nicht, weil er jederzeit den Besitz ganz oder teilweise veräußern kann. Eine AG mit Sitz im Inland hat Inländereigenschaft, auch wenn alle Aktionäre Ausländer sind, desgl. umgekehrt; vgl. R G 159,133. Ein Darlehen an eine AG ist auch dann kein Kommunalkredit im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Körperschaftssteuergesetz, wenn eine öffentlich rechtliche Körperschaft alle Aktien besitzt (RFH 2 9 . 1 0 . 1 9 3 5 J W 1936, 531). Die AG wird weder dadurch zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (RFH 29, 464; 38, 271), noch dadurch, daß sie staatlichen Aufgaben dient und dabei Hoheitsrechte ausübt (RG 158, 262—265). Dann haben aber Ansprüche gegen sie aus dieser Betätigung öffentlich rechtliche Natur und unterstehen hier nicht der bürgerlichen Gerichtsbarkeit, insbesondere kann diese Betätigung nicht durch Unterlassungsklage gehindert werden (RG a.a.O. S. 264). Sucht sie diese Aufgaben durch privatwirtschaftliche Leistungen im bürgerlichen Verkehr zu erreichen, sind Ansprüche aus dieser Betätigung bürgerlichrechtlich. Es kann beides zutreffen, wie bei den Kriegsgesellschaften (RG in G R U R 1937, 73). In allen Fällen bleibt die AG aber selbst eine Rechtsperson des Privatrechts, so daß bezüglich ihrer Schadenshaftung die §§ 31, 831 BGB, nicht § 839 BGB, gelten (RG a.a.O. S. 265), weil sie eine Organisationsform des Privatrechts ist. Da die AG eigene Rechtspersönlichkeiten hat, ist sie mit der Fähigkeit ausgestattet, durch ihre eigenen Organe unmittelbar eigene Rechtshandlungen wirksam vorzunehmen und an jedem Rechtsvorgang unmittelbar teilzunehmen. Auf den Streit über das Wesen einer juristischen Person geht das Gesetz nicht ein. Wenn es auch diesen Ausdruck vermeidet, spricht es eben der AG doch den Charakter eines besonderen Rechtssubjekts zu. Nach ihrer eigenen Natur könnte die AG jedes Recht haben und auch jede Rechtshandlung vornehmen, ebenso an jedem Rechtsvorgang teilnehmen. Eine Einschränkung ergibt sich nur daraus, daß es Rechte, Rechtshandlungen und Rechtsvorgänge gibt, welche nach ihrer Natur nur auf natürliche Personen passen. 7

§1

Anm. 8,9

Allgemeine Vorschriften

Anm. 8: Die AG kann jedes Vermögensrecht erwerben, also auch Grundstücke. Die sich früher aus Art. 86 EGBGB in Zusammenhang mit landesgesetzlichen Vorschriften ergebenden Beschränkungen beim Erwerb von Rechten durch juristische Personen sind gegenstandslos geworden, da Art. 86 und die entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 5. 3.1953 (BGBl. Seite 33) insoweit aufgehoben worden sind, als sie den Erwerb von Rechten durch juristische Personen mit Sitz im Inland von einer staatlichen Genehmigung abhängig machten. Die AG kann auch Mitgliedschaftsrechte bei anderen Gesellschaften erwerben, sogar persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft sein (RG 105, 101; 123, 289), kann immaterielle Rechte erwerben und genießt insbesondere Firmen- und Namensschutz (BGH in WM 55,1250). Sogar der strafrechtliche Schutz der Ehre wird ihr nach neuerer Rechtsprechung (RG Str 70, 140, BGH Str 6, 186) zuerkannt, ihr wird strafrechtlicher Schutz zuerkannt, soweit sie Inhaberin geschützter Rechtsgüter ist (vgl. OLG Braunschweig in N J W 66, 263). Sie kann Urheber- und Erfinderrechte erwerben, und zwar auf abgeleitetem Weg schlechthin. Ob auf ursprünglichem Wege, hängt von der betreffenden Schöpfung ab, kann aber nicht allgemein verneint werden. Warum sollte eine Großbank kein ursprüngliches Urheberrecht an den Veröffentlichungen ihres Archivs haben (a. A. Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 10). Anm. 9: Die Gesellschaft kann erben, aber nicht Erblasser sein, da der Erbgang von einem Rechtssubjekt auf ein anderes den Tod einer Person voraussetzt (§ 1922 BGB). Ebenso sind ihr alle familienrechtlichen Verhältnisse verschlossen. Daß sie Vormund sein könnte, wird allgemein verneint, weil die Vormundschaft nach ihrem hauptsächlichen Inhalte dem elterlichen Verhältnis nachgebildet ist und vor allem das Recht und die Pflicht begründet, für die Person des Mündels zu sorgen. Dagegen kann die AG Treuhänder, Vertreter nach §1189 BGB, Vermögensverwalter, auch Testamentsvollstrecker, Nachlaßverwalter und Nachlaßpfleger sein (ebenso Kölner Komm., Anm. 10; Meyer-Landrut, Anm. 8), ebenso Abwickler (vgl. § 265) und Prüfer (§§ 33; 164 usw.). Ob sie Konkursverwalter sein kann, ist streitig. Dagegen kann sie Mitglied eines Gläubigerausschusses oder Gläubigerbeirats sein (Jaeger, § 87 Anm. 5), sie kann unbeschränkt Vollmachten ausüben, nur nicht nach geltendem Recht Prokura haben (a. A. nur Ritter § 48 Anm. 2 a), weil diese an eine bestimmte Person geknüpft ist (§ 52 II HGB), auch die Vorschrift des § 53 II HGB nicht erfüllt werden könnte. Auch als Kommanditistin kann ihr u. E. eine Prokura nicht erteilt werden, wie Meyer-Landrut (in Großkomm. Anm. 9) zu Unrecht der Entscheidung in BGH 17, 392 ff. entnehmen möchte. Es können also immer nur Angestellte einer AG unter deren Haftung Prokura 8

Wesen der Aktiengesellschaft

§1 Anm. 9—11

für einen Dritten annehmen. Sie kann ferner nidit Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied sein. Ihr kann auch keine Handlungsvollmacht erteilt werden (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 9; a. A. Kölner Komm. Anm. 11 und wohl audi B.-H. Rn. 6). Anm. 10: Die AG ist im Zivil- und Strafprozeß parteifähig (nicht prozeßfähig), so daß nur sie und kein Aktionär Partei ist. Das schließt nicht aus, daß bei entsprechend großer Beteiligung an der AG ein Aktionär als Zeuge als am Ausgang des Rechtsstreits interessiert oder als Richter befangen erscheinen kann. Als Nebenintervenient kann der Aktionär dem Rechtsstreit der AG nach R G 83, 182 nidit beitreten (so auch B.-H. Rn. 9; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 13), anders im Anfechtungsprozeß wegen § 248. In anderen Fällen hat ein für oder gegen die AG ergangenes Urteil keine Rechtskraft für oder gegen einen Aktionär. Anm, 11: Strafrechtlich kann die AG nach geltendem Recht nur in Ausnahmefällen zur Rechenschaft gezogen werden. Wirtschaftliche und steuerrechtliche Vorschriften sehen Geldbußen vor (vgl. § 5 WiStG von 1954; § 59 K W G u. a.). Grundsätzlich besteht auch keine strafrechtliche Haftung für Organe der AG (vgl. OLG Hamm in MDR 52, 567; OLG Köln in N J W 61, 422). Dagegen ist aufgrund ausdrücklicher Bestimmungen die Haftung der AG für Geldstrafen oder Geldbußen ihrer Vertreter möglich (§§ 4 1 6 , 4 1 7 , 1 0 3 , 1 0 7 AO u. a.). Dagegen ist sie allgemein fähig, bürgerlichrechtliche unerlaubte Handlungen zu begehen und dadurch schadenersatzpflichtig zu werden. § § 3 1 , 831 BGB sind für sie anwendbar. Ob eine unerlaubte Handlung einer Organperson in Ausführung der ihr zustehenden Verrichtungen begangen ist, ist oft zweifelhaft, wenn die Organperson ihre Befugnisse überschreitet oder mißbraucht. Die Haftung besteht dann, wenn die Handlung nach Maßgabe aller Umstände von außen gesehen als Handlung der Gesellschaft, personifiziert durch ihre Organpersonen, erscheint. Verrichtungen bedeutet nicht Befugnisse oder gar Möglichkeiten. Beispiele: Ein Vorstandsmitglied läßt die Aktien der AG zweimal drucken oder die ihr gehörigen Wertpapiere nachdrucken und verkauft oder lombardiert die Duplikate. Handelt er im eigenen Namen, so liegt ein Delikt der AG nicht vor. Wohl aber haftet sie nicht nur rechtsgeschäftlich, sondern auch deliktisch, wenn er in ihrem Namen handelt. Ebensowenig haftet die AG, wenn ein Vorstandsmitglied aus Behältnissen der AG Wertpapiere entnimmt oder sonst Eigentum der Gesellschaft entwendet und für sich veräußert oder verpfändet. In gleicher Weise, wie für die Handlungen des Vorstandes, haftet die Gesellschaft für Handlungen besonderer satzungsmäßiger Vertreter im Sinne des § 30 BGB (siehe Anm. 13 zu § 76). Es genügt für die Haftung der Gesellschaft aus §§ 30, 31 BGB, wenn ihre Vor9

§1

Anm. 11—13

Allgemeine Vorschriften

aussetzungen nur bei einer der für sie handelnden Personen zutrifft, auch wenn Gesamtvertretung besteht. Im Falle der Verkehrssicherungspflicht muß nicht immer die verantwortliche Person festgestellt werden. Nach der Rechtsprechung genügt zur Begründung der Haftung der Gesellschaft häufig mangelnde Aufsicht oder mangelnde Organisation (vgl. BGH 24, 213; 27, 280; 39, 130). Die Gesellschaft kann ihre Haftung aus §§ 31, 30 BGB weder durch die Satzung (§ 40 BGB) noch überhaupt allgemein, noch für Vorsatz (§ 276 II BGB), sondern nur im Einzelfall für Fahrlässigkeit abdingen. Anderes gilt von der Haftung für Angestellte nach § 831 BGB. Hier ist unabdinglich nur die Haftung f ü r Vorsatz bei der Auswahl oder Aufsicht. Anm. 12: Die eigene Rechtspersönlichkeit erlangt die Gesellschaft erst mit der Eintragung in das Handelsregister, da sie bis dahin als AG nicht besteht (§41 I 1) und die eigene Rechtspersönlichkeit eine Eigentümlichkeit der AG ist. Vor Erlangung der eigenen Rechtspersönlichkeit ist sie als Gesellschaft errichtet, sobald die Gründer alle Aktien übernommen haben (§ 29). Die Rechtspersönlichkeit der AG geht nicht ohne weiteres unter, wenn sie vermögenslos wird. Sie kann dann aufgrund des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften vom 9.10. 34 (RGBl. 914) auf Antrag der amtlichen Berufsvertretung des Handelsstandes, der Steuerbehörde oder auch von amtswegen vom Registergericht gelöscht werden. Erst aufgrund dieser Löschung endet die Rechtspersönlichkeit der AG. Stellt sich aber heraus, daß die Löschung zu Unrecht erfolgt ist und daß noch Vermögen vorhanden war, können die Gläubiger sie trotz Löschung als Rechtspersönlichkeit belangen (RG 149, 296). Es sind allerdings nur noch die notwendigen Abwicklungsmaßnahmen zulässig (RG 156, 27). Die sehr umstrittene Frage, inwieweit eine vermögenslos gewordene AG als sogenannter Mantel weiter existiert und durch Satzungsänderung neu belebt werden kann, hat damit stark an Bedeutung verloren. Wir sind der Auffassung, daß die Forterhaltung und Wiederverwendung solcher leerer Mäntel in Widerspruch zu dem Gesetzeszweck stehen und deshalb als unzulässig angesehen werden müssen. 4. Die Einmanngesellschaft Anm. 13: Die Rechtspersönlichkeit geht auch nicht unter bei einer Einmanngesellschaft, d.h., wenn alle Aktien in der Hand eines einzigen Gesellschafters vereinigt sind. Denn § 262 kennt unter den Auflösungsgründen die Vereinigung aller Aktien in einer Hand, selbst der AG selbst, nicht, es kann ja auch sein, daß sie bloß vorübergehend ist. Daraus ergibt sich auch, daß die Gesellschaft als Aktiengesellschaft fortbesteht, d. h., sie allein ist Subjekt des Gesellschaftsvermögens, nicht der Aktionär. Er haftet grundsätzlich nicht für die Schulden der Gesellschaft (vgl. aber Anm. 18). Niemals aber sind die Verpflichtungen des Einmannaktionärs Verpflichtungen der Gesellschaft. Er kann 10

Wesen der Aktiengesellschaft

§1 Anm. 13,14

Rechtsgeschäfte mit ihr abschließen, auch Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 (vgl. Leo in Die AktGes 1965, 352 ff.), Schuldner und Gläubiger der Aktiengesellschaft sein und darf seine Forderungen auch sicherstellen lassen, es sei denn, daß mißbräuchlich von vornherein das Eigenkapital der Gesellschaft so niedrig bemessen wurde, daß sie auf Kredit des Gesellschafters oder der Gesellschafter angewiesen war. Auch der Einmann kann nach § 118 Rechte in den Angelegenheiten der Aktiengesellschaft nur in der Hauptversammlung ausüben, übt sie aber in dieser allein aus, kann sich selbst zum Mitglied des Aufsichtsrates oder mittelbar durch letzteren zum Vorstand bestellen und sein Gehalt bestimmen. So wenig wie sonst ein Aktionär kann der Einmann seine Rechte willkürlich nur unter Beachtung eigener Wünsche und Belange ausüben. Auch für ihn ist die Wahrung der Interessen der Gesellschaft Voraussetzung der Rechtsausübung (vgl. RG JW 36, 3611). Bei seinen Bezügen und Gewinnausschüttungen hat er § 58, §§ 86, 87 zu beachten. Für den Einmann hat § 117 besondere Bedeutung. § 117 VII Nr. 1 gilt für ihn nicht. Die Veräußerung sämtlicher Aktien durch den Einmannaktionär an einen anderen kann eine Veräußerung des Unternehmens sein, was von der Auslegung der Vereinbarung abhängt. Ggf. finden die Gewährleistungsbestimmungen des Kaufrechts Anwendung (vgl. Loos in NJW 62, 519; NeumannDuesberg in WM 68,494 ff. und in WM 69,1002). Früher vorgebrachte Bedenken gegen die Zulässigkeit brauchen hier nicht weiter erörtert zu werden, da diese heute nicht mehr erhoben werden (vgl. für viele Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 30; BGH 22,229; 26, 33). III. Das Grundkapital 1. Begriffbestimmttng Anm. 14: Unter Verzicht auf eine gesetzliche Definition des Begriffs Grundkapital stellt das Gesetz lediglich fest, daß die Aktiengesellschaft ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat. Eine Begriffsbestimmung des Grundkapitals kann nur aus seinen Funktionen gewonnen werden. Diese sind dreierlei. Die wichtigste unter ihnen ist die Gläubigerschutzfunktion. Durch die Einstellung der Grundkapitalsziffer auf der Passivseite der Jahresbilanz in Verbindung mit der Bestimmung des § 57, daß den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden dürfen und sie nur Anspruch auf den Bilanzgewinn haben, wird erreicht, daß das auf der Aktivseite ausgewiesene Vermögen der Gesellschaft in Höhe der Grundkapitalsziffer für eine Ausschüttung an die Aktionäre gesperrt wird. Bei der Gründung der Gesellschaft, §§ 23 ff., ist das Grundkapital der Mindestbetrag des Anfangsvermögens. Aber schon in diesem Stadium braucht das Grundkapital nicht mit dem Anfangsvermögen übereinzustimmen. Es kann durchaus kleiner sein, denn die Einlagen der Aktionäre können von vornherein mit einem Aufgeld vorgenommen werden (§ 9 II). 11

§1

Anm. 14—16

Allgemeine Yorsdiriften

Grundsätzlich hat das Grundkapital mit dem Vermögen der Gesellschaft nichts zu tun. Es ist weder ein Fond, aus dem sich die Gläubiger befriedigen können, noch sind am Grundkapital die Aktionäre beteiligt. Den Gläubigern haftet das gesamte Vermögen der Gesellschaft ohne Rücksicht auf die Höhe des Grundkapitals. Die Aktionäre sind am Gesamtvermögen der Gesellschaft beteiligt und nicht an dem Grundkapital. Allerdings gibt es eine zweite Funktion des Grundkapitals. Es dient als Bezugsgröße für die Ermittlung der Beteiligung der Gesellschafter an einer Aktiengesellschaft, die — wie in unserem Recht — nur die Nennwertaktie kennt. Die Summe des Nennwertes aller Aktien ist gleich dem Grundkapital. Es ergibt sich alsdann, mit welchem Prozentsatz der einzelne Aktionär am tatsächlichen Vermögen der Gesellschaft und nicht etwa am Grundkapital beteiligt ist. Auch im Verhältnis zu den Gesellschaftern hat die Grundkapitalziffer eine gewisse Sperrfunktion, da sie nicht ohne Innehaltung der gesetzlichen Vorschriften (Mindestmehrheiten usw.) durch gesellschaftliche Maßnahmen verändert werden kann und dadurch, daß es im Fall eines derartigen Verlustes wieder aufgefüllt werden muß, bevor Ausschüttungen stattfinden. 2. Zerlegung in Aktien a) Nennbetrag Anm. 15: Das Grundkapital ist in Aktien zerlegt. Daraus ergibt sich, daß auch diese auf einen ziffernmäßigen Betrag — Nennwert — lauten müssen (§ 6). Da es mindestens 5 Gründer sein müssen, die Aktien übernehmen (§ 2), müssen es mindestens 5 Aktien sein. Der Nennbetrag ist nach oben unbegrenzt. Die Nennbeträge können also auch ungleich sein, was aber bei Aktien, zu deren Wesen die ungehinderte freie Veräußerlichkeit gehört, nur in der Weise vorkommt, daß wenigstens ganze Reihen auf den gleichen Nennbetrag lauten. Es läßt sich jedoch daraus nicht ableiten, daß ungleiche Nennbeträge unzulässig sind. Nichtsdestoweniger ist den Aktien gerade infolge der Regel, daß sie wenigstens reihenweise gleichen Nennbetrag haben, die Vertretbarkeit und gegenseitige Austauschbarkeit eigentümlich, denn sie sind inhaltlich einander gleich und durch den gleichen Nennbetrag auch mengenmäßig. Da das Grundkapital einen bestimmten Nennbetrag hat und in Aktien zerlegt wird, die auch einen bestimmten Nennbetrag haben, muß die Summe der Aktiennennwerte gleich der Ziffer des Grundkapitals sein. b) Rechtliche Selbständigkeit der Aktie Anm. 16: Die rechtliche Selbständigkeit der Aktien als solche ist der Widerschein zu der eigenen Rechtspersönlichkeit der AG. Die Aktie ist der Inbegriff aller mit der Beteiligung an der Gesellschaft verbundenen Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte (über diese s. Anm. 3 zu § 11). 12

Wesen der Aktiengesellschaft

§1

Anm. 16,17

Sie ist dadurch befähigt, selbständig Gegenstand des Rechtsverkehrs zu sein. Sie ist hierzu besonders als Inhaberaktie geeignet, weil sie, von einem für diese niemals zutreffenden Ausnahmefall (§ 55) abgesehen, nach Leistung der Einlage mit vermögensrechtlichen Verpflichtungen nicht mehr verbunden ist. Diese rechtliche Selbständigkeit der Aktie bedeutet, daß eine Veräußerung und Belastung des Gesellschaftsvermögens ebensowenig eine Veräußerung und Belastung der Aktie ist, wie umgekehrt. Der auf Erwerb aller Aktien einer Aktiengesellschaft, der nichts als ein Grundstück gehört, gerichtete Vertrag bedarf nach J W 1925, 1109 nicht der Form des §313 BGB. Der Aktienerwerber ist nidit der Erwerber des Grundstücks (RG 118, 185; 119, 126), wenigstens nicht für das Anwendungsgebiet des § 892 BGB. Über die Haftung für Rechts- und Sachmängel der Gesellschaft beim Verkauf von Aktien vgl. Loos in N J W 62, 519 ff. Die Selbständigkeit der Aktien wird auch von Bedeutung, wenn nach dem Verkauf der Aktien vor Erfüllung des Kaufvertrages die AG in Konkurs gerät, wodurch sie zwar aufgelöst wird (§ 262), aber zunächst doch nicht untergeht, so daß das verkaufte selbständige Aktienrecht bestehen bleibt. Der von Schlüter in D J Z 1936, 866 vertretenen Auffassung, daß in diesem Falle eine Unmöglichkeit der Erfüllung vorliege, weil der Verkäufer dem Käufer die Rechtsstellung nicht mehr gewähren kann, die der Aktionär einer nicht in Konkurs befindlichen Gesellschaft hat, kann nicht gefolgt werden, zumal das nicht gelten sollte, wenn nach Verkauf, aber vor Erfüllung der Gesellschaft beschlossen wird. In allen Fällen, in denen die Gesellschaft aufgelöst wird, tritt sie in Liquidation. Der Erwerber erhält stets die gleiche rechtliche Stellung. Daß in dem einen Fall, dem Konkurs, sein Anspruch am Reinerlös nach der Beendigung der Liquidation vermutlich Null sein wird, ist hierbei belanglos. Das ist das Risiko, welches jeder Aktionär zu tragen hat. Es liegt demnach in beiden Fällen keine Unmöglichkeit vor. IV. Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft 1. Grundsätzlicher Ausschluß der Haftung Anm. 17: Das Gesetz sagt, daß für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Daraus ergibt sich, daß der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haftet, auch nicht mit seiner Einlage oder seiner Verpflichtung zur Einlage, denn diese ist Gesellschaftsvermögen und letzteres ist das, was ausschließlich haftet. Der Ausschluß der Haftung des jeweiligen Aktionärs als solchen für die Schuld der AG gehört nach deutschem Recht zum Wesen der AG. Natürlich kann der einzelne Aktionär, aber nicht als solcher, sondern nur für seine Person durch besonderen bürgerlichrechtlichen Verpflichtungsgrund die Haf13

§1

Anm. 17,18

Allgemeine Vorschriften

tung übernehmen, aber der Sonderrechtsnachfolger tritt nicht ohne neuen, in seiner Person hergestellten Rechtsgrund in die Verpflichtung ein. Der Ausschluß der Haftung der Gesellschafter ist im Gesetz immer wieder hervorgehoben. Er ist der Aktiengesellschaft, wenn man sie mit dem Gesetz als Gesellschaft auffaßt, gegenüber anderen Gesellschaften eigentümlich, ergibt sich aber keineswegs zwingend (Schl.-Qu. § 1 Anm. 3) aus ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit und der damit zusammenhängenden eigenen Haftung der Gesellschaft für ihre Verbindlichkeiten und Scheidung des Gesellschaftsvermögens, mußte vielmehr angesichts der vom Gesetz betonten Gesellschaftsnatur der AG, um zweifellos zu gelten, besonders bestimmt werden. 2. Die Durchgriffstheorie Anm. 18: Von dieser Regel gibt es jedoch Ausnahmen, da es Fälle gibt, in denen der sogenannte Durchgriff auf die Aktionäre und deren Vermögen zugelassen werden muß. Eine ausführliche Behandlung dieser Frage ist in der Schrift von Serik „Rechtsform und Realität juristischer Personen" enthalten. Der Gesetzgeber hat dieser Möglichkeit im Steuerrecht bereits Rechnung getragen: vgl. § 6Steueranpassungsgesetz (RGBl. 1936 I, 925); § 1 IIIGrunderwerbssteuergesetz (RGBl. 1940 I, 585); § 19 KörperschaflsSt. DVO (BGBl. 1955 I, 102). Die Rechtssätze des Steuerrechts sind jedoch deshalb nicht ohne weiteres auf das Zivilrecht übertragbar, weil das Steuerrecht von der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage ausgeht und sich nicht an die Rechtslage hält. Rechtsprechung und Rechtslehre haben den Durchgriff für den sogenannten Mißbrauchstatbestand anerkannt; d. h. in den Fällen, in denen die Form der juristischen Person dazu benutzt wird, Gesetze zu umgehen, Verträge zu verletzen oder Dritte zu schädigen. Daß derjenige, der so handelt, keinen Rechtsschutz verdient, ergibt sich aus § 226 BGB. Derartige Durchgriffe müssen jedoch immer die Ausnahme bilden, wenn nicht die eigene Rechtspersönlichkeit der juristischen Person verleugnet werden soll (BGH in BB 70, 1024; BGH 20, 4; 10, 240; Beitzke N J W 1956, 49). In der Zulassung eines Durchgriffes geht u. E. der BGH zu weit (BGH 20, 4), indem er einen Durchgriff in allen Fällen zuläßt, in denen es an einer rechtsordnungsmäßigen Verwendung der juristischen Person fehlt. Er stellt allein auf objektive Zweckmomente ab. Dieser Rechtsprechung kann nicht zugestimmt werden. Lediglich der subjektive Mißbrauch der Gestaltungsform macht den Durchgriff zulässig (Möhring N J W 1956, 1791; Meyer-Landrut in Großkomm. § 1 Anm. 25; Landessozialgericht Hamburg, GmbH-Rundschau 64, 95 ff.). Auch der BGH hat nunmehr die objektive Mißbrauchslehre aufgegeben (vgl. BGH 29, 392; BGH in WM 68, 891; BGH in BB 58, 169; BGH 45, 204). Die Lösung der Mißbrauchstatbestände dürfte daher über § 826 BGB und § 823 II BGB in Verbindung mit § 263 StGB zu finden sein. Bei den sogenannten Kriegsgesellschaften wurden insbesondere hinsicht14

Gründerzahl

§§1/2

Anm. 18/1,2 lieh der Aufrechnung Durchgriffstatbestände entwickelt. Diese dürfen keinesfalls auf Gesellschaften angewandt werden, die ihre Entstehung den Bedürfnissen des Erwerbslebens verdanken (BGH 26, 31).

§ 2 Gründerzahl An der Feststellung des Gesellschaftsvertrags (der Satzung) müssen sich mindestens fünf Personen beteiligen, welche die Aktien gegen Einlagen übernehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Gesellschaftsvertrag; Satzung (Anm. 2) III. Feststellung der Satzung und Übernahme der Aktien (Anm. 3)

IV. Gründer 1. Zahl (Anm. 4) 2. Gründerfähigkeit (Anm. 5) 3. Übernahme von Aktien (Anm. 6) 4. Einlageforderung (Anm. 7, 8) V. Verstoß (Anm. 9)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist gegenüber dem alten Gesetz in zwei Punkten geändert worden. Während bislang jeder Gründer lediglich eine Aktie übernehmen mußte, sind nunmehr sämtliche Aktien von den Gründern zu übernehmen. Ferner ist bestimmt, daß die Übernahme der Aktien gegen Einlagen zu erfolgen hat. Dies ergab sich früher bereits aus § 1, in dem gesagt war, daß die Gesellschafter mit Einlagen am Grundkapital beteiligt seien. Da § 1 insoweit geändert worden ist (siehe dort Anm. 1), ist jetzt die Pflicht zur Einlageleistung in § 2 festgelegt. II. Gesellschaftsvertrag; Satzung Anm. 2: Das Gesetz gibt dem Gesellschaftsvertrag der Aktiengesellschaft die Bezeichnung Satzung (über Rechtsnatur des Vorvertrags vergleiche Anm. 2 zu § 23; über Willensmängel bei Feststellung der Sazung Anm. 7 vor § 23; über Vertretung bei Feststellung Anm. 4 zu § 23). Grund hierfür sind verschiedene Gesichtspunkte. Es ist eine alte Streitfrage, ob Satzungsfeststellung und Aktienübernahme Verträge seien. Die Frage ist jedoch ohne große praktische Bedeutung, es sei denn für die Anwendung des § 181 BGB bei nicht rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht. Zweifellos wäre es, wenn das geltende Recht es zuließe, denkbar, daß eine einzige Person die Satzung feststellt, alle Aktien übernimmt und die Eintragung des Aktienunternehmens im Handelsregister herbeiführt. Von einem Vertrag könnte dann nicht gesprochen werden, da nur eine einzige Person handelt. Aber man kann sich schwer vorstellen, daß kein 15

§2

Anm. 2

Allgemeine Vorsdiriften

Vertrag vorliegen soll, wenn eine Mehrzahl von Personen an der Feststellung der Satzung mitwirkt und die Aktien unter sich aufteilt. In einem solchen Fall können langwierige Verhandlungen vorausgehen, deren Ergebnis dann die Feststellung der Satzung und die Aktienaufteilung ist. Dann noch von ebenso vielen einseitigen, wenn auch übereinstimmenden Erklärungen zu sprechen, als Personen an der Gründung mitgewirkt haben, tut der Sache Gewalt an (vgl. Georgakopoulos, S. 100). Es darf nicht irre machen, daß auch Punkte — übereinstimmend — zu regeln sind, welche, wie die Vertretung der AG nach außen, Firma, Sitz, Berufung der H V und dgl., für das künftige rechtliche Verhältnis der Gründer zur AG bedeutungslos sind und mitunter auch ihre Belange nicht berühren. Das gleiche gilt für die Besonderheit, daß das Gesetz an die gefundene Einigung nach der Eintragung der AG ins Handelsregister Folgen knüpft, die über das Verhältnis der Vertragsteilnehmer untereinander hinausgehen. Denn wenn man davon absieht, daß die Rechtsprechung Willensmängel nach der Eintragung nicht mehr berücksichtigen will, beruht auch diese vom Gesetz zugelassene Wirkung auf der vorangegangenen Einigung. Weil die Gründer sich geeinigt haben, treten sie zusammen und lassen über das, worüber die Einigung zustande gekommen ist, eine öffentliche Urkunde aufnehmen; nicht weil sie festgestellt haben, daß die einseitigen Erklärungen, die sie abzugeben willens sind, übereinstimmen. Wenn somit die Feststellung der Satzung als Abschluß eines Vertrages anzusehen ist, so kann auf der anderen Seite nicht verkannt werden, daß diese Satzung außer der vertraglichen Regelung der Beziehungen der Gesellschafter untereinander außervertragliche Momente dadurch enthält, daß eine selbständige Rechtspersönlichkeit entsteht (§ 1), die als solche im Rechtsverkehr auftritt. Dies ist einer der Gründe, aus denen das Gesetz es nicht einfach bei dem Begriff des Gesellschaftsvertrages beläßt, sondern ihn als „Satzung" bezeichnet. Tatsächlich unterscheidet sich die Satzung von einem Vertrag nach der Entstehung der AG in mancherlei Hinsicht. Kann ein Vertrag von allen Vertragsschließenden ohne weiteres geändert werden, so können dies die Gründer nicht ohne weiteres, vielmehr ist die Änderung nur noch in einer Hauptversammlung möglich, bei der allerdings nicht alle Aktionäre der Änderung zustimmen müssen, sondern nur eine qualifizierte Mehrheit, während die Änderung eines gewöhnlichen Vertrages die Einstimmigkeit aller am Vertrag Beteiligten voraussetzt. Willensmängel bei Feststellung in der Satzung sind nach Eintragung der AG unbeachtlich. Aus dem Dargelegten ergibt sich, daß der Gesellschaftsvertrag kein Vertrag im üblichen Sinne ist, so daß die Bezeichnung „Gesellschaftsvertrag" sachlich unrichtig wäre. Da die AG einem Verein verwandt ist, hat der Gesetzgeber die Bezeichnung „Satzung" normiert. 16

Gründerzahl

Anm. 3—5

III. Feststellung der Satzung und Übernahme der Aktien Anm. 3: Die auf technischen Gründen beruhende gesetzliche Scheidung zwischen Feststellung der Satzung und Aktienübernahme kann den Zusammenhang nicht zerreißen. Die Vorstellung einer Aktienübernahme ohne Bezug auf eine festgestellte Satzung, der vielmehr geradezu Bestandteil der Aktienübernahmeerklärung ist, läuft, mag sie auch einmal mißbräuchlich im Schwange gewesen sein, den Denkgesetzen zuwider. Es ist Spielerei, die Satzungsfeststellung, Unterwerfung unter die Satzung, Aktienübernahme und Aktienzuteilung, obwohl sie nur nach Einigung einer Mehrzahl von Personen möglich sind und in einem durch diese Einigung hergestellten rechtlichen Zusammenhang stehen, in lauter einseitige Rechtsgeschäfte aufzulösen. IV. Gründer 1. Zahl Anm. 4: Es müssen wenigstens fünf Personen die Satzung feststellen, welche alle Aktien übernehmen und die volle strafrechtliche (§ 399 I N r . 1 u. 2) und vermögensrechtliche (§ 46) Verantwortung für die Gründung tragen. Diese Personen nennt der Gesetzgeber Gründer (§ 28). Zulässig ist, daß sich Personen an der Feststellung der Satzung beteiligen, welche keine Aktien übernehmen; diese sind jedoch keine Gründer, da sie nicht Aktionäre sind (§ 28; anders die Vorauflage). Ihre Mitwirkung ist aber rechtlich irrelevant, da ihre Erklärungen keine Bedeutung haben können. Nach Wegfall des § 30 AktG 37 ist es nicht mehr möglich, daß Personen Aktien übernehmen, welche bei der Feststellung des Gesellschaftsvertrages nicht mitgewirkt haben. 2. Gründerfähigkeit Anm. 5: N u r die Mindestzahl der Gründer ist vorgeschrieben. Das Gesetz sagt aber nichts über die Gründerfähigkeit. D a es damit — wie audi schon das Gesetz von 1937 — die Klärung einiger seit jeher vorhandener Zweifel nicht f ü r erforderlich erachtet hat, muß angenommen werden, daß es sich hier überall der herrschenden Lehre und Rechtssprechung anschließen wollte. Danach können Gründer sein und bei der Fünfzahl mitgezählt werden: alle natürlichen Personen, gleidigültig ob geschäftsfähig oder nicht, juristische Personen, auch wenn in Abwicklung befindlich, auch offene Handelsgesellschaften können Gründer sein, jedoch neben ihnen nicht noch deren Gesellschafter, da sie ohnedies als Gesellschafter der o H G bereits voll haften. Dagegen kann auch der Kommanditist neben der K G Gründer sein, weil seine H a f t u n g mit ihrer H a f t u n g nicht zusammenfällt. Dagegen kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts überhaupt nicht Gründer sein. Die Gemeinmeinung (Kölner Komm. Anm. 46; Schnorr v. 17

§2 Anm. 5,6

Allgemeine Vorschriften

Carolsfeld in DNZ 63, 416; Ritter Anm. 36) verkennt, daß die BGB-Gesellschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und deshalb jeder Gesellschafter als Gründer auftreten muß (ebenso Meyer-Landrut Anm. 9 und 10). Ebenfalls kann ein Verein ohne Rechtsfähigkeit, eine Erbengemeinschaft, ein Testamentsvollstrecker (a. A. Ritter aaO.) nicht Gründer sein. Dagegen ist die Übernahme von Aktien durch mehrere Personen in Bruchteilsgemeinschaft möglich (ebenso Kölner Komm. Anm. 40; B.-H. § 8 Rn. 10; a. A. MeyerLandrut in Großkomm. Anm. 10; sowie die Vorauflage). Alle Gemeinsdiafter zählen jedoch nur als ein Gründer. In Fällen gesetzlicher Vertretung ist der Vertretene der Gründer und trägt er die vermögensrechtliche Gründerhaftung, wird Gesellschafter und als solcher berechtigt und verpflichtet. Die strafrechtliche Gründerhaftung aber trägt der Vertreter, da dieser und nicht der Vertretene sich insoweit strafbar machen kann. Es kann aber auch für fremde Rechnung durch einen Strohmann gehandelt werden, dann muß dieser die Gründerfähigkeit haben und wird er echter Gründer, der die vermögensrechtliche und strafrechtliche Haftung trägt. Erstere trägt aber neben ihm auch sein Auftraggeber (§ 46). Herwig (DNZ 37, 195) will den Strohmann bei Errechnung der Mindestzahl nicht mitrechnen. Dagegen ist Meyer-Landrut (Großkomm. Anm. 16) nunmehr unserer Meinung beigetreten. Das OLG Celle (NJW 1951, 847) hat in dem Fall von einem Scheingeschäft gesprochen und Nichtigkeit des Vertrages angenommen, in dem zwei Strohmänner eine GmbH gegründet und ihre Geschäftsanteile noch am Tage der Gründung einem Dritten übertragen haben. Der BGH hat dieser Rechtssprechung ausdrücklich widersprochen (BB 1956, 1118). Er hat die Gründung durch Strohmänner ausdrücklich zugelassen, wenn diese die Gründung selbst wollen. Im Augenblick der Eintragung der Gesellschaft sind Gesellschafter vorhanden und die erforderliche Gründerzahl gegeben, da die Abtretung der Geschäftsanteile erst mit der Eintragung der Gesellschaft wirksam wird (BGH 21, 242). Lediglich, wenn vor der Eintragung ein Verstoß gegen das Gesetz oder die guten Sitten offenkundig ist, kann die Eintragung abgelehnt werden. Steuerrechtlich wird nicht der Strohmann, sondern dessen Auftraggeber als Erwerber der Aktien angesehen (RFH 14, 228). Diese Auslegung erfolgt jedoch aus rein steuerrechtlichen Erwägungen und ist daher für das Aktienrecht bedeutungslos. 3. Übernahme von Aktien Anm. 6: Die Gründer haben sämtliche Aktien zu übernehmen. Dies erfolgt durch die Übernahmeerklärung, die zusammen mit der Feststellung der Sat18

Gründerzahl

§2

Anm. 6—8

zung erfolgt (vgl. Anm. 3 und im einzelnen Anm. 19—22 zu § 23 und Anm. 2 zu § 29). 4. Einlageforderung Anm. 7: Die Verpflichtung des Gesellschafters zu Leistungen von Vermögenswerten erschöpft sich in der Einlage. Sie besteht auch nur der Gesellschaft gegenüber. Zur Einlage eignen sich nur Geld oder Güter mit Verkehrswert. Die Einlagen müssen wenigstens den Aktienwert erreichen (§ 9), brauchen aber nicht, auch nicht nur verhältnismäßig, gleich zu sein und auch nicht notwendig aus dem Vermögen des Aktionärs zu stammen, mindestens nicht unmittelbar, aber wohl auch nicht mittelbar. Über den möglichen Gegenstand der Einlage außer Geld siehe Anm. 11—14 zu § 27. Der Aktionär ist verpflichtet, diese Einlage einzuzahlen, da es erstes Ziel der Aktiengesellschaft sein muß, das gesamte Grundkapital voll zu erhalten. Um dies zu erreichen, sind in den Vorschriften über die Gründung, §§ 23 ff., eine Reihe von Sondervorschriften enthalten. Anm. 8: Die in der Rechtslehre und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Anspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär auf die Einlage abtretbar ist, spielt praktisch nur insofern eine Rolle, als die Abtretbarkeit Voraussetzung der Pfändbarkeit ist. Die Abtretbarkeit könnte aus zwei Gesichtspunkten unzulässig sein: aus a) § 399 BGB, wonach eine Forderung nicht abgetreten werden kann, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann; b) aus dem aktienrechtlichen Gesichtspunkt des § 66, nach dem die Aufbringung des Grundkapitals unter allen Umständen sichergestellt sein soll. Eine Veränderung des Inhalts der Leistung würde eintreten, wenn man sich auf den Standpunkt der älteren Rechtsprechung des Reichsgerichts stellen würde, daß die Fälligkeit der abgetretenen Einlageforderung nicht von der Aufforderung zur Einzahlung nach § 63 Absatz 1 abhängig sei. Die Rechtsprechung ist inzwischen überholt. Es liegt keine Veranlassung vor, aus der Abtretung allein eine Veränderung des Inhalts der Einlageforderung zu folgern. Nach wie vor wird die Forderung erst nach Einforderung der Einlage unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes gegenüber allen Aktionären fällig. Die Bestimmung des § 399 BGB steht der Abtretbarkeit also nicht entgegen. Wohl aber schränkt der in § 66 zum Ausdruck kommende Grundsatz die Abtretbarkeit praktisch erheblich ein. Es ist allgemeine Auffassung, daß sie nur dann zulässig ist, wenn die Gesellschaft als Gegenleistung ein vollwertiges Entgelt erhält (RG 133, 83; 135, 57; 156, 25; J W 1936, 445). Auch das gesamte Schrifttum hat sich dieser Auffassung angeschlossen (vgl. Großkomm. Fischer § 60 Anm. 21; Schl.-Qu. § 60 Anm. 3; B.-H. § 66 Rn. 7). 19

§§ 2/3

Allgemeine Vorschriften

Anm. 9/1,2 V. Verstoß Anm. 9: Sind an der Feststellung der Satzung nicht fünf Personen beteiligt, so darf nicht eingetragen werden, vgl. im einzelnen Vorbemerkungen vor § 23 Anm. 9.

§ 3 Die Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft Die Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Anm. 1: Die dem bisherigen Recht entsprechende Bestimmung besagt, daß die AG jeden gesetzlich nicht verbotenen Zweck verfolgen kann, nicht etwa nur ein Handelsgewerbe, also auch einen sozialen (Konsumverein), idealen (studentisches Verbindungshaus), oder auch einen wirtschaftlichen, der kein Handelsgewerbe voraussetzt (landwirtschaftlicher, bergbaulicher Betrieb, Hausbesitz oder -Verwaltung, Verwaltung von Beteiligungen, z. B. „Holding", Geschäftsstelle für Syndikat oder Interessengemeinschaft). Welchen Zweck sie auch betreiben mag, immer sind die Vorschriften der Vollkaufleute (§ 6 HGB) anzuwenden, und zwar von der Eintragung der AG in das Handelsregister ab (§ 41 Abs. 1 S. 1). Anm. 2: Daraus folgt, daß der Name der AG immer eine Firma ist ( § 1 7 HGB) und ferner folgende Bestimmungen auf sie Anwendung finden: § 22 HGB (Fortführung der Firma bei Erwerb des Handelsgeschäfts); §§ 38 ff. HGB (Handelsbücher), soweit nicht besondere Vorschriften bestehen; §§ 48 ff. HGB (Porkura); § 343 HGB (Begriff der Handelsgeschäfte) immer, obwohl er nach seinem Wortlaut ein Handelsgewerbe voraussetzt, da die Lebensbetätigungen einer AG nicht unterschieden werden können, wie die einer natürlichen Person, so daß ihre ganze Lebenstätigkeit die Ausübung eines Gewerbebetriebes darstellt, auch wenn sie keinen solchen hat, d. h., alle ihre Geschäfte sind Handelsgeschäfte; § 348 HGB (keine Herabsetzung der Vertragsstrafe); § 349 HGB (selbstschuldnerische Bürgschaft); §§ 352 bis 354 HGB (gesetzliche Zinsen); § 363 HGB (kaufmännische Orderpapiere); § 366 HGB (erweiterter Schutz des guten Glaubens); § 368 HGB (kürzere Frist bei Pfandverkauf); §§ 369 ff. HGB (kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht); 20

Firma

§§3/4 Anni. 2—5

§ 377 HGB (Mängelrüge); § 196 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB (Verjährung). Ansprüche gegen die Gesellschaft gem. § 196 Ziff. 1 BGB verjähren nicht in zwei, sondern in vier Jahren (§ 196 Abs. 2 BGB) (B.-H. Rn. 2; a. A. Sdil.-Qu. Anm. 3). § 59 HGB (Handlungsgehilfe). Betreibt sie ein eigentliches Handelsgewerbe, so findet § 59 direkt Anwendung. Es sind also alle die Angestellten Handlungsgehilfen, die Dienste leisten, die kaufmännische Vorbildung und Fähigkeit verlangen. Betreibt sie kein eigentliches Handelsgewerbe und ist nur kraft der Vorschrift des § 3 eine Handelsgesellschaft, so sind die als Handlungsgehilfen anzusehen, deren Fähigkeit den kaufmännischen Diensten entspricht, so bei einer Hausverwaltung der Buchhalter, nicht dagegen die sogenannten Gewerbegehilfen, wie der Bote oder die Schreibkraft. Anm. 3: Steuerrechtlich sind alle Einkünfte der AG nach den einschlägigen Bestimmungen der Steuergesetze gewerbliches Einkommen, so auch Einkünfte von Gesellschaften, deren ganzes Vermögen in einem einzigen Grundstück besteht (trotz § 1 Steueranpassungsgesetz, R F H 39, 211, auch für die Aufbringungspflicht R F H 23, 309 ff., insbesondere 345 u. 346). Dies gilt auch bei Aktiengesellschaften, die rein idealen Zwecken dienen, ferner bei Verwaltungs-(Holding)gesellschaften. Die frühere Ausnahme für Aktiengesellschaften, die im Besitz der öffentlichen Hand sind oder staatlich geförderte Zwecke erfüllen, ist durch das Steueranpassungsgesetz 1961 (BGBl I 981) wieder aufgehoben worden. Gem. § 56 Abs. 1 Ziffer 1 Bewertungsgesetz ist bestimmt, daß alle Gegenstände, die der AG gehören, deren Betriebsvermögen bilden. Anm. 4: § 3 gilt auch für die nach § 44 eingetragenen Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften. Im übrigen sind die Folgerungen aus § 3 auf Rechtsverhältnisse für ausländische Aktiengesellschaften nur anwendbar, insoweit auf diese Rechtsverhältnisse nach deutschem internationalen Privatrecht das Deutsche Recht anwendbar ist. Anm. f : Die Bestimmung des § 3 greift jedoch nicht in alle Rechtsgebiete ein. So gilt z. B. eine AG im Sinne der Gewerbeordnung nur dann als gewerbetreibend, wenn sie auch tatsächlich ein Gewerbe betreibt. § 4 Firma (1) Die Firma der Aktiengesellschaft ist in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen. Sie muß die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" enthalten. 21

§ 4

Anm. 1—3

Allgemeine Vorschriften

(2) Führt die Aktiengesellschaft die Firma eines auf sie übergegangenen Handelsgeschäfts fort (§ 22 des Handelsgesetzbuchs), so muß sie die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" in die Firma aufnehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Firma 1. Notwendiger Bestandteil der Satzung (Anm. 2) 2. Schutz (Anm. 3) 3. Unterscheidungskraft (Anm. 4) 4. Sachfirmen (Anm. 5)

5. Zusatz „Aktiengesellschaft" (Anm. 6) 6. Firmenänderung (Anm. 7) III. Übernahme eines Handelsgeschäftes (Anm. 8) IV. Veräußerung und Verpachtung (Anm. 9) V. Unzulässige Firma (Anm. 10)

I. Obersidit Anm. 1: Die Vorschrift hat gegenüber dem früheren § 4 AktG 37 in Absatz 2 insofern eine Änderung erfahren, als nicht mehr von einem von der AG „erworbenen", sondern von einem auf sie „übergegangenen" Handelsgeschäft die Rede ist. Damit ist der Wortlaut des Gesetzes lediglich der Rechtslage angepaßt worden, ohne daß eine rechtliche Änderung herbeigeführt worden wäre, da auch der alte § 4 AktG 37 durch die Verweisung auf § 22 H G B nicht nur den Erwerb, sondern auch die Übernahme eines Handelsgeschäftes mit umfaßt hat. II. Firma 1. Notwendiger Bestandteil der Satzung Anm. 2: Die Firma ist notwendiger Bestandteil der Satzung (§ 23 III Nr. 1), kann also nur durch Satzungsänderung geändert werden. Sie ist der Name der AG schlechthin, nicht nur wie beim natürlichen Kaufmann der Name, unter dem er „im Handel seine Geschäfte betreibt und seine Unterschrift abgibt" ( § 1 7 HGB). Deshalb kann die AG für alle Unternehmungen und Niederlassungen nur eine Firma haben, doch sind Zusätze zur Unterscheidung statthaft. Stets muß die Firma die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" enthalten. Nach Artikel 22 Einführungsgesetz zum HGB können jedoch auch heute noch die vor Inkrafttreten des HGB eingetragenen Gesellschaften die nach damaligem Recht zulässigen Firmenbezeichnungen beibehalten. 2. Schutz Anm. 3: Aus der Anführung des § 22 HGB durch Absatz 2 ergibt sich, daß die Finnenvorschriften des HGB auch für die Aktiengesellschaft gelten. Die Firma wird nicht nur durch § 30 HGB, sondern gegen Verwechslungsgefahr auch durch § 16 UWG geschützt (Prioritätsgrundsatz), ferner durch die §§ 1, 3, 4 UWG (täuschende Nachahmung) sowie durch § 12 BGB (Na22

Firma

§4

Anm. 3—5

mensschutz). Nach diesen Bestimmungen ist Unterlassungsklage, bei Verschulden des Verletzers Schadenersatzklage gegeben. Über die Firma der Zweigniederlassung siehe Anm. 4 zu § 42. 3. Unterscheidungskraft Anm. 4: Als Name muß die Firma Unterscheidungskraft haben, nicht nur im Sinne des § 30 HGB, wonach sie sich von allen an demselben Ort bereits bestehenden und eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden muß, sondern sie muß auch, obwohl dem Gegenstand entnommen, doch eine eigentümliche Namensbezeidinung sein (KGJ 37, 172). Unter Umständen ist dies schon durch Verbindung mit einem Ortsnamen möglich, nicht aber durch den Zusatz „Aktiengesellschaft" allein (RG 133, 318 und 325). Kein Bestandteil der Firma, am wenigstens der dem Gegenstand des Unternehmens entnommene, darf zu einer Täuschung geeignet sein (§ 18 Abs. 2 HGB, §§ 1, 3, 4 UWG). „Fabrik", „Werk" oder gar „Fabriken", „Werke", ferner „Industrie", „Zentrale", „Haus" erwecken die Vorstellung großer Betriebe, die sich heute jedenfalls nicht ohne weiteres schon aus dem Mindestgrundkapital der AG nach § 7 von 100 000,— DM ergeben. Erstere Bezeichnungen sind außerdem nur für Erzeugnisstätten, nicht für Handelsbetriebe erlaubt. Auch die Zusätze „Deutsch", „Europäisch" gelten nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht mehr als farblos. Es entscheidet vielmehr die Stellung des Unternehmens innerhalb der Gesamtwirtschaft und seiner Bedeutung für diese, nicht so sehr sein Umfang, sein Personal oder die Herkunft seines Materials, als die Unterscheidung von ausländischen Unternehmungen gleicher Art. Wird die Firma nachträglich wegen veränderter Verhältnisse oder Verkehrsauffassung irreführend, so ist sie nach § 142 FGG von Amts wegen zu lösdien, wenn sie nicht geändert wird. Besonderen Schutz genießen nach §§ 39—43 des Kreditwesengesetzes vom 10. 7. 61 die Bezeichnungen „Bank" und „Sparkasse", welche nur unter den daselbst angeführten Voraussetzungen geführt werden dürfen. 4. Sach firmen Anm. 5: Die Firma soll dem Gegenstand des Unternehmens entnommen werden, also eine Sachfirma sein. Danach muß sie deutsch, zumindest aber für Deutsche verständlich sein. Die Meinung, daß sie nicht deutsch zu sein braucht, kann nur für Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften als richtig anerkannt werden. Nach der von der herrschenden Ansicht mißbilligten Rechtsprechung des Reichsgerichts, welche Sachfirmen wie „Kosmopharm" (kosmotechnisch-pharmazeutisch) und „Aeriola" zuläßt, ist auch die Sachfirma nur Unterscheidungszeichen und nicht bestimmt, über den Gegenstand aufzuklären. Die Vorschrift, daß die Firma in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens entnommen sein soll, entspricht zwar Denkgesetzen, weil es an einem 23

§4 Anm. 5,6

Allgemeine Vorschriften

physischen Inhaber fehlt, auf den ein Personenname hinweisen würde, schließt aber nicht aus, daß die Firma daneben auch Bestandteile enthält, welche Personennamen oder Phantasieworte sind. Durch Artikel 22 des E G zum H G B ist es sogar möglich, daß die Firma ausschließlich aus einem Personennamen besteht, wobei allerdings dann der Zusatz „Aktiengesellschaft" erforderlich ist. Ausschließlich aus einem Phantasiewort darf die Firma dann bestehen, wenn dieses Wort zugleich der wahre Name für das Fabrikat der AG ist und sich dieser schon durchgesetzt hat (Schl.-Qu. § 4 Anm. 4; MeyerLandrut in Großkomm. § 4 Anm. 2; speziell für Warenzeichen Wessel in N J W 68, 733). Phantasieworte mit der für die Aktiengesellschaft üblich gewordenen Abkürzung „AG" am Ende (INDROHAG) sind nach § 18 Abs. 2 HGB unzulässig auch als Zusatz, wenn sie eine Firma bezeichnen soll, die nicht AG ist (BGH 22, 88 bis 90). Es spielt hierbei keine Rolle, daß aus der Gesamtheit der Firma zu erkennen ist, daß es sich nicht um eine AG handelt, (INDROHAG, Industrie-Rohstoffe Handlungsgesellschaft mit beschränkter Haftung). Die Firma der AG muß wie die nach § 17 HGB Kennzeichnungskraft haben. Daher sind Firmen wie „Transportbeton Aktiengesellschaft" (OLG Hamm in N J W 61, 2018) oder „Mineralöl-Vertrieb Aktiengesellschaft" (LG Hannover in BB 69, Beilage 10, 14) unzulässig. In der Firma darf keine Täuschung liegen, z. B. über die Größe des Unternehmens mit der Bezeichnung „Werk". Diese ist nur Großunternehmen der Industrie vorbehalten (vgl. OLG Frankfurt in BB 65, 803; OLG Hamm in BB 68, 311; Wessel in BB 69, 1195 in einer Anmerkung zu der zu Recht abgelehnten Entscheidung des OLG Stuttgart). Nur in Ausnahmefällen ist eine reine Personenfirma zulässig. Hierzu muß ein besonderes Interesse vorliegen. § 24 II HGB ist dann nicht anwendbar (vgl. B G H in BB 69,1410). Ein Anspruch auf ein bestimmtes Schriftbild bei der Eintragung der Firma im Handelsregister besteht grundsätzlich nicht (vgl. OLG Karlsruhe in N J W 70, 1379; Bay. ObLG in N J W 68, 364). Die Schreibweise liegt vielmehr im Bereich der Ermessensentscheidung des Registergerichtes. 5. Zusatz

„Aktiengesellschafl"

Anm. 6: Die Firma muß die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" enthalten, und zwar nach Absatz 2 auch im Falle des § 22 HGB. Der Zusatz muß im allgemeinen ausgeschrieben sein, doch hat sich im Verkehr die Abkürzung „AG" durchgesetzt (vgl. B.-H. Rn. 7). Unzulässig ist zum Beispiel „Aktienbrauerei", zulässig „Berliner Droschken Aktiengesellschaft" ( R J A 11, 25; K G J 41 A 263; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 3 zu § 4). Eine Sachfirma, die von einer am 1. Januar 1900 bestanden habenden AG aufgrund § 22 EGHGB ohne Zusatz „Aktiengesellschaft" geführt werden kann, kann ohne 24

Firma

§4

Anm. 6—8

diesen bestehen bleiben, auch wenn unwesentliche Firmenbestandteile geändert werden (KG JW 38, 1171) oder die Firma eines übernommenen Unternehmens fortgeführt wird. 6. Firmenänderung Anm. 7: Die Änderung oder Erweiterung des Gegenstandes der AG erfordert nicht ohne weiteres die Firmenänderung (allgemeine Ansicht). Nur wenn wettbewerbsrechtliche Bestimmungen eine Änderung verlangen oder eine Täuschung über die Art der Geschäfte vorliegt, muß auch die Firma geändert werden. Wird eine Firma geändert, muß sie den Anforderungen an eine neue Firma entsprechen (KG JW 1937, 47 Nr. 32), auch wenn sie bisher zulässigerweise keine Sachfirma gewesen war. Änderung der Firma ist Satzungsänderung, bedarf also eines Hauptversammlungsbeschlusses (§ 179 Abs. 1) mit der dazu erforderlichen Mehrheit (§ 179 Abs. 2 und 3) und der Eintragung ins Handelsregister (§ 181). Wenn es die Übersichtlichkeit erfordert, ist ein neues Registerblatt anzulegen, auf welches die AG mit allen noch gültigen Eintragungen unter der neuen Firma einzutragen ist; dabei ist jeweils auf das andere Blatt zu verweisen ( § 1 3 III Handelsregisterverfügung vom 12. 8. 1937). Zusätze bei der Firma einer Zweigniederlassung bedürfen keiner Satzungsänderung und können vom Vorstand vorgenommen werden. III. Übernahme eines Handelsgeschäftes Anm. 8: Bei Übernahme eines Handelsgeschäftes ist die Fortführung der bisherigen Firma statthaft, auch wenn die bisherige Firma des übernommenen Geschäftes keine Sachfirma ist. Es genügt auch in diesem Fall der Zusatz „Aktiengesellschaft", wenn es sich um das einzige Unternehmen der AG handelt, sei es, daß sie zwecks Übernahme des Geschäftes gegründet worden ist oder daß sie es mit ihrem bestehenden Unternehmen vereinigt und ihre Firma durch Satzungsänderung ändert. Dagegen kann sie die übernommene Firma, wenn sie diese nur für eine von mehreren Unternehmungen oder Zweigniederlassungen fortführt, im übrigen aber ihre bisherige Firma weiterführen will, nur als Zusatz zur letzteren (ohne Satzungsänderung) bei der Zweigniederlassung annehmen. Es muß erkennbar bleiben, daß es sich um die Zweigniederlassung einer AG handelt und welche Firma diese führt (RG 113, 213). Eine wesentliche Veränderung der fortzuführenden Firma ist nicht statthaft, es sei denn, daß die AG die veränderte Firma auch als ursprüngliche führen könnte. Wird zunächst die eigene Firma beibehalten, so kann die erworbene auch noch nach einiger (Dresden Z H R 37, 350), immerhin begrenzter Zeit angenommen werden, aber nicht mehr, wenn schon eine neue Firma angemeldet ist. Die Fortführung der erworbenen Firma bringt die unbeschränkte Haftung für die Schulden des übernommenen Geschäftes mit sich 25

§§4/5 Anm. 8—10

Allgemeine Vorschriften

(§ 25 HGB). Ohne Fortführung der Firma gilt § 419 BGB. Sämtliche vorstehende Grundsätze gelten auch im Falle einer Pacht oder Verpachtung eines Unternehmens, die wie der Erwerb bzw. die Veräußerung zu behandeln sind. IV. Veräußerung und Verpachtung Anm. 9: Veräußert oder verpachtet die AG ihr Unternehmen und gestattet sie dem Erwerber oder Pächter die Fortführung ihrer bisherigen Firma, so muß sie, um ihm dies zu ermöglichen, durch Satzungsänderung eine neue Firma annehmen und ist gegenüber dem Vertragsgegner dazu verpflichtet. V. Unzulässige Firma Anm. 10: Die Eintragung einer unzulässigen Firma ist vom Registergericht abzulehnen. Bei trotzdem erfolgter Eintragung kann auf folgenden Wegen dagegen vorgegangen werden: Die Gesellschaft kann aufgefordert werden, durch Satzungsänderung den Mangel zu beheben; mit den Vorschriften wegen Firmenmißbrauchs gemäß § 37 HGB; schließlich kann die Gesellschaft nach § 142 FGG von Amts wegen gelöscht werden. Das gleiche gilt, wenn die Firma nachträglich unzulässig wird. Eine Nichtigkeitsklage nach § 275 und ein Amtslöschungsverfahren nach § 144 FGG sind nicht mehr möglich. Das Nichtigkeitsrecht der AG ist durch das Gesetz zur Durchführung der ersten Richtlinien des Rates der europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BGBl 1969 I, 1146) mit Wirkung vom 1. 9. 1969 erheblich geändert worden. Die Unzulässigkeit der Firma zählt danach nicht mehr zu den Nichtigkeiten des § 275. Ein Auflösungsverfahren kann nach § 114 a FGG vom Registergericht eingeleitet werden in Verbindung mit den neu geschaffenen §§ 262 I Nr. 5, 289 II Nr. 2 (vgl. zu Vereinbarung dieser Bestimmungen mit den Richtlinien Einmahl in Die AktGes. 69, 210 ff.). § 5 Sitz (1) Sitz der Gesellschaft ist der Ort, den die Satzung bestimmt. (2) Die Satzung hat als Sitz in der Regel den Ort, wo die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort zu bestimmen, wo sidi die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. I. Übersicht (Anm. 1) II. Begriffsbestimmung 1. Allgemeine Regel (Anm. 2) 2. Ausnahmen (Anm. 3) 26

III. Doppelsitz (Anm. 4) IV. Ausländische Gesellschaften (Anm. 5) V. Rechtswirkung des Sitzes (Anm. 6) VI. Sitzverlegung (Anm. 7)

Sitz

§5

Anm. 1—3 I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist sprachlich geändert worden, damit klargestellt ist, daß der in der Satzung festgelegte Sitz maßgebend ist, wenn er nicht mit dem tatsächlichen Sitz übereinstimmt. Daß der Sitz in der Satzung festgelegt sein muß, ergab sich schon aus § 16 III AktG 1937 — heute § 23 III. II. Begriffsbestimmung 1. Allgemeine Regel Anm. 2: Sitz ist der von der Satzung unter Beachtung der vorliegenden Vorschriften bestimmte Ort. Das Gesetz geht von der häufigen Erscheinung aus, daß der gewerbliche Betrieb sich an einem anderen Ort befindet als der kaufmännische und die Geschäftsleitung, ja daß sogar diese an einem Ort ist, wo weder ein gewerblicher noch ein kaufmännischer Betrieb ist. Nicht selten auch — bei ganz großen Unternehmungen — befindet sich ein vielköpfiger Vorstand verstreut an mehreren Orten. Das Gesetz stellt alle diese Orte zur Wahl. Notwendigerweise bestimmt die Wahl gleichzeitig die Hauptniederlassung. An dem Sitz muß sich a) entweder ein Betrieb der Gesellschaft befinden, ein gewerblicher oder ein kaufmännischer, wenn Fabrikation und Geschäftsverkehr an getrennten Orten ausgeübt werden, oder einer von mehreren gewerblichen oder mehreren kaufmännischen Betrieben, aber nicht nur eine Betriebsstätte, welches der weiteste Begriff ist und auch bloße Warenlager und dergleichen mit umfaßt; b) oder die Geschäftsleitung oder Verwaltung befinden. Die Bestimmung stammt aus dem Steueranpassungsgesetz (§ 15 III). Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung; Verwaltung wird meist dasselbe sein. Da aber die AG nicht notwendig einen gewerblichen oder kaufmännischen Zweck haben muß (siehe Anm. 1 zu § 3), gibt es auch Gesellschaften, die keine Geschäftsleitung, sondern eine Verwaltung haben. 2. Ausnahmen Anm. 3: Vorstehendes gilt nur in der Regel. Ausnahmen davon kann das Registergericht zulassen, indem es aufgrund pflichtmäßiger Erwägung einen davon abweichenden Sitz einträgt. Es dürfte sonach bei schon eingetragenen Gesellschaften, auch wenn die Bestimmung der Satzung über den Sitz der Vorschrift des § 5 nicht entspricht, nicht erst Heilung des Mangels durch Satzungsänderungsbeschluß nach § 276 notwendig sein, wohl aber bleibt es dem Registerrichter unbenommen, der AG nach § 144 a FGG eine Frist zu setzen, um den Mangel durch Satzungsänderung zu beseitigen und nach 27

§5

Anm. 3 , 4

Allgemeine Vorschriften

fruchtlosem Ablauf der Frist ein Auflösungsverfahren einzuleiten (vgl. § 4 Anm. 10). Dasselbe gilt, wenn am ursprünglichen Sitz die Sitzvoraussetzung wegfällt. Das Registergericht kann die Bewilligung der Ausnahme unter gleichgebliebenen Verhältnissen nicht zurücknehmen. Heilung des Mangels kann, wenn gegen § 5 verstoßen wird, demnach auch durch Duldung des Registerrichters eintreten, doch kann dieser bei nur versehentlicher Eintragung nach §§ 144 I I I , 142 II FGG vorgehen. III. Doppelsitz Anm. 4: Bis 1945 war es einhellige Ansicht, daß eine AG begriffsnotwendig nur einen Sitz haben könne. Die Teilung Deutschlands und die politische Sonderstellung West-Berlins haben die Frage der Zulässigkeit der Begründung eines zweiten Sitzes aufkommen lassen (Bernau in N J W 1949, 86; Consbruch in N J W 1949, 375; Springer N J W 1949, 561; W. Schmidt in J R 1949, 208; Geßler in S J Z 1949, 342). Gegen die Zulässigkeit haben sich manche auf verschiedene Bestimmungen des Aktiengesetzes berufen (§§ 5, 14, 23, 36, 45, 245 Abs. 3). Dies ist nicht stichhaltig. In diesen Bestimmungen wird der Sitz zwar lediglich im Singular verwandt, dies kann jedoch nicht gegen die Zulässigkeit eines Doppelsitzes sprechen, da auf die Bestimmungen über den Wohnsitz natürlicher Personen nur von „dem" Wohnsitz sprechen, mehrere Wohnsitze aber zulässig sind. Die analoge Anwendung der Wohnsitzbestimmungen auf juristische Personen ergibt sich bereits aus den Protokollen zum BGB (vgl. auch Bernau in BB 49, 89; Kölner Kommentar Anm. 12). Audi die sich evtl. aus einer Zulässigkeit ergebenden Schwierigkeiten können nicht als Argument angeführt werden, insbesondere, da die Rechtsprechung diese Schwierigkeiten einer Lösung zugeführt hat (vgl. OLG Stuttgart in N J W 53, 748; Bay. ObLG in BB 62, 497 = Die AktGes 62, 280 = N J W 62, 101). Eine abschließende Regelung hinsichtlich des Doppelsitzes enthält das Gesetz nicht, so daß auch § 23 V 2 AktGes. nicht gegen die Zulässigkeit spricht. Die neuerlich aufgestellte Behauptung (vgl. Kölner Kommentar Anm. 12), es entstünde in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck, es würden zwei verschiedene Gesellschaften bestehen, leuchtet nicht ein. Die Gesellschaft kann insbesondere nach § 80 nur als eine Gesellschaft mit zwei Sitzorten auftreten, so daß ein derartiger Eindruck in der Öffentlichkeit gar nicht entstehen kann. Von der herrschenden Lehre ist daher in den Fällen die Errichtung eines zweiten Sitzes zugelassen, in denen durch die Teilung Deutschlands eine besondere Notlage entstanden ist (AG Bonn in BB 1948, 462; AG Heidelberg in S J Z 1949, 342; LG Köln in N J W 1950, 352; AG München in Versicherungswirtschaft 1948, 380; AG Hamburg und Wuppertal in Versicherungswirt28

Sitz

§5 Anm. 4,5

sdiäft 1949, 210; B.-H. Rn 3; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 5 a; Haberlandt in Möhring-Schwartz, S. 20). Die Begrenzung auf die sich aus der Teilung Deutschlands ergebende Notlage ist nicht gerechtfertigt. Die amtliche Begründung läßt einen Doppelsitz bei Vorliegen eines Ausnahmezustandes zu, ohne diesen Begriff näher zu definieren. Es ist oben festgestellt worden, daß es ein Verbot eines Doppelsitzes nicht gibt. Es ist auch keine Bestimmung zu erkennen, die das Vorliegen eines Ausnahmezustandes zur Voraussetzung zur Begründung eines Doppelsitzes macht. Der Doppelsitz muß daher als allgemein zulässig angesehen werden. Da er Kosten und Schwierigkeiten für die betreifende Gesellschaft mit sidi bringt, wird er die Ausnahme bleiben. Der Gesetzgeber selbst hat die Tatsache des Bestehens von Doppelsitzen schon mehrfach berücksiditigt: § 5 der 3. DVO, § 2 der 35. DVO, § 1 der 43. DVO zum UmStG; § 62 des Wertpapierbereinigungsgesetzes; § 5 DMBilErgG; § DMBilG Berlin. Die Anerkennung einer doppelten Staatsangehörigkeit ergibt sich aus Artikel 84 Anlage 29 des Saarstaatsvertrages vom 27. 10. 1956 (BGBl II, 1589 ff.; vgl. hierzu Bärmann in NJW 57, 613 ff.). Die Errichtung eines zweiten Sitzes hat zur Folge, daß zwei Registergerichte federführend sind. Sämtliche Eintragungsanträge müssen an beide Gerichte gerichtet werden; von beiden Gerichten müssen den Handelsregistern der Zweigniederlassungen Eintragungsnachrichten zugehen. Beide Gerichte haben daher gleiche Rechte. Jedes kann selbständig die Erfüllung handelsrechtlicher Verpflichtungen überwachen (Bayerisches oberstes Landesgeridit, a. a. O.; OLG Stuttgart in NJW 53, 748). IV. Ausländische Gesellschaften Anm. 5: Ausländische AG ist AG mit dem Sitz im Ausland. Ob sie AG im Sinne des deutschen Rechts ist, bestimmt sich nadi diesem insofern, als zwar bei ihrer Gründung nicht die deutschen Vorschriften beachtet worden sein müssen (5 44), als sie aber doch nach ausländischem Recht diejenigen Merkmale aufweisen muß, welche nach deutschem Recht einer AG wesenseigentümlich sind. Demnach ist eigene Rechtspersönlichkeit, geschlossene Zahl der Beteiligungen, deren Selbständigkeit notwendig (vgl. Anm. 15 zu § 1). Nicht erforderlich ist Ausschluß der Haftung der Gesellschafter (Anm. 17 zu § 1), ein Nennbetrag der Beteiligung, ebenso nicht ein Grundkapital im Sinne des deutschen Rechts. Auch ausländische Gesellschaften mit nennwertlosen Anteilscheinen können AG sein. Wo eine derartige Gesellschaft im Ausland ihren Sitz, also auch ihren Heimatstaat hat, bestimmt sich dagegen ausschließlich nach ausländischem Recht. Regelmäßig wird die Satzung maßgebend sein. Würde aber eine solche AG mit satzungsmäßigem Sitz im Ausland nur diesen 29

§§5/6 Anm. 5—7/1,2

Allgemeine Vorschriften

im Ausland, dagegen dort gar keinen Betrieb, sondern Betriebe nur im Inland haben, so würde nach § 5 weder die streitigen Gerichte sie anerkennen können, noch könnten die inländischen Betriebe als Zweigniederlassungen gem. § 44 eingetragen werden (vgl. dort). V. Rechtswirkung des Sitzes Anm. 6: Durch den Sitz wird bestimmt: die Zuständigkeit des Registergerichts (§ 14) und der allgemeine Gerichtsstand (§17 ZPO, vgl. hierzu O G H Köln DRZ 49, 469 = MDR 49, 615), woneben besonders der Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung (§ 21 ZPO), sofern er nicht mit ersterem zusammenfällt, also für Zweigniederlassungen Bedeutung hat und die Satzung einen Gerichtsstand wählen kann (§17 III ZPO). Der Sitz ist nach deutscher Sitztheorie auch entscheidend für die Staatszugehörigkeit (Personalstatut) einer AG und neben der Geschäftsleitung für die Steuerpflicht (§ 1 Körperschaftsteuergesetz) im Inland. VI. Sitzverlegung Anm. 7: Über Sitzverlegung siehe § 45. Über die Frage des Sitzes einer in der Ostzone enteigneten AG, die Vermögen in Westdeutschland oder West-Berlin hatte, vgl. § 45 Anm. 6. § 6 Grundkapital Das Grundkapital und die Aktien müssen auf einen Nennbetrag in Deutsdier Mark lauten. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Aktien und Grundkapital 1. Nennbetrag (Anm. 3)

2. Ausnahmen (Anm. 4) 3. Aktienrecht und Aktienurkunde (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt mit dem alten § 6 II im wesentlichen überein. Absatz 1 ist nicht mehr aufgenommen worden, da bereits im § 1 II normiert ist, daß die AG ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat. Anm. 2: Der Gesetzgeber hat daran festgehalten, daß es auch im neuen Recht nur Aktien geben kann, die auf einen Nennbetrag in DM lauten. Die Versuche, neben diesen die nennwertlose Aktie oder Stückeaktien einzuführen und den einzelnen Gesellschaften die Wahl zwischen den beiden Aktienarten zu überlassen, ist gescheitert trotz der sehr eingehenden Arbeit der Professoren Jahr und Stützel, die vollständige Gesetzentwürfe für die Einführung 30

Grundkapital

§6

Anm. 2,3

der Aktienart vorgesehen haben (Aktien ohne Nennbetrag). Die Arbeit hat jedenfalls gezeigt, daß es möglich ist, unter Beibehaltung der für das deutsche Aktienrecht wichtigen Haftungsfunktionen des Grundkapitals eine echte nennwertlose Aktie zu schaffen (siehe auch Coing-Kronstein, Die nennwertlose Aktie als Rechtsproblem). Bei dieser wäre allerdings der falsche Bezug der Aktien auf das Grundkapital beseitigt worden. Damit hätte man nicht nur eine saubere rechtliche Konstruktion schaffen können, es wäre audi das wirtschaftspolitische Ergebnis erreicht worden, die irreführenden Vergleiche hinsichtlich der Höhe der Kurse und der Dividende unmöglich zu machen. Da die nennwertlose Aktie den Vorteil hat, daß sie leichter als die Nennbetragsaktie zerlegt werden kann, ist sie für die Erreichung des weiteren wirtschaftspolitischen Ziels, das der Gesetzgeber sich gesetzt hat, nämlich breite Streuung der Aktien, besonders geeignet. Die Mehrheit in den Ausschüssen hat sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, daß ein Nebeneinander beider Aktientypen zu einer Verwirrung des Publikums führen könne. Man wird die Weiterentwicklung nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch im Ausland in dieser Richtung beobachten müssen (Kompromißvorschläge de lege ferenda im Interesse der Harmonisierung des EWG-Re erforderlich. Die Minderheitsrechte sind im neuen Gesetz unterschiedlich neu geregelt. Bei den einzelnen in Frage kommenden Gesetzesstellen wird das von uns jeweils hervorgehoben. c) Der Widerspruch der Minderheit muß zur Niederschrift erklärt werden. Damit ist diese nach § 43 AktG 37 bestehende Streitfrage geklärt worden. Anm. 2: Ein Verzicht auf Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gründer, die sogenannten Gründergenossen des § 47 und die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats aufgrund des § 48 und ein Vergleich über solche ist nichtig, wenn er vor Ablauf von 3 Jahren seit der Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister erklärt wird. Maßgebender Zeitpunkt für die Dreijahresfrist ist der Abschluß der Vereinbarung, nicht etwa die Zustimmung der Hauptversammlung. Deshalb ist es nicht möglich, die Vereinbarung mit dem Vorbehalt zu treffen, daß die Zustimmung der Hauptversammlung nach Ablauf von 3 Jahren eingeholt werden solle. Eine solche Vereinbarung bleibt nichtig, auch wenn die Zustimmung tatsächlich nach Ablauf von 3 Jahren durch die Hauptversammlung erteilt wird (RG 133, 33). Zulässig ist, daß ein Großaktionär die Gewähr dafür übernimmt, daß keine Ansprüche aus der Gründung erhoben werden. Geschieht dies in untrennbarem Zusammenhang mit einem mit der Gesellschaft vor Ablauf von 3 Jahren geschlossenen Vergleich, ist § 139 BGB zu beachten. II. Verzicht Anm. 3: Verzicht im Sinne der Vorschrift und der vorstehenden Ausführungen ist der Erlaß des § 397 BGB. Auch Stundung fällt unter die Bestimmung. Über Versäumnisurteil siehe Anm. 5. Für ein Tatsadiengeständnis gilt die Vorschrift nicht. Ein negatives Anerkenntnis kann unter die Vorschrift fallen, wenn es einen Verzicht auf einen nicht offenbar unbegründeten Anspruch darstellt. Dagegen muß die Gesellschaft anerkennen können, daß ein offenbar unbegründeter Anspruch nicht besteht. III. Vergleich Anm. 4: Der Begriff Vergleich ergibt sich aus § 779 BGB. Ein Vergleich wird regelmäßig auch Ansprüche umfassen, die etwa von der Gesellschaft nach allgemeiner Bestimmung gegen den Vergleichspartner hergeleitet werden könnten. Die Nichtigkeit des Vergleiches wird meist nach § 139 BGB auch den Vergleich über letztere erfassen. 262

Verzicht und Vergleich

§50 Anm. 5—7

IV. Verfügungsmadit über den Anspruch Anm. 5: Wie vor Ablauf von 3 Jahren die unbeschränkte Vertretungsmacht nicht ausreicht, um den verbotenen Erlaß oder Vergleich zu vereinbaren, so bedeutet das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung nach Ablauf der 3 Jahre gleichfalls eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes, die nach außen gilt. Auch in einem Rechtsstreit gilt diese Beschränkung der Vertretungsmacht, wenn es sich nicht um reine Prozeßhandlungen, sondern zugleich auch um ein privatrechtliches Rechtsgeschäft handelt, wie Vergleich und Verzicht. Liegt aber eine reine Prozeßhandlung vor, läßt z. B. der Vorstand durch Anweisung an seinen Prozeßbevollmächtigten Versäumnisurteil ergehen, so kommt nur eine Haftung aus allgemeinen Gesichtspunkten des Vorstands in Frage. Die allgemeinen Wirkungen der Prozeßhandlung treten ein. Unzulässig ist auch die Abtretung des Anspruchs, wenn die Gesellschaft nicht einen entsprechenden Gegenwert erhält, oder die Annahme einer Sachleistung an Erfüllungs Statt, weil darin eine Umgehung des § 50 insofern gesehen werden muß, als die Gesellschaft dadurch an der jederzeitigen Geltendmachung der Ansprüche gehindert wird (RG 133, 38). V. Widerspruchsrecht Anm. 6: Neben der Zustimmung der Hauptversammlung muß noch eine weitere Voraussetzung erfüllt sein: Es darf keine Minderheit, deren Aktien zusammen ein Zehntel des Grundkapitals darstellen, widersprochen haben. Auf die Vollzahlung kommt es nicht an, vielmehr werden nicht vollbezahlte Aktien der Widersprechenden ganz mitgezählt. Stimmhäufungsverbote nach § 134 haben keine Geltung. Zum Widerspruch berechtigen auch stimmrechtslose Aktien. Ein Widerspruch ist zur Niederschrift zu erklären. VI. Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Anm. 7: Wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist oder einen allgemeinen Vergleich mit seinen Gläubigern schließt, so kann die Gesellschaft auch vor Ablauf von 3 Jahren auf den Anspruch verzichten oder sich darüber vergleichen (Barz in Großkomm. Anm. 18; B.-H. Rn. 6). Auch dann muß aber die Hauptversammlung zustimmen und es darf keine Minderheit widersprechen (h. L.; a. A. Barz in Großkomm. Anm. 18). Dagegen ist umgekehrt der Konkursverwalter der AG an die Zustimmung der Hauptversammlung nicht gebunden. 263

§§51/52

Gründung der Gesellschaft

§ 51 Verjährung der Ersatzansprüche Ersatzansprüche der Gesellschaft nach den §§ 46 bis 49 verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. Für die Verjährung der Ansprüche aus §§46 bis 49 gilt die allgemeine Vorschrift des § 198 BGB nur dann, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung nach Eintragung der Gesellschaft begangen worden ist. Sonst beginnt die Verjährung nach der positiven gesetzlichen Bestimmung erst mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Im übrigen finden aber die allgemeinen Verjährungsvorschriften Anwendung, so diejenigen über Hemmung und Unterbrechung der Verjährung. Ansprüche aus anderem Rechtsgrund (s. Vorbemerkungen zu §§ 46 bis 49) als dem der §§ 46—49 verjähren nach allgemeinen Grundsätzen (z. B. § 852 BGB). Die Vorschrift des § 51 geht dem § 852 BGB und anderen speziellen Verjährungsvorschriften nicht vor (a. A. Barz in Großkomm. Anm. 2). Wenn eine Haftung auch aus unerlaubter Handlung besteht, so kann dieser Anspruch im Zeitraum der hierfür geltenden Verjährungsfrist geltend gemacht werden. Bei dieser Ansicht ist eine umständliche Auslegung und, Ausdehnung des § 51, wie es Barz (a. a. O.) tut, überflüssig.

§ 52 Nachgründung (1) Verträge der Gesellschaft, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, und die in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden, werden nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und durch Eintragung in das Handelsregister wirksam. Ohne die Zustimmung der Hauptversammlung oder die Eintragung im Handelsregister sind auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung unwirksam. (2) Ein Vertrag nach Absatz 1 bedarf der schriftlichen Form, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist. Er ist von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung beschließen soll, in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift zu erteilen. In der Hauptversammlung ist der Vertrag auszulegen. Der Vorstand hat ihn 264

Nadigründung

§52

zu Beginn der Verhandlung zu erläutern. Der Niederschrift ist er als Anlage beizufügen. (3) Vor der Beschlußfassung der Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat den Vertrag zu prüfen und einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Nachgründungsbericht). Für den Nachgründungsbericht gilt sinngemäß § 32 Abs. 2 und 3 über den Gründungsbericht. (4) Außerdem hat vor der Beschlußfassung eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer stattzufinden. § 33 Abs. 3 bis 5, §§ 34, 35 über die Gründungsprüfung gelten sinngemäß. (5) Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Wird der Vertrag im ersten Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so müssen außerdem die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen. Die Satzung kann an Stelle dieser Mehrheiten größere Kapitalmehrheiten und weitere Erfordernisse bestimmen. (6) Nach Zustimmung der Hauptversammlung hat der Vorstand den Vertrag zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung ist der Vertrag in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift mit dem Nachgründungsberidit und dem Bericht der Gründungsprüfer mit den urkundlichen Unterlagen beizufügen. (7) Bestehen gegen die Eintragung Bedenken, weil die Gründungsprüfer erklären oder weil es offensichtlich ist, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder daß die für die zu erwerbenden Vermögensgegenstände gewährte Vergütung unangemessen hoch ist, so kann das Gericht die Eintragung ablehnen. (8) Bei der Eintragung genügt die Bezugnahme auf die eingereichten Urkunden. In die Bekanntmachung der Eintragung sind aufzunehmen der Tag des Vertragsabschlusses und der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der zu erwerbende Vermögensgegenstand, die Person, von der die Gesellschaft ihn erwirbt, und die zu gewährende Vergütung. (9) Vorstehende Vorschriften gelten nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet oder wenn sie in der Zwangsvollstreckung erworben werden. (10) Ein Vertrag nach Absatz 1 ist, gleichviel ob er vor oder nach Ablauf von zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen ist, nicht deshalb unwirksam, weil ein Vertrag der Gründer über denselben Gegenstand nach § 27 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist. 265

§52 Anm. 1,2

Gründung der Gesellschaft

I. Übersicht (Anm. 1) II. Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen über die Nachgründung (Anm. 2—4) III. Form der Verträge (Anm. 5) IV. Der Nachgründungsbericht (Anm. 6) V. Prüfung durch Gründungsprüfer (Anm. 7)

VI. Der Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 8) VII. Folge der Verletzung der Bestimmungen (Anm. 9 u. 10) VIII. Eintragung des Vertrages (Anm. 11) IX. Ausnahmen von den Bestimmungen (Anm. 12) X. Nachgründung zur Nachholung von Gründervereinbarungen (Anm. 13)

I. Übersicht Anm. 1: Im wesentlichen sind die Bestimmungen des § 45 AktG 37 übernommen worden. Neu sind die Bestimmungen in Abs. 2 über die Form der Verträge, ihre Auslegung und ihre Behandlung in der Hauptversammlung (vgl. hierzu im einzelnen Anm. 5). Abs. 6 Satz 2 des § 45 AktG 37 ist nicht mitübernommen worden, da diese Bestimmung neben § 26 II der Handelsregisterverfügung überflüssig ist. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Gründung mit Sadieinlagen und Sachübernahmen sollen nicht dadurch umgangen werden können, daß nach Eintragung der Gesellschaft Vereinbarungen, weldie schon im Gründungsabschnitt ins Auge gefaßt worden sind und die Übernahme von Vermögensgegenständen durch die Gesellschaft betreffen, ausgeführt werden. Aber auch von diesem Umgehungszweck abgesehen, sollen in den ersten zwei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister, Geschäfte von so großer Tragweite, wie die Übernahme von Vermögensgegenständen erheblichen Wertes, nicht ohne die Erfüllung besonderer Vorschriften ausgeführt werden, welche den Schutz der Gesellschaft vor Übervorteilung bezwecken. Die Abhängigkeit, in der sich in diesem Zeitraum die Gesellschaft von dem Kreis der Gründer noch zu befinden pflegt, legt diese Regelung nahe (vgl. auch Möhring-Tank I S. 42). II. Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen über die Nachgründung Anm. 2: Verträge der Gesellschaft, nadi denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände jeder Art für einen den zehnten Teil des zur Zeit des Vertragsabschlusses bestehenden (nicht etwa später erhöhten) Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, werden, wenn sie in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister abgeschlossen werden, behandelt wie eine Sachübernahme oder Sacheinlage bei der Gründung. Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit sowohl der Zustimmung der Hauptversammlung, der ein Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats und eine Prüfung durch gerichtlich 266

Nachgründung

§52 Anm. 2,3

bestimmte Prüfer voranzugehen hat, als auch der Eintragung in das Handelsregister. Solange diesen Erfordernissen nicht genügt ist, ist der Vertrag schwebend unwirksam. Unterbleiben Zustimmung oder Eintragung, bleibt er es, und zwar überhaupt. Die bei der Gründung in den Worten: „der Gesellschaft gegenüber" liegende Einschränkung, welche eine Wirksamkeit im Verhältnis zu den Gründern offenläßt, gilt hier nicht, weil der Vertragsgegner hier die Gesellschaft selbst und nicht neben ihr oder statt ihrer eine sie gründende Person ist, die ungeaditet der Unwirksamkeit gegenüber der Gesellschaft aus dem Geschäft verpflichtet sein könnte. Die Vorschrift gilt auch bei Schuldübernahme gem. § 41 II und ferner auch bei der Sacheinlage auf Kapitalerhöhungen innerhalb des zweijährigen Zeitraumes seit Eintragung der Gesellschaft und hat auch hier ihren selbständigen Inhalt, obwohl die Kapitalerhöhung als solche schon einen Hauptversammlungsbeschluß wie auch die Eintragung voraussetzt. Denn bei einer Sacheinlage innerhalb des zweijährigen Zeitraums von dem angegebenen Ausmaß ist außer diesen beiden Erfordernissen zusätzlich der Nachgründungsbericht des Aufsichtsrates und die Prüfung der Prüfer erforderlich. Schließlich kann, was noch wichtiger ist, die Eintragung aus den Gründen des § 38 abgelehnt werden, aus denen die Eintragung einer Kapitalerhöhung als solche nach Ablauf der zweijährigen Frist nicht abgelehnt werden kann, auch nicht wenn Sacheinlagen gemacht werden. Auf dem Wege ordnungsgemäßer Nachgründung können auch schon zur Zeit der Gründung getroffene oder beabsichtigte Vereinbarungen über Sacheinlagen und -übernahmen erneuert und ausgeführt werden, die wegen nicht ordnungsmäßiger Festsetzung in der Satzung (§ 27) nichtig waren (vgl. Abs. 10). Auf nachträgliche Beachtung der Bestimmungen über Sondervorteile und Gründungsaufwand bezieht sich dies nicht. Anm. 3: Die Bestimmungen setzen den Erwerb von Vermögensgegenständen irgendwelcher Art, nicht nur Anlagen oder unbewegliche Gegenstände voraus, gleichviel, ob sie schon vorhanden, herzustellen oder zu verschaffen sind, für welche eine Vergütung von mehr als 10 % des Grundkapitals gezahlt werden soll. Ausgenommen sind von der Gesellschaft herzustellende Anlagen (Dienst in WP 64,150; Barz in Großkomm. Anm. 2). Maßgebend ist die Höhe des Grundkapitals zur Zeit des Vertragsschlusses. Ist das Grundkapital nach der Gründung erhöht worden, so ist das erhöhte Grundkapital maßgebend, sofern die Kapitalerhöhung vor Vertragsabschluß eingetragen worden ist. Mehrere Verträge sind unseres Erachtens zusammenzurechnen, auch wenn sie selbständig sind und keine wirtschaftliche Einheit vorliegt, sofern von vornherein mehrere Verträge gleichzeitig beabsichtigt werden oder sie eine gemeinsame Beziehung namentlich zu den Gründern 267

§52 Anm. 3—5

Gründung der Gesellschaft

haben. Denn die Gesellschaft soll vor Mißbrauch des Gründereinflusses bewahrt werden. Einem solchen wäre der Weg freigegeben, wenn es zulässig wäre, daß die Gesellschaft Vermögensgegenstände in der von der Gesetzesstelle bezeichneten Art von zwei verschiedenen Gründern ohne Beachtung der Vorschrift erwerben könnte, obwohl die Vergütung für beide zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigt (a. A. Barz in Großkomm. Anm. 2; Geßler in Soz.Pr. 42, 418; teilweise auch Baumbach-Hueck Rn. 3). Grundsätzlich sind jedenfalls alle irgendwie unter Umgehung des Gesetzes geschlossenen Verträge unwirksam. Dies ist auch anzunehmen, wenn etwa, um den Vorschriften über Sacheinlagen und Sachübernahmen und über Nachgründung aus dem Wege zu gehen, ein hohes Grundkapital mit niedriger Einzahlung festgesetzt werden sollte, ungeachtet der fortdauernden Haftung auf Vollzahlung, da diese im Wege der Kapitalherabsetzung beseitigt werden kann. Von einem solchen Fall der Umgehung abgesehen, ist jedoch die Höhe des Grundkapitals, nicht des eingezahlten Kapitals maßgebend. Anm. 4: N u r auf solche Verträge findet § 52 Anwendung, die in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft geschlossen werden. Der maßgebende Zeitpunkt ist der Vertragsabschluß selbst, also die rechtswirksame Annahme des Angebots. Wann die Wirkungen eintreten (Bedingung, Befristung) ist gleichgültig. Ein innerhalb der Zweijahresfrist abgeschlossener Vertrag wird nicht etwa durch Ablauf dieser Frist wirksam. Es würde ein Neuabschluß erforderlich sein, dem jede rückwirkende Kraft fehlt. HI. Form der Verträge Anm. 5: Der Abs. 2 bestimmt neu für Nachgründungsverträge die Schriftform, sofern nach anderen gesetzlichen Bestimmungen nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist (z. B. § 313 BGB). Damit ist die früher bestehende Streitfrage geklärt. Um dem Aktionär die Möglichkeit zu verschaffen, sich über den Inhalt der Verträge genau zu informieren, müssen diese vor der Hauptversammlung in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht ausgelegt werden. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift zu erteilen. Beide Verpflichtungen können durch Ordnungsstrafen erzwungen werden (§ 407 I). In der Hauptversammlung ist der Vertrag zu erläutern, nicht etwa zu verlesen, wie es ursprünglich im Regierungsentwurf hieß. Die Verlesung würde die Hauptversammlung unnötig belasten, sie wäre auch unverständlicher für den nicht rechtskundigen Aktionär, als eine Erläuterung, die vollständig und verständlich sein muß. Verletzung der Bestimmung macht den Hauptversammlungsbeschluß anfechtbar. Der Vertrag ist der Niederschrift über die Hauptversammlung als Anlage beizufügen, um dem Registerriditer die Möglichkeit zu geben, zu überprüfen, ob der zur Anmeldung eingereichte Vertrag dem Vertrag entspricht, den die 268

Nachgründung

§52 Anm. 5—7

Hauptversammlung genehmigt hat (amtliche Begründung zum Reg.-Entwurf). IV. Der Nachgründungsbericht Anm. 6: Die Verträge sind durch den Aufsichtsrat zu prüfen, nicht etwa durch den Vorstand, der sie ja abschließt und damit die Verantwortung übernimmt. Über das Ergebnis der Prüfung ist ein Bericht zu erstatten, und zwar vom Aufsichtsrat als Kollegium auch dann, wenn er nur von einzelnen seiner Mitglieder abgefaßt ist. Er muß mithin zum Gegenstand einer Beratung und Beschlußfassung des gesamten Aufsichtsrats gemacht werden. Zu unterschreiben ist er vom Vorsitzenden (§ 107 II). Wie im Gründungsbericht bei der Sachübernahme sind die Umstände darzulegen, von weldien die Angemessenheit der Gegenleistung abhängt, ferner die vorausgegangenen Rechtsgeschäfte, die auf den Erwerb durch die Gesellschaft hingezielt haben, die Anschaffungs- und Herstellungskosten aus den letzten beiden Jahren und im Falle des Überganges eines Unternehmens der Betriebsertrag aus den letzten beiden Geschäftsjahren. Ferner hat der Nachgründungsbericht anzugeben, ob und in welcher Weise ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates sich einen Vorteil, eine Belohnung oder Entlohnung für die Vorbereitung oder Durchführung des Erwerbs ausbedungen hat. Ebensowenig wie entsprechend § 34 II ein Beridit des Vorstandes, ist ein Gründerbericht für Sacheinlage bei Kapitalerhöhung vorgesehen. Bei Fehlen des Berichts vgl. Anm. 7 und 9. V. Prüfung durch Gründungsprüfer Anm. 7: Vor der Beschlußfassung durch die Hauptversammlung hat eine Prüfung durch vom Gericht bestellte (§ 33 III) unabhängige Prüfer stattzufinden, auf welche die Vorschriften über den Bericht der Gründungsprüfer (§ 34) und die Aufklärungspflicht der Gründer (§ 35), hier des Vorstandes, entsprechend anzuwenden sind. Vor der Beschlußfassung der Hauptversammlung sind der Nachgründungsbericht und Prüfungsbericht zu erstatten. Aus dieser Vorschrift geht, da der Nadigründungs- und Prüfungsbericht den Nachgründungsvertrag zum Gegenstand haben, also voraussetzen, des weiteren hervor, daß die Zustimmung der Hauptversammlung dem Nachgründungsvertrag nidit vorausgehen, sondern nur nachfolgen kann (Barz in Großkomm. Anm. 8; jetzt audi B.-H. Rn. 7). Die herrschende Meinung erklärt den Hauptversammlungsbeschluß für anfechtbar, wenn er ohne Nachgründungsbericht des Aufsichtsrates (B.-H. Rn. 7; für niditig hält ihn Barz in Großkomm. Anm. 11), dagegen für niditig, wenn er ohne Prüfungsbericht gefaßt war (B.-H. a. a. O.; Schl-Qu. § 45 Anm. 8; u.a.). Unseres Erachtens ist der Beschluß anfechtbar in dem einen wie in dem anderen Falle, mag er positiv oder negativ sein (Kölner Komm. 269

§52 Anm. 7—9

Gründung der Gesellschaft

Anm. 28). Der zwischen den beiden Berichten gemachte Unterschied scheint uns innerlich unbegründet. Man kann von dem einen wie von dem anderen sagen, daß er im öffentlichen Interesse vorgeschrieben sei, nicht aber, daß der Hauptversammlungsbeschluß durch seinen Inhalt gegen die Bestimmung verstoße, wenn er ohne die Berichte oder einen von ihnen gefaßt war. Trägt auch das Registergericht ohne die Berichte ein, so ist die Nachgründung wirksam. Eine Löschung der Eintragung von Amts wegen nach § 144 FGG kommt ebensowenig in Frage, wie eine Nichtigkeit des Beschlusses nach § 241 Abs. 3. Nach Ritter soll der Beschluß, wenn der Bericht des Aufsichtsrates unterblieben ist, nicht einmal anfechtbar sein. Seine Gründe passen ebenso auf den anderen Fall, daß kein Prüfungsbericht erstattet worden ist, und würden überzeugen, wenn es erträglich wäre, in einem solchen Fall der Minderheit kein anderes Mittel an Hand zu geben, um die Beibringung des Berichtes zu erzwingen, als eine Eingabe an das Gericht. VI. Der Beschluß der Hauptversammlung Anm. 8: Die Verträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung. Der Beschluß bedarf vorbehaltlich erschwerender Bestimmungen der Satzung einer Mehrheit von wenigstens *U des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals. Über die Berechnung dieser Mehrheit vgl. Anm. 5 zu § 179 und Anm. 2 zu § 133. Diese muß Vi des Grundkapitals überhaupt umfassen, wenn der Vertrag im ersten Jahr nach der Eintragung der Gesellschaft geschlossen worden ist. Es kommt sonach auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, nicht der Beschlußfassung an. Der Vertragsgegner kann mitstimmen, § 136 I. Die Satzung kann eine höhere Stimmenmehrheit vorschreiben (§ 133), desgleichen eine höhere Kapitalmehrheit. Diese braucht sich aber nicht nach dem in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapital zu richten, vielmehr kann sie sich auf das Grundkapital schlechthin beziehen. Die Kapitalmehrheit darf niemals kleiner als i U des vertretenen Grundkapitals sein. Eine Satzungsbestimmung, wonach die Zustimmung der Hälfte des Grundkapitals verlangt wird, ist mithin nur gültig, wenn sie den Zusatz enthält: „mindestens aber s/i des in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals". Die Satzung kann zusätzlich noch andere Erfordernisse aufstellen, z. B., daß ein bestimmter Bruchteil des Grundkapitals in der Hauptversammlung vertreten ist. VII. Folge der Verletzung der Bestimmungen Anm. 9: Anders als bei den Verträgen bei der Gründung, welche mangels Festsetzung in der Satzung der Gesellschaft gegenüber schlechthin unwirksam 270

Nadigründung

§52 Anm. 9,10

sind (und nur durch Neugründungsverträge, auf welche die vorstehenden Bestimmungen anzuwenden sind, noch in die Wirklichkeit umgesetzt werden können), handelt es sich hier um eine schwebende Unwirksamkeit. Nicht ganz klar ist die Bindung des Vertragsgegners an den Vertrag. Abzulehnen ist die Vorstellung, daß kein Vertragsteil an den Vertrag überhaupt gebunden ist, bevor die Entscheidung der Hauptversammlung gefallen ist. Dies würde zur Folge haben, daß der Vertragsgegner über den Gegenstand des Vertrages zwischenzeitlich anders verfügen könnte. Vielmehr ist er an den Vertrag mangels Vereinbarung einer Frist während einer angemessenen Frist gebunden entsprechend dem Rechtsgedanken des § 147 II BGB. Er kann nicht weniger gebunden sein, als wenn er der Gesellschaft einen Antrag gemacht hätte. Es ist daher auch, wenn es sich um ein Grundstück handelt, möglich, aufgrund Bewilligung oder einstweiliger Verfügung, wenn die Voraussetzung für eine solche vorliegt, eine Vormerkung zur Sicherung des Auflassungsanspruches im Grundbuch eintragen zu lassen. Nach Ablauf einer angemessenen Frist wird der Vertragsgegner ohne weiteres frei (RG 121, 105; a. A. Schl.-Qu. § 45 Anm. 11; Baumbach-Hueck Rn. 6, welche fruchtlose Fristsetzung voraussetzen; ähnlich Barz in Großkomm. Anm. 4; Ritter § 4 5 Anm. 2 b will §§ 177, 178 BGB, R G J W 29, 2944 § 178 sinngemäß anwenden). Da die Bindung der Gesellschaft nur durch die Zustimmung der Hauptversammlung und Eintragung des Vertrages in das Handelsregister eintreten soll, hat der Vertragsgegner in der Schwebezeit gegen die Gesellschaft keinerlei Rechte. Er kann nicht einmal eine Vertragsstrafe bedingen für den Fall, daß der Vorstand es unterläßt, die Beschlußfassung der Hauptversammlung und die Eintragung in das Handelsregister während der vereinbarten oder einer angemessenen Frist zu betreiben. Er kann nur von den Vorstandsmitgliedern persönlich sich für diesen Fall eine Strafe (Vertragsstrafe kann man eine solche nicht nennen, weil die Vorstandsmitglieder nicht Vertragspartei sind) oder eine Gewährleistung versprechen lassen. Anm. 10: Schwebend unwirksam sind nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift auch die Ausführungsgeschäfte, insbesondere die dinglichen. Der Wortlaut des Gesetzes zwingt nicht zu der Deutung, daß sie, wenn sie vor Zustimmung der Hauptversammlung und vor Eintragung stattfinden, schlechthin unwirksam sind und nach Zustimmung und Eintragung wiederholt werden müssen. Auch die in das Grundbuch eingetragene Auflassung eines Grundstücks ist unwirksam, wenn nicht die Hauptversammlung nachträglich zustimmt und der Vertrag nicht nachträglich eingetragen wird. Daß in einem solchen Falle, wenn diese Voraussetzung nicht eintritt, Grundbuchberichtigung verlangt werden könne, hat das K G ( H R R 33, Nr. 59 nach HGB) zwar verneint, ist aber die unabweisbare Folge. Verfügt die Gesellschaft über das Grundstück zugunsten eines Gutgläubigen, so greift § 892 BGB ein. Zahlt 271

§52 Anm. 10,11

Gründung der Gesellschaft

die Gesellschaft eine Hypothek zurück, so zahlt sie eine Nichtschuld, da sie eine eigene und keine fremde Schuld zahlen will. Der Hypothekengläubiger ist zur Rückzahlung verpflichtet, doch ist der Gesellschaft § 814 BGB gefährlich. Ist die Gesellschaft zur Heraus- oder Rückgabe des Empfangenen nicht in der Lage, so wird sie nur als verpflichtet angesehen werden können, einen in ihrem Vermögen noch vorhandenen Ersatz herauszugeben. Eine weitergehende Verpflichtung würde den Zweck der Vorschrift gefährden. Stimmt die Hauptversammlung dem schuldrechtlichen Nachgründungsvertrag zu und wird dieser ins Handelsregister eingetragen, so werden auch die Ausführungsgeschäfte voll wirksam, ohne daß die Hauptversammlung ihnen besonders zuzustimmen und es besonders eingetragen zu werden braucht. Dies ergibt der Wortlaut: „ohne die Zustimmung". Durch den Zustimmungsbeschluß und die nachfolgende Eintragung werden sowohl die sdiuldrechtlichen als auch die dinglichen Geschäfte mit dem Zeitpunkt ihres Abschlusses wirksam. VIII. Eintragung des Vertrages Anm. 11: Der Vertrag ist vom Vorstand, d. h. von soviel Vorstandsmitgliedern als zur Vertretung der Gesellschaft notwendig sind, nicht von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes, dem Gericht zur Eintragung einzureichen. Zusätzliche Erklärungen sind nicht vorgeschrieben. Ein Zwang kann nicht ausgeübt werden (§ 4071). Die beizufügenden urkundlichen Unterlagen der Berichte sind: Gutachten, Schätzungen, Rentabilitätsberechnungen usw. Die Eintragung in das Handelsregister kann vom Registerrichter unter denselben Voraussetzungen abgelehnt werden, wie die Eintragung der Gesellschaft selbst nach der Gründung, nämlich, wenn offensichtlich ist, d. h. aus den Akten hervorgeht, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder daß die gewährte Gegenleistung unangemessen hoch ist oder wenn etwas von diesem allen von den Gründungsprüfern erklärt wird. Im Falle der Offensichtlichkeit ist für ein Ermessen des Richters kein Platz, vielmehr muß er in diesem Falle die Eintragung ablehnen. Die Erklärung der Prüfer bindet ihn dagegen nicht und läßt seinem pflichtgemäßen Ermessen Spielraum, vgl. im einzelnen § 38 u. Anm. Die Eintragung ist eine Voraussetzung der Wirksamkeit des Vertrages. Auch im Handelsregister einer Zweigniederlassung, wenn eine solche besteht, ist der Vertrag einzutragen. Es genügen Datum und Gegenstand des Vertrages, im übrigen Bezugnahme auf. die Urkunde. Die gleichzeitige Erwähnung (Eintragung) des Zustimmungsbeschlusses ist auch ohne Kapitalerhöhung erforderlich, weil anderenfalls dem Handelsregister die Wirksamkeit des Vertrages nicht zu entnehmen wäre. 272

Nachgriindung

§ 52 Anm. 11—13

Die nach § 10 HGB notwendige Bekanntmachung ist nach Abs. 8 eingehender als die Eintragung und hat auch den Vermögensgegenstand, den Veräußerer und die Vergütung anzugeben. Die Ausführungsgeschäfte werden weder eingetragen nodi bekanntgemacht. IX. Ausnahmen von den Bestimmungen Anm. 12: Die Vorschriften über die Nachgründung gelten nicht für den Fall, daß der Erwerb des Vermögensgegenstandes in den Rahmen des Gegenstandes des Unternehmens fällt. Gemeint ist der Fall, daß die Gesellschaft, welche den Handel mit bestimmten Gütern, z.B. den Grundstückshandel, die Siedlung usw. betreibt, zum Erwerb dieser den Gegenstand ihres Handels bildenden Güter nicht die Form der Nachgründung erfüllen muß. Die Auslegung dieser Vorschrift muß sehr streng erfolgen und darf in keiner Weise ausgedehnt werden (Voss in WP 64, 440; Barz in Großkomm. Anm. 15). Es ist nicht zu verkennen, daß hierin eine Schädigungsgefahr für die Gesellschaft liegen kann, wenn sie solche Gegenstände von Aktionären erwirbt. Hier greift der Schutz des § 117 ein. Es ist ferner zu beachten, daß Abs. 9 keine Ausnahme davon bestimmt, daß Verträge, die schon im Gründungsstadium beabsichtigt waren, immer nur durch Nachgründung ausgeführt werden können, auch wenn der Gegenstand der Verträge (Waren) unter den Unternehmensgegenstand fällt. Eine weitere Ausnahme besteht für den Erwerb in der Zwangsvollstreckung. Damit soll auch nicht gesagt sein, daß es auf die Form des Erwerbs ankomme, entscheidend ist die Ursache. X. Nachgründung zur Nachholung von Gründervereinbarungen Anm. 13: Die Nachgründung kann auch stattfinden, um Vereinbarungen auszuführen, welche schon zur Zeit der Gründung beabsichtigt waren, ohne in der Satzung festgesetzt worden zu sein. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn nach einem bei der Gründung geschlossenen Vertrag die Gesellschaft zur Sachübernahme nur berechtigt, nicht verpflichtet war (HRR 40 Nr. 1354). Diese Absicht des Gesetzes würde nicht voll erreicht werden, wenn die Nachgründung für den Erwerb von Vermögensgegenständen ausgeschlossen wäre, für welche eine Vergütung von weniger als dem zehnten Teil des Grundkapitals zu gewähren ist. Es kann nicht angenommen werden, daß für einen solchen Erwerb auf die Sicherheitsvorkehrungen der Nachgründung verzichtet werden sollte, und daß sonach ein solcher statthaft sein soll, auch wenn er schon im Gründungszustande beabsichtigt war (a. A. Kölner Komm. Anm. 57, worin unsere oben gegebene Erklärung als „ohne Begründung" bezeichnet wird). Andererseits muß auch für einen solchen Erwerb die Möglichkeit offenstehen, ihn nachträglich unter Befolgung der gesetzlichen Vorschriften durchzuführen (a. A. Schl.-Qu. § 45 Anm. 13, Herbig in D N Z 37, 273

§§ 52 / 53 Anm. 13/1

G r ü n d u n g der Gesellschaft

202, der § 20 Abs. 2 AktG 37 in Verbindung mit § 60 AktG 37 hier als ausreichende Sicherung ansieht; ebenso Baumbach-Hueck Rn. 11). Der Weg der Nachgründung ist auch dann zu gehen, wenn schon mehr als zwei Jahre seit der Eintragung der Gesellschaft verstrichen sind und es sich um die Ausführung von Vereinbarungen handelt, die schon im Gründungszustand vorgesehen waren. Abs. 9 bestimmt keine Ausnahme von § 27. Der Wortlaut des Gesetzes schließt audi heute nicht ganz den Zweifel aus, ob es sich um bindende Vereinbarungen unter den Gründern handeln muß oder ob überhaupt für jeden Erwerb, welcher im Gründungszustande schon in Aussicht genommen war, ohne daß für ihn die Festsetzung in der Satzung vorgenommen worden ist, nach Eintragung der Gesellschaft der Weg der Nachgründung ausschließlich offensteht. Wir schließen uns der strengeren letzteren Auffassung an (ebenso RG 167, 99); Abs. 10 läßt auch nur die Heilung von Verstößen gegen § 27, nicht auch gegen § 26, durch Hauptversammlungsbeschluß und Eintragung ins Handelsregister zu (RG 167,117). Einseitig kann jedodi die Gesellschaft den Weg der Nachgründung nicht gehen, wenn die bei der Gründung ins Auge gefaßten oder getroffenen Vereinbarungen nicht in der Satzung festgesetzt worden sind, denn es handelt sich nicht um eine nur sdiwebende Unwirksamkeit, welche sich in eine Vollwirksamkeit durch eine ausstehende, aber beizubringende Genehmigung umwandeln könnte. Nach Abs. 10 setzt die Nachgründung ausdrücklich einen neuen Vertrag voraus. Es wird auch durdi die Nachgründung nicht etwa der ursprüngliche nadi § 27 nichtige Vertrag geheilt. Betraf dieser eine Sacheinlage, so bleibt es dabei, daß statt ihrer eine Bareinlage zu leisten ist (§ 27 II S. 2). Ob dagegen mit dem Zahlungsanspruch aus dem Nachgründungsvertrag aufgerechnet werden kann, beurteilt sich nadi § 66. § 53 Ersatzansprüche bei der Nachgründung Für die Nadigründung gelten die §§ 46, 47, 49 bis 51 über die Ersatzansprüche der Gesellschaft sinngemäß. An die Stelle der Gründer treten die Mitglieder des Vorstands und des Aufsiditsrats. Sie haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Soweit Fristen mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister beginnen, tritt an deren Stelle die Eintragung des Vertrags über die Nachgründung. Anm. 1: Die Vorschrift stimmt im wesentlichen mit § 46 AktG 37 überein. Neu ist Satz 4, mit dem klargestellt wird, daß die Fristen der §§ 50 und 51 im Fall der Nachgründung erst mit der Eintragung des Vertrags über die Nachgründung beginnen und nidit bereits mit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister. 274

Ersatzansprüche bei der Nachgründung

§53 Amo. 2

Anm. 2: Die Vorschrift besagt, daß für die bei einer Nachgründung beteiligten Personen die gleiche Haftung besteht, wie bei der Gründung. Dies betrifft sowohl den Haftungstatbestand, als auch den Umfang der Haftung, die Voraussetzungen für Verzicht oder Vergleich hinsichtlich der Forderung durch die Gesellschaft und die Verjährung. Der Fall liegt nicht mehr so wie bei der Gründung, da die Gesellschaft nicht mehr unvertreten den Gründern preisgegeben ist, solche vielmehr nicht mehr auftreten, die Gesellschaft dagegen in Vorstand und Aufsichtsrat eigene zur Wahrnehmung ihrer Interessen berufene Organe hat, die als solche bei der Nachgründung tätig werden. An Stelle der Gründer haften daher hier die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Deren Haftung überschneidet sich mit ihrer allgemeinen Haftung aus § 93 bzw. § 116, geht aber nicht restlos in dieser auf. So haften z. B. die Mitglieder des Vorstandes für die Riditigkeit und Vollständigkeit der Angaben in dem vom Aufsichtsrat erstatteten Nachgründungsbericht. Das Umgekehrte gilt nicht, weil bei der Nachgründung ein Vorstandsbericht, wie bei der Gründung (§ 33 II), nicht vorgeschrieben ist. Vor allem aber ist die Haftung nach § 46 eine Gewährleistung, die über Schadenersatz hinausgeht. Meist wird die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder auch nach § 116 bestehen. Der Grad der anzuwendenden Sorgfalt, für welche Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder einzustehen haben, ist — anders als bei. der Gründerhaftung — derselbe, den sie nach den § § 9 3 und 116 aufwenden müssen, nämlich Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Neben ihnen haften die Nachgründungsprüfer, aber auch die Gründergenossen des § 47 Nr. 1 und 2, also insbesondere die Sacheinleger (bei Kapitalerhöhung) und Sachüberlasser, wenn sie die Gesellschaft dabei vorsätzlich oder grobfahrlässig schädigen. Zweifelhaft ist, ob die Hintermänner von Sacheinlegern und Sachüberlassern nach § 46 V in Verb, mit § 53 haften, weil nicht letztere, sondern die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder den Gründern gleichgestellt sind. Dies kann aber nicht für diese Hintermänner gelten, da diese nur in Beziehungen zu dem Nachgründer stehen und deshalb in sinngemäßer Anwendung des § 46 V haften. Endlich haftet auch ein Emittent, welcher in den ersten zwei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft (auch noch nach Eintragung der Nachgründung) die Aktien öffentlich ankündigt, um sie in den Verkehr einzuführen, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Nachgründung gemacht worden sind, oder die Schädigung der Gesellschaft durch Sacheinlage oder Sachübernahme kennt oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes kennen muß. Die strafrechtliche Haftung ergibt sich aus §§ 399 I 1—3, § 400 Nr. 1, §403.

275

§ 54 Anm. 1

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter DRITTER TEIL

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 54 Hauptverpfliditung der Aktionäre (1) Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien begrenzt. (2) Soweit nicht in der Satzung Sacheinlagen festgesetzt sind, haben die Aktionäre den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. (3) Der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag kann nur in gesetzlichen Zahlungsmitteln, in von der Deutschen Bundesbank bestätigten Schecks, durch Gutschrift auf ein Konto im Inland bei der Deutschen Bundesbank oder einem Kreditinstitut oder auf ein Postscheckkonto der Gesellschaft oder des Vorstands zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden. Forderungen des Vorstands aus diesen Einzahlungen gelten als Forderungen der Gesellschaft. I. Überblick (Anm. 1) II. Verpflichtungen des Aktionärs 1. Einlagepflicht (Anm. 2—8) 2. Weitere Verpflichtungen a) Ausschluß weiterer Verpflichtungen im allgemeinen (Anm. 9)

b) Persönliche Verpflichtungen der Aktionäre (Anm. 10) c) Verpflichtungen im Fall des Verzugs des Aktionärs (Anm. 11) d) Freiwillige Leistungen des Aktionärs (Anm. 12) e) Sogenannte Hilfspflichten (Anm. 13)

I. Überblick Anm. 1: Die Vorschrift entspricht im wesentlichen der des § 49 AktG 37; in Abs. 3 sind die Möglichkeiten der Zahlungsweise erweitert worden. Abs. 1 spricht die einseitige körperschaftsrechtliche Verpflichtung der Aktionäre aus, die Einlage zu leisten. Abs. 2 desgleichen und daneben den Grundsatz, daß die Einlageschuld immer eine Geldschuld ist, wenn nicht gemäß § 27 wirksam in der Satzung ein anderer zulässiger Gegenstand der Einlage bedungen worden ist. Absatz 3 bestimmt die ausschließlich möglichen Arten der Leistung der Geldeinlagen. Absatz 1 spricht daneben die Unmöglichkeit aus, die Einlageschuld nachträglich zu erhöhen und die grundsätzliche Unzulässigkeit weiterer Verpflichtungen der Aktionäre als solcher neben der 276

Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

Anm. 1—3

Einlage. Damit wird das Maß der Verpfliditung der Aktionäre nach innen unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten begrenzt. § 54 ist in vollem Umfange zwingend. II. Verpflichtungen des Aktionärs 1. Einlagepfticbt Anm. 2: Die Verpflichtung der Aktionäre, die Einlage zu leisten, ergibt sich aus der angenommenen vorbehaltlosen Übernahme von Aktien, die Höhe ergibt sich aus dem sich aus der Satzung ergebenden Nennwert und dem festgesetzten Ausgabebetrag. Zu klären ist das Verhältnis dieser Verpflichtung zur Verbandsgewalt. Größtenteils ist dies durch Absatz 1 in dem Sinn geschehen, daß die Verpflichtung nicht nachträglich durch Beschluß vergrößert oder erweitert werden kann. Innerhalb des Ausmaßes der Verpfliditung kann ein Spielraum für die Verbandsgewalt bestehen, z. B. hinsichtlich einer Vorverlegung der EinZahlungstermine, die bei der Gründung festgesetz waren. Grundsätzlich hat jeder Aktionär ein Recht auf gleichmäßige Ausübung der Verbandsgewalt gegenüber allen Aktionären (vgl. Anm. 4 zu § 1), demnach auch darauf, daß die Einzahlungen, sei es weil Termine nicht festgesetzt waren, sei es in Abweichung von den festgesetzten Terminen, gleichmäßig eingefordert werden (RG, J W 36, 446). Dies gilt auch vor der Eintragung (vgl. § 29 Anm. 4). Die Fälligkeit der Einlageverpflichtung ergibt sich aus Vorstehendem, doch schreibt § 36 zwingend vor, daß bei Geldeinlagen 1U des Nennbetrages und das Aufgeld schon vor der Anmeldung der Gesellschaft zu leisten ist. Grundsätzlich ist die EinZahlungsverpflichtung eine Barzahlungsverpflichtung, soweit nicht entsprechend § 27 in der Satzung eine Sacheinlage bedungen ist. Aus Abs. 2 ergibt sich zusätzlich, daß der Nennbetrag immer zu zahlen ist, auch wenn unzulässigerweise eine Ausgabe unter dem Nennbetrag festgesetzt und die Gesellschaft eingetragen worden ist (Anm. 3 zu § 9). Anm. 3: Schuldner der Einlagepflicht sind diejenigen, die bei der Gründung Aktien übernommen oder bei der Kapitalerhöhung Aktien gezeichnet haben. Werden — zulässig oder unzulässig — Aktien ausgegeben, bevor die Einlagepflidit voll erfüllt ist, so ist zu unterscheiden, ob eine Geldeinlage oder eine Sacheinlage zu bewirken ist. Die Verpflichtung, die Geldeinlage in Höhe des Nennbetrages oder des höheren Ausgabebetrags zu leisten, hat der Aktionär als solcher, d. h. der jeweilige Aktionär. Dies ergibt sich aus Abs. 2. 277

§ 54 Anm. 3—5

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Veräußert der Übernehmer seine nicht voll eingezahlte Aktie, so haftet infolgedessen der Erwerber. Der Veräußerer haftet nur hilfsweise, nämlich erst dann, wenn vom Erwerber die Leistung nicht zu erlangen ist (§ 65). Der Erwerber ist ohne besondere Übernahmeerklärung allein durch den Erwerb und durch seine Eigenschaft als Aktionär zur Entrichtung der Einlage verpflichtet, auch wenn keine Urkunden ausgegeben sind (KG in J W 1927, 2423), denn die Verpflichtung ist für den Aktionär, also den jeweiligen Inhaber des Aktienrechts, festgesetzt worden, nidit etwa nur für die Gründer. Anm. 4: Die Verpflichtung, die Sacheinlage zu leisten, hat nur der ursprüngliche Aktionär. Ihm dürfen Aktien nicht ausgehändigt werden, bevor er die Sacheinlage bewirkt hat (Anm. 3 zu § 10). Veräußert er die Aktien, sei es durch Abtretungsvertrag, sei es durch Übergabe der Urkunde, wenn ihm eine solche unzulässigerweise gegeben wurde, so bleibt er doch verpflichtet, die Sacheinlage zu bewirken. Das Gesetz befaßt sich mit den Rechten eines solchen Aktionärs vor Bewirkung der Sacheinlage nicht. Zweifellos entstehen auch seine Aktienrechte durch die Eintragung der AG, aber es muß angenomen werden, daß sie bis zur Bewirkung der Sacheinlage ruhen, gewissermaßen, daß ihnen die Einrede des nichterfüllten Vertrages entgegenstehen. Im Falle der Abtretung des Aktienrechtes würde sich anderenfalls, wenn der ursprüngliche Aktionär seine Verpflichtung nicht erfüllt und auch nicht Schadensersatz leistet, ergeben, daß der Erwerber der Aktie teil hat an dem eingezahlten Grundkapital und dem Bilanzgewinn, ohne daß sein Rechtsvorgänger eine Einlage bewirkt hätte. Aber auch das Stimmrecht ruht (vgl. § 134 II S. 1). Ist die Sacheinlage nicht wirksam vereinbart, weil sie nicht in der Satzung festgelegt wurde (§ 27), so ist die Einlage in Geld zu leisten (Abs. 2 und § 27 II), und zwar in Höhe des Nennbetrages der übernommenen Aktien und des Aufgeldes, welches sich aus dem Ausgabebetrag der anderen Aktien oder dem Wert der gescheiterten Sacheinlage ergibt. Außer durch Nachgründung (§ 52) kann die unterbliebene wirksame Festsetzung in der Satzung nach der Eintragung nicht mehr nachgeholt werden. Über Mangel der bürgerlich-rechtlichen Form und Unmöglichkeit vgl. Anm. 5—7 zu §27. Anm. 5: Wenn der Erwerber von Zwischenscheinen (§ 10), welche zwar die Höhe der Einzahlung nicht angeben, aber sich schon äußerlich nur als vorläufige Urkunden darstellen, oder von nicht beurkundeten Aktienrechten davon keine Kenntnis hat, daß die Einlage nicht erfüllt ist, so ist er doch zur Erfüllung verpflichtet, weil die Einlageschuld den Aktionär als solchen trifft (KG in J W 1927, 2434; Kölner Komm. Anm. 7). Wenn aber eine N a mensaktie die geleistete Einzahlung zu hoch angibt oder wenn von der Gesell278

Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54 Anm. 5) 6

schaft unzulässigerweise Inhaberaktien vor der Vollzahlung ausgegeben werden (§10 II), so kann die Gesellschaft die Zahlung von dem gutgläubigen Erwerber nicht verlangen, der sich ersterenfalls auf die Angabe in der Urkunde, letzterenfalls auf die Erfüllung der gesetzlichen Vorschrift durch die Gesellschaft verlassen hat (KG a . a . O . ; RG 144, 145; B.-H. § 10 R n . 5 ; Kölner Komm. A im. 7). Dabei handelt es sich nicht um eine grundsätzliche Abweichung für die Inhaberaktie, sondern um eine Ausnahme zugunsten des gutgläubigen Erwerbers einer solchen, welche sich gleichfalls aus aktienredhtlidien Grundsätzen ergibt, denn die Inhaberaktie ist als solche zugelassen, um die Verkehrs- und Umlauffähigkeit der Aktie zu sichern, welche erheblich behindert wäre, wenn der Erwerber einer Inhaberaktie sich darum kümmern müßte, ob sie voll bezahlt ist. Abgeschwächt muß dasselbe für Namensaktien gelten, die die geleistete Einzahlung zu hoch angeben. In beiden Fällen haftet der Gesellschaft der Vorstand (§ 93 III N r . 4), wo freilich der zweite Fall nicht ausdrücklich erwähnt ist. Weniger unzweifelhaft ist die Fortdauer der Haftung des schlechtgläubigen Veräußerers; zwar besteht für ihn, wenn er ein Entgelt erhalten hat, eine Herausgabepflicht gegenüber der Gesellschaft nach § 816 BGB oder eine Schadenersatzpflicht nach § 826 BGB. Davon verschieden ist aber die Frage, ob er die aktienrechtliche Verpflichtung weiter trägt, die Einlageschuld zu erfüllen, weldie sich regelmäßig durch die Veräußerung der Aktie für den Veräußerer in eine zeitlich und inhaltlich begrenzte Haftung verwandelt. Trotz der Veräußerung kann diese Verpflichtung deshalb weiter bestehen, weil infolge des guten Glaubens des Erwerbers die Veräußerung nicht den Erfolg gehabt hat, daß an die Stelle des ausscheidenden Schuldners (Veräußerers) der neue Erwerber tritt. Man wird aus dem Grundsatz der §§ 64, 65 die Bejahung der Frage ableiten müssen (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. § 10 Anm. 11). Grundsätzlich gilt aber auch für die Inhaberaktie, daß der jeweilige Aktionär Einlageschuldner ist, dies ergibt sich ohne weiteres, wenn dem Erwerber bekannt ist, daß die Einlage noch aussteht. Über Erlaß, befreiende Schuldübernahme, Abtretung, Pfändung s. § 66. Uber die vor der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister einzufordernden Mindest- und einforderbaren Höchstbeträge siehe Anm. 9 zu § 36. Abs. 3 gilt für jeden vor der Anmeldung eingeforderten Betrag, auch wenn er über dem gesetzlichen oder satzungsmäßigen Mindestbetrag hinausgeht. Anm. 6: Die Erfüllung der Einlageschuld erfolgt bei der Sadieinlage durch Übereignung einzulegender Sachen oder Abtretung einzulegender Rechte. Bei Geldeinlagen ist die Zeit vor und nach der Eintragung zu unterscheiden. Nach der Eintragung kann die Geldeinlage wie jede andere Schuld erfüllt werden, nur besteht nach § 66 ein Verbot des Erlasses und der einseitigen Aufrechnung durch den Einlageschuldner. Die Aufrechnung durch die Gesell279

§ 54 Anm. 6

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

schaft ist zulässig, soweit sie nicht gegen besondere aktienrechtliche Bestimmungen verstößt, also darin etwa ein nach § 66 I S. 1 verbotener Erlaß liegt. Das gleiche gilt von der Annahme an Erfüllung statt (a. A. Teichmann-Köhler § 49 Anm. 1), die aber außerdem nicht zur Umgehung der Vorschriften über die Sacheinlagen führen darf. Die Zahlung kann — was nunmehr ausdrücklich im Gesetz aufgeführt worden ist — auch durch bestätigten Bundesbankscheck erfolgen oder durch Ausführung einer Zahlung aufgrund einer Anweisung der Gesellschaft für ihre Rechnung. Kundenwechsel und eigene Akzepte des Aktionärs oder Schecks auf eigenes Bankkonto des Aktionärs dürfen nicht an Erfüllung statt, sondern nur erfüllungshalber angenommen werden. Die Einlage ist in solchem Fall erst geleistet (auch im Sinne von § 134 I I ) bei Eingang, nicht schon bei Weiterverwertung und Empfang der vorläufigen Gutschrift des Verwertungserlöses. Auch wenn die Gesellschaft ein Kundenpapier des Aktionärs erfüllungshalber entgegengenommen hat und mangels Wahrung der Protest- bzw. Vorlegungsfrist der Regreß gegen den Aktionär und seine Vorleute verlorengeht, ist ersterer von seiner Einlageschuld nicht befreit. Vor der Eintragung und Anmeldung jedoch bestehen sehr viel formalere Grundsätze. Hier erkennt das Gesetz nur ganz bestimmte Zahlungsweisen als geeignet an, die Einlageschuld zu erfüllen, ohne daß jedoch die Ergebnisse der getrofFenen Regelung immer einem sachlichen inneren Grund entsprächen. Es wird anerkannt die Überweisung oder Einzahlung auf Postscheckkonto oder ein Konto eines inländischen Kreditinstituts, einschließlich Bundesbankgirokonto. Ein solches Konto kann auch bei einem etwa als Gründerin beteiligten Kreditinstituts bestehen und ist dort für den Vorstand der Gesellschaft als solchen in seiner jeweiligen Zusammensetzung — nicht etwa für eine einzelne Vorstandsperson — oder für die Gesellschaft als solche zu errichten. Ferner kann die Zahlung an den Vorstand in gesetzlichen Zahlungsmitteln (Banknoten) oder in von der Deutschen Bundesbank — nicht Landeszentralbank — bestätigten Schecks erfolgen. Erfolgt die Zahlung auf Postscheckkonto des Vorstands oder der Gesellschaft, so kann sie natürlich auch durch Postschecküberweisung geschehen, denn es kommt auf die Gutschrift durch das Postscheckamt an. Letzteres gilt auch für Eingänge auf einem Konto des Vorstands oder der Gesellschaft. Hier eröffnen sich alle Möglichkeiten, die zu einer Gutschrift führen, also Überweisung eines nach Eingang gutgeschriebenen Schecks auf ein anderes Kreditinstitut eines Landeszentralbankschecks, Einzahlung anderer als gesetzlicher Zahlungsmittel, wenn das Kreditinstitut sie annimmt und gutschreibt. Es ist gleichgültig, ob der Einlageschuldner Einzahlung auf das Konto selbst vornimmt oder ob er etwa den Vorstand der Gesellschaft dadurch zwischenschaltet, daß er ihm einen Bankscheck oder Postscheck aushändigt und dieser ihn weitergibt. Von seiner Einlageschuld befreit wird er stets nur dann, wenn die Gutschrift auf dem 280

Haupt Verpflichtung der Aktionäre

§ 54 Anm. 6,7

Konto erfolgt ist. Gibt der Vorstand die Schecks nidit oder nicht ordnungsgemäß weiter und unterschlägt er die Beträge, so ist die Einlage nicht erfolgt (ebenso Kölner Komm. Anm. 31, der uns unverständlich als andere Ansicht bezeichnet). Der zur Einlage Verpflichtete trägt insoweit das Risiko. Er kann sich jedoch davon befreien, indem er die Zahlung durch Banknoten oder einen bestätigten Bundesbankscheck leistet. Unterschlägt der Vorstand das Geld oder den Scheck, so ist trotzdem die Einlage ordnungsgemäß geleistet. Es ist eine Konsequenz daraus, daß der zur Einlage Verpflichtete grundsätzlich selbst ohne Einschaltung Dritter, auch nicht des Vorstandes, seine Leistung so zu bewirken hat, wie es § 54 I I I im einzelnen vorschreibt, d. h., die Barzahlung oder die Zahlung durch bestätigten Bundesbankscheck erfolgt an den Vorstand als Vertreter der Gesellschaft. Damit hat die Gesellschaft den Einlagebetrag erhalten. Unterschlägt der Vorstand die Beträge, so unterschlägt er Gelder der Gesellschaft. Anders, wenn sich der Einlageverpflichtete des Vorstandes zur Erfüllung bedient, dann unterschlägt bis zur Gutschrift auf dem entsprechenden Konto der Vorstand Beträge des Einlageverpflichteten. H a t der Aktionär seine Einlageverpflichtung erfüllt, so kann die Zahlungspflicht nicht dadurch Wiederaufleben, daß der Vorstand sdion vor der Eintragung der Gesellschaft die eingezahlten Gelder zur Aufnahme des Geschäftsbetriebes verwendet (BGH 15, 66 ff.; vgl. auch Wolany in die Akt.Ges. 66,121 ff.). Wie die Legitimation des Vorstandes f ü r das Konto zu führen ist, solange er noch nicht im Handelsregister eingetragen ist, der Schutz des § 15 H G B also noch nicht besteht, ist unklar. Die Bestellungsurkunde gibt keine Gewähr dagegen, daß der Vorstand nicht inzwischen wieder abberufen ist. Der Vorstand dürfte vor Eintragung der Gesellschaft nur dann ermächtigt sein, Einzahlungen über den gesetzlichen oder satzungsmäßigen Mindestbetrag hinaus entgegenzunehmen, wenn es die Satzung besonders gestattet. Anm. 7: In allen Fällen müssen die Einzahlungen zur freien Verfügung des Vorstandes stehen, auch soweit sie erst nach der Eintragung geleistet werden. Zur Frage, wann Einzahlungen zur freien Verfügung des Vorstandes geleistet sind, siehe § 36 Anm. 13. Daß die Beträge zur freien Verfügung des Vorstandes stehen, haben die Gründer, die Vorstands- und die Aufsichtsratsmitglieder zu verantworten. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist bei der Anmeldung zu erklären und durch schriftliche Bestätigung des Kreditinstituts nachzuweisen (§37). Demnach müssen Gründer und Aufsichtsrat bei der Bestimmung der Einzahlungsstelle mitwirken. Unklar ist, wie sich der Einlageschuldner selbst bei Zahlung auf ein Konto dessen versichern soll, daß der eingezahlte Betrag zur freien Verfügung des Vorstandes steht. Das Gesetz mutet ihm dies zu, in dem es durch das Wort „kann" zum Aus281

§ 54

Anm. 7,8

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

druck bringt, daß die Einlageschuld nicht getilgt ist, wenn diese Voraussetzung nicht besteht. Wenn der Schuldner nicht die Barzahlung an den Vorstand oder die Einzahlung oder Überweisung auf Postscheckkonto, sondern Einzahlung oder Überweisung auf ein für den Vorstand oder die Gesellschaft eingerichtetes Konto wählt, muß er sich demnach ausdrücklich von dem Kreditinstitut bestätigen lassen, daß seine Einlage zur freien Verfügung des Vorstandes steht (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 17; Kölner Komm. Anm. 32; a. A. Schl.-Qu. § 49 Anm. 8). Er kann sich auch dadurch sichern, daß er die Einzahlung auf das Konto unter der Bedingung tätigt, daß der Betrag zur freien Verfügung des Vorstandes steht. Die durch Einzahlung entstandenen Guthaben auf den Konten, die auf den Namen der Gesellschaft lauten, sind Forderungen. Lauten die Konten auf den Vorstand, so gelten sie kraft ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes als Forderungen der Gesellschaft. In beiden Fällen sind die Konten Gesellschaftsvermögen der errichteten Gesellschaft (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 18; a. A. Ritter § 49 Anm. 6) und werden Vermögen der Gesellschaft durch deren Eintragung. Sie gehören also im Konkurs des Vorstandes nicht zur Masse, seine Gläubiger können sie nicht pfänden. Er macht sich einer Untreue oder Unterschlagung schuldig, wenn er darüber zu seinen eigenen Gunsten verfügt, andererseits unterliegen sie dem Zugriff der Gläubiger der Gesellschaft und vor der Eintragung, soweit es in diesem Zeitabschnitt Verpflichtungen der Gesellschaft geben kann (z. B. gegen die Gründungsprüfer), dem Zugriff der Gläubiger dieser Verpflichtungen. Auch soweit dem Vorstand Bargeld übergeben ist, ist es Vermögen der Gesellschaft, solange er es nidit verwendet. Auch wenn das Konto auf seinen Namen errichtet ist, ist es Treugut und Vermögen der Gesellschaft. Das wäre nur anders, wenn er mit dem übergebenen Geld Einzahlungen auf ein für ihn schon bestehendes Privatkonto macht, etwa um eine Bankschuld zu tilgen; hierin läge eine Unterschlagung, durch welche eine Forderung für die Gesellschaft gegen die Bank nicht entstehen kann. Obwohl die Einzahlung zur freien Verfügung des Vorstandes stehen muß, darf er nach § 36 II vor der Anmeldung nur in beschränktem Umfang darüber verfügen, aber er darf bares Geld, das er empfangen hat, auf ein Konto der Gesellschaft oder des Vorstandes einzahlen, vorausgesetzt, daß er über dieses künftig frei verfügen kann. Anm. 8: Wenn die Einzahlung vor der Eintragung die Voraussetzungen des Abs. 3 nidit erfüllt, bleibt die Schuld bestehen, d. h., der Einlageschuldner hat noch einmal zu zahlen (RG 144, 138 und 348). Die Gründer haften für die fehlende Einzahlung (§ 46), der Aufsichtsrat und Vorstand haften auf Schadenersatz (§ 48). Da aktienrechtliche Grundsätze den bürgerlich-rechtlichen vorgehen, kann auch nicht nach 5 819 BGB geholfen werden. Wohl aber 282

Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

Anm» 8,9 wird der auf nochmalige Zahlung belangte Aktionär aus seiner ersten Zuwendung einen Bereicherungsanspruch gegen die Gesellschaft in der Höhe besitzen, in welcher zur Zeit der Geltendmachung dieses Anspruchs seine Zuwendung noch im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, jedoch ohne daß es möglich wäre, den Einwand der Bereicherungsminderung durch Hinweis auf schlechten Glauben der Gesellschaft auszuschließen. Zu einer einseitigen Aufrechnung dieses Bereicherungsanspruchs ist der Aktionär jedoch nicht berechtigt (§ 66). Vorstehendes gilt nur, wenn der Aktionär die Einlage nicht richtig oder nicht zur freien Verfügung des Vorstandes geleistet hatte. Hatte er dies getan und somit die Einlageschuld erfüllt, kann natürlich von ihm nicht nochmalige Erfüllung verlangt werden, etwa weil der Vorstand vor der Eintragung der Gesellschaft den Betrag der Einlage bereits ausgegeben hat und deshalb bei der Anmeldung die erforderliche Versicherung nicht abgeben und die Eintragung der Gesellschaft nicht herbeiführen kann (BGH 15,66 ff.). 2. Weitere Verpflichtungen a) Ausschluß weiterer Verpflichtungen im allgemeinen Anm. 9: Der Ausschluß weiterer Verpflichtungen der Aktionäre ist im Gesetz nicht ganz eindeutig ausgesprochen. Der Wortlaut würde nicht ausschließen, daß die Aktionäre zu Nebenleistungen, die keine Einlagen sind (z. B. fortdauernden Dienstleistungen) verpflichtet werden können. Dann würde aber § 55 überflüssig sein, welcher bestimmte Nebenleistungsverpflichtungen unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt. Aber auch Abs. 1 selbst wäre überflüssig, denn daß die Verpflichtung zur Einlage nicht auf der Verbandsgewalt beruht, sondern auf der Übernahmeerklärung bei der Gründung oder der Zeichnung der neuen Aktien (Zeichnungsschein § 185), für deren Inhalt nur diese selbst maßgebend sein kann, ergeben die Vorschriften über die Gründung und die Kapitalerhöhung. Absatz 1 sagt daher, daß weder durch Satzung noch durch Ausübung der Verbandsgewalt noch durch Verträge irgendwelche Verpflichtungen der Aktionäre als solche neben der Verpflichtung zur Entrichtung der Einlage begründet werden können, von den gesetzlich besonders zugelassenen Ausnahmen (§§ 55, 63 II) abgesehen. Es handelt sich dabei sogar um einen das Wesen der deutschen Aktiengesellschaft mitbestimmenden zwingenden Rechtsgrundsatz. Demnach ist es insbesondere ausgeschlossen, in der Satzung vorzusehen, daß die Aktionäre verpflichtet sind, der Gesellschaft darlehens- oder nachschußweise Mittel zur Verfügung zu stellen oder daß sie für Verpflichtungen der Gesellschaft haften, ferner daß sie verpflichtet sind, der Gesellschaft Dienste zu leisten, insbesondere als Mitglied des Aufsichtsrates oder Vorstandes oder durch Annahme der Wahl oder der Bestellung zum Mitglied des Aufsichtsrates oder Vorstandes einer anderen Gesellschaft, sich der Verfügung über die Aktien ganz oder unter gewissen Voraussetzungen zu ent283

§ 54 Anm. 9,10

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

halten oder nur mit Zustimmung der Gesellschaft darüber zu verfügen (Ausnahme § 68) oder die Aktien vor Verkauf anderen Aktionären oder Dritten zum Vorkauf anzubieten oder unter gewissen Voraussetzungen der Gesellschaft oder Dritten entgeltlich oder unentgeltlich zu überlassen (entgeltlich verboten durch §§ 57 u. 71; a. A. RG 120, 177 und dieser Entscheidung folgend B.-H. § 237 Rn. 6) oder bei der Veräußerung Beschränkungen zu beobachten, ferner sich dauernd in bestimmter Weise zu verhalten, insbesondere keinen Wettbewerb zu üben oder Stillschweigen zu wahren, einem Verein anzugehören, Geschäfte nur mit der Gesellschaft oder bestimmten Dritten zu machen usw. (ebenso h. L.; für viele Kölner Komm. Anm. 11). Es ist auch nicht zulässig, die Einziehung (Verwirkung) der Aktien für den Fall eines bestimmten Verhaltens anzudrohen; auch nicht für den Fall, daß ein bestimmter Aktienhöchstbesitz überschritten wird. Davon verschieden ist die Frage, ob die Einziehung der Aktien für einen Fall vorgesehen werden kann, der in der Person eines Aktionärs ohne sein Zutun unwillkürlich eintritt. Dies ist für die Inhaberaktie zu verneinen, weil es mit dieser unvereinbar ist, daß persönliche Eigenschaften des Aktionärs eine Rolle spielen. Dagegen ist es bei vinkulierten Namensaktien unseres Erachtens wenigstens für den Fall außerrechtsgeschäftlichen Erwerbs zu bejahen, weil bei diesen das Interesse der Gesellschaft an der Person des Aktionärs gesetzlich verankert ist. Darüber hinaus dürfte bei diesen auch ohne Aktionärswechsel an den Eintritt oder Verlust bestimmter persönlicher Voraussetzungen die Einziehbarkeit der Aktien geknüpft werden können. Anderes gilt für Vereinbarungen der Aktionäre untereinander (Poolvertrag; vgl. Anm. 10 a. E.). b) Persönliche Verpflichtung der Aktionäre Anm. 10: Nur die Aktionäre als solche können zu Leistungen über die Einlage hinaus weder durch Satzung, noch Verbandsgewalt, noch vertraglich verpflichtet werden. Wohl aber können alle oder einzelne Aktionäre persönliche Verpflichtungen über die Einlage hinaus übernehmen, die nicht mit der Aktie verknüpft sind (ebenso die herrschende Lehre für viele Kölner Komm. Anm. 16 ff.). Diese Verpflichtung geht aber bei Veräußerung der Aktie nur dann auf den Erwerber über, wenn er sie besonders übernimmt. Sie können in der Satzung vorgesehen sein (B.-H. Rn. 6); dies bedeutet nicht, daß ein Erwerber der Aktie ohne eigene Verpflichtungserklärung in die Verpflichtung eintritt. Man wird sich bei einem Verkehrspapier auch hüten müssen, zu weit zu gehen, etwa zu sagen, daß der Erwerber von der Satzung Kenntnis nehmen und ohne weiteres nach § 157 BGB die darin vorgesehene persönliche Verpflichtung als eigene anerkennen müsse. Die Gesellschaft hat eine Übernahme der Verpflichtung durch den Erwerber der Aktie zu beweisen (a. A. Goldschmidt in JW 1928, 2619); bei Kenntnis des Erwerbers von der Aufnahme der Verpflichtung in der Satzung gibt der Kölner Komm. 284

Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

Anm. 10

(Anm. 19) dem Erwerber die Beweislast für seine Behauptung, die Verpflichtung nicht übernommen zu haben, da in diesem Falle Übernahme konkludent erfolgt sei. Auf diesem Wege kann mit dem derzeitigen Aktionär alles, diesen persönlich verpflichtend, vereinbart werden, was zu Lasten des jeweiligen Aktionärs nicht bestimmt werden kann. Bei Namensaktien kann nach § 68 II die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung vorbehalten und diese davon abhängig gemacht werden, daß der Erwerber in die Verpflichtung eintritt. Es kann in der Satzung sogar vorgesehen werden, unter welchen Voraussetzungen die Zustimmung erteilt werden kann. Nicht nur die persönliche, also in der Person jedes Aktienerwerbers zu erneuernde Verpflichtung zu persönlichen Leistungen, kann auf diesem Wege bei Namensaktien verankert werden, sondern auch die persönliche Verpflichtung, bei der Übertragung bestimmte Beschränkungen zu beachten (z. B. die Aktie nicht an einen Ausländer oder an jemand zu übertragen, dessen Aktienbesitz dadurch eine satzungsmäßige Höchstzahl überschreiten würde). Bei der Pfändung und im Konkurse des Verpflichteten versagen solche Verpflichtungen, auch der Vorbehalt der Zustimmung zur Übertragung (RG 70, 641; 142, 373; a. A. Mügel in Soz.Pr. 1939, 991). Für einen solchen Fall kann in der Satzung die Zulässigkeit der Zwangseinziehung vorgesehen werden. Natürlich aber sind solche Bestimmungen für Aktien unerträglich, die zum Börsenhandel zugelassen werden sollen. Die Zulassungsstelle würde die Zulassung verweigern. Aber für den Aufbau der Kartelle waren sie sehr wichtig. Bei Inhaberaktien ist ein solcher Schutz einer nur persönlichen Verpflichtung nicht möglich, sie sind daher bei diesen selten, obwohl es häufig vorkommt, daß der Übernehmer von Aktien sich verpflichtet (sogenanntes mittelbares Bezugsrecht). In einer vielbesprochenen und mit Recht viel widersprochenen Entscheidung hat das Reichsgericht (RG 120, 177, J W 28, 1556) unter den Voraussetzungen des § 192 I S. 2 AktG 37 die Zwangseinziehung durch Auslosung zugunsten eines Dritten als zulässig anerkannt, weil der Aktionär dadurch nicht verpflichtet werde, sein Aktienrecht einem Dritten zu übertragen, sondern die Gesellschaft ihm das Aktienrecht nehme, aber in angeblich zulässiger Ausgestaltung des Aktienrechts, nicht um das Recht zu vernichten, sondern um es einem Dritten zu übertragen. Wir schließen uns der Mehrzahl (Barz in Großkomm. Anm. 7; Ritter Anm. 14 zu § 92) an, welche die Zulässigkeit dieser Ausgestaltung bestreitet, denn sie liefe günstigstenfalls darauf hinaus, daß in zulässigen Formen, nämlich wenn man in freier Ausgestaltung die Zwangseinziehung zu anderen als zu Zwecken der Vernichtung als zulässig erachtet, der materiell von dem Gesetz verpönte Erfolg herbeigeführt wird, daß einem Aktionär zu gesellschaftsfremden Zwecken das Recht genommen wird, um es seitens der Gesellschaft einem Dritten zu übertragen, dem es unmittelbar zu übertragen er nach ausdrücklicher Vorschrift des § 54 I weder durch Satzung noch durch Verbandsgewalt noch auch in seiner Eigen285

§ 54 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 10—12 schaft als Aktionär durch Vertrag verpflichtet werden kann. Die Ausgestaltung muß da innehalten, wo sie im Ergebnis einen Erfolg herbeiführen würde, welcher einem vom Gesetz ausdrücklich untersagten Erfolg völlig gleichkommt. Auch im Wege eines Sondervorteils nach § 26, wenn der Dritte zugleich Aktionär ist, kann ein solches Recht nicht bedungen werden. Von den persönlichen Verpflichtungen der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft zu unterscheiden sind Verpflichtungen, die die Aktionäre gegenseitig vereinbaren, die sogenannten Poolverträge. Hier ist jede Art von Bindung, einschließlich der Ausübung des Stimmrechtes, zulässig (vgl. Anm. 7 u. 8 zu § 136). c) Verpflichtungen im Fall des Verzugs des Aktionärs Anm. 11: Absatz 1 wird durch die §§ 63 ff. ergänzt. Daraus ergibt sich, daß die Einlagepflicht für den Fall erhöht werden kann, in dem sich der zahlungspflichtige Aktionär in Verzug befindet. Absatz 1 schließt daher nidit aus, daß der Aktionär verpflichtet sein kann, Verzugszinsen oder eine Vertragsstrafe zu zahlen oder Schadenersatz zu leisten. Diese Bestimmungen bilden andererseits jedoch die äußerste Grenze der Verpflichtung des Aktionärs zu Geldleistungen. d) Freiwillige Leistungen des Aktionärs Anm. 12: Begrenzt wird nur die Verpflichtung der Aktionäre. Freiwillige Leistungen sind unbegrenzt zulässig. Inwieweit ein wirtschaftlicher Zwang zu rechtlich freiwilligen Leistungen, insbesondere Zuzahlungen (zwecks Vermeidung stärkerer Zusammenlegung oder zwecks Umwandlung in Vorzugsaktien) durch einen mit der Unterlassung der Leistung verbundenen Nachteil ausgeübt werden darf, ist in Anm. 7 zu § 11 dargelegt. Ein reditlicher Zwang, etwa durch Androhung der Zwangseinziehung in der ursprünglichen Satzung und deren Vornahme ist jedenfalls mit Abs. 1 unvereinbar (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 9 und 11; Kölner Komm. Anm. 16). Die Zulässigkeit freiwilliger Leistungen schließt aber nicht die freiwillige Übernahme von Verpflichtungen ein, welche die Aktionäre als solche treffen. Abs. 1 schließt zufolge der ihm nach Anm. 9 zu gebenden Tragweite auch jede Ausgestaltung der Gesellschaft in dem Sinne aus, daß der Aktionär in der Satzung verpflichtet werden kann, sein jeweiliges Verhalten als Aktionär, insbesondere bei Ausübung der gesellschaftlichen Rechte, dem anzupassen, daß er Gesellschafter ist und dabei die Rücksicht auf das Wohl der Gesellschaft zur Richtschnur zu nehmen. Noch mehr gilt dies von Verpflichtungen des Aktionärs als solchem gegenüber Mitaktionären als solchen. So ist die freie Stimmrechtsausübung auch zur Verfolgung gesellschaftsfremder Vorteile gewährleistet (§117 VII Anm. 6) und nur im eingeschränkten Maße auf Grund solcher Stimmrechtsausübung die Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses zugelassen (vgl. § 243 II Anm. 3). 286

Neben Verpflichtungen der Aktionäre

§§54/55

Anm. 13 e) Sogenannte Hilfspflichten Anm. 13: Daß die Hauptverpflichtung sich auf die Einlage begrenzt, schließt nicht aus, daß den Aktionären Verpflichtungen zur Sicherung dieser Hauptverpflichtung auferlegt werden können, welche auf deren Erfüllung abzielen und — davon abgesehen — keinen eigenen vermögensrechtlidien Inhalt haben. Derartige Hilfspflichten können nach dem Gesagten nur bei nicht vollbezahlten Aktien vorkommen. Hierher gehört die Hinterlegung von Wechseln in Höhe der Resteinzahlung (namentlich bei Versicherungsaktien in Gebrauch), die Verpflichtung, sowohl eine Verlegung des Wohnsitzes, als auch die Übertragung der Aktien und den Tod des Aktionärs anzuzeigen. Unzulässig sind Satzungsbestimmungen, wonach die Gesellschaft berechtigt sein soll, die Aktie unter Umständen, welche die Hauptverpflichtung gefährdet erscheinen lassen, auf einen Dritten zu übertragen, denn es wird als Hilfsverpflichtung nicht statthaft, was aus anderen aktienrechtlichen Gesichtspunkten unstatthaft ist. Dazu gehört aber die Verpflichtung, die Aktie zu übertragen, weil ein Aktionär wegen Nichterfüllung der Hauptverpflichtung des Aktienrechts nur gemäß § 64 verlustig erklärt werden kann (jetzt auch Rowedder in Möhr Schw. S. 45).

§ 55 Nebenverpflichtungen der Aktionäre (1) Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so kann die Satzung Aktionären die Verpflichtung auferlegen, neben den Einlagen auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen. Dabei hat sie zu bestimmen, ob die Leistungen entgeltlidi oder unentgeltlich zu erbringen sind. Die Verpflichtung und der Umfang der Leistungen sind in den Aktien und Zwischenscheinen anzugeben. (2) Die Satzung kann Vertragsstrafen für den Fall festsetzen, daß die Verpflichtung nidit oder nicht gehörig erfüllt wird. I. Übersicht (Anm. 1) II. Die Nebenleistungspflicht 1. Voraussetzungen (Anm. 2) 2. Festsetzung in der Satzung (Anm. 3) 3. Inhalt der Nebenleistungspflicht (Anm. 4 bis 6) 4. Entgelt f ü r Nebenleistungen (Anm. 7) 5. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 8)

6. Beendigung der Nebenleistungspflicht (Anm. 9) 7. Abtretung und Pfändung (Anm. 10) III. Nebenleistungsrecht (Anm. 11) IV. Nebenleistungs-AG und Kartell (Anm. 12) V. Angabe in der Aktienurkunde (Anm. 13) VI. Vertragsstrafe (Anm. 14)

287

§ 55

Anm. 1,2

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt im wesentlichen § 50 AktG 37 und erweitert den notwendigen Satzungsinhalt dahin, daß anzugeben ist, ob die Nebenleistung entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen ist. Sie macht den Bedürfnissen der Zuckerindustrie zuliebe eine Ausnahme von dem unpersönlichen, rein sachlichen Charakter der Aktiengesellschaft und der Aktienrechte und von dem Grundsatz des § 54 I, daß die Verpflichtungen des Aktionärs als solchem ein für allemal ziffernmäßig begrenzt sind. Sie gestattet, ein individuelles Moment dadurch zu begründen, daß den Aktionären — und zwar als solchen — persönliche Leistungen neben der Einlage körperschaftsrechtlich aufgebürdet werden. Immer aber muß daneben das Mindestgrundkapital gezeichnet und müssen darauf Einlagen als Hauptverpflichtung übernommen und wenigstens mit 25 ®/o eingezahlt werden. Zum Grundkapital selbst gehören aber die Nebenleistungen nicht. Die für dessen Bindung und Erhaltung gegebenen Vorschriften gelten also nicht auch für sie, sie können daher z. B. erlassen werden. Die Besonderheit der Verpflichtung zu Nebenleistungen liegt darin, daß sie die Aktionäre körperschaftsrechtlich als solche belastet. Sie geht deshalb durch die Veräußerung der Aktien nach zwingendem Recht auf den Erwerber über, auch wenn er sie durch Pfandversteigerung oder vom Konkursverwalter erwirbt. Der Erwerber haftet jedoch nicht für Rückstände, diese hat nach herrschender Ansicht der Veräußerer zu erfüllen. Der Veräußerer scheidet im übrigen aus der Verpflichtung aus (s. aber Anm. 13). Es ist nicht zulässig, in der Satzung seine Forthaftung vorzusehen, schon deshalb nicht, weil sich daraus eine Geldverpflichtung ergeben würde. Wohl aber kann die Gesellschaft die Forthaftung des Veräußerers persönlich herbeiführen, indem sie mit ihm einen gesonderten dahingehenden Vertrag schließt. II. Die Nebenleistungspflicht 1.

Voraussetzungen

Anm. 2: Voraussetzung für die Zulässigkeit der Nebenleistungsverpflichtung ist, daß es sich um Namensaktien handelt (§ 67) und daß die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist (§ 68 II). Die Verpflichtung und das Interesse an ihrer Erfüllung, die für den Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaft bedeutungsvoll ist, rückt die Aktie aus der der Inhaberaktie anhaftenden Entpersönlichung heraus. Die Aktiengesellschaft ist hier interessiert an der Person des Aktionärs, seiner Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit und an der Erhaltung eines leistungsfähigen Mitgliederbestandes. Sie muß auch wissen, wer Aktionär ist, um ihren Anspruch auf die Nebenleistung verfolgen zu können. Die Verpflichtung setzt deshalb auch eine stärkere gesellschaftliche Verbindung des jewei288

Nebenverpflichtungen der Aktionäre

§ 55

Anm. 2,3

iigen Aktionärs mit der Gesellschaft voraus. Die Gesellschaft kommt dadurch in die Lage, einen Rechtsübergang zu verhindern, der die Gefahr der Nichterfüllung der Verpflichtung mit sich bringt, auch Sicherheiten für die Erfüllung zu schaffen, indem sie ihre Zustimmung von der Gewährleistung des Veräußerers der Aktien oder auch davon abhängig macht, daß der Erwerber etwaige Rüdestände übernimmt (§ 68 II). Hierbei ist zu beachten, daß nur bei rechtsgeschäftlicher Übertragung die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist. Der Erbe benötigt daher keine Zustimmung und haftet mit der Annahme der Erbschaft auch für die Nebenleistungspflicht. Aktien einer AG, in der Erzeugnisse des Hofes verarbeitet oder verwertet werden, gehören dann zum Hof, wenn die Aktien mit einer Lieferpflicht nebst Lieferrecht und Vergütungsanspruch verbunden sind (BGH in Die AktGes 1966, 221). Wird eine Erbengemeinschaft in eine Personengesellschaft, eine Personengesellschaft in eine andere Gesellschaft umgewandelt oder eine Erbengemeinschaft auseinandergesetzt, so liegt unseres Erachtens eine rechtsgeschäftliche Übertragung vor, so daß die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist (vgl. für den Problemkreis im einzelnen Rob. Fischer in J Z 1956, 363). 2. Festsetzung in der Satzung Anrn. 3: Die Verpflichtung zur Leistung muß in der ursprünglichen Satzung festgesetzt sein, nachträglich kann sie nur mit Zustimmung der betroffenen Aktionäre eingeführt, erhöht oder verschärft werden (§ 179 III u. dort Anm. 7—10). Eine Verschärfung oder Erhöhung liegt auch in der Einführung oder Erhöhung einer Vertragsstrafe (RG 121, 238) oder in einer Verringerung des Entgeltes oder in einer Verlängerung der Dauer (RG 136, 185). In der Einführung, Erhöhung oder Verschärfung liegt immer eine Satzungsänderung. Es ist also ein Beschluß der Hauptversammlung erforderlich, zu dem als zusätzliches weiteres Erfordernis die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre hinzutreten muß. Diese kann in der Hauptversammlung erklärt werden, wenn alle Aktionäre an dieser teilnehmen oder auch nachträglich und formlos durch schlüssige Handlungen (ebenso Würdinger S. 44). Bis zur Zustimmung ist der Beschluß schwebend unwirksam (RG 136, 189; 148, 186). Fehlt es aber auch nur an der Zustimmung eines einzigen Aktionärs, ist der Beschluß für alle wirkungslos (nicht nichtig oder anfechtbar), auch für jene, die zugestimmt haben (vgl. R G 121, 238; 136, 185). Die Zustimmung aller ist dem Registergericht vor Eintragung des Beschlusses, der eine Satzungsänderung enthält und deshalb eingetragen werden muß (RG 136,192), öffentlich beglaubigt oder beurkundet nachzuweisen. Soll der Beschluß für diejenigen, welche zugestimmt haben, auch dann wirksam sein, wenn einzelne die Zustimmung ablehnen, so muß dies in dem Beschluß und in der Zustimmung 289

§ 55 Anm. 3—5

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

zum Ausdrude kommen (RG 136, 313), es entstehen dann verschiedene Aktiengattungen. Nach dem neu eingefügten Satz 2 in Absatz 1 muß die Satzung bestimmen, ob die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sind. Im übrigen genügt es, wenn die Satzung den Rahmen für die Art der übernommenen Verpflichtungen feststellt, innerhalb dessen dann die im einzelnen genauere Ausgestaltung der übernommenen Verpflichtungen in einer bestimmt vorgeschriebenen Weise stattfinden kann und soll (RG 136, 318; H R R 1937 N r . 1450). Die Satzung kann auch einen Dritten zur Bestimmung berufen, dann ist § 315 ff. BGB entsprechend anwendbar. Innerhalb dieses bestimmten Rahmens kann auch schon in der Satzung eine Vermehrung oder Verschärfung der Nebenleistungspflichten nadi bestimmter Richtung vorgesehen werden; dann kann diese durch Mehrheitsbeschluß oder in einer von der Satzung vorgeschriebenen Weise erfolgen (RG 131,243). Die Nebenleistungen brauchen nicht allen Aktionären, auch nicht allen gleich obzuliegen, denn die Satzung kann verschiedene Aktien schaffen und damit einen Gattungsunterschied herstellen. Ein soldier besteht nicht nur bei unterschiedlichen Rechten, sondern kann auch in unterschiedlichen Lasten begründet sein (h. L.; für viele Baumbach-Hueck § 50 Rn. 4). 3. Inhalt der

Nebenleistungspflicbt

Anm. 4: Die Leistung muß eine wiederkehrende sein, darf also keine einmalige Leistung sein; darum kann auch nicht auf diesem Wege eine Verpflichtung festgesetzt werden, die Aktien der Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen zu überlassen oder irgendeine dauernde Leistung zu vollbringen, auch nicht ein bestimmtes Verhalten dauernd zu üben. Unzulässig ist also die Festsetzung eines Wettbewerbsverbotes (bestritten). Wiederkehrend ist aber weder gleichbedeutend mit »in regelmäßigen Zeitabschnitten wiederkehrend" noch mit »gleichbleibend". Anm. 5: Der Inhalt der Nebenleistung darf nicht in Geld bestehen. Darum scheiden alle gegenseitigen Verträge aus, bei welchen der Aktionär zu einer Gegenleistung in Geld verpflichtet ist. Doch ist es zulässig, die Nebenleistungspflicht durch Hilfspflichten zu ergänzen oder so zu spezialisieren, daß z. B. gesagt wird, die von den Aktionären zu liefernden Rüben müßten aus Samen gezogen sein, den die Gesellschaft geliefert hat, oder von Feldern stammen, welche mit Dünger gedüngt sind, den die Gesellschaft geliefert hat (Ritter § 49 Anm. 3 b). Mittelbar ergibt sich daraus wohl die Notwendigkeit für den Aktionär, Samen und Dünger von der Gesellschaft zu beziehen und an sie zu bezahlen, aber dies ist keine — geschweige gesellschaftsrechtliche — Verpflichtung. Die Gesellschaft würde von ihm nicht Schadenersatz wegen Nichterfüllung einer Bezugspflicht verlangen können, wenn der Aktionär den 290

Nebenverpfliditungen der Aktionäre

§55 Anm. 5—7

Samen bei ihr nicht kauft, vielmehr nur evtl. wegen Lieferung nicht richtiger Rüben. Der Aktionär kann sich von der Gesellschaft gelieferten Samen oder Dünger von einem Dritten verschaffen. Ferner scheiden Verpflichtungen zu Leistungen aus, die nur ein bestimmter Aktionär in eigener Person leisten kann, da die Verpflichtung den Aktionär als solchen treffen und daher von jedem Erwerber der Aktien erfüllt werden können muß. Anm. 6: Die Verpflichtung ist ebenso wie die Leistung der Einlage, welche sie an Wichtigkeit nicht selten übertrifft, eine der Grundlagen, auf welcher die Gesellschaft aufgebaut ist. Es ist daher auch hier nach Eintragung der Gesellschaft eine Berufung auf Anfechtbarkeit, selbst wegen Betruges der Gesellschaft, ausgeschlossen und die Berufung auf Nichtigkeit nur wegen Geschäftsunfähigkeit möglich (bestritten; wie hier Sdil.-Qu. § 50 Anm. 7; Ritter Anm. 4 a, Fischer in Großkomm. Anm. 11; Robert Fischer JZ 1954, 428; Ganßmüller in GmbH-Rdsch. 1955,172 ff.; a. A. Lobedanz, 172). Ein Ausschluß eines säumigen Aktionärs nach § 64 ist nicht zulässig (vgl. Anm. 3 zu § 64), ebensowenig eines Aktionärs, wenn die Leistung durch sein Verschulden dauernd unmöglich wird. Es bleibt nur die Klage auf Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung. Sind in der Satzung, was nach Abs. 2 ausdrücklich zulässig ist, Vertragsstrafen vorgesehen, so können selbstverständlich auch diese an Stelle der Ansprüche auf Erfüllung oder Schadenersatz geltend gemacht werden. Vormänner haften für Rückstände nicht (vgl. aber Anm. 1), Sonderrechtsnachfolger nur, wenn sie sich verpflichtet haben, die Rückstände zu übernehmen, etwa um zu erreichen, daß die Gesellschaft der Übertragung der Aktie auf sie zustimmte. Im Konkurs des Aktionärs hat die Gesellschaft eine Konkursforderung. 4. Entgelt für Nebenleistungen Anm. 7: Die gesellschaftsrechtliche Natur der Nebenleistungspflicht schließt nicht aus, daß die Gesellschaft eine Gegenleistung in Geld gewähren kann, und zwar auch ohne Rücksicht darauf, ob die Jahresbilanz einen Bilanzgewinn ergibt (§ 61). Abs. 1 S. 2 schreibt neu vor, daß die Satzung zu bestimmen hat, ob die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sind. Für Gesellschaften, die bereits bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes Nebenverpflichtungen in der Satzung festgesetzt haben, gilt diese Bestimmung gem. § 10 EG nicht. Änderungen des Gegenstandes des Unternehmens oder der Satzungsbestimmungen der Nebenleistungspflicht dürfen aber nur eingetragen werden, wenn zugleich bestimmt wird, ob die Leistung entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen ist. Die Höhe des Entgelts bestimmt § 61. Das Entgelt darf den Wert der Leistung nicht übersteigen. Mit dieser Einschränkung kann sie der jewei291

§ 55 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 7—9 ligen Festsetzung durch die Gesellschaftsorgane oder der Bestimmung nach § 315 BGB überlassen sein, auch § 316 BGB (Bestimmung durch den nebenleistungspflichtigen Aktionär nach billigem Ermessen) ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, kommt aber wohl nirgends vor; es könnte dabei der Grundsatz der Gleichmäßigkeit verletzt werden. Die Bestimmung der Gegenleistung ist, wenn sie durch die Gesellschaft erfolgt, ein gesellschaftlicher Akt und nicht ein solcher der Geschäftsführung. Man wird deshalb nicht sagen können, daß sie der Zuständigkeit der Hauptversammlung grundsätzlich entzogen ist (§ 119 II). Der Aufsichtsrat kann bestimmen, daß die Festsetzung der Gegenleistung nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden soll, dies kann auch die Satzung vorschreiben (§111 IV S. 2). Es ist außerdem zulässig (§ 60 III) und nicht ungewöhnlich, daß der Bilanzgewinn nach der Höhe der vollbrachten Nebenleistungen verteilt wird. 5. Anzuwendende Vorschriften Anm. 8: Ebensowenig wie ein Entgelt schließt die gesellschaftliche Natur der Nebenleistungspflicht aus, daß auf sie die §§ 242, 423 BGB (wenn es sich nicht, wie beim Rübenbau, um die eigene Ernte handelt), §§ 278, 283, 284, 249 BGB, ferner die Vorschriften über die Mängelhaftung, soweit diese nicht schon durch die aktienrechtliche Norm des § 61 (Wertaustausch) ersetzt sind, endlich auch, wenn ein Entgelt gewährt wird, aber auch nur sinngemäß §§ 320 ff. BGB anzuwenden sind (vgl. Barz in Großkomm. §50 Anm. 13; a. A. Müller-Erzbach, S. 323). Jedoch gehen aktienrechtliche Gesichtspunkte vor. Rücktritt, Ablehnung der Erfüllung und — die verzichtbare (§ 66) — Forderung auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (abstrakt oder nach Deckungskauf) kann sich immer nur auf die einzelne fällige Forderung beziehen. Das trifft auch auf die Befreiung wegen nicht zu vertretender Unmöglichkeit zu. Ein Fall nicht zu vertretender dauernder Unmöglichkeit der Nebenleistung des einzelnen Aktionärs ist schwer vorstellbar, mit der Ausnahme, daß sie eine Folge der Spaltung Deutschlands und der Enteignungsmaßnahmen der Sowjetzone ist (s. insow. GmbH-Rundsch. 1955,131). 6. Beendigung der Nebenleistungspflicht Anm. 9: Eine Beendigung der Nebenleistungspflicht kann durch Satzungsänderung erfolgen, bei der lediglich ein Beschluß der Hauptversammlung nach § 179 erforderlich ist, nicht aber auch die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre (Barz in Großkomm. Anm. 21). Eine Beendigung wird ferner herbeigeführt durch allgemeine Unmöglichkeit der Nebenleistung (RG 104, 349) — das hat keinen Einfluß auf den Bestand der Gesellschaft selbst (vgl. RG a. a. O.) — ferner durch Auflösung der Gesellschaft (RG 125, 114), nicht durch Fusion (RG 136, 136). 292

Nebenverpflichtungen der Aktionäre

§55

Anm. 9—11

Von diesen allgemeinen Beendigungsgründen abgesehen, besteht die Frage, wodurch die Beendigung der mit der einzelnen Aktie verbundenen Nebenleistungspflicht herbeigeführt werden kann. Dies kann nicht durch ihre Veräußerung geschehen, nicht durch Abandon, auch nicht durch zu vertretendes subjektives Unvermögen, insbesondere nicht durch Veräußerung der Grundlage für ihre Erfüllung (z. B. des Rübengutes), ohne gleichzeitige Mitveräußerung der Aktie, nicht durch Konkurs des Aktionärs (aber die Lieferschuld ist nicht etwa Masseschuld). Ist die Aktie mit einer Lieferpflicht nebst Lieferrecht und Vergütungsanspruch verbunden, so gehört die Aktie zum Rübengut, so daß die Aktie beim Verkauf des Gutes mit übergeht (BGH in Die AktGes 1966, 221). Die Beendigung der Nebenleistungspflicht kann auch selbstverständlich nicht durch den Tod des Aktionärs eintreten (über die H a f tung der Erben s. Anm. 2, sowie Anm. 17 zu § 68). Da der Aktionär ohne Zustimmung der Gesellschaft nicht veräußern kann und, solange er die Aktie besitzt, zur Nebenleistung verpflichtet ist, ist besonders wichtig die Frage, ob er diesem Zustand durch Kündigung ein Ende bereiten kann. Rechtsprechung (RG 128, 17; BGH 9, 162, 163) und Literatur (Scholz, Ausschließung und Austritt aus der GmbH 1950, 10 ff.; Baumbach-Hueck Rn. 13; Barz in Großkomm. Anm. 27) gewähren ein solches Kündigungsrecht als letzten und äußersten Notbehelf (a. A. Ritter § 50 Anm. 4; Schi.-Qu. § 50 Anm. 7). Die Folge würde die Zulässigkeit der Zwangseinziehung und das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte bis dahin sein. 7. Abtretung und Pfändung Anm. 10: Abtretung und Pfändung der Forderung der Gesellschaft auf die Nebenleistung ist ausgeschlossen, weil die Leistung nicht ohne Veränderung ihres Inhalts an einen anderen bewirkt werden kann (§ 399 BGB; ebenso RG 136, 315; a. A. Ritter § 50 Anm. 3 a). Das schließt die Abtretung mit Zustimmung des davon betroffenen Aktionärs nicht aus, sie ist auch in diesem Fall nur nach aktienrechtlichen Grundsätzen zulässig. In Wirklichkeit geschieht sie häufig (s. den Fall RG 149, 395 ff.). Über Verschmelzung s. RG 136, 313. III. Nebenleistungsrecht Anm. 11: Der Nebenleistungspflicht entspricht meist ein Nebenleistungsrecht. Dieses ist aber nicht etwa aus ersterer abzuleiten, selbst dann nicht, wenn die Gesellschaft eine Gegenleistung zu erbringen hat, denn auch dann liegt ein gegenseitiger Vertrag nicht vor, wenn auch die Bestimmungen über gegenseitige Verträge in gewissem Umfang anwendbar sind. Das Nebenleistungsrecht muß sich vielmehr aus der Satzung ergeben oder doch ableiten lassen. Es besteht in dem Anspruch auf Entgegennahme der Leistung, Abnahme ihres Gegenstandes (z. B. der Rüben), Gewährung der Gegenleistung 293

§ 55 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 11—12 und des ihr entsprechenden satzungsmäßigen Gewinnanteils. Es können auch Ausstrahlungen dieses Rechts bestehen, wie der Anspruch auf Lieferung des Rübensamens zum Selbstkostenpreis, letzterem Anspruch steht meistens eine Abnahmepflicht gegenüber (s. Anm. 5). Wo das Recht — wie meist — besteht, ist es ebenso unentziehbar (zweifelnd R G 104, 348), wie der Aktionär sich seiner Verpflichtung nicht entziehen kann. Bei Nichterfüllung stehen ihm die Rechte aus Gläubiger- und Schuldnerverzug der Gesellschaft zu, etwa auch aus den §§ 320 ff. BGB (s. Anm. 4 zu § 61; ebenso Barz im Großkomm. Anm. 15). Dieses Recht endigt nur durch die Undurchführbarkeit der Nebenleistung und ihrer Verwertung durch die Gesellschaft (RG 104, 349) oder durch Auflösung der Gesellschaft. Die Möglichkeit einer Beendigung durch Satzungsänderung bleibt auch hier gegeben. IV. Nebenleistungs-AG und Kartell Anm. 12: Die der Zulässigkeit von Nebenleistungen gezogenen, im Vergleich zu § 3 II GmbH-Gesetz engen Schranken machte die NebenleistungsAG im allgemeinen ungeeignet für Kartellzwecke. Für solche wurde daher wenig von ihr Gebrauch gemacht. Ob im einzelnen Fall ein Kartell vorliegt, hängt davon ab, ob von der Gesellschaft gesagt werden kann, daß sie einen Zusammenschluß ihrer nebenleistungspilichtigen Aktionäre darstellt, mit dem beabsiditigt ist, den Markt zu beherrschen oder doch zu beeinflussen; regelmäßig wird diese Voraussetzung nicht zutreffen. Wo sie ausnahmsweise zutrifft, ist das Kartellgesetz anzuwenden. V. Angabe in der Aktienurkunde Anm. 13: Angabe der Nebenleistung als einer gesellschaftlichen und daher auf den Erwerber übergehenden Verpflichtung und des Umfanges der Leistung in den Aktienurkunden und Zwischenscheinen ist vorgeschrieben. Unterbleibt die Angabe, so hat dies auf den Bestand der Verpflichtung keinen Einfluß, sie geht aber nicht auf den gutgläubigen Erwerber über (h. L.; für viele Kölner Komm. Anm. 24; a. A. nur Ritter § 50 Anm. 3 a), sondern sie verbleibt bei dem Veräußerer (s. Anm. 4 zu § 54). Andere Ansicht vertritt die herrschende Meinung, weil der Veräußerer nicht mehr Aktionär ist. Allein dies ist nicht stichhaltig, denn der Aktionär haftet, ohne noch Aktionär zu sein, auch für die Erfüllung der Einlageverpflichtung, und es wird auch bei unrichtiger Angabe der Teilleistung in der Aktienurkunde (§ 10 II) angenommen, daß der schlechtgläubige Veräußerer zur Erfüllung in dem Umfang verpflichtet ist, in welchem der gutgläubige Erwerber ausscheidet (vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. § 10 Anm. 11). Der Fall wird im Hinblick auf das Erfordernis der Zustimmung der Gesellschaft kaum eintreten können. 294

Aktienübernahme

§§55/56 Anm. 14

VI. Vertragsstrafe Anm. 14: Die Satzung kann vorschreiben, daß die Strafe in jedem Falle der Nicht- oder Schlechterfüllung zu verhängen ist. Ohne solche Vorschrift kann die Strafe nur festgesetzt werden, wenn den Aktionär ein Verschulden trifft. Auch Rechtsirrtum kann ein Verschulden ausschließen. Für die Strafen gelten die §§ 339—354 BGB, §§ 348, 351 HGB. Der Ausschluß kann als Vertragsstrafe nicht vorgesehen werden, weil dieser in § 64 erschöpfend geregelt ist, wohl aber die Zwangseinziehung (streitig, wie hier B.-H. Rn. 14).

§ 56 Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft oder durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (1) Wer als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts eine Aktie für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens übernommen hat, kann sich nicht darauf berufen, daß er die Aktie nicht für eigene Rechnung übernommen hat. Er haftet ohne Rücksicht auf Vereinbarungen mit der Gesellschaft oder dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen auf die volle Einlage. Bevor er die Aktie für eigene Rechnung übernommen hat, stehen ihm keine Rechte aus der Aktie zu. (2) Ein abhängiges Unternehmen darf keine Aktien der herrschenden Gesellschaft, ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen keine Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts übernehmen. Durch einen Verstoß gegen diese Vorschrift wird die Übernahme nicht unwirksam. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Obernahme für Rechnung der Gesellschaft 1. Haftung für die Einlage (Anm. 2) 2. Aktie ohne Rechte (Anm. 3) 3. Übernahme auf eigene Rechnung (Anm. 4) III. Sdiuldrechtliche Vereinbarungen mit der Gesellschaft (Anm. 5) IV. Strohmänner (Anm. 6) V. Übernahme für Rechnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens (Anm. 7)

VI. Zeichnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens 1. für sich selbst (Anm. 8) 2. für Rechnung des herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmens (Anm. 9) VII. Ausübung des Bezugsrechtes (Anm. 10) VIII. Zeichnung innerhalb eines Konzerns (Anm. 11)

295

§ 56

Anm. 1,2

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt ohne große Änderungen die Bestimmungen des § 51 AktG 37. Eine Änderung ist insofern vorgenommen worden, als der frühere Streit, ob die Ausübung eines Umtauschrechtes aus Wandelschuldverschreibungen der Ausübung eines Bezugsrechts nach § 165 AktG 37 gleichsteht, ausgeräumt worden ist. Das neue Gesetz schreibt diese Gleichstellung nunmehr ausdrücklich vor. Der in § 16 neu geschaffene Begriff eines in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens wird hier in dem Sinne behandelt, daß diese Unternehmen abhängigen Unternehmen gleichgestellt sind. Das sich aus der Natur der Dinge ergebende Verbot der Aktienzeichnung durch die Gesellschaft, selbst bei einer Kapitalerhöhung, wird als selbstverständlich nicht besonders ausgesprochen, jedoch geht das Gesetz von diesem Grundsatz aus. Die Vorschrift handelt nur von Aktien, welche bei Gründung oder Kapitalerhöhung von einem Gründer, also ursprünglich für Rechnung der Gesellschaft oder von einem von ihr abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen übernommen worden sind. Das sind die sogenannten Vorratsaktien. Dieser Ausdruck, der sich im Schrifttum eingebürgert hat, wird im Nachstehenden beibehalten, wobei aber betont sei, daß die auf abgeleitetem Wege erworbenen eigenen Aktien ( § 7 1 ) nicht darunter fallen und daß der Verkehr im allgemeinen nicht von einer „Übernahme für Rechnung der Gesellschaft" gesprochen hat, sondern meist von der Verpflichtung, die Aktien „zur Verfügung der Gesellschaft zu halten" oder „mit ihnen nach Weisung der Gesellschaft zu verfahren". Das ist deshalb wichtig, weil eine Übernahme für Rechnung der Gesellschaft im streng juristischen Sinn mit den daraus herzuleitenden bürgerlich-rechtlichen Folgen wohl niemals gewollt war, sondern nur der wirtschaftliche Erfolg, daß diese Vorratsaktien zur Verfügung der Gesellschaft stehen. Die Vorschrift handelt von der Zeichnung, darunter fällt nicht die Ausübung eines mittelbaren Bezugsrechtes (vgl. Anm. zu § 186), dieses ist abgeleiteter Erwerb, für sie gilt § 71 (siehe Anm. dort). II. Übernahme für Rechnung der Gesellschaft 1. Haftung für die Einlage Anm. 2: Die Ubernahmeerklärung und die Zeichnung sind gültig, desgleichen kommt das Aktienrecht selbst wirksam zur Entstehung. Daher kann das Registergericht die Eintragung nicht ablehnen. Auch das der Übernahme oder der Zeichnung usw. für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens oder durch ein solches zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist, da eine § 71 II S. 2 entsprechende Vorschrift fehlt, rechtsbeständig. Der Ubernehmer kann sich aber nicht darauf 296

Aktienübernahme

§56 Anm. 2—i

stützen, da er sidi nicht darauf berufen kann, daß er die Aktien nicht für eigene Rechnung übernommen habe. Er muß die Aktien daher voll bezahlen und hat keinen Erstattungsanspruch. Er ist verpflichtet, an die Gesellschaft zurückzuzahlen, was diese entgegen § 57 etwa zahlt und haftet nach § 62, wenn er Zahlungen von der Gesellschaft auf die Einlage zurückempfängt. Verkauft er die Aktien, so kann er sich aus dem Erlös wegen der von ihm geleisteten Zahlung befriedigen, ebenso im Falle der Auflösung der Gesellschaft aus dem Abwicklungsreinerlös, denn damit beruft er sich nicht darauf, daß er die Aktien nicht für eigene Rechnung gezeichnet hat. Den Überschuß aber hat er an die Gesellschaft aufgrund des mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisses vorbehaltlich der Anm. 4 herauszugeben (über das Agio bei Vorratsaktien vgl. Klussmann in BB 1965, 182). 2. Aktie ohne Rechte Anm. 3: Derjenige, der für Rechnung der Gesellschaft Aktien übernommen hat, hat keine Rechte aus der Aktie, also kein Stimmrecht, kein Anfechtungsrecht, kein Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen, das Wort zu nehmen oder Anträge zu stellen, Auskunft zu verlangen. Bei Berechnung des vertretenen Grundkapitals werden seine Aktien nicht mitgezählt. Wie kein Stimmrecht usw., hat er, wenn er für Rechnung der Gesellschaft übernommen hat, solange er sie nicht für eigene Rechnung übernimmt, auch kein Recht auf den Bilanzgewinn und kein Recht auf den Bezug neuer Aktien im Falle einer Kapitalerhöhung, es sei denn es handelt sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§210 Anm.2). Auch ein Recht, am Liquidationserlös teilzunehmen, steht ihm nicht zu. Dagegen kann er gegenüber der in Liquidation befindlichen Gesellschaft einen Auslagenanspruch geltend machen. Die Frage ist aber unerheblich, weil der Aktionär in der Abwicklung immer noch erklären kann, daß er die Aktie für eigene Rechnung übernimmt, wenn er sieht, daß er dadurch seine Einzahlung rettet. Ein mittelbares Bezugsrecht kann er ausüben, da es kein „Recht aus der Aktie" ist (s. § 71 Anm. 23). 3. Übernahme auf eigene Rechnung Anm. 4: Der Übernehmer muß das Recht aus der Aktie nur solange entbehren, bis er die Aktie für eigene Rechnung übernimmt. Er kann dies einseitig (a. A. Sehl.-Qu. § 51 Anm. 8; B.-H. Rn. 7; z. T. auch Barz in Großkomm. Anm. 5) und willkürlich erklären, weil er anderenfalls verurteilt wäre, unbeschränkt stillezuhalten und Risiken zu tragen, ohne Rechte genießen und ohne sich durch die Veräußerung der Aktie von diesem Zustand befreien zu können. Anderes kann sich jedoch aus dem zwischen dem Übernehmer und der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnis ergeben. Über die Behandlung des Erlöses durch die Gesellschaft vgl. § 150 Anm. 4. 297

§ 56

Anm. 5,6

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

III. Sdiuldreditliche Vereinbarungen mit der Gesellschaft Anm. 5: Beachtlich ist die Voraussetzung, daß der Übernehmer für Rechnung der Gesellschaft, also für deren Risiko, gehandelt haben will. Dies trifft nicht zu, wo er lediglich verpflichtet ist, der Gesellschaft einen Mehrerlös ganz oder teilweise zu überlassen (etwa wenn er nur zu pari gezeichnet hat) oder lediglich die Verpflichtung eingeht, die Aktien zur Verfügung der Gesellschaft zu halten oder nach ihren Weisungen zu verfahren. Derartige Vereinbarungen, bei denen der Übernehmer das Risiko seiner Übernahme selbst trägt, sind unbedenklich statthaft. Sie hindern die volle Ausübung aller Rechte aus der Aktie durch ihn nicht (ebenso Schl.-Qu. § 51 Anm. 4 u. 5; Kölner Komm. Anm. 10). Unstatthaft wäre lediglich, das Stimmrecht nicht nach eigenem Entschluß, sondern nach dem der AG auszuüben. Hierzu kann sich der Aktionär nicht verpflichten (§ 136 III). IV. Strohmänner Anm. 6: Es kann aber vorkommen, daß ein Strohmann (gutgläubig) für Rechnung von Mitgliedern der Verwaltung Aktien übernimmt, und daß zwischen diesen und der Gesellschaft Vereinbarungen bestehen, so daß er mittelbar für Rechnung der Gesellschaft übernommen hat. Auch in diesem Fall gilt § 56. Der Strohmann ist der Gesellschaft zur Einlage verpflichtet und kann die Rechte aus der Aktie nicht ausüben. Seine Ansprüche gegen seine Auftraggeber bestehen zu Recht, wie umgekehrt deren Ansprüche gegen ihn. Für deren Verhältnis zur Gesellschaft aber gilt das in Anm. 2—5 Gesagte. Es ist auch die sofortige Weitergabe der Aktien an den Auftraggeber durch den Strohmann denkbar, dann ist für letzteren das Verhältnis beendet, es sei denn, daß er nicht voll bezahlt hat und deshalb für die Vollzahlung forthaftet. Andernfalls kann er sich für seine Vollzahlung von seinem Auftraggeber befriedigen lassen, es sei denn, daß er weiß, daß dessen Mittel von der Gesellschaft stammen. In diesem Falle würde nach unserer Ansicht § 57 Platz greifen, nicht § 71 II S. 2, andernfalls wären einer Umgehung die Tore weit geöffnet. Wir halten dies auch in dem Fall für richtig, daß der Auftraggeber die Mittel nur darlehensweise von der Gesellschaft erhalten hat, es sei denn, daß dessen Zahlungsfähigkeit über jeden Zweifel erhaben ist. In diesem Falle und wenn er aus eigenen Mitteln gezahlt hat, ist die Übertragung der Aktie durdi den Strohmann auf den Auftraggeber und die Befriedigung des ersteren wegen seiner Einlageforderung aus der Zahlung des Auftraggebers nicht zu beanstanden und ersterer aus der Angelegenheit endgültig ausgeschieden. Zwischen dem Auftraggeber und der Gesellschaft gilt in solchem Falle § 71 II S. 2, d. h., das schuldrechtlidie Geschäft ist nichtig, wonach die Gesellschaft verpflichtet ist, dem Treuhänder die Aktien abzunehmen und umgekehrt. 298

Aktienübernahme

§56 Anm. 7,8

V. Übernahme für Rechnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens Anm. 7: Die Übernahme für Rechnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens, gleichgültig -welcher Rechtsform, wird der Zeichnung für Rechnung der Gesellschaft selbst gleichgestellt, da nach Absatz 2 abhängige Unternehmen keine Aktien der herrschenden Gesellschaft und ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen keine Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft übernehmen darf. Das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen, welches selbst übernimmt, hat mehr Rechte (s. Anm. 8) als hiernach derjenige, der für ihre Rechnung übernimmt (s. Anm. 3). Letzterer kann sidi audi dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen gegenüber, für deren Rechnung er Aktien der herrschenden bzw. mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft gezeichnet hat, nicht darauf berufen, daß er diese nicht für eigene Rechnung übernommen habe, also nicht Erstattung der von ihm geleisteten Einlagen von ihnen verlangen. VI. Zeichnung eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens 1. für sich selbst Anm. 8: Wie ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen, gleichgültig welcher Rechtsform, durch abgeleiteten Erwerb Aktien der herrschenden bzw. mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nicht erwerben darf (§ 71 IV), darf es auch bei dessen Kapitalerhöhung keine Aktien ursprünglich durch Zeichnung erwerben, und zwar ohne die für abgeleiteten Erwerb nach § 71 IV und I S. 1 geltenden Ausnahmen, die freilich bei einer Kapitalerhöhung nur zu Abwehrzwecken vorstellbar sind. Nach dem HGB alter Fassung hat das Reichsgericht geschwankt zwischen der wirtschaftlichen Auffassung und der formalrechtlichen. In RG 1(38, 41 erklärte es die Übernahme von Aktien des konzernführenden Unternehmers durch ein anderes Konzernunternehmen für unzulässig, da eine Erhöhung des Grundkapitals, wie das Gesetz es vor Augen habe, nur ihrem Namen nach stattgefunden habe, denn es fehle daran, daß durch Ausgabe der Aktien neue Aktiven der Gesellschaft zugeführt werden, weil das Vermögen der Übernehmer der Aktien wirtschaftlich mit dem der Beklagten zusammenfalle. Derselbe Senat hat in seiner Entscheidung (RG 115, 253) mehr der formalrechtlichen Auffassung zugeneigt, welche in dem abhängigen Unternehmen das Wesen mit eigener Rechtspersönlichkeit sieht und hat in seiner Entscheidung die oben erwähnte Entscheidung ausdrücklich aufgehoben. Wie schon die Novelle von 1931 (HGB § 226 III Satz 2) und das Gesetz von 1937 bewegt sich das neue Aktiengesetz auf der Mitte. Die wirtschaftliche Auffas299

§ 56 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 8—11 sung veranlaßt es, die Aktienübernahme durch ein abhängiges oder ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen zu verbieten, die formalrechtliche und wohl auch die Rücksicht auf die Verkehrssicherheit, die Wirksamkeit der trotzdem erfolgten Zeichnung anzuerkennen. Aber es schränkt diese Wirksamkeit auf den rechtlichen Bestand der Zeichnung ein, die Rechte aus der Aktie werden dem abhängigen Unternehmen größtenteils vorenthalten. Es hat zwar einen Gewinnanteil und einen Anteil am Abwicklungsreinvermögen, kann aber ein Bezugsrecht nur verwerten, nicht ausüben, wie Abs. 1 S. 3 unmittelbar ergibt. Das Stimmrecht steht nur dem abhängigen Unternehmen nicht zu, wohl aber dem in Mehrheitsbesitz stehenden (§ 136 II). 2. für Rechnung des herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmens Anm. 9: Nach herrschender Ansicht kann ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen Aktien für Rechnung der herrschenden bzw. an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft übernehmen. Es gilt alsdann der Absatz 1 im gleichen Umfang wie bei jeder Übernahme von Aktien für Rechnung der Gesellschaft. Der Wortlaut des Verbots deckt übrigens auch die Übernahme durch Zeichnung und Bezugserklärung für Rechnung eines Dritten. VII. Ausübung des Bezugsrechtes Anm. 10: Die Ausübung des gesetzlichen Bezugsrechtes für Aktien, die jemand für Rechnung der Gesellschaft oder eines von ihr abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens besitzt, scheidet schon deswegen aus, weil sie Ausübung der Rechte aus einer solchen Aktie wäre, welche nach Abs. 1 S. 3 dem Aktionär nicht zustehen. Soweit es sich um die Ausübung des gesetzlichen Bezugsrechts durch einen Dritten aufgrund eigener Aktien, aber für Rechnung der Gesellschaft, oder durch ein von ihr abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens aufgrund eigener Aktien und für eigene Rechnung handelt, ist sie schon als Zeichnung durch Abs. 2 verboten. Durch die neu eingefügte Bestimmung ist ebenso verboten, Aktien in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts zu übernehmen. Diese sind keine Rechte „aus der Aktie", sondern aus Vertrag, weswegen das Verbot einer besonderen Normierung bedurfte. Für seine Ausübung gelten die Vorschriften über abgeleiteten Erwerb (§ 71). Bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln entsteht kein Bezugsrecht. Das Recht fällt dem Aktionär kraft Gesetzes an (§212 Anm. 2). VIII. Zeichnung innerhalb eines Konzerns Anm. 11: Nicht betroffen wird von Abs. 2 die Zeichnung von Aktien eines Konzernunternehmens durch ein über- oder gleichgeordnetes Konzernunter300

Keine Rüdegewähr, keine Verzinsung der Einlagen

§§ 56/57

Anm. 11/1,2

nehmen. Hier ist angesichts des in dieser Hinsicht eindeutigen Gesetzeswortlautes der Änderung der Kapitalverteilung innerhalb des Konzerns völlig freier Spielraum gegeben.

§ 57 Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen (1) Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Als Rückgewähr von Einlagen gilt nidit die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien. (2) Den Aktionären dürfen Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden. (3) Für den Zeitraum, den die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfang des vollen Betriebs erfordert, können den Aktionären in der ursprünglichen Satzung Zinsen von bestimmter Höhe zugesagt werden. Die Satzung muß den Zeitpunkt bezeichnen, mit dem die Entrichtung von Zinsen spätestens aufhört. I. Obersicht (Anm. 1 u. 2) II. Begriff der Einlage (Anm. 3) III. Verbot der Rückgewähr der Einlagen 1. Das Verbot allgemein (Anm. 4) 2. Ausnahmen (Anm. 5 u. 6)

IV. Ansprüche der Gesellschaft (Anm. 7) V. Zulässiger Erwerb eigener Aktien der Gesellschaft (Anm. 8) VI. Verbot von Zinszahlungen 1. Das Verbot allgemein (Anm. 9) 2. Ausnahmen (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 52 erster Halbsatz, sowie des Satzes 2 AktG 37 im Absatz 1 und des § 54 I zweiter Halbsatz AktG 37 in seinem Absatz 2 und des § 54 II AktG 37 in seinem Absatz 3. Der Aufbau des Gesetzes ist damit klarer geworden, indem die Schutzvorschriften hinsichtlich der Einlagen in einer Vorschrift zusammengefaßt sind, während die früher im § 52 AktG 37 aufgenommene Bestimmung über den Anspruch auf den sich aus der Jahresbilanz ergebenden Reingewinn gesondert bei der Vorschrift über die Gewinnverwendung ( § 5 8 IV) aufgenommen wurde. Anm. 2: Das Verbot der Rüdegewähr von Einlagen an Aktionäre stellt einen unabänderlichen aktienrechtlichen Grundsatz auf und ist daher zwingend. Die Vorschrift ist das Gegenstück zu den Vorschriften über die Sicherung der Leistung der Einlagen bei der Gründung. Keinerlei Einlage darf anders als im Wege ordentlicher Kapitalherabsetzung (§ 222 III) zurückgewährt werden. 301

§ 57 Anm. 3,4

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

II. Begriff der Einlage Anm. 3: Unter Einlage sind alle Leistungen zu verstehen, die der Aktionär zur Erlangung der Mitgliedschaft erbracht hat. Es spielt demnach keine Rolle, ob es sich um eine Geld- oder Sadieinlage gehandelt hat. Es fällt weiter hierunter das über den Nennbetrag geleistete Aufgeld, Zuzahlungen zwecks Erlangung eines Vorzugs und auch freiwillige Leistungen, wenn der Aktionär sie als Gesellschafter erbracht hat. Zu Recht weist der Kölner Kommentar (Anm. 3) darauf hin, daß letztlich das gesamte Vermögen der AG der Bindung aus Abs. 1 Satz 1 entspricht, da jede über die Ausschüttung des Gewinns an den Aktionär erbrachte Leistung ohne entsprechenden Gegenwert nadi der vorliegenden Vorschrift verboten sein soll. Die Meinungen gehen jedoch insoweit im Endergebnis nicht auseinander, sondern lediglich in der Begründung dahin, daß alle Leistungen, die gegen das Verbot des § 57 verstoßen, als Rückgewähr der Einlagen angesehen werden müssen, und zwar der Einlagen, wie sie als solche verstanden und oben erläutert worden sind, während offenbar der Kölner Kommentar unter Einlagerückgewähr nur eine Zahlung verstehen will, die als solche deklariert ist. Das Ganze ist lediglich ein Streit um Worte, inhaltlich wird das Gleiche zum Ausdruck gebracht. III. Verbot der Rückgewähr der Einlagen 1. Das Verbot allgemein Anm. 4: Verboten ist jede, audi jede versteckte Form der Rückgewähr oder Gewinnausschüttung, wie z. B. übermäßige Vergütung für angebliche Gegenleistungen des Aktionärs (§ 61), Provisionen, Leistung über das Einziehungsentgelt hinaus (RG 150, 28), Bezahlung oder darlehensmäßige Bereitstellung (RG 146, 93), überhaupt Leistungen für Rechnung des Aktionärs (vgl. RG 146, 84; 149, 385), wenn die Leistung nicht aufgrund Hauptversammlungsbeschlusses aus dem nach dem festgestellten Jahresabschluß sich ergebenden Bilanzgewinn erfolgt. Doch wird auch letzterenfalls gewöhnlich unzulässige Bevorzugung eines Aktionärs vorliegen, wenn eine Leistung an einen einzelnen Aktionär oder für Rechnung eines einzelnen Aktionärs stattfindet. Das Verbot schließt nur die freiwillige Rückgewähr der Einlageleistung aus, nicht auch eine solche aufgrund Anfechtung der Einlageleistung durch Gläubiger oder Konkursverwalter. Es betrifft auch nicht den Gegenstand der Einlage, z. B. nicht die Rückveräußerung einer Sadieinlage an den Einleger gegen vollwertiges Entgelt. Auch der Vorbehalt der Rückforderung bei Leistung der Einlage und das Versprechen der Rückgewähr und jedes andere Versprechen ist, sei es nach § 134 BGB, sei es nach § 306 BGB, unstatthaft und nichtig, dessen Erfüllung dem Erfolge nach auf eine Rücklcistung der Einlage an den Aktionär 302

Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen

§ 57

Anm. 4—7

hinausliefe, so die Zusage, die Aktie unter gewissen Voraussetzungen und gar zu einem bestimmten Kurs zurückzunehmen oder die Garantie eines Veräußerungskurses (vgl. § 71, Anm. 20), die Zusage fester Zinsen (vorbehaltlich Absatz 2) oder einer Dividende. Nichtig ist auch ein Hauptversammlungsbeschluß, der eine solche Zusage enthält. 2. Ausnahmen Anm. 5: Die rückgewährte Einlage ist von der Gewährung eines Darlehens sehr verschieden, denn letzteres hat nicht die unmittelbare Haftung des Aktionärs (§ 62) oder der Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder (§§ 93, 116) zur Folge. Auch ist sie keine Zahlung auf die Aktie als solche, wie etwa eine Abschlagszahlung auf die Liquidatiorisrate. Audi die Auszahlung, besonders der Erlaß eines Darlehens, kann unzulässig sein und eine unmittelbare Haftung über § 31 BGB aus § 826 BGB, wie auch Strafbarkeit des Vorstandes begründen. Schenkungen, auch eines Aktionärs, können zurückgewährt und auch widerruflich vereinbart werden, doch darf auf diesem Wege die Bestimmung nicht umgangen werden, deshalb ist es solchenfalls mit dem Begriff der Schenkung genau zu nehmen. Man kann an Gläubiger denken, die zugleich Aktionäre sind, die gegen Besserungsschein á fonds perdu Mittel bereitstellen. Anm. 6: N u r die Rückgewähr der Einlage durch die Gesellschaft ist verboten, nicht aber die Rückgewähr durdi einen Dritten, es sei denn, es geschieht für Rechnung der Gesellschaft, da diese durch eine solche Leistung letzten Endes belastet werden würde (Schl.-Qu. § 52 Anm. 8; TeichmannKoehler § 52 Anm. 1; BGH in WM 1955, 1251; B.-H. Rn. 6; Kölner Komm. Anm. 15). Der Rückkauf muß natürlich gegen angemessenes Entgelt erfolgen, da andernfalls eine Umgehung des § 57 gegeben wäre. Bei angemessenem Entgelt bleibt jedodi das Gesellschaftsvermögen im Wert erhalten, und es ist nirgends bestimmt, daß die erbrachte Sacheinl age der Gesellschaft erhalten werden müßte. Nicht hierher gehören schließlich Umsatzgesirhäfte, die der Aktionär mit der Gesellschaft tätigt. Das von der Gesellschaft zu gewährende Entgelt wird aufgrund des getätigten Geschäfts und nicht dem Aktionär als solchem bezahlt (vgl. aber Anm. 10). IV. Ansprüche der Gesellschaft Anm. 7: Durch die Rückzahlung der Einlage entsteht für die Gesellschaft unmittelbar kraft Aktienrechtes (vgl. RG in JW 30, 3730; KG in JW 32, 957) eine Forderung auf Wiedereinzahlung, welche aktienrechtlichen Grundsätzen folgt, also nicht erlassen und nicht durch einseitige Aufrechnung des Pflichtigen getilgt (§ 66), auch nicht ohne Empfang des vollen Gegenwertes abge303

§ 57

Anm.7—9

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

treten oder für eine nicht gleichwertige Forderung gepfändet werden kann. Das Gesetz hat nunmehr in § 62 I S. 1 den Anspruch in obigem Sinn normiert, so daß der bisherige Meinungsstreit hinfällig geworden ist (vgl. auch Barz in Großkomm. Anm. 14). Soweit die Rückgewähr Erfüllungshandlung eines Umsatzgeschäftes war, braudit sie auch nicht dieses und seine Erfüllung nichtig zu machen (a. A. Schl.-Qu. § 52 Anm. 7). Soweit dem Aktionär anläßlich eines solchen ein zu hoher Kaufpreis gewährt oder von ihm ein zu niedriger bezahlt worden ist, ergibt sich aus § 62 I S. 1 in Verb, mit § 57 die absolute Verpflichtung zur Teilrückzahlung bzw. Zuzahlung, denn mit dem Aktionär als solchem wurde nicht das Umsatzgeschäft abgeschlossen, sondern die Vereinbarung eines Vorteiles in Gestalt zu hohen oder zu niedrigen Preises getroffen. Über die Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft und ihren Gläubigern vgl. §§93 und 116, des Aktionärs gegenüber den Gläubigern vgl. § 62, der Organpersonen und des Aktionärs gegenüber den anderen Aktionären § 117, §§ 823, 826 BGB. Eine Haftung der Gesellschaft gegenüber den anderen Aktionären auf Gewährung gleicher Vorteile kann weder aus dem Grundsatz der Gleichberechtigung noch etwa über § 31 BGB aus § 826 BGB abgeleitet werden. V. Zulässiger Erwerb eigener Aktien der Gesellschaft Anm. 8: Abs. 1 S. 2 klärt das Verhältnis des Verbotes der Rückgewähr der Einlage zum Verbot des Erwerbes eigener Aktien. Beim Erwerb eigener Aktien erhält der Aktionär praktisch seine Einlage von der Gesellschaft zurück. Das Verbot ist nach Abs. 1 S. 2 insoweit nicht durchgreifend, als es sich um einen nach § 71 erlaubten Erwerb eigener Aktien handelt. Aufgrund Umkehrschlusses muß aber im übrigen das Verbot des § 57 bestehenbleiben, also Anwendung finden bei nichterlaubtem Erwerb eigener Aktien. Weitere Ausnahmen enthalten §291 III für Leistungen der Gesellschaft aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages und § 323 II für Leistungen einer eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft. VI. Verbot von Zinszahlungen 1. Das Verbot allgemein Anm. 9: Der zweite Absatz betont Selbstverständliches: Zinsen können weder ausgezahlt noch zugesagt werden. Da das Recht aus der Aktie keine Forderung ist, ergibt sich dies von selbst. Die herrschende Ansidit vertrat bisher schon den Standpunkt, daß Bauzinsen nur für das ursprünglich bei der Gründung schon vorgesehene Stammunternehmen zulässig waren (anderer Ansicht Ritter § 54 Anm. 3 a; Teichmann-Koehler § 54 Anm. 3). Die Frage war zweifelhaft, insbesondere durch eine Entscheidung des Reichsgerichts in Bd. 77, 255; danach sollten Bauzinsen auch zugelassen sein, wenn junge Aktien 304

Verwendung des Jahresübersdiusses

§§57/58

Anm.9,10

durch Kapitalerhöhung zwecks Erweiterung des Unternehmens ausgegeben werden. Der Gesetzgeber hat diese Frage dahin entschieden, daß er ausdrücklich bestimmt hat, daß nur in der ursprünglichen Satzung Zinsen zugesagt werden können. Eine spätere Einführung einer solchen Zusage durch Satzungsänderung zusätzlich mit einer Kapitalerhöhung ist nicht möglich. Dagegen wäre es denkbar, daß für junge Aktien eine Verzinsung zugesagt würde, wenn dies in der ursprünglichen Satzung; vorgesehen war, im übrigen die Voraussetzungen des Abs. 3 vorliegen. Audi aus dem Bilanzgewinn können feste Zinsen nicht zugesagt werden. Unter Zinsen sind nur feste laufende Erträgnisse zu verstehen, die dem Aktionär gezahlt werden und nicht andere Zahlungen, die oft fälschlidierweise Zinsen genannt werden. Vorwegzahlungen aus dem Bilanzgewinn an Vorzugsaktionäre sind nicht Zinszahlungen, sondern Gewinnanteile. Das gleiche gilt für das Nachbezugsrecht (BGH 7,264). 2. Ausnahmen Anm. 10: Eine Ausnahme von dem Verbot der Zinszahlungen wird in Absatz 3 geregelt, es handelt sich hierbei um die sogenannten „Bauzinsen". Der Anspruch hierauf ist, wie der beschlossene Gewinnanteil, eine echte Forderung, welche, soweit rückständig, auch im Konkurs geltend gemacht werden kann. Er kann auch nachträglich nicht durch Satzungsänderung beseitigt werden. Ohne Festsetzung in der ursprünglichen Satzung verstoßen Bauzinsen gegen Abs. 2. Bilanzmäßig bringt die Zahlung der Bauzinsen nur eine Verschiebung auf die Aktivseite mit sich. Die Ausschüttung wird den Selbstkosten der Anlagekonten zugeschlagen, während sich die Posten, aus denen sie entnommen wurden (Kasse, Bank, Guthaben usw.) im gleichen Maße mindern. Die Gewinn- und Verlustrechnung beeinflussen sie nicht. Steuerrechtlidi können die Anlagekonten aber auf den niedrigeren Teilwert heruntergeschrieben werden. Da es sich um eine echte Forderung handelt, ist der Anspruch abtretbar, pfändbar und verpfändbar. Die Zahlungen, die aufgrund des Absatzes 3 erfolgen dürfen, müssen von vornherein ihrem Höchstbetrag nach satzungsmäßig genau feststehen, das bedeutet Höchstsatz und Zeitraum, für den Zinsen gegeben werden. Hiervon unabhängig fällt die Zulässigkeit weiterer Bauzinsen fort, wenn der volle Betrieb angefangen hat oder der Vorbereitungszweck aufhört, insbesondere feststeht, daß der volle Betrieb nie aufgenommen werden wird (z. B. weil Konkurs eröffnet wird). Über den Schutz des Gutgläubigen s. § 62. § 58 Verwendung des Jahresübersdiusses (1) Die Satzung kann nur für den Fall, daß die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, bestimmen, daß Beträge aus dem Jahresüberschuß 305

§ 58 Anm. 1

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

in freie Rücklagen einzustellen sind. Auf Grund einer soldien Satzungsbestimmung kann höchstens die Hälfte des Jahres&bersdiusses in freie Rücklagen eingestellt werden. Dabei sind Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, und ein Verlustvortrag vorab v o m Jahresübersdiuß abzuziehen. (2) Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß fest, so können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchsten jedoch die Hälfte, in freie Rücklagen einstellen. Die Satzung kann Vorstand und Aufsiditsrat zur Einstellung eines größeren Teils als der Hälfte des Jahresübersdiusses ermächtigen. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung dürfen V o r stand und Aufsiditsrat keine Beträge in freie Rücklagen einstellen, wenn die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nach der Einstellung die Hälfte übersteigen würden. Absatz 1 Satz 3 gilt sinngemäß. (3) Die Hauptversammlung kann im Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns weitere Beträge in offene Rüdciagen einstellen oder als Gewinn vortragen. Sie kann ferner, wenn die Satzung sie hierzu ermächtigt, auch eine andere Verwendung als nach Satz 1 oder als die Verteilung unter die Aktionäre beschließen. (4) Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung, durdi Hauptversammlungsbeschluß nach Absatz 3 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses v o n der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist. (5) V o r Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Einstellung in freie Rücklagen bei Feststellung des Jahresüberschusses 1. durch Vorstand und Aufsiditsrat (Anm. 2 u. 3) 2. durch die Hauptversammlung (Anm. 4) III. Gewinnverwendungsbeschluß (Anm. 5) 1. Einstellung in freie Rücklagen (Anm. 6) 2. Der Gewinnvortrag (Anm. 7)

3. Gewinnausschüttung an Dritte (Anm. 8) 4. Folgen der Verletzung (Anm. 9) IV. Anspruch des Aktionärs auf Bilanzgewinn (Anm. 10) V. Dividendengarantie (Anm. 11) VI. Dividenden- und Erneuerungssdiein (Anm. 12) VII. Verbot weiterer Ausschüttungen (Anm. 13) VIII. Obergangsbestimmungen (Anm. 14)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift regelt den grundsätzlich aufrechterhaltenen Anspruch der Aktionäre auf den Bilanzgewinn (bisher Reingewinn) abweichend vom bisherigen Recht. Bisher hatte einerseits der Aktionär einen Anspruch 306

Verwendung des Jahresüberschusses

§58 Anm. 1

auf den Reingewinn, der sich aus der Jahresbilanz ergibt, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung ausgeschlossen war, während jetzt (Abs. 3) der Anspruch zusätzlich durch den Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung und den dadurch entstehenden zusätzlichen Aufwand verringert werden kann. Andererseits erstreckt sich der Gewinnverwendungsbeschluß nicht wie bisher auf das, was nach Einstellung beliebig hoher Beträge in die Rücklage durch die Verwaltung verbleibt, sondern es ist eingehend geregelt, unter welchen Voraussetzungen und bis zu welchem Höchstbetrag Rücklagen von der Verwaltung gebildet werden können. Damit ist die bisher in der Praxis weitgehend herrschende Übung unmöglich gemacht worden, daß der Reingewinn nach Dotierung der Rücklagen so bemessen wurde, daß er gerade ausreichte, um die Verteilung der von der Verwaltung gewünschten Dividende zu ermöglichen. Grundsätzlich darf nicht mehr als höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen eingestellt werden. Die Hauptversammlung kann ihrerseits auch ohne besondere Satzungsermächtigung weitere Beträge aus dem Bilanzgewinn in offene Rücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen (Abs. 3). Aus dem bisherigen Gewinnueriei7««gsbeschluß ist durch die neue Bestimmung ein echter Ge.w\nnverwendungshtsä\\a& geworden. Die gesetzliche Lösung bemüht sich, zwei etwa gleichwertigen Anliegen in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Auf der einen Seite gehört die Rücklagenbildung zu den Geschäftsführungsmaßnahmen, die von der für die Geschicke des Unternehmens verantwortlichen Stelle entschieden werden müssen. Kein Unternehmen kann in der heutigen Zeit ohne angemessene Rücklagen besteheh. Auf der anderen Seite bestellt der Anspruch des Aktionärs, darüber entscheiden zu können, ob er durch Einbehaltung eines Teils des auf seinen Anteil fallenden Gewinns seine bisherige Beteiligung an dem Unternehmen wirtschaftlich — nicht rechtlich — und damit gleichzeitig das mit ihr verbundene Risiko erhöhen, oder ob er die; Ausschüttung des erzielten Gewinns wünscht, über den er alsdann frei verfügen kann. Wenn der Gesetzgeber sich dahin entschieden hat, der Verwaltung bis zu 50 % des jeweiligen Jahresüberschusses zur Rücklagenbildung zur Verfügung zu stellen, so ist er einmal davon ausgegangen, daß vermutlich dieser Betrag für eine angemessene Rücklagenbildung ausreicht, zum anderen bringt er auch die Gleichwertigkeit der beiden sich gegenüberstehenden Interessen damit zum Ausdruck. Die letzten Endes mehr oder weniger willkürlich festgesetzte Höhe schien auch deshalb unbedenklich, weil die Verwaltung stets an ihre Hauptversammlung mit dem Antrag herantreten kann, weitere Rücklagen zu bilden. Sie muß dann allerdings ihren Antrag begründen. Das führt zu einer besseren Information der Aktionäre und dient damit einem wichtigen Anliegen des Gesetzgebers. 307

§ 58

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 1—3 Kritische Stellungnahmen sind von Jagenburg in Die AktGes 1965, 156 und 1967,1399 sowie im Kölner Komm. Anm. 16 f. enthalten.

II. Einstellung in freie Rücklagen bei Feststellung des Jahresüberschusses 1. durch Vorstand und Aufsichtsrat Anm. 2: Wie im bisherigen Recht erfolgt die Feststellung des Jahresabschlusses grundsätzlich durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 172). N u r wenn Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, oder der Aufsiditsrat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß nicht billigt, stellt ihn die Hauptversammlung fest (§ 173). Nur der Vorstand und Aufsiditsrat können bei Feststellung des Jahresabschlusses aus dem Jahresüberschuß Beträge in freie Rücklagen einstellen, auch dann, wenn die Satzung keine Bestimmung darüber enthält. Diese Einstellung in die Jahresbilanz hat an der nach den Gliederungsvorschriften des § 151 I vorgesehenen Stelle auf der Passivseite unter II Posten 2 zu erfolgen. Die Höhe ist begrenzt. Der zulässige Höchstbetrag ist aus der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157), und zwar aus dem Posten Nr. 28 „Jahresübersdiuß" zu berechnen. Von diesem Jahresüberschuß ist nach Abs. 1 S. 3 zunächst ein etwa vorhandener Verlustvortrag (§ 157 Posten 29) abzuziehen. Von dem sich dann ergebenden Betrag sind nach § 150 II Nr. 1 5 % in die gesetzliche Rücklage (§151 I Passivseite II Posten 2 und § 157 Posten 30 a) so lange einzustellen, bis diese den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht hat (vgl. Anm. 3 zu § 150). Audi dieser Betrag ist von dem um einen etwaigen Verlustvortrag vom Vorjahr verringerten Jahresübersdiuß abzuziehen. Von dem sidi dann ergebenden Betrag dürfen Vorstand und Aufsiditsrat Beträge bis zur Hälfte in freie Rücklagen einstellen. Anm. 3: Da nach dem bisherigen Recht Vorstand und Aufsiditsrat bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für die Rücklagenbildung freie Hand hatten (vgl. für das bisherige Recht Saage in Die AktGes 1959, 183 und 209) spielten Satzungsbestimmungen, die sich mit der Rücklage befaßten, keine Rolle. Das ist jetzt anders geworden. Das Gesetz regelt abschließend, welche Satzungsbestimmungen für die Rücklagenbildung getroffen werden können. Abweichungen von der gesetzlichen Regelung ist mit Rücksicht auf § 23 V nicht zulässig. Wir halten deshalb die in der Voraufl. in Anm. 3 vertretene Auffassung, daß eine Satzungsbestimmung zulässig sei, wonach weniger als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen eingestellt werden dürften, nicht aufrecht (ebenso Rohwedder in Möhring/Sdiwartz S. 230; Kölner Komm. Anm. 22). Bei Feststellung des Jahresüberschusses durch Vorstand und Aufsiditsrat kann die Satzung lediglich nach Abs. 2 S. 2 den Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren Teils als die Hälfte des Jahresüberschusses ermächtigen. 308

Verwendung des Jahresüberschusses

§58 Anm. 3

Darüber, wie weit eine solche Satzungsbestimmung dies erlauben kann, ist ein erheblicher Meinungsstreit entstanden. Die Frage ist deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil die Rücklagepolitik für die Verwaltung eine der wesentlichsten Entscheidungen für die Fortentwicklung des Unternehmens ist. Auf der anderen Seite steht die Nichtigkeitsdrohung für den festgestellten Jahresabschluß nach § 256 I Ziff. IV, wenn bei der Feststellung die Bestimmung des Gesetzes oder der Satzung durch die Einstellung von Beträgen in offene Rücklagen verletzt worden sind. Der Streit geht einmal darum, ob inhaltlich eine solche Satzungsbestimmung anordnen kann, d a ß der gesamte J a h resüberschuß in freie Rüdklagen einzustellen ist. Geßler (DB 65, 250 und 1966, 216) hält eine solche Auslegung für völlig abwegig. Er ist der Ansicht, d a ß der Wortlaut des Gesetzes, wenn es von einem größeren Teil spricht, eine Satzungsbestimmung unzulässig macht, die Vorstand und Aufsichtsrat über die im Gesetz festgelegte H ä l f t e des Jahresüberschusses ermächtigt, den ganzen Jahresüberschuß in freie Rücklagen einzustellen. Eckhardt ( N J W 67, 369) hält darüberhinaus auch eine Satzungsbestimmung für unzulässig, welche es der Verwaltung erlaubt, bis zu 98 °/o des Jahresüberschusses in die freie Rücklage einzustellen, weil die verbleibenden 2 °/o wirtschaftlich nicht mehr als „Teil", sondern höchstens als „Rest" des Jahresüberschusses bezeichnet werden können. Alles was über 90 °/o hinausgeht, dürfte bei w i r t schaftlicher Betrachtung. kein Teil mehr sein, und z w a r auch dann nicht, wenn im Einzelfall der Jahresüberschuß sehr hoch sein sollte (im Ergebnis ebenso Eckhardt in BB 1966, 765; Doellerer in BB 1965, 1415; Schreib in Das Wertpapier 1966, 506 und 1967, 136; von Gleichenstein in BB 1966, 1047; Staber in BB 1966, 1254; Schäfer in BB 1966, 2333, der darauf abstellt, daß die Grenze des § 254 beachtet werden sollte). Wir können uns dieser Auffassung nicht anschließen. Nach unserer Ansicht kann trotz der zugegebenermaßen mißglückten Formulierung „eines größeren Teils" dieser auch in den 50 °/o des Jahresüberschusses bestehen, den die gesetzliche Bestimmung des Abs. 2 S. 1 nicht berührt. Die Interessen der Aktionäre, die auf Ausschüttung der Dividende Wert legen, sind dadurch hinreichend geschützt, daß die Satzungsbestimmungen dann nicht mehr Platz greifen, wenn die freien Rücklagen die H ä l f t e des freien Grundkapitals übersteigen. Bei der Abwägung der beiden Interessenstandpunkte — Stärkung des Unternehmens durch Rücklagenbildung einerseits und hohe Dividende andererseits — geht der Gesetzgeber allerdings davon aus, daß bis zur Erreichung der Grenze — die Hälfte des Grundkapitals — der erste Gesichtspunkt Vorrang haben müßte. Wohin die Gegenmeinung führt, zeigt sich aus den Ausführungen Eckhardts, der doch wohl reichlich willkürlich eine Grenze von 90 °/o aufstellen w i l l . Diese wichtige Frage kann man aber nicht der mehr oder weniger willkürlichen Festsetzung überlassen. Es müssen klare Verhältnisse herrschen. Das kann nur dann der Fall sein, wenn 309

§ 58 Anm. 3

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

man in den noch manipulierbaren Teil des Jahresüberschusses durch Satzungsbestimmung die vollen noch offenen 50 °/o erblickt (ebenso B.-H. Rn. 4 ; Barz in Die AktGes 1966, 43; Obermüller-Werner-Winden, S. 130 und in Die H V der A G S. 198; G. Schäfer in 2 F K 1966, 2 7 8 ; Nauss in Die AktGes 1967, 130; Werner in Die AktGes 67, 103 und 68, 182; Barz in Großkomm. Anm. 17; Kölner Komm. Anm. 24). Die ferner umstrittene Frage, ob eine Satzungsbestimmung genügt, die weder einen bestimmten Prozentsatz über 50 °/o noch einen bestimmten Betrag enthält, zulässig ist, hängt in gewissem Sinne mit der Entscheidung der vorstehend behandelten Fragen zusammen. Wenn man wie wir auf dem Standpunkt steht, daß die Ermächtigung bis zur Verfügung über den ganzen Jahresüberschuß gehen kann, so ist kein vernünftiger Grund einzusehen, warum man eine Höchstgrenze festsetzen sollte. Es muß dann die ganz allgemeine, dem Gesetzeswortlaut angepaßte Bestimmung genügen, zumal diese im Gegensatz zum Regierungsentwurf nicht mehr von einem „bestimmten" Teil spricht (B.-H. Rn. 4; Obermüller-Werner-Winden in Die H V der A G S. 199; Nauss in Die AktGes 1967, 129; L G Hamburg in Die AktGes 1969, 152; Kölner Komm. Anm. 25; a. A. Geßler in D B 1966, 2 1 6 ; Tiefenbacher in B B 65, 1168; Doellerer in B B 1965, 1405; Kropff in Der Rechtspfleger 1966, 35; von Gleichenstein in B B 1966, 1047; Barz in Die AktGes 1 9 6 6 , 4 3 ; Schreib in Das Wertpapier 1966, 506 und 1 9 6 7 , 1 3 6 ; Eckhardt in N J W 6 7 , 3 6 9 ; AdlerDüring-Sdimaltz § 150 T z 96; Barz in Großkomm. Anm. 16). Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann eine solche Satzungsbestimmung die Verwaltung nur ermächtigen, nicht verpflichten. Die abweichende Meinung in der Voraufl. kann nicht aufrechterhalten werden (ebenso Rowedder in Möhring-Schwartz S. 2 3 0 ; Adler-Düring-Schmaltz § 150 T z 98). Eine solche Satzungsbestimmung gewinnt allerdings nur dann praktische Bedeutung, wenn die freien Rücklagen geringer sind als die Hälfte des Grundkapitals. Denn nur für diesen Fall läßt das Gesetz — das der Satzungsbestimmung hier vorgeht — eine über die Hälfte des Jahresüberschusses hinausgehende Einstellung in freie Rücklagen durch die Verwaltung zu (Abs. I I S. 2). Ubersteigen die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals, so kann trotz Satzungsbestimmung dann nicht mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen eingestellt werden. Dadurch wird die Satzungsbestimmung aber nicht ungültig. Bei einer Kapitalerhöhung kann durchaus wieder die Ermächtigung, die in der Satzungsbestimmung liegt, praktisch werden. Der Vorstand kann dann wieder solange mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rüdilagen einstellen, bis diese die Hälfte des neuen Grundkapitals erreichen. D a die betreffende Bestimmung der Satzung nicht etwa wegfällt, wenn sie nicht mehr verwendet werden kann, bedarf es in einem solchen Fall auch keiner Neu-

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Anm. 3,4

festsetzung in der Satzung. Damit ist die Möglichkeit gegeben, z. B. durch Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, eine neue Möglichkeit für Rücklagenbildung zu schaffen (vgl. Sage in Neue Betriebswirtschaft 1966, 71 ft.s Kölner Komm. Anm. 26; Barz in Großkomm. Anm. 18). Ein Verstoß gegen die Bestimmungen macht nach § 256 I Nr. 4 den festgestellten Jahresabschluß nichtig. Die Nichtigkeit kann aber nach § 256 IV nidit mehr geltend gemacht werden, wenn seit: der Bekanntmachung des Jahresabschlusses sechs Monate verstrichen sind. Anfechtbar ist ein vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluß nicht. 2. durch die Hauptversammlung Anm. 4: Stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluß fest (§ 173), so kann sie nur dann Beträge in freie Rücklagen einstellen, wenn die Satzung dies bestimmt. Insoweit entspricht die gesetzliche Regelung dem bisherigen Recht und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (in N J W 55, 588). Die Streitfrage, inwieweit der Aktionär Anspruch auf Ausschüttung des Bilanzgewinns hat (§ 52 AktG 37), ist durch die neue Bestimmung des Abs. 4 nunmehr geklärt (s. Anm. 10). Obwohl das Gesetz nur davon spricht, daß die Satzung die Einstellung von Beträgen in freie Rücklagen bestimmen kann, so besteht — wie schon bisher — auch die Möglichkeit, daß die Satzung der Hauptversammlung hierzu eine Ermächtigung erteilt (wie hier Rowedder in MöhringSchwartz, S. 232; a. A. Barz in Die AktGes 1966, 43 u. in Großkomm. Anm. 11; Obermüller-Werner-Winden S. 290 und in Die HV der AG, S. 195; B.-H. Rn. 8; Adler-Düring-Schmaltz § 150 Tz 102). In beiden Fällen ist die Wirkung einer solchen Satzungsbestimmung der Höhe nach begrenzt; es kann bei der Feststellung des Jahresabschlusses auch die Hauptversammlung keine höheren Beträge in freie Rücklagen einstellen, als dies der Verwaltung bei Feststellung des Jahresabschlusses erlaubt ist, d. h., es ist vom Jahresabschluß ein etwaiger Verlustvortrag und die Einstellung in die gesetzliche Rüdklage abzuziehen. Von dem dann verbleibenden Betrag kann bis zur Hälfte in freie Rücklagen eingestellt werden. Hält die Hauptversammlung die Einstellung höherer Beträge in die freie Rücklage für richtig, so kann sie dies im Rahmen des Gewinnverwendungsbesdilusses (s. Anm. 5) tun. Während die Satzung Vorstand und Aufsichtsrat ermächtigen kann, einen größeren Teil als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einzustellen, und eine solche Satzungsbestimmung dann zum Zuge kommt, wenn die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen, hat eine entsprechende Ermächtigung für die Hauptversammlung eine solche Wirkung nicht. Diese kann nur an die Höchstgrenze der Hälfte des Jahresüberschusses gebunden werden. Eine solche Bestimmung ist auch entbehrlich 311

§ 58

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 4,5 gewesen, denn es hängt vom Willen der Mehrheit ab, ob durch den Gewinnverwendungsbesdiluß eine etwa der Bestimmung des Abs. II S. 3 entsprechende Stärkung der freien Rücklagen erfolgen soll. Auch hier führt ein Verstoß gegen die Bestimmung zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§ 256 I Nr. 4; s. oben Anm. 3). Da hier ein Hauptversammlungsbeschluß vorliegt, ist dieser nach § 243 möglicherweise auch wegen Verletzung anderer gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorschriften, z. B. fehlerhafte Einberufung der Hauptversammlung, anfechtbar. Die Anfechtung kann aber nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt (§ 2571). III. Gewinnverwendungsbeschluß Anm. 5: Unabhängig von der Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 172) oder durch die Hauptversammlung (§ 173) hat die Hauptversammlung über die Verwendung des aus dem festgestellten Jahresabschlusses sich ergebenden Bilanzgewinns zu beschließen. Der notwendige Inhalt und die Wirkung dieses Beschlusses sind in § 174 geregelt; hier wird festgestellt, inwieweit die Hauptversammlung über den Bilanzgewinn anders als durch Ausschüttung an die Aktionäre verfügen kann. Grundsätzlich ist die Hauptversammlung bezüglich der Verwendung des Bilanzgewinns frei. Eine Beschränkung besteht insofern, als sie einen zusätzlichen Posten (zusätzlicher Aufwand aufgrund des Beschlusses — vgl. hierzu Risse in BB 1970, 372 ff. —) zu berücksichtigen hat, sofern sie Beträge in offene Rücklage stellt. Daneben ist die Hauptversammlung an Satzungsbestimmungen gebunden, durch die im Rahmen des § 23 V Teile des Bilanzgewinns von der Verteilung an die Aktionäre ausgeschlossen werden können. So ist es möglich, jeden über 4 °/o hinausgehenden Gewinn von der Verteilung auszuschließen, was hinsichtlich der Gemeinnützigkeit (z. B. § 9 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes) wichtig sein kann. Was die Hauptversammlung mit dem verbleibenden Betrag macht, steht in ihrem Ermessen; sie kann ihn in freie Rücklage einstellen, als Gewinn vortragen oder aber auch eine andere Verwendung beschließen, sofern die Satzung eine derartige Ermächtigung enthält. Niemals aber kann die Satzung die Hauptversammlung verpflichten, Teile des Bilanzgewinnes in offene Rücklagen zu stellen (a. A. ObermüllerWerner-Winden in Die H V der AG, S. 203). Zu Unrecht geht die Gegenmeinung davon aus, die Abs. 1 und 2 des § 58 hätten keinen Einfluß auf den Gewinnverwendungsbeschluß. Abs. 1 Satz 1 bestimmt abschließend, wann die Satzung zwingende Bestimmungen hinsichtlich der Bildung freier Rück312

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

Anm. 5—8 lagen enthalten darf. Es handelt sich insoweit um eine abschließende Regelung im Sinne des § 23 IV S. 2 (ebenso Adler-Düring-Schmaltz § 150 Tz 104; Geßler in BB 59, 235; Kölner Komm. Anm. 34; a. A. Müller in WP 1969, 247; Barz in Großkomm. Anm. 21). Anders ist es hinsichtlich eines Gewinnvortrags hinsichtlich dessen zwingende Satzungsbestimmungen denkbar sind. Die unterschiedliche Behandlung von Rücklagenbildung und Gewinnvortrag ist auch nicht willkürlich, da der vorgetragene Gewinn unter der Verfügungsgewalt der Hauptversammlung bleibt, sofern er nicht durdi einen Verlust verbraucht ist, während die Hauptversammlung zur Auflösung von offenen Rüdciagen nicht berechtigt ist. 1. Einstellung in freie Rücklagen Anm. 6: Während bei der Feststellung, welche Beträge bei Feststellung des Jahresabschlusses in freie Rücklagen eingestellt werden dürfen, vom Jahresüberschuß (§ 157 I Posten 28) auszugehen ist, handelt es sidi hier um die Zuweisung aus dem Bilanzgewinn (§157 I Posten 32). Bei der Verwendung des Bilanzgewinns ist die Hauptversammlung grundsätzlich frei. Sie könnte also beschließen, den ganzen Bilanzgewinn in freie Rüdciagen einzustellen, dann muß sie allerdings beachten, ob dadurch ein zusätzlicher Aufwand entsteht — was z. Z. jedenfalls wegen des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes der Fall sein wird — und diesen zunächst vom Bilanzgewinn abziehen (vgl. § 174 Anm. 4). Zu beachten ist dabei, daß dann, wenn die Einstellung von Beträgen in freie Rücklagen bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen übersehbaren Zeitraum zu sichern (§ 254 I), der Gewinnverwendungsbeschluß angefochten werden kann, wenn nicht gleichzeitig eine Dividende von mindestens 4 o/o an die Aktionäre verteilt wird. 2. Der Gewinnvortrag Anm.7: Die Hauptversammlung kann den Bilanzgewinn ganz oder teilweise auf neue Rechnung vortragen. Alles, was zur Einstellung in freie Rücklagen über die zulässige Höhe gesagt ist, gilt auch hier. Fraglich kann nur sein, inwieweit § 254 gilt, der den Gewinnvortrag nicht ausdrücklich erwähnt. Da wirtschaftlich der Gewinnvortrag von der freien Rücklage sich nicht unterscheidet, möchten wir annehmen, daß er jedenfalls dann anzuwenden ist, wenn der Gewinnvortrag ungewöhnlich hoch ist, und die Einstellung des Betrages in freie Rücklagen die Anwendung des § 254 zur Folge haben würde (s. auch Barz in Großkomm. Anm. 23). 3. Gewinnausschüttung an Dritte Anm. 8: Insoweit der Bilanzgewinn nicht in freie Rücklagen eingestellt oder als Gewinn vorgetragen wird, ist er an die Aktionäre zu verteilen, 313

§ 58

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 8—10 jedoch kann die Satzung die Hauptversammlung zu einer anderen Verwendung ermächtigen. Es könnte dann die Hauptversammlung einen Teil des Gewinns an die Arbeitnehmer ausschütten oder gemeinnützigen Unternehmen oder auch zur Förderung spezieller Aufgaben, wie der wissenschaftlichen Forschung, einer bestimmten Forschungsstelle zuteilen. Eine Verpflichtung zu einer derartigen Verwendung darf nicht in der Satzung enthalten sein (vgl. § 174 Anm. 3 u. oben Anm. 3). 4. Folgen der Verletzung Anm. 9: Ist der Gewinnverwendungsbeschluß fehlerhaft, so kann er, wie jeder Hauptversammlungsbeschluß, nach § 241 nichtig oder nach § 243 anfechtbar sein; darüber hinaus gilt für ihn der oben in Anm. 6 behandelte besondere Anfeditungsgrund des § 254. IV. Anspruch des Aktionärs auf Bilanzgewinn Anm. 10: Vom Jahresübersdiuß (§ 157 Abs. 1 Posten 28) ist zu unterscheiden der Bilanzgewinn (dort Posten 32). Dieser entwickelt sich aus dem Jahresabschluß unter Berücksichtigung des Gewinn- oder Verlustvortrags aus dem Vorjahr, den Entnahmen aus und den Einstellungen in offene Rücklagen. Er ergibt sich endgültig erst aus dem Gewinnverwendungsbesdiluß der Hauptversammlung. Nicht auf diesen Bilanzgewinn, sondern nur auf den auszuschüttenden Betrag, der sich aus dem Gewinnverwendungsbeschluß ergibt (§ 174), haben die Aktionäre einen Anspruch auf Ausschüttung. Hierbei ist insbesondere der sogenannte zusätzliche Aufwand zu berücksichtigen. Ein solcher entsteht insbesondere dann, wenn die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß zusätzliche Rücklagen macht, und zwar in erster Linie auf steuerlichem Gebiet wegen des gespaltenen Körperschaftssteuersatzes (siehe im einzelnen Risse in BB 1970, 372 ff.; oben Anm. 6). Der Gewinnanspruch des Aktionärs entsteht nur im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses. Im Grunde genommen ist die Vorschrift des Absatzes 4 heute überflüssig, weil nicht mehr wie bisher der Vorstand und Aufsichtsrat, wenn dieser den Jahresabschluß feststellt, den „Reingewinn" feststellen und damit die Zuweisung zu freien Rücklagen bereits vorher erfolgt war, vielmehr ist es heute so, daß die Verwaltung in der Einstellung von Beträgen in freie Rücklagen beschränkt ist und die Hauptversammlung in dem Gewinnverwendungsbeschluß den zur Verteilung an die Aktionäre zur Verfügung stehenden Betrag ihrerseits noch zu verändern vermag, indem sie weitere Beträge in freie Rücklagen einstellt oder als Gewinn vorträgt oder aufgrund einer Satzungsbestimmung anderweitig verwendet. Das vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung in N J W 55, 588 behandelte Problem, daß der Aktionär einen unabdingbaren Anspruch auf 314

Verwendung des Jahresübersdiusses

§58 Anm. 10,11

Ausschüttung des Reingewinns habe, wenn die Satzung nicht ausdrücklich die Hauptversammlung ermächtigt, anders als durch Ausschüttung über den Reingewinn zu verfügen, kann heute gar nicht mehr auftreten, weil die Hauptversammlung gesetzlich berechtigt ist, im Beschluß über die Gewinnverwendung über den sich aus dem aufgestellten Jahresabschluß ergebenden Bilanzgewinn zu verfügen. Es ist jetzt Sache der Hauptversammlung, den endgültigen Bilanzgewinn, früher als „Reingewinn" bezeichnet, auf alle Fälle festzustellen, da diese immer entscheiden muß, wie der Bilanzgewinn, wie er sich nach dem festgestellten Jahresabschluß ergibt, zu verwenden ist (über den Anspruch des Aktionärs auf den Reingewinn nach altem Recht vgl. Meileke in Die AktGes 1959, 13 ff.). Dazu gehört auch der eigentliche Ausschüttungsbeschluß (§ 174 II Nr. 2). Es ist schon bisher unbestritten gewesen, daß aufgrund dieses Ausschüttungsbeschlusses ein individuelles einklagbares Recht des Aktionärs entsteht. Das ist unverändert so geblieben. Geändert hat sich nur, daß für den Einzelaktionär und dessen Anspruch auf Ausschüttung der ursprünglich im Jahresabschluß festgestellte Bilanzgewinn bedeutungslos ist. Da eine Ausschüttung nur aus dem Bilanzgewinn erfolgen darf, ist Voraussetzung für jede Ausschüttung, daß ein Jahresabschluß vorliegt. Das bedeutet aber nicht, daß das Geschäftsjahr, dessen Ergebnis verteilt werden soll, ein volles Kalenderjahr umfassen muß. Es kann sidi vielmehr für das erste Geschäftsjahr ergeben, daß dies kürzer als ein Kalenderjahr ist und ebenso durch Verlegung des Geschäftsjahres durch Satzungsänderung (nicht rückwirkend, also nicht auf einen Zeitpunkt, der z. Z. der Satzungsänderung bereits verstrichen war). Der Gewinn des bei der Auflösung einer Gesellschaft bis dahin abgelaufenen Teils des neuen Geschäftsjahres kann nicht ausgeschüttet werden, weil anläßlich der Abwicklung zwar eine Abwicklungseröffnungsbilanz aber keine Jahresbilanz, auch nicht für das Rumpfgeschäftsjahr, festgestellt wird. Während es nach dem bisherigen Recht überhaupt keine Möglichkeit zur Ausschüttung gab, ohne daß eine festgestellte Jahresbilanz vorlag, ist dies jetzt geändert; in § 59 wird eine Abschlagszahlung auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn unter gewissen Voraussetzungen für zulässig erachtet, s. im einzelnen dort. V. Dividendengarantie Anm. 11: Dividenden können nicht zugesagt werden, weder feste noch schwankende, noch Mindestdividenden, weil immer ein Bilanzgewinn Voraussetzung für jede Dividendenzahlung ist. Dagegen können gewisse Gattungen von Aktien einen Vorzugsanspruch auf Dividende vor anderen Aktiengattungen haben, aber auch dann muß immer ein Bilanzgewinn, aus dem die Zahlung erfolgen kann, vorhanden sein. Die Gesellschaft kann auch 315

§ 58 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 11,12 nicht anläßlich der Veräußerung eigener Aktien mittels Umsatzgeschäftes, etwa als Gegenleistung für übernommene Vermögensgegenstände (RG 121, 105), Dividenden zusagen. Von der Zusage einer Dividende ist zu unterscheiden die Abrede über eine Gewinnbeteiligung. Diese ist, wie in § 292 II ausdrücklich festgestellt wird, im Rahmen von Verträgen des laufenden Geschäftsverkehrs oder im Rahmen von Lizenzverträgen zulässig. Selbstverständlich ist auch der Vertrag über eine Gewinnbeteiligung mit Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat zulässig. Das war bisher schon völlig unstreitig. Audi mit einzelnen Arbeitnehmern der Gesellschaft ist eine Abrede über eine Gewinnbeteiligung ganz allgemein zulässig (§ 292 II). Dagegen würde eine allgemeine Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer unter die besonderen Bestimmungen, die für Unternehmensverträge gelten, fallen. VI. Dividenden- und Erneuerungssdiein Anm. 12: Regelmäßig werden, ohne daß ein gesellschaftsrechtlicher Anspruch darauf besteht, über die Gewinnanteile der einzelnen Jahre besondere, auch bei Namensaktien auf den Inhaber leutende Urkunden, Dividendenscheine, ausgestellt, welche den aufgrund des Hauptversammlungsbeschlusses entstandenen Gewinnanspruch jedweden Jahres, nicht etwa das von der Aktie untrennbare (s. Anm. 7 zu § 8 und Anm. 5 zu § 75) Gewinnrecht verkörpern und in diesem Sinne Wertpapiere sind, Inhaberpapiere in einem weiteren Sinn (RG 77, 235), ohne Unterscheidung, ob der Dividendenschein auf die Dividende eines bestimmten Geschäftsjahres lautet oder nur eine Unterscheidungsnummer trägt, wie allgemein üblich. Der Inhaber ist nicht nur legitimiert, sondern auch forderungsberechtigt, freilich erst, wenn ein Verteilungsbeschluß gefaßt ist (h. L.: vgl. B.-H. Rn. 25; Kölner Komm. Anm. 65). Bis dahin verkörpert der Schein überhaupt kein Recht, da es zweifelhaft ist, ob überhaupt ein Gewinn darauf entfallen wird, bei nur numerierten Scheinen auch, ob sie nicht nur als Legitimation für andere Zwecke dienen werden. Die Forderung wird durch Übergabe des Papiers übertragen. Es besteht erweiterter Schutz des guten Glaubens. § 796 BGB ist indessen nicht unbeschränkt anwendbar, z. B. kann seitens der Gesellschaft geltend gemacht werden: ursprüngliche oder durch Anfechtung herbeigeführte Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses, Nichtigkeit oder Einziehung (5 72) der Aktie, mangelnde Einzahlung (§ 60), Zugehörigkeit zu einer eigenen Aktie. Hierin erweist sich die Herkunft der Forderung aus der Aktie, aber sie ist im übrigen von ihr unabhängig. Selbst ein noch nicht an der Reihe befindlicher Dividendenschein oder der an der Reihe befindliche vor dem Verteilungsbeschluß kann seinen eigenen Weg gehen, nicht nur obligatorisch, sondern auch dinglich veräußert und verpfändet werden. Bei Veräußerung, Verpfändung und Nießbrauchbestellung besteht für den Mantel 316

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

Anm. 12

(Aktienurkunde) und die Scheine (Bögen) je für sich das Erfordernis der Übergabe: Aktie und Dividendenscheine können an verschiedene Personen verkauft und verpfändet werden. Der Dividendenschein ist daher nur mitveräußert, -verpfändet oder sonst -belastet, wenn er mitübergeben wird (RG 77, 335). Nicht wohl kann nach der Natur der Sache zweierlei Nießbrauch an Aktie und Dividendenschein für den gleichen Zeitraum bestellt werden, andererseits ist Veräußerung des Dividendenscheins und Bestellung eines zeitlich begrenzten Nießbrauchs an der Aktie zu unterscheiden. In allen Fällen der Veräußerung, Verpfändung, Nießbrauchbestellung vor dem Verwendungsbeschluß, der für den Dividendenschein gelten wird, kommt es auf die Vereinbarung dafür an, was gelten soll, wenn darauf ein Gewinnanspruch von anderer Höhe entfällt, als vorausgesetzt wurde. Beim Kauf dürfte es sich im allgemeinen um einen Hoffnungskauf, und zwar eines Gewinnanspruchs handeln, so daß der Käufer nicht etwa ein Bezugsrecht ausüben kann, wenn der Schein für ein solches legitimiert. Ist der Dividendenschein verpfändet, so dürfte das Pfandrecht jedes darauf entfallende Vermögensrecht ergreifen. Ist ein Nießbrauch darauf bestellt, so ist umgekehrt ohne dahingehende Vereinbarung nicht anzunehmen, daß ein Bezugsrecht darunter fallen soll (s. Anm. 2 zu § 186). Wenn kein Dividendenschein ausgestellt ist, so kann zwar der Anspruch auf den Gewinnanteil, auch auf den noch nicht beschlossenen, gleichfalls durch Abtretung oder Pfändung vom Aktienrecht getrennt werden. Zur Geltendmachung ist aber bei der Inhaberaktie und, wenn der Aussteller der Abtretungsurkunde nicht im Aktienbuch eingetragen ist, auch bei der Namensaktie die Vorlegung der Aktienurkunde notwendig. Es muß deshalb eine Legitimationsübertragung hinzukommen. Der Erwerber eines Dividendenscheins und der Zessionar eines Gewinnanspruchs bleibt, solange der maßgebliche Gewinnverwendungsbeschluß nicht gefaßt ist, hinsichtlich seiner künftigen Rechte der Verbandsgewalt unterworfen (bes. einem Auflösungsoder Satzungsänderungsbeschluß ausgesetzt); er wird auch von jedem Schicksal des Aktienrechts mitbetroffen, nicht auch dei: Urkunde; wird diese für kraftlos erklärt, kann er von dem Aktionär Aushändigung des Ersatzbogens verlangen, § 952 BGB. Er hat keine Möglichkeit., ihm nachteilige Beschlüsse anzufechten, auch nicht, wenn der Aktionär einen Anfechtungsgrund hätte und dazu befugt wäre. Es wird deshalb wohl niemand entgeltlich einen solchen Dividendenschein oder Gewinnanspruch erwerben, es sei denn unter entsprechender Gewährleistung eines solventen Veräußerers; immerhin sind Schenkungen und Vermächtnisse solcher Art denkbar, auch können bei Vermögensauseinandersetzungen derartige Ausgleiche vorkommen. Der Gewinnanspruch erlischt, wenn ein Dividendenschein gebildet ist, nach § 801 II BGB, sofern er nicht innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem er fällig geworden ist, vorgelegt wird; von der Vorlegung 317

§ 58 Anm. 12,13

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschaften

a b v e r j ä h r t der Anspruch in z w e i J a h r e n n a d i § 801 I I B G B ; in dem D i v i dendenschein selbst können a n d e r e V o r l e g u n g s - u n d V e r j ä h r u n g s f r i s t e n v o r gesehen w e r d e n (§ 801 I B G B ) . E i n A u f g e b o t zwecks K r a f t l o s e r k l ä r u n g des Dividendenscheines ist nicht möglich (§ 7 9 9 B G B ) . Jedoch k a n n sein Verlust angezeigt w e r d e n (§ 804 B G B ) . Ist kein Dividendenschein ausgegeben, so besteht auch keine V o r l e g u n g s f r i s t . D e r D i v i d e n d e n a n s p r u c h v e r j ä h r t in diesem F a l l e in dreißig J a h r e n . D e n A k t i e n pflegen auch Erneuerungsscheine beigegeben z u werden, a u f g r u n d deren neue Dividendenscheinbogen, welche die Gewinnanteilscheine f ü r eine begrenzte A n z a h l v o n e t w a 10 J a h r e n enthalten, ausgegeben werden, wenn alle Scheine a b g e l a u f e n sind. E i n solcher Erneuerungsschein ist kein I n h a b e r p a p i e r , sondern L e g i t i m a t i o n s p a p i e r (s. aber § 75), d a s seine E m p f a n g s b e r e d i t i g u n g nachweist, solange der A k t i o n ä r nicht widerspricht. D i e Gesellschaft ist solange berechtigt, a n den I n h a b e r des Erneuerungsscheines (auch T a l o n genannt) den B o g e n auszugeben. Dieser h a t jedoch aus dem Erneuerungsschein keine F o r d e r u n g a u f A u s h ä n d i g u n g des Bogens. D e s h a l b k a n n die Gesellschaft die A u s g a b e des Bogens a n den Inhaber des Aktienmantels nicht verweigern, wenn dieser ihn ohne den Erneuerungsschein oder statt seiner vorlegt. D e r E r w e r b e r der A k t i e h a t aber im Z w e i fel a u f g r u n d des Veräußerungsgeschäftes (auch a u f g r u n d E i g e n t u m s nach § 9 5 2 B G B ) einen Anspruch gegen den Veräußerer auf M i t ü b e r g a b e des T a l o n s u n d der Gewinnanteilscheine ( R G 77, 335). Auch der A k t i o n ä r hat als solcher gegen die Gesellschaft einen Anspruch a u f A u s h ä n d i g u n g des D i v i dendenscheinbogens m i t T a l o n u n d nach A b l a u f des ersteren a u f einen neuen Bogen mit T a l o n . D e r Schein w i r d durch die Einziehung, K r a f t l o s e r k l ä r u n g , K a d u z i e r u n g der A k t i e ungültig. D a er selbst kein Recht v e r k ö r p e r t oder gewährt, w ä r e seine K r a f t l o s e r k l ä r u n g gegenstandslos u n d ist d a h e r unzulässig. Seine V e r ä u ß e r u n g oder V e r p f ä n d u n g k a n n aus d e m gleichen G r u n d nur als ergänzendes Durchführungsgeschäft zur Veräußerung oder der Verp f ä n d u n g der Dividendenscheine in Betracht k o m m e n , zu deren Entgegenn a h m e er legitimiert.

VII. Verbot weiterer Ausschüttungen Anm. 13: D a s V e r b o t , v o r A u f l ö s u n g der Gesellschaft mehr als den B i l a n z gewinn unter die A k t i o n ä r e zu verteilen, steht in engem Z u s a m m e n h a n g mit der B e s t i m m u n g des § 57 I S . 1, denn jede Verteilung v o n m e h r als d e m B i l a n z g e w i n n w ü r d e eine R ü c k z a h l u n g der E i n l a g e bedeuten. D i e Bestimmung k a n n nur im Z u s a m m e n h a n g mit der V e r w e n d u n g des J a h r e s überschusses richtig verstanden werden, denn es ist keineswegs so, d a ß g a n z generell keine Z a h l u n g e n a n die A k t i o n ä r e erfolgen d ü r f e n . N a c h § 59 sind Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn zulässig, ferner ist nach wie vor 318

Verwendung des Jahresüberschusses

§58 Anm. 13,14

eine Auszahlung an die Aktionäre im Wege der ordnungsgemäßen Kapitalherabsetzung zulässig. Ferner fallen nicht unter das Verbot Leistungen aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 III) und Leistungen einer eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft (§ 323 II). Die geringfügige Änderung im Gesetzestext — es wird jetzt von der Auflösung der Gesellschaft gesprochen, während es früher hieß „solange die Gesellschaft besteht" — bedeutet keine Änderung des bisherigen Rechts. Es war schon im bisherigen Recht unstreitig, daß das Verbot des § 52 AktG 37 im Stand der Abwicklung galt (RG 149, 297) und damit auch Abschlagszahlungen auf den Abwicklungserlös vor Befriedigung der Gläubiger und Ablauf des Sperrjahres nicht erlaubt waren. Wenn jetzt von der Auflösung der Gesellschaft ausgegangen wird, so ändert das sachlich insofern nichts, als auf die Auflösung die Abwicklung folgt und nunmehr die dortigen Schutzbestimmungen, die dem vorliegenden Paragraphen insoweit entsprechen, gelten. VIII. Übergangsbestimmungen Anm. 14: Die Vorschriften über die Verwendung des Jahresüberschusses und die Gewinnverwendung gelten erstmals für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr (§ 15 I EG). Das bedeutet, daß sie erstmals in der Hauptversammlung 1968 anzuwenden sind. Wenn Satzungsänderungen als notwendig oder zweckmäßig erscheinen, so können diese in derselben Hauptversammlung vorgenommen werden, in der die Gewinnverwendung nach den neuen Vorschriften erstmals zu erfolgen hat. Solche Satzungsänderungen sind z. B. dann notwendig, wenn die Hauptversammlung ermächtigt werden soll, die Verwendung des Bilanzgewinns zu beschließen, die nicht in einer Zuweisung von Beträgen in offene Rücklage oder in einem Gewinnvortrag besteht (Abs. 3). Ferner ist zu prüfen, ob nicht eine Satzungsänderung im Sinne des Abs. 1 notwendig ist, die dahin geht, daß die Hauptversammlung, wenn sie selbst den Jahresabschluß feststellt, Beträge aus dem Jahresüberschuß in freie Rücklagen einstellen kann oder muß. Endlich kann sich auch eine Satzungsbestimmung als zweckmäßig erweisen, die den Vorstand und Aufsichtsrat, wenn er den Jahresabschluß feststellt, zur Einstellung eines größeren Teils als die Hälfte des Jahresüberschusses in die freien Rücklagen ermächtigt (Abs. 2). Wird die Satzungsänderung in der Hauptversammlung vorgenommen, die über das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr, das ist also im allgemeinen die Hauptversammlung, die im Jahre 1968 stattfindet, beschlossen, so muß die Beschlußfassung vor der Beschlußfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns erfolgen. Dies sollte sich schon aus der 319

§ 58/59

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschaften

Anm. 14

Tagesordnung ergeben, evtl. muß eine unrichtige Tagesordnung durch Beschluß der Hauptversammlung entsprechend umgestellt werden. D a eine Satzungsänderung erst mit ihrer Eintragung wirksam wird, kann audi der Gewinnverwendungsbeschluß nicht wirksam werden, bevor nicht die Eintragung der Satzungsänderung erfolgt ist. Es bleibt aber den Gesellschaften überlassen, die ihnen notwendig erscheinenden Satzungsbestimmungen schon in einer früheren Hauptversammlung beschließen zu lassen. Dem steht auch der Wortlaut des § 15 I I E G nicht entgegen. Dieser besagt nur, daß, wenn keine Satzungsänderungen erfolgen, für die früheren Geschäftsjahre es bei den bisherigen gesetzlichen Vorschriften und Satzungsbestimmungen verbleibt. Dagegen haben die Gesellschaften keine freie Hand in der Richtung, den Gewinnverwendungsbeschluß nach den neuen Vorschriften schon auf ein früheres Geschäftsjahr anzuwenden. Im Gegensatz zu den Übergangsbestimmungen für die Rechnungslegung, wo es ausdrücklich heißt, daß diese zwar auch erstmals für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr gelten, sie aber auf ein früheres Geschäftsjahr angewandt werden können, fehlt es bei der Bestimmung über die Gewinnverwendung an dieser ausdrücklichen Bestimmung. Man muß also davon ausgehen, daß auch für eine Gesellschaft, die die Vorschriften über die Rechnungslegung bereits für ein früheres Geschäftsjahr eingeführt hat, die Vorschriften über die Verwendung des Jahresübersdiusses und die Gewinnverwendung nach zwingender gesetzlicher Vorschrift erst für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr erstmals gelten. Das gilt allerdings nicht für zwischenzeitlich beschlossene und wirksam gewordene Satzungsänderungen, soweit diese nach A k t G 37 zulässig waren (vgl. Werner in Die AktGes 1967, 104).

§ 59 Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn (1) Die Satzung kann den Vorstand ermächtigen, nach Ablauf des Geschäftsjahrs auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn einen Abschlag an die Aktionäre zu zahlen. (2) Der Vorstand darf einen Abschlag nur zahlen, wenn ein vorläufiger Abschluß für das vergangene Geschäftsjahr einen Jahresüberschuß ergibt. Als Abschlag darf höchstens die Hälfte des Betrags gezahlt werden, der von dem Jahresüberschuß nach Abzug der Beträge verbleibt, die nach Gesetz oder Satzung in offene Rücklagen einzustellen sind. Außerdem darf der Abschlag nicht die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns übersteigen. (3) Die Zahlung eines Abschlags bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats.

320

Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn

§ 59

Anm. 1—3

Anm. 1: Aus dem Gedanken heraus, die Aktie auch für ein Publikum einzuführen, das bisher gewohnt ist, sein Geld gegen Verzinsung anzulegen, hat man sich entschlossen, die Möglichkeit zu schaffen, auf die Aktie nicht wie bisher nur einmal einen Ertrag auszuschütten, sondern eine gewisse Anpassung an die Anlagepapiere vorzusehen, die mehrfach im Jahr Zinsen ausschütten. Das ist bei der Aktie ihrer Natur nach nur in sehr beschränktem Umfang möglich. Es muß an dem Grundsatz festgehalten werden, daß irgendwelche Zahlungen an die Aktionäre nur aus dem Bilanzgewinn gemacht werden können. Dieser Bilanzgewinn steht erst fest, wenn die Hauptversammlung den Gewinnverwendungsbeschluß gefaßt hat. Es ist also immer bedenklich, wenn vor diesem Zeitpunkt irgendwelche Abschlagszahlungen an die Aktionäre auf einen überhaupt noch nicht festgestellten Bilanzgewinn geleistet werden sollen. Die Vorschrift war deshalb auch bis zuletzt umstritten, teilweise auch deshalb, weil befürchtet wurde, man würde hier Hoffnungen bei Aktionären wecken, die von der Wirtschaft nicht erfüllt werden. Endlich wurde gegen die Vorschrift nicht zu Unrecht eingewandt, daß zumindest im Augenblick die Entwicklung auch bei den festverzinslichen Werten dahin geht, die Zinszahlungen möglichst nur einmal im Jahr vorzunehmen, einfach aus Gründen der Arbeitsersparnis. Wenn man sich trotz dieser Bedenken zur Einführung der Bestimmungen entschloß, so muß bei ihrer Auslegung davon ausgegangen werden, daß unter keinen Umständen dies ein Weg sein darf, auf dem die Bestimmung des § 58 IV umgangen werden könnte. Anm. 2: Eine Abschlagszahlung setzt zunächst voraus, daß die Satzung den Vorstand zu einer solchen Abschlagszahlung ermächtigt. Es kann also nicht etwa eine Hauptversammlung beschließen, daß im folgenden Geschäftsjahr eine solche Abschlagszahlung stattfindet. Es müßte, wenn die Satzung darüber nichts besagt, zunächst ein satzungsändernder Beschluß gefaßt und wirksam werden. Auch dann hat die Hauptversammlung mit der Abschlagszahlung nichts zu tun, sie kann keinen Beschluß fassen, der eine Anweisung an den Vorstand enthält, vielmehr steht die Abschlagszahlung in der Verantwortung des Vorstands und des Aufsichtsrats, denn nur mit dessen Zustimmung kann eine Abschlagszahlung stattfinden (Abs. 3). Anm. 3: Niemals darf eine Abschlagszahlung auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn eines noch laufenden Geschäftsjahres geleistet werden. Es ist also nicht denkbar, daß, wenn die Satzung den Vorstand ermächtigt hat, etwa in einer Hauptversammlung einmal eine Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr ausgeworfen wird und dann noch eine weitere Abschlagszahlung für das zum Zeitpunkt der Hauptversammlung laufende Geschäftsjahr. Nur wenn das Geschäftsjahr, für das die Abschlagszahlung auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn gezahlt werden soll, abgeschlossen ist, sich 321

§ 59 Anm. 3—6

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

also in seinem ganzen Verlauf übersehen läßt, kann eine solche Abschlagszahlung in Frage kommen. Anm. 4: Auch dann kann sich der Vorstand nicht auf eine allgemeine Schätzung verlassen, sondern es muß ein vorläufiger Abschluß für das vergangene Geschäftsjahr vorliegen. Das Gesetz sagt nichts darüber, wie ein solcher aussehen muß. Es ist selbstverständlich, daß er ordnungsgemäß aufgestellt sein muß. Es genügt also sicher nicht, wenn lediglich das Betriebsergebnis des abgelaufenen Jahres angegeben wird, sondern es muß die Aufstellung des vorläufigen Abschlusses nach den Bestimmungen der §§ 149—159 erfolgt sein. Der Geschäftsbericht gehört begrifflich nicht zum Jahresabschluß. Er dient dazu, ihn zu erläutern. Infolgedessen braucht er noch nicht vorzuliegen, wenn eine Abschlagszahlung erfolgen soll. Ebenso braucht der Jahresabschluß noch nicht von den Abschlußprüfern geprüft zu sein. Gerade dieser notwendige Zeitraum soll durch die Abschlagszahlung überbrückt werden. Dieser Abschluß muß einen Jahresüberschuß ergeben. Anm. 5: Von dem sich aus dem vorläufigen Abschluß nach § 157 Ziff. 28, also ohne Gewinnvortrag und Entnahme aus offener Rücklage (B.-H. Rn. 4) ergebenden Uberschuß sind zunächst einmal die Beträge abzuziehen, die nach Gesetz oder Satzung in offene Rücklagen einzustellen sind. Von dem sich dann ergebenden Betrag darf höchstens die Hälfte als Abschlagszahlung verwandt werden. Ganz selbstverständlich haben Vorstand und Aufsichtsrat auch die Beträge zu berücksichtigen, die sie über das, was nach Gesetz oder Satzung in offene Rücklagen einzustellen ist, in diese einzustellen beabsichtigen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob sie dazu nach § 58 II durch die Satzung ermächtigt sind oder beabsichtigen, der Hauptversammlung einen entsprechenden Vorschlag zu machen. Allerdings brauchen sie das nicht zu tun, um zu berechnen, wie groß der Betrag ist, von dem sie die Hälfte als Abschlagszahlung verwenden können. Sie können also beispielsweise bei der Berechnung der Abschlagszahlung davon ausgehen, daß sie die Beträge, die sie freiwillig offenen Rücklagen zuführen wollen, zu Lasten des Teils des Bilanzgewinns gehen lassen, über den die Hauptversammlung verfügt. Das sind aber rein theoretische Erwägungen. Sicherlich wird, wenn man sich überhaupt zur Abschlagszahlung entschließt, eine Verwaltung davon ausgehen, daß sie nicht mehr als die Hälfte des Betrages ausschüttet, der vermutlich im Gewinnverwendungsbeschluß von der Hauptversammlung als Gesamtdividende erklärt wird (ebnso Barz in Großkomm. Anm. 7). Anm. 6: Endlich ist noch eine weitere Vorsichtsmaßnahme getroffen worden. Der Abschlag darf nicht die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns übersteigen. Hier handelt es sich also nicht etwa um den vorjährigen Jahresüberschuß (§ 157 I Posten 28), sondern um den Bilanzgewinn, dort Posten 32. 322

Gewinnverteilung

§§59/60 Anm. 6,7/1

Diese Bestimmung ist redit problematisch, denn, sie geht einmal davon aus, daß die Ertragslage der Gesellschaft in gewissem Umfange konstant ist, zum anderen davon, daß die Rücklagenpolitik und damit die Feststellung des Bilanzgewinns eine grundsätzlich gleichbleibende ist. Diese Voraussetzungen scheint Lutter (in Kölner Komm. Anm. 11) als bei den Gesellschaften immer gegeben anzusehen, da er sich gegen unsere Formulierung, die Bestimmung sei problematisch, wendet. Gerade diese letztere ist ein Übel bei den deutschen Gesellschaften, da sie der Tatsache widerspricht, daß die Aktie eine Beteiligung an der Gesellschaft vermittelt und daß infolgedessen der Aktionär das Auf und Ab am Schicksal seiner Gesellschaft mitzutragen hat. Dennoch hat man sich entschlossen, diese im Regierungsentwurf vorgeschlagene Bestimmung beizubehalten, weil sie wohl in der Praxis tatsächlich eine weitere Sicherung gegen leichtsinnige Abschlagszahlung darstellt. Anm. 7: Bei Verstoß haften Vorstand und Aufsichtsrat nadi §§ 93, 116, der Aktionär nach § 62. Ein gutgläubiger Aktionär ist durch § 62 S. 2 auch dann geschützt, wenn sich später herausstellt, daß der verteilungsfähige Bilanzgewinn die Abschlagszahlung nicht erreicht (B.-H. Rn. 8). § 60 Gewinnverteilung (1) Die Anteile der Aktionäre am Gewinn bestimmen sich nadi dem Verhältnis der Aktiennennbeträge. (2) Sind die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet, so erhalten die Aktionäre aus dem verteilbaren Gewinn vorweg einen Betrag von vier vom Hundert der geleisteten Einlagen. Reicht der Gewinn dazu nicht aus, üo bestimmt sich der Betrag nach einem entsprechend niedrigeren Satz. Einlagen, die im Laufe des Geschäftsjahrs geleistet wurden, werden nach dem Verhältnis der Zeit berücksichtigt, die seit der Leistung verstrichen ist. (3) Die Satzung kann eine andere Art der Gewinnverteilung bestimmen. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 53 AktG 37 mit der Maßgabe, daß sie klarstellt, daß es sich um die Anteile „der Aktionäre" am Gewinn handelt. Es gibt auch noch andere am Gewinn beteiligte Personen, deren Rechte werden hier nicht geregelt (vgl. hierüber § 58 Anm. 8). Da nach Absatz 3 die Satzung eine andere: Art der Gewinnverteilung bestimmen kann und dies vielfach geschieht, haben die Bestimmungen der Absätze 1 und 2 nur die Bedeutung, daß sie gültig sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. Wichtig ist jedoch, daß nur die Satzung etwas anderes bestimmen kann, nicht etwa die Hauptversammlung. Diese ist an 323

§§ 60/61 Anm. 1—5

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Satzung und, wenn diese nichts besonderes bestimmt, an das Gesetz gebunden. Abweichendes kann sie nicht beschließen. Bestritten ist, ob durch eine nachträgliche Satzungsänderung der Verteilungsmaßstab für bereits ausgegebene Aktien verändert werden kann. Wir sind der Auffassung, daß dies nur möglich ist, wenn es gleichmäßig für alle oder anläßlich einer Kapitalerhöhung für das Verhältnis der neuen zu den alten Aktien geschieht. Im übrigen würde die mit einer solchen Änderung notwendig verbundene Benachteiligung eines Teils der Aktionäre den Beschluß anfechtbar madien.

Anm. 2: Die Satzung kann verschiedene Aktiengattungen (§ 11), z. B. Vorzugsaktien, schaffen, indem sie der einen Gattungsart Vorzugsrechte einräumt oder ihre Rechte beschränkt oder mit dem Vorzug eine Beschränkung verbindet, auch von dem Nennbetrag als Verteilungsgrundlage abgehen, wie es vielfach bei den Nebenleistungsgesellschaften geschieht. Sie kann voll und nicht voll eingezahlte Aktien wegen des gleichen Risikos einander gleichstellen oder statt von den Nennbeträgen oder den Einlagen (Einzahlungen) auf diese von der gesamten Einlage (Nennbetrag plus Aufgeld) ausgehen. Anm. 3: Kommen, weil die Satzung nichts anderes bestimmt, die Absätze 1 und 2 zum Zuge, so ist der Nennbetrag maßgebend, nicht die H ö h e der Einlage (auf den Nennbetrag eingezahlter Betrag zuzüglich Aufgeld). Die einzelnen Emissionen sind einander also gleichgestellt, auch wenn der Ausgabebetrag verschieden hoch war. Sind aber nicht alle Einlagen voll eingezahlt, so wird auf die Einzahlungen, welche auf das Grundkapital (nicht auf das Aufgeld) geleistet worden sind, eine Vordividende von 4 % nach Maßgabe der H ö h e und des Zeitpunktes der Zahlung vorweg ausgeschüttet. Anm. 4: Absatz 2 greift bereits Platz, wenn nur ein Aktionär die Einlage nicht voll eingezahlt hat. Unter Einlagen sind auch Sacheinlagen zu verstehen, bei denen sich der Hundertsatz nach der Bewertung der Sacheinlage richtet. Anm. 5: Junge, vollbezahlte Aktien, die im L a u f e des Geschäftsjahres ausgegeben wurden, nehmen am Gewinn voll teil. D a s ist Auslegungsfrage, aber zu bejahen, sofern der Kapitalerhöhungsbeschluß nichts bestimmt (a. A. die h. L . ; vgl. Barz in Großkomm. Anm. 5). Im übrigen hat diese Frage infolge der im allgemeinen erfolgenden Regelung im Kapitalerhöhungsbeschluß nur theoretische Bedeutung. § 61 Vergütung von Nebenleistungen Für wiederkehrende Leistungen, zu denen Aktionäre nach der Satzung neben den Einlagen auf das Grundkapital verpflichtet sind, darf eine den 324

Vergütung von Nebenleistungen

§61 Anm. 1—4

Wert der Leistungen nicht übersteigende Vergütung ohne Rücksicht darauf gezahlt werden, ob ein Bilanzgewinn ausgewiesen wird. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt sachlich die Bestimmung des § 55 AktG 37 mit der Maßgabe, daß entsprechend der neuen Terminologie des neuen Gesetzes nicht mehr von einem sich aus der Jahresbilanz ergebenden Reingewinn die Rede ist, sondern von dem Bilanzgewinn. Anm. 2: Grundsätzlich (§ 58 IV) darf an die Aktionäre, außer nach Beendigung der Abwicklung und Ablauf des Sperrjahres (§ 272), nur der Bilanzgewinn ausgezahlt werden. Eine echte Ausnahme enthält § 57 I I I , der Zahlung von Zinsen im Vorbereitungszeitraum unter gewissen Voraussetzungen zuläßt. Schließlich kann man noch in gewissem Umfang als Ausnahme die neue Bestimmung des § 59 ansehen, die Abschlagszahlungen auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn zuläßt. Bei der Bestimmung des § 61 handelt es sich aber um Zahlungen, die audi dann geleistet werden dürfen, wenn ein Bilanzgewinn nicht ausgewiesen wird. Es handelt sich auch in der Tat nicht um irgendwelche Gewinnausschüttung, sondern um einen Leistungsaustausch. Zwischen AG und Aktionär als Drittem nach allgemein bürgerlichrechtlichen Vorschriften ist das selbstverständlich. Aber auch soweit ausnahmsweise Aktionäre als solche zu Nebenleistungen über die Einlage hinaus verpflichtet werden (§ 55), darf ihnen die AG dafür eine Vergütung zahlen und auch zusagen. Eine eigentliche Ausnahme von dem Grundsatz ist dies nicht, denn die Vergütung darf nicht mehr betragen, als den Wert der Aktionärsleistung im Zeitpunkt ihrer Entrichtung, nicht mehr als den Marktpreis oder was die Gesellschaft auch einem Dritten bezahlen würde. Die bedingungslose Zusage einer bestimmten Vergütung ist daher unzulässig oder richtiger, u. U. unerfüllbar. Eine Überzahlung der Gesellschaft hat die Folge des § 62. Über die Bestimmung der Vergütung s. Anm. 7 zu § 55. Anm. 3: Es handelt sich hier um einen Leistungsaustausch im Rahmen gesellschaftlicher Pflichten und Rechte, nicht um Kauf und Verkauf. Der Anspruch auf die Vergütung ist daher ein gesellschaftliches Recht, wird aber nach herrschender Ansicht, wenn der Aktionär seine Leistung vollbracht hat, zum Gläubigerrecht, das der Verbandsgewalt entzogen ist und im Konkurs der Gesellschaft geltend gemacht werden kann, auch nicht mehr an der Aktie haftet, sondern dem Aktionär, der seinerseits geleistet hat, persönlich zusteht. Auch für den Anspruch auf zusätzliche Vergütung aus dem Bilanzgewinn nehmen wir dies an, jedoch entsteht dieser Anspruch erst nach dem Gewinnverwendungsbeschluß und ist bis dahin nur eine Anwartschaft. Anm. 4: Da es sich nicht um einen Anspruch aus gegenseitigem Vertrag, sondern um ein Mitgliedschaftsrecht handelt, welches um der Erfüllung einer 325

§§61/62

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 4,5 Mitgliedschaftspflicht willen gewährt wird, sind die Vorschriften der §§ 320 ff. BGB nicht unmittelbar, immerhin aber teilweise entsprechend anwendbar. So ist entsprechend anwendbar § 320 BGB, wenn nicht die Satzung eine Vorleistungspflicht des Aktionärs begründet. Letzteres wird immer auf eine Fruchtanbaupflicht zutreffen. Schadenersatzansprüche des Aktionärs bei Nichtannahme seiner Lieferung und Nichtbewirkung der Gegenleistung (obwohl z. B. er der Anbaupflicht genügt hat) können wegen Mindererlöses nur dann bestehen, wenn er beim Deckungsverkauf weniger als den Marktpreis erzielt, weil die Gesellschaft mehr als diesen nicht hätte bezahlen dürfen. Dagegen kann der Aktionär, davon abgesehen, jeden Schaden geltend machen, obwohl die Gesellschaft dadurch eine Leistung bewirken muß, für welche sie keine Gegenleistung erhalten hat, denn aus der gesellschaftlichen Natur des Aktionärsanspruches folgt nicht, daß er wegen dessen Verletzung nicht Schadenersatz fordern dürfte. Ebenso verbleibt ihm der Anspruch auf zusätzliche Vergütung aus dem Bilanzgewinn auch wegen einer solchen infolge Gläubiger- oder Schuldnerverzugs der Gesellschaft nicht bewirkten Leistung (vgl. auch Barz in Großkomm. Anm. 6). Anm. 5: Eine zusätzliche Vergütung aus dem Bilanzgewinn kann gezahlt werden (§ 60 III), aber nur nach den Vorschriften über die Verteilung des Bilanzgewinns, setzt also einen geprüften Abschluß und einen Beschluß der Hauptversammlung voraus, ohne den der Anspruch nicht entsteht.

§ 62 Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen (1) Die Aktionäre haben der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren. Haben sie Beträge als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen, so besteht die Verpflichtung nur, wenn sie wußten oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußten, daß sie zum Bezüge nidit berechtigt waren. Ist streitig, ob die Voraussetzungen des Satzes 2 vorliegen, so trifft die Beweislast die Aktionäre. (2) Der Anspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Ist Ober das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Gesellschaftsgläubiger gegen die Aktionäre aus. (3) Die Ansprüche nach diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren seit dem Empfang der Leistung. 326

Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen

§ 62

Anm. 1,2 I. Übersicht (Anm. 1) II. Der Rückgewähranspruch 1. Haftungstatbestand (Anm. 2) 2. Anspruchsberechtigte (Anm. 3)

3. Der Haftende (Anm. 4) 4. Haftungsumfang (Anm. 5) 5. Einwendungen und Einreden (Anm. 6 u. 7)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift regelt die Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Zahlungen im Endergebnis so, wie es im bisherigen Recht § 56 AktG 37 tat. Der Aufbau der Bestimmungen ist aber ein grundsätzlich anderer. Während im bisherigen § 56 die primäre Pflidit der Aktionäre, das zu Unrecht Empfangene der Gesellschaft zurückzugewähren, überhaupt nicht ausdrücklich ausgesprochen war, geschieht dies jetzt in der neuen Bestimmung in Absatz 1 Satz 1. Dieser Satz 1 bezieht sich auf alle Leistungen, die Aktionäre von der Gesellschaft entgegen gesetzlichen Vorschriften empfangen haben. Der Aktionär kann sich im allgemeinen nicht auf guten Glauben beim Erwerb berufen. N u r in einem Ausnahmefall ist dies möglich, nämlich dann, wenn die Beträge, die er erhalten hat, aus Gewinnanteilen oder Zinsen bezogen wurden. Dann entfällt die Verpflichtung zur Rückgewähr, wenn der Aktionär beim Empfang gutgläubig war. Für diesen seinen guten Glauben ist er jedoch beweispflichtig. Diese Regelung entspricht der bisherigen Rechtslage, kam aber im § 56 AktG 37 nicht recht zum Ausdruck, da lediglich im Absatz 3 bestimmt war, daß die Gesellschaft Beträge nicht zurückfordern kann, die Aktionäre in gutem Glauben als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen haben. Es war weder geregelt, wie es mit den Beträgen sein sollte, die nicht als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen wurden, noch die Frage, wer die Beweislast dafür trägt, daß die Aktionäre die Beträge in gutem Glauben als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen haben. Das ist jetzt im Absatz 1 der neuen Vorschrift eindeutig klargestellt. II. Der Rückgewähransprudi 1. Haftungstatbestand Anm. 2: Tatbestand ist, daß entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes eine Leistung — das kann eine Zahlung oder etwas anderes sein — aus dem Vermögen der Gesellschaft empfangen worden ist. Unter diesen Vorschriften sind zu verstehen §§ 58, 60, 61, 71 II S. 2; §§ 1:30, 225 II; §§ 230, 232,233, 271 und 272 (vgl. die Erläuterungen hierzu). Auch eine übermäßige Vergütung an einen Großaktionär als Vorstandsmitglied fällt unter das Verbot, wenn die Vergütung an einen anderen, der nicht Großaktionär ist, nicht in gleicher Höhe gewährt worden wäre (B.-H. Rn. 1; Kölner Komm. Anm. 11). Daß die Gesetzesverletzung die Kapitalziffer angreife, ist nicht Voraussetzung der Folge des § 62. Daher werden auch Zahlungen aus Gewinn be327

§ 62 Anm. 2,3

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

troffen, wenn sie nicht von der Hauptversammlung beschlossen wurden, z. B. versteckter Gewinn, ebenso die vorzeitige Auszahlung des das Grundkapital übersteigenden Teils des Abwicklungsüberschusses. Der Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr des Empfangenen besteht nur, wenn zwingende Gesetzesvorschriften verletzt sind. Das entspricht der bereits nach dem bisherigen Recht herrschenden Ansicht. Die Auffassung, daß auch die Verletzung von nachgiebigem Gesetzesrecht und von Satzungsbestimmungen zu einem Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr des Empfangenen führen kann, ist nach der neuen Formulierung nicht mehr aufrechtzuerhalten (i. Ergebnis ebenso Barz in Großkomm. Anm. 4). Lediglich wenn die Leistung auf einer Satzungsbestimmung beruht, die ihrerseits gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt und damit nichtig ist, kann ein Anspruch auf Rückgewähr der Leistung entstehen. Unerheblich ist, ob es den Gesellschaftsorganen bewußt war, durch die Leistung gegen Vorschriften des Gesetzes verstoßen zu haben. 2. Anspruchsberechtigte Anm. 3: Der Ersatzanspruch kann nicht nur von der Gesellschaft, sondern auch von den Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden, von letzteren jedoch nur subsidiär, d. h., wenn und soweit sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen. Die Vorsdirift ist der des § 93, der sich mit den Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Vorstandsmitglieder befaßt, nachgebildet. Der Gläubiger muß beweisen, daß er von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann. Dazu braucht er jedoch nicht fruchtlose Zwangsvollstreckung oder nur Klageerhebung nachzuweisen. Da der Gläubiger einen Anspruch der Gesellschaft nicht etwa aus einer gegen ihn gerichteten unerlaubten Handlung auf Schadenersatz geltend macht, kommt es nicht darauf an, wann seine Forderung entstanden ist, ob vor oder nach der gesetzeswidrigen Leistung an den Aktionär. Die Sachlegitimation des Gläubigers wird durch die Höhe seiner Forderung begrenzt. Außerdem kann er nicht mehr geltend machen, als die gesetzwidrige Leistung der Gesellschaft an den Aktionär ausmacht. Die Haftung gegenüber den Gläubigern wird hier einzigartig ausgestaltet, in der Form einer auch dem Umfang nach bedingten Sachbefugnis der Gläubiger selbst, den Anspruch der Gesellschaft geltend zu machen, um sich daraus zu befriedigen, indem der Gläubiger Zahlung an sich verlangt (ebenso B.-H. Rn. 11; a. A. Kölner Komm. Anm. 28). Dadurch wird vermieden, daß die Gesellschaft den Anspruch unter den Tisch fallen lassen kann. Da dabei ein Anspruch der Gesellschaft geltend gemacht wird, hat diese Befugnis jeder Gläubiger, da jedem das Gesellschaftsvermögen haftet, auch ein späterer. Bei mehreren Gläubigern handelt es sich um eine Sachbefugnis mehrerer Einzelgläubiger, nicht um eine Gesamtgläubigerschaft nach §§428 ff. BGB (falsch, aber nur beiläufig RG 74, 472; 328

Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen

§ 62 Anm. 3,4

Schi.-Qu. § 56 Anm. 19, 22; wie hier B.-H. Rn. 11; Ritter § 56 Anm. 9). Auch die Gesellschaft selbst bleibt aktiv legitimiert. Folgerichtig kann zwar bis zur Tilgung an die Gesellschaft selbst — dies kann der Gläubiger verhindern, indem er den Anspruch pfändet und sich überweisen läßt — und jeden Gläubiger — an einen solchen jedoch nur, wenn die Voraussetzung seiner Legitimation, Insolvenz der Gesellschaft, v orliegt (weitergehend B.-H. Rn. 11) — gezahlt werden (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 9), begründet aber die Erhebung der Klage durch die Gesellschaft oder einen Gläubiger für den Beklagten gegen jede weitere Klage die Einrede der Rechtshängigkeit (bzw. rechtskräftig entschiedene Sadie). Im Konkurs der Gesellschaft übt der Konkursverwalter das Recht der Gesellschaftsgläubiger an deren Stelle aus. Diese sind während der Dauer des Verfahrens von der Geltendmachung ausgeschlossen, auch wenn der Konkursverwalter den Anspruch aus der Haftung nicht erhebt. Die Meinung, daß der Konkursverwalter das zur Masse gehörige Recht der Gesellschaft ausübe, ist unbedenklich. Nach R G in J W 35, 3301 kann aber der Konkursverwalter auch in den schwebenden Rechtsstreit eines Gläubigers eintreten und wird dann dessen Rechtsnachfolger im Sinne des § 325 ZPO (ebenso Kölner Komm. Anm. 33). 3. Der

Haftende

Anm. 4: Der Anspruch auf Rückgewähr der empfangenen Leistung richtet sich gegen den Aktionär als solchen, also nicht, wenn er etwa der Gesellschaft beim Empfang der Leistung als Dritter gegenüberstand. Der Anspruch ist deshalb gesellschaftsrechtlicher Natur, er ist ein Ausfluß des Grundgedankens, daß unter allen Umständen das Grundkapital erhalten bleiben muß und keine Zahlungen irgendwelcher Art an die Aktionäre als solche geleistet werden dürfen, soweit dies nicht vom Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Gegenüber dem Anspruch der Gesellschaft kann nicht etwa eingewendet werden, der Empfänger sei nicht mehr bereichert. Außer dem gesellschaftsrechtlichen Charakter des Anspruches wurde schon nach dem bisherigen Redit gefolgert, daß eine Befreiung der Aktionäre von ihrer Leistungspflicht auch in diesem Falle nach dem § 60 AktG 37 nicht möglich sei. Heute ist im § 66 II dies ausdrücklich bestimmt. Es kann weder eine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten stattfinden, noch können die Aktionäre gegen eine Forderung der Gesellschaft auf Rückgewähr des verbotswidrig Empfangenen aufrechnen. Die Verpflichtung zur Rückgewähr trifft nicht den jeweiligen Aktionär, also nicht den späteren Erwerber der Aktie, sondern nur den Empfänger der unstatthaften Leistung (Kölner Komm. Anm. 7). Ist der Aktionär eine juristische Person, deren Anteile sämtlich einer Person zustehen, so ist diese mit dem Aktionär zu identifizieren. 329

§ 62 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 4—6 Die bisher umstrittene Frage, ob der Inhaber eines Dividendensdheines als solcher haftet, ist nunmehr durch die Neuformulierung, die dahingeht, daß die Aktionäre die zu Unrecht empfangenen Leistungen der Gesellschaft zurückzugewähren haben, dahin geklärt, daß diese ausschließlich nach der Sonderbestimmung des § 62 haften, nicht aber Dividendenscheininhaber, soweit diese nicht Aktionäre sind (B.-H. Rn. 8; Barz in Großkomm. Anm. 2). Gewinnanteilsbereditigte Vorstandsmitglieder oder Angestellte, welche zu Unrecht einen Gewinnanteil empfangen haben, sind ausschließlich nach den §§ 812 ff. BGB, evtl. § 826 BGB rückgabepflichtig und haften den Gläubigern wegen ihrer eigenen Empfänge nicht, jedenfalls nicht aus § 62, evtl. aber aus § 93. 4.

Haftungsumfang

Anm. 5: Der Umfang der Haftung wird begrenzt durch das Empfangene. Was mit den empfangenen Leistungen geschieht, ist gleichgültig. Es kommt demnach nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme noch eine Bereicherung vorliegt. Es handelt sich praktisch um eine Werthaftung. 5. Einwendungen

und

Einreden

Anm. 6: Der Empfänger haftet nur für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, er kann daher seine Haftung mit allen Einwendungen und Einreden bekämpfen, welche die Gesellschaft der Forderung entgegensetzen könnte. Man wird dem Empfänger auch wie dem Bürgen (§ 770 BGB) eine Einrede aus einer Anfechtungs- o4er Aufrechnungsbefugnis der Gesellschaft zugestehen müssen. Auch die Einrede der Verjährung der Forderung, derentwillen seine Haftung in Anspruch genommen wird, kann der Empfänger geltend machen. Da der Gläubiger mit der Klage einerseits den Anspruch der Gesellschaft andererseits auch seinen Anspruch gegenüber der Gesellschaft geltend madit, wird durch die Erhebung der Klage die Verjährung auch zu Gunsten der Gesellschaft unterbrochen (ebenso Kölner Komm. Anm. 36; a. A. die Voraufl.; Barz in Großkomm. Anm. 12). Die Verjährung tritt nach 5 Jahren seit dem unzulässigen Empfang ein. Die bisher im Schrifttum vielfach vertretene Meinung, daß diese Verjährungsfrist nicht für den Anspruch der Gesellschaft auf Rüdegewähr der empfangenen Leistung gilt, kann nach der jetzigen Formulierung der Vorschrift nicht mehr aufrechterhalten werden, denn es ist klargestellt, daß es sich immer um einen Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr der empfangenen Leistung handelt, auch wenn dieser entsprechend der Bestimmung des Abs. 2 von einem Gläubiger geltend gemacht wird. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß die Verjährungsbestimmung des Abs. 3 sich auf diesen Anspruch der Gesellschaft bezieht, gleichgültig, ob er von der Gesellschaft selbst oder einem Gläubiger geltend gemacht wird. 330

Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung

§§

62/63

Anm.7/1

Anm. 7: Der Rückgewähranspruch gelangt nicht zur Entstehung, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 S. 2 vorliegen, d. h., wenn das Empfangene als Gewinnanteil oder Zinsen bezogen wurde und der Aktionär gutgläubig war. Im Einzelfall kann es zweifelhaft sein, ob die Beträge, die die Aktionäre empfangen haben, aus Gewinnanteilscheinen oder Zinsen bezogen wurden oder ob es sich um Leistungen der Gesellschaft anderer Art handelt. Für diese Fälle trifft den Aktionär die Beweislast ebenso wie dafür, daß er nicht wußte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß er zum Bezug der Beträge nicht berechtigt war. Leichte Fahrlässigkeit schadet nichts. § 63 Folgen nidit rechtzeitiger Einzahlung (1) Die Aktionäre haben die Einlagen nach Aufforderung durch den Vorstand einzuzahlen. Die Aufforderung ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. (2) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, haben ihn vom Eintritt der Fälligkeit an mit fünf vom Hundert für das Jahr zu verzinsen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. (3) Für den Fall nicht rechtzeitiger Einzahlung kann die Satzung Vertragsstrafen festsetzen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Einlageforderung 1. Voraussetzungen (Anm. 2) 2. Gleichmäßige Einforderung gleicher Gattungen (Anm. 3) 3. Art der Einforderung (Anm. 4) III. Der aufzufordernde Aktionär (Anm. 5) IV. Verpflichtungen neben der Einlage 1. Arten der Verpflichtungen

a) Zinsen (Anm. 6) b) Weiterer Schadensersatz (Anm. 7) c) Vertragsstrafe (Anm. 8) 2. Behandlung der Ansprüche durch die Gesellschaft (Anm. 9) 3. Schuldner der Verpflichtungen (Anm. 10) V. Die Ansprüche im Konkurs (Anm. 11)

I. Obersicht Anm. 1: § 63 übernimmt die Vorschrift des § 57 AktG 37 mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß die Einforderung durch den Vorstand zu erfolgen hat. Damit ist eine nach früherem Recht bestehende Zweifelsfrage geklärt. Eine sprachliche Änderung ist in Absatz 2 vorgenommen worden, um diesen dem § 288 II BGB anzupassen. Die §§ 63 und 64 behandeln die Einforderung der Geldeinlagen und die Folgen der Säumnis. § 64 setzt die Haftung des Rechtsvorgängers, Voraussetzungen und Art und Weise ihrer Geltendmachung fest. 331

§ 63

Anm. 2—5

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

II. Einlageforderung 1. Voraussetzungen Anm. 2: Voraussetzung der Fälligkeit der Einzahlung ist die Einforderung. Bis dahin hat der Aktionär auch kein Recht zu leisten. Die Einforderung muß ausdrücklich erfolgen und kann nicht durch Festsetzung bestimmter Kalendertage in der Satzung ersetzt werden (h. A.; B.-H. Rn. 8 und 9; Kölner Komm. Anm. 11). Das hindert nicht, daß die Satzung bestimmen kann, zu welchem Zeitpunkt einzufordern ist. Die Einforderung muß jedoch trotzdem ausdrücklich durch den Vorstand erfolgen. Der Gesetzgeber hat dies nunmehr in Abs. 1 S. 1 ausdrücklich angeordnet. 2. Gleichmäßige Einforderung gleicher Gattungen Anm. 3: Die Einforderung muß auf alle Aktien derselben Emission auch verschiedener Aktiengattungen, wenn der Gattungsunterschied nicht gerade darin besteht, gleichmäßig ergehen, anderenfalls der einzelne Aktionär ein Zahlungsverweigerungsrecht hat. Die abweichende Ansicht des R G 85, 366 wird einhellig abgelehnt. Wird die Einlageforderung abgetreten, ver- oder gepfändet, verbleibt die Zuständigkeit zur Einforderung der Gesellsdiaft. Der eingeforderte Betrag kann nur ein Geldbetrag sein. Auf Sachleistungen findet § 63 keine Anwendung. 3. Art der

Einforderung

Anm. 4: Maßgebend für die Art der Einforderung ist die Satzung. Das braucht nicht die ursprüngliche Satzung zu sein, audi Abänderungen sind zulässig. Enthält die Satzung keine Bestimmungen, so geschieht die Einforderung wie die Bekanntmachungen der Gesellsdiaft. Darüber muß die Satzung nadi § 23 IV Bestimmungen enthalten. Regelmäßig erfolgt sie durdi Einrücken in die Gesellschaftsblätter, insbesondere den Bundesanzeiger (§ 25). Die Aufforderung, die Einzahlung der Einlage zu leisten, ist keine Mahnung im Sinne des § 284 I BGB, deshalb muß in allen Fällen, in denen Verzug des Aktionärs Voraussetzung des Anspruchs ist (vgl. Anm. 7 und 8), eine individuelle Mahnung hinzukommen, wenn sie nicht nach § 284 BGB überflüssig ist. III. Der aufzufordernde Aktionär Anm. 5: Da nicht vollbezahlte Aktien nicht als Inhaberaktien ausgegeben werden dürfen, kommen für die §§ 63 bis 65 nur auf den Namen lautende Aktien oder Interimsscheine in Frage, aus denen zu ersehen ist, daß die Urkunden vor der vollen Zahlung der Einlage ausgegeben wurden. In allen Fällen gilt derjenige als Aktionär, der an dem Tag, an dem die Einzahlung gemäß der Einforderung fällig wird, im Aktienbuch als solcher eingetragen 332

Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung

§ 63

Anm. 5—8

ist. Sind trotz des Verbots nicht vollbezahlte Inhaberaktien ausgegeben worden, so haftet der Inhaber nicht nach den Bestimmungen der §§ 63 bis 65 (KG in JW 27, 2434; s. Anm. 5 zu § 54). Eine Einschränkung gilt allerdings insoweit, als der Erwerber bösgläubig war, d. h. wußte, daß Inhaberaktien entgegen dem Verbot ausgegeben waren und die Aktien noch nidit voll bezahlt waren (ebenso B.-H. Rn. 4; Kölner Komm. Anm. 10). Das gleiche gilt bei Namensaktien, bei denen der Betrag der Teilleistung nicht auf der Urkunde vermerkt ist (§ 10 II S. 2). IV. Verpflichtungen neben der Einlage 1. Arten der Verpflichtungen a) Zinsen Anm. 6: Die Zinsen, die der säumige Aktionär zu zahlen hat, sind gesetzliche Zinsen, nicht aber Verzugszinsen. Ein Verschulden des Aktionärs wird ebensowenig vorausgesetzt wie eine Mahnung. Die Höhe der Zinsen beträgt 5 °/o. In Abweichung von der Voraufl. ist mit der h. L. (B.-H. Rn. 11; Kölner Komm. Anm. 18; Barz in Großkomm. Anm. 8) festzustellen, daß in der Satzung ein anderer Zinssatz nicht bestimmt werden kann, weil Abs. 2 die Frage abschließend regelt und gemäß § 23 V abweichende Satzungsbestimmungen dann nicht zulässig sind. Dies gilt uneingeschränkt für einen etwa in der Satzung vorhandenen niedrigeren Zinssatz. Ein höherer kann jedenfalls nicht mit der Wirkung vereinbart werden, daß er audi ohne Verzug des Aktionärs geltend gemacht werden könnte. Vielmehr ist eine solche Bestimmung allenfalls als Vertragsstrafe aufrechtzuerhalten, die Verzug voraussetzt. Die Zinsen laufen bis zur Zahlung oder bis zum Ausschluß (siehe §§ 64 und 65). b) Weiterer Schadenersatz Anm. 7: Während der säumige Aktionär 5 % Zinsen auch ohne Mahnung und ohne Verschulden vom Fälligkeitstage an zahlen muß, kann ein weiterer Schadensersatz von ihm nur verlangt werden, wenn die allgemeinen Voraussetzungen des Verzugs vorliegen (s. Anm. 4). Liegen diese vor, so kann der weitergehende Schaden geltend gemacht werden, ohne daß es einer besonderen Satzungsbestimmung bedarf. c) Vertragsstrafe Anm. 8: Die Satzung, und zwar die ursprüngliche oder diejenige, die zur Zeit der Aktienzeichnung gültig war (im Ergebnis ebenso Barz in Großkomm. Anm. 9; a. A. Teichmann-Köhler Anm. 3), kann für den Fall unpünktlicher Einzahlung der Einlage eine Vertragsstrafe festsetzen. Es ist anzunehmen, daß das Gesetz eine solche im Sinne des BGB im Auge hat, so daß die §§ 339 ff. BGB, §§ 348, 351 HGB anzuwenden sind. Auch hier ist deshalb Verzug (s. Anm. 4) des säumigen Aktionärs Voraussetzung der Vertrags333

§ 63 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 8—11 strafe (§ 339 BGB). Daneben können Zinsen nach Abs. 2 und Schadenersatz verlangt werden, ohne daß die Satzung beides nebeneinander vorsehen müßte (ebenso BGH in N J W 1963, 1197; Kölner Komm. Anm. 25; jetzt auch Barz in Großkomm. Anm. 10; a. A. Schlegelberger-Qu. § 57 Anm. 7; B.-H. Rn. 13). Nicht zulässig ist es, anstelle der Einzahlung für den Fall der Nichtzahlung eine Vertragsstrafe vorzusehen, weil dies einen Verzicht auf die Einlage bedeuten würde. Die Vertragsstrafe kann nach § 339 BGB in einer bestimmten Geldsumme, aber auch nach § 342 BGB in jeder anderen Leistung bestehen, welche nicht mit zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften unvereinbar ist (wie etwa eine Schmälerung der Mitgliedsrechte, z. B. Stimmrecht, Gewinnredit). 2. Behandlung der Ansprüche durch die Gesellschaft Anm. 9: Zinsen, Schadenersatzanspruch und Vertragsstrafe gehören nicht zur Einlage, also nicht zum gebundenen Vermögen, sind daher als Gewinn verteilbar, verzieht- und erlaßbar und ohne Einschränkung abtretbar, pfändbar und verpfändbar. § 66 ist darauf nach seinem eigenen Wortlaut nicht anzuwenden. Ebenso ist unter dem rückständigen Betrag, für den nach § 65 der Rechtsvorgänger haftet, wie aus § 64 IV und III ersichtlich, nur die nicht entrichtete eingeforderte Einzahlung, also nicht der Betrag des Anspruchs auf Zinsen, Schadenersatz, Vertragsstrafe zu verstehen. Dafür haftet also der Rechtsvorgänger nicht. 3. Schuldner der Verpflichtungen Anm. 10: Einzahlungspflichtig ist der jeweilige Aktionär, nicht nur bei Inhaber- und Namensaktien, sondern auch unbeurkundeten Aktien (über gutgläubigen Erwerb anscheinend voll bezahlter Aktien s. Anm. 5 zu § 54). Der jeweilige Aktionär ist auch zur Bezahlung der Zinsen aus § 63 verpflichtet, welche während der Berechtigung seines Vorgängers aufgelaufen sind, denn auch dabei handelt es sich um einen objektiven Entstehungsgrund. Dagegen nehmen wir nicht an, daß der Erwerber der Aktien verpflichtet ist, den infolge des Verzugs seines Rechtsvorgängers entstandenen Anspruch auf Schadenersatz oder Vertragsstrafe zu erfüllen hat (zustimmend Barz in Großkomm. Anm. 12; Kölner Komm. Anm. 4 u. 9), denn hierfür ist ein individuelles subjektives, in der Person des Vorgängers vorliegendes Moment bestimmend. An diesen mag sich die Gesellschaft ausschließlich halten. Der Nachfolger ist zu Schadenersatz und Vertragsstrafe nur verpflichtet, wenn er selbst in Verzug gerät. V. Die Ansprüche im Konkurs Anm. 11: Die Gesellschaft kann ihre Ansprüche aus § 63 auch im Konkurs" des Aktionärs geltend machen, § 17 KO ist nicht anwendbar. Es handelt sich 334

Ausschluß säumiger Aktionäre

§§63/64 Anm. 11/1

um eine gewöhnliche Konkursforderung. Die Zinsen können nur bis zur Konkurseröffnung verlangt werden. Durch Zahlung der Konkursdividende entsteht kein Anspruch auf Aushändigung der Alktie. § 64

Ausschluß säumiger Aktionäre (1) Aktionären, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, kann eine Nachfrist mit der Androhung gesetzt werden, daß sie nach Fristablauf ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen für verlustig erklärt werden. (2) Die Nachfrist muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden. Die erste Bekanntmachung muß mindestens drei Monate, die letzte mindestens einen Monat vor Fristablauf ergehen. Zwischen den einzelnen Bekanntmachungen muß ein Zeitraum von mindestens drei Wochen liegen. Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so genügt an Stelle der öffentlichen Bekanntmachungen die einmalige Einzelaufforderung an die säumigen Aktionäre; dabei muß eine Nachfrist gewährt werden, die mindestens einen Monat seit dem Empfang der Aufforderung beträgt. (3) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag trotzdem nicht zahlen, werden durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft für verlustig erklärt. In der Bekanntmachung sind die für verlustig erklärten Aktien mit ihren Unterscheidungsmerkmalen anzugeben. (4) An Stelle der alten Urkunden werden neue ausgegeben; diese haben außer den geleisteten Teilzahlungen den rückständigen Betrag anzugeben. Für den Ausfall der Gesellschaft an diesem Betrag oder an den später eingeforderten Beträgen haftet ihr der ausgeschlossene Aktionär. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Mögliche Ausschlußgründe (Anm. 3) III. Nachfrist für säumige Aktionäre 1. Keine Verpflichtung für die Gesellschaft (Anm. 4) 2. Androhung des Ausschlusses (Anm. 5) 3. Bekanntmachung der Nachfrist (Anm. 6 u. 7)

IV. Ausschluß des Aktionärs 1. Erklärung und Wirkung des Ausschlusses (Anm. 8) 2. Schicksal der Aktienurkunde (Anm. 9) V. Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs (Anm. 10) VI. Fehlerhaftes Ausschlußverfahren (Anm. 11)

I. Übersicht Anm. 1: § 64 übernimmt die bisherige Vorschrift des § 58 AktG 37 mit zwei Änderungen: 335

§ 64 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 1—3 Nach Absatz 2 Satz 3 muß muß zwischen den einzelnen Bekanntmachungen ein Zeitraum von 3 Wochen liegen (s. Anm. 6). Nach Absatz 3 Satz 2 müssen die Unterscheidungsmerkmale der für verlustig erklärten Aktien in der Bekanntmachung angegeben werden. Anm. 2: §§ 64 und 65 gehören eng zusammen, ersterer regelt das Ausschlußverfahren, auch das Kaduzierungsverfahren genannt, das gegen säumige Aktionäre eingeleitet werden kann und zum Verlust der Aktienrechte der Betreffenden führt. Daneben bleibt der Gesellschaft zwar nach allgemeinen Grundsätzen die Möglichkeit, mittels Klage und Zwangsvollstreckung vom säumigen Aktionär die Zahlung der Einlage zu erzwingen, solange der Ausschluß nicht erklärt ist, doch setzt die Geltendmachung der in § 65 angeordneten Haftung des Vormanns den Ausschluß des säumigen Aktionärs voraus, weil ersterer nur gegen Wiedereinsetzung in seine veräußerten Aktienrechte zahlungspflichtig ist. Um den Ausschluß durchzuführen, wenn ein Aktionär trotz ordnungsmäßiger Einforderung der Einlage, meist durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (§ 63), innerhalb der darin festgesetzten Zeit nicht bezahlt hat, ist nach § 64 erforderlich: a) dreimalige Bekanntmachung einer neuen Aufforderung mit Bestimmung einer weiteren Nachfrist und Androhung, § 64 I I ; b) Ausschluß durch einmalige Erklärung in den Gesellschaftsblättern, § 64 I I I . Es reiht sich an die Ausstellung und Ausgabe einer neuen (Ersatz-)Urkunde. Daran reiht sich nach § 65: a) Zahlungsaufforderung an den früheren Aktionär und Benachrichtigung seines Vormannes, § 65 I, b) Verkauf der Aktien zum Börsenpreis oder durch öffentliche Versteigerung, § 65 I I I , wenn kein Vormann seiner Verpflichtung nachkommt, und endlich c) Geltendmachung des Ausfalles gegen den kaduzierten Aktionär, § 64 IV. Der Ausschluß trifft den Aktionär selbstverständlich auch dann, wenn er nicht im Aktienbuch (s. §§ 67 f.) eingetragen ist, also selbst nach § 68 von der Aktiengesellschaft nicht herangezogen werden kann, mag er die Urkunde besitzen oder nicht. II. Mögliche Ausschlußgründe Anm. 3: Die Bestimmungen der §§ 64 und 65 gelten nur für Bareinlagen, nicht für Sacheinlagen, sie können für solche auch nicht durch die Satzung eingeführt werden (herrschende Ansicht B.-H. Rn. 2, z. T. abweichend Ritter § 58 Anm. 2). Denn da vor Bewirkung der Sacheinlage kein Vormann des 336

Ausschluß säumiger Aktionaäre

§64

Anm. 3—5

Aktionärs vorhanden sein kann, der sie zu erfüllen hätte, und der Erwerber der verkauften Aktie nach § 65 III für die ausstehende Einlage überhaupt nidit haftet, so liefe die Kaduzierung darauf hinaus, daß die Sacheinlage in eine Geldforderung (Kaufpreis für die Aktie) und die Sacheinlageverpflichtung in die Ausfallhaftung, also eine Geldschuld umgewandelt würde (Barz in Großkomm. Anm. 2). §§64 und 65 gelten ferner nur für die Einladen, nicht auch für Nebenforderungen, Zinsen, Vertragsstrafen (§ 63), auch nicht für etwaige Nebenverpflichtungen gemäß § 55 oder Hilfsverpflichtungen (Mitteilungspflichten, die bei nicht vollbezahlten Aktien der Erleichterung der Geltendmachung dienen, s. Anm. 13 zu § 54) und nicht für Ansprüche auf Rückzahlung zu Unrecht ausgezahlter Beträge gemäß § 62. Auch die Satzung kann für derartige Säumnisse den Ausschluß nicht vorsehen. Voraussetzung des Ausschlußverfahrens ist, daß die Gesellschaft bereits eingetragen ist (vgl. RG 58, 55 für die GmbH), weil anderenfalls das Gesetz nicht, wie in Absatz 4, ausgegebene Urkunden voraussetzen und nicht von Aktionären und Aktien sprechen könnte. Auf die vor Eintragung zu leistende Zahlung ist das Verfahren also unanwendbar. III. Nachfrist für säumige Aktionäre 1. Keine Verpflichtung für die Gesellschaft Anm. 4: Dem säumigen Aktionär kann eine Nachfrist zur Zahlung mit Androhung des Ausschlusses gesetzt werden. „ELann" bedeutet, daß die Gesellschaft den Ausschluß nicht durchführen muß, will sie es aber, so muß sie vorher eine Nachfrist setzen und den Ausschluß androhen. Säumig ist ein Aktionär nur dann, wenn die Einlage vom Vorstand eingefordert ist (§ 63 Anm. 2). Die Nachfrist muß kalendermäßig bezeichnet sein und mindestens 3 Monate betragen, bei vinkulierten Aktien (§ 68 II) einen Monat. 2. Androhung des Ausschlusses Anm. 5: Mit der Bestimmung der Nachfrist ist die Androhung zu verbinden, daß der säumige Aktionär nach Fristablauf seiner Aktie und der geleisteten Einzahlungen für verlustig erklärt werden wird. Die Androhung muß sich gegen alle säumigen Aktionäre richten. Es ist nicht zulässig, sie nur gegen einzelne säumige Aktionäre zu richten, dies würde das gesamte Verfahren ungültig machen (RG 85, 368). Leistungsklage gegen einen einzelnen, während gegen die anderen die Kaduzierung betrieben wird, ist nur ausnahmsweise statthaft, wenn ein Streitfall zu klären ist. Es muß aus der Androhung für jeden Aktionär zu ersehen sein, daß auch er gemeint ist. Dazu bedarf es nicht namentlicher Bezeichnung. Es genügt Angabe der Aktiennummern. Der Ausschluß muß ausdrücklich angedroht werden. Es empfiehlt sich, die Worte 337

§ 64 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 5—8 des Gesetzes zu gebraudien. Allgemeine Androhungen (Wendungen, die alles offen lassen), wie „zur Vermeidung der gesetzlichen Nachteile", genügen nicht (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 6). Wenn nicht durch die Satzung oder Hauptversammlung etwas anderes bestimmt ist (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 5; abw. Schl.-Qu. § 58 Anm. 2), so hat der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu beschließen, ob und wann das Ausschlußverfahren eingeleitet werden soll. Wie die Gesellschaft frei bestimmen kann, daß überhaupt kein Ausschluß verfahren eingeleitet werden soll, kann sie jederzeit das Laufen der Kaduzierungsverfahren gegen alle säumigen Aktionäre abbrechen, nicht aber gegen einzelne (vgl. aber Anm. 8). 3. Bekanntmachung der Nachfrist Anm. 6: Die Nachfrist und die mit ihr verbundene Androhung müssen dreimal in den Gesellschaftsblättern (§ 25, s. dort) bekanntgemacht werden. Die Länge der Zwischenräume zwischen den einzelnen Bekanntmachungen beträgt mindestens 3 Wochen (Abs. 2 S. 3). Die Bestimmung hinsichtlich der Länge der Zwischenräume ist eingefügt worden, weil durch unmittelbar aufeinanderfolgende Bekanntmachungen der Zweck des Erfordernisses einer dreimaligen Bekanntmachung nicht erreicht werden könnte. Zur Berechnung der Frist vgl. §§ 187, 188 BGB. Erscheint die Bekanntmachung in mehreren Blättern, so ist maßgebend das zuletzt erscheinende Blatt. Für die Übergangszeit galt nach § 11 EG die Frist des Abs. 2 S. 3 nicht, wenn die erste Bekanntmachung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgt war und die letzte Bekanntmachung nicht rechtzeitig (Abs. 2 S. 2 2. Halbs.) hätte erfolgen können. Anm. 7: Sind die Namensaktien vinkuliert (§ 68 II), ist eine öffentliche Bekanntmachung der Nachfrist nicht erforderlich. Hier genügt, da die einzelnen Aktionäre mit Sicherheit bekannt sind, eine einmalige Einzelmitteilung und eine Nachfrist von nur einem Monat. Eine Form ist nicht vorgeschrieben, jedoch muß die Gesellschaft den Nachweis der Mitteilung führen können. Zweckmäßig ist deshalb mindestens ein Einschreibebrief. Zu beachten ist, daß diese Einzelbenachrichtigung nur für die Bestimmung der Nachfrist, nicht aber f ü r die Erklärung des Ausschlusses im Falle des Absatzes 3 gilt. IV. Ausschluß des Aktionärs 1. Erklärung und Wirkung des Ausschlusses Anm. 8: Zahlt der Aktionär innerhalb der Nachfrist nicht, so kann (nicht muß) ein Ausschluß erklärt werden. Es genügt die Nichtzahlung. Ein Verschulden, mithin Verzug, ist nicht erforderlich. Der Ausschluß trifft daher auch den gutgläubigen Erwerber der Aktie, der sie nach Einleitung des Ausschlußverfahrens erworben hat. Auch jetzt müssen alle säumigen Aktionäre 338

Ausschluß säumiger Aktionaäre

§64

Anm. 8

gleich behandelt werden. Der Ausschluß erfolgt: durch einmalige Erklärung in allen Gesellschaftsblättern, auch wenn die Aktien vinkuliert sind (§ 68 I I ) , obwohl bei letzteren der gutgläubige Erwerber auch durch Verweigerung der Zustimmung zu schützen ist. Mit der Erklärung tritt der Ausschluß ein. Als Zeitpunkt der Erklärung gilt das Erscheinen des zuletzt erschienenen Gesellschaftsblattes (h. L . ; abweichend nur Brodmann § 219 Anm. 5 c). In der Erklärung müssen die Aktien nicht nur so bezeichnet werden, daß sie für den ausgeschlossenen Aktionär erkennbar sind, sondern so, daß die Allgemeinheit sieht, welche Aktien ungültig sind, d. h., die Aktiennummern sind anzugeben. Solange der Ausschluß noch nicht erklärt ist, können die säumigen Aktionäre auch nach Fristablauf, selbst noch zwischen dem Erscheinen der einzelnen Gesellschaftsblätter, durch Zahlung der Einlage den Ausschluß abwenden (weniger weitgehend Ritter § 58 Anm. 4 a, aber noch weitergehend in 3 d zu § 59) und bleiben auch primär zur Zahlung verpflichtet. Ist die Erklärung erfolgt, so kann sie nach herrschender (aber nicht unzweifelhafter) Meinung (vgl. Anm. 2 zu § 65, Ritter zu § 59 a. a. O.) nicht rückgängig gemacht werden, auch nicht, wenn die Aktionäre nachträglich Zahlung leisten. Der Ausgeschlossene kann jedoch die Aktie bei ihrem Verkauf nach § 65 zurückerwerben. Etwa zu spät eingegangenes Geld kann zurückgefordert werden. Die Gesellschaft kann nicht mit dem künftigen Ausfall aufrechnen, solange er nicht festgestellt ist. Die Erklärung muß unverzüglich nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist erfolgen, sonst ist sie unwirksam ( K G in O L G 1, 4 3 6 ; ebenso Barz in Großkomm. Anm. 10). Durch den Ausschluß des Aktionärs erlischt das Mitgliedschaftsrecht nicht. O b es in der Person des kaduzierten Aktionärs bis zur Wiederverwertung der Aktie verbleibt oder ob es bei der Gesellschaft, etwa wie bei eigenen Aktien (Würdinger 68) liegt, ist streitig. Nach unserer Ansicht bleibt das objektive Aktienrecht bestehen, es fehlt aber vorübergehend an der subjektiven Berechtigung. B . - H . Rn. 5 bezeichnen unsere Ansicht als abweichend, folgen aber aus einem zu langen Zögern ebenfalls die Unzulässigkeit. Unterschiedliche Auffassung scheint uns hier nur über den Begriff „unverzüglich" zu bestehen. Diese Streitfrage ist jedoch von untergeordneter Bedeutung, da die Wirkungen des Ausschlusses und die Behandlung des Aktienrechtes bei den verschiedenen Meinungen die gleichen sind (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 13). Die Aktien dürfen weder in der Bilanz als Aktivposten aufgeführt noch können sie von Gesellschaftsgläubigern gepfändet werden. Die Worte „zugunsten der Gesellschaft" bedeuten somit nur, daß sie die Rechte gemäß § 65 behandeln kann. Keinesfalls darf sie die Aktien anders als nach § 65 verwerten, auch die Satzung kann nichts anderes gestatten (§ 23 V). Unzweifelhaft stehen auch den ausgeschlossenen Aktionären keine Aktienrechte mehr zu, nicht nur das Stimmrecht nicht, sondern auch nicht das Recht aus den noch nicht fälligen Dividendenscheinen, und zwar auch dann nicht, wenn diese sich in dritter Hand befinden. Erst recht hat der Ausgeschlossene keinen Anspruch 339

§ 64 Anm. 8—10

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

auf Rückgewähr der vordem geleisteten Teilzahlungen. Dies sagt Absatz 3 und folgt schon aus § 57. Audi die für die Eintragung der Gesellschaft gezahlten 25 °/o der Einlage können nicht zurückgefordert werden. Rechte Dritter an den Aktien (Pfandrecht, Nießbrauch) erlöschen ersatzlos. 2. Schicksal der

Aktienurkunde

Anm. 9: Nachdem der Ausschluß wirksam erklärt ist, wird, wenn Urkunden ausgegeben sind, anstelle der alten eine neue Aktienurkunde ausgegeben. Die alte Urkunde und die alten Dividendenscheine werden unwirksam. Der Ausgeschlossene ist zur Herausgabe der alten Urkunde verpflichtet und es ist zweckmäßig, ihn dazu anzuhalten, um Mißbrauch zu verhüten. Hinsichtlich der verschiedenen Standpunkte in der Literatur, vgl. die Zusammenstellung im Kölner Komm. Anm. 25 (a. A. Kölner Komm. Anm. 28; Barz in Großkomm. Anm. 16 verneint eine Verpflichtung einer AG, die Herausgabe zu verlangen). Gibt er die Urkunde heraus, kann sie als „neue" verwandt werden, wenn nicht, wird die neue Urkunde zweckmäßig kundmachen, daß sie anstelle der früheren getreten ist. Eine besondere Kraftloserklärung findet nicht statt. Die neue Urkunde hat alle geleisteten Teilzahlungen und auch die rückständigen als geleistet anzugeben — ist sie damit voll bezahlt, kann sie auf den Inhaber lauten — , da sie bestimmt ist, gegen Bezahlung des rückständigen Betrages an den Vormann oder, wenn auch dieser nicht leistet, an den Erwerber der Aktie nach deren Verkauf oder Versteigerung ausgehändigt zu werden und letzterer den Rüdkst'and nicht schuldet. V. Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs Anm. 10: Die Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs für die Einlage, die rückständigen und künftigen Einforderungen besteht fortan nur hilfsweise, während er die Zinsen, Schadenersatz und Vertragsstrafe (§ 63) auch weiter allein schuldet. Die Gesellschaft muß nun zunächst an die Vormänner des Aktionärs gemäß § 65 I herantreten und ggfs. nach § 65 I I I die neue Aktie verwerten. Erst dann tritt die Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs, und zwar nur für den Ausfall wieder ein ( R G 85, 241; Barz in Großkomm. Anm. 15). Ohne Versuch, die Vormänner nach § 65 heranzuziehen, haftet der Ausgeschlossene nicht, auch nicht, wenn die Aktie verkauft wird und der Verkauf einen Ausfall ergibt (a. A. Ritter Anm. 3 c zu § 59). Eine Befreiung von dieser Haftung ist nicht zulässig, wenn auch § 66 den § 64 nicht erwähnt, da auch diese Ausfallhaftung aus der Verpflichtung zur Einlage erwächst (vgl. § 66 Anm. 2). Die Haftung des bisherigen Aktionärs für die künftigen Einforderungen setzt nach allgemeiner Meinung die Durchführung eines neuen Ausschlußverfahrens gegen den derzeitigen Aktionär und den Rückgriff an dessen Vormänner nach erklärten neuen Ausschluß sowie Verwertung der Aktie voraus. Ferner haftet nach herrschender Ansicht dann der neu ausge340

Zahlungspflicht der Vormänner

§§64/65 Anm. 10,11

schlossene Aktionär vor dem früher ausgeschlossenen. Ein beim Verkauf erzielter Überschluß gebührt der Gesellschaft. VI. Fehlerhaftes Ausschlußverfahren Anm. 11: Ist das Ausschlußverfahren fehlerhaft, so kann der fehlerhafte Punkt (unter Beachtung der Fristen) wiederholt: werden. Aufgrund fehlerhaften Verfahrens tritt Ausschluß und Haftung nicht ein (vgl. RG 9, 42; KG in OLG 19, 370). Allgemein wird angenommen, daß der Aktionär eine Klage auf Feststellung seiner fortdauernden Mitgliedschaft und auf Aufhebung des Beschlusses und seiner Folgen erheben kann. Auch der Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig (RG 27, 54). Die zufolge eines fehlerhaften Ausschlußverfahrens ausgegebene neue Aktie ist ungültig, allein gültig bleibt die alte Aktie (streitig, wie hier Barz in Großkomm. Anm. 20; RG 54, 395 für die GmbH; Baumbach-Hueck Rn. 7; KG in OLG 1, 435). Der Erwerber der ungültigen Aktie kann sich nur an seinen Vormann halten. Letzteres gilt ebenso für den Erwerber einer durch ein ordnungsmäßiges Ausschlußverfahren ungültig gewordenen Aktienurkunde.

S 65 Zahlungspflicht der Vormänner (1) Jeder im Aktienbudi verzeichnete Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs ist der Gesellschaft zur Zahlung des rückständigen Betrags verpflichtet, soweit dieser von seinen Nachmännern nicht zu erlangen ist. Von der Zahlungsaufforderung an einen früheren Aktionär hat die Gesellschaft seinen unmittelbaren Vormann zu benachrichtigen. Daß die Zahlung nicht zu erlangen ist, wird vermutet, wenn sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns eingegangen ist. Gegen Zahlung des rückständigen Betrags wird die neue Urkunde ausgehändigt. (2) Jeder Vormann ist nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die binnen zwei Jahren eingefordert werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem die Übertragung der Aktie zum Aktienbuch der Gesellschaft angemeldet wird. (3) Ist die Zahlung des rückständigen Betrags von Vormännern nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie unverzüglich zum amtlichen Börsenpreis durch Vermittlung eines Kursmaklers und beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. Ist von der Versteigerung am Sitz der Gesellschaft kein angemessener Erfolg zu erwarten, so ist die Aktie an einem geeigneten Ort zu verkaufen. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. Der aus341

§ 65 Anm. 1,2

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

geschlossene Aktionär und seine Vormänner sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Bekanntmachung und Benachrichtigung müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung ergehen. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Haftung als Vormann 1. Der Haftende (Anm. 3) 2. Haftungsumfang (Anm. 4) 3. Benachrichtigung der einzelnen Vormänner (Anm. 5—7) 4. Befristete Haftung (Anm. 8)

III. Verwertung der Aktie 1. Verkauf (Anm. 9) 2. öffentliche Versteigerung (Anm. 10) IV. Haftung nach Verwertung der Aktie (Anm. 11) V. Rechtsstellung des Erwerbers (Anm. 12)

I. Übersicht Anm. 1: § 65 übernimmt die Vorschrift des § 59 AktG 37. Änderungen enthält lediglich der Absatz 3: Bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen ist die Gesellschaft nunmehr verpflichtet, die Aktie zu verkaufen, während ihr bislang die Entscheidung hierüber offenstand (s. Anm. 9). Neu hinzugekommen sind die Sätze 2—4, die die Interessen des ausgeschlossenen Aktionärs schützen sollen (s. Anm. 10). Anm. 2: Die Vorschrift steht in unmittelbarem Zusammenhang zu § 64. Sie regelt das Recht der Gesellschaft, die kaduzierte Aktie, um den Einlagerückstand zu verwirklichen, durdi Rückgriff auf die Vormänner des Ausgeschlossenen, wenn nötig durch ihren Verkauf zu verwerten. Die Frage, welche Ansprüche die Zwischenaktionäre untereinander haben, ist nicht geregelt. Grundsätzlich kommt es auf die bürgerlich-rechtlichen Beziehungen an. Darüber hinaus ergibt sich aus § 65 mittelbar, daß im allgemeinen der einlösende Zwischenaktionär seinen Nachmann, der im Aktienbuch eingetragen war, haftbar machen kann, ohne Rücksicht darauf, ob dieser sein unmittelbarer Rechtsnachfolger war, wenn sidi herausstellt, daß er zahlungsfähig war und mithin die Haftung des Einlösenden nach § 65 an sich nicht vorlag. Denn auch die Gesellschaft ist durch die Geltendmachung der Haftung eines Vormannes, solange dieser nicht gezahlt hat, nicht gehindert, die Haftung des eingetragen gewesenen Nachmannes geltend zu machen, wenn sich nachträglich seine Zahlungsfähigkeit ergibt. Es besteht kein Grund, ihn durch die Zahlung seines Vormannes von der Haftung zu befreien. Er haftet jetzt nicht mehr der Gesellschaft, aber ihm (so auch Schl.-Qu. § 59 Anm. 4; Barz in Großkomm. Anm. 12). Durch die Zahlung eines Zwischenaktionärs werden diesem gegenüber demnach seine Nachmänner überhaupt nicht, wohl aber, ebenso wie der 342

Zahlungspflicht der Vormänner

§ 65

Anm. 2,3

Gesellschaft gegenüber, seine Vormänner und der Ausgeschlossene von der Haftung für den durch Zahlung erledigten Einlagerückstand befreit. Nicht befreit werden sie jedoch für den Fall, daß hinsichtlich einer späteren Einforderung ein neues Ausschlußverfahren gegen den Käufer der Aktie oder den Nachmann durchgeführt werden muß (so auch Barz in Großkomm. Anm. 19; a. A. Sdil.-Qu. § 59 Anm. 7). Die herrschende Meinung (s. Barz in Großkomm. Anm. 10) gibt dem Ausgeschlossenen kein Recht, nach seinem Ausschluß — schon nicht nach Fristablauf — noch zu zahlen und der Gesellschaft nicht das Recht, seine Zahlung anzunehmen und ihm die Aktie ohne Erschöpfung des Rüdsgriffs und Verkaufs wieder zu überlassen (a. A. Ritter § 59 Anm. 13). Letzteres wäre reichlich unzweckmäßig. Die Gesellschaft muß nur auch hier den Grundsatz gleiches Recht für alle zur nachträglichen Zahlung Bereiten walten lassen, soweit es der jeweilige Stand des Verfahrens gestattet (vgl. § 64 Anm. 8). Hat die Gesellschaft die Einlageforderung zulässigerweise (Anm. 5 zu § 66) abgetreten, so kommt weder ein Ausschluß verfahren zugunsten ihres Rechtsnachfolgers noch ein Verfahren nach § 65 in Betracht (ebenso Schl.-Qu. § 60 Anm. 8). Die Gesellschaft ist in diesem Falle befriedigt, der Rechtsnachfolger aber hat keine Möglichkeit, den Aktionär auszuschließen und eine neue Aktie auszugeben. II. Haftung als Vormann 1. Der Haftende Anm. 3: Voraussetzung der Haftung als Vormann aus § 65 ist die Eintragung im Aktienbuch als Aktionär. Zwischenaktionäre, die nicht im Aktienbuch als Aktionäre eingetragen waren, haften überhaupt nicht (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 2). Voraussetzung ist ferner, daß der Eingetragene materiell wirksam Aktionär geworden ist oder seiner Eintragung wirksam zugestimmt hat. Ist kein Aktienbuch angelegt (inbesondere keine Aktienurkunde ausgestellt), so haftet nach K G in JW 1937, 2434 (mit ausführlicher Anmerkung von Hamburger) der Vormann (s. auch Barz in Großkomm. Anm. 2). Nach herrschender Meinung (auch Ritter, obwohl nach ihm gemäß Anm. 3 c der Ausgeschlossene dazu berechtigt ist) ist der Vormann auch bereditigt, zu zahlen und, statt des Ausgeschlossenen, wieder Aktionär zu werden (h. L., für viele Kölner Komm. Anm. 5). Fraglich ist nur, ob er warten muß, bis er von der Gesellschaft aufgefordert wird, oder ob er unabhängig von seinen Nachmännern Zahlung leisten und damit die Aktienrechte erwerben kann. Grundsätzlich ist zunächst der jeweils dem ausgeschlossenen Aktionär am nächsten stehende Vormann zur Zahlung berechtigt. Man wird jedoch auch den früheren Vormännern das Recht auf Erwerb der Aktie unter der Voraussetzung einräumen müssen, daß seine Nachmänner zustimmen (ähnlich auch Barz in Großkomm. Anm. 10; Kölner Komm. Anm. 5). 343

§ 65 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 3—6 Ein Sprungrückgriff ist nicht vorgesehen. Die Geltendmachung der Haftung des entfernteren Vormannes ist vielmehr abhängig von dem Nadiweis, daß die Nachmänner zahlungsunfähig sind, jedoch ist dieser Nachweis sehr erleichtert (s. Anm. 6; vgl. Kölner Komm. Anm. 12). 2. Haftungsumfang Anm. 4: Die Haftung erstredet sich nur auf die Einlage als solche, nicht auf Kosten, Schadenersatz, Vertragsstrafe, auch nicht auf die Zinsen, welche nach § 63 der kaduzierte Aktionär für die Zeit bis zum Ausschluß zu entrichten hat (vgl. B.-H. Rn. 3; Kölner Komm. Anm. 8). Der Vormann haftet bis zum Ausschluß des Aktionärs nur ersatzweise. Vom Ausschluß an haftet jeder, wenn die Reihe an ihn kommt, primär. Voraussetzung ist, daß das Ausschlußverfahren rechtswirksam ist. Audi der Vormann des kaduzierten Aktionärs kann die Unrechtmäßigkeit des Ausschlußverfahrens einwenden. Über Sacheinlage vgl. § 64 Anm. 3. Eine Befreiung von der Haftung ist nicht möglich (§ 66). Andererseits ist auch eine Verschärfung der Haftung der Zwischenaktionäre durch die Satzung nicht zulässig, jedoch kann eine Haftung aus anderem Rechtsgrund, etwa aus Wechselhingabe oder aus Bürgschaft zwecks Erlangung der Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung, bestehen. 3. Benachrichtigung der einzelnen Vormänner Anm. Wenn die Gesellschaft nach § 65 auf die Vormänner des Ausgeschlossenen zurückgreift, so ist sie bei Verlust nicht des Rückgriffs (a. A. B.-H. Rn. 3) auf den zu Benachrichtigenden, aber der Vermutung gemäß Anm. 6 verpflichtet, den unmittelbaren Vormann von der Zahlungsaufforderung zu benachrichtigen (vgl. Kölner Komm. Anm. 15). Dieser hat damit die Möglichkeit, auf seinen Nachmann einzuwirken oder, wenn sich herausstellt, daß dieser nicht zahlungsfähig ist, die Aktie selbst zu erwerben. Uber die Form der Benachrichtigung ist nichts bestimmt. Da die Gesellschaft in der Lage sein muß, den Nachweis zu führen, empfiehlt sich Einschreibebrief, jedenfalls muß es sich um eine individuelle Benachrichtigung handeln. Eine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern kommt nicht in Frage. Anm. 6: Zahlt derjenige, an den die Zahlungsaufforderung ergangen ist, nicht innerhalb eines Monats, so wird vermutet, daß von ihm Zahlung nicht zu erlangen sei. Für die Berechnung der Frist vgl. §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 und 3 BGB. Sie beginnt an dem Tage, an dem sowohl die Zahlungsaufforderung dem Zahlungspflichtigen, wie die Benachrichtigung seinem Vormann zugegangen ist, bzw., normalen Ablauf vorausgesetzt, hätte zugehen müssen. Die Vermutung, daß Zahlung nicht zu erlangen ist, ist jederzeit widerlegbar (vgl. B.-H. Rn. 4; Kölner Komm. Anm. 13). 344

Zahlungspflidit der Vormänner

§65

Anm. 7—9

Anm. 7: Der Zwischenaktionär, der die rüdeständige Einlage zahlt, erwirbt damit das Mitgliedsrecht. Dies ist im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt, ergibt sich aber nach herrschender Ansicht aus allgemeinen Grundsätzen, die im GmbH-Gesetz (§ 22 IV) ihren Niederschlag gefunden haben. Er ist in das Aktienbuch einzutragen und hat Anspruch auf Aushändigung der neuen Aktienurkunde, sofern Aktienurkunden ausgegeben sind (vgl. B.-H. Rn. 5; Barz in Großkomm. Anm. 11; Kölner Komm. Anm. 16). Der Zahlende kann nach herrschender Lehre von seinen Nachmännern Rückzahlung verlangen, sofern diese wieder zahlungsfähig werden (vgl. BGH in N J W 1963, 2067; B.-H. Rn. 5; Kölner Komm. Anm. 28), der in Anspruch genommene Nachmann ist jedoch nur Zug um Zug gegen Übertragung der Mitgliedschaft zur Zahlung verpflichtet. 4. Befristete Haftung Anm. 8: Die Haftung des Zwischenaktionärs ist befristet. Sie erlischt, wenn die Einlage nicht binnen zwei Jahren nach dem Tage eingefordert wird, an welchem die von ihm vorgenommene Übertragung der Aktie zum Aktienbuch angemeldet wurde (mangels Aktienbuchs der AG „mitgeteilt", KG in JW 1937, 2439). Der Veräußerer einer nidit volllbezahlten Aktie oder eines Zwisdiensdieines hat mithin ein dringendes Interesse an der alsbaldigen Anmeldung der Übertragung. Maßgebend ist schon die Einforderung gemäß § 63 I, nicht etwa erst gemäß § 64 oder gar erst der Tag des Rückgriffs. Wenn die Einforderung in die zweijährige Frist fällt, verjährt die Einlageschuld des Vormannes in 30 Jahren, § 195 BGB. III. Verwertung der Aktie 1. Verkauf Anm. 9: Ist der rückständige Betrag von den Vormännern nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie zu verkaufen. Der Verkauf ist erst zulässig, wenn der Rückgriff gegen die Vormänner erfolglos war. Nimmt die Gesellschaft vorher einen Verkauf vor, so ist dieser zwar wirksam, sie verliert damit aber den Anspruch aus § 64 IV auf Erstattung des Ausfalls gegen den ausgeschlossenen Aktionär. Für die Erfolglosigkeit des Rückgriffs gegen die einzelnen Vormänner kann sich die Gesellschaft auch gegenüber dem ausgeschlossenen Aktionär auf die Vermutung des Absatzes 1 S. 3, also insbesondere bezüglich der Zahlungsunfähigkeit des letzten oder einzigen Vormannes (Ersterwerbers) berufen. Die Monatsfrist läuft hier von der Aufforderung an diesen an. Eine Benachrichtigung an den Ausgeschlossenen kommt nicht in Frage (a. A. Ritter § 59 Anm. 5 a). Die Vermutung ist jedoch widerlegbar. Freihändig kann die Aktie nur verkauft werden, wenn ein Börsenpreis für die Aktie vorhanden ist. Ob dies eine amtliche Börsennotiz 345

§ 65 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 9—11 voraussetzt, ist streitig, aber wohl zu verneinen. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung muß sich die Gesellschaft hierbei der Vermittlung eines Kursmaklers bedienen. 2. öffentliche

Versteigerung

Anm. 10: Ist ein Börsenpreis nicht vorhanden, so muß die Aktie öffentlich versteigert werden, in der Regel an der f ü r den Sitz der Gesellschaft zuständigen Börse. Der Vorstand hat nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, ob durch die Versteigerung am Sitz der Gesellschaft ein angemessener Erfolg zu erwarten ist. Ist es das nicht, so muß die Versteigerung an einem geeigneteren Ort durchgeführt werden. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. Der ausgeschlossene Aktionär und die Vormänner müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung hiervon gesondert benachrichtigt werden. Es empfiehlt sich auch hier wegen des Nachweises ein Einschreibebrief. Diese neu im Gesetz aufgenommenen Bestimmungen haben den § 65 weitgehend der Vorschrift des § 226 I I I angeglichen, da sie den gleichen Zweck verfolgen, nämlich die Verschleuderung der Aktie zu verhindern, um damit den ausgeschlossenen Aktionär zu schützen. Die Versteigerung muß durch einen Gerichtsvollzieher oder einen anderen zur Versteigerung befugten Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer erfolgen und öffentlich angekündigt werden. Die Gesellschaft selbst kann die Aktie nur im Rahmen des § 71 erwerben (h. L.; vgl. B.-H. Rn. 7; Kölner Komm. Anm. 37). IV. H a f t u n g nach Verwertung der Aktie Anm. 11: Durch den Verkauf wird der Ausfall gegen den ausgeschlossenen Aktionär (§ 64 IV S. 2) festgestellt. Die Ausfallforderung ist erst jetzt rechtlich entstanden. Alle Voraktionäre sind frei geworden. Für den Ausfall an späteren Einforderungen haften jedoch der ausgeschlossene Aktionär, dieser nach ausdrücklicher Vorschrift (§ 64 IV), wie auch seine Voraktionäre fort (ebenso Ritter § 59 Anm. 3 a und Barz in Großkomm. Anm. 19). H a t die Gesellschaft zu Unrecht verkauft, war insbesondere ein Vormann zahlungsfähig, so ist die Wirkung des Verkaufs dieselbe (a. A. B.-H. Rn. 8; Ritter § 59 Anm. 5 g). Die Gegenansicht führt dazu, in der Zahlungsunfähigkeit als solcher den Befreiungsgrund zu erblicken, was undenkbar ist, und die zahlungsfähigen Vormänner von der Befreiung und den Verkauf in diesem Fall überhaupt auszuschließen, wenn ein zahlungsfähiger Vormann vorhanden ist. Dann hätte keine erleichternde Vermutung aufgestellt werden dürfen. Auch dem für den Ausfall haftenden Ausgeschlossenen geschieht kein Unrecht, ihm bleibt die Einwendung aus Verschulden der Gesellschaft. Mag 346

Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten

§§ 65 / 66

Anm. 11,12/1

er, um diese zu begründen, die Gesellschaft mit Hinweisen versehen, wenn er die Vermutung des Absatzes 3 widerlegen kann. V. Rechtsstellung des Erwerbers Anm. 12: Der Erwerber des Anteilrechts wird Aktionär mit allen Rechten und Pflichten (über die Wirkung des Erwerbs bei ungültigem Ausschlußverfahren s. Anm. 11 zu § 64). Er erwirbt die Aktie als einschließlich des Rückstandes bezahlt auch dann, wenn der von ihm gezahlte Preis den Rückstand nicht gedeckt hat. Es kann also, wenn der Ausfall auch von dem Ausgeschlossenen nicht beizutreiben ist, hier eintreten, daß die Einlage auf die Aktie nicht voll entrichtet und das satzungsmäßige Grundkapital nicht voll eingezahlt wird.

§ 66 Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten (1) Die Aktionäre und ihre Vormänner können von ihren Leistungspflichten nach den §§ 54 und 65 nicht befreit werden. Gegen eine Forderung der Gesellschaft nach den §§ 54 und 65 isi: die Aufrechnung nicht zulässig. (2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Verpflichtung zur Rückgewähr von Leistungen, die entgegen den Vorschriften, dieses Gesetzes empfangen sind, für die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs sowie für die Schadenersatzpflicht des Aktionärs wegen nicht gehöriger Leistung einer Sacheinlage. (3) Durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung oder durch eine Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien können die Aktionäre von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen befreit werden, durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung jedoch höchstens in Höhe des Betrags, um den das Grundkapital herabgesetzt worden ist. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Verbot des Erlasses (Anm. 3 u. 4) III. Verbot der Aufrechnung (Anm. 5 u. 6)

IV. Sonderfall der Kapitalherabsetzur.g (Anm. 7)

I. Übersicht Anm. 1: Der Absatz 1 entspricht dem § 60 AktG 37, lediglich Satz 2 ist nunmehr ein selbständiger Satz, da die bisherige Fassung insofern für bedenklich gehalten wurde, als es nach dem Sprachgebrauch des B G B keine Aufrechnung von Pflichten gegen eine Forderung gibt. Die jetzige Fassung 347

§ 66

Anm. 1—4

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

lehnt sidi an § 393 BGB an. Neu sind die Absätze 2 und 3, die schon bisher durch die Rechtssprechung so angewendet worden sind, wegen ihrer Bedeutung aber doch gesetzlich festgelegt werden sollten. Anm. 2: Alle Vorschriften über Sicherheit der Kapitalgrundlage und Unzulässigkeit der Einlagerückgewähr wären bedeutungslos, könnte die Gesellschaft die Einlagen ohne ordentliche Kapitalherabsetzung erlassen. Dies wird durdi § 66 verboten, weiterhin die einseitige Aufrechnung durch einen Aktionär nicht schlechthin, aber gegenüber der Gesellschaft oder durch Vertrag (vgl. Waldmann, DGemWR 1942, 13; Schumadier JW 1936, 3153; Kiesow DJ 1937, 1823; Boesebeck JW 38, 1401). § 66 gilt auch bei der Abwicklung (RG 149, 297). Anderes gilt nur dann, wenn der Geschäftsbetrieb gänzlich eingestellt ist, alle Gläubiger befriedigt sind, es mithin der Erhaltung der Kapitalgrundlage nidit mehr bedarf (vgl. für die GmbH BGH in GmbH-Rundsch. 1968, 162 ff.; Barz in Großkomm. Anm. 2). II. Verbot des Erlasses Anm. 3: Das Verbot des Erlasses gilt nur für die eingetragene Aktiengesellschaft, gilt also noch nicht im Gründungsstadium, in welchem auch noch nach der Errichtung im Sinne des § 29 durcli einstimmigen Beschluß — Vertrag — aller Gründer die Kapitalziffer geändert werden kann. Die Vorschrift bezieht sich auf Bar- und Sacheinlagen, also auf solche, welche auf das Grundkapital gemacht werden und auf das Aufgeld (vgl. § 54), ferner auf die Haftung des Vormannes (§ 65), die mit der Einlageverpflichtung identisch ist, aus demselben Grunde auf die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs nach § 64 IV S. 2 und auch auf Schadenersatzansprüche der Gesellschaft wegen Unmöglichkeit oder Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung einer Sacheinlage und endlich auf den Rückgewähranspruch der Gesellschaft beim Empfang verbotener Vermögensausschüttungen (§ 62), soweit dieser gegen zwingende Vorschriften verstoßen hat, d. h., das Grundkapital angegriffen hat. Stammt er aus ausgewiesenem Gewinn, fehlte aber ein zustimmender, trotz Verletzung der Gleichberechtigung unangefochtener Beschluß der Hauptversanmlung, kann der Empfang durch einen derartigen nachträglichen Beschluß geheilt werden (weitergehend Ballerstedt, S. 158). Das Anwendungsgebiet des § 66 I war schon bisher in diesem Umfange von der herrschenden Ansicht anerkannt, ist jetzt aber vom Gesetzgeber in Absatz 2 ausdrücklich normiert worden. § 66 bezieht sich dagegen nicht auf wiederkehrende Nebenleistungen (§ 70), Zinsen und Vertragsstrafen bei säumiger Einzahlung (§ 62). Anm. 4: Ein trotzdem gewährter Erlaß ist nichtig, auch wenn er auf Hauptversammlungsbeschluß beruht; auch dieser ist nichtig (vgl. aber den 348

Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspfliditen

§ 66

Anm. 4,5

Fall in BGH 33, 175 ff.). Dem Erlaß ist gleichzusetzen eine Aufrechnung der Einlageforderung durch die Gesellschaft gegen künstlich hergestellte oder erdichtete Gegenforderungen des Aktionärs, der Verzicht auf Fehlerlosigkeit der Sacheinlage oder auf Gewährleistungsansprüche (Abs. 2), ferner die Annahme an Erfüllungs Statt, insbesondere also die Annahme einer Sacheinlage anstelle einer Bareinlage oder umgekehrt, auch wenn dieses aufgrund eines satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses oder in der Form eines Kaufes mit Aufrechnung des Kaufpreises geschieht, ferner die Novation, die Bereitstellung der zur Einlagezahlung erforderlichen Mittel durch Darlehen der Gesellschaft (BGH 28, 77), die nachträgliche Stundung über die im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Einzahlungsterrnine hinaus, auch ein Erlaß in Form eines Vergleichs über die Einlageforderung. Nicht gleichzusetzen dagegen ist ein ernsthafter Vergleich, ebensowenig ein Zwangsvergleich im Konkurs oder zur Abwendung des Konkurses nadi Maßgabe der Vergleichsordnung, wohl aber ein freiwilliger Erlaß in einem außergerichtlichen Vergleichsverfahren (RG 79, 271). Nichtig ist auch eine Abtretung der Einlageforderung, wenn der Gesellschaft dabei nicht der volle Gegenwert zufließt (bei vollem Gegenwert ist die Abtretung zulässig; ständige Rechtssprechung z . B . R G 133, 81). III. Verbot der Aufrechnung Anm. 5: Unzulässig und nichtig ist die einseitige Aufrechnung durch einen Aktionär, selbst wenn seine Gegenforderung aus dem Gesellschaftsverhältnis stammt (vgl. für GmbH R G 93, 330), nach R G 85, 351 auch gegenüber dem Zessionar einer Einlageforderung, wenn mit einer Forderung gegen die Gesellschaft (nicht etwa ihn selbst) aufgeredinet wird. Insoweit der Aktionär hierzu nicht berechtigt ist, hat er auch kein Zurückbehaltungsrecht (RG in J W 29, 1745). Ein solches kann er nur wegen Nichtlieferung der Aktienurkunde ausüben (RG 94, 64), aber nur wegen der restlichen Einzahlung, ferner nach herrschender Ansicht an dem Gegenstand der Sacheinlage wegen solcher Ansprüche, die sich auf sie beziehen. Zulässig ist die einseitige Aufrechnung durch, die Gesellschaft, desgleichen die vertragliche Aufrechnung, und zwar schlechthin, wenn sie schon bei der Gründung in der Satzung oder bei der Kapitalerhöhung im Kapitalerhöhungsbeschluß vorgesehen wird (anscheinend weitergehend R G 152, 301), aber nach ständiger Rechtssprechung (z.B. J W 30, 2685; B G H 15, 57) auch sonst, wenn es sich nicht um die vor der Anmeldung zu leistenden Zahlungen handelt und die Gegenforderung des Aktionärs vollwertig ist. Hierzu gehört auch, daß sie dem Bestände und dem Betrage nach unbedingt und fällig ist. Dieselben Grundsätze gelten auch während der Abwicklung (JW 1936, 2685). Wo wegen mangelnder Gleichwertigkeit eine Aufrechnung unstatthaft ist, ist 349

§ 66 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 5—7 auch die Umgebung durch Einzahlung der Einlage unter gleichzeitigem Wiederempfang des gezahlten Betrages als Forderungstilgung nicht geeignet, die EinZahlungsverpflichtung zu tilgen (vgl. R G 152, 301). Von einem zwecklosen Hin- und Herschieben von Geld, das nach allgemeiner Ansicht vermieden werden darf, würde in einem solchen Falle nur, aber nicht immer, dann die Rede sein können, wenn die Gesellschaft mit der Rückzahlung des Darlehens vorausgehen kann, so daß der Aktionär aus der Darlehenssumme die Einzahlung macht, nicht umgekehrt. Zulässig ist auch die Aufrechnung einer nicht vollwertigen Forderung gegen die Gesellschaft unter den Voraussetzungen, unter denen wegen einer solchen die Einlageforderung gepfändet werden kann (s. Anm. 7 und 8 zu § 1). Die Aufrechnung ist bei diesem Sachverhalt auch gegen einen anderen Gläubiger statthaft, der zulässigerweise die Einlageforderung gepfändet hat (RG a. a. O.; a. A. in letzterer Beziehung Herbig in D J 1938, 233). Die vorstehenden von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätze hat man indessen mit Boesebeck (JW 1938, 1401 ff.) einzuschränken und die Aufrechnung ohne Rücksicht auf Vollwertigkeit immer für unzulässig anzusehen, wenn sie schon bei der Kapitalerhöhung beabsichtigt oder gar abgesprochen war und trotzdem im Kapitalerhöhungsbeschluß nicht vorgesehen ist oder wenn sie der Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage (Annahme an Erfüllungs Statt) gleichkommt (vgl. BGH 15, 58; 28, 319; Barz in Großkomm. Anm. 16). Damit ist beantwortet, ob zur Beurteilung der Vollwertigkeit die aus einer Kapitalerhöhung stammenden neuen Einlageforderungen mit zu berücksichtigen sind (hierüber R G in J W 1938, 1400 f.). Nur wenn wirklich lediglich zweckloses Hin- und Herschieben von Geld vermieden werden soll, wird in diesem Fall Aufrechnung zulässig sein. Über Abtretung, Pfändung und Verpfändung der Einlageforderung s. § 1 Anm. 7 und 8. Anm. 6: Die Erfüllung der Einlage durch Zahlung an einen Dritten im Auftrage der Gesellschaft ist immer statthaft und geeignet, die Einlageschuld zu tilgen, wenn nicht eine Umgehung beabsichtigt ist, auch dann, wenn der Dritte ein Gläubiger der Gesellschaft und seine Forderung nicht vollwertig ist. Dies braucht der Aktionär in diesem Falle nicht zu prüfen (a. A. Schl.Qu. § 60 Anm. 6). Er würde auch nicht hindern können, daß die Gesellschaft das von ihm empfangene Geld zur Bezahlung ihrer nicht vollwertigen Schuld an den Dritten verwendet. Darum ist auch die Einzahlung auf ein Bankkonto immer statthaft, auch wenn dieses passiv ist. Die Einschränkung des § 54 gilt nur für die Einzahlung vor der Anmeldung. IV. Sonderfall der Kapitalherabsetzung Anm. 7: Der neu eingefügte Absatz 3 befaßt sich mit einer Ausnahme von Absatz 1 insofern, als die Aktionäre von ihrer Verpflichtung zur Leistung 350

Eintragung im Aktienbuch

§§66/67

Anm. 7 / 1

von Einlagen bei Kapitalherabsetzungen befreit werden können. Z. T. wurde früher die Ansicht vertreten, dem Aktionär könnte in diesem Fall die Verpflichtung zur Leistung der Einlage ganz erlassen werden. Dies widerspricht dem sidi durch das ganze Gesetz ziehenden Grundsatz der Sicherheit der Kapitalgrundlage. Es war daher erforderlich, besonders zu normieren, daß die Verpflichtung nur insoweit aufgehoben werden kann, als das Kapital herabgesetzt worden ist.

§ 67 Eintragung im Aktienbuch (1) Namensaktien sind unter Bezeichnung des Inhabers nadi Namen, Wohnort und Beruf in das Aktienbuch der Gesellschaft einzutragen. (2) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Aktienbuch eingetragen ist. (3) Ist jemand nach Ansicht der Gesellschaft zu Unrecht als Aktionär in das Aktienbuch eingetragen worden, so kann die Gesellschaft die Eintragung nur löschen, wenn sie vorher die Beteiligten von der beabsichtigten Löschung benachrichtigt und ihnen eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs gesetzt hat. Widerspricht ein Beteiligter innerhalb der Frist, so hat die Löschung zu unterbleiben. (4) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwisdiensdieine. (5) Jedem Aktionär ist auf Verlangen Einsicht in das Aktienbuch zu gewähren. I. Obersidit (Anm. 1)

II. Eintragung im Aktienbuch 1. Das Aktienbuch (Anm. 2) 2. Wirkungen der Eintragungen (Anm. 3 u. 4) III. Löschungen

1. Löschungen durch die Gesellschaft (Anm. 5) 2. Anspruch auf Löschung (Anm. 6 u. 7) IV. Geltung für Zwisdiensdieine (Anm. 8) V. Einsicht in das Aktienbuch (Anm. 9)

I. Übersidit Anm. 1: § 67 übernimmt in den Absätzen 1 und 4 die Absätze 1 und 4 des § 61 AktG 37, Absatz 2 entspricht dem Absatz 3 des § 62 AktG 37, die Absätze 3 und 5 sind neu eingefügt worden (siehe Anm. 5—7 und 9). Die Vorschriften des bisherigen Absatzes 2 und 3 des § 61 AktG 37 sind in § 68 I und II enthalten. 351

§ 67 Anm. 2

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

II. Eintragung im Aktienbudi 1. Das Aktienbuch Anm. 2: Ein Aktienbuch ist unentbehrlich, sobald Urkunden ausgegeben sind (ein vorher angelegtes Aktienbuch soll nach K G J 114 A 32 nidit beweiskräftig sein). Es wird nicht nur bei Namensaktien geführt, vielmehr audi bei Inhaberaktien, um den Nennbetrag der einzelnen Aktien und die rechtlichen Schicksale zu vermerken, welche das einzelne Aktienrecht und die darüber ausgestellte Urkunde erleidet: z. B. Kraftloserklärung der Urkunde, Änderung des Nennbetrages, Umwandlung nadi § 24 II, Einziehung, Vernichtung des Rechts und Einbeziehung der Urkunde bei der Zusammenlegung. Diese Aktienbücher sind aber nicht Aktienbücher im Sinne dieser Vorschrift, da es sich lediglich um Aufzeichnungen der Gesellschaft handelt, worauf der Kölner Komm. (Anm. 10) zu Recht hinweist (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 2; B.-H. Rn. 3; mißverständlich die Voraufl.). Bei Namensaktien und Interimsscheinen ist die Führung des Aktienbudies und sein Inhalt gesetzlich vorgeschrieben, und zwar nicht nur bei nicht vollbezahlten Aktien, sondern mit Rücksicht auf § 68 auch bei vollbezahlten, denn bei der Namensaktie steht die Persönlichkeit des Aktionärs im Vordergrund. Die Gesellschaft muß also wissen, mit wem sie es zu tun hat. Auch die Mitaktionäre (s. Anm. 9) haben ein Recht, dies zu erfahren. Das Buch hat daher Wohnort, Name und Beruf des Aktionärs anzugeben. § 67 betrifft die Eintragung jedes ursprünglichen Aktienerwerbers (auch durch Verschmelzung) im Aktienbudi. Die Gesellschaft hat ihn von sich aus zu vermerken, während die Eintragung eines abgeleiteten Erwerbs sich nach § 68 regelt und eine wirksame Anmeldung voraussetzt. Allerdings kann im Einzelfall der Ersteinzutragende schon ein Aktionär sein, der sein Recht auf abgeleiteten Erwerb stützt (RG 86, 155), weil Aktien übertragen werden können, sobald (nicht auch vor Eintragung — § 41 IV) die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist. Jeder Aktionär hat einen Anspruch auf Führung des Aktienbuchs (RG in J W 06, 177; OLG 11, 381; B.-H. Rn. 3; Kölner Komm. Anm. 4; Blöcker in BB 1960, 1006). Die Pflicht entsteht, sobald Urkunden ausgegeben sind (RG a. a. O.), jedoch kann das Buch schon vorher angelegt werden durch Eintragung der Personalien der Aktionäre (§ 67 I). Bereits diesem Buch kommt die Bedeutung eines Aktienbuches und seinen Eintragungen die Wirkungen des Abs. 2 zu (ebenso die herrschende Ansicht; vgl. Barz in Großkomm. Anm. 4), weil es rechtspolitisch nicht angängig erscheint, seine Anwendbarkeit von der Ausstellung von Urkunden abhängig zu machen, mögen auch gerade für nicht vollbezahlte Aktien § 64 IV und § 10 II ersehen lassen, daß das Gesetz von der Ausstellung von Urkunden ausgeht. Wenn nicht nach der Satzung zur Veräußerung die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist, kann die 352

Eintragung im Aktienbuch

§67 Anm. 2—i

Gesellschaft nicht verhindern, daß gleich nach ihrer Eintragung der erste Aktionär eine Aktie veräußert. Sie würde ihn also, auch wenn sie ihn in ein Aktienbuch eingetragen hat, nicht an seiner Haftung festhalten können, wenn der Drude der Aktie noch nicht fertig ist. 2. Wirkungen der Eintragungen Anm. 3: Absatz 2 ist hierher übernommen worden, da § 67 sämtliche Eintragungen im Aktienbuch betrifft, obwohl er früher in der Vorschrift enthalten war, die die Übertragung von Namensaktien und die Eintragung der Umschreibung im Aktienbuch behandelte. Sie betrifft demnach die jeweils gültigen Eintragungen. Die Bedeutung der Eintragungen liegt also darin, daß im Verhältnis zur Gesellschaft als Aktionär derjenige, und zwar nur derjenige gilt, der als solcher im Aktienbuch eingetragen ist. Diese zwingende Vorschrift stellt zwei Dinge klar: 1. daß nur im Verhältnis zur Gesellschaft der Eingetragene als Aktionär gilt; Schutz des gutgläubigen Erwerbers von einem Nichtberechtigten gewährt also das Aktienbuch nicht; 2. daß für das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber, also für den Rechtsübergang selbst, die Eintragung bedeutungslos ist. Für diesen ist sie nicht Voraussetzung (vgl. Kölner Komm. Anm. 15). Anm. 4: Dagegen ist darüber hinaus die Tragweite der Vorschriften überaus unklar. Aus den angeführten Entscheidungen und dem Schrifttum ergeben sich folgende Grundsätze: a) Von der Gesellschaft, von dem früher Eingetragenen, von dem neu Eingetragenen und jedem Mitaktionär kann geltend gemacht werden, daß das Eintragungsverfahren mangelhaft gewesen sei, insbesondere eine gültige Anmeldung nicht vorgelegen habe, und daß demnach die Eintragung ungültig sei (z. B. Scheinübertragung aufgrund Einverständnisses mit dem Vorstand, RG J W 34, 363). Die Anmeldung kann nach den Regeln des BGB angefochten werden; jedoch beseitigt, wenn Veräußerer und Erwerber beide angemeldet haben, die Anfechtung des einen die Anmeldung des anderen nicht (Warn.Rspr. 43, 73). b) Der Eingetragene übt, wenn ein Mangel des Eintragungsverfahrens nicht vorgelegen hat, alle Rechte aus der Aktie aus, hat aber auch alle Pflichten aus der Aktie. Solange er eingetragen ist, kann niemand, insbesondere weder er selbst noch ein anderer Aktionär, geltend machen, daß ein gültiger Rechtsübergang nicht stattgefunden habe, oder daß die Aktie auf einen anderen, sei es überhaupt von vornherein, sei es nach der Eintragung des Erwerbers, übergegangen sei. Ein Minderjähriger kann also seine Eintragung rechtswirksam selbst nicht herbeiführen. Ist das geschehen, so fehlt es am Willen, da der Minderjährige eine rechtswirksame Willenserklärung nicht 353

§ 67 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 4—6 alleine abgeben kann (h. L.; a. A. die Voraufl.; vgl. Barz in Großkomm. Anm. 14). Die Gesellschaft kann sich nicht auf die Eintragung berufen. Unter allgemeinem Widerspruch gestattet jedoch RG 79, 162 der Gesellschaft die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis, also insbesondere auf Vollzahlung gegen den Erwerber der Aktie, auch vor Eintragung des Rechtsüberganges im Aktienbuch. III. Löschungen 1. Löschungen durch die Gesellschaft Anm. 5: Umstritten war bisher die Frage, inwieweit die Gesellschaft berechtigt sein soll, Eintragungen im Aktienbuch zu löschen, die ihrer Ansicht nach zu Unrecht bestehen. Nicht hierher gehören Schreibfehler, die wie bisher ohne weitere Benachrichtigung berichtigt werden können, sofern diese Berichtigung nicht einer Löschung des eingetragenen Aktionärs gleichkommt (Kölner Komm. Anm. 37). Ferner gehört nicht hierher die Löschung des wegen Verkaufs seiner Namensaktie zu Unrecht eingetragenen Aktionärs, da hierfür die Umschreibung gem. § 68 vorgeschrieben ist. Das Gesetz regelt diese Frage dahin, daß derartige Eintragungen nur gelöscht werden können, wenn keiner der Beteiligten Widerspruch erhebt. Hierfür ist den Beteiligten Mitteilung über die beabsichtigte Löschung zu machen und ihnen eine angemessene Frist zur Äußerung zu stellen. Beteiligt ist hierbei in erster Linie der eingetragene Aktionär und daneben die Vormänner, von denen er seinen Aktienbesitz herleitet. Zur Benachrichtigung reicht ein eingeschriebener Brief aus. Eine Bekanntmachung in den Gesellsdiaftsblättern ist angesichts der geringen Zahl der Beteiligten entbehrlich. Geht ein Widerspruch nicht ein, so kann die Eintragung gelöscht werden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist demnach nicht erforderlich. 2. Anspruch auf Löschung Anm. 6: Unklar ist die Frage, wie ein Dritter falsche Eintragungen im Aktienbuch beseitigen lassen kann. Allgemein wird ohne Begründung die Ansicht vertreten, daß die falsche Eintragung durch Klage des wahren Berechtigten gegen den Eingetragenen beseitigt werden könne. Ein solches Urteil würde aber keine Rechtskraft gegenüber der Gesellschaft haben, und da gegenüber dieser der eingetragene Aktionär als Berechtigter gilt, ist nicht zu verstehen, wie durch ein derartiges ihr gegenüber nicht wirkendes Urteil im Verhältnis zu ihr eine Änderung an dieser Fiktion herbeigeführt werden kann. Bei nicht vollbezahlten Aktien und bei Aktien, zu deren Übertragung die Zustimmung der Gesellschaft notwendig ist, wird auch das Interesse der Gesellschaft betroffen (Beispiel: der nach Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung Eingetragene will die Nichtigkeit der Übertragung geltend

354

Eintragung im Aktienbuch

§67 Anm. 6—8

machen), die Gesellschaft wird also gleichfalls verklagt werden müssen (ebenso Kölner Komm. Anm. 36; unverständlich bleiben die weiteren Ausführungen, da Lutter selbst zu dem Ergebnis kommt, daß die AG verklagt werden muß, wenn sie aufgrund des gegen den zu Unrecht eingetragenen ergangenen Urteils die Löschung nicht vornimmt). Wie kann aber der Aktionär ihr gegenüber angesichts des Abs. 2 überhaupt obsiegen? Wenn er diese Bestimmung durch Klage überwinden kann, warum nicht auch durch Einwendung. Undienlich ist jedenfalls immer die Klage gegen die Gesellschaft allein, denn gerade im Verhältnis zu ihr gilt ja der Eingetragene als der Berechtigte. Wäre diese Klage möglich, so müßte, wie schon gesagt, auch die Einwendung möglich sein. Offensichtlich geht die Fiktion des Absatzes 2 textlich zu weit. Sie bezieht sich auch gegenüber der Gesellschaft nicht auf das Recht an der Aktie und steht dem Nachweis des Rechts an der Aktienurkunde und der Unrichtigkeit der Eintragung nicht entgegen. Anm. 7: Kann der zur Vollzahlung an die Gesellschaft verurteilte Eingetragene diese wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern, wenn er nach der Zahlung ein Urteil gegen den wahren Berechtigten erfochten hat? Hatte er aufgrund eines direkten Vertragsverhältnisses einen Anspruch darauf, daß dieser sich eintragen lasse und auf eine Leistungsklage hin eine Verurteilung dahingehend erreicht, daß der Verurteilte die Aktienurkunde vorzulegen und (wenn der Kläger nicht selbst zur Anmeldung in der Lage ist) die Anmeldung vorzunehmen hat, so ist, auch gegenüber der Gesellschaft, die bisherige Fiktion des Abs. 2 beseitigt. Voraussetzung ist, daß — was wir für zulässig halten —, das zurückliegende Veriiußerungsdatum eingetragen wird. Es ist dann der Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB gegen die Gesellschaft wegen Wegfalles des rechtlichen Grundes (fingierte Aktionärschaft) gegeben. Kann aber der Kläger mangels eines, wie oben beschriebenen, schuldrechtlichen Anspruches nur ein Feststellungsurteil gegen den Beklagten erwirken, welches gegenüber der Gesellschaft keine Bedeutung hat, weil es nicht zur Anmeldung und Eintragung führt und demnach den Abs. 2 nicht brechen kann, so kommt eine Rückforderung unseres Erachtens ebensowenig in Frage, wie die Beseitigung der Eintragung, weil angesichts der nach Abs. 2 weiterhin fingierten Aktionärschaft auch jetzt nicht gesagt werden kann, daß der Eingetragene ohne rechtlichen Grund an die Gesellschaft geleistet habe. Dagegen dürfte ihm der Bereicherungsanspruch gegen den nicht eingetragenen Aktionär gegeben sein. IV. Geltung für Zwischenscheine Anm. 8: Für nicht beurkundete Aktien gilt diese Vorschrift nicht, wohl aber gem. Abs. 4 sinngemäß für Zwischenscheine. 355

§ § 67 / 68

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 9 V. Einsicht in das Aktienbuch Anm. 9: Nach Abs. 5 hat jeder Aktionär das Recht, das Aktienbuch einzusehen. Dient das Aktienbuch auf der einen Seite der Legitimation der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft, so soll andererseits der Aktionär die Möglichkeit haben, sich über die Eintragungen im Aktienbuch, insbesondere über seine Mitaktionäre, unterrichten zu können. Die Möglichkeit der Einsichtnahme im Aktienbuch durch Niditaktionäre richtet sich weiterhin nach § 810 BGB (vgl. B.-H. Rn. 7; Kölner Komm. Anm. 43). § 68 Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbuch (1) Namensaktien können durdi Indossament übertragen werden. Für die Form des Indossaments, den Rechtsausweis des Inhabers und seine Verpflichtung zur Herausgabe gelten sinngemäß Artikel 12, 13 und 16 des Wediselgesetzes. (2) Die Satzung kann die Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft binden. Die Zustimmung erteilt der Vorstand. Die Satzung kann jedoch bestimmen, daß der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung über die Erteilung der Zustimmung beschließt. Die Satzung kann die Gründe bestimmen, aus denen die Zustimmung verweigert werden darf. (3) Geht die Namensaktie auf einen anderen über, so ist dies bei der Gesellschaft anzumelden. Die Aktie ist vorzulegen und der Übergang nachzuweisen. Die Gesellschaft vermerkt den Übergang im Aktienbuch. (4) Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente und der Abtretungserklärungen, aber nicht die Unterschriften zu prüfen. (5) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwischenscheine. I. Übersicht (Anm. 1) II. Übertragung und Belastung der Aktie 1. Übergabe der Urkunde (Anm. 2) 2. Gutgläubiger Erwerb (Anm. 3) 3. Weitere Voraussetzungen bei Namensaktien (Anm. 4) 4. Form (Anm. 5) 5. Weitere Übertragungsmöglichkeit (Anm. 6) III. Legitimationsübertragungen (Anm. 7) IV. Übertragung nicht beurkundeter

356

Aktien (Anm. 8) V. Zustimmung der Gesellschaft 1. Erfordernis der Zustimmung (Anm. 9 u. 10) 2. Erteilung der Zustimmung (Anm. 11) 3. Satzungsbestimmung hinsichtlich der Zustimmung (Anm. 12) 4. Folgen der Versagung der Zustimmung (Anm. 13) 5. Geltendmachung der fehlenden Zustimmung (Anm. 14) VI. Anspruch auf Eintragung (Anm. 15)

Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbuch VII. Anmeldung des abgeleiteten E r werbes 1. Voraussetzung und F o r m (Anm. 16—18)

§ 68

Anm. 1,2

2. Prüfung durch die Gesellschaft (Anm. 19) VIII. Geltung für Zwischensdieine (Anm. 20)

I. Übersicht Anm. 1: § 68 übernimmt in den Absätzen 1 und 2 die Absätze 2 und 3 des § 61 AktG 37 und in den Absätzen 3, 4 und 5 die Absätze 1, 2 und 4 des § 62 AktG 37. II. Übertragung und Belastung der Aktie 1. Übergabe der Urkunde Anm. 2: Die Übertragung, ebenso wie die Belastung mit Rechten (Nießbrauch-, Pfandrecht), vollzieht sich sowohl bei der Inhaberaktie wie bei der Namensaktie nicht ohne Übergabe der Urkunde, sobald eine Urkunde ausgestellt ist. Beide Arten verkörpern das Recht und sind Wertpapiere (aber nicht rechtsbegründende), sind körperliche Gegenstände, Sachen im Sinne des § 90 BGB, genießen Besitzschutz (§ 854 BGB). Es besteht an ihnen die Eigentumsvermutung des § 1004 BGB, sie folgen den Regeln der §§ 985 ff. BGB und bezüglich der Eigentumsübertragung den B.egeln der §§ 929 ff. BGB. Zur Übertragung des Rechts ist Übergabe des Papiers unerläßlich, bei der Inhaberaktie diese allein, bei der Namensaktie außer der Übergabe der Urkunde noch Abtretungserklärung oder Indossament (s. Anm. 4), wenn die Satzung nicht audi Zustimmung der Aktiengesellschaft fordert. Da aber das Aktienrecht unabhängig von der Urkunde durch die Eintragung der Gesellschaft entsteht und von Anfang an veräußerlich ist, gelten diese Grundsätze erst, nachdem die Aktienurkunde ausgestellt und Eigentum des berechtigten Aktionärs geworden ist. Wann ist letzteres der Fall? Bis zu der Verbindung von Recht und Urkunde sind die einzelnen Rechte gleicher Gattung nicht unterscheidbar, es sei denn durch ihre Nummern im Aktienbuch, wenn ein solches angelegt ist, oder, ohne solche, nur mittelbar durch die Person der Aktionäre, denen sie zustehen (§ 67 I sieht sogar nur dieses Unterscheidungsmerkmal vor). In beiden Fällen besteht aber, wenn es sich nicht um Namensaktien handelt, die Schwierigkeit, daß von keinem Aktionär gesagt werden kann, von welchem Recht er Eigentümer ist, solange ihm nicht ein solches von der Gesellschaft unterscheidbar von anderen bezeichnet worden ist. Diese Schwierigkeit besteht, obwohl er schon durch Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister — nicht etwa bloß Gläubiger einer Gattungsschuld, sondern — Inhaber eines individuellen Aktienrechtes geworden ist, indem er im Aktienbuch als Inhaber nummernmäßig bestimmter Rechte eingetragen wird (was auch bei Inhaberaktien denkbar ist und vorkommt; im 357

§ 68

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 2

Falle der Veräußerung durch Abtretung läßt sich dann immer feststellen, welchen Erwerbsgang das einzelne Recht genommen hat) oder, daß eine für ein bestimmtes Recht ausgestellte Urkunde von der Gesellschaft für ihn bestimmt wird. Es liegt in der Natur der Sache, daß letzteres nur durch eine nach außen kundgegebene, also erklärte Willensentschließung der Gesellschaft geschehen kann, wobei wir es hier dahingestellt sein lassen können, ob diese Erklärung empfangsbedürftig ist. Sie kann dies jedenfalls dann sein, wenn diese Bestimmung einer Urkunde für einen Aktionär mittels Herstellung eines Besitzverhältnisses an ihr zu seinen Gunsten erfolgt (Begründung einer Besitzdienerschaft, eines mittelbaren Besitzes durch Besitzkonstitut, Übergabe). Aber es ist durchaus denkbar, daß sie ohne Herstellung eines Besitzverhältnisses an der Urkunde ausgedrückt wird, z. B. bei Namensaktien, indem der Name des Aktionärs in der Urkunde eingetragen wird. Darin liegt die Verbindung der Urkunde mit dem Recht und, da dieses nach § 67 I durch den Aktionär schon individualisiert war, die Bestimmung der Urkunde für den Aktionär. Es ergibt sich: Die Verbindung des Rechtes mit einer bestimmten Urkunde ist ein einseitiger innerer Rechtsakt der Gesellschaft, der dadurch vorgenommen wird, daß die Gesellschaft, wenn ein Aktienbuch mit Nummern eingerichtet ist, der Urkunde die Nummer eines Rechtes gibt oder die Urkunde für denjenigen Aktionär bestimmt, der als solcher das Recht selbst individualisiert und diese Bestimmung irgendwie ausdrückt. Trotz des weit auszulegenden § 952 BGB (siehe RG Warn.Rspr. 28, 107) kann aber bei Inhaberaktien kein Aktionär als Inhaber eines Aktienrechts Eigentümer der mit diesem verbundenen Urkunde werden, wenn nicht gleichzeitig mit dieser Verbindung die Bestimmung der Urkunde und des Rechts für einen bestimmten Aktionär erfolgt, weil solange nicht feststeht, von welchem Recht er Inhaber ist. Die bloße Numerierung der Urkunde reicht hierzu nicht aus, mag sie auch die Verbindung der Urkunde mit dem Recht herstellen, es sei denn, daß im Aktienbuch der Aktionär als Inhaber eines nummernmäßig individualisierten Rechtes eingetragen ist. Sobald aber auf irgendeine Weise die für ein bestimmtes Recht ausgestellte Urkunde einem bestimmten Aktionär zugeteilt ist, greift § 952 BGB ein, so daß er Eigentümer dieser Urkunde wird, ohne daß es einer Übereignung oder Besitzübertragung bedarf, mag die Bestimmung der Aktienurkunde für einen bestimmten Aktionär sich auch regelmäßig in der Form der Besitzübertragung oder der Übergabe vollziehen. Es dürfte wohl auch genügen, daß die für ein bestimmtes Recht ausgestellte Urkunde ohne den Willen der Gesellschaft an einen Berechtigten gelangt, um nun diesen zum Eigentümer der Urkunde zu machen und klarzustellen, welchen Rechtes Inhaber er ist. Diese Überlegungen ergeben weiter, daß die Übertragung des Aktienrechtes mittels der Urkunde nicht nur voraussetzt, daß die Gesellschaft die Verbindung zwischen Urkunde und Recht hergestellt hat, sondern audi, 358

Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbudi

§ 68

Anm. 2—i

daß der Aktionär Eigentümer der Urkunde geworden ist, weil er vorher ja keine Möglichkeit hat, durch Übergabe der Urkunde oder Übertragung des Anspruchs auf deren Herausgabe das Recht zu veräußern. Erst von dem Augenblick an, in welchem der Aktionär Eigentümer der Urkunde wird, verkörpert also die Urkunde das Recht und wird dieses in ersterer dargestellt. Bis dahin ist sie nur ein buntes Stück Papier, auch wenn sie über ein bestimmtes Recht ausgestellt ist. 2. Gutgläubiger Erwerb Anm. 3: Bei der Inhaberaktie besteht Meinungsverschiedenheit darüber, von welchem Zeitpunkt an ein gutgläubiger E r w e r b geschützt ist. Ob schon dann, wenn die Urkunde der Gesellschaft selbst gestohlen worden, verlorengegangen oder abhanden gekommen ist, oder nur, wenn sie vor dem Verlust dem Aktionär schon ausgehändigt war. Hier ist zu unterscheiden: § 794 BGB ist nicht anwendbar, denn diese Vorschrift setzt eine rechtsbegründende Urkunde voraus, was die Aktienurkunde nicht ist, weil das Recht unabhängig von der Urkunde (zufolge einer vorgängigen Übernahme und Zuteilung) durch die Eintragung der Aktiengesellschaft entsteht (§ 41). Aber § 935 II BGB ist anwendbar, sobald die Urkunde nach Anm. 2 Eigentum des Aktionärs geworden ist und deshalb das Recht verkörpert. In letzterem Falle wird also der gutgläubige Erwerber Eigentümer und der Aktionär hat den Schaden, wenn er von dem Schuldigen keinen Ersatz zu erhalten vermag. Einen Schadensersatz durch die Gesellschaft im Falle des Verschuldens eines Vertreters oder Angestellten nach den §§ 31, 831, 278 BGB liefe auf eine unstatthafte Rückzahlung der Einlage hinaus. War aber der Aktionär noch nicht Eigentümer der Urkunde geworden (s. Anm. 2), so hat der Erwerber kein Aktienrecht erworben, weil § 794 BGB nicht anwendbar ist. Demnach ist gutgläubiger Erwerb an einer auf der Postreise zum ersten Aktionär abhanden gekommenen Aktie zum Schaden des ersten Aktionärs durch einen Dritten möglich (§ 935 BGB), aber nicht an einer aus den Geschäftsräumen der Gesellschaft gestohlenen oder von dieser selbst für einen Nichtaktionär bestimmten Aktie. Gutgläubiger Erwerb an einer Inhaberaktie nach § 935 BGB ist also nur möglich, wenn der in dem nach dieser Vorschrift maßgeblichen Zeitpunkt berechtigte Aktionär schon Eigentum an der Urkunde hatte, er kann dies aber nach § 952 BGB auch ohne Aushändigung der Urkunde erworben haben. 3. Weitere Voraussetzungen bei Namensaktien Anm. 4: Außer der Übergabe der Urkunde, welche bei der Inhaberaktie zur Übertragung des Rechts genügt, ist bei der Namensaktie außerdem entweder die Abtretung des Rechts (§§ 413, 398 BGB, §68 IV) oder Indossa359

§ 68 Anm. 4—6

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ment auf der Rückseite der Urkunde (Abs. 1, Abs. 4) erforderlich. Beide Möglichkeiten bestehen nebeneinander ( J W 32, 2599). Die Satzung kann nach herrschender Ansicht weder die eine noch die andere Form verbieten (anders R G 77, 276). Der Unterschied zwischen beiden Formen ist erheblich, worauf Lutter (in Kölner Komm. Anm. 17) zu Recht hinweist, uns allerdings als anderer Ansicht bezeichnet. Bei der Abtretung durch den Nichtberechtigten schützt der gute Glaube des Erwerbers nicht; auch können dem Erwerber Einwendungen und Einreden entgegengesetzt werden, welche gegen den abtretenden Vormann begründet waren. Bei der Indossierung ist der durch eine fortlaufende Kette Ausgewiesene durch seinen guten Glauben gegen den Rechtsmangel seines Vormanns (nicht gegen rechtliche Mängel seines Erwerbsgeschäfts mit diesem) und Einwendungen oder Einreden geschützt und erwirbt vorbehaltlich der Anm. 2 das Recht und das Eigentum an der Urkunde (RG 112, 204). Als dritte Übertragungsform kommt bei Namensaktien die Absendung des Stückverzeichnisses gemäß § 18 DepG hinzu. Die Eintragung im Aktienbuch ist bei Namensaktien zur Übertragung nicht erforderlich (wenngleich nach § 68 zur Ausübung der Rechte aus der Aktie), ebensowenig zur Bestellung von Rechten an der Aktie (Pfandrecht und Nießbrauch). Doch ist bei letzterer kein Grund ersichtlich, warum die Eintragung unstatthaft sein sollte. Beim Nießbrauch ist die Eintragung zweckmäßig, wenn keine Gewinnanteilscheine ausgegeben sind. Beim Pfandrecht nur für die Ausschüttung in der Abwicklung, dagegen hinsichtlich der Gewinnanteile nur, wenn bei ausgegebenen Gewinnanteilsscheinen diese übergeben worden sind (§ 1296 BGB) oder, wenn keine Gewinnanteilsscheine ausgegeben worden sind, der Anspruch auf Gewinnanteile besonders mitverpfändet wurde, weil sich anderenfalls das Pfandrecht nicht darauf erstreckt (§§ 1273,1213 BGB). 4. Form Anm. 5: Eine Form ist für die Abtretung gesetzlich nicht vorgeschrieben und kann auch durch Satzung nicht vorgeschrieben werden (s. Anm. 2). Diese kann durch bloße Übergabe der Aktie ausgedrückt werden, doch wird der Erwerber immer schriftliche Abtretungserklärung aufgrund des Verpflichtungsgeschäftes fordern können, um sich gegenüber der Gesellschaft als Erwerber auszuweisen (siehe §§ 403, 413 BGB). 5. Weitere Übertragungsmöglichkeit Anm. 6: Auch Blankoabtretung und Blankoindossament sind zulässig und im Börsenhandel gebräuchlich ( J W 32, 2599), vgl. hierzu aber bzgl. Umschreibung im Aktienbuch Anm. 18. Ist die Zustimmung der Gesellschaft zur Abtretung erforderlich, ist in solchen Fällen bei Vorliegen mehrerer Zwischenübertragungen die Konstruktion schwierig und eine voll befriedigende Kon360

Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbuch

§ 68 Anm. 6,7

struktion nicht zu finden. Würden alle Geschälte beurkundet sein, müßte die Zustimmung für jedes, das erste wie das letzte, eingeholt werden, denn ohne die Genehmigung des ersten Geschäftes kann auch das letzte selbst mit Genehmigung nicht zustande kommen. Wenn über das erste Geschäft eine Blankoübertragung ausgestellt war, liegt es nicht anders, aber man kann dieses dahin deuten, daß der Aussteller dieser Erklärung zur Verfügung des nicht berechtigten Veräußerers des letzten Geschäfts über die dinglich noch dem Aussteller der Erklärung gehörige Aktie (avifgrund eingegangener Verpflichtung) seine Zustimmung (§§ 182, 185 BGB) erteile. Dann wäre nur das letzte Rechtsgeschäft zu genehmigen. Die Zwischenübertragungen aber würden dadurch nicht wirksam (in letzterer Beziehung ebenso JW 32, 2599 mit unbefriedigender Konstruktion; wie hier Ritter § 62 Anm. 4 a; Barz in Großkomm. Anm. 13; Kölner Komm. Anm. 43). III. Legitimationsübertragungen Anm. 7: Die Legitimationsübertragung ist bei beiden Aktienarten statthaft (RG 118, 330), sofern sie nicht durch Satzung ausgeschlossen ist (siehe Abs. 2), erfordert aber bei der Namensaktie auch die Eintragung im Aktienbuch (Abs. 3), was sie erschwert, weil diese Eintragung nur durch Nachweis des Rechtsüberganges erwirkt werden kann. Unter Legitimationsübertragung ist die Herstellung der Legitimation eines Nichtaktionärs als Aktionär zu verstehen, um ihm eine Rechtsausübung zu ermöglichen, welche den Ausweis als Aktionär voraussetzt. Der Zweck ist dabei regelmäßig Ausübung der Rechte des Aktionärs durch den Legitimierten in des letzteren eigenem Namen mit Ermächtigung des ersteren (§185 BGB; die obenerwähnte Reichsgerichtsentscheidung sieht in dieser Ermächtigung die Legitimationsübertragung). Der Zweck kann aber auch darin bestehen, die Geltendmachung von Rechten zu ermöglichen, welche der eigentliche A ktionär an den Legitimierten veräußert hat (z. B. des mittelbaren Bezugsrechts, das eine Forderung gegen die Bank ist, welche die Emission übernommen hat, oder des Dividendenanspruchs, wenn keine Dividendenscheine ausgegeben sind). Die Zulässigkeit der Legitimationsübertragung, die keine Veräußerung des Aktienrechts einschließt, wird von dem Grundsatz der freien Veräußerlichkeit der Aktie und dessen rechtspolitischer Begründung nicht gedeckt. Sie beruht vielmehr auf der Möglichkeit der durch den Besitz der Urkunde und § 793 I S. 2 BGB erleichterten Herstellung eines Rechtsscheines. Sie kann deshalb durch die Satzung nicht nur für Namens-, sondern auch Inhaberaktien zustimmungspflichtig gemacht, ja verboten werden (abw. Barz in Großkomm. Anm. 25). Ein Wechsel des Aktienrechts findet nicht statt. Sieht die Satzung die Zustimmung der Gesellschaft als Erfordernis der Übertragung vor, so ist diese 361

§ 68 Anm. 7 — 9

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

auch für jeden Fall der Legitimationsübertragung notwendig (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 25). Die Ansicht, wonach eine Zustimmung der Gesellschaft nur für Fälle für erforderlich sein soll, in denen die Interessen der Gesellschaft betroffen wurden, ist u. E. unrichtig. Eine derartige Einschränkung ist nicht angängig, wenn man die Legitimationsübertragung derjenigen der Aktie gleichstellt. Es muß vielmehr gesagt werden, daß die Gesellschaft in den Fällen, in denen die Interessen der Gesellschaft nicht berührt sind, verpflichtet ist, die Zustimmung zu erteilen. Da die Legitimationsübertragung keine Rechtsübertragung ist, kann die Rechtsstellung, welche der Legitimierte durch sie erwirbt, sich von der des Aktionärs nicht unterscheiden, denn er übt dessen Rechtsstellung im eigenen Namen aus. Dies ist besonders bei der Legitimationsübertragung zwecks Ausübung des Stimmrechts wichtig. Uber einen Fall abgeleiteten Erwerbs für Rechnung der Gesellschaft (§ 226 HGB alte Fassung) mit mißbräuchlicher Legitimationsübertragung siehe RG in J W 1934, 363. Der Anspruch auf Legitimationsübertragung ist vollstreckbar (Wegnahme der Aktien, bei der Namensaktie außerdem Verurteilung zur Zustimmung zur Umschreibung im Aktienbuch). IV. Übertragung nicht beurkundeter Aktien Anm. 8: Nicht beurkundete Aktienrechte werden durch Abtretungserklärung übertragen (RG 86, 154, sowie Anm. 9 am Ende). Die Einrichtung des Aktienbuches besteht für sie nicht. V. Zustimmung der Gesellschaft 1. Erfordernis der Zustimmung Anm. 9: Die freie Übertragbarkeit, Verpfändbarkeit und Vererblichkeit der Aktie, auf welcher ihre Verkehrsfähigkeit und daher ihre Eignung, vorhandene Mittel der Volkswirtschaft für ihre Zwecke zu sammeln und nutzbar zu machen, aber auch die fortschreitende Entwicklung des Unternehmens zur Selbständigkeit und zum Eigenleben beruht, ist der Inhaber- wie der Namensaktie wesentlich, von ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung abgesehen, und rechtlich der Ersatz für die fehlende Möglichkeit, die Gesellschaft oder die Mitgliedschaft zu kündigen und auszutreten. Sie ist daher ein Grundsatz des Aktienrechts, welcher für beide Aktienarten gilt und nur bei den Namensaktien und den ihnen gleichgestellten Zwischenscheinen (§ 10) eine einzige, gesetzlich genau bestimmte Ausnahme duldet, nämlich die Satzungsvorschrift, daß zur Übertragung die Zustimmung der Gesellschaft, nicht aber auch eines Dritten, erforderlich sei. Da es sich um die Ausnahme von einem wichtigen Grundsatz handelt, ist diese ausdehnende Auslegung der Gesetzesvorschrift unstatthaft. Darum kann die freie Übertragbarkeit durch andere Erfordernisse der Übertragung, mögen sie den Inhalt oder die Form 362

Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbudi

§ 68

Anm. 9—11

betreffen (anders als bei der GmbH), nicht eingeschränkt werden. Solche Einschränkungen sind nichtig (KG H R R 1938, Nr. 1607; JW 39, 296). Eine Übertragung, welche von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden kann, liegt nicht vor bei Gesamtrechtsna.chfolge (Erbgang, Vereinbarung allgemeiner Gütergemeinschaft, Verschmelzung), wohl aber bei der Erfüllung eines Vermächtnisses, nach unserer Ansicht auch bei der Auseinandersetzung unter mehreren Miterben (a. A. Mügel in Soz.Prax. 39, Heft 16). Das Erfordernis der Zustimmung kann sowohl für voll, als auch für nicht vollbezahlte Aktien vorgesehen werden (RG 132, 155) und gilt dann auch für die Legitimationsübertragung (RG ebenda und für die GmbH RG 159, 281, zweifelhaft, wenn nicht ausdrücklich bestimmt, weil letztere keine Rechtsübertragung ist und der Legitimierte gerade die Rechte des Aktionärs, wenn auch im eigenen Namen, ausübt, siehe Anm. 7). Es ist zweckmäßig, aber nicht geboten, daß die Einschränkung der Übertragbarkeit in die Urkunde aufgenommen wird. Auch nicht beurkundete Aktien sind unbeschränkt veräußerlich, und zwar durch formlosen Abtretungsvertrag (RG 52, 423; 86, 155). Auch ihre Übertragbarkeit kann durch Satzung nicht ausgeschlossen (anders KG in JW 37, 2434 und Ritter, beide mit unzutreffender Berufung auf das Reichsgericht), wohl aber von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Einen Gattungsunterschied begründet die sogenannte Vinkulierung nach § 68 III nicht (s. Anm. 4 zu § 11, RG 132,161). Über die Behandlung vinkulierter Aktien im Börsenverkehr siehe Bruns in Die AktGes 1962, 329 ff. und Degener in Die AktGes 1963, 121 ff. Über die Versteigerung vinkulierter Aktien in den Fällen §§ 65 III; 214 III und 226 III; vgl. Obermüller in N J W 1962, 82. Anm. 10: Die Vorschrift muß in der ursprünglichen Satzung oder bei Schaffung neuer Aktien im Kapitalerhöhungsbeschluß enthalten sein und kann nachträglich durch Satzungsänderung nur mit Zustimmung aller betroffenen Aktionäre eingeführt werden (RG 68, 212, ebenso Mügel a. a. O.; Teichmann-Köhler Anm. 3; Schl.-Qu. Anm. 6 mit überzeugenden Gründen; Barz in Großkomm. Anm. 6), denn es handelt sich hierbei nicht um Änderung des Inhalts des Aktienrechts (siehe Anm. 4 zu § 11), sondern um eine Verstärkung der Bindung des Mitglieds an die Gesellschaft. Die Änderung liegt mehr nach der Seite der Pflichten als der Rechte. Die Aufhebung dieser Beschränkung der freien Übertragbarkeit ist durch Satzungsänderung mit der hierfür erforderlichen Mehrheit und ohne Zustimmung des Inhabers der Namensaktie zulässig. 2. Erteilung der Zustimmung Anm. 11: Die Erteilung der Zustimmung ist Sache des Vorstands (Abwicklers, Konkursverwalters), in der Zusammensetzung, in der er nach der 363

§ 68 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 11,12 Satzung als gesetzliche Vertretung erscheint (evtl. durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen). Die Satzung kann aber bestimmen, daß die Zustimmung eines Aufsichtsrats- oder Hauptversammlungsbeschlusses bedarf, aber immer kann nur ein Organ der Gesellschaft, nicht auch ein Dritter als zuständig erklärt werden. Auch wenn Aufsichtsrat oder Hauptversammlung die Zustimmung zu erteilen haben, ist nach außen die von dem vertretungsberechtigten Organ erklärte Zustimmung bindend (h. L.; a. A. Ritter Anm. 5 d). Es wäre namentlich für den Börsenverkehr unerträglich, auf das Erfordernis eines inneren Beschlusses Rücksicht nehmen zu müssen (für die GmbH R G 104, 415). Die Zustimmung kann vor- oder nachher erteilt werden, im voraus, aber nicht blanko ( R G 132, 155), wogegen die Übertragung selbst blanko erfolgen kann. Für die Wirkung der nachträglichen Zustimmung siehe § 184 I BGB. Die Zustimmung verträgt als einseitige Erklärung keine Bedingung oder Befristung. Die Zustimmung ist formlos und kann auch durch schlüssige Handlung erklärt werden, sowohl gegenüber dem Veräußerer, als auch gegenüber dem Erwerber, ist also empfangsbedürftig (siehe § 182 BGB, vgl. B G H 15, 330). U. E. kann die Satzung für die Zustimmung eine Form, insbesondere Schriftform, vorschreiben (nach K G J W 39, 296 soll dies nur die Bedeutung einer internen Weisung haben), denn darin liegt nicht ein über das Erfordernis der Zustimmung hinausgehendes weiteres Erfordernis und keine weitere Einschränkung der Übertragbarkeit oder Verstärkung der Bindung des Mitglieds (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 7; B G H in N J W 1950, 347). Nachträgliche Zustimmung ist unwiderruflich (§ 183 BGB), ebenso die Zustimmungsverweigerung. Ist nach der Satzung die Hauptversammlung berufen, die Zustimmung zu erteilen, so bleibt in dieser der Veräußerer stimmberechtigt (BGH in N J W 1967, 1963; Kölner Komm. Anm. 29; GmbHR 1968, 177 ff.). Der allgemein (B.-H. Rn. 7; Kölner Komm. Anm. 44) vertretenen Auffassung, daß die Zustimmung in einer Ein-Mann-Gesellschaft entfällt, ist zuzustimmen. Die von H . Wilhelmi in N J W 1952, 324 vertretene Auffassung wird nach der hierzu abgegebenen Stellungnahme von Boesebeck in N J W 1952, 1116 nicht mehr aufrechterhalten. 3. Satzungsbestimmung

hinsichtlich der

Zustimmung

Anm. 12: Die Satzung kann Voraussetzungen bestimmen, unter denen die Zustimmung erforderlich ist, erteilt oder verweigert werden darf. Das Gesetz erwähnt besonders die Bestimmung, daß die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigert werden könne, aber die Satzung ist völlig frei. Sie kann Fälle vorsehen, in denen die Zustimmung verweigert oder erteilt werden muß. Darüber, inwieweit sidi Familiengesellschaften dadurch gegen das Eindringen unerwünschter Aktionäre schützen können vgl. Uhlenbruck in BB 1967, 1927. 364

Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbuch

§ 68

Anm. 12,13 Wird die Zustimmung ohne satzungsmäßige Gründe versagt, kann der Veräußerer aufgrund seines Mitgliedsrechts, also nicht auch der Erwerber, auf Zustimmung klagen. Unter Umständen kann aber die Satzung dahin zu deuten sein, daß nur bei bestimmter Sachlage die Zustimmung erforderlich ist. Dann handelt es sidi um Klage auf Feststellung, daß die Übertragung ohne Zustimmung wirksam erfolgt sei, zu der Veräußerer und Erwerber aktiv legitimiert sind (a. A. B.-H. Rn. 10; Barz in Großkomm. Anm. 10). Bestimmt die Satzung nichts, hat der Vorstand freie Hand. Durdi das Erfordernis der Zustimmung mit oder ohne zusätzliche Satzungsbestimmungen kann also insbesondere der Übergang des Aktienrechts von bestimmten positiven oder negativen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Aktienrechtlich unwirksam ist die Verpflichtung des Aktionärs, die Aktie unter bestimmten Voraussetzungen zu veräußern oder der Gesellschaft zu überlassen, etwa im Falle des Erbgangs an einen einer bestimmten Familie Zugehörigen. Soldie Verpflichtungen können nur mit einem Aktionär persönlich, natürlich auch mit Wirkung für seine Erben, vereinbart und bis zu einem gewissen Grade dadurch geschützt werden, daß die Notwendigkeit der Zustimmung zur Veräußerung vorgesehen und diese nicht erteilt wird (siehe Anm. 9 zu § 54). Auf diesem Wege kann nicht nur erreicht werden, daß der bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen zur Veräußerung an die Gesellsdiaft Verpflichtete die Aktie nicht an einen Dritten veräußern kann, sondern auch, daß er seiner zwecks Erlangung der Zustimmung der Gesellschaft zu seinem Erwerb eingegangenen persönlichen Verpflichtung genügt, sie an die Gesellschaft zu veräußern. Weitergehend kann aber nicht nur eine solche Veräußerungspflicht mit einem Aktionär persönlich vereinbart und durch das Erfordernis der Zustimmung zur Veräußerung geschützt, sondern vorgesehen werden, daß unter bestimmten Voraussetzungen, etwa im Fall nichtrechtsgeschäftlichen Übergangs an einen außerhalb eines bestimmten Personenkreises (Familie) Stehenden, die Zwangseinziehung zulässig ist (§ 229, vgl. Anm. 10 zu § 54). 4. Folgen der Versagung der Zustimmung Anm. 13: Die Versagung der Zustimmung hat zur Folge, daß die Ubertragung unwirksam ist. Dies gilt aber nicht im Falle des Pfandverkaufs oder des Verkaufs durch den Konkursverwalter (für die GmbH RG 142, 373 und die herrschende Ansicht; a. A. mit beachtlichen Gründen Mügel in Soz.Prax. 39, 991). Auch der Rechtsübergang durch Verschmelzung nach dem zwingenden § 346 kann durch Versagung der Zustimmung nicht gehindert werden. Für alle diese Fälle kann die Satzung Zwangserziehung vorsehen, aber nicht unentgeltliche (RG 142, 373). Die Versagung ist unwiderruflich (BGH 13, 187; OLG Hamburg in WM 1954, 586; Barz in Großkomm. Anm. 9). Das Verpflichtungsgeschäft bleibt trotz der Versagung der Zustimmung zu seiner Ausführung wirksam, wenn es nicht bedingt durch diese Zustimmung war, aber seine Erfüllung ist unmöglich. 365

§ 68 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 13—16 Inwieweit der Veräußerer schadenersatzpflichtig ist auf das positive Erfüllungsinteresse oder bloß das negative Vertragsinteresse, hängt von der Lage des Falles, insbesondere der Kenntnis der Beteiligten davon ab, ob die Zustimmung erforderlich und ungewiß ist, ferner von dem Verschulden bei Vertragsschluß und davon, was nach allgemeinen Auslegungsregeln von ihnen für den Fall der Versagung der Zustimmung vereinbart ist. Es kann übrigens teilweise Erfüllungsmöglichkeit (wenigstens obligatorische Übertragung der Vermögensrechte oder der Herrschaftsrechte im Sinne eines zeitlich begrenzten Abstimmungsvertrages; aber Achtung vor Stimmkauf) angenommen werden (§ 325 I S. 3 BGB). 5. Geltendmachung der fehlenden Zustimmung Anm. 14: Ist der Erwerber eingetragen worden, so kann der Mangel der nach der Satzung erforderlichen Zustimmung der Gesellschaft zu dem Rechtsübergang nach RG 86, 160 weder von dem Veräußerer (früher eingetragenen), welcher Wiedereintragung erstrebt, noch von dem neu Eintragenen geltend gemacht werden, welcher von der Gesellschaft auf Vollzahlung belangt wird. Wurde die Zustimmung verweigert und erfolgte versehentlich die Eintragung trotzdem, so kann also die Gesellschaft, obwohl sie die Zustimmung verweigert hat, den Eingetragenen in Anspruch nehmen, ohne daß sich dieser auf Verweigerung der Zustimmung berufen kann. Nach allgemeiner Ansicht würde in diesem Falle entgegen RG 86, 160 nicht einmal die Gesellschaft sich darauf berufen können, daß sie die Zustimmung zur Obertragung verweigert hat und ihr Versehen trotz dieser Verweigerung gegen sich gelten lassen müssen. Der Nutznießer wäre der Veräußerer, der 2 Jahre nach der Eintragung von seiner Haftung frei wird (§ 65 II). VI. Anspruch auf Eintragung Anm. Ii: Die Gesellschaft selbst, welche zwar eine materiellrechtliche, unbegründete Eintragung durch Löschung beseitigen kann, hat keinen Anspruch gegen den Erwerber, daß er sich eintragen lasse, obwohl sie daran sehr interessiert sein kann (vgl. jedoch RG 79, 163). Angeblich soll aber die Gesellschaft in allen Fällen, in welchen nicht der wahre Berechtigte eingetragen ist, den Eingetragenen nach den Grundsätzen behandeln können, welche bei der Legitimationsübertragung gelten. Als allgemeine Regel halten wir dies nicht für richtig, denn es kann ja sein, daß der Eingetragene in gar keiner Beziehung zu dem Berechtigten steht. VII. Anmeldung des abgeleiteten Erwerbs 1. Voraussetzung und Form Anm. 16: Absatz 4 betrifft den abgeleiteten Erwerb, dessen Eintragung Anmeldung voraussetzt, während der ursprüngliche Erwerb von der Gesellschaft nach § 67 ohne Anmeldung einzutragen ist. 366

Übertragung von Namensaktien. Umschreibung im Aktienbuch

§ 68

Anm. 16—18

Jeder rechtsgeschäftliche oder gesetzlidie Übergang einer Namensaktie auf einen anderen ist nach dem Wortlaut des Gesetzes bei der Gesellschaft anzumelden. Schon dies ist nicht richtig. Vielmehr besteht Übereinstimmung darüber, daß die Anmeldung weder eine publizistische Pflicht ist noch von der Gesellschaft erzwungen werden kann (ebenso B.-H. Rn. 11; Kölner Komm. Anm. 52), obwohl auch ihr Interesse stark beteiligt ist. Vielmehr steht sie im freien Belieben der am Übergang beteiligten Personen. Auch durch die Satzung kann die Anmeldung nicht vorgeschrieben werden. Nur durch Vertrag kann ein Geschäftsteil gegenüber dem anderen zur Anmeldung verpflichtet sein, außerdem kann bei vinkulierten Aktien (§ 68 II) die Zustimmung zur Übertragung von der Eintragung abhängig gemacht werden. Anm. 17: Der Erbe kann, ohne sich eintragen zu lassen, die Rechte des Eingetragenen ausüben, wenn er sein Erbrecht jeweils beweist, ebenso hat der Erbe umgekehrt auch ohne Eintragung die Verpflichtungen des Eingetragenen zu erfüllen, mit den bekannten Möglichkeiten, die Haftung auf den Nachlaß zu beschränken, denn anderenfalls wären ja die Rechte und Pflichten des Eingetragenen nicht vererblich, ohne daß der Erbe sich eintragen läßt. Läßt er sich eintragen, so ist er nicht als Erbe eingetragen, sondern als Aktionär schlechthin. Er kann dann die beschränkte Erbenhaftung nidit mehr geltend machen (ähnlich B.-H. Rn. 10). Unzulässig erscheint uns, in der Eintragung einen Vorbehalt zu machen. Anm. 18: Für die Anmeldung besteht keine Formvorschrift. Audi die Satzung kann keine Form oder sonstige Erschwerung vorschreiben, sie braucht also nicht schriftlich zu geschehen. Sie ist eine Rechtshandlung, welche unbeschränkte Geschäftsfähigkeit voraussetzt. Zur Anmeldung berechtigt ist sowohl der bisher eingetragene als auch der neue Aktionär, nur hat der Anmeldende die Aktie vorzulegen (siehe Abs. 3 S. 2 erster Halbsatz), um den Rechtsübergang nachzuweisen. Da dazu gehört, daß die Aktie übergeben wird, wird der Veräußerer, wenn er schon die Aktie vorlegen kann, regelmäßig den Übergang nicht nachweisen können. Will der Veräußerer sichergehen, besonders bei nicht vollbezahlten Aktien — wegen § 65 II —, wird er selbst die Aktie an die Gesellschaft einsenden mit einer Erklärung, durch die die Übergabe durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die Gesellschaft ersetzt wird und die Gesellschaft anweisen, die Aktie unmittelbar an den Erwerber zurückzugeben. Der Nachweis der Übergabe der Aktie wird für jede von mehreren aufeinanderfolgenden Übertragungen durch die Vorlage der Aktie seitens des letzten Erwerbers geführt, außerdem ist der volle zusammenhängende Satz der Abtretungserklärungen oder Indossamente vorzulegen. Erstere müssen ausgefüllt sein, da sie, ebenso wie die Vollindossamente, eine ununterbrochene Kette darstellen müssen (wegen der materiellen 367

§§ 68 / 69

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 18—20 Wirksamkeit einer Blankoabtretung siehe Anm. 6 u. 7). Dagegen kann durch ein Blankoindossament auch ohne Ausfüllung der Nadiweis der Rechtsübertragung auf jeden nach dem Aussteller des Indossaments folgenden Erwerbers geführt werden. Liegt ein Pfandverkauf dazwischen, so greift für diesen § 822 ZPO ein, für einen Pfandverkauf aufgrund rechtsgeschäftlichen Pfandrechts § 1277 BGB und § 822 ZPO, wenn der Verpfänder dem Gläubiger nicht eine Blankoabtretungserklärung oder ein Blankoindossament ausgestellt hatte. Diese Kette muß bis zum eingetragenen Aktionär zurückreichen. 2. Prüfung durch die Gesellschaft Anm. 19: Die Prüfung der Gesellschaft darf sich auf die formelle Ordnungsmäßigkeit sowohl der Anmeldung als auch der Nachweise über den Ubergang beschränken. Geht die Anmeldung von dem eingetragenen Aktionär oder einer Person aus, welche durdi eine lückenlose, auf den Eingetragenen zurückführende Kette von Rechtsübertragungen ausgewiesen ist, und wird die Aktie vorgelegt, so darf die Gesellschaft die Eintragung vornehmen, ohne zu prüfen, ob die vorgelegten Urkunden echt, die Anmeldung selbst und die Rechtsübertragungen rechtsbeständig sind. Letzteres könnte die Gesellschaft gar nicht, z. B. nicht den guten Glauben des Erwerbers (§ 16 II WechsG). Dies gilt, obwohl die Wirksamkeit der Eintragung von einer gültigen Anmeldung, gerade von ihr und von nichts anderem, abhängt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist die Gesellschaft den Beteiligten gegenüber zur Eintragung verpflichtet. Bei Erbgang wird die Gesellschaft Erbschein verlangen müssen, weil sie zwar nicht die Echtheit eines Testaments zu prüfen braucht, aber nicht beurteilen kann, ob es die letztgültige letztwillige Verfügung ist. Die Gesellschaft ist zur Umschreibung verpflichtet, auch ohne daß Zwischenerwerber eingetragen werden. N u r bei vinkulierten Aktien (§ 68 II) kann sie deren Eintragung erzwingen, indem sie die Zustimmung zum letzten Erwerb von der Eintragung der Zwischenmänner abhängig macht. Der nicht eingetragene Veräußerer hat zufolge § 67 I I I den Anspruch überhaupt nicht. VIII. Geltung für Zwisdiensdieine Anm. 20: Für nicht beurkundete Aktien gilt diese Vorschrift nicht, wohl aber für Zwischenscheine sinngemäß.

§ 69 Reditsgemeinsdiaft an einer Aktie (1) Steht eine Aktie mehreren Berechtigten zu, so können sie die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. (2) Für die Leistungen auf die Aktie haften sie als Gesamtschuldner. 368

ReAtsgemeinsdiaft an einer Aktie

§69 Anm. 1—3

(3) Hat die Gesellsdiaft eine Willenserklärung dem Aktionär gegenüber abzugeben, so genügt, wenn die Berechtigten der Gesellschaft keinen gemeinschaftlichen Vertreter benannt haben, die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Berechtigten. Bei mehreren Erben eines Aktionärs gilt dies nur für Willenserklärungen, die nadi Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft abgegeben werden. Anm. 1: § 69 übernimmt die Vorschrift des § 63 AktG 37 ohne wesentliche Änderungen. Anm. 2: Der Fall des § 69 liegt vor, wenn gegenüber der Gesellsdiaft mehrere Mitberechtigte vorhanden sind, mag es sich um Inhaber- oder Namensaktien ursprünglichen oder abgeleiteten Erwerbs handeln. Bei Namensaktien kann das nach § 67 III nur zutreffen, wenn im Aktienbuch mehrere Berechtigte eingetragen sind. Der Hauptfall ist der der Erbengemeinschaft (vgl. BayObLG in Die AktGes 1968, 330) und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Aus § 69 folgt nicht zwingend, daß die Namensaktienurkunden nur auf einen der mehreren Berechtigten lauten könnten. Die Inhaberaktie lautet selbstverständlich nur auf den Inhaber. Für die Übertragung eines Anteils, die insbesondere beim Miteigentum, aber durch Übertragung des Erbanteils auch bei Erbengemeinschaften möglich ist — selbstverständlich bei Übertragung der Aktie —, gelten die §§ 67 und 68. Bei Ausscheiden aus der Gemeinschaft mit Anwachsen zugunsten der übrigen Berechtigten halten wir § 68 II nicht für anwendbar. Zeichnen die mehreren Erben unter Nachweis ihres Erbrechts ohne Eintragung als Aktionäre der alten Aktien (durch einen gemeinschaftlichen Vertreter) neue Aktien, so sind sie als ursprüngliche Aktionäre dieser neuen Aktien im Aktienbuch einzutragen und haben einen gemeinschaftlichen Vertreter zu benennen. Anm. 3: Wenngleich § 69 auch für Inhaberaktien gilt, so ist er doch wegen der bei solchen leicht herzustellenden Einzellegitimation nur bei Namensaktien praktisch. Mehrere im Aktienbuch eingetragene Berechtigte können das Recht aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. Dies gilt in erster Linie vom Stimmrecht, Bezugsrecht, aber auch vom Recht zum Empfang des Anteils am Abwicklungserlös, endlich vom Recht auf den Anteil am Bilanzgewinn, wenn nicht ohnedies auf den Inhaber lautende Dividendenscheine ausgegeben sind. Der gemeinschaftliche Vertreter braucht nicht im Aktienbuch eingetragen zu werden. Es ist auch nicht vorgeschrieben, daß ein dauernder gemeinschaftlicher Vertreter bestellt werden muß. Demnach kann für jeden Fall der Rechtsausübung immer wieder ein anderer gemeinschaftlicher Vertreter benannt werden. Es können auch 369

§ 69

Anm. 3—5

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

mehrere Vertreter bestellt werden, aber nur so, daß sie einzeln handeln und daß ihre Handlungen für alle Berechtigten bindend sind (anderer Ansicht B.-H. Rn. 3; Kölner Komm. Anm. 16). Wird kein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt, so können mehrere Berechtigte die Rechte aus der Aktie nicht ausüben (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 6 und 7; B.-H. Rn. 3; a. A. Kölner Komm. Anm. 20). Dies kann, wenn ihnen alle Aktien zustehen (Miterben eines Einmanns) dazu führen, daß die Organisation der Gesellschaft lahmgelegt ist (vgl. Godin in Soz.Prax. 40, 154). Wird das Stimmrecht trotzdem ausgeübt, so ist der Beschluß nach § 243 anfechtbar, was freilich nur vom Vorstand geltend gemacht werden kann, weil auch das Anfechtungsrecht nur gemeinsam ausgeübt werden kann. Ein Vertreter braucht nicht bestellt zu werden bei Personengesellschaften des Handelsrechts und ehelichen Gütergemeinschaften oder bei Vorhandensein eines Testamentsvollstreckers. Mehrere Mittestamentsvollstrecker müssen einen gemeinsamen Vertreter bestellen, wenn nicht jeder von ihnen handeln kann. Anm. 4: Die mehreren im Aktienbuch eingetragenen Berechtigten haften gesamtschuldnerisch für Einlage und Nebenleistung, auch wenn sie einen gemeinschaftlichen Vertreter haben, also auch, wenn sie aufgrund Bezugsrechts durdi einen gemeinschaftlichen Vertreter eine Aktie gezeichnet haben. Erben können sich eintragen lassen oder nicht. Ersterenfalls haften sie unbeschränkt (§ 67 III), ohne daß es nach unserer Ansicht möglich wäre, die Haftungsbeschränkung im Aktienbuch vorzubehalten (h. A.; a. A. Barz in Großkomm. Anm. 8). Sind sie nicht eingetragen, so haften sie als Erben mit der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung. Wird die Aktie übertragen, so bleibt die Vormännerhaftung nach § 65 gesamtschuldnerisch. Wird nur der Anteil eines Berechtigten übertragen oder scheidet er aus der Gemeinschaft aus, so ist seine Haftung gegenüber jener aller Berechtigten (nicht nur seines speziellen Rechtsnachfolgers) subsidiär, geht aber auf das Ganze, wenn kein Berechtigter zahlt. Anm. 5: Es handelt sich hier um Erklärungen, die nicht durch Bekanntmachung abgegeben werden, sondern z. B. mittels eingeschriebenen Briefes. Miterben ist ein Monat Zeit gelassen, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Bis dahin muß eine derartige Erklärung gegenüber einem jedem von ihnen, nach Ablauf der Frist kann sie einem beliebigen einzelnen von ihnen abgegeben werden. Betrifft die Erklärung nicht Pflichten, sondern Rechte des Aktionärs, kann sie nach dem Ablauf der Frist ganz unterbleiben, wenn kein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt ist. 370

Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70 Anm. 1,2

§ 70 Berechnung der Aktienbesitzzeit Ist die Ausübung von Rechten aus der Aktie davon abhängig, daß der Aktionär während eines bestimmten Zeitraums Inhaber der Aktie gewesen ist, so steht dem Eigentum ein Anspruch auf Übereignung gegen ein Kreditinstitut gleich. Die Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers wird dem Aktionär zugerechnet, wenn er die Aktie unentgeltlich, von seinem Treuhänder, als Gesamtrechtsnachfolger, bei Auseinandersetzung einer Gemeinschaft oder bei einer Bestandsübertragung nach § 14 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen erworben hat. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die bisher in § 64 AktG 37 geregelten Bestimmungen ohne wesentliche Änderungen, lediglich das Wort „Bank" in Satz 1 ist durch „Kreditinstitut" ersetzt worden. § 70 befaßt sich mit den Fällen, in denen nach §§ 142 II; 147 I; 163 II und 258 II die Ausübung bestimmter Minderheitsrechte davon abhängig ist, daß der Aktionär während eines bestimmten Zeitraums Inhaber der Aktie (lies Aktionär) war und bestimmt zwingend die Berechnung der Frist. Anm. 2: § 70 bestimmt, daß es dem Eigentum gleichstehen soll, wenn der Aktionär einen Anspruch gegen ein Kreditinstitut auf Eigentumsübertragung der Aktien besaß, also insbesondere, wenn ihm die Aktie auf Girosammeikonto gutgeschrieben war, aber auch vor der Gutschrift oder Übersendung des Nummernverzeidinisses, wenn er aufgrund der Ausführung einer Einkaufskommission die Übereignung verlangen konnte. Immer aber muß es sich um dem Kreditinstitut in Verwahrung gegebene Stücke oder um Stücke handeln, die das Kreditinstitut für Rechnung des Kunden aus dem in Verfolg einer Einkaufskommission gemachten Ausführungsgeschäft bereits geliefert erhalten hat (weitergehend Barz in Großkomm. Anm. 5, wie hier Ritter § 64 Anm. 2 c; Kölner Komm. Anm. 9), auch wenn Depotgutschrift noch nicht erteilt ist. Noch nicht fällige Ansprüche auf künftige Lieferung (zu einem bestimmten Termin), mögen sie auch aus einer Einkaufskommission herrühren, sind nicht mitzurechnen. Bei jungen Aktien führt die Bestimmung zu einer innerlich unhaltbaren Unterscheidung zwischen gesetzlichem und mittelbarem Bezugsrecht und bei letzteren, je nach dem, ob das neue Kapital von einem Kreditinstitut allein oder zusammen mit einem Nichtbankier übernommen wurde. Die Zurechnung kann erst von der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung ab beginnen (so mit Recht Barz in Großkomm. Anm. 5), denn bis dahin ist die Erfüllung des Anspruchs unmöglich. Unseres Erachtens kommt man zu befriedigenden Ergebnissen nur, wenn man sich entschließt, bis dahin von der alten Aktie auszugehen. Warum sollte der 371

§§ 70/71

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 3,4 Aktionär, der die alte Aktie während der geforderten Frist besaß, für die junge Aktie das Minderheitsrecht nicht haben und noch dazu eine so unsinnige Unterscheidung gelten (vgl. noch Anm. 3 letzter und vorletzter Satz). Anm. 3: Die Zurechnung der Eigentumszeit eines Rechts Vorgängers verbietet sich von selbst, wenn der Rethtsübergang ein gewöhnliches entgeltliches Umsatzgeschäft zur Grundlage hatte. Bei unentgeltlicher Rechtsnachfolge soll die Besitzzeit des Rechtsvorgängers zugerechnet werden, desgleichen bei der Gesamtrechtsnachfolge, also Erbfolge oder Verschmelzung und dergleichen (§ 142 HGB), bei dem Erwerb von dem Treuhänder, gleichgültig, ob eigentliche (einschließlich Sicherungseigentum) oder uneigentliche Treuhänderschaft vorliegt, endlich bei der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft an einer Vermögensgesamtheit oder einzelnen Aktien. Ob Rechtsvorgänger, Treuhänder, Gemeinschaften in dem Aktienbuch eingetragen waren, ist unerheblich, wenn der Aktionär bei Ausübung des Rechts eingetragen ist. Dem Legitimationsaktionär kommt die Zurechnung nur aus der Person des Legitimationsgebers zu. Für diesen wird die Besitzzeit durch die Legitimationsübertragung nicht unterbrochen. Liegen in ununterbrochener Kette mehrere Fälle des Satzes 1 oder 2 vor, so werden die mehreren Besitzzeiten zusammengerechnet.

§ 71 Erwerb eigener Aktien (1) Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben, 1. wenn der Erwerb notwendig ist, um einen schweren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, 2. wenn die Aktien den Arbeitnehmern der Gesellschaft zum Erwerb angeboten werden sollen, 3. wenn der Erwerb geschieht, um Aktionäre nach § 305 Abs. 2 oder § 320 Abs. 5 abzufinden, 4. wenn auf die Aktien der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet ist und der Erwerb unentgeltlich geschieht oder die Gesellschaft mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt, 5. durch Gesamtrechtsnachfolge oder 6. auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals. Der Gesamtnennbetrag der zu den Zwecken nach Nummern 1 bis 3 erworbenen Aktien darf jedoch zusammen mit dem Betrag anderer Aktien der Gesellschaft, die die Gesellschaft oder ein abhängiges oder ein in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein anderer für Rechnung 372

Erwerb eigener Aktien

§71

der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens bereits zu diesen Zwecken erworben hat und noch besitzt, zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen. (2) Ein Verstoß gegen Absatz 1 macht den Erwerb eigener Aktien nur unwirksam, wenn auf sie der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet ist. Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist nichtig, soweit der Erwerb gegen Absatz 1 verstößt. (3) Dem Erwerb eigener Aktien steht es gleich, wenn eigene Aktien als Pfand genommen werden. Jedoch darf ein Kreditinstitut eigene Aktien bis zu dem in Absatz 1 Satz 2 bestimmten Gesamtnennbetrag als Pfand nehmen; sie rechnen zu den Aktien, die zu den Zwecken nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 als Pfand genommen sind. (4) Ein abhängiges Unternehmen darf Aktien der herrschenden Gesellschaft, ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nur erwerben oder als Pfand nehmen, soweit dies der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft nach Absatz 1 Nr. 1 bis 5, Absatz 3 Satz 2 gestattet wäre. Ein Verstoß gegen Satz 1 macht den Erwerb oder die Inpfandnahme der Aktien nicht unwirksam; jedoch ist das schuldrechtliche Geschäft über einen verbotswidrigen Erwerb oder eine verbotswidrige Inpfandnahme nichtig. (5) Ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft oder einem abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen und einem anderen, nach dem dieser berechtigt oder verpflichtet sein soll, eigene Aktien der Gesellschaft für Rechnung der Gesellschaft oder des abhängigen oder des in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens zu erwerben oder als Pfand zu nehmen, ist nichtig, soweit der Erwerb oder die Inpfandnahme der Aktien durch die Gesellschaft oder das abhängige oder das in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen gegen die Absätze 1, 3 und 4 verstößt. (6) Aus eigenen Aktien stehen der Gesellschaft keine Rechte zu. Gleiches gilt für Aktien, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören. I. Obersicht (Anm. 1) II. Verbot des Erwerbs eigener Aktien 1. Grund des Verbotes (Anm. 2) 2. Ausnahmen a) Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens (Anm. 3 u. 4) b) Erwerb zum Anbieten an A r beitnehmer (Anm. 5 u. 6) c) Erwerb zur Abfindung nadi §§ 305, 320 (Anm. 7)

d) Unentgeltlicher Erwerb (Anm. 8 u. 9) e) Erwerb durch Gesamtreditsnachfolge (Anm. 10) f) Erwerb zur Einziehung (Anm. 11) 3. Beschränkung der Ausnahmen (Anm. 12 u. 13) III. Wirkung eines Verstoßes gegen das Verbot (Anm. 14 u. 15) IV. Inpfandnahme eigener Aktien

373

§ 71 Anm. 1,2

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

1. Im allgemeinen (Anm. 16) 2. Sonderregelung für Kreditinstitute (Anm. 17) V. Erwerb durch abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen (Anm. 18 u. 19)

VI. Rechtsgeschäfte mit anderen zum Erwerb eigener Aktien (Anm. 20) VII. Rechte der Gesellschaft an eigenen Aktien (Anm. 21 u. 22) VIII. Forderung auf Lieferung eigener Aktien (Anm. 23)

I. Übersicht Anm. 1: § 71 übernimmt die Bestimmungen des § 65 A k t G 37, erweitert aber die Fälle der Ausnahmen zu dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien (Nr. 3 und 5) und entscheidet einige zu früherem Recht aufgetretene Streitfragen. Betrifft § 56 den ursprünglichen Erwerb, so befaßt sich § 71 mit dem abgeleiteten Erwerb von Aktien durch die Gesellschaft selbst, ein von ihr abhängiges oder einem in ihrem Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmen und f ü r Rechnung der Gesellschaft oder eines von ihr abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens. II. Verbot des Erwerbs eigener Aktien 1. Grund des Verbotes Anm. 2: Klargestellt ist, daß ein nach § 71 nicht zulässiger Erwerb eine verbotene Rückgewähr der Einlage (§ 57) mit der Folge der H a f t u n g des veräußernden Aktionärs nach § 62 ist (RG 167, 46). Grundsatz ist: 1. daß eine Gesellschaft eigene Aktien nicht erwerben darf, ebenso 2. daß ein abhängiges Unternehmen Aktien der herrschenden Gesellschaft nicht erwerben darf, 3. daß ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen nicht Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft erwerben darf und 4. daß auch f ü r Rechnung der Gesellschaft oder eines von ihr abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmens Aktien von einem Dritten nicht erworben werden dürfen. Für dieses Verbot sind nicht formal juristische Bedenken maßgebend gewesen, vielmehr bedeutet der Erwerb eigener Aktien eine Gefahr f ü r die Gläubiger der Gesellschaft und auch f ü r die Aktionäre und vergrößert darüber hinaus das Unternehmerrisiko, wodurch die Gesellschaft besonders in Krisenzeiten anfälliger wird (Kölner Komm. Anm. 5). Durch jeden Verlust der Gesellschaft sinkt der Wert der Aktie und somit tritt bei eigenen Aktien neben dem Verlust noch eine Wertminderung des Gesellschaftsvermögens ein. Also nicht, weil die Gesellschaft nicht an sich selbst beteiligt sein kann, ist ihr der Erwerb eigener Aktien untersagt, sondern weil sie ihr Grundkapital nicht 374

Erwerb eigener Aktien

§71

Arno. 2,3

schmälern und Einlagen nicht zurückzahlen darf und weil der Vorstand nidit mittels eigener Aktien der Gesellschaft Macht über die Hauptversammlung gewinnen soll (vgl. Weser in Ardi. f. ziv. Prax. Bd. 159, 56). Das Verbot bezieht sich nur auf Aktien, nicht auf eigene Genußscheine und Wandelschuldverschreibungen. Deren Rechte ruhen jedoch solange als sie im Besitz der AG sind (vgl. Ganssmüller in DB 1955, 865; Adler-DüringSchmaltz § 160 Tz 98; Kölner Komm. Anm. 7; Barz in Großkomm. Anm. 4; a. A. Meyer in BB 1955, 551). Dem Erwerb gleichgestellt ist die Sicherungsübereignung (allgemeine Ansicht), nicht aber die Legitimationsübertragung und die reine Verwaltungstreuhänderschaft (streitig: wie hier Adler-Düring-Sdimaltz § 160 Tz 97; jetzt audi Barz in Großkomm. Anm. 5; a. A. B.-H. Rn. 8). § 71 ist zwingende Vorschrift und die darin normierten Ausnahmen sind erschöpfend. 2. Ausnahmen a) Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens Anm. 3: Das Gesetz läßt Ausnahmen zu dem Verbot zu. So kann die Gesellschaft eigene Aktien erwerben, wenn dies zur Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft notwendig ist (vgl. aber Anm. 12 und 13). Schwerer Schaden kann sein u. U. ein Kurssturz, der sich nicht allmählich im Laufe einer allgemeinen rückläufigen Bewegung der Börsenkurse, sondern aufgrund besonderer Umstände gerade in den Aktien der Gesellschaft vollzieht (weitergehend Schl.-Qu. § 65 Anm. 6). Der Erwerb zur Kurspflege ist, wenn es sich nicht um einen plötzlichen Kurssturz handelt, nicht mehr statthaft (B.-H. Rn. 6; Kölner Komm. Anm. 14). Gerade aus diesem Erwerbsgrund, der der allgemeinen Auffassung entsprochen hatte, daß eine Gesellschaft es ihrem Ansehen schuldig sei, den Kurs ihrer Aktien auf dauernd gleichbleibender Höhe zu halten, waren vor der Geltung des Aktiengesetzes von 1937 in einer langen Periode sinkender Kurse die großen Bestände an eigenen Aktien zusammengekommen, die schließlich mit Recht ein Gegenstand der Sorge geworden waren. Immer ist nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden, ob ein schwerer Schaden vorliegt oder droht. Nicht angängig ist es u. E., dem Verhältnis des drohenden Schadens zu dem mit dem Aktienerwerb verbundenen Risiko besondere Bedeutung für die Auslegung des Begriffes „schweren Schadens" zu geben (so Barz in Großkomm. Anm. 7; wie hier Kölner Komm. Anm. 17; B.-H. Rn. 6), denn einmal ist die Frage, ob ein Schaden der Gesellschaft droht, unabhängig von dem Risiko zu bewerten, das der Aktienerwerb mit sich bringt, und zum anderen können die Gefahren, die sich aus dem Aktienerwerb ergeben, im Zeitpunkt des Erwerbes nicht übersehen werden (siehe Anm. 2). 375

§ 71 Anm. 3—5

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Die Überfremdung der AG stellt keinen drohenden Schaden der Gesellschaft im Sinne des § 71 dar, so daß die Verwaltung keine Möglichkeit hat, mit gesellschaftsrechtlichen Mitteln hiergegen vorzugehen (ebenso Mestmädcer in BB 1961, 945; Rasch, S. 143 ff.; Kölner Komm. Anm. 15, der uns unverständlich als anderer Ansicht bezeichnet; a. A. B.-H. Rn. 6; Barz in Großkomm. Anm. 7; BGH 33, 186). Anm. 4: Der Erwerb muß notwendig sein, um den Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Es kommt hierbei nicht auf die Auslegung des Vorstandes, sondern darauf an, wie ein objektiver und ordentlicher Geschäftsführer den gegebenen Sachverhalt beurteilt. Der Erwerb muß also nicht nur subjektiv in der Absicht stattfinden, einen schweren Schaden abzuwenden, es muß vielmehr auch objektiv ein solcher drohen (zum Teil a. A. Barz in Großkomm. Anm. 8). Notwendig heißt, der Erwerb muß das geeignete und einzige vernünftige zu Gebote stehende Mittel sein, den Schaden abzuwenden (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 8; a. A. vgl. Kölner Komm. Anm. 18). b) Erwerb zum Anbieten an Arbeitnehmer Anm. 5: Als weitere Ausnahme ist der Erwerb eigener Aktien zugelassen, wenn diese den Arbeitnehmern der Gesellschaft zum Erwerb angeboten werden sollen (vgl. aber Anm. 12 und 13). Ob der Erwerb zulässig ist, hängt davon ab, ob zum Zeitpunkt des Erwerbs die Absicht bestand, die Aktien den Arbeitnehmern anzubieten. Erweist sich diese Absicht als nicht durchführbar oder wird sie später geändert, ändert sich nichts daran, daß der Erwerb gültig war. Stand die Absicht noch nicht fest oder war sie nur fingiert, so ist der Erwerb unzulässig (wie hier B.-H. Rn. 7; Barz in Großkomm. Anm. 10; Adler-Düring-Sdimaltz § 160 Tz 104). Sind die Aktien zulässig erworben, so kann ihre Wiederveräußerung auch dann nicht verlangt werden, wenn ihre Weitergabe an Arbeitnehmer endgültig nicht mehr erfolgt (wie hier Adler-Düring-Schmaltz § 160 Tz 108; Barz in Großkomm. Anm. 14; a. A. Niethammer in BB 1960, 257; B.-H. Rn. 7). Sollen die Aktien nicht den Arbeitnehmern der Gesellschaft, sondern den Arbeitnehmern einer von ihr abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen angeboten werden, so halten wir mit Rücksicht auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut den Erwerb nicht f ü r zulässig (teilweise abweichen Adler-Düring-Schmaltz § 160 Tz 111, die keine endgültige Stellung nehmen). Die weitere Frage, ob ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen Aktien der Obergesellschaft erwerben kann, um sie seinen Arbeitnehmern anzubieten, wird von Adler-Düring-Schmaltz (§ 160 Tz 112) bejaht. Wir können dieser Auffassung nicht zustimmen, weil die in Abs. 4 376

Erwerb eigener Aktien

§71

Anm. 5

aufgeführten Unternehmen beim Erwerb von Aktien der Obergesellschaft nicht schlechthin dieser gleichgestellt werden. Das hätte man aus der alten Fassung des § 65 V A k t G 37 vielleicht entnehmen können. Diese Bestimmung ist aber geändert, weil klar zum Ausdruck kommen soll, daß das grundsätzliche Verbot, eigene Aktien zu erwerben, sich zur Ausschaltung von Umgehungen auf den Erwerb von Aktien der Obergesellschaft durch abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen erstrecken muß. Der Abs. 4 bezieht sich deshalb grundsätzlich auf die Obergesellschaft. Diese kann nur Aktien erwerben, wenn sie deren Arbeitnehmer angeboten werden sollen. Deshalb kann ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen audi nur dann nach Ziff. 2 Aktien der Obergesellschaft erwerben, wenn sie den Arbeitnehmern der Obergesellschaft angeboten werden sollen, nicht aber wenn sie für die eigenen Arbeitnehmer bestimmt sind. Die Bestimmung läßt offen, zu welchen Bedingungen diese Aktien den Arbeitnehmern anzubieten sind. Die Aktie kann entgeltlich oder unentgeltlich zum Erwerb angeboten werden, sie kann infolgedessen auch unter ihrem Nennwert angeboten werden und selbstverständlich auch unter dem jeweiligen Börsenwert. Die Ausgabe von Aktien an Belegschaftsmitglieder ist nichts Neues. Es haben bereits bisher eine Reihe großer Firmen anläßlich der Ausschüttung einer Weihnachtsgratifikation oder einer Gewinnbeteiligung ihren Belegschaftsmitgliedern Aktien angeboten, teilweise zu einem Vorzugskurs. Derartige Angebote sind vielfach schon bisher unter der Verpflichtung gemacht worden, daß die Aktien für eine bestimmte Zeit nicht veräußert werden dürfen. Die durch § 19 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung erfolgte und hierher übernommene gesetzliche Regelung entspricht mithin weitgehend einem bisher in der Prais angewandten und bewährten Verfahren. Über den Begriff des Arbeitnehmers vgl. Niethammer (in B B 1960, 257 ff.) und C . - H . und S. Wilhelmi (in B B 1968, 137). Es ist beanstandet worden, daß der Vorstand allein darüber entscheiden kann, ob und zu welchen Bedingungen Aktien den Belegschaftsmitgliedern angeboten werden können. D a das Gesetz keine besondere Bestimmung getroffen hat, fällt sowohl der Erwerb der Aktien als auch ihre Ausgabe an die Belegschaftsmitglieder unter die Befugnisse des Vorstandes, da er die Gesellschaft leitet und vertritt (§§ 76 und 77). Der Aufsichtsrat kann aber jederzeit durch einfachen Beschluß bestimmen, daß sowohl der Erwerb von eigenen Aktien allgemein oder zum Zweck der Weitergabe an Arbeitnehmer (so auch Geßler in B B 1960, 11) und darüber hinaus auch die Ausgabe der Aktien an Belegschaftsmitglieder nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden darf. Dasselbe kann auch in der Satzung festgelegt werden. Es bedarf aber einer solchen Satzungsbestimmung nicht, da sich das Recht des Aufsichtsrates aus § 1 1 1 I V ergibt und durch die Satzung nicht einmal 377

§ 71 Anm. 5,6

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

eingeschränkt werden kann (vgl. im einzelnen Anm. zu § 111). Bei der Beratung des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustredinung wurde geltend gemacht, die Entscheidung über den Erwerb eigener Aktien und die Ausgabe der Aktien zu einem Vorzugskurs oder gar unentgeltlich an die Arbeitnehmer müsse unter die Kontrolle der Hauptversammlung gestellt werden, da es sich um einen Eingriff in das Recht der Aktionäre handele. Die gleiche Ansicht wird in der Literatur auch vertreten, so HornefF in Volkswirt 1959, 2636. Dabei wird übersehen, daß die Gesellschaft nur Aktien erwerben kann, die auf dem Markt sind und bei denen also der bisherige Aktionär bereit ist, die Aktien zu veräußern. Ein Enteignungsvorgang kommt deshalb beim Erwerb der Aktien nicht in Frage, auch eine Weitergabe der Aktien unter dem Börsenkurs oder dem Erwerbspreis oder gar unentgeltlich ist keine Enteignung der Aktionäre, vielmehr eine besondere Form der vielen sozialen Maßnahmen, die in jedem Betrieb vom Vorstand, teilweise mit, teilweise ohne besondere Zustimmung des Aufsichtsrates durchgeführt werden. Die Frage, wie die sozialen Leistungen insgesamt zu bemessen sind, ist eine Frage, die in erster Linie der Vorstand und der Aufsichtsrat zu entscheiden berufen sind, denn sie haben den besseren Überblick und wissen am besten, was für die Erhaltung eines guten Betriebsklimas zu geschehen hat. Das schließt nicht aus, daß sich der Vorstand und ggf. der Aufsichtsrat schadensersatzpflichtig machen, wenn sie die Bestimmung in einer die Aktionäre schädigenden Weise und unter Verletzung ihrer Pflichten anwenden (so auch Geßler a. a. O.; Kölner Komm. Anm. 25). Anm. 6: Das Gesetz bestimmt nichts darüber, wie lange die Gesellschaft eigene Aktien, die den Arbeitnehmern angeboten werden sollen, in Besitz haben darf. Eine solche zeitliche Begrenzung konnte schon deshalb nicht im Gesetz geregelt werden, weil die Verwaltung der Gesellschaft nicht übersehen kann, wie weit die Arbeitnehmer von ihrem Angebot Gebrauch machen. Nach den bisherigen Erfahrungen erfolgt das Angebot in der Weise, daß es dem Arbeitnehmer die Wahl läßt, ob er den auf ihn als Gratifikation entfallenden Betrag in bar oder ganz oder teilweise in Aktien entgegennehmen will. Der Spielraum, den das Gesetz dadurch gegeben hat, daß es keine Frist für die Ausgabe der nach Nr. 2 erworbenen Aktien gesetzt hat, darf allerdings nicht mißbraucht werden (ebenso Adler-Düring-Schmaltz § 160 Tz 109; Kölner Komm. Anm. 21). Die Beschränkung der Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien auf 10 °/o des Grundkapitals (vgl. Anm. 12) schafft beim Vorstand ein Interesse daran, nur so viele Aktien zu erwerben, wie sie vermutlich in einem überschaubaren Zeitraum benötigt werden — etwa einem Geschäftsjahr —, schon um frei Hand zu haben für den Erwerb nach den Ziff. 1 und 3. Über die Ausgabe von Aktien an die Arbeitnehmer im Wege der Kapitalerhöhung vgl. § 192 II Nr. 3, § 202 IV und § 204 III. 378

Erwerb eigener Aktien

§71

Anm. 7—9

c) Erwerb zur Abfindung nach §§ 305,320 Anm. 7: Neu ist die Erlaubnis, eigene Aktien zu erwerben, um Aktionäre nach den § 305 II oder 320 II abzufinden. Es handelt sich hier genau wie bei Nr. 2 um einen Durdigangserwerb, da in beiden Fällen die Gesellschaft nur zu dem Zweck eigene Aktien erwirbt, um sie alsbald wieder abzugeben. Gewinnabführungs- und Beherrsdiungsverträge (§ 291) können für außenstehende Aktionäre Schaden bedeuten, darum sind zu ihrer Sicherung besondere Bestimmungen ergangen (§§ 304 ff.). Hiernach sind gemäß § 305 II Bestimmungen über die Abfindung außenstehender Aktionäre im Vertrag aufzunehmen; hierzu gehört die Abfindung mit eigenen Aktien, u. U. auch mit Aktien einer Obergesellschaft. Nach den §§ 319, 320 kann die Hauptversammlung unter bestimmten Voraussetzungen die Eingliederung der AG in eine andere AG beschließen (siehe dort). Für diesen Fall ist in § 320 V eine Abfindung für ausgeschiedene Aktionäre geregelt, die unter anderem in Aktien der Hauptgesellsdiaft bestehen kann. Um diese Abfindung zu erleichtern, ist es der Gesellschaft gestattet, auch für diesen Zweck eigene Aktien zu erwerben (vgl. aber Anm. 12 und 13). Handelt es sich um eine abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Gesellschaft, so kann sie auch Aktien der Obergesellschaft erwerben (§ 305 II Nr. 2). Adler-Düring-Schmaltz (§ 160 Tz 116) sind der Ansicht, daß der Erwerb eigener Aktien auch dann zulässig sei, wenn diese zur Abfindung von Aktionären bei der vermögensübertragenden Umwandlung gem. § 15 I des Umwandlungsgesetzes in der Fassung des § 39 EG bestimmt sind. Sie führen zutreffend aus, daß nach den Feststellungen des Aussdiußberichts die neue Regelung der Abfindungsvorschriften im Umwandlungsgesetz denen des Aktienrechts angepaßt werden sollten, weil die Interessenlage die gleiche ist. Dennoch können wir uns zu einer sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des § 71 I Nr. 3 nicht entschließen, da das Gesetz die Abfindungsfälle durch ausdrückliche Benennung der §§ u. E. erschöpfend aufführt. Durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ändert sich nichts, denn sie ist materiell nur eine Kapitalberichtigung mit Aufspaltung der alten Anteile (B.-H. Rn. 10; Adler-Düring-Schmaltz § 160 Tz 133). d) Unentgeltlicher Erwerb Anm. 8: Der unentgeltliche Erwerb ist nur bei vollbezahlten Aktien statthaft. Eine „Abandonnierung" der Aktie mit der Wirkung, sidi damit von allen Verpflichtungen freizukaufen, ist nicht zulässig (ebenso B.-H. Rn. 11; Kölner Komm. Anm. 35; Barz in Großkomm. Anm. 21). Unzulässig ist der unentgeltliche Erwerb nicht vollbezahlter Aktien. Anm. 9: Erwerb in Ausführung einer Einkaufskommission wird nur bei Aktienbanken vorkommen, welche den Auftrag eines Kunden zum Ankauf 379

§ 71

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 9—11 ihrer Aktien ausführen. Dies ist bei vollbezahlten Aktien statthaft, dagegen unstatthaft bei nicht vollbezahlten Aktien. Schon immer wurde versucht, den Kreditinstituten ein darüber hinausgehendes Recht auf Erwerb eigener Aktien zukommen zu lassen im Hinblick auf eine spätere Einkaufskommission. Dies wurde den Kreditinstituten aber ebensowenig eingeräumt wie der Erwerb durch Selbsteintritt im Falle der Verkaufskommission, anderenfalls hätten Kreditinstitute größere Mengen eigener Aktien erwerben können, was insofern eine erhebliche Gefahr bedeutet hätte, als die Kreditinstitute insbesondere das Vertrauen der Öffentlichkeit benötigen (vgl. Schönle in ZfK 66, 148). e) Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge Anm. 10: Nach bisherigem Recht war es streitig, ob der Erwerb eigener Aktien im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ausnahme zu dem Verbot des § 71 zugelassen werden sollte. Das neue Gesetz hat diese Frage mit der herrschenden Lehre bejaht. Danach darf die Gesellschaft nunmehr eigene Aktien im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erwerben. Hierunter fällt allein der Erwerb durch Erbgang und durch Verschmelzung. Erwerb durch Erbgang ist, sofern die Einlage voll gezahlt ist, bereits nach Nr. 4 zugelassen. Nunmehr ist jedoch klargestellt, daß auch nicht voll eingezahlte eigene Aktien im Erbgang erworben werden können. Bei der Verschmelzung (§§ 339 ff.; siehe dort) in der Form der Übernahme der einen durch die andere Gesellschaft kann sich ergeben, daß die aufnehmende Gesellschaft Aktien der übertragenden hat oder die übertragende Aktien der aufnehmenden. Bei Verschmelzung durch Neubildung (§ 353) können die verschmolzenen Gesellschaften eigene Aktien oder eine oder jede Gesellschaft Aktien der anderen besitzen. In diesen Fällen ist Erwerb eigener Aktien möglich. f ) Erwerb zur Einziehung Anm. 11: Der Erwerb zur Einziehung nach Nr. 6 ist ohne Rücksicht auf Anlaß, Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit, Höhe des Betrages und auch Vollzahlung statthaft, andererseits muß dem Erwerb ein Kapitalherabsetzungs- und Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung vorausgehen und müssen die Aktien nach den Vorschriften über Kapitalherabsetzung eingezogen werden (§ 237). Der Beschluß muß in das Handelsregister eingetragen sein. Mehrheitserfordernis und Zulässigkeit der Auszahlung des Erwerbspreises sowie Erlösdien der Vollzahlungspflicht richten sidi nach § 237. Erwirbt die Gesellschaft vollbezahlte Aktien unentgeltlich oder bezahlt sie den Erwerbspreis aus Bilanzgewinn oder freier Rücklage, genügt einfache Mehrheit und darf der Erwerbspreis ohne Rücksicht auf die Gläubigerschutzvorschrif380

Erwerb eigener Aktien

§71

Anm. 11—13

ten ausgezahlt werden; ein dem Gesamtnennbetrag der erworbenen Aktien gleichkommender Betrag ist in die gesetzliche Rücklage einzustellen. Sind die Aktien nicht voll bezahlt oder können sie nicht aus dem Bilanzgewinn oder den freien Rücklagen bezahlt werden oder will die Gesellschaft die Kapitalherabsetzung ohne eine gleiche Erhöhung der gesetzlichen Rücklage durchführen (§ 237 V), bestehen für den Hauptversammlungsbeschluß die ersdiwerenden Vorschriften des § 222 und darf der Erwerbspreis nur nach § 225 bezahlt werden. Bei nicht voll bezahlten Aktien tritt die Befreiung von der Resteinzahlungspflidit erst in dem sich aus § 225 ergebenden Zeitpunkt ein. In beiden Fällen tritt die Kapitalherabsetzung nicht schon durch die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses, sondern erst durch Einziehung der erworbenen Aktien ein (§ 238 S. 1 u. 3), denn der Hauptversammlungsbeschluß muß dem Erwerb vorangehen. 3. Beschränkung der Ausnahmen Anm. 12: Die in den Nr. 1—3 (Anm. 3 bis 7) aufgezählten Ausnahmen zum Verbot des Erwerbs eigener Aktien unterliegen nach Absatz 1 S. 2 einer weiteren Beschränkung. Hiernach ist in den genannten Fällen der Erwerb nur insoweit zugelassen, als der Gesamtnennbetrag zusammen mit dem Betrag anderer Aktien der Gesellschaft, die die Gesellschaft oder ein abhängiges oder ein in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein anderer für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens bereits zu diesen Zwecken erworben hat und noch besitzt, 10 vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen dürfen. Hierzu zählen auch die eigenen Aktien, die als Pfand genommen worden sind (Abs. 3). Die Erwerbsmöglichkeiten nach den Nr. 4 bis 6 unterliegen dieser Beschränkung nicht. Die so erworbenen Aktien sind auch nicht bei der Berechnung zu berücksichtigen, ob die Gesellschaft bereits 1 0 % eigene Aktien hat, denn hierbei zählen nur die zu den Zwecken der N r . 1—3 erworbenen Aktien. Insbesondere für die Zwecke der Nr. 1 ist diese Bestimmung von Bedeutung, da hierfür eine längere Besitzzeit möglich ist. Erwerb eigener Aktien für die Zwecke in Nr. 2 und 3 ist seiner Natur nach auf nur vorübergehenden Besitz bestimmt, da die hiernach erworbenen Aktien an die Arbeitnehmer oder abzufindenden Aktionäre weitergegeben werden. Insbesondere hinsichtlich der Nr. 2 hat daher die Verwaltung der Gesellschaft ein Interesse daran, nur so viele eigene Aktien zur Weitergabe an die Arbeitnehmer zu erwerben, als sie vermutlich in einem überblickbaren Zeitraum, etwa einem Geschäftsjahr, benötigt, schon um freie Hand zu haben für den Erwerb eigener Aktien zur Abwendung eines schweren Schadens (vgl. Anm. 6). Anm. 13: Hinzuzurechnen sind die — schon seit § 19 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Ver381

§ 71

Anm. 13—15

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Umrechnung genannten — Aktien der Gesellschaft, die ein abhängiges Unternehmen besitzt und — nunmehr neu festgesetzt — auch die Aktien der Gesellschaft, die ein in deren Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein anderer besitzt, die er im Namen der Gesellschaft, eines abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens erworben hat. Zu beachten ist, daß auch diese Aktien nur insoweit hinzugerechnet werden müssen, als sie für die in den Nr. 1 bis 3 genannten Zwecken erworben sind. Das abhängige oder in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehende Unternehmen muß nicht etwa eine AG sein (vgl. zum Begriff Unternehmen § 15 Anm. 2). Wenn also z. B. eine von einer Aktiengesellschaft abhängige Gesellschaft mit beschränkter Haftung 5 % des Nennkapitals der Muttergesellschaft an Aktien dieser Gesellschaft nach den Nr. 1 bis 3 des § 71 Abs. 1 erworben hat, so kann die Muttergesellschaft nur noch bis zu 5 °/o ihres Grundkapitals nach den Nr. 1—3 Aktien erwerben. III. Wirksamkeit eines Verstoßes gegen das Verbot Anm. 14: Der unzulässige Erwerb ist, seiner Unzulässigkeit ungeachtet, voll wirksam und gültig. Er hat also die gleichen Wirkungen wie der zulässige Erwerb. Hinzu tritt aber, daß das Gesetz in diesem Falle die Bezahlung des Erwerbspreises als unzulässige Rückzahlung der Einlage behandelt wissen will (§ 57). Der Veräußerer ist also verpflichtet, diesen Erwerbspreis der Gesellschaft zu erstatten und haftet in dessen Höhe den Gläubigern der Gesellschaft nach § 62. Sind die unzulässigerweise erworbenen (z. B. ohne Gefahr schweren Schadens aufgekauften) Aktien nicht voll bezahlt, so ist jedoch der Erwerb nichtig. Nicht hierunter fällt naturgemäß der zulässige Erwerb eigener, nicht voll eingezahlter Aktien (siehe insbesondere Nr. 5 und 6), weil die Gesellschaft sonst den Anspruch auf die restliche Einlageforderung verlieren würde. Anm. 15: Das schuldrechtliche Grundgeschäft, welches auf einen unzulässigen Erwerb abzielt, ist nichtig. Diese Vorschrift geht sehr weit, wenn man bedenkt, daß der Veräußerer in den allerwenigsten Fällen selbst wird beurteilen können, ob die Gesellschaft sich in den Grenzen einer zulässigen Ausnahme hält (ebenso Kölner Komm. Anm. 44). Er kann weder wissen, ob ihr ein schwerer Schaden droht oder der Erwerb eigener Aktien geeignet oder notwendig ist, ihn abzuwenden, wieviel eigene Aktien sie schon besitzt und gerade zwecks Abwendung eines schweren Schadens erworben hat, noch, ob ihr eine Einkaufskommission erteilt ist, noch weniger, ob der Erwerber etwa abhängig von der Gesellschaft ist, deren Aktien verkauft werden usw. Die Vorschrift, daß der Erwerb als Ausführungsgeschäft, auch wenn unzulässig, 382

Erwerb eigener Aktien

§71

Anm. 15,16

sofern die Aktien voll bezahlt sind, wirksam ist, kann nach der üblichen Gesetzessprache nicht dahin verstanden werden, daß etwa das Ausführungsgeschäft die Nichtigkeit des Grundgeschäftes heilt. Dessen Nichtigkeit hat also nicht nur zur Folge, daß kein Teil die Erfüllung verlangen, vielmehr jeder ablehnen kann, wenn ihm dies nachträglich vorteilhaft erscheint, sondern auch, daß der an sich voll wirksame Erwerb nach Maßgabe der Vorschriften der §§812 ff. BGB schuldrechtlich rückgängig gemacht werden kann. Die Gesellschaft selbst wird regelmäßig schlechtgläubig sein und demnach regelmäßig § 814 BGB ihrer Rückforderung im Wege stehen, dagegen sind sehr viele Fälle denkbar, in welchem der Veräußerer der Aktien gutgläubig ist. Dieser kann dann die Aktie zurückverlangen und gegenüber der Gegenforderung der Gesellschaft Minderung der Bereicherung geltend machen. Beachte auch das Verhältnis des nach § 71 II S. 2 mit § 812 BGB bestehenden bloßen Bereicherungsanspruchs der Gesellschaft zu ihrem absoluten, keiner Wegfalleinwendung ausgesetzten Anspruch aus § 57 (siehe dort Anm. 7), § 62 (s. dort Anm. 5); macht die AG letzteren geltend, bleibt sie gleichwohl nach § 812 BGB zur Rückgabe der Aktien verpflichtet (a. A. Kölner Komm. Anm. 50; Barz in Großkomm. Anm. 28). Eine Gutschrift auf Girosammeidepot kann, auch wenn sie nach den zugrunde liegenden Geschäftsbedingungen als Erfüllung des Grundgeschäftes erscheint, niemals als Erwerb der Aktie angesehen werden. Aus der Gutschrift entsteht also keine Forderung auf bestimmte Aktien, wenn der Erwerb durch die Käuferin nicht zulässig ist. Die Vorschrift bezieht sich auch auf ein Rückkaufsrecht (RG 147, 48), wobei aber nach § 139 BGB durch die Nichtigkeit der Rückkaufsvereinbarung wohl das ganze Geschäft, also auch der Verkauf, nichtig sein und deshalb nach § 812 BGB kein Rückforderungsrecht der verinbarungsgemäß rückkaufberechtigten Gesellschaft bestehen dürfte; dies verkennt RG a. a. O. Man entgeht aber diesem Ergebnis nur, wenn man die bürgerlichrechtliche Norm als durch die aktienrechtliche Sondernorm außer Kraft gesetzt ansieht. Nichtig ist auch ein Deportgeschäft (RG a. a. O.; Barz in Großkomm. Anm. 26); verschieden davon ist ein auflösend bedingtes oder befristetes Verkaufs- und Ubereignungsgeschäft (RG a. a. O.). IV. Inpfandnahme eigener Aktien 1. Im Allgemeinen Anm. 16: Der rechtsgeschäftliche Erwerb zum Pfand ist dem Erwerb eigener Aktien gleichgestellt, was auch vom Erwerb zu Sicherungseigentum gelten muß. Daraus ergibt sich, daß ein solcher Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens zulässig ist. Die übrigen Ausnahmefälle können beim Pfanderwerb nicht vorkommen. Zur Abwendung eines schweren Schadens dürfen auch nicht voll gezahlte Aktien zum Pfand genommen werden. Man 383

§ 71 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Anm. 16—18 wird, wenn die Gesellschaft die Forderung, die durch das Pfand gesichert werden soll, schon vorher erworben hatte, in der Beurteilung einer schweren Schadensgefahr weitherzig sein dürfen (a. A. Kölner Komm. Anm. 56). Auch wenn ein Vorstand der Gesellschaft durch Hinterlegung eigener Aktien Kaution leistet, was immer zulässig ist, um sein Interesse festzulegen und die Aktien zu sperren, ist darüber hinaus die Entstehung eines Pfandrechts f ü r die Haftungsansprüche möglich und zu bejahen, daß eine Gefahr sdiwerer Schädigung abgewendet werden soll. Ist zu verneinen, daß eine solche vorlag, insbesondere, wenn Pfandnahme und Forderungserwerb gleichzeitig vor sich gehen, so ist der Pfanderwerb voll bezahlter Aktien gleichwohl gültig, der nicht voll bezahlter nichtig (siehe Abs. 2); die Unterscheidung ist hier jedoch gänzlich unverständlich, weil durch den Pfanderwerb die Einlagerestforderung mangels Vereinigung nicht untergehen und nicht eingesehen werden kann, warum der Gesellschaft in diesem Falle die Sicherheit entzogen wird. Der Erwerb eines Vollstreckungspfandrechts, gesetzlichen Pfandrechts oder eines kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts ist an voll bezahlten Aktien und nicht voll bezahlten Aktien unbeschränkt möglich (eingeschränkt Kölner Komm. Anm. 54 unter Bezug auf Beeser in Arch.f.ziv.Pr. 159, 64 ff.). Erwirbt die Gesellschaft zulässig oder unzulässig gutgläubig ein Pfandrecht, so bleibt gleichwohl der Pfandschuldner Aktionär, das Stimmrecht steht ihm zu. Da die Gesellschaft es nicht ausüben könnte, kann es ihr nicht einmal durch Vereinbarung übertragen werden. Auch der Gewinnanspruch bleibt dem Aktionär (§§ 1296, 1273, 1213 BGB). Die Gesellschaft ihrerseits kann sich aber aus dem Pfandrecht oder Sicherungseigentum nur durch Verkauf befriedigen, insbesondere den Abwicklungserlösanteil nicht einziehen, da ihr nach Abs. 6 keine Rechte aus eigenen Aktien zustehen. 2. Sonderregelung

für

Kreditinstitute

Anm. 17; Eine Sonderregelung ist in Absatz 3 S. 2 erfolgt, wonach Kreditinstitute eigene Aktien als P f a n d nehmen dürfen; allerdings dürfen diese Aktien zusammen mit den nach Absatz 1 N r . 1—3 erworbenen Aktien 10 o/o des Gesamtbetrages des Grundkapitals nicht übersteigen. Durch diese Bestimmung soll den Kreditinstituten die Kreditgewährung erleichtert werden, indem sie sich die in ihrem Depot liegenden Aktien eines Kreditnehmers verpfänden lassen dürfen. Wäre dies unzulässig, so würden die Kreditinstitute in ihren Geschäften erheblich beschränkt. V. Erwerb durch abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen Anm. 18: Der Erwerb von Aktien einer Gesellschaft durch ein abhängiges odei eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens ist in Absatz 4 neu geregelt. Nach § 65 V A k t G 37 richtete sich dieser Erwerb nach den Vorschriften über den Erwerb und die Inpfandnahme eigener Aktien, was 384

Erwerb eigener Aktien

§71

Anm. 18—20

eine Verweisung hinsiditlich der Voraussetzungen und auch der Wirkungen bedeutete. Die Voraussetzungen werden heute in Abs. 4 S. 1 nur teilweise übernommen, während die Wirkungen in Satz 2 neu geregelt worden sind (siehe Anm. 19). Der Erwerb von Aktien durch ein abhängiges oder ein in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen, das keine AG zu sein braucht, sondern sogar das Unternehmen eine Personengesellschaft sein kann, für dessen eigene Rechnung ist grundsätzlich verboten; aber auch hier sind Ausnahmen zugelassen: Soweit die Gesellschaft in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 5 eigene Aktien erwerben darf, kann auch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen die Aktien der Gesellschaft erwerben. Ausgenommen ist somit der Erwerb zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals. Beachte insbesondere Anm. 13. Anm. 19: Der unzulässige Erwerb macht diesen nach Satz 2 nicht unwirksam. Das bedeutet, daß auch der unzulässige Erwerb nicht voll bezahlter Aktien durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen wirksam ist. Das ist insofern folgerichtig, als durch einen Erwerb gemäß Absatz 4 S. 1 die Forderung der Gesellschaft auf die noch ausstehende Einlage nicht erlischt. Im übrigen sind die Wirkungen die gleichen wie beim Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft, vgl. Anm. 14 und 15. Im Fall des wirksamen (zulässigen oder unzulässigen) Erwerbs kann zwar das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen das Stimmrecht nicht ausüben und auch nicht ausüben lassen (§ 136 Abs. 2), hat aber das Recht auf den Gewinnanteil, die Liquidationsrate und auch das Bezugsrecht, welch letzteres es aber nur verwerten und nicht selbst ausüben kann. Für die Ausübung der Redite aus den Aktien, wenn das abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen sie nicht für eigene Rechnung, sondern für Rechnung der Gesellschaft erworben hat, gilt Abs. 6. VI. Rechtsgeschäfte mit anderen zum Erwerb eigener Aktien Anm. 20: Ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten über den Erwerb von Aktien der Gesellschaft für deren Rechnung oder für Rechnung eines von ihr abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens ist zulässig und gültig, wenn der Erwerb durch die Gesellschaft; oder das abhängige bzw. das in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen zulässig ist, d. h. also, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 gegeben sind. In allen anderen Fällen (Einkaufskommission, Konsortium und dgl.) ist ein solches Rechtsgeschäft nichtig. Der in Verfolg dieses Rechtsgeschäfts von dem Dritten vorgenommene Aktienerwerb ist voll gültig, da dieser von der vorliegenden Bestimmung 385

§ 71 Anm. 20,21

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

nicht erfaßt wird. Die Folgen, welche sich aus der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zwischen der Gesellschaft und dem Dritten hinsichtlich der Bezahlung des Gegenwertes durch die Gesellschaft ergeben, sind die gleichen wie nach Anm. 15 (auch der Dritte kann gutgläubig sein). Der Dritte, der die Aktien für Rechnung der Gesellschaft erworben und auf diese übertragen hat (nicht etwa der Verkäufer), ist derjenige, welcher durch Vergütung seiner Auslagen im Sinne der §§ 57, 62 seine Einlagen zurückempfängt. Der Dritte kann also gutgläubig Schaden erleiden, sogar in eine Haftung für Verpflichtungen der Gesellschaft geraten. Die Frage, ob Abs. 2 S. 2 evtl. nicht nur für das Verhältnis der Gesellschaft bzw. abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen und dem Dritten, sondern auch zwischen dieser und dem Verkäufer gilt, kann nur dann bejaht werden, wenn dieser ausnahmsweise weiß, für wessen Rechnung der Erwerber handelt. Uber die Ausübung der Rechte aus den durch den Dritten für Rechnung der Gesellschaft erworbenen Aktien schreibt Abs. 6 vor, daß der Gesellschaft keine Rechte daraus zustehen (s. auch Anm. 22). Dies trifft auch den Fall, daß ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (nicht für eigene, sondern) für Rechnung der Gesellschaft die Aktien erworben hat. Dem vorstehenden Fall nahe verwandt ist die Kursgarantie, die von der Gesellschaft dem Erwerber von Aktien gegeben wird. Wir halten sie in den Fällen für zulässig, in denen der Erwerb der Aktien durch die Gesellschaft zulässig wäre, da sie gegenüber dem Erwerb ein weniger ist. Die Garantie darf den für einen Erwerb im Zeitpunkt der Zusage aufzuwendenden Betrag nicht übersteigen. Ein Gewinnkurs kann also nicht garantiert werden (ebenso Adler-Düring-Schmaltz § 160 Tz 129; a. A. B.-H. Rn. 22; Barz in Großkomm. Anm. 40). VII. Rechte der Gesellschaft an eigenen Aktien Anm. 21: Jeder Erwerb von eigenen Aktien, sowohl der zulässige als auch der unzulässige, hätte zur Folge, daß die Gesellschaft ihre eigene Aktionärin ist. Da dies begrifflich nicht möglich ist, ruhen alle Rechte aus der Aktie. Die Gesellschaft kann keine Mitgliedschaftsrechte, insbesondere nicht das Stimmrecht ausüben. Sie kann deshalb die Aktien einem Dritten nicht überlassen oder in Verwahrung geben ohne Gewähr dafür zu schaffen, daß dieser nicht das Stimmrecht ausübt. Die Gesellschaft kann aber das Stimmrecht ihrer Aktien, die einem Dritten gehören, aufgrund Vollmacht ausüben. Weiter stehen ihr die Vermögensrechte nicht zu, sie hat also keinen Anteil am Bilanzgewinn, was für die Bemessung des Dividendensatzes Bedeutung haben kann. Auch der vor Erwerb der Aktie abgetrennte (laufende oder künftige) vom Verkäufer zurückbehaltene Dividendenschein bleibt dividendenlos, weil er vor dem Gewinnverwendungsbeschluß nicht einmal einen 386

Erwerb eigener Aktien

§71

Anm. 21—23

Gewinnansprudi, geschweige ein eigenes selbständiges Gewinnrecht verkörpert (a. A. Barz in Großkomm. Anm. 42). Die Gesellschaft hat aus den eigenen Aktien ferner keinen Anspruch auf einen Anteil am Abwicklungsreinerlös (so schon RG 103, 66), was für den Fall Bedeutung hat, daß sie eigene Vorzugsaktien erworben hat und das Reinvermögen nicht ausreicht, um alle Vorzugsaktionäre zu befriedigen. Sie tritt nicht etwa in Konkurrenz mit diesen, so daß der auf ihre eigenen Vorzugsaktien entfallende Betrag auf die Stammaktionäre verteilt werden könnte. Die Gesellschaft hat nach dem kategorischen Gesetzeswortlaut auch kein Bezugsrecht, kann dieses also nicht etwa verwerten. Wohl aber nehmen eigene Aktien an einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln teil (§ 215 I). Sonach bleibt die eigene Aktie, wenn sie nicht eingezogen wird, von Bedeutung nur als Gegenstand einer möglichen Veräußerung. Sie bleibt also ein Vermögenswert und ist deshalb auch in die Bilanz aufzunehmen, und zwar zu den Anschaffungskosten. Ein Buchgewinn kann also durch unentgeltlichen Erwerb und auch bei Erwerb unter Nennbetrag entstehen, aber nur, wenn die Einziehung im Wege ordentlicher Kapitalherabsetzung erfolgt, nicht dagegen bei der erleichterten Einziehung aus Bilanzgewinn oder freier Rücklage, weil hier die gesetzliche Rücklage um den Nennbetrag der eingezogenen Aktien erhöht werden muß (§ 227 V). Bedeutung hat der Besitz eigener Aktien für die Frage, ob ein Unternehmen die Mehrheit an einem anderen Unternehmen besitzt, vgl. § 16 und für die Mitteilungspflicht §§20, 21. Besitzt ein abhängiges Unternehmen Aktien der herrschenden Gesellschaft, so kann es die Rechte daraus geltend machen mit Ausnahme des Stimmrechts (§ 136 II). Ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen kann auch abstimmen. Anm. 22: Ob ein Dritter, der Aktien zwar für Rechnung der Gesellschaft, aber im eigenen Namen erworben hat, die Rechte aus der Aktie ausüben kann, hängt von dem Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Gesellschaft ab. Ist dieses gültig, so ist sein Aktienbesitz dem Besitz eigener Aktien der Gesellschaft gleichzustellen, so daß er weder für sich noch für die Gesellschaft Rechte aus den Aktien ausüben kann. Ist das Rechtsgeschäft nadi Abs. 5 nichtig, so hat der Dritte keinen Anspruch auf Erstattung der Auslagen und somit nidit „für Rechnung der Gesellschaft" erworben; in diesem Falle kann er alle Rechte eines Aktionärs geltend machen. Hieraus ergibt sich, daß Abs. 6 S. 2 ein gültiges Rechtsgeschäft zwischen Gesellschaft und Dritten voraussetzt (ebenso Würdinger S. 62). VIII. Forderung auf Lieferung eigener Aktien Anm. 23: Eine Forderung auf Lieferung eigener Aktien kann die Gesellschaft nur nach denselben Grundsätzen erwerben wie eigene Aktien, anderen387

§§71/72

Anm.23

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

falls wäre eine Gesetzesumgehung möglich, aber nichtig ist nur das Grundgeschäft. Die Übertragung der Forderung selbst ist gültig und ebenso der Erwerb der Aktie aufgrund der übertragenen Forderung, wenn sie voll bezahlt ist. Hierher gehört auch das Bezugsrecht, jedoch ist zu unterscheiden: Das unmittelbare Bezugsrecht scheidet so gut wie völlig aus, denn aufgrund eigener Aktien kann für die Gesellschaft ein solches nicht entstehen, und ebensowenig kann sie aufgrund eines solchen Aktien zeichnen, auch dann nicht, wenn ihr ein Bezugsrecht übertragen würde, denn die Zeichnung eigener Aktien und die Ausgabe eigener Aktien an sich selbst durch die Gesellschaft wäre nichtig. Das mittelbare Bezugsrecht (§ 186 V) ist dagegen eine Forderung auf Lieferung von jungen Aktien (einer bestimmten Emission) gegen den Zeichner und Ersterwerber, welche durch Vertrag der Gesellschaft mit ihm zugunsten ihrer Aktionäre als solcher begründet worden ist. Ein solches mittelbares Bezugsrecht ist kein Recht „aus" der Aktie, sondern aus dem zwischen Gesellschaft und Zeichner zugunsten der Aktionäre geschlossenen Vertrag. Dieser als Grundgeschäft kann nicht in Bausch und Bogen, sondern nur teilweise insoweit nichtig sein, als daraus die Gesellschaft als Aktionär Rechte erwerben soll (wenn sie nicht ausdrücklich ausgenommen worden ist). Auch dies ist fraglich, denn warum sollte nicht ein veräußerliches und von der Gesellschaft durch Veräußerung zu verwertendes Bezugsrecht auch zu ihren Gunsten bedungen werden können? Der Erwerb der Aktie aufgrund eines mittelbaren Bezugsrechts durch die Gesellschaft beruht nicht auf Zeichnung, ist also nicht ursprünglich und nicht nach § 56 zu beurteilen, sondern abgeleitet und als solcher gemäß § 71, wenn auch unzulässig, so dennoch gültig, wenn die Aktie voll bezahlt ist. Ein mittelbares Bezugsredit auf eigene Aktie rechtswirksam kaufen kann die Gesellschaft nicht, das Grundgeschäft wäre nichtig, aber, wenn ihr aufgrund eines solchen Kaufs nichtsdestoweniger ein mittelbares Bezugsrecht übertragen wird, so ist diese Übertragung rechtswirksam und kann sie entsprechende Aktien, wenn diese voll bezahlt sind, rechtswirksam von dem Zeichnungskonsortium beziehen.

S 72 Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren (1) Ist eine Aktie oder ein Zwisdienschein abhanden gekommen oder vernichtet, so kann die Urkunde im Aufgebotsverfahren nach der Zivilprozeßordnung für kraftlos erklärt werden. § 799 Abs. 2 und § 800 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten sinngemäß. (2) Sind Gewinnanteilscheine auf den Inhaber ausgegeben, so erlischt 388

Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren

§72

Anm. 1,2

mit der Kraftloserklärung der Aktie oder des Zwischenscheins auch der Anspruch aus den noch nicht fälligen Gewinnanteilscheinen. (3) Die Kraftloserklärung einer Aktie nach §§ 73 oder 226 steht der Kraftloserklärung der Urkunde nadi Absatz 1 nicht entgegen. I. Obersicht (Anm. 1 u. 2) II. Voraussetzungen der Kraftloserklärung (Anm. 3) III. Aufgebotsverfahren (Anm. 4) IV. Wirkungen des Ausschlußurteils (Anm. 5)

V. Ausübung der Aktionärsrechte 1. Stimmrecht (Anm. 6) 2. Gewinnanspruch (Anm. 7) VI. Verhältnis zu anderen Kraftloserklärungen (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Absätzen 1 und 2 die Bestimmungen des § 66 AktG 37. Eine Änderung ist insofern vorgenommen worden, als in der Urkunde das Aufgebotsverfahren nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Neu ist Absatz 3, der das Verhältnis der Kraftloserklärung durch das Gericht und der durch die Gesellschaft nach den §§ 73 und 226 regelt (s. Anm. 8). Anm. 2: Die §§ 72 und 73 behandeln die Kraftloserklärung von Aktien. In beiden Fällen sind lediglich die Aktienurkunden gemeint, nicht das Aktienrecht, wie bei der Einziehung (§ 237), noch die subjektive Berechtigung wie bei der Kapitalherabsetzung (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 3; Kölner Komm. Anm. 2). Es wird deshalb in diesen Fällen nicht der Inhaber des Aktienrechts seines Rechtes verlustig erklärt, wie das im Falle der Kaduzierung der Aktie gemäß § 65 oder der Kraftloserklärung bei der Kapitalherabsetzung (§ 226) geschieht, ebensowenig das Recht selbst vernichtet, wie bei der Einziehung, vielmehr bleibt der bisherige Aktionär in seiner Rechtstellung und das Recht bestehen, aber die Aktienurkunde wird für kraftlos erklärt (über mittelbare Wirkungen des Ausschlusses s. Anm. 6). Es kann deshalb auch der wahre Aktionär gegen denjenigen, der zu Unrecht ein Aufgebotsverfahren durchführt, auf Herausgabe der neuen Aktie aufgrund § 952 BGB und auf Abtretung der Rechte aus dem Ausschlußurteil klagen. Die Geltendmachung des Anspruchs hat jedoch auf das Aufgebotsverfahren keinen Einfluß. § 72 befaßt sich mit der Kraftloserklärung abhanden gekommener oder vernichteter Aktien durch Aufgebotsverfahren, für das die §§ 946 und 1003 ff. ZPO gelten. Er bezweckt die mit der vernichteten oder abhanden gekommenen Urkunde beseitigte Legitimation des Berechtigten gegenüber der Gesellschaft (§ 1068 ZPO) und unmittelbar die Umlauffähigkeit des Redits wiederherzustellen, indem aufgrund des Ausschlußurteils eine neue Urkunde ausgegeben wird. 389

§ 72 Anm. 3,4

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

IL Voraussetzungen der Kraftloserklärung Anm. 3: § 72 setzt voraus, daß eine Aktie oder ein Zwischensdiein abhanden gekommen, d. h., ihr Besitz dem Besitzer ohne seinen Willen durdi ein von diesem unabhängiges Ereignis entzogen worden oder eine Urkunde vernichtet ist. Es spielt hierbei keine Rolle, ob es sich um einen fehlerhaften Willen handelt, was allerdings hinsichtlich der Unwirksamkeit wegen fehlender Geschäftsfähigkeit bestritten ist (wie hier hinsichtlich Anfechtbarkeit RG 101, 225; B.-H. Rn.4; a. A. OLG 43, 225; Kölner Komm. Anm. 3). Unter einem vom Willen des Besitzers unabhängigen Ereignis sind jedoch nicht Kriegs- oder sonstige Beschlagnahmen zu verstehen (LZ 25, 476). Die Vorschrift gilt sowohl für Inhaberaktien als auch für Namensaktien, und zwar auch dann, wenn letztere kein Blankogiro tragen. Der Verlust muß unfreiwillig sein.. Ist die Aktie nicht völlig vernichtet oder, was dem gleichzusetzen ist, in ihren wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen unkennbar, sind vielmehr letztere, aus denen sich die Aktie noch identifizieren läßt, noch vorhanden, so kommt nicht § 72, sondern § 74 in Frage (vgl. Anmerkungen dort). Streitig ist, ob die Satzung Erleichterungen für die Kraftloserklärung enthalten kann. Unzweifelhaft wären solche Bestimmungen nur wirksam, wenn sie in der Urkunde enthalten sind, aber auch dann muß man ihnen mit der herrschenden Ansicht die Gültigkeit versagen, da die Bestimmungen über das Aufgebotsverfahren teils öffentlichen, teils zwingenden Redits sind (vgl. B.-H. Rn. 8; Barz in Großkomm. Anm. 8). III. Aufgebotsverfahren Anm. 4: Für das Aufgebotsverfahren sind die §§ 946 ff. ZPO, insbesondere ,die §§ 1003 ff. ZPO maßgebend. Antragsberechtigt ist der bisherige Inhaber (§ 1004 ZPO), das ist entgegen Brodmann (Anm. 1 b zu § 228 HGB) nicht auch der mittelbare Besitzer. Für die Namensaktie ist es streitig, ob der im Aktienbuch Eingetragene antragsberechtigt ist oder derjenige, dessen Berechtigung sich aus der Urkunde oder aus ihr in Verbindung mit einer Kette von Indossamenten oder Abtretungserklärungen ergibt. Letzteres trifft nach § 1004 Abs. 2 ZPO zu (herrschende Ansicht), weil der so Ausgewiesene jederzeit die Umschreibung herbeiführen und damit das Recht aus der Aktie geltend machen kann, auch das Aktienbuch nur gegenüber der Gesellschaft die Legitimation ausweist. Das Aufgebot kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten beantragt werden (§ 947 ZPO). Zuständig ist das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft (§ 1005 ZPO). Zur Begründung des Antrags ist eine Abschrift der Aktie oder ihr wesentlicher Inhalt, vor allem das, was zu ihrer Identifizierung erforderlich ist, also Nummer, Serie usw. beizubringen. Der Verlust der Urkunde und die Berechtigung zum Antrag sind 390

Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren

§72 Anm. 4,5

glaubhaft zu machen. Der Antragsteller muß sich zur Versicherung der Wahrheit seiner Angaben an Eides Statt erbieten (§ 1007 ZPO). Das Gericht erläßt das Aufgebot und macht es öffentlich bekannt. Sind in der Satzung besondere Blätter als Gesellschaftsblätter angegeben, so muß ebenso wie in den Gerichtsblättern die Bekanntmachung dreimalig in diesen Blättern erfolgen (vgl. auch § 1009 Abs. 3 ZPO). Die Aufgebotsfrist beträgt mindestens 6 Monate (§ 1015 ZPO). Bei Verlust einer Inhaberaktie oder einer mit Blankogiro versehenen Namensaktie kann eine Zahlungssperre beantragt werden (§ 1019 ZPO). Die Gesellschaft hat denjenigen, der das Aufgebotsverfahren betreibt, durch Auskünfte und Aushändigung der nötigen Unterlagen zu unterstützen. Dadurch entstehende Kosten hat der Betreibende vorzuschießen (§ 799 Abs. 2 BGB). IV. Wirkungen des Aussdilußurteils Artm. 5: In dem Ausschlußurteil (§ 1017 ZPO) wird niemand „ausgeschlossen", sondern das Recht verbleibt dem bisher Berechtigten, auch wenn ein Nichtberechtigter das Urteil erwirkt haben sollte, aber die Urkunde, auch wenn sie noch vorhanden, vielleicht sogar im Besitz oder im Gewahrsam des Berechtigten oder eines gutgläubigen Dritten ist, wird „kraftlos" erklärt. Sie wird also unwirksam, d. h., sie wird ungeeignet als Legitimation; an ihre Stelle tritt gegenüber der Gesellschaft nach § 1018 ZPO das Ausschlußurteil. Jedoch bleibt bei Namensaktien § 67 II anwendbar. Daneben verkörpert die unwirksame Urkunde das Recht nicht mehr und ist fortan ungeeignet, das Recht weiter zu übertragen, auch wenn der Erwerber gutgläubig ist. Mangels der zur Übertragung erforderlichen Urkunde ist das Recht bis zum Ausschlußurteil überhaupt nicht, dann bis zur Ausgabe einer neuen Urkunde nur durch Abtretung übertragbar (Barz in Großkomm. Anm. 4). Gutgläubigen Rechtserwerb durch Abtretung gibt es nicht, auch wenn das Urteil mit übergeben und mit abgetreten wird. Das Urteil ist nicht erforderlich, um das Recht zu übertragen, wohl aber, um den Erwerber zu legitimieren, anderenfalls bleibt die Legitimation trotz der Rechtsübertragung dem durch das Urteil Ausgewiesenen. Dieser kann auch von der Gesellschaft Aushändigung einer neuen Urkunde verlangen (Abs. 1; § 880 BGB). Wenn er nicht oder nicht mehr der wahre Berechtigte ist, wird er auch dadurch, daß diesem Verlangen entsprochen wird, nicht zum Aktionär, vielmehr wird die neue Urkunde Eigentum des Letzteren (§ 952 BGB, im Ergebnis ebenso Kölner Komm. Anm. 9). Wohl aber ist das Recht jetzt wieder beurkundet und wird durch Übergabe der neuen Urkunde an einen Gutgläubigen übertragen (ebenso Barz in Großkomm. Anm. 3). Bei einer Namensaktie kann der Erwirker des Ausschlußurteils sich aufgrund dieses Urteils eintragen lassen (§ 1018 ZPO) ohne weiteren Nachweis des Rechtsüberganges. 391

§ 72 Anm. 5,6

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Die Gestalt der neuen Urkunde unterscheidet sich zweckmäßig von der alten durch eine neue Nummer oder einen Vermerk, daß sie an deren Stelle getreten ist. Bei Namensaktien wird die Verlustigerklärung gemäß § 64 von einem nachfolgenden Ausschlußurteil selbstverständlich nicht mehr berührt. Das Urteil ist gegenstandslos. Umgekehrt wird sein Erwirker, wenn die Verlustigerklärung dem Urteil nachfolgt, davon natürlich genauso betroffen, wie wenn er statt des Urteils die ursprüngliche Urkunde besäße, mag er im Aktienbuch eingetragen sein oder nicht, sich aufgrund des Urteils eine neue Urkunde haben ausstellen lassen oder nicht. Letztere wird wieder durch die aufgrund der Kaduzierung ausgegebene neue Urkunde ersetzt. V. Ausübung der Aktionärsrechte 1. Stimmrecht Anm. 6: Über das Stimmrecht gilt folgendes: bei Namensaktien ist nach § 67 II der im Aktienbuch Eingetragene zur Anmeldung seiner Teilnahme an der Hauptversammlung nach § 123 IV und zur Ausübung des Stimmrechts legitimiert. Wenn aber die Satzung die Teilnahme an der Hauptversammlung und Ausübung des Stimmrechts von der Hinterlegung der Aktie abhängig macht, so ist, da das Recht in diesem Stadium noch als beurkundet gilt (RG 84, 316), die Teilnahme und Stimmrechtsausübung ohne Duldung der Gesellschaft und — wenn der Beschluß darauf beruht — ohne die Folge der Anfechtbarkeit des Beschlusses nicht möglich. Nach Erlaß des Ausschlußurteils bis zur Aushändigung einer Ersatzurkunde ist das Recht nicht mehr als beurkundet anzusehen. Nunmehr ist teilnähme-, anmeldungs- und stimmberechtigt, wer im Aktienbuch eingetragen ist. Eine Satzungsvorschrift, wonach die Aktie zu hinterlegen ist, ist, da eine Urkunde rechtlich nicht mehr vorhanden ist, f ü r ihn nicht anwendbar, jedoch hat der Eingetragene seine Teilnahme fristgemäß anzumelden und durch das Urteil nachzuweisen, daß die (zu hinterlegende) Urkunde f ü r kraftlos erklärt ist. Nach Aushändigung der Ersatzurkunde tritt die Satzungsvorschrift über die Hinterlegung wieder in Kraft. Bei abhandenen Inhaberaktien kann mangels Vorhandenseins einer Urkunde bis zum Ausschlußurteil das Stimmrecht überhaupt nicht ausgeübt werden. Danach wird die Legitimation nach § 1018 Z P O geführt. Muß nach Satzung die Aktie hinterlegt werden, so ist das Ausschlußurteil zu hinterlegen; dies verhindert wenigstens, daß ein anderer als legitimiert (nach § 1018 ZPO) auftritt. Eine Vollversammlung trotz abhanden gekommener Aktien ist auch dann nicht möglich, wenn der frühere Inhaber bekannt und anwesend ist, weil man nicht wissen kann, ob die Aktie nicht in gutgläubigen Besitz gelangt ist, wohl aber trotz vernichteter Aktien, sofern der frühere Inhaber anwesend ist und sein Recht trotz Vernichtung der Urkunde dartun 392

Kraftloserklärung von Aktien durdb die Gesellschaft

§§ 7 2 / 7 3 Anm. 6—8

kann, denn über die Anforderung an die Legitimation befindet, wenn sie nicht schon durch das Aktienbuch geführt wird, die Gesellschaft selbst, also Vorstand und Hauptversammlung. Auch das satzungsmäßige Erfordernis der Hinterlegung ist verzichtbar. Wenn der Vorstand oder ein Aktionär mit der Zulassung nicht einverstanden ist und letzterer zur Niederschrift widerspricht, ist der Beschluß anfechtbar, aber nur in dem sicher seltenen Fall, daß er auf den Stimmen der vernichteten Aktien beruht. 2. Gewinnanspruch Anm. 7: Durch die Kraftloserklärung werden auch noch nicht fällige Dividendenscheine, die auf den Inhaber lauten, nichtig. Dasselbe gilt für den Dividendenerneuerungsschein (Talon), nicht aber für Dividendenscheine, die auf den Namen lauten — diese bleiben trotz der Kraftloserklärung der Aktie oder des Zwischenscheins voll wirksam — und ferner nicht für bereits fällig gewesene Dividendenscheine. Solche können überhaupt nicht für kraftlos erklärt werden. Für sie gilt § 804 BGB. Danach kann der bisherige Inhaber eines abhanden gekommenen oder vernichteten Dividendenscheines der Gesellschaft vor Ablauf der Vorlegungsfrist (4 Jahre nach Ablauf des Jahres, in welchem die Dividende festgestellt wird) den Verlust anmelden. Nach Ablauf der Vorlegungsfrist kann er dann die Leistung aus dem verlorengegangenen Dividendenschein von der Gesellschaft verlangen (ebenso Kölner Komm. Anm. 11; B.-H. Rn. 6). VI. Verhältnis zu anderen Kraftloserklärungen Anm. 8: Absatz 3 besagt, daß eine Kraftloserklärung der Aktie auch durch das Gericht noch erfolgen kann, wenn bereits die Gesellschaft die Aktie für kraftlos erklärt hat. Der Aktionär, dem die Aktienurkunde abhanden gekommen ist, kann sie demgemäß nach Aufforderung der Gesellschaft auch nicht zum Umtausch oder zur Berichtigung vorlegen (§ 73), ebensowenig kann er von der Gesellschaft die Aushändigung der neuen Aktienurkunde verlangen, da er sich ihr gegenüber nicht legitimieren kann. Durch eine Kraftloserklärung durch das Gericht erhält der Aktionär ein Ausschlußurteil, womit er sich der Gesellschaft gegenüber legitimieren kann, so daß die Möglichkeit dieser Kraftloserklärung neben der durch die Gesellschaft bestehen muß.

§ 73 Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft (1) Ist der Inhalt von Aktienurkunden durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden, so kann die Gesellsdiaft die Aktien, die trotz Aufforderung nicht zur Berichtigung oder zum Umtausch 393

§ 73 Anna. 1 , 2

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

bei ihr eingereicht sind, mit Genehmigung des Gerichts für kraftlos erklären. Beruht die Unrichtigkeit auf einer Änderung des Nennbetrags der Aktien, so können sie nur dann für kraftlos erklärt werden, wenn der Nennbetrag zur Herabsetzung des Grundkapitals herabgesetzt ist. Namensaktien können nicht deshalb für kraftlos erklärt werden, weil die Bezeichnung des Aktionärs unrichtig geworden ist. Gegen die Entscheidung des Gerichts ist die sofortige Beschwerde zulässig; eine Anfechtung der Entscheidung, durch die die Genehmigung erteilt wird, ist ausgeschlossen. (2) Die Aufforderung, die Aktien einzureichen, hat die Kraftloserklärung anzudrohen und auf die Genehmigung des Gerichts hinzuweisen. Die Kraftloserklärung kann nur erfolgen, wenn die Aufforderung in der in § 64 Abs. 2 für die Nachfrist vorgeschriebenen Weise bekanntgemacht worden ist. Die Kraftloserklärung geschieht durch Bekanntmachung in den Gesellsdiaftsblättern. In der Bekanntmachung sind die für kraftlos erklärten Aktien so zu bezeichnen, daß sich aus der Bekanntmachung ohne weiteres ergibt, ob eine Aktie für kraftlos erklärt ist. (3) An Stelle der für kraftlos erklärten Aktien sind neue Aktien auszugeben und dem Bereditigten auszuhändigen oder, wenn ein Recht zur Hinterlegung besteht, zu hinterlegen. Die Aushändigung oder Hinterlegung ist dem Gericht anzuzeigen. (4) Soweit zur Herabsetzung des Grundkapitals Aktien zusammengelegt werden, gilt § 226. I. Ubersicht (Anm. 1 u. 2) II. Voraussetzungen der Kraftloserklärung (Anm. 3 u. 4) III. Verfahren der Kraftloserklärung 1. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 5) 2. Genehmigung des Gerichts (Anm. 6)

3. Aufforderung zum Umtausch (Anm. 7) 4. Bekanntmachung der Kraftloserklärung (Anm. 8) IV. Ausgabe neuer Aktien (Anm. 9) V. Zusammenlegung bei Kapitalherabsetzung (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: § 73 übernimmt im wesentlichen die Bestimmungen des § 67 AktG 37. Neu ist die Vorschrift des Abs. 2 S. 4 hinsichtlich der Bezeichnung der für kraftlos erklärten Aktien (s. Anm. 8). Auch Abs. 1 S. 4 ist neu eingefügt worden, ohne daß damit das geltende Recht geändert worden wäre (vgl. Anm. 6). Anm. 2: Befaßt sich § 72 mit der Kraftloserklärung abhanden gekommener Aktien, die im Interesse des vom Verlust betroffenen Aktionärs auf seinen Antrag in einem gerichtlichen Aufgebotsverfahren erfolgt, so sieht § 73 394

Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft

§ 73 Anm. 2 , 3

im Interesse der Gesellschaft die Möglichkeit vor, unrichtig gewordene Aktien (oder Zwischenscheine) für kraftlos zu erklären, um den Umtausdi in richtige zu erzwingen, wenn die Aufforderung, sie zur Berichtigung einzureichen, erfolglos geblieben ist. Das Ziel ist nicht die Aushändigung einer neuen Urkunde an einen nicht zweifelsfrei legitimierten Prätendenten, wie nach § 72, was die Gefahr mit sich bringt, daß ein von ihm verschiedener wahrer Berechtigter geschädigt wird. Vielmehr wird die neue Urkunde an den Aktionär ausgehändigt, der sich durch Vorlegen der alten Urkunde ausweist. Die Gefahr, daß ihm ein Schaden erwächst, besteht also nicht; darum hat das Gesetz die Kraftloserklärung der Gesellschaft selbst nach freiem Ermessen überlassen, die dazu nur gerichtlicher Genehmigung bedarf. Zuständig ist der Vorstand. Wie in § 72 bleiben auch nach § 73 Recht und Rechtsstellung des Aktionärs von der Kraftloserklärung unberührt, nur die bisherige Urkunde wird ungültig. Das Eigentum an der neuen Urkunde steht nach § 952 BGB ohne weiteres dem bisherigen Aktionär zu. Ihm ist sie gegen Ausweis (z. B. durch die alte Urkunde) auszuhändigen, evtl. ist sie zu hinterlegen (vgl. Herwig in DJ 1935, 112). Die Satzung kann von § 73 nicht abweichen. Der Fall einer von vornherein unrichtigen Urkunde — sie lautet fälschlich über 1200,— DM statt über 1000,—DM — dürfte analog zu § 73 zu behandeln sein. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn über dasselbe Recht zwei Urkunden ausgefertigt und ausgegeben wurden. Gutgläubiger Erwerb des Rechts mittels der zweiten Urkunde ist nicht möglich. Trotzdem ist § 73 nur anwendbar, wenn die Urkunde sich von der ersten äußerlich unterscheidet (z. B. vielleicht durch eine andere Nummer) und daher individuell bezeichnet werden kann. II. Voraussetzungen der Kraftloserklärung Anm. 3: Voraussetzung der Anwendung des § 73 ist, daß die Aktienurkunde durch eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden ist und daß die Aufforderung, sie zur Berichtigung einzureichen (Anm. 8), erfolglos war. In Frage kommen z.B.: Änderung von Sitz oder Firma, Umwandlung von Namensaktien in Inhaberaktien und umgekehrt, Einräumung bzw. Beseitigung von Sonderrechten für bestimmte Aktiengattungen, Änderung der Nebenleistungen oder des Nennbetrages (vgl. hierzu Anm. 4). Dagegen wird die Urkunde nicht wegen Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig dadurch, daß die Gesellschaft aufgelöst und abgewickelt oder verstaatlicht ist; dies ergibt unmittelbar § 346 VII und die Undurchführbarkeit des § 73 in diesem Fall. Namensaktien können nicht deshalb für kraftlos erklärt werden, weil die Bezeichnung des Aktionärs unrichtig geworden ist. Es besteht hierfür auch keinerlei Bedürfnis für die Gesellschaft, da ihr gegenüber nach § 67 II nur derjenige als Aktionär gilt, der im Aktienbuch eingetragen ist. 395

§ 73

Anm. 4—6

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anm. 4: Eine Sondervorschrift gilt für den Fall, daß die Unrichtigkeit der Aktienurkunde in einer Änderung des Nennwertes der Aktie liegt. Es darf nur dann die Aktie für kraftlos erklärt werden, wenn der Nennbetrag zur Herabsetzung des Grundkapitals herabgesetzt ist. Für die Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung der Aktien gilt, wie Abs. 4 ausdrücklich feststellt, § 226, während im Fall der Herabsetzung des Nennbetrages der einzelnen Aktie ausschließlich § 73 gilt. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die Anwendung des § 73 in allen anderen Fällen der Änderung des Nennwertes, z. B. seiner Erhöhung oder einer Neustückelung. III. Verfahren der Kraftloserklärung 1. Anzuwendende Vorschriften Anm. 5: Die Gesellschaft kann die Aktie für kraftlos erklären. Es finden auf das Verfahren nicht wie im Fall des § 72 die Vorschriften der ZPO Anwendung, vielmehr regelt es § 73 selbst (Abs. 2 und 3). Die Kraftloserklärung hat keinen Einfluß auf das Aktienrecht, sondern vernichtet lediglich die rechtliche Wirksamkeit der Aktienurkunde. Über die Unterschiede zu § 72 vgl. Anm. 2. Die Gesellschaft ist berechtigt, die Kraftloserklärung in die Wege zu leiten, wenn die Voraussetzungen vorliegen, aber grundsätzlich nicht hierzu verpflichtet. Allerdings wird der Börsenvorstand von solchen Gesellschaften, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, meist die Kraftloserklärung verlangen und evtl. Zwangsmaßnahmen ergreifen, insbesondere die im Umlauf befindlichen unrichtigen Urkunden für nicht mehr lieferbar erklären. 2. Genehmigung des Gerichts Anm. 6: Die Gesellschaft bedarf zur Kraftloserklärung der Genehmigung des Gerichts, und zwar des Amtsgerichts ihres Sitzes (§ 14). Das Gesetz bestimmt nicht, nach welchen Gesichtspunkten die Genehmigung zu erteilen oder zu versagen ist. Sein pflichtmäßiges Ermessen entscheidet (bestritten). Die Genehmigung wird nur dann zu verweigern sein, wenn die Unrichtigkeit so unbedeutend ist, daß deshalb im Interesse der Aktionäre die Kraftloserklärung nicht zweckmäßig erscheint, z. B., wenn sich lediglich die Schreibweise der Firma geändert hat. Für das Verfahren vor dem Gericht ist FGG maßgebend. Das Gesetz bestimmt die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel einzulegen. Eine Aufführung dieser Bestimmung war überflüssig, da sich diese Folge bereits aus § 146 FGG ergibt; danach ist bereits die sofortige Beschwerde zugelassen und weiterhin bestimmt, daß gegen die Entscheidung des Gerichts, wonach die Genehmigung erteilt wird, eine Anfechtung ausgeschlossen ist. Grund hierfür ist die Tatsache, daß nur der Aktionär in diesem Fall beschwert sein kann und darum nur er als zur 396

Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft

§ 73

Anm.6—8

Einlegung eines Rechtsmittels Berechtigter angesehen werden kann; der Aktionär ist jedoch nicht Beteiligter im Sinne der FGG. Unerwähnt gelassen hat das Gesetz die Möglichkeit einer evtl. weiteren sofortigen Beschwerde gemäß den §§ 27 und 29 II FGG. Aus der Tatsache des Nichterwähnens ist jedoch nicht zu schließen, daß die Möglichkeit einer weiteren sofortigen Beschwerde ausgeschlossen sein soll. Es bleibt mithin bei der Anwendung der §§ 27 und 29 II FGG. 3. Aufforderung

zum Umtausch

Anm. 7: Die Gesellschaft hat zunächst die Aktionäre aufzufordern, die Aktien einzureichen und dabei auf die gerichtliche Genehmigung hinzuweisen und die Kraftloserklärung mit Bestimmung einer Frist für die Vorlage zum Umtausch in eine neue Urkunde anzudrohen. Die Frist ist keine Ausschlußfrist. Für die Aufforderung gilt § 64 II, sie muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden, erstmals mindestens drei Monate, letztmals einen Monat vor Fristablauf, und zwischen den einzelnen Bekanntmachungen muß ein Zeitraum von mindestens drei Wochen liegen (vgl. Anm. 6 und 7 zu § 64). Für die Übergangszeit ist wegen der Verweisung auf § 64 audi hier § 11 E G zu beachten. Nach herrschender Ansicht gilt trotz des Wortlautes des Abs. 2 („bekannt gemacht wird") auch Anm. 7 zu § 64 für vinkulierte Namensaktien (Kölner Komm. Anm. 13). 4. Bekanntmachung

der

Kraftloserklärung

Anm. 8: Nach ergebnisloser Aufforderung erfolgt die Kraftloserklärung in den Gesellschaftsblättern einmal und ist vollendet, sobald die Bekanntmachung in dem zuletzt erscheinenden Gesellschaftsblatt erschienen ist (vgl. § 64 Anm. 8). Durch die Kraftloserklärung wird sowohl die Aktienurkunde als auch der Dividendenschein und der Dividendenerneuerungsschein nichtig, vgl. Anm. 8 zu § 72 (einschränkend Barz in Großkomm. Anm. 4); das Anteilsrecht bleibt jedoch unberührt. Neu normiert wurde, daß die für kraftlos erklärten Aktien so zu bezeichnen sind, daß sich aus der Bekanntmachung klar ergibt, welche Aktie gemeint ist (Abs. 2 S. 4). Diese Bestimmung ist zum Schutz des Rechtsverkehrs aufgenommen worden. Der Besitzer einer Aktie muß aus der Bekanntmachung und aus der Urkunde ersehen können, ob seine Aktie von der Kraftloserklärung erfaßt ist. Es kann ihm nicht zugemutet werden, weitere Nachforschungen anzustellen. Die Angabe der Stückenummer reicht jedenfalls zur genügenden Bezeichnung aus, wird aber auch fast immer erforderlich sein. Auf sie kann nur dann verzichtet werden, wenn die in der Bekanntmachung enthaltenen Angaben die für kraftlos erklärte Aktie klar bestimmen lassen. 397

§§ 7 3 / 7 4 Anm. 9,10

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

IV. Ausgabe neuer Aktien Anm. 9: Anstelle der für kraftlos erklärten Aktien sind neue Aktienurkunden auszugeben und den Berechtigten auszuhändigen. Ist ein Berechtigter unbekannt, so kann die Urkunde, nicht etwa der Verkaufserlös, hinterlegt •werden. Die früher herrschende Ansicht, daß unter Verzicht auf Rücknahme zu hinterlegen sei, ist nadi dem Aktiengesetz unbegründet. Die Aushändigung oder Hinterlegung der neuen Urkunde ist dem Registergericht anzuzeigen und durch Ordnungsstrafe erzwingbar (§ 407 I). V. Zusammenlegung bei Kapitalherabsetzung Anm. 10: Die Kraftloserklärung nach § 226 im Zuge einer Zusammenlegung schließt, anders als bei der Kapitalherabsetzung durch Ermäßigung des Nennbetrages (s. § 73 I S. 2 und oben Anm. 2), notwendigerweise eine Rechtsentziehung ein, weil ohne diese die mehreren regelmäßig verschiedenen Aktionären zustehenden Aktienrechte nicht zu einer Aktie vereint werden könnten. Es schließt sich ihr ferner notwendigerweise die Verwertung der Aktien für Rechnung der Beteiligten an, weil zwar eine Rechtsgemeinschaft an der zusammengelegten Aktie denkbar, aber nicht feststellbar wäre, welche der ehemaligen Aktionäre der für kraftlos erklärten Aktien je zu einer Rechtsgemeinschaft vereint sind. Dies macht die sofortige Auseinandersetzung durch Verwertung der Aktie notwendig, denn ohne weiteres kann für jeden einzelnen ehemaligen Aktionär (Inhaber der für kraftlos erklärten nach ihrer Nummer bekannten Urkunde) der Erlösanteil hinterlegt werden. Von alledem ist selbstverständlich in den Fällen des § 73 nicht die Rede, auch nicht, wenn es sich um Unrichtigkeit der Urkunde infolge Nennbetragsermäßigung zwecks Kapitalherabsetzung handelt (die wegen § 8 I seltener praktisch werden wird), weil ja nur anstelle der bisher unrichtig gewordenen Urkunde eine neue richtige für ein bestehenbleibendes Recht herzustellen und dem Inhaber des Rechts auszufolgen ist.

§ 74

Neue Urkunden an Stelle beschädigter oder verunstalteter Aktien oder Zwischensdieine Ist eine Aktie oder ein Zwischenschein so beschädigt oder verunstaltet, daß die Urkunde zum Umlauf nicht mehr geeignet ist, so kann der Berechtigte, wenn der wesentliche Inhalt und die Unterscheidungsmerkmale der Urkunde noch sicher zu erkennen sind, von der Gesellschaft die Erteilung einer neuen Urkunde gegen Aushändigung der alten verlangen. Die Kosten hat er zu tragen und vorzuschießen. 398

Neue Gewinnanteilsdieine

§75

Anm. 1 — 3

§ 75 Neue Gewinnanteilsdieine Neue Gewinnanteilsdieine dürfen an den Inhaber des Erneuerungssdieins nicht ausgegeben werden, wenn der Besitzer der Aktie oder des Zwisdiensdieins der Ausgabe widerspricht; sie sind dem Besitzer der Aktie oder des Zwisdiensdieins auszuhändigen, wenn er die Haupturkunde vorlegt. Anm. 1: Die Vorschrift entspricht inhaltlich dem § 69 AktG 37. Der Erneuerungsschein (Talon) kann, wenn er entsprechend § 793 BGB ausgestaltet ist, Inhaberpapier sein und selbständig den Anspruch auf die neuen Gewinnanteilscheine begründen und verkörpern, auch bei der Namensaktie. Regelmäßig ist das nicht der Fall und der Talon nur ein Legitimationspapier für die Ausübung des aus der Aktie selbst hervorgehenden Anspruchs. Nach ausdrücklicher Erwähnung trifft dies auch für Talons zu, welche zu Zwischenscheinen und folgerichtig auch für solche, welche zu Namensaktien gehören. Es begründet in diesen beiden Fällen eine Abweichung von § 67 II, aber die Legitimation des Besitzers (legitimierten Inhabers, auch bei Namensaktien) des Aktienmantels ist stärker. Widerspricht er, sind die neuen Gewinnanteilsdieine mit dem neuen Erneuerungsschein ihm auszuhändigen. Die Gesellschaft ist jeder Prüfung, wer recht hat, enthoben. Anm. 2: Als Urkunde teilt der Erneuerungsschein das Schicksal der Haupturkunde und ist ungültig, wenn sie ungültig ist, kraftlos, wenn sie kraftlos ist. Anm. 3: Davon verschieden ist die Frage, ob er das rechtliche Schicksal des durch die Haupturkunde verkörperten Rechtes teilt. Zubehör im Sinne des § 97 BGB ist er nicht, weil er keine bewegliche körperliche Sache im Sinne des BGB ist (§ 90 BGB). Sdiuldreditlich werden ihn alle auf das Aktienrecht und die Haupturkunde bezüglichen Verpflichtungen mitergreifen. Dinglich gilt dasselbe, wenn er nicht ausnahmsweise ein selbständiges Inhaberpapier ist (siehe Anm. 1). Nur in diesem Ausnahmefall begründet und verkörpert er selbst einen Anspruch, regelmäßig aber nicht, sondern nur eine Legitimationsstellung, welche der stärkeren Legitimationskraft der Haupturkunde zu weichen hat. Im Regelfall ist er also eines selbständigen dinglichen Schicksals nicht fähig. Die Vorschrift stimmt mit dem § 68 AktG 37 überein. Während § 72 sich mit vernichteten und unkenntlich gewordenen oder abhanden gekommenen, § 73 mit unrichtig gewordenen Aktienurkunden beschäftigt, behandelt § 74 den Fall der Beschädigung oder Verunstaltung der Urkunde. § 74 kommt nur in Frage, wenn die wesentlichen Merkmale der Aktien noch vorhanden sind. Ist das nicht der Fall, muß eine Kraftloserklä399

§75

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellsdiafter

Anm. 3—5 rung gem. § 72 erfolgen. § 74 gilt sowohl für Namens- als auch für Inhaberaktien. Der Berechtigte ist legitimierter Inhaber der beschädigten Urkunde, bei Namensaktien im Verein mit der Eintragung im Aktienbuch.

Anm. 4: Dies ist wichtig für die Begründung selbständiger Nutzungsrechte an der Aktie. Da die Legitimationskraft des Erneuerungssdieines vor der Urkunde zu weichen hat, ist die Übergabe des Erneuerungssdieines nicht geeignet, einen Nießbrauch zu begründen oder die Abtretung der Gewinnansprüche für einen die ausgegebenen Dividendenscheine überschreitenden Zeitraum (siehe Anm. 5) zu bewirken. In beiden Fällen ist Übergabe des Aktienmantels erforderlich. Anm. 5: Für die selbständige Veräußerung des Gewinnrechts im besonderen ist zu erwähnen, daß zwar der Anspruch auf den Bilanzgewinn der Gesellschaft durch diese verselbständigt und in einem Genußschein verkörpert werden kann, daß aber das mit der Aktie verbundene Gewinnrecht von dem Aktionär nadi dem Grundsatz des § 8 nicht dauernd von ihr abgetrennt und selbständig veräußert werden kann (vgl. § 8 Anm. 7). Selbständig veräußert werden kann nur der Gewinnanteil bestimmter künftiger Jahre. Der Erwerber erwirbt nur eine Hoffnung, denn er hat keinen Einfluß auf die Gewinnausschüttung. Die Veräußerung erfordert Übergabe der Dividendenscheine, wenn diese auf bestimmte Jahre lauten. Schwierigkeit bereitet die Begrenzung, wenn die Gewinnanteilsdieine nur Nummern haben, die nur in Gewinnjahren, mitunter aber auch für Bezugsrecht verwendbar sind. Wenn Gewinnanteilscheine überhaupt nicht ausgegeben sind, ist Übergabe des Aktienmantels erforderlich. Dies folgt konstruktiv aus der Natur des Gewinnanspruchs als eines Ausflusses des Aktienrechts, das selbst nur durch Übergabe der Urkunde übertragen werden kann, und praktisch daraus, daß andernfalls nur der Aktionär durch den Besitz der Urkunde in der Lage wäre, den Gewinnanteil einzuziehen. Hierher ist auch der in Anm. 4 erwähnte Fall zu zählen, daß der Gewinnanteil für einen längeren Zeitraum abgetreten werden soll, als für den, für den Dividendenscheine ausgegeben sind. Die Übergabe des Erneuerungsscheines genügt nicht.

400

Leitung der Aktiengesellschaft

§76 Anm. 1,2

VIERTER TEIL

Verfassung der Aktiengesellschaft Erster Abschnitt Vorstand § 76 Leitung der Aktiengesellschaft (1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. (2) Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Deutsche Mark hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, daß er aus einer Person besteht. Die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors bleiben unberührt. (3) Mitglied des Vorstands kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. I. Übersicht (Anm. 1—3) II. Leitung 1. Grundsatz der Gesamtvertretung (Anm. 4) 2. Grundsätze für die Leitung (Anm. 5—7) III. Eignung zum Vorstand (Anm. 8 u. 9)

IV. Zahl der Vorstandsmitglieder (Anm. 10 u. 11) V. Besondere Vertreter 1. für Westvermögen von Ostfirmen (Anm. 12) 2. Besondere Vertreter nach § 30 BGB (Anm. 13)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift hat aus § 70 I AktG 37 den Grundsatz übernommen, daß der Vorstand die Gesellschaft zu leiten hat. Weggefallen ist die Bestimmung, daß dies so zu erfolgen hat, wie es das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen erfordern. Es ist damit aber keine Änderung der bisherigen Rechtslage eingetreten (s. Anm. 5—7; einschränkend Meyer-Landrut Anm. 9; s. auch Hanau in BB 1969, 760 f.). Im übrigen entspricht Abs. 2 S. 1 dem § 70 II S. 1 AktG 37. Weggefallen ist die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorstandsvorsitzenden. Abs. 3 übernimmt sinngemäß § 7 5 1 S. 3 AktG 37; neu sind die Bestimmungen des Abs. 2 S. 2 und 3 (s. Anm. 10 und 11). Anm. 2: Die Gesellschaft kann im Rechtsleben nur durch bestimmte Personen oder Personenmehrheiten, ihre Organe, auftreten. Man unterscheidet 401

§ 76

Anm. 2,3

Verfassung der Aktiengesellschaft

zwischen notwendigen Organen, die kraft Gesetzes bestehen müssen, und fakultativen, die durch die Satzung vorgesehen werden können. Die notwendigen Organe sind: Vorstand (§§ 76—94) Aufsiditsrat (§§ 95—114) Abschlußprüfer (§§ 162—169) Hauptversammlung (§§ 118—128). Jedes Organ hat gesetzlich seine eigenen Aufgaben, die grundsätzlich auch aufgrund Satzung nicht von einem anderen ausgeübt werden können. Dem Vorstand liegt die Vertretung und Geschäftsführung ob, er hat mithin die Funktion des Unternehmers (s. Dose S. 53; Meyer-Landrut in Großkomm. Einleitung zu § 76). Der Aufsiditsrat hat den Vorstand zu überwachen (§ 111). Maßnahmen der Geschäftsführung können ihm nach § 111IV nicht übertragen werden. Der Abschlußprüfer hat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß unter eigener Verantwortung zu prüfen (§ 162). Die Hauptversammlung hat über alle mit dem wirtschaftlichen oder rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängenden Fragen zu entscheiden, dagegen ist ihr durch § 119 II eine Entscheidung über Fragen der Geschäftsführung ausdrücklich genommen, es sei denn, der Vorstand verlangt es von ihr. Nach § 30 BGB kann die Satzung als Ergänzung nach § 23 V S. 2 neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte besondere Vertreter vorsehen, deren Vertretungsmacht sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte erstreckt, die ihr Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt (siehe hierüber Anm. 13). Dies ist wichtig wegen der Verantwortlichkeit der Gesellschaft aus § 31 BGB. Als satzungsmäßiges Organ kommen außerdem neben dem Aufsichtsrat noch Beiräte vor. Anm. 3: Die Gesellschaft muß einen Vorstand haben, kann ohne ihn nicht entstehen (Argument aus § 39), wird aber nicht aufgelöst, wenn beispielsweise wegen Todes oder Abberufung ein Vorstand nicht vorhanden ist. Es können die Prokuristen oder sonstigen Angestellten und Bevollmächtigten der Gesellschaft deren Geschäfte führen (ähnlich Möhring in NJW 66, 5). Der Aufsiditsrat hat unverzüglich einen neuen Vorstand zu bestellen, oder das Gericht bestellt auf Antrag einen neuen Vorstand (§ 85). Dasselbe gilt, wenn die satzungsmäßig etwa bestimmte Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern nicht mehr vorhanden sein sollte. Über Bestellung und Widerruf im allgemeinen siehe § 84, Namensangabe nach außen § 80. Der Vorstand leitet die Gesellschaft unter eigener Verantwortung, die ihm weder durch einen Beschluß der Hauptversammlung noch durch eine Anweisung des Aufsiditsrates grundsätzlich genommen werden kann. Selbst wenn der Vorstand nach § 119 II eine Entscheidung der Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung herbeiführt, ist er an diesen Beschluß nicht 402

Leitung der Aktiengesellschaft

§76 Anm. 3—5

gebunden (vgl. § 119 Anm. 6). Ein solcher Beschluß befreit den Vorstand nach § 93 IV von der Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft, nicht aber von seiner Haftung gegenüber den Gläubigern (vgl. § 93 Anm. 22). Auch eine Anweisung des Aufsichtsrates kann ihm die Verantwortung nicht nehmen (siehe § 93 Anm. 23), wohl aber muß er die ihn durch Gesetz und Satzung oder Aufsichtsratsbeschluß auferlegten Beschränkungen beachten (vgl. § 82 Anm. 7 bis 9; siehe auch ausführlich S. Wilhelmi in Handbuch für den Aufsichtsrat). Die Leitung der Gesellsdiaft ist die Pflicht des Vorstandes und dementsprechend sein Recht. Er haftet nach § 93 I für die Sorgfalt eines ordentlichen gewissenhaften Geschäftsleiters (vgl. dort Anm. 4). Er ist der Vorgesetzte der Angestellten. Über das Ausmaß der Tätigkeit des Vorstandes bestehen keine gesetzlichen, meist aber vertragliche Bestimmungen. Vorbehaltlich letzterer kann der Vorstand über seine Zeit und Arbeitskraft audi anderweit verfügen, soweit das Wohl der Gesellschaft nicht darunter leidet. IL Leitung 1. Grundsatz der Gesamtvertretung Anm. 4: Der Vorstand leitet das Unternehmen in eigener Verantwortung. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so ist grundsätzlich zu Beschlüssen Einstimmigkeit erforderlich. Das Gesetz sieht das in § 77 II S. 1 für Beschlüsse über die Geschäftsführung ausdrücklich vor. Im übrigen wird diese Frage stets in der Satzung oder Geschäftsordnung für den Vorstand gesondert geregelt sein (§ 77 II S. 1). Nach innen kann zwar die Geschäftsführung des Vorstandes in gewissem Umfange eingeschränkt werden (§ 82 II), aber aus der Stellung des Leiters kann er nicht verdrängt werden. Dies gilt aber nur nach innen in seinem Verhältnis zu den anderen Geschäftsorganen und hindert nicht, daß die Gesellschaft selbst vertraglich sich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet und ihre geschäftliche Freiheit aufgibt. Selbständigkeit der Gesellschaft und Selbständigkeit des Vorstandes als Leiter der Gesellschaft in seinem Verhältnis gegenüber anderen Gesellschaftsorganen ist zweierlei (ebenso BGH 36, 315; Kölner Komm. Anm. 4). H a t die Gesellschaft Unternehmensverträge geschlossen, die ihre Selbständigkeit beeinträchtigen (§§ 291, 292), so hat sie natürlich diese genauso zu erfüllen wie andere Verträge und hat der Vorstand die Vertragserfüllung durchzuführen. 2. Grundsätze für die Leitung Anm. i: Das Gesetz enthält keine Bestimmung mehr über die Art der Leitung der Gesellschaft. In den Ausschuß-Sitzungen ist versucht worden, auch in dem neuen Gesetz hervorzuheben, daß die Gesellschaft das Unter403

§76

Anm. 5, 6

Verfassung der Aktiengesellschaft

nehmen unter Berücksichtigung des Wohls der Arbeitnehmer, der Aktionäre und der Allgemeinheit zu betreiben hat. Der Grund hierfür lag in der Befürchtung, die Gerichte könnten aus der Weglassung dieser Bestimmung den Schluß ziehen, der Vorstand habe nicht mehr wie bisher das öffentliche Wohl und das Wohl der Arbeitnehmer zu beachten. Eine derartige Befürchtung ist jedoch fehl am Platze. Es ergibt sidi bereits aus § 396, daß jede Aktiengesellschaft, auch wenn ihre Tätigkeit auf die Erzielung eines Gewinns gerichtet ist, sich in die Gesamtwirtschaft und in die Interessen der Allgemeinheit einfügen muß. Daß die Gesellschaft auch das Wohl ihrer Arbeitnehmer zu beachten hat, ist in einem sozialen Rechtsstaat selbstverständlich und ergibt sich im übrigen aus einer Vielzahl von Rechtsvorschriften, die die Ausgestaltung dieses Grundsatzes im einzelnen näher regeln (Kündigungsschutzgesetz, Schwerbeschädigtengesetz, Betriebsverfassungsgesetz und Unfallverhütungsvorschriften). Schließlich versteht es sich von selbst, daß die Gesellschaft auch nicht über die Interessen ihrer Aktionäre hinweggehen darf (s. Dose S. 56). Daraus ergibt sich für die Art der Leitung: der Vorstand leitet die Gesellschaft, wie es das Interesse der Aktionäre verlangt, aber nidit nur der augenblicklichen (erst recht nicht nur des Augenblicks; vgl. Henn in MDR 1957, 392 ff.; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 11), sondern auch der künftigen, das ist der Bestand und die Entwicklung des Unternehmens, und mit gewissenhafter Rücksicht auf das Wohl der Arbeitnehmer und den gemeinen Nutzen der Allgemeinheit, d. h. der Gesamtwirtschaft, in die das Unternehmen eingeordnet ist (hierzu eingehend Leo in Die AktGes 60, 261 ff. und 292 ff.; vgl. auch Mertens in NJW 1970, 1718 ff.). Diese Richtschnur gilt immer, z. B. auch bei Aufstellung des Jahresabschlusses, Bemessung der Rücklagen und des verteilungsfähigen Gewinns und beim Gewinnverwendungsvorschlag. Anm. 6: Ein weiterer Grund für die Nichtaufnahme einer Richtschnur für die Leitung der Gesellschaft war die Befürchtung, aus der Aufzählung könne eine Rangordnung der einzelnen Interessen herausgesehen werden. Sämtliche zu wahrenden Interessen sind jedoch untereinander gleichwertig, wie sich aus der obigen Zusammenfassung (siehe Anm. 5) ergibt. So ist die Feststellung des Bundesgerichtshofes (BGH 15, 78) abzulehnen, wonach sich der Vorstand dem Aktionär gegenüber lediglich loyal zu verhalten habe, ebenso kann Leo (Die AktGes 1957, 156 f.) nicht gefolgt werden, der vom Vorstand in erster Linie die Förderung des Gesellschaftsinteresses verlangt, womit er das Aktionärsinteresse auf höchst mögliche Erträgnisse identifiziert, vielmehr sind alle Interessen — die der Gesellschaft, des Aktionärs, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit — in gleicher Weise zu berücksichtigen. Meyer-Landrut (in Großkomm. Anm. 9) will den Interessen der Allgemeinheit den Vorrang 404

Leitung der Aktiengesellschaft

§ 76 Anm. 6—9

gegenüber allen anderen Interessen geben. Die hierzu gegebene Begründung reicht aber u. E. nicht aus; vgl. zu dieser Frage auch Ballerstedt in JZ 1968, 397 ff. Anm. 7: Das Interesse der Arbeitnehmer ist schon weitgehend vom Gesetzgeber selbst geregelt worden. Den Arbeitnehmern ist über die Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt worden (§§ 56 ff., 60 ff., 67 ff. Betriebsverfassungsgesetz). Der Arbeitsdirektor wurde geschaffen (§ 12 MitbestG, § 13 MitbestErgG), '/ 3 der Aufsichtsratsmitglieder einer Gesellschaft müssen Arbeitnehmer sein, es sei denn, es handelt sich um Familienbetriebe oder sogenannte Tendenzbetriebe. Ferner sei hingewiesen auf das Kündigungsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Verbot der Kinderarbeit, Schwerbesdiädigtengesetz usw. Selbstverständlich sind all diese gesetzlichen Regelungen nicht erschöpfend. Unter dem Wohl der Belegschaft ist nodi mehr zu verstehen. Der Vorstand hat den Umfang der freiwilligen sozialen Leistungen festzusetzen. III. Eignung zum Vorstand Anm. 8: Persönliche Eigenschaften als Voraussetzung der Vorstandsfähigkeit sieht das Gesetz nicht vor; so kann auch ein Ausländer oder eine Frau Vorstand sein, nidit aber nach neuer Bestimmung beschränkt geschäftsfähige, also minderjährige, ebenfalls nicht geschäftsunfähige Personen, weil ihre Geschäfte nichtig sind, ebensowenig eine juristische Person. Die Satzung kann ergänzende Vorschriften erlassen. Ob der Verlust der Eignung automatisch das Ende des Amtes oder die Notwendigkeit seiner Beendigung durch Widerruf oder Amtsniederlegung herbeiführt, hängt davon ab, ob es sich um gesetzlidie oder satzungsmäßige Nichteignung handelt. Im ersten Fall erlischt sein Amt automatisch (so die herrschende Lehre; s. BGH in WM 1970, 478; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 17); im zweiten ist der Aufsichtsrat zum Widerruf verpflichtet (a. A. Kölner Komm. Anm. 46, der allerdings anerkennt, daß meist ein wichtiger Grund vorliegt). Zu beachten ist, daß es Fälle gibt, in denen das nicht mehr geeignete Vorstandsmitglied dennoch als Vorstand handeln kann, solange es als solches im Handelsregister eingetragen ist (z. B. § 121 II S. 2). Nach § 105 können Mitglieder des Aufsiditsrates nicht zugleich Mitglieder des Vorstands sein. Gewissen Personen, z. B. Beamten, Bundespräsidenten und den Mitgliedern der Bundesregierung kraft Verfassungsredits, sowie den Mitgliedern der meisten Landesregierungen der Bundesländer, ist durch besondere Gesetze verboten, in den Vorstand einer Gesellschaft einzutreten; die Übertretung dieser Bestimmung ist jedoch für das Aktienrecht bedeutungslos. Anm. 9: Eine juristische Person kann nicht Vorstandsmitglied sein, dies erklärt sich aus dem Wesen des Vorstandsamtes. Der Vorstand ist der Han405

§ 76 Anm. 9,10

Verfassung der Aktiengesellschaft

delnde einer juristischen Person, also kann dies nicht wieder eine andere juristische Person sein, die wiederum nur durch eine natürliche Person handeln könnte, da das „Handeln" ein persönliches Tätigwerden voraussetzt. Es war nach bisherigem Recht streitig, ob ein beschränkt Geschäftsfähiger Vorstandsmitglied sein könne. Die Rechte und Pflichten eines Vorstandes — insbesondere die Leitung der Gesellschaft, die Haftung usw. — erfordern die Geschäftsfähigkeit der Vorstandsmitglieder, darum hat der Gesetzgeber diese Streitfrage auch in diesem Sinne geregelt. IV. Zahl der Vorstandsmitglieder Anm. 10: Bisher stand es allen Gesellschaftern frei, ob sie nur ein oder mehrere Vorstandsmitglieder bestellen wollten. § 76 II S. 2 ändert dies insofern, als bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als DM 3 000 000,— der Vorstand aus mindestens zwei Personen bestehen soll, wozu auch stellvertretende Mitglieder zählen (Bürger in DB 66, 101; Kölner Komm. Anm. 36). Bis zu einem Grundkapital von DM 3 000 000.— einschl. kann es daher bei einem Vorstandsmitglied verbleiben. Die Vorschrift ist zum Schutz der Aktionäre erlassen; daneben geht der Gesetzgeber davon aus, daß die Arbeitslast des Vorstandes meist die Kraft einer Person übersteigt und die Verantwortung für die geschäftlichen Maßnahmen häufig so groß ist, daß sie auf mehrere Personen verteilt werden sollte. Auch hat ein mehrköpfiger Vorstand den Vorzug, daß die Mitglieder sich wegen ihrer gesamtschuldnerischen Haftung wechselseitig überwachen und dadurch die Gefahr von Mißbräuchen verringert wird (Begründung zum Regierungsentwurf). Da die Bestimmung den Aktionär schützen soll, kann er auch darauf verzichten, indem er eine anders lautende Satzungsbestimmung beschließt. Obermüller-Werner-Winden (in die HV der AG S. 42) und Lehmann (S. 42) wollen aus der Formulierung des Gesetzes „ . . . aus einer Person besteht" herleiten, daß die Satzung nicht alternativ bestimmen könne, der Vorstand bestünde aus einem oder mehreren Mitgliedern (ebenso Barz in Die AktGes 66, 41). Dieser Ansicht können wir nicht folgen. Es ergibt sich aus der Regierungsbegründung, daß die Bestimmung zum Schutz der Aktionäre eingefügt worden ist und darum auch in der Satzung auf diesen Schutz verzichtet werden kann. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dieser Verzicht eine schärfere Folge haben sollte, als die allgemeine Regelung für Gesellschaften von einem Grundkapital bis zu DM 3 000 000,—. Nach dieser kann die Satzung alternativ eine oder mehrere Personen als Vorstandsmitglieder vorsehen. Wenn die Satzung auf die für den Aktionär ergangene Schutzvorschrift verzichten kann, so kommt damit zum Ausdruck, daß in einem derartigen Fall die allgemeine Regelung Platz greifen soll. Das aber bedeutet, daß auch nach § 76 II S. 2 die Satzungsbestimmung: „Der Vorstand besteht aus einem oder mehreren Mitgliedern" als zulässig angesehen werden muß und auch der Vorstand einer Gesellschaft 406

Leitung der Aktiengesellschaft

§76 Anm. 10—13

mit mehr als DM 3 000 000,— Grundkapital dann ordnungsgemäß besetzt ist. Dieser Auffassung steht auch nicht — wie die Gegenmeinung ausführt — der Wortlaut des Gesetzes entgegen; denn wenn die Satzung eine Alternative enthält, so bestimmt sie eben u. a. auch, daß der Vorstand „aus einer Person besteht" (so auch Möhring in N J W 66, 5; B.-H. Rn. 10; Knorr in DNotZ 66, 340; Möhring-Tank I Rz 196; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 13; Kölner Komm. Anm. 35; offenbar auch, aber nicht klar, Baiser S. 62). Anm. 11: Durch die Bestimmung des Abs. 2 S. 2 bleiben die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors unberührt (Abs. 2 S. 3). Kann ein Arbeitsdirektor nach den Vorschriften des Mitbestimmungsrechts der Arbeitnehmer nicht alleiniges Vorstandsmitglied sein, so will die neue Bestimmung an dieser Rechtslage nichts ändern. Mitbestimmte Gesellschaften müssen daher zwei Vorstandsmitglieder haben, da gem. § 13 des Mitbestimmungsgesetzes der Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied bestellt werden muß (Boldt § 13 Anm. 2 a). Darum ist für diese Gesellschaft die Möglichkeit des § 76 II S. 1 nicht anwendbar, wonach der Vorstand aus nur einer Person bestehen kann (Müller-Lehmann § 13 Anm. 7). V. Besondere Vertreter 1. für Westvermögen von Ostfirmen Anm. 12: Schwierigkeiten haben sich durch die Teilung Deutschlands hinsichtlich der sich im Westen befindlichen Vermögensteile ostdeutscher Gesellschaften ergeben. § 2 II DM-Bilanzgesetz hat daher bestimmt, daß Gesellschaften mit Sitz in Deutsdil and, aber außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes für die westlichen Zweigniederlassungen ständige Vertreter zu bestellen hatten, sofern nicht ohnedies eine ausreichende Vertretung im Westen vorhanden war. Hierdurch konnten weder die Befugnisse des im Osten seßhaften Vorstandes noch die satzungsmäßigen oder gesetzlichen Regelungen der Vorstandsbefugnisse außer kraft gesetzt werden (Schmölder-GeßlerMerkel § 2 Anm. 25). Waren mehrere Vorstandsmitglieder vorgesehen, mußten auch gleichviele „ständige Vertreter" bestellt werden. Die Bestellung konnte auch durch das Gericht erfolgen (§ 2 IV und V DMBilG). Zuständig ist das Gericht der errichteten oder zu errichtenden Zweigniederlassung. Hinsichtlich der Möglichkeit, Abwesenheitspfleger zu bestellen, siehe § 10 Zustellungsergänzungsgesetz vom 7. 8. 52 (BGBl. 407) und § 3 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Reichsvermögens vom 21. 7.1951 (BGBl. 467). 2. Besondere Vertreter nach § 30 BGB Anm. 13: Nach dem für anwendbar angesehenen § 30 BGB kann die Satzung vorschreiben, daß neben dem Vorstand besondere Vertreter bestellt werden, die zwar der Oberaufsicht und den Weisungen des Vorstandes un407

§§ 76/77

Anm. 13

Verfassung der Aktiengesellschaft

terstehen, aber nach außen mit selbständiger Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht ausgerüstet sind. Vertretungsmacht ist unerläßlich, kann aber weniger weitgehend als die des Vorstands sein (siehe § 30 BGB). Von Angestellten unterscheiden sie sich als Bestandteil der durch die Satzung geschaffenen Gesellschaftsorganisation. Sie werden durch den Vorstand berufen und abgesetzt, der nach der Satzung an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden sein kann. R G 157, 234 ff. sieht es als Verschulden der Gesellschaft an, wenn sie es trotz vorhandener Bedürfnisse unterläßt, diese Einrichtung zu schaffen (bedenklich, insbesondere durch die Begründung, daß die Gesellschaft selbst verpflichtet sei, ihre höhere Haftung aus § 31 BGB in genügendem Umfang zur Verfügung zu stellen). Gesetzliche Vertreter sind die besonderen Vertreter nicht, wohl aber Organe der Gesellschaft (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 18; a. A. nicht überzeugend Kölner Komm. Vorb. § 76 Anm. 20). Man wird hierher die Leiter größerer Zweigniederlassungen, z. B. der großen Banken, rechnen können (RG 94, 320; J W 33, 2819). Hinsichtlich der Rechtsstellung der sogenannten Custodians — die nach Militärregierungsgesetz Nr. 52 bestellten Treuhänder — siehe 2. Auflage § 70 Anm. 9 S. 299 ff. § 77 Geschäftsführung (1) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstands kann Abweichendes bestimmen; es kann jedoch nicht bestimmt werden, daß ein oder mehrere Vorstandsmitglieder Meinungsverschiedenheiten im Vorstand gegen die Mehrheit seiner Mitglieder entscheiden. (2) Der Vorstand kann sich eine Geschäftsordnung geben, wenn nicht die Satzung den Erlaß der Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat übertragen hat oder der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erläßt. Die Satzung kann Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend regeln. Beschlüsse des Vorstands über die Geschäftsordnung müssen einstimmig gefaßt werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Kollegialprinzip 1. Grundsatz der Einstimmigkeit (Anm. 2) 2. Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen (Anm. 3) 3. Verbot der Entscheidung durch eine Minderheit (Anm. 4)

408

III. F o r m der Beschlüsse (Anm. 5) IV. Durchführung der Beschlüsse (Anm. 6) V. Geschäftsordnung 1. Inhalt (Anm. 7) 2. Erlaß (Anm. 8 — 1 0 ) 3. F o r m (Anm. 11)

Geschäftsführung

§77

Anm. 1—4

I. Übersicht Anm. 1: § 77 befaßt sich mit der Geschäftsführung durch den Vorstand und regelt in Absatz 1 die früher im § 70 II S. 2 AktG 37 geregelte Frage, wie die Geschäftsführungsbefugnis bei einem mehrgliedrigen Vorstand ausgeübt wird (s. Anm. 2 bis 6); hierbei ist das Alleinentscheidungsrecht des Vorstandsvorsitzenden nach bisherigem Redit nicht nur fallen gelassen, sondern ausdrücklich untersagt worden. Abs. 2 befaßt sich mit der Geschäftsordnung für den Vorstand. Im bisherigen Recht war eine derartige Bestimmung nicht enthalten, lediglich im § 13 II MitbestG ist die Geschäftsordnung erwähnt (s. Anm. 7). II. Kollegialprinzip 1. Grundsatz der Einstimmigkeit Anm. 2: Die Frage der Geschäftsführungsbefugnisse, insbesondere bei einem mehrgliedrigen Vorstand, war im Gesetz von 1937 nicht geregelt mit Ausnahme der Tatsache, daß sie dem Vorstand gemäß § 70 AktG 37 oblag. Es war daher streitig, ob für Beschlüsse des Vorstands einfache Stimmenmehrheit ausreichte oder die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich war. Das neue Gesetz hat daher ausdrücklich in Absatz 1 Satz 1 bestimmt, daß alle Vorstandsmitglieder den einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen zustimmen müssen. Daraus folgt, daß jedes den Anordnungen eines anderen widersprechen und sie wieder aufheben kann (Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 3) und daß daher bei Meinungsverschiedenheiten und immer, wenn es zur Beschlußfassung des Gesamtvorstandes kommt, Einstimmigkeit hergestellt sein muß. 2. Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen Anm. 3: Durch Satzung oder die Geschäftsordnung für den Vorstand kann etwas anderes bestimmt werden, insbesondere, daß Stimmenmehrheit ausreicht (s. aber Anm. 8). Nach der herrschenden Lehre zu dem früheren Recht konnte weder der Aufsichtsrat noch der Vorstand das Mehrheitsprinzip einführen. Da die Geschäftsordnung sowohl vom Vorstand als auch vom Aufsichtsrat gegeben werden kann (s. Anm. 9), können beide Organe unabhängig von der Satzung das Mehrheitsprinzip einführen. 3. Verbot der Entscheidung durch eine Minderheit Anm. 4: Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, daß das früher bestandene Alleinentscheidungsrecht des Vorsitzenden, aber auch die Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Vorstandes durch einige Mitglieder gegen die Mehrheit unzulässig ist. Damit soll die Gefahr ausgeräumt werden, daß die anderen Vorstandsmitglieder zu bloßen Gehilfen des Vorsitzenden 409

§ 77

Anm. 4,5

Verfassung der Aktiengesellschaft

herabsinken und dieser vorschnell wichtige Entscheidungen trifft, und erreicht werden, daß alle Mitglieder gleichen Einfluß auf die Entscheidung haben. Die bisherige Regelung entsprach dem „Führerprinzip" und wurde der Tatsache nicht gerecht, daß der Vorstand ein Kollegialgremium ist. Das Gesetz verbietet damit weder die satzungs- oder geschäftsmäßige Hervorhebung eines Vorstandsmitglieds zum Vorsitzenden, noch die Einrichtung eines Vorstandspräsidiums. Nur die Funktion dieser Institution wird beschränkt. So darf das Präsidium nicht, wie mitunter in der Satzung festgelegt, bei Meinungsverschiedenheiten der Vorstandsmitglieder verbindlich entscheiden. Der Vorsitzende kann lediglich bei Stimmengleichheit den Ausschlag geben. Damit würde er nicht gegen die Mehrheit der Vorstandsmitglieder entscheiden, so daß diese Regelung der vorliegenden Bestimmung nicht widersprechen würde (h. L.: für viele Dose S. 68). Dabei ist allerdings zu beachten, daß, wenn der Vorstand nur aus zwei Mitgliedern besteht, die Einräumung eines solchen Rechts dahin führen würde, daß das zweite Vorstandsmitglied stets überstimmt werden könnte. Zwar handelt es sich hier nicht um eine Entscheidung gegen die Mehrheit, wie es im Gesetz heißt, wohl aber ist nach dem Grundgedanken des Gesetzes eine solche Bestimmung unzulässig, denn das zweite Vorstandsmitglied würde in einem solchen Fall keine echte Entscheidungsbefugnis haben und würde zum bloßen Gehilfen des Vorsitzenden (ebenso Knorr in DNotZ 1966, 302; a. A. Bürger in DB 1966, 101). III. Form der Beschlüsse Anm. 5: Für die Beschlüsse des Vorstands, mögen sie einstimmig oder mit Mehrheit zu fassen sein, ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben. Sie können in schriftlichen Voten auf einem umlaufenden Antrag oder mündlichen protokollierten oder unprotokollierten Sitzungen oder durch Haustelefon gefaßt werden. Weder Gesetz noch kaufmännische Übung kennen — vorbehaltlich ausdrücklicher Vorschrift der Satzung — Grundsätze über Beschlußfähigkeit. Alle erreichbaren Vorstandsmitglieder sind an der Beschlußfassung zu beteiligen, indem sie zu dieser gerufen oder zur Ausführung ihres Votums aufgefordert werden. Ist ein Mitglied durch Abwesenheit oder sonstwie daran gehindert, so ist bei wichtigen Angelegenheiten (der Begriff ist relativ), die Aufschub dulden, die Behebung der Verhinderung abzuwarten und, wenn irgend möglich, das abwesende Mitglied von der beabsichtigten Beschlußfassung zu benachrichtigen, evtl. auch zu besonders wichtigen Beschlüssen, die unaufschiebbar waren, sein Votum nachträglich einzuholen. Im übrigen kann aber in dringenden Fällen über sein fehlendes Votum hinweggegangen werden (s. auch Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 5). Nur kann, wenn nicht das Mehrheitsprinzip gilt, das Vorstandsmitglied, welches gefehlt hat, noch nachträglich widersprechen und ist sein Widerspruch beacht410

Geschäftsführung

§ 77 Anm. 5—7

lieh, wenn er nidit durch die Entwicklung der Angelegenheit, insbesondere Ausführung des Beschlusses, zu spät kommt (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 5). Aus dieser Sachlage folgt praktisch von selbst, daß nach Möglichkeit das Votum jedes Mitgliedes einzuholen ist. IV. Durchführung der Beschlüsse Anm. 6: Gilt nach der Satzung oder der Geschäftsordnung der Mehrheitsgrundsatz, so sind überstimmte Mitglieder verpflichtet, sich der Mehrheit zu beugen und, soweit erforderlich, zur Ausführung des Beschlusses mitzuwirken bzw. ein Geschäft zu unterlassen. Letzteres gilt nach dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip audi, wenn nur ein Mitglied widersprochen hat. Freilich können überstimmte Mitglieder den Aufsiditsrat anrufen, der aber nur vermittelnd, nicht bestimmend oder anweisend, eingreifen kann, da er in die Geschäftsführung positiv niemals und im allgemeinen überhaupt nicht reinzureden hat, evtl. aber ein Vorstandsmitglied (auch das widerstrebende oder widersprechende — letzteres auch beim Einstimmigkeitsprinzip —) aus wichtigem Grunde abberufen kann (Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 3). Bleibt auch der Appell an den Aufsichtsrat erfolglos, so können und müssen die überstimmten Mitglieder den Vorstandsbeschluß ausführen, ohne daß sie eine Verantwortung träfe, es sei denn wegen der Art und Weise der Ausführung oder schuldhafter Unterlassung der Abwendung auch bei Ausführung des Beschlusses abwendbaren Schadens. Sie haben alles getan, was man von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter in ihrer Lage verlangen kann. Man kann ihnen insbesondere nicht zumuten, ihr Amt niederzulegen, wodurch ein etwaiger Schaden nicht abgewendet würde und wozu sie nach einer verbreiteten Meinung rechtlich nicht einmal in der Lage wären. Dagegen muß, wo das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip gilt, das einer Maßnahme widersprechende Vorstandsmitglied eine etwaige Abberufung durch den Aufsichtsrat in Kauf nehmen, ohne seinen Widerstand aufgeben zu dürfen. V. Geschäftsordnung 1. Inhalt Anm. 7: Der Vorstand kann eine Geschäftsordnung haben. In der Geschäftsordnung werden in der Regel alle wichtigen Fragen, die die Zusammenarbeit des Vorstandes betreffen, für einen unbestimmten Zeitraum festgelegt; insbesondere wird festgelegt, welche Mehrheit für die Gültigkeit von Vorstandsbeschlüssen notwendig sein soll, die Aufteilung der Tätigkeitsbereiche der einzelnen Vorstandsmitglieder und dergleichen. S. im einzelnen S. Wilhelmi in Handbuch des Aufsichtsrats. 411

§ 77 Anm. 7—10

Verfassung der Aktiengesellschaft

Kein Vorstandsmitglied kann in einem bestimmten Tätigkeitsbereich ganz ausgeschlossen werden, es bleibt verpflichtet einzugreifen, wenn das zuständige Vorstandsmitglied versagt (Würdinger, S. 121; BGH 15, 78; s. auch § 9 3 Anm. 7). Über die Beschränkbarkeit der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands durch die Geschäftsordnung vgl. § 82 Anm. 7 und 8. 2. Erlaß Anm. 8: Wie auch sonst jedes Gremium über seine Geschäftsordnung selbst entscheidet, so kann sich der Vorstand zunächst selbst eine solche geben. Nach Satz 3 müssen aber Beschlüsse des Vorstandes, die die Geschäftsordnung betreffen, einstimmig gefaßt werden. Dies ist zwingendes Recht und kann weder von der Satzung noch von der Geschäftsordnung anders bestimmt werden. Grund hierfür ist, daß bei einer so grundlegenden Anordnung, die die gesamte Zusammenarbeit des Vorstandes umfaßt, ein nicht Übereinstimmen auch nur eines Mitgliedes untragbar wäre; insbesondere auch mit Rücksicht auf die Haftung der einzelnen Mitglieder (§ 93), deren Umfang durch die Geschäftsordnung beeinflußt werden kann (vgl. Möhring in N J W 66, 6). Anm. 9: Die Geschäftsordnung kann jedoch auch vom Aufsichtsrat erlassen werden, muß es sogar in dem Fall, in dem die Satzung ihm dies übertragen hat. In diesem Fall kann sich der Vorstand keine eigene Geschäftsordnung geben. Eine von dem Aufsichtsrat gegebene Geschäftsordnung hat immer den Vorrang vor einer solchen vom Vorstand, dies ergibt sich aus der Formulierung „ . . . erläßt". Die Geschäftsordnung des Vorstandes tritt außer Kraft, sobald der Aufsichtsrat eine solche erläßt, und der Vorstand kann sich auch keine neue geben, solange die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates nodi gültig ist. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes soll der Aufsichtsrat nicht berechtigt sein, eine vom Vorstand beschlossene Geschäftsordnung zu ändern, sondern könnte dann nur eine geschlossene neue Geschäftsordnung erlassen, die allerdings Bestimmungen der Geschäftsordnung des Vorstandes übernehmen kann. Diese Auslegung erscheint uns nicht richtig. Wenn der Aufsichtsrat einzelne Bestimmungen der Geschäftsordnung des Vorstandes ändert, so haben vielmehr diese geänderten Bestimmungen zusammen mit den nicht geänderten als neue Geschäftsordnung zu gelten (a. A. Knorr in DNotZ. 1966, 342; Kölner Komm. Anm. 27). Anm. 10: Auch die Satzung kann — neben der Übertragung des Erlasses auf den Aufsichtsrat (s. Anm. 9) — Bestimmungen über die Geschäftsordnung bindend regeln. Sie kann z. B. die Geschäftsführung auf die Vorstandsmitglieder aufteilen oder Bestimmungen über die Beschlußfassung innerhalb des Vorstandes treffen. Praktisch läuft die gesetzliche Bestimmung des Abs. 2 S. 2 darauf hinaus, daß die Geschäftsordnung für den Vorstand vollständig in 412

Vertretung

§§

77/78

Anm. 10,11

der Satzung enthalten sein kann. Es können aber auch nur einzelne Fragen in der Satzung geregelt sein, dann bleibt noch Raum für eine vom Aufsichtsrat dem Vorstand gegebene Geschäftsordnung (vgl. Knorr in DNotZ 1966, 343). Die Satzung kann aber auch anordnen, daß eine vom Vorstand gegebene Geschäftsordnung der Zustimmung des Aufsiditsrates bedarf. 3. Form Anm. 11: Die Geschäftsordnung ist ihrer Natur nach zur Gültigkeit für einen langen Zeitraum gedacht, so daß für die Gültigkeit Schriftform verlangt werden muß (s. auch Bericht des Rechtsausschusses). Sdiriftform im Sinne des § 126 BGB dürfte damit nidit gemeint sein, worauf Mertens (Kölner Komm. Anm. 24) zurecht hinweist (vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 10; S. Wilhelmi in Handbuch des Aufsichtsrats).

§ 78 Vertretung (1) Der Vorstand vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. (2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied. (3) Die Satzung kann auch bestimmen, daß einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Dasselbe kann der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung ihn hierzu ermächtigt hat. Absatz 2 Satz 2 gilt in diesen Fällen sinngemäß. (4) Zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Dies gilt sinngemäß, wenn ein einzelnes Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Umfang der Vertretung (Anm. 3)

III. Zulässige Vertretungsarten (Anm. 4—8) IV. Ermächtigung (Anm. 9—13) V. Haftung (Anm. 14)

413

§ 78

Anm. 1,2

Verfassung der Aktiengesellschaft

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht inhaltlich dem § 71 AktG 37, hat diesen sprachlich geändert und aus gesetzestechnischen Gründen neu gegliedert. Abs. 4 war früher Abs. 2 S. 2, gehört jedoch seinem Inhalt nach nicht in Abs. 2, weswegen diese Bestimmung in einem neuen Absatz normiert worden ist. Anm. 2: Während § 77 die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes behandelt, regelt § 78 seine ausschließliche Vertretungsbefugnis. Geschäftsführung und Vertretung sind jedoch kein Gegensatz. Das Handeln nach außen ist vielmehr ein Ausschnitt aus der Geschäftsführung, welche der viel weitere Begriff ist. Die rechtserheblichen Handlungen des Vorstandes als solchen sind Handlungen der Gesellschaft, nicht nur die rechtsgeschäftlichen, auch unerlaubte oder vertragswidrige eines einzelnen Mitgliedes, ohne Rücksicht auf die Gestaltung der Vertretungsbefugnis nach außen ( § 3 1 BGB; vgl. RG in DR 41, 1937). Über die Vertretungsmacht in bezug auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu ihren Organen vgl. RG in JW 32, 720. So verwirkt die Gesellschaft den Anspruch auf die Versicherungssumme, wenn ihr Vorstandsmitglied den Brand vorsätzlich angelegt hat. Inwieweit Leiter von Zweigniederlassungen, die nicht Vorstandsmitglieder sind, als Vertreter im Sinne der §§ 30, 31 BGB anzusehen sind, hängt davon ab, ob in der Satzung die Errichtung von Zweigniederlassungen vorgesehen und ob den Leitern in der Satzung oder in ihren Anstellungsverträgen eine rechtsgeschäftliche Vertretung übertragen ist (RG 94, 320; JW 32, 2513). Für Schäden aus unerlaubter Handlung des Vorstandsmitglieds haftet die Gesellschaft nur, wenn es in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung, d. h., wenn er auch außerhalb seiner Vertretungsmacht innerhalb seines Geschäftsbereiches (RG in DR 41, 1937) gehandelt hat (§§ 31, 823 BGB), nach RG 134, 377 jedoch nicht, wenn das Delikt gerade in der Vortäuschung ordnungsmäßiger Vertretung (Fälschung der Unterschrift eines weiteren Vertreters) besteht (vgl. Oertmann Anm. zu JW 32, 2813; über unerlaubte Handlung des Vorstands im Gründungsstadium siehe RG 151, 56; 154, 275 sowie Anm. 22 zu § 41). Neben der Gesellschaft haftet der Vorstand bürgerlidi-rechtlich als Gesamtschuldner. Die Gesellschaft kann sich nidht auf § 831 BGB berufen. Sie haftet auch dann, wenn nur ein Vorstandsmitglied Täter war und Gesamtvertretungsmacht bestand, andererseits nicht ohne weiteres für Geldstrafen, die einem Vorstandsmitglied auferlegt werden, z. B. bei Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (anders bei Devisenvergehen kraft ausdrücklicher Bestimmung). Der Verurteilte hat kein Recht auf Erstattung. Die Gesellschaft kann in der Regel ihren Aktionären gegenüber nicht die Strafen freiwillig zahlen (vgl. als Ausnahmefall BGH vom 6. 4. 1964 in BB 64, 628), dagegen kann sie die Ausgaben für die Verteidigung eines Vorstandsmitgliedes übernehmen, wenn 414

Vertretung

§78 Anm. 2,3

sie wegen der etwaigen bürgerlich-rechtlichen Folgen ein eigenes Interesse an dem Strafverfahren hat. Die Gesellschaft haftet auch für eine Besitzstörung, die der Vorstand in Ausübung seiner Tätigkeit verübt. Abs. 2 stellt für den mehrköpfigen Vorstand den Grundsatz der Gesamtvertretung auf, während die Einzelvertretung und ihre Abarten (Vertretung durdi mehrere, nicht alle Mitglieder oder durch eines zusammen mit einem Prokuristen), obwohl sie zufolge eines Verkehrsbedürfnisses die Regel sind, rechtlich als Ausnahme gelten. Von der rechtsgeschäftlichen Vollmacht (Generalvollmacht, Prokura, Handlungsvollmacht) handelt § 78 nicht. Diese erteilt der Vorstand, auch wenn es sich um gesetzliche Vertretung handelt, wenn nach der Satzung die gesetzliche Vertretung durch ein einzelnes Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen ausgeübt werden kann. Der Vorstand kann verpflichtet werden, die Zustimmung des Aufsichtsrats dazu einzuholen (§111 IV), ohne daß aber die Verletzung dieses Gebots den Rechtsbestand der Vollmacht berührt. Die Zustimmung braucht daher (bei der Prokura) dem Registergericht nidit nachgewiesen zu werden (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 27). Möglich ist auch die Erteilung einer Generalvollmacht an einen Dritten (KG in D N Z 1925, 242), unmöglich ist die Übertragung der Vorstandsstellung, also die Erteilung unabhängiger Geschäftsführungsbefugnis, wie sie in unwiderruflicher Generalvollmacht zu sehen wäre. Möglich ist die Erteilung einer Prokura auch, wenn die Gesellschaft kein Handelsgewerbe betreibt (s. § 3). II. Umfang der Vertretung Anm. 3: Der Vorstand ist gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft im Sinne des § 51 ZPO, er vertritt somit die AG in allen Angelegenheiten. Die Vertretungsbefugnis unterliegt lediglich den aus dem Gesetz ersichtlichen Beschränkungen, ist aber im übrigen unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 82). Eine gesetzliche Beschränkung enthält § 112, wonach der Vorstand die Gesellschaft nicht gegenüber Vorstandsmitgliedern vertreten kann; in diesen Fällen vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft. Weitere Beschränkungen enthält § 246 II, wonach der Vorstand die Gesellschaft bei Anfechtungsklagen, die nicht vom Vorstand oder Aufsichtsrat ausgehen, nur zusammen mit dem Aufsichtsrat vertreten kann. Durch die Neuregelung des § 112 ist die bisher umstrittene Frage, wie die Gesellschaft bei Rechtshandlungen mit Vorstandsmitgliedern vertreten wird, insbesondere die Anwendbarkeit des § 181 BGB, gegenstandslos geworden (für das frühere Recht vgl. BGH in BB 1961, 692 und in BB 1967, 730; vgl. auch Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 21; C.-H. u. S. Wilhelmi in BB 1968, 139). 415

§ 78 Anm. 3,4

Verfassung der Aktiengesellschaft

Der Vorstand erledigt kraft der ihm zustehenden außergerichtlichen Vertretungsmacht sämtliche Verhandlungen mit Behörden, anderen Gesellschaften, den gesamten Geschäftsverkehr usw. Als gerichtlicher Vertreter der Gesellsdiaft haben die Vorstandsmitglieder, ohne selbst Partei zu sein, die Rolle der Partei im Prozeß, auch die stellvertretenden Mitglieder (§ 94), und können nur als Partei, nicht als Zeugen, vernommen werden (anders in den Ausnahmefällen, in denen nicht sie die Gesellschaft vertreten und in Prozessen des Konkursverwalters; über die Vernehmung eines Prokuristen s. Anm. 7). Zustellungen und Ladungen können an jedes Vorstandsmitglied rechtsgültig erfolgen, auch wenn es allein zur Vertretung nicht befugt ist. Der Fortfall eines Vorstandsmitgliedes unterbricht im Falle der Gesamtvertretung den Prozeß nur dann, wenn die f ü r die Vertretung erforderliche Anzahl von Mitgliedern nicht mehr vorhanden ist. Beschwerden müssen von so viel Vorstandsmitgliedern eingelegt werden, als bei Gesamtvertretung zur Mitwirkung erforderlich sind. Kann nach Satzung jedes einzelne Mitglied die Gesellschaft wirksam vertreten, so kommt es im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (also bei Anmeldung zum Handelsregister, deren Widerruf und Beschwerdeverfahren), wenn der Vorstand uneins ist, darauf an, wer das letzte Wort hat (so K G in J W 39, 357; a. A. Kölner Komm. Anm. 41). Der Offenbarungseid ist von den sämtlichen Vorstandsmitgliedern zu leisten, die zur Zeit der Eidesleistung Vorstandsmitglieder sind, evtl. das letzte nach dem Antrag ausgeschiedene Mitglied (OLG Frankfurt in JW 1926, 2114 und 1927, 726; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 2; Kölner Komm. Anm. 15). III. Zulässige Vertretungsarten Anm. 4: Die Satzung muß nichts darüber enthalten, ob Einzel oder Gesamtvertretung bestehen soll. Schweigt die Satzung, so gilt Gesamtvertretungsbefugnis, wenn nach der Satzung der Vorstand aus mehreren Personen bestehen muß oder bestehen kann und letzterenfalls besteht. Wird der Vorstand unvollständig, d. h., ist die satzungsmäßige Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern infolge rechtlicher oder tatsächlicher Behinderung eines Mitglieds nicht mehr vorhanden, so können die verbleibenden Vorstandsmitglieder die Gesellschaft nicht vertreten (RG 103, 417; Kölner Komm. Anm. 26). Bestimmungen der Satzung nach Abs. 3 S. 1 und 2 bleiben anwendbar. Wenn nicht hiernach einem Vorstandsmitglied Einzelvertretungsbefugnis erteilt ist, allein oder gemeinsam mit einem Prokuristen, muß gemäß § 84 oder ggf. § 85 ein weiteres Mitglied bestellt werden. Auch die Satzung kann nicht vorsehen, daß sich die Gesamt Vertretung bei Wegfall eines Gesamtvertreters in Einzelvertretung verwandele (streitig), wohl aber, daß der Vorstand aus einer oder mehreren Personen bestehen solle. 416

Vertretung

§78 Anm. 5

Anm. 5: Bei Gesamtvertretung und ihren Abwandlungen können sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinsam eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben. Das gilt selbstverständlich auch von mündlichen Erklärungen. Deshalb haftet die Gesellschaft audi für Verschulden bei Vertragsabschluß nur, wenn es einer zur Kollektivvertretung ausreichenden Kombination zur Last fällt (Oertmann, Anm. zu JW 33, 251, vgl. audi RG 134, 377), es sei denn, es stellt eine unerlaubte Handlung dar. Dabei besteht kein Unterschied zwischen den ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern, so daß auch die letzteren sämtlich mitwirken müssen. Es ist allerdings nicht erforderlich, daß jedes Vorstandsmitglied sich unmittelbar an der Abgabe der Willenserklärung beteiligt (vgl. Dose, S. 107). So genügt es, wenn der eine Gesamtvertreter verhandelt, der andere zuhört und nicht widerspricht, desgl., daß ein Vorstandsmitglied beim Abschluß des Geschäfts mitwirkt, ohne den ganzen Inhalt des Vertrages zu kennen (RG 81, 325; 101, 342; Seuff. Ardi. 90, 55). Gleichzeitige Anwesenheit der Gesamtvertreter ist nicht erforderlich, es genügt vielmehr — vorherige oder nachträgliche — Zustimmung (RG 106, 26; MeyerLandrut in Großkomm. Anm. 12). Handelt ein Gesamtvertreter ohne Ermächtigung allein, so liegt unvollständige Gesamtvertretung vor, welche der Vertretung ohne Vertretungsmacht gleichzustellen ist. Einseitige empfangsbedürftige Erklärungen sind nach § 174 BGB unwirksam. Die Wirsamkeit eines Vertrages hängt von der Zustimmung eines weiteren Gesamtvertreters ab, mit dem zusammen der handelnde Vertreter die Gesellschaft hätte vertreten können (auch hier genügt das). Die Zustimmung kann schlüssig, selbst durch Schweigen, ausgedrückt werden (BGH in WM 1959, 881). Sie bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Form; es genügt, wenn der Handelnde die Form erfüllt hat, sie braucht nicht gegenüber dem Vertragsgegner erklärt zu werden. Die Genehmigung setzt voraus, daß der Gesamtvertreter, der gehandelt hat, mit dem von ihm abgeschlossenen Geschäft z. Z. der Genehmigung selbst noch einverstanden ist (RG in DR 42, 1159; B.-H. Rn. 6; Meyer-Landrut in Großkomm Anm. 12; Kölner Komm. Anm. 19). Sie hat rückwirkende Kraft, aber zwischenzeitlich vorgenommene Verfügungen bleiben bestehen (RG 81, 32; 86, 265; 101, 342; 104, 192; 112, 215; 118, 168; 123, 288; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 12). Bis zur Genehmigung ist das Geschäft schwebend unwirksam. Das bedeutet, daß Geschäfte, die bei Vornahme durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht nichtig sind, auch bei Vornahme durch einen Gesamtvertreter ohne erforderliche Einwilligung nichtig sind. Wer gemeinschaftliches Handeln behauptet, muß dieses beweisen. Ein Beweisantritt dahin, daß die Erklärung des einen Gesamtvertreters mit Wissen des anderen abgegeben wurde, genügt nicht. § 157 BGB kann nur einschlagen, wenn letzterer wußte, daß seine Duldung dem Dritten zur Kenntnis gelangte. 417

§ 78 Anm. 6 , 7

Verfassung der Aktiengesellschaft

Anm. 6: Das Ausgeführte gilt für die Abgabe einer Willenserklärung der Gesellschaft, anders, wenn eine solche gegenüber der Gesellschaft abgegeben werden soll. Dann genügt nach zwingender Vorschrift die Abgabe gegenüber einem einzigen Vorstandsmitglied, gleichgültig, ob dieses einzel- oder gesamtvertretungsberechtigt, ordentliches oder stellvertretendes Mitglied ist. Das gleiche gilt für Mitteilungen aller Art, wie Aufforderungen, Ladungen, Mängelrügen, Wechselproteste usw. Wo immer das Gesetz auf das Wissen abstellt, wie beim schlechten Glauben, Irrtum usw., genügt das Wissen eines einzigen an dem Geschäft durch Mitwirkung oder Zustimmung beteiligten Vorstandsmitgliedes (BGH 20, 149; 41, 282; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 15;-B.-H. Rn. 7; Kölner Komm. Anm. 33, aber etwas anders § 76 Anm. 13). \

Anm. 7: Die Satzung kann die Vertretungsbefugnis anders regeln. Das Gesetz läßt zunächst die Einzelvertretung zu. Die Satzung kann sie unmittelbar selbst anordnen oder dem Aufsichtsrat gestatten, jedem oder einem einzelnen von mehreren Vorstandsmitgliedern die Einzelvertretungsbefugnis zu erteilen. Daraus, daß ein Mitglied des Vorstandes zum Vorsitzenden nach § 84 II ernannt ist, folgt nicht ohne weiteres, daß es auch alleinvertretungsberechtigt sein soll. Lediglich durch tatsächliche oder rechtliche Behinderung der anderen Vorstandsmitglieder kann für das bleibende Vorstandsmitglied keine Einzelvertretungsmacht begründet werden, vielmehr ist dann der Vorstand unvollständig besetzt. Anders ist es, wenn die Satzung die Einzelvertretung ausdrücklich zuläßt. Meist wird bestimmt, daß nicht alle Vorstandsmitglieder, sondern jeweils zwei zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind (zulässig, obwohl gesetzlich nicht vorgesehen, RG 164, 382 ff.). Audi kann ein Teil der Vorstandsmitglieder zur Einzelvertretung, andere zur Gesamtvertretung berechtigt werden. Zulässig und häufig ist die von der Satzung oder ihr zufolge vom Aufsichtsrat getroffene Bestimmung, daß jedes einzelne Vorstandsmitglied, statt mit einem anderen Vorstandsmitglied, auch mit einem Prokuristen zur Vertretung berechtigt sein soll (sogenannte unechte Gesamtvertretung). In Wahrheit handelt es sich aber dann angesichts des moralischen Übergewichts des Vorstandsmitglieds über den Prokuristen, wie audi das Gesetz erkennen läßt, um abgeschwächte Einzelvertretung. In einem solchen Fall kann auch die Anmeldung zum Handelsregister durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen geschehen, wo das Gesetz nicht die Mitwirkung aller Vorstandsmitglieder vorschreibt (KG in JW 38, 3121). Aufgrund des Inhaltes der Anmeldung kann sich jedoch etwas anderes ergeben. Bei den einzelnen Bestimmungen wird hierauf besonders hingewiesen werden. Unzulässig ist die Bindung an die Mitwirkung eines Aufsichtsratsmitgliedes. Unzulässig ist, wenn der Vorstand nur aus einer Person besteht, die Be418

Vertretung

§78 Amn.7

Stimmung, daß diese nur zusammen mit einem Prokuristen vertretungsberechtigt ist, weil darin eine Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht liegen würde. Dagegen hat es aber, wenn die Satzung Gesamtvertretung vorsieht, bei dieser (Vertretung gemeinsam mit einem Prokuristen) sein Bewenden, wenn von zwei Vorstandsmitgliedern das eine fortfällt, es sei denn, daß nach Satzung der Vorstand aus einer oder mehreren Personen besteht. Zulässig ist die Bestimmung, daß der Vorstand nur zusammen mit einem Prokuristen „zeichnen" dürfe (a. A. Kölner Komm. Anm. 30). Eine solche Bestimmung hat selbstverständlich nur intern, nicht nach außen Wirkung. Freilich darf dadurch die Geschäftsführung des Vorstandes nicht beschränkt sein, so daß der Prokurist auf Anordnung des Vorstandsmitglieds mitzeichnen muß. In diesem Fall hat die Vertretungsmacht des Prokuristen nidit den Umfang derjenigen eines gesetzlichen Vertreters — also nur bei der Bestimmung einer gemeinsamen „Zeichnung", was Meyer-Landrut (Großkomm. Anm. 8) übersieht, wenn er nur als abweichend bezeichnet, s. u. —, was aber belanglos ist, weil die Bestimmung ohnedies nach außen nicht wirkt und nur die Bedeutung hat, daß der Prokurist von allen Rechtshandlungen des Vorstands Kenntnis erhält. Schuldrechtlich kann mit einem bestimmten Dritten (z. B. der Bankverbindung) jede Beschränkung gegenüber diesem wirksam vereinbart werden, z. B., daß Abhebungen vom Konto der Gegenzeichnung eines bestimmten Vorstandsmitglieds oder eines Aufsichtsratsmitglieds, eines Angestellten bedürfe (Kölner Komm. Anm. 43). Natürlich muß die Vereinbarung, um wirksam zu sein, von den Vertretungsberechtigten selbst getroffen sein. Weiterhin ist es zulässig, daß ein Prokurist im Rahmen der Prokura Alleinvertretungsbefugnis hat, während Vorstandsmitglieder als solche nur gesamtvertretungsberechtigt sind. In allen Fällen, in denen ein Vorstandsmitglied mit einem Prokuristen zusammen handelt, ist der Umfang der Vertretungsmacht nicht durch den der Prokura, sondern durch den der gesetzlichen Vertetungsmadit des Vorstands bestimmt (RG 134, 306, Dose, S. 108; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 8, s. oben; Kölner Komm. Anm. 35), weil diese unbeschränkbar ist. Der Prokurist ist dabei seinerseits nidit an die Weisung des Vorstands gebunden, es sei denn, der Vorstand besteht nur aus einer Person (siehe oben). Gesetzlicher Vertreter ist auch bei dieser unechten Gesamtvertretung nur die beteiligte Vorstandsperson, weldie, statt die Vertretungsmacht allein ausüben zu können, an die Mitwirkung eines Prokuristen gebunden ist. Letzterer ist daher im Prozeß nicht Partei, sondern ist als Zeuge zu vernehmen (RG 102, 331). Der Vorstand kann auch General- oder Spezialvollmachten in der Weise erteilen, daß der Bevollmächtigte nur zusammen mit einem Vorstandsmitglied, einem Prokuristen oder anderen Bevollmächtigten die Gesellschaft vertreten kann. Filialleiter werden häufig mit solchen Generalvollmachten ausgestattet. Prokuristen bedürfen in einem solchen Fall keiner be419

§ 78 Anm. 7—9

Verfassung der Aktiengesellschaft

sonderen Ermächtigung zur Zeichnung mit dem Bevollmächtigten (LG Berlin JW 37, 2835). Die Gesamtvertretungsbefugnis kann nicht auf einen Gesamtvertreter übertragen oder diesem von einem Gesamtvertreter Generalvollmacht erteilt werden. Dies würde dem Sinn der Gesamtvertretung widersprechen. Ein Prokurist, der anstelle eines Vorstandsmitgliedes die Gesellschaft zusammen mit einem anderen Vorstandsmitglied vertritt — sofern dies zulässig ist —, vertritt nicht etwa das Vorstandsmitglied, sondern handelt als Vertreter der Gesellschaft in eigener Verantwortlichkeit (BGH 13,61 ff., 64). Anm. 8: Die gleichen Bestimmungen, welche die Satzung über die Vertretungsbefugnis treffen kann, können auch vom Aufsichtsrat getroffen werden (§ 78 III S. 2). Dieser kann seine Befugnisse einem Ausschuß übertragen, da § 78 III S. 2 in § 107 III S. 2 nicht genannt ist (Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 4). Dagegen können die Bestimmungen nicht von der Hauptversammlung (RG 164, 184), erst recht nicht von einem Dritten, getroffen werden, jedoch auch vom Aufsichtsrat nur, wenn die Satzung, sei es die ursprüngliche oder die später abgeänderte, eine ausdrückliche Ermächtigung in dieser Richtung enthält. Ist dies der Fall, kann der Aufsichtsrat auch durch nachträgliche Ermächtigung ein von einem einzelnen Vorstandsmitglied abgeschlossenes Rechtsgeschäft rechtswirksam machen, wenn der nun Ermächtigte dabei bleibt (a. A. Kölner Komm. Anm. 20). Nicht nach dem Gesetzeswortlaut, aber nach herrschender Ansicht, kann die Satzung den Aufsichtsrat auch ermächtigen, Einzelvertretung in Gesamtvertretung umzuwandeln (MeyerLandrut in Großkomm. Anm. 10). Über Anmeldung im Handelsregister siehe §81. IV. Ermächtigung Anm. 9: Ein einzelnes Vorstandsmitglied kann nicht nur von der Satzung oder gemäß ihrer vom Aufsichtsrat mit Einzelvertretungsbefugnis ausgestattet werden, sondern für einzelne bestimmte Rechtsgeschäfte oder dauernd für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften auch vom Vorstand. Audi dann bleibt es dabei Träger der gesetzlichen Vertretungsmacht. Es handelt sich um die Befugnis, diese allein auszuüben (Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 17; Brodmann § 232 HGB Anm. 4 b. Die herrschende Lehre sieht in der Ermächtigung des Abs. 4 eine echte Handlungsvollmacht im Sinne des § 54 HGB (RG 80, 180; Teichmann-Köhler § 71 Anm. 3 b; Schl.-Qu. Anm. 17; Staub § 232 HGB Anm. 7; ähnlich auch Baumbach-Hueck Rn. 14, der dem Streit allerdings jede praktische Bedeutung abspricht). Die Erteilung einer Vollmacht an ein eigenes Willensorgan der Gesellschaft selbst, dessen Wille also ihr eigener Wille ist, nicht der eines Dritten, ist an und für sich begriffswidrig 420

Vertretung

§78 Anm. 9—11

und unvorstellbar. Aus diesem Grunde ist die herrschende Lehre abzulehnen (ähnlich auch Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 17). Die Ermächtigung ist nicht vom gesamten Vorstand zu erteilen, sondern es genügen die zur Vertretung notwendigen Mitglieder bzw. Prokuristen. Der zu Ermächtigende kann bei der Erteilung der Ermächtigung selbst mitwirken (Baumbach-Hueck Rn. 14; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 16; RG 80, 180). Demnach ist es auch möglich, daß sich ein Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen eine derartige Ermächtigung erteilt, sofern es mit diesem Prokuristen die Gesellschaft vertreten kann, dem Prokuristen hingegen kann eine derartige Ermächtigung nicht erteilt werden. Da die Ermächtigung die Befugnis ist, die gesetzliche Vertretungsmacht allein auszuüben (siehe oben), würde dies unvereinbar mit der Stellung eines Prokuristen sein, da dieser nicht allein als gesetzlicher Vertreter auftreten kann. Wird trotzdem eine derartige Ermächtigung erteilt, so ist hierin eine echte rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung zu sehen (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 16). Eine Form ist für die Ermächtigung nicht vorgeschrieben. Sie kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden, z. B. durch Mitunterschrift des mit dem Ermächtigenden abgeschlossenen Geschäfts, auch nur als Geschäftsgegner. Wenn bei diesem organisatorischen Akt auch Erklärung gegenüber einem Dritten nicht in Frage kommt, so haftet doch, wie jedermann, die AG nach außen für den von ihr erzeugten Reditsschein (BGH 5, 112; RG 144, 388), doch muß an der Erzeugung des Rechtsscheins eine zur Kollektivvertretung ausreichende Kombination von Vertretern beteiligt sein (Kölner Komm. Anm. 34). Überdies kann im Einzelfall, was nicht immer genügend geschieht (vgl. RG 123, 288), stillschweigende Mitwirkung eines anderen Gesamtvertreters an einer Rechtshandlung durch Zustimmung (Einwilligung) vorliegen, worauf unmittelbar § 157 BGB anzuwenden ist. Anm. 10: Widerruf der Ermächtigung ist jederzeit möglich. Fraglich ist, wer widerrufen kann, insbesondere bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Vorstandes. Man wird davon ausgehen müssen, daß der Vorstand in seiner Gesamtheit darüber zu entscheiden hat. Es wäre anderenfalls denkbar, daß jeweils zwei zur Vertretung berechtigte Vorstandsmitglieder (oder gar einer bei Einzelvertretung) eine Ermächtigung erteilt und zwei andere diese widerrufen und evtl. so ein ständiges Wechselspiel veranstalten könnten (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 20; a. A. Kölner Komm. Anm. 38, worin auf die von Meyer-Landrut und uns gegebene Begründung zwar nicht eingegangen, unsere Ansicht aber als „undifferenziert" bezeichnet wird). Anm. 11: Mit der Ermächtigung können keine Beschränkungen verbunden werden, die nach außen gelten. Ebenfalls kann einem Dritten nicht die Kennt421

§§ 78/79

Verfassung der Aktiengesellschaft

Anm. 11—14 nis interner Bindungen entgegengehalten werden, wenn der Ermächtigende diese Bindungen übertritt, weil das ermächtigte Vorstandsmitglied eben selbst Willensorgan der Gesellschaft ist und diese Bindungen regelmäßig selbst aufheben kann. Anm. 12: Nach §81 ist die Ermächtigung nicht zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Betrifft sie aber bestimmte Arten von Geschäften und ist sie für die Dauer erteilt, ist die Eintragung unbedenklich. Anm. 13: Zu beachten ist, daß eine derartige Ermächtigung nur für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften erteilt werden kann. Das bedeutet, daß die gesamte Vertretungsmacht nicht abgetreten werden kann, da diese praktisch die Bestellung eines Einzelvertreters darstellen würde, wozu der Vorstand nicht in der Lage ist (BGH 34, 27 ff., 30; Werthauer in NJW 1961,2005; Kölner Komm. Anm. 44; a. A. Heim in N J W 1961, 1505 f. und 1962,1333, der allerdings die Ermächtigung als die Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht ansieht). V. Haftung Anm. 14: Für unerlaubte Handlungen der Vorstandsmitglieder haftet die Gesellschaft nach § 31 BGB. Der Vorstand handelt als Organ der Gesellschaft für diese, so daß dieses Handeln der Gesellschaft zugerechnet werden muß. Die Gesellschaft haftet für unerlaubte Handlungen jedes einzelnen Vorstandsmitgliedes, selbst wenn es nur gesamtvertretungsberechtigt ist (RG 110, 145; 117, 61), wobei jedoch die unerlaubte Handlung immer in Ausübung der dem Vorstand zustehenden Verrichtungen geschehen sein muß (RG 94,318). Eine strafrechtliche Haftung der Gesellschaft gibt es nicht, da eine Bestrafung juristischer Personen dem deutschen Strafrecht fremd ist (nach besatzungsrechtlichen Bestimmungen war es aber möglich, siehe BGH in N J W 53, 1838). Es haftet das Vorstandsmitglied persönlich. Es besteht jedoch ein großes Bedürfnis, auch der Gesellschaft die Vorteile aus einer strafbaren Handlung des Vorstandes zu nehmen, darum ist eine Haftung der AG für verschiedene Strafen und Bußen, die durch strafbare Handlung ihrer Organe verursacht worden sind, festgelegt: § 103 AO; § 5 Wirtschaftsstrafgesetz, § 41 Kartellgesetz. § 79 Zeichnung durch Vorstandsmitglieder Vorstandsmitglieder zeichnen für die Gesellschaft, indem sie der Firma der Gesellschaft oder der Benennung des Vorstands ihre Namensunterschrift hinzufügen. 422

Angaben auf Geschäftsbriefen

§§79/80

§ 79 stimmt inhaltlich mit dem § 72 AktG 37 überein. Er enthält lediglich eine Ordnungsvorschrift (RG 83, 124), ihre Verletzung berührt nicht die Wirksamkeit der für die Gesellschaft abgegebenen Willenserklärung (RG 119, 114). Sie entspricht dem für die Prokura geltenden § 51 HGB und gilt an sich nur für das Verhältnis nach außen, findet jedoch entsprechende Anwendung für das Verhältnis nach innen, z. B. für den Verkehr mit den Aktionären. Durch die Satzung kann eine vom § 79 abweichende Form, in der der Vorstand zu zeichnen hat, bestimmt werden, jedoch sind solche Bestimmungen praktisch ohne Bedeutung, da sie nach außen völlig unwirksam sind und im Innenverhältnis auch nur als Ordnungsvorschrift beschränkte Bedeutung haben (Kölner Komm. Anm. 8). Der Zeichnende hat an sich sowohl die Firma als auch seinen Namen zu schreiben. Es genügt jedoch in allen Fällen, wenn die Firma gestempelt oder gedruckt wird und nur der Name des Vorstandsmitgliedes selbst geschrieben ist (das gilt auch bei Wechselurkunden, RG 118, 169). Handelt es sich um formfreie Erklärungen, genügt auch eine faksimilierte Unterschrift. Es muß lediglich ersichtlich sein, daß die Erklärung von der Gesellschaft stammt (RG in H R R 28, 338; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 1). Zu unterscheiden von diesen Fällen sind die Fälle, in denen gesetzlich Schriftform vorgeschrieben ist. Hier muß eine handschriftliche Unterschrift vorhanden sein, sei es mit der Firma (RG 78, 69) oder den Namen der Vorstandsperson, so daß — auch bei Formbedürftigkeit — die Firma nicht geschrieben zu sein braucht, wenn erkennbar ist, daß die Erklärung von der Gesellschaft abgegeben wird. Nicht notwendig ist jedoch die Erfüllung der Form des § 79 in allen Einzelheiten. Es genügt die Unterschrift eines Vorstandsmitgliedes, auch im Falle der Gesamtvertretung, wenn ein weiteres Vorstandsmitglied mit der Unterzeichnung einverstanden war. Es genügt auch, wenn nur die Firma von einem Vorstandsmitglied gezeichnet ist, ohne Zufügung des Namens (streitig). Voraussetzung ist in letzteren Fällen allerdings, daß das Vorstandsmitglied, das gezeichnet hat, damit eine vollständige abgeschlossene Unterschrift abgeben wollte. Notarielle oder gerichtliche Urkunden sind von den „Beteiligten", das sind jene, deren Erklärungen beurkundet wurden, persönlich zu zeichnen, auch wenn Erklärungen von Vorstandsmitgliedern einer Gesellschaft beurkundet worden sind, die sie in deren Namen abgegeben haben.

§ 80 Angaben auf Geschäftsbriefen (1) Auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft,' das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Vorstandsmit423

§ 80 Anm. 1—4

Verfassung der Aktiengesellschaft

glieder und der Vorsitzende des Aufsiditsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. Der Vorsitzende des Vorstands ist als solcher zu bezeichnen. Werden Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemadit, so müssen in jedem Falle das Grundkapital sowie, wenn auf die Aktien der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag nicht vollständig eingezahlt ist, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen angegeben werden. (2) Der Angaben nach Abs. 1 S. 1 und 2 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. (3) Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Abs. 1. Abs. 2 ist auf sie nicht anzuwenden. Anm. 1: Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Durchführung der ersten Richtlinie des Rates der europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechtes vom 15. 8. 1969 neu gefaßt worden. Gegenüber dem AktG 1965 sind die Angaben über die Rechtsform, die Nummer der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und die Angaben über das Kapital der Gesellschaft neu hinzugekommen. In Abs. 2 ist die Beschränkung der Pflicht des § 80 eingeengt worden, da nur dann die Angaben nicht erforderlich sind bei Mitteilungen, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen. In Abs. 3 ist nunmehr klargestellt worden, daß Bestellscheine als Geschäftsbriefe im Sinne des Abs. 1 zu gelten haben. Anm. 2: Die Bestimmung soll der als Mangel empfundenen Anonymität der Gesellschaft entgegenwirken. Die Inhaberaktie und die sich aus ihr ergebende Anonymität der Gesellschaft läßt sich ohne Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Zwecks der Aktiengesellschaft nicht beseitigen. Wohl aber ist es möglich, die Persönlichkeiten der Verwaltung stärker nach außen hervortreten zu lassen. Derselbe Gedanke waltet in § 148 I V und § 166 I Nr. 4. Auf den Geschäftsbriefen sind nicht sämtliche Aufsichtsratsmitglieder, sondern nur der Aufsichtsratsvorsitzende, nicht auch der stellvertretende, aber sämtliche Vorstandsmitglieder, auch die stellvertretenden, anzugeben. Der Vorstandsvorsitzende ist als solcher zu bezeichnen. Anm. 3: Ferner ist der Sitz der Gesellschaft anzugeben, weil — so die amtliche Begründung — häufig nur der Sitz der Zweigniederlassung oder der Betriebsstätte angegeben ist. Anm. 4: Auch die Rechtsform der Gesellschaft muß angegeben werden. Aufgrund der Vorschrift des § 4 mußte diese Angabe bereits nach früherem Recht 424

Angaben auf Geschäftsbriefen

§80 Anm. 4—1

auf den Geschäftsbriefen enthalten sein, ohne daß dies in § 80 ausdrücklich erwähnt zu werden brauchte (ebenso Kreplin in BB 1969, 1113). Bei der Angabe der Reditsform kann die Abkürzung „AG" verwandt werden (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 1; Kreplin in BB 69, 1113; a. A. Kölner Komm. Anm. 4). Ferner sind Registergericht und die Registernummer anzugeben, unter der die Gesellschaft eingetragen ist. Zweck der Bestimmung ist, daß der Geschäftspartner ohne Schwierigkeiten die Eintragungen der Gesellschaft im Register nachprüfen können soll (vgl. Einmahl in Die AktGes 1969, 123; Kreplin in BB 1969, 1114). Es reicht also aus, wenn Amtsgericht mit der Abteilung und der Registernummer angegeben werden. Anm. 5: Nicht erforderlich sind Angaben über das Kapital der Gesellschaft. Werden jedoch in den Geschäftsbriefen irgendwelche Angaben über das Kapital gemacht, so sind die Bestimmungen des Abs. 1 Satz 3 zu berücksichtigen, wonach in jedem Fall das Grundkapital angegeben werden muß. Sind die Einlagen und/oder der höhere Ausgabenbetrag nicht vollständig eingezahlt, so sind darüber hinaus genaue Angaben darüber zu machen, wie hoch der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen ist. Diese Bestimmungen sind aufgenommen worden, um dem Geschäftspartner darzulegen, wie sich die Lage im einzelnen bei der Gesellschaft darstellt, mit dem er in Geschäftsverbindungen tritt. Da aber die Angaben über das Kapital allgemein nicht zwingend vorgeschrieben sind, werden sich in der Zukunft Angaben hierüber auf den Geschäftsbriefen kaum finden. Anm. 6: Nach dem bis 1965 geltenden Redit mußten die Angaben auf sämtlichen Geschäftsbriefen gemacht werden. Es ist nicht notwendig, bei Briefen, Bekanntmachungen oder Anzeigen, die ihrer Natur nach nicht an bestimmte Personen gerichtet sind, derartige Angaben zu fordern. Das Gesetz beschränkt daher die Anforderung des § 80 auf solche Geschäftsbriefe, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind. Es sind diese Angaben daher nicht erforderlich bei Werbeschriften — es sei denn, sie werden an bestimmte Personen versandt — Rechnungen, Quittungen — es sei denn, sie sind Briefe durch sonstige weitere in ihnen enthaltene Mitteilungen — und ebenso nicht bei Mitteilungen an die Aktionäre (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 1; Kreplin in BB 69, 1114; Einmahl in Die AktGes. 69, 136; a. A. nur Kölner Komm. Anm. 6). Anm. 7: Eine Ausnahme beinhaltet der Satz 3, wonach die Angaben entbehrlich sind bei Mitteilungen und Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in die lediglidi die für den Einzelfall erforderlichen An425

§§ 80/81

Verfassung der Aktiengesellschaft

Anm. 7—10 gaben eingefügt werden müssen. Diese Vorschrift stimmt mit § 19 I Nr. 1 der 1. DVO überein. Die nach dem AktG 1965 eingetretene Erweiterung, wonach die Ausnahme für Berichte und Mitteilungen schlechthin galt, ist aufgrund des Gesetzes vom 15. 8. 1969 wieder entfallen. Nicht übernommen wurde die Nr. 2 des § 19 I der 1. DVO, sie soll jedoch nach der amtlichen Begründung ebenfalls gelten. Danach sollen die Angaben gemäß Satz 1 und 2 auch bei regelmäßigen Berichten an Behörden und andere Stellen entbehrlich sein. Hieraus wiederum ergibt sich, daß derartige Berichte grundsätzlich mit allen Angaben versehen werden müssen und nur „regelmäßige" Berichte unter die Ausnahmen fallen. Dies ergibt sich auch aus der Einfügung der Voraussetzung einer bestehenden Geschäftsverbindung (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 3). Eine zeitliche Regelmäßigkeit ist hierunter nicht zu verstehen, sondern Berichte, die aufgrund allgemeiner Bestimmungen zu erstellen sind (Sch.-Qu. Anm. 6 zu § 19). Nicht übernommen wurde § 19 II der l.DVO, so daß in Zukunft auch die Geschäftsbriefe ins Ausland mit allen Angaben des Abs. 1 versehen sein müssen. Anm. 8: Das Gesetz bestimmt in Abs. 3 nunmehr ausdrücklich, daß Bestellscheine als Geschäftsbriefe im Sinne des Abs. 1 gelten und daher alle die dort nomierten Angaben enthalten müssen. Die in Abs. 2 angegebenen Ausnahmen gelten für Bestellscheine nicht. Im Vorentwurf waren auch Rechnungen und Preislisten genannt, die aber u. E. zu Recht herausgenommen wurden (hinsichtlich der Preislisten a. A. Einmahl in Die AktGes 1969, 134). Anm. 9: Der Vorstand kann vom Registergericht nach § 407 I zur Erfüllung seiner Verpflichtung durch Ordnungsstrafe gezwungen werden. Ein Verstoß gegen § 80 führt nicht etwa bürgerlich-rechtliche Nichtigkeit der Erklärung herbei, da § 80 keine Formvorschrift ist. Anm. 10: Für ausländische Gesellschaften gilt § 80 nicht, auch nicht, soweit es sich um den Verkehr ihrer inländischen Zweigniederlassungen handelt (ebenso auch für das neue Recht Kreplin in BB 1969, 1113; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 1; abweichend Einmahl in Die AktGes 1969, 136; Kölner Komm. Anm. 5). § 81 Änderung des Vorstands und der Vertretungsbefugnis seiner Mitglieder (1) Jede Änderung des Vorstands oder der Vertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds hat der Vorstand zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 426

Änderung des Vorstands

§81 Anm. 1—4

(2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Änderung in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft beizufGgen. (3) Die neuen Vorstandsmitglieder haben ihre Namensunterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 73 AktG 37 und hat lediglich in Absatz 3 das Wort „Unterschrift" durch „Namensunterschrift" ersetzt, um die Bestimmung den §§ 37 und 126 BGB anzupassen. Durch das Gesetz vom 15. 8.1969 (vgl. § 80 Anm. 1) ist die Anmeldepflicht einer Anordnung des Aufsiditsrats nach § 78 Abs. 3 S. 2 in den Absätzen 1 und 2 herausgenommen worden. Eine sachliche Änderung ist dadurch nicht eingetreten (vgl. Anm. 4). Anm. 2: Nach § 39 sind die Mitglieder des Vorstandes sowie die etwaigen Bestimmungen über ihre Vertretungsbefugnis in das Handelsregister einzutragen. § 81 sorgt dafür, daß jede Änderung in den Personen des Vorstands oder in der Art der Ausübung ihrer Vertretungsmacht durch Eintragung in das Handelsregister und durch Veröffentlichung bekannt wird. Die Eintragung hat keine konstitutive Wirkung. Ob jemand Vorstandsmitglied ist, hängt davon ab, ob er ordnungsmäßig bestellt ist (vgl. §§ 84, 85). Wenn nicht, so kann auch die Eintragung nicht bewirken, daß er vertretungsberechtigt wird. Die Gesellschaft aber kann dem Dritten, der sich auf die Eintragung und Veröffentlichung beruft, nicht entgegenhalten, daß die Bestellung nicht rechtsgültig sei, ebenso nicht, daß er nicht mehr Vorstandsmitglied sei (§15 HGB; RG 144,388). Die Eintragung, daß der Anmeldende erst von einem späteren Zeitpunkt an Vorstandsmitglied sei, ist nicht zulässig (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 2; a. A. Freis in Die AktGes 1967, 227). Anm. 3: Über die Eintragung und Bekanntmachung des ersten Vorstands vgl. §§ 39, 40, über die Hinterlegung der Namensunterschrift § 37 III. Das Gesetz schreibt vor, daß jede Änderung in den Personen des Vorstandes anzumelden ist. Veränderung des Wohnsitzes eines Vorstandsmitglieds ist nicht einzutragen, aber eine Namensänderung (Heirat, Adoption) ist anzumelden und die neue Unterschrift zu hinterlegen (Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 2). Anm. 4: Anzumelden ist ferner jede Veränderung der Vertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds, auch wenn diese auf einer Anordnung des Aufsichtsrats gemäß § 78 III S. 2 beruht. Die Anmeldung einer derartigen Anordnung ist nunmehr nicht mehr ausdrücklich normiert. Da eine derartige 427

§ 81

Verfassung der Aktiengesellschaft

Anm. 4,5

Anordnung jedoch die Vertretungsbefugnis des Vorstandes oder des einzelnen Vorstandsmitgliedes betrifft, ist sie bereits deswegen einzutragen. Gemeint ist hier die Art der Ausübung der Vertretung in Form der Einzelvertretung oder Gesamtvertretung mit ihren Unterarten. Insbesondere wegen der Ubergangsbestimmungen zum Gesetz vom 15. 8. 1969 ist es streitig geworden, ob in jedem Fall personenbezogen anzumelden ist, welche Vertretungsbefugnis das einzelne Vorstandsmitglied hat (so Gustavus in BB 69, 1335, in BB 70, 371 und in BB 70, 594; Bokelmann in NJW 69, 2120; Lappe in GmbHR 70, 9). Wir können uns dieser Ansicht nicht anschließen, da sich derartiges aus dem Gesetzeswortlaut nicht ergibt. Es genügt vielmehr die abstrakte Angabe der Vertretungsbefugnis — ob Alleinvertretungsmacht oder gemeinschaftliche Vertretung gilt und in welcher Art —, es sei denn, es besteht für ein bestimmtes Vorstandsmitglied eine von den allgemeinen Angaben abweichende Regelung (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 1; Gross in DRpfl. 70, 156; OLG Frankfurt in BB 70, 370; OLG Köln in BB 70, 594; Geßler in BB 70, 627). Die Vertretungsbefugnis selbst ist gesetzlich geregelt und unbeschränkbar (§ 82). Es ist gleichgültig, ob diese Änderung durch rein tatsächliche Vorgänge (Bestellung eines weiteren Vorstandsmitglieds zu dem bisher allein vorhandenen, wenn die Satzung in einem solchen Fall automatisch die bisherige Einzelvertretung zu einer Gesamtvertretung werden läßt), durdh Satzungsänderung oder durch eine Anordnung des Aufsichtsrats nach § 78 III S. 2 herbeigeführt ist. Nicht anzumelden ist eine Ermächtigung nach § 78 IV, ebensowenig die Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden, wenn ihm nicht Einzelvertretungsmacht erteilt ist (herrschende Ansicht; Kölner Komm. Anm. 4; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 1). Aus § 43 IV Handelsregisterverfügung, der die Eintragung eines Vorsitzenden für zulässig bezeichnet, hat sich zwar in der Praxis eine derartige Eintragung durchgesetzt (vgl. LG Stuttgart in BB 53, 870), eine Erweiterung der Verpflichtungen aus § 81 kann hieraus jedoch nicht hergeleitet werden. Anm. 5: Die Anmeldung obliegt der Gesellschaft, braucht also nicht durch sämtliche Vorstandsmitglieder, sondern nur durch so viele, wie zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind, zu erfolgen. Ein Vorstandsmitglied kann zusammen mit einem Prokuristen anmelden (KG JW 38, 3121). Die Anmeldung nur durch Prokuristen ist unzulässig (allgemeine Ansicht). Dagegen kann der Vorstand sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (sehr weitgehend KG in JW 32, 2626). Die Vollmacht muß öffentlich beglaubigt sein (§ 12 II HGB). Ein ausgeschiedenes Mitglied kann nicht mehr anmelden, da es nicht mehr Vorstand ist (BayOLGZ 23, 172). Wenn nicht mehr genügend vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder vorhanden sind, muß zunächst ein neuer Vorstand bestellt werden, evtl. nach § 85, der dann das Ausscheiden des früheren Mitglieds anzumelden hat. Die Anmeldung ist persönlich 428

Beschränkungen der Vertrctungs- und Geschäftsführungsbefugnis

§ § 81/82

Anm. 5-—8

bei dem Gericht (§ 14) zu bewirken oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen (§ 12 H G B ) . Die Vorschriften sind zwingend. Das Registergericht kann die Anmeldung gemäß § 14 H G B durch Ordnungsstrafe erzwingen, ebenso hat jedes Vorstandsmitglied einen klagbaren Anspruch gegen die Gesellschaft auf Bewirkung der ordnungsmäßigen Eintragung. Dieser geht audi dahin, daß die richtigen Gründe für das Erlöschen des Amtes angegeben werden (OLG Frankfurt/M. in J W 30, 2983). Die Vollstreckung erfolgt gemäß § 894 Z P O ( K G in K G J 41 A 100; Kölner Komm. Anm. 13; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 8; a. A. Brodmann § 234 H G B Anm. 2 c, der § 888 ZPO anwenden will). Anm. 6: Der Anmeldung sind die Urkunden, aus denen sich die Änderung ergibt, oder beglaubigte Abschriften davon beizufügen. Werden die Urschriften vorgelegt, so brauchen diese nicht öffentliche Urkunden zu sein. Im Falle der Abberufung nach § 84 I I I muß der Beschluß des Aufsichtsrats vorgelegt werden; wird aber statt der Urschrift eine Abschrift vorgelegt, so muß diese öffentlich beglaubigt sein, auch wenn die Urschrift eine öffentliche Urkunde und auch, wenn sie eine Privaturkunde ist. Sind Zweigniederlassungen vorhanden, so sind eine ihrer Zahl entsprechende Stückzahl beglaubigter Abschriften der Anmeldungen bei dem Gericht der Hauptniederlassung einzureichen. Auch die Zeichnung der Unterschriften hat in der gleichen Stückzahl zu erfolgen. Das Registergericht hat zu prüfen, ob die Beschlüsse der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats, durch die die Änderung herbeigeführt ist, nach Gesetz und Satzung ordnungsmäßig zustande gekommen sind und hat ggf. Ermittlungen anzustellen. Da diese Prüfung nur dem Registergericht des Sitzes obliegt, sind die Urkunden über die Änderung bzw. die Anordnung des Aufsichtsrats nur in einem Stück beizufügen. Über das Recht, Ordnungsstrafe zu verhängen, vgl. Anm. 5. Anm. 7: Die neuen Vorstandsmitglieder haben ihre Namensunterschrift zu zeichnen, nicht die Firma. Die Zeichnung muß persönlich geschrieben werden. Unterschrift durch Bevollmächtigte ist unzulässig. Über Zweigniederlassungen siehe § 43 IV. Anm. 8: Der Inhalt der Eintragung ist gemäß § 10 H G B in den Blättern des Gerichts bekanntzumachen. Die Kosten der Anmeldung und der Bekanntmachung trägt die Gesellschaft. § 82 Beschränkungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis (1) Die Vertretungsbefugnis des Vorstands kann nicht beschränkt werden. 429

§82 Anm. 1—4

Verfassung der Aktiengesellschaft

(2) Im Verhältnis der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft sind diese verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtsrats für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Besdiränkbarkeit der Vertretungsbefugnis (Anm. 3—6) III. Besdiränkbarkeit der Gesdiäflsführungsbefugnis (Anm. 7—9)

IV. Prüfung durch das Gericht (Anm. 10) V. Verstoß (Anm. 11)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt inhaltlich die Bestimmungen des § 74 AktG 37, unterscheidet aber auch hier genauer zwischen Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis. Da der Gesetzgeber in § 77 die Geschäftsordnung normiert hat, ist die Bindung des Vorstandes folgerichtig auch auf Beschränkungen ausgedehnt worden, die sich aus dieser Geschäftsordnung ergeben. Anm. 2: Die Vorschrift handelt von der Geschäftsführungsbefugnis (Abs. 2) als einer beschränkbaren, sowie von der Vertretungsbefugnis (Abs. 1) als einer unbeschränkbaren. Damit haben sich die Bestrebungen, die Vertretungsmacht in ähnlicher Weise einzuschränken, wie dies durch die ultra-viresLehre im angelsächsischen Recht der Fall ist, nicht durchgesetzt. II. Besdiränkbarkeit der Vertretungsbefugnis Anm. 3: Das Gesetz sagt nicht ausdrücklich wie in § 74 AktG 37, daß die Beschränkung der Vertretungsmacht Dritten gegenüber unwirksam sei, sondern trifft allgemein die Feststellung, daß die Vertretungsmacht des Vorstandes nicht beschränkt werden kann. Damit ist jedoch keine Änderung eingetreten, vielmehr ist die Folge der Unbeschränkbarkeit, daß eine trotzdem ausgesprochene Beschränkung Dritten gegenüber wirkungslos ist. Daraus folgt, daß der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit nicht bei gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten gelten kann, wie z. B. beim Einfordern der Stammeinlagen von den Aktionären (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 10). Anm. 4: Die Vertretungsmacht des Vorstandes unterliegt jedoch trotz Abs. 1 gesetzlichen Beschränkungen. So geht regelmäßig neben der nach Abs. 2 möglichen Beschränkung der Geschäftsführung dann auch eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis einher, wenn die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auf Gesetz beruht. Dies ist dann der Fall, wenn 430

Beschränkungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis

§ 82

Anm. 4—6

auch nach außen die Wirksamkeit des Geschäfts die vom Gesetz vorbehaltene Zustimmung eines anderen Organs voraussetzt. So kann der Vorstand laut ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung nicht ohne einen Beschluß der Hauptversammlung eine Verschmelzung durchführen (§ 340), Unternehmensverträge abschließen (§ 293) oder dgl. Davon verschieden ist die gesetzliche Sonderregelung der Zuständigkeit zur Vertretung. Eine auf Satzung, Aufsichtsrats-, Hauptversammlungsbeschluß oder Geschäftsordnung beruhende Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis schränkt die Vertretungsmacht nicht ein, ist vielmehr gegenüber Dritten ohne Rechtsfolge (vorbehaltlich der §§ 138, 826 BGB). Die Beschränkung ist gegenüber dem Dritten unwirksam, auch wenn sie ihm bekannt war ( J W 1937, 2187). BAG in AP Nr. 1 zu § 37 GmbHG und B.-H. Rn. 13 lassen die Beschränkung dann auch gegenüber einem Dritten wirksam werden, wenn dieser sie kannte oder hätte kennen müssen. Daß ein Mißbrauch der Vertretungsmacht ein Handeln ohne Vertretungsmacht sei, ist damit abgelehnt. Unter Umständen kann dem Dritten, der den Mißbrauch erkennt, aus § 826 BGB der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengehalten werden. Es besteht inzwischen Einigkeit darüber, daß der Dritte, der die Überschreitung durch den Vorstand kannte oder auch nur aufgrund einfacher Fahrlässigkeit nicht kannte, gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. B G H 50, 114; B G H in WM 66, 491; B.-H. Rn. 13; Kölner Komm. Anm. 15; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 8). Ein solcher Mißbrauch kann schon in zweckfremden Geschäften liegen (RG 145, 314). Keine Beschränkung stellt die Gesamtvertretung dar, die vom Gesetz als grundsätzliche Regelung vorgeschrieben ist, und ihre Unterarten. Die Vertretungsmacht wird auch nicht durch den Zweck des Unternehmens beschränkt (RG 115, 246 ff., 249); dieser stellt lediglich eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis dar. Zu beachten ist, daß die Vertretungsmacht einer noch nicht eingetragenen, aber errichteten Gesellschaft auf die für die Erlangung der Eintragung und für die Aufnahme des Betriebs notwendigen Rechtsgeschäfte beschränkt ist (vgl. BayObLG in MDR 65, 917; Kölner Komm. Anm. 3). Anm. 5: Der Vorstand kann von sich aus die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes von der Zustimmung eines Organs der Gesellschaft abhängig machen (OLG 42, 221). Da dies den Vertragspartnern gegenüber zu erklären ist, liegt ein wirksames Geschäft unter einer Bedingung vor (Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 7; Kölner Komm. Anm. 5). Anm. 6: Für ausländische Gesellschaften gilt auch hinsichtlich der Beschränkung der Vertretungsmacht das Heimatrecht. Sind nach diesem Beschränkungen möglich, so sind diese Dritten gegenüber jedoch nur dann wirksam, wenn sie im Handelsregister eingetragen worden sind; denn es kann nie431

§82 Anm. 6—8

Verfassung der Aktiengesellschaft

mandem zugemutet werden, umfangreiche Untersuchungen darüber anzustellen, ob Beschränkungen nach dem in Frage kommenden ausländischen Recht möglich und ihm gegenüber wirksam sind (Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 11). III. Beschränkbarkeit der Geschäftsführungsbefugnis Anm. 7: § 82 II handelt von Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis, und zwar nicht von solchen Beschränkungen, welche kraft Gesetzes bestehen, sondern von solchen, die durch Satzung, Aufsichtsrat, Hauptversammlungsbeschluß oder Geschäftsordnung angeordnet sind. Sonach kann die Geschäftsführungsbefugnis beschränkt werden. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß daraus nur eine Verpflichtung des Vorstandes entspringen kann, die Schranken innezuhalten, denn es wäre nicht wohl denkbar, daß die Gültigkeit seiner Anordnung gegenüber Angestellten und Arbeitern von ihrer Beobachtung abhängig sein und daß er gegen diese keinen Anspruch auf Gehorsam haben sollte, wenn er jene Schranken übersieht. Unmöglich ist es, seine eigenen geschäftlichen Handlungen als nicht geschehen anzusehen, weil sie solchen Beschränkungen zuwiderliefen. Von gesetzlichen Beschränkungen, welche sich aus der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung ergeben, handelt § 82 nicht. Nach der Fassung des § 74 AktG 37 war es zweifelhaft, ob die Vorschrift selbst der Satzung und dem Aufsichtsrat die Blankoermächtigung gab, Vorschriften zu erlassen, welche die Geschäftsführungsbefugnis einengen, oder ob er deren Zuständigkeit nach anderen Bestimmungen voraussetzt. § 82 hat darum klar herausgestellt, daß die Geschäftsführungsbefugnis nicht beliebig beschränkt werden kann, sondern nur im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft zulässig ist. Es ist aber zu beachten, daß Satzung und Aufsichtsrat die Beschränkungen selbst vorschreiben müssen und nicht anderen gestatten können, sie anzuordnen. Weder Satzung noch Aufsichtsrat können nach allgemeiner Meinung die Zustimmung eines einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes (z. B. des Aufsichtsratsvorsitzenden) oder gar eines Dritten (Konzernspitze), auch nicht eines Beirats, vorsehen. Es kann auch nicht etwa der Hauptversammlung oder Aktionären als Sondervorteil nach § 26 oder einer Aktiengattung satzungsmäßig Einfluß auf die Geschäftsführung etwa in der Weise eingeräumt werden, daß sie ihre Zustimmung zu bestimmten Geschäften (Anstellungen, Ernennungen, Prokuren) vorbehalten oder ihnen ein Veto-Recht gegeben wird. Über die Frage der Beschränkbarkeit im einzelnen vgl. ausführlich S. Wilhelmi in Handbuch des Aufsichtsrats. Anm. 8: Die Gesetzesstelle, welche voraussetzt, daß die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes beschränkt werden kann, sagt nichts über den zu432

Beschränkungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis

§ 82

Anm. 8

lässigen Umfang der Beschränkungen (s. Freis in Z d f H 122, 8 ff.). Der Aufsichtsrat kann den Vorstand gemäß § 111 IV (s. Anm. dort) verpflichten, zu bestimmten Geschäften oder bestimmten Arten von Geschäften seine Zustimmung einzuholen. Dies ist gleichbedeutend mit einem Verbot bestimmter Geschäfte, das selbstverständlich durch seine Zustimmung hinfällig wird. Die Beschränkung kann sich aber auch gegen einzelne Vorstandsmitglieder richten, insofern, als angeordnet werden kann, daß bestimmte Mitglieder zu bestimmten Geschäften die Zustimmung des Aufsichtsrats einholen müssen, schlechthin oder wenn nicht ein zweites oder bestimmtes anderes Vorstandsmitglied zustimmt. Über Vorstehendes hinaus kann der Aufsichtsrat nicht gehen, insbesondere dem Vorstand nicht allgemein vorschreiben, seine Weisungen zu befolgen. Der Hauptversammlung steht nach § 119 das Recht überhaupt nicht zu, in Fragen der Geschäftsführung zu entscheiden (Abs. 2), es sei denn, sie wird vom Vorstand deswegen angegangen. Anträge zu stellen und Wünsche zu äußern, ist der Hauptversammlung natürlich unbenommen; diese entlasten den Vorstand, sofern sie sich zu einem Beschluß verdichtet haben, wenn der Vorstand ihnen Rechnung trägt (§ 93 IV). Dagegen kann nach §§ 82; 111 I V auch die Satzung den Vorstand anweisen, zu bestimmten Geschäften oder Arten von Geschäften die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen (nicht der Hauptversammlung). Wie weit die Satzung darüber hinaus die Geschäftsführung des Vorstands einschränken kann, ist ungeklärt. Sicher ist, daß auch sie die gesetzliche Zuständigkeitsordnung nicht ändern kann, vielmehr dem Vorstand die ihm nach § 76 zustehende Leitung der Gesellschaft belassen muß. Daher kann die Satzung den Vorstand nicht den Weisungen des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung unterwerfen. Aus der Satzung können sich Richtlinien für die Geschäftsführung des Vorstands ergeben. In erster Linie kommt die Sachbestimmung über den Gegenstand des Unternehmens in Frage, die nach § 23 III N r . 2 sogar zum notwendigen Satzungsinhalt gehört und an den nunmehr größere Anforderungen gestellt werden. Darin liegt zweifellos eine im Innenverhältnis bindende Beschränkung der Geschäftsführung des Vorstands. Es widerspricht der in diesem Rahmen zulässigen satzungsmäßigen Fixierung seiner Geschäftsführung, wenn er dem Unternehmen, obwohl die Satzung als seinen Gegenstand den Betrieb einer Bierbrauerei bezeichnet, betriebsfremde Unternehmungen angliedert, wie Porzellan- oder Portlandzementwerke oder einen Parfümeriebetrieb, sei es auch in der Form einer Aktienbeteiligung, auch wenn der Aufsichtsrat zustimmt. Darüber ist das gesamte Schrifttum einig. Auch kann die Satzung, davon angesehen, bestimmte einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen, z. B. die Errichtung von Zweigniederlassungen, die Beteiligung an anderen Unternehmen, die Erteilung von Prokuren, den Erwerb von Grundstücken, die Gewährung von 433

§ 82 Anm. 8—11

Verfassung der Aktiengesellschaft

ungesicherten Krediten (z. B. bei Bankunternehmen) nicht nur von der Genehmigung des Aufsichtsrats abhängig machen, sondern für beide Organe intern bindend gänzlich verbieten (ebenso Schl.-Qu. § 74 Anm. 4; Kölner Komm. Anm. 11). Im allgemeinen wird von diesen Möglichkeiten in der Satzung kein Gebrauch gemacht. Weiter kann sich eine Beschränkung aus der Geschäftsordnung für den Vorstand ergeben (§ 77), insbesondere durch Aufteilung der Geschäftsbereiche unter mehreren Vorstandsmitgliedern. Darin liegt zugleich, daß sich ein Vorstandsmitglied eines Eingriffs in ein anderes Arbeitsgebiet im Rahmen seiner gesetzlichen Verantwortlichkeit zu enthalten hat. Nimmt es in der Folge wahr, daß auf einem anderen Arbeitsgebiet ein Vorstandsmitglied seiner Aufgabe nicht gerecht wird, ist es verpflichtet, Abhilfe zu schaffen, indem es darauf dringt, daß jenes Arbeitsgebiet anders besetzt wird oder daß andere Vorkehrungen getroffen werden. Natürlich kann es auch einzelnen Maßnahmen unmittelbar widersprechen, aber im allgemeinen ist es auf die Überwachung beschränkt. Es gibt Satzungsbestimmungen, die für die Unternehmensführung politische Grundsätze enthalten. Wegen der Frage, ob diese vom Vorstand auch dann zu befolgen sind, wenn damit in die dem Vorstand in alleiniger Verantwortung übertragene Leistungsmacht eingegriffen wird, vgl. Winkler in N J W 70, 447, der dies bejaht, und einschränkend hierzu Mertens in N J W 70, 1718. Anm. 9: Satzungsmäßige Beschränkungen können sowohl in der ursprünglichen Satzung als auch durdi Satzungsänderung vorgesehen werden. Hier eröffnet sich der Hauptversammlung — neben der Bestellung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats, einer Vertrauensentziehung und der Stellung von Anträgen — ein weiterer Weg, die Geschäftsführung der Gesellschaft im Rahmen von Anm. 8 zu beeinflussen. IV. Prüfung durch das Gericht Anm. 10: Das Gericht hat lediglich die gesetzlichen Beschränkungen der Vertretungsmacht zu prüfen, nicht auch die Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis (RG 89, 369). Selbst bekannte oder zu Unrecht ins Handelsregister eingetragene Beschränkungen dürfen nicht beachtet werden. V. Verstoß Anm. 11: Mißachtet der Vorstand die Schranken, die seiner Geschäftsführung gezogen sind, so kann dies den Widerruf seiner Bestellung begründen. Überdies macht er sich schadenersatzpflichtig, wenn ein Schaden entsteht, und zwar auch dann, wenn ihm kein darüber hinausgehendes weiteres Verschulden zur Last fällt (Kölner Komm. Anm. 14). 434

Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbesdilüssen

§ 83

Anm. 1,2 § 83 Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbesdilüssen (1) Der Vorstand ist auf Verlangen der Hauptversammlung verpflichtet, Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, vorzubereiten. Das gleiche gilt f ü r die Vorbereitung und den Abschluß von Verträgen, die nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden. Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf der Mehrheiten, die für die Maßnahmen oder f ü r die Zustimmung zu dem Vertrag erforderlidi sind. (2) Der Vorstand ist verpflichtet, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. Anm. 1: Die Vorschrift ist neu und hat keine vergleichbare Bestimmung im früheren Recht. Die Vorbereitung von Hauptversammlungsbesdilüssen gehört zu den Gesdiäftsführungsmaßnahmen und somit zu dem Aufgabenbereich des Vorstandes; dies ist selbstverständlich, so daß hierüber im Gesetz keine ausdrückliche Bestimmung enthalten ist (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 1). Der Gesetzgeber geht davon aus, daß eine Reihe von wichtigen Beschlüssen von der Hauptversammlung nur dann ergehen könne, wenn die Beschlußfassung entsprechend vorbereitet sei. Das Gesetz enthält einige Bestimmungen, aus denen sidi die Pflicht zur Vorbereitung der Hauptversammlungsbeschlüsse von selbst ergibt; so ist eine Bilanz zu erstellen, wenn die Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln beschließen soll (§ 207IV), zur Zustimmung zu Verschmelzungs- und Unternehmensverträgen müssen diese bei der Beschlußfassung schriftlich vorliegen (§§ 293, 340). Trotzdem ist es durchaus denkbar, daß Hauptversammlungsbeschlüsse ohne gehörige Vorbereitung kaum zustande kommen können — z. B. die Eingliederung von Gesellschaften, Satzungsänderungen und dergleichen —. Das bisherige Recht kannte keine ausdrückliche Bestimmung, wonach die Hauptversammlung berechtigt ist, vom Vorstand Vorbereitungshandlungen zu fordern, weswegen die gesetzliche Regelung geboten war. Der Gesetzgeber berücksichtigt hierbei die Tatsache, daß es dem Aktionär nicht zugemutet werden kann, über unvorbereitete Maßnahmen in der Hauptversammlung seine Entscheidung zu treffen. Wäre eine derartige Möglichkeit der Hauptversammlung nicht gegeben, so wäre der Vorstand in der Lage, praktisdi das Zustandekommen der Beschlüsse in der Hauptversammlung erheblich einzuschränken. Anm. 2: Die Vorschrift bestimmt, daß die Hauptversammlung die Vorbereitung sämtlicher Maßnahmen verlangen kann, die in ihre Zuständigkeit fällt. Nach dem Reg.-Entwurf sollten nur solche Maßnahmen erfaßt werden, die einer Vorbereitung bedürfen. Diese Regelung ist fallengelassen 435

§ 83

Anm. 2,3

Verfassung der Aktiengesellschaft

worden. Wenn es auch im Ausschußbericht heißt, die jetzt gültige Formulierung sei nur eine sprachliche Änderung der Fassung des Reg.-Entwurfes, so ist durch die neue Formulierung doch eine erhebliche Streitfrage fortgefallen, nämlich welche Maßnahmen vorbereitungsbedürftig sind und wer diese Frage zu entscheiden hat (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Einleitung zu § 83). Anm. 3: Der Beschluß gem. § 83 bedarf nach Abs. 1 S. 3 der Mehrheit, die für die Maßnahme oder für die Zustimmung zu dem Vertrag erforderlich ist. Welche Mehrheit dies jeweils ist, hängt von dem Einzelfall ab und ergibt sich meistens aus der Satzung; wenn diese nichts enthält, so ist die entsprechende gesetzliche Regelung einzuhalten. Dieses Mehrheitserfordernis im Gesetz hat zur Folge, daß der Vorstand nicht generell zur Vorbereitung der Maßnahme bzw. der Verträge verpflichtet werden kann; denn nur jede einzelne bestimmte Maßnahme — bzw. Vertrag — kann von dem Hauptversammlungsbeschluß erfaßt werden, der die Vorbereitung verlangt. Eine generelle Verpflichtung des Vorstandes durch die Hauptversammlung, sämtliche Hauptversammlungsbeschlüsse vorzubereiten, kann aufgrund § 83 nicht von der Hauptversammlung ausgesprochen werden, da die verschiedenen Maßnahmen verschiedene Mehrheiten erfordern. Die Gefahr, daß durch die Vorschrift eine erhebliche Störung des Geschäftsbetriebes deswegen eintreten kann, weil die entsprechende Maßnahme der Hauptversammlung zweimal vorgelegt werden muß, nämlich einmal, wenn die Hauptversammlung beschließt, den Vorstand zur Vorbereitung des endgültigen Beschlusses zu verpflichten, und zum zweiten Mal zum endgültigen Fassen des Beschlusses, ist u. E. gering. Da für den Beschluß die Mehrheit erforderlich ist, die für die Maßnahme oder die Zustimmung notwendig ist, kann praktisch ein solcher Beschluß nur zustande kommen, wenn die für die Beschlußfassung der ins Auge gefaßten Maßnahme erforderliche Mehrheit der Ansicht ist, der Vorstand habe diese Maßnahme noch nicht genügend vorbereitet, so daß die endgültige Beschlußfassung einer weiteren eingehenden Vorbereitung bedürfe. Eine andere Frage ist, ob eine derartige generelle Verpflichtung in der Satzung enthalten sein kann. Dies ist u. E. aus mehreren Gründen nicht möglich. Zunächst einmal verbietet die Vorschrift des § 23 V eine derartige Regelung in der Satzung, da u. E. die Frage der Verpflichtung des Vorstandes durch die Hauptversammlung, Hauptversammlungsbeschlüsse vorzubereiten, im Gesetz abschließend geregelt ist. Es finden sich im Gesetz (siehe Anm. 1) verschiedene Vorschriften, die eine Vorbereitung der Hauptversammlungsbesdilüsse in wichtigen Angelegenheiten bereits normiert. Für andere Hauptversammlungsbeschlüsse ist die Möglichkeit der Verpflichtung des Vorstandes durch die Hauptversammlung in § 83 erschöpfend geregelt. 436

Bestellung und Abberufung des Vorstands

§§83/84

Anm. 4,5

Es ist daher kein Raum mehr für eine weitergehende Regelung in der Satzung, so daß aus diesem Grunde bereits eine derartige Ermächtigung in der Satzung nicht enthalten sein kann. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, daß für die Ermächtigung verschiedener Hauptversammlungsbeschlüsse verschiedene Mehrheiten erforderlich sein müßten. Es müßte daher jedesmal festgestellt werden, ob die Satzungsbestimmung, wonach der Vorstand verpflichtet ist, die Hauptversammlungsbeschlüsse vorzubereiten, die hierfür erforderliche Mehrheit gehabt hat. Insbesondere ist hierbei an den Umwandlungsbeschluß nach § 369 zu denken, wonach Einstimmigkeit erforderlich ist. Dies ist in den einzelnen Fällen mit Sicherheit nicht festzustellen, so daß auch aus diesem Grunde eine generelle Verpflichtung in der Satzung nicht ausgesprochen werden kann (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 4). Anm. 4: Die Vorschrift ermöglicht es der Hauptversammlung nicht allgemein, in die Geschäftsführung, die dem Vorstand allein obliegt, einzugreifen. Sie kann aber den Vorstand zwingen, im Rahmen der Vorbereitung eines Hauptversammlungsbeschlusses über die Zustimmung von Unternehmensverträgen solche Verträge abzuschließen, die der Vorstand überhaupt nicht beabsichtigt hat zu schließen. In der Voraufl. wurde die Ansicht vertreten, daß die Hauptversammlung hierzu nicht in der Lage sei, weil lediglich die Zustimmung von Verträgen in die Zuständigkeit der Hauptversammlung falle. Diese Ansicht wird nicht mehr aufrechterhalten, da sie mit dem Wortlaut von Abs. 1 Satz 2 unvereinbar ist, der ausdrücklich nicht nur die Vorbereitung, sondern auch den Abschluß der vertraglichen Verträge nennt (so auch zu Recht B.-H. Rn. 4; Haberlandt in Möhring-Schwartz S. 102; MeyerLandrut in Großkomm. Anm. 3 u. § 76 Anm. 2; Kölner Komm. Anm. 3). Die Hauptanwendungsfälle sind die Unternehmensverträge und die Verschmelzung (siehe auch § 340 Anm. 3). Anm. 5: Abs. 2 regelt eine Selbstverständlichkeit. Von der Hauptversammlung beschlossene Maßnahmen müssen vom Vorstand ausgeführt werden. Für manche Maßnahmen ist dies vom Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben — wie z. B. die Anmeldung von Satzungsänderungen oder sonstige Anmeldungen zum Handelsregister —. Im übrigen ergibt es sich aus der Stellung der Hauptversammlung als Organ der Gesellschaft. Wollte man die in Abs. 2 geregelte Verpflichtung verneinen, so würde die Hauptversammlung zu einem beratenden Gremium degradiert, was dem gesamten Aktienrecht widersprechen würde. § 84 Bestellung und Abberufung des Vorstands (1) Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils 437

§ 84 Anm. 1

Verfassung der Aktiengesellschaft

für höchstens fünf Jahre, ist zulassig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbesdilusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsiditsratsbeschluß vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt sinngemäß für den Anstellungsvertrag; er kann jedoch vorsehen, daß er für den Fall einer Verlängerung der Amtszeit bis zu deren Ablauf weitergilt. (2) Werden mehrere Personen zu Vorstandsmitgliedern bestellt, so kann der Aufsichtsrat ein Mitglied zum Vorsitzenden des Vorstands ernennen. (3) Der Aufsiditsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durdi die Hauptversammlung, es sei denn, daß das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Dies gilt auch für den vom ersten Aufsichtsrat bestellten Vorstand. Der Widerruf ist wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag gelten die allgemeinen Vorschriften. (4) Die Vorschriften über die besonderen Mehrheitserfordernisse für einen Aufsiditsratsbeschluß über die Bestellung eines Arbeitsdirektors oder den Widerruf seiner Bestellung bleiben unberührt. I. Übersicht (Anm. 1 bis 3) II. Bestellung 1. Bestellung durch den Aufsiditsrat (Anm. 4) 2. Dauer der Bestellung (Anm. 5) 3. Erneute Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit (Anm. 6 u. 7) III. Anstellungsvertrag 1. Anstellung durdi den Aufsiditsrat (Anm. 8) 2. Inhalt des Anstellungsvertrags (Anm. 9)

3. Dauer des Anstellungsvertrags (Anm. 10) IV. Vorsitzender (Anm. 11) V. Widerruf der Bestellung 1. Gesetzliche Gründe (Anm. 12) 2. Sonstige Gründe (Anm. 13) 3. Reditsbehelf gegen Widerruf (Anm. 14) VI. Beendigung des Anstellungsvertrages (Anm. 15) VII. Arbeitsdirektor (Anm. 16)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 75 AktG 37 mit Ausnahme von Abs. 1 S. 3, der bereits in § 76 III enthalten ist. Änderungen sind in Abs. 1 insofern enthalten, als die sich nach dem alten Gesetz ergebenden Streitfragen geklärt werden sollten, wie die Verlängerung der 438

Bestellung und Abberufung des Vorstands

§84 Anm. 1—3

Amtszeit und das Erfordernis eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses. Neu ist die Vorschrift des Abs. 4 (s. Anm. 16). Die beispielhafte Aufführung, wann ein wichtiger Grund zum Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitglieds vorliegt, ist durch den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung erweitert worden (s. Anm. 12). Anm. 2: Das Gesetz bestimmt zwingend, daß die Bestellung durch den Aufsichtsrat erfolgt. Eine Bestellung von Vorstandsmitgliedern durch andere Organe oder Dritte ist unzulässig. Abweichende Satzungsbestimmungen sind unwirksam (vgl. B G H 8, 364; 15, 78). Die Bestellung kann nur höchstens auf 5 Jahre erfolgen. Auch die Anstellungsverträge sind auf diese Höchstzeit begrenzt, da längere Verträge oft zu einer schweren Belastung der Gesellschaft geführt haben. Eine wiederholte Bestellung ist zulässig, sie bedarf jedoch, ebenso wie die Verlängerung der Amtszeit, eines neuen Aufsichtsratsbeschlusses (s. Anm. 6 und 10). Der Aufsichtsrat ist auch zum Widerruf der Bestellung (Abberufung) ausschließlich zuständig. Die Zulässigkeit des Widerrufes ist beschränkt und nur wegen wichtigen Grundes gegeben, damit der Vorstand nicht in zu große Abhängigkeit vom Aufsichtsrat g«rät. Anm. 3: Das Gesetz unterscheidet, wie früher bereits der § 75 AktG 37, zwischen der Bestellung und dem Anstellungsvertrag. Zum AktG 37 wurde die Ansicht vertreten (vgl. 2. Aufl. § 75 Anm. I I 2 ; Ritter § 75 Anm. 2 a und h; Schilling-Hachenburg § 35 Anm. 40 und 4 4 ; Hafermehl in D J Z 42, 619), es handele sich um einen einzigen und einheitlichen Bestellungsvertrag und um ein einziges, einheitliches Bestellungsverhältnis, in welchem alle vertraglichen und rechtlichen Beziehungen von Vorstand und Gesellschaft aufgehen würden. Die Bestellung sei nicht nur ein Akt nach außen, der den Vorstand zum Vertreter der Gesellschaft im Verkehr mit der Mitwelt macht, sondern sie begründe zugleich auch schon die Pflichten, Rechte, Befugnisse und Zuständigkeit nach innen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Theorie zutreffend war, da sie jedenfalls vom Gesetz nicht übernommen worden ist. Eine deutliche Unterscheidung ergibt sich insbesondere aus Abs. 1 S. 5 und Abs. 3 und 5, denn für die Kündigung des Anstellungsvertrages kann die Bestimmung des Satzes 4 nicht gelten (vgl. B G H in Lind.-Möhr § 75 Nr. 5). Die Bestellung verleiht dem Vorstandsmitglied seine Stellung nach außen als vertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft, während der Anstellungsvertrag das Dienstverhältnis mit der Gesellschaft regelt (Baumbach-Hueck Rn. 6). Abs. 1 gilt für Bestellung und Anstellungsvertrag, Abs. 2 — 4 nur für die Bestellung. 439

§ 84 Anm. 4,5

Verfassung der Aktiengesellschaft

II. Bestellung 1. Bestellung durch den

Aufsichtsrat

Anm. 4: Die Bestellung erfolgt durch den Aufsichtsrat als Organ, erfordert demgemäß einen Beschluß. Gemäß § 107 kann der Aufsiditsrat die Beschlußfassung — wohl aber seine Vorbereitung — einem Ausschuß nicht übertragen, was nach der Rechtsprechung zum bisherigen Redit (§ 92) möglich war (BGH 20, 239 ff.; 41, 285; BGH in WM 1957, 846). Die Satzung kann hinsichtlich der Bestellung nichts anderes bestimmen, insbesondere nicht den Vorsitzenden zur Bestellung des Vorstandes berufen, dem Vorstand das Selbstergänzungsredit oder irgend jemand ein Vorschlagsrecht gewähren, wenn es für den Aufsichtsrat bindend sein soll. Natürlich kann auch letzterer selbst dies nicht. Eine Form — etwa notarielle Beurkundung — schreibt das Gesetz für den Aufsichtsratsbeschluß nicht vor, kann sich aber aus der Satzung ergeben (Kölner Komm. Anm. 22). Die Bestellung kann mit Wirkung auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt erfolgen (ebenso Frels in Die AktGes 1967, 282). Die Eintragung in das Handelsregister darf aber nicht vor diesem Zeitpunkt erfolgen (siehe § 81 Anm. 2). 2. Dauer der

Bestellung

Anm. 5: Die Bestellung kann höchstens für die Dauer von fünf Jahren erfolgen. Eine Bestellung für einen kürzeren Zeitraum ist möglich. Eine auf unbestimmte Zeit oder für einen längeren Zeitraum als fünf Jahre ausgesprochene Bestellung wird man als eine Bestellung für fünf Jahre auslegen müssen (§ 139 BGB; so auch Baumbadi-Hueck Rn. 9). Die Frist beginnt mit dem Amtsantritt zu laufen, nicht aber mit dem Beschluß hinsichtlich der Bestellung. Die Dauer der Bestellung zu bemessen, ist ausschließlich Sache des Aufsichtsrats. Er darf jedoch die Dauer nicht so kurz bemessen, daß das Vorstandsmitglied dadurch praktisch in die Abhängigkeit des Aufsichtsrates gerät, worauf Meyer-Landrut (in Großkomm. Anm. 9) zu Recht hinweist. Die Satzung kann weder innerhalb der gesetzlichen Höchstdauer eine Mindest- noch eine andere kürzere als die gesetzliche Höchstdauer vorsehen und dem Aufsichtsrat nicht vorgreifen. Mit dem Ablauf der Zeit, für die es bestellt war, hört das Vorstandsmitglied auf, dies zu sein. Die Duldung der weiteren Tätigkeit verlängert nicht die Bestellung konkludent, da stillschweigende Beschlüsse des Aufsichtsrats nicht möglich sind (BGH 10, 194; Dose S. 25). Die Duldung hat aber zur Folge, daß das frühere Vorstandsmitglied die gleichen Rechte und Pflichten wie bisher hat; jedoch kann es aus dieser rein tatsächlichen Stellung ohne Kündigung entfernt werden (vgl. BGH in BB 1967, 730 f.). Eine Duldung ist dort nicht möglich, wo ein Aufsichtsrat nicht mehr vorhanden ist, wie z. B. bei einer AG mit früherem Sitz in der sowjetischen Besatzungszone. Die 440

Bestellung und Abberufung des Vorstands

§84

Anm. 5—8

Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, endet dann mit Ablauf der fünf Jahre (vgl. K G in WM 1965, 908; OLG Celle in WM 1964, 269; OLG Stuttgart in WM 1965, 25; a.A. OLG Frankfurt in WM 1954, 59). Der Gegenansicht wurde zu Recht entgegengehalten, daß durch das Gesetz insoweit Vorsorge getroffen worden sei, als gerichtliche Bestellung möglich sei (vgl. BGH 33, 200). 3. Erneute Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit Anm. 6: Eine erneute Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit ist zulässig. Hierfür ist ein neuer Aufsichtsratsbeschluß erforderlich, es sei denn, die Amtszeit währt noch keine fünf Jahre (s. Anm. 7). Mit dieser Bestimmung ist eine zum früheren Recht aufgeworfene Frage entschieden worden, indem sich das Gesetz der herrschenden Lehre und insbesondere der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes angeschlossen hat. Demnach kann die Bestellung nicht stillschweigend verlängert werden, da ein Beschluß ausdrücklich sein muß und nicht stillschweigend gefaßt werden kann (BGH 10, 194). Duldung der weiteren Betätigung des Vorstandsmitgliedes ist mithin noch keine Verlängerung der Amtszeit oder gar erneute Bestellung. Auch eine Klausel, daß sich die Amtszeit automatisch verlängert, sofern nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt gekündigt wird oder der Aufsichtsrat etwas anderes bestimmt, ist unzulässig. Dieser Möglichkeit ist der Gesetzgeber dadurch begegnet, daß er ausdrücklich bestimmt hat, daß der erneute Beschluß frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. Ein früher gefaßter Beschluß ist daher wirkungslos und schafft keinerlei Rechte für das Vorstandsmitglied. Anm. 7: Eine andere Regelung greift für den Fall ein, daß die Amtszeit weniger als fünf Jahre beträgt. Der Aufsichtsrat soll lediglich alle fünf Jahre mit der Überprüfung der weiteren Verwendung des Vorstandsmitgliedes befaßt werden. Nach diesem Zeitablauf jedoch soll er in jedem Fall darüber befinden. Ohne Beschluß kann deshalb eine Verlängerung nur für so lange erfolgen, als die gesamte Amtszeit eine Dauer von fünf Jahren erreicht. Nach diesem Zeitpunkt muß in jedem Fall ein neuer Aufsichtsratsbeschluß erfolgen. Eine auf die Dauer von drei Jahren erfolgte Bestellung kann demnach — auch wenn zu Beginn vereinbart war, daß bei NichtVorliegen eines anderslautenden Beschlusses die Bestellung für jeweils weitere drei Jahre als ausgesprochen gelten soll — nur für einen Zeitraum von zwei weiteren Jahren ohne erneuten Beschluß verlängert werden. III. Anstellungsvertrag 1. Anstellung durch den Aufsichtsrat Anm. 8: Der Abschluß des Anstellungsvertrages für die Gesellschaft ist ebenso wie die Bestellung ausschließlich Angelegenheit des Aufsichtsrats 441

§ 84 Anm. 8 , 9

Verfassung der Aktiengesellschaft

(Abs. 1 S. 5); über fehlerhafte Anstellung s. Veith in DB 1965, 307. Es erhebt sich die Frage, ob durch die Verweisung auf Abs. 1 S. 1 auch ausgesprochen werden sollte, daß der Abschluß eines Anstellungsvertrages nicht vom Aufsichtsrat an einen seiner Ausschüsse verwiesen werden darf, da dies bei der Bestellung deswegen nicht möglich ist, weil Abs. 1 S. 1 ausdrücklich in § 107 III als eine Aufgabe des Aufsichtsrats erwähnt ist, die nicht an einen Ausschuß verwiesen werden darf. Abs. 1 S. 4 verweist zwar inhaltlich auf Satz 1, ist aber selbst nicht in § 107 III erwähnt. Mit der Verweisung ist aber unseres Erachtens nicht gemeint, daß der Anstellungsvertrag nicht von einem Aufsichtsratsausschuß abgeschlossen werden könnte. § 107 III spricht ausdrücklich von den Aufgaben, die sich für den Aufsichtsrat aus den einzelnen Vorschriften ergeben. Die Aufgabe, einen Anstellungsvertrag abzuschließen, ergibt sich aber nicht aus Abs. 1 S. 1, sondern ausschließlich aus Abs. 1 S. 4. Daß hierfür die Bestimmungen des Abs. 1 S. 1 sinngemäße Anwendung finden, führt nicht dazu, alle sich auf Satz 1 beziehenden Vorschriften auch auf den Anstellungsvertrag anzuwenden, insbesondere nicht, wenn nicht direkt auf die Bestimmung, sondern lediglieli auf die sich aus dieser Bestimmung ergebenden Aufgaben verwiesen worden ist. Der Anstellungsvertrag kann daher anders als die Bestellung auch von einem Aufsichtsratsausschuß abgeschlossen werden (ebenso B.-H. Rn. 6; Kölner Komm. Anm. 30; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 7; BGH 47, 350). 2. Inhalt des Anstellungsvertrages Anm. 9: Der Anstellungsvertrag ist in aller Regel ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat (§ 675 BGB). Wird das Vorstandsmitglied unentgeltlich tätig — was unter Berücksichtigung des § 612 BGB eine Ausnahme sein wird —, so stellt sich der Anstellungsvertrag als ein Auftrag dar; vgl. hierzu C.-H. und S. Wilhelmi in BB 68, 137 ff.; MeyerLandrut in Großkomm. Anm. 15. Der Anstellungsvertrag der Vorstandsmitglieder fällt unter den Dienstvertrag der selbständig Tätigen — im Gegensatz zu dem sogenannten Arbeitsverhältnis — (BGH 10, 187 ff., 191; Palandt Einf. vor § 611 BGB Anm. A 1), da der Vorstand nicht weisungsgebunden ist, Art und Weise des Arbeitens selbst bestimmen und die Arbeitszeit frei einteilen kann. Hieraus ergibt sich, daß das Vorstandsmitglied nicht Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts ist (§ 5 II Arbeitsgerichtsgesetz; § 12 Kündigungssdiutzgesetz; s. auch BGH in WM 69, 686). Auch das Angestellten-Kündigungssdiutzgesetz von 1926 findet auf das Vorstandsmitglied keine Anwendung (BGH 12, 1 ff., 8; Baumbach-Hueck Rn. 9; C.-H. und S. Wilhelmi a. a. O.), da sich das Gesetz nur auf Angestellte im Sinne des Arbeitsrechts beziehen kann und will. Auch die Neufassung des § 3 AVG durch das 3. RentenVersÄndG vom 28. 7. 1969 schließt Vorstandsmitglieder von der Rentenversicherungspflicht aus. Auch der 442

Bestellung und Abberufung des Vorstands

§ 84 Anm. 9

Bundesfinanzhof ( D B 70, 714) hat entschieden, daß Vorstandsmitglieder nicht Arbeitnehmer sind. Demnach kann das Vorrecht nach § 61 N r . 1 K O für Vorstandsmitglieder nicht zum Zuge kommen ( B G H 41, 2 8 8 ; O L G Stuttgart in B B 1951, 82). Eine Ausnahme ist aber insoweit anzuerkennen, als sich das Dienstverhältnis, je länger es besteht, dem Arbeitsverhältnis immer mehr nähert — ohne allerdings eine echte Treu- und Fürsorgepflicht, wie sie bei Abhängigen besteht, hervorzurufen — , was zur Anwendung einiger arbeitsrechtlicher Grundsätze führt (Kölner Komm. Anm. 27). Der Bundesgerichtshof (Bd. 10, 187 ff., 192) hat daher bei länger andauernder, vom Vorstandsmitglied nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Arbeitsleistung einen Gehaltsanspruch zugesprochen (vgl. B G H 20, 2 3 9 ; 34, 392; 36, 142; in Die AktGes 1964, 325; in B B 1964, 657; a. A. B . - H . Rn. 8, die sich zu Unrecht auf die §§ 616, 626, 323 ff. B G B berufen; diese finden hier keine Anwendung, vgl. B G H a. a. O.). Hinsichtlich des Urlaubsanspruchs, seines Erlöschens, seiner Abgeltung in Geld und dergleichen, gilt das, was sich für sozial abhängige Arbeitnehmer herausgebildet hat, entsprechend auch für Organmitglieder einer juristischen Person ( B G H in Lind.-Möhr. § 35 GmbH-Ges N r . 5). Ist es einem Vorstandsmitglied aus betrieblichen Gründen unmöglich, Urlaub zu nehmen, so erlangt es in diesem Fall einen Abgeltungsanspruch in Geld, da er nicht dafür bestraft werden kann, daß ihm die im Betrieb anfallende außerordentliche Arbeitsüberlastung einen Urlaub nicht gestattet ( B G H a. a. O.). Ist der Anstellungsvertrag fehlerhaft, so ist er für die Dauer der Beschäftigung des Vorstandsmitglieds als wirksam zu behandeln ( B G H 41, 282 ff.; Spieker in D B 64, 1287 und Kuhn in W M 66, 53; Gerlach in Die AktGes 65, 251). Dies ergibt sich aus der Anwendung der Grundsätze, die für ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis entwickelt worden sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß das Vorstandsmitglied mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers tätig geworden ist. Das Wissen und Wollen nur eines Mitgliedes des in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organs — hier des Aufsichtsrats — ist hierfür ausreichend ( B G H a. a. O . ; B G H in W M 1959, 81 ff.). Der Inhalt des Anstellungsvertrages darf die Freiheit des Aufsichtsrats, nach Ablauf von fünf Jahren eine Neubestellung vorzunehmen, nicht beeinträchtigen. Das kann durch die Vereinbarung einer Entschädigung oder einer Pensionszusage geschehen. Eine solche ist jedoch nicht grundsätzlich zu beanstanden, sondern nur dann, wenn sie unangemessen ist (vgl. B G H in N J W 1957, 1278 f.). Die Vereinbarung der Weiterzahlung des vollen aktiven Gehalts hat der B G H (8, 348 ff., 360) für unzulässig erklärt. Auch eine Erschwerung des gesetzlichen Widerrufsrechts durch Vereinbarungen im Anstellungsvertrag ist ungültig ( B G H 8, 359 und in N J W 1953, 740). 443

§ 84

Anm. 10—12

Verfassung der Aktiengesellschaft

3. Dauer des Anstellungsvertrages Anm. 10: Abs. 1 S. 1 beschränkt auch die Dauer des Anstellungsvertrages auf fünf Jahre. Es ist aber nicht erforderlich, diesen Vertrag jeweils ausdrücklich zu verlängern, es ist vielmehr — im Gegensatz zur Bestellung — eine Klausel über die automatische Verlängerung bei Nichtkündigung möglich. Der Vertrag wird aber nur dann automatisch verlängert, wenn eine erneute Bestellung zum Vorstandsmitglied erfolgt, da der Anstellungsvertrag die Tätigkeit als Vorstandsmitglied regelt und dies die körperschaftsrechtliche Bestellung voraussetzt (BGH 3, 93; Schl.-Qu. § 75 Anm. 7); gleiches gilt für eine Anstellung auf unbestimmte Zeit; Neubestellung ist immer erforderlich für die Wirksamkeit (vgl. auch Anm. 15). Fehlt eine Kündigungsfrist, finden die Fristen des § 621 BGB keine Anwendung (ebenso Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 12; a. A. B.-H. Rn. 9). Die Tatsache, daß im Anstellungsvertrag die Auszahlung eines Ruhegehaltes zugesagt ist, wird grundsätzlich dafür sprechen, daß der Anstellungsvertrag solange gültig sein soll wie die Bestellung währt (BGH in WM 68, 612; s. aber oben Anm. 91. Abs.). IV. Vorsitzender Anm. 11: Der Aufsichtsrat als Organ — nicht sein Vorsitzender — kann ein Mitglied des Vorstandes zum Vorsitzenden ernennen. Weder der Vorstand selbst noch die Hauptversammlung oder sonst jemand kann dies tun (Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 60). Auch in der nach § 77 II zulässigen Geschäftsordnung kann der Vorstand keinen Vorsitzenden zwingend vorsehen; dies ergibt sich aus der Bestimmung des § 84 II und dem Fehlen einer dem § 107 I S. 1 entsprechenden Vorschrift. Erläßt jedoch der Aufsichtsrat die Geschäftsordnung, so kann hierin ein Vorsitzender des Vorstandes bestimmt werden. Der Aufsichtsrat ist nicht zur Ernennung eines Vorstandsvorsitzenden verpflichtet (Kölner Komm. Anm. 55), er kann auch nicht dazu von der Satzung oder der Hauptversammlung verpflichtet werden, weil damit in seine Zuständigkeit eingegriffen werden würde, was unzulässig ist. Vgl. ausführlich S. Wilhelmi in Handbuch des Aufsichtsrats. V. Widerruf der Bestellung 1. Gesetzliche Gründe Anm. 12: Wie zur Bestellung ist der Aufsichtsrat zum Widerruf kraft zwingender Vorschrift ausschließlich zuständig, ebenso zu einer vorübergehenden Enthebung (Suspension) von Geschäftsführung und Vertretung (einschränkend Kölner Komm. Anm. 75; a. A. Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 29); ausnahmsweise kann auch der alleinige Aktionär Vorstandsmitglieder entlassen, und zwar, wenn der Aufsichtsrat funktionsunfähig ist und die Entlassung nicht aufgeschoben werden kann (BGH in Lind.-Möhr. § 75 Nr. 8). Während 444

Bestellung und Abberufung des Vorstands

§84

Anm. 12

Widerruf (Entlassung) eine sofortige endgültige Entfernung aus dem Amte ist, bedeutet Suspension ein Verbot der Amtsführung. Die Rechtshandlungen des Entlassenen sind vorbehaltlich § 15 H G B und § 121 II S. 2 unwirksam, die des Suspendierten voll wirksam (Argument aus § 82). Der Aufsichtsrat befindet über Widerruf bzw. Suspension durch Mehrheitsbeschluß. Der Widerruf ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Abgabe der Willenserklärung kann vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats oder sonstigem Mitglied erfolgen, sofern er vom Aufsichtsrat dazu ermächtigt ist; auch andere Vorstandsmitglieder können als Boten benutzt werden (vgl. Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 28; B G H 12, 333 ff.; B G H in WM 68, 570). Der Widerruf kann nicht durch unangemessen hohe Vertragsstrafe oder Ruhegelder praktisch eingeengt werden (vgl. Anm. 9; Kölner Komm. Anm. 64). Der Vorstand soll nicht in eine zu große Abhängigkeit vom Aufsichtsrat geraten und sichergehen können, nur bei erheblichen Verfehlungen abberufen werden zu können. Es ist daher auch nach neuem Gesetz ein Widerruf nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Das Gesetz selbst führt ausdrücklich an: grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zu ordnungsmäßiger Geschäftsführung und Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, dieser allerdings eingeschränkt. Die Unfähigkeit kann in persönlichen, körperlichen oder geistigen Eigenschaften oder Zuständen, auch in außerhalb des Vorstandsmitgliedes liegenden Umständen begründet sein, die es hindern, die Geschäfte ordnungsmäßig zu führen. Neu ist die ausdrückliche Aufnahme des Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung als wichtigen Grund (vgl. die kritische Stellungnahme hierzu von Duden in BB 1961, 225 und Förster in BB 1961, 428). Er soll nur dann einen wichtigen Grund zum Widerruf abgeben, wenn das Vertrauen nicht aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen wurde. Das Gesetz folgt mit dieser Formulierung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Bd. 13, 188 ff.; 15, 71), in der ergänzend ausgeführt ist, daß der Entzug nicht nur zum Vorwand für den Widerruf dienen kann oder wegen seines Zweckes unredlich ist. Ferner darf die Abberufung selbst nicht sittenwidrig sein oder gegen Treu und Glauben verstoßen. Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung im Sinn dieser Bestimmung setzt einen ausdrücklichen Beschluß voraus. Dies kann nicht der Beschluß sein, durch den die Entlastung verweigert wird (vgl. im einzelnen § 120 Anm. 5). Der Entzug des Vertrauens durch die Mehrheit der Aktionäre (in bezug auf das Grundkapital), der im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt ist, ist ebenso zu behandeln wie der Entzug durch die Hauptversammlung (vgl. B G H 13,188). Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung gibt dem Aufsichtsrat das Recht zum Widerruf, er ist also nicht dazu verpflichtet. Er muß vielmehr in eigener Verantwortung (§ 116) über den Widerruf entscheiden; 445

§ 84 Anm. 12,13

Verfassung der Aktiengesellschaft

es muß demnach immer ein ausdrücklicher Aufsichtsratbeschluß vorliegen (BGH in Lind.-Möhr. § 75 Nr. 14/15; B G H in N J W 1961,1306 = BB 1961, 547). Gemäß § 107 III kann die Entscheidung über den Widerruf nicht an einen Ausschuß verwiesen werden. 2. Sonstige

Gründe

Anm. 13: Neben den im Gesetz aufgeführten Gründen kommen aber auch noch andere wichtige Gründe in Frage, z. B. Verschmelzung, Verlangen der Aufsichtsbehörde, wenn die Gesellschaft einer besonderen Aufsicht unterliegt, dauernde Schwierigkeiten mit der Belegschaft, Verweigerung angemessener Aufwendungen für die Belegschaft oder gemeinnützige Einrichtungen, nicht aber Verschlechterung der Geschäftslage und ebenso nicht ein rechtswidriger Streik mit dem Ziel der Entfernung eines Vorstandsmitglieds, das sich sozialgerecht verhalten hat (BGH in WM 1961, 527). Unter Umständen kann Überschuldung Grundlage eines Widerrufs sein (OLG Hamburg in BB 1954, 978), ferner andauernde Krankheit, Annahme von Schmiergeldern, Annahme von Bezügen hinter dem Rücken des Aufsichtsrats (BGH 20, 239) usw. Eine Entlassungsanordnung der Militärregierung war stets ein wichtiger Grund zur Kündigung (vgl. BGH in WM 1965, 973). Die Bedeutung des Grundes braucht nicht in der Behinderung ordnungsmäßiger Geschäftsführung zu liegen, aber der Grund muß die Abberufung als erforderlich im Interesse der Gesellschaft erscheinen lassen. Die herrschende Meinung verlangt weiter Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit mit dem Vorstandsmitglied. Dieser Ausdruck gibt der Frage eine persönliche Note, die sie nicht hat. Keinesfalls genügt es, daß die weitere Zusammenarbeit mit anderen Vorstandsmitgliedern, mit dem Aufsichtsrat oder seinem Vorsitzenden oder einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern oder Aktionären aus irgendwelchen Gründen nicht zuzumuten ist. Es kommt auf das Interesse der Gesellschaft an. Dieses ist vom Aufsichtsrat auch bei Würdigung eines Mißtrauensbeschlusses der Hauptversammlung im Auge zu behalten, dagegen ist ein Verschulden des Abzuberufenden nicht Voraussetzung. Die Unzumutbarkeit kann sich aber auch aus einem Verhalten ergeben, durch das die Interessen der Gesellschaft nicht unmittelbar berührt werden (BGH in BB 1967, 731). Die Satzung kann das Recht des Aufsichtsrats, die Bestellung aus wichtigem Grund zu widerrufen, nicht auf bestimmte wichtige Gründe beschränken (BGH 8, 361), weil der Widerruf unabdingbar ist, auch nicht dadurch seinem Ermessen vorgreifen, daß sie einen Katalog wichtiger Gründe aufstellt — etwa im Anstellungsvertrag —, erst recht kann keines von beiden vertragsmäßig geschehen. Daß eine Mehrheit des Aufsichtsrats für die Abberufung ist, ist für sich allein noch kein wichtiger Grund, denn das würde bedeuten, daß der Vorstand ohne solchen abberufen werden könnte. 446

Bestellung und Abberufung des Vorstands

§ 84 Anm. 13,14

Die Frage, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, muß immer mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Hierbei kann es eine Rolle spielen, ob der Anstellungsvertrag ohnehin bald abläuft oder noch längere Zeit besteht. Bei ohnehin auslaufendem Anstellungsverhältnis ist der Gesellschaft ein Durchhalten desselben eher zuzumuten, weil durch einen Widerruf das weitere berufliche Fortkommen des abberufenen Vorstandsmitgliedes beeinträchtigt werden kann; die Auswirkungen des Widerrufs gehen weit über den Betrieb und das Anstellungsverhältnis hinaus (BGH in BB 1962, 816). Gründe, welche sich erst später zutragen oder entdeckt werden, können nachgeschoben werden. Wird aus einem Tatbestand nicht alsbald, nachdem er erkannt wurde, der Widerruf gefolgert oder wird dem Vorstandsmitglied verziehen, kann der Grund nachher nicht mehr selbständig als ein wichtiger, sondern nur noch ergänzend neben anderen wichtigen Widerrufsgründen geltend gemacht werden, denn das Interesse der Gesellschaft ist nicht unverzichtbar (vgl. BGH in BB 1962, 109; Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 32). Nur wenn ein wichtiger Grund ein Vorstandsmitglied auch im öffentlichen Interesse als unerträglich erscheinen läßt, ist das Gesagte einzuschränken. 3. Rechtsbebelf gegen Widerruf Anm. 14: Liegt nach Ansicht des Vorstandsmitglieds ein wichtiger Grund zum Widerruf nicht vor, so kann es durch Klage vor dem ordentlichen Gericht oder einem vereinbarten Schiedsgericht eine Entscheidung über die Wirksamkeit des Widerrufs herbeiführen. Der ausgesprochene Widerruf bleibt aber trotz Anrufung des Gerichts wirksam. Dieses Vorstandsmitglied kann von dem Zeitpunkt des Widerrufs an die Gesellschaft nicht vertreten. Auch wenn durch Urteil die Unwirksamkeit des Widerrufs festgestellt wird, werden inzwischen vorgenommene Handlungen des Widerrufenen nicht wirksam. Sofortige Anmeldung des Widerrufs ist wegen § 15 HGB ratsam. Das Registergericht hat über die Berechtigung des Widerrufs keine eigenen Nachforschungen zu betreiben. Durch ein obsiegendes Urteil für den Widerrufenen ist dieser wieder Vorstandsmitglied (Meyer-Landrut in Großkomm. Anm. 29; B.-H. Rn. 15), was umgehend wieder beim Register anzumelden ist. Er ist so zu stellen, als wenn niemals widerrufen worden wäre. Wegen dieser für die Gesellschaft sehr weitgehenden Folge können im Prozeß auch Gründe vorgetragen werden, die nach dem Widerruf eingetreten sind, sofern diese den Widerruf nunmehr berechtigen (BGH 13, 195). Die Gesellschaft wird in dem Verfahren über die Wirksamkeit des Widerrufs ausschließlich vom Aufsichtsrat vertreten. Nach bisherigem Recht wurde allgemein die Ansicht vertreten (BGH 13, 188 ff.), der Vorstand sei der alleinige Vertretungsberechtigte. Das neue Gesetz hat aber die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat dahin erweitert, daß bei allen Handlungen der Gesellschaft Vorstandsmitgliedern gegenüber die 447

§ 84 Anm. 14—16

Verfassung der Aktiengesellschaft

Gesellschaft vom Aufsichtsrat gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird des vertretenen Grundkapitals dies verlangt. Die Mitteilung des Wahlvorschlages an die Gesellschaft vor der Hauptversammlung unterliegt nicht der Wochenfrist des § 126 I, da dies keine Ausschlußfrist für einen Antrag nach § 137 ist, sondern nur für die Mitteilungspflicht des Vorstandes nach § 125 I Bedeutung hat (ebenso L G Dortmund in Die AktGes 1968, 390 ff.). Das Gesetz sagt nicht, wie diese Minderheit festzustellen ist. Wir sind der Auffassung, daß es Sache des antragstellenden Aktionärs ist, diese Minderheit nachzuweisen. Er muß sich also vor der Hauptversammlung oder in der Hauptversammlung vergewissern, daß eine solche Minderheit vorhanden ist und dies dem Vorsitzenden der Hauptversammlung nachweisen. Er ist nicht berechtigt, vom Vorsitzenden zu verlangen, daß dieser durch Vorwahlen feststellt, ob die Minderheit erreicht wird. Würde man das zulassen, so würde derselbe Zustand eintreten wie bei einer Wahl. Es müßten u. U. eine große Zahl von derartigen Vorabstimmungen erfolgen, um festzustellen, ob die vom Gesetz verlangte Minderheit erreicht wird. Ein Verstoß gegen § 137 macht die durchgeführte Wahl anfechtbar, sofern er Einfluß auf das Zustandekommen der Wahl hatte (ebenso B.-H. Rn. 3).

Fünfter Unterabschnitt Sonderbeschluß § 138 Gesonderte Versammlung. Gesonderte Abstimmung In diesem Gesetz oder in der Satzung vorgeschriebene Sonderbeschlüsse gewisser Aktionäre sind entweder in einer gesonderten Versammlung dieser Aktionäre oder in einer gesonderten Abstimmung zu fassen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Für die Einberufung der gesonderten Versammlung und die Teilnahme an ihr sowie für das Auskunftsrecht gelten die Bestimmungen über die Hauptversammlung, für die Sonderbeschlüsse die Bestimmungen über Hauptversammlungsbeschlüsse sinngemäß. Verlangen Aktionäre, die an der Abstimmung über den Sonderbeschluß teilnehmen können, die Einberufung einer gesonderten Versammlung oder die 818

Gesonderte Versammlung. Gesonderte Abstimmung

§ 138

Anm. 1,2

Bekanntmachung eines Gegenstands zur gesonderten Abstimmung, so genügt es, wenn ihre Anteile, mit denen sie an der Abstimmung über den Sonderbeschluß teilnehmen können, zusammen den zehnten Teil der Anteile erreichen, aus denen bei der Abstimmung über den Sonderbeschluß das Stimmrecht ausgeübt werden kann. I. Übersicht (Anm. 1) l l . Sonderbeschlüsse (Anm. 2)

III. Gesonderte Versammlungen und gesonderte Abstimmung (Anm. 3)

I. Obersicht Anm. 1: Durch die vorliegende Bestimmung soll eine Lücke im Gesetz ausgefüllt werden. Im AktG37 war nur in § 117 eine Bestimmung darüber enthalten, wie ein Sonderbeschluß zu fassen sei und welche Bestimmungen anzuwenden seien. Für die übrigen Fälle, in denen das AktG37 Sonderbeschlüsse vorsah, war eine Regelung nicht getroffen. Da nunmehr die Zahl der Fälle, in denen ein Sonderbeschluß erforderlich ist, durch das Gesetz vermehrt wurde, erschien es zweckmäßig, eine einheitliche Bestimmung für solche Sonderbeschlüsse zu geben. Geregelt werden nur die Fragen, die mit dem äußeren Ablauf der Beschlußfassung zusammenhängen, nicht aber z. B. mit welchen Mehrheiten die Beschlüsse zu fassen sind. Das wird jeweils an der betreffenden Gesetzesstelle, die den Sonderbeschluß vorsieht, bestimmt. II. Sonderbeschlüsse Anm. 2: Die Bestimmung findet Anwendung auf die in diesem Gesetz oder in der Satzung vorgeschriebenen Sonderbeschlüsse. Im Gesetz sind Sonderbeschlüsse für erforderlich erklärt, wenn die Aktionäre einer bestimmten Gattung in ihren Rechten beeinträchtigt werden, so § 141 II bei der Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs von Vorzugsaktien, oder wenn das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung geändert werden soll (§ 179 III). Bei besonders wichtigen Beschlüssen sind, auch ohne daß eine Veränderung im bisherigen Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien eintritt, Sonderbeschlüsse der einzelnen Gattungen erforderlich, so bei Kapitalerhöhungen (§18211 und Kapitalherabsetzung § 222 II). Ferner sind Sonderbeschlüsse der außenstehenden Aktionäre erforderlich bei der Änderung (§ 295), Aufhebung (§ 296) und Kündigung (§ 297) von Unternehmensverträgen. Die Satzung kann Sonderabstimmung vorsehen aufgrund ihrer allgemeinen Ermächtigung, die Form der Ausübung des Stimmrechts zu bestimmen nach § 134 IV. Allerdings kann sie nicht willkürlich Aktien, die nicht eine eigene Gattung bilden, zu Sonderbeschlüssen zusammenschließen, wohl 819

§ 138

Anm. 3

Verfassung der Aktiengesellschaft

aber kann sie über das Gesetz hinaus Sonderbeschlüsse für die einzelnen Gattungen der Aktien vorschreiben, wenn es verschiedene Gattungen in einer Gesellschaft gibt. III. Gesonderte Versammlungen und gesonderte Abstimmung Anm. 3: Grundsätzlich können Sonderbeschlüsse, gleichgültig, ob sie durch Gesetz oder Satzung vorgeschrieben sind, sowohl in einer gesonderten Versammlung, als auch in der Hauptversammlung durch gesonderte Abstimmung gefaßt werden. Hiervon gibt es zwei Ausnahmen: 1. wenn das Gesetz etwas anderes bestimmt, 2. wenn Aktionäre, die an der Abstimmung über den Sonderbeschluß teilnehmen können, die Einberufung einer gesonderten Versammlung verlangen und ihre Anteile zusammen den zehnten Teil der Anteile erreichen, aus denen bei der Abstimmung über den Sonderbeschluß das Stimmrecht ausgeübt werden kann. Zu 1. Eine gesetzliche Ausnahme gibt es für den Zustimmungsbeschluß der Vorzugsaktionäre bei Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs nach § 141 III. In diesem Fall ist stets eine Abstimmung in einer gesonderten Versammlung notwendig (vgl. Anm. dort). Zu 2. Hiermit wird klargestellt, welche Minderheit der zur Teilnahme an einer gesonderten Beschlußfassung berechtigten Aktionäre die Einberufung einer gesonderten Versammlung und die Bekanntmachung eines Gegenstandes zur gesonderten Beschlußfassung verlangen kann. Die Klarstellung ist namentlich für die Sonderbeschlüsse der außenstehenden Aktionäre nach § 296 und § 297 bedeutsam, weil dort eine Hauptversammlung überhaupt nicht stattfindet. Soweit Sonderbeschlüsse aufgrund von Satzungsbestimmungen erforderlich sind, kann die Satzung vorschreiben, ob diese in einer gesonderten Versammlung oder nur in einer gesonderten Abstimmung im Rahmen der Hauptversammlung stattzufinden haben. Sie kann allerdings das Recht der Minderheit von 10 % der an der Sonderabstimmung Teilnahmeberechtigten dadurch nicht aufheben. Dieses Recht besteht auch dann, wenn allgemein die Satzung für von ihr vorgesehene Sonderbeschlüsse nur die gesonderte Abstimmung vorschreibt. Soweit das Gesetz etwas anderes bestimmt, kann die Satzung nichts abändern, die gesetzlichen Vorschriften sind zwingend (§ 23 V). Für die gesonderte Versammlung gelten grundsätzlich die gesetzlichen und auch die satzungsmäßigen Bestimmungen über die Hauptversammlung. Das Gesetz zählt zwar nur die Einberufung, die Teilnahme und das Auskunftsrecht auf und spricht überhaupt nicht von den satzungsmäßigen Bestimmungen. Es ist aber schon nach dem bisherigen Recht unbestritten ge820

Wesen

§§138/139 Anm. 3

wesen, daß diese zur Anwendung gelangen, so z. B. bzgl. des Vorsitzes in einer solchen Versammlung. Wenn die Satzung darüber nichts anderes bestimmt, so gilt die Satzungsbestimmung für die Hauptversammlung, die in der Regel den Aufsiditsratsvorsitzenden zum Vorsitzenden bestellt. Für alle Beschlüsse, gleichgültig, ob sie in einer besonderen Versammlung oder nur in einer besonderen Abstimmung im Rahmen der Hauptversammlung gefaßt sind, gelten die Bestimmungen über Hauptversammlungsbeschlüsse sinngemäß. Das bedeutet, daß sie der Feststellung und der Protokollierung bedürfen wie Hauptversammlungsbeschlüsse. Da festgehalten werden muß, welche Aktionäre die Sonderbeschlüsse fassen, bedarf es auch eines Teilnehmerverzeichnisses, wenn es sich um eine gesonderte Versammlung handelt, und eines Zusatzes im Teilnehmerverzeidinis, wenn Sonderbeschlüsse in einer Hauptversammlung gefaßt werden. Alsdann muß sich aus dem Teilnehmerverzeidinis ergeben, welche Aktionäre an der Sonderabstimmung teilgenommen haben. Das wird zweckmäßig in einer besonderen Spalte des Teilnehmerverzeichnisses vermerkt werden. Weiter finden Anwendung die Bestimmungen über die erforderliche Stimmenmehrheit von Beschlüssen, § 133, über die Nichtigkeit und Anfechtung, §§ 241 ff. Die Verweisung auf die Bestimmungen über die Einberufung einer Hauptversammlung hat zur Folge, daß, wenn dem Antrag auf Einberufung einer gesonderten Versammlung durch die Minderheit nicht stattgegeben wird, die Bestimmungen des § 122 III sinngemäß Anwendung finden, also die Minderheit vom Gericht ermächtigt werden kann, die Versammlung einzuberufen. Hinsichtlich des Auskunftsrechts gelten die §§131, 132 sinngemäß.

Sechster Unterabschnitt Vorzugsaktien ohne Stimmrecht § 139 Wesen (1) Für Aktien, die mit einem nachzuzahlenden Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet sind, kann das Stimmrecht ausgeschlossen werden (Vorzugsaktien ohne Stimmrecht). (2) Vorzugsaktien ohne Stimmrecht dürfen nur bis zu einem Gesamtnennbetrag in Höhe des Gesamtnennbetrags der anderen Aktien ausgegeben werden. I. Oberblick (Anm. 1) II. Rechtsnatur (Anm. 2)

III. Begrenzung (Anm. 3) 821

§139

Verfassung der Aktiengesellschaft

Anm. 1,2 I. Obersicht Anm. 1: Während der Abs. 1 wörtlich dem Abs. 1 des § 115 AktG 37 entspricht, enthält der Abs. 2 insofern eine wesentliche Änderung, als künftig Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bis zum Gesamtnennbetrag in Höhe des Gesamtnennbetrages der anderen Aktien ausgegeben werden können. Bisher durften sie nur in Höhe der Hälfte des Gesamtnennbetrages der anderen Aktien ausgegeben werden. Das ist vor allem für Familiengesellschaften von Bedeutung, die ihren Kapitalbedarf nicht mehr aus der Familie decken können, die aber andererseits ihren bisherigen beherrschenden Einfluß als Familie im Unternehmen bewahren wollen. Ob ein solcher Anspruch in der heutigen Zeit gerechtfertigt ist, gehen die Ansichten auseinander. Der Gesetzgeber hat die Berechtigung anerkannt, zumal da u. U. die Ausgabe von Aktien ohne Stimmrecht auch im Zuge der erwünschten breiten Streuung von Aktien im Publikum dienen kann. Da die Vorzugsaktien ohne Stimmrecht im allgemeinen geringeren Kurswert haben als die Stammaktien, ist der Erwerb solcher Aktien für einen Anleger mitunter besonders vorteilhaft. Außerdem kommt in Betracht, daß ein Bedürfnis zur Ausgabe stimmrechtsloser Aktien u. U. auch für die Ausgabe von Belegschaftsaktien in Frage kommen kann. Über das Verhältnis der Vorzugsaktie ohne Stimmrecht zur Mehrstimmrechtsaktie und den dort auftauchenden Problemen vgl. § 12 Anm. 1. II. Rechtsnatur Anm. 2: Die Vorzugsaktie ohne Stimmrecht bleibt, wie ihr Name schon sagt, eine Aktie, also ein Anteilsrecht, obwohl ihr ein wesentliches Recht, das mit der Aktie verbunden ist, nämlich das Stimmrecht, fehlt und sie in gewissem Sinne auch durch den nachzuzahlenden Vorzug bei der Gewinnverteilung den Charakter eines Rentenpapiers hat. In der Regel haben derartige Aktien überhaupt kein Stimmrecht. Es ist aber denkbar, daß das Stimmrecht auch nur teilweise, nämlich für bestimmte Beschlüsse, ausgeschlossen wird (Ritter §115 Anm. 2; a. A. ohne überzeugende Begründung Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 115 AktG 37 Anm. 6). Dasselbe gilt für die Ausstattung mit einem Mindeststimmrecht. Auch hier können wir keinen Verstoß gegen das Verbot der Schaffung von Aktien mit einem Mehrstimmrecht (§ 12) sehen (a. A. Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. a.a.O.). Der Vorzugsaktionär erhält einen Gewinnanteil, der dem festen Zinsanspruch eines Schuldverschreibungsgläubigers angenähert ist, anders als der letztere zwar von der Erzielung eines Gewinnes abhängig bleibt, aber in doppelter Weise mit besonderen Aussichten auf Verwirklichung als bei anderen Aktien ausgestattet ist, nämlich dadurch, daß er, wie sein Name sagt, aus dem Gewinn, der verteilt wird, vorweg befriedigt wird — dies ist bei 822

Wesen

§139

Anm. 2

allen Vorzugsaktien die Regel — und dadurch, daß er in Jahren mit Gewinnverteilung nadizuzahlen ist, wenn und soweit er in vorangegangenen Jahren ausgefallen ist. Auch dies kann bei jeder Art Vorzugsaktie vorgesehen werden. Beides muß vorgesehen werden, wenn die Aktie ohne Stimmrecht sein soll. Mit Ausnahme des Stimmredites gewährt auch diese Aktie alle anderen Mitverwaltungs- und sonstigen Rechte (§ 140 I), insbesondere das Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen. Diese Rechte können auch durch Satzung nicht ausgeschlossen werden. Die Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bleiben auch beteiligt am Gesellschaftsvermögen und werden von dessen Verlust betroffen. Doch ist hier meistens ein weiterer Vorzug vorhanden, der darin besteht, daß nicht nur bei der Verteilung des Gewinns, sondern auch des Gesellschaftsvermögens die Vorzugsaktie vor den anderen berücksichtigt wird. Hierin besonders liegt eine Annäherung an eine Schuldverschreibung. Es sind dabei zahlreiche Varianten möglich. Dieser Vorzug ist jedoch nicht Voraussetzung der Zulässigkeit der Stimmrechtslosigkeit, obwohl diese gerade durch die Ausschaltung des Kapitalrisikos am meisten gerechtfertigt wäre. Gesetzliche Voraussetzung ist nur der Gewinnvorzug mit zeitlich unbeschränktem Nachzahlungsrecht. Dieses ist unerläßlich und wesentlich, weil es den Schutz gegen einen Mißbrauch der Stimmrechtslosigkeit der Vorzugsaktionäre durch stimmberechtigte Aktionäre ist. Gegen die Aufhebung des Vorzugs schützt § 141. Das Nachzahlungsrecht ist trotz der irreführenden gesetzlichen Terminologie in § 140 II („Rückstand nachzahlen") kein bedingter Anspruch auf Nachzahlung des Gewinnanteils für das Ausfalljahr, sondern ein um den Ausfall gesetzlich erhöhter Gewinnanteil für das Gewinnverteilungsjahr. Stimmrechtslose Vorzugsaktien können bei der Gründung und einer Kapitalerhöhung geschaffen werden. Aus der Erwähnung nachträglichen Ausschlusses des Stimmrechts in § 141 II S. 2 folgt, daß Vorzugsaktien, welche trotz eines nachzuzahlenden Vorzugs volles Stimmrecht haben, das Stimmrecht nachträglich durch satzungsändernden Beschluß (s. § 179 II) entzogen werden kann, für den § 179 III anzuwenden ist. Es ist dagegen nicht möglich, umgekehrt stimmrechtlose Aktien zu schaffen, denen erst nachträglich ein Vorzug eingeräumt wird. Solche würden von Anfang an gegen § 1 3 4 1 verstoßen. Die Umwandlung alter Stammaktien ohne Neuemission in stimmrechtlose Vorzugsaktien ist dann möglich, wenn die Betroffenen sämtlich dem Entzug des Stimmrechts zustimmen und die anderen Aktionäre als Gattungen nach § 179 III durch Sonderbeschluß dem satzungsändernden Beschluß der Hauptversammlung zustimmen. Es ist also dem Alleinaktionär, der einen Teil seiner Aktien veräußern will, möglich, sie vorher in stimmrechtlose Vorzugsaktien umzuwandeln. Nicht immer ist der gesamte Gewinnanteil, auf den die Vorzugsaktie Anrecht gibt, bevorrechtigt. Nicht immer ist der gesamte bevorrechtigte Gewinnanteil nachzuzahlen. Mit 823

§139 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 2,3 einem nachzuzahlenden Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ist die Vorzugsaktie auch in einem solchen Falle ausgestattet, in dem nur ein Teil des Vorzugs „kumulativ" ist. Auch in diesem Falle darf sie stimmrechtlos sein. Nicht möglich ist es, daß der Vorzug nur darin bestehen soll, daß der Ausfall der Dividende bis zu einer bestimmten Höhe in einem späteren Gewinnjahr auf den Dividendenschein dieses Jahres nachgezahlt wird, bevor auf letzteren eine Dividende an die stimmberechtigten Aktionäre gezahlt wird so audi Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 115 AktG 37 Anm. 2). Der Vorzug muß darin bestehen, daß die Vorzugsaktionäre das oder einen Teil desjenigen, was sie als Gewinn erhalten, vorweg vor den übrigen Aktionären zu erhalten haben, und daß dies oder ein Teil davon in Gewinnverteilungsjahren nachzuzahlen ist, wenn ein Ausfalljahr war. Eine zeitliche Grenze für die Nachzahlung des Rückstandes kann nur bei der gewöhnlichen, aber nicht bei der stimmrechtlosen Vorzugsaktie gezogen werden. Das Nachbezugsrecht der stimmrechtlosen Aktie ist „unselbständig", d. h., es hängt an der Aktie, nicht an dem ausgefallenen Gewinnanteilschein (vgl. § 140 III und Anm. dort). Der früher ausgefallene Vorzugsgewinnanteil wird also auf den Gewinnanteilschein des späteren Jahres nachzahlungshalber gewährt. Es wird keine rückständige Dividende bezahlt, sondern es erhöht sidi im späteren Gewinnjahr der bevorrechtigte Gewinnanteil um den Ausfall des früheren Jahres. Kommt der gesamte Vorzugsgewinnanteil nicht zum Zuge, so erhöht sich um den neuen Ausfall der Vorzugsgewinnanteil des nächsten Gewinnjahres. Natürlich muß der Vorzug fest bestimmt sein, weil sonst eine Nachzahlung nicht möglich wäre. Wird kein Gewinn verteilt, so entsteht auch kein Gewinnanspruch. Es beginnt dann auch nicht etwa eine Verjährung zu laufen. Das gilt insbesondere audi dann, wenn die Hauptversammlung beschließt, den ganzen Gewinn vorzutragen oder einer Rücklage zuzuweisen. Das Recht der Hauptversammlung, über die Gewinnverwendung zu beschließen, insbesondere auch Teile des Gewinns in Rücklagen einzustellen, wird durch das Gewinnvorrecht und das Nachbezugsrecht der Vorzugsaktionäre ebensowenig ausgeschlossen, wie dasjenige der Verwaltung bei Aufstellung des Jahresabschlusses. Eine Satzungsbestimmung, die Aktien ohne Stimmrecht vorsehen würde, ohne sie mit einem nachzuzahlenden Vorzug auszustatten, kann nicht eingetragen werden. Wird sie versehentlich eingetragen, so steht der Aktie das Stimmrecht zu. III. Begrenzung Anm. 3: Während nach bisherigem Recht stimmrechtlose Vorzugsaktien nur bis zur Hälfte des Gesamtnennbetrages der anderen Aktien ausgegeben 824

Redite der Vorzugsaktionäre

werden konnten, kann dies jetzt in der gleichen Höhe geschehen, in der Stammaktien vorhanden sind. Dabei kommt es nur auf die Nennbeträge, nidit auf die Einzahlungen an. Eine Gesellschaft mit stimmberechtigten Stammaktien im Nennbetrag von 1 Million DM, auf die i U, also 250 000 DM eingezahlt sind, könnte mithin eine Million voll eingezahlte stimmrechtlose Vorzugsaktien ausgeben. Eine spätere Störung des Verhältnisses durch Herabsetzung des Grundkapitals ist möglich; die darüber bisher bestandene Streitfrage ist durch Einfügung der Bestimmung des § 140 I I I geklärt.

§ 140 Rechte der Vorzugsaktionäre (1) Die Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gewähren mit Ausnahme des Stimmrechts die jedem Aktionär aus der Aktie zustehenden Rechte. (2) Wird der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt und der Rüdkstand im nächsten Jahr nicht neben dem vollen Vorzug dieses Jahres nachgezahlt, so haben die Vorzugsaktionäre das Stimmrecht, bis die Rückstände nachgezahlt sind. In diesem Fall sind die Vorzugsaktien auch bei der Berechnung einer nach Gesetz oder Satzung erforderlichen Kapitalmehrheit zu berücksichtigen. (3) Soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, entsteht dadurch, daß der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt wird, noch kein durch spätere Beschlüsse über die Gewinnverteilung bedingter Anspruch auf den rückständigen Vorzugsbetrag. I. Übersicht (Anm. 1) II. Rechte der Vorzugsaktionäre 1. im Regelfall (Anm. 2) 2. bei Nichtzahlung des Vorzugsbetrags (Anm. 3)

3. Verlust des Stimmrechts (Anm. 4) III. Berechnung der Kapitalmehrheit (Anm. 5) IV. Rechtsnatur des Nadibezugsredits (Anm. 6)

I. Obersicht Antn.l: Der Abs. 1 ist unverändert aus dem bisherigen Recht § 1 1 6 1 AktG 37 übernommen worden. In Abs. 2 ist durch die Weglassung der Worte „bei der Verteilung des Gewinns" entsprechend der herrschenden Meinung klargestellt worden, daß es für die Anwendung des Abs. 2 nicht auf die Nichtaufnahme in den Beschluß über die Gewinnverwendung ankommt, sondern aüf die Nichtzahlung des Vorzugsbetrages. Neu eingefügt ist Satz 2 in Abs. 2 und der Abs. 3. 825

§140

Anm. 2,3

Verfassung der Aktiengesellschaft

II. Rechte der Vorzugsaktionäre 1. im Regelfall Anm. 2: Der Vorzugsaktionär ohne Stimmrecht hat außer diesem alle Mitverwaltungsrechte des Stammaktionärs, ohne daß die Satzung Abweichendes bestimmen könnte, insbesondere also auch das Recht der Teilnahme an der Hauptversammlung, die Rechte aus § 122 I und II; § 125 II gegenüber dem Vorstand und § 125 I in Verbindung mit § 128 I gegenüber den Kreditinstituten, nicht aber aus § 128 II, jedenfalls dann nicht, wenn das Stimmrecht für alle Beschlüsse ausgeschlossen ist (vgl. darüber, daß dies nicht unbedingt notwendig ist, §139 Anm. 2). Ferner haben sie das Recht aus § 175 II S. 2, sie können Anträge stellen und sich an der Aussprache beteiligen, haben das Auskunftsrecht nach § 131 und auch das Recht der Anfechtung von Beschlüssen nach § 243. Es ist auch seine oder eines Vertreters Anwesenheit erforderlich, um eine Vollversammlung zustande zu bringen. Er hat auch alle Vermögensrechte des Stammaktionärs, doch sind in letzterer Hinsicht abweichende Bestimmungen der Satzung statthaft und üblich. Die Satzungen weisen vielerlei Abwandlungen auf. Die Grundform ist, daß der Gewinnanteil überhaupt auf den bevorrechtigten Gewinnanteil beschränkt und der Anteil am Abwicklungsreinvermögen bevorrechtigt und gleichzeitig auf den Aktiennennbetrag (nicht selten mit einem Aufgeld) beschränkt ist. Der Vorzugsaktionär hat endlich auch das allgemeine Bezugsrecht auf neue Aktien bei Kapitalerhöhung nach § 186, doch kann dieses im Beschluß über die Kapitalerhöhung ausgeschlossen werden. Über die besondere Behandlung des Bezugsrechts der Vorzugsaktionäre vgl. § 141 und dort Anm. 4 u. 5. In den Fällen, in denen eine Mehrheit des bei der Beschlußfassung vertretenen Kapitals erforderlich ist, zählen Vorzugsaktien ohne Stimmrecht nicht mit, was sich aus der besonderen Erwähnung in Abs. 2 ergibt. 2. bei Nichtzahlung des Vorzugsbetrags Anm. 3: Wenn der Vorzugsaktionär den Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht erhalten hat und dieser ihm im nächsten Jahr nicht vollständig nachgezahlt wird, hat er neben allen sonstigen Rechten auch das Stimmrecht, und zwar in vollem Umfange. Der Rückstand mit dem Vorzugsbetrag für ein Jahr hat für das Stimmrecht zunächst keinerlei Bedeutung. Erst wenn er im folgenden Jahr nicht voll nachgezahlt wird, wird die Aktie stimmberechtigt, dann allerdings auch, wenn es sich nur um einen Teilrückstand handelt und auch dann, wenn zwar der Rückstand voll bezahlt wird, nicht aber der volle Vorzug des letzten Jahres. Wie nunmehr durch die Änderung der Formulierung klargestellt ist, kommt es auf die Nichtzahlung und nicht auf den Gewinnverwendungsbeschluß an. Freilich hat der Vorzugsaktionär, welcher trotz eines ihn voll 826

Rechte der Vorzugsaktionäre

§140

Anm. 3,4 berücksichtigenden Gewinnverwendungsbeschlusses nicht bezahlt wird und sein Stimmrecht ausüben will, den unbezahlten Gewinnanteilschein vorzulegen, und zwar dürfte, auch wenn die Satzung die Hinterlegung der Aktie vorschreibt, sofern den Vorschriften über Hinterlegung und Anmeldung der Aktie entsprochen ist, Vorlegung des Scheins in der Hauptversammlung genügen. Die Entstehung des Stimmrechts hat nicht zur Voraussetzung, daß in dem Jahr, in dem der Vorzugsbetrag nicht gezahlt wird, überhaupt ein Gewinn ausgeschüttet wird. Auch wenn dies nicht der Fall ist, sei es in dem Jahr, in dem der Rückstand entsteht, sei es in dem darauffolgenden Jahr, in dem er hätte getilgt werden müssen, entsteht das Stimmrecht. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gewinnverteilung deshalb unterbleibt, weil kein Gewinn erzielt worden ist (Geßler in SozPr 40, 184), oder die Hauptversammlung bei der Gewinnverwendung eine Verteilung ausschließt. Die Feststellung, daß kein Gewinn verteilt wird, ist nicht unbedingt abhängig vom Vorliegen eines Gewinnverwendungsbeschlusses, sondern kann sich bei der Feststellung des Jahresabschlusses bereits ergeben. Weist dieser keinen Bilanzgewinn aus, so kommt ein Gewinnverwendungsbeschluß nicht in Frage. Wird in zwei Jahren hintereinander ein Jahresabschluß ohne Gewinn festgestellt, so sind die Vorzugsaktionäre in der ordentlichen Hauptversammlung, die über die Entlastung der Verwaltung und etwa Neuwahlen beschließt, bereits stimmberechtigt (zustimmend Schl.-Qu. § 116 Anm. 3). Ist nach dem Jahresabschluß genug Gewinn vorhanden, über den die Hauptversammlung zu beschließen hat, so ist das Stimmrecht des Vorzugsaktionärs praktisch erst in der Hauptversammlung des dritten Geschäftsjahres gegeben, in dem der Vorzug nicht vollständig bezahlt ist. Denn in der H a u p t versammlung, die über die Gewinnverteilung des zweiten Geschäftsjahres zu beschließen hat, ist der Vorzug noch nicht f ü r zwei Jahre rückständig, weil er erst nach dem Gewinnverwendungsbeschluß dieser Hauptversammlung fällig würde (zustimmend Schl.-Qu § 116 Anm. 3). 3. Verlust des Stimmrechts Anm. 4: Durch die Nachzahlung verliert die Aktie automatisch das Stimmrecht, ohne daß es irgendeiner Maßnahme bedürfte. Beschlüsse, die mit den Stimmen der Vorzugsaktionäre zustande kommen, sind anfechtbar. Eintritt und Wegfall des Stimmrechts vollziehen sich ohne Eintragung im Handelsregister und berühren die Satzung nicht. Die Abschaffung des nadi Abs. 2 entstehenden Stimmrechts der Vorzugsaktionäre ist auch mit Zustimmung jedes einzelnen von ihnen nicht möglich, weil der Grundsatz, daß jeder Aktie ein Stimmrecht zusteht, keine weitergehende als die gesetzlich zugelassene Ausnahme zuläßt. 827

§ 140

Verfassung der Aktiengesellschaft

Anm. 4—6 Die Nachzahlung der Rückstände steht nicht im Ermessen des Vorstandes, denn über die Verwendung des Gewinns hat die Hauptversammlung zu beschließen. Der Vorstand muß deshalb auch, wenn das Jahresergebnis die Zahlung der Rückstände zuläßt, zunächst den Hauptversammlungsbeschluß abwarten. In dieser Hauptversammlung sind deshalb u. U. die Vorzugsaktionäre noch stimmberechtigt, ohne daß durch den Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstandes oder gar dies durch vorherige Zahlung vermieden werden könnte. Anders ist es, wenn im Gewinnverwendungsbeschluß des Vorjahres ein an die Vorzugsaktionäre auszuschüttender Betrag zwar vorgesehen war, aber nicht zur Auszahlung gelangt ist. Dieser Betrag kann wie eine beschlossene, aber nicht ausgezahlte Dividende jederzeit gezahlt werden, ohne daß es eines erneuten Hauptversammlungsbeschlusses oder audi nur eines Gewinnausweises für das folgende Geschäftsjahr bedarf. Das Stimmrecht erlischt automatisch mit der Zahlung. Das Stimmrecht erlischt auch, wenn der Aktionär auf Zahlung verzichtet oder etwas anderes an Erfüllungs Statt annimmt (B.-H. Rn. 3). Durch Verweigerung der Annahme der Zahlung kann der Aktionär sein Stimmrecht nicht aufrechterhalten. III. Berechnung der Kapitalmehrheit Anm. 5: Durch die Einfügung des Satzes 2 in Abs. 2 ist nunmehr einerseits klargestellt, daß solange Vorzugsaktien ohne Stimmrecht kein Stimmrecht haben, d. h. also, solange der Vorzugsbetrag ordnungsgemäß gezahlt wird, diese Aktien bei der Berechnung einer Kapitalmehrheit nicht mitrechnen. Dies ergibt sich schon daraus, weil es sonst möglich wäre, daß die zur Satzungsänderung erforderliche Kapitalmehrheit nicht zustande kommen könnte, wenn die Ausgabemöglichkeiten für Vorzugsaktien nach § 139 II voll ausgenützt sind. Es ergibt sich nunmehr aber auch aus der neuen Bestimmung, die besagt, daß, wenn das Stimmrecht bei solchen Aktien dadurch entstanden ist, daß der Vorzugsbetrag nicht oder nicht voll bezahlt ist, die Vorzugsaktien auch bei der Berechnung einer nach Gesetz oder Satzung erforderlichen Kapitalmehrheit zu berücksichtigen sind. IV. Rechtsnatur des Nachbezugsrechts Anm. 6: Durch die neue Bestimmung des Abs. 3 ist entsprechend der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung (BGH 9, 283 f. und in WM 56, 87) und Schrifttum (Kuhn in Die AktGes 1956, 28; Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 115 AktG 37 Anm. 2) klargestellt worden, daß das Nachbezugsrecht der Vorzugsaktionäre im Zweifel unselbständig ist, d.h., durch Hauptversammlungsbeschlüsse noch geändert werden kann. Hieraus folgt, daß sich das Nachzahlungsrecht auch nachträglich durch eine Kapitalherabsetzung verringern kann. Will man dies verhindern, so muß die Satzung das Vorzugsrecht ausdrücklich zu einem selbständigen Recht erklären, was zulässig ist. 828

Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs

§ 141

Anm. 1

§ 141 Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs (1) Ein Beschluß, durch den der Vorzug aufgehoben oder beschränkt wird, bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Vorzugsaktionäre. (2) Ein Beschluß über die Ausgabe von Vorzugsaktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschaftsvermögens den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorgehen oder gleichstehen, bedarf gleichfalls der Zustimmung der Vorzugsaktionäre. Der Zustimmung bedarf es nicht, wenn die Ausgabe bei Einräumung des Vorzugs oder, falls das Stimmrecht später ausgeschlossen wurde, bei der Aussdiließung ausdrücklich vorbehalten worden war und das Bezugsrecht der Vorzugsaktionäre nicht ausgeschlossen wird. (3) Über die Zustimmung haben die Vorzugsaktionäre in einer gesonderten Versammlung einen Sonderbeschluß zu fassen. E r bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen. Wird in dem Beschluß über die Ausgabe von Vorzugsaktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellsdiaftsvermögens den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorgehen oder gleichstehen, das Bezugsrecht der Vorzugsaktionäre auf den Bezug solcher Aktien ganz oder zum Teil ausgeschlossen, so gilt für den Sonderbeschluß § 186 Abs. 3 bis 5 sinngemäß. (4) Ist der Vorzug aufgehoben, so gewähren die Aktien das Stimmrecht. I. Übersicht (Anm. 1) II. Aufhebung und Beschränkung des Vorzugs 1.Besdiluß der Hauptversammlung (Anm. 2) 2. Zustimmungsbesdiluß der Vorzugsaktionäre (Anm. 3)

III. Ausgabe neuer Vorzugsaktien (Anm. 4) IV. Entziehung des Bezugsrechts (Anm. 5) V. Form des Zustimmungsbesdilusses (Anm. 6) VI. Folgen der Aufhebung des Vorzugs (Anm. 7)

I. Übersicht Anm.l: Die Bestimmungen des § 117 AktG 37 sind im wesentlichen inhaltlich übernommen worden. Weggefallen ist die Bestimmung, wonach das Recht der Vorzugsaktionäre auf den Bezug von neuen Vorzugsaktien mit vorhergehenden oder gleichstehenden Rechten unentziehbar sein sollte, weil diese Bestimmung zu Mißverständnissen geführt hat. Es wird jetzt in Abs. 3 klargestellt, daß das Bezugsrecht ausgeschlossen werden kann, wenn ein Sonderbeschluß der Vorzugsaktionäre mit qualifizierter Mehrheit dem zustimmt. 829

§141 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 2,3 II. Aufhebung und Beschränkung des Vorzugs 1. Beschluß der Hauptversammlung Anm. 2: Das Recht auf den Vorzug hat nicht die Natur eines Gläubigerrechts (vgl. hierzu § 139 Anm. 2) oder Sonderrechts. Es ist daher durch satzungsändernden Beschluß der Hauptversammlung entziehbar, ohne daß jeder einzelne Vorzugsaktionär zuzustimmen braucht. Aber es wäre unbillig, dies gegen den Willen der Vorzugsaktionäre und durch satzungsändernden Beschluß der Hauptversammlung allein geschehen zu lassen, bei dem sie mangels Stimmrechts nicht mitwirken können. Auch ein Sonderbeschluß nach § 179 III ist nicht ausreichend. Es gilt vielmehr die Sonderregelung des Abs. 3. Vorzugsaktionäre, denen nach § 140 II das Stimmrecht zusteht, weil der Vorzugsbetrag nicht bezahlt ist, können in der Hauptversammlung bei dem satzungsändernden Beschluß mitstimmen. Durch eine Kapitalherabsetzung wird der Vorzug beschränkt, aber nur mittelbar, weil diese den Bestand des Aktienrechts selbst betrifft. Für eine solche mittelbare Aufhebung gilt Abs. 1 nicht. Die Fälle mittelbarer Berührung des Vorzugs sind in Abs. 2 erschöpfend geregelt. Würden durch Kapitalherabsetzung nur die Vorzugsaktien beseitigt, so könnten die Vorzugsaktionäre den Beschluß wegen ungleicher Behandlung anfechten, wenn sie an der Versammlung teilgenommen und Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben (die bekanntgemachte Tagesordnung gab ihnen dazu Anlaß), in anderen Fällen nicht. Von der Kapitalherabsetzung an besteht audi das Nadizahlungsrecht nur noch verhältnismäßig für das bestehengebliebene Aktienrecht (§ 140 III). Eine Aufhebung oder Beschränkung liegt nicht vor, wenn die Hauptversammlung beschließt, den erzielten Gewinn nicht zu verteilen, sondern anderweitig zu verwenden. 2. Zustimmungsbeschluß der Vorzugsaktionäre Anm. 3:. In allen Fällen, in denen der Vorzug ganz oder teilweise, z. B. nur das Gewinnvorrecht oder das Nadizahlungsrecht oder auch nur ein anderes Vorrecht, welches, wie z. B. ein Vorrecht bei der Verteilung des Abwicklungsreinvermögens, nicht Voraussetzung der Stimmrechtslosigkeit ist (vgl. B.-H. Rn. 3), bedarf der Hauptversammlungsbeschluß, durch den die Satzung geändert wird, der Zustimmung der Vorzugsaktionäre, die in einer besonderen Versammlung durch einen Beschluß erteilt wird, der einer Mehrheit bedarf, die mindestens 3A der abgegebenen Stimmen umfaßt. Fehlt es an dem Zustimmungsbeschluß der Vorzugsaktionäre, so ist der Beschluß der Hauptversammlung unwirksam. Das Vorzugsrecht wird nicht berührt. Die Vorzugsaktionäre können einen Gewinnverwendungsbeschluß anfechten, der ihren Vorzug nicht berücksichtigt. Sie müssen zu diesem Zweck allerdings an 830

Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs

§ 141

Anm. 3,4

der Hauptversammlung teilnehmen. Der Zustimmung der Vorzugsaktionäre bedarf es nicht, wenn der Vorzug von vornherein zeitlich begrenzt war und der Endtermin eintritt. Sie erwerben dann von selbst das Stimmrecht. Das Nachzahlungsrecht wegen bestehender Rückstände erlischt. In einem solchen Fall bedarf es keines Beschlusses der Hauptversammlung. Nach dem Gesetz bedürfen aber nur Beschlüsse, die den Vorzug beeinträchtigen, der Zustimmung. Deshalb ist es zweifelhaft, ob die herrschende Auffassung auch unter dem Geltungsbereich des neuen Gesetzes noch aufrediterhalten werden kann, daß es der Zustimmung der Vorzugsaktionäre dann nidit bedarf, wenn von vornherein bei der Einräumung des Vorzugs in der Satzung bestimmt war, daß dieser ohne Zustimmung der Vorzugsaktionäre wieder aufgehoben oder beschränkt werden kann. Diese Bedenken ergeben sich aus der neuen Bestimmung des § 23 V, wonadi die Satzung von den Vorschriften dieses Gesetzes nur abweichen kann, wenn es ausdrücklich zugelassen ist, oder dieses Gesetz eine abschließende Regelung nicht enthält. Wir möchten annehmen, daß der Abs. 1 eine solche abschließende Regelung darstellt, mithin eine entgegenstehende Bestimmung der Satzung ungültig ist. Das ergibt sich weiterhin auch daraus, daß in Abs. 2 bei der Ausgabe von neuen Vorzugsaktien mit gleichen oder vorgehenden Rechten im Verhältnis zu den bestehenden Vorzugsaktien es grundsätzlich der Zustimmung der Vorzugsaktionäre bedarf und hier ausdrücklich bestimmt ist, daß es der Zustimmung nicht bedarf, wenn die Ausgabe solcher neuen Aktien bei Einräumung des Vorzugs der alten Vorzugsaktien ausdrücklich vorbehalten war. In aller Regel wird dieser Vorbehalt in dem satzungsändernden Beschluß, aufgrund dessen die Ausgabe der neuen Vorzugsaktien erfolgt, enthalten sein. Wir sind deshalb der Meinung, daß die Zustimmung der Vorzugsaktionäre nach § 1411 im Falle der Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden kann (ebenso Obermüller-Werner-Win den in Die HV der AG S. 116; a. A. Rowedder in MöhringSchwartz S. 36). III. Ausgabe neuer Vorzugsaktien Anm. 4: Im bisherigen § 117 II AktG 37 war von der Ausgabe neuer Aktien die Rede. Das hat zu dem Streit geführt, ob auch die Ausgabe von Stammaktien im Fall einer Kapitalerhöhung der Zustimmung der Vorzugsaktionäre bedürfe. Das ist dadurch klargestellt, daß in dem jetzt vorliegendem Gesetzestext nur von der Ausgabe von Vorzugsaktien die Rede ist, bei der u. U. die Zustimmung erforderlich ist. Die Zustimmung der alten Vorzugsaktionäre bei der Ausgabe neuer Vorzugsaktien ist dann erforderlich, wenn in der Ausgabe dieser neuen Vorzugsaktien die Rechte der alten Vorzugsaktionäre dadurch beeinträchtigt werden, 831

§141 Anm. 4

Verfassung der Aktiengesellschaft

daß die neuen mit gleichstehenden oder vorgehenden Rechten ausgestattet sind, oder die Umwandlung vorhandener Aktien in gleich- oder besser- berechtigte Vorzugsaktien erfolgt. Diese liegen auch darin, daß die neuen Vorzugsaktien nur einen stärkeren oder gleichen Vorzug ohne Nachzahlungsrecht haben, oder einen Vorzug, der nicht mit dem Gewinnvorrecht, sondern einem anderen Vorrecht, z. B. bei der Vermögensverteilung, in Konkurrenz tritt. Unter „gleichstehend" ist schon ein gleichrangiges Recht gemeint, auch wenn es quantitativ nicht gleich ist. Wegen Beeinträchtigung der Vorzugsaktionäre bedarf auch ein solcher Beschluß ihrer Zustimmung mittels Beschlusses in gesonderter Versammlung. Audi hier muß außerdem ein satzungsändernder Beschluß der Hauptversammlung gefaßt werden. Der Zustimmung bedarf es, wenn damit vorgehende oder gleichstehende Aktien ausgegeben werden sollen, auch die bedingte Kapitalerhöhung und die Ermächtigung des Vorstandes zur Kapitalerhöhung, dagegen die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen und Gewinnschuldverschreibungen und Genußrechten nur, wenn es zur Ausgabe von Aktien oder zur bedingten Kapitalerhöhung kommt. Sollen Aktien mit nachstehenden Rechten ausgegeben werden, so ist nur ein Beschluß der Vorzugsaktionäre, wenn sie nach § 140 II wegen Nichtzahlung des Vorzugs das Stimmrecht haben, nach § 182 II innerhalb der Hauptversammlung, nicht aber eine besondere Zustimmung im Sinne des § 141 III erforderlich. Der Vorzugsaktionär hat im letzteren Fall nur das Bezugsrecht nach § 186 in Verbindung mit § 221 III. Ausnahmsweise bedarf es trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Abs. 2 der Zustimmung der Vorzugsaktionäre dann nicht, wenn bei Einräumung des Vorzugs oder, falls das Stimmrecht später ausgeschlossen wurde, bei der Ausschließung des Stimmrechts für die alten Vorzugsaktien die Ausgabe neuer Vorzugsaktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschaftsvermögens den alten Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorgehen, ausdrücklich vorbehalten war und wenn außerdem das Bezugsrecht der Vorzugsaktionäre nicht ausgeschlossen wird. Nur wenn beide Voraussetzungen vorliegen, entfällt der Zustimmungsbeschluß. Soll aber das Bezugsrecht ausgeschlossen werden, so muß sowohl die Zustimmung zu dem ganzen Hauptversammlungsbeschluß nach Abs. 3, d. h. in gesonderter Versammlung durch einen Sonderbeschluß, erteilt werden, wie auch der Ausschluß des Bezugsrechts nach der besonderen Vorschrift des Abs. 3 S. 3 erfolgt. Daß der Vorbehalt, neue Vorzugsaktien ohne Zustimmung der alten Vorzugsaktionäre ausgeben zu können, auf der Aktienurkunde vermerkt sein müßte, ist nicht vorgeschrieben, mithin auch nicht erforderlich. Der Erwerber von Vorzugsaktien muß sich über ihre Ausgabebedingungen unterrichten.

832

Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs

§ 141

Anm. 5,6

IV. Entziehung des Bezugsrechts Anm. 5: Nach der bisherigen Gesetzesformulierung (§ 117 II letzter Satz AktG 37) erschien es zumindest sehr zweifelhaft, ob bei der Ausgabe neuer Vorzugsaktien das Bezugsrecht der alten Vorzugsaktionäre ausgeschlossen werden könnte. Die Frage ist durch die Einfügung des Satzes 4 in Abs. 3 geklärt. Danach kann das Bezugsrecht ausgeschlossen werden, wenn zunächst die Hauptversammlung im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals dies unter Beachtung der Bestimmung des § 186 tut, und außerdem die Vorzugsaktionäre ihre Zustimmung durch einen Sonderbeschluß nach § 141 III S. 1, also in einer gesonderten Versammlung, fassen. Auf diesen Sonderbeschluß, vor allem auf die Mehrheit, die für ihn gilt, findet § 186 III—V sinngemäß Anwendung; das bedeutet, daß der Sonderbeschluß neben den im Gesetz aufgestellten Erfordernissen für die Kapitalerhöhung zwingend eine Mehrheit erfordert, die mindestens 3 /i des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. In diesem Fall kann die Satzung im Gegensatz zu den sonstigen Sonderbeschlüssen nach § 141 eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Der Beschluß kann nur gefaßt werden, wenn Ausschließung ausdrücklich und ordnungsgemäß (§ 124 I) bekanntgemacht worden ist (§ 186 IV). Audi hier gilt nach § 186 V, daß es nicht als Ausschluß des Bezugsrechts anzusehen ist, wenn den Aktionären die neuen Aktien über ein Kreditinstitut angeboten werden. V. Form des Zustimmungsbeschlusses Anm. 6: Die Zustimmung der Vorzugsaktionäre erfolgt durch Beschluß. Es bedarf nicht der Zustimmung jedes einzelnen Aktionärs. Dieser Beschluß muß in einer besonderen Versammlung, also nicht nur in gesonderter Abstimmung, gefaßt werden, die nicht mit der Hauptversammlung verbunden werden kann, die über die in der Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs liegende Satzungsänderung zu beschließen hat, für welche aber alle Vorschriften über Hauptversammlungen gelten. Dies ist jetzt in der Sonderbestimmung des § 138 geregelt. Im einzelnen siehe die Anm. dort. Die Stammaktionäre haben kein Recht, an der gesonderten Versammlung teilzunehmen, wohl aber die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats. Es gibt keinen Vertreter und Vertrauensmann der Vorzugsaktionäre, der etwa ein Einberufungsrecht hätte. Diese Versammlung wird vielmehr durch den Vorstand einberufen. Die Bestimmung des bisherigen Rechts, wonach die Veröffentlichung über die Einberufung der Versammlung nicht mit einer Veröffentlichung über die Einberufung einer Hauptversammlung verbunden werden durfte, ist weggefallen; eine solche Verbindung ist deshalb möglich, es muß sich aber deutlich erkennen lassen, daß es sich um die Einberufung einer gesonderten Versammlung handelt. 833

§§ 141/142 Verfassung der Aktiengesellschaft Ajim. 7 VI. Folgen der Aufhebung des Vorzugs Anm. 7: Ist der Vorzug durch Beschluß oder Zeitablauf aufgehoben, so haben die Aktionäre Stimmrecht. Die Vorschrift ist zwingend und folgt schon aus § 134 und § 139. Auf eine diesbezügliche Bestimmung des Hauptversammlungsbeschlusses kommt es nicht an. Selbst wenn mit Zustimmung der Vorzugsaktionäre beschlossen werden sollte, daß trotz Aufhebung des Vorzugs die Aktien kein Stimmrecht haben sollen, würde das Stimmrecht für die Aktien gegeben sein, sofern nicht nach § 241 Nr. 3 in Verbindung mit § 139 B G B der ganze Beschluß als nichtig anzusehen ist; dann würde auch der Vorzug bestehenbleiben.

Siebenter Unterabschnitt Sonderprüfung Geltendmachung von Ersatzansprüchen S 142 Bestellung der Sonderprüfer (1) Zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung, namentlich auch bei Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung, kann die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit Prüfer (Sonderprüfer) bestellen. Bei der Beschlußfassung kann ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats weder für sich noch für einen anderen mitstimmen, wenn die Prüfung sidi auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zusammenhängen. Für ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, das nach Satz 2 nicht mitstimmen kann, kann das Stimmrecht audi nicht durch einen anderen ausgeübt werden. (2) Lehnt die Hauptversammlung einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung eines Vorgangs bei der Gründung oder eines nicht über fünf Jahre zurückliegenden Vorgangs bei der Geschäftsführung ab, so hat das Gericht auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen, Sonderprüfer zu bestellen, wenn Tatsadien vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, daß bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Die Antragsteller haben die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag zu hinterlegen und glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens 834

Bestellung der Sonderprüfer

§142 Anm. 1

drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Vorgänge, die Gegenstand einer Sonderprüfung nach § 258 sein können. (4) Hat die Hauptversammlung Sonderprüfer bestellt, so hat das Gericht auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen, einen anderen Sonderprüfer zu bestellen, wenn dies aus einem in der Person des bestellten Sonderprüfers liegenden Grund geboten erscheint, insbesondere, wenn der bestellte Sonderprüfer nicht die für den Gegenstand der Sonderprüfung erforderlichen Kenntnisse hat, oder wenn Besorgnis der Befangenheit oder Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit bestehen. Der Antrag ist binnen zwei Wochen seit dem Tage der Hauptversammlung zu stellen. (5) Das Gericht hat außer den Beteiligten audi den Aufsiditsrat und im Fall des Absatzes 4 den von der Hauptversammlung bestellten Sonderprüfer zu hören. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (6) Die vom Gericht bestellten Sonderprüfer haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Gegenstand der Prüfung (Anm. 2) III. Beschluß der Hauptversammlung lang 1. Erfordernisse (Anm. 3) 2. Stimmverbot (Anm. 4)

IV. Bestellung durch das Geridit 1. Antragstellung (Anm. 5) 2. Entscheidung des Gerichts (Anm. 6) V. Bestellung anderer Sonderprüfer durch das Gericht (Anm. 7) VI. Auslagen und Vergütung (Anm. 8)

I. Obersicht Anm. 1: Im wesentlichen sind die Bestimmungen des § 118 AktG 37 übernommen worden, dabei sind in Abs. 1 die Bestimmungen über das Stimmreditsverbot gestrafft worden; in Abs. 2 ist die Frist von 2 Jahren für die Prüfung zurückliegender Vorgänge auf 5 Jahre in Anlehnung an die Verjährungsfrist des § 93 VI heraufgesetzt und genauer als bisher bestimmt worden, unter welchen Voraussetzungen das Gericht auf Antrag der Minderheit eine Sonderprüfung anzuordnen hat. Geändert sind die Bestimmungen 835

§ 142 Anm. 1,2

Verfassung der Aktiengesellschaft

über die antragsberechtigte Minderheit in den Abs. 2 und 4. Weggefallen ist die Bestimmung im bisherigen § 118 I V S. 2 AktG37, wonach das Gericht die Bestellung der Sonderprüfer unter bestimmten Voraussetzungen, von einer Sicherheitsleistung abhängig machen konnte. Neu geregelt ist in Abs. 5 die Anhörungspflicht des Gerichts und in Abs. 6 der Anspruch der Sonderprüfer auf Auslagenersatz und Vergütung. Neben der Prüfung der Gründung, die durch Gründungsprüfer (§ 33) vorgenommen wird, und der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer (§ 162) kennt das Gesetz 3 Fälle von Sonderprüfungen, einmal die nach § 142 zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung, ferner nach § 258, die wegen unzulässiger Unterbewertung und endlich nach § 315 zur Prüfung der geschäftlichen Beziehung der Gesellschaft zu dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen. Alle diese Prüfungen werden von Prüfern vorgenommen, die im neuen Gesetz erstmalig als „Sonderprüfer" bezeichnet werden. Die einzelnen Gebiete der Sonderprüfungen überschneiden sich. Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist eine Geschäftsführungsmaßnahme, so daß dabei vorkommende Unterbewertungen, die der Sonderprüfung nach § 258 unterliegen, auch unter § 142 fallen. Da die Sonderprüfung nach § 258 gewissermaßen anstelle einer Anfechtung des Jahresabschlusses getreten ist, mußte eine Reihe von Bestimmungen getroffen werden (§§ 259—261); deshalb wird hier im Abs. 3 ausdrücklich bestimmt, daß die Abs. 1 und 2 für Sonderprüfungen über Vorgänge, die Gegenstände einer Sonderprüfung nach § 258 sind, keine Anwendung finden können. Anders ist es bei der Sonderprüfung nadi § 315, zwar ist dort der Gegenstand der Prüfung ein anderer als bei § 142, jedoch werden auch bei der Prüfung der geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen Geschäftsführungsmaßnahmen zur Erörterung stehen. Es bestehen deshalb keine grundsätzlichen Bedenken, daß bereits die Hauptversammlung nach § 142 mit einfacher Stimmenmehrheit eine Sonderprüfung dieser Vorgänge beschließt. Es bestand deshalb keine Notwendigkeit, die Abs. 1 und 2 des § 142 auch im Falle des § 315 auszuschließen. Die Rechtstellung des Sonderprüfers ist von der des Abschlußprüfers insofern verschieden, als letzterer im Gegensatz zu ersterem Organ der Gesellschaft ist (Adler-Düring-Schmaltz 3. Aufl. § 135 Anm. 243). II. Gegenstand der Prüfung Anm. 2: Es müssen bestimmte Vorgänge der Gründung oder der Geschäftsführung, die geprüft werden sollen, angegeben werden, z . B . bei einer Kapitalbeschaffung die Entrichtung der Einlagen und die Festsetzung der Sacheinlagen. Nicht zulässig ist die Nachprüfung der Gründung in ihrer 836

Bestellung der Sonderprüfer

§ 142 Anm. 2,3

Gesamtheit oder der Geschäftsführung schlechthin für einen gewissen Zeitraum (RG 146, 393). Geschäftsführung ist nicht nur die Tätigkeit des Vorstandes, sondern auch der Angestellten. Wann die Vorgänge sich ereignet haben, ist gleichgültig. Audi, wenn etwaige Haftungsansprüche bereits verjährt sind, kann die Prüfung beschlossen werden, da für die gesamte Beurteilung der Geschäftsführung und der Personen, in deren Händen sie oder ihre Überwachung liegt, die Aufklärung zurückliegender Vorfälle auch für die Zukunft bedeutungsvoll ist. Audi dann, wenn für den Zeitraum, in den die Vorgänge fallen, Entlastung erteilt ist, da diese nach § 120 II S. 2 keinen Verzicht auf Ersatzansprüche enthält. Für die Hauptversammlung gilt nicht die fünfjährige Frist des Abs. 2. Mittelbar kann auch der Jahresabschluß Gegenstand der Sonderprüfung sein, insofern, als er selbst ein Akt der Geschäftsführung ist (Schl.-Qu. § 118 Anm. 3) und als die zu prüfenden Vorgänge ihm zugrunde liegen (SchmidtMeyer-Landrut in Großkomm. § 118 AktG 37 Anm. 2). Eine Ausnahme gilt für die Uberprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung. Hier finden die vorliegenden Bestimmungen nach Abs. 3 keine Anwendung. Bei der Bestellung der Prüfer ist der Gegenstand der Prüfung dem genauen Inhalt nach festzulegen (Adler-Düring-Schmaltz 3. Aufl. §135 Anm. 241). III. Beschluß der Hauptversammlung 1. Erfordernisse Anm. 3: Zum Beschluß einer Sonderprüfung und zur Bestellung der Prüfer durch die Hauptversammlung genügt einfache Stimmenmehrheit. Das Mehrheitserfordernis kann nidit verschärft werden (§ 23 V). Sonderprüfung und Bestellung muß als Tagesordnungspunkt angekündigt sein. Beabsichtigt die Verwaltung, einen Vorschlag für die Sonderprüfer zu machen, so müssen diese ebenfalls in der Bekanntmachung enthalten sein (§ 124 III). Ergibt sich in der Hauptversammlung während der Verhandlung über einen angekündigten Gegenstand die Zweckmäßigkeit eines Antrags auf Sonderprüfung, so kann dieser, obwohl er nicht angekündigt ist, gestellt werden. Steht die sidi ergebende Notwendigkeit zur Bestellung eines Sonderprüfers jedodi nicht im Zusammenhang mit einem angekündigten Tagesordnungspunkt — z. B. auf weiter zurückliegende Vorgänge —, so muß die Sonderprüfung besonders angekündigt werden (ebenso Obermüller-Werner-Winden in Die HV der AG S. 285). Die Hauptversammlung hat die Prüfer selbst zu bestimmen. Audi das neue Gesetz spricht von der Bestellung der Sonderprüfer durch die Hauptversammlung. Zum bisherigen Recht wurde die Ansicht vertreten, die Bestellung als solche könne dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat übertragen werden. Hieraus ergab sich die Frage, wann die Frist, innerhalb welcher ein 837

§142

Verfassung der Aktiengesellschaft

Anm. 3,4 Antrag auf Bestellung eines anderen Sonderprüfers zu stellen sei, beginnen würde. Da der Gesetzgeber für diese Frage trotz der bestehenden oben dargelegten Ansicht keine Bestimmungen getroffen hat, die sich auf eine Möglichkeit der Bestellung durch Vorstand oder Aufsichtsrat bezieht, im Gegenteil ausdrücklich an der Bestellung durch die Hauptversammlung (Abs. 1 S. 1) festgehalten hat, ist die Streitfrage dahin geklärt, daß die Zuständigkeit der Hauptversammlung eine ausschließliche ist (so auch schon für das bisherige Recht Sdimidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 118 AktG 37 Anm. 1; a. A. auch zum neuen Recht B.-H. Rn. 6). Sind die Gewählten bei der Bestellung zugegen und nehmen sie das Amt an, so kommt damit der Prüfungsauftrag zustande. Im allgemeinen ist jedoch sein Abschluß mit den von der Hauptversammlung bestellten Prüfern Sache des Vorstandes. Er ist ein Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Ein unentgeltlicher Geschäftsbesorgungsauftrag liegt vor, wenn unentgeltlich Prüfung ausdrücklich oder stillsdiweigend vereinbart wird. Letzteres kann anzunehmen sein, wenn Aktionäre, seien es auch Rechtsanwälte oder Kaufleute, zu Sonderprüfern bestellt werden, und sie bei der Annahme der Bestellung keinen Vergütungsanspruch erhoben haben. Im übrigen aber gilt entsprechend § 632 BGB die übliche Vergütung als stillschweigend vereinbart, auch wenn keine Vereinbarung getroffen wird. Über Kündigung der Gesellschaft nur aufgrund Hauptversammlungsbeschlusses vgl. § 649 BGB. Natürlich kann nicht nur der Beschluß, der die Prüfer bestellt, sondern auch derjenige, der die Sonderprüfung anordnet, durch einen neuen Beschluß aufgehoben werden (RG 143, 410). Über die rechtliche Stellung des Prüfers vgl. auch § 143. Uber das Zustandekommen des Vertrages und die Vergütung bei gerichtlicher Bestellung s. unten Anm. 6. 2. Stimmverbot Anm. 4: Den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrats ist die Mitwirkung bei der Beschlußfassung unter bestimmten Voraussetzungen verboten. Sie können weder aus eigenen Aktien noch als Legitimationsaktionär (§ 129 III) im eigenen Namen noch als Bevollmächtigte anderer Aktionäre, weder in deren Namen noch etwa im Namen dessen, den es angeht, eine Stimme abgeben, wenn die Prüfung sich auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung auch eines Mitgliedes des Vorstandes oder eines Mitgliedes des Aufsichtsrats oder der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und einem Mitglied des Vorstandes oder einem Mitglied des Aufsichtsrats zusammenhängen. Auch ein anderer kann nicht für ein an der Stimmabgabe verhindertes Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats für dieses das Stimmrecht ausüben. Das deckt sich weitgehend mit den Bestimmungen des § 136 I für die Fälle, in denen es sich um die Entlastung, die Befreiung einer Verbindlichkeit oder um die Geltendmachung eines An838

Bestellung der Sonderprüfer

§142

Anm.4

spruchs handelt. Insofern sind die Bestimmungen hier jedoch noch schärfer, als nicht nur diejenigen Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrats von dem Verbot der Stimmausübung betroffen werden, auf die sich die Prüfung bezieht, sondern es sind immer alle Mitglieder des Vorstandes und alle Mitglieder des Aufsichtsrats von der Beteiligung einer Beschlußfassung in den genannten Fällen ausgeschlossen. Das ist anders als in § 136, denn nach der dortigen Bestimmung können z. B. alle Mitglieder des Vorstandes mitstimmen, wenn über die Entlastung des Aufsiditsrats getrennt von der des Vorstandes abgestimmt wird, und es können auch die übrigen Mitglieder des Vorstandes mitstimmen, wenn über die Entlastung der einzelnen Vorstandsmitglieder getrennt abgestimmt wird. Die schärferen Bestimmungen hier sind dadurdi gerechtfertigt, daß Vorstand und Aufsichtsrat die Verwaltung der Gesellschaft darstellen und als solche eine gewisse Einheit bilden. Ein Interessenwiderstreit ist daher bei einem Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrats schon dann möglich, wenn ein anderes Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats betroffen ist. Voraussetzung für das Stimmverbot ist, daß die Prüfung sich auf Vorgänge erstrecken soll, die entweder mit der Entlastung oder mit der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen Gesellschaft und Verwaltungsmitgliedern in Zusammenhang stehen. Es genügt „nur mittelbarer Zusammenhang". Auch ein „noch so entfernter" Zusammenhang ist zu berücksichtigen (Klausing S. 275). Audi diejenigen Mitglieder sind an der Abstimmung verhindert, die an dem nachzuprüfenden Vorgang nicht beteiligt waren, weil sie noch gar nicht Mitglieder gewesen sind, als er sidi zutrug. Ebenso können auch jene Aktionäre nicht mitstimmen, die zwar zur Zeit der Abstimmung keinem der beiden Organe mehr angehören (etwa infolge Abberufung gerade wegen der zu prüfenden Vorgänge), aber an dem nachzuprüfenden Vorgang als Organmitglieder beteiligt gewesen sind (RG 142,133; J W 1933, 2900; B.-H. Rn. 4). Zuwiderhandlungen gegen das Stimmverbot haben Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Folge, durch den die Bestellung von Sonderprüfern abgelehnt wird (RG 146, 385), wenn er darauf beruht. Die Ablehnung oder Wiederaufhebung eines Beschlusses, der die Bestellung von Sonderprüfern anordnete, sind als solche allein aufgrund ihrer selbst nicht anfechtbar, weil ein Recht auf die Bestellung von Prüfern durdi die Hauptversammlung zugunsten eines Aktionärs oder einer Minderheit nicht besteht (RG 143, 410). Der Beschluß kann aber aus anderen Gründen anfechtbar sein, insbesondere etwa wegen der Art und Weise seines Zustandekommens, z.B. wegen Verstoßes gegen Abs. 1 S. 2 oder gegen die guten Sitten. Der Anfechtung ist aus Zweckmäßigkeitsgründen meist ein Vorgehen nach Abs. 2 vorzuziehen, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. Wird auf Anfechtungsklage oder wegen eines Nichtigkeitsgrundes der ablehnende Beschluß durch richterliches Urteil für nichtig 839

§ 142 Anm. 4,5

Verfassung der Aktiengesellschaft

erklärt, so kann es doch nicht durch einen Beschluß den Sonderprüfer ersetzen (RG 142, 129). Die Nichtigkeit des angefochtenen, die Bestellung von Sonderprüfern ablehnenden Beschlusses hat auch die Nichtigkeit des daraufhin ergangenen Entlastungsbeschlusses zur Folge (RG 146, 71), desgleichen eines daraufhin ergehenden Hauptversammlungsbeschlusses über den Jahresabschluß (RG ebenda, insoweit veraltet, es sei denn, daß der Jahresabschluß ausnahmsweise von der Hauptversammlung festgestellt wird). Nach § 405 III Nr. 5 macht sich derjenige, der Aktien für die er oder der von ihm Vertretene das Stimmrecht nach § 142 I nicht ausüben darf, einen anderen zum Zweck der Ausübung des Stimmrechts überläßt oder solche ihm überlassenen Aktien zur Ausübung des Stimmrechts benutzt, einer Ordnungswidrigkeit schuldig. IV. Bestellung durch das Gericht 1. Antragstellung Anm. 5: Eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 2 Millionen DM erreichen, sind antragsberechtigt. Bei der Berechnung der Minderheit kommt es nicht etwa auf das in der Hauptversammlung vertretene Grundkapital an, sondern auf das tatsächliche gesamte Grundkapital. Dazu rechnen auch die Teile des Grundkapitals, für die stimmrechtlose Aktien ausgegeben sind. Es kommt auch nicht etwa darauf an, was auf das Grundkapital eingezahlt ist, sondern ausschließlich auf den Nennbetrag. Gegenüber dem bisherigen Redit, das auf eine Minderheit von 10 % des Grundkapitals abstellte, ist die Antragstellung jetzt dadurch erleichtert worden, daß auch eine Minderheit, die weniger als 10 °/o des Grundkapitals beträgt, dann antragsberechtigt ist, wenn der Nennwert ihrer Anteile zusammen den Betrag von 2 Millionen DM erreicht. Diese Verbesserung des Minderheitenschutzes ist deshalb vorgenommen worden, weil bei sehr großen Gesellschaften der zehnte Teil des Grundkapitals ein so hoher Betrag ist, daß er praktisch nicht zusammengebracht werden kann und damit ein nur in Prozenten zum Grundkapital ausgedrücktes Minderheitenrecht problematisch wird. Eine Herabsetzung des Prozentsatzes schien deshalb nicht zweckmäßig, weil dann eine unverhältnismäßig kleine Minderheit, in absoluten Zahlen ausgedrückt, bei kleinen Gesellschaften schon Minderheitsrechte ausüben könnte, was ebenso unangemessen erscheint, wie die Ausschließung von Minderheitsrechten bei sehr großen Gesellschaften. Die Berechnung der Minderheit nach absoluten Nennbetragsziffern ist nur in den Fällen eingeführt worden, in denen die Ausübung des Minderheitenrechts nicht unmittelbare, über die Hauptversammlung hinausgehende Folgen für die Gesellschaft hat, sondern einer Überprüfung durch das Gericht unterworfen ist. In allen diesen Fällen ist gegen die gerichtliche Entscheidung die 840

Bestellung der Sonderpriifer

§142 Arno. 5

sofortige Beschwerde für zulässig erklärt worden, so auch hier. Das Minderheitenrecht hat zum Gegenstand einen Antrag bei Gericht. Das Gericht hat diesen Antrag zu prüfen, gegen seine Entscheidung ist nach Abs. 5 die sofortige Beschwerde zulässig. Die gerichtliche Nachprüfung soll eine Sicherheit dafür gewähren, daß eine in festen Nennwertzahlen ausgedrückte, vielleicht nach Prozenten des Grundkapitals sehr kleine Minderheit nicht in der Lage ist, unmittelbar der Gesellschaft Schaden zuzufügen. Nur wenn die Berechtigung des Anliegens dieser kleinen Minderheit durch zwei Instanzen des Gerichts bejaht ist, treten die weitergehenden Folgen für die Gesellschaft ein. Die sicherlich auch möglichen Folgen, die allein durdi die Antragstellung bei Gericht der Gesellschaft erwachsen können, müssen in Kauf genommen werden, zumal da sie nicht wesentlich über das hinausgehen dürften, was bereits durch einen in der Hauptversammlung abgelehnten Antrag entstehen kann. Dieser kann aber von jedem einzelnen Aktionär gestellt werden. Die Antragstellung hat zur Voraussetzung, daß die Hauptversammlung die Bestellung abgelehnt hat. Ein Antrag ist auch möglich, wenn die Hauptversammlung zwar die Sonderprüfung beschlossen, aber die Bestellung der Sonderprüfer dem Aufsichtsrat überlassen hat oder den Beschluß, Sonderprüfer zu bestellen ( R G 143, 410), wieder aufhebt. War überhaupt kein Antrag in der Hauptversammlung gestellt, so kann Abs. 2 nicht in Frage kommen. Gegenüber der Befugnis der Hauptversammlung ist das Antragsrecht der Minderheit zeitlich enger. Voraussetzung ist nämlich, daß der zu prüfende Vorgang sich entweder auf die Gründung oder auf einen nicht weiter als 5 Jahre zurückliegenden Fall der Geschäftsführung bezieht. Die Fünfjahresfrist gilt nur für die Prüfung von Vorgängen bei der Geschäftsführung, nicht für solche bei der Gründung. Die Frist rechnet von der Hauptversammlung zurück, bei Aufhebung des die Sonderprüfung anordnenden Beschlusses von jener, welche die Prüfung angeordnet hatte. Der Antrag an das Gericht braucht nicht innerhalb der fünfjährigen Frist gestellt zu werden. Er ist an das Amtsgericht (§ 14) gem. § 11 F G G schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten zu stellen. Es besteht kein Anwaltszwang. In dem Antrag muß der zu prüfende Vorgang bezeichnet und dargelegt sein, daß die Hauptversammlung die Sonderprüfung abgelehnt hat. Nicht erforderlich ist, daß gerade die jetzigen Antragsteller auch den Antrag in der Hauptversammlung gestellt hatten ( R G in J W 1903, 244). Sie brauchen in dieser nicht einmal anwesend gewesen zu sein. Das Antragsrecht haben auch die stimmrechtlosen Vorzugsaktionäre. Die Antragsteller haben die Aktien, sofern Urkunden darüber ausgegewesen zu sein. Das Antragsrecht haben auch die stimmrechtlosen Vorzugsgeben sind, zu hinterlegen, d. h., es müssen zusammen entweder 10 °/o des Grundkapitals oder Aktien mit einem Nennbetrag von 2 Millionen D M hinterlegt werden. Die Aktie muß nicht bei der Hinterlegungsstelle, sie kann auch 841

§ 142 Anm. 5 , 6

Verfassung der Aktiengesellschaft

bei dem Amtsgericht (KG in JW 30, 3777) hinterlegt werden und muß es bleiben, bis der Antrag zurückgenommen oder rechtskräftig darüber entschieden ist. Die Antragsteller haben glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens 3 Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Unter Inhaberschaft ist hier Aktionärschaft, nicht Innehabung gemeint, auch nicht Legitimation. Darum ist Eintragung im Aktienbuch erst im Zeitpunkt des Antrags erforderlich (Schmidt-Meyer-Landrut in Großkomm. § 118 AktG 37 Anm. 9). Pfandgläubiger, Entleiher oder Nießbraucher sind nicht Inhaber im Sinne der Gesetzesstelle und überhaupt nicht antragsberechtigt, vielmehr (trotz des Erfordernisses der Innehabung des unmittelbaren Besitzes) der Verpfänder, Verleiher, Besteller des Nießbrauchs. Bei der gesetzlichen Verwaltung und Nutznießung ist es der gesetzliche Verwalter und Nutznießer (Inhaber der elterlichen Gewalt). Besteht die Gesellschaft noch keine 3 Monate, so genügt der Nachweis des Besitzes der Aktie von der Entstehung der Gesellschaft an. Dasselbe gilt entsprechend für Aktien, die aus einer Kapitalerhöhung stammen, wenn diese noch keine 3 Monate zurückliegt. Zur Glaubhaftmachung genügt eidesstattliche Versicherung (vgl. im übrigen § 294 ZPO). 2. Entscheidung des Gerichts Anm. 6: Das Gericht hat dem Antrag nur stattzugeben, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, daß bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind, d. h., das Gericht braucht nicht überzeugt zu werden, aber es muß ihm ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit gegeben erscheinen. Zu diesem Zweck ist nicht gerade eine Glaubhaftmachung erforderlich (ebenso B.-H. Rn. 12; Kühn in BB 65, 1771; a. A. Obermüller-Werner-Winden in Die H V der AG, die eine Glaubhaftmachung verlangen, was u. E. nicht aus dem Gesetz entnommen werden kann). Immerhin ist unter Vorliegen von Tatsathen, die einen Verdacht rechtfertigen, mehr zu verstehen, als nur die Aufstellung von Verdächtigungen. Unter Unredlichkeiten sind auch nicht strafbare zu verstehen. Eine grobe Gesetzesverletzung ist auch die grobe Verletzung der Sorgfaltspflicht nach § 93, 116. Unberücksichtigt bei der gerichtlichen Prüfung haben die Zweckmäßigkeit und die Aussichten der Sonderprüfung zu bleiben (Adler-Düring-Schmaltz 3. Aufl. § 135 Anm. 238). Das Gericht hat nach Abs. 5 stets — nicht nur wie nach bisherigem Recht vor der Bestellung — außer den Beteiligten auch den Aufsichtsrat zu hören. Die Beteiligten sind die Antragsteller einerseits und die Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, andererseits. Der Aufsichtsrat ist a b Organ zu hören, nicht etwa die einzelnen Mitglieder. Der Aufsichtsrat hat infolgedessen einen Beschluß zu fassen. Er kann dazu, sowohl zur Vorbereitung als auch zur 842

Bestellung der Sonderprüfer

§142

Anm. 6,7

Beschlußfassung selbst, einen Ausschuß bestellen und diesem insoweit seine Funktion übertragen. Die Person, gegen die die Vorwürfe gerichtet werden, gehört nicht zu dem Kreis der Beteiligten. Bei der Auswahl des zu bestellenden Sonderprüfers hat das Gericht § 143 zu beachten. Gegen die Entscheidung des Gerichtes ist die sofortige Beschwerde gegeben, für die das dem Amtsgericht übergeordnete Landgericht zuständig ist. Beschwerdeberechtigt ist im Falle der Zurückweisung der Antragsteller, sonst die Gesellschaft. V . Bestellung anderer Sonderprüfer durch das Gericht Anm. 7: H a t die Hauptversammlung Sonderprüfer bestellt, so kann die gleiche Minderheit, die den Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern bei Gericht stellen kann, den Antrag stellen, einen anderen Sonderprüfer zu bestellen. D a s bedeutet, daß der von der Hauptversammlung bestellte Sonderprüfer nicht tätig werden kann ( B a y O b L G in J W 31, 2998). Im Gegensatz zu dem Antrag nach Abs. 2 ist die Stellung des Antrags, einen anderen Sonderprüfer zu bestellen, an eine Frist von 2 Wochen seit dem T a g e der Hauptversammlung gebunden. Die Bestimmung des Abs. 5 gilt auch für dieses Verfahren, und zwar mit der Maßgabe, daß außer den Beteiligten und dem Aufsichtsrat in diesem Fall auch der von der Hauptversammlung bestellte Sonderprüfer zu hören ist. D a man die Auffassung vertreten kann, daß er nicht zu den Beteiligten des Verfahrens gehört, weil die gerichtliche Entscheidung ihn nur mittelbar berührt, erschien es zweckmäßig, durch ausdrückliche Bestimmung seine Anhörung vorzuschreiben. Seine Anhörung ist auch deshalb unumgänglich notwendig, weil nach den neuen Bestimmungen des Abs. 4 die Entscheidung von Dingen abhängig sein kann, über die der von der Hauptversammlung bestellte Sonderprüfer teilweise allein erschöpfende Auskunft geben kann. In Ergänzung der bisher geltenden Bestimmungen des § 118 I I I A k t G 37 ist jetzt im einzelnen bestimmt, wann das Gericht einen anderen Sonderprüfer zu bestellen hat. Es darf dies nur, wenn die Bestellung aus einem in der Person des bestellten Sonderprüfers liegenden Grund geboten erscheint. Solche Gründe werden keineswegs erschöpfend, sondern nur „insbesondere" genannt: wenn der bestellte Sonderprüfer nicht die für den Gegenstand der Sonderprüfung erforderlichen Kenntnisse hat oder, wenn Besorgnis der Befangenheit oder Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit bestehen. D a s Gericht wird in seiner Entscheidung angeben müssen, aus welchen Gründen es die Abberufung des bestellten Sonderprüfers für geboten hält. Gegen seine Entscheidung ist nach Abs. 5 die sofortige Beschwerde zulässig. K o m m t das Gericht zur Bestellung eines anderen Sonderprüfers, so ist dieser ein gerichtlich bestellter Sonderprüfer, auf den der Abs. 6 Anwendung findet (vgl. im einzelnen Anm. 5). 843

§§ 142/143 Anm. 8

Verfassung der Aktiengesellschaft

VI. Auslagen und Vergütung Anm. 8: Über den Anspruch auf Vergütung oder Ersatz der Auslagen der von der Hauptversammlung bestellten Sonderprüfer sagt das Gesetz nichts. Die Kosten sind insoweit von der Gesellschaft zu tragen. Die Höhe richtet sich nach den getroffenen Vereinbarungen. Bei Ausschluß einer Vergütung ist die Erstattung der Auslagen nach § 670 BGB zu bejahen. Um die Unabhängigkeit der vom Gericht bestellten Sonderprüfer sicherzustellen, wird in Abs. 6 bestimmt, daß diese einen Anspruch auf Ersatz angemessener Auslagen und eine Vergütung für ihre Tätigkeit haben, daß die Festsetzung nicht etwa durch den Vorstand der Gesellschaft, sondern durch das Gericht erfolgt. Gegen die Festsetzung können die Beteiligten, also sowohl der Sonderprüfer als audi die Gesellschaft, sofortige Beschwerde einlegen; eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Damit sind in der Tat die gerichtlich bestellten Prüfer völlig unabhängig, denn ihre Pflichten und Rechte ergeben sich einerseits aus dem Beschluß des Gerichtes, der die zu prüfenden Vorgänge enthält, andererseits aus den Bestimmungen der §§ 144 ff. Die vom Gericht festgesetzten angemessenen Auslagen und die Vergütung für die Tätigkeit des Prüfers gehören zu den Kosten des Verfahrens, die nach § 146 die Gesellschaft unbeschadet eines ihr nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes zustehenden Ersatzanspruchs zu tragen hat. Das Gericht kann nicht mehr eine Sicherheitsleistung von den Antragstellern verlangen, wie nach bisherigem Recht.

§ 143 Auswahl der Sonderprüfer (1) Als Sonderprüfer sollen, wenn der Gegenstand der Sonderprüfung keine anderen Kenntnisse fordert, nur bestellt werden 1. Personen, die in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sind; 2. Prüfungsgesellschaften, von deren gesetzlichen Vertretern mindestens einer in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren ist. (2) Sonderprüfer kann nicht sein, wer 1. Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft ist oder in den letzten drei Jahren vor seiner Bestellung oder während der Zeit war, in der sich der zu prüfende Vorgang ereignet hat; 2. gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsiditsrats einer juristischen Person, Gesellschafter einer Personengesellschaft oder Inhaber eines Un844

Auswahl der Sonderprüfer

3.

1. 2. 3.

§143 Anm. 1

ternehmens ist, sofern die juristische Person, die Personengesellsdiaft oder das Einzelunternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist; Angestellter eines Unternehmens ist, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist. (3) Eine Prüfungsgesellschaft kann nicht Sonderprüfer sein, wenn sie oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist; wenn bei Prüfungsgesellschaften, die juristische Personen sind, ein gesetzlicher Vertreter, bei anderen Prüfungsgesellsdiaften ein Gesellschafter nach Absatz 2 nicht Sonderprüfer sein könnte; wenn ein Aufsichtsratsmitglied der Priifungsgesellschaft nach Absatz 2 Nr. 1 nicht Sonderprüfer sein könnte.

I. Obersicht (Anm. 1) II. Wer als Sonderprüfer bestellt werden soll (Anm. 2)

III. Wer nicht als Sonderprüfer bestellt werden kann (Anm. 3) 1. Einzelpersonen (Anm. 4) 2. Prüfungsgesellsdiaften (Anm. 5) IV. Verstoß (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: In allen Fällen, in denen es sich um die Bestellung von Prüfern handelt, bestimmt das Gesetz zunächst, wer als Prüfer bestellt werden kann. Das ist bei der Gründungsprüfung nach § 33 IV derselbe Personenkreis wie bei der Sonderprüfung nach § 143 I. Enger ist er bei der Abschlußprüfung nach § 164 I. Zum anderen beschäftigt sich das Gesetz damit, welche Personen nicht zu Prüfern bestellt werden dürfen, um die Unabhängigkeit der Prüfer sicherzustellen. Hier wird für die Gründungsprüfer durch § 33 V auf die Vorschriften für die Sonderprüfer § 143 II und I I I verwiesen. Diese decken sich wörtlich mit denen für die Abschlußprüfer § 164 II und I I I . Soweit es sich darum handelt, wer zum Prüfer bestellt werden kann, sind bei allen drei Prüferarten die Bestimmungen des bisherigen Rechtes in der Sache unverändert übernommen worden (§§ 25, 119, 137 AktG37). Dagegen sind die Bestimmungen, die die Unabhängigkeit des Prüfers sicherstellen sollen, zwar ebenso wie im bisherigen Recht wieder einheitlich für alle Arten von Prüfern gleich, aber wesentlich anders als im Aktiengesetz 1937. Auf der einen Seite sind die Tatbestände präzisiert, auf der anderen Seite ist die Generalklausel des bisherigen Rechts weggefallen, da Bedenken aufgetaucht waren, ob die scharfen Folgen einer Verletzung der Bestimmungen, nämlich die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, an eine allgemeine Generalklausel gekoppelt werden könnten. 845

§ 143 Anm. 2

Verfassung der Aktiengesellschaft

II. Wer als Sonderprüfer bestellt werden soll Anm. 2: Während nach § 1 1 9 1 AktG 37 nur bestimmt wurde, wer als Prüfer zu bestellen sei, wenn das Gericht die Gestellung vornimmt, so bezieht sich die neue Vorschrift auf jede Art der Bestellung, also auch, wenn die Bestellung durch die Hauptversammlung erfolgt. Es ist nicht einzusehen, warum nicht die Hauptversammlung auch bei der Bestellung von Sonderprüfern an die gleiche Bestimmung für deren Auswahl gebunden sein soll, wie das Gericht bei seiner Bestellung, zumal sie bei der Wahl der Abschlußprüfer nach § 136 AktG 37 schon immer zwingend an die Bestimmungen Uber die Auswahl der Abschlußprüfer (§137 AktG 37) gebunden war. Es werden jetzt also nur die gleichen Grundsätze, die für die Bestellung der Abschlußprüfer schon galten, nunmehr auch für die Sonderprüfer insoweit übernommen. Dagegen weichen die Bestimmungen von denen über die Auswahl der Abschlußprüfer (§ 164) insofern ab, als die Sonderprüfer nicht öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu sein brauchen. Sie entsprechen vielmehr den Bestimmungen über die Gründungsprüfer (§ 33 IV). Da sich die Sonderprüfung auf alle erdenklichen Vorgänge bei der Gründung oder die Geschäftsführung beziehen kann, also nicht wie bei der Abschlußprüfung nur auf die Prüfung des Jahresabschlusses, der Buchführung und des Geschäftsberichtes, kommt es in erster Linie darauf an, daß der Sonderprüfer die Kenntnisse besitzt, die speziell für die Vorgänge, die er überprüfen soll, erforderlich sind. Es ist deshalb nicht möglich, zwingend vorzuschreiben, wer als Sonderprüfer bestellt werden kann, sondern hier war nur eine Soll-Bestimmung möglich. Verstößt die Hauptversammlung dagegen, so ist der Beschluß anfechtbar; ferner können Aktionäre, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 2 Mill. DM erreichen, nach § 142 IV Antrag auf Bestellung eines anderen Sonderprüfers mit der Begründung stellen, die Bestimmungen des § 143 seien verletzt, sie können also vortragen, es seien keine Sonderprüfer gewählt, die den Bestimmungen der Nr. 1 und 2 entsprächen, obwohl der Gegenstand der Sonderprüfung keine anderen Kenntnisse erfordere. Wird einem solchen Antrag nicht stattgegeben, oder wird ein solcher Antrag überhaupt nicht gestellt, so bleibt es dabei, daß möglicherweise ungeeignete Sonderprüfer bestellt sind. Rechtsfolgen ergeben sich dann schon um deswillen nicht, weil die Sonderprüfung ein interner Vorgang ist, der weitestgehend auf tatsächlichem Gebiet liegt und dort die gleichen Auswirkungen hat, ob nun die Sonderprüfer nach den Bestimmungen des § 143 ausgewählt wurden oder nicht. Die Bestimmungen der §§ 144 ff. sind auf sie und ihren Bericht stets anwendbar. Sind keine Sonderkenntnisse erforderlich, so sollen als Sonderprüfer nur Einzelpersonen oder Prüfungsgesellschaften bestellt werden, bei denen die buchhalterische Sachkenntnis sichergestellt ist, und zwar bei Einzelpersonen 846

Auswahl der Sonderprüfer

§143

Anm. 2—4

durch ausreichende Vorbildung und Erfahrung, bei Prüfungsgesellschaften dadurdi, daß mindestens einer ihrer gesetzlichen Vertreter diese Vorbildung und Erfahrung besitzt. Das geforderte Maß buchhalterischer Kenntnis ist bei den Sonderprüfern 'wesentlich geringer als bei den Abschlußprüfern (§ 164). Es genügt „ausreichende" Vorbildung und Erfahrung; was ausreicht und ob bei den ausgewählten Prüfern das ausreichende Maß von Vorbildung und Erfahrung vorhanden ist, kann nicht genau abgegrenzt werden. Im Falle der Bestellung durch das Gericht wird dieses nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden haben. Es kann sich auf Empfehlungen verlassen und ist nicht an die für Wirtschaftsprüfer aufgestellten Richtlinien gebunden. Nr. 2 enthält eine sachlidie Änderung insoweit, als es für Prüfungsgesellschaften in der Rechtsform der Personengesellschaft nicht mehr genügt, daß ein Gesellschafter bestimmte Voraussetzungen erfüllt, vielmehr muß ein vertretungsberechtigter Gesellschafter diese Voraussetzungen erfüllen. III. Wer nidit als Sonderprüfer bestellt werden kann Anm. 3: Über die grundsätzliche Änderung gegenüber dem bisherigen Recht vgl. oben Anm. 1. Der besseren Ubersicht wegen unterscheidet das Gesetz zwischen Einzelperson als Sonderprüfer (Abs. 2) und Prüfungsgesellschaften als Sonderprüfer (Abs. 3). 1. Einzelpersonen Anm. 4: Einzelpersonen können nicht Prüfer sein: a) wenn sie Mitglied eines Organs oder Angestellte der zu prüfenden Gesellschaft sind oder es in den letzten 3 Jahren vor der Bestellung oder in der Zeit waren, in der sich der zu prüfende Vorgang ereignet hat. Die Vorschrift bezieht sich auf alle Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats, gleichgültig wie ihre Bestellung erfolgt ist, und auf alle Angestellten, nicht nur etwa auf leitende Angestellte, also auch auf Reisende und Provisionsvertreter, soweit diese als Angestellte anzusehen sind. Darüber hinaus wird man, wenn ausnahmsweise ein Arbeiter, der nicht Angestellter ist, der zur Überprüfung eines technischen Vorgangs als Sonderprüfer denkbar herangezogen werden könnte, diesen auch unter die Bestimmung fallend ansehen müssen. Gegenüber dem bisherigen Recht ist die Rückbeziehung auf die letzten 3 Jahre neu, während schon nach dem bisherigen Recht die Auffassung dahin ging, daß Personen, die eine entsprechende Stellung in der zu prüfenden Gesellschaft in der Zeit hatten, in der der zu prüfende Vorgang sich ereignet hat, als Prüfer ungeeignet seien; b) gesetzliche Vertreter, Mitglieder des Aufsichtsrats, Gesellschafter, Inhaber und Angestellte eines Unternehmens, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist (Abs. 2 Nr. 2 u. 3). 847

§ 143 Anm. 4

Verfassung der Aktiengesellschaft

Diese Bestimmung geht weit über das bisherige Recht hinaus, das nur von Mitgliedern des Vorstandes oder des Aufsichtsrates sowie von Angestellten einer Gesellschaft sprach, die von der zu prüfenden Gesellschaft abhängig ist oder sie beherrscht. Die jetzige Bestimmung bezieht sich auf alle Unternehmen, gleichgültig, welche Rechtsform sie haben, und erfaßt zunächst, soweit es sich um juristische Personen handelt, die gesetzlichen Vertreter und, soweit ein Aufsiditsrat vorhanden ist, die Mitglieder des Aufsichtsrates. Bei Personengesellschaften werden nicht nur die Vertretungsberechtigten, sondern alle Gesellschafter erfaßt, also beispielsweise die Kommanditisten in einer Kommanditgesellschaft und sogar die stillen Gesellschafter in einer Personengesellschaft, nicht aber eines Einzelunternehmens oder einer juristischen Person, ferner die Inhaber eines Einzelunternehmens und endlich sämtliche Angestellte von Unternehmen, gleichgültig weldier Rechtsform, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist. Welche Unternehmen das sind, ergibt sich aus § 15. Dazu gehören auch solche Unternehmen, bei denen von einem Abhängigkeitsverhältnis nicht gesprochen werden kann. Das sind die in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen und mit Mehrheit beteiligten Unternehmen des § 16, in einem Abhängigkeitskonzern nicht nur das herrschende und die von ihm abhängigen Unternehmen, sondern auch die von dem herrschenden Unternehmen abhängigen Unternehmen untereinander, ohne daß ein Herrschafts- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht und endlich die Konzernunternehmen im Gleichordnungskonzern, bei denen kein Unternehmen von dem anderen abhängig ist. Die Bestimmung stellt also nicht auf die Möglichkeit der Ausübung eines Einflusses ab, denn es spielt keine Rolle mehr, ob ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der zu prüfenden Gesellschaft und derjenigen, der der Sonderprüfer angehört, besteht, sondern bereits die entfernte Möglichkeit einer Interessenbindung des Sonderprüfers an die Interessen der zu prüfenden Gesellschaft genügt, um ihn auszuschließen. Diese sehr weitgehende Bestimmung ist gerade bei der Sonderprüfung auffällig, weil es in der Praxis vorkommt, daß ein oder mehrere Aktionäre sich selbst zu Sonderprüfern wählen lassen. Eine solche Aktionärsgruppe hat nicht nur u. U. sehr viel stärkere Interessenbindung als irgendein Konzernunternehmen, sondern es kann auch sein, daß sie einen beherrschenden Einfluß auf die Geschäftsführung ausüben, sofern es sich um Privataktionäre handelt und nicht um Unternehmen, es würde damit ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 nicht geschaffen. Solche Prüfer könnten für die Aktionärsminderheiten außerordentlich unangenehm sein. Ihnen bleibt nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die Möglichkeit, einen Antrag auf Bestellung von anderen Prüfern zu stellen (§ 142 I V ) . Für den Begriff der Angestellten im Sinne der Nr. 3 gilt das gleiche wie das zu Nr. 1 unter a) Ausgeführte. 848

Auswahl der Sonderprüfer

§ 143 Anm. 5

2.

Prüfungsgesellschaften

Anm. 5: Prüfungsgesellschaften können nidit Sonderprüfer sein: a) wenn sie mit der zu prüfenden Gesellschaft im Sinne des § 15 verbunden sind. Hierunter fallen u. a. alle Konzernunternehmen, auch wenn sie unmittelbar nichts miteinander zu tun haben, sondern nur unter einheitlicher Leitung, sei es im Abhängigkeitskonzern, sei es im Gleichordnungskonzern, zusammengefaßt sind; b) der zweite unter Nr. 1 aufgeführte Fall, wonach eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auch dann nicht Prüfer sein kann, wenn nicht sie selbst, wohl aber ein mit ihr verbundenes Unternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist, bezieht sich z. B. auf den Fall, daß die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die zu prüfende Gesellschaft von dem gleichen herrschenden Unternehmen abhängig sind. Voraussetzung ist allerdings, daß es sich dann nicht um einen Konzern handelt, also keine einheitliche Leitung vorhanden ist, denn würde es sich um einen Konzern handeln, so trifft schon die unter a) genannte Alternative zu. Schon nach dem bisherigen Recht wurde im allgemeinen angenommen, daß in einem solchen Fall die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von der Abschlußprüfung ausgeschlossen ist, und zwar beruhte dies auf der Generalklausel nach altem Recht; c) wenn bei Prüfungsgesellschaften, die juristische Personen sind, ein gesetzlicher Vertreter nach irgendeiner der drei Nr. des Abs. 2 nicht Sonderprüfer sein könnte, d. h., ei darf weder Mitglied der Organe noch Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft sein oder in den letzten 3 Jahren bzw. zur Zeit des zu prüfenden Vorganges gewesen sein (Nr. 1), und er darf nicht gesetzlicher Vertreter, Mitglied des Aufsichtsrats, Gesellschafter einer Personengesellschaft, Inhaber oder Angestellter eines mit der zu prüfenden Gesellschaft verbundenen Unternehmens sein (Nr. 2 u. 3); d) andere Prüfungsgesellschaften, d. h. solche, die in der Form einer Personengesellschaft geführt werden, dürfen nicht Sonderprüfer sein, sofern einer der Gesellschafter, also auch der Kommanditist oder der stille Gesellschafter, oder einer ihrer Angestellten nach allen 3 Nr. des Abs. 2 nicht Sonderprüfer sein könnten. Auch hier geht die Bestimmung sehr weit, denn es ist nicht richtig, wenn in der Regierungsbegründung gesagt wird, der leitende Gesichtspunkt sei der, daß die Unabhängigkeit einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gefährdet werde, wenn die Personen, die ihre Geschäftsleitung maßgebend bestimmen, in irgendwelchen Beziehungen zu der zu prüfenden Gesellschaft stehen, denn man kann nicht sagen, daß bei einer Kommanditgesellschaft die Kommanditisten die Geschäftsführung maßgebend bestimmen können. Audi bei Angestellten solcher Gesellschaften ist das keineswegs der Fall, allenfalls bei leitenden, auf welche die Bestimmung aber nicht beischränkt ist. Der leitende Gedanke für diese Bestimmung ist ein in 849

§ 143 Anm. S, 6

Verfassung der Aktiengesellschaft

der Tat sehr viel weitergehender: es soll jede Verbindung personeller Art mit der zu prüfenden Gesellschaft unterbunden werden; e) wenn ein Aufsichtsratsmitglied der Prüfungsgesellschaft Mitglied eines Organs oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft ist oder in den letzten Jahren oder während der Zeit, in der der zu prüfende Vorgang sich ereignet hat, war (Abs. 2 Nr. 1). Das Aufsichtsratsmitglied einer Prüfungsgesellschaft ist für deren Eignung als Sonderprüfer mithin nur schädlich, wenn er unmittelbar aus der zu prüfenden Gesellschaft kommt, nicht aber, wenn er aus einem mit der zu prüfenden Gesellschaft verbundenen Unternehmen stammt. Diese Einschränkung erschien deshalb gerechtfertigt, weil das Aufsiditsratsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf deren Geschäftsführung nur einen mittelbaren Einfluß hat, da ihm grundsätzlich nur die Überwachung der Geschäftsführung, nicht aber die Geschäftsführung selbst obliegt. Ob das zutreffend ist, erscheint fraglich. Soll wirklich ein Aufsichtsratsmitglied weniger Einfluß auf die Geschäftsführung haben als ein Kommanditist? IV. Verstoß Anm. 6: Aus der Fassung des Gesetzes „kann nicht sein" folgt, daß, wer entgegen den Bestimmungen der Abs. 2 und 3 als Prüfer gewählt oder bestellt ist, nicht Prüfer ist. Die Bestellung ist nichtig, auch wenn sie durch das Gericht geschieht und der Gerichtsbeschluß rechtskräftig ist (B.-H. Rn. 4; Obermüller-Werner-Winden in Die HV der AG S. 290). Es ist durch sie kein Vertrag zustande gekommen im Fall der Bestellung der Prüfer durch die Hauptversammlung, auch ohne daß der Hauptversammlungsbeschluß angefochten wird. Es liegen die Voraussetzungen des § 142 II vor, d. h., es kann ein Antrag auf Bestellung durch das Gericht gestellt werden. Hat die Hauptversammlung Prüfer bestellt, die nicht kraft Gesetzes, sondern nach Satzungsbestimmungen — die zulässig sind — ausgeschlossen sind, so ist einmal der Hauptversammlungsbeschluß anfechtbar, ferner kann aber auch ein Antrag nach § 142 IV auf Bestellung anderer Sonderprüfer gestellt werden. Das Gericht ist, wenn es seinerseits auf Antrag Prüfer bestellt, an Satzungsbestimmungen nicht gebunden. Es kann sie aber insoweit beachten, als dadurch nicht gegen die zwingende Bestimmung der Abs. 2 und 3 verstoßen wird. Da ein Vertragsverhältnis wegen der Nichtigkeit der Bestellung nicht zustandegekommen ist, entsteht auch kein Anspruch auf Vergütung. Ob, wenn die Tätigkeit bereits aufgenommen war, Ansprüche gegen die Gesellschaft bestehen, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen (z. B. ungerechtfertigte Bereicherung). Ein Verstoß gegen Abs. 1 hat lediglich Anfechtbarkeit zur Folge. Daneben ist die Möglichkeit aus § 142 IV gegeben (vgl. Anm. 2). 850

Verantwortlichkeit, Rechte der Sonderprüfer. Prüfungsbericht

§§ 144/145

§ 144 Verantwortlichkeit der Sonderprüfer § 168 über die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer gilt sinngemäß. Wie im bisherigen Recht (§ 120 AktG 37) wird für die Verantwortlichkeit der Sonderprüfer auf § 168 über die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer verwiesen. Die Bestimmungen gelten sinngemäß. Die Prüfer haben die Prüfung gewissenhaft und unparteiisch vorzunehmen; sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Bei Verletzung ihrer Verpflichtung haften sie zivilrechtlich nach § 168 und strafrechtlich nach § 403, wenn sie ihre Berichtspflicht verletzen, und nach § 404, wenn sie die Geheimhaltungspflicht verletzen. Im einzelnen siehe § 168 und die dortigen Anm. § 145 Rechte der Sonderprüfer. Prüfungsbericht (1) Der Vorstand hat den Sonderprüfern zu gestatten, die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, zu prüfen. (2) Die Sonderprüfer können von den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche die sorgfältige Prüfung der Vorgänge notwendig macht. (3) Die Sonderprüfer haben die Rechte nach Absatz 2 auch gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen. (4) Die Sonderprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Audi Tatsachen, deren Bekanntwerden geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, müssen in den Prüfungsbericht aufgenommen werden, wenn ihre Kenntnis zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs durch die Hauptversammlung erforderlich ist. Die Sonderprüfer haben den Bericht zu unterzeichnen und unverzüglich dem Vorstand und zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. Auf Verlangen hat der Vorstand jedem Aktionär eine Abschrift des Prüfungsberichts zu erteilen. Der Vorstand hat den Bericht dem Aufsichtsrat vorzulegen und bei der Einberufung der nächsten Hauptversammlung als Gegenstand der Tagesordnung bekanntzumachen. I. Obersicht (Anm. 1) II. Auskunftsrecht der Prüfer 1. Offenlegungspflicht des Vorstandes (Anm. 2)

2. Auskunftspflidit der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates der zu prüfenden Gesellschaft (Anm. 3)

851

§ 145

Anm. 1

Verfassung der Aktiengesellschaft

3. Auskunftspflicht verbundener Unternehmen (Anm. 4)

III. Der Prüfungsbericht 1. Inhalt (Anm. 5) 2. Vorlage (Anm. 6)

I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschriften der Absätze 1—3 regeln das Auskunftsrecht der Sonderprüfer, das in zweierlei Hinsidit gegenüber dem bisherigen Recht (§ 1211 u. I I AktG 37) erweitert ist. Einmal können die Sonderprüfer nicht nur wie bisher vom Vorstand, sondern von den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates Aufklärung und Nachweise verlangen, und zum anderen haben sie dieses Auskunftsrecht auch gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen. Von den Bestimmungen über den Inhalt des Prüfungsberichtes ist die in § 121 I I I AktG 37 enthaltene Schutzklausel nicht übernommen worden, nadi der in den Bericht nicht aufgenommen werden durfte einmal, was der Vorstand dem Prüfer unter Hinweis auf eine ihm im Interesse des gemeinen Nutzens von Volk und Reich auferlegten Geheimhaltungspflicht mitgeteilt hatte und zum anderen nicht Tatsachen, deren Aufnahme in dem Bericht nach pflichtmäßigem Ermessen der Prüfer überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder der gemeine Nutzen von Volk und Reich entgegenstehen würde. Es ist selbstverständlich und bedarf keiner gesetzlichen Bestimmung, daß eine dem Vorstand im öffentlichen Interesse auferlegte Geheimhaltungspflicht nicht dadurch verletzt werden kann, daß die Prüfer das ihnen Mitgeteilte in den Bericht aufnehmen und damit die Geheimhaltungspflicht verletzt wird. Soweit sich die Schutzklausel auf die Wahrung überwiegender Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens bezog, steht sie in Widerspruch zu dem Zweck einer Sonderprüfung. Diese wird dazu angesetzt, Mißstände bei der Gesellschaft selbst oder auch bei beteiligten Gesellschaften aufzudecken. Es ist auch nicht vorstellbar, daß die Aufdeckung solcher Mißstände gegen das allgemeine Interesse verstoßen könnte. Zur völligen Klarstellung wird nunmehr ausdrücklich bestimmt, daß Tatsachen, deren Bekanntwerden der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen können, nur dann in den Prüfungsbericht aufgenommen werden dürfen, wenn ihre Kenntnis zur Beurteilung des zu prüfenden Vorganges durch die Hauptversammlung erforderlich ist. In diesem Fall müssen sie aber auch in den Bericht aufgenommen werden. Die bisher schon bestehende Publizität des Berichtes durch Einreichen beim Handelsregister und Vorlage der Hauptversammlung zur Beschlußfassung wird dadurch noch verstärkt, daß nunmehr auf Verlangen der Vorstand jedem Aktionär eine Abschrift zu erteilen hat. Die Kostentragung wird jetzt gesondert in § 146 geregelt. 852

Redite der Sonderprüfer. Prüfungsberidit

§ 145 Anm. 2—4

II. Auskunftsrecht der Prüfer 1. Offenlegungspflicht des Vorstandes Anm. 2: Nur der Vorstand kann und muß dem Prüfer, und zwar jedem einzelnen Prüfer, aber nur ihm, nicht dem Antragsteller, die Einsicht in die Verhältnisse der Gesellschaft gestatten, nidit etwa der einzelne Angestellte, Kassierer u. dgl., auch nicht, wenn er Prokura hat. Der Prüfer kann sich daher nur an den Vorstand wenden. Lehnt der Vorstand die Offenlegung ab, so kann der Prüfer nur das Registergericht anrufen, das den Vorstand zur Erfüllung seiner Verpflichtung durch Ordnungsstrafen zwingen kann (§ 407) oder den Aufsiditsrat, der den Vorstand abberufen kann. Einen bürgerlich-rechtlichen, durch Klage oder einstweilige Verfügung zu verwirklichenden Anspruch gegen den Vorstand hat der Prüfer nicht. Die Einsicht ist dem Prüfer unbeschränkt, wie nach dem Gesetzeswortlaut „die" außer Zweifel steht, in sämtliche Bücher im Sinne des § 38 HGB und Schriften im weitesten Sinn (z. B. audi Niederschriften des Aufsichtsrats, technische Schriften wie Patentschriften) zu gestatten, nicht nur in soldie, deren Prüfung zur Untersuchung des bestimmten Vorganges (§ 142 I) erforderlidi oder gar unerläßlich ist (a. A. B.-H. Rn. 2). Die natürliche Grenze wird durch den Gegenstand der Prüfung gezogen. Es können z.B. nicht Unterlagen aus Geschäftsjahren verlangt werden, die vom Gegenstand der Sonderprüfung nicht umfaßt sind (vgl. Schmidt-MeyerLandrut in Großkomm. § 121 AktG 37 Anm. 1). 2. Auskunftspfticht der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates der zu prüfenden Gesellschaft Anm. 3: Soweit es die sorgfältige Prüfung der Vorgänge notwendig macht, ist der Prüfer berechtigt, von den Mitgliedern des Vorstandes und auch — über das bisherige Recht hinaus — des Aufsichtsrates Auskünfte und Nachweise zu verlangen. Der Registerrichter kann auch zur Erfüllung dieser Pflicht die Vorstandsmitglieder durch Ordnungsstrafe nach § 407 anhalten, nicht aber die Aufsichtsratsmitglieder. Die Auskunft ist auch über Tatsachen zu erteilen, zu deren Geheimhaltung der Auskunftspflichtige seinerseits verpflichtet ist. Bei der Auskunftserteilung sind in diesem Falle die Prüfer auf diese Tatsache hinzuweisen, sowie zweckmäßigerweise darauf, daß sie infolgedessen die Tatsachen auch in ihrem Prüfungsbericht nicht verwenden dürfen. 3. Auskunftspfticht verbundener Unternehmen Anm. 4: Die Bestimmung des Abs. 3 ist neu. Sie war im Regierungs-Entwurf insofern weiter gefaßt, als die Sonderprüfer nicht nur die Rechte nach Abs. 2, sondern auch die Rechte nach Abs. 1 gegenüber Konzernunternehmen und einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen haben sollten, 853

§145 Anm. 4,5

Verfassung der Aktiengesellschaft

„soweit es die sorgfältige Erfüllung ihrer Prüfungspflidit fordert". Man hielt eine so weitgehende Vorschrift für notwendig, damit eine Sonderprüfung bei Gesellschaften, die zu einem Konzern gehören oder abhängige oder herrschende Unternehmen sind, erfolgreich durchgeführt werden kann. Der Gesetzgeber hat sich dahin entschieden, dem Sonderprüfer gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen nur die Rechte nach Abs. 2 einzuräumen. Das bedeutet, daß die Sonderprüfer von den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates dieser Unternehmen alle Aufklärungen und vor allem auch alle Nachweise verlangen können, welche die sorgfältige Prüfung des Vorganges notwendig macht. Bei Einzelunternehmen trifft diese Verpflichtung den Inhaber, bei Personengesellschaften die geschäftsführenden Gesellschafter, bei einer juristisdhen Person den Vorstand bzw. Geschäftsführer (bei der KGaA den persönlich haftenden Gesellschafter) und, soweit vorhanden, den Aufsichtsrat. Dagegen soll der Sonderprüfer nicht das Recht haben, schlechthin die Bücher und Schriften des Unternehmens zu prüfen. Es wäre bedenklich gewesen, ihm ein solches Recht einzuräumen, weil er nicht bei diesem Unternehmen als Sonderprüfer bestellt ist, sondern bei einer anderen Gesellschaft. Soweit Bücher und Schriften zu den Nachweisen gehören, ist die Leitung des anderen Unternehmens auch nach Abs. 2 verpflichtet, diese dem Prüfer vorzulegen. Allerdings muß der Sonderprüfer darlegen, daß und welche Bücher und Schriften er zur sorgfältigen Prüfung der Vorgänge, die er untersuchen soll, benötigt. Nach dem Gesetz hat der Sonderprüfer erst die Möglichkeit, an die Leitung der Konzern- oder abhängigen oder herrschenden Unternehmen heranzutreten, wenn er die Anhaltspunkte für seine Fragen nadi Aufklärung und Vorlage der Nachweise aus der Prüfung festgestellt hat. III. Der Prüfungsbericht

1. Inhalt Anm. 5: Die Prüfer haben einen schriftlidien Bericht zu erstatten. Die Erfüllung dieser jedem Prüfer für sidi obliegende Pflicht kann nur durch Klage erzwungen werden. Von mehreren Prüfern kann der Bericht gemeinsdiafllich erstattet werden. Können sie sich nicht einigen, so sind Sonderberichte einzureichen. Zu berichten ist über das Ergebnis der Prüfung. Das sind zunächst Tatsachen. Ob auch kritische Bemerkungen zu machen sind, hängt vom Prüfungsauftrag ab. Unvollständigkeit und Unwahrhaftigkeit des Berichtes sind durch § 403 mit Strafe bedroht. Es ist deshalb von besonderer Bedeutung, was in den Bericht aufzunehmen ist und was nicht aufgenommen werden darf. Dabei handelt es sich in erster Linie darum, inwieweit geheimzuhaltende Tatsachen und solche, die geeignet sind, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen durch ihr Bekanntwerden einen nicht unerheb854

Redite der Sonderprüfer • Prüfungsbericht

§145 Anm. 5

liehen Nachteil zuzufügen, in den Bericht aufgenommen werden dürfen oder müssen. In § 121 I I I A k t G 3 7 -war bestimmt, daß die Prüfer Tatsachen, die ihnen vom Vorstand unter Hinweis auf eine ihnen obliegende Geheimhaltungspflicht mitgeteilt wurden, nicht in den Prüfungsbericht aufnehmen dürfen. Eine solche Bestimmung gibt es im neuen Gesetz nicht mehr. Das hat aber nicht etwa zur Folge, daß sich in der Sadie etwas geändert hätte. Es erschien jedoch nicht erforderlich, ausdrücklich zu bestimmen, daß eine dem Vorstand im öffentlichen Interesse auferlegte Geheimhaltungspflicht nicht dadurch verletzt werden kann, daß die Prüfer die geheimzuhaltenden Tatsachen in ihrem Bericht erwähnen, der der Öffentlichkeit zugänglich ist. Die dem Vorstand auferlegte Verpflichtung zur Geheimhaltung verpflichtet die Prüfer, wenn ihnen die Tatsachen unter Hinweis auf diese Geheimnispflicht mitgeteilt ist, aus allgemeinen Gesichtspunkten, so daß deshalb eine besondere Bestimmung nicht notwendig war (ebenso B.-H. Rn. 4). Andererseits kann man aus dem Fehlen einer solchen Bestimmung nicht folgern, daß etwa der Vorstand solche Tatsachen, zu deren Geheimhaltung er im öffentlichen Interesse verpflichtet ist, den Prüfern verschweigen darf. Nach wie vor ist die Offenbarungspflicht des Vorstandes gegenüber den Prüfern selbst (insoweit aber nicht gegenüber den Hilfspersonen) so weitgehend, daß er auch geheimzuhaltende Dinge offenbaren muß, auch wenn eine gesetzliche Pflicht dazu besteht. Voraussetzung ist jedoch stets, daß die Offenlegung solcher geheimzuhaltenden Tatsachen für die Durchführung einer sorgfältigen Prüfung notwendig ist (Abs. 2). Wenn nach bisherigem Recht ferner solche Tatsachen nicht in den Bericht aufgenommen werden sollten, deren Aufnahme nach Ansicht des Prüfers überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder das Allgemeininteresse entgegensteht, so sagt jetzt das Gesetz positiv, welche Tatsachen in den Bericht aufgenommen werden müssen, durch deren Bekanntwerden der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen nicht unerhebliche Nachteile entstehen können, und zwar stellt es allein darauf ab, ob die Kenntnis der Tatsachen zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs durch die Hauptversammlung erforderlich ist. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, entscheidet allein der Prüfer. Die Meinung des Vorstandes ist unwesentlich. Sie kann auch zur Entscheidung des Prüfers wenig beitragen. Der Vorstand wird auf die Nachteile hinweisen, die durch die Veröffentlichung entstehen. Das berücksichtigt das Gesetz aber bereits, denn es geht davon aus, daß der Gesellschaft oder einem ihr verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblicher Nachteil durch die Bekanntmachung entstehen könnte. Wenn es sich nur um einen geringfügigen Nachteil handelt, kommt überhaupt die ganze Bestimmung nicht in Frage, dann bestehen gar keine Bedenken, die Tatsachen, um die es sich handelt, in den Bericht aufzunehmen. Es kommt bei der vom Prüfer zu entscheidenden Frage nicht 855

§ 145 Anm. 5,6

Verfassung der Aktiengesellschaft

darauf an, welchen Umfang die Nachteile haben, mögen sie auch noch so groß sein, denn er muß die Tatsachen, wenn sie zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs erforderlich sind, in seinen Bericht aufnehmen. Diese Frage kann aber letztlich nur der Prüfer aufgrund des Ergebnisses seiner Prüfung beurteilen, deshalb trägt er die alleinige Verantwortung für diese Entscheidung. Nimmt er die Tatsachen zu Unrecht nicht auf, so setzt er sich der Strafbarkeit nach § 403 aus. Diese Strafandrohung wird dem Sonderprüfer den Rücken stärken gegen an sich durchaus verständliche Bemühungen der Verwaltung, Nachteile von der Gesellschaft und von mit ihr verbundenen Unternehmen fernzuhalten. Nach dem bisherigen Recht sollten auch solche Tatsachen nicht in den Bericht aufgenommen werden, deren Bekanntgabe dem allgemeinen Nutzen entgegenstehen könnte. Da nicht einzusehen ist, wie die Aufdeckung von Mißständen bei einer Gesellschaft dem allgemeinen öffentlichen Interesse entgegenstehen könnte, ist auf die Aufnahme dieser Bestimmung verzichtet worden. Das hat nichts zu tun mit der oben erörterten Frage der Geheimhaltung von Tatsachen, deren Geheimhaltung im öffentlichen Interesse liegt. Neu ist die ausdrückliche Bestimmung, daß die Prüfer den Bericht zu unterzeichnen haben. Das galt nach dem bisherigen Recht schon für den Bericht der Abschlußprüfer, nicht aber für den der Sonderprüfer. Für eine unterschiedliche Behandlung besteht kein Anlaß. Die Vorschrift wurde der für Abschlußprüfer weiterhin bestehenden angepaßt. Solange der Bericht nicht unterzeichnet ist, liegt ein ordnungsgemäßer Bericht nicht vor. Ist die Prüfung durch eine Prüfungsgesellschaft vorgenommen worden, so genügt die zur Vertretung der Gesellschaft gesetzlich oder satzungsgemäß vorgeschriebene Mindestzahl von Unterschriften zeichnungsberechtigter Mitglieder des Vertretungsorgans oder sonstiger Bevollmächtigter. 2. Vorlage Anm. 6: Die Sonderprüfer haben den Prüfungsbericht unverzüglich dem Vorstand und dem Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. Während die Aktionäre bisher darauf angewiesen waren, den Prüfungsbericht beim Handelsregister einzusehen oder sich gegen Zahlung einer Gebühr eine Abschrift anfertigen zu lassen, ist jetzt der Vorstand verpflichtet, auf Verlangen jedes Aktionärs ihm kostenlos eine Abschrift des Prüfungsberichtes zu erteilen. Damit ist sichergestellt, daß jeder Aktionär sich auf die Hauptversammlung, bei der die Erörterung des Berichtes auf der Tagesordnung steht, ordnungsgemäß vorbereiten kann. Der Vorstand hat die Verpflichtung, den Bericht bei der Einberufung der nächsten Hauptversammlung als Gegenstand der Tagesordnung bekanntzumachen. Dabei hat er die Vorschläge, die er bei dem Bericht zu machen gedenkt, nach § 124 III in die Bekanntmachung aufzunehmen, wenn er der Ansicht ist, daß ein Beschluß zu 856

Kosten

§§ 145/146 Anm. 6

fassen ist. Das muß nicht immer der Fall sein. Es ist durchaus möglich, daß, wenn der Bericht nichts Besonderes enthält, er der Hauptversammlung lediglich zur Kenntnis vorgelegt wird. Dazu bedarf es aber keiner Beschlußfassung, was die Voraussetzung für die Verpflichtung des Vorstandes ist, bei der Bekanntmachung der Tagesordnung Vorschläge zu unterbreiten. Zur Aufnahme des Berichtes in die Tagesordnung kann der Vorstand nach § 407 durch Ordnungsstrafen vom Registerriditer angehalten werden. Das bedeutet aber nidit, daß er verpflichtet wäre, sofort eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Die Minderheit kann aber nach § 122 auch die Einberufung einer solchen erzwingen. Ist der Bericht als Gegenstand der Tagesordnung bekanntgemacht, so können Anträge, die sich auf den geprüften Vorgang beziehen, ohne besondere Ankündigung gestellt werden. Neu ist die ausdrückliche Hervorhebung, daß der Vorstand verpflichtet ist, den Bericht der Sonderprüfer dem Aufsichtsrat vorzulegen. Da die Berichtspflicht des Vorstandes an den Aufsichtsrat in § 90 jetzt sehr spezifiziert ist, erschien es zweckmäßig, um Mißverständnisse zu vermeiden, hier ausdrücklich auf die Vorlagepflicht hinzuweisen. § 146 Kosten Bestellt das Gericht Sonderprüfer, so trägt die Gesellschaft unbeschadet eines ihr nach den Vorschriften des bürgerlichen Redits zustehenden Ersatzanspruchs die Gerichtskosten und die Kosten der Prüfung. Die Vorschrift regelt die Frage, wer die Gerichtskosten und die Kosten der Prüfung zu tragen hat, nur für den Fall, wenn der Sonderprüfer durch das Gericht bestellt ist. Das sind die Fälle des § 142 II, d. h. wenn die Hauptversammlung einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern abgelehnt und von einer Aktionärsminderheit ein Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern an das Gericht gestellt wird, und § 142 IV, wenn zwar die Hauptversammlung Sonderprüfer bestellt hat, eine Minderheit aber den Antrag bei Gericht stellt, andere Sonderprüfer zu bestellen. Für den ersten Fall konnte nach bisherigem Recht (§ 121 I V A k t G 3 7 ) die Hauptversammlung beschließen, ob die Kosten von der Gesellschaft zu tragen seien. Dadurch wurde die Minderheit von vornherein mit einem erheblichen Risiko belastet. Wenn schon die Hauptversammlung die Bestellung von Sonderprüfern abgelehnt hatte, war anzunehmen, daß sie auch später mit der gleichen Mehrheit einen Beschluß fassen würde, daß die Kosten nicht von der Gesellschaft zu tragen seien. Damit wäre die Geltendmachung des Minderheitenrechts beeinflußt worden. Es wird deshalb nunmehr festgestellt, daß in allen Fällen, in denen das Gericht Sonderprüfer bestellt, die Gesellschaft die Kosten zu tragen hat. Für den zweiten oben genannten Fall war das schon nadi dem 857

§§ 146/147

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bisherigen Recht die herrschende Auffassung, da auf diesen Fall die erwähnte Bestimmung des § 121 I V A k t G 3 7 nicht anwendbar war. Wenn schon die Hauptversammlung mit Mehrheit eine Sonderprüfung beschlossen und Sonderprüfer bestellt hatte, so muß ein Anlaß dafür bestanden haben. Wenn es sich nunmehr nur darum handelte, auf Antrag einer Minderheit andere Prüfer durch das Gericht bestellen zu lassen, so sollte diese Kosten die Gesellschaft auf alle Fälle tragen, da unterstellt werden konnte, daß die Durchführung der Sonderprüfung im Interesse der Gesellschaft liegt. Die Verpflichtung der Gesellschaft, die Gerichtskosten und die Kosten der Prüfung zu tragen, besteht nur dann, wenn es zur Bestellung eines Sonderprüfers durch das Gericht kommt. Wird der Antrag abgelehnt, so haben nach allgemeinen kostenrechtlichen Gesichtspunkten die Antragsteller die Geriditskosten zu tragen; Kosten der Prüfung können nicht entstehen. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob, wenn dem Antrag stattgegeben ist und Sonderprüfer bestellt wurden, das Ergebnis der Prüfung die Bestellung der Sonderprüfer als begründet nachträglich rechtfertigt oder nicht. Ergibt sich aus der Durchführung der Sonderprüfung, daß der Antrag unbegründet war, so ist es möglich, daß der Gesellschaft nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Ersatzanspruch gegen die Antragsteller erwachsen ist. Besteht danach ein Schadenersatzanspruch etwa aus unerlaubter Handlung, so kann sie zunächst einmal die Erstattung der Gerichtskosten und die Kosten der Prüfung von den Antragstellern verlangen. Sie kann aber auch einen darüber hinausgehenden Schaden geltend machen. Das Gesetz hat zwar die besondere Bestimmung des § 1 2 1 I V S. 2 AktG 37 nicht übernommen, wonach Aktionäre, denen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, für den der Gesellschaft durdi den Antrag entstehenden Schaden als Gesamtschuldner verantwortlich waren, aber nidit deshalb, weil ein solcher Anspruch nicht geltend gemacht werden könnte, sondern eine solche ausdrückliche Bestimmung erschien überflüssig, weil sich der Tatbestand weitgehend mit dem Tatbestand des § 826 BGB deckt. Soweit § 826 BGB schwächer sein sollte, so ist es nidit gerechtfertigt, einen unbegründeten prozessualen Antrag nach § 142 I I mit sdiärferen Schadenersatzpflichten zu bedrohen als andere prozessuale Anträge. § 147 Geltendmachung von Ersatzansprüchen (1) Die Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Gründung gegen die nach den §§ 46 bis 48, 53 verpflichteten Personen oder aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats oder aus § 1 1 7 müssen geltend gemacht werden, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt oder es eine Minderheit verlangt, 858

Geltendmachung von Ersatzansprüchen

§147

deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen. Das Verlangen der Minderheit ist nur zu berücksichtigen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Aktionäre, die die Minderheit bilden, seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar. (2) Der Ersatzanspruch soll binnen sechs Monaten seit dem Tage der Hauptversammlung geltend gemacht werden. (3) Zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs kann die Hauptversammlung besondere Vertreter bestellen. Hat die Hauptversammlung die Geltendmachung des Ersatzanspruchs beschlossen oder eine Minderheit sie verlangt, so hat das Gericht (§ 14) auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen, als Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs andere als die nach §§ 78, 112 oder nach Satz 1 zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Personen zu bestellen, wenn ihm dies für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint. Gibt das Gericht dem Antrag statt, so trägt die Gesellschaft die Gerichtskosten. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die gerichtlich bestellten Vertreter können von der Gesellschaft den Ersatz angemessener barer Auslagen und eine Vergütung für ihre Tätigkeit verlangen. Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. (4) Hat eine Minderheit die Geltendmachung des Ersatzanspruchs verlangt und hat die Gesellschaft, weil sie im Rechtsstreit ganz oder teilweise unterlegen ist, Kosten des Rechtsstreits zu tragen, so ist die Minderheit der Gesellschaft zur Erstattung dieser Kosten verpflichtet. Ist die Gesellschaft ganz unterlegen, so ist die Minderheit der Gesellschaft auch zur Erstattung der Gerichtskosten, die der Gesellschaft durch die Bestellung besonderer Vertreter nach Absatz 3 Satz 3 entstanden sind, sowie der baren Auslagen und der Vergütung der besonderen Vertreter verpflichtet. I. Übersicht (Anm. 1) II. Art der Ansprüche (Anm. 2) III. Zwang zur Geltendmachung (Anm. 3) 1. Hauptvcrsammlungsbeschluß (Anm. 4) 2. Minderheitenverlangen ( Anm. 5) IV. Frist zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs (Anm. 6)

V. Gesetzliche Vertretung der Gesellschaft bei der Geltendmachung (Anm. 7) VI. Vertretung der Gesellschaft durch Sondervertreter 1. nach Hauptversammlungsbeschluß (Anm. 8) 2. nach Gerichtsbeschluß (Anm. 9) VII. Kostentragung (Anm. 10)

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§147 Anm. 1,2

Verfassung der Aktiengesellschaft

I. Übersicht Anm. 1: Das bisherige Recht behandelte die Verpflichtung zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen und die Geltendmachung selbst in drei verschiedenen Paragraphen (§§ 122—124 AktG 37). Die Vorschriften werden jetzt in § 147 zusammengefaßt und wesentlich vereinfacht. Die Ersatzansprüche werden um die Schadenersatzpflicht aus § 117 (Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft) erweitert. Das Minderheitenrecht wird vereinfacht. Die Sonderbestimmung, nach der in gewissen Fällen statt Vio des Grundkapitals nur V20 erforderlich war, ist weggefallen. Dafür wird aber die Geltendmachung der Minderheitenrechte dadurch erleichtert, daß die Minderheit nicht mehr für die Dauer des Rechtstreits Aktien zu hinterlegen hat (bisher § 123 II AktG 37) und daß das Prozeßgericht der Minderheit keine Sicherheitsleistung mehr auferlegen kann (bisher 5 123 I I I AktG 37). Der Minderheit bleibt das Prozeßkostenrisiko (Abs. 4). Weggefallen ist § 124 AktG 37, der Verzicht und Vergleich der Gesellschaft hinsichtlich eines Anspruches behandelte, dessen Geltendmachung nach § 122 I AktG 37 verlangt wurde. Die §§ 50 Satz 1 und 93 IV gewähren ausreichend Schutz, so daß auf eine besondere Bestimmung hier verzichtet werden konnte. Durch das Beurkundungsgesetz vom 28. 8.1969 ist die Möglichkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vor einem Gericht weggefallen. Durch das Gesetz zur Ergänzung der handelsrechtlichen Vorschriften über die Änderung der Unternehmensform vom 1 5 . 8 . 1 9 6 9 sind in Abs. 3 S. 3 der Gesellschaft die Gerichtskosten auferlegt worden, sofern dem Antrag stattgegeben wurde. II. Art der Ansprüche Anm. 2: Das Gesetz spricht von „Ersatzansprüchen" und nicht mehr wie der § 122 AktG 37 von „Ansprüchen". Dadurch wird klargestellt, daß die Vorschrift nur Ersatzansprüche, dagegen nicht Ansprüche auf Erfüllung erfaßt. Es muß sich um Ansprüche der Gesellschaft, nicht etwa um solche der einzelnen Aktionäre handeln. Diese können sich einer Klage der Gesellschaft u. U. als Nebenintervenienten anschließen. Nicht alle Ersatzansprüche der Gesellschaft schlechthin fallen unter § 147, sondern nur die aus der Gründung oder einer Nachgründung oder der Geschäftsführung und durch die Einfügung des § 117 solche, die sich aus der Geltendmachung eines Einflusses auf Vorstand, Aufsichtsrat und den übrigen in § 117 genannten Personenkreis ergeben. Ersatzansprüche aus der Gründung richten sich gegen die Gründer (§ 46), die Gründergenossen (§ 47) und gegen die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats (§ 48). Die Ersatzansprüche bei der Nachgründung richten sich 860

Geltendmachung von Ersatzansprüchen

§ 147

Anm. 2,3 nach § 53 gegen die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsiditsrates. Letzteres gilt auch für alle Ersatzansprüche aus der Geschäftsführung, was im übrigen noch einmal ausdrücklich im Gesetz gesagt wird. Ersatzansprüche der Gesellschaft aus § 117 wegen unzulässiger Beeinflussung des Vorstandes und des Aufsichtsrats sowie der übrigen dort genannten Personen richten sich aber nicht allein gegen die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats, sondern hier kommt einmal derjenige, der den unzulässigen Einfluß ausübt, als Ersatzpflichtiger in Frage und ferner die in § 117 genannten weiteren Personen, d. h. Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte. Neben diesem möglichen Täterkreis haftet nach § 117 III derjenige, der einen Vorteil erlangt, sofern er die Einflußnahme vorsätzlich veranlaßt hat und schließlich nach Abs. 2 die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben, als Gesamtschuldner. Nicht nur die Ersatzansprüche, die sich gegen im Amt befindliche Verwaltungsmitglieder richten, sind geltend zu machen, sondern auch diejenigen, die sich gegen ehemalige Verwaltungsmitglieder richten. Wie lange die Vorgänge zurückliegen, ist hier anders als im Falle des § 142 II gleichgültig. Belanglos ist ferner, trotz des Wortlauts, ob etwa das zu belangende Verwaltungsmitglied bereits ausgeschieden ist ( K G J 21 A 86). III. Zwang zur Geltendmachung Anm. 3: Die Ansprüche müssen geltend gemacht werden, a) wenn es die Hauptversammlung auch mit nur einfacher Stimmenmehrheit beschließt (s. Anm. 4), b) wenn es in der Hauptversammlung eine Minderheit von 10 % nicht nur des vertretenen, sondern auch des nicht stimmberechtigten Grundkapitals verlangt (s. Anm. 5). Weder das Mehrheitserfordernis zu a) noch das Minderheitserfordernis zu b) kann weder erhöht noch erleichtert werden (zu letzterem a. A. B.-H. Rn. 2), da § 23 V dem entgegensteht. In beiden Fällen ist von den zur Durchführung der Ansprüche berufenen Organen nidit zu prüfen, ob die Ansprüche aussichtsvoll sind. Es sind diese vielmehr geltend zu machen, auch wenn sie offensichtlich unbegründet oder etwa nach §§ 51, 53,93,116 verjährt sind. Daneben besteht die Pflicht der Verwaltungsorgane, bei Vermeidung ihrer Verantwortlichkeit aus §§93, 116, auch ohne Verlangen der Hauptversammlung oder einer Minderheit, diejenigen Ansprüche geltend zu machen, die sie bei pflichtmäßigem Ermessen für begründet halten. Die früher umstrittene Frage, ob, wenn Entlastung erteilt sei, Ansprüche noch geltend gemacht werden können, ist heute überholt, da nach § 120 I I S . 2 die Entlastung keinen Verzicht auf Ersatzansprüche enthält. 861

§147 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 4,5 1. Hauptversammlungsbeschluß Anm. 4: Die Geltendmachung aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses hat zur Voraussetzung, daß diese als Punkt der Tagesordnung angekündigt ist. Es kann nicht als Ergebnis der Verhandlungen über die Entlastung die Geltendmachung von Ersatzansprüchen beschlossen werden, wenn sie nicht angekündigt ist. Dagegen kann sich aus dem Tagesordnungspunkt, Vorlage des Berichtes der Sonderprüfer, ein solcher Beschluß der Hauptversammlung ergeben, auch wenn der Vorstand bei der Tagesordnung ihn nicht vorgeschlagen hat, sondern sein Vorschlag etwa dahin geht, den Bericht lediglich zur Kenntnis zu nehmen. Der Beschluß kann, wie jeder Beschluß der Hauptversammlung, wenn die Voraussetzungen vorliegen, angefochten werden. 2. Minderheitenverlangen Anm. 5: Eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des gesamten Grundkapitals erreicht, nicht etwa nur des in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals, kann die Geltendmachung der Ersatzansprüche verlangen. Hier ist keine Minderheit mit einem absoluten Betrag von Aktien im Nennbetrag von 2 Millionen vorgesehen, weil hier das Verlangen der Minderheit sich unmittelbar ohne richterliche Nachprüfung auswirkt. Ganz allgemein ist im Gesetz durchgeführt, daß nur in den Fällen, in denen es sich entweder um Angelegenheiten handelt, die nur für eine kurze Zeitspanne Bedeutung haben, wie z. B. Änderung der Geschäftsordnung der Hauptversammlung durch Vorziehen eines Wahlvorschlages, oder wenn sich das Vorgehen der Minderheit auf die Gesellschaft erst nach einer Entscheidung des Gerichts auswirken kann, stets die sofortige Beschwerde für zulässig erklärt ist. Im einzelnen vgl. hierzu Anm. 5 zu § 142. Auch das Minderheitsverlangen kann nur in einer Hauptversammlung gestellt werden. Es bedarf auch hier einer besonderen Ankündigung in der Bekanntmachung der Tagesordnung. Die Minderheit ist in der Ausübung ihres Rechtes dadurch auch nicht beschränkt, da sie nach § 122 die Möglichkeit hat, selbst die Einberufung einer Hauptversammlung mit entsprechender Tagesordnung zu erzwingen. Ein Minderheitenverlangen ist nach heute durchaus herrschender Meinung nicht anfechtbar. Mängel des Verlangens, daß es z. B. in keinem Zusammenhang mit der angekündigten Tagesordnung steht, können aber von der Beklagten im Rechtsstreit eingewandt werden, sind auch in einem Verfahren zur gerichtlichen Bestellung der Sonderprüfer zu prüfen und schließen endlich die gesetzliche Folge des Verlangens aus, daß der Anspruch geltend gemacht werden muß. Das Verlangen der Minderheit muß ausdrücklich gestellt werden, es genügt nicht der von der erforderlichen Minderheit gestellte oder unterstützte Antrag, daß die Hauptversammlung beschließen wolle, den Anspruch gel862

Geltendmachung von Ersatzansprüchen

§147

Anm. 5—7

tend zu machen, noch daß bei einem von der Mehrheit abgelehnten Antrag eine genügende Minderheit dafür gestimmt hat (KG J 20 A 170). Das Minderheitenverlangen kann auch neben einem damit übereinstimmenden Hauptversammlungsbeschluß gestellt werden und hat auch neben einem solchen Bedeutung (a. A. B.-H. Rn. 5), z. B., wenn die Hauptversammlung ihren Beschluß wieder aufhebt oder dieser nichtig ist. Es kann jedoch in einem mit 10 °/o des Grundkapitals gefaßten Mehrheitsbeschluß allein nicht auch gleichzeitig ein Minderheitenverlangen erblickt werden (h. A.; a. A. Ritter § 122 Anm. 2 b). Andererseits ist (nach zutreffender h. M., anders KG J 20 A 167) Beschlußfassung nicht Voraussetzung, auch nicht wie in § 142 II, daß ein Antrag abgelehnt wurde. Das Verlangen hat nicht selbst Natur oder Form eines Beschlusses. Um die Identität der Minderheit im Falle des Abs. 2 festzuhalten, empfiehlt es sich, die Namen der Aktionäre, aus denen sich die Minderheit zusammensetzt, in die Niederschrift aufzunehmen. Jeder zur Minderheit gehörige Aktionär muß glaubhaft machen, daß er seit mindestens 3 Monaten vor der Hauptversammlung Inhaber der Aktie ist. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar, z.B. dem, der die Hauptversammlung protokolliert (vgl. auch § 142 Anm. 5). Da das Gesetz die Bestimmung des § 133 II AktG 37, wonach die Minderheit verpflichtet war, für die Dauer des Rechtsstreits die zur Geltendmachung des Verlangens notwendige Zahl von Aktien zu hinterlegen, nicht übernommen hat, braucht die Minderheit, die sich zusammengefunden hat, um das Verlangen zu stellen, nicht mehr weiter zu bestehen. Sobald das Verlangen ordnungsgemäß geltend gemacht ist, löst es die Folge aus, daß die Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen sind, und zwar von dieser, gleichgültig, durch wen die Gesellschaft vertreten wird, ob durch ihren Vorstand, den Aufsichtsrat (§112) oder etwa durch von der Hauptversammlung oder dem Gericht nach Abs. 3 besonders bestellten Vertreter. IV. Frist zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs Anm. 6: Der Ersatzanspruch soll innerhalb von 6 Monaten nach dem Tage der Hauptversammlung geltend gemacht werden. Wird der Anspruch später geltend gemacht, so kann dies nicht zur Klageabweisung führen, wohl aber haften die säumigen Sondervertreter oder Verwaltungsmitglieder nach §§ 93, 116 der Gesellschaft. Die Frist rechnet (vgl. §§ 187 und 188 BGB) vom Tage der Hauptversammlung ab, in der die Geltendmachung beschlossen oder verlangt wurde. V. Gesetzliche Vertretung der Gesellschaft bei der Geltendmachung Anm. 7: Zur Geltendmachung der Ansprüche ist grundsätzlich der Vorstand berufen, der Aufsichtsrat zur Führung der von der Hauptversamm863

§147 Anm. 7—9

Verfassung der Aktiengesellschaft

lung beschlossenen Rechtsstreitigkeiten gegen den Vorstand (§ 112), auch wenn Ansprüche auf Verlangen der Minderheit geltend zu machen sind. VI. Vertretung der Gesellschaft durch Sondervertreter 1. nach Hauptversammlungsbeschluß Anm. 8: Die Hauptversammlung kann — auch bei nur Minderheitenverlangen und auch gegenüber einer negativen Feststellungsklage — zur Geltendmachung der Ersatzansprüche schlechthin besondere Vertreter bestellen. Letzteres ist in 2 Fällen unumgänglich, nämlich wenn alle im Amt befindlichen und belassenen Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats verklagt werden sollen. Wenn der Vorstand oder Aufsichtsrat es unterläßt, den beschlossenen Rechtsstreit einzuleiten, müßten ebenfalls besondere Vertreter bestellt werden; allerdings ist hierzu erforderlich, nach § 122 eine neue Hauptversammlung einberufen zu lassen. Die gewählten Sondervertreter sind im Rahmen ihrer Befugnisse, also soweit es zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs erforderlich ist, gesetzliche Vertreter der Gesellschaft. Jeder andere Vertreter der Gesellschaft ist insoweit ausgeschlossen (vgl. RG 83, 248). Gerichtlich bestellte Vertreter schließen die erwählten Vertreter aus (JW 31, 2920). Hat der Vorstand oder aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses der Aufsichtsrat bereits Klage erhoben und werden nachträglich durch Hauptversammlung oder Gericht Sondervertreter bestellt, so können diese nicht eine neue Klage erheben, ohne der Einrede der Rechtshängigkeit zu begegnen. Sie führen vielmehr den schwebenden Rechtsstreit fort, nachdem durch ihre Bestellung die bisherigen gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft ausgeschaltet sind. Prozeßpartei auf der Klageseite ist die Gesellschaft, nicht etwa die Minderheit. Soweit die Vorstandsmitglieder nicht Partei sind, können sie in den für die Gesellschaft von Sondervertretern geführten Rechtsstreitigkeiten als Zeugen vernommen werden. Das Prozeßgericht hat nicht nachzuprüfen, ob die Vertreter ordnungsgemäß bestellt sind (OLG Hamburg in Z H R 4 3 , 326). Die Vertreter haben das Recht, von der Gesellschaft die nötigen Unterlagen zu verlangen (RG 83, 248). Sie können evtl. gegen die Gesellschaft auf Herausgabe klagen. Ebenso hat ihnen der Vorstand auf Verlangen Auskunft zu geben. Mehrere Sondervertreter handeln gemeinsam. 2. nach Gerichtsbeschluß Anm. 9: Eine Minderheit von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des gesamten, nicht etwa nur des vertretenen Grundkapitals, oder den Nennbetrag von 2 Millionen DM erreichen, können bei Gericht den Antrag stellen, andere Vertreter zu bestellen. Hier kann der Antrag auch von einer Minderheit mit festem Nennbetrag gestellt werden, weil es sich hier um einen Antrag an das Gericht handelt, gegen dessen Entscheidung die 864

Geltendmachung von Ersatzansprüchen

§147

Anm. 9

sofortige Beschwerde zulässig ist. Es kann also nichts gesdiehen, bevor der Antrag nicht das Filter der gerichtlidien Entscheidung in zwei Instanzen durchlaufen hat. Vgl. hierzu im einzelnen § 142 Anm. 1 und 5. Der Antrag kann stets gestellt werden, gleichgültig, ob die Hauptversammlung die Geltendmachung der Ersatzansprüche beschlossen hat oder ob eine Minderheit die Geltendmachung verlangt hat. Es ist auch gleichgültig, ob die Gesellschaft bei der Geltendmachung der Ersatzansprüche von ihren gesetzlichen Vertretern, also Vorstand oder evtl. Aufsichtsrat, vertreten wird oder ob die Hauptversammlung besondere Vertreter bestellt hat. In allen Fällen hat das Gericht nach § 14, d . h . das für die Gesellschaft zuständige Registergeridit, auf Antrag der Minderheit als Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung der Ersatzansprüche andere Personen zu bestellen, als nach §§ 78 (Vorstand), 112 (Aufsichtsrat) oder nach § 147 III S. 1 (von der Hauptversammlung bestellte Sondervertreter) an sich zur Vertretung zuständig wären, wenn dem Gericht dies für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint. Da die Erfordernisse für die Minderheit in Abs. 1 andere sind als in Abs. 3, ist es durchaus möglich, daß eine Minderheit vorhanden ist, die zwar nicht mit Erfolg die Geltendmachung von Ersatzansprüchen verlangen kann, aber, wenn die Hauptversammlung mit Mehrheit die Geltendmachung beschließt, dadurch eingreifen kann, daß sie, wenn etwa die Hauptversammlung ungeeignete Sondervertreter bestellt oder die gesetzlichen Vertreter nach den Umständen des Falles als ungeeignet erscheinen, den Antrag auf Bestellung anderer Personen bei Gericht stellt. In der Auswahl der Personen hat das Gericht — im Gegensatz zum bisherigen Recht, wo es an die Vorschläge der Minderheit gebunden war — völlig freie Hand, da es sich um die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs der Gesellschaft und nicht eines solchen der Minderheit handelt. Bei der Prüfung der Frage, ob dem Antrag stattzugeben ist, hat das Gericht nunmehr nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen, ob die Bestellung anderer Personen für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint. Damit ist dem Gericht immer noch ein erheblicher Spielraum gelassen worden. Das Verfahren ist das der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Beteiligten, d. h. also die Minderheit und die Gesellschaft, aber auch ein etwa bereits nach Abs. 2 S. 1 bestellter Sondervertreter, sind zu hören. Nicht zu prüfen hat das Gericht, ob die geltend zu machenden Ansprüche aussichtsreich sind. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die Rechtsstellung der gerichtlich bestellten Sondervertreter ist die gleiche wie die der von der Hauptversammlung bestellten. Sie sind gesetzliche Vertreter der Gesellschaft, nicht etwa der Minderheitsaktionäre. Als solche sind sie Herren des Rechtsstreits, jedoch sind sie verpflichtet, die Ansprüche in Höhe des Hauptversammlungsbeschlusses bzw. des Minderheitenverlangens 865

§ 147 Verfassung der Aktiengesellschaft Anm. 9,10 durchzuführen. Für einen Verzicht oder Vergleich sind die besonderen Bestimmungen des § 50 S. 1 und 93 IV S. 3 zu beachten. Um die Unabhängigkeit der vom Gericht bestellten Sondervertreter zu sichern, haben diese, ähnlich wie die Prüfer, die Möglichkeit, das Gericht anzurufen, wenn sie mit der Gesellschaft über den Ersatz ihrer angemessenen baren Auslagen und der Vergütung nicht einig werden sollten. In diesem Fall setzt das Gericht auf Antrag die Auslagen und die Vergütung fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Zuständig ist auch hier das Gericht nach § 14, also das Registergericht. Aus der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Das Amt des Sondervertreters endet durch Tod oder Verlust der Geschäftsfähigkeit, Tilgung des Anspruchs, das Amt der gewählten Sondervertreter ferner durch Abberufung seitens der Hauptversammlung, durch Bestellung gerichtlicher Stellvertreter auf Verlangen der Minderheit, das Amt der letzteren durch gerichtliche Abberufung (welche die Minderheit anregen, aber nicht etwa selbst beschließen kann). Das Gesetz hat den besonderen Haftungstatbestand des § 123 V AktG 37 nicht übernommen, der einen besonderen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns der Aktionäre vorsah. Es verbleibt aber möglicherweise ein Ersatzanspruch aus § 826 BGB (vgl. hierzu im einzelnen Anm. zu § 146). VII. Kostentragung Anm. 10: Wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, entscheidet das Gericht, Partei auf der einen Seite ist immer die Gesellschaft, gleichgültig, ob die Hauptversammlung die Geltendmachung der Ersatzansprüche beschlossen hat oder die Minderheit es erzwungen hat. Ist ersteres der Fall, so bleibt es bei der gerichtlichen Entscheidung. Die Gesellschaft hat die Kosten zu tragen, die ihr das Prozeßgericht auferlegt hat. Hat die Minderheit die Geltendmachung der Ersatzansprüche verlangt, so hat zunächst einmal die Gesellschaft auch die Kosten zu tragen, die ihr das Prozeßgericht auferlegt. Sie hat jedoch einen Ersatzanspruch gegen die Minderheit, soweit es sich um Kosten handelt, die ihr deshalb auferlegt werden, weil sie im Rechtsstreit ganz oder teilweise unterlegen ist. Das müssen nicht alle Kosten sein; so ist es denkbar, daß die Gesellschaft deshalb Prozeßkosten zu tragen hat, weil sie z. B. einen Termin versäumt hat (§ 95 ZPO), diese Kosten kann sie nicht der Minderheit gegenüber geltend machen. Der Erstattungsanspruch der Gesellschaft ist nicht von einem Verschulden der Minderheit abhängig. Die Minderheit trägt das volle Prozeßrisiko, das sich aus ihrem Verlangen ergibt. Darüber hinaus haftet sie auch, wenn die Gesellschaft ganz unterlegen ist und 866

Geltendmachung von Ersatzansprüchen

§147 Anm. 10

sich damit gezeigt hat, daß das Verlangen der Minderheit unbegründet war. So hat die Gesellschaft auch einen Anspruch auf Erstattung der Gerichtskosten, die der Gesellschaft durch die Bestellung besonderer Vertreter nach Abs. 3 S. 3 auferlegt sind und weiterhin auch einen Anspruch auf Ersatz der baren Auslagen und der Vergütung dieser besonderen Vertreter. Aus dieser besonderen gesetzlidien Bestimmung ergibt sich der Rückschluß, daß die baren Auslagen und die Vergütung der besonderen Vertreter nicht zu den Prozeßkosten gehören. Das ergibt sich aus der Stellung der Sondervertreter als gesetzliche Vertreter der Gesellschaft. Vertreten die letzteren die Gesellschaft, so entsteht jedenfalls kein Vergütungsanspruch, denn die Vertretung gehört zu ihren Obliegenheiten. Es könnten bare Auslagen der Gesellschaft entstehen, diese sind möglicherweise als Prozeßkosten erstattungsfähig. Soweit hier von baren Auslagen die Rede ist, sind es aber nicht solche, die der Gesellschaft, sondern den besonderen Vertretern unmittelbar entstehen.

867

Vorbein. § 148

Rechnungslegung - Gewinnverwendung FÜNFTER TEIL

Rechnungslegung. Gewinnverwendung Erster Abschnitt Aufstellung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts Vorbemerkung zu § 148 Die Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft geht davon aus, daß eine Vielzahl von Geldgebern sich als Aktionäre an der Gesellschaft beteiligen, die Geschäftsführung in den Händen anderer Personen, den Mitgliedern des Vorstandes, liegt, die vom Aufsichtsrat überwacht werden. Es ist ein allgemeiner Grundsatz, daß derjenige, der fremdes Geld zu verwalten hat, hierüber Rechenschaft zu legen hat, und zwar gegenüber demjenigen, der das Geld gegeben hat, das sind hier die Aktionäre. Die Bestimmungen über die Rechnungslegung sind deshalb von jeher ein Kernstück des Aktienrechts gewesen. Es ist das Ziel des Gesetzes, den Aktionären einen möglichst eingehenden Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu geben. Deshalb sind die Bestimmungen über die Rechnungslegung gegenüber dem bisher geltenden Recht verschärft. Bereits das Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23.12. 59 (BGBl. I S . 789) hat die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung verfeinert; das neue Gesetz geht auf diesem Gebiet insofern weiter, als es jetzt nur noch die Staffelform f ü r die Gewinn- und Verlustrechnung zuläßt, während bisher daneben auch die Kontoform zulässig war. Ferner ist nunmehr auch die Bilanz so gegliedert, daß sich ihr Aussagewert, insbesondere hinsichtlich der Liquidität, erhöht. Der Aufbau des Gesetzes ist gegenüber dem bisherigen insofern geändert, als die Vorschriften in der zeitlichen Reihenfolge, in der sich die Rechnungslegung abspielt, aufgeführt werden. An der Spitze stehen die Bestimmungen über die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes (§§ 148 bis 161). Es folgen die Vorschriften über die Prüfung durch den Abschlußprüfer (§§ 162 bis 169) und durch den Aufsichtsrat (§ 170 bis 171), erst dann die Feststellungen des Jahresabschlusses (§§ 172 u. 173) und die Gewinnverwendung (§ 174). Es folgen die Bestimmungen über die ordentliche Hauptversammlung (§§ 175 u. 176) und über die Bekanntmachung des Jahresabschlusses (§§ 177 u. 178). Nach § 14 EG gelten die Vorschriften über die Rechnungslegung erstmals für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr; bis zu diesem Zeitpunkt, der bei den einzelnen Gesellschaften ein verschiedener ist, je nachdem wann das Geschäftsjahr nach den Satzungen endet, bleibt es jeweils 868

Vorbemerkung zu § 148

V o r b e m . § 148

für die einzelne Gesellschaft bei den bisherigen gesetzlichen Vorschriften. Soweit die Gesellschaften die Satzungsbestimmungen auf die neuen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere über die Gewinnverwendung, bereits umgestellt haben, ist davon auszugehen, daß diese Umstellung im Hinblick auf das Inkrafttreten der Bestimmungen über die Rechnungslegung erfolgt, so daß, wenn die neuen Satzungsbestimmungen etwa zu den bisherigen gesetzlichen Vorschriften nicht passen, sie noch nicht anzuwenden sind, sondern erst dann, wenn für die Gesellschaft die neuen gesetzlichen Bestimmungen Anwendung finden. Durch das Einführungsgesetz wird lediglich der späteste Zeitpunkt bestimmt, für den die Vorschriften über die Rechnungslegung für die einzelne Gesellschaft anzuwenden sind. Die Gesellschaft kann bereits die neuen gesetzlichen Vorschriften auch auf ein früheres Geschäftsjahr anwenden. Dies bedarf keines Beschlusses der Hauptversammlung, vielmehr entscheidet dies zunächst der Vorstand; man wird jedoch annehmen müssen, daß dieser außergewöhnliche Beschluß des Vorstandes der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf. Das gilt sicherlich dann, wenn etwa dadurch Tantiemeansprüche der Aufsichtsratsmitglieder zu deren Ungunsten beeinflußt werden. Es wäre auch höchst unzweckmäßig, wenn ein Vorstand gegen den W i l len des Aufsichtsrates sich hier durchsetzen wollte, denn der Aufsichtsrat kann die Zustimmung zum Jahresabschluß verweigern, so daß er dann der Hauptversammlung zur Feststellung vorgelegt werden müßte. Nach § 15 E G gelten auch die Bestimmungen über die Verwendung des Jahresüberschusses und über die Gewinnverwendung erstmalig für das nach dem 31. Dezember 1966 beginnende Geschäftsjahr. D a die §§ 14 u. 15 E G die gleiche Überschrift tragen wie der 5. Teil des 1. Buches und inhaltlich besagen, daß die Vorschriften über Rechnungslegung und Gewinnverwendung erstmalig auf das nach dem 3 1 . 1 2 . 66 beginnende Geschäftsjahr Anwendung finden, sollte man daraus schließen können, daß die gesamten Vorschriften des 5. Teils des ersten Buches — daneben auch noch § 58 — erst von dem oben genannten Zeitpunkt an Gültigkeit haben. Das ist jedoch umstritten. D e r Sonderausschuß des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland ( B B 1966, 5 2 ) hat sich auf den Standpunkt gestellt, es sei sicherheitshalber davon auszugehen, daß gewisse Abschnitte des 5. Teils des 1. Buches bereits am 1 . 1 . 1966 in Kraft treten, insbesondere die Vorschriften über die Prüfung des Jahresabschlusses, soweit sie nicht auf später in K r a f t tretende Rechnungslegungsvorschriften Bezug nehmen. Das Bundesjustizministerium hat auf Anfrage diese Auffassung für vertretbar erklärt. Inzwischen hat Kropff in D B 1966, 7 0 9 ff. überzeugend dargelegt, daß § 14 E G einengend dahin ausgelegt werden müsse, daß er sich nur auf die Vorschriften bezieht, die sich unmittelbar mit der Rechnungslegung der Verwaltung durch den Jahresabschluß befassen, also zunächst auf die Vorschriften über die äußere Gestalt und den inneren Gehalt des Jahresabschlusses (§§ 1 5 1 — 1 5 9 ) . Das 869

§148

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

wirkt sich auch auf andere Vorschriften des 5. Teils aus, so auf die Frist des § 148 zur Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses, auf § 150, soweit darin eine Bestimmung für die Bildung der gesetzlichen Rücklage enthalten ist. Es gilt zunächst § 130 A k t G 37 weiter. Beim Geschäftsbericht treten Zweifel a u f ; Abs. 2 des § 160 ist eindeutig auf die neuen Bewertungsvorschriften zugeschnitten, für ihn gilt mithin § 14 E G . Bei einigen N r . des Abs. 2 ist dies, wie Kropff (a. a. O.) zuzugeben ist, zweifelhaft. Gerade deswegen aber kann es keine nachteiligen Folgen haben, wenn der Vorstand sich auf den Standpunkt stellt, daß die Übergangsfrist für den ganzen § 160 gilt. § H E G ist nicht anzuwenden auf § 161, da ein Interesse daran besteht, daß von der darin enthaltenen Ermächtigung, Formblätter zu erlassen, möglichst bald Gebrauch gemacht wird (das ist teilweise bereits geschehen (vgl. Anm. zu § 161). Ferner ist § 14 nicht anzuwenden auf die Prüfung durch Abschlußprüfer (§§ 162—169) und durch den Aufsichtsrat (§§ 170, 171), die Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 172, 173), die ordentliche Hauptversammlung (§§ 165, 176), mit der Einschränkung, daß kein Gewinnverwendungsvorschlag zu machen ist, und die Bekanntmachung des Jahresabschlusses (§§ 177, 178, vgl. Goerdeler in WP 67, 1 ff.; Werner in D B 66, 889 und 929). Die Gewinnverwendung (§ 174) fällt unter die Übergangsvorschrift des § 15 E G . Für Übergangsfragen, die sich aus den Änderungen der Rechnungslegungsvorschriften ergeben, vgl. Kropff in D B 66, 669 ff.; Goerdeler a. a. O . ; Peupelmann in D B 67, 737. S 148 Aufstellung d u r d i den Vorstand D e r Vorstand hat in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs f S r das vergangene Geschäftsjahr die Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustredinung (Jahresabschluß) sowie den Geschäftsbericht aufzustellen und den Abschlußprüfern vorzulegen. Der Jahresabschluß der Gesellschaft ist zweigeteilt und besteht aus der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. D a m i t ist letztere und eine entsprechende Buchführung für die Aktiengesellschaft zwingend vorgeschrieben, während eine gleiche Vorschrift für andere Kaufleute nach H G B nicht besteht, diese vielmehr ihr Kapital in einem Posten ausweisen dürfen, so daß sich nur aus einem Vergleich mit der vorjährigen Bilanz Kapitalzuwachs oder -Schwund ergeben. Der Gesamtvorstand hat den Jahresabschluß aufzustellen und damit an seiner Feststellung mitzuwirken. D a z u gehört auch die Unterzeichnung des festgestellten Jahresabschlusses durch alle Vorstandsmitglieder (auch stellver870

Aufstellung durch den Vorstand

§148

tretende) nach § 41 HGB. Jedes Vorstandsmitglied ist für die Erfüllung der Pflicht haftbar, was nicht ausschließt, daß — unter Mitverantwortung aller übrigen — einzelne Vorstandsmitglieder damit betraut werden. Für die Aufstellung ist nach § 77 I Einstimmigkeit aller — nicht nur der damit betrauten — Vorstandsmitglieder erforderlich, es sei denn, daß die Satzung oder Geschäftsordnung Abweichendes für die Willensbildung bestimmt. Das Gesetz unterscheidet zwischen der Aufstellung des Jahresabschlusses und seiner Feststellung. Erstere ist die Vorbereitung der letzteren. Zwischen beiden liegt die Abschlußprüfung und die Prüfung durch den Aufsichtsrat. Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist allein Sache des Vorstandes, auch die Satzung kann hieran nichts ändern. Die Übertragung auf den Aufsichtsrat ist nicht möglich, da es sich um eine Maßnahme der Geschäftsführung handelt. Die Aufstellung des Jahresabschlusses, seine Vorlegung an die Abschlußprüfer, später an den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung, ist eine öffentliche Pflicht und als solche durch Ordnungsstrafe (§ 407) erzwingbar, aber auch eine Verpflichtung des Vorstandes gegenüber der Gesellschaft. Die Gesellschaft kann, wenn ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluß ergeht, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112), auf Erfüllung klagen. Der Aufsichtsrat als solcher ist ebensowenig zur Klage berechtigt wie ein Aktionär oder eine Aktionärminderheit. Selbstverständlich kann aber jeder Interessierte beim Registergericht die Erzwingung durch Festsetzung von Ordnungsstrafen anregen. Der Aufsiditsrat muß dies tun, ebenso wie jedes Mitglied in Erfüllung seiner Überwachungspflicht. Die Aufstellung des Jahresabschlusses beginnt mit den buchhalterischen Arbeiten, die bestimmt sind, das Ergebnis der Bücher festzustellen. Sie sind Aufgabe der Buchhaltung. Hier ist für eine Willensentschließung des Vorstandes kein Platz. Dazu gehört aber auch die Inventuraufnahme, insbesondere die Aufnahme der Fertig-, Halb- u. Rohwaren sowie der Fabrikationsmaterialien. Hier ist es der Vorstand, der die Grundsätze bestimmt, nach denen das Inventar aufgestellt wird, insbesondere seine Bewertung zu erfolgen hat. Dasselbe gilt von der Bemessung der Abschreibungen und Wertberichtigungen. Außerdem ist die Einbringlichkeit der Außenstände zu prüfen und bei deren Bewertung zu berücksichtigen. Auch darin liegt eine Willensentschließung, welche Sache des Vorstandes ist. Bis dahin ist eine Mitwirkung des Aufsichtsrates schwer denkbar, obwohl zu seiner Überwachungspflicht gehört, sidi in geeigneter und zuverlässiger Weise auch davon zu überzeugen, daß diese Arbeiten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Gesdiäftsleiters erledigt worden sind. Für echte Willensentschlüsse läßt bis dahin die Aufstellung des Jahresabschlusses keinen Raum. Diese beginnt erst, wenn der Rohabschluß vorliegt. Nunmehr hat sich der Vorstand schlüssig zu werden, welchem besonderen Risiko oder bevorstehenden Aufwendungen (Steuern) er durch besondere Rückstellungen begegnen, 871

§ § 148/149 Anm. 1

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

welche außerordentlichen Abschreibungen oder Wertberichtigungen er vornehmen und inwieweit er offene Rücklagen schaffen will. Dabei ist er selbstverständlich an die gesetzlichen Bewertungsvorschriften und in bezug auf Einstellung in offene Rücklagen an die Bestimmung des § 58 sowie an etwaige Satzungsbestimmungen gebunden, sofern diese sich in den Grenzen des § 23 V bewegen. Daran reiht sich die Feststellung der Gewinnanteile der Gewinnanteilsberechtigten. Alles das versteht das Gesetz unter „Aufstellung" des Jahresabschlusses, die also der vollständige, wenn auch nicht unabänderliche Entwurf des Jahresabschlusses ist. Zum Jahresabschluß gehört der Geschäftsbericht, da in ihm der Jahresabschluß zu erläutern ist und er Angaben über die Bewertungsmethoden, insbesondere Abweichungen von den bisherigen Bewertungsmethoden, enthalten muß (§ 160 II). Das Gesetz schreibt deshalb vor, daß beide zusammen innerhalb der ersten drei Monate aufzustellen sind. Spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums müssen beide den Abschlußprüfern vorgelegt werden. Nach dem bisherigen Recht hatte die Vorlage an den Aufsichtsrat zu erfolgen; die Frist von 3 Monaten konnte durch die Satzung bis zu äußerst 5 Monaten verlängert werden. Das ist jetzt nicht mehr möglich, die Frist ist eine gesetzliche, die Satzung kann keine andere Frist bestimmen (§ 23 V). § 149 Inhalt des Jahresabschlusses (1) Der Jahresabschluß hat den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen. Er ist klar und übersichtlich aufzustellen und muß im Rahmen der Bewertungsvorschriften einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft geben. (2) Soweit in den folgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, sind die Vorsdiriften des Vierten Abschnitts des Ersten Buchs des Handelsgesetzbuchs über Handelsbücher anzuwenden. I. Übersicht (Anm. 1 und 2) II. Zu beachtende Grundsätze und VorSchriften

1. Allgemeine Grundsätze (Anm. 3) 2. Rechtssätze (Anm. 4) I I I . Verstoß (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht der des § 129 AktG 37. Neu ist lediglidi die Ergänzung des Abs. 1 S. 2. Danach ist der Jahresabschluß so aufzustellen, daß er im Rahmen der Bewertungsvorschriften einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft gewährt. Diese Einfügung war notwendig, weil die neuen Bewertungsvorschriften einen erheblichen Spielraum in der Wahl der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden lassen. Es erschien deshalb zweckmäßig, gerade in der vorliegenden 872

Inhalt des Jahresabschlusses

§149

Anm. 1—3

Bestimmung, die sich mit allgemeinen Grundsätzen für die Rechnungslegung befaßt, auch für die Bewertungsvorschriften den allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck zu bringen, daß bei der Wahl der Bewertungsmethoden und bei der Anwendung der gesetzlichen Bewertungsvorschriften der zulässige Rahmen dadurch gebildet wird, daß der Jahresabschluß im ganzen einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft geben muß. Damit ist für den Vorstand die Norm gesetzt, nach der er sich zu richten hat (Geßler in Festschrift Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1965 S. 151; vgl. ferner Kropff in Wp 66,369; Claussen in die Die AktGes 68,1; Döllerer in BB 66, 629; Forster in Wp 65, 587). Dabei ist auf der anderen Seite zu beachten, daß die Bewertungsvorschriften dieser Forderung im Einzelfall bis zu einem gewissen Grade entgegenstehen können wegen des Verbots, einen höheren Wert als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, und wegen der Zulassung von Abschreibungen. Anm. 2: Der Abs. 1 gibt allgemeine Richtlinien, nach denen der Jahresabschluß aufzustellen ist, während Abs. 2 die Rechtssätze, nach denen er aufzustellen ist, aufführt. Das sind zunächst die §§ 150—159 und 161, ferner die §§ 39—42 HGB. II. Zu beaditende Grundsätze und Vorschriften 1. Allgemeine Grundsätze Anm. 3: Der Jahresabschluß hat den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen. Diese im einzelnen auszuführen, hat das Gesetz vermieden, weil sie zu zahlreich und mannigfaltig sind und einer ständigen Entwicklung unterliegen. Auch ist die Art ihrer Ermittlung schwierig. Während man lange Zeit auf dem Standpunkt stand, die Anschauungen ehrbarer und ordentlicher Kaufleute seien maßgebend (Trumpler S. 80), ist man jetzt der Ansidit, daß es nicht darauf ankomme, was die Praxis tut, sondern was sie tun solle (vgl. Döllerer in Wp 59, 656; Mellerowicz in Großkomm. § 149 Anm. 3), das heißt, daß man von ordnungsmäßiger Buchführung nur dann sprechen kann, wenn sie zu einer sachgemäßen Bilanzierung führt (so auch Adler-Düring- Schmaltz Tz 20 und die dort angegebene Literatur). Der Jahresabschluß muß klar und übersichtlich sein. Er muß vor allem dem Grundsatz der Bilanzwahrheit entsprechen. Nach dem bisherigen Recht war dieser Grundsatz insoweit eingeschränkt, als das Gesetz zwar eine Höchstbewertung für Aktiven vorschrieb, aber einer Minderbewertung ausdrücklich freien Spielraum ließ. Das ist jetzt insofern anders, als es zwar nach wie vor nicht zulässig ist, Aktiven höher zu bewerten, als die gesetzlichen Vorschriften es erlauben. Es ist aber hinzugekommen, daß das Gesetz nicht nur die Höchstgrenze der Bewertung festsetzt, sondern bestimmt, zu welchen Werten die Gegenstände anzusetzen sind. Es läßt also nicht mehr eine Unterbe873

§149

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 3,4 Wertung der Aktiven zu. Das gleiche gilt umgekehrt für die Passiven. Hier gilt nicht mehr nur eine Wertgrenze, zu der sie mindestens eingesetzt werden müssen, sondern es ist bestimmt, zu welchem Betrag sie einzusetzen sind; sie können also nicht beliebig überhöht werden (vgl. im einzelnen Vorbem. zu §§ 153 bis 156 und die Anm. zu diesen Paragraphen). Der Jahresabschluß muß ferner einen möglichst sicheren Einblick in die Lage der Gesellschaft gewähren. Dies setzt voraus, daß der Jahresabschluß vollständig ist. Es darf nichts fehlen, es kann eine Gruppe von Gegenständen bis auf 1,— DM abgeschrieben werden, sie muß aber immer noch in dem Jahresabschluß aufgeführt werden (RG 131, 197). Das gilt sogar von Rechnungsabgrenzungsposten. Es darf keine Neuanschaffung über Aufwendungen gebucht und bei der Inventur kein Stück nicht mitgezählt werden. Erdichtete Passivposten sind unstatthaft. Endlich muß der Jahresabschluß einheitlich sein. Es sind zwar Sonderabschlüsse für Zweiggeschäfte oder einzelne Geschäftszweige zulässig; neben ihnen muß aber die Aktiengesellschaft einen Gesamtabschluß vorlegen. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft ein Konzernunternehmen ist und ein Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß erstellt wird. Es gilt sogar für die eingegliederte Gesellschaft, die lediglich nach § 325 von der Einreichung und Bekanntmachung ihres Jahresabschlusses unter bestimmten Voraussetzungen befreit ist. Bilanzkontinuität in dem Sinne, daß die Verwaltung ein für allemal an die einmal benutzten Werte oder Bewertungsmethoden gebunden wäre, ist nicht vorgeschrieben, aber sie muß, wenn sie von den bisherigen Grundsätzen abweicht, dies im Geschäftsbericht angeben, u. U. den Betrag, um den sich die Bilanz dadurch verändert (vgl. im einzelnen zu § 160). Diese Angaben im Geschäftsbericht sollen die Einschränkung, die in der Bestimmung liegt, daß der möglichst sichere Einblick nur „im Rahmen der Bewertungsvorschriften" gegeben sein muß, wieder ausgleichen. Der Jahresabschluß ist nicht dazu da, eine objektive Bewertung des Vermögens der Gesellschaft am Bilanzstichtag zu geben, sondern die Entwicklung des Vermögens der Gesellschaft zwischen den Bilanzstichtagen. Es kommt also darauf an, daß man ersehen kann, inwieweit sich das Vermögen geändert hat. Das kann man aber nur, wenn entweder die Bewertungsmethoden und die Bewertung selbst immer eine starre ist oder, wenn man zwar Abweidlungen zuläßt, diese Abweidlungen dann aber offengelegt werden müssen. Durch diese Offenlegung wird die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse wiederhergestellt und damit eine ausreichende Erkenntnis über die Veränderungen des Vermögens der Gesellschaft erreicht. 2. Rechtssätze Anm. 4: Über die verschiedenen Rechtssätze vgl. oben Anm. 2. Der Abs. 2 verweist auf §§ 39—47 HGB nur für den Inhalt des Jahresabschlusses, jedoch 874

Inhalt des Jahresabschlusses

§149

Anm. 4,5

sind diese Bestimmungen hilfsweise und zur Ergänzung des Aktiengesetzes auch darüber hinaus anzuwenden (z. B. bzgl. des im Aktiengesetz unmittelbar nicht vorgeschriebenen, aber in § 151 Aktivseite I I I A vorausgesetzten Inventars, der Höchstdauer des Geschäftsjahres, die sich aus dem Aktiengesetz auch nur mittelbar, nämlich aus den Vorschriften über die Rechnungslegung ergibt), vorbehaltlich aber nicht nur der „folgenden", sondern auch der § 149 vorgehenden Bestimmungen dieses Gesetzes, z . B . des § 148 über die Frist für die Aufstellung des Jahresabschlusses. § 38 HGB bestimmt, daß jeder Kaufmann nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung Bücher zu führen hat. Darüber geht das Aktiengesetz hinaus. § 39 HGB normiert die Verpflichtung zur Einreichung eines Inventars, der Eröffnungsbilanz und Bilanz für den Sdiluß des Geschäftsjahres. Zwischenbilanzen sind wie nach Aktiengesetz auch nach HGB nicht vorgeschrieben, dagegen verlangt abweichend von § 39 I I I HGB das nach § 38 I HGB maßgebende Gewohnheitsrecht ordentlicher Buchführung für die Aktiengesellschaft ausnahmslos jährliche Inventur (Trumpler S. 11). Nach § 4 0 HGB ist die Bilanz in „Reichswährung" — also in DM — aufzustellen. Im Inventar und in der Bilanz sind sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden nach dem Wert einzusetzen, der ihnen am Bilanzstichtag beizulegen ist. Nach § 41 HGB sind Inventar und Bilanz zu unterzeichnen und ordnungsgemäß aufzubewahren. § 42 HGB enthält Sonderbestimmungen für Unternehmen der öffentlichen Hand. §§ 43, 44 HGB geben Bestimmungen über die äußere Einrichtung und Aufbewahrung von Handelsbüchern, §§ 45—47 HGB über ihre Vorlegung im Prozeß.

UI. Verstoß Anm. 5: Die Verletzung der Vorschriften über den Inhalt des Jahresabschlusses sind durch § 400 Nr. 1 mit Strafe bedroht. Dazu kommen im Falle des Konkurses die Strafbestimmungen des § 239 Nr. 3 und 4 KO, § 240 Nr. 3 und 4 KO, bei Versicherungsgesellschaften § 111 VHG. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen einer Verletzung ist zu unterscheiden, ob bei der Bewertung der Aktiven die Bewertungsvorschriften des § 40 HGB und des § 153 durch Über- oder Unterbewertung (Begriff s. § 256 V und Anm. dort) verletzt sind. Überbewertung macht den Jahresabschluß nichtig (§ 156 V Nr. 1), Unterbewertung nur dann, wenn dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Die Gesellschaftsorgane haften nicht nur der Gesellschaft, sondern auch den Gläubigern aus § 93 I I I Nr. 2 und § 116 für leichte Fahrlässigkeit, falls aufgrund eines unrichtigen Jahresabschlusses zu Unrecht Dividenden bezahlt sind. 875

§150

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

§ 150 Gesetzliche Rücklage (1) Es ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden. (2) In diese sind außer den Beträgen, deren Einstellung in die gesetzliche Rücklage für den Fall der Kapitalherabsetzung nach den §§ 232, 237 Abs. 5 oder nach anderen Vorschriften vorgeschrieben ist, einzustellen 1. der zwanzigste Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses, bis die Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht; 2. der Betrag, der bei der Ausgabe von Aktien einschließlich von Bezugsaktien über den Nennbetrag der Aktien hinaus erzielt wird; 3. der Betrag, der bei der Ausgabe von Wandelsdiuldversdireibungen über ihren Rückzahlungsbetrag hinaus erzielt wird; 4. der Betrag von Zuzahlungen, die Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien leisten. (3) Übersteigt die gesetzliche Rücklage nicht den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals, so darf sie nur verwandt werden 1. zum Ausgleidi eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist und nicht durch Auflösung freier Rücklagen ausgeglichen werden kann; 2. zum Ausgleidi eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuß gedeckt ist und nicht durch Auflösung freier Rücklagen ausgeglichen werden kann. (4) Übersteigt die gesetzliche Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals, so darf der übersteigende Betrag verwandt werden 1. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist; 2. zum Ausgleidi eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuß gedeckt ist; 3. zur Kapitalerhöhung aus Gesellsdiaftsmitteln nach §§ 207 bis 220. Die Verwendung nadi Nummern 1 und 2 ist nicht zulässig, wenn gleichzeitig freie Rücklagen zur Gewinnausschüttung aufgelöst werden. I. Übersieh: (Anm. 1)

II. Bildung der gesetzlichen Rüdklage (Anm. 2) III. Einstellung in die gesetzlidie Rücklage nach Abs. 2

876

1. Einstellung nach dem Jahresübersdiuß (Anm. 3) 2. D a s Aufgeld bei Ausgabe neuer Aktien (Anm. 4) 3. Unterschiedsbetrag bei Ausgabe von Wandelsdiuldversdireibungen und Rückzahlungsbetrag (Anm. 5)

Gesetzliche Rüdklage 4. Zuzahlung durch Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs (Anm. 6) IV. Verwendung der gesetzlichen Rücklage (Anm. 7)

§150

Anm. 1

1. solange der vorgeschriebene Betrag nicht überschritten ist (Anm. 8) 2. wenn der vorgeschriebene Betrag überschritten ist (Anm. 9) V. Verstoß (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Abs. 1 stimmt mit der bisherigen Vorschrift des § 1301 AktG 37 wörtlich überein. Im übrigen enthält die Vorschrift aber erhebliche Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht. Im bisherigen Recht wurde der in die gesetzliche Rücklage einzustellende Betrag vom „Reingewinn" ausgehend berechnet, während nach den neuen Vorschriften der Jahresüberschuß Ausgangspunkt ist. Das ist der Posten 28 in § 157 I. Da erst nach der Errechnung des Jahresüberschusses der Gewinnvortrag bzw. der Verlustvortrag aus dem Vorjahr (Posten 29) und die Entnahmen aus offenen Rücklagen (Posten 30), sowie die Einstellung aus dem Jahresüberschuß in offene Rücklagen (Posten 31) später in die Gewinn- und Verlustrechnung einzusetzen sind, ergeben sich zwangsläufig Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht, weil der „Reingewinn", aus dem sich der in die offene Rücklage einzustellende Betrag errechnete, der letzte Posten der Gewinn- und Verlustrechnung war. In ihm waren also sowohl ein Gewinnvortrag oder Verlustvortrag als auch die Veränderungen der Rücklagen bereits berücksichtigt. Der neue Bezug auf den Jahresüberschuß hat zur Folge, daß der Betrag, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, sich aus dem Ergebnis des betreffenden Geschäftsjahres ergibt und grundsätzlich unbeeinflußt bleibt von Vorgängen, die mit diesem Ergebnis nichts zu tun haben. Lediglich ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr ist abzuziehen (siehe Anm. 3). Wie nach bisherigem Recht kann die Satzung bestimmen, daß in der gesetzlichen Rücklage ein höherer Betrag als der zehnte Teil des Grundkapitals anzusammeln ist. Eine wesentliche sachliche Änderung gegenüber dem bisherigen Recht ist insofern eingetreten, als die Satzung nicht mehr von sich aus festsetzen kann, welcher Betrag jährlich der gesetzlichen Rücklage zugewiesen werden kann. Im bisherigen Recht hieß es, daß der der gesetzlichen Rücklage zuzuführende Betrag „mindestens" dem zwanzigsten Teil des jährlichen Reingewinns entsprechen müsse. Dies ließ für die Satzung die Möglichkeit offen, eine Bestimmung dahin zu treffen, daß ein höherer Betrag vom Reingewinn einzustellen sei. Dadurch, daß das Wort „mindestens" weggelassen worden ist, hat das Gesetz nunmehr abschließend geregelt, welcher Betrag jährlich einzustellen ist. Infolgedessen ist nach § 23 V S. 2 kein Raum mehr für eine Satzungsbestimmung. Das steht in engem Zusammenhang mit der Bestimmung des § 58 I, der die Befugnisse der Verwaltung zur Einstellung von 877

§150

Rechnungslegung - Gewinnverwendung

Anm. 1,2 Beträgen in Rücklagen zugunsten der Hauptversammlung begrenzt. In freie Rücklagen darf höchstens die H ä l f t e des Jahresüberschusses von der Verwaltung eingestellt werden, über die andere Hälfte verfügt die H a u p t versammlung. Die Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, sind vorher vom Jahresüberschuß abzuziehen. Wenn nun die Möglichkeit bestünde, in den Satzungen die Zuweisungen zur gesetzlichen Rücklage höher festzusetzen, als es das Gesetz in § 150 II N r . 1 tut, so könnte dadurch der Teil des Jahresüberschusses, über den die Hauptversammlung verfügen kann, beliebig herabgemindert werden. Die Verwendung der gesetzlichen Rücklage ist sehr viel eingehender geregelt als im bisherigen Recht. Dabei wird unterschieden, ob die gesetzliche Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals noch nicht erreicht hat (Abs. 3) und ob die gesetzliche Rücklage diese Grenze überschritten hat und es sich um die Verwendung des die Grenze übersteigenden Betrages handelt (Abs. 4). Wie bisher darf sie immer nur zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages Verwendung finden und es darf nicht durch die Verwendung direkt oder indirekt eine Gewinnausschüttung ermöglicht werden (Abs. 4 letzter Satz). Solange die durch Gesetz oder Satzung vorgeschriebene Erhöhung der gesetzlichen Rücklage nicht überschritten ist, darf sie dann nicht verwandt werden, wenn sich der entstandene Verlust durch Auflösung freier Rücklagen ausgleichen läßt. Ist der Betrag überschritten, so kann der übersteigende Betrag auch zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages verwandt werden, ohne daß vorher die freien Rücklagen aufzulösen sind (Abs. 4). Die Einstellung von Beträgen in die gesetzliche Rücklage beim Bestehen von Gewinnabführungsverträgen ist in § 300 gesondert geregelt. Eingegliederte Gesellschaften brauchen nach § 324 keine gesetzlichen Rücklagen zu haben. Für die Rücklage für die Lastenausgleichsvermögensabgabe gelten die §§ 220 und 223 des LAG, die als Spezialvorschriften denen des § 150 vorgehen (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 94). II. Bildung der gesetzlichen Rücklage Anm. 2: Das Gesetz überläßt die Bildung von Rücklagen nicht ganz der Geschäftsleitung. In bestimmter Höhe schreibt es eine aus dem Jahresüberschuß zu bildende Rücklage zwingend vor, der es auch alle Einlagen über das Grundkapital hinaus zuweist, die schon durch § 57 von der Wiederausschüttung an die Aktionäre ausgeschlossen sind. Dieser Zwang wäre indessen ein Schlag ins Wasser, wenn die gesetzliche Rücklage nach Belieben aufgelöst werden könnte. Die Bestimmungen der Abs. 3 und 4 schreiben im einzelnen vor, wann dies allein zulässig ist. 878

Gesetzliche Rücklage

§ 150 Anra. 2,3

Bei der Bildung der gesetzlichen Rücklage handelt es sich um einen buchmäßigen Vorgang durch Bildung eines Passivpostens, wie beim Grundkapital, um einen gleich hohen Betrag des Aktivvermögens von der Ausschüttung auszuschließen. So wenig wie beim Grundkapital, so ist auch bei der Bildung der gesetzlichen Rücklagen nicht etwa eine effektive Aussonderung von Vermögensteilen zwecks gesonderter Verwaltung vorgeschrieben, etwa in besonders liquider Anlage. Eine solche besondere Anlage ist zulässig, aber nicht erforderlich. Wird sie getroffen, so sind die Erträgnisse nicht ohne weiteres der Rücklage zuzuschlagen, sondern nur, wenn es durch die Satzung ausdrücklich angeordnet ist. Auch in einem solchen Fall ist jedoch zu beachten, daß der gesetzlich zwingend vorgeschriebene Betrag von 5 % des Jahresüberschusses nicht nadi oben überschritten werden darf (a. A. Schäfer in Z f K 66, 276). Das Gesetz f ü h r t zunächst zwei Bestimmungen des Aktiengesetzes selbst auf, nach denen zusätzlich zwingend Beträge in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind: a) § 232 — Fall zu hoher Abschreibungen oder Rückstellungen vor Sanierung durch vereinfachte Kapitalherabsetzung. Will man die Werte berichtigen, so muß der sich aus dieser Berichtigung ergebende Buchgewinn der Rücklage zugeführt werden. b) § 237 V — Fall der Einziehung von Aktien, welche die Gesellschaft unentgeltlich oder zu Lasten des Bilanzgewinns oder einer freien Rücklage erworben hat. In diesem Fall ist der Betrag der Grundkapitalermäßigung in die gesetzliche Rüdklage einzustellen. Die Beträge zu a) und b) sind auch dann in die gesetzliche Rücklage einzustellen, wenn diese die gesetzliche oder satzungsmäßige Höhe erreicht hat. Neu eingefügt sind die Worte „oder nach anderen Vorschriften". Damit sind sowohl solche des Aktiengesetzes (z. B. § 300) als auch solche außerhalb des Aktiengesetzes gemeint; z. B. sind nach §§ 35, 47 des DM-Bilanz-Gesetzes Beträge in die gesetzliche Rücklage einzustellen. III. Einstellung in die gesetzliche Rücklage nach Abs. 2 1. Einstellung nach dem Jahresüberschuß Anm. 3: Während nach dem bisherigen Recht der Reingewinn — jetzt Bilanzgewinn genannt — der Betrag war, von dem 5 % in die gesetzliche Rücklage einzustellen war, geht das Gesetz nunmehr von dem Jahresüberschuß aus. Der Begriff ist festgelegt in § 157 I Posten 28. Es gab ihn schon im bisherigen Recht (§ 132 I I I AktG 37), wenn die Gewinn- und Verlustrechnung in Staffelform aufgestellt wurde. Dieser neue Ausgangspunkt erleichtert zunächst einmal die Berechnung. Bisher war es erforderlich, eine Rückredinung vorzunehmen, da der in die gesetzliche Rücklage einzustellende Betrag einerseits vom Reingewinn zu berechnen war, andererseits aber in 879

§ 150

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 3 diesem Reingewinn nicht mehr enthalten war, da Rücklagen und damit auch die gesetzliche Rücklage schon in der Jahresbilanz vorzunehmen waren (§ 131 II AktG 37). Das erübrigt sich jetzt, weil die Zuweisung in die Rücklagen, und zwar auch die in die gesetzliche Rücklage in der Gewinn- und Verlustrechnung erst unter Posten 30, also nach dem Jahresüberschuß, aufzuführen sind. Auch sachlich ist es richtiger, den Jahresüberschuß als Bezugspunkt zu nehmen, da dieser das Ergebnis des jeweiligen Geschäftsjahres ergibt. Alle folgenden Posten haben mit dem Ergebnis des Geschäftsjahres, auf das sich die Gewinn- und Verlustrechnung bezieht, nichts zu tun. Dennoch läßt das Gesetz eine Ausnahme zu, nämlich dann, wenn ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr unter Posten 29, also auch hinter dem Jahresüberschuß, auszuweisen ist. Dieser Verlustvortrag ist von dem Jahresüberschuß abzuziehen. Von dem sich dann ergebenden Betrag sind 5 °/o der gesetzlichen Rücklage zuzuweisen und unter dem Posten 3 1 a aufzuführen. Diese Regelung ist an sich nicht selbstverständlich. Fehlte sie, so würde sich das in Posten 32 auszuwerfende Ergebnis um 5 % aus dem Verlustvortrag aus dem Vorjahr verschlechtern. Es hat sich aber der Gedanke durchgesetzt, daß ein Jahresüberschuß in allererster Linie dazu verwendet werden soll, einen etwa aus dem Vorjahr vorhandenen Verlust zu decken. Tut man dies, so erhält man als Ergebnis nicht den Jahresüberschuß, sondern den Überschuß, über den die Gesellschaft zum Bilanzstichtag verfügen kann. Von diesem ausgewiesenen Überschuß ist deshalb der Betrag von 5 % in die gesetzliche Rücklage zu stellen. Im Gegensatz zum bisherigen Recht kann der Betrag von 5 °/o nidit durch die Satzung abgeändert werden. Im bisherigen Recht war er ein Mindestbetrag, jetzt ist er vom Gesetz festgestellt, es ist kein Raum mehr für eine Satzungsbestimmung mit Rücksicht auf § 23 V S. 2, wonach ergänzende Bestimmungen der Satzung nicht zulässig sind, wenn das Gesetz eine abschließende Regelung enthält. Ein Gewinnvortrag aus dem Vorjahr (§157 I Posten 29) hat ebensowenig Einfluß auf die Berechnung des in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Betrages wie eine Erhöhung des Bilanzgewinns durch Auflösung offener Rücklagen (§157 I Posten 30 b), da beide in der Gewinn- und Verlustrechnung hinter dem Jahresüberschuß auszuweisen sind. Dadurch wird eine Ungerechtigkeit des bisherigen Rechts beseitigt, denn danach mußte ein Gewinnvortrag, obwohl er schon im ersten Jahr für die Berechnung der Zuweisung zur gesetzlichen Rücklage zu berücksichtigen war, in jedem folgenden Jahr wieder berücksichtigt werden. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Die Höhe der gesetzlichen Rücklage wird vom Gesetz nicht abschließend bestimmt, vielmehr wird nur eine Mindesthöhe festgesetzt auf 10 % des Grundkapitals. Hier kann, wie das Gesetz ausdrücklich sagt, die Satzung einen bestimmten höheren Teil des Grundkapitals festsetzen. Auf diese Weise kann der zur Verfügung der Hauptversammlung für den Gewinnverwen880

Gesetzliche Rücklage

§ 150 Anm. 3,4

dungsbeschluß zur Verfügung stehende Betrag auch dann noch jährlich um 5 % des Jahresüberschusses geschmälert werden, wenn die gesetzliche Rücklage den Betrag von 10 % bereits überschritten hat. Eine Satzungsbestimmung, die eine gesetzliche Rücklage vorsieht, die höher ist als das Grundkapital, halten wir für unzulässig, weil das Gesetz nur von einem „Teil des Grundkapitals" spricht (ebenso B.-H. Rn. 2; Nauss in Die AktGes 67, 132; a. A. Schäfer in ZFK 66,12 Fußn. 7; Barz in Die AktGes 1966,43). Eine solche Festsetzung durdi die Satzung hat praktisch die gleiche Wirkung wie die gesetzliche Mindestgrenze. Bei der Verwendungsmöglichkeit macht es zwar einen Unterschied, ob die gesetzliche Rücklage die gesetzte Grenze überschritten hat, es macht aber keinen Unterschied, ob die gesetzte Grenze vom Gesetz oder von der Satzung bestimmt ist. Die Einstellung in die gesetzliche Rücklage nach Ziff. 1 unterbleibt, wenn diese die gesetzliche oder satzungsmäßige erericht hat, auch wenn dies aufgrund von Einstellungen nach Ziff. 2—4 erfolgt ist. Dagegen muß die Einstellung nach Ziff. 2—4 stets erfolgen, auch wenn die Höchstsumme der gesetzlichen Rücklage bereits erreidit ist und auch dann, wenn diese dadurch das Grundkapital übersteigt. 2. Das Aufgeld bei Ausgabe neuer Aktien Anm. 4: Das Aufgeld (Agio) bei der Ausgabe neuer Aktien ist in voller Höhe in die gesetzliche Rücklage einzustellen. Aufgeld ist alles, was der Gesellschaft über den Nennbetrag hinaus zufließt. Das gilt auch für einen den Nennbetrag übersteigenden Erlös, der dadurch erzielt wird, daß ein Dritter Aktien auf eigene Rechnung übernimmt, die er ursprünglich für Rechnung der Gesellschaft übernommen hatte (streitig: wie hier Adler-Düring-Schmaltz Tz 30; Wahl in BB 65, 864; a. A. Klussmann in BB 65,182). Stückzinsen, die die Aktionäre zahlen, weil die neuen Aktien für das bei der Ausgabe laufende Jahr voll dividendenberechtigt sind (RG 55, 46; R F H 7, 18, 321; 11, 236), sind vorzeitige (Teil-)Rück(Ausgleichs-)Zahlungen eines dem Zeichner aus formellen Gründen zufließenden übermäßigen Gewinnanteils, deshalb nicht rücklagepflichtig. Auch bei Sacheinlagen kann ein solches Aufgeld vorkommen. Wird die an sich wertvollere Sacheinlage nur zum Nennwert der Aktie hereingenommen und entsprechend bilanziert, so liegt eine Bewertungsreserve vor, es braucht jedoch nichts in die gesetzliche Rücklage eingestellt zu werden. Anders, wenn der hohe Sachwert durch Ausgabe der Aktien über dem Nennwert zum Ausdruck kommt. Zwei Änderungen sind gegenüber dem bisherigen Recht vorgenommen worden: einmal ist durch die Einfügung der Worte „einschließlich von Bezugsaktien" klargestellt, daß die Vorschrift auch für die bedingte Kapitalerhöhung gilt, und zum anderen ist die Bestimmung gestrichen worden, nach 881

§ 150

Anm. 4—6

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

der „der Betrag der durch die Ausgabe entstehenden Kosten" abgezogen werden konnte. Diese Bestimmung hatte zur Folge, daß die Ausgabekosten nicht als Unkosten behandelt werden konnten, wenn die Ausgabe der Aktie mit einem hinreichenden Aufgeld erfolgte, wohl aber konnten bei Ausgabe zum Nennwert die Kosten als Ausgaben über die Gewinn- und Verlustrechnung laufen. Eine solche unterschiedliche Behandlung erscheint weder unter aktienrechtlichen Gesichtspunkten noch aus betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Erwägungen gerechtfertigt. Vielmehr wird der Gewinnausweis verzerrt, wenn die Ausgaben bei einer Pari-Emission den Gewinn belasten, bei einer Über-Pari-Emission dagegen nicht. In diesem Zusammenhang wurde in den Beratungen auch eine Überprüfung des § 11 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes als notwendig bezeichnet. 3. Unterschiedsbetrag bei Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen und Rückzahlungsbetrag Anm. 5: Das Aufgeld aus dem Umtausch von Wandelschuldverschreibungen in Bezugsaktien ist jetzt im Abs. 2 unter Nr. 2 geregelt, und zwar durch die Worte „einschließlich von Bezugsaktien". Es erschien zweckmäßig, unter Abs. 2 Nr. 3 den anderen bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen vorkommenden Fall, daß nämlich hierbei ein höherer Betrag als Erlös erzielt wird als der Rückzahlungsbetrag ausmacht, gleich zu behandeln. Man kann in einem solchen Fall nicht von einem Aufgeld sprechen; dennoch fließt der Gesellschaft durch die günstige Ausgabe der Wandelschuldverschreibungen etwas zu, das sie bei Einlösung nicht aufzubringen hat. Ihr Vermögen vergrößert sich also durch eine von außen kommende Zahlung. Nach den allgemeinen Grundsätzen ist eine solche in die gesetzliche Rücklage einzustellen, und zwar auch hier ohne Abzug der durch die Ausgabe entstehenden Kosten. Insoweit gilt das oben in Anm. 4 Gesagte entsprechend. 4. Zuzahlung durch Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs Anm. 6: Zuzahlung durch Aktionäre, gleichgültig, ob es sich um Barleistungen oder um Sachleistungen handelt, sind in voller Höhe — also ohne Abzug etwa entstandener Kosten (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 44; a. A. B.-H. Rn. 10) — in die gesetzliche Rücklage einzustellen, wenn sie gegen Gewährung eines Vorzugs erfolgen. Wenn die Leistung zur Deckung außerordentlicher Abschreibungen oder Verluste verwandt wird, brauchen sie nidit in die gesetzliche Rücklage eingestellt zu werden. Dies ist erst nach Eingang der Zuzahlung zu erkennen, auch wenn schon vorher eine zu aktivierende Forderung darauf bestand, für welche bis zum Eingang ein gesonderter, gleich der gesetzlichen Rücklage gebundener Gegenposten zu bilden ist. 882

Gesetzliche Rüdklage

§150

Anm. 7,8

IV. Verwendung der gesetzlichen Rücklage Anm.7: Wie im bisherigen Recht darf die gesetzliche Rücklage nur zur Deckung eines Verlustes verwendet werden. Klarer als im bisherigen Gesetzeswortlaut ist nunmehr gesagt, welcher Verlust gemeint ist. Es ist nicht etwa eine Wertminderung bei irgendeinem Posten der Bilanz gemeint, sondern immer nur der sich aus dem Jahresabschluß ergebende Verlust, und zwar in erster Linie der Jahresfehlbetrag, der sich unmittelbar aus dem Jahresabschluß des betreffenden Geschäftsjahres ergibt, in zweiter Linie ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr, soweit er nicht anderweitig gedeckt werden kann. Neu ist, daß das Gesetz nunmehr bei der Verwendung der gesetzlichen Rücklage zwei verschiedene Fälle unterscheidet. In Abs. 3 wird der Fall behandelt, daß der Betrag in der gesetzlichen Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals nicht übersteigt, während in Abs. 4 geregelt wird, inwieweit der Teil der gesetzlichen Rücklage, der den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Betrag des Grundkapitals übersteigt, verwandt werden darf. N u r darauf bezieht sich Abs. 4, nicht etwa schlechthin auf die ganze gesetzliche Rücklage, wenn diese höher ist als durch Gesetz oder Satzung vorgeschrieben. Ist der übersteigende Betrag verwandt, gilt für den Rest Abs. 3. Zu den freien Rücklagen im Sinne der vorliegenden Bestimmung gehören auch die zweckbestimmten freien Rüdilagen. Die Deckung eines Jahresfehlbetrages hat den Vorrang vor jeder anderen Verwendung freier Rücklagen. Dagegen sind die nach § 152 V in „Sonderposten mit Rücklagenanteil" einzusetzenden Beträge keine freien Rücklagen im Sinne dieser Vorschrift. Es handelt sich dabei um Beträge, die aufgrund steuerlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind (vgl. im einzelnen § 152 und Anm. 5). 1. solange der gesetzlich oder durch Satzung vorgeschriebene Betrag nicht überschritten ist Anm. 8: Während nach § 130 III AktG 37 der Verwendung der gesetzlichen Rücklage nicht entgegenstand, daß freie, zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung von sonstigen Verlusten bestimmte Rücklagen vorhanden waren, ist das jetzt anders, soweit die gesetzliche Rücklage den vom Gesetz oder von der Satzung vorgeschriebenen Betrag nicht übersteigt. Die gesetzliche Rücklage ist neben dem Grundkapital die wichtigste Sicherung für die Gläubiger der Gesellschaft. Diese kann nur verringert werden, wenn das, was zur Verfügung der Verwaltung oder der Hauptversammlung steht, verbraucht ist, d. h., wenn alle offenen Rücklagen aufgelöst sind. Ergibt sich nach der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157 I Posten 28) ein Jahresfehlbetrag, so ist zunächst von diesem Betrag ein etwaiger Gewinnvortrag aus dem Vorjahr (Posten 29) zur Deckung heranzuziehen. Der Be883

§ 150

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 8,9 trag, den man dann erhält, ist dann nicht mehr der Jahresfehlbetrag, sondern der gesamte Fehlbetrag, der sich zum Zeitpunkt des Bilanzstichtages für die Gesellschaft ergibt, wenn der Gewinnvortrag aus dem Vorjahr nicht ausreicht, um den Jahresfehlbetrag ganz zu decken. Der etwa verbleibende Rest kann nidit aus der gesetzlichen Rücklage gedeckt werden; solange noch freie Rücklagen vorhanden sind, muß er aus freien Rücklagen ausgeglichen werden. Nur wenn diese verbraucht sind, darf die Deckung aus der gesetzlichen Rücklage erfolgen. Ist kein Gewinnvortrag, sondern ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu berücksichtigen, so erhöht sich damit der Gesamtfehlbetrag der Gesellschaft. Hier gilt dasselbe. Der Gesamtverlust muß zunächst aus freien Rücklagen abgedeckt werden. Nur wenn solche nicht vorhanden sind, kann die gesetzliche Rücklage zur Deckung herangezogen werden. In beiden Fällen kann der Verlust ganz oder teilweise vorgetragen werden. Ergibt sich ein Jahresüberschuß, ist aber ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu berücksichtigen, so ist der Jahresübersdiuß in erster Linie zur Deckung des Verlustvortrages aus dem Vorjahr zu verwenden. Die Bestimmung ist insofern zwingend, als nicht etwa der Verlustvortrag aus dem Vorjahr in das neue Jahr vorgetragen werden darf. Das ergibt sich schon aus der Gliederung in § 157 I. Danach ist der Betrag des Postens 29, Gewinnvortrag und Verlustvortrag, von dem Posten 28, Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag, abzuziehen oder zuzuzählen. Der sich daraus ergebende Betrag wird zur Ermittlung des Bilanzgewinns oder -Verlustes verwendet. Wird der Verlustvortrag aus dem Vorjahr aus dem Jahresüberschuß nicht voll gedeckt, so kann die Verwaltung oder die Hauptversammlung, je nachdem wer den Jahresabschluß feststellt, entscheiden, ob sie den Verlust durch Entnahme aus den freien Rücklagen decken will. Sie kann aber auch beschließen, ihn vorzutragen. Aus der gesetzlichen Rücklage kann sie ihn nur dann decken, wenn freie Rücklagen nicht vorhanden sind oder zur Deckung des Verlustes nicht ausreichen. Dann kann der noch fehlende Betrag aus der gesetzlichen Rücklage entnommen werden. 2. wenn der vorgeschriebene Betrag überschritten ist Anm. 9: Über den Betrag, der die durch Gesetz oder Satzung bestimmte Höhe der Rücklage übersteigt, kann freier verfügt werden, als über den nach Gesetz oder Satzung festgelegten Betrag. Dieser Betrag kann in den beiden in Abs. 3 unter Nr. 1 und 2 behandelten Fällen zur Deckung eines Jahresfehlbetrages oder eines Verlustvortrages aus dem Vorjahr auch dann verwendet werden, wenn noch freie Rücklagen vorhanden sind. Allerdings darf nicht gleichzeitig mit der Verwendung dieses Betrages zur Verlustdeckung eine Auflösung von freien Rücklagen erfolgen, wenn dies geschieht, um eine Gewinnausschüttung vorzunehmen. Wenn man sich in früheren Jahren entschlossen hatte, Beträge in die gesetzliche Rücklage einzustellen, 884

Gliederung der Jahresbilanz

§§ 150/151 Anm. 9,10

obwohl man dazu nicht verpflichtet war, so hat man damit bewußt diese Beträge stärker gebunden als bei Einstellung in freie Rücklagen. Diese stärkere Bindung würde aufgehoben, wenn man gleichzeitig, wie das Gesetz es erlaubt, die übersteigenden Beträge für eine Verlustdeckung verwendet und freie Rücklagen auflöst, um einen Gewinn ausschütten zu können. Diese Gewinnausschüttung würde gewissermaßen zu Lasten der gesetzlichen Rücklage erfolgen, wenn auch nur des Teils, der über der nach Gesetz oder Satzung vorgeschriebenen Grenze liegt. Will man eine Gewinnausschüttung vornehmen, obwohl ein Jahresfehlbetrag oder ein Verlustvortrag nicht gedeckt ist, so muß dieser zunächst durch Auflösung freier Rücklagen gedeckt werden. Alsdann kann man weitere Beträge aus den freien Rücklagen zur Gewinnausschüttung entnehmen. Die gesetzliche Rücklage darf aber auch nicht um den die festgesetzte Grenze übersteigenden Betrag zur Deckung des Verlustes herangezogen werden. Ferner kann der übersteigende Betrag zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden, vgl. § 208 S. 2. Diese Verwendung ist auch dann möglich, wenn Beträge aus freien Rücklagen zur Gewinnausschüttung verwandt werden. Im allgemeinen werden die freien Rücklagen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln für diese eingesetzt und eine Kapitalerhöhung nur dann vorgenommen, wenn die: Gewinnausschüttung aus dem Jahresüberschuß erfolgen kann. V. Verstoß Anm. 10: Wird entgegen den gesetzlichen Bestimmungen keine gesetzliche Rücklage gebildet oder ihr nicht zugeführt, was ihr zuzuführen ist, oder ihr Beträge entnommen, die gesetzlich nicht zulässig sind, so ist der Jahresabschluß nach § 256 I Nr. 1 nichtig, weil diese Vorschriften des § 150 überwiegend zum Schutze der Gläubiger gegeben sind. Verletzung der satzungsmäßigen Bestimmungen und überhöhte Zuweisung zur gesetzlichen Rücklage machen den Jahresabschluß nach § 2 5 6 I Nr. 4 nichtig (B.-H. Rn. 21; a. A. Voraufl.). Über die unterschiedlichen Fristen für die Geltendmachung der Nichtigkeit vgl. § 256 VI. Die Verwaltungsmitglieder haften nach §§ 93, 116. Eine Gewinnausschüttung bei ungenügender Berücksichtigung der gesetzlichen Rücklagen fällt unter § 93 I I I Nr. 2 und 5 und § 62 (Haftung der Aktionäre). § 151 Gliederung der Jahresbilanz (1) In der Jahresbilanz sind, wenn der Geschäftszweig keine abweichende Gliederung bedingt, die gleichwertig sein muß, unbeschadet einer weiteren Gliederung folgende Posten gesondert auszuweisen: Auf der Aktivseite: 885

§151

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

I. Ausstehende Einlagen auf das Grundkapital; davon eingefordert: II. Anlagevermögen: A. Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte: 1. Grundstücke und grundstüdtsgleidie Rechte mit Geschäfts-, Fabrik- und anderen Bauten; 2. Grundstücke und grundstScksgleiche Rechte mit 'Wohnbauten; 3. Grundstücke und grundstucksgleidie Rechte ohne Bauten; 4. Bauten auf fremden Grundstücken, die nicht zu Nummer 1 oder 2 gehören; 5. Maschinen und maschinelle Anlagen; 6. Betriebs- und Geschäftsausstattung; 7. Anlagen im Bau und Anzahlungen auf Anlagen; 8. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten. B. Finanzanlagen: 1. Beteiligungen; 2. Wertpapiere des Anlagevermögens, die nicht zu Nummer 1 gehören; 3. Ausleihungen mit einer Laufzeit von mindestens vier Jahren; davon durch Grundpfandrechte gesichert: III. Umlaufvermögen: A. Vorräte: 1. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe; 2. unfertige Erzeugnisse; 3. fertige Erzeugnisse, "Waren. B. Andere Gegenstände des Umlaufvermögens: 1. geleistete Anzahlungen, soweit sie nicht zu II A Nr. 7 gehören; 2. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen; davon mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr: 3. Wechsel; davon bundesbankfähig: 4. Schecks; 5. Kassenbestand, Bundesbank- und Postscheckguthaben; 6. Guthaben bei Kreditinstituten; 7. Wertpapiere, die nicht zu Nummer 3, 4, 8 oder 9 oder zu II B gehören; 8. eigene Aktien unter Angabe ihres Nennbetrags; 9. Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft unter Angabe ihres Nennbetrags, bei Kuxen ihrer Zahl; 886

Gliederung der Jahresbilanz

§151

10. Forderungen an verbundene Unternehmen; 11. Forderungen aus Krediten, die a) unter §89, b) unter § 115 fallen; 12. sonstige Vermögensgegenstände. IV. Rechnungsabgrenzungsposten: V. Bilanzverlust Auf der Passivseite: I. Grundkapital II. Offene Rücklagen: 1. gesetzliche Rücklage; 2. andere Rücklagen (freie Rücklagen). III. Wertberichtigungen IV. Rückstellungen: 1. Pensionsrückstellungen; 2. andere Rückstellungen. V. Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens vier Jahren: 1. Anleihen; davon durdi Grundpfandrechte gesichert: 2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten; davon durch Grundpfandredite gesichert: 3. sonstige Verbindlichkeiten; davon durch Grundpfandrechte gesichert: Von Nummern 1 bis 3 sind vor Ablauf von vier Jahren fällig: VI. Andere Verbindlichkeiten: 1. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; 2. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel; 3. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, soweit sie nicht zu V gehören; 4. erhaltene Anzahlungen; 5. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen; 6. sonstige Verbindlichkeiten. VII. Rechnungsabgrenzungsposten VIII. Bilanzgewinn (2) Sind unter einen Posten fallende Gegenstände bei einer Gesellschaft nicht vorhanden, so braucht der Posten nicht aufgeführt zu werden. (3) Fällt ein Gegenstand unter mehrere Posten, so ist bei dem Posten, unter dem er ausgewiesen wird, die Mitzugehörigkeit zu den anderen Posten zu vermerken, wenn dies zur Aufstellung einer klaren und übersidit887

§151

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

liehen Jahresbilanz notig ist. Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen sind in der Regel als solche auszuweisen; werden sie unter anderen Posten ausgewiesen, so muß diese Eigenschaft vermerkt werden. Eigene Aktien und Anteile an einer herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft dürfen nidit unter anderen Posten aufgeführt werden. (4) Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen und Einstellungen in Sonderposten mit Rücklageanteil sind bereits in der Jahresbilanz vorzunehmen. Gleiches gilt für Entnahmen aus offenen Rücklagen sowie für Einstellungen in offene Rüdilagen, die nach Gesetz oder Satzung vorzunehmen sind oder die Vorstand und Aufsichtsrat auf Grund des § 58 Abs. 2 vornehmen. Der Überschuß der Aktivposten über die Passivposten (Bilanzgewinn) oder der Überschuß der Passivposten über die Aktivposten (Bilanzverlust) ist am Schluß der Jahresbilanz ungeteilt und gesondert auszuweisen. (5) In der Jahresbilanz sind, sofern sie nicht auf der Passivseite auszuweisen sind, in voller Höhe gesondert zu vermerken 1. Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln; 2. Verbindlichkeiten aus Bürgsdiaften, Wechsel- und Sdieckbürgschaften; 3. Verbindlidikeiten aus Gewährleistungsverträgen; 4. Haftung aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlidikeiten. Sie sind auch dann zu vermerken, wenn ihnen gleichwertige Rüdegriffsforderungen gegenüberstehen. Besteht die Verbindlichkeit oder die Haftung gegenüber verbundenen Unternehmen, so ist dies bei den einzelnen Vermerken unter Angabe des Betrags anzugeben. I. Übersicht (Anm. 1) II. Allgemeines (Anm. 2) III. Aktivseite (Anm. 3) 1. Ausstehende Einlagen auf das Grundkapital (Anm. 4) 2. Anlagevermögen (Anm. 5) A. Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte a) Bebaute Grundstücke (Anm. 6) b) Unbebaute Grundstücke (Anm. 7) c) Bauten auf fremden Grundstücken (Anm. 8) d) Maschinen und maschinelle Anlagen (Anm. 9)

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e) Betriebs- und Geschäftsausstattung (Anm. 10) f) Anlagen im Bau und Anzahlung auf Anlagen (Anm. 11) g) Konzessionen, gewerbliche Schutz rechte und ähnliche Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten (Anm. 12) B. Finanzanlagen a) Beteiligungen (Anm. 13) b) Andere Wertpapiere (Anm. 14) c) Ausleihungen mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren (Anm. 15)

Gliederung der Jahresbilanz 3. Umlaufvermögen (Anm. 16) A. Vorräte (Anm. 17) B. Andere Gegenstände des Umlaufvermögens (Anm. 18) a) Geleistete Anzahlungen (Anm. 19) b) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Anm. 20) c) Wechsel (Anm. 21) d) Schecks (Anm. 22) e) Kassenbestand, Bundesbank- und Postscheckguthaben (Anm. 23) f) Guthaben bei Kreditinstituten (Anm. 24) g) Wertpapiere (Anm. 25) h) Eigene Aktien (Anm. 26) i) Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft (Anm. 27) k) Forderungen an verbundene Unternehmen (Anm. 28) 1) Forderungen aus Krediten, die unter §§ 89 und 115 fallen (Anm. 29) m) Sonstige Vermögensgegenstände (Anm. 30) 4. Rechnungsabgrenzungsposten (Anm. 31) 5. Bilanzverlust (Anm. 32)

§151

Anm. 1

IV. Passivseite 1. Grundkapital (Anm. 33) 2. Offene Rücklagen (Anm. 34) 3. Wertberichtigungen (Anm. 35) 4. Rückstellungen (Anm. 36) 5. Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren (Anm. 37) 6. Andere Verbindlichkeiten a) Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (Anm. 38) b) Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel (Anm. 39) c) Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten (Anm. 40) d) Erhaltene Anzahlungen (Anm. 41) e) Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen (Anm. 42) f) Sonstige Verbindlichkeiten (Anm. 43) 7. Rechnungsabgrenzungsposten (Anm. 44) 8. Bilanzgewinn (Anm. 45) V. Wegfall von Posten und Zugehörigkeit zu mehreren Posten (Anm. 46) V I . Behandlung von Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen, Rücklagen und Ergebnisse (Anm. 47) V I I . Vermerke in der Jahresbilanz (Anm. 48)

I. Obersicht Anm. 1: Gegenüber den Bestimmungen des § 131 A k t G 3 7 bringen die neuen Vorschriften eine gewisse Verfeinerung der einzelnen Posten. Insbesondere wird W e r t darauf gelegt, durch weitere Aufgliederung einen besseren Einblick in die Liquidität der Gesellschaft zu verschaffen. D i e Gliederung ist nicht erschöpfend. Es fehlen eine R e i h e von Posten, die n a d i zwingender gesetzlidier Bestimmung ( z . B . § 153 V — Gesdiäftswert bei übernommenen Unternehmen — , § 3 4 8 — Unterschiedsbetrag bei Verschmelzung) in gesonderten Posten auszuweisen sind. E s handelt sich um Mindestbestimmungen ( § 1 4 9 I S. 2), von denen Abweichungen durch Abs. 1 889

§151 Rechnungslegung • Gewinnverwendung Anm. 1,2 vorbehalten sind (Mellerowicz in Großkomm. Anm. 2). Weiterhin sieht § 161 die Herausgabe von Formblättern für besondere Fälle ausdrücklich vor (vgl. im einzelnen Anm. zu § 161). Daneben kommen Sondervorschriften für Versicherungsgesellschaften und für Hypothekenbanken in Betracht. Ergänzt werden die Gliederungsvorschriften durch die Vorschriften zu den einzelnen Posten der Jahresbilanz (§ 152). In unmittelbarem Zusammenhang mit der Gliederung der Jahresbilanz steht die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157), die Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 158) und der Vermerk der Pensionszahlungen (§ 159) und die Bewertungsvorschriften (§§ 153—156); vgl. im übrigen Vorbemerkungen vor § 148. II. Allgemeines Anm. 2: Das gesetzliche Gliederungsschema gilt nicht, soweit der Geschäftszweig eine abweichende Gliederung bedingt. In einem solchen Fall kann und muß im Interesse der vom Gesetz erstrebten Durchsichtigkeit und Übersichtlichkeit von dem gesetzlichen Gliederungsschema abgewichen werden. Das Gesetz betont aber besonders, daß die abweichende Gliederung der gesetzlichen gleichwertig sein muß, namentlich in bezug auf die Gewährleistung eines möglichst sicheren Einblicks (§ 149 I S. 2; BGH 44, 37; Forster in Wp 65, 473; Peupelmann in BB 67, 1993; Schneider in DB 65, 1637). Der Geschäftszweig ist nicht zu verwechseln mit der Art des bilanzierenden, individuellen Geschäftes, d. h. mit seinem Aufbau etwa als Gesellschaft eines Konzerns (über die Konzernbilanz vgl. § 329—333). Damit oder mit irgendwelchen Sonderinteressen der Gesellschaft kann eine Abweichung nicht begründet werden. Bei vielen Gesellschaften wird nicht jeder der im Bilanzsdiema aufgeführten Posten vorhanden sein. In diesem Falle kann er einfach weggelassen werden, eine Fehlanzeige würde die Bilanz nur unübersichtlich gestalten (Abs. 2; a. A. Mellerowicz in Großk. Anm. 133). Für die während der Abwicklung aufzustellenden Bilanzen gilt abweichend von dem bisherigen Recht (§ 211 III AktG 37) die vorliegende Bestimmung sinngemäß (§ 270 II S. 2). Für die Aktienbanken vgl. Spieth in Wp 66, 253; Roll-Hammerschmidt in Bankbetrieb 66, 318. Die Gliederungsvorschrift des Abs. 1 gilt nach § 17 EG nicht für Gesellschaften, für deren Geschäftszweig Formblätter aufgrund des § 134 AktG 37 vorgeschrieben sind. Sie sind in § 17 EG im einzelnen aufgeführt. Die Jahresabschlüsse dieser Unternehmen sind zunächst nach den bisherigen Vorschriften zu gliedern, solange nicht aufgrund der Ermächtigung nach § 161 neue Formblätter oder andere Vorschriften für die Gliederung der Jahresabschlüsse erlassen sind. Inzwischen sind teilweise die alten durch neue Formblätter ersetzt worden; vgl. hierzu Anm. zu § 161. 890

Gliederung der Jahresbilanz

§ 151

Anm. 2—i

Die Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der Mindestgliederungsvorschriften ergeben sich aus § 256. Eine Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses ist nur im Rahmen des § 257 möglich, wonach eine Anfechtung jedoch nur auf den Mangel der Beschlußfassung gestützt werden kann, vgl. im einzelnen die Anmerkungen dort. Eine Strafbarkeit der Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrats ergibt sich aus § 400 Nr. 1, wenn der Jahresabschluß von ihnen bewußt sachlich unrichtig gestaltet worden ist. Hieraus ergibt sich wiederum für die Aktionäre bzw. die Gläubiger eine zivilrechtliche Haftung der Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder (vgl. Mellerowicz in Großkomm. Anm. 3). III. Aktivseite Anm. 3: In die Aktivseite aufzunehmen sind alle Vermögenswerte, auch die immateriellen Güter. Über den sog. goodwill vgl. § 1 5 3 V und dort Anm. 6. Bei der Frage, ob ein Gegenstand schon oder noch zum Vermögen der Gesellschaft gehört, ist nicht der juristische Begriff maßgebend, sondern es entscheidet die wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit (RG 83, 175). So werden bewegliche Sachen, die der Gesellschaft zur Sicherung übereignet sind, nicht bilanziert, andererseits sind Gegenstände, die die Gesellschaft ihrerseits einem Gläubiger zur Sicherung übereignet hat, in der Bilanz aufzuführen. Die dem Kommissionär überlassene Kommissionsware hat der Kommittent, nicht der Kommissionär zu aktivieren. Treuhänderisches Eigentum wird meist gar nicht bilanziert, evtl. muß es als solches gesondert bezeichnet und ein Ausgleichsposten unter die Passiven aufgenommen werden. Eigentumsvorbehalte an gekauften oder verkauften Gütern bleiben unberücksichtigt, solange sie nicht geltend gemacht sind. Bestellte, noch nicht gelieferte Ware wird nicht bilanziert. 1. Ausstehende Einlagen auf das Grundkapital Anm. 4: Diese sind Forderungen der Gesellschaft, die von den übrigen Forderungen getrennt aufzuführen, aber wie diese nach § 40 III HGB zu bewerten sind. Es ist mithin einerseits die Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu berücksichtigen, andererseits ein möglicher Rückgriff und die Möglichkeit der Kaduzierung. Neu ist, daß neben der Gesamtsumme der ausstehenden Einlagen anzugeben ist, welcher Betrag davon eingefordert ist. Diese Angabe ist für die Beurteilung der Liquidität der Gesellschaft nicht ohne Bedeutung, vor allem, weil es nicht selbstverständlich ist, daß die außenstehenden Einlagen auch tatsächlich eingefordert werden. Eine Minderbewertung kann nur durch eine offene Absetzung auf der Aktivseite, nicht durch eine Wertberichtigung erfolgen, da die Zulässigkeit der Wertberichtigungen in § 150 IV erschöpfend geregelt ist. Neben den durch 891

§ 151 Anm. 4—6

Rechnungslegung - Gewinnverwendung

Absetzung verminderten Betrag muß der Nominalbetrag angegeben werden (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 46; a. A. B.-H. Rn. 8 und die Voraufl.). Weil gesetzlich nicht zum Anlagevermögen zu rechnen, fallen sie auch nicht unter § 152 I. Nebenleistungen im Sinne des § 55 gehören nicht hierher, sie können nur dann bilanziert werden, wenn sie etwa rückständig sind, und zwar dann unter Aktivseite III B Posten 12. Das gleiche gilt von Zuzahlungen der Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien (vgl. § 150 II Nr. 4 und dort Anm. 4; ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 47 und 48). Vorratsaktien gehören dem Zeichner. Eine etwa ausstehende Vollzahlung ist daher ebenso auszuweisen wie auf andere Aktien ausstehende Einlagen. Die Forderung der Gesellschaft gegen den Übernehmer auf einen Überparierlös kann erst nach Verwertung unter Aktivseite III B Posten 12 bilanziert werden (Trumpler S. 97). 2. Anlagevermögen Anm. 5: Zu den Verfeinerungen der bisherigen Bestimmungen gehört die Aufteilung des Anlagevermögens in zwei Untergruppen. Es wird unterschieden zwischen A. Sachanlagen und immateriellen Anlagenwerten und B. Finanzanlagen. A. Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte Die Sachanlagen (A Posten 1—7) stehen grundsätzlich unmittelbar im Dienst des eigenen Unternehmens, das in der Finanzanlage angelegte Geld aber unmittelbar in fremden Unternehmen. Dementsprechend sind auch die Erträge aus den Substanzanlagen betriebswirtschaftlich gesehen versdiieden von den Erträgen aus den Finanzanlagen. Ebenso sind die Abschreibungen auf Finanzanlagen betriebswirtschaftlich anders zu beurteilen als Abschreibungen auf Sachanlagen. Immaterielle Anlagewerte (A Posten 8) stehen den Sachanlagen näher als den Finanzanlagen, da auch sie in der Regel unmittelbar dem eigenen Unternehmen dienen, sie werden daher mit den Sachanlagen zusammengefaßt. a) Bebaute Grundstücke Anm. 6: Diese sind, wie schon im früheren Redit, in zwei Gruppen aufzuführen, jedoch ist die Zusammenfassung der verschiedenen Bauten in die beiden Gruppen eine andere und sinnvollere. Während nach § 131 AktG 37 die Geschäfts- und Wohngebäude eine Gruppe bildeten und die Fabrikgebäude oder andere Baulichkeiten die andere, ist jetzt alles, was zum Geschäftsoder Fabrikationsbetrieb gehört, zusammengefaßt in eine Gruppe, in der anderen Gruppe bleiben allein die Wohnbauten. Unter „andere Bauten" fallen Straßenanlagen, Kaianlagen usw. Nicht hierher gehören Gebäude auf fremden Grundstudien. Diese sind jetzt gesondert unter Nr. 4 aufzuführen. 892

Gliederung der Jahresbilanz

§151

Anm. 6—9 Neu ist die Einführung des Begriffs der grundstücksgleichen Rechte. Damit ist gemeint z.B. das Erbbauredit und das Bergwerkseigentum, auch das Wohnungseigentum. Da sie wirtschaftlich und in vieler Beziehung auch rechtlich den Grundstücken gleichstehen, sollen sie mit diesen zusammen ausgewiesen werden. Das dürfte schon nach dem bisherigen Recht überwiegend geschehen sein. Bei den bebauten Grundstücken ist die Sdieidung in Grundstücke und Gebäude statthaft, wenn dies trotz Schwierigkeiten, erstere zu bewerten, wegen der verschiedenen Abschreibungssätze erwünscht ist (ebenso AdlerDüring-Schmaltz Tz 53). b) Unbebaute Grundstücke Anm. 7: Ein unbebautes Grundstück kann, audi wenn dafür ein besonderes Grundstücksblatt angelegt ist, wirtschaftlich einem bebauten Komplex zuzurechnen sein (Adler-Düring-Schmaltz Tz 61). Auch hier kann es grundstücksgleiche Redite geben, Erbbaurecht, Bergwerkseigentum, Kohle-, Erdöl-, Erd-, Tonabbau-Rechte an fremden Grundstücken usw. Zu den unbebauten Grundstücken zählen auch solche, auf denen ein Pächter oder Erbbauberechtigter Gebäude errichtet hat (vgl. Mellerowicz in Großkomm. Anm. 18). c) Bauten auf fremden Grundstücken Anm. 8: Der Posten ist neu. Die Sonderbehandlung solcher Bauten erscheint deshalb notwendig, weil derartige Bauten nidit den gleichen Wert darstellen, den sie haben würden, wenn sie auf eigenem Boden errichtet wären, zumindest ist der Bau nidit ohne weiteres veräußerbar. Der Zusatz: „die nicht zu N r . 1 oder Nr. 2 gehören" bedeutet, daß, wenn Bauten aufgrund eines Erbbaurechts auf einem fremden Grundstück errichtet sind, diese unter 1. oder 2. auszuweisen sind, da das Erbbaurecht eines der wichtigsten Beispiele für „grundstücksgleiche Redite" im Sinne der Bestimmungen 1 und 2 ist und dennoch es sich um Bauten auf fremden Grundstücken handelt. Grenzfälle können sich ergeben, wenn durch ein Gebäude gleichzeitig auf eigenen und fremden Grundstücken gebaut wird. Es muß dann eine Aufteilung zwisdien den Posten A 1 und 2 einerseits und A 4 andererseits erfolgen. Wird damit jedoch die Jahresbilanz unübersichtlich (§ 149), so müssen die Bauten insgesamt dem Posten zugeordnet werden, der überwiegt (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 68), wobei jedoch durch einen Vermerk oder einer Erläuterung im Geschäftsbericht eine Kenntlichmachung zu erfolgen hat (vgl. Mellerowicz in Großkomm. Anm. 24). d) Maschinen und maschinelle Anlagen Anm. 9: Maschinen sind audi dann hier aufzuführen, wenn sie wesentliche Bestandteile der Grundstücke sind, soweit sie nidit dem Gebäudezweck die893

§ 151

Anm. 9—13

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

nen; letzterenfalls gehören sie, wenn wesentliche Bestandteile, unter Posten 1. Nicht die juristische, sondern die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist maßgebend (wie hier Mellerowicz in Großkomm. Anm. 25; Adler-DüringSchmaltz Tz 74; B.-H. Rn. 10). e) Betriebs- und Geschäftsausstattung Anm. 10: Abweichend vom bisherigen Recht sind Werkzeuge hier nicht besonders aufgeführt. Eine sachliche Änderung bedeutet dies nicht, da Werkzeuge regelmäßig zur Betriebsausstattung gehören. Vielfach wird es sich um so kurzlebige Gegenstände handeln, daß eine Aktivierung überhaupt kaufmännischen Grundsätzen widersprechen würde. Aufzuführen sind hier der Kraftfahrzeugpark, aber auch Werkstätten-, Büro- und Lagerausstattung. Hierher gehören auch maschinengebundene Ersatzwerkzeuge, die noch nicht benötigt werden (ebenso Mellerowicz in Großkomm. Anm. 25, a. A. AdlerDüring-Schmaltz Tz 77, die die Position II A 5 für den richtigen Posten halten). f ) Anlagen im Bau und Anzahlung auf Anlagen Anm. 11: Der Posten ist neu. Er entspricht einer bereits weit verbreiteten Übung, im Bau befindliche Anlagen und darauf geleistete Anzahlungen gesondert auszuweisen. Da die Bewertung der Anlage im Bau und die darauf geleisteten Anzahlungen nicht immer klar auseinanderzuhalten sind, wird beides in einem Posten zusammengezogen. Die bisher vielfach übliche Art, die Beträge über einen Verrechnungsposten laufen zu lassen und erst die fertige Anlage auf die für sie maßgebende Anlageposten zu übertragen, ist künftig nicht mehr zulässig (vgl. Kropff in DB 66, 670). g) Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten Anm. 12: Für immaterielle Anlagewerte darf — muß nie — ein Aktivposten nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden (§ 153 III). Zu den „ähnlichen Rechten" zählen auch die Urheber- und Verlagsrechte sowie nicht patentierte oder sonst geschützte Geheimverfahren, Syndikatsrechte, Brenn- und Braurechte (Wp Handbuch 1968, 526). B. Finanzanlagen a) Beteiligungen Anm. 13: Beteiligungen sind auf Einlage von Kapital beruhende ursprünglich oder abgeleitet erworbene Mitgliedschaft bei einer anderen Gesellschaft, gleichgültig, ob darüber besondere Urkunden (Aktien, Kuxe) vorhanden sind oder nicht (Geschäftsanteile). Voraussetzung ist, daß überhaupt die Mitgliedschaft zum Anlagevermögen nach § 1521 gehört, d.h., daß sie 894

Gliederung der Jahresbilanz

§151

Anm. 13—15

dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen bestimmt ist. Handelt es sich nur um eine Anlage flüssiger Mittel, deren jederzeitiger Wechsel, wenn auch nicht beabsichtigt, jedoch vorbehalten ist, so sind sie im Umlaufvermögen aufzuführen, und zwar, wenn es sich um Wertpapiere handelt, unter B Posten 7, sonst unter Posten 12. Die Beteiligungen braudien nicht im einzelnen aufgeführt zu werden, Angabe in einer Summe genügt. Die in §131 AktG37 in den GliederungsVorschriften enthaltene Vermutung, daß der Besitz von V< der Anteile eines anderen Unternehmens im Zweifel als Beteiligung anzusehen ist, befindet sich jetzt unverändert in § 152 II. Eigene Aktien zählen nach III B Posten 8 zum Umlaufvermögen, ebenso die Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft (III B Posten 9). Dagegen sind die Anteile einer abhängigen Gesellschaft in aller Regel Beteiligungen. b) Andere Wertpapiere Anm. 14: Die Trennung zwischen Beteiligungen und „anderen Wertpapieren des Anlagevermögens" ist, obwohl die Bewertungsvorschriften für beide die gleichen sind, erfolgt, weil zwischen beiden ein Liquiditätsunterschied besteht. Es kann sich um Anleihen oder Schuldverschreibungen des Bundes oder eines Landes, eines öffentlich-rechtlichen Verbandes oder eines industriellen Unternehmens, aber auch um Aktien handeln. Immer aber müssen sie zum Anlagevermögen gehören. Bei derartigen Wertpapieren, von denen Versicherungsgesellschaften und Banken auch große Bestände, erstere nicht zu Dauerzwecken, unterhalten, mag es mitunter schwer sein, zu entscheiden, ob sie zum Anlage- oder Umlaufvermögen gehören, was für die Bewertung (§§ 154, 155) erheblich ist. Maßgeblich ist nach § 152 I die Bestimmung des Wertpapiers, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, also nicht ohne dringenden Grund und nicht alsbald veräußert zu werden. c) Ausleihungen mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren Anm. 15: Nach dem bisherigen Recht (§ 1311A III Posten 6 AktG37) waren Hypotheken-, Grund- und Rentenschulden im Umlaufvermögen auszuweisen. Das war insofern widerspruchsvoll, da gerade in dieser Weise gesicherte Forderungen im allgemeinen auf eine Daueranlage schließen lassen. Deshalb ist nunmehr im Anlagevermögen dieser neue Posten aufgenommen worden. Hier sind die im Sinne des § 152 I zum Anlagevermögen gehörigen Forderungen aufzunehmen, das können nur Forderungen von einer gewissen Dauer sein, da sie dazu bestimmt sein müssen, dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen. Das Gesetz bestimmt deshalb ausdrücklich, daß es sich um Ausleihungen handeln muß mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren. Maßgebend ist die vertraglich vereinbarte Laufzeit, nicht etwa 895

§151 Anm. IS—18

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

die Restlaufzeit, denn hier gilt es, nicht nur die Liquidität, sondern auch die Art der Geldanlage zu zeigen, die das Merkmal der Langfristigkeit nicht etwa in den letzten Jahren der Laufzeit verliert. Das Schwergewicht liegt auf der Forderung selbst und ihrer Laufzeit, nicht etwa auf dem Nominalbetrag der Grundpfandrechte. Das wurde allerdings auch nach dem bisherigen Recht schon allgemein angenommen. Handelt es sich um mehrerer Ausleihungen, so ist es nicht notwendig, sie einzeln aufzuführen, vielmehr genügt eine Zahl. Bei der Angabe, wieviel davon durch Grundpfandrechte gesichert sind, kommt es auch nicht auf den Nominalwert der Grundpfandrechte an, sondern auf die Forderungen, die durdi diese Rechte gesichert sind. Wenn z. B. drei Forderungen von je 10 000,— DM vorhanden sind, die in einem Betrag von 30 000,— DM unter N r . 3 ausgewiesen werden, und eine davon durdi eine Sicherungshypothek in Höhe von 15 000,— DM gesichert ist, so darf als „davon durch Grundpfandrechte gesichert" nur ein Betrag von 10 000,— DM, nicht aber von 15 000,— DM eingesetzt werden (zustimmend Adler-Düring-Schmaltz Tz 108). Kaufpreisforderungen, audi wenn sie über 4 Jahre gestundet werden, sind keine Ausleihungen (B.-H. Rn. 20; AdlerDüring-Schmaltz Tz 101), es sei denn, daß mit dem Warengeschäft ein Finanzierungsgeschäft gekoppelt wird (Adler-Düring-Schmaltz Tz 102). 3. Umlaufvermögen Anm. 16: Im Gegensatz zum AktG 37 enthielt der Regierungs-Entwurf nicht den Oberbegriff „Umlaufvermögen". Er behandelte unter III Vorräte, unter IV andere Vermögensgegenstände. Es ist nicht zu verkennen, daß dies logischer war als die jetzige Einteilung, denn unter III B, das nunmehr mit „andere Gegenstände des Umlaufvermögens" bezeichnet wird, werden Dinge aufgeführt, die kein Umlaufvermögen im betriebswirtschaftlichen Sinne zu sein brauchen. Gleichwohl hat man sich entschlossen, einem entsprechenden Vorschlag der Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft zu folgen, und den Begriff „Umlaufvermögen" wieder eingefügt, weil er sich eingebürgert hat und bei der Bilanzanalyse eine wesentliche Rolle spielt. A. Vorräte Anm. 17: Die Posten 1 und 2 scheiden bei allen Aktiengesellschaften, die sich nicht mit Fabrikation befassen, aus (Abs. 2). Unter den Posten 3 können als Waren auch Grundstücke fallen, wenn sie zur Weiterveräußerung bestimmt sind. B. Andere Gegenstände des Umlaufvermögens Anm. 18: Die Reihenfolge der hier aufgeführten Gegenstände ist gegenüber § 1311 A III Posten 4—16 AktG 37 geändert worden. Posten 1—7 stehen im Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr, während Posten 8 bis 11 aktienrechtliche Sonderposten enthalten. 896

Gliederung der Jahresbilanz

§151

Anm. 19—23

a) Geleistete Anzahlungen Anm. 19: Hierunter sind geleistete Anzahlungen — die Worte „von der Gesellschaft" sind als überflüssig gestrichen worden — auf Waren oder Vermögensgegenstände zu verstehen, die noch nicht geliefert sind (Klausing S. 100). Audi nach kaufmännischer Übung ist die geleistete Zahlung, nicht der Lieferungsanspruch zu bilanzieren. Anzahlungen, die für Anlagen im Bau geleistet wurden, sind nicht hier, sondern unter Aktivseite II A Posten 7 aufzuführen. b) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen Anm. 20: Voraussetzung ist, daß die Gesellschaft ihrerseits die Waren geliefert und die Leistung erbracht hat. Ist der Eingang der Forderung zweifelhaft, so sind gemäß § 40 III HGB entsprechende Abschläge zu machen oder auf der Passivseite eine Wertberichtigung vorzunehmen. Um einen besseren Einblick in die Liquidität der Gesellschaft zu erreichen, ist neu vorgesehen ein Vermerk der Forderungen mit einer Restlaufzeit von mehr als 1 Jahr. Hier kommt es im Gegensatz zu II B Nr. 3 nicht auf die ursprünglich vereinbarte Laufzeit an, sondern auf die Laufzeit vom Bilanzstichtag an. c) Wechsel Anm. 21: In erster Linie sind Kunden Wechsel gemeint. Wechsel, in denen unbeschäftigte Mittel vorübergehend angelegt werden (Privatdiskonten), werden zweckmäßig gesondert ausgewiesen oder durch einen Zusatz hervorgehoben. Schatzwechsel des Bundes, der Länder oder der Bundesbahn (AdlerDüring-Sdimaltz Tz 144) fallen unter B Posten 7. Kautionswechsel, die nur verwertet werden dürfen, wenn der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, gehören nicht in die Bilanz, es sei denn, daß ein Ausgleichsposten eingesetzt wird (ebenso Adler-Düring-Sdimaltz Tz 146). Neu ist, daß die Summe aus bundesbankfähigen Wechseln als Vermerk anzugeben ist. Das sind Wedisel, die die Bundesbank nadi § 19 I Nr. 1 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 26.7. 57 (BGBl. S. 745) von Kreditinstituten kaufen darf. Da diesen Wechseln ein höherer Grad von Liquidität zuzusprechen ist als den übrigen Wechseln, sollen sie besonders kenntlich gemacht werden (vgl. Regierungsbegründung). d) Schecks Anm. 22: Obwohl Schecks in kaufmännischen Kreisen wie bares Geld angesehen werden, dürfen sie nicht unter dem Kassenbestand aufgeführt werden. e) Kassenbestand, Bundesbank- und Postscheckguthaben Anm. 23: Quittungen, auch wenn sie noch nicht gebucht sind, dürfen nidit in den Kassenbestand eingeredinet werden. 897

§151 Anm. 24—26

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

f ) Guthaben bei Kreditinstituten Anm. 24: Die Bezeichnung „andere Bankguthaben" des § 131 A III Posten 15 AktG 37 ist durch den Ausdruck „Kreditinstitute" ersetzt worden. Er stammt aus § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen. Damit ist klargestellt, daß unter diesem Posten auch Guthaben bei Sparkassen auszuweisen sind. Ein gesonderter Ausweis von „täglichem" und „festem" Geld ist nicht erforderlich, wohl aber solcher Guthaben, die aus irgendeinem Grunde gesperrt sind. g) Wertpapiere Anm. 25: Unter diesen Posten fallen alle Wertpapiere, soweit sie nicht als Beteiligungen (II B Posten 1) oder weil sie dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen bestimmt sind, zum Anlagevermögen (II B Posten 2) gehören, ferner nicht Wechsel, Schecks, eigene Aktien und Aktien oder Kuxe an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Aktiengesellschaft oder KGaA oder bergrechtlichen Gewerkschaft, weil diese gesondert unter B Posten 3, 4, 8 und 9 aufzuführen sind. Es braucht nur ein Gesamtbetrag angegeben zu werden, eine Aufteilung nach Art oder Gattung ist nicht erforderlich. Die Position umfaßt auch fällige Gewinnanteile und Zinsen. Die Bewertung erfolgt nach dem Niederstwertprinzip (vgl. im einzelnen Wp-Handbuch 1968, 556). h) Eigene Aktien Anm. 26: Für ihre Einordnung unter Umlaufvermögen spricht einmal die gesetzliche Definition des Anlagevermögens nach § 1521, zum anderen, daß sie den Bewertungsgrundsätzen für Gegenstände des Umlaufvermögens (§ 155) zweckmäßigerweise zu unterstellen sind. Nur die Aktien, die sich im Eigentum der Gesellschaft befinden, gehören in die Bilanz. Gehören sie einem Dritten für Rechnung der Gesellschaft, so sind sie nicht aufzuführen, weil die Vereinbarung nach §§56,71 unwirksam ist (s. aber §160111 Nr. 2, Angaben im Geschäftsbericht). Anders, wenn der Dritte die Aktie von der Gesellschaft als Treuhänder erhalten hat. Lieferungsansprüche aus Kauf oder Kommission sind, wenn einer der Ausnahmefälle des § 71 vorliegt und der Anspruch besteht, zu bilanzieren, sofern die Gesellschaft erfüllt hat. Aktien einer abhängigen Gesellschaft sind unter Beteiligungen II B Posten 1 aufzuführen. Für den Wertansatz gilt § 155. Der Nennbetrag ist vor der Linie anzugeben. Die nach dem bisherigen Recht mit den eigenen Aktien zusammen anzugebenden Aktien einer herrschenden Gesellschaft sind jetzt unter Posten 9 gesondert anzugeben. 898

Gliederung der Jahresbilanz

§151

Anm. 27,28

i) Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft Anm. 27: Bisher waren zusammen mit den eigenen Aktien nur Aktien einer herrschenden Gesellschaft anzugeben. Diese Bestimmung wird jetzt wesentlich erweitert, es sind nicht nur Aktien, sondern alle Anteile, gleich welcher Art, an einer herrschenden Kapitalgesellschaft hier aufzuführen, das sind Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft a. A. und GmbH und Anteile an einer herrschenden bergrechtlichen Gewerkschaft. Das gleiche gilt für die Anteile eines nach § 16 mit Mehrheit beteiligten Unternehmens, wenn es sich um eine Kapitalgesellschaft oder eine bergrechtliche Gewerkschaft handelt. Auch hier ist eine Aufgliederung nicht erforderlich, anzugeben ist eine Zahl. Für die Bewertung gilt § 155. Der Nennbetrag der Anteile, bzw. bei Kuxen ihre Zahl, sind als Vermerk anzugeben. Der besondere Ausweis erschien nach der Regierungsbegründung deshalb erforderlich, weil Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft insofern unsichere Werte sind, als sie, soweit die herrschende Gesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft an der bilanzierenden Gesellschaft beteiligt ist, wirtschaftlich dem Besitz eigener Aktien gleichkommen. k) Forderungen an verbundene Unternehmen Anm. 28: Während bisher nur Forderungen an Konzernunternehmen gesondert auszuweisen waren, sind jetzt die Forderungen an alle verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 auszuweisen. Da zwischen verbundenen Unternehmen in aller Regel Vermögensbeziehungen bestehen, erhöht ein gesonderter Ausweis der Forderungen an alle verbundenen Unternehmen die Aussagefähigkeit des Jahresabschlusses. Entsprechendes gilt für die Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen (Passivseite VI Posten 5). Unerheblich ist der Rechtsgrund der Forderung. Es gehören hierher sowohl Finanzforderungen als auch Forderungen aufgrund Lieferung, Leistung, Anzahlung auf den beschlossenen Gewinnanteil. Dagegen halten wir die Aktivierung einer noch nicht beschlossenen Dividende einer Konzerngesellschaft auch dann für unzulässig, wenn sie ausschließlich von dem Willen der bilanzierenden Obergesellschaft bestimmt wird, weil etwas, was rechtlich überhaupt noch nicht besteht, auch nicht bilanziert werden kann, mag die Entstehung auch noch so sicher sein (ebenso Schl.-Qu. § 131 Anm. 23, 51; RG 112, 19; B.-H. Rn. 33; a. A. Adler-Düring-Schmaltz Tz 173). Eine Aufteilung der Forderungen auf die verschiedenen Gesellschaften ist ebensowenig notwendig wie die Aufgliederung nach Art oder Entstehung. Es genügt ein Gesamtbetrag (Klausing S. 110). Auch wenn die Forderung gleichzeitig unter einen anderen Posten fällt, ist sie in der Regel hier auszuweisen (Abs. 3) oder da, wo sie ausgewiesen werden, als Forderung gegen verbundene Unternehmen kenntlich zu machen. Die für das bisherige Recht ergangene Entscheidung des 899

§151

Anm. 28—30

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

BGH (44, 35) ist auch für das neue Recht zu beachten (wie hier Adler-DüringSdimaltz Tz 174; teilweise a. A. Möhring in N J W 66, 88). I) Forderungen aus Krediten, die unter §§ 89 und 115 fallen Anm. 29: Unter § 89 fallen Kredite, die das Monatsgehalt des Empfängers übersteigen, wenn sie an den in § 89 genannten Personenkreis gewährt werden: 1. Vorstandsmitglieder 2. Prokuristen 3. zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte. Ist einer dieses Personenkreises zugleich gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsrates einer anderen juristischen Person oder Gesellschafter einer Personenhandelsgesellchaft, so fällt ein der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellschaft gewährter Kredit unter § 89. Im einzelnen vgl. §89 Anm. 5—7. Getrennt hiervon ist unter Posten I I b ) die Summe der Forderungen aus Krediten, die unter §115 fallen, anzugeben. Im einzelnen vgl. §115 Anm. 2—4. Im bisherigen Recht wurde der gesonderte Ausweis der „Forderungen an Aufsichtsratsmitglieder, soweit sie nicht aus Geschäften entstanden sind, die der Betrieb der Gesellschaft gewöhnlich mit sich bringt" (§ 1 3 1 1 A I I I Posten 11 AktG37) verlangt. Diese Bestimmung ist nidit übernommen worden, da neben dem gesonderten Ausweis der Forderungen aus Krediten an Aufsichtsratsmitglieder nach § 115 diese Bestimmung keine praktische Bedeutung mehr hat. Auch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gewährte Kredite sind nach Inkrafttreten der Bestimmungen über die Rechnungslegung nach diesen auszuweisen (ebenso Kropff in DB 66,670). m) Sonstige Vermögensgegenstände Anm. 30: Der Posten „sonstige Forderungen" in § 1311 A III Posten 16 AktG 37 erschien zu eng, denn es können auch Vermögensgegenstände in Frage kommen, die nicht Forderungen sind. Daher ist nunmehr von sonstigen Vermögensgegenständen die Rede. Hier sind beispielsweise aufzuführen Wohnungsbaudarlehen an Arbeitnehmer, wie überhaupt alle Darlehensforderungen, die nicht unter einen der vorausgegangenen Posten fallen. Nebenforderungen, wie Zinsforderungen, sind nur besonders zu aktivieren, wenn sie rückständig sind. Das gilt auch von fälligen Zinsscheinen. Forderungen und Verbindlichkeiten aus Miete oder Pachtverträgen werden so lange nicht bilanziert, solange nicht die eine oder andere Leistung rückständig ist. Nebenrechte, wie Bürgschaftsforderungen und Pfandrechte, dürfen nicht besonders aktiviert werden. 900

Gliederung der Jahresbilanz

§ 151 Anm. 31—34

4. Rechnungsabgrenzungsposten Anm. 31: Nach § 152 I X Nr. 1 dürfen unter diesem Posten nur Ausgaben vor dem Abschlußstichtag ausgewiesen werden, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen (vgl. im einzelnen § 152 Anm. 8). i. Bilanzverlust Anm. 32: Als letzter Posten der Aktivseite ist ein etwaiger Bilanzverlust einzusetzen. Das muß zwangsläufig geschehen, um die Jahresbilanz vollständig zu machen. Selbstverständlich handelt es sich nicht um einen Aktivposten, sondern um einen rechnerischen Posten, der sich ergibt aus dem Übersdiuß der Passivposten über die Aktivposten (Abs. 4 S. 3).

IV. Passivseite 1. Grundkapital Anm. 33: Das Grundkapital ist mit dem Nennbetrag in voller Höhe einzusetzen, audi soweit es verloren, nicht voll eingezahlt oder im Eigenbesitz der Gesellschaft ist. In diesen Fällen steht ihm als Aktivposten der Verlust, der Betrag der außenstehenden Einlagen oder eigenen Aktien gegenüber. Die Vorschrift hat zur Folge, daß niemals der Gewinn eines einzelnen Jahres verwendungsfähig ist, solange ein Teil des Grundkapitals verloren ist. Sie gehört daher zu den Bestimmungen, die das Grundkapital „garantieren". Darauf besteht ein Anspruch auch der Aktionäre, nicht nur der Gläubiger. Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen sind erst nach der Eintragung in das Handelsregister zu berücksichtigen, vorbehaltlich der Sonderfälle „rückwirkender" Kapitalherabsetzung und -erhöhung nach den §§ 234 und 235. Über Aktien verschiedener Gattung, bedingtes Kapital und Mehrstimmrechtsaktien vgl. § 152 III und dort Anm. 3. Der Betrag des genehmigten Kapitals wird nicht in der Bilanz, sondern nur im Geschäftsbericht nach § 160 III Nr. 5 vermerkt. 2. Offene Rücklagen Anm. 34: Über gesetzliche Rücklage vgl. § 150 und die Anm. dort. Andere Rüdciagen bezeichnet das Gesetz als freie Rücklagen einmal, weil sie freiwillig gebildet sind und zum andern, weil sie — deshalb — nicht gebunden sind. Hierher gehören auch Fonds für soziale Zwecke aller Art. Das Gesetz verlangt nur die Angabe einer einzigen Summe, jedoch ist der gesonderte Ausweis der Rücklagen nach ihrem Charakter und ihrer Bestimmung allgemein üblich und zweckmäßig. Zu den anderen Rücklagen gehört auch eine etwa freiwillig gebildete Rücklage für Lastenausgleichsvermögensabgabe, die nicht eine „freie Rücklage" ist (vgl. § 150 Anm. 1 und Adler-Düring-Schmaltz Tz 204—209). Nicht zu den Rücklagen gehört der Gewinnvortrag. 901

§151 Anm. 35—37

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

3. Wertberichtigungen Anm. 35: Bei Wertberichtigungen handelt es sich um mittelbare Abschreibungen. Auf der Aktivseite der Bilanz werden bei diesem Verfahren die Anschaffungswerte ausgewiesen, die Abschreibung wird nicht davon abgezogen, sondern der Passivseite als Wertberichtigungsposten zugeführt. Die im wesentlichen neue Bestimmung im § 152 VI schränkt die Möglichkeit der Wertberichtigung erheblich ein. Sie dürfen nur zu Sachanlagen (Aktivseite II A Posten 1 bis 7), zu Beteiligungen (Aktivseite II B Posten 1) und zu Wertpapieren des Anlagevermögens (Aktivseite II B Posten 2) sowie als Pausdialwertberichtigung wegen des allgemeinen Kreditrisikos zu Forderungen vorgenommen werden (vgl. im einzelnen § 152 VI und dort Anm. 2). 4. Rückstellungen Anm. 36: Rückstellungen dürfen für ungewisse Verbindlichkeiten (nach BGH in N J W 66, 2055 = BB 66, 913 gehören dazu künftige Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern) und für drohende Verluste bei schwebenden Geschäften gebildet werden (§ 152 VII S. 1), ferner für im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung oder Abraumbeseitigung und für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden (§ 152 V H S . 2). Von diesen „anderen" Rückstellungen getrennt sind unter dem Posten „Pensionsrückstellungen" die Rückstellungen für laufende Pensionen und für Anwartschaften auf Pensionen auszuweisen (§ 152 VII 5. 3). Die Einsetzung dieses Postens besagt nicht, daß eine Pensionsrückstellung gebildet werden müsse. Hier besteht wie bisher Freiheit. Wenn es aber geschieht, muß sie an dieser Stelle ausgewiesen werden. Die Rückstellungen für laufende Pensionen und die für Anwartschaften müssen nicht getrennt ausgewiesen zu werden (str.; wie hier Heubeck in DB 66, 629). Nur von den „anderen Rückstellungen" sind sie getrennt auszuweisen, weil sie vielfach eine besondere Art Eigenkapital darstellen (Möhring in N J W 66, 89). Soweit eine Rückstellung nicht erfolgt, ist ein Vermerk nach § 159 zu machen (s. dort). 5. Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren Anm. 37: Der Posten ist der Gegenposten zu Aktivseite II B Posten 3. Während auf der Aktivseite die langfristigen Ausleihungen in einem Posten zusammenzufassen sind, lediglich mit dem Vermerk, welcher Betrag davon durch Grundpfandrechte gesichert ist, werden die langfristigen Verbindlichkeiten aufgegliedert. Besonders auszuweisen sind die Anleihen — das sind die durch Inanspruchnahme des Kapitalmarktes aufgebrachten Fremdkapitalien (Adler-Düring-Schmaltz Tz 231) — und die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, während alle anderen langfristigen Verbindlichkeiten zusammenzufassen sind. Bei allen drei Posten ist jeweils anzugeben, wieviel 902

Gliederung der Jahresbilanz

§151 Anm.37

der angegebenen Beträge durch Grundpfandrechte gesichert sind (vgl. oben Anm. 15). Bei den Verbindlichkeiten ist, ebenso wie bei den Aktiven, unter der Laufzeit von 4 Jahren die vereinbarte Laufzeit zu verstehen. Das kommt hier besonders zum Ausdruck, weil außer dem Vermerk, welche Beträge durch Grundpfandrechte gesichert sind, ein weiterer Vermerk vorgeschrieben ist, nämlich der Betrag der langfristigen Verbindlichkeiten, der vor Ablauf von 4 Jahren fällig ist. Die 4 Jahre rechnen vom Bilanzstichtag an. Hier wird besonders deutlich, daß es für die Frage, ob es sich um eine langfristige Verbindlichkeit handelt, darauf ankommt, ob die vereinbarte Laufzeit mindestens 4 Jahre beträgt. Um aber zu verhindern, daß die Liquidität der Gesellschaft zu günstig erscheint, wird der besondere Vermerk verlangt, aus dem man ersehen kann, welche der langfristigen Verbindlichkeiten vom Zeitpunkt des Bilanzstichtages aus gesehen nicht mehr „langfristig" ist oder anders ausgedrückt, inwieweit die Fälligkeit langfristiger Verbindlichkeiten die Liquidität im Zeitraum der nächsten 4 Jahre verschlechtert. Es ist nur die Gesamtsumme in dem Vermerk anzugeben, wenn mehrere langfristige Verbindlichkeiten innerhalb der nächsten 4 Jahre fällig werden. Es ist ferner nicht erforderlich, das Datum der Fälligkeit zu nennen. Dies wird aber zweckmäßig sein, da mit einiger Sicherheit damit zu rechnen ist, daß, wenn es nicht angegeben wird, in der Hauptversammlung danach gefragt wird, mindestens dann, wenn es sich um einen verhältnismäßig hohen Betrag handelt, der geeignet ist, die Liquidität der Gesellschaft mehr als unwesentlich zu beeinflussen. Bereits nach dem bisherigen Recht (§ 131 B V Posten 1 AktG 37) waren Anleihen unter Angabe ihrer dinglichen Sicherung gesondert auszuweisen. Sie sind als Verbindlichkeiten nach § 156 II zu ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Die dingliche Sicherung ist in der Vorspalte zu vermerken. Auch Verbindlichkeiten gegenüber Banken waren bereits nach dem bisherigen Recht (§ 131 Abs. 1 B V Posten 9 AktG 37) gesondert auszuweisen, auch sie sind nach § 156 II mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Ist der Rückzahlungsbetrag von Verbindlichkeiten oder Anleihen höher als der Ausgabebetrag, so darf der Unterschied unter die Rechnungsabgrenzungsposten der Aktivseite aufgenommen werden (§ 156 I I I S. 1). Wie auch sonst an anderer Stelle spricht das Gesetz hier nicht mehr von Banken, sondern von Kreditinstituten. Als sonstige Verbindlichkeiten kommen z. B. Verpflichtungen aus Genußrechten in Frage, wenn sie den Zweck gehabt haben, der Gesellschaft neues Kapital anstelle von Aktien zuzuführen, ohne daß dieses buchmäßig der Sanierung dienen und zu Abschreibungen oder Beseitigungen einer Unterbilanz dienen sollte. Dann sind sie zu passivieren, um einen diesem Kredit entsprechenden Betrag zu binden. Zu beachten ist, daß hier nur langfristige Verbindlichkeiten aufzuführen sind; kurzfristige, sonstige Verbindlichkeiten fallen unter V I Posten 6. 903

§ 151 Anm. 37—41

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Wird die Lastenausgleichsvermögensabgabe freiwillig passiviert, so ist sie hier auszuweisen (Adler-Düring-Schmaltz Tz 239). 6. Andere Verbindlichkeiten a) Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Anm. 38: Der Posten ist das Gegenstück zur Aktivseite III B Posten 2. Eines gesonderten Vermerks von Verbindlichkeiten mit einer längeren Restlaufzeit bedarf es jedoch nidit, da es hier nur darauf ankommt, den Anschein einer zu günstigen Liquidität der Gesellschaft zu vermeiden. b) Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel Anm. 39: Hierher gehören nicht nur die Akzepte für Warenbezüge und empfangene Darlehen, sondern auch Wechsel, für die der Gesellschaft ein Gegenwert nicht zugeflossen ist, wie Gefälligkeitswechsel (ebenso Schl.-Qu. § 131 Anm. 43), dagegen nicht Kautionswechsel oder Depotwechsel, die beide nicht zu bilanzieren sind. Regreßverpflichtungen aus Wechseln, z.B. aus Kundenwechseln, die bei einer Bank diskontiert oder für eine eigene Warenschuld in Zahlung gegeben wurden, brauchen nicht passiviert zu werden, solange nicht zu befürchten ist, daß der Wechsel notleidend wird und die Forderung gegenüber dem Vormann wertlos ist. Sie müssen jedoch nach § 160 II Nr. 7 im Geschäftsbericht erwähnt werden. Die Einstellung unter die Passiven ist erforderlich, wenn einerseits die dem Wechsel zugrunde liegende (Waren-)Forderung unter den Aktiven weitergeführt wird, andererseits nicht die Schuld, für weldie der Wechsel remittiert wird. Bei Ziehungen auf eine Bank zwecks Ausnützung eines Akzeptkredits ist im Geschäftsbericht nur die Weitergabe zu erwähnen, während die Verpflichtung, für Deckung bei Verfall zu sorgen, unter den Passiven erscheint. Einer Angabe der Bundesbankfähigkeit der Schuldwechsel bedarf es — anders als bei den Besitzwechseln — nicht (Adler-Düring-Schmaltz Tz 248). c) Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten Anm. 40: Der Posten stimmt mit § 131 B V Posten 9 AktG 37 insoweit überein, als es sich nicht um langfristige Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten handelt. Wie auf der Aktivseite der Bilanz wird statt des Ausdrucks „Banken" der Ausdruck „Kreditinstitute" verwandt. d) Erhaltene Anzahlungen Anm. 41: Aufzuführen sind alle Zahlungen, die die Gesellschaft von Kunden auf noch nicht gelieferte Waren erhalten hat. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um Teil- oder Vollzahlungen handelt. 904

Gliederung der Jahresbilanz

§151

Anm. 42—46

e) Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen Anm. 42: Es handelt sich um den Gegenposten zur Aktivseite III B Posten 10 (vgl. Anm. 28). f ) Sonstige Verbindlichkeiten Anm. 43: Hierunter fallen nur die kurzfristigen Verbindlichkeiten, die langfristigen sind unter V Posten 3 aufgeführt. Es sind dies rückständige oder nicht erhobene Anleihezinsen, Verpflichtungen aus Bürgschaften und Gewährleistungen für fremde Leistungen, wenn die Inanspruchnahme ohne volle rechtliche und tatsächliche Rückgriffsmöglichkeit zu besorgen ist (anderenfalls sind sie nach Abs. 5 in der Bilanz nur zu vermerken). Für Ansprüche aus Gewährleistung für eine eigene Leistung können Rückstellungen gebildet werden. Geschieht dies nicht, so sind sie, wenn noch keine Verpflichtungen entstanden sind, nach §160 III Nr. 7 im Geschäftsbericht zu vermerken. Verpflichtungen, die davon abhängig sind, daß ein Bilanzgewinn entstanden ist, sind nur, soweit nicht die Hauptversammlung berufen ist, diese Ansprüche bei der Gewinnverwendung zu berücksichtigen, als Verpflichtungen hier auszuweisen (wie z. B. die Gewinnanteile des Vorstandes und der Angestellten oder Dritter, z. B. Erfinder, Besserungsscheine nachzuzahlender Vorzugsrechte u. dgl.). Nicht erhobene Dividenden sind hier aufzuführen. Verpflichtungen und Forderungen aus beiderseits noch nicht erfüllten gegenseitigen Verträgen werden nicht gebucht. 7. Rechnungsabgrenzungsposten Anm. 44: Als Rechnungsabgrenzungsposten dürfen Einnahmen vor dem Abschluß-Stichtag nur ausgewiesen werden, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tage darstellen (vgl. § 152 I X N r . 2 und dort Anm. 8). 8. Bilanzgewinn Anm. 45: Es ist der korrespondierende Posten zu der Aktivseite unter V. Das dort Gesagte gilt hier sinngemäß, vgl. Anm. 32. Im Falle einer Sonderprüfung nach §§ 258 ff. ist nach § 261 gegebenenfalls ein weiterer gesonderter Posten hinter VIII einzusetzen (siehe § 261 Anm. 3). V. "Wegfall von Posten und Zugehörigkeit zu mehreren Posten Anm. 46: Die neu eingefügte Vorschrift des Abs. 2 stellt in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre zum bisherigen Recht klar, daß Leerposten nicht aufgeführt zu werden braudien, sie würden nur die Übersichtlichkeit stören. Sind umgekehrt Gegenstände vorhanden, für die ein besonderer 905

§ 151

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 46,47 Posten nicht vorgesehen ist, so können sie unter Aktivseite III B Posten 12 „sonstige Vermögensgegenstände" ausgewiesen werden, wenn nicht das Gebot der Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses (§ 149 I) den gesonderten Ausweis unter entsprechender Bezeichnung fordert. Fällt ein Gegenstand unter mehrere Posten, so ist das dort, wo er nicht aufgeführt ist, zu vermerken, jedoch nur, wenn es zur Herstellung eines klaren und übersichtlidien Bilanzbildes nötig ist. Ob dies der Fall ist und wie dieser Vermerk zu lauten hat, steht im Ermessen der Verwaltung. Maßgebend muß für sie der Grundsatz der Übersichtlichkeit der Bilanz sein. Zu häufige Verweisungen beeinträchtigen die Klarheit. Der Gesichtspunkt der Bilanzklarheit muß auch darüber entscheiden, wo ein Aktivum oder Passivum aufzuführen ist. Verbindlichkeiten und Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen sind regelmäßig unter dem dafür vorgesehenen Gliederungsposten aufzuführen und ist ein Vermerk, der sie als solche kennzeichnet, zu machen, wenn sie ausnahmsweise unter anderen Posten ausgewiesen werden. Das gleiche gilt auch für Forderungen aus Kreditgewährung an den Vorstand (§ 89) und Aufsichtsratsmitglieder (§ 115), obwohl das Gesetz dies nicht ausdrücklich sagt (Adler-Düring-Schmaltz Tz 260; Kropff in DB 66, 671). Für eigene Aktien und Anteile an einer herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft; oder bergrechtlichen Gewerkschaft besteht ein absoluter Zwang, sie als solche und als besonderen Posten aufzuführen, selbst wenn sie an sich unter einen anderen fielen. Das gilt nicht für Aktien einer abhängigen Gesellschaft. Diese gehören meist unter Beteiligungen, Aktivseite II B Posten 1. VI. Behandlung von Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen, Rücklagen und Ergebnis Anm. 47: Wie im bisherigen Recht sind Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen bereits in der Jahresbilanz vorzunehmen. Neu hinzugekommen ist zur Rückstellung der Sonderposten mit Rücklageanteil (vgl. hierzu § 152V und dort Anm. 5). Die Einstellung dieser Posten gehört zur Ermittlung des Jahresergebnisses, damit zur Aufstellung des Jahresabschlusses und ist selbstverständlich Sache des Organs, das ihn aufstellt. Anders ist es mit den Rücklagen. Hier versteht es sich nicht von selbst, daß sie nicht Sache der Gewinnverwendung, sondern bereits bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen sind. Letzteres gilt sowohl für die gesetzlichen als auch die freien Rücklagen, soweit sie von der Verwaltung gebildet werden können. Insofern enthält die vorliegende Bestimmung eine Einschränkung gegenüber dem bisherigen Recht. Diese ergibt sich aus der Verschiebung über die Befugnisse, freie Rücklagen zu bilden. Nach § 58 kann im allgemeinen die Verwaltung nur die Hälfte des Jahresüberschusses für die Bildung von freien Rücklagen verwenden, nachdem vorher vom Jahresüberschuß ein et906

Gliederung der Jahresbilanz

§151

Anm. 47

svaiger Verlustvortrag und die Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, vorab vom Jahresüberschuß abgezogen sind. Der verbleibende Rest des Jahresüberschusses steht der Hauptversammlung im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses zur Verfügung. Insbesondere hat die Zuweisung in die gesetzliche Rücklage nach den Bestimmungen des § 150 und unter Berücksichtigung etwaiger Satzungsbestimmungen zu erfolgen, d. h., es muß stets 5 °/o des nach § 150 berichtigten Jahresüberschusses so lange in die gesetzliche Rücklage eingestellt werden, bis diese die gesetzliche oder einen höheren, von der Satzung bestimmten Prozentsatz des Grundkapitals erreicht hat. Auch für die Zuweisung in freie Rüdciagen sind Satzungsbestimmungen nach § 58 denkbar, einmal nach § 58 I, wenn der Jahresabschluß durch die Hauptversammlung festgestellt wird, dann aber auch nach § 58 II für den Fall, daß Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß feststellen, kann die Satzung bestimmen, daß mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einzustellen ist, allerdings hat eine solche Bestimmung nur so lange Wirkung, bis die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals erreicht haben. Alle diese Bestimmungen sind bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses in der Bilanz zu berücksichtigen. Dagegen darf die Gewinn Verwendungsmöglichkeit der Hauptversammlung nach § 174 nicht eingeschränkt werden. Der neue Posten „Sonderposten mit Rücklageanteil" ist hier deshalb aufgeführt, um möglichen Zweifeln zu begegnen, die sich aus der gemischten Natur dieser Posten ergeben könnten. Sie werden wie die Abschreibungen und Wertberichtigungen und Rückstellungen behandelt. Das bedeutet, daß ihre Bildung in die Zuständigkeit der Verwaltung fällt, ferner, daß auch, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, diese Sonderposten bereits in der Jahresbilanz, nicht etwa außerhalb der Bilanz, im Beschluß über die Gewinnverwendung zu bilden sind (vgl. Regierungsbegründung). Die Auflösung der Rücklagen ist Sache des Organs, das den Jahresabschluß feststellt. Das wird im Gegensatz zum bisherigen Recht nunmehr an dieser Stelle ausdrücklich festgestellt. Über die Natur des Postens Bilanzverlust und Bilanzgewinn vgl. Anm. 32 und 45. Es konnte hier von der Bestimmung im bisherigen Recht, daß der Gewinn- oder Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu vermerken sei, verzichtet werden, da sich dieser aus der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157 I Posten 29) ergibt. Er ist in dem an dieser Stelle auszuweisenden Bilanzgewinn oder -Verlust enthalten. Bilanzgewinn ist nicht Betriebsgewinn, sondern der Überschuß der Aktivposten über die Passivposten. Letztere einschließlich Kapital und aller, auch der in dem Bilanzjahr neu gestellten Rücklagen, die sich aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ergeben. Er ist gleichzusetzen dem Bilanzgewinn, über dessen Verteilung die Hauptversammlung 907

§151 Rechnungslegung • Gewinnverwendung Anm. 47,48 zu beschließen hat. Allerdings kann nunmehr die Hauptversammlung anders beschließen, als es der festgestellte Jahresabschluß vorsieht. Der Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung ändert aber den Jahresabschluß nicht (§ 174 III). Bilanzverlust ist nicht Betriebsverlust, sondern der Uberschuß der Passivposten über die Aktivposten, also einschl. der Rücklagen. Beide sind gesondert und ungeteilt auszuweisen. Nach den Regeln der Buchführung wird die Bilanz so aufgestellt, daß beide Seiten sich ausgleichen. Ist Gewinn entstanden, so haben sich die Aktiven vermehrt, der Ausgleichsposten „Bilanzgewinn" muß daher in die Passivseite eingestellt werden, der Bilanzverlust umgekehrt in die Aktivseite. VII. Vermerke in der Jahresbilanz Anm. 48: Gewisse Risiken, die nicht zwingend auf der Passivseite der Jahresbilanz auszuweisen sind, müssen entweder in der Jahresbilanz oder im Geschäftsbericht § 160 III Nr. 7 vermerkt werden. Da der Jahresabschluß nach § 177 II in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen ist, während der Geschäftsbericht lediglich dem Registergericht einzureichen ist, hat ersterer die größere Publizität. Deshalb sind in ihm die Risiken aufzuführen, die die schwereren sind. Sämtliche in Abs. 5 aufgeführten Verbindlichkeiten und Haftungen können insoweit unter den Passiven in die Jahresbilanz aufgenommen werden, als für sie Rückstellungen gemacht werden können. Das muß geschehen, wenn mit einer Inanspruchnahme aus der Haftung gerechnet werden muß (Adler-Düring-Schmaltz Tz 280). Nur wenn das nicht geschieht, sind sie in der Jahresbilanz zu vermerken. Neu ist die Nr. 1. Danach sind die Verbindlichkeiten, die sich aus der Begebung und Übertragung von Wechseln ergeben könnten, aufzuführen. Das ist praktisch die Haftung aus Indossament. Damit ist die Offenlegung der Verbindlichkeit aus Wechseln erweitert. Nach bisherigem Recht nahm man an, daß die sich aus der Übertragung von Wechseln ergebenden Verbindlichkeiten nicht zu vermerken seien. Wie nach bisherigem Recht (§131 VII AktG 37) sind Verbindlichkeiten aus Bürgschaften im Sinne der §§ 765 ff. BGB und 349 ff. HGB zu vermerken. Die Verpflichtungen aus einem Kreditauftrag sind einer Bürgschaft gleichzustellen. Ebenso sind Verbindlichkeiten aus Wechsel- und Scheckbürgschaften zu vermerken. Gewährleistungsverträge sind „Verträge, in denen jemand sich verpflichtet, für das Eintreten eines bestimmten Erfolges einzustehen" (RG 90, 416), z.B. Ausbietungsgarantien, Garantien für die Ausführung von Arbeiten Dritter, nicht dagegen die sog. Garantie für die eigenen Leistungen der Gesellschaft, insbesondere also nicht die Garantien für Haltbarkeiten, der guten Beschaffenheit der von ihr gelieferten Waren und dergleichen (streitig, weitergehend Adler-Düring-Schmaltz Tz 305). 908

Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz

§§ 151/152 Anm.48

Neu ist Nr. 4, Haftung aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten (vgl. Haegert in Die AktGes 65, 221). Auch Bürgschaften sind solche Sicherheiten; hier sind also nur andere Sicherheiten aufzuführen, z. B. Bestellung von Sicherungshypotheken oder Übereignung von beweglichen Gegenständen. Solche Verbindlichkeiten dürfen, wenn ihnen Rüdegriffsforderungen gegenüberstehen, niemals mit diesen verrechnet werden. Werden die Verbindlichkeiten passiviert, so müssen die Rüdegriffsforderungen gemäß § 40 III H G B aktiviert werden, d. h., ihr Wert richtet sich nach der Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Werden die Verbindlichkeiten lediglich vor dem Strich vermerkt, so empfiehlt sich, auf der Aktivseite auch die Rückgriffsforderung zu vermerken. Zu bewerten ist nach § 40 III HGB. Die Passivierung der Verbindlichkeit ist erforderlich, wenn die Inanspruchnahme wahrscheinlich und der mögliche Rückgriff nicht vollwertig ist, denn § 151 enthält nur Mindestforderungen im Rahmen von § 149. Besonders, wenn die Verbindlichkeit oder Haftung gegenüber verbundenen Unternehmen besteht, ist die Bilanzierung zu empfehlen. Geschieht dies nicht, so ist diese Tatsache bei den einzelnen Verbindlichkeiten jeweils anzugeben. Die in Abs. 5 aufgeführten verschiedenen Gruppen von Verbindlichkeiten sind getrennt aufzuführen, jedoch jeweils mit einem Betrag. Von Bedeutung ist die Bestimmung, daß in dieser Bilanz anzugeben ist, inwieweit die Haftung oder Verbindlichkeit gegenüber verbundenen Unternehmen besteht, insbesondere für ihre Konsilidierung in der Konzernbilanz (vgl. § 331 Anm. 1). Die hier aufgeführten Haftungsverhältnisse bedürfen keiner Aufnahme im Geschäftsbericht (Esser in Die AktGes. 1965, 314). Umgekehrt ist über alle nicht aus der Bilanz ersichtlichen Haftungsverhältnisse im Geschäftsbericht zu berichten (Adler-Düring-Schmaltz T z 272). Hier ist der Vermerk über die Lastenausgleichsvermögensabgabe nicht aufgeführt, der nach §218 I L A G dann zu erfolgen hat, wenn eine Passivierung der Vermögensabgabe nicht erfolgt ist.

§ 152

Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz (1) Beim Anlagevermögen sind nur die Gegenstände auszuweisen, die am Absdilußstiditag bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen. Die Zugänge und Abgänge, die Zuschreibungen, die für das Geschäftsjahr gemachten Abschreibungen sowie die Umbuchungen sind bei den einzelnen Posten des Anlagevermögens gesondert aufzuführen. (2) Als Beteiligung gelten im Zweifel Anteile an einer Kapitalgesellschaft, deren Nennbeträge insgesamt den vierten Teil des Nennkapitals dieser Gesellschaft erreichen, sowie Kuxe einer bergreditlidien Gewerk909

§152

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

schaft, deren Zahl insgesamt den vierten Teil der Kuxe dieser Gewerkschaft erreicht. (3) Beim Grundkapital sind die Gesamtnennbeträge der Aktien jeder Gattung gesondert anzugeben. Bedingtes Kapital ist mit dem Nennbetrag zu vermerken. Bestehen Mehrstimmrechtsaktien, so sind beim Grundkapital die Gesamtstimmenzahl der Mehrstimmrechtsaktien und die der übrigen Aktien zu vermerken. (4) Bei den offenen Rücklagen sind gesondert aufzuführen 1. die Beträge, die die Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn des Vorjahrs eingestellt hat, 2. die Beträge, die aus dem Jahresüberschuß des Geschäftsjahrs eingestellt werden, 3. die Beträge, die für das Geschäftsjahr entnommen werden. (5) Werden auf der Passivseite Posten ausgewiesen, die auf Grund steuerlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind, so sind diese Posten gesondert von den offenen Rüdciagen unter Angabe der Vorschriften, nach denen sie gebildet sind, auf der Passivseite unter „IIa Sonderposten mit Rücklageanteil" auszuweisen. (6) Wertberichtigungen dürfen nur zu Sachanlagen, zu Beteiligungen und zu Wertpapieren des Anlagevermögens sowie als Pauschalwertberichtigung wegen des allgemeinen Kreditrisikos zu Forderungen vorgenommen werden. Die auf die einzelnen Posten entfallenden Wertberichtigungen sind in einer Absatz 1 Satz 2 entsprechenden Gliederung gesondert, die Pauschalwertberichtigung ist als „Pauschalwertberichtigung zu Forderungen" auszuweisen. (7) Rückstellungen dürfen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus sdiwebenden Geschäften gebildet werden. Ferner dürfen Rückstellungen gebildet werden für 1. im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung oder Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden; 2. Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden; diese Rückstellungen sind unter näherer Bezeichnung ihres Zwecks gesondert auszuweisen. Für andere Zwecke dürfen keine Rückstellungen gebildet werden. Unter dem Posten „Pensionsrückstellungen" sind die Rüdkstellungen für laufende Pensionen und die für Anwartschaften auf Pensionen auszuweisen. (8) Forderungen dürfen nicht mit Verbindlichkeiten, nicht abgerechnete Leistungen nicht mit Anzahlungen, Grundstücksrechte nidit mit Grundstückslasten verrechnet werden. Rücklagen, Wertberichtigungen und Rückstellungen dürfen nicht als Verbindlichkeiten aufgeführt werden. 910

Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz

§ 152 Anm. 1,2

(9) Als Rechnungsabgrenzungsposten dürfen nur ausgewiesen werden 1. auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlußstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen; 2. auf der Passivseite Einnahmen vor dem Absdilufistiditag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nadi diesem Tag darstellen. I. Obersicht (Anm. 1) II. Anlagevermögen (Anm. 2) III. Grundkapital (Anm. 3) IV. Rücklagen (Anm. 4) V. Sonderposten mit Rücklageanteil (Anm. 5)

VI. Wertberichtigungen (Anm. 6) VII. Rückstellungen (Anm. 7) VIII. Verbot der Verrechnung (Anm. 8) IX. Rechungsabgrenzungsposten (Anm. 9) X. Verstoß (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Um die Vorschriften über die Gliederung der Bilanz zu entlasten, sind einige Bestimmungen, die im bisherigen Recht in § 131 A k t G 3 7 enthalten waren, nunmehr in § 152 übernommen worden. Dies gilt für die Vorschriften der Abs. 1—3 und 8. Die übrigen Bestimmungen sind neu. Die Abs. 4 und 5 befassen sich mit Posten der offenen Rücklagen und enthalten Vorschriften über deren gesonderten Ausweis. Abs. 6 schränkt die Zulässigkeit von Wertberichtigungen ein. Abs. 7 klärt einige Zweifelsfragen und erweitert damit die Möglichkeiten für Rückstellungen. Abs. 9 schränkt die Möglichkeit, die Rechnungsabgrenzungsposten als allgemeine Sammelposten zu betrachten, ein, indem es im einzelnen vorschreibt, was dort allein ausgewiesen werden darf. II. Anlagevermögen Anm. 2: Das Anlagevermögen besteht aus Gegenständen, die am Abschlußstichtag dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen, und zwar durch Gebrauch, das heißt, nicht durch Verwendung der Substanz, sondern durch allmähliche Abnutzung infolge des Gebrauchs. Als Gebrauch in diesem Sinne gilt ausnahmsweise eine Verwendung der Substanz dann, wenn sie auf lange Zeit berechnet ist (z. B. Abbau von Bergwerken, Steinbrüchen u. dgl.). Alle anderen Gegenstände mit Ausnahme der ausstehenden Einlagen (Aktivseite I) und der transitorischen Posten (Aktivseite IV, Rechnungsabgrenzungsposten) sind unter Umlaufvermögen aufzuführen. Ein Gegenstand hört auf, zum Anlagevermögen zu gehören, wenn er endgültig zur Veräußerung bestimmt wird. Während Abschreibungen und Wertberichtigungen den Ausgleich eines Wertverlustes bedeuten, sind unter Zugang und Abgang mengenmäßige Ver911

§152 Anm. 2

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

änderungen zu verstehen. Eine Saldierung ist unzulässig, und zwar nicht nur von Zuschreibungen (Erhöhung des Wertansatzes) und Abschreibungen und Zugängen und Abgängen, sondern auch von Zugängen und Absdireibungen, Zuschreibungen und Abgängen. Absdireibungen und Wertberichtigungen können aus dem Betriebsgewinn oder aufgelösten offenen Rücklagen gedeckt werden. Immer müssen sie, desgleichen die Zu- und Abgänge, für jeden einzelnen Posten des Bilanzsdiemas — nicht aber für jeden einzelnen Gegenstand —, aber nur des Anlagevermögens gesondert ausgewiesen werden, und zwar nunmehr zwingend in der Jahresbilanz und nicht, wie im bisherigen Recht, wahlweise im Geschäftsbericht. Das bedeutet eine Verschärfung der Publizität, weil die Bekanntmachung des Jahresabschlusses in den Gesellschaftsblättern erfolgt, während der Geschäftsbericht nur dem Registergericht einzureichen ist (vgl. auch Anm. 6). Es ist verboten, Zugänge zum Anlagevermögen über Geschäftsunkosten zu buchen. Statthaft ist eine sofortige Vollabsdireibung, aber Zugang und Abschreibung sind gesondert auszuweisen. Indessen besteht für bloße Ersatzbeschaffung und Erneuerung von Gegenständen schnellerer Abnutzung (sogen, kurzlebige Gegenstände) oder von Hilfsgegenständen in einzelnen Geschäftszweigen eine abweichende Übung, die nicht verworfen werden kann. Die Abgänge sind zu Lasten des Restbuchwertes auszubuchen, d. h., gibt die Aktivseite die jeweiligen Restbuchwerte an, so ist der Restbuchwert des abgehenden Stückes (nicht der Verkaufserlös) abzusetzen. Gibt aber die Aktivseite den Anschaffungswert an und enthält die Passivseite Wertberichtigungsposten, ist auf ersterer der Anschaffungswert des abgehenden Stückes und auf letzterer der Betrag abzusetzen, der von den Abschreibungen, aus dienen der Wertberichtigungsposten gespeist worden ist, darauf entfallen war. Ist der Veräußerungserlös höher als der Buchwert, so entsteht ein Gewinn aus Auflösung einer Bewertungsreserve. Dieser ist unter Posten 11 des § 1571 als Ertrag aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens auszuweisen. Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens sind in der Gewinn- und Verlustrechnung unter Posten 22 auszuweisen. Neu sind in das Gesetz die „Zuschreibungen" und die „Umbuchungen" eingefügt. Eine Änderung tritt damit aber nicht ein. Zuschreibungen sind Wertzusdireibungen zu einzelnen Gegenständen des Anlagevermögens, die jedoch nur in sehr beschränktem Umfang nach den Bewertungsvorschriften der §§ 153 ff. überhaupt zulässig sind. „Umbuchungen" sind Umschreibungen von Beträgen von einem Posten auf einen anderen. Beide Vorgänge sind bei den einzelnen Posten des Anlagevermögens gesondert aufzuführen. Abs. 2 stellt eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dafür auf, wann eine Beteiligung anzunehmen ist. Die Bestimmung entspricht inhaltlich der des § 131 A II Posten 6 AktG 37, vgl. Anm. 13 zu § 151. 912

Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz

§ 152 Anm. 3,4

III. Grundkapital Anm. 3: Das Grundkapital entspricht den Gesamtnennbeträgen aller Aktien. Dieser Betrag ist einzusetzen, gleichgültig, ob er nicht voll eingezahlt ist oder ob die Gesellschaft im Besitz eigener Aktien ist oder ob etwa ein Teil des Grundkapitals bereits verloren ist. Neben diesem Betrag sind die Nennbeträge der verschiedenen Aktiengattungen in der Vorspalte anzugeben. D a s gleiche gilt für bedingtes, noch nicht ausgegebenes Kapital. Sind Mehrstimmrechtsaktien ausgegeben, so ist deren Stimmenzahl sowie die der übrigen Aktien in einer Vorspalte zu vermerken. Den Vermerk kann die Verwaltung bestimmen. Es ist nicht vorgeschrieben, daß die einzelnen Aktiengattungen — soweit es nicht Mehrstimmrechtsaktien sind — mit ihren Unterschiedsmerkmalen bezeichnet werden. Es wird dies aber im allgemeinen zweckmäßig sein. Es wäre nicht recht einzusehen, dies zu verschweigen, da es sich sowieso aus der Satzung ergibt, vgl. im übrigen Anm. 33 zu § 151. IV. Rücklagen Anm. 4: Die neuen Vorschriften über die Gewinnverwendung durch die Hauptversammlung haben es notwendig gemacht, eine Aufgliederung der offenen Rücklagen vorzuschreiben. D a die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß Einstellungen in offene Rücklagen vornehmen kann, andererseits aber dadurch der Jahresabschluß nicht berührt wird (§ 174 III), sondern diese Änderung erst im nächsten Jahresabschluß zum Ausdruck kommt, muß bei dem Posten offene Rücklage gesondert angegeben werden, welche Beträge auf diese Weise, also aufgrund eines Gewinnverwendungsbeschlusses des Vorjahres, in die Rücklagen gekommen sind. Ferner sind die Beträge gesondert anzugeben, die aus dem Jahresabschluß des Geschäftsjahres, auf das sich der Jahresabschluß bezieht, neu eingestellt werden. Das sind diejenigen, die die Verwaltung einstellen kann. Sollte die Hauptversammlung weitere Einstellungen vornehmen, so gehören diese in den nächsten Jahresabschluß. Endlich sind die Beträge gesondert anzugeben, die für das Geschäftsjahr aus Rüdciagen entnommen werden. Das kann, wenn die Verwaltung den Jahresabschluß feststellt, nur von dieser geschehen, nicht von der Hauptversammlung. Stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluß fest, so kann auch sie Beträge aus freien Rüdciagen entnehmen. Das Gesetz schreibt nicht vor, daß zwischen der gesetzlichen Rücklage und den freien Rücklagen zu unterscheiden sei. Dies wird jedoch bei Abs. 4 N r . 1 notwendig sein, um einen klaren Uberblick zu ermöglichen. Die Hauptversammlung kann im Gewinnverwendungsbeschluß neben offenen Rücklagen, was der häufigere Fall sein wird, auch die gesetzliche Rücklage mit Zuweisungen bedenken. Infolgedessen sollte bei Abs. 1 N r . 1 klargestellt werden, ob die Zuweisung von Beträgen in die gesetzliche oder in die freie Rücklage erfolgt 913

§ 152 Anm. 4—6

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

ist. Bei Abs. 4 Nr. 2 und 3 ist das deshalb nicht notwendig, weil sich dies aus der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt (§ 157 I Posten 30 und 31). Für nicht im Gesetz aufgeführte Fälle der Veränderung bei den Rücklagen gelten nach unserer Ansicht die Bestimmungen trotz § 149 I nicht (a. A. AdlerDüring-Schmaltz Tz 61). Sie sind im Geschäftsbericht zu erläutern. V. Sonderposten mit Rüdklageanteil Anm. 5: Als Anpassung an die steuerrechtliche Entwicklung kann gegebenenfalls ein Posten unter die Passiven unter II a „Sonderposten mit Rücklageanteil" aufgeführt werden. Es gibt steuerliche Vorschriften, nach denen die Besteuerung des Ertrags in der Weise hinausgeschoben wird, daß in Höhe des begünstigten Betrages eine Rücklage oder ein anderer Passivposten gebildet wird, der das steuerliche Ergebnis mindert, der aber innerhalb einer bestimmten Zeit wieder aufgelöst werden muß und dabei das steuerliche Ergebnis erhöht. Diese Posten haben keinen einheitlichen Charakter. Es sind z. T. Rückstellungen für die bei ihrer Auflösung entstehende Steuerschuld und z. T. echte Rücklagen. Auch echte Wertberichtigungen können in solchen Posten enthalten sein. Es wäre daher irreführend, sie unter „Rücklagen" oder unter „Rückstellungen" oder unter „Wertberichtigungen" auszuweisen. Es bleibt nur übrig, diese Mischposten gesondert auszuweisen und dabei auf den in ihnen enthaltenen Rücklageanteil hinzuweisen. Das geschieht durch die Bezeichnung „Sonderposten mit Rücklageanteil" und der Vorschrift, daß diese Posten gesondert auszuweisen sind, und zwar jede Art für sich unter Angabe der Vorschriften, nach denen sie gebildet sind (so Regierungsbegründung). Als Sonderposten dürfen nur solche Posten ausgewiesen werden, die wie echte Rücklagen keine Wertkorrekturen zu bestimmten Vermögensgegenständen bilden und nicht an deren Vorhandensein gebunden sind (Adler-DüringSchmaltz Tz 67). Deshalb gehören Wertberichtigungen nach § 7 c EStG nicht hierher, wohl aber Rücklagen nach § 6 b EStG. VI. Wertberichtigungen Anm. 6: Da die Wertberichtigung auf der Passivseite erfolgt, ist es nicht selbstverständlich, daß erkenntlich ist, auf welche einzelnen Posten der Aktivseite die Wertberichtigung sich bezieht. Abs. 6 S. 2 bestimmt deshalb ausdrücklich, daß die auf die einzelnen Posten entfallenden Wertberichtigungen in einer dem Abs. 1 S. 2 für die Abschreibungen bestimmten Gliederung gesondert auszuweisen sind. Abs. 6 beschränkt im übrigen die Möglichkeit der Wertberichtigungen insofern, als diese nur für Sachanlagen 914

Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz

§ 152 Anm. 6,7

zulässig sind. Das sind die auf der Aktivseite unter II A Posten 1—7 aufzuführenden Gegenstände, Beteiligungen (Aktivseite II B Posten 1) und Wertpapiere des Anlagevermögens (Aktivseite II B Posten 2). Wertberichtigungen können nur zu Posten des Anlagevermögens vorgenommen werden. Es gibt jedodi eine Ausnahme, es kann eine Pauschalwertberichtigung wegen des allgemeinen Kreditrisikos zu Forderungen vorgenommen werden. Diese bezieht sich dann auf alle Forderungen, sowohl auf die langfristigen Ausleihungen (Aktivseite II B Posten 3), als auch auf die zum Umlaufvermögen gehörigen Forderungen (Aktivseite III B Posten 1, 2, 10, 11). In dieser Pausdialwertberichtigung können mithin auch Gegenstände des Umlaufvermögens in einer Wertberichtigung erfaßt werden. Sonst ist dies deshalb nicht zulässig, weil die Gegenstände des Umlaufvermögens höchstens zum Zeitwert anzusetzen sind (§ 155 II). Daraus folgt, daß Wertminderungen bei dem Umlaufvermögen bereits auf der Aktivseite der Jahresbilanz bei der Ermittlung des Wertansatzes zu berücksichtigen sind. N u r bei den Forderungen besteht wegen des allgemeinen Kreditrisikos ein Interesse an einer Wertberichtigung. Das spezielle Kreditrisiko, das sich aus der besonderen Lage des Schuldners ergibt, kann audi dann nicht als „allgemeines Kreditrisiko" hier wertberichtigt werden, wenn es pauschal errechnet wird, namentlich bei kleinen Forderungen (vgl. Adler-Düring-Sdimaltz Tz 84). Dieses spezielle Risiko kommt bei der Bewertung der Forderung zum Zuge. Für die ebenfalls zum Anlagevermögen zählenden immateriellen Anlagewerte (Aktivseite II A Posten 8) ist als einziger Posten im Anlagevermögen eine Wertberichtigung deshalb nicht möglich, weil es sich um nidit greifbare und daher unsichere Werte handelt, die, obwohl es sich um Anlagewerte handelt, wie sonst nur Umlaufvermögen, schon auf der Aktivseite zum niedrigeren Wert angesetzt werden sollen. Sind auf der Aktivseite Gegenstände des Anlagevermögens zu den Anschaffungswerten eingesetzt und auf der Passivseite ein Wertberichtigungsposten ihnen gegenübergestellt, so sind folgerichtig die Abgänge gleichfalls in Höhe der ehemaligen Anschaffungskosten bei dem für diesen Posten gesondert ausgewiesenen Wertberichtigungsposten auf der Passivseite abzusetzen. VII. Rückstellungen Anm. 7: Rückstellungen dürfen nicht nur wie im bisherigen Recht für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 131 B IV AktG 37), „ungewisse Schulden", sondern auch für „drohende Verluste aus schwebenden Geschäften" gebildet werden (vgl. Nehm in WP 66, 3 ff.). Sachlich liegt darin jedoch kein Unterschied, da dies auch nach bisherigem Recht ganz allgemein angenommen wurde (vgl. über Wesen der Rückstellungen Anm. 36 zu § 151). Zwei besondere Arten von Rückstellungen sieht das Gesetz neu vor. Einmal für unter915

§152

Anm. 7

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

lassene Aufwendungen, für Instandsetzung oder Abraumbeseitigung und zum anderen für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden (vgl. Döllerer in BB 65, 1410). Damit sind die Möglichkeiten der Rückstellungen erschöpft, es wird ausdrücklich festgestellt, daß für andere Zwecke keine Rückstellungen gebildet werden dürfen. Die Bildung von Rückstellungen für diese Fälle ist deshalb vom Gesetz zugelassen worden, weil derartige Rückstellung z. Z. steuerlich anerkannt werden. Das setzt aber nach dem Grundsatz, daß die Steuerbilanz der Handelsbilanz folgt, voraus, daß die Rückstellungen auch in der Handelsbilanz gebildet werden dürfen. Da sich die Gesellschaften auf die steuerliche Lage eingestellt haben, die auch vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt her gesehen vernünftig ist, ist ihre Bildung in der Handelsbilanz für zulässig erklärt worden, um damit die steuerliche Anerkennung nicht zu gefährden. Allerdings erkennt das Steuerrecht Rückstellungen für unterlassene Reparaturen z. Z. nur an, wenn sie innerhalb von 3 Monaten nach dem Bilanzstichtag durchgeführt werden. Handelsrechtlich erscheint die Frist von 3 Monaten nicht begründet, weil im allgemeinen für ähnliche Fälle immer das laufende Geschäftsjahr maßgebend ist. Hier handelt es sich um das dem Bilanzstichtag folgende Geschäftsjahr. Es genügt, wenn innerhalb dieses die Reparatur nachgeholt wird. Beim Posten Rückstellungen ist in der Vorspalte gesondert der Betrag der Rückstellungen, die auf Reparaturen, Abraumbeseitigung und für Gewährleistungen vorgenommen werden, unter näherer Bezeichnung ihres Zwecks gesondert auszuweisen (vgl. Albach in BB 66, 382). Kropff (in B 66, 59) ist der Ansicht, daß Rückstellungen auch für solche Verpflichtungen gemacht werden dürfen, die rechtlich nicht mehr durchsetzbar, aber kaufmännisch zu erfüllen sind, wie z. B. verjährte oder nichtige. Diese Rückstellungen müssen deshalb möglich sein, weil Rückstellungen für Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtungen ausdrücklich im Gesetz zugelassen sind und beide Fälle sich letztlich gleichen würden. Döllerer (in BB 65, 1140) läßt derartige Rückstellungen als „ungewisse Verbindlichkeiten" zu. Adler-Düring-Sdimaltz (Tz 112) halten derartige Rückstellungen für problematisch. Wir schließen uns der von Kropff vertretenen Auffassung an; weil die den Kulanzrückstellungen zugrunde liegenden Verpflichtungen den hier in Rede stehenden Verpflichtungen wirtschaftlich gleichstehen. Für andere Zwecke dürfen keine Rückstellungen gebildet werden, das bedeutet, daß eine weitergehende Auslegung der im Gesetz genannten Fälle nicht möglich ist (ebenso Döllerer a. a. O. und teilweise Adler-Düring-Schmaltz Tz 112). Über die zulässige Höhe von Rückstellungen vgl. § 156 Anm. 4. Eine Passivierungspflicht besteht für Rückstellungen, für ungewisse Schulden und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, während für Rückstellungen für unterlassene Aufwendungen oder für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, ein Passivierungswahl recht besteht 916

Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz

§ 152 Anm. 7—8

(Kropff a. a. O.; Adler-Düring-Schmaltz Tz 158 und die dort angegebene Literatur). Über Pensionsrückstellungen vgl. § 151 Anm. 36. VIII. Verbot der Verrechnung Anm. 8: Das Verbot der Verrechnung gilt nach allgemeiner Meinung für alle Bilanzposten, es beruht auf den Gliederungsvorschriften des § 151 und auf § 149 I, wonadi der Jahresabschluß nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen ist. Er muß klar und übersichtlich sein. Sowohl das bisherige Recht (§ 131 V AktG 37), wie auch das neue greifen nur einige Posten heraus, bei denen die Versuchung zu einer Verrechnung besonders naheliegt und bei denen das Verrechnungsverbot nach bekanntgewordenen Fällen nicht immer eingehalten wurde. Neu eingefügt ist die Bestimmung, wonach nicht abgerechnete Leistungen nicht mit Anzahlungen verrechnet werden dürfen. Das Verrechnungsverbot von Forderungen mit Verbindlichkeiten gilt nur, wenn Schuldner und Gläubiger der Gesellschaft verschiedene Personen sind (wie hier Adler-Düring-Schmaltz Tz 167; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 84). Wenn Schuldner und Gläubiger dieselbe Person ist, wäre das Verrechnungsverbot dazu angetan, ein unter dem Gesichtspunkt der Deckung der Gläubiger falsches Bild entstehen zu lassen, denn die Aufrechnungsbefugnis wirkt wie ein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht, welches nach § 160 im Geschäftsbericht zu erwähnen wäre. Die Verrechnung in der Bilanz ist in einem solchen Falle als zulässig anzusehen. Bei Kontokorrent darf sogar nur der Saldo angeführt werden. Audi für das Verbot der Verrechnung sind die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung maßgebend. Das Verbot, Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten zu verrechnen, bedeutet, daß ein Grundstück nicht in der Weise aktiviert werden darf, daß die auf ihm ruhenden Lasten abgezogen werden, vielmehr ist der volle Wert zu aktivieren und die Belastung zu passivieren. Das Verbot, Rücklagen, Wertberichtigungen und Rückstellungen als Verbindlichkeiten aufzuführen, bedeutet, daß die Schaffung fiktiver Verbindlichkeiten und damit stiller Rücklagen verhindert wird. IX. Rechnungsabgrenzungsposten Anm. 9: Das AktG 37 ließ die Frage offen, was unter Rechnungsabgrenzungsposten zu verstehen ist. Man verstand darunter solche Posten, welche geleistete Zahlungen für Aufwendungen (Aktivseite) oder empfangene Zahlungen aus Erträgen (Passivseite) darstellen, die ganz oder teilweise in die neue Rechnungsperiode verlegt werden müssen, weil die Aufwendungen oder 917

§152 Anm. 9

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

der Ertrag ganz oder teilweise dem folgenden bzw. dem abgelaufenen Jahr zuzurechnen sind. Immer handelt es sich nur um soldie Posten, welche die Gewinn- und Verlustrechnung angehen und nicht unter die Bestandskonten der Bilanz fallen (Trumpler S. 117). Im Interesse der Bilanzklarheit dürfen erhebliche Geschäftsvorfälle nicht unter dem Sammelbegriff der Rechnungsabgrenzungsposten aufgeführt werden (Trumpler a. a. O.), ebenso nicht Posten für empfangene oder geleistete Zahlungen, die auf mehr als 1 Jahr zu verteilen sind. Für solche ist ein besonderes Bilanzkonto zu errichten, sie gehören zu den „transitorischen Konten" im weiteren Sinn, während unter die Rechnungsabgrenzungsposten nur die transitorischen Konten im engeren Sinn fallen. Das ist durch Abs. 9 nunmehr eindeutig klargestellt. Auf der Aktivseite dürfen unter Rechnungsabgrenzungsposten nur Ausgaben aufgeführt werden, die vor dem Bilanzstichtag entstanden sind und Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, umgekehrt auf der Passivseite nur Einnahmen, die vor dem Bilanzstichtag bereits eingegangen sind, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen (beachte jedoch § 156 I I I und dort Anm. 3). Zu den transitorischen Konten im weiteren Sinne, die nicht unter Rechnungsabgrenzungsposten aufgeführt werden dürfen, sondern für welche Spezialkonten einzurichten sind, zählen auch das Geschäfts- oder Firmenwertkonto (§ 153 V); ferner gehören hierzu die aktivierbaren Aufwendungen für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs ( § 1 5 3 IV). Nicht zu aktivieren sind sonstige Organisations-, Betriebs- und Verwaltungskosten, die auch späteren Jahren zugute kommen, soweit sie nidit im Rechnungsjahr durdi Zuschläge zu den Herstellungskosten der Erzeugnisse getilgt werden können; insbesondere seien erwähnt Kosten der Reklame, der Organisation, einer Betriebsverlegung, der Aufschließung von Terrain, von Bohrversuchen, für Geheimverfahren usw., auch die Bauzinsen (§ 53 III). Charakteristisch ist in all diesen Fällen, daß durdi die gemachten Aufwendungen ein aktivierbarer Vermögensgegenstand nicht oder nodi nicht gesdiafFen worden ist (Trumpler S. 94; Döllerer in BB 65, 1408). Soweit Reparaturen den Wert des reparierten Gegenstandes gegenüber dem letzten Bilanzwert oder seine Lebensdauer erhöht haben oder ihre Höhe die Verteilung auf mehrere Jahre erfordert, sind sie als Zuschreibung bei diesem Gegenstand zu aktivieren, was nach Abs. 1 gesondert aufzuführen ist. Ist das nidit möglich, so sind sie von der Gewinn- und Verlustrechnung zu tragen. Vielfach sind unter den Rechnungsabgrenzungsposten die sogenannten antizipativen Konten verbucht worden. Darunter versteht man z. B., daß ein erst bevorstehender Aufwand oder Ertrag auf das Rechnungsjahr mit zu verteilen und als Rechnungsabgrenzungsposten zu berücksichtigen ist, soweit hier nidit schon eine Schuld (sei es auch als Rückstellung) zu passivieren oder eine Forderung zu aktivieren ist, z. B. Zinsen und Mieten, die erst nach dem Abschlußstichtag 918

Vorbemerkung zu §§ 153-156

§ 152/Vorbem. §§ 153—156 Anm. 9,10

fällig werden. Das ist jetzt nicht mehr zulässig. Entweder sind in Wahrheit Forderungen oder Verbindlichkeiten entstanden, diese sollen dann als solche — eventuell als Rückstellungen — ausgewiesen werden, oder es handelt sich um überhaupt noch nicht bilanzierungsfähige Vorgänge (vgl. Albach in BB 66, 379). X. Verstoß Anm. 10: Wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses ist der Jahresabschluß nach § 256 IV nur nichtig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt sind. Eine solche wesentliche Beeinträchtigung wird vom Gesetz angenommen, wenn Abs. 1 S. 2 und Abs. 6 nicht beachtet sind, d. h., wenn Zugänge und Abgänge, Zuschreibungen, Abschreibungen und Wertberichtigungen sowie Umbuchungen nicht bei den einzelnen Posten des Anlagevermögens gesondert aufgeführt sind. Ferner bei Verletzung des Abs. 8, wenn gegen das Verbot der Verrechnung verstoßen wird. Die Aufzählung ist nur beispielhaft (vgl. Ausschußbericht). Auch andere schwerwiegende Gliederungsverstöße können zur Nichtigkeit führen (Handbuch VI, 63). Eine Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses gibt es, wenn die Verwaltung ihn feststellt, überhaupt nicht. Erfolgt die Feststellung durch Beschluß der Hauptversammlung, kann die Anfechtung nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Sie ist nur möglich, wenn der Beschluß als solcher nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Strafrechtlich können Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats und Abwickler nach § 400 Nr. 1 zur Verantwortung gezogen werden. Die zivilrechtliche Haftung für die Abwickler ergibt sich aus § 264 II in Verbindung mit § 93. Vorbemerkung zu §§ 153—156 Grundkonzeption der neuen Bewertungsvorschriften Die Vorschriften des AktG 37 über die Wertansätze in der Jahresbilanz waren einseitig auf den Gläubigerschutz abgestellt. Sie sorgten nur dafür, daß in der Jahresbilanz nicht zu hohe Werte angesetzt wurden, ließen aber Unterbewertungen zu. Dies kam in § 133 Nr. 1—3 AktG 37 in der Weise zum Ausdruck, daß die Gegenstände des Anlage- und des Umlaufvermögens höchstens zu einem bestimmten Wert anzusetzen waren, und daß Vorschriften, die der Bewertung eine Grenze nach unten setzen, fehlten (Regierungsbegründung). Von der Praxis wurde eine Unterbewertung — meist als Bildung stiller Rücklage bezeichnet — für zulässig gehalten. Auf den Grundlagen des bis919

Vorbem. §§ 153—156

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

herigen Rechts bauten auch die Bewertungsvorschriften des Regierungs-Entwurfs auf, wenn auch die Möglichkeit der Bildung stiller Rücklagen eingeschränkt wurde. In den Ausschüssen hat man sich dieser Konzeption aus folgenden Gründen nicht angeschlossen: Es ist eines der wichtigsten Anliegen der Aktienrechtsreform, die Rechnungslegung zu verbessern. Ein Hauptmangel des bisherigen Rechts wird darin gesehen, daß durch nicht erkennbare Bildung — und in gewissen Grenzen auch nicht erkennbare Auflösung — stiller Rücklagen die Vermögensund Ertragslage der Gesellschaft verschleiert wird. Die Möglichkeit, durch Bildung und Auflösung stiller Rücklagen den Gewinnausweis zu beeinflussen, ist aber mit der Natur des aktienrechtlichen Jahresabschlusses, durch den die Verwaltung gegenüber den Beteiligten, namentlich den Aktionären, Rechnung legt, im Grunde nicht zu vereinbaren, denn sie ersdiwert die Beurteilung und damit die Kontrolle der Verwaltung. Eine angemessene Kontrolle der Verwaltung ist aber Voraussetzung für das gute Funktionieren des Aktienrechts. Ohne sie wäre auf die Dauer der Fortbestand der sich selbst verwaltenden Aktiengesellschaft gefährdet. Wesentliche Verbesserungen der aktienrechtlichen Rechnungslegung sind auch im Hinblick auf das gesellschaftspolitische Ziel der Reform erforderlich, die Voraussetzungen für eine breite Streuung des Aktienbesitzes zu schaffen. Viele Bevölkerungskreise dürften durch den Erwerb von Aktien nicht zu gewinnen sein, solange der Eindruck besteht, daß der veröffentlichte Jahresabschluß nicht die wirkliche Vermögens- und Ertragsentwicklung zeigt. Aktienkäufer und -Verkäufer verlieren durch nicht erkennbare Bildung und Auflösung stiller Rücklagen wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung des Wertes der Aktien. Sie müssen befürchten, daß besser unterrichtete „Insider" ihre besonderen Kenntnisse zu Lasten der Kleinaktionäre ausnutzen. Von diesen Überlegungen ausgehend hat man sich entschlossen, auf ein anderes System von Bewertungsvorschriften überzugehen. Zwar bleibt es auch nach wie vor für die Gegenstände des Anlage- und des Umlaufvermögens bei der Beibehaltung von Höchstwerten, die mit der Folge der Nichtigkeit des Jahresabschlusses nicht überschritten werden dürfen. Neu ist jedoch, daß dieser höchstzulässige Wertansatz nicht beliebig unterschritten werden darf, vielmehr bestimmt das Gesetz, mit welchem Wert die einzelnen Vermögensgegenstände anzusetzen sind (vgl. Kormann in BB 66, 1277). Dabei überlassen die neuen Bewertungsvorschriften die Wahl der Bewertungsmethode im einzelnen weitgehend der Gesellschaft (vgl. Albach in BB 66, 379; Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 71). Der anzusetzende Wert ergibt sich daher in vielen Fällen nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern nur aus dem Gesetz in Verbindung mit der in den gesetzlichen Grenzen gewählten Bewertungs- und Abschreibungsmethode (Grundsatz der Methodenfrei920

Vorbemerkung zu §§ 153-156

Vorbem. §§ 153—156

heit, vgl. Adler-Düring-Schmaltz Vorbemerkung vor §§ 153—156 Tz 9). Von entscheidender Bedeutung ist daher, daß im Geschäftsbericht über die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden berichtet werden muß, in dem jede Änderung der Bewertungs- und Abschreibungsmethode erörtert werden muß und daß die betragsmäßigen Auswirkungen solcher Änderungen genannt werden müssen, wenn sie erheblich sind (§ 160 II). In diesen Berichtspflichten kommt als wesentlicher Grundzug des neuen Bewertungsrechts der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit zum Ausdruck. Hauptziel der neuen Bewertungsvorschriften ist, die Ergebnisse aufeinanderfolgender Geschäftsjahre vergleichbar zu machen. Vergleichbare Jahresabschlüsse sollen den Beteiligten die Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft zeigen und in gewissem Umfange auch den Ertragsvergleich mit anderen Gesellschaften erleichtern. Nach § 256 macht ein Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften den Jahresabschluß nichtig, wenn Posten überbewertet sind, d. h., wenn Aktivposten mit einem höheren Wert, Passivposten mit einem niedrigeren Wert angesetzt sind, als nach §§ 153—156 zulässig ist. Sind Posten unterbewertet, d. h., sind Aktivposten mit einem niedrigeren, Passivposten mit einem höheren Wert angesetzt, als nach den §§ 153—156 zulässig ist, so ist der Jahresabschluß nur dann nichtig, wenn dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird (§ 256 V). Eine Anfechtung des Jahresabschlusses wegen Verstoßes gegen die Bewertungsvorschriften gibt es nicht, wohl aber eine Sonderprüfung, für die die besonderen Bestimmungen der §§ 258—261 gelten. Sie kommt nur in Frage wegen unzulässiger Unterbewertung. Vorstand und Aufsichtsrat haften bei Verletzung der Vorschriften zivilrechtlich nach §§ 93,116, Abschlußprüfer nach § 168 sowie strafrechtlich nach § 400 Nr. 1, Abschlußprüfer nach § 403. Eine Sonderregelung gilt für Aktienbanken. Diese dürfen nach wie vor stille Rücklagen bilden und diese auch wieder still auflösen. Nach § 36 EG ist das Kreditwesengesetz dahin ergänzt worden, daß Aktienbanken Forderungen und Wertpapiere mit einem niedrigeren als den nach § 155 vorgeschriebenen Wert ansetzen zu können und daß sie die Angaben nach § 160 II im Geschäftsbericht nicht zu machen haben, d. h., sie brauchen Abweichungen des Jahresabschlusses vom vorangegangenen nicht anzugeben, sie können also Forderungen ausbuchen und stille Rücklagen auflösen. Die Bestimmung über die Folgen von Bewertungsverstößen ist für sie entsprechend verändert. Dies geschah, weil die Banken eine ausgleichende Funktion haben, als sie in erster Linie Konjunkturschwankungen unterworfen sind und Verluste auffangen müssen, deren offener Ausweis zu einer ungerechtfertigten Vertrauenskrise der Bank gegenüber und zu unüberseh921

V o r b e m . § § 153—156

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

baren Folgen führen könnte. Aus der Anhörung des Präsidenten des Bundesaufsichtsamts ergab sich, daß Mißbraudh der Banken verhindert werden könne, so daß sich der Gesetzgeber für diese Ausnahmeregelung entsdiieden hat (vgl. hierzu Scholz in W P 66, 57 S.; Mertin in W P 66, 148 ff.; Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 79 ff.).

§ 153 Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens (1) Gegenstände des Anlagevermögens sind zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um Abschreibungen oder Wertberichtigungen nach § 154 anzusetzen. Zugänge sind mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufzuführen. (2) Bei der Berechnung der Herstellungskosten dürfen in angemessenem Umfang Abnutzungen und sonstige Wertminderungen sowie angemessene Teile der Betriebs- und Verwaltungskosten eingerechnet werden, die auf den Zeitraum der Herstellung entfallen; Vertriebskosten gelten nicht als Betriebs- und Verwaltungskosten. (3) Für immaterielle Anlagewerte darf ein Aktivposten nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden. (4) Die Aufwendungen für die Gründung und Kapitalbeschaffung (§§ 182 bis 221) dürfen nicht als Aktivposten eingesetzt werden. Die Kosten der Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft dürfen unter die Posten des Anlagevermögens aufgenommen werden. Der Betrag ist gesondert auszuweisen und in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens einem Fünftel durch Abschreibungen zu tilgen. (5) Für den Geschäfts- oder Firmenwert darf kein Aktivposten eingesetzt werden. Übersteigt jedoch die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens im Zeitpunkt der Übernahme, so darf der Unterschied unter die Posten des Anlagevermögens aufgenommen werden. Der Betrag ist gesondert auszuweisen und in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens einem Fünftel durch Abschreibungen zu tilgen. I. Obersicht (Anm. 1) II. Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens (Anm. 2) 1. Anschaffungskosten (Anm. 3) 2. Herstellungskesten (Anm. 4) 3. Immaterielle Anlagewerte (Anm. 5)

922

4. Aufwendungen für die Gründung und Kosten der Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes (Anm. 6) 5. Aufwendungen für Kapitalbeschaffung (Anm. 7) 6. Geschäfts- und Firmenwert (Anm. 8)

'Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens

§ 153 Anm. 1—3

I. Übersicht Anm. 1: Während in dem AktG 37 die Wertansätze für die Gegenstände des Anlagevermögens und diejenigen des Umlaufvermögens zusammen mit den Abschreibungen und Wertberichtigungen, ferner mit den Bestimmungen über Ansätze von Passivposten geregelt waren, enthält nunmehr der § 153 die Bestimmungen über die Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens, der § 155 diejenigen über die Gegenstände des Umlaufvermögens, § 154 regelt die Abschreibungen und Wertberichtigungen und § 156 die Ansätze von Passivposten (im übrigen vgl. Vorbem. zu §§ 153 bis 156). Abs. 1 regelt, zu welchem Betrag Gegenstände des Anlagevermögens anzusetzen sind, jedoch grundsätzlich anders als § 133 AktG 37, der nur die Höchstgrenze bestimmte, während hier nunmehr gesagt ist, zu welchem Betrag die Gegenstände des Anlagevermögens anzusetzen sind und ferner ausdrücklich bestimmt ist, daß Zugänge mit diesem Wert aufzuführen sind. In Abs. 2 ist die Vorschrift des § 133 III Nr. 1 AktG 37 übernommen worden. Abs. 5 übernimmt der Sache nach die Bestimmung des § 133 Nr. 5 AktG 37, wonach für den Geschäfts- oder Firmenwert nur dann ein Aktivposten eingesetzt werden darf, wenn sie entgeltlich erworben wurde. Abs. 4 entspricht dem § 133 Nr. 4 AktG 37 mit der Maßgabe, daß, abgesehen von einer gewissen Erweiterung der Vorschrift, nunmehr die Höhe der Mindestabschreibung und deren Beginn festgelegt wird. Neu ist Abs. 3, der die immateriellen Anlagewerte behandelt (s. im einzelnen Anm. 5). II. 'Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens Anm. 2: Die bebauten und unbebauten Grundstücke, Maschinen und maschinelle Anlagen, Werkzeuge, Betriebs- und Geschäftsausstattung, also alle körperlichen Gegenstände des Anlagevermögens (Begriff vgl. § 151 Aktivseite II unter Anm. 5 bis 11) sind — nicht wie im bisherigen Recht: „dürfen höchstens" — zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, sowohl, wenn diese hinter dem wahren Wert zurückbleiben, als auch, wenn sie darüber hinausgehen. 7. Anschaftungskosten Anm. 3: Zu den Anschaffungskosten, wofür eine gesetzliche Begriffsbestimmung nicht gegeben wird, gehören neben dem Kaufpreis auch die Provisionen, Versicherungen, Steuern, Zölle, Transport-, Auslade- und Montagekosten, auch Kosten eines Prozesses (einschränkend Adler-Düring-Schmaltz Tz 15). Werden bei der Anschaffung Skonti oder Rabatte in Anspruch genommen, so ist der um diese ermäßigte Kaufpreis anzusetzen. Zinsen für ein zur Anschaffung aufgenommenes Darlehen gehören nicht zu den Anschaffungskosten 923

§153 Anm. 3,4

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

(sofern nicht durch das Darlehen etwa — ihrerseits abzusetzende — Skonti erzielt wurden oder sich der Wert lange lagernder Waren erhöht, die mit dem Darlehen bezahltw urden; zustimmend Adler-Düring-Sdimaltz Tz 19), ebenso auch nicht etwa anteilig die Generalverwaltungsunkosten (argumentum e contrario Abs. 2), deshalb auch nicht die Lagerverwaltungskosten (bis zum Beginn der Fabrikation Abs. 2). Grenzfälle: Lagerung von Holz, Wein, Unterhaltung eines eigenen Baubüros. Erwirbt die Aktiengesellschaft als Hypothekar in der Zwangsversteigerung ein Grundstück, so ist ein etwaiger Ausfall der eigenen Hypothek zum Kaufpreis zuzuschlagen, soweit sich der Ausfall nicht durch den Wert der erhalten gebliebenen Forderung gegen den persönlichen Schuldner mindert. Ermäßigen sich die Selbstkosten durch (unentgeltliche) Leistungen Dritter (Zuschüsse), so ermäßigt sich dementsprechend der zulässige Höchstwert (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 20). Werden Gegenstände in die Gesellschaft eingebracht, so ist der Anschaffungspreis der volle f ü r sie angesetzte Wert. Bei Austausch von Gegenständen ist der Wert anzusetzen, zu dem die fortgegebenen Werte unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen hätten zu Buch stehen können. Gleiches gilt f ü r Empfänge an Erfüllungs Statt. Waren die fortgegebenen Werte bereits über das Erforderliche abgeschrieben, so kann diese stille Rücklage, wie auch sonst, aufgelöst werden, indem zum wirklichen Wert übergegangen wird. Der dadurch entstehende Budigewinn ist in der Gewinnund Verlustrechnung besonders auszuweisen (§ 157 I Posten 11; vgl. AdlerDüring-Schmaltz Tz 27—32). Ist ein Gegenstand unentgeltlich erworben, so darf der dafür angesetzte Betrag den sonst üblichen Anschaffungswert (Zeitwert) nicht übersteigen (so Adler-Düring-Schmaltz Tz 53; B.-H. Rn. 11; a. A. die Voraufl.), wobei der Wert etwaiger Lasten natürlich zu passivieren und damit besonders auszuweisen ist. Satz 2 ist neu und stellt eine bisher nicht ganz unumstrittene Frage klar, nämlich, ob es im Ermessen der Gesellschaft liegt, einen tatsächlichen Zugang als solchen zu behandeln. Das wird nunmehr ausdrücklich bestimmt. Er ist mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Es ist also nicht zulässig, als Zugang schon einen durch Abschreibung verminderten Betrag aufzuführen. 2. Herstellungskosten Anm. 4: Bei der Berechnung der Herstellungskosten gestattet (zu eng Döllerer in BB 65, 1405, der eine Verpflichtung annimmt; wie hier Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 76; Matze in DB 67, 169; Kormann in BB 66, 1277) das Gesetz die Aktivierung des auf den hergestellten Gegenstand, richtiger seiner Herstellung, entfallenden angemessenen Anteils an den Abschreibungen auf die zu seiner Herstellung in Gebrauch genommenen Güter des Anlagevermögens, für deren Abnutzung und an den „ Generalunkosten " 924

Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens

§ 153 Anm.4,5

(Betriebs- und Verwaltungskosten), natürlich berechnet auf die Zeit der Herstellung, denn anderenfalls würde der Gewinn bei wachsenden stillen Zwangsrücklagen um so kleiner, je mehr auf Lager gearbeitet werden muß, dagegen unter Auflösung dieser stillen Rücklagen um so größer, je mehr vom Lager verkauft wird. Angemessen ist nur der Anteil an gesetzlich notwendigen der Abnutzung entsprechenden, nicht den bilanzmäßigen Abschreibungen, mögen letztere überhöht sein oder etwa, weil der Gegenstand schon voll abgeschrieben ist, unterbleiben, äußerst in derjenigen Höhe, in welcher ein solcher Anteil in dem Preis für die zum Verkauf, nicht zur Verwendung im eigenen Betrieb gelangenden Güter berücksichtigt werden kann. Bis zu dieser Grenze kann aber auch ein Anteil an einem „Stillstandkonto" aktiviert werden, auf dem die Leerlaufkosten bei nicht ausgenützter Kapazität gesammelt werden, ohne daß dadurch die Schranke des Angemessenen übersprungen wird (Trumpler S. 28). Spätere Aufwendungen auf Gegenstände des Anlagevermögens können dann zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten zugeschlagen werden, wenn es sich nicht um laufende Reparaturen, sondern um solche Aufwendungen handelt, durch die die Nutzungsdauer des Gegenstandes erhöht wird. Der Betrag ist dann als Zugang gemäß § 152 I in der Bilanz gesondert aufzuführen. Audi für solche aktivierbaren Erneuerungsaufwendungen gilt die Zulässigkeit, einen Anteil an den Abschreibungen und Generalunkosten mitzuaktivieren. Tritt nachträglich eine Werterhöhung eines Gegenstandes ein, so kann diese, sofern sie nicht nur vorübergehender Art ist, in der Bilanz bis zur Höhe des Anschaffungs- oder Herstellungspreises abzüglich Abschreibungen berücksichtigt werden. Ausdrücklich ausgenommen sind die Vertriebskosten, die sdion begrifflich nicht zu den Betriebs- und Verwaltungskosten (Generalunkosten) gehören. Das ist im Grunde selbstverständlich, denn § 153 spricht nur von den Wertansätzen der Gegenstände des Anlagevermögens. Diese sind aber nach § 152 I nur die Gegenstände, die dauernd dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen bestimmt sind. Hier kann es also keine Vertriebskosten geben. 3. Immaterielle Anlagewerte Anm. 5: Die immateriellen Anlagewerte sind die in § 151 auf der Aktivseite unter II A Posten 8 aufgeführten: Konzessionen, gewerbliche Sdiutzrechte und ähnliche Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten. Für sie darf — nicht muß (wie hier B.-H. Rn. 24; Adler-Düring-Schmaltz Tz 117; Kropff in Wp 64, 566; a.A. Döllerer in DB 65, 1408) — ein Aktivposten nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Es ist also unzulässig, die „Herstellungskosten", d. h. die Kosten der Entwicklung bis zum Erwerb gewerblicher Schutzrechte, insbesondere also Patente, wenn sie im eigenen Unternehmen entstanden sind, zu aktivieren, 925

§ 153 Rechnungslegung • Gewinnverwendung Anm. 5,6 auch dann, wenn sie einen selbständigen wirtschaftlichen Wert darstellen, also z. B. Lizenzen vergeben werden. Das beruht darauf, daß es schwer ist, derartige immaterielle Anlagewerte in ihrem wahren Wert zu beurteilen. Anders ist es, wenn diese Werte nicht selbst geschaffen, sondern entgeltlidi erworben wurden. Es kann, muß aber nicht der Anschaffungswert eingesetzt werden. Im Grunde genommen besagt diese Bestimmung, daß es bei diesen Werten keine Aktivierung von Herstellungskosten gibt. Bisher wurde das vielfach angenommen (für den Übergang, wenn solche Aktivierungen erfolgen, vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 122). Sind die Werte von Dritten geschaffen und alsdann von der Gesellschaft gegen Entgelt erworben worden, so sind außer dem Entgelt auch Nebenkosten aktivierungsfähig, wie Gebühren, Prozeßkosten und ähnliches. 4. Aufwendungen für die Gründung und Kosten der Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes Anm. 6: Die Aufwendungen für die Gründung dürfen nicht als Aktivposten eingesetzt werden. Hierzu gehören Gerichts- und Notariatskosten, Gebühren der Gründungsprüfer, Kosten für sonstige Prüfungen, Schätzungen und Gutachten Sachverständiger, Druckkosten für Prospekte, Aktien usw.; ferner Kapitalverkehrssteuer, Maklerprovision, Gründungsaufwandsentsdiädigung usw. Sie dürfen alle nicht aktiviert, keinem Bestandskonto gutgeschrieben, sondern nur der Gewinn- und Verlustrechnung belastet werden. Dagegen dürfen — ein Zwang besteht nicht (Kropff in Wp 64, 566; Adler-Düring-Schmaltz Tz 123) — die Kosten der „Ingangsetzung" — im bisherigen Recht „Einrichtung" — des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft unter die Posten des Anlagevermögens aufgenommen werden. Die Änderung im Wortlaut soll verdeutlichen, daß nur die ersten Anlaufkosten bei der Gründung der Gesellschaft aktiviert werden können, also insbesondere nicht Erweiterungen nach einer Kapitalerhöhung. Besteht ein Aktivposten für Erweiterung, so ist auf ihn Abs. 4 S. 3 anzuwenden (Kropff in DB 66, 673). Zu den Kosten gehören alle Aufwendungen, die zur Organisation des Geschäftsbetriebes und zu seinem Anlauf notwendig sind, aber ohne daß der Wert bestimmter einzelner Gegenstände erhöht wird, was einer Erhöhung des Wertansatzes für diese schon nach Abs. 1 gestattet, z. B. Vorversuche, Anlaufreklame, aber nicht die Verluste durch die sogenannten Kinderkrankheiten. Wie schon im bisherigen Recht (§ 133 Nr. 4 AktG 37) darf die Aktivierung niemals durch Zuschlag zu einem Gegenstand des Anlagevermögens, sondern immer nur als gesonderter Posten erfolgen. Audi die Verpflichtung zur Abschreibung war bereits im bisherigen Recht vorgesehen, sie ist jetzt im einzelnen genauer insofern vorgeschrieben, als die Abschreibung im folgenden Geschäftsjahr zu beginnen hat, und daß sie in diesem und in den späteren 926

Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens

§ 153 Anm. 6—8

Geschäftsjahren mindestens 1/s des aktivierten Betrages ausmachen muß. Diese Art der Regelung will vermeiden, daß bei der Gründung einer Gesellschaft dadurch Verlust eintritt, daß diese mit der Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes zusammenhängenden Kosten die Gewinn- und Verlustrechnung belasten, so daß leicht schon im ersten Jahr ein Verlust entstünde, der vor Beginn von Dividendenzahlung erst getilgt werden müßte. Die Aktivierung dieser Beträge und die verhältnismäßig schnelle Abschreibung ermöglichen auf der einen Seite eine zeitige Gewinnausschüttung, auf der anderen Seite wird dafür die Gewähr geboten, daß ein Posten, der im Grunde nicht aktivierungsfähig ist, in verhältnismäßig kurzer Zeit verschwindet. Die gleiche Regelung ist für den Fall vorgesehen, daß ausnahmsweise ein Geschäfts- oder Firmenwert aktiviert werden darf, Abs. 5 S. 3. 5. Aufwendungen für Kapitalbeschaffung Anm. 7: Durch die Angabe der §§ 182—221 wird vom Gesetz ausdrücklich klargestellt, daß alle Kapitalbeschaffungsmaßnahmen unter diese Bestimmung fallen, d. h. auch die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen und von Gewinnschuldverschreibungen (§ 221). Es besagt weiter, daß die Aufwendungen für die Kapitalbeschaffungen aller Art nicht als Aktivposten eingesetzt werden dürfen. Dies entspricht dem bisherigen Recht. Unklar war nur, ob nach einer Kapitalbeschaffung die Kosten einer Betriebserweiterung als „Kosten der Betriebseinrichtung'' aktiviert werden dürften. Das ist nunmehr dahin klargestellt, daß das nicht der Fall ist, vgl. oben Anm. 6. 6. Geschäfts- und Firmenwert Anm. 8: Der Geschäfts- und Firmenwert (sog. goodwill) darf grundsätzlich nidit aktiviert werden. Hierher gehört z. B. auch der Wert, der in der Beteiligung an Syndikaten und Kartellen sowie in Quoten und Kontingenten steckt (s. RG in DR 1941, 2113 mit Anm. von Haupt, ferner RG 167, 260). Dieses Verbot der Aktivierung gilt nur, wenn der goodwill selbst geschaffen ist. Es darf also die selbst errichtete Firma und der selbst gewonnene Geschäftswert nicht aktiviert werden, ebenso nicht die Quoten und Kontingente, wenn sie infolge Eintritts der Gesellschaft in Syndikate oder Kartelle ohne Ankauf des Rechts entstanden sind. Hat aber die Gesellschaft einen dieser Werte entgeltlich (z. B. käuflich oder als Einlage auf Aktien) erworben, so ist die Aktivierung zulässig, niemals aber Pflicht (Kropff in Wp 64, 566; Adler-Düring-Schmaltz Tz 131; B.-H. Rn. 26). Voraussetzung ist letzterenfalls für die Aktivierung des Geschäfts- und Firmenwerts bei Übernahme eines Unternehmens, daß der Kaufpreis des Gesamtunternehmens höher war als die Summe der Werte der einzelnen Gegenstände; die Differenz, aber höchstens sie, stellt den Preis für den goodwill dar und kann dementsprechend aktiviert werden. Er muß als besonde927

§153 Anm. 8

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

rer Bilanzposten unter die Aktiven aufgenommen werden und, wie die Kosten für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes (s. oben Anm. 6), vom folgenden Geschäftsjahr an und in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens V5 des aktivierten Betrages abgeschrieben werden. Schwierigkeiten können sich daraus ergeben, daß im Kaufvertrag der Preis für den goodwill nicht gesondert ausgeworfen ist, sondern durch Überhöhung der Preise für einzelne Gegenstände des Anlagevermögens ausgedrückt worden ist. Dürfte dieser überhöhte Preis der einzelnen Gegenstände als Wertansatz für diese in der Bilanz gemäß Abs. 1 übernommen werden, so würde sich seine gesetzliche Abschreibebedürftigkeit nach anderen Regeln richten und der S a t z 3 des Abs. 5 umgangen werden. Es sind darum auch bei der Ermittlung der Werte im Sinn dieser Bestimmung nicht die Vertragswerte (-ansätze) ohne weiteres in allen Fällen maßgebend. Es gibt dann auch keine verläßlichen Anschaffungskosten, denn die scheinbaren Anschaffungskosten sind j a gerade diese Vertragswerte. Es handelt sich darum, die wirklichen Anschaffungskosten und mit ihnen den Uberpreis zu finden. Es muß also unter dem Begriff „Werte der einzelnen Vermögensgegenstände" etwas anderes gemeint sein als die Vertragswerte, und zwar muß zunächst ein objektiver Maßstab gefunden werden. M a n kann an die Kosten der Neuherstellung oder -beschaff ung denken (mit entsprechenden Minderungen für gebrauchte Sachen), ohne daß dies zwingend ist, denn ein K a u f m a n n wird für eine fertige Anlage, die ihm sofortiges Verdienen gestattet, auch unter diesem Gesichtspunkt mehr bewilligen als den Aufwand, den er machen müßte, um sie herzustellen, und dieses Plus selbst wieder Geschäftswert zu nennen, scheint uns nicht angängig. Nach R G 167, 2 6 3 verstehen Verkehr und Rechtsprechung unter Firmen- und Geschäftswert den Betrag, um den der Wert des lebenden Unternehmens als Ganzes den Saldo der Aktiven über die Passiven übersteigt. Eine andere Frage sei, was davon als maßgeblicher Bestandteil umfaßt werde. Das seien alle für die Bewertung des lebenden Betriebes und seine Erfolgsaussichten wichtigen Umstände, die in anderen Posten der Bilanz nicht erf a ß t sind, also z. B . die nicht aktivierungsfähigen immateriellen Anlagewerte nach Abs. 3. Gerade hier ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten, weil die eigenen Aufwendungen für diese Gegenstände nicht aktiviert werden dürfen, sondern nur die Anschaffungskosten, wenn sie entgeltlich erworben sind. Ebenso schwierig ist die Abgrenzung des Geschäftswerts vom Wert laufender Verträge. Diese sind, wenn auch im allgemeinen nicht bilanzfähig, selbständige Vermögenswerte und gehören mehr zum inneren Geschäftswert, anders als ihre bloßen Erneuerungsaussichten ( R G a. a. O., 2 6 5 ) . N u r rechtlich gesicherte Vermögensvorteile (so Vertreterverträge mit Alleinverkaufsrecht, Beteiligungen an Syndikaten und Kartellen, Quoten und Kontingente, Interessengemeinschaften) sind dagegen Bestandteile des inneren Geschäfts928

Abschreibungen • Wertberichtigungen

§§153/154

Anm. 8 wertes, auch während die rechtliche Sicherung dauert (in dieser Beziehung unrichtig R G a . a. O. und II 34/1943, wo derartige Verträge nur aufgrund Parteiwillens nicht zu den nach Maßgabe von § 740 BGB zu beendigenden schwebenden Geschäften gerechnet und in der Abfindungsbilanz zu einem Schätzungswert aktiviert werden). Entscheidend ist, daß die Gewinne, deren Grundlage diese Vertragsverhältnisse sein mögen, das Ergebnis neuer Operationen sind. Daher sind diese Rahmenverhältnisse selbst keine Aktiva, deren Vermögenswert festzustellen wäre. Ob sie übertragbar sind oder nicht (vgl. RG 167, 267), dürfte keine Rolle spielen. Die genaue Abgrenzung des Geschäftswerts von anderen, normalerweise nicht bilanzierungsfähigen Vermögenswerten ist nur für den Fall, daß bei abgeleitetem Erwerb ein Entgelt gewährt wird, interessant, weil die vorliegende Vorschrift nur auf den Geschäftswert anzuwenden ist, nicht aber auf andere, nur wegen Aufwendung von Anschaffungskosten, sonst aber nicht aktivierbaren Vermögenswerte. Letztere folgen vielmehr eigenen Grundsätzen, auch wenn bei abgeleitetem Erwerb für sie und den Geschäftswert ein einheitliches Entgelt bezahlt wurde. § 154 Abschreibungen. Wertberichtigungen (1) Bei den Gegenständen des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um planmäßige Abschreibungen oder "Wertberichtigungen zu vermindern. Der Plan muß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach einer den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Abschreibungsmethode auf die Geschäftsjahre verteilen, in denen der Gegenstand voraussichtlich genutzt werden kann. (2) Ohne Rücksicht darauf, ob ihre Nutzung zeitlich begrenzt ist, können bei Gegenständen des Anlagevermögens außerplanmäßige Abschreibungen oder "Wertberichtigungen vorgenommen werden, um die Gegenstände 1. mit dem niedrigeren Wert, der ihnen am Abschlußstichtag beizulegen ist, oder 2. mit dem niedrigeren Wert, der für Zwecke der Steuern vom Einkommen und vom Ertrag für zulässig gehalten wird, anzusetzen; sie sind vorzunehmen bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Der niedrigere Wertansatz darf beibehalten werden, auch wenn die Gründe der außerplanmäßigen Abschreibung oder Wertberichtigung nicht mehr bestehen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Abschreibungen und Wertberichtigungen (Anm. 2)

1. Planmäßige (Anm. 3) 2. Außerplanmäßige (Anm. 4) III. Übergangsbestimmungen (Anm. 5)

929

§154

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 1—3 I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift betont durch die getrennte Regelung der planmäßigen (Abs. 1) und der außerplanmäßigen Abschreibungen (Abs. 2) den Grundgedanken des neuen Bewertungsrechts, das planmäßig zu bewerten ist. Diesem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit entspricht es, daß nach Abs. 2 S. 2 ein niedrigerer Wertansatz beibehalten werden darf, auch wenn die Gründe der außerplanmäßigen Abschreibung nicht mehr bestehen. Über das Verhältnis zum bisherigen Recht, insbesondere Aufgliederung des § 133 AktG 37 in die §§ 153—156, vgl. § 153 Anm. 1 und Vorbem. zu §§ 153—156. II. Abschreibungen und Wertberichtigungen Anm. 2: Während der Beratung des Gesetzes wurde erörtert, ob Abschreibungen auf Anlagen nur in Form von Wertberichtigungen (auf der Passivseite) vorgenommen werden sollten. Nach Anhörung von Wirtschaftsprüfern als Sachverständige hat man sich jedoch dahin entschieden, dem Unternehmen — wie bisher — die Wahl zwischen der direkten und der indirekten Abschreibung (in der Form von Wertberichtigung) zu belassen (im einzelnen vgl. hierzu § 152 Anm. 2). Abschreibungen kommen nur für Gegenstände des Anlagevermögens in Frage, Wertberichtigungen, in erster Linie auch für diese, können auch für die zum Umlaufvermögen gehörigen Forderungen, und zwar in Form einer Pauschalwertberichtigung wegen des allgemeinen Kreditrisikos vorgenommen werden. Diese ist unter der Bezeichnung „Pauschalwertberichtigung zu Forderungen" auszuweisen (vgl. § 152 VI). 1. Planmäßige Anm. 3: Im Gegensatz zu § 133 AktG 37 wird nicht mehr auf die Gliederungsvorschriften verwiesen. Die neue Vorschrift stellt darauf ab, ob die Gegenstände des Anlagevermögens in der Nutzung zeitlich begrenzt sind, und bestimmt, daß bei diesen planmäßigen Abschreibungen oder Wertberichtigungen vorgenommen werden müssen. Die Höhe schreibt das Gesetz nicht vor, auch nicht die Methode. In beidem hat die Gesellschaft freie Hand, nur zwei Voraussetzungen müssen erfüllt sein: a) die Abschreibungen oder Wertberichtigungen müssen planmäßig sein; b) der Plan muß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach einer den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Absdireibungsmethode auf die Geschäftsjahre verteilen, in denen der Gegenstand voraussichtlich genutzt werden kann (vgl. Forster in WP 66, 20). Aus dem Gesetzeswortlaut — der im wesentlichen der Vorschrift des § 133 II Nr. 1 AktG 37 entspricht — könnte gefolgert werden, daß 930

Abschreibungen • Wertberichtigungen

§ 154 Anm. 3,4

der Wertverlust auf die einzelnen Jahre gleichmäßig verteilt werden müßte. Dies ist nicht der Fall. Es kann sehr wohl in den Jahren, in denen er stärker eintritt, auch in erhöhtem Maße berücksichtigt werden. Selbstverständlich ist auch die degressive Abschreibungsmethode zulässig, die sich weitestgehend eingebürgert hat. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die Entwertung in den ersten Jahren nach der Anschaffung größer zu sein pflegt als in späteren Jahren. Die Abschreibung kann aber auch eine lineare sein. Es muß jährlich stets wenigstens soviel abgeschrieben werden, als der mutmaßlichen Nutzungsdauer entspricht. Es können mithin die Abschreibungen nur dann unter diesen Jahresanteil bemessen werden oder unterbleiben, wenn in den Jahren vorher mehr abgeschrieben wurde als nötig. Diese Abweichung muß jedoch im Geschäftsbericht mitgeteilt werden (vgl. § 160). Wird jährlich gleichbleibend abgeschrieben, so ist es nicht notwendig, den Satz zu erhöhen, wenn der Wertverlust tatsächlich im einzelnen Jahr höher ist, als dieser Anteil der Jahresabschreibung war. Neben der Wertminderung durch tatsächliche Abnutzung ist der Wertverlust zu berücksichtigen, der durch technische Neuerungen eintritt. Er spielt eine zunehmende Rolle in den letzten Jahrzehnten. Es ist eine schwierige Aufgabe, die voraussichtliche Nutzungsdauer eines Gegenstandes festzustellen. Selbstverständlich handelt es sich dabei, wie immer, um eine Schätzung. Audi insoweit hat die Gesellschaft weitestgehend freie Hand. Es gibt keinen sicheren objektiven Maßstab; es ist durchaus denkbar, ja sogar wahrscheinlich, daß derselbe Gegenstand bei gleicher Nutzung in zwei verschiedenen Gesellschaften mit einer verschiedenen Nutzungsdauer bei der Berechnung der Abschreibung eingesetzt wird. Der Grundsatz der freien Bewertungsmöglichkeiten für die Gesellschaft, wie er sich insbesondere aus § 155 bei den Gegenständen des Umlaufvermögens unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, gilt auch hier für die Abschreibungen oder Wertberichtigungen beim Anlagevermögen (vgl. Vorbemerkungen vor §5 153—156). Praktisch wird dadurch die Gesellschaft gezwungen, einen internen Abschreibungsplan aufzustellen, in dem die Abschreibungsmethode und -zeit festgelegt werden (vgl. Möhring in N J W 1966, 89). Dabei genügt die Festlegung des Abschreibungsbetrages, denn daraus ergibt sich die Abschreibungszeit. 2. Außerplanmäßige Anm. 4: Der Grundsatz, daß nur planmäßige Abschreibungen und Wertberichtigungen zulässig sind, wird in zwei Fällen durchbrochen. Es war im bisherigen Redit zweifelhaft, inwieweit das Niederstwertprinzip, das bei der Bewertung von Gegenständen des Umlaufvermögens gültig ist, auch für Gegenstände des Anlagevermögens zu gelten hat. Diese Frage wird nunmehr dahin entschieden, daß die Gegenstände, deren Wert am Abschlußstichtag niedriger liegen als sich nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und 931

§154 Anm. 4

Redinungslegung • Gewinnverwendung

den planmäßigen Abschreibungen nach Abs. 1 ergibt, durch außerplanmäßige Abschreibungen auf diesen niedrigeren Wert abgeschrieben werden können, nicht müssen. Ist die Wertminderung voraussichtlich eine dauernde, so müssen sie auf diesen Wert abgeschrieben werden. Es entspricht der weitaus herrschenden Meinung, daß beim Anlagevermögen trotz geringeren Zeitwerts der höhere Anschaffungswert vermindert um die planmäßigen Abschreibungen anzusetzen ist, wenn es sich nicht um dauernde, sondern um vorübergehende Wertverluste handelt, welche mehr in der Marktbewertung als in dem wirklichen Wert der Vermögensanlage begründet sind. So wird bei festverzinslichen Papieren mit bestimmtem Auszahlungskurs und -termin auch bei dauerndem Kursverlust eine Abschreibung nicht notwendig sein, wenn feststeht, daß die Gesellschaft den Rückzahlungstermin abwarten kann. Ähnliches gilt für Aktien, die die Gesellschaft nicht zu verkaufen gedenkt, wenn ihr Börsenkurs unter ihren wahren Wert sinkt bei dauernden rückläufigen Kursbewegungen. In diesen Fällen hat die Gesellschaft das Wahlrecht, ob sie eine außerplanmäßige Abschreibung machen will oder nicht. Anders ist es, wenn ein Dauerverlust vorliegt, z. B. dann, wenn von vornherein aus machtpolitischem Interesse für Aktien ein erheblicher Überpreis gezahlt wurde — solche Oberpreise für geschlossene Pakete können zwar einem bleibenden Mehrwert entsprechen, aber es ist zu beachten, daß große Pakete auch oft nur mit Verlusten zu placieren sind — oder wenn z. B. eine Zusammenlegung der Beteiligungen erfolgt oder gar das Beteiligungsunternehmen in Konkurs geht. Die Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns entscheiden auch in solchen Fällen über das Maß außerplanmäßiger Abschreibungen. Daß solche zu machen sind, sieht das Gesetz vor, sofern die Frage, ob es sich voraussichtlich um einen Dauerverlust handelt, zu bejahen ist. D a dies im Einzelfall zweifelhaft sein wird, ist stets Vorsicht geboten. Wenn das Beteiligungsunternehmen Verluste erleidet und anzunehmen ist, daß diese überwunden werden, so liegen die Voraussetzungen für eine außerplanmäßige Abschreibung nicht vor. Diese kann, muß aber nicht erfolgen, wenn der Wert der Beteiligungen am Abschlußstichtag unter dem Buchwert liegt. Eine Sonderabschreibung kann auch bereits dann erfolgen, wenn sich übersehen läßt, daß der Zeitwert den Wert, der sich aus planmäßigen Abschreibungen ergibt, während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer nicht erreichen wird. Der zweite Fall, für den außerplanmäßige Abschreibungen für zulässig erklärt werden, ist völlig anders gelagert. Hier handelt es sich nicht um die Anpassung an niedrigere Tageswerte, sondern um eine Rücksichtnahme auf den steuerlichen Grundsatz, daß die Steuerbilanz der Handelsbilanz folgt (§ 5 EStG). Es soll der Gesellschaft die Möglichkeit gegeben werden, einen steuerlich zulässigen, niedrigeren Ansatz der Bewertung eines Gegenstandes 932

Abschreibungen • Wertberichtigungen

§ 154 Anm. 4,5

des Anlagevermögens dadurch auszunutzen, daß auch handelsrechtlich durch entsprechende Abschreibungen der Gegenstand auf diesen Wert abgeschrieben wird. Es wäre eine Unbilligkeit, die Gesellschaft durch die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften daran zu hindern, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten auszunutzen. Erweist sich, daß der niedrigere Ansatz von den Steuerbehörden nicht anerkannt wird, so kann es für die Handelsbilanz dennoch bei den niedrigeren Ansätzen verbleiben, wenn diese nicht von vornherein ein Ermessensmißbrauch waren (Saage in Neue Betriebswirtschaft 66,78). Jede außerplanmäßige Abschreibung ist — ebenso wie eine Änderung in der planmäßigen Abschreibungsmethode oder -maß — im Geschäftsbericht nach § 160 II anzugeben (vgl. im einzelnen dort Anm. 4). Wenn nach Abs. 2 Nr. 1 und 2 eine außerplanmäßige Abschreibung stattgefunden hat, so kann — nicht muß — dieser dadurch erreichte niedrigere Wertansatz beibehalten werden, auch wenn die Gründe der außerplanmäßigen Abschreibung oder Wertberichtigung nicht mehr bestehen. Damit kommt der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit erneut deutlich zum Ausdruck. Es beständen keinerlei Bedenken, ja es müßte sogar als richtig angesehen werden, wenn bei einer Wertsteigerung der einer Sonderabschreibung unterlegenen Gegenstände diese zumindest wieder zum alten Buchwert vermindert um die zwischenzeitlichen planmäßigen Abschreibungen angesetzt werden müßten. Unter dem Gesichtspunkt, daß der wahre Bilanzgewinn den Aktionären zur Gewinnverwendung zur Verfügung gestellt werden soll, wäre dies sogar in der Gesamttendenz des Gesetzes das Richtige. Wenn man trotzdem davon abgesehen hat, so nur deshalb, weil der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit eine so hohe Bedeutung dadurch gewonnen hat, daß man auf der anderen Seite sehr weitgehende Ermessensfreiheit in der Auswahl der Bewertungsmethode und damit in der Bewertungshöhe dem Unternehmen gelassen hat. Ein ständiger Wechsel in der Bewertung würde trotz der Vorschrift des § 160 zu Unklarheiten führen. III. Obergangsbestimmungen Anm. 5: Über das Inkrafttreten der Bestimmungen über die Rechnungslegung (§ 14 EG) vgl. Vorbem. zu § 148. Da die neuen Bewertungsvorschriften nicht mehr nur eine Höchstgrenze bestimmen, sondern ausdrücklich angeben, mit welchem Wert die Gegenstände des Anlagevermögens einzusetzen sind, müßte an sich mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen eine völlig neue Bilanz aufgestellt werden. Die Bilanzkontinuität würde damit unterbrochen, allerdings würden nunmehr durch Aufstellung der Bilanz mit den neuen Werten die bisherigen stillen Rücklagen, die im Anlagevermögen stecken, aufgelöst. Das hätte zwar für die Publizität einen gewissen Fortschritt bedeutet, aber zum Ausweis von Gewinnen geführt, die in ganz ande933

§§154/155 Anm.5

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

ren Zeitabschnitten entstanden sind. Deshalb geht das Gesetz davon aus, daß die Gegenstände des Anlagevermögens mit dem bisherigen Wert angesetzt werden dürfen, auch, wenn dieser niedriger war, als nach den neuen Bestimmungen der §§ 153, 154 in Zukunft zulässig ist (vgl. Hornef in BB 66, 505). Der Wertansatz gilt gewissermaßen als Anschaffungs- bzw. Herstellungswert, von dem nunmehr die Abschreibungen und Wertberichtigungen nach den Bestimmungen des § 154 zu machen sind. Eine Bindung an diese Bewertung besteht aber nicht, vielmehr darf auch eine Neubewertung und damit eine Auflösung stiller Reserven erfolgen. In diesem Fall halten wir es f ü r zulässig, § 14 IV EG anzuwenden (vgl. § 155 A n m . 5 ; ebenso Kropff in BB 66, 675; Esser in Die AktGes. 65, 318 a; a. A. Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 79; Gördeler in W P 67, 7; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 33).

§ 155 Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens (1) Die Gegenstände des Umlaufvermögens sind zu den Anschaffungsoder Herstellungskosten anzusetzen, soweit nicht ein niedrigerer Wertansatz nach Absatz 2 geboten oder nach den Absätzen 3 und 4 zulässig ist. Für die Berechnung der Herstellungskosten gilt § 153 Abs. 2. Soweit es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann ffir den Wertansatz gleichartiger Gegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, daß die zuerst oder daß die zuletzt angeschafften oder hergestellten Gegenstände zuerst oder in einer sonstigen bestimmten Folge verbraucht oder veräußert worden sind. (2) Sind die Ansdiaffungs- oder Herstellungskosten höher als der Wert, der sich aus dem Börsen- oder Marktpreis am Abschlußstichtag ergibt, so ist dieser Wert anzusetzen. Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Wert, der den Gegenständen am Absdilußstichtag beizulegen ist, so ist dieser Wert anzusetzen. (3) Die Gegenstände des Umlaufvermögens dürfen mit einem niedrigeren Wert als dem Wert nach Absatz 1 oder Absatz 2 angesetzt werden, soweit der niedrigere Wertansatz 1. bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um zu verhindern, daß in der nächsten Zukunft der Wertansatz dieser Gegenstände auf Grund von Wertschwankungen geändert werden muß oder 2. für Zwecke der Steuern vom Einkommen und vom Ertrag für zulässig gehalten wird. (4) Ein niedrigerer Wertansatz nach den Absätzen 2 oder 3 darf beibehalten werden, auch wenn seine Gründe nicht mehr bestehen. 934

Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens I. Übersicht (Anm. 1) II. Wertansätze 1. Allgemeines (Anm. 2)

§155

Anm. 1,2

2. Einzelne Posten (Anm. 3) 3. Außergewöhnliche Wertansätze (Anm. 4) III. Obergangsbestimmungen (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: So wie in § 153 für die Wertansätze der Gegenstände des Anlagevermögens wird in § 155 für die des Umlaufvermögens nidit mehr nur eine Höchstgrenze festgesetzt, sondern es wird bestimmt, zu welchen Werten die Ansätze zu erfolgen haben. Es sind, ebenso wie beim Anlagevermögen, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Für die Berechnung der Herstellungskosten wird auf die Bestimmungen des § 153 II verwiesen. Weitgehend angeglichen sind jetzt audi die Gegenstände des Anlagevermögens und die des Umlaufvermögens insoweit, als jetzt auch bei den Anlagewerten das Niederstwertprinzip gilt, das bisher schon für das Umlaufvermögen maßgebend war. Entsprechend den außerplanmäßigen Abschreibungen und Wertberichtigungen bei den Gegenständen des Anlagevermögens nach § 154 II, kann bei Gegenständen des Umlaufvermögens in bestimmten Fällen ein niedrigerer Wert, als der sich aus der allgemein vorgeschriebenen Bewertung ergebende, eingesetzt werden, der auch dann beibehalten werden darf, wenn die Gründe für den niedrigeren Wertansatz nicht mehr bestehen. Abs. 1 S. 1 und 2 und Abs. 2 entsprechen im wesentlichen den Bestimmungen des § 133 Nr. 3 AktG 37, vgl. im übrigen Vorbem. vor §§ 153—156 und § 153 Anm. 1. II. Wertansätze 1. Allgemeines Anm. 2: Für alle Gegenstände des Umlaufvermögens sind folgende Werte anzusetzen: Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Abs. 1) unter Berücksichtigung des Wertes am Abschlußstichtag (Abs. 2), und zwar ist maßgebend der geringere der beiden Werte, d. h., es gilt beim Umlaufvermögen das Niederstwertprinzip. Unrealisierte Gewinne dürfen also nicht ausgewiesen werden. Das Gegenteil ist für die unrealisierten Verluste vorgeschrieben (Trumpler S. 36). Sie dürfen nicht allmählich, sondern müssen sofort in voller Höhe abgeschrieben werden. Liegen sie auf noch schwebenden Geschäften, müssen sie durch Rückstellungen berücksichtigt werden. Bei der Frage, was als Wert des Bilanzstichtages anzusehen ist, muß unterschieden werden: a) handelt es sich um zur Bearbeitung bestimmte Gegenstände, wie z. B. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, so ist es der Beschaffungspreis; 935

§ 155 Anm. 2,3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

b) befinden sich die Gegenstände im Produktionsprozeß, so ist es der Verkaufspreis; c) handelt es sich um Handelsware, so ist es der aus Beschaffungs- und Verkaufspreis zu ermittelnde Preis (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 151); d) besteht ein Börsen- oder Marktpreis, so ist dieser, und zwar derjenige des Bilanzstichtages. Börsenpreis ist der an einer deutschen Börse amtlich festgestellte Preis. Marktpreis ist der Durchschnittspreis, der sich aus dem Vergleich einer erheblichen Anzahl an dem Ort, an dem die Gesellschaft die Waren einzukaufen oder abzusetzen pflegt, am Abschlußstichtag über Waren und Wertpapiere der betreffenden Art und Güter geschlossener Kaufverträge ergibt. Sind an diesem Tag mehrere Börsen- oder Marktpreise notiert, so ist der zuletzt notierte maßgebend. Besteht ein Börsen- oder Marktpreis nicht, so ist der Wert des Bilanzstichtages nach sorgfältiger kaufmännischer Uberlegung zu ermitteln. e) Halbfabrikate sind zu den Herstellungskosten oder zum (geringeren) Wert einzusetzen, der sich aus dem Weg der Fertigerzeugnisse durch Abzug der Restkosten ihrer Fertigstellung ergibt. Für die Anschaffungs- und Herstellungskosten gilt das in Anm. 3 und 4 zu § 153 Gesagte. Jedoch ist hier zu berücksichtigen, daß bereits bei Berechnung der Wertansätze nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten u. U. ein niedrigerer Wert anzusetzen ist, und zwar wenn die Fälle des Abs. 3 vorliegen. Das ist bei Gegenständen des Anlagevermögens insofern anders, als dort sich die Wertminderung in verstärkter Abschreibung oder erhöhter Wertberichtigung niederschlägt, während hier schon beim Wertansatz die zusätzlichen Abschläge gemacht werden müssen (vgl. Leffson in WP 67, 57). Zum Umlaufvermögen gehören alle die Gegenstände, die nicht dazu bestimmt sind, dauernd durch Gebrauch, sondern durch Verbrauch oder Verkauf dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen, denn nicht alle Gegenstände, die sich rasch aufbrauchen, gehören zum Umlaufvermögen. So sind z.B. Büroutensilien, wenn überhaupt, unter Anlagewerte zu aktivieren, während Roh- und Hilfsstoffe zum Umlaufvermögen gehören. Was im einzelnen zum Umlaufvermögen gehört, ergibt sich aus § 151 Aktivseite III. 2. Einzelne Posten Anm. 3: Vorräte (§ 151 Aktivseite III Posten 1 bis 3) sind zum Einstandswert (Anschaffungswert oder Herstellungskosten) oder dem Wert des Bilanzstichtages anzusetzen, falls letzterer niedriger ist (vgl. Albach in BB 66, 379; Döllerer in BB 65, 1412). Die neu eingefügte Bestimmung in Abs. 1 S. 3 befaßt sich mit Bewertungsmethoden von Gegenständen des Vorratsvermögens, bei denen die tatsächlich angefallenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten deshalb im einzelnen nicht mehr zu ermitteln sind, weil laufend „gleichartige" Gegenstände dem Vorratsvermögen zufließen und 936

Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens

§ 155 Anm. 3

ebenso entnommen werden. Gleichartigkeit liegt vor, wenn bei annähernder Preisgleichheit entweder eine gleiche Warengattung oder Funktionsgleichheit vorliegt (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 102). Das Gesetz gestattet, daß in diesem Fall von einer Einzelbewertung der Gegenstände des Vorratsvermögens abgesehen werden kann. Die Zulässigkeit der Gruppenbewertung von Vorratsvermögen ist inzwischen in § 40 IV HGB durch das Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuches und der Abgabenordnung vom 2. 8.1965 (BGBl. I S. 665) geregelt worden. Es ist auch nicht notwendig festzustellen, welche einzelnen „gleichartige" Gegenstände verbraucht sind. Es wird vielmehr jeder den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechender Wertansatz für zulässig erklärt und zwei besonders bekannte und gebräuchliche Methoden ausdrücklich genannt, nämlich die sogenannte Lifo (last in, first out) und die Fifo (first in, first out) -Bewertung (vgl. hierzu Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 77). Das bedeutet, daß man bei gleichartigen Gegenständen des Vorratsvermögens davon ausgehen kann, daß die zuletzt angeschafften als erste wieder verbraucht worden sind, was zur Folge hat, daß bei steigenden Preisen die ersten zu niedrig, also zu niedrigeren Preisen gekauften Partien mit diesem geringeren Anschaffungspreis übrigbleiben und damit eine Bewertungsreserve darstellen (Lifo-Methode). Wendet man diese Methode bei sinkenden Preisen an, so könnte damit eine Überbewertung entstehen, die bedenklich und jedenfalls nur zulässig ist, soweit in einer solchen Entwicklung die Anwendung dieser Methode noch mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vereinbar ist. Die Fifo-Methode, bei der man unterstellt, daß die zuerst angeschafften Gegenstände des Vorratsvermögens als erste wieder herausgehen, wird man bei sinkender Preistendenz anwenden und kommt dann zu dem Ergebnis einer Bewertungsreserve, während umgekehrt bei steigenden Preisen für die Anschaffung der Gegenstände des Vorratsvermögens sich ein Scheingewinn ergibt, weil die zu billigeren Preisen erworbenen Gegenstände nicht mehr zu den gleichen Preisen wiedererworben werden können, die bei dem Wertansatz zugrunde gelegt sind. Auch hier sind aber, da stets die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung maßgebend sind, Grenzen gezogen, so daß eine Gefährdung der Bewertungsgrundsätze im Ganzen durch diese Bestimmung nicht in Frage kommt (vgl. auch Esser in Die AktGes. 1965, 310 ff.; zu eng Döllerer in BB 65, 1412 und in BB 66, 631; ihm zu Recht entgegentretend Görres in BB 66, 264; Kropff in Neue Betriebswirtschaft 66, 61; Saage a . a . O . ; zur steuerlichen Behandlung vgl. Rau in BB 66, 439; Kamprad in BB 67, 875). Neben diesen beiden im Gesetzestext beschriebenen Methoden ist auch jede weitere Methode zulässig (vgl. im einzelnen hierzu Adler-Düring-Schmaltz Tz 105—133), in der eine sonstige bestimmte Folge in Verbrauch oder Veräußerung beim Wertansatz angenommen wird, sofern sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht (vgl. Raisch in JZ 66, 549), anderer937

§155 Anm. 3,4

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

seits ist es nicht notwendig, daß sie den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommt (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 94; Langen in BB 66, 551; a. A. Döllerer in BB 65, 1412). Bei allen diesen Verfahren ist stets zu prüfen, ob das Niederstwertprinzip nicht verletzt ist und nicht Abs. 2 anzuwenden ist. Wertpapiere des Umlaufvermögens, einsdiließlich der eigenen Aktien und der Anteile an einer herrschenden oder an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligten Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft (§151 Aktivseite III B Posten 7 bis 9), sind zum Börsen- oder Marktpreis oder dem niedrigeren Anschaffungspreis aufzunehmen. Laufende Zinsen, die im Kurs nicht mitberüdksichtigt sind, sind dem Wert zuzuschlagen. Fällige Zins- und Dividendenscheine sind als besondere Wertpapiere zu bewerten. Wertsteigerung, etwa durch Steigen der Börsenkurse, kann zu einer Höherbewertung führen, jedoch nicht über den ursprünglichen Anschaffungswert hinaus. Auch auf sie ist trotz des entgegenstehenden Wortlautes („Vorratsvermögen") des Gesetzes der Satz 3 des § 155 I anzuwenden (Kropff in WP 66, 376; AdlerDüring-Schmaltz Tz 134; a. A. Döllerer in BB 66, 1407). Forderungen (§ 151 Aktivseite III B Posten 2, 3, 10, 11) sind, wenn sie zweifelhaft sind, zu ihrem wahrscheinlichen Wert (§ 40 HGB) zu bewerten. Daneben ist bei Unverzinslichkeit der Gegenwartswert und der Marktwert zu beachten, z. B., wenn auch sichere und verzinsliche langfristige Forderungen nur mit Abschlag verwertbar sind. Auch für ausländische Forderungen ist der Kurs des Stichtages maßgebend, wenn er unter dem Kurs des Erwerbstages liegt, daneben die Aussicht beachtlich, ob und wann sie eingehen werden. Daß jeder Wertansatz auch gegenüber einer späteren Wertsteigerung in einer späteren Bilanz beibehalten werden kann, gilt auch für Auslandsforderungen, wenn der Kurs der fremden Währung wieder steigt. 3. Außergewöhnliche Wertansätze Anm. 4: So wie es beim Anlagevermögen nach § 154 II außerplanmäßige Abschreibungen und Wertberichtigungen gibt, so gibt es beim Umlaufvermögen außergewöhnliche Wertansätze, und zwar handelt es sich darum, daß ein niedrigerer Wert als nach Abs. 1 und 2 angesetzt werden darf. Während es bei der Abschreibung oder Wertberichtigung von Gegenständen des Anlagevermögens eine Verpflichtung gibt, diese vorzunehmen, wenn die Wertminderung voraussichtlich eine dauernde ist, gibt es im Umlaufvermögen eine ähnliche Verpflichtung für einen niedrigeren Wertansatz nicht, vielmehr ist der Gesellschaft nur in den im Gesetz aufgeführten Fällen der Ansatz eines niedrigeren Wertes gestattet („dürfen"). Eine entsprechende Verpflichtung zur niedrigeren Bewertung von Gegenständen des Umlaufvermögens ergibt sich bereits aus Abs. 2. Ein niedriger Wertansatz nach Abs. 3 darf einmal erfolgen, wenn ein solcher notwendig ist, um zu verhindern, daß in der näch938

Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens

§ 155 Anm. 4,5

sten Zukunft der Wertansatz dieser Gegenstände aufgrund von Wertschwankungen geändert werden muß. Damit wird in einem gewissen Umfang der Grundsatz, daß die Bewertung zu einem bestimmten Stichtag, nämlich dem Abschlußstichtag (Abs. 2), zu erfolgen hat, insoweit verlassen, als für die Zukunft zu erwartende Wertminderungen berücksichtigt werden können (ebenso Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 77). Diese müssen aber so sein, daß bei ihrem Eintritt deshalb der Wertansatz dieser Gegenstände geändert werden müßte. Das bedeutet, daß sie voraussichtlich von einer gewissen Dauer sein müssen. Wertschwankungen, von denen man erwarten kann, daß sie sich innerhalb eines Geschäftsjahres wieder ausgleichen, berechtigen nicht zu einem niedrigeren Wertansatz. Muß man aber annehmen, daß der Wert auch am nächsten Abschlußstichtag geringer sein wird als der nach Abs. 1 und 2 anzunehmende Wert, so kann das berücksichtigt werden, denn nach dem Grundsatz des Niederstwertprinzips des Abs. 2 müßte ja dann im folgenden Jahr der niedrigere Wert angesetzt werden. Man kann also auf diese Weise dem Risiko, das in der Zukunft liegt, Rechnung tragen und sich so eine gewisse Bewertungsreserve schaffen. Voraussetzung ist, daß bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung die außergewöhnlich niedrige Beurteilung notwendig ist, um Veränderungen des Wertansatzes in der nächsten Zukunft vermeiden zu können. Unter „nächster Zukunft" hat das Reichsgericht (Bd. 116, 119) einen Zeitraum von 2 Jahren angesehen. Dem folgt das neuere Schrifttum (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 199; Forster in WP 66, 26). Der zweite Fall, in dem ein niedrigerer Wert angenommen werden kann, als er sich aus den Abs. 1 und 2 ergibt, ist der, daß ein solch niedrigerer Wert für Zwecke der Steuern vom Einkommen und Ertrag für zulässig gehalten wird. Die Bestimmung berücksichtigt den steuerlichen Grundsatz, daß die Steuerbilanz der Handelsbilanz folgt. Sie soll verhindern, daß der Gesellschaft die Ausnutzung einer steuerlichen Möglichkeit durch die Bewertungsvorschriften unmöglich gemacht wird. Ein auf dem Niederstwertprinzip beruhender niedrigerer Wertansatz nach Abs. 2 und einer aufgrund der beiden Fälle des Abs. 3 erfolgter niedrigerer Wertansatz darf — nicht muß — beibehalten werden, auch wenn seine Gründe nicht mehr bestehen und auch dann, wenn sich später herausstellt, daß sie objektiv nicht bestanden haben (vgl. Saage in Neue Betriebswirtschaft 66, 71). Das entspricht der Vorschrift des § 154 II bei Gegenständen des Anlagevermögens, es kommt darin der Gedanke der Bilanzkontinuität besonders zum Ausdruck (vgl. auch Anm. 4 zu § 154). III. Obergangsbestimmungen Anm. 5: Über das Inkrafttreten der Bestimmungen über die Rechnungslegung sowie die Verwendung des Jahresüberschusses und die Gewinnver939

§155 Arnn. 5

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

wendung (§§ 14 und 15 EG) vgl. Vorbem. zu § 148. In § 14 III EG wird klargestellt, daß die für Gegenstände des Umlaufvermögens im letzten Geschäftsjahr vor Anwendung der neuen Bewertungsvorschriften angesetzten Werte, die unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegen, in zwei Fällen beibehalten werden dürfen. Der niedrigere Wertansatz bleibt zulässig, soweit er aufgrund des bereits dem Aktiengesetz 37 entsprechenden Niederstwertprinzips (§133 Nr. 3 S . 3 u. 4 A k t G 3 7 ) angesetzt werden mußte. Er kann ferner beibehalten werden, wenn er bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig war, um zu verhindern, daß in der nächsten Zukunft der Wertansatz dieser Gegenstände aufgrund von Wertschwankungen geändert werden mußte und, wenn der niedrigere Wertansatz für Zwecke der Steuer vom Einkommen und vom Ertrag für zulässig gehalten wird. Es wäre unbillig, wollte man die Gesellschaft zwingen, Bewertungsreserven aufzulösen, zu deren Bildung das alte Gesetz sie gezwungen hat. Ebenso wäre es unbillig, von der Gesellschaft die Auflösung von Bewertungsreserven zu verlangen, die sie zwar vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geschaffen hat, aber auch hätte schaffen können, wenn das Gesetz zur damaligen Zeit schon in Kraft gewesen wäre. Was das neue Gesetz für die Zukunft erlaubt, sollte es auch für die Vergangenheit als Rechtens anerkennen (vgl. Hornef in BB 66, 505). Trotz dieser den Übergang erleichternden Bestimmungen ist es durchaus möglich, daß Wertansätze für Gegenstände des Umlaufvermögens nicht beibehalten werden dürfen. Im allgemeinen werden diese Bewertungsreserven sich von selbst durch den Umschlag des Umlaufvermögens auflösen. Soweit das nicht der Fall ist, muß die Bewertung für den Jahresabschluß für das nach dem 31. Dez. 1966 beginnende Geschäftsjahr die Bewertung nach den neuen Vorschriften enthalten. Der Betrag, der sich aus dem Unterschied zwischen dem im letzten vorausgehenden Jahresabschluß angesetzten Wert und dem nunmehr nach den neuen Bestimmungen anzusetzenden Wert ergibt, kann in freie Rücklagen eingestellt werden. Er muß es nicht, es ist auch denkbar, daß er als Bilanzgewinn ausgewiesen und damit zur Verfügung der Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbesdiluß gestellt wird. Entschließt sich die Verwaltung, ihn in freie Rücklagen einzustellen, so wird der Betrag nicht auf den Teil des Jahresübersdiusses angerechnet, der der Verwaltung zur Bildung freier Rücklagen zur Verfügung steht, nämlich der Hälfte des jeweiligen Jahresüberschusses. Er bleibt aber im Jahresüberschuß und erhöht diesen, was für die Berechnung der gesetzlichen Rücklage und der Tantieme von Bedeutung ist (ebenso KropfF in DB 66, 676). Es kann also in diesem Geschäftsjahr sowohl der Betrag, der sich aus der Auflösung der Bewertungsreserve ergibt, in die freie Rücklage eingestellt werden, wie audi die Hälfte des Jahresübersdiusses. Lediglich die andere Hälfte des Jahresüberschusses steht zur Verfügung der Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß, nie940

Ansätze von Passivposten

§§ 155/156 Anm. 5 / 1 , 2

mals aber der Betrag, der durch die Auflösung der Bewertungsreserve freigeworden ist, es sei denn, er wird, wie oben bereits ausgeführt, von der Verwaltung bei Feststellung des Jahresabschlusses ganz oder teilweise als Bilanzgewinn ausgewiesen.

§ 156 Ansätze von Passivposten (1) Das Grundkapital ist zum Nennbetrag anzusetzen. (2) Verbindlichkeiten sind zu ihrem Rückzahlungsbetrag, Rentenverpflichtungen zu ihrem Barwert anzusetzen. (3) Ist der Rückzahlungsbetrag von Verbindlichkeiten oder Anleihen höher als der Ausgabebetrag, so darf der Unterschied unter die Rechnungsabgrenzungsposten der Aktivseite aufgenommen werden. Der Betrag ist gesondert auszuweisen und durdi planmäßige jährliche Abschreibungen, die auf die gesamte Laufzeit verteilt werden dürfen, zu tilgen. (4) Rückstellungen sind nur in Höhe des Betrags anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. I. Übersicht (Anm. 1) II. Das Grundkapital (Anm. 2)

I I I . Verbindlichkeiten (Anm. 3) IV. Rückstellungen (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Während nach dem bisherigen Recht in § 133 AktG 37 alle Bestimmungen über die Wertansätze in der Jahresbilanz enthalten waren, sowohl für die Aktiv- wie für die Passivposten, behandelt das neue Gesetz die Wertansätze für die Anlagewerte in § 153, die zulässigen Abschreibungen und Wertberichtigungen in § 154, die Wertansätze der Gegenstände des Umlaufvermögens in § 155 und die Ansätze von Passivposten in der vorliegenden Bestimmung des § 156. Abs. 1 bis 3 entsprechen im wesentlichen den Nr. 7 und 6 des § 133 AktG 37 mit der Maßgabe, daß die letztere Bestimmung, die sidi nur auf Anleihen der Gesellschaft bezog, dahin erweitert ist, daß nunmehr alle Verbindlichkeiten unter Abs. 3 fallen. Neu ist der Abs. 4. Er entspricht im wesentlichen der bisher schon herrschenden Auffassung. II. Das Grundkapital Anm. 2: Das Grundkapital ist zum Nennbetrag einzusetzen, also ohne Rücksicht darauf, ob noch Einlagen rückständig sind. Diese sind als Forderungen der Gesellschaft unter den Aktiven nach § 151 I Aktivseitel in gesondertem Posten zu buchen. 941

§ 156 Anm. 3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

III. Verbindlichkeiten Anm. 3: Die Bestimmung des § 133 Nr. 6 AktG 37, wonach Anleihen mit ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen waren, ist allgemein auf Verbindlichkeiten erweitert worden. Dazu gehören auch die Anleihen. Als Rückzahlungsbetrag ist der Betrag anzusehen, der bei normaler Tilgung ohne außergewöhnliche Aufwendungen, wie Strafzuschläge wegen unpünktlicher Zahlung, aufgebracht werden muß. Maßgebend ist im Falle der Staffelung ein durchschnittlicher Rückzahlungsbetrag. Ist der Rückzahlungsbetrag höher als der Ausgabebetrag, sei es, daß bei der Ausgabe ein Disagio in Kauf genommen oder ein Aufgeld bei Rückzahlung versprochen werden mußte, so braucht die Gesellschaft diesen Unterschiedsbetrag nicht im Ausgabejahr als Verlust zu tragen. Sie darf vielmehr — muß aber nicht (so Kropff in WP 64, 565; Adler-Düring-Schmaltz Tz 26; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 10; a. A. Döllerer in BB 65, 1409, der eine Aktivierungspflicht annimmt) — den Betrag in die Aktiven einstellen, muß ihn dann aber während der Laufzeit der Anleihe abschreiben. Die Aktivierung des Betrages erfolgt unter der Position Aktivseite IV, Rechnungsabgrenzungsposten, des § 151 I, jedoch getrennt von den anderen dort aufgeführten Beträgen, als gesonderte, meist als Disagio bezeichnete Position (Abs. 3). Unter Ausgabebetrag ist nicht der Emissionskurs zu verstehen, sondern der Betrag, der der Gesellschaft nach Abzug aller Unkosten, Provisionen der Bank, Kapitalverkehrs-, Börsenumsatzsteuer, Eintragungskosten für Hypotheken oder Grundschulden, Druckkosten für die Schuldverschreibungen usw. tatsächlich zufließt (a. A. Adler-Düring-Schmaltz Tz 29, die aus der Neuregelung in § 150 schließen, daß auch hier die Kosten als Unkosten über die Gewinn- und Verlustrechnung des betreffenden Jahres zu gehen haben). Der Posten ist kein echtes Aktivum, sondern nur ein Wertberichtigungsoder Rechnungsabgrenzungsposten. Er muß bei Ende der Laufzeit der Anleihe ausgeglichen sein. Für die Art der Abschreibung gelten die Grundsätze des § 154. Sie muß eine planmäßige, jährliche sein, was nicht unbedingt bedeutet, daß die Jahresbeträge gleich hoch sein müssen (vgl. Anm. 3 zu $154). Der umgekehrte Fall ist im Gesetz nicht geregelt, wenn nämlich z. B. eine Anleihe mit Aufgeld gegeben wurde und nur zu pari zurückzuzahlen ist. Schon nach bisherigem Recht wurde angenommen, daß in diesem Fall ein besonderer Posten unter die Aktiven einzusetzen und durch jährliche Beträge, die zu seinen Lasten dem Zinsenkonto gutzubringen sind, zu amortisieren seien. Anderenfalls entsteht im Emissionsjahr zu Unrecht ein einmaliger Gewinn, während das Aufgeld in Wahrheit eine Verringerung der Gesamtzinslast während der Anleihedauer darstellt. Über Währungsverbindlichkeiten vgl. Trumpler S. 137. Der Grundsatz, daß unrealisierte Verluste zu berücksichtigen sind, unrealisierte Gewinne da942

Ansätze von Passivposten

§156

Anm.3,4

gegen nicht, gilt auch hier. Demnach ist, wenn der Kurs gegenüber dem Kurs zur Zeit der Entstehung am Bilanzstichtag gestiegen ist, der gestiegene Kurs, wenn er gefallen ist, der Anschaffungswert einzusetzen oder in beiden Fällen eine Rückstellung zu schaffen. Im ersteren Fall ist sie zu Lasten der Gewinnund Verlustrechnung zu schaffen, im letzteren zu Lasten des Währungsgläubigerkontos. Die Einstellung der Schuld zu dem gefallenen K u r s ohne gleichzeitige Rückstellung ist zulässig, wenn der sorgfältige K a u f m a n n eine bleibende Stabilisierung auf dem gesunkenen Kursniveau voraussetzen darf. Es empfiehlt sich, im Geschäftsbericht zu vermerken, nadi welchen Grundsätzen die Währungsschulden eingestellt worden sind. Stehen sich Währungsschulden und -Forderungen gegenüber, so können die Kursdifferenzen kompensiert werden, wenn sie die gleiche Währung und annähernd die gleiche Laufzeit haben (Adler-Düring-Schmaltz T z 17). Selbstverständlich dürfen aber die Schulden und Forderungen selbst nicht saldiert werden. Rentenverpflichtungen sind nach ausdrücklicher Bestimmung des Abs. 2 zu ihrem Barwert anzusetzen, das heißt, sie sind gegebenenfalls abzuziehen. I V . Rückstellungen Anm. 4: In § 1 5 1 1 Passivseite unter I V wird der Posten Rückstellungen ohne Zusatz genannt und aufgegliedert in Pensionsrückstellungen und andere Rückstellungen, während in § 131 B I V A k t G 37 von „Rückstellungen für ungewisse Schulden" die Rede war. D a s ist auch in Zukunft im Grunde nicht anders; Rückstellungen werden für ungewisse Verbindlichkeiten gemacht. Hierunter versteht man Verbindlichkeiten, deren Entstehung oder Bestehen zum Bilanzstichtag geltend gemacht, aber ungewiß, z. B. bestritten ist (etwa eine bestrittene Schadenersatz- oder Abfindungspflidit oder Steuerschuld), im weiteren Sinne auch Verpflichtungen, die nur der H ö h e nadi unbestimmt sind, also eigentlich in der Mindesthöhe zu den bestehenden Verpflichtungen zu rechnen wären (der H ö h e nach bestritten oder ungewisse Verpflichtungen, z . B . Prozeßkosten oder Steuern, Vorstandstantieme). Rückstellungen für bereits drohende Verluste (etwa aus Geschäften, die im nächsten J a h r abzuwickeln sind und, wie bereits feststeht, falsch kalkuliert waren) oder Aufwendungen pflegt man gleichfalls hierher zu rechnen. Die Praxis hält die Vorfälle nicht scharf auseinander und ist darum nicht einheitlich. Hier sind bedingte Verpflichtungen aus einem gegebenen Rechtsgrund nach § 40 H G B unter die Verpflichtungen einzustellen. Bei der am häufigsten vorkommenden und höchsten Verpflichtung dieser Art, nämlich der Pensionsverpflichtung, werden aber üblicherweise Rückstellungen gebildet, wenn nicht Pensionskassen oder Versicherungen bestehen und die laufenden Beträge bzw. Prämien über Unkosten gebucht werden. Dem trägt das Gesetz auch Rechnung, indem es nunmehr derartige Pensionsverpflichtungen gesondert unter den Rückstellun943

§ § 156/157 Anm. 4

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

gen aufführt, also damit entscheidet, daß derartige bedingte Verpflichtungen durch Rückstellungen abzusichern sind. Darüber, daß keine Verpflichtung besteht, die Pensionsverpflichtungen zu passivieren, vgl. § 159 und Anm. dort. Für alle diese verschiedenen Arten von Rückstellungen bestimmt Abs. 4, daß sie nur in Höhe des Betrages anzusetzen seien, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Eine solche Bestimmung war nötwendig, um zu verhindern, daß an dieser Stelle unerwünschte, grundsätzlich nicht mehr zulässige stille Rücklagen gebildet werden. Das bedeutet, daß für die Körperschaftssteuer nur ein Betrag zurückgestellt werden darf, wie er einer Vollausschüttung des Bilanzgewinns entspricht (so Adler-DüringSchmaltz Tz 48—50; Frey in BB 68, 275). Insoweit nach § 58 I und II bereits bei Aufstellung des Jahresabschlusses zulässig Rücklagen gebildet wurden, ist die Körperschaftssteuer für diese bereits im Jahresabschluß zurückzustellen. Das gleiche kann nach unserer Ansicht auch für eine Gewinnverwendung geschehen, wenn diese sich in angemessenen Grenzen hält. Der Bilanzgewinn verringert sich um diese unter Ziff. 31 der Gewinn- und Verlustrechnung einzustellende Rücklage zuzüglich der dadurch höheren Rückstellung für Körperschaftssteuer. Es bleibt zwar dabei und ist unvermeidlich, daß die Höhe der Rückstellungen im einzelnen geschätzt werden muß, denn sie dienen begrifflich der Abdeckung für ungewisse Schulden und für drohende Verluste. Diese Schätzungen müssen sich aber im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung halten, andernfalls sind sie unzulässig. Die Abschlußprüfer müssen die Einhaltung dieser Bestimmung überprüfen und gegebenenfalls den Bestätigungsvermerk versagen, wenn sie die Rückstellungen als zu hoch erachten (vgl. Albach in BB 66, 382). § 157 Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (1) In der Gewinn- und Verlustredinung sind, wenn der Geschäftszweig keine abweichende Gliederung bedingt, die gleichwertig sein muß, unbeschadet einer weiteren Gliederung folgende Posten in Staffelform gesondert auszuweisen: 1. Umsatzerlöse 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen 3. andere aktivierte Eigenleistungen 4. Gesamtleistung 5. Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren 944

Gliederung der Gewinn- und Verlustredinung

§ 157

6. Rohertrag/Rohaufwand 7. Erträge aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführung«- und Teilgewinnabführungsverträgen 8. Erträge aus Beteiligungen 9. Erträge aus den anderen Finanzanlagen 10. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge 11. Erträge aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens und aus Zuschreibungen zu Gegenständen des Anlagevermögens 12. Erträge aus der Herabsetzung der Pauschalwertberichtigung zu Forderungen 13. Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen 14. sonstige Erträge davon außerordentliche 15. Erträge aus Verlustübernahme 16. Löhne und Gehälter 17. soziale Abgaben 18. Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung 19. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte 20. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Finanzanlagen mit Ausnahme des Betrags, der in die Pauschalwertberichtigung zu Forderungen eingestellt ist 21. Verluste aus Wertminderungen oder dem Abgang von Gegenständen des Umlaufvermögens außer Vorräten 945

§ 157

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

(§151 Abs. 1 Aktivseite IIIB) und Einstellung in die Pauschalwertberichtigung zu Forderungen 22. Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens 23. Zinsen und ähnliche Aufwendungen 24. Steuern a) vom Einkommen, vom Ertrag und vom Vermögen b) sonstige 25. Aufwendungen aus Verlustübernahme 26. sonstige Aufwendungen 27. auf Grund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- und eines Teilgewinnabführungsvertrags abgeführte Gewinne 28. Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag 29. Gewinnvortrag/Verlustvortrag aus dem Vorjahr 30. Entnahmen aus offenen Rücklagen a) aus der gesetzlichen Rücklage b) aus freien Rücklagen 31. Einstellungen aus dem Jahresüberschuß in offene Rücklagen a) in die gesetzliche Rücklage b) in freie Rücklagen 32. Bilanzgewinn/Bilanzverlust (2) Sind unter einen Posten fallende Aufwendungen oder Erträge bei einer Gesellschaft nicht angefallen, so braucht der Posten nicht ausgewiesen zu werden. (3) Werden Aufwendungen oder Erträge unter einem anderen Posten ausgewiesen als gleichartige Aufwendungen oder Erträge in der Gewinn946

Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung

§ 157

und Verlustrechnung für das vorausgegangene Geschäftsjahr, so ist dies unter Angabe des auf sie entfallenden Betrags in der Gewinn- und Verlustrechnung zu vermerken. (4) Sind am Absdilußstichtag keine Aktien der Gesellschaft an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen und ist auch nicht die Zulassung von Aktien zum amtlichen Handel an einer deutschen Börse beantragt, so brauchen die Posten unter Absatz 1 Nr. 1 bis 5 nicht gesondert ausgewiesen zu werden, wenn 1. die Bilanzsumme drei Millionen Deutsche Mark nicht übersteigt oder 2. die Gesellschaft eine Familiengesellschaft ist und die Bilanzsumme zehn Millionen Deutsche Mark nicht übersteigt; als Familiengesellschaften gelten solche Aktiengesellschaften, deren Aktionär eine einzelne natürliche Person ist oder deren Aktionäre natürliche Personen sind, die untereinander im Sinne von § 10 Nr. 2 bis 5 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (Reidisgesetzbl. I S. 925) verwandt oder verschwägert sind. Macht eine Familiengesellschaft von der Befugnis nach Satz 1 Gebrauch, so kann jeder Aktionär verlangen, daß ihm in der Hauptversammlung über den Jahresabschluß die Gewinn- und Verlustrechnung in der Form vorgelegt wird, die sie ohne Anwendung des Satzes 1 hätte. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Allgemeines (Anm. 2) III. Die einzelnen Posten 1. Umsatzerlös (Anm. 3) 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen (Anm. 4) 3. Andere aktivierte Eigenleistungen (Anm. 5) 4. Gesamtleistung (Anm. 6) 5. Aufwendungen für Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren (Anm. 7) 6. Rohertrag (Anm. 8) 7. Erträge aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsverträgen (Anm. 9) 8. Erträge aus Beteiligungen (Anm. 10)

9. Erträge aus anderen Finanzanlagen (Anm. 11) 10. Sonstige Zinsen und ähnliche E r träge (Anm. 12) 11. Erträge aus dem Abgang von und aus Zuschreibungen zu Gegenständen des Anlagevermögens (Anm. 13) 12. Erträge aus der Herabsetzung der Pausdialwertberichtigung zu Forderungen (Anm. 14) 13. Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen (Anm. 15) 14. Sonstige Erträge (Anm. 16) 15. Erträge aus Verlustübernahme (Anm. 17) 16. Löhne und Gehälter (Anm. 18) 17. Soziale Abgaben (Anm. 19) 18. Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung (Anm. 20)

947

§157 Anm. 1

Rechnungslegung •

19. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte (Anm. 21) 20. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Finanzanlagen (Anm. 22) 21. Verluste aus Wertminderungen oder dem Abgang von Gegenständen des Umlaufvermögens und Einstellung in die Pausdialwertberichtigung zu Forderungen (Anm. 23) 22. Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens (Anm. 24) 23. Zinsen und ähnliche Aufwendungen (Anm. 25) 24. Steuern (Anm. 26 und 27) 25. Aufwendung aus Verlustübernahme (Anm. 28) a) Einstellung in Sonderposten mit Rücklageanteil (Anm. 29)

26. Sonstige Aufwendungen (Anm. 30) 27. Aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungsund eines Teilgewinnabführungsvertrages abgeführte Gewinne (Anm. 31) 28. Jahresüberschuß — Jahresfehlbetrag (Anm. 32) 29. Gewinnvortrag — Verlustvortrag aus dem Vorjahr (Anm. 33) 30. Entnahmen aus offenen Rücklagen (Anm. 34) 31. Einstellung aus dem Jahresüberschuß in offene Rücklagen (Anm. 35) 32. Bilanzgewinn — Bilanzverlust (Anm. 36) IV. Ausnahmen für bestimmte Gesellschaften (Anm. 37) V. Verstoß (Anm. 38)

I. Übersicht Anm. 1: Durch das Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellsdiaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (§ 19) erhielt der § 132 AktG 37 über die „Gliederung der Gewinn- und Verlustredinung" eine Neufassung, die drei grundsätzliche Abweidlungen von der bisherigen Regelung enthielt: a) Es gilt das Bruttoprinzip. Ausgangspunkt für die Gewinn- und Verlustredinung sind die Umsatzerlöse. b) Neben der bisher allein gesetzlich geregelten Kontoform wurde auch die Staffelform gesetzlich geregelt. Beide Formen waren nebeneinander zulässig. Das neue Gesetz kennt nur noch die Staffelform. c) Für bestimmte Aktiengesellschaften wurden besondere Bestimmungen getroffen und damit die bisher einheitliche Publizitätspflicht für alle Aktiengesellschaften aufgespalten. Das neue Gesetz übernimmt die Vorschriften des Gesetzes vom 23.12.59 (BGBl. I 789) im wesentlichen unverändert unter Fortfall der Kontoform und unter einigen Anpassungen an die neuen Vorschriften. 948

Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung

§ 157

Anm. 2

II. Allgemeines Anm. 2: Wie § 151 für die Jahresbilanz gibt § 157 Gliederungsvorschriften für die Gewinn- und Verlustrechnung. Abweichung von der vorgeschriebenen Gliederung ist zulässig, wenn der Geschäftszweig eine abweichende Gliederung bedingt. Diese muß gleidiwertig sein, d. h., sie muß insbesondere eine Bruttorechnung darstellen. Die im Gesetz gegebenen Gliederungsvorsdiriften sind Mindestvorsdiriften. Die Vorschrift des § 149, wonach der Jahresabschluß den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu entsprechen hat und klar und übersichtlich sein muß, gilt ebenso für die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung wie für die Gliederung der Jahresbilanz. Eine Erweiterung der Gliederung ist deshalb zulässig, mitunter notwendig. Daß Posten weggelassen werden können, wenn diese nidit vorkommen, wird jetzt ausdrücklich in der neuen Bestimmung des Abs. 2 ebenso gesagt, wie es in der Vorschrift des § 151 über die Gliederung der Jahresbilanz ausdrücklich bestimmt ist. Auf der anderen Seite ist es aber unzulässig, einen bei der Gesellschaft: vorkommenden Betrag anderweitig auszuweisen, als es in den Gliederungsvorschriften vorgeschrieben ist, insbesondere ist eine Verrechnung unzulässig. Werden Beträge unter einem anderen Posten ausgewiesen als in der vorangegangenen Gewinn- und Verlustrechnung, so ist dies unter Angabe des Betrages in der Gewinn- und Verlustrechnung zu vermerken (Abs. 3). Das gilt auch für die erste nach den neuen Bestimmungen aufzustellende Gewinn- und Verlustrechnung (vgl. Kropff in DB 66,672). Bereits bei der Einführung der Staifelform in der sogenannten „kleinen Aktienrechtsreform" von 1959 hatte man angenommen, daß bei der großen Aktienrechtsreform den Wünschen der Wirtschaftsprüfer (Vorschläge zur Aktienrechts reform des Arbeitskreises Aktienrechtsreform Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. S. 57) die Staffelform als einzige Gliederungsvorschrift in das Gesetz aufzunehmen, Rechnung getragen werden könne (vgl. Wilhelmi/Friedrich § 19 Anm. 7). Die Staffelform hat den Vorteil, daß sich das Ergebnis aus der Anfangszahl entwickelt und bestimmte Phasen einzeln ablesbar sind. Bei der Beratung des Gesetzes sind dennoch gegen die Abschaffung der Kontoform Bedenken vorgetragen worden, die Staffelform sei bei Unternehmen der Energieversorgung, bei denen aufgrund des Konzessionsvertrages hohe Eigenleistungen anfielen, ungeeignet. Würden diese Eigenleistungen — entsprechend der Staffelform — unter dem Posten 3 aktiviert, erscheine der Posten „Gesamtleistung" (Nr. 4) verhältnismäßig hoch. Da von ihm bei diesem Unternehmen nur verhältnismäßig geringe Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (Posten 5) abzusetzen seien, werde auch der Posten „Rohertrag" (Posten 6) überhöht ausgewiesen und erwecke einen zu günstigen Eindruck von der Ertragslage. Die Richtigkeit dieses Einwandes wurde nicht verkannt, jedoch war es nicht notwendig, deshalb ausnahmsweise die Kontoform für solche Betriebe zuzulassen, es genügt die 949

§157 Anm. 2,3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

in Abs. 1 ausgesprochene Möglichkeit, im Rahmen der Staffelform eine abweichende Gliederung zu wählen, wenn der Geschäftszweig dies bedingt. Wir gehen aber nicht so weit wie Kropff (DB 66, 67), der auch den Obergang zur Kontoform in besonders gelagerten Fällen für zulässig hält. Eine Abweichung in der Reihenfolge der einzelnen Posten ist nur insoweit zulässig, als dadurch die vom Gesetz vorgeschriebenen Zwischenposten (Nr. 4, 6, 28) nicht berührt werden und die Klarheit der Rechnungslegung nicht verschlechtert wird (vgl. Adler-Düring-Sdimaltz Tz 30; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 28 will eine Abweichung jedenfalls dann zulassen, wenn dadurch der Einblick in die Erfolgsentwicklung und die Erfolgsquelle verbessert wird). Durch den Wegfall der Kontoform entfallen die bisherigen Abs. 1 und 2 des § 132 AktG 37 in der Fassung des Gesetzes von 1959. III. Die einzelnen Posten 1. Umsatzerlös Anm. 3: Umsatzerlöse sind die Erlöse, die sidi aus der wirtschaftlichen Betätigung der Gesellschaft ergeben (ähnlich Döllerer in BB 65, 1406). Maßgebend ist der Geschäftszweig, in dem sich die Gesellschaft tatsächlich betätigt, der sich nicht unbedingt mit dem satzungsmäßigen Gegenstand der Gesellschaft decken muß (so Adler-Düring-Schmaltz Tz 4 zu § 158; die abweichende Ansicht der Vorauflage wird nicht aufrechterhalten). Es bestand Streit darüber, ob der Umsatz von Nebenbetrieben, wie beispielsweise ein Kantinenbetrieb, mit unter diesen Posten aufzuführen sei. Zur Klarstellung dieser Zweifelsfragen bestimmt jetzt § 158 I für einen Großteil von Unternehmen, was unter Umsatz im Sinne der vorliegenden Bestimmung zu verstehen ist, nämlich für die Unternehmen, deren Geschäftszweig in der Erzeugung oder Fertigung von Gegenständen oder im Vertrieb von Waren besteht. In diesen Fällen sind als Umsatzerlöse nur die Erlöse aus der Erzeugung, Fertigung oder Lieferung dieser Gegenstände unter Posten 1 auszuweisen. Nach § 158 II sind von den Umsatzerlösen Preisnachlässe und zurückgewährte Entgelte abzuziehen, da in Höhe dieser Beträge echte Umsatzerlöse nicht erzielt worden sind. Unter den Begriff „Preisnachlässe", der dem § 1 des Rabattgesetzes entspricht, fallen daher vor allem auch die Skonti. Damit ist die bisherige Streitfrage, ob Skonti als Zins für pünktliche Zahlung oder als Minderung des Erlöses anzusehen sind, im Sinne der letzteren Ansicht vom Gesetzgeber entschieden. Zu den Preisnachlässen gehören auch alle Rüdeerstattungen von bereis empfangenen Beträgen, die aufgrund von Differenzen über ordnungsmäßige Lieferung oder wegen Rücktrittes vom Vertrag zurückgezahlt werden müssen. Abzugsfähig sind aber stets nur die Preisnachlässe usw., die zur Erlösschmälerung in dem betreffenden Wirtschaftsjahr geführt haben, nicht dagegen Preisnachlässe usw. im Zusammenhang mit Lieferungen frü950

Gliederung der Gewinn- und Verlustredinung

§ 157

Anm. 3—5

herer Wirtschaftsjahre (so auch Döllerer im BB 1960, 109; weitergehend B.-H. Rn. 7 und Adler-Düring-Schmaltz Tz 28 zu § 158). Nebenkosten, die vertragsgemäß der Verkäufer zu tragen hat, wie etwa Frachten und Provisionen, fallen nicht unter den Begriff der Preisnachlässe (vgl. Geßler in WM 1960 Sonderbeilage Nr. 1, 27). Die Umsatzerlöse sind netto auszuweisen, das heißt ohne Mehrwertsteuer. Es handelt sich bei Umsatzerlösen um Erlöse, dem der Begriff „Entgelte" entspricht. Für die liefernde Gesellschaft ist aber das Entgelt lediglich der Erlös ohne Mehrwertsteuer (ebenso Mellerowicz in Großkomm. Anm. 34 und 35). 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen Anm. 4: Aufgabe der Gewinn- und Verlustredinung ist es, das Erfolgsergebnis der Gesellschaft innerhalb des Zeitraumes, auf den sidi die Rechnungslegung bezieht, darzustellen. Infolgedessen bedarf der Posten Umsatzerlöse einer Ergänzung durch die Angabe, ob und in welchem Umfang eine Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen während der Berichtszeit eingetreten ist. Der hier einzusetzende Betrag ist die Differenz zwischen den Beträgen, der in der vorangegangenen Jahresbilanz auf der Aktivseite unter III A Posten 2 und 3 eingesetzt sind, und dem Betrag, der sich aus der neuen Bilanz ergibt, die den Zeitraum abschließt, auf den sich die Gewinn- und Verlustrechnung bezieht. Während in der Jahresbilanz die unfertigen Erzeugnisse getrennt von den fertigen Erzeugnissen anzugeben sind, gibt es für die Gewinn- und Verlustrechnung nur einen Posten, in dem die Erhöhung oder Verminderung auszuweisen ist. Treten bei dem einen Posten der Jahresbilanz Bestandserhöhungen, bei dem anderen -minderungen auf, so ist der Saldo der Bestandsveränderung hier auszuweisen (ebenso Mellerowicz in Großkomm. Anm. 38). Worauf die Veränderung beruht, ist gleichgültig. Meist wird es eine Veränderung in der Menge sein, es kann aber auch eine Änderung in der Bewertung dazukommen oder gar allein vorliegen. 3. Andere aktivierte Eigenleistungen Anm. 5: Zur Feststellung der Gesamtleistungen des Unternehmens (Posten 4) ist es notwendig, unter die Erträge auch die Eigenleistungen aufzunehmen, jedoch nur soweit sie aktivierungsfähig sind und auch tatsächlidi aktiviert worden sind, z. B. Ausbau und Umbauten an Gebäuden mit eigenen Arbeitskräften oder Reparaturen von Maschinen, die deren Wert oder Lebensdauer erhöhen, wenn bei diesen Gegenständen eine Zusdireibung nach § 152 I erfolgt ist. Durch die Bestimmung wird keine zusätzliche Verpflichtung zur Aktivierung eingeführt, sondern nur der offene Ausweis für tatsächlidi aktivierte 951

§157

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 5—7 eigene Leistungen auch in der GuV verlangt, da die Aufwendungen hierfür in den Aufwendungen der GuV enthalten sind. Nicht aktivierte Eigenleistungen sind nicht in der GuV auszuweisen. Dadurch entsteht, weil die Zuschreibung unterlassen ist, möglicherweise eine Bewertungsreserve. 4. Gesamtleistung Anm. 6: Der Posten bildet die Zusammenfassung der vorangegangenen Posten 1 — 3 und zeigt die Gesamtleistung des Jahres. Die Bestandsveränderung für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (Bilanzposten § 151 Aktivseite I I I A I ) sind, da sie unter II nicht aufgeführt sind, in diesem Posten nicht miterfaßt. Betriebswirtschaftlich gesehen stellt die Erhöhung des Bestandes keine Leistung der Gesellschaft, die Verminderung keine Leistungssdimälerung dar (vgl. Döllerer in BB 1960,109). 5. Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren Anm. 7: In der entsprechenden Bestimmung des §132 Abs. 3 Posten 5 AktG 37 n. F. hieß es zusätzlich „für diese gleichzusetzende Fremdleistungen". Diese Worte sind gestrichen worden, um damit einige bestehende Auslegungsstreitigkeiten zu beenden. Als derartige Fremdleistungen werden überwiegend nur die in die Fertigung eingehenden Fremdleistungen angesehen; daß diese Fremdleistungen den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen gleichstehen, braucht nidit besonders gesagt zu werden. Aus der besonderen Erwähnung der Fremdleistungen ist aber teilweise geschlossen worden, daß hier alle oder nahezu alle Aufwendungen für Fremdleistungen — z. B. auch für Werbung, Versicherung, Porto — auszuweisen seien; diese nicht in die Fertigung eingehenden Aufwendungen sollten aber unter den „sonstigen Aufwendungen" ausgewiesen werden. Es bleibt dennoch die Abgrenzung schwierig, was unter sonstige Aufwendungen, jetzt Posten 26 (bisher 27), einzustellen ist. Man wird annehmen müssen, daß der Verwendungszweck maßgebend ist, gleichgültig, ob es sich um Material handelt, das einem bestimmten Auftrag zugerechnet werden kann, oder um Gemeinkostenmaterial. Demnach sind hier alle Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren aufzuführen, soweit diese in den Produktionsprozeß eingehen, nicht aber Materialkosten, die zu Verwaltungs- und Vertriebskosten gehören (vgl. Peupelmann in DB 67, 826). Diese sind vielmehr unter dem Posten 26 — sonstige Aufwendungen — aufzuführen. Der Aufwand für Waren ist hier insbesondere dann aufzuführen, wenn es sich um solche handelt, die zur Weiterveräußerung angeschafft sind, aber auch, wenn z. B. ganze Aggregate in Maschinen eingebaut werden, nicht dagegen Waren, die im Betrieb der Gesellschaft verwandt werden, ohne in deren Produkte einzugehen (vgl. Döllerer in BB 60, 109). 952

Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung

§ 157

Anm. 8—10

6. Rohertrag Anm. 8: Es handelt sich um einen Zwischenposten, der ungefähr dem vor Inkrafttreten des AktG 37 nach § 261 c HGB auszuweisenden Posten „ Jahresertrag" entspricht (s. auch Anm. 36 a. E.). 7. Erträge aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsverträgen Anm. 9: Die Begriffe ergeben sich aus § 296 I Nr. 1 (Gewinngemeinschaft), § 2 9 1 1 (Gewinnabführungsvertrag) und § 2 9 2 1 Nr. 2 (Teilgewinnabführungsvertrag). Bestehen mehrere derartige Verträge, so sind deren Erträge in einer Summe auszuwerfen, dagegen ist es nicht zulässig, aufgrund anderer Verträge der gleichen Art abgeführte Gewinne oder Beträge zur Verlustdeckung zu verrechnen. Diese müssen vielmehr unter Posten 27 gesondert ausgewiesen werden (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 92). Von den Erträgen aus Unternehmensverträgen sind zu unterscheiden solche aus Arbeitsgemeinschaften. Sie sind Umsatzerlöse im Sinne des Postens 1. Die im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft gemachten Aufwendungen sind unter den entsprechenden Posten auszuweisen (vgl. Geßler in WM i960, 28; Döllerer in BB 60, 109). Nach § 158 III kann von dem Ertrag aus einem Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrag ein vertraglich zu leistender Ausgleich für außenstehende Gesellschafter abgesetzt werden. Übersteigt dieser den Ertrag, so ist der übersteigende Betrag unter dem Posten 25 auszuweisen. Andere Beträge dürfen nicht abgesetzt werden. Damit ist die Saldierung mit den meist vielfältigen Leistungen der Obergesellschaft ausdrücklich verboten, wie z. B. Reklame, Entwicklungsaufwendungen u. s. w. 8. Erträge aus Beteiligungen Anm. 10: Was unter Beteiligungen zu verstehen ist, vgl. § 151 Anm. 13 in Verbindung mit der gesetzlichen Vermutung in § 152 II (dort Anm. 2). Die Erträge aus Beteiligungen sind grundsätzlich in der GuV auszuweisen, die den Zeitraum umfaßt, in dem der Rechtsanspruch auf die Erträge entstanden ist. Bei einer Kapitalgesellschaft entsteht dieser mit dem Gewinnverteilungsbeschluß der Haupt- und Gesellschaftsversammlung. Ist dieser Beschluß nicht vor Beendigung des Geschäftsjahres der beteiligten Gesellsdiaft gefaßt worden, so kann der Anspruch nicht in die Bilanz und demgemäß auch nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung für dieses Geschäftsjahr aufgenommen werden (weitergehend Adler-Düring-Schmaltz Tz 97; Schl.-Qu. §131 Anm. 23). Bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft gelten die gleichen Grundsätze. Jedoch wird häufig kein Beschluß erforderlich sein, um den Anspruch auf die Erträgnisse aus der Beteiligung zur Entstehung gelangen zu lassen. In allen diesen Fällen ist der Anspruch auf die Erträge aus der Beteiligung mit dem Ablauf des Geschäftsjahres des Unternehmens, 953

§157

Anm. 10—14

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

an dem die Beteiligung besteht, entstanden und kann infolgedessen unbedenklich noch in die Gewinn- und Verlustrechnung der beteiligten Gesellschaft für das Geschäftsjahr eingestellt werden, das etwa am gleichen Tage abläuft. 9. Erträge aus anderen Finanzanlagen Anm. 11: Der Begriff ist neu, er entspricht dem des § 1511 Aktivseiten B mit Ausnahme des dortigen Postens 1, Beteiligungen, die unter Posten 8 fallen. Es handelt sich mithin um Wertpapiere des Anlagevermögens, soweit sie nicht unter Beteiligungen fallen und um Ausleihungen mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren, gleichgültig, ob sie durch Grundpfandrechte gesichert sind oder nicht. Zu beachten ist, daß hier Erträge aus Wertpapieren nur aufzuführen sind, wenn es sich um Wertpapiere des Anlagevermögens handelt, nicht um solche des Umlaufvermögens, § 151 Aktivseite III B Posten 7, deren Erträge sind unter Posten 14, sonstige Erträge, aufzuführen. 10. Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge Anm. 12: Soweit Zinsen bereits in Posten 8 und 9 enthalten sind, müssen sie dort aufgeführt werden. Auch hier gilt das Verrechnungsverbot. Zinsaufwendungen fallen unter Posten 23, vgl. hierzu im einzelnen § 152 Anm. 7. 11. Erträge aus dem Abgang von und aus Zuschreibungen zu Gegenständen des Anlagevermögens Anm. 13: Es sind zunächst die Buchgewinne auszuweisen, die dadurch entstehen, daß Gegenstände des Anlagevermögens über dem Buchwert veräußert werden. Zuschreibungen zu Gegenständen des Anlagevermögens sind nur in beschränktem Umfang unter Berücksichtigung der Bewertungsvorschriften zulässig, z. B., wenn wertsteigernde Umbauten oder Reparaturen vorgenommen worden sind; vgl. hierzu § 152 I und dort Anm. 2. Auf eine Zuschreibung zu Gegenständen des Umlaufvermögens bezieht sich nach dem Wortlaut die Bestimmung nicht. Solche Zuweisungen sind vielmehr unter Posten 14, sonstige Erträge, auszuweisen. Vergleiche Döllerer in BB 60, 109. Eine Saldierung von Buchgewinnen und Buchverlusten ist unzulässig (Adler-Düring-SchmaltzTz 123; a. A. B.-H. Rn. 17). 12. Erträge aus der Herabsetzung der Pauschalwertberichtigung zu Forderungen Anm. 14: Der Posten lautete im bisherigen Recht „Erträge aus der Auflösung von Wertberichtigungen, soweit sie nicht unter Nr. 11 aufzuführen sind". Durch die neue Vorschrift des § 152 VI ist die Vornahme von Wertberichtigungen anstelle von Abschreibungen eingeschränkt worden, so daß für Posten 12 nur noch Erträge aus der Herabsetzung der Pauschal Wertberichtigung zu Forderungen in Betracht kommt; über den Begriff vgl. § 152 954

Gliederung der Gewinn- und Verlustredmung

§ 157 Anra. 14—17

VI und dort Anm. 2, sowie § 151 Anm. 35. Erträge aus Einzelwertberiditigungen auf Forderungen sind unter dem Posten 14 auszuwerfen (Adler-DüringSchmaltz Tz 125). 13. Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen Anm. 15: Nicht mehr benötigte Rückstellungen sind grundsätzlich über die Gewinn- und Verlustrechnung aufzulösen. N u r wenn sich f ü r dieselbe Aufwandsart ein Rückstellungsbedarf ergibt, der nicht das laufende, sondern frühere Geschäftsjahre betrifft, kann eine Übertragung der Rückstellung erfolgen (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 129). Die bisher als zulässig erachtete Umbuchung einer frei gewordenen oder zu hohen Rückstellung auf Rücklagen dürfte jetzt nicht mehr zulässig sein. Vielmehr ist unter Posten 13 die Auflösung der Rückstellung auszuweisen, während unter Posten 3 1 b die Einstellung in die freie Rücklage gesondert auszuweisen ist, wobei § 58 zu beachten ist. Sind Erträge aus der Auflösung von Sonderposten mit Rücklageanteilen vorhanden, so sind sie in einem besonderen Posten zwischen den Posten 13 und 14 auszuweisen (vgl. § 158 VI und die Anm. dort). 14. Sonstige Erträge Anm. 16: Es handelt sich um einen Sammelposten, in dem alle Erträge unterzubringen sind, die unter keinen anderen Posten der Gliederung unterzubringen sind, wie z. B. Erträge aus Nebenleistungen, Nebenleistungsbetrieben, wie Kantine, oder aus Wertpapieren, die zum Umlaufvermögen gehören, auch Steuern, die von der Obergesellschaft auf den abgeführten Betrag gezahlt, aber auf die abhängige Gesellschaft umgelegt werden (Döllerer in BB 65, 1407). Besonders zu vermerken sind in einer Vorspalte die außerordentlichen Erträge (vgl. Kropff in DB 66, 672; Peupelmann in DB 67, 828; Esser in Die AktGes. 65, 362). Das ist neu und dient zur Verbesserung der Publizität, weil derartige außerordentliche Erträge zwar das Jahresergebnis beeinflussen, aber weil sie außerordentlich sind, letztlich nichts mit dem Jahresergebnis zu tun haben, soweit man dieses mit den vorangegangenen Jahren vergleichen will. Zu den sonstigen Aufwendungen (Posten 26) ist kein entsprechender Vermerk vorgesehen worden, weil eine gesonderte Erfassung der außerordentlichen sonstigen Aufwendungen Schwierigkeiten bereiten könnte. Es erscheint auch weniger gefährlich, wenn das Jahresergebnis durch außerordentliche Aufwendungen verschlechtert wird als umgekehrt, wenn das Jahresergebnis günstiger erscheint, weil außerordentliche Erträge nicht als solche kenntlich sind. 15. Erträge aus Verlustübernahme Anm. 17: Der Posten kommt insbesondere dann in Frage, wenn ein Gewinnabführungsvertrag nach § 291 abgeschlossen ist, weil sich daraus nach 955

§157

Anm. 17—20

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

§ 302 eine Verlustübernahme gesetzlich ergibt. Dasselbe gilt bei der Eingliederung einer Gesellschaft nach § 324. Es sind aber auch andere Verträge und Rechtsbeziehungen denkbar, aus denen sich die Verpflichtung eines Dritten ergibt, den Verlust einer Gesellschaft zu decken (vgl. im einzelnen AdlerDüring-Schmaltz Tz 136). Der Ertrag, der der Gesellschaft auf diese Weise zufließt, ist ein nicht selbst erwirtschafteter und deshalb gesondert auszuweisen. 16. Löhne und Gehälter Anm. 18: Aufzuführen sind alle Arbeitsentgelte, gleichgültig, ob sie in bar oder in Sachleistungen geleistet wurden und ob sie produktiv oder unproduktiv sind. Die gesamten Aufwendungen in dem Geschäftsjahr, auch soweit sie nur angefallen und nicht bezahlt sind, sind in einem Gesamtposten hier anzuführen. Das sind alle festen Vergütungen, auch die an den Vorstand gezahlten Gehälter und Tantiemen. (An der in der Vorauflage vertretenen Unterscheidung zwischen garantierten und aus dem Bilanzgewinn zu zahlenden Tantiemen wird nicht mehr festgehalten. Streitig; wie hier B.-H. Rn. 23; Adler-Düring-Schmaltz Tz 140; a. A. Mellerowicz in Großkomm. Anm. 58; Schl.-Qu. §132 Anm. 4.) Ferner sind hier Gratifikationen und Tantiemen für Angestellte aufzuführen, die nicht Mitglieder des Vorstandes sind, Umsatzprovisionen an Festangestellte, nicht aber an freie Vertreter, nicht Jubiläumsgaben, nidit Auslagenersatz, Reisekosten, Abfindungen und auch nicht Ruhegehälter oder Rückstellungen für diese, die unter Posten 18 aufzuführen sind. Stets sind die gezahlten Bruttolöhne und -gehälter anzugeben, also einschl. der Beträge, die zu Lasten der Empfänger an Steuer einbehalten werden, nicht dagegen die Sozialbeiträge. Diese fallen unter Posten 17. Audi wenn Rückstellungen für die Arbeiten vorhanden sind, für welche die Aufwendung erfolgt, sind die dafür aufgewandten Löhne und Gehälter mit auszuweisen. Die Rückstellung ist daher über Gewinn- und Verlustkonto aufzulösen (Trumpler S. 166). 17. Soziale Abgaben Anm. 19: Das sind Beiträge zur Kranken-, Unfall-, Invaliditäts- und Arbeitslosenversicherung, soweit es sich um den Anteil der Gesellschaften handelt. Freiwillige soziale Leistungen gehören nicht hierher, soweit es sich um Aufwendungen für die Altersversorgung handelt, fallen sie unter Posten 18. Über weitere freiwillige soziale Leistungen vgl. Anm. 20. 18. Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung Anm. 20: In § 132 Abs. 3 Posten 18 A k t G 3 7 hieß dieser Posten „Soziale Aufwendungen, soweit sie nicht unter anderen Posten auszuweisen sind". Hiergegen sind von Seiten der Wirtschaftsprüfer Bedenken erhoben worden, 956

Gliederung der Gewinn- und Verlustredinung

§ 157 Anm. 20—22

da er gegen das Grundprinzip der gesetzlichen Gliederung nach Aufwandsarten verstoße und insofern irreführe, als er nur einen Teil des sozialen Aufwandes zeige. Diesen Bedenken ist durch eine Beschränkung des Postens auf die Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung Rechnung getragen worden. Es sind jetzt deshalb nur unter diesen Posten sowohl die laufenden Pensionszahlungen aus dem Ertrag als audi Zuweisungen an Pensionsrückstellungen und Zahlungen an besondere Pensionskassen oder sonstige selbständige Rechtsträger aufzuführen. Auch die Pensionen früherer Vorstandsmitglieder und deren Hinterbliebenen sind hier einzubeziehen (Heubeck in DB 66, 629; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 60). Andere freiwillige soziale Abgaben sind teils bei anderen Posten aufzuführen, so z. B. die Abschreibung f ü r ein Erholungsheim oder eine Kantine unter Posten 19, das Gehalt eines Werkarztes oder Sozialbetreuers fällt unter Posten 16 (vgl. Döllerer in BB 1960, 110). Da die Gliederungsvorschriften nur Mindestvorschriften sind, bleibt es den Gesellschaften unbenommen, einzelne oder alle freiwilligen Sozialleistungen in einem besonderen Posten in der Gliederung aufzunehmen, jedoch sind die Aufwendungen f ü r Altersversorgung und Unterstützung auch in diesem Fall getrennt unter Posten 18 aufzuführen. 19. Abschreibungen rielle Anlagewerte

und Wertberichtigungen

auf Sachanlagen und

immate-

Anm. 21: Die Terminologie der Posten 19 bis 21 ist der des § 151 angepaßt. Wie bereits in der neuen Fassung des § 132 A k t G 3 7 werden die Abschreibungen auf das Anlagevermögen auf zwei Posten verteilt. Ist in der Pauschalwertberichtigung eine Wertberichtigung f ü r langfristige Ausleihungen nach § 1 5 1 Aktivseite II B Posten 3 enthalten; steckt dieser sogar in drei Posten, denn diese ist unter dem Posten 21 beim Umlaufvermögen zu berücksichtigen. Über Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte vgl. § 151 Anm. 2 und 6 bis 12. Uber Absdireibungen und Wertberichtigungen beim Anlagevermögen vgl. § 152 I und VI und dort Anm. 2. 20. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Finanzanlagen Anm. 22: Zu den Finanzanlagen gehören nach § 151 Aktivseite II B: 1. Beteiligungen, 2. Wertpapiere des Anlagevermögens, die nicht zu N r . 1 gehören, 3. Ausleihungen mit einer Laufzeit von mindestens vier Jahren. Hier sind nur Abschreibungen und Wertberichtigungen f ü r die Posten 1 und 2 aufzuführen, während eine Wertberichtigung f ü r die langfristigen Ausleihungen unter Posten 3 nur in der sogenannten Pauschalwertberichtigung zu Forderungen vorgenommen werden kann, die zum Umlaufvermögen gehört, weil sie nicht nur die langfristigen Ausleihungen und die umfaßt, die als Finanzanlagen angesehen werden, sondern sämtliche Forderungen, d. h. 957

§157

Anm. 22—26

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Gegenstände, die zum Umlaufvermögen gehören. Über Finanzanlagen vgl. § 151 Anm. 13 bis 15, über Abschreibungen und Wertberichtigungen § 152 I und V I sowie dort Anm. 2. 21. Verluste aus Wertminderungen oder dem Abgang von Gegenständen des Umlaufvermögens und Einstellung in die Pauschalwertberichtigung zu Forderungen Anm. 23: In § 132 I I I AktG 37 wurde dieser Posten als Abschreibung und Wertberichtigung auf das Umlaufvermögen bezeichnet. Die Neufassung soll gegenüber einer zum geltenden Recht entstandenen Streitfrage klarstellen, daß hier auch Verluste aus der Ausbuchung von Forderungen und aus der Veräußerung von Wertpapieren des Umlaufvermögens auszuweisen sind. Die Bezeichnung des Postens spricht statt von „Abschreibungen" von „Verlusten aus Wertminderungen", weil der Begriff der Abschreibung für das Umlaufvermögen nicht paßt und im Zusammenhang mit § 160 II zu Mißverständnissen führen kann. Durch die Einbeziehung der Pauschalwertberichtigung zu Forderungen kann in diesem Posten, obwohl er sich auf Gegenstände des Umlaufvermögens bezieht, dann eine Wertberichtigung für einen Posten des Anlagevermögens mit enthalten sein, wenn in der Pauschalwertberichtigung für Forderungen eine Wertberichtigung für eine langfristige Ausleihung nach § 151 Aktivseite II B Posten 3 enthalten ist. Uber den Begriff der Pauschalwertberichtigung vgl. § 152 V I und dort Anm. 2. 22. Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens Anm. 24: Der Posten korrespondiert mit dem Posten Nr. 11. Wird ein Gegenstand des Anlagevermögens unter dem Buchwert veräußert, so entsteht ein entsprechender Verlust, der hier auszuweisen ist. Die Bestimmung findet nicht nur bei einem Verkauf des Gegenstandes, sondern auch bei seiner Zerstörung Anwendung (vgl. Geßler in WM 1960, 29). 23. Zinsen und ähnliche

Aufwendungen

Anm. 25: Der Posten korrespondiert mit Posten 10 (vgl. Anm. 12). Unter ähnlichen Aufwendungen ist z. B. die Bereitstellungsprovision für Kredite sowie ein Disagio oder ein Damnum zu verstehen (zustimmend B.-H. Rn. 27; zweifelnd Adler-Düring-Schmaltz Tz 166). Das ist insbesondere für Organschaftsverhältnisse von Bedeutung (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 172—174; B.-H. Rn. 30). 24. Steuern Anm. 26: Die Vorschrift soll einen Einblick in die gesamte Steuerbelastung der Firma vermitteln. Wie schon bei der kleinen Aktienrechtsreform, so sind 958

Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung

§ 157 Anm. 26—28

auch jetzt Anträge gestellt und abgelehnt worden, die eine weitergehende Aufgliederung des Postens in Steuern vorschreiben wollten, einmal vom Einkommen und vom Ertrag, dann vom Vermögen und schließlich sonstige vorschreiben wollten. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß man aus den Steueraufwendungen gewisse Schlüsse auf die anderen Angaben in der Bilanz ziehen und vergleichende Berechnungen anstellen könne. Die Ablehnung erfolgte, weil sich aus solchen Berechnungen irreführende Rückschlüsse auf den auszuschüttenden Gewinn ergeben könnten und durch eine Aufgliederung des Jahresabschlusses nicht klarer wird. Im übrigen geht das Gesetz grundsätzlich von der Trennung zwischen Steuer- und Handelsbilanz aus. Deshalb sollte audi hier kein Anlaß geboten werden, steuerliche Zahlungen zur Beurteilung des Unternehmens heranzuziehen. Als Steuern sind die Beträge auszuweisen, die die Gesellschaft zu entrichten hat (§158 IV). Unter die erste Kategorie fallen Körperschaftssteuer einschließlich Kapitalertragssteuer, Gewerbeertrags-, Vermögens-, Grund-, Gewerbekapital- und Erbschaftssteuer. Unter die zweite Kategorie fallen alle anderen Steuern und Zölle, soweit sie nicht als Anschaffungsnebenkosten aktiviert werden können (Adler-Düring-Schmaltz Tz 176, 177), nicht aber die Mehrwertsteuer (letzteres streitig; wie hier Mellerowicz in Großkomm. Anm. 34 und 35; zweifelnd Adler-Düring-Schmaltz Tz 168; a. A. B.-H. Rn. 30). Anm. 27: Nach § 16 EG ist in der Gewinn- und Verlustrechnung die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe in einem zwischen den Posten 24 und 25 einzufügenden Posten „Lastenausgleichs-Vermögensabgabe" besonders auszuweisen. Mit Rücksicht auf das Auslaufen dieses Postens ist er nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung selbst, sondern nur im Einführungsgesetz aufgenommen worden. 25. Aufwendung aus Verlustübernahme Anm. 28: Die Bestimmung korrespondiert nicht in vollem Umfang mit dem Posten 15. Während Erträge aus Verlustübernahme nur in Frage kommen können, wenn die bilanzierende Gesellschaft einen Verlust hätte ohne diese Erträge, so setzen Aufwendungen aus Verlustübernahme keinen Gewinn der bilanzierten Gesellschaft voraus. Vielmehr handelt es sich um gesetzliche (§ 302) oder vertragliche Verpflichtung, die mannigfaltig gestaltet sein können. Es ist also durchaus denkbar, daß auch bei einem Verlust der bilanzierenden Gesellschaft diese Aufwendung aus Verlustübernahme zu machen ist. Die Bestimmung soll sicherstellen, daß die Aktionäre einen Einblick in die Ergebnisse der Verträge und die ihnen aus diesen drohenden Gefahren erhalten (so Geßler in WM 1960, 30). 959

§157

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 29—32 25 a) Sonderposten mit Rücklageanteilen Anm. 29: Einstellungen in Sonderposten mit Rücklageanteil sind in einem besonderen Posten zwischen den Posten 25 und 26 auszuweisen (vgl. § 158 und die dortigen Anmerkungen). 26. Sonstige Aufwendungen Anm. 30: Es handelt sich um einen Sammelposten, der dem unter Posten 14 in bezug auf Erträge entspricht. Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen insbesondere mit dem Posten 5 — Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe — sowie für bezogene Waren, vgl. oben Anm. 7. Hierher gehören auch die Bezüge des Aufsichtsrates, und zwar sowohl die festen wie die gewinnabhängigen, soweit sie durch die Satzung oder generellen Beschlüsse der Hauptversammlung festgesetzt sind (so B.-H. Rn. 33; Mutze in Die AktGes 66, 213; Adler-Düring-Schmaltz Tz 184; a. A. Voraufl.; Schl.-Qu. § 132 Anm. 4). 27. Aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- und eines Teilgewinnabführungsvertrags abgeführte Gewinne Anm. 31: Über den Begriff dieser Verträge vgl. oben Anm. 9. Man kann darüber streiten, ob es sich hier um eine echte Aufwendung der Gesellschaft handelt. Eine Gewinnabführung kommt nur in Frage, wenn ein Gewinn erzielt ist, und zwar nur aus diesem Gewinn. Andererseits ist beim Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages die Verpflichtung, einen Teil oder den ganzen Gewinn abzuführen, eine Schuld und damit ihre Begleichung auch eine Aufwendung. Die Einsetzung dieses Postens war umstritten, da nicht zu Unrecht eingewandt wurde, man könne nicht ersehen, welche Gegenleistungen von der Firma, die den Gewinn erhält, erbracht werden (z. B. Unterhaltung einer besonderen Forschungsabteilung, deren Ergebnisse der gewinnabführenden Gesellschaft zugute kommen usw.); vgl. Anm. 9. Man hat trotzdem die Bestimmung eingefügt, weil die Gesellschaft in ihrem Geschäftsbericht über die Beziehungen zu berichten hat und dabei auf die in der Tat für die Beurteilung der Gewinnabführung wesentlichen Gesichtspunkte hinreichend Aufschlüsse geben kann. 28. Jahresüberschuß — Jahresfehlbetrag Anm. 32: Es handelt sich hier um einen entscheidenden Zwischenposten. Aus ihm ergibt sich das unverfälschte Jahresergebnis. Von ihm ist nach § 58 bei der Rücklagenbildung auszugehen (beachte jedoch § 261 III). Die Verwaltung kann nach § 58 I über die Hälfte des Jahresüberschusses bei der Aufstellung des Jahresabschlusses verfügen, während die andere Hälfte für den Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung zur Verfügung steht. Das Jahresergebnis soll auch nicht beeinflußt werden durch einen Ge960

Gliederung der Gewinn- und Verlustredinung

§ 157 Anm. 32—35

winn- oder Verlustvortrag aus dem Vorjahr. Dieser folgt deshalb erst als nächster Posten. 29. Gewinnvortrag — Verlustvortrag aus dem Vorjahr Anm. 33: Nur unter Berücksichtigung dieses Postens ergibt sich der Betrag, über den tatsächlich frei verfügt werden kann. Ergibt sich ein Jahresüberschuß, so ist aus ihm zunächst ein etwaiger Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu decken. Ergibt sich ein Jahresfehlbetrag, so erhöht er sich durch einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr, er vermindert sich um einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr. Erst der um den Gewinnvortrag oder Verlustvortrag bereinigte Jahresüberschuß bzw. Jahresfehlbetrag kann bei den Entscheidungen zugrunde gelegt werden, ob Entnahmen oder Einstellungen in Rücklagen zu erfolgen haben bzw. erfolgen können. 30. Entnahmen aus offenen Rüdelagen Anm. 34: Ergibt das um den Gewinn- oder Verlustvortrag aus dem Vorjahr (Posten 29) berichtigte Jahresergebnis (Posten 28) einen Verlust, so ist bei Feststellung des Jahresabschlusses, gleichgültig, ob er durdi Vorstand und Aufsichtsrat oder durch die Hauptversammlung erfolgt, zu entscheiden, ob dieser Verlust ganz oder teilweise durch Entnahmen aus offenen Rücklagen gedeckt werden oder ob er als neuer Verlust vorgetragen werden soll. Ist bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung letzteres entschieden worden, so kann die Hauptversammlung das nicht mehr abändern. Sie ist nicht berechtigt, Entnahmen aus den Rücklagen zu beschließen, sie kann vielmehr nur Beträge den Rücklagen zuführen. Über die Möglichkeit, aus der gesetzlichen Rücklage Beträge zu entnehmen , vgl. § 150 Anm. 7 bis 9. Sind neben der gesetzlichen Rücklage mehrere Rücklagen vorhanden, so ist es denkbar, daß eine Entnahme aus der einen Rücklage und eine Zuweisung zur anderen Rücklage erfolgt. Alsdann ist hier nur der Saldo im Betrag auszuweisen. Erfolgt eine Zuweisung in die gesetzliche Rücklage unter gleichzeitiger Entnahme aus einer offenen Rücklage, so sind die Beträge getrennt auszuweisen. 31. Einstellung aus dem Jahresüberschuß in offene Rücklagen Anm. 35: Nur Einstellungen aus dem Jahresüberschuß sind hier aufzuführen. Infolgedessen sind Beträge, die der Gesellschaft durch Ausgabe von Aktien oder Wandelschuldverschreibungen, durch Zuzahlung der Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs zufließen oder die durch Kapitalherabsetzung frei werden, obwohl sie sämtlich nadi § 150 II N r . 2 bis 4, soweit sie den Nennbetrag bei der Ausgabe oder den Rückzahlungsbetrag übersteigen oder durch Kapitalherabsetzung frei werden, in die gesetzliche Rücklage einzustellen und hier nicht aufzuführen. 961

§157 Anm. 35—37

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Wird der Jahresabschluß durch Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt, können nur die Beträge hier als Einstellung in freie Rüdilagen aufgeführt werden, über die die Verwaltung nach § 58 verfügen kann. Ist sie der Auffassung, daß darüber hinaus weitere Beträge in offene Rücklagen zu stellen sind, muß sie dieses im Gewinnverwendungsvorschlag zum Ausdruck bringen (vgl. § 170 II und dort Anm. 3). 32. Bilanzgewinn — Bilanzverlust Anm. 36: Die Bezeichnung ist anstelle der bisherigen „Reingewinn—Reinverlust" getreten. Er ist ein reiner Rechnungsposten. Er muß mit dem Bilanzgewinn—Bilanzverlust in § 1 5 1 Passivseite V I I I Aktivseite V übereinstimmen. Die gesetzliche Definition ergibt sich aus § 1 5 1 I V S. 3. Danach ist der Bilanzgewinn der Überschuß der Aktivposten über die Passivposten, der Bilanzverlust der Überschuß der Passivposten über die Aktivposten. Im Fall einer Sonderprüfung nach §§ 258 ff. ist nadi § 261 ggf. hinter Posten 32 ein weiterer Posten einzufügen (siehe § 261 Anm. 3). IV. Ausnahmen f ü r bestimmte Gesellschaften Anm. 37: Während im allgemeinen die Vorschriften des Gesetzes f ü r alle Aktiengesellschaften gelten und nur zusätzliche oder abweichende Bestimmungen für solche Gesellschaften in Frage kommen, die auf einem bestimmten durch Sondergesetz geregelten Gebiet tätig sind, wie z. B. Banken, Hypothekenbanken, Versicherungsgesellschaften, so wird hier dieser Grundsatz durchbrochen. Es sind Gesellschaften, gleichgültig, was der Gegenstand ihres Unternehmens ist, von einem Teil der Vorschriften des § 157 befreit wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen. Die Bestimmungen, die die bisher f ü r alle Aktiengesellschaften gemeinsame Publizitätspflicht f ü r ihre Rechnungslegung in der Weise aufspalten, daß ein Teil der Aktiengesellschaft einer eingeschränkten Publizität der Rechnungslegung unterliegt, zeigen, daß sich die Vorstellungen über den Zweck einer solchen öffentlichen Rechnungslegung in einer Wandlung befinden. Bisher wurde die Verpflichtung der Gesellschaft zur Publizität damit begründet, daß sich Aktiengesellschaften an den öffentlichen Kapitalmarkt wenden und daß damit alle diejenigen, die Aktien erwerben wollen, einen Anspruch auf Orientierung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft haben. Daneben spielte der Gedanke des Gläubigerschutzes eine Rolle. D a ihnen nur das Gesellschaftsvermögen haftet, haben auch sie ein rechtlich zu schützendes Interesse, sich über die Situation der Gesellschaft orientieren zu können. D a ß dies letztere jedoch nur ein untergeordneter Gesichtspunkt war, ergibt sich aus der Tatsache, daß jedenfalls bis jetzt bei der GmbH, bei der auch nur das Gesellschaftsvermögen haftet, diese Möglichkeit dem Gläubiger nicht gegeben ist. Wäre f ü r die neuen Publi962

Gliederung der Gewinn- und Verlustredinung

§157

Anm.37

zitätsVorschriften die bisherige Begründung für die Verpflichtung der Aktiengesellschaft zur Publikation allein maßgebend gewesen, so hätte man — wollte man schon eine Aufspaltung der Publizität vornehmen — alle Gesellschaften, deren Aktien nicht an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr eingezogen sind, der eingeschränkten Publizitätspflicht unterwerfen müssen. Das ist aber nicht geschehen. Es unterliegen zwar alle Gesellschaften, deren Aktien an der Börse, sei es amtlich oder im Freiverkehr, gehandelt werden, der verschärften Publizitätspflicht, dagegen gilt die eingeschränkte Publizitäts'pflicht keineswegs für alle Gesellschaften, deren Aktien nicht an der Börse gehandelt werden. Vielmehr spielt hier die Größe des Unternehmens eine Rolle. Damit bekam mit der Neufassung des § 132 AktG 37 im Jahre 1959 zum ersten Male der in neuerer Zeit vertretene Gedanke einen gesetzlichen Niederschlag, es bestehe ein allgemeines öffentliches Interesse an der Kenntnis der wirtschaftlichen Lage solcher Gesellschaften, die durch ihre Größe eine nicht unerhebliche Rolle in der Gesamtwirtschaft spielen. Selbst wenn man die Berechtigung eines solchen allgemeinen öffentlichen Interesses in unserem Wirtschaftssystem bejaht, so erscheint es doch grundsätzlich bedenklich, diesen Gedanken in den Bestimmungen eines Gesetzes zum Ausdruck zu bringen, das seiner Natur nach lediglich Vorschriften für Unternehmen, die in einer bestimmten Rechtsform betrieben werden, enthalten kann. Folgerichtig bedürfte es dann eines Gesetzes, das eine Publizitätspflicht für alle Unternehmen von einer gewissen Größe an, ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in der sie betrieben werden, vorschreibt (ebenso Würdinger, S. 172). Bei der Neufassung des § 132 AktG 37 im Jahre 1959 enthielt der Regierungsentwurf lediglich die Bestimmung, daß Gesellschaften, deren Bilanzsumme 3 Millionen DM nicht übersteigt und deren Aktien nicht an einer Börse gehandelt werden, der eingeschränkten Publizitätsvorschrift unterliegen. Bei der Beratung des Gesetzes ist der Antrag gestellt worden, zusätzlich Familiengesellschaften ganz allgemein der eingeschränkten Publizitätspflicht zu unterstellen, sofern ihre Aktien nicht an der Börse gehandelt werden. Dieser Antrag hatte nur teilweise Erfolg. Auch hier ist die eingeschränkte Publizitätspflicht von der Höhe der Bilanzsumme abhängig gemacht worden. Diese ist auf 10 Millionen DM festgesetzt worden, so daß nunmehr zwei verschiedene Grenzen für die Größe des Unternehmens gelten, je nachdem, ob es sich um eine Familiengesellschaft oder um eine andere Gesellschaft handelt. Bei den Familiengesellschaften besteht noch die Besonderheit, daß jeder Aktionär, wenn die Gesellschaft an sich unter die Ausnahmeregelung fällt, verlangen kann, daß ihm die Gewinn- und Verlustrechnung in der allgemein gültigen Form vorgelegt wird. Einen Anspruch auf Aushändigung hat er nicht. Es kann nur Vorlage in der Hauptversammlung verlangt werden (vgl. B.-H. Rn. 6; Adler-Düring-Schmaltz Tz 240; Döllerer in BB 1960,110). 963

§157

Anm. 37

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Maßgebend ist die Bilanzsumme, die sich aus der Jahresbilanz ergibt, die für das Ende des Geschäftsjahres, für das die Gewinn- und Verlustrechnung gilt, aufgestellt wird. Es ist deshalb möglich, daß eine Gesellschaft, die an der Grenze in ihrer Bilanzsumme liegt, das eine Jahr unter die normale Publizitätspflicht, das andere Jahr unter die eingeschränkte Publizitätspflicht fällt. Der Begriff der Familiengesellschaft ist im Gesetz dahin definiert, daß entweder alle Aktien einer einzelnen natürlichen Person gehören oder mehreren natürlichen Personen, die untereinander im Sinne des § 10 Nr. 2 bis 5 des Steueranpassungsgesetzes verwandt oder verschwägert sind. Das sind: a) der Ehegatte, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht (§ 10 Nr. 3 StAG). Das gilt auch dann, wenn die Ehe für nichtig erklärt wurde, wie sich aus § 10 Nr. 4 a StAG ergibt. b) Verwandte in grader Linie und Verwandte zweiten und dritten Grades in der Seitenlinie, und zwar auch, wenn die Verwandtschaft auf einer unehelichen Geburt beruht (§10 N r . 2 StAG). Für den Begriff der Verwandtschaft sind die Bestimmungen des BGB, mithin § 1589 I maßgebend. Angehörige im Sinne dieser Bestimmung sind mithin auch das uneheliche Kind des Vaters zu dessen ehelichen Kindern und allen übrigen Verwandten des Vaters in grader Linie und in der Seitenlinie zweiten und dritten Grades. Die Verwandtschaft des unehelich geborenen Kindes mit seiner Mutter und deren Verwandten ergibt sich aus dem BGB. c) Verschwägerte in gerader Linie und Verschwägerte zweiten Grades in der Seitenlinie. Das gilt auch 1. wenn die Ehe, die die Schwägerschaft begründet hat, nicht mehr besteht (für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist); 2. wenn die Schwägerschaft auf einer unehelichen Geburt beruht (§10 Nr. 4 StAG). Auch hier gilt das zu b) gesagte. Das uneheliche Kind gilt auch als Angehöriger zu der Ehefrau des Vaters des unehelichen Kindes, wenn diese nicht seine Mutter ist; 3. durch Annahme an Kindesstatt in gerader Linie verbundene (§10 Nr. 5 StAG). Zu beachten ist hier, daß in der Seitenlinie durch die Annahme an Kindesstatt kein Angehörigenverhältnis im Sinne des Gesetzes begründet wird (vgl. hierzu die Kommentare zum StAG). Zu beachten ist, daß die Bezeichnung im Gesetz „verwandt oder verschwägert" nicht auf die Bestimmung des § 10 Nr. 5 des StAG paßt, denn das Adoptivkind steht nicht in einem Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis (§ 1763 BGB). Da aber ausdrücklich die Nr. 5 des StAG genannt ist, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß hier auch Adoptivkinder zu den Angehörigen zählen. Aus dem § 10 StAG sind nicht übernommen Nr. 1, das sind Verlobte, und Nr. 6, das sind Pflegekinder. Es ist nicht notwendig, daß alle Aktionäre miteinander verwandt oder verschwägert sind. Es genügt, wenn jeder es mit einem Aktionär ist und auf 964

Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung

§ 157 Anm. 37,38

diese Weise alle Aktionäre zu einer Familie gehören. Eine Unterbrechung der Kette macht die Bestimmung unanwendbar (vgl. Adler-Düring-Schmalz Tz 238). Zu bemerken ist, daß nicht jede Einmanngesellschaft unter die eingeschränkte Publizität fällt, sondern nur die, bei der der eine Aktionär eine natürliche Person ist; ist er eine juristische Person, so ist die Gesellschaft voll publizitätspflichtig. Die eingeschränkte Publizität bedeutet, daß diese Gesellschaften ihre Gewinn- und Verlustrechnung mit dem Posten 6, Rohertrag, Rohaufwand, beginnen können. Sie brauchen die Posten unter I Nr. 1 bis 5 nicht gesondert auszuweisen. Das bedeutet einmal, daß sie den Umsatzerlös nicht in einer Zahl gesondert auszuweisen braudien. Das kann gerade für kleinere Gesellschaften, die nur wenige oder gar nur einen einzigen Artikel herstellen, deshalb von gewisser Bedeutung sein, weil in einem solchen Fall aus dem Umsatzerlös auf die Kalkulation der Preise geschlossen werden kann. Von besonderer Bedeutung ist, daß nicht nur die Aufgliederung der Gesamtleistung (Posten 4) nicht erforderlich ist, sondern daß auch ein Posten Aufwendungen, nämlich der für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, sowie bezogene Waren abgezogen werden kann, so daß der erste Posten, der auszuweisen ist (Posten 6, Rohertrag, Rohaufwand) bereits nach einer sonst verbotenen Verrechnung liegt. V. Verstoß Anm. 38: Nach § 256 IV ist ein Jahresabschluß, gleichgültig, ob er vom Vorstand und Aufsichtsrat oder von der Hauptversammlung festgestellt ist, dann wegen Verstoßes gegen die Vorschrift über die Gliederung des Jahresabschlusses nichtig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt ist. Eine wesentliche Beeinträchtigung liegt namentlich vor, wenn in der Gewinn- und Verlustrechnung die Posten § 157 I Nr. 1 bis 5 nicht gesondert ausgewiesen sind, obgleich die Gesellschaft nicht zu denen gehört, die nach Abs. 4 zu diesem besonderen Ausweis nicht verpflichtet sind. Dasselbe gilt, wenn Aufwendungen oder Erträge, die unter die Posten 7, 15, 24, 25 oder 27 fallen, nicht unter diesen Posten ausgewiesen sind. Das sind einmal die Posten, aus denen sich der Rohertrag—Rohaufwand aufbaut (1—5), die Erträge und Belastungen aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungsund Teilgewinnabführungsverträgen (Posten 7 u. 27), die Erträge und Aufwendungen aus Verlustübernahmen (Posten 15 u. 25) und der Sonderausweis der Steuern (Posten 24). Werden andere Posten der Gewinn- und Verlustrechnung nicht oder unrichtig ausgewiesen, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob dadurch die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt ist. Wenn dies der Fall ist, ist der Jahresabschluß nichtig. Eine Anfechtung gibt es nicht, denn ein durch Vorstand und Aufsichtsrat festge965

§§ 157/158

Anm. 38

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

stellter Jahresabschluß kann überhaupt nicht angefochten werden, und die Anfechtung des Beschlusses, mit dem die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, kann nach § 257 I S. 2 nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. § 158 Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung (1) Bei Unternehmen, deren Geschäftszweig in der Erzeugung oder Fertigung von Gegenständen oder im Vertrieb von Waren besteht, sind als Umsatzerlöse nur die Erlöse aus der Erzeugung, Fertigung oder Lieferung dieser Gegenstände oder Waren auszuweisen. (2) Die Umsatzerlöse sind nach Abzug von Preisnachlässen und zurückgewährten Entgelten auszuweisen; andere Beträge dürfen nicht abgesetzt werden. (3) Von dem Ertrag aus einem Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrag ist ein vertraglidi zu leistender Ausgleich für außenstehende Gesellschafter abzusetzen; übersteigt dieser den Ertrag, so ist der übersteigende Betrag unter den Aufwendungen aus Verlustübernahme (5 157 Abs. 1 Nr. 25) auszuweisen. Andere Beträge dürfen nicht abgesetzt werden. (4) Als Steuern sind die Beträge auszuweisen, die die Gesellschaft als Steuerschuldner zu entrichten hat. (5) Einstellungen in die gesetzliche Rücklage nadi § 150 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 oder § 237 Abs. 5 sind nicht als Beträge auszuweisen, die nach Gesetz oder Satzung aus dem Jahresüberschuß in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind. (6) Erträge aus der Auflösung von Sonderposten mit Rücklageanteil (§ 152 Abs. 5) sind in einem zwischen den Posten Nummer 13 und Nummer 14, Einstellungen in Sonderposten mit Rücklageanteil in einem zwischen den Posten Nummer 25 und Nummer 26 einzufügenden Posten gesondert auszuweisen. Die Vorschriften sind im unmittelbaren Zusammenhang mit den Bestimmungen über die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157) behandelt. So wie der § 152 Vorschriften zu einzelnen Posten der Jahresbilanz gibt, so werden hier Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung gegeben. In Abs. 1 wird für die überwiegende Zahl aller Gesellschaften, nämlich für Unternehmen, deren Geschäftsbereich in der Erzeugung oder Fertigung von Gegenständen oder im Vertrieb von Waren besteht, eine Definition des Umsatzerlöses gegeben (vgl. hierzu § 157 Anm. 3). Absatz 2 bestimmt zwin966

Vermerk der Pensionszahlungen

§§158/159

gend, was vom Umsatzerlös abgezogen werden kann (vgl. § 157 Anm. 3). Hierzu gehören auch Skonti (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 35; a. A. Mellerowiez in Großkomm. Anm. 8). Abs. 3 befaßt sich mit einer ausnahmsweise zulässigen Verrechnung bei einem Ertrag aus einem Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrag (vgl. § 157 Anm. 31). Abs. 4 bestimmt, welche Beträge als Steuern auszuweisen sind, vgl. § 157 Nr. 24 und dort Anm. 26. Abs. 5 stellt klar, welche Beträge, die an sich in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, nicht unter Nr. 31a aufzuführen sind, vgl. § 157 Anm. 35. Abs. 6 knüpft an die Bestimmung des § 152 V an. Danach ist in der Jahresbilanz auf der Passivseite unter II a ein „Sonderposten mit Rücklageanteil" mit den Posten auszuweisen, die aufgrund steuerlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind. Ist in der Jahresbilanz ein solcher Posten vorhanden, so sind in der Gewinn- und Verlustrechnung Erträge aus der Auflösung dieses Postens in einen zwischen Posten 13 und 14 einzuschiebenden Sonderposten mit der Bezeichnung „Erträge aus der Auflösung von Sonderposten mit Rücklagenanteil (§ 152 V)", Einstellungen in zwischen den Posten 25 und 26 einzufügenden Posten unter der Bezeichnung „Einstellungen in Sonderposten mit Rücklageanteile (§ 152, V)" gesondert auszuweisen (vgl. § 157 Anm. 29). S 159 Vermerk der Pensionszahlungen Im Jahresabschluß sind der Betrag der im Geschäftsjahr geleisteten Pensionszahlungen einschließlich der Zahlungen an rechtlich selbständige Versorgungskassen und in Vom-Hundert-Sätzen dieses Betrags die in jedem der folgenden fünf Geschäftsjahre voraussichtlich zu leistenden Zahlungen zu vermerken. Die Frage, wie Pensionszusagen im Jahresabschluß zu behandeln sind, hat bei der Beratung des Gesetzes erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. 2.1961 (BGH 34, 324), wonach für Verpflichtungen aus Pensionsanwartschaften keine Rückstellungen gebildet zu werden brauchen, hat allgemein zu der Überzeugung geführt, daß der Gesetzgeber an dieser Frage nicht vorbeigehen darf. Von den vernommenen Sachverständigen haben sich die meisten für die Passivierungspflicht ausgesprochen, und zwar in dem Sinn, daß in Höhe des Gegenwartwerts der Verpflichtungen aus Anwartschaften auf Pensionen und des Barwertes der Verpflichtungen aus den laufenden Pensionen Rückstellungen zu bilden sind, mit der Begründung, Pensionsverpflichtungen seien echte Schulden. Würden 967

§159

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

sie nidit passiviert, ergäbe die Bilanz ein falsches — zu günstiges — Bild von dem Vermögen der Gesellschaft. Pensionen würden verdient in den Jahren der aktiven Dienstzeit und seien daher betriebswirtschaftlich Kosten dieses Jahres. Würden sie nicht in den Jahren der aktiven Dienstzeit durch eine entsprechende Rückstellung berücksichtigt, gäbe die Gewinn- und Verlustredinung die Ertragslage der Gesellschaft falsdi — zu günstig — wieder. Aus wirtschafts- und sozialpolitischer Sicht wurde geltend gemacht, die Passivierungspflicht zwinge die Unternehmen, sich über ihre Belastungen mit Pensionsverpflichtungen klar zu werden und könne sie von später möglicherweise nicht erfüllbaren Pensionszusagen abhalten. Die Passivierungspflicht erhöhe die Sicherheit der Pensionsansprüche, da das Unternehmen die zurückgestellten Beträge nicht als Gewinn ausschütten könne. Andererseits wurde geltend gemacht, die Passivierungspflicht könne die Unternehmen von Pensionszahlungen abhalten und damit eine sozialpolitisch erwünschte Entwicklung einschränken. Da die Pensionszahlungen in der Regel unter dem Vorbehalt ausreichender Leistungsfähigkeit des Unternehmens gemacht werden und bei laufenden Pensionen ungewiß ist, wie lange sie gezahlt werden müssen, bei Anwartschaften auf Pensionen außerdem, ob der Versorgungsfall überhaupt eintritt, sind Pensionsverpflichtungen im besonderen Maße ungewiß, so daß es fraglich erscheinen muß, ob überhaupt eine passivierungspflichtige Verpflichtung vorliegt. Diese Bedenken gegen die Einführung eines Passivierungszwangs wurden durch die Überlegung verstärkt, daß damit gerechnet werden muß, daß eine aktienrechtlidie Vorschrift über die Passivierung der Pensionsverbindlichkeiten als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung angesehen und auch auf Unternehmen anderer Rechtsform angewandt würde. Da solche Unternehmen bisher häufiger als Aktiengesellschaften keine ausreichenden Pensionsrückstellungen gebildet haben, könnte die Einführung der Passivierungspflicht zu größeren Schwierigkeiten führen. Es wurde ferner erwogen, die Pensionsverpflichtungen ähnlich zu behandeln wie die Verpflichtung aus der Lastenausgleichs-Vermögensabgabe. Das würde bedeuten, daß in den Fällen, in denen keine Pensionsrückstellungen gebildet worden sind, im Jahresabschluß der nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechnete Gegenwartswert der Pensionsverpflichtungen zu vermerken ist. Auch dies wurde aus der Erwägung abgelehnt, daß ein Unternehmen durch einen solchen Vermerk deutlich mache, daß es die Pensionsverpflichtungen ganz oder teilweise nicht passiviert habe. Ein solcher Vermerk werde sich auf den Kredit und die sozialpolitische Stellung des Unternehmens nachteilig auswirken. Er komme daher im praktischen Ergebnis einem Zwang zur Passivierung der Pensionsverpflichtungen sehr nahe. Gegen ihn sprächen daher weitgehend die gleichen Bedenken wie gegen die Passivierungspflicht 968

Inhalt des Geschäftsberichts

§§159/160

Andererseits hielt man es aber für nicht möglich, auf die Offenlegung der Pensionsverpflichtungen vollständig zu verzichten. Die Vorschrift bestimmt deshalb, daß einmal der Betrag der im Geschäftsjahr tatsächlich geleisteten Pensionszahlungen anzugeben ist und ferner die in jedem der folgenden fünf Geschäftsjahre voraussichtlich zu leistenden Zahlungen. Bei dem ersten Betrag sind auch die Zahlungen an rechtlich selbständige Versorgungskassen mit einzubeziehen. Die Beträge für die fünf folgenden Geschäftsjahre sind in Prozentsätzen zu dem im Geschäftsjahr gezahlten Betrag anzugeben. Die fünf Jahre sind der nach allgemeinen Gesichtspunkten als überschaubar geltende Zeitraum (vgl. dazu Winter in B B 66, 1363). Auf der anderen Seite ist er hinreichend, um eine gewisse Entwicklungstendenz für die künftigen Pensionsleistungen daraus ersehen zu können. Der entsprechende Vermerk ist im Jahresabschluß, nicht etwa im Geschäftsbericht zu machen, da der Jahresabschluß wegen seiner Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern eine größere Publizität hat als der Geschäftsbericht, der nur beim Handelsregister einzureichen ist. Da für die geleisteten Pensionszahlungen, das sind die laufenden Pensionen, und für die Zahlungen an Versorgungskassen, in denen mindestens zum Teil Zahlungen für Anwartschaften für Pensionen stecken, in einem Betrag zu vermerken sind, ist der Aussagewert des Vermerks nicht sehr erheblich. Bei der Berechnung der voraussichtlichen Zahlungen in den nächsten 5 Jahren können dadurch Schwierigkeiten entstehen, wenn im Berichtsjahr, z. B. aus steuerlichen Gründen, keine Zahlungen erfolgen. Es ist dann der für das nächste Jahr vorgesehene Betrag anzugeben (Heubeck in D B 6 6 , 6 2 9 ff.). Der Vermerk ist von allen Gesellschaften zu machen, also auch von denen, die an sich ausreichende Rückstellungen im Jahresabschluß ausweisen. Gerade der Vermerk ermöglicht es nunmehr, schätzungsweise zu überprüfen, ob die Pensionsrückstellungen das volle Risiko decken. Da die Pensionsrückstellungen abweichend vom bisherigen Recht gesondert auf der Passivseite unter I V Posten 1 in der Jahresbilanz (§ 151) aufzuführen sind, wird im Ergebnis damit für jeden Interessenten dargelegt, ob die Gesellschaft hinreichend für ihre Pensionsverpflichtungen vorgesorgt hat oder ob sie sich auf den durchaus nach dem Gesetz vertretbaren Standpunkt stellt, daß die jeweils erforderlichen Pensionszahlungen Belastungen des Geschäftsjahres darstellen, in dem sie erfolgen.

§ 160 Inhalt des Geschäftsberichts (1) Im Geschäftsbericht sind der Gesdiäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft darzulegen. Zu berichten ist auch über Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluß des Geschäftsjahrs eingetreten sind.

969

§160

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

(2) Im Geschäftsbericht ist ferner der Jahresabschluß zu erläutern. Dabei sind die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden so vollständig anzugeben, wie es zur Vermittlung eines möglichst sicheren Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft erforderlich ist; auf die Angabe dieser Methoden im Geschäftsbericht für ein früheres Geschäftsjahr, das nicht weiter zurückliegt als das dritte vorausgegangene Geschäftsjahr, kann Bezug genommen werden. In jedem Geschäftsbericht sind zu den einzelnen Posten des Anlagevermögens die Abschreibungen und Wertberichtigungen anzugeben, die auf Zugänge des Geschäftsjahrs gemacht worden sind. In jedem Geschäftsbericht sind ferner Abweichungen des Jahresabschlusses von dem letzten Jahresabschluß, die die Vergleichbarkeit mit dem letzten Jahresabschluß beeinträditigen, namentlich wesentliche Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden einschließlich der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen zu erörtern; dabei braudien Einzelheiten nicht angegeben zu werden. Wird infolge von Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden einschließlich der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen ein Jahresüberschuß oder Jahresfehlbetrag ausgewiesen, der um mehr als zehn vom Hundert unter oder über dem Betrag liegt, der ohne die Änderung auszuweisen wäre, so ist der Unterschiedsbetrag anzugeben, wenn er einhalb vom Hundert des Grundkapitals übersteigt. (3) In jedem Geschäftsbericht sind Angaben zu machen über 1. Bestand und Zugang an Aktien, die ein Aktionär für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehenden Unternehmens oder ein abhängiges oder im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausdi- oder Bezugsrechts übernommen hat; sind solche Aktien im Geschäftsjahr verwertet worden, so ist auch über die Verwertung unter Angabe des Erlöses und die Verwendung des Erlöses zu berichten; 2. Bestand an eigenen Aktien der Gesellschaft, die sie, ein abhängiges oder im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen oder ein anderer für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehenden Unternehmens erworben oder als Pfand genommen hat; sind solche Aktien im Geschäftsjahr erworben oder veräußert worden, so ist auch über den Erwerb oder die Veräußerung unter Angabe des Ewerbs- oder Veräußerungspreises und über die Verwendung des Erlöses zu berichten; 3. das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung unter Angabe des Unternehmens; 970

Inhalt des Geschäftsberichts

§160

4. Aktien, die bei bedingter Kapitalerhöhung im Geschäftsjahr bezogen worden sind; 5. das genehmigte Kapital; 6. Genußrechte, Rechte aus Besserungsscheinen und ähnliche Rechte unter Angabe der im Geschäftsjahr neu entstandenen; 7. aus der Jahresbilanz nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse einschließlich der Bestellung von Sicherheiten für eigene Verbindlichkeiten; 8. die Gesamtbezüge (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) der Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats und eines Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung jeweils gesondert unter Bezeichnung der einzelnen Einrichtung. In die Gesamtbezüge sind auch Bezüge einzuredinen, die nicht ausgezahlt, sondern in Ansprüche anderer Art umgewandelt oder zur Erhöhung anderer Ansprüche verwandt werden. Außer den Bezügen für das Geschäftsjahr sind die weiteren Bezüge anzugeben, die im Geschäftsjahr gewährt, bisher aber in keinem Geschäftsbericht angegeben worden sind. Erhalten Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft von verbundenen Unternehmen für ihre Tätigkeit für die Gesellschaft oder für ihre Tätigkeit als gesetzliche Vertreter oder Angestellte der verbundenen Unternehmen Bezüge, so sind diese Bezüge gesondert anzugeben; 9. die Gesamtbezüge (Abfindungen, Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art) der früheren Mitglieder des Vorstands und ihrer Hinterbliebenen. Nummer 8 Satz 2 und 3 gilt sinngemäß. Erhalten frühere Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft oder ihre Hinterbliebenen auch von verbundenen Unternehmen Abfindungen oder Ruhegehälter, so sind diese Bezüge gesondert anzugeben; 10. die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen mit Sitz im Inland, ferner über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können; 11. das Bestehen einer Beteiligung an der Gesellschaft, die ihr nach §20 Abs. 1 oder 4 mitgeteilt worden ist; dabei ist anzugeben, wem die Beteiligung gehört und ob sie den vierten Teil aller Aktien der Gesellsdiaft übersteigt oder eine Mehrheitsbeteiligung ( § 1 6 Abs. 1) ist. (4) Der Bericht hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Die Berichterstattung hat insoweit zu unterbleiben, wie es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Bei der Beriditerstattung nach Absatz 3 N r . 7 971

§160 Anm. 1

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

und 10 braudien Einzelheiten insoweit nicht angegeben zu werden, als nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit gerechnet werden muß, daß durch die Angaben der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen erheblidie Nachteile entstehen. Werden auf Grund von Satz 3 Angaben nicht gemacht, so ist im Geschäftsbericht unter Anführung der Nummer, nach der sie erforderlich sind, anzugeben, daß für Angaben nach dieser Nummer von der Schutzklausel nach Satz 3 Gebrauch gemacht worden ist. (5) Im Geschäftsbericht sind alle Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, auch die im Geschäftsjahr oder nachher ausgeschiedenen, mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, seine Stellvertreter und ein etwaiger Vorsitzender des Vorstands sind als solche zu bezeichnen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Bericht über den Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft (Anm. 2) III. Erläuterungen des Jahresabschlusses (Anm. 3) IV. Angabe der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden (Anm. 4) V. Die besonderen Angaben 1. Vorratsaktien (Anm. 5) 2. Erworbene Aktien (Anm. 6) 3. Das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung (Anm. 7) 4. Aktien, die bei bedingter Kapitalerhöhung im Geschäftsjahr bezogen sind (Anm. 8) 5. Das genehmigte Kapital (Anm. 9) 6. Genußrechte, Rechte aus Besserungsscheinen und ähnliche Rechte (Anm. 10)

7. Aus der Jahresbilanz nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse (Anm. 11) 8. Gesamtbezüge der Verwaltung (Anm. 12) 9. Bezüge früherer Vorstandsmitglieder (Anm. 13) 10. Die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (Anm. 14) 11. Das Bestehen einer Beteiligung an der Gesellschaft, die ihr nach § 20 I oder IV mitgeteilt worden ist (Anm. 15) VI. Die Sdiutzklausel (Anm. 16) VII. Angabe der Mitglieder von Vorstand und Anfsichtsrat (Anm. 17) VIII. Verstoß (Anm. 18)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 128 AktG 37 jedoch mit erheblichen Änderungen, die im wesentlichen mit den neuen Vorschriften der §§15 bis 21 und der völlig neuen Regelung der Bewertungsvorschriften zusammenhängen. Weitere Abweichungen ergeben sich aus Einzelbestimmungen, wie z. B. § 312 (vgl. im übrigen Goerdeler in WP 66,115). Nach § 148 hat der Vorstand in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres den Jahresabschluß sowie den Geschäftsbericht aufzustellen und den Abschlußprüfern vorzulegen. Unverzüglich nach Eingang des Prüfungs972

Inhalt des Geschäftsberichts

§160

Anm. 1,2

berichtes der Abschlußprüfer hat er den Geschäftsbericht zusammen mit dem Jahresabschluß und dem Prüfungsbericht dem Aufsiditsrat vorzulegen (§ 170), und endlich hat er ihn nach § 175 der Hauptversammlung vorzulegen. Der Bericht hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Sein Inhalt zerfällt in zwei Teile: 1. Ist der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft zu erörtern (Abs. 1). 2. Ist der Jahresabschluß zu erläutern. Obwohl die Einzelbestimmungen aus § 128 AktG 37 — mit einer Ausnahme: Abs. 2 Nr. 9 — übernommen worden sind, bestehen doch einige Abweichungen, die von besonderer Bedeutung sind und deshalb zu erheblichen Auseinandersetzungen bei der Beratung des Gesetzes geführt haben. Einmal ging es darum, genauer zu bestimmen, nach welchen Grundsätzen die Erläuterung des Jahresabschlusses zu erfolgen hat. Insbesondere war dies deshalb wichtig, weil die neuenBewertungsvorschriften ihr Ziel, einen verbesserten Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln, nur dann erreichen können, wenn die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden im Geschäftsbericht angegeben werden und wenn insbesondere jede Abweichung deutlich klargelegt wird. Damit im unmittelbaren Zusammenhang steht die sogenannte Schutzklausel, die nach den Vorschlägen der Ausschüsse ganz gestrichen werden sollte, die dann aber in der zweiten Lesung des Gesetzes vor dem Plenum des Bundestags, wenn auch in abgeschwächter Form, dennoch eingefügt wurde. II. Bericht über den Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft Anm. 2: Es ist der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft darzulegen, also ein dynamischer und statischer Überblick zu gewähren. Die Lage der Gesellschaft ist ihre Vermögenslage und die augenblickliche Geschäftslage. Der Bericht wird alles erwähnen, was für das Jahresergebnis von Einfluß war und die Gegenwart und Zukunft bestimmt. Neben der allgemeinen Wirtschaftslage und der Lage des Geschäftszweiges und den allgemeinen und besonderen Aussichten zur Zeit der Abfassung, alle wichtigen Geschäftsvorgänge, sozialen Leistungen, besonders für die eigene Gefolgschaft (sogen. Sozialbericht), die Entwicklung des Umsatzes, Gründung von Zweigniederlassungen, den Abschluß wichtiger Verträge, Beziehungen zu anderen Gesellschaften, insbesondere zu verbundenen Unternehmen (vgl. Abs. 3 Nr. 10 und Anm. 14). In diesem ersten Teil ist auch über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu berichten, die sich nach Schluß des Geschäftsjahres ereignet haben. Das sind nur solche, die eine maßgebliche Wirkung auf die Lage und den Geschäftsablauf haben. Ferner ist über die eingetretenen oder drohenden Verluste zu berichten, weil diese die Beschlüsse der Aktionäre (Feststellung des Jahres973

§160 Anm. 2—4

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

abschlusses, Vertrauenskundgabe durch Entlastung, Gewinnverwendung) beeinflussen können. Dagegen gehören nicht hierher Angaben über den Unfallschutz und -ablauf. III. Erläuterungen des Jahresabschlusses Anm. 3: Der zweite Teil des Geschäftsberichts (vgl. oben Anm. 1) ist die Erläuterung des Jahresabschlusses. Das bloße Zahlenbild, das der Jahresabschluß gibt, soll demjenigen, der eine Bilanz lesen kann (nicht jedem ganz Unkundigen) verständlich gemacht werden. Das wichtigste, was dazu erforderlich ist, ist die Angabe der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden und deren etwaige Abweichung von dem vorjährigen Jahresabschluß. Dafür gibt Abs. 2 eine neue ins einzelne gehende Regelung. Abs. 3 enthält eine 11 Ziffern enthaltende Liste von Angaben, die bei Vermeidung einer Freiheitsstrafe (§ 400 Nr. 4) immer zu machen sind, ohne daß das Ermessen des Vorstandes walten könnte (ebenso Mellerowicz in Großkomm. Anm. 23). Bei den Angaben nach Abs. 3 handelt es sich praktisch um einen Tatsachenbericht, da Angaben zu den einzelnen Tatbeständen zu machen sind (vgl. Mellerowicz in Großkomm. Anm. 23). Zu beachten ist jedoch, daß Begriffe, die das Gesetz verwendet, auch im Geschäftsbericht zu verwenden sind, da der Zweck des Gesetzes sonst nicht erreicht werden kann, die Übersichtlichkeit des Berichts und damit eine Nachprüfbarkeit sicherzustellen (vgl. BGH 44, 35; Forster in WP 65, 473 ff.).

IV. Angabe der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden Anm. 4: Obwohl das Gesetz nur von Bewertungs- und Abschreibungsmethoden spricht, sind mit letzteren auch Wertberichtigungen gemeint. Sie sind nur aus sprachlichen Gründen nicht erwähnt. Eine besondere Wertberichtigung, nämlich die sich aus einer Sonderprüfung nach §§ 258—261 ergebende ist in § 261 besonders erwähnt (siehe § 261 Anm. 3). Die Bedeutung der neuen Bewertungsvorschriften (vgl. hierzu Vorbem. vor §§ 153—156) hat es notwendig gemacht, deren Behandlung im Geschäftsbericht in einem besonderen Abs. 2 zu regeln, während der Inhalt des bisherigen Abs. 2 mit Ausnahme des ersten Satzes nunmehr in Abs. 3 aufgenommen ist. Nach Abs. 2 S. 2 sind die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden so vollständig anzugeben, wie es zur Vermittlung eines möglichst sicheren Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft erforderlich ist. Diese Formulierung war sehr umstritten. Sie soll der Tatsache Rechnung tragen, daß durch die Angabe von Bewertungs- und Abschreibungsmethoden kein vollkommen sicherer Einblick in die Vermögensund Ertragslage der Gesellschaft vermittelt werden kann. Sie soll klar974

Inhalt des Geschäftsberichts

§160

Anm. 4

stellen, daß die Unternehmen nur gehalten sind, das im Rahmen eines Geschäftsberichtes Mögliche zu tun (vgl. Ausschußbericht zu Drucksache IV/ 3296). Das bedeutet, daß neben allgemeinen Angaben, z. B., daß die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe nach dem Einstandswert, dem Durchschnittswert, dem Lifo-, Fifo-, Festwertverfahren bewertet sind (Goerdeler in WP 66, 116), besondere Angaben zu machen sind, wenn die Bewertung streitig ist, wie z. B. beim Posten unfertiger und fertiger Erzeugnisse und Waren. Über die bei den Angaben der Abschreibungsmethoden auftretenden Schwierigkeiten vgl. im einzelnen Goerdeler (a. a. O.). Diese Angaben müssen grundsätzlich in jedem Geschäftsbericht gemacht werden. Sie können nicht einfach weggelassen werden, wenn sie in einem früheren Geschäftsjahr gemacht wurden, jedoch ist gestattet, auf solche früher gemachten Angaben Bezug zu nehmen, wenn das Geschäftsjahr, für das sie gemacht wurden, nicht weiter zurückliegt als das dritte vorausgegangene Geschäftsjahr. Liegt sachlich ein unter die betreffende Nummer fallender Vorgang nicht vor, so bestehen trotz der Formulierung „in jedem Geschäftsbericht sind Angaben zu machen" keine Bedenken, insoweit keine Angaben zu machen (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 84; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 23). Abschreibungen und Wertberichtigungen auf das Anlagevermögen sind nach § 151 IV bereits in der Jahresbilanz vorzunehmen. Nach § 152 I S. 2 sind Zugänge sowie die für das Geschäftsjahr gemachten Abschreibungen bei den einzelnen Posten des Anlagevermögens gesondert aufzuführen. Im Geschäftsbericht sind zu den einzelnen Posten des Anlagevermögens die Abschreibungen und Wertberichtigungen anzugeben, die auf Zugänge des Geschäftsjahres gemacht worden sind. Von besonderer Bedeutung ist die Angabe von Abweichungen des Jahresabschlusses von dem letzten Jahresabschluß. In § 128 II S. 2 AktG 37 hieß es: „Dabei sind auch wesentliche Abweichungen von dem letzten Jahresabschluß zu erörtern." In der jetzigen Formulierung fehlt das Wort „wesentliche". Nach der jetzigen Fassung müssen alle Abweichungen erörtert werden, die die Vergleichbarkeit mit dem letzten Jahresabschluß beeinträchtigen. Damit wird das gesagt, worauf es ankommt. Der Geschäftsbericht soll dazu beitragen, die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse der verschiedenen Geschäftsjahre zu erhöhen. Namentlich sind Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden und die Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen geeignet, die Vergleichbarkeit mit dem letzten Jahresabschluß zu beeinträchtigen. Deshalb sind sie besonders hervorgehoben. Die neuen Bewertungsvorschriften überlassen die Wahl der Bewertungsmethode im einzelnen weitgehend der Gesellschaft. Der anzusetzende Wert ergibt sich daher in vielen Fällen nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern nur aus dem Gesetz in Verbindung mit der in den gesetzlichen Grenzen ge975

§ 160 Anm. 4

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

wählten Bewertungs- und Abschreibungsmethode. Von entscheidender Bedeutung ist daher, daß im Geschäftsbericht über die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden berichtet werden muß, daß jede Änderung der Bewertungsund Abschreibungsmethode erörtert werden muß und daß die betragsmäßigen Auswirkungen solcher Änderungen genannt werden müssen, wenn sie erheblich sind. In diesen Berichtspflichten kommt als wesentlicher Grundsatz des neuen Bewertungsrechts der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit zum Ausdruck. Hauptziel der neuen Bewertungsvorschriften ist es, die Ergebnisse aufeinanderfolgender Geschäftsjahre vergleichbar zu machen (vgl. Kormann in BB 66, 1277). Vergleichbare Jahresabschlüsse sollen den Beteiligten die Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft zeigen und in gewissem Umfang auch den Ertragsvergleich mit anderen Gesellschaften erleichtern. Bei der ersten Anwendung der neuen Bestimmungen, also im allgemeinen für das nach dem 31. 12. 1966 beginnende Geschäftsjahr, wird man von einer Änderung nicht sprechen können, um so mehr wird aber eine eingehende Darstellung der angewandten Methoden notwendig sein. Obwohl bereits in der Formulierung der Ausschüsse insofern eine Einschränkung an dieser Stelle gemacht wurde, daß hier das Wort „wesentliche" im Zusammenhang mit den Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden gebraucht wurde, waren die Spitzenverbände der Wirtschaft besorgt, daß durch den Wegfall der allgemeinen Schutzklausel des § 128 II AktG 37 die Gesellschaften zu Angaben genötigt würden, die ihnen selbst oder verbundenen Unternehmen Nachteile bereiten könnten. Deshalb ist noch im Plenum des Bundestages eingefügt worden: „Dabei brauchen Einzelheiten nicht angegeben zu werden." Ob sich diese Einschiebung schädlich auswirken wird, muß abgewartet werden. Eine zu weite Auslegung durch die Rechtsprechung würde Sinn und Zweck des Abs. 2 widersprechen. Auf jeden Fall gilt in erster Linie der Satz 2 dieses Absatzes, wonach die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden so vollständig anzugeben sind, wie es zur Vermittlung eines möglichst sicheren Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft erforderlich ist. Deshalb muß jede Abweichung insoweit in „Einzelheiten" angegeben werden, daß man erkennen kann, inwieweit die bisherigen Bewertungs- und Abschreibungsmethoden dadurch abgeändert sind und ob durch diese Abänderungen nicht der Satz 2 dieses Absatzes verletzt wird. Ist das nicht erkennbar, so sind nicht „Einzelheiten" weggelassen worden, sondern etwas, was für das Verständnis wesentlich ist, und dies ist verboten. Auch die Angabe wesentlicher Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden machen es nicht ohne weiteres möglich zu erkennen, inwieweit sich dadurch das Ergebnis des Jahresabschlusses geändert hat. Deshalb schreibt das Gesetz weiterhin vor, daß, wenn die Änderung das Jahresergebnis mehr als 10 % beträgt, der Unterschiedsbetrag zahlenmäßig anzugeben ist. Wenn das Jahresergebnis ein ausgeglichenes ist, d. h., wenn 976

Inhalt des Geschäftsberichts

§160

Anm. 4,5

ein nur kleiner Gewinn oder Verlust ausgewiesen wird, könnten die 10 °/o einen so unbedeutetenden Betrag ausmachen, daß es nicht zumutbar ist, ihn zahlenmäßig zu nenen. Deshalb ist die Mindestgrenze genannt: der Betrag muß nur dann angegeben werden, wenn er i h °/o des Grundkapitals übersteigt. Abgesehen von der oben erörterten Einschränkung, die darin liegt, daß Einzelheiten nicht angegeben zu werden brauchen, gilt für die Angaben, die nach Abs. 2 zu machen sind, nur die Schutzklausel des Abs. 4, wonach die Berichterstattung insoweit zu unterbleiben hat, wie es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Eine solche, das öffentliche Interesse schützende Klausel erscheint an sidi überflüssig, weil Fälle, in denen die Berichterstattung nach § 160 die Staatssicherheit gefährden könnte, kaum denkbar sind. Kämen sie vor, so folgt aus den Vorschriften des Strafgesetzbuches ohne weiteres, daß die Berichterstattung unterbleiben muß. Uber die Erfahrungen hinsichtlich der Anwendung des § 160 II bei 100 großen Gesellschaften für 1967 vgl. Cortau in DB 69, 279 ff. und 315 ff. V. Die besonderen Angaben 1. Vorratsaktien Anm. 5: Unter Nr. 1 fallen die bei Kapitalerhöhung ursprünglich erworbenen eigenen Aktien, die als Vorratsaktien bezeichnet werden, vgl. § 56 mit Anm. Trotz § 56 I ist zunächst über den Bestand und den etwaigen Erwerb solcher Aktien zu berichten. Grundsätzlich braucht weder der Aktionär noch die abhängige Gesellschaft genannt zu werden (streitig, wie hier AdlerDüring-Schmaltz Tz 89). Mellerowicz (in Großkomm. Anm. 24) hält die Angaben für angebracht, wenn sie für die Beurteilung der Verhältnisse der Gesellschaft erforderlich sind (so auch Schl.-Qu. § 128 Anm. 9; B.-H. Rn. 12). Über den jeweiligen Bestand ist auch dann in jedem Geschäftsjahr zu berichten, "wenn sich der Bestand nicht verändert hat, das kommt zum Ausdruck durch die Formulierung „Bestand und Zugang". Umgehungen soll die Bestimmung verhindern, daß auch die Aktien hierher gehören, die ein Aktionär für Rechnung eines abhängigen oder eines in Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehenden Unternehmens oder ein solches Unternehmen selbst als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtauschs oder Bezugsrechts übernommen hat. Insoweit sind die neuen Bestimmungen der Terminologie des § 16 angepaßt. Sind solche angabepflichtigen Aktien verwertet, so ist auch dies anzugeben, und zwar muß der Erlös und seine Verwendung zusätzlich angegeben werden. Bei einem Verkauf wird der Erlös meist der Verstärkung der Betriebsmittel gedient haben, doch evtl. die Verwertung auch der Vermehrung der Anlagen, z.B. einer Angliederung. Ersternfalls ist darüber nicht mehr zu 977

§160

Rechnungslegung . Gewinnverwendung

Anm. 5—7 sagen als dies: sind die Aktien oder ihr Erlös zu einem bestimmten Zweck verwandt worden, so ist dieser Zweck anzugeben. 2. Erworbene Aktien Anm. 6: Nach Abs. 2 sind die von der Gesellschaft abgeleitet erworbenen oder in Pfand (oder zu Sicherungseigentum) genommenen eigenen Aktien die bereits im Verkehr waren, ohne Rücksicht darauf anzugeben, ob der Erwerb nach § 71 zulässig war oder nicht. Jedoch muß die Zulässigkeit dargetan und der Erwerb gerechtfertigt werden. Sie sind getrennt von den unter Nr. 1 aufgeführten ursprünglich erworbenen Aktien bestandsmäßig nach dem Bilanzstichtag anzugeben. Auch über eigene Aktien, die am Bilanzstichtag nicht mehr vorhanden, sondern im Laufe des Geschäftsjahres veräußert worden sind, mögen sie auch erst im Laufe des Geschäftsjahres erworben worden sein, muß berichtet werden. Im übrigen siehe Anm. 5. Auch hier gilt dasselbe von Aktien der Gesellschaft, die ein von ihr abhängiges oder im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen oder ein Dritter für ihre oder eines solchen Unternehmens Rechnung auf abgeleitetem Wege erworben hat. Dem Erwerb „für Rechnung" steht ein Erwerb mit Kursgarantie der Gesellschaft gleich. Auch hier ist neben dem Bestand der Erwerb und die Veräußerung solcher Aktien anzugeben, dabei sind hier sowohl der Erwerbs- als auch der Veräußerungspreis mitzuteilen, und es ist über die Verwendung des Erlöses zu berichten (vgl. oben Anm. 5). 3. Das Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung Anm. 7: Die Bestimmung der Nr. 3 ist neu. Sie ergibt sich aus der besonderen Bedeutung, die das Gesetz einer wechselseitigen Beteiligung beilegt. Anzueben ist einmal die Tatsache der wechselseitigen Beteiligung und zum anderen das Unternehmen, mit dem sie besteht. Über den Begriff der wechselseitigen Beteiligung vgl. § 19 und über deren Folgen § 328. Letzterer findet jedoch nach § 19 IV nur auf eine wechselseitige Beteiligung im Sinne des § 19 II Anwendung, d. h. nur auf die Fälle, in denen keine Mehrheitsbeteiligung des einen Unternehmens vorliegt und keine Abhängigkeit des anderen aus anderen Gründen. Dennoch sind hier auch die wechselseitigen Beteiligungen anzugeben, die unter die Abs. 2 und 3 des § 19 fallen, da das Gesetz schlechthin vom Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung spricht. Dagegen verlangt das Gesetz nicht die Angabe, wie hoch diese Beteiligung ist (ebenso AdlerDüring-Schmaltz Tz 146; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 26; a. A. B.-H. Rn. 14). Sie muß nach § 19 I mehr als den vierten Teil der Anteile der jeweiligen Gesellschaften betragen, das wird also bereits mit der Aufnahme der Gesellschaft unter diesem Posten kundgetan. Steigt die wechselseitige Beteiligung bei einem der Unternehmen über 50 °/o, so wird dieses zum herrschenden, das andere Unternehmen zum abhängigen Unternehmen (§ 19 II). 978

Inhalt des Geschäftsberichts

§160 Anm. 7—11

Diese Tatsache muß in dem Geschäftsbericht beider Gesellschaften unter Nummer 10 bzw. Nummer 11 aufgeführt werden. Im Interesse der Klarheit der Berichterstattung kann es zweckmäßig sein, die Berichte über die Nummer 3, 10 und 11 zusammenzuziehen (ebenso Adler-Düring-SchmaltzTz 148). 4. Aktien, die bei bedingter Kapitalerhöhung im Geschäflsjahr bezogen sind Anm. 8: Eine Angabe der Zahl ist nach Nr. 4 schon deshalb notwendig, weil sich um den Nennbetrag das Grundkapital der Gesellschaft erhöht hat und diese in der Bilanz zum Ausdruck kommende Tatsache der Erläuterung im Geschäftsbericht bedarf. Anzugeben sind nur die im Laufe des Geschäftsjahres nach § 199 ausgegebenen Aktien. Der Ausgabebetrag steht nach § 193 fest. Er braucht nicht besonders genannt zu werden. Auch die Bezieher brauchen nicht genannt zu werden. Nach der weitergehenden herrschenden Meinung soll der Bericht ersehen lassen, welches Aufgeld erzielt worden ist und ob alle Bedingungen des Kapitalerhöhungsbeschlusses erfüllt worden sind und wie (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 154; wie hier Mellerowicz in Großkomm. Anm. 28, der uns offenbar mißversteht, da er unsere Ansidit als abweichend bezeichnet). 5. Das genehmigte Kapital Anm. 9: Das genehmigte Kapital ist nach Nr. 5 in der sich aus dem Beschluß nach § 202 I ergebenden Höhe anzugeben, also auch und gerade, wenn noch keine Aktien ausgegeben worden sind und deshalb das genehmigte Kapital als Passivposten in der Bilanz noch nicht erscheint. Sind auf das genehmigte Kapital Aktien ausgegeben worden, so ist über Tatsache, Umstände, Bedingungen der Ausgabe, bei welchen der Vorstand viel größere Freiheit haben kann als bei bedingter Kapitalerhöhung (vgl. § 205 II mit § 194 I S. 1), nach den Grundsätzen des Abs. 4 S. 1 erschöpfend zu berichten. Der Vorstand muß mitteilen, welchen Gebrauch er vom genehmigten Kapital gemacht hat. 6. Genußrechte, Recht aus Besserungsscheinen und ähnliche Rechte Anm. 10: Die Vorschrift der Nr. 6 ist gegenüber § 128 II Nr. 5 AktG 37 erweitert. Dort waren nur Genußrechte aufgeführt. Bisher ist über andere Rechte Dritter am Gewinn der Gesellschaft im allgemeinen unter „Aus der Jahresbilanz nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse" berichtet worden. Das ist jetzt nicht mehr zulässig, vielmehr ist über sie zusammen mit den Genußrechten zu berichten. Dabei ist Art und Inhalt der einzelnen Rechte anzugeben. Von jedem der verschiedenen Rechte ist der Gesamtbestand anzugeben und in einer weiteren Zahl die davon im Geschäftsjahr neu geschaffenen. 7. Aus der Jahresbilanz nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse Anm. 11: Die Vorschrift der Nr. 7 ist gegenüber der des § 128 Nr. 6 AktG 37 insoweit abgeändert worden, als durch die Zufügung der Worte „eigene 979

§ 160 Anm. 11

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Verbindlichkeiten" klargestellt wurde, daß es sich hier nur um Haftungsverhältnisse für eigene Verbindlichkeiten handelt, während die Haftung für fremde Verbindlichkeiten im Jahresabschluß zu vermerken sind. Dies ist in § 151 V Nr. 4 durch die Worte „für fremde Verbindlichkeiten" ausdrücklich festgelegt worden. Damit ist die Publizität gegenüber der bisherigen Vorschrift für Haftungsverhältnisse für fremde Verbindlichkeiten verstärkt, denn der Jahresabschluß wird in den Gesellschaftsblättern veröffentlicht, während der Geschäftsbericht nur dem Handelsregister einzureichen ist. Eine weitere Verbesserung der Publizität besteht darin, daß auch die Verbindlichkeiten aus der Begebung von Wechseln nicht wie nach geltendem Recht im Geschäftsbericht, sondern in der Jahresbilanz zu vermerken sind (§ 151 V S. 1 Nr. 1). Demgemäß wurden hier gegenüber § 128 II Nr. 6 AktG 37 die Worte „sowie von Verbindlichkeiten aus der Begebung von Wechseln und Schecks" nicht aufgeführt. Soweit nach dieser Vorschrift Angaben zu machen sind, handelt es sich weniger um eine Erläuterung als um eine Ergänzung des Jahresabschlusses. Sie sind neben den etwa erforderlichen Erläuterungen zu den aus dem der Jahresbilanz hervorgehenden Verpflichtungen und Haftungsverhältnissen zu machen. Hier sind zwei ganz verschiedene Dinge anzugeben, nämlich: a) schuldrechtliche Haftung der Gesellschaft, b) zusätzliche dingliche Sonderhaftung einzelner Vermögensgegenstände der Gesellschaft, beides für Verbindlichkeiten der Gesellschaft selbst, soweit sie nicht aus der Bilanz hervorgehen. Zu a) Aus der Einschränkung, daß es sich nur um Haftungsverhältnisse handelt, die nicht aus der Jahresbilanz hervorgehen, ergibt sich für die Auslegung der Bestimmung zwangsläufig, daß nur Eventualverpfliditungen gemeint sind, welche nach dem Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung nicht in die Bilanz eingestellt zu werden pflegen, aber möglicherweise (unter gewissen Voraussetzungen) zu den aus der Bilanz ersichtlichen hinzutreten können (so jetzt auch Mellerowicz in Großkomm. Anm. 34). Obwohl auch Verpflichtungen aus schwebenden, beiderseits unerfüllten gegenseitigen Verträgen nicht aus der Bilanz ersichtlich und unbedingt sind, sind auch sie nicht gemeint. Der Grundsatz der Erfüllung Zug um Zug gibt ihnen (wirtschaftlich) etwas Bedingtes, weshalb sie ebensowenig in die Bilanz eingestellt werden, wie der Anspruch auf die Gegenleistung (wohl aber letztere als Passivum, soweit sie vor der eigenen Leistung empfangen wurde). Da sie aber gewöhnlich branchenüblich, ja selbstverständlich und notwendig sind, bedarf es ihrer ergänzenden Erwähnung im Geschäftsbericht nicht, dessen Zweck es ist, den kundigen Leser über Dinge aufzuklären, die er sich nicht ohnedies sagt. Anders ist es, wenn feststeht, daß die Gegenleistung den Wert der eigenen Leistung nicht deckt, d. h. ein Verlust entstehen wird. Dieser ist nur 980

Inhalt des Geschäftsberichts

§160

Anm. 11

durch Rückstellung zu berücksichtigen und im Geschäftsbericht zu erwähnen, soweit er aus dem gewöhnlichen Rahmen fällt. Über gesetzliche Haftungsmöglichkeiten, die noch nicht verwirklicht sind, so daß daraus noch keine unbedingten und deshalb zu bilanzierenden Verbindlichkeiten hervorgegangen sind (z.B. Kraftfahrzeughaftung, Haftung für unerlaubte Handlung eines Vertreters, Haftung eines Eisenbahnunternehmens für Betriebsunfälle), ist selbstverständlich nicht zu berichten. Dagegen hindert ein eigener evtl. Rückgriffsanspruch das Bedürfnis nicht, über eine eigene EventualVerpflichtung zu berichten; was für die Bilanz gilt, muß auch für den Geschäftsbericht gelten. Verpflichtungen aus eigenen Akzepten oder eigenen Wechseln sind auf der Passivseite der Bilanz unter VI Posten 2 auszuweisen. Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln sowie aus Wechsel- und Scheckbürgschaften sind nach § 151 V Nr. 1 und 2 im Jahresabschluß zu vermerken. Infolgedessen bedarf es eines besonderen Hinweises im Geschäftsbericht nicht mehr. Mobilisierungs- oder Depot- oder Kautionswechsel für eigene Verpflichtungen, welche der Kommerzialisierung oder Sicherung (nicht mittels besonderen Vermögensgegenstandes) eigener Verbindlichkeiten dienen, die ohnedies unter den Passiven der Bilanz enthalten sind, sollen auch keine zusätzlichen Eventualverpflichtungen darstellen, welche möglicherweise zu den aus der Bilanz ersichtlichen Verpflichtungen hinzutreten können, sind gleichwohl wegen ihrer aus der Bilanz nicht hervorgehenden formellen und materiellen Wechselstrenge im Geschäftsbericht zu erwähnen. Gefälligkeitsakzepte und Kautionswechsel zur Deckung fremder Schulden sind gleich Bürgschaften in der Bilanz ersichtlich zu machen. Das gleiche gilt für Gewährleistungen für fremde Leistungen oder hinsichtlich des Eintritts besonderer mit eigener Leistung nicht zusammenhängender Umstände (Kurs-, Dividenden-Garantie). Auch sie sind, obwohl sie in der Bilanz erscheinen, im Geschäftsbericht zu erläutern, weil das Risiko nicht nur der Höhe, sondern auch der Wahrscheinlichkeit nach wissenswert ist, dagegen Gewährleistungen für eigene Leistungen nur ausnahmsweise, wenn sie stark aus dem übrigen Rahmen heraustreten, also nicht die übliche Gewährleistung bei Lieferungen. Dasselbe gilt von Vertragsstrafen, es sei denn, daß bereits mit ihrer Geltendmachung zu rechnen u n d keine R ü c k s t e l l u n g gemacht ist. EinZahlungsverpflichtungen a u f

Aktien oder Beteiligungen sind anzugeben, wenn die Aktie oder Beteiligung in der Bilanz nur mit dem Betrag der bisherigen Einzahlung, nicht aber, wenn sie mit dem Nennbetrag aktiviert und die noch zu leistende Einzahlung passiviert ist. Beim ersten Verfahren wird ein Trugbild vermieden, das einen Vermögenswert vortäuscht, der noch von der Erfüllung einer eigenen Verpflichtung, also der eigenen Bonität abhängt. Haftung für die Vollzahlung durch Dritte (nach Veräußerung einer Aktie oder GmbH-Anteils oder infolge Übernahme gem. § 24 GmbH-Gesetz), mögliche Zubuße- und Nachschuß981

§ 160 Anm. 11,12

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

pflichten sind anzugeben, wenn erhebliche Beträge in Frage kommen. Verbindlichkeiten, die aus dem Bilanzgewinn zu tilgen und deshalb aus der Bilanz nicht ersichtlich sind, nicht nur Gewinnbeteiligung Dritter, sondern insbesondere Gläubigerbesserungsscheine — warum sollten sie keine „ H a f tungsverhältnisse" sein? — sind zu erwähnen (a. A. Schi.-Qu § 128 Anm. 9). Zu b) Auch Sicherheiten brauchen nur angegeben zu werden, soweit sie nicht aus der Bilanz ersichtlich sind. Das gilt f ü r die Grundpfandrechte, die nach § 151 auf der Passivseite unter V f ü r Anleihen, Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und sonstigen Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens 4 Jahren dort anzugeben sind. Alle sich nicht aus der Bilanz selbst ergebenden Sicherheiten f ü r eigene Verbindlichkeiten sind hier aufzuführen, während die H a f t u n g aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten nach § 151 V N r . 4 im Jahresabschluß zu vermerken sind. Im Geschäftsbericht sind nicht nur die aus dem Jahresabschluß nicht ersichtlichen dinglichen Sicherungen anzugeben, sondern auch passive Eigentumsvorbehalte, wenn sich der Lieferant das Eigentum bis zur völligen Bezahlung vorbehalten hat und diese noch nicht erfolgt ist. Ferner sind Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretungen und Verpfändung von Forderungen anzugeben sowie Pfandrechte, die durch Rechtsgeschäfte oder Zwangsvollstreckung begründet sind, nicht die gesetzlichen, weil hier keine „Bestellung" vorliegt. Entscheidend ist der Gesichtspunkt, daß Sicherungen nicht geheim sein sollen, daß also solche, mit denen nicht zu rechnen ist, durch den Geschäftsbericht kundgemacht werden sollen. Sicherungen, welche aufgrund formularmäßiger Vertragsordnung bestehen, wie Eigentumsvorbehalte, Forderungsabtretungen, Pfandrechte (des Bankiers) an Wertpapieren aufgrund allgemeiner Geschäfts- und Lieferungsbedingungen, die Verkehrs- oder branchenüblich sind, braudien daher nicht erwähnt zu werden (bestritten). Mit Adler-DüringSchmaltz (Tz 170) ist deshalb auch anzunehmen, daß die im gewöhnlichen Rahmen liegenden Effektlombardierungen einer Bank, mit denen vom Verkehr gerechnet wird, weil sie branchenüblich sind, nicht erwähnt zu werden braudien. Anzugeben ist in allen diesen Fällen, soweit eine Angabe nach dem Gesagten notwendig ist, die Höhe der gesicherten Forderung. Über Haftungsverhältnisse nach a) und b), die erst nach dem Bilanzstichtag entstanden sind, ist nur zu berichten, wenn sie nach Abs. 1 S. 2 von besonderer Bedeutung sind. Über die Anwendung der Schutzklausel des Abs. 4 vgl. Anm. 16. 8. Gesamtbezüge der Verwaltung Anm. 12: In N r . 8 ist gegenüber dem bisherigen Recht (§ 128 II N r . 7 AktG 37) der Satz 2 neu eingefügt, da es in der Praxis nicht selten vorgekommen ist, daß Ansprüche aus der Gewinnbeteiligung in Pensionsansprüche umgewandelt und damit der Berichtspflicht für das abgelaufene 982

Inhalt des Geschäftsberichts

§160

Anm. 12

Geschäftsjahr entzogen worden sind. Weiterhin ist die Berichtspflicht durch Satz 4 auf die Bezüge der Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft erweitert worden, die diese von verbundenen Unternehmen erhalten. Es sind nicht die Bezüge des einzelnen Mitgliedes anzugeben, sondern die Gesamtbezüge aller Mitglieder des Vorstandes in einer, der Mitglieder des Aufsichtsrates in einer zweiten und die Gesamtbezüge der Mitglieder eines etwa vorhandenen Beirats in einer dritten Zahl. Bezüge, die ein nach § 105 II zum Vertreter eines behinderten Vorstandsmitgliedes bestelltes Aufsichtsratsmitglied in dieser Eigenschaft erhält, fallen unter die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder. Die Bezüge jeder Gruppe sind getrennt ziffernmäßig anzugeben. Es ist unzulässig, nur mittelbar dem Leser zu ermöglichen, sie auszuredinen. Zu den Gesamtbezügen gehören alle geldwerten Leistungen, audi einmalige und außerordentliche, auch die freiwilligen, wie Jubiläumsgaben, einschließlich der Naturalbezüge (Dienstwohnung, Kraftwagen usw., soweit er auch außerhalb des Dienstes benutzt werden darf), Auslagenerstattung, soweit diese die wirklichen Auslagen übersteigt. Dienstaufwandsentschädigung, Prämien für Versicherungen, durch die ein Vorstandsmitglied unmittelbar begünstigt ist (vgl. Heubeck in DB 66, 632), gehören auch hierzu. Die Einräumung von Bezugsrechten und Konsortialbeteiligung fällt nur hierher, wenn sie für die Gesellschaft ein Opfer bedeutet (anscheinend weitergehend Adler in SozPr 38, 362; B.-H. Rn. 19). Zinsermäßigungen sind keine Bezüge (a. A. Adler-Düring-Schmaltz Tz 187; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 37; offenbar auch Resse in BB 69, 419). Erfindervergütungen werden für die Erfindung gezahlt und nicht dem Organmitglied als solchem. Sie fallen deshalb nicht unter diese Ziffer (ebenso Gaul in GRUR 63, 341; a.A. Becker in GRUR 65, 127; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 37, der sie grundsätzlich für angabepflichtig hält; AdlerDüring-Schmaltz Tz 187, die unterscheiden, ob der Anspruch vor oder nach der Bestellung zum Organmitglied entstanden ist). Vergütungen für Leistungen, die außerhalb der Tätigkeit als Mitglied des Vorstandes, Aufsichtsrats, Beirates liegen, zählen nicht hierher. Das sind beispielsweise Vergütungen für Rechtsberatung oder sonstige über die Organtätigkeit hinausgehende beratende Tätigkeit (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 191; a.A. Mellerowicz in Großkomm. Anm. 37). Dagegen sind selbstverständlich alle verschleierten Zuwendungen anzugeben. Der Hauptfall ist durch die Einfügung des Satzes 4 für die Vorstandsmitglieder ausdrücklich geregelt. Erhalten diese von verbundenen Unternehmen für ihre Tätigkeit für die Gesellschaft oder für ihre Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter oder Angestellter der verbundenen Unternehmen Beträge, so sind auch diese Bezüge anzugeben, und zwar gesondert von den Gesamtbezügen des Vorstandes. Nicht ganz klar ist, ob sich die gesonderte Angabe darauf bezieht, daß für jedes Mitglied des Vorstandes, vielleicht sogar unter 983

§160

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 12

Nennung des betreffenden Mitglieds, die Angabe zu erfolgen hat oder ob für alle Mitglieder zusammen eine Zahl anzugeben ist, auch wenn sie von verschiedenen verbundenen Unternehmen ihre Bezüge beziehen. Wir neigen zu letzterem, da der gesetzliche Wortlaut eine ausdrückliche Aufgliederung auf die einzelnen Mitglieder des Vorstandes unter Benennung des betreffenden Mitglieds nicht vorschreibt. Da auch keine Aufgliederung der Gesamtbezüge auf die einzelnen Mitglieder erfolgt, kann man annehmen, daß dieser Grundsatz auch für die Bezüge von verbundenen Unternehmen gilt. Abs. 4 bezieht sich nicht auf die Bezüge, die ein Vorstandsmitglied von einem Konzernunternehmen als dessen Aufsichtsratsmitglied erhält. Da sich Abs. 4 nur auf die Vorstandsmitglieder und auf diese nur insoweit bezieht, als diese für ihre Tätigkeit für die Gesellschaft oder als gesetzliche Vertreter oder Angestellte des verbundenen Unternehmens beziehen, bleibt die Möglichkeit anderer verschleierter Zuwendungen noch offen, etwa solche, welche von einem verbundenen Unternehmen gemacht werden und in Wahrheit nicht ein Entgelt für eine diesem, sondern eine der Gesellschaft geleisteten Tätigkeit darstellen, deren Vorstands-, Aufsichtsrats- oder Beiratsmitglied der Empfänger ist. Diese Beträge sind unter die Gesamtbezüge einzuredinen, weil es sich nur um verschleierte Zuwendungen handelt, die über andere Firmen geleitet wurden, letztlich aber ein Entgelt für die Tätigkeit in der Gesellschaft selbst darstellen. Anzugeben sind die im Geschäftsjahr für dieses gewährte Bezüge, das heißt auch bereits die gewinnabhängige Tantieme. Das führt möglicherweise zu Berichtigungen oder zu der Notwendigkeit, dahin zu berichten, daß die Bezüge noch nicht endgültig feststehen (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 188; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 37). Die Bestimmung, wonach die bisherigen in keinem Geschäftsbericht angeführten Bezüge aus anderen Geschäftsjahren anzugeben sind, ist auch anwendbar auf Nachzahlungen für frühere Geschäftsjahre. Zu den Mitgliedern des Vorstandes gehören auch die Stellvertreter (vgl. § 94). Ersatzmitglieder des Aufsichtsrates gehören zwar noch nicht zum Aufsichtsrat, doch sind Bezüge, die sie in ihrer Eigenschaft als Ersatzmitglieder eventuell erhalten, auch hier aufzuführen (ebenso Mellerowicz in Großkomm. Anm. 37; a. A. Adler-Düring-Schmaltz Tz 191). Eine wesentliche Neuerung gegenüber dem bisherigen Recht ist die Einführung der Nr. 9, unter der die Gesamtbezüge der früheren Mitglieder des Vorstandes und ihrer Hinterbliebenen anzugeben sind. Diese dürfen also nicht mehr in die Gesamtbezüge des aktiven Vorstandes nach Nr. 8 einbezogen werden. Damit ist praktisch überhaupt erst möglich, die Gesamtbezüge des Vorstandes mit den Gesamtbezügen des Vorstandes anderer Gesellschaften zu vergleichen, denn man konnte nie wissen, welche Beträge, die als Pension für frühere Vorstandsmitglieder und deren Hinterbliebenen gezahlt wurden, in den Gesamtbezügen enthalten waren. Insoweit war man völlig 984

Inhalt des Geschäftsberichts

§160

Anm. 12,13

auf Schätzungen angewiesen. Jetzt kann man zwar nicht feststellen, welche Bezüge das einzelne Vorstandsmitglied hat, und damit wird die Offenlegung des Einzeleinkommens mit Recht vermieden. Man kann aber sehen, welche Aufwendungen von der Gesellschaft für ihre Verwaltung zu machen sind. Allein darauf kann es den übrigen Beteiligten ankommen. In aller Regel sind auch die Bezüge, sowohl der Aufsichtsratsmitglieder als auch der Vorstandsmitglieder untereinander, verschieden. Für erstere haben sidi gewisse Regeln herausgebildet, die man unterstellen kann. Im übrigen kann man sich auch die Mühe machen, die Satzung einzusehen, um dann genau berechnen zu können, was das einzelne Aufsichtsratsmitglied erhalten hat. Bei Vorstandsmitgliedern ist das im allgemeinen nicht möglich, weil sich hier ihre Bezüge nach der Dauer ihrer Tätigkeit in der Gesellschaft und ihren Aufgaben richten. 9. Bezüge früherer Vorstandsmitglieder Anm. 13: Die nach dieser neu eingefügten Nr. 9 zu machenden Angaben sind weniger interessant als die Tatsache, daß durch ihre gesonderte Aufführung die Angaben unter Nr. 8 einen besseren Einblick in die Verhältnisse der Gesellschaft gewähren. Was hier anzugeben ist, ist vom Gesetz bereits im wesentlichen gesagt. Praktisch kommen nur Bezüge an ehemalige Vorstandsmitglieder in Frage, da weder Aufsichtsrats- nodi Beiratsmitglieder solche Bezüge erhalten. Erhalten sie ausnahmsweise Versorgungsbezüge irgendwelcher Art, so sind sie nicht mit aufzuführen, da lediglich die Versorgungsbezüge ehemaliger Vorstandsmitglieder im Gesetz genannt worden sind (ebenso Mellerowicz in Großkomm. Anm. 42). Ist die AG durch Umwandlung einer GmbH entstanden, so sind jedoch Leistungen an Geschäftsführer, soweit deren frühere Tätigkeit der des Vorstandes entsprach, hier anzugeben (ebenso Mellerowicz in Großkomm. Anm. 42; a. A. Adler-Düring-Schmaltz Tz 194). Es gilt im einzelnen das zu Nr. 8 Gesagte. Auch Zahlungen einer rechtlich selbständigen Pensionskasse oder eines Versicherungsunternehmens sind einzurechnen, wenn die Prämie von der Gesellschaft entrichtet wurde (B.-H. Rn. 20), es sei denn, der Empfänger hat einen unmittelbaren Anspruch (vgl. oben Anm. 12), denn dann wäre die früher gezahlte Prämie angabepflichtig (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 194). Erhalten frühere Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft oder ihre Hinterbliebenen von verbundenen Unternehmen Bezüge, so sind diese in einem Betrag gesondert auszuweisen. Es ist nicht erforderlich, daß das Unternehmen, das die Bezüge zahlt, genannt wird. Es genügt hier zu wissen, daß die Gesellschaft selbst mit diesem Betrag nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar belastet ist. Auch hier bleiben Aufsichtsratsbezüge früherer Vorstandsmitglieder, die sie von verbundenen Unternehmen beziehen, außer Betracht. 985

§160 Anm. 14

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

10. Die rechtlichen und geschäfllichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen Anm. 14: Gegenüber § 128 II Nr. 8 AktG 37 ist in Nr. 10 der Kreis der in die Berichtspflidit einbezogenen Unternehmen einerseits erweitert worden. Dort war nur von Konzernunternehmen die Rede, während jetzt alle verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 hierher gehören. Andererseits bezieht sich die Bestimmung nur auf Unternehmen mit Sitz im Inland. Das ist u. a. deshalb geschehen, weil im Ausland vielfach solche Angaben nicht gemacht zu werden braudien und die Wirtschaft nicht einseitig belastet werden sollte, insbesondere auch deshalb nicht, weil die allgemeine Schutzklausel des bisherigen Rechts heute nur noch eingeschränkt besteht. Der Umfang der Berichtspflicht der im bisherigen Recht mit dem Ausdruck „Beziehungen zu" etwas farblos umrissen wurde, ist jetzt dadurch genauer klargestellt, als angegeben wird, daß „über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen" zu berichten ist. Dabei werden noch besonders hervorgehoben „Vorgänge, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können". Das bedeutet vor allem, daß die rechtliche Grundlage der Verbundenheit mit dem anderen Unternehmen anzugeben ist, insbesondere auch die rechtliche Grundlage eines Konzernverhältnisses. Auf einen Konzerngeschäftsbericht kann zwar verwiesen werden, es entfällt damit aber nicht die Berichtspflidit der Einzelgesellschaft an dieser Stelle (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 197; offenbar weitergehend B.-H. Rn. 21). Bei den geschäftlichen Beziehungen werden die wirtschaftlichen Auswirkungen des Geschäftsverkehrs mit dem verbundenen Unternehmen auf die berichtende Gesellschaft anzugeben sein. Wie meist bei den Angaben im Geschäftsbericht kommt es insbesondere darauf an, auf Veränderungen in rechtlicher und geschäftlicher Beziehung besonders hinzuweisen. Die Bestimmung will die durch die Verbindung mehrerer Unternehmen mögliche Unübersichtlichkeit verringern. Diesem Zweck entspricht nur eine Offenlegung, die diese Nachteile einer Verflechtung wettmacht. Die Bestimmung soll weiter dazu beitragen, die Gefahr der Ausbeutung einer Gesellschaft zum Schaden ihrer Minderheitsaktionäre durch ein übergeordnetes Unternehmen rechtzeitig zu erkennen. Über die inneren Verhältnisse eines verbundenen Unternehmens ist nur insoweit zu berichten, als durch diese Verhältnisse die berichtende Gesellschaft selbst berührt werden könnte. Die einzelnen verbundenen Unternehmen sind mit ihrer Firma zu nennen (Kropff in BB 65, 1285; Mellerowicz in Großkomm. Anm. 44; einschränkend AdlerDüring-Schmaltz Tz 198), es sei denn, daß ausnahmsweise dadurch erhebliche Nachteile im Sinne des Abs. 4 entstehen (vgl. Möhring in N J W 66, 89; vgl. auch Ertner in WP 1968, 509). Angaben über die Zugehörigkeit zu Kartellen u. ä. Bindungen, die nach § 128 II S. 2 Nr. 9 AktG 37 zu machen waren, werden jetzt nidit mehr ver986

Inhalt des Geschäftsberichts

§160 Anm. 14—16

langt, da Kartelle grundsätzlich verboten sind (§ 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 5.1957, BGBl. S. 1081). Außerdem erscheint der Zusammenhang zwischen dem Jahresabschluß und der Zugehörigkeit zu einem Kartell nicht so eng, daß man auf diese Angaben für diese Fälle, in denen eine Gesellschaft einem erlaubten Kartell angehört, nicht verzichten könnte (vgl. Reg.Beg.). Ist ein Abhängigkeitsbericht nach § 312 zu erstatten, so ist die darin vorgesehene Erklärung des Vorstandes auch in dem Geschäftsbericht mit aufzunehmen. Das wird am zweckmäßigsten an dieser Stelle geschehen, muß aber nicht, vielmehr hat der Vorstand einen Spielraum, an welcher Stelle er sie bringen will (Adler-Düring-Schmaltz Tz 221). 11. Das Bestehen einer Beteiligung an der Gesellschaft, die ihr nach § 20 Abs. 1 oder 4 mitgeteilt worden ist Anm. 15: Nach der neu eingeführten Mitteilungspflicht des § 20 hat nach Abs. 1 ein Unternehmen, dem mehr als der 4. Teil der Aktien einer Aktiengesellschaft gehören und sobald ihm mehr als 50 °/o gehören (Abs. 4), dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Mit Rücksicht auf die besondere Bedeutung, der eine solche Beteiligung an der Gesellschaft zukommt, ist über sie nach der neu eingefügten Nr. 11 auch im Geschäftsbericht zu berichten, obwohl bereits die Gesellschaft nach § 20 VI verpflichtet war, das Bestehen einer Beteiligung in den Gesellschaftsblättern unverzüglich nach Zugang der Mitteilung bekanntzumachen. Die Angaben, die hier zu machen sind, sind die gleichen wie bei der Bekanntmachung. Es muß angegeben werden, daß eine Beteiligung entweder über mehr als 25 %> oder über mehr als 50 °/o besteht und wem die Beteiligung gehört. Nicht anzugeben ist der genaue Betrag der Beteiligung, den die Gesellschaft auch nicht unbedingt wissen muß, denn er ist nicht Gegenstand der Mitteilungspflicht nach § 20. Auch nach der dortigen Bestimmung ist nur anzugeben, ob sie über 25 % oder über 50 % liegt (ebenso Mellerowicz in Großkomm. Anm. 48; im einzelnen vgl. Anm. zu § 20). VI. Die Schutzklausel Anm. 16: Nach §128 111 S. 2 A k t G 3 7 konnte die Berichterstattung „soweit unterbleiben, wie überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern". Diese sogenannte Sdiutzklausel war im Reg.-E. nicht vorgesehen. Auch die Ausschüsse haben alle Anträge auf Einführung dieser oder einer abgeschwächten Schutzklausel abgelehnt. Die Ausschüsse waren in ihrer Mehrheit der Auffassung, daß kein überzeugendes Beispiel für die Notwendigkeit einer solchen Schutzklausel ersichtlich sei. Namentlich müßten Nach987

§ 160

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 16—18 teile, die sich aus der nach Abs. 2 erforderlichen Erläuterung des Jahresabschlusses in besonderen Fällen allenfalls ergeben könnten, gegenüber den Interessen an einer vollständigen Berichterstattung zurücktreten. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß eine Schutzklausel das Vertrauen in dem Geschäftsbericht aller Aktiengesellschaften gefährden und damit die aktienrechtliche Publizität, die zu verbessern eines der wesentlichen Ziele des Gesetzes sei, erheblich beeinträchtigen würde. Über die Problematik, die sich aus der Sdiutzklausel ergibt, vgl. oben Anm. 4. Auch die Schutzklausel, die im öffentlichen Interesse gegeben wurde, ist im Grunde überflüssig. Bedeutungsvoller ist die Bestimmung, wonach bei der Berichterstattung nach Abs. 3 Nr. 7 u. 10, d.h. bei den aus der Jahresbilanz nicht ersichtlichen Haftungsverhältnissen einschließlich der Bestellung von Sicherheiten für eigene Verbindlichkeiten und bei der Berichterstattung über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen Einzelheiten insoweit nicht angegeben zu werden braudien, als nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit geredinet werden muß, daß durdi die Angaben der Gesellschaft oder einem anderen Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen. Dann muß die Tatsache angegeben werden, daß von der Sdiutzklausel Gebrauch gemacht wird. Dabei muß klargestellt werden, bei welcher der beiden in Frage kommenden Nummern 7 und 10 dies geschehen ist. Es dürfte deshalb am einfachsten sein, bei diesen Nummern am Sdiluß der Ausführungen, die noch für tragbar gehalten werden, darauf hinzuweisen, daß im übrigen von der Sdiutzklausel des Abs. 4 S. 3 des § 160 Gebraudi gemadit wird. Es kann aber auch in anderer Weise und an anderer Stelle des Geschäftsberichtes geschehen. Immer muß aber die betreffende Erklärung unter Anführung der Nr., für die die Sdiutzklausel beansprucht wird, erfolgen. Diese Bestimmung dürfte geeignet sein, die Anwendung der Schutzklausel einzuschränken, denn es ist für die Verwaltung mißlich, wenn jeder, der den Geschäftsbericht liest, auf diese heikle Stelle geradezu hingestoßen wird (vgl. auch Morgner in BB 65, 1173; Tiefenbacher in BB 65, 1175). VII. Angabe der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat Anm. 17: Uber § 80 hinaus sind im Geschäftsbericht nicht nur alle der Verwaltung angehörigen Mitglieder, sondern auch die im Laufe des Geschäftsjahres, über das berichtet wird, oder später, also bis zum Erscheinen des Berichtes ausgeschiedenen Mitglieder aufzuführen. VIII. Verstoß Anm. 18: Entspricht der Geschäftsbericht nicht den vorstehenden Bestimmungen, so haben Abschlußprüfer und Aufsichtsrat auf Behebung der Män988

Formblätter für den Jahresabschluß

§§160/161

Anm. 18

gel hinzuwirken und, wenn dies erfolglos ist, nach § § 1 6 6 und 171 in ihren Berichten darauf hinzuweisen. Die Abschlußprüfer haben gegebenenfalls den Bestätigungsvermerk nach § 167 einzuschränken oder zu versagen. Ein Ordnungsstrafverfahren zur Vervollständigung oder Berichtigung gibt es nicht. Das Amtsgericht ist auch gar nicht in der Lage, so weit in die Verhältnisse einzudringen, daß es beurteilen könnte, ob der Geschäftsbericht unvollständig ist. § 177 I I I nimmt ihm diese Prüfungspflicht für den Geschäftsbericht ausdrücklich ab. Nach § 407 kann eine Ordnungsstrafe festgesetzt werden, wenn § 160 V nicht befolgt wird, d. h., wenn die Namen der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates nicht angegeben werden. Fehler und Unvollständigkeiten im Geschäftsbericht haben keinen Einfluß auf die Gültigkeit des festgestellten Jahresabschlusses, auch dann nicht, wenn die Feststellung durch die Hauptversammlung erfolgt, denn die Anfechtung des Feststellungsbeschlusses kann nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt (§ 2 5 7 1 ) . Wenn dies schon nicht möglich ist, so kann die Anfechtung erst recht nicht auf den den Jahresabschluß nur erläuternden, ergänzenden Geschäftsbericht gestützt werden (a. A. B . - H . Rn. 3). Anders ist es bei dem Beschluß der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung. Dieser könnte mit der Begründung angefochten werden, daß er auf einer fehlerhaften oder unvollständigen Berichterstattung im Geschäftsbericht beruht. H a t die Anfechtung Erfolg, haben Aktionäre die empfangene Dividende zurückzuzahlen, wenn sie nicht gutgläubig waren. Die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates werden nach § 400 N r . 4 straffällig, wenn sie im Geschäftsbericht über die Gegenstände nach Abs. 3 falsche Angaben machen oder erhebliche Umstände verschweigen. Die Strafdrohung bezieht sich also nicht auf die sehr wesentlichen Bestimmungen des Abs. 2, weil es ihrer Natur nach sehr schwer wäre, hier eine strafrechtliche Schuld festzustellen.

§ 161 Formblätter für den Jahresabschluß (1) Der Bundesminister der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und den sonst für den Geschäftszweig der Gesellschaft zuständigen Bundesministern durch Rechtsverordnung Formblätter vorzuschreiben oder andere Vorschriften für die Gliederung des Jahresabschlusses zu erlassen, wenn der Geschäftszweig eine von § 151 Abs. 1, 2 und 5, §§ 152, 157, Abs. 1 und 2, § 158 abweichende Gliederung des Jahresabschlusses bedingt. Die Rechtsverordnung bedarf nidit der Zustimmung des Bundesrates.

989

§161

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

(2) Hat eine Gesellschaft mehrere Geschäftszweige und bedingen diese die Gliederung des Jahresabschlusses nach verschiedenen Gliederungsvorschriften, so hat die Gesellschaft den Jahresabschluß nach der für einen ihrer Geschäftszweige vorgeschriebenen Gliederung auszustellen und nach der für ihre anderen Geschäftszweige vorgeschriebenen Gliederung zu ergänzen. Sowohl in § 151 wie auch in§ 157 wird festgestellt, daß die Bestimmungen für die Gliederung der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nur gelten, wenn der Geschäftszweig keine abweichende Gliederung bedingt. Darüber hinaus hat es sich als notwendig erwiesen, für gewisse Geschäftszweige besondere Gliederungen vorzuschreiben. Deshalb wurde bereits in § 134 AktG 37 dem „Reichsminister der Justiz" die Ermächtigung erteilt, im Einvernehmen mit dem „Reichswirtschaftsminister" Formblätter vorzuschreiben oder andere Vorschriften zu erlassen, die von den Gliederungsvorschriften über die Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung abweichen oder sie ergänzen. Diese Vorschrift ist insoweit verändert übernommen worden, als der Bundesminister der Justiz von der Ermächtigung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und den sonstigen für den Geschäftszweig der Gesellschaft zuständigen Bundesministern, also z. B. mit dem Verkehrsministerium, wenn es sich um eine Luftfahrtgesellschaft handelt, oder mit dem Wohnungsbauministerium, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, die auf dem Wohnungssektor tätig sein will. Gegen eine sonstige Ermächtigung können schon mit Rücksicht darauf, daß bereits §§ 151 und 157 die Abweichung von den gesetzlichen Gliederungen mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Geschäftszweigs zulassen, keine Bedenken aus dem Grundgesetz geltend gemacht werden. Um Art. 80 GG, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt sein müssen, zu entsprechen, wird festgesetzt, daß eine Rechtsverordnung durch die Formblätter vorgeschrieben oder andere Vorschriften für die Gliederung des Jahresabschlusses gegeben werden, nur dann erlassen werden kann, wenn der Geschäftszweig eine von den gesetzlichen Vorschriften, die im einzelnen aufgezählt sind, abweichende Gliederung des Jahresabschlusses notwendig macht. Bei der Aufzählung der gesetzlichen Vorschriften sind nicht nur die entscheidenden §§151 und 157 genannt, sondern auch die ergänzenden Bestimmungen in den §§ 152 und 158, um klarzustellen, daß auch hier von den gesetzlichen Gliederungsvorschriften abgewichen werden kann. Die nach §§ 151 und 157 vorgeschriebene Gleichwertigkeit abweichender Gliederungen muß auch in diesem Falle gewahrt bleiben. Da auch hier der Grundsatz des § 149 gilt, daß der Jahresabschluß den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen muß und so klar und übersichtlich aufzustellen ist, daß er einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft gibt, haben Gesellschaften, 990

Formblätter für den Jahresabschluß

§161

die in mehreren Geschäftszweigen tätig sind, die eine Gliederung des Jahresabschlusses nach verschiedenen Gliederungsvorschriften bedingen, ihren Jahresabschluß so aufzustellen, daß dabei die verschiedenen Gliederungsvorschriften berücksichtigt werden. Das Gesetz sagt, daß der Jahresabschluß nach einer für ihren Geschäftszweig vorgeschriebenen Gliederung aufzustellen ist und nach der zu ihrem anderen Geschäftszweig vorgeschriebenen Gliederung zu ergänzen ist. Das darf nicht allzu wörtlich aufgefaßt werden. Es könnte nämlich dadurch geschehen, daß die Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt wird. Gemeint ist, daß, wenn besondere Angaben nach einem der für die Gesellschaft in Betracht kommenden Gliederungsvorschriften zu machen sind, diese dann in den Jahresabschluß, der nach der anderen Gliederungsvorschrift aufgestellt ist, aufzunehmen sind, wenn dies, ohne die Übersichtlichkeit zu gefährden, möglich ist. Praktisch wird man sidi dabei helfen können, daß bei den ergänzenden Posten eine entsprechende Bemerkung gemacht wird. In § 17 EG sind die aufgrund dieser Bestimmung bisher vorgeschriebenen Formblätter bzw. die Gesellschaften mit dem Geschäftszweig, für die diese vorgeschrieben sind, aufgeführt und bestimmt, daß die Jahresabschlüsse dieser Unternehmen nach den bisherigen Vorschriften zu gliedern sind, bis entsprechende neue Formblätter herausgegeben sind. Inzwischen sind folgende Verordnungen erlassen worden: 1. Die Verordnung vom 20.12.1967 (BGBl. I, 1300) für Kreditinstitute mit Berichtigung vom 8.2.1968 (BGBl. 1,190); 2. Verordnung über Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses der Hypothekenbanken und der Schiffspfandbriefbanken vom 17.12.1968 (BGBl. 1,1337); 3. die Verordnung zur Änderung der Vorschriften über Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses von Kreditinstituten und des Jahresabschlusses der Hypothekenbanken und der Schiffspfandbriefbanken vom 27. 5.1969 (BGBl. I, 444), womit die Verordnungen zu 1. und 2. geändert wurden; 4. die Verordnung über die Gliederung des Jahresbaschlusses von Verkehrsunternehmen vom 27. 2.1968 (BGBl. I, 193). Hierbei handelt es sich um Gesellschaften, die folgende Geschäftszweige haben: a) Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs, b) Beförderung von Personen mit Straßenbahn, Oberleitungsomnibussen (O-Bussen) oder Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach dem Personenbeförderungsgesetz vom 21. 3.1961 (BGBl. I, 241) in der Fassung des Gesetzes vom 24. 8.1965 (BGBl. I, 906), c) die Beförderung von Gütern für andere mit Kraftfahrzeugen. 991

§162

Anm. 1

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Zweiter Abschnitt P r ü f u n g des Jahresabschlusses Erster Unterabschnitt Prüfung durch Abschlußprüfer § 162 Gegenstand und Umfang der Prüfung (1) Der Jahresabschluß ist unter Einbeziehung der Buchführung und des Geschäftsberichts durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Abschlußprüfer) zu prüfen. Hat keine Prüfung stattgefunden, so kann der Jahresabschluß nicht festgestellt werden. (2) Die Prüfung des Jahresabschlusses hat sich darauf zu erstrecken, ob die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über den Jahresabschluß beachtet sind. Der Geschäftsbericht ist darauf zu prüfen, ob § 160 Abs. 2 bis 5 beachtet ist und ob die sonstigen Angaben im Geschäftsbericht nicht eine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erwecken. (3) Ändert der Vorstand den Jahresabschluß oder den Geschäftsbericht, nachdem ihm der Prüfungsbericht (§ 166) vorgelegt worden ist, so haben die Abschlußprüfer den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht erneut zu prüfen, soweit es die Änderung fordert. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist unwirksam. I. Übersicht (Anm. 1 und 2) II. Gegenstand der Prüfung (Anm. 3)

III. Umfang der Prüfung (Anm. 4) IV. Fehlen der Prüfung (Anm. 5) V. Nachtragsprüfung (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift befaßt sich im Abs. 1 mit dem Gegenstand und in Abs. 2 mit dem Umfang der Prüfung. Diese stimmen im wesentlichen mit § 135 I und I I AktG 37 überein. Klar geregelt ist, daß neben dem Jahresabschluß der ganze Geschäftsbericht Gegenstand der Prüfung ist und nicht nur „soweit er den Jahresabschluß erläutert". Das war allerdings trotz der nunmehr weggefallenen einschränkenden Worte in § 135 I AktG 37 nach dem bisherigen Recht schon so, denn nach § 140 I I I AktG 37 konnten Abschlußprüfer die Bestätigung auch dann versagen oder einschränken, „wenn der Geschäftsbericht, soweit in ihm der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft dargelegt sind, offensichtlich eine falsche Darstellung von den Verhältnissen der Gesellschaft erweckt, die geeignet ist, das durch den Jahresabschluß vermittelte Bild von der Lage der Gesellschaft zu verfälschen".

992

Gegenstand und Umfang der Prüfung

§162

Arn 1

Der U m f a n g der Prüfung der einzelnen Teile des Geschäftsberichtes wird in Abs. 2 geregelt. Die Vorschrift des § 135 I A k t G 37, daß ein ohne vorherige Prüfung festgestellter Jahresabschluß nichtig ist, wird in § 2 5 6 1 N r . 2 aufgenommen. In Abs. 2 wird klargestellt, daß sich die Prüfung des Jahresabschlusses auf die Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes und der Satzungen zu erstrecken hat, was letzteres in der bisher gültigen Bestimmung nicht ausdrücklich gesagt war. Der Abs. 3 ist neu. Er regelt die Nachtragsprüfung für den Fall, wenn der Vorstand den Jahresabschluß oder Geschäftsbericht geändert hat. Die N a d i tragsprüfung bei Änderung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung ist in § 173 I I I geregelt. Die in § 135 I I I A k t G 37 enthaltene Bestimmung über die Entscheidung einer Spruchstelle bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Abschlußprüfern und dem Vorstand ist jetzt in § 169 aufgenommen worden. Die in § 142 A k t G 37 vorgesehene Ermächtigung für den „Reichsminister der J u s t i z " , allgemeine Vorschriften über die Prüfung des Jahresabschlusses zu erlassen und für Gesellschaften von besonderer Art Ausnahmen von den Vorschriften über die Prüfung des Jahresabschlusses zuzulassen, sowie ergänzende und abweichende Vorschriften zu treffen, ist nicht in das neue Gesetz aufgenommen worden, da sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist. Ein Vorschlag des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, Sonderbestimmungen für die Prüfung von Gesellschaften, von denen Aktien von mehr als der vierte Teil Gebietskörperschaften gehören, zu erlassen, wurde abgelehnt. Der Vorschlag ging dahin zuzulassen, daß bei solchen Gesellschaften die Satzung den an ihnen beteiligten Gebietskörperschaften Rechte nach § 4 8 I I ; § 113 I I I Reichshaushaltsordnung einräumen können. Dabei handelt es sich um die Rechte auf Prüfung der Gesellschaft durch einen dem zuständigen Minister genehmen Prüfer nach vom zuständigen Minister festgesetzten Richtlinien und auf Vorlage des Prüfungsberichtes, ferner um das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen auf Kosten der Gesellschaft unmittelbar Prüfungsaufträge zu erteilen und schließlich um die Befugnis, durch einen Beauftragten des Bundesrechnungshofes Einsicht in den Betrieb und die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu nehmen. Der Gesetzgeber hielt es nicht für zweckmäßig, die in der Reichshaushaltsordnung vorgesehenen Prüfungsrechte, die die seit 1931 bestehende aktienrechtliche Pflichtprüfung noch nicht berücksichtigen, unverändert einer aktienrechtlichen Regelung zugrunde zu legen. D a m i t ist erreicht, daß die Prüfungsvorschriften für alle Gesellschaften einheitlich gelten. Über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen über die Prüfung (§§ 162—167) vgl. Vorbem. vor § 148 a. E. 993

§ 162 Anm. 2 — t

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 2: Die Prüfung hat durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer zu erfolgen, die Abschlußprüfer genannt werden. Sie werden nach § 163 I von der Hauptversammlung gewählt. Wer wählbar ist, ergibt sich aus § 164. Es können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. Nach § 164 II und I I I sind solche Abschlußprüfer ausgeschlossen, die in irgendeiner Verbindung zu der zu prüfenden Gesellschaft stehen, so daß ihre Objektivität gefährdet erscheinen könnte. Im einzelnen s. Anm. zu § 164. Nach überwiegender Meinung ist der Abschlußprüfer ein selbständiges und unabhängiges Prüfungsorgan der Gesellschaft, das eine bestimmte Kontrollfunktion unter eigener Verantwortung ausübt. Uber die Haftung der Abschlußprüfer vgl. § 168, über ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit vgl. § 403. Sie sind nach § 168 zur Verschwiegenheit verpflichtet und unterliegen insoweit der Strafbestimmung des § 404. II. Gegenstand der Prüfung Anm. 3: Gegenstand der Prüfung ist zunächst der Jahresabschluß, und zwar sein Inhalt, nicht sein Zustandekommen. Er besteht aus der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Nicht prüfungspflichtig sind Zwischenbilanzen und, wenn das Gericht es nicht besonders vorschreibt, audi nicht die Abwicklungsbilanzen (vgl. § 270 III). Einzubeziehen in die Prüfung ist die Buchführung, d. h. die Grundlage, aus der der Jahresabschluß zu entwickeln ist. Sie ist auch daraufhin zu prüfen, ob sie allgemeinen kaufmännischen Grundsätzen entspricht, denn nur dann kann der Jahresabschluß, wie es § 149 I S. 1 verlangt, den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechen. Weiterhin ist in die Prüfung einzubeziehen der Geschäftsbericht, und zwar grundsätzlich der ganze Geschäftsbericht im Gegensatz zum bisherigen Recht, das die Einschränkung enthielt, „soweit er den Jahresabschluß erläutert"; vgl. oben Anm. 1 und unten Anm. 3. III. Umfang der Prüfung Anm. 4: Die Neufassung des Abs. 2 verzichtet im Gegensatz zur alten Fassung darauf, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß sich der Umfang der Prüfung auch auf die Prüfung zu erstrecken hat, „ob der Jahresabschluß äußerlich sachgemäß aufgestellt ist und mit dem Bestandsverzeichnis und den Geschäftsbüchern übereinstimmt", da dies selbstverständlich ist, denn die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, deren Beachtung zu prüfen ist ( S S 149, 162 II), fordern auch, daß der Jahresabschluß äußerlich in Ordnung ist. Sowohl die Bilanz, als auch die Gewinn- und Verlustrechnung ist sowohl in formeller Beziehung, also auf Einhaltung der Gliederungsvorsdiriften, als 994

Gegenstand und Umfang der Prüfung

§ 162 Anm. 4,5

auch in materieller Beziehung, das heißt insbesondere auf richtige Bewertung der einzelnen Bilanzposten zu prüfen (vgl. ausführlich Fachgutachten Nr. 1/67 des Hauptfachausschusses des Institutes der Wirtschaftsprüfer in WP 67,158). Besonders betont wird, daß sich die Prüfung des Jahresabschlusses nicht nur auf die Beachtung der Bestimmung des Gesetzes, sondern auch auf die der Satzung zu erstrecken hat. Während der Geschäftsbericht als Ganzes nach Abs. 1 Gegenstand der Prüfung ist, wird für den Umfang der Prüfung doch unterschieden zwischen den beiden Teilen, in die der Geschäftsbericht zerfällt (vgl. § 160 Anm. 1). Soweit sich der Geschäftsbericht nach Abs. 1 mit der Lage des Unternehmens zu beschäftigen hat, ist er nur darauf zu prüfen, ob der Bericht eine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erweckt. Eine Prüfung des Lageberichts in allen Einzelheiten würde die Abschlußprüfer überfordern, außerdem in den Verantwortungsbereich des Vorstandes übergreifen, da der Lagebericht notwendigerweise ein stark persönlich geprägtes Urteil des Vorstandes über die Lage der Gesellschaft enthalten wird. Dagegen ist der zweite Teil des Geschäftsberichtes, der sich mit der Erläuterung und Ergänzung des Jahresabschlusses zu befassen hat, in vollem Umfange auf die Beachtung der Vorschriften des § 160 II bis V zu prüfen. Den Prüfern gegenüber kann sich der Vorstand nicht auf die Schutzklausel des § 160 IV berufen. Ist von ihr Gebrauch gemacht, so hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. B.-H. Rn. 10). Ferner haben die Abschlußprüfer festzustellen, ob der Vorstand verpflichtet ist, einen Abhängigkeitsbericht nach § 312 abzugeben (vgl. Geßler in DB 65, 1695; Kropff in BB 65, 1288; B.-H. Rn. 10). Dagegen haben die Abschlußprüfer nicht die Geschäftsführung als solche daraufhin zu begutachten, ob sie ordnungsgemäß, zweckentsprechend und erfolgreich gewesen ist (BGH 16, 23). Nur im Falle des § 166 II haben sie zu beriditen (vgl. dort Anm. 3). Sie haben sich auch nicht zur Angemessenheit des Gewinnverwendungsvorschlages zu äußern. Der Prüfungsauftrag, der vom Vorstand zu erteilen ist, kann über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen. Diese bilden nur ein Mindestmaß, das unbedingt eingehalten werden muß. IV. Fehlen der Prüfung Anm. 5: Hat keine Prüfung durch einen ordnungsmäßig bestellten und geeigneten Prüfer stattgefunden — nicht schon, wenn andere Gesetzes- oder Satzungsbestimmungen verletzt sind —, so kann der Jahresabschluß nicht festgestellt werden, weder durch Billigung des Aufsichtsrates noch durch die Hauptversammlung. Er ist und bleibt letzterenfalls nicht nur anfechtbar, sondern unheilbar nichtig. Darin drückt sich aus, daß die Abschlußprüfung keine innere Angelegenheit der Gesellschaft, sondern im öffentlichen Inter995

§162 Aum. 5,6

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

esse vorgesdirieben ist. Jedoch ist damit nicht gesagt, daß auch der Prüfungsbericht fertiggestellt und vor der Billigung des Jahresabschlusses dem Aufsichtsrat vorgelegt und inhaltlich von ihm zur Kenntnis genommen sein muß. Die Einsicht vor Billigung ist, wenn der Bericht schon vorliegt, Pflicht des Aufsichtsrates, und zwar jedes einzelnen Mitgliedes. Wenn aber der Bericht noch nicht fertiggestellt ist, kann es genügen, wenn die Abschlußprüfung stattgefunden hat und ihr Ergebnis bekannt ist (bestritten; offenbar a. A. B.-H. Rn. 5), denn der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluß unter eigener Verantwortung zu prüfen und es muß sich ja auch, selbst wenn sie den J a h resabschluß feststellt, die Hauptversammlung mit der Kenntnis der ihr nach § 171 vom Aufsichtsrat mitzuteilenden Ergebnisse der P r ü f u n g begnügen, ohne d a ß der Bericht vorgelegt wird. Im Zeitpunkt seines Berichts an die Hauptversammlung nach § 171 muß dem Aufsichtsrat der Prüfungsbericht vorliegen, auch wenn die H a u p t v e r sammlung den Jahresabschluß nicht feststellt (vgl. Adler, Der Wirtschaftstreuhänder 43, S. 67; Godin ebenda, S. 151). Nachträgliche Abschlußprüfung heilt die Nichtigkeit des ohne sie festgestellten Jahresabschlusses audi dann nicht, wenn der Prüfer nichts beanstandet. Der Aufsichtsratsbeschluß, der den Jahresabschluß billigt,, m u ß vielmehr wiederholt werden. Diese Form ist unentbehrlich, denn ließe man die Billigung des Aufsichtsrats unter der Bedingung zu, d a ß die nachträgliche P r ü f u n g zu keiner Beanstandung f ü h r t , so liefe dies praktisch auf eine Abänderung der gesetzlichen Bestimmungen hinaus, d a ß die P r ü f u n g der Feststellung vorangehen muß. Auch die Satzung kann nicht von dem Erfordernis der Abschlußprüfung befreien.

V. Nachtragsprüfung Anm. 6: Eine Nachtragsprüfung ist in zwei Fällen nötig. Einmal dann, wenn der Vorstand eine Änderung des Jahresabschlusses nach Abschluß der P r ü f u n g vornimmt, d. h., nachdem ihm der Prüfungsbericht nach § 166 von den Abschlußprüfern vorgelegt wird, und zum anderen dann, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß festzustellen hat und dabei eine Änderung vornimmt. Hier wird nur der erste Fall geregelt, während der zweite in § 173 I I I behandelt wird. In beiden Fällen haben die Abschlußprüfer den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht erneut zu prüfen, soweit es die Änderung fordert. Das letztere bedeutet jedoch nur, d a ß nicht alles erneut zu prüfen ist, sondern nur die geänderten Teile, und zwar sowohl, wenn sich die Änderung auf den Jahresabschluß bezieht, als auch dann, wenn der Geschäftsbericht geändert ist. Eine Nachtragsprüfung hat aber auf alle Fälle zu erfolgen, auch wenn die Änderung noch so geringfügig ist. Es wird auch stets der bereits erteilte Bestätigungsvermerk unwirksam. Es muß ein neuer, mit neuem D a t u m versehener und unterzeichneter Bestäti-

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Bestellung der Abschlußprüfer

§§ 162/163 Anm. 6

gungsvermerk erteilt werden, nachdem die Änderung geprüft ist und sich Beanstandungen nidit ergeben haben. Auf die Nachtragsprüfung finden die Vorschriften über die Abschlußprüfung Anwendung, insbesondere auch — wie das Gesetz ausdrücklich feststellt — Abs. 1 S. 2, d. h., wenn eine Nachtragsprüfung nicht stattgefunden hat, so kann der Jahresabschluß nicht festgestellt werden. Die Bestimmung des § 256 I Nr. 2, nach der ein dennoch festgestellter Jahresabschluß nichtig ist, bezieht sich sowohl auf Abs. 1 als auch auf Abs. I I I des § 162. Ein nachträglich geänderter Jahresabschluß ist, auch wenn die Abschlußprüfung stattgefunden hat, dann nichtig, wenn die Nachtragsprüfung unterblieben ist.

S 163 Bestellung der Abschlußprüfer (1) Die Abschlußprüfer werden von der Hauptversammlung gewählt. Sie sollen jeweils vor Ablauf des Geschäftsjahrs gewählt werden, auf das sich ihre Prüfungstätigkeit erstreckt. Der Vorstand hat den gewählten Prüfern unverzüglich den Prüfungsauftrag zu erteilen. (2) Auf Antrag des Vorstands, des Aufsiditsrats oder von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichen, hat das Gericht nach Anhörung der Beteiligten und des gewählten Prüfers einen anderen Abschlußprüfer zu bestellen, wenn dies aus einem in der Person des gewählten Prüfers liegenden Grund geboten erscheint, insbesondere wenn Besorgnis der Befangenheit besteht. Der Antrag ist binnen zwei Wochen seit dem Tage der Hauptversammlung zu stellen. Ihn kann nur stellen, wer gegen die Auswahl der Abschlußprüfer Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Stellen Aktionäre den Antrag, so haben sie glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (3) Hat die Hauptversammlung bis zum Ablauf des Geschäftsjahrs keine Abschlußprüfer gewählt, so hat auf Antrag des Vorstands, des Aufsiditsrats oder eines Aktionärs das Gericht die Abschlußprüfer zu bestellen. Gleiches gilt, wenn ein gewählter Prüfer die Annahme des Prüfungsauftrags abgelehnt hat, weggefallen ist oder am rechtzeitigen Abschluß der Prüfung verhindert ist und die Hauptversammlung keinen anderen Prüfer gewählt hat. Der Vorstand ist verpflichtet, den Antrag zu stellen. Gegen die Entscheidung des Gerichts findet die sofortige Beschwerde statt; die Bestellung der Abschlußprüfer ist unanfechtbar.

997

§163 Anm. 1

Redinungslegung • Gewinnverwendung

(4) Die vom Gericht bestellten Abschlußprüfer haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. (5) Die Wahl zum Abschlußprüfer kann die Hauptversammlung bis zur Vorlegung des Prüfungsberichts an den Vorstand widerrufen; vor dem Widerruf ist dem Abschlußprüfer Gelegenheit zur Stellungnahme vor der Hauptversammlung zu geben. Dies gilt auch für die von den Gründern bestellten Abschlußprüfer; wird deren Wahl widerrufen, so werden die Abschlußprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr von der Hauptversammlung gewählt. Hat das Gericht den Prüfer bestellt, so kann es auf Antrag des Vorstands die Bestellung widerrufen. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Der abberufene Abschlußprüfer hat über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung zu berichten. Für den Bericht gilt § 166. Der Vorstand hat den Bericht unverzüglich dem Aufsiditsrat vorzulegen. Jedes Aufsiditsratsmitglied hat das Recht, von dem Bericht Kenntnis zu nehmen. Der Bericht ist auch jedem Aufsiditsratsmitglied auf Verlangen auszuhändigen, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. I. Übersidit (Anm. 1) II. Bestellung durch Hauptversammlung und Vorstand 1. Wahl durch Hauptversammlung (Anm. 2) 2. Prüfungsauftrag des Vorstandes (Anm. 3)

I I I . Bestellung eines anderen Abschlußprüfers durch das Gericht 1. Antrag (Anm. 4) 2. Das gerichtliche Verfahren (Anm. 5) IV. Bestellung durch das Gericht, wenn ein Abschlußprüfer fehlt (Anm. 6) V. Widerruf der Bestellung (Anm. 7)

I. Übersidit Anm. 1: Die Vorschriften des § 136 AktG 37 sind nur mit geringfügigen Änderungen übernommen und ergänzt worden. Die Berechnung der Minderheit, die einen Antrag bei Gericht auf Bestellung anderer Abschlußprüfer stellen kann, ist den neuen Grundsätzen angepaßt worden. Für den Widerruf der Wahl der Abschlußprüfer wird klargestellt, daß er nur bis zur Vorlegung des Prüfungsberichtes an den Vorstand erfolgen kann. Will die Hauptversammlung die Wahl widerrufen, so ist dem Abschlußprüfer Gelegenheit zur Stellungnahme vor der Hauptversammlung zu geben. Wird er abberufen, so hat er über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung schriftlich zu berichten. Damit soll verhindert werden, daß eine nur einseitig unterrichtete Hauptversammlung die Abberufung vornimmt und der neu ernannte 998

Bestellung der Abschlußprüfer

§ 163 Anm. 1,2

Abschlußprüfer keine Kenntnis von dem Ergebnis der bisherigen Prüfung des abberufenen Abschlußprüfers erhält. Die Verwaltung soll nicht in der Lage sein, bei Meinungsverschiedenheiten mit dem ursprünglich bestellten Abschlußprüfer diesen durch einen neuen ersetzen zu lassen, ohne daß dessen Prüfungsergebnis bekannt wird. II. Bestellung durch Hauptversammlung und Vorstand 1. Wahl durch Hauptversammlung Anm. 2: Nadi überwiegender Meinung ist der Abschlußprüfer ein selbständiges und unabhängiges Prüfungsorgan der Aktiengesellschaft, das eine bestimmte Kontrollfunktion unter eigener Verantwortung ausübt (BGH 16, 17). Durch den Abschlußprüfer wird der Aufsichtsrat von Arbeit, insbesondere von solcher entlastet, die er selbst nicht leisten kann. Jedoch ist er seiner Aufsichtspflicht nicht enthoben. Der Abschlußprüfer muß, um seine Unabhängigkeit sicherzustellen, von der Hauptversammlung mit einfacher, evtl. aufgrund Satzung größerer Mehrheit gewählt werden. Eine Übertragung der Zuständigkeit zur Wahl des Abschlußprüfers auf ein anderes Organ, etwa an den Aufsichtsrat, ist nicht zulässig. Die Wahl ist nach zwingender Vorschrift jeweils nur für die Prüfung eines einzelnen Jahresabschlusses wirksam. Daß die Prüfer bereits vor Ablauf des Geschäftsjahres, auf das sich ihre Prüfungstätigkeit erstreckt, gewählt werden sollen, ist eine Sollvorschrift. Sonach kann nach Ablauf des Geschäftsjahres die Wahl noch rechtsgültig durchgeführt werden, jedoch nur so lange, bis etwa gemäß Abs. 3 vom Gericht ein Abschlußprüfer bestellt ist. Vorstand und Aufsichtsrat sind verpflichtet, rechtzeitig eine Hauptversammlung zur Wahl der Abschlußprüfer einzuberufen. Es können ein oder mehrere Abschlußprüfer gewählt werden. Mehrere Prüfer können mit der Maßgabe gewählt werden, daß sie jeder selbständig oder daß sie gemeinsam prüfen sollen. Ersteres bedeutet eine mehrfache Prüfung — jeder Prüfer hat für sich den Bestätigungsvermerk zu erteilen — und ist unpraktisch, kann auch von der Hauptversammlung nicht über den Kopf des Vorstandes hinweg beschlossen werden, da sie ihm keine Prüfung über das gesetzliche Maß hinaus aufzwingen kann (ebenso Brönner in Großkomm. Anm. 5) und § 163 nur die Auswahl des Prüfers, nicht die Anordnung der Prüfung der Zuständigkeit der Hauptversammlung überweist und letztere sich auch aus § 162 nicht ergibt. In einem solchen Fall müßte daher auch die Wahl mehrerer Prüfer angekündigt sein, um unanfechtbar vorgenommen werden zu können (Brönner in Großkomm. Anm. 5). Dagegen hält sich die Bestellung mehrerer Prüfer zwecks gemeinsamer Prüfung im Rahmen der Auswahl der Prüfer, gehört also zur Zuständigkeit der Hauptversammlung und 999

§ 163 Anm. 2,3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

braucht neben der Wahl des Abschlußprüfers für das Geschäftsjahr nicht besonders angekündigt zu werden. In einem solchen Fall können die Prüfer die Arbeit verteilen, das wohl auch meist der Zweck der Bestellung mehrerer Prüfer sein wird — rechtlich einfacher wird dieser Zweck freilich erreicht, wenn eine große Prüfungsgesellschaft mit genug Hilfskräften gewählt wird —, aber jeder ist für die ganze Prüfung verantwortlich, wenn nicht, was denkbar und zulässig ist, die Hauptversammlung selbst die einzelnen Prüfer für bestimmte Teilgebiete gewählt hat. Der Bestätigungsvermerk ist von allen Prüfern gemeinsam zu erteilen, wozu ihre Übereinstimmung erforderlich ist. Der Bestätigungsvermerk kann, wenn ihn ein Prüfer ablehnt, hier auch von den anderen nicht erteilt werden. Ferner kann, wenn aus irgendeinem Grunde einer der Prüfer ausfällt, die Prüfung nicht durchgeführt werden. Eine nur von den anderen Prüfern durchgeführte Prüfung wäre — vorbehaltlich Auslegung des Hauptversammlungsbeschlusses — nicht ordnungsmäßig im gesetzlichen Sinne, der Jahresabschluß könnte nicht festgestellt werden, es müßte eine Hauptversammlung zur Wahl eines Abschlußprüfers berufen werden (ebenso Proebsting in WP 1968, 543; Brönner in Großkomm. Anm. 5). Die Hauptversammlung kann dann natürlich die anderen Prüfer allein wählen. Werden dagegen mehrere Prüfer jeder zur selbständigen Prüfung gewählt, so ist davon auszugehen, daß die Hauptversammlung zwar im Einverständnis mit dem Vorstand mehrere Prüfungen anordnen, aber nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer ordnungsmäßigen Feststellung des Jahresabschlusses vervielfältigen kann. Es folgt daraus, daß die Prüfung durch auch nur einen der mehreren Prüfer genügt, um die Feststellung des Jahresabschlusses zu ermöglichen (insoweit abweichend Brönner in Großkomm. Anm. 5; Proebsting in WP 1968, 543). Der Aufsichtsrat aber dürfte nach § 171 über das Ergebnis aller Prüfungen zu berichten haben. Es kann auch für den Fall, daß der ursprünglich Gewählte wegfällt oder im Falle eines Widerspruchs zur Niederschrift (Abs. 2), für den Fall, daß dieser Erfolg hat, hilfsweise ein anderer gewählt werden. Dies empfiehlt sich, weil dann, wenn der Abschlußprüfer infolge eines Widerspruchs oder aus anderen Gründen wegfällt, der hilfsweise Gewählte Abschlußprüfer wird, ohne daß es einer Bestellung durch das Gericht gemäß Abs. 2 oder 3 bedarf. Dagegen ist eine alternative Wahl mehrerer Prüfer in jedem Falle unzulässig (vgl. Proebsting in WP 1968, 543). Die im bisherigen § 136 I Akt G 37 enthaltene ausdrückliche Bestimmung, daß das Wahlergebnis in die Niederschrift aufzunehmen ist, wurde gestrichen, weil sich dies aus § 130 von selbst ergibt, denn die Wahl ist ein Beschluß und mithin in die Niederschrift aufzunehmen. 2. Prüfungsauftrag des Vorstandes Anm. 3: Der Prüfungsauftrag wird durch den Vorstand erteilt. Ist auch der Wahlbeschluß der Hauptversammlung Rechtsvoraussetzung der Rechts1000

Bestellung der Abschlußprüfer

§163

Anm. 3

Wirksamkeit des Vertrages mit dem Prüfer, so ist doch der Vorstand dabei Vertreter im Willen, nicht nur Bote der Gesellschaft (Überbringer der Wahlerklärung der Hauptversammlung). Darin liegt, daß auch der gewählte Prüfer nicht ohne weiteres aus eigenem Antrieb die Tätigkeit aufnehmen kann. Der Vorstand ist verpflichtet, den Auftrag unverzüglich zu erteilen (Abs. 1 S. 3; Ordnungsstrafe §407). Der Prüfer kommt dadurch in die Lage, alsbald die Vorbereitung der Prüfung einzuleiten. Immerhin kann der Vorstand hinsichtlich des Beginnes der Tätigkeit des Prüfers bei Auftragserteilung, soweit es die Belange der Gesellschaft nach seiner pflichtmäßig gebildeten Meinung fordern, Vorbehalte machen. Widerrufen kann der Vorstand den Auftrag nicht. Der Vorstand ist zur unverzüglichen Erteilung verpflichtet. H a t er Bedenken es zu tun und den Widerspruch versäumt, muß er eine neue Hauptversammlung berufen. Anderenfalls kann er nach § 407 durch Ordnungsstrafen zur Erteilung des Auftrages angehalten werden, wenn das Gericht (z. B. durch den Prüfer) die Unterlassung der Auftragserteilung erfährt. Auf das Rechtsverhältnis zum Prüfer sind, soweit es nicht vom Aktiengesetz geregelt ist, die Vorschriften über den Werkvertrag anzuwenden, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (ebenso Hans.OLG Hamburg in BB 1964, 658 ff.; B.-H. Rn. 3; für Dienstvertrag Teichmann-Köhler § 136 Anm. 2; L G München in N J W 1968, 1725; für einen Vertrag besonderer Art Brönner in Großkomm. Anm. 9). Die Vergütung kann frei vereinbart werden. Geschieht dies nicht, so gilt gemäß § 632 BGB die übliche Vergütung als vereinbart. Abs. 4 ist in diesem Falle nicht anwendbar. Mindestsätze sieht die Wirtschaftsprüfergebührenordnung für Pflichtprüfung vor. Kommt eine Einigung über die Vergütung nicht zustande, so liegt ein Fall des Abs. 3 vor (Ablehnung des Prüfungsauftrages). Der Prüfer ist nicht verpflichtet, den Prüfungsauftrag anzunehmen, er muß jedoch eine etwaige Ablehnung gemäß § 663 S. 1 BGB unverzüglich anzeigen. Er hat nach § 51 der Wirtschaftsprüferordnung vom 24. 7.1961 (BGBl. I, 1049) den Schaden zu ersetzen, der aus einer schuldhaften Verzögerung der Anzeige entsteht. Er hat die Prüfung selbst unter eigener Verantwortung auszuführen. Übertragung an einen Dritten ist gemäß § 664 I BGB ausgeschlossen. Die Verwendung von Gehilfen ist gestattet. Weisungen hat er seitens des Vorstandes oder Aufsichtsrates nicht entgegenzunehmen. Der Abschlußprüfer kann einen Vorschuß und Ersatz seiner Aufwendungen fordern. Der Prüfungsvertvrag kann seitens der Gesellschaft nach § 649 BGB jederzeit gekündigt werden, jedoch nur, wenn die Wahl durch Beschluß der Hauptversammlung widerrufen ist (s. Abs. 5), seitens des Abschlußprüfers nur im Falle des § 643 BGB. Ein Widerspruch hindert die Erteilung des Auftrages nicht, doch endet der Auftrag, wenn dem Widerspruch stattgegeben wird. Seine Durchführung wird damit unmöglich. Dem Prüfer 1001

§ 163 Rechnungslegung • Gewinnverwendung Anm. 3,4 steht ein entsprechender Teil der Vergütung zu (analog § 645 BGB). Natürlidi kann darüber eine Vereinbarung getroffen 'werden. III. Bestellung eines anderen Abschlußprüfers durch das Gericht 1. Antrag Anm. 4: Einen Antrag an das Gericht auf Bestellung eines anderen als des gewählten Abschlußprüfers können stellen: der Vorstand, der Aufsichtsrat, beide als Kollegium, nicht die einzelnen Mitglieder, eine Minderheit von Aktionären, deren Anteile 10 % des Grundkapitals oder 2 Millionen DM Nennbetrag erreichen. Über die Festsetzung der Minderheit vgl. § 142 Anm. 5. Das Antragsrecht setzt Stimmrecht nicht voraus. Dies gilt auch für den hilfsweise gewählten Abschlußprüfer. Erscheint dieser nicht geeignet, so muß bereits bei seiner Wahl der Antrag gestellt werden, nicht etwa erst dann, wenn der in erster Linie Gewählte wegfällt. Voraussetzung für alle zur Antragstellung Berechtigten ist, daß sie a) gegen die Auswahl des Abschlußprüfers Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben, b) der Antrag binnen zwei Wochen seit dem Tage der Hauptversammlung gestellt wird. Zu a): Der Widerspruch braucht bei Erklärung zur Niederschrift nicht begründet zu werden. Einer Begründung bedarf erst der bei Gericht zu stellende Antrag. Es können nur solche Gründe vorgebracht werden, die in der Person des gewählten Prüfers liegen und derart sind, daß die Bestellung eines anderen Abschlußprüfers geboten erscheint. Das Gesetz nennt „insbesondere" Besorgnis der Befangenheit. Das ist aber nicht der einzige Grund. Die Bestimmung ist an sich ähnlich der des § 142 IV bei der Sonderprüfung, jedoch mit dem Unterschied, daß dort als Gründe, einen anderen Sonderprüfer zu bestellen, besonders hervorgehoben wird, daß der bestellte Sonderprüfer nicht die für den Gegenstand der Sonderprüfung erforderliche Kenntnis hat. Das fehlt hier, weil nach § 164 nur solche Abschlußprüfer bestellt werden können, die dafür besonders geeignet sind. Zur Abschlußprüfung sind auch keine Sonderkenntnisse erforderlich, wie sie mitunter bei einer Sonderprüfung notwendig sind, etwa besondere technische Kenntnisse oder dgl. Auch die in § 142 IV genannten Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Sonderprüfers werden hier mit Rücksicht auf den engen Kreis, der nach § 164 als Abschlußprüfer in Frage kommt, nicht erwähnt. In einem besonderen Ausnahmefall könnte ein solches Bedenken wohl bestehen, dann fällt es unter den allgemeinen Begriff „aus einem in der Person des gewählten Prüfers liegenden Grund". Als Begründung für die Besorgnis der Befangenheit könnte geltend gemacht werden, daß der Prüfer schon so lange geprüft hat, daß eine Ein1002

Bestellung der Abschlußprüfer

§163

Anm. 4,5

büße seiner Unabhängigkeit zu befürchten ist (B.-H. Rn. 4; a. A. Forster in WP 65, 391). Wurde der Widerspruch nicht zur Niederschrift erklärt, so kann er nicht nachgeholt werden, weder von der Verwaltung noch einem Aktionär, der nicht in der Hauptversammlung vertreten war. § 245 Nr. 2 kann nicht analog angewendet werden. Wird der Antrag von einer Minderheit gestellt, so muß sie außer dem Nachweis, daß sie Widerspruch zur Niederschrift eingelegt hat, den Nachweis führen, daß sie seit mindestens 3 Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber der Aktien war (vgl. im einzelnen § 142 Anm. 5 a. E). Dies kann durch Depotbescheinigung, Abrechnung, Hinweis auf das Aktienbuch geschehen. Bei Namensaktien muß der Aktionär zur Zeit des Widerspruchs eingetragen sein, aber im übrigen ist Eintragung nicht Voraussetzung der zurechenbaren Besitzzeit. Zur Glaubhaftmachung genügt eidesstattliche Versicherung vor einem Notar (z. B. dem den Widerspruch beurkundenden). Die Glaubhaftmachung kann bis zur Entscheidung über den Antrag geschehen. Vorstand und Aufsiditsrat können u. U. auch verpfliditet sein, den Antrag bei Gericht zu stellen, wenn durch die Wahl das Gesetz oder die Satzung oder das Interesse der Gesellschaft verletzt ist. 7.u b): Der Antrag ist bei dem Geridit des Sitzes der Gesellschaft (§ 14) innerhalb einer Ausschlußfrist von 2 Wochen seit dem Tage der Hauptversammlung zu stellen (vgl. § 132 Anm. 5). Wird diese Frist versäumt, so ist ein Verfahren nach Abs. 2 nicht mehr möglich. Es bleibt dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, gegebenenfalls auch der entsprechenden Minderheit von Aktionären, die Möglichkeit, eine neue Hauptversammlung einzuberufen, die die Wahl zum Abschlußprüfer nach Abs. 5 widerrufen kann. 2. Das gerichtliche Verfahren Anm. 5: Das Verfahren richtet sich nadi FGG. Beteiligte sind einmal die jeweiligen Antragsteller, also der Vorstand, der Aufsichtsrat oder die Minderheit von Aktionären, stets die Gesellschaft; der gewählte Prüfer ist zwar nicht Beteiligter, seine Anhörung ist aber vom Gesetz neben der der Beteiligten ausdrücklich vorgeschrieben (a. A. irrtümlich die Voraufl.). Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig, wie gegen alle Entscheidungen, die von einer Minderheit mit festem Nennbetrag veranlaßt werden können (vgl. hierzu Anm. 5 zu § 142). Die Kosten des Verfahrens trägt stets die Gesellschaft, auch wenn der Antrag zurückgewiesen wurde, als Teil der Prüfungskosten (ebenso Schl.-Qu. § 136, Anm. 14; a. A. Brönner in Großkomm. Anm. 22). Dies entspricht dem in der neuen Bestimmung des § 146 bei der Sonderprüfung zum Ausdruck gekommenen Gedanken. Wenn die Bestimmung auch nicht unmittelbar auf die Abschlußprüfung anzuwenden ist, so gilt auch hier, daß die Gesell1003

§163

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 5,6

sdiaft einen ihr nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes zustehenden Ersatzanspruch geltend machen kann, darüber hinaus auch einen Anspruch, der sich aus dem vorliegenden Gesetz ergibt, etwa wenn der Vorstand oder der Aufsichtsrat unter Verletzung seiner Sorgfaltspflicht nach §§ 93, 116 die Kosten verursacht hat. IV. Bestellung durch das Gericht, wenn ein Abschlußprüfer fehlt Anm. 6: Das Gericht hat ferner einen Abschlußprüfer zu bestellen, wenn die Hauptversammlung bis zum Ablauf des Geschäftsjahres keinen gewählt hat oder der Gewählte den Auftrag abgelehnt hat oder nach § 164 nicht Abschlußprüfer sein kann, in welchem Fall das Verfahren nach Abs. 2 nicht möglich ist, oder wenn die Wahl auf Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage hin für nichtig erklärt wird, und zwar in diesen Fällen ohne vorherigen neuen Wahlversuch auf Antrag. Antragsberechtigt sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und jeder einzelne Aktionär, ohne Rücksicht auf die Höhe des Aktienbesitzes. Mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse an der Abschlußprüfung ist der Vorstand durch ausdrückliche Gesetzesvorschrift verpflichtet, einen Antrag zu stellen, er kann hierzu durch Ordnungsstrafen vom Gericht nach § 407 angehalten werden. Der Unterlassung der Wahl wird die Unterlassung einer Ersatzwahl gleichgestellt, wenn der Gewählte nicht annimmt oder (z. B. durch Widerruf der Hauptversammlung) wegfällt oder behindert ist, sein Amt auszuüben. Auch in diesem Fall hat das Gericht den Prüfer auf Antrag zu bestellen, wenn die Gesellschaft es unterläßt, vor Ablauf des Geschäftsjahres einen Ersatzmann zu bestellen. Fällt der Prüfer erst nach Ablauf des Geschäftsjahres weg, wird gleichwohl die Hauptversammlung die Vorhand vor dem Gericht haben, wenn unverzüglich gewählt wird. Bei Wegfall des Gewählten sind Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet, mit der nach der Sachlage gebotenen Beschleunigung eine außerordentliche Hauptversammlung zur Wahl eines Ersatzmannes einzuberufen, ebenso bei vorwaltenden Bedenken gegen die Person des Gewählten. Das Registergericht kann aber keinen Zwang in dieser Richtung ausüben, dagegen können die Aktionäre gegebenenfalls die Einberufung gemäß § 122 erzwingen. Kommt eine Ersatzwahl nicht zustande, kann das Registergericht gemäß § 407 mit Ordnungsstrafen den Vorstand anhalten, Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Abschlußprüfers zu stellen. Ist schon in einer früheren Hauptversammlung ein Ersatzprüfer gewählt worden, so kommt das Verfahren nach Abs. 3 nicht in Frage, vielmehr ist dann der gewählte Ersatzmann Abschlußprüfer. Ebenso ist die Wahl eines Ersatzmannes entbehrlich, wenn einer von mehreren Prüfern fortfällt, die die Prüfung jeder selbständig für sich durchführen sollten. Sollten sie die Prüfung gemeinsam durchführen, so ist die Wahl eines Ersatzmannes nur dann entbehrlich, wenn der Haupt1004

Bestellung der Abschlußprüfer

§163

Anm. 6,7

Versammlungsbeschluß ausdrücklich bestimmt oder dahin auszulegen ist, daß bei Fortfall eines Prüfers der andere allein die Prüfung vornehmen solle. Für das Verfahren vor Gericht gilt grundsätzlich das gleiche wie für das Verfahren nadi Abs. 2. Audi hier ist die Entscheidung durch sofortige Beschwerde anfechtbar. Ist die Bestellung des Abschlußprüfers rechtskräftig erfolgt, so kann sie lediglich durch das Gericht selbst auf Antrag des Vorstandes nach Abs. 5 widerrufen werden. Die Bestellung durch das Gericht hat die Wirkung, die sonst die Wahl und der Abschluß des Prüfungsvertrages durch den Vorstand zusammen haben, d. h., daß durch die Annahme des Prüfers das unter Anm. 3 beschriebene Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Abschlußprüfer mit der Maßgabe zustande kommt, daß ein vom Gericht bestellter Abschlußprüfer sich die angemessene Vergütung für seine Tätigkeit und seine baren Auslagen, die selbstverständlich jeder Abschlußprüfer verlangen kann, vom Gericht festsetzen lassen kann, wenn er sich mit dem Vorstand nicht einigt (vgl. Brönner in Großkomm. Anm. 26). Das letztere ist in der gesetzlichen Bestimmung in Abs. 4 nicht ausdrücklich gesagt, ist aber selbstverständlich. Im allgemeinen wird diese Einigung zustande kommen. Deshalb hat das Gericht nicht von vornherein die Vergütung und die Auslagen festzusetzen, sondern nur auf Antrag des Berechtigten. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig, die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Die Bestimmung entspricht der des § 142 VI bei der Sonderprüfung. Besdiwerdebereditigt sind der Vorstand und der Prüfer, nicht aber diejenigen, welche die Bestellung nach Abs. 2 oder 3 beantragt haben. Kommt zwischen dem Vorstand und einem gewählten Abschlußprüfer keine Verständigung über die Vergütung zustande, so kann das Gericht die Vergütung nicht festsetzen. Es kann hödistens von sich aus, wenn die Voraussetzungen vorliegen, d. h., wenn der Prüfer ablehnt und die Ersatzwahl unterbleibt, denselben Abschlußprüfer nach Abs. 3 bestellen und dann nach Abs. 4 die Vergütung festsetzen. V. Widerruf der Bestellung Anm. 7: Ist der Abschlußprüfer von der Hauptversammlung gewählt, so kann diese die Wahl bis zur Vorlage des Prüfungsberichtes an den Vorstand — nach bisherigem Recht „vor Abschluß der Prüfung" — jederzeit widerrufen. Der Widerruf kann nur durch einen Hauptversammlungsbeschluß erfolgen. Dieser setzt voraus, daß dem Abschlußprüfer Gelegenheit zur Stellungnahme vor der Hauptversammlung gegeben wurde. Das kann und wird in der Regel in der Hauptversammlung erfolgen, die sich mit dem Widerruf zu befassen hat. Es kann jedoch auch in einer vorangegangenen Hauptversammlung er1005

§163 Anm. 7

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

folgen. Der Sinn dieser neuen Bestimmung ist, zu verhindern, daß die Hauptversammlung aufgrund einer einseitigen Information den Widerruf beschließt. Es soll verhindert werden, daß ein Vorstand, der möglicherweise in erhebliche Differenzen mit dem Abschlußprüfer gekommen ist, auf diese Weise einen ihm nicht genehmen Abschlußprüfer durch einen ihm genehmen ersetzen kann. Demselben Zweck dient die weitere neue Vorschrift, daß der abberufene Abschlußprüfer über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung zu berichten hat. Für den Inhalt des Berichtes gilt das gleiche wie für den Prüfungsbericht. H a t der abberufene Abschlußprüfer bei seiner Prüfung Tatsachen festgestellt, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder die schwerwiegende Verstöße des Vorstandes gegen Gesetz oder Satzung erkennen lassen, so muß er in seinem Bericht über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung auch dies vermerken. Der Vorstand ist verpflichtet, den Bericht unverzüglich dem Aufsichtsrat vorzulegen. Dieser hat ihn zur Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus hat aber auch jedes Aufsichtsratsmitglied das Recht und damit auch die Pflicht, von dem Bericht Kenntnis zu nehmen. Um ihm das zu erleichtern, kann er die Aushändigung des Berichtes verlangen, es sei denn, der Aufsichtsrat hat etwas anderes beschlossen. Diese letztere Bestimmung ist eine auch an anderen Stellen des Gesetzes (§ 90 V; § 170 I I I ; § 314 I; § 337 I) vermittelnde Lösung zwischen dem Regierungs-Entwurf, der kein Recht auf Aushändigung vorsah und einem in den Ausschußberatungen zunächst gestellten Antrag, der jedem Aufsichtsratsmitglied ein auch durch Mehrheitsbeschluß nicht entziehbares Recht einräumen wollte. Solange der Aufsichtsrat, und zwar der gesamte Aufsichtsrat, keinen Beschluß mit einfacher Mehrheit gefaßt hat, daß der Bericht nicht an jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied auszuhändigen sei, hat dies auf Verlangen zu geschehen. Niemals kann der Aufsichtsrat dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied das Recht nehmen, von dem Bericht Kenntnis zu nehmen. Die Hauptversammlung oder Aktionäre haben kein Recht auf Kenntnis des Berichtes. Auch über das Auskunftsrecht nach § 131 kann sich der Aktionär keine Information über den Inhalt dieses Berichtes verschaffen, jedenfalls dann nicht, wenn ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk vom neuen Abschlußprüfer vorliegt. Es würde zu weit führen, wollte man das Auskunftsrecht darüber zulassen, zu prüfen, ob der Bestätigungsvermerk ordnungsgemäß erteilt wurde. Nach ausdrücklicher Gesetzesbestimmung kann die Hauptversammlung auch die von den Gründern nach § 30 bestellten Abschlußprüfer abberufen, obwohl diese weder von der Hauptversammlung noch überhaupt gewählt, sondern bestellt sind. Erfolgt ihre Abberufung durch die Hauptversammlung, so sind neue Abschlußprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr 1006

Auswahl der Abschlußprüfer

§§ 163/164

Anm. 7

von der Hauptversammlung zu wählen. H a t das Gericht nach Abs. 2 oder 3 die Abschlußprüfer bestellt, so kann es auf Antrag des Vorstandes die Bestellung widerrufen. Für das Verfahren gilt grundsätzlich das gleidie wie für die Verfahren nach Abs. 2 und 3. Die Hauptversammlung kann einen vom Gericht bestellten Absdilußprüfer nicht abberufen. Wählt die Hauptversammlung nach gerichtlicher Bestellung eines Prüfers einen anderen, so ist diese Wahl unwirksam. Audi wenn auf sie hin das Gericht den von ihm Bestellten abberuft, wird der Gewählte damit nidit Abschlußprüfer. Es hat vielmehr eine Neuwahl oder eine Neubestellung durch das Gericht zu erfolgen. Ob das Gericht gemäß § 18 FGG von Amts wegen seine Entscheidung abändern kann, wenn ihm ein Fehler unterlaufen ist, z. B., wenn es gegen § 164 verstoßen hat, ist streitig. Hierauf kommt es mit Rücksicht auf § 407 nicht an, da das Gericht den Vorstand zur Stellung eines entsprechenden Antrages durch Ordnungsstrafen zwingen kann. Dieser ist verpflichtet, von sich aus den Antrag zu stellen. Das Versäumen dieser Pflicht würde eine Haftung aus § 93 zur Folge haben. Einer Begründung des Widerrufs durch das Gericht bedarf es nicht. Gegen die Entscheidung des Gerichtes ist nach ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes die sofortige Beschwerde gegeben. Diese kann von der Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, oder von dem abberufenen Prüfer eingelegt werden. Ruft das Gericht einen Prüfer ab, so hat es einen anderen zu bestellen, ebenso wenn der von ihm ernannte wegfällt. Auch wenn das Gericht den von ihm bestellten Prüfer abberuft, hat dieser über das Ergebnis seiner bisherigen Prüfung zu berichten. Für den Bericht und seine weitere Behandlung gilt das oben Gesagte.

§ 164 Auswahl der Abschlußprüfer (1) Nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften können Abschlußprüfer sein. (2) Ein Wirtschaftsprüfer kann nidit Abschlußprüfer sein, wenn er 1. Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft ist oder in den letzten drei Jahren vor seiner Bestellung war; 2. gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsiditsrats einer juristischen Person, Gesellschafter einer Personengesellschaft oder Inhaber eines Unternehmens ist, sofern die juristische Person, die Personengesellschaft oder das Einzelunternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist; 1007

§ 164

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 1,2 3. Angestellter eines Unternehmens ist, das mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist. (3) Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kann nicht Abschlußprüfer sein, 1. wenn sie oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist; 2. wenn bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die juristische Personen sind, ein gesetzlicher Vertreter, bei anderen Wirtsdiaftsprüfungsgesellschaften ein Gesellschafter nach Absatz 2 nicht Abschlußprüfer sein könnte; 3. wenn ein Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach Absatz 2 Nr. 1 nicht Abschlußprüfer sein könnte. I Obersicht (Anm. 1) II. Qualifikation zum (Anm. 2)

Abschlußprüfer

III. Ausschluß (Anm. 3) IV. Verstoß (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Uber den Zusammenhang der Bestimmungen über die Auswahl von Gründungsprüfer, Sonderprüfer und Abschlußprüfer vgl. § 143 Anm. 1. Die Vorschriften des § 137 I AktG 37 sind inhaltlich übernommen worden. Der Hinweis auf die öffentliche Bestellung der Wirtschaftsprüfer konnte als überflüssig gestrichen werden, weil die Wirtschaftsprüferordnung vom 24. 7. 1962 (BGBl. I S. 1049) die Bezeichnung „Wirtschaftsprüfer" bzw. „Wirtschaftsprüfungsgesellschaft'' den öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfern bzw. anerkannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vorbehält. Eine Änderung ist ferner gegenüber dem bisherigen Recht dadurch eingetreten, daß nicht mehr auf den Zeitpunkt der Wahl oder Bestellung abgestellt wird, sondern es wird nunmehr durch die Formulierung „können Abschlußprüfer sein" klargestellt, daß die Abschlußprüfer während der ganzen Dauer der Prüfung die Qualifikation als Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft haben müssen. Die Abs. 2 und 3 enthalten erhebliche Abweichungen vom bisherigen Recht (vgl. hierzu § 143 Anm. 1). II. Qualifikation zum Abschlußprüfer Anm. 2: Während die Auswahlbestimmungen für Gründungsprüfer (§ 33 IV) und Sonderprüfer (§ 143) nur Soll-Vorschriften sind, wird für die Wahl der Abschlußprüfer zwingend und ausschließlich erklärt, daß nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Abschlußprüfer sein können. Damit ist der Kreis der Personen und Gesellschaften, die als Abschlußprüfer in Frage kommen, wesentlich enger gezogen als derjenige der Sonderprüfer nach § 143 oder der Gründungsprüfer nach § 33. Das hat seine Ursache darin, daß die Abschlußprüfer ein selbständiges und unabhängiges Prüfungs1008

Auswahl der Abschlußprüfer

§164 Anm. 2,3

organ der Gesellschaft, das eine bestimmte Kontrollfunktion unter eigener Verantwortung ausübt, sind, während bei den Sonderprüfern eine derartige Organstellung fehlt. Es kann deshalb jede Persönlichkeit Sonderprüfer werden, die vom Vertrauen derjenigen, die die Sonderprüfer bestellen, getragen wird. Nur müssen die zwingenden Bestimmungen des § 143 II und III, die sich im wesentlichen mit denen des § 164 II und III decken, beachtet werden. Während die Bestellung von Gründungsprüfern oder Sonderprüfern nur dann nichtig ist, wenn Personen oder Gesellschaften bestellt werden, die nicht bestellt werden können, aber voll gültig ist, wenn bei der Auswahl Personen genommen werden, die nach den Bestimmungen nicht hätten genommen werden sollen, ist dies bei den Abschlußprüfern anders; ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Abs. 1 führt zur Nichtigkeit der Wahl und damit der Bestellung des Abschlußprüfers, mit der Folge, daß die von ihnen vorgenommene Prüfung ungültig ist. Im übrigen vgl. Anm. 4. Da die Wahl eines nach Abs. 1 nicht wählbaren Abschlußprüfers nichtig ist, kommt die gerichtliche Bestellung nach § 163 II nicht in Frage, wohl aber könnte, wenn die Hauptversammlung nicht bis zum Ablauf des Geschäftsjahres eine neue gültige Wahl vornimmt, ein Antrag nach § 163 III auf gerichtliche Bestellung gestellt werden. Der Vorstand ist zur Stellung des Antrages verpflichtet. III. Ausschluß Anm. 3: Das Gesetz verzichtet auf die bisherige Generalklausel, wonach Personen, auf deren Geschäftsführung die zu prüfende Gesellschaft selbst oder eine andere Gesellschaft, die von der zu prüfenden Gesellschaft abhängig ist oder sie beherrscht, nicht als Abschlußprüfer zugelassen werden durften. Der Übersichtlichkeit wegen gliedert es die Gründe in solche auf, die für Wirtschaftsprüfer als Einzelpersonen (Abs. 2) und solche, die für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Abs. 3) als Abschlußprüfer gelten. Ein Wirtschaftsprüfer als Einzelperson kann nicht Abschlußprüfer sein, wenn er Mitglied eines Organs oder Angestellter der zu prüfenden Gesellsdiafl ist oder in den letzten 3 Jahren vor seiner Bestellung war. Da sich die Abschlußprüfung stets auf einen bestimmten Zeitraum, nämlich das zu prüfende Geschäftsjahr, bezieht, bedurfte es hier nicht der zusätzlichen Bestimmung in § 143 II Nr. 1, wonach auch derjenige nicht Sonderprüfer sein kann, der während der Zeit, in der sich der zu prüfende Vorgang ereignet hat, eine entsprechende Stellung bei der zu prüfenden Gesellschaft einnahm. Hiervon abgesehen ist die Bestimmung gleichlautend; vgl. § 143 Anm. 4. Die Ausschlußgründe dürfen nicht nur während des zu prüfenden Geschäftsjahres, sondern während der gesamten Abschlußprüfungstätigkeit und der Wahl nicht vorliegen (vgl. Forster in WP 1965, 390; Brönner in Großkomm. Anm. 5). 1009

§164 Anm. 3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Das gleiche gilt für gesetzliche Vertreter, Mitglieder des Aufsichtsrates, Gesellschafter, Inhaber oder Angestellte eines mit der zu prüfenden Gesellschaft verbundenen Unternehmens. Die Bestimmungen (Nr. 2 und 3) entsprechen wörtlich denen des § 143 II Nr. 2 und 3, vgl. dort Anm. 4 unter Ziff. b. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kann nicht Abschlußprüfer sein, a) wenn sie mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist oder wenn ein mit der Priifungsgesellsdiaft verbundenes Unternehmen mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden ist, wenn also z. B. beide Gesellschaften von einem herrschenden Unternehmen abhängig sind ohne Konzernunternehmen zu sein, denn dann würden sie unter die erste Alternative fallen; b) wenn der gesetzliche Vertreter bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die juristische Personen sind, oder ein Gesellschafter bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die Personengesellschaften sind, aus einem der in Abs. 2 unter Nr. 1 bis 3 aufgeführten Gründe nicht Abschlußprüfer sein könnten. Das bedeutet, daß der gesetzliche Vertreter im ersten Fall und jeder Gesellschafter im zweiten Fall nidit Mitglied der Verwaltung oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft sein oder in den letzten 3 Jahren gewesen sein darf; ferner, daß gesetzliche Vertreter, Mitglieder des Aufsichtsrats, Gesellschafter, Inhaber und Angestellte eines mit der zu prüfenden Gesellschaft verbundenen Unternehmens nicht die erwähnte Stellung in der Wirtschaftsprüfungsgesellsdiaft haben dürfen. Audi diese Bestimmung ist die gleiche wie in § 143, vgl. dort Anm. 5 unter Ziff. b; c) wenn eines ihrer Aufsichtsratsmitglieder Mitglied der Organe oder Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft ist oder es in den letzten drei Jahren waren. Auch hier vgl. im einzelnen § 143 Anm. 5 unter. Ziff. c. Für diese Fälle wird in § 19 EG eine Erleichterung geschaffen. Danach ist eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der zu prüfenden Gesellschaft unschädlich, wenn sie spätestens mit der Beendigung der ersten Hauptversammlung der zu prüfenden Gesellschaft endet, die nach Inkrafttreten des Aktiengesetzes stattfindet. Der Betreffende kann also Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bleiben, wenn er bei der zu prüfenden Gesellschaft seinen Aufsichtsratsposten niederlegt und es wird diese Gesellschaft auch nicht als Abschlußprüfer ausgeschlossen, obwohl der Betreffende durch die Niederlegung seines Aufsichtsratsmandats in der zu prüfenden Gesellschaft nicht ausräumen kann, daß er in den letzten 3 Jahren dieses Mandat inne hatte. Diese Vergünstigung gilt aber nicht, wenn ein Mitglied des Vorstandes oder ein Angestellter der zu prüfenden Gesellschaft Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist. Das entspricht auch der Sachlage, denn schwerlich wird ein Mitglied des Vorstandes oder ein Angestellter sein Amt in der zu prüfenden Gesellschaft niederlegen, um Aufsichtsratsmitglied bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bleiben zu können. Diese müssen, wenn die 1010

Auskunftsrecht

§§164/165 Anm. 3,4

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft fähig bleiben soll, Abschlußprüfer zu werden, vielmehr ihr Aufsichtsratsmandat bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft niederlegen, und zwar bevor diese erneut zum Abschlußprüfer bestellt wird. Da nach Abs. 3 Nr. 3 eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nur dann nicht Abschlußprüfer sein kann, wenn gegenwärtig einer der in Abs. 2 Nr. 1 genannten Personen ihrem Aufsichtsrat angehört, kommt bei Niederlegung der Mandate die Frist von 3 Jahren nicht in Betracht. Neben den Fällen des gesetzlichen Ausschlusses gibt es die in der Wirtschaftsprüferordnung vom 24.7.1962 (BGBl. I 1049) aufgeführten Fälle, in denen der Prüfer einen Auftrag dann ablehnen soll, wenn Besorgnis zur Befangenheit besteht. IV. Verstoß Anm. 4: Die Folgen eines Verstoßes gegen die Abs. 2 und 3 sind die gleichen wie gegen Abs. 1, vgl. oben Anm. 2. Auch hier ist der Wahlbeschluß der Hauptversammlung, die einen Prüfer wählt, der nach Abs. 2 oder 3 nicht gewählt werden kann, nichtig. Es muß entweder eine neue Wahl durch die Hauptversammlung stattfinden oder es kann, wenn die Voraussetzungen dazu vorliegen, nach § 163 III die gerichtliche Bestellung beantragt werden. Ein Jahresabschluß, der von einem Abschlußprüfer geprüft ist, der dies nach Abs. 2 und 3 nicht sein durfte, kann nicht festgestellt werden. Wird er dennoch festgestellt, ist er nach § 256 I Nr. 3 nichtig mit der Maßgabe, daß die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn 6 Monate seit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger verstrichen sind (§ 256 VI). Dies gilt auch dann, wenn die Qualifikation des Wirtschaftsprüfers zwar bei seiner Bestellung vorhanden war, aber vor Abschluß der Prüfung wegfällt (vgl. Forster in WP 65, 390).

§ 165 Auskunftsrecht (1) Der Vorstand hat den Abschlußprüfern zu gestatten, die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, zu prüfen. (2) Die Abschlußprüfer können vom Vorstand alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind. (3) Soweit es die Vorbereitung der Abschlußprüfung fordert, haben die Prüfer diese Rechte auch schon vor Aufstellung des Jahresabschlusses. 1011

§165

Anm. 1

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

(4) Soweit es für eine sorgfältige Prüfung notwendig ist, haben die Abschlußprüfer die Rechte nach den Absätzen 2 und 3 auch gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Pflichten des Vorstandes (Anm. 2)

III. Pflichten men (Anm. 3)

verbundener

Unterneh-

I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmung folgt im wesentlichen dem bisherigen Recht (§138 AktG 37). Weggefallen ist die Verpflichtung zur Vorlage des Jahresabschlusses, die sich jetzt aus § 148 ergibt. Neu ist Abs. 4, der wie bei der Sonderprüfung § 145 I I I dem Abschlußprüfer das Recht gibt, Aufklärungen und Nachweise nach Abs. 2 und 3 von einem Konzernunternehmen sowie von einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen der zu prüfenden Gesellschaft: zu verlangen. Unter Schriften der Gesellschaft sind alle Belege und Geschäftspapiere zu verstehen, wie Korrespondenz, Quittungen, Verträge, Protokolle über Aufsichtsratssitzungen und sämtlicher Sitzungen von Gesellschaftsorganen (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 6; Brönner in Großkomm. Anm. 5). Fraglich ist, ob sämtliche Unterlagen vom Abschlußprüfer eingesehen werden können. Nach dem Gesetzeswortlaut sind dem Abschlußprüfer insoweit keine Grenzen gesetzt. Die herrschende Lehre (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 25; Brönner in Großkomm. Anm. 5) stellt sich auf den Standpunkt, daß die Grenze im Zweck der Abschlußprüfung liege und mithin nur solche Unterlagen eingesehen werden könnten, die in irgendeinem Zusammenhang mit der Abschlußprüfung stehen. Dieser Ansicht können wir nicht folgen. Der Abschlußprüfer muß selbst entscheiden können, welche Unterlagen für die Abschlußprüfung ohne Bedeutung sind und mit ihr in keinem Zusammenhang stehen. Das Einsichtsrecht ist daher — wie der Gesetzeswortlaut es auch hergibt — auf sämtliche Schriften und Unterlagen auszudehnen (vgl. zur Vorlage von Aufsichtsratsprotokollen bei einer steuerlichen Betriebsprüfung Bundesfinanzhof in PStPl 1968 II, 365, 367; Mathern in BB 1968,921 ff.). Das Auskunftsrecht der Abschlußprüfer ist nach denselben Grundsätzen wie das der Sonderprüfer in § 145 gestaltet. Der Abs. 1 über die Gestattungspflicht des Vorstandes entspricht wörtlich dem § 145 I. Auf die Anm. 2 zu § 145 wird verwiesen. Aufklärungen und Nachweise können die Abschlußprüfer nur vom Vorstand verlangen (Abs. 2). Die in § 145 II neu eingefügte Bestimmung, daß Sonderprüfer auch von Mitgliedern des Aufsichtsrates Auskunft verlangen können, fehlt hier. Sie ist nur bei der Sonderprüfung sinnvoll, weil es dort vorkommen kann, daß gerade Mitglieder des Aufsichtsrates aus ihrer persönlichen Kenntnis heraus besondere Aufklärun1012

Auskunftsrecht

§165

Anm. 1,2

gen für die Vorgänge geben können, mit denen sich die Sonderprüfung zu befassen hat. Gegenstand der Abschlußprüfung ist der vom Vorstand aufzustellende Jahresabschluß unter Einbeziehung der Buchführung, für deren Ordnungsmäßigkeit den Vorstand die Verantwortung trifft, und des Geschäftsberichtes, der vom Vorstand aufgestellt ist. Die Tätigkeit der Abschlußprüfer bezieht sich mithin ausschließlich auf Aufgabengebiete des Vorstandes. In einer Beziehung geht das Auskunftsrecht der Abschlußprüfer über das der Sonderprüfer hinaus, als es nicht erst mit der Prüfung beginnt, sondern schon vor Aufstellung des Jahresabschlusses, der ja der eigentliche Gegenstand der Abschlußprüfung ist, wenn es die Vorbereitung der Abschlußprüfung fordert. Die im bisherigen Gesetz enthaltene Einschränkung: „und nicht die überwiegenden Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens entgegenstehen" ist nicht übernommen worden aus der allgemeinen Tendenz heraus, derartige Schutzklauseln fallenzulassen (vgl. §§ 1 3 1 , 1 4 5 , 1 6 0 ) . II. Pflichten des Vorstandes Anm. 2: Die Abs. 1 und 2 handeln von der Vorlegungs- und Auskunftspflicht des Vorstandes gegenüber den Abschlußprüfern. Sie bestehen im Rahmen des Prüfungszwecks. Soweit zur sorgfältigen Erfüllung der Prüfungspflicht erforderlich, ist die Vorlegungs- und Auskunftspflicht des Vorstandes unbegrenzt. Die Bestimmungen sind zwingend und können weder durch Satzung noch durch Hauptversammlungsbeschluß eingeengt werden. Der Prüfer kann die Erteilung der geforderten Aufschlüsse erzwingen, zwar nidit mit Klage und einstweiliger Verfügung, aber indem er beim Registergericht Ordnungsstrafen gegen den Vorstand nach § 407 beantragt. Denkbar ist auch die Verweigerung einer Auskunft im Rahmen eines Streites über die Auslegung von Bestimmungen über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht. Dann kann nach § 169 I der Abschlußprüfer das nach § 132 I zuständige Gericht anrufen. Der Prüfer kann auch die Hilfe des Aufsichtsrats anrufen, der seinerseits gegen den Vorstand vorgehen kann, jedoch nur durch dessen Abberufung. Unter Umständen ist der Aufsichtsrat befugt, vom Vorstand ihm gemäß § 90 erteilte, dem Prüfer aber verweigerte Auskunft weiterzugeben. Wenn dem Prüfer all dies nicht aussichtsreich erscheint, kann er, freilich auf die Gefahr hin, dies im Honorarstreit rechtfertigen zu müssen, sein Amt niederlegen. Dann kann ein Fall des § 163 I I I vorliegen. Endlich kann der Abschlußprüfer seine Tätigkeit trotz der Verweigerung der Auskunft fortsetzen und in dem Prüfungsbericht feststellen, daß er die verlangten Aufklärungen und Nachweise nicht erhalten hat. Evtl. kann er den Bestätigungsvermerk verweigern. Die Wahrheit der dem Prüfer erteilten Auskünfte sucht das Gesetz durch eine besondere Strafandrohung (§ 400 Nr. 3) zu sichern. Über die Erfüllung der Auskunftspflicht hat der Prüfer im Prüfungsbericht nach § 166 I zu berichten. 1013

§ 165 Anm. 2

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Der Vorstand allein ist es, der dem Abschlußprüfer die Einsicht in die Verhältnisse der Gesellschaft zu gestatten hat, nicht etwa der einzelne Angestellte, Kassierer usw. ohne Ermächtigung durch den Vorstand. Lehnt der Vorstand die Offenlegung ab, so darf ein Angestellter, auch wenn der Vorstand ungesetzlich handelt, nicht von sich aus dem Abschlußprüfer die Einsicht gestatten. Vorzulegen verpflichtet ist der Vorstand erstens das, was der Prüfer zu prüfen hat, nämlich den Jahresabschluß, Bücher, die ihm zugrunde liegen, sowie Vermögensgegenstände, die er aufzuführen und zu bewerten hat. Ferner hat er die Schriften vorzulegen, die zur Nachprüfung der Richtigkeit des Jahresabschlusses notwendig sind. Der Vorstand hat dem Prüfer die Prüfung der Vermögensgegenstände, also deren Besichtigung und Zählung und den Zutritt zu ihnen, die Prüfung der Bücher und Schriften, also deren Einsicht, zu gestatten. Zu den vorzulegenden Vermögensgegenständen, Büchern und Schriften gehören zwar auch die der Zweigniederlassungen, nicht aber die von Konzerngesellschaften. Hierüber s. unten Anm. 3. Zur Ergänzung — nicht zum Ersatz eigener Prüfung — darf der Prüfer vom Vorstand alle Aufklärungen und Nachweise verlangen. Der Vorstand ist verpflichtet, sie zu geben. Der Vorstand kann sich nicht darauf berufen, daß die Interessen der Gesellschaft eine Geheimhaltung erfordern. Diese sind geschützt durch die Schweigepflicht und Haftpflicht des Abschlußprüfers (§ 168) und seiner Strafbarkeit im Falle der Verletzung der ersteren (§ 404). Bestehen nichtsdestoweniger begründete Bedenken gegen die Verschwiegenheit des Prüfers, so kann der Vorstand bis zur Entscheidung der Hauptversammlung bzw. des Gerichtes über die von ihm unverzüglich zu beantragende A b berufung die Auskunft vorläufig unterlassen. D i e Abschlußprüfer haben nur die Ergebnisse der Geschäftsführung festzustellen, nicht aber die Art der Geschäftsführung zu beurteilen. N u r vom Vorstand, ohne dessen Zustimmung weder von Angestellten noch vom Aufsichtsrat, hat der Prüfer Aufklärung und Nachweise zu erhalten, andererseits braucht sich der Prüfer mit Aufklärungen, die er — im Auftrage des Vorstands — nur von Angestellten erhält, nicht zufriedenzugeben. Abs. 3 läßt erkennen, daß der Abschlußprüfer, sobald er den ihm unverzüglich nach der Wahl zu erteilenden A u f t r a g erhalten hat, mit der Vorbereitung der Prüfung beginnen darf und behandelt die Vorlegungs- und Auskunftspflicht des Vorstandes bzw. das Recht des Prüfers auf Vorlegung und Auskunft vor Aufstellung des Jahresabschlusses. D a s Auskunftsrecht besteht für diese Zeit nicht in dem gleichen U m f a n g wie nach Aufstellung des Jahresabschlusses, der ja noch gar nicht vorliegt und auch nicht zu prüfen ist, sondern „soweit es die Vorbereitung der Abschlußprüfung fordert". Die Vorbereitung der Prüfung des erst aufzustellenden Jahresabschlusses dürfte mehr die Bucheinsicht als Auskünfte erfordern. 1014

Prüfungsbericht

§§165/166

Anm. 2 , 3

Die Rechte, die dem Prüfer selbst zustehen, stehen auch denjenigen Personen zu, die er als Hilfspersonen zuzieht (a. A. Brönner in Großkomm. Anm. 5). Jedoch erfüllt der Vorstand seine Pflicht auch dann, wenn er einzelne Aufklärungen nur dem Prüfer zu erteilen und einzelne Konten oder Schriften nur diesem selbst und nicht seinem Hilfspersonal vorzulegen bereit ist. III. Pflichten verbundener Unternehmen Anm. 3: Nach der neuen Bestimmung des Abs. 4 haben Unternehmen, die mit der zu prüfenden Gesellschaft als Konzernunternehmen oder als abhängige oder herrschende Unternehmen verbunden sind, den Prüfern gegenüber die gleichen Pflichten wie der Vorstand selbst nach Abs. 2 und 3, d. h., es müssen den Prüfern alle Aufklärungen und Nachweise gegeben werden, welche für eine sorgfältige Prüfung der Gesellschaft, die sie zu prüfen haben — nicht etwa des verbundenen Unternehmens —, notwendig sind (Abs. 2). Das gilt auch für die Vorbereitung der Abschlußprüfung vor Aufstellung des Jahresabschlusses (Abs. 3). Im Regierungs-Entwurf war vorgesehen, daß den Abschlußprüfern in diesem Falle auch die Rechte aus Abs. 1 zustehen sollten. Im Gesetz ist eine solche Verweisung nicht mehr enthalten. Ein unmittelbares Prüfungsrecht bei anderen Unternehmen, wie es sich bei Anwendung des Abs. 1 ergäbe, ist mit der rechtlichen Selbständigkeit dieser Unternehmen nicht zu vereinbaren. Es würde auch, soweit es sich um herrschende Unternehmen handelt, gegen das natürliche Organisationsgefälle verstoßen. Unmittelbare Prüfungsrechte erscheinen auch unnötig, weil sich der Abschlußprüfer über sein Recht, nach Abs. 2 von der Leitung des anderen Unternehmens alle Aufklärungen und Nachweise zu verlangen, alle erforderlichen Unterlagen verschaffen kann. Hinzu kommt, daß die Anwendung auch des Abs. 1 wahrscheinlich in der Praxis dazu führen würde, daß in einem Konzern für alle dem Konzern angehörenden Gesellschaften die gleichen Abschlußprüfer bestellt werden. Damit würde das Gegenteil von dem erreicht, was im Regierungs-Entwurf beabsichtigt war; der Abschlußprüfer würde von der Konzernspitze ausgesucht und die abhängigen Konzernunternehmen würden damit nicht von einem völlig unabhängigen, von ihnen selbst bestellten Abschlußprüfer geprüft werden (vgl. § 145 Anm. 4). § 166 Prüfungsbericht (1) Die Abschlußprüfer haben Ober das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Im Bericht ist besonders festzustellen, ob die Buchführung, 1015

§ 1 ¿6

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 1,2 der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht, soweit er den Jahresabschluß erläutert, den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und ob der Vorstand die verlangten Aufklärungen und Nachweise erbracht hat. Die Posten des Jahresabschlusses sind aufzugliedern und ausreichend zu erläutern. (2) Stellen die Abschlußprüfer bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben Tatsachen fest, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder die schwerwiegende Verstöße des Vorstands gegen Gesetz oder Satzung erkennen lassen, so haben sie auch darüber zu berichten. (3) Die Abschlußprüfer haben den Bericht zu unterzeichnen und dem Vorstand vorzulegen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Inhalt des Berichtes (Anm. 2)

III. Bericht über gelegentlich der Prüfung getroffene Feststellungen (Anm. 3) IV. Vorlage des Prüfungsberichtes ( A n m . 4)

I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmungen der Abs. 1 und 3 entsprechen inhaltlich denen des § 1391 und II AktG 37. Im Abs. 1 ist die Bestimmung neu eingefügt, daß die Posten des Jahresabschlusses aufzugliedern und ausreichend zu erläutern sind. Das ist geschehen, um die Aussagefähigkeit des Prüfungsberichtes zu erhöhen. Dagegen ist ein Antrag, nachdem im Prüfungsbericht die Entwicklung der Vermögens- und Ertragsverhältnisse sowie die Bilanzstruktur darzustellen sein sollten, abgelehnt worden. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß die Prüfungsberichte schon jetzt ganz überwiegend diese Darstellung enthalten. Dabei werde es auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung bleiben. Gegen eine gesetzliche Regelung spreche, daß aus einer solchen Ausweitung der gesetzlichen Berichtspflicht auf eine Erweiterung des Prüfungsumfanges geschlossen werden könnte. Neu eingefügt ist der Abs. 2, vgl. hierzu unten Anm. 3. Neben diesem Bericht ist bei Vorliegen der Voraussetzungen ein besonderer Bericht nach § 3 MitbestErgG zu erstellen. Dieser richtet sich nach den besonderen Bestimmungen des § 4 MitbestErgG und ist unabhängig von dem Prüfungsbericht des § 166 von den Abschlußprüfern zu erstellen (vgl. auch § 98 III und dort Anm. 4). II. Inhalt des Berichtes Anm. 2: Der Abs. 1 bestimmt den Mindestinhalt des Prüfungsberichtes. Danach muß einmal festgestellt werden, daß die gesetzlichen Vorschriften bei dem, was nach § 162 Gegenstand der Prüfung ist und bei der Auskunfts1016

Prüfungsbericht

§166

Anm. 2,3

erteilung des Vorstandes eingehalten wurden. Daneben muß — nach der neuen Bestimmung des Abs. 1 letzter Satz — der Prüfungsbericht eine Aufgliederung und Erläuterung der Posten des Jahresabschlusses enthalten. Hier wird also im Grunde mehr verlangt als eine Prüfung. Hieraus — in Verbindung mit der Bestimmung des § 170 I, wonach der Vorstand verpflichtet ist, den Prüfungsbericht unverzüglich nach Eingang dem Aufsichtsrat vorzulegen, ist zu erkennen, daß der Prüfungsbericht, wie schon seit langem üblich, wesentlich mehr enthält, als nur die Feststellung, daß in der Gesellschaft alles ordnungsgemäß zugegangen ist. Er soll durch seine Erläuterungen zum Jahresabschluß insbesondere dem Aufsichtsrat die Überwachung der Geschäftsführung erleichtern. Deshalb ist das, was das Gesetz in Abs. 1 aufzählt, in der Tat nur eine Minimalforderung. Der Bericht hat festzustellen, ob a) die Buchführung, b) der Jahresabschluß, c) der Geschäftsbericht, soweit er den Jahresabschluß erläutert, den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, d) der Vorstand seiner Auskunftspflicht nachgekommen ist. Ist dies der Fall, so genügt die einfache Feststellung (a. A. Brönner in Großkomm. Anm. 5), anderenfalls muß im einzelnen angegeben werden, inwiefern Beanstandungen zu erheben sind. Die Ansicht des Vorstandes ist dabei zweckmäßig anzuführen und zu erörtern. Neben der Feststellung, ob die gesetzlichen Vorschriften erfüllt sind, ist auch zu prüfen und zu berichten, ob die Satzungsbestimmungen eingehalten sind (streitig!). Wie die einleitenden Worte des Satzes 2 „im" und „ist besonders" ergeben, darf der Bericht sich nicht auf diese Feststellungen beschränken. Das ergibt sich nunmehr auch aus der Neuanfügung des letzten Satzes des Abs. 1. Allerdings geht die Tendenz der Praxis dahin, den Bericht zu verkürzen (vgl. Brönner in Großkomm. Anm. 5; Niehaus in DB 1969, 1351 ff.; Piper in DB 1968, 1677). Der Prüfer hat den Bericht schriftlich (Abs. 1 S. 1) zu erstatten und zu unterzeichnen (Abs. 3). Solange er nicht unterzeichnet ist, liegt ein ordnungsgemäßer Bericht nicht vor. Ist die Prüfung durch eine Prüfungsgesellschaft vorgenommen worden, so genügt die zur Vertretung der Gesellschaft gesetzlich oder satzungsgemäß vorgeschriebene Mindestzahl von Unterschriften zeichnungsberechtigter Mitglieder des Vertretungsorgans oder sonstiger Bevollmächtigter. III. Bericht über gelegentlich der Prüfung getroffene Feststellungen Anm. 3: Mit der neuen Bestimmung des Abs. 2 soll eine Frage geregelt werden, die nach bisherigem Recht Schwierigkeiten bereitet hat. Da der Prüfungsbericht als Analyse des gesamten Rechnungswerks der Gesellschaft immer 1017

§166

Anm. 3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

größere Bedeutung erlangt hat und damit weit über das ursprünglich und auch heute noch gesetzlich vorgesehene Maß der Nachprüfung, ob Gesetz und Satzung eingehalten wurden, hinausgeht, ist die Frage aufgetaucht, ob nicht für die Abschlußprüfer eine Verpflichtung besteht, auf Gefahren für die Entwicklung der Gesellschaft aufmerksam zu machen, wenn sich diese aus Tatsachen ergeben, auf die sie während der Durchführung der Prüfung gestoßen sind. Tatsächlich enthalten die Prüfungsberichte üblicherweise Aufstellungen und Gegenüberstellungen mit vorangegangenen Jahresabschlüssen, aus denen der fachkundige Leser selbst ganz bestimmte Schlüsse auf die Entwicklung des Unternehmens zieht. Mitunter enthalten auch die Prüfungsberichte selbst solche Schlußfolgerungen. Diese Entwicklung macht es notwendig, gesetzlich festzulegen, daß die Abschlußprüfer verpflichtet sind, unter gewissen Voraussetzungen auch über ungünstige Entwicklungen Bericht zu erstatten. Bereits zum geltenden Recht hat der Bundesgerichtshof ( B G H 16, 17) zu der Frage dahin Stellung genommen, daß die Abschlußprüfer zu berichten haben, wenn ihnen bei der Abschlußprüfung schwerwiegende Bedenken gegen die Geschäftsführung, die Rentabilität oder Liquidität kommen. Wenn sie bei der Durchführung ihrer Pflichtaufgaben die Bedrohlichkeit der Lage erkennen oder feststellen, daß sich eine ruinöse Entwicklung anbahnt, so sollten sie Vorstand und Aufsichtsrat hierauf hinweisen und mit ihnen die nach ihrer Ansicht erforderlichen Maßnahmen besprechen. Die Entscheidung blieb nicht ohne Widerspruch, da grundsätzlich daran festgehalten werden muß, daß die Lage der Gesellschaft und die Geschäftsführung nicht Gegenstand der Abschlußprüfung und damit auch nicht Gegenstand des Prüfungsberichtes sein sollen. Nunmehr wird festgelegt, daß die Abschlußprüfer Tatsachen, die sie bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben festgestellt haben, dann zu berichten haben, wenn diese den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder sich aus ihnen schwerwiegende Verstöße des Vorstandes gegen Gesetz oder Satzung erkennen lassen. Es bleibt also dabei, daß die Abschlußprüfer sich nicht über die Zweckmäßigkeit von Entscheidungen des Vorstandes über Geschäftsführungsmaßnahmen zu äußern haben. Nur wenn Verstöße, und zwar, wie besonders hervorgehoben wird, nur schwerwiegende Verstöße des Vorstandes gegen Gesetz oder Satzung festgestellt werden, müssen sie darüber berichten. Ferner haben sie nur über solche Tatsachen zu berichten, die die Entwicklung des Unternehmens wesentlich beeinflussen können, nicht über solche, die sich nur ganz allgemein schädlich auswirken könnten, ferner über solche, die den Bestand des Unternehmens gefährden. Nach den Bestimmungen des Abs. 2 wird, wie in der Regierungsbegründung zutreffend ausgeführt wird, ein Bericht nur in schwerwiegenden Fällen gefordert, also nicht schon dann, wenn der Abschlußprüfer sieht, daß die Lage der Gesellschaft angespannt ist oder wenn er leichtere Gesetzes- oder Satzungs1018

Bestätigungsvermerk

§§ 166/167 Anm. 3,4/1

verstoße entdeckt. Die Bestimmung des Abs. 2 unterscheidet sich dadurch wesentlich von der des Abs. 1, als dort auch der geringste Verstoß gegen Gesetz oder Satzung festzustellen und im Bericht festzuhalten ist, wenn es sich um die Buchführung, den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht, soweit er den Jahresabschluß erläutert, handelt. IV. Vorlage des Prüfungsberichtes Anm. 4: Die Abschlußprüfer haben den Bericht dem Vorstand vorzulegen. Der Bericht hat nicht die gleiche Publizität wie der der Sonderprüfer. Er ist nicht dem Handelsregister einzureichen. Der Bericht selbst ist eine interne Angelegenheit der Verwaltung. Der Vorstand hat ihn nadi § 170 unverzüglich nach Eingang dem Aufsichtsrat vorzulegen, der ihn bei seiner Prüfung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen hat. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, von dem Prüfungsbericht Kenntnis zu nehmen. Er ist ihm auf Verlangen auszuhändigen, sofern der Aufsiditsrat nichts anderes beschlossen hat (§ 170 III, s. Anm. dort). Die Hauptversammlung wie auch die einzelnen Aktionäre haben keinen Anspruch auf Einsicht des Prüfungsberichtes. Sie erhalten nur Kenntnis über das Ergebnis der Prüfung durch den Bericht des Aufsichtsrats nach § 171 an die Hauptversammlung. § 167 Bestätigungsvermerk (1) Sind nadi dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben, so haben die Abschlußprüfer dies durch folgenden Vermerk zum Jahresabschluß zu bestätigen: Die Buchführung, der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht entsprechen nach meiner (unserer) pfliditmäßigen Prüfung Gesetz und Satzung. (2) Sind Einwendungen zu erheben, so haben die Abschlußprüfer die Bestätigung einzuschränken oder zu versagen. (3) Die Abschlußprüfer haben den Bestätigungsvermerk mit Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen. Der Bestätigungsvermerk ist auch in den Prüfungsbericht aufzunehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Erteilung des Bestätigungsvermerks (Anm. 2)

III. Inhalt des Bestätigungsvermerks (Anm. 3) IV. Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks (Anm. 4)

I. Obersicht Anm. 1: Die Bestimmungen des § 140 I und II AktG 37 sind inhaltlich übernommen, aber in der Form wesentlich gestrafft worden. Für den Be1019

§ 167

Anm. 1,2

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

stätigungsvermerk ist nunmehr ein bestimmter Wortlaut vorgeschrieben, in dem zwar nach wie vor von der pflichtmäßigen Prüfung die Rede ist, nicht aber mehr ausdrücklich betont wird, daß dieser auf der Einsicht der Bücher und der Schriften der Gesellschaft sowie der vom Vorstand erteilten Aufklärung und Nachweise beruht. Eine sachliche Änderung besteht darin, daß sich der Bestätigungsvermerk nunmehr auf den gesamten Geschäftsbericht bezieht. Die Einschränkung, „soweit er den Jahresabschluß erläutert", ist weggefallen, weil nach § 162 II der Geschäftsbericht darauf zu prüfen ist, ob § 160 II bis V beachtet ist und ob die sonstigen Angaben im Geschäftsbericht nicht eine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erwecken. Aus dem gleichen Grunde ist die Bestimmung des § 140 III AktG 37 nicht mehr übernommen worden. Diese ging dahin, daß die Abschlußprüfer die Bestätigung auch dann versagen oder einschränken können, wenn der Geschäftsbericht, soweit in ihm der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft dargelegt sind, offensichtlich eine falsche Darstellung von den Verhältnissen der Gesellschaft erweckt, die geeignet ist, das durdi den Jahresabschluß vermittelte Bild von der Lage der Gesellschaft zu verfälschen. Durch die ausdrückliche Einbeziehung des Teils des Geschäftsberichtes, der sich mit der allgemeinen Darstellung der Lage der Gesellschaft befaßt, in die Prüfung nach § 162 ergibt sich von selbst, daß der Bestätigungsvermerk einzuschränken ist, wenn dieser Teil des Geschäftsberichtes eine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erweckt. Die neue Bestimmung ist in zweierlei Hinsicht erweitert. Es ist weder eine „offensichtlich'' falsche Darstellung erforderlich, noch muß die Darstellung geeignet sein, das durch den Jahresabschluß vermittelte Bild von der Lage der Gesellschaft zu verfälschen. Es genügt eine Darstellung, die geeignet ist, falsche Vorstellungen zu erwecken, ohne daß ein Zusammenhang mit dem Jahresabschluß bestehen müßte. II. Erteilung des Bestätigungsvermerks Anm. 2: Der Bestätigungsvermerk ist zu erteilen, wenn nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben sind. N u r das abschließende Ergebnis ist maßgebend. Sind ursprünglich vorhandene Beanstandungen durch Verhandlungen mit der Verwaltung beseitigt, so darf ihretwegen der Vermerk nicht versagt oder eingeschränkt werden. Durch die Einfügung der Worte im Abs. 1 „zum Jahresabschluß" ist klargestellt, daß der Bestätigungsvermerk in den Jahresabschluß als Teil des Jahresabschlusses aufzunehmen ist. Ferner ist er nach Abs. 3 auch in den Prüfungsbericht aufzunehmen. In beiden Fällen ist er vom Abschlußprüfer mit Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen. Diese Bestimmung ist als solche neu, nicht der Sache nach, denn es wurde schon bisher ganz allgemein so verfahren. Die Aufnahme einer besonderen gesetzlichen Bestimmung erschien deshalb zweckmäßig, weil der Tag der Ausstellung mit Rücksicht auf 1020

Bestätigungs vermerk

§167 Anm. 2 , 3

die Vorschriften über die Nachtragsprüfung (§ 162 III; § 173 III) eine neue Bedeutung gewonnen hatte. Der Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks kann für die Frage seiner Gültigkeit entscheidend sein. Die Gesellschaft hat einen klagbaren nach § 888 ZPO vollstreckbaren Anspruch auf Erteilung des Bestätigungsvermerks. Schuldhafte Verzögerung, Nichterfüllung, desgleichen unbegründete Versagung oder Einschränkung des Bestätigungsvermerks, sein unbegründeter Widerruf machen den Prüfer schadenersatzpflichtig. Beruft sich der Prüfer auf zu machende erhebliche Einwendungen, so ist freilich sein pflichtmäßiges Ermessen maßgebend, wenn es sich um Ermessensfragen handelt, ohne daß das Gericht dieses nachzuprüfen hätte (ebenso Martens in WP 1967, 539; abweichend Brönner in Großkomm. Anm. 2). Sind Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abschlußprüfer und der Gesellschaft über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht aufgetaucht, so kann der Abschlußprüfer wie auch die Gesellschaft nach § 169 das nach § 132 I zuständige Gericht anrufen. Der Bestätigungsvermerk hat den Charakter einer Vermutung für die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses (ebenso B.-H. Rn. 5; Brönner in Großkomm. Anm. 1 ; a. A. Karoli-Tomfohrde in WP 1967,170). III. Inhalt des Bestätigungsvermerks Anm. 3: Der Bestätigungsvermerk ist scharf zu trennen von dem Prüfungsbericht nach § 166. Während letzterer nur intern für die Verwaltung bestimmt ist, ist sein Resumé, der Bestätigungsvermerk, der Öffentlichkeit mitzuteilen. Damit übernimmt ihr gegenüber der Prüfer die Mitverantwortung für Jahresabschluß und Geschäftsbericht. Das Gesetz schreibt entgegen dem bisherigen Recht nunmehr einen festen Inhalt für den Bestätigungsvermerk vor, von dem nicht abgewichen werden kann, wenn nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben sind (ebenso B.-H. Rn. 4; abweichend Karoli-Tomfohrde in WP 67, 169, die Zusätze für zulässig halten). Inhaltlich läuft der Bestätigungsvermerk darauf hinaus, daß die Buchführung, der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht dem Gesetz und der Satzung entsprechen. Neu eingefügt sind die Worte „und Satzung", damit klargestellt ist, daß auch dies Gegenstand der Prüfung ist. Das entspricht der neuen Formulierung in § 162 II, wo ebenfalls bereits ausdrücklich gesagt wird, daß sich die Prüfung darauf zu erstrecken hat, ob die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung beachtet sind. Darüber, daß die Prüfung des Geschäftsberichtes erweitert ist, vgl. Anm. 2 und 3 zu § 162 und oben Anm. 1. Es muß ferner bestätigt werden, daß die Feststellungen sich aus der pflichtmäßigen Prüfung ergeben. Was unter pflichtmäßiger Prüfung zu verstehen ist, ergibt sich einmal aus § 168. Danach sind die Prüfer zur gewissenhaften und unparteiischen 1021

§167

Anm. 3,4

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Prüfung verpflichtet. Zum anderen ergibt sich dies insbesondere aus dem Grundsatz der Vollständigkeit des Prüfungsberichtes nach § 166 unter Berücksichtigung der zusätzlichen Verpflichtung aus § 166 II in Verbindung mit der Strafbestimmung des § 403, die nicht nur eine falsche Berichterstattung, sondern auch eine unvollständige unter Strafe stellt. Ein Widerruf des Bestätigungsvermerks ist möglich und muß erfolgen, wenn der Prüfer durch Täuschung veranlaßt wurde, ihn zu erteilen (B.-H. Rn. 12; Brönner in Großkomm. Anm. 12). Ob ein Widerruf auch dann möglich ist, wenn der Bestätigungsvermerk nicht durch Täuschung, sondern durch Irrtum veranlaßt wurde, ist streitig. Einigkeit besteht jedenfalls darin, daß der Prüfer auch dann einer weiteren Verwendung des Bestätigungsvermerks widersprechen und damit seine Haftung einschränken kann (Adler-DüringSchmaltz § 140 AktG 37, Anm. 18; Brönner in Großkomm. Anm. 12). IV. Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks Anm. 4: Sind nicht nur bedeutungslose Einwendungen zu erheben, mag es sich auch nur um Verstöße gegen die Satzung handeln, so ist der Bestätigungsvermerk nach billigem Ermessen des Prüfers einzuschränken oder zu versagen. Ersterenfalls muß die Einschränkung zugleich ihre Begründung ergeben. Unzulässig wäre eine Einschränkung, die nur darin besteht, daß einzelne Punkte des gesetzlich vorgeschriebenen Wortlauts des Bestätigungsvermerks fortgelassen werden. Wird der Vermerk eingeschränkt oder versagt, so muß dies ebenso „zum Jahresabschluß" (Abs. 1) wie im Prüfungsbericht (Abs. 3) schriftlich erklärt werden. Dafür, ob zu versagen oder einzuschränken ist, ist maßgebend, ob die Einwendungen sidi abgrenzen lassen, so daß eine Einschränkung formuliert werden kann, ferner unter dem gleichen Gesichtspunkt, ob sie nicht zu zahlreich oder so erheblich sind, daß dadurch der Jahresabschluß im ganzen unrichtig ist, ferner ob infolge Verweigerung der geforderten Auskünfte und Nachweise oder Unzulänglichkeit und Mangelhaftigkeit der Prüfungsunterlagen, insbesondere der Buchführung, keine Möglichkeit vorlag, den Jahresabschluß zuverlässig zu prüfen, so daß ein Urteil über ihn nicht möglich ist. Beziehen sich die Einwendungen nur darauf, daß beispielsweise der Geschäftsbericht nicht völlig den gesetzlichen Bestimmungen entspricht oder daß die einzelnen Gliederungsvorschriften oder andere nicht zwingende Gesetzes- oder Satzungsbestimmungen nicht eingehalten wurden, so wird in der Regel der Bestätigungsvermerk nur einzuschränken sein. Der Bestätigungsvermerk ist auch dann einzuschränken, wenn der Geschäftsbericht Angaben enthält, die eine falsche Vorstellung von der Lage der Gesellschaft erwecken (§ 162 II). Eine Einschränkung hat aber dann nicht zu erfolgen, wenn bei Durchführung der Prüfung Tatsachen festgestellt werden, 1022

Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer

§ § 167/168

Anm. 4

die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder schwerwiegende Verstöße des Vorstandes gegen Gesetz oder Satzung vorliegen (§ 166 II), sofern diese nicht unmittelbar Einfluß auf den Prüfungsgegenstand nach § 162 haben. Sie müssen nur in den Prüfungsbericht aufgenommen werden. Ändert der Vorstand den Jahresabschluß oder den Geschäftsbericht, nachdem der Prüfungsbericht mit Bestätigungsvermerk vorgelegt worden ist (§ 162 III) oder ändert die Hauptversammlung den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß (§ 173 III), so haben die Abschlußprüfer den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht erneut zu prüfen, soweit es die Änderung fordert. Ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist unwirksam (§ 173 III). § 168 Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer (1) Die Abschlußprüfer, ihre Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie dürfen nicht unbefugt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verwerten, die sie bei ihrer Tätigkeit erfahren haben. Wer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt, ist der Gesellschaft und, wenn ein Konzernunternehmen oder ein herrschendes oder abhängiges Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner. (2) Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, beschränkt sich auf fünfhunderttausend Deutsche Mark für eine Prüfung. Dies gilt auch, wenn an der Prüfung mehrere Personen beteiligt gewesen oder mehrere zum Ersatz verpflichtende Handlungen begangen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich gehandelt haben. (3) Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht, wenn eine Prüfungsgesellschaft Abschlußprüfer ist, auch gegenüber dem Aufsichtsrat und den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft. (4) Die Ersatzpflicht nach diesen Vorschriften kann durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. (5) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. I. Übersicht (Anm. 1) II. Der haftende Personenkreis (Anm. 2) III. H a f t u n g f ü r : 1. Durchführung der Prüfung (Anm. 3)

2. Verschwiegenheit (Anm. 4) IV. Verschulden (Anm. 5) V. Einschränkung der H a f t u n g (Anm. 6) VI. Ausschluß der H a f t u n g (Anm. 7) VII. Verjährung (Anm. 8)

1023

§168

Anm. 1—3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift weicht von § 141 AktG 37 nur geringfügig ab. In Abs. 1 ist als Folge der Auskunftspflicht von Konzernunternehmen und herrschenden und abhängigen Unternehmen nach § 165 IV die Ersatzpflicht des Prüfers auf die Schädigung dieser Unternehmen ausgedehnt worden. In Abs. 1 S. 3 sind neu eingefügt die Worte „vorsätzlich oder fahrlässig", womit klargestellt werden sollte, daß nur bei schuldhafter Pflichtverletzung gehaftet wird (vgl. Anm. 5). In Abs. 3 wurde die Ausnahmebestimmung gestrichen, wonach der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft und sein Stellvertreter die Prüfungsberichte einsehen durften. Die dadurch entstehende geringere Überwachungsmöglichkeit der Prüfungsgesellschaft durch deren Aufsichtsrat ist bewußt zugunsten einer streng durchgeführten Verschwiegenheitspflicht bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Kauf genommen worden (vgl. Regierungsbegründung). Für die Verantwortlichkeit sowohl der Gründungsprüfer (§ 49) als auch der Sonderprüfer (§ 144) wird auf die vorliegende Bestimmung für die Abschlußprüfer verwiesen. II. Der haftende Personenkreis Anm. 2: Den Abschlußprüfern sind, wie selbstverständlich, die gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft gleichgestellt, vorausgesetzt, daß sie bei der Prüfung mitwirken. Angestellte einer solchen, welche die Prüfung selbst durchführen, sind neben der Gesellschaft Prüfer, nicht etwa Hilfspersonen (a. A. Adler-Düring-Schmaltz Tz 5). Unter Gehilfen der Abschlußprüfer sind alle Hilfspersonen zu verstehen, deren sich diese zur Ausübung der Prüfung bedienen (ebenso B.-H. Rn. 3; Adler-Düring-Schmaltz Tz 5). Dazu gehören auch diejenigen, die untergeordnete Tätigkeit verrichten, wie z. B. Stenotypistinnen. Bei letzteren kommt allerdings praktisch nur eine Haftung wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht in Frage. Es hat für die Hilfsperson nicht nur der Prüfer einzutreten, sondern sie haftet nach § 823 II BGB in Verb, mit §§ 403, 404 der Gesellschaft, evtl. auch den Aktionären oder Dritten unmittelbar. III. Haftung für 1. Durchführung der Prüfung Anm. 3: Die Prüfung muß gewissenhaft und unparteiisch sein. Darunter ist nicht nur ein subjektiver, sondern ein objektiver Maßstab zu verstehen. Damit wird ausgedrückt, daß der Prüfer ohne Rücksicht auf andere Personen nicht nur die Interessen der Gesellschaft, sondern auch der Gläubiger, Aktio1024

Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer

§ 168 Anm. 3,4

näre und Allgemeinheit nach rein sachlichen Erwägungen im Auge haben muß. Die Prüfung muß unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften und der anerkannten Buchführungs- und Bilanzierungsgrundsätze durchgeführt werden. Der Prüfer kann sich nicht auf mangelnde Sachkenntnis berufen. 2. Verschwiegenheit Anm. 4: Der Prüfer ist ferner zeitlich unbegrenzt bei Strafe (§ 404) zur Verschwiegenheit, daher auch zur Geheimhaltung des Prüfungsberichtes nebst Unterlagen verpflichtet. Diese Pflicht erstreckt sich auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft, nicht nur auf die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im eigentlichen Sinne, die das Gesetz ausdrücklidi hervorhebt, d. h. Umstände, die nach dem Willen der Beteiligten geheim bleiben sollen und niemand oder nur wenigen bekannt und erkennbaf sind. Sie besteht grundsätzlich gegenüber allen Personen, gegenüber den Angestellten der Gesellschaft, soweit ihnen eine Angelegenheit dienstlich nicht bekannt ist. Jedoch ergeben sich aus der Sache folgende Ausnahmen: Sie besteht nicht gegenüber dem Vorstand, der kraft seines Amtes über alle Dinge Bescheid wissen muß, und seinen Mitgliedern, ferner nicht gegenüber Mitgliedern des Aufsichtsrates. Dagegen hat der Prüfer ein Zeugnisverweigerungsrecht vor den Zivilgerichten (§ 383 I Nr. 5 ZPO), im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (15 I FGG), im arbeitsgerichtlichen (§ 46 II ArbGG), verwaltungsgerichtlichen (§ 98 VwGO) und sozialgerichtlichen Verfahren (§ 118 I SGG) sowie in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (§ 28 I BVerfGG), ferner besteht für Wirtschaftsprüfer ein Zeugnisverweigerungsrecht im Strafverfahren (§ 53 I Nr. 3 StPO) und im finanzgerichtlichen Verfahren (§ 84 FGO); im Besteuerungsverfahren haben sie ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 1771 N r . 3 AO). Auf allgemein bekannte Dinge erstreckt sich die Verschwiegenheitspflicht nicht. Jedoch darf der Prüfer Berichte in der Presse, auch wenn sie richtig sind, nicht etwa bestätigen. Die Gesellschaft kann dem Prüfer Mitteilungen ausdrücklich oder stillschweigend gestatten. Der Prüfer ist nicht nur zur Verschwiegenheit verpflichtet, sondern er darf grundsätzlich auch nichts von dem, was er aus Anlaß oder bei Gelegenheit der Prüfung wahrgenommen hat, zu eigenen Zwecken unbefugt verwerten. Unbefugt ist die Verwertung stets dann, wenn keine ausdrückliche oder stillschweigende Erlaubnis der Gesellschaft vorliegt (abweichend AdlerDüring-Schmaltz Tz 15) oder keine besondere Rechtspflicht zur Mitteilung besteht, z. B. Pflicht zur Erstattung einer Anzeige (§ 139 StGB). Bei Prüfungsgesellschaften, deren Vorstand oder Geschäftsführung von einem Aufsichtsrat überwacht wird, ergibt sich das Problem, inwieweit sich die Überwachungspflichten des Aufsichtsrates mit der Verschwiegenheits1025

§168

Anm. 4—6

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pflicht vereinen lassen. In Abs. 3 wird nunmehr eindeutig festgelegt, daß die Verschwiegenheitspflicht den Vorrang hat (s. im übr. Anm. 1). IV. Verschulden Anm. 5: Wer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt, ist der Gesellschaft und, wenn ein Konzernunternehmen oder ein herrschendes oder abhängiges Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Das gilt sowohl für die Art der Durchführung der Prüfung wie für die Verschwiegenheitspflicht. Unparteiisch sind die Prüfer, wenn sie sich davor hüten, der Verwaltung gefällig zu sein. Vorstehendes gilt sowohl für den Prüfer selbst als auch für seine Gehilfen aller Art. Letztere haften also bei Verletzung ihrer spezifischen Pflichten unmittelbar der Gesellschaft, aber natürlich nur, soweit sie ein Verschulden trifft. Der Prüfer haftet nach der vorliegenden Bestimmung für seine Gehilfen nicht, soweit er nicht eigene Pflichten verletzt, indem er unterläßt, ihre Pflichtverletzung abzuwenden oder unschädlich zu machen (h. A.). Dagegen trifft ihn eine Haftung nach § 278 BGB (ebenso Brönner in Großkomm. Anm. 15; Adler-Düring-Sdimaltz Tz 24; a. A. die Voraufl.). Dies gilt auch bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch einen Gehilfen (h-L.; jetzt auch Brönner in Großkomm. Anm. 15; vgl. zu dieser Frage nach Kleinewefers und Wiks in N J W 1963, 2345 ff. hinsichtlich der ähnlichen Frage der ärztlichen Schweigepflicht). Daneben besteht eine Haftung für Gehilfen aus § 831 BGB in den Fällen der §§ 403 und 404. Von dieser Haftung kann der Prüfer sich durch den Nachweis gewissenhafter und unparteilicher Auswahl, Anweisung und Überwachung befreien. Außerdem kann darauf im voraus verzichtet werden. Die Haftung bes. :ht nur gegenüber der Gesellschaft und etwa geschädigter Konzernunternehmen oder herrschenden oder abhängigen Unternehmen, nicht gegenüber anderen Dritten, auch nicht gegenüber sonstigen Aktionären oder den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern. § 254 BGB gilt für Abschlußprüfer nicht, da sie Organ der Gesellschaft sind (B.-H. Rn. 6). § 168 ist nicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II anzusehen, wohl aber §§ 403 und 404, so daß aufgrund dieser Bestimmung auch ein geschädigter Aktionär oder Gläubiger den Abschlußprüfer haftbar machen kann. V. Einschränkung der Haftung Anm. 6: Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, beschränkt sich auf 500 000,— DM für eine Prüfung, selbst wenn es sich um grobe Fahrlässigkeit handelt. Daneben haften diejenigen, die vorsätzlich gehandelt haben, in voller Höhe. Ist z. B. durch das vorsätzliche Verhalten 1026

Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer

§168 Anm. 6—8

eines Prüfers ein Schaden von 1 Million DM entstanden und hat dieser Prüfer 500 000,— DM auf seine Schadenersatzschuld von 1 Million DM gezahlt, so sind damit jedoch nicht auch die nur für Fahrlässigkeit verantwortlichen Personen aus ihrer Haftung befreit, wie dies von uns in der Vorauflage irrtümlich angenommen worden ist. Die Zahlungen des vorsätzlich Handelnden sind vielmehr zunächst auf den Betrag anzurechnen, der über DM 500 000,— hinausgeht (vgl. Brönner in Großkomm. Anm. 17). Zu Recht weist Brönner (a. a. O.) darauf hin, daß sonst die geschädigte Gesellschaft zunächst die fahrlässig handelnden Täter in Anspruch nehmen müsse, um erst dann den darüberhinausgehenden Schaden von den vorsätzlich Handelnden einzufordern. In diese Haftungsgrenze ist auch eine etwaige Haftung für Gehilfen aus § 831 BGB einzubeziehen. Soweit eine Haftung nach § 276 BGB bestehen kann, gilt auch hier die Einschränkung zugunsten des Prüfers nach Abs. 2 (ebenso Brönner in Großkomm. Anm. 18). Prüfungsgesellschaften haften für Pflichtverletzung ihrer gesetzlichen und verfassungsmäßigen Vertreter nach § 3 1 BGB unbeschränkt, für fahrlässige gemäß Abs. 2 beschränkt. Daneben haften aber auch gesetzliche Vertreter oder Angestellte, welche die Prüfung durchgeführt haben oder bei der Prüfung mitgewirkt haben, als Prüfer oder Prüfungsgehilfen selbst. VI. Ausschluß der Haftung Anm. 7: Die Ersatzpflicht der Prüfer und ihrer Gehilfen kann durch Vertrag im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden, wohl aber kann nachträglich, wenn die Verfehlung bekannt ist, auf Ersatz verzichtet werden (ebenso Brönner in Großkomm. Anm. 18; Adler-Düring-Schmaltz Tz 45). Eine Erweiterung der Haftung ist auch im voraus grundsätzlich möglich. Fraglich ist jedoch, ob die Haftung für Fahrlässigkeit über die Grenzen des Abs. 2 hinaus erweitert werden kann (Brönner in Großkomm. Anm. 19). Die Minderheit hat kein Recht, zu verlangen, daß die Haftung geltend gemacht werde. VII. Verjährung Anm. 8: Die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre und beginnt mit der Vollendung des den Ersatzanspruch begründenden Verhaltens, das ist, sofern die Tat im Prüfungsbericht liegt, dessen Unterzeichnung (a. A. Adler-DüringSchmaltz Tz 46; Brönner in Großkomm. Anm. 20, die die Verjährungsfrist mit der Abgabe des Prüfungsberichtes an den Vorstand beginnen lassen wollen, da bis dahin noch eine Änderung vorgenommen werden kann; für den Beginn der Frist kommt es jedoch auf die schadensbegründende Handlung 1027

§§ 1 6 8 / 1 6 9

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 8 an und nicht auf die Möglichkeit, diese wieder zu beseitigen), im übrigen mit Vollendung der Tat. Auf die Kenntnis der Gesellschaft kommt es nicht an. Erlangt diese erst nach Ablauf von 5 Jahren Kenntnis, so kann sie nur noch gegebenenfalls nach §§ 823 ff. BGB vorgehen. Dieser Anspruch verjährt zwar nach § 852 Abs. 1 BGB in 3 Jahren. Die Verjährungsfrist läuft aber erst von dem Zeitpunkt an, an welchem der Verletzte von dem Schaden Kenntnis erlangt (a. A. Brönner in Großkomm. Anm. 20 der §168 Abs. 5 als lex specialis gegenüber § 852 BGB ansieht und deshalb die Anwendung der bürgerlichrechtlichen Bestimmungen für unzulässig hält). Eine Verlängerung der Verjährungsfrist ist ausgeschlossen, dagegen kann sie verkürzt werden (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 46; a. A. Brönner in Großkomm. Anm. 20).

§ 169 Meinungsverschiedenheiten zwischen Gesellschaft und Abschlußprüfern (1) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Abschlußprüfern und der Gesellschaft über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht entscheidet auf Antrag eines Abschlußprüfers oder des Vorstands das nach § 132 Abs. 1 zuständige Gericht. (2) § 99 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 2, 4 bis 9 und Abs. 5 Satz 1 gilt sinngemäß. Die sofortige Beschwerde findet nur statt, wenn das Landgericht sie in der Entscheidung für zulässig erklärt. Es soll sie nur zulassen, wenn dadurch die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erwarten ist. (3) Für die Kosten des Verfahrens gilt die Kostenordnung. Für das Verfahren des ersten Rechtszugs wird das Doppelte der vollen Gebühr erhoben. Für den zweiten Reditszug wird die gleiche Gebühr erhoben; dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde Erfolg hat. Wird der Antrag oder die Beschwerde zurückgenommen, bevor es zu einer Entscheidung kommt, so ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte. Der Geschäftswert ist von Amts wegen festzusetzen. Er bestimmt sich nadi § 30 Abs. 2 der Kostenordnung. Der Abschlußprüfer ist zur Leistung eines Kostenvorsdiusses nicht verpflichtet. Schuldner der Kosten ist die Gesellschaft. Die Kosten können jedoch ganz oder zum Teil dem Abschlußprüfer auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anwendungsbereich (Anm. 2)

1028

III. Das gerichtliche Verfahren (Anm. 3) IV. Kosten (Anm. 4)

Meinungsverschiedenheiten

§ 169

Anm. 1,2

I. Übersicht Anm. 1: Abs. 1 übernimmt im wesentlichen die Vorschrift des § 135 III AktG 37. Es handelt sich um Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abschlußprüfer und der Gesellschaft, nicht wie nach bisherigem Recht dem Vorstand. Damit wird klargestellt, daß auch dann, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt und dabei Meinungsverschiedenheiten mit dem Abschlußprüfer auftreten, die vorliegenden Bestimmungen zur Anwendung gelangen. Während nach dem bisherigen Redit § 135 III AktG 37, §§ 27 bis 32 der I. DVO zum AktG 37 (RGBl. S. 1026) für die Entscheidung eine Spruchstelle am Oberlandesgericht zuständig war, so ist es jetzt das Landgericht, gegebenenfalls die Kammer für Handelssachen, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Das gerichtliche Verfahren ist weitestgehend das gleiche wie das über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, § 99. Abs. 3 regelt die Kosten des Verfahrens. Die Vorschrift tritt an die Stelle des § 32 der 1. DVO zum Aktiengesetz 1937. Es ist an die Kostenordnung und der Fassung des Gesetzes vom 26. 7. 57 (BGBl. I, S. 861) angepaßt worden. II. Anwendungsbereich Anm. 2: Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Abschlußprüfern und der Gesellschaft, nicht etwa über die von dem Vorstand zu gebenden Aufklärungen und Nachweise wie bei der Gründungsprüfung (§ 35), sondern über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht ist die vorliegende Bestimmung anzuwenden. Das bedeutet nicht nur über die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften, sondern auch über die sich aus der Satzung ergebenden entscheidet auf Antrag eines Abschlußprüfers oder des Vorstandes das nach § 1321 zuständige Geridit, d.h. das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so ist diese zuständig an Stelle der Zivilkammer. Die Landesregierung kann die Entscheidung durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte einem Landgericht übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Alsdann ist dieses Geridit zuständig. Nur wenn es sich um Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Gesetzes oder der Satzung handelt, trifft die Bestimmung zu, mithin nicht auf Meinungsverschiedenheiten über einen Wertansatz, wenn nicht die Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift strittig ist. Wenn auch der Abschlußprüfer die Beobachtung der gesetzlichen Bewertungsvorschriften zu überwachen hat, so sind doch die zur Feststellung des Jahresabschlusses berufenen Organe für die Bewertung zuständig, also Vorstand und Aufsichtsrat oder Haupt1029

§169

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 2,3 Versammlung und nicht der Prüfer. Soweit bei Bewertung innerhalb der gesetzlichen Vorschriften für Ermessen Raum ist, entscheidet das des Vorstandes und Aufsichtsrates, nicht das des Prüfers. Auch darüber, welche Bewertungsmethode zugrunde zu legen ist, entscheidet die Verwaltung; wohl aber muß der Abschlußprüfer prüfen, ob bei einem Wechsel der Bewertung die gesetzlichen Vorschriften gewahrt sind. Darüber kann es zu Meinungsverschiedenheiten kommen, die in dem hier geregelten Verfahren zu entscheiden sind. Neben dem hier beschriebenen Verfahren können die Beteiligten auch andere Möglichkeiten ausschöpfen, Meinungsverschiedenheiten zu klären, insbesondere durch Einholung von Gutachten. Dies geschieht in der Praxis auch wesentlich häufiger als die Durchführung des Verfahrens nach § 169 (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 1). Es ist daher auch bisher nur ein Fall bekannt geworden, in dem ein Verfahren nach § 169 (bzw. der entsprechenden Vorschrift des AktG 1937) durchgeführt worden ist, und zwar vom OLG Celle (in AktGes 1965, 175), dessen Entscheidung mit dem Rechtsmittel angefochten und vom BGH entschieden worden ist in BGH 44, 35 = Die AktGes 1965, 234). Kommt es in Bewertungsfragen zu keiner Einigung zwischen Vorstand und Abschlußprüfer, so kann dieser den Bestätigungsvermerk einschränken oder versagen, aber nicht nach der vorliegenden Bestimmung das Gericht anrufen. III. Das gerichtliche Verfahren Anm. 3: Antragsberechtigt ist jeder Abschlußprüfer. Sind mehrere vorhanden, so kann jeder selbständig das Gericht anrufen. Auf der anderen Seite ist antragsberechtigt der Vorstand, auch dann, wenn es sich um Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abschlußprüfer und der den Jahresabschluß festsetzenden Hauptversammlung handelt. In diesem Fall ist der Vorstand verpflichtet, den Antrag zu stellen (vgl. auch Adler-Düring-Schmaltz Tz 5; von Falkenhausen in die AktGes 1967, 312), wenn die Klarstellung der Meinungsverschiedenheit im Interesse der Gesellschaft liegt, was in aller Regel der Fall sein wird. Er handelt nicht etwa als Vertreter der Hauptversammlung. Diese kann gar keinen Vertreter haben, sie ist nur Organ. Praktisch ist an dem Verfahren die Gesellschaft beteiligt, vertreten durch den Vorstand. Das Verfahren ist ein solches nach FGG (§ 99 I). Die Entscheidung des Gerichtes kann immer nur eine Feststellung sein, niemals aber dahin lauten, daß der Bestätigungsvermerk zu erteilen oder zu versagen sei oder daß der Jahresabschluß so oder so zu lauten habe. Sie stellt auch keine Ansprüche zwischen den Parteien fest. Diese müssen vielmehr vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden. Das Landgericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen Beschluß (§ 99 III S. 1). Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde (§ 99 III 1030

Meinungsverschiedenheiten

§169

Anno* 3

S. 2) nur statthaft, wenn das Landgericht sie in der Entscheidung für zulässig erklärt. Es soll sie nur zulassen, wenn dadurch die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erwarten ist (§ 169 Abs. II), für die Frage, wann die Beschwerde für zulässig zu erklären ist vgl. § 132 Anm. 8. Die Entscheidung des Landgerichts, wonach eine Beschwerde nicht zugelassen wird, ist unanfechtbar (BayOpLG in N J W 1967, 831 zu der gleichlautenden Bestimmung des § 132). Nur bei willkürlicher Nichtzulassung können Ausnahmen zugelassen werden (vgl. O L G Karlsruhe in Die AktGes 1969,296). Diese Regelung ist gewissermaßen ein Ersatz dafür, daß nicht mehr, wie bisher, in erster Instanz das Oberlandesgericht zuständig ist. Es sind zwei Gesichtspunkte hier abzuwägen; auf der einen Seite müssen derartige Meinungsverschiedenheiten zwischen Abschlußprüfer und Gesellschaft schnell entschieden werden, denn von ihrer Entscheidung hängt die Prüfung des Jahresabschlusses ab. Auf der anderen Seite ist es wegen der Bedeutung für die Prüfungen im allgemeinen notwendig, daß die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sichergestellt wird. D a es aus rechtspolitischen Gründen unerwünscht erschien, es bei der bisherigen Regelung, daß im ersten Rechtszug das Oberlandesgericht, im zweiten der Bundesgerichtshof entscheidet, zu belassen, können zwar jetzt auf dem Wege der sofortigen Beschwerde die Oberlandesgerichte angerufen werden, aber nur dann, wenn es im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich ist. Hierüber entscheidet das Landgericht endgültig. D a derartige Verfahren verhältnismäßig selten vorkommen und auf der anderen Seite gewisse Spezialkenntnisse für die Entscheidung Voraussetzung sind, haben auch hier die Landesregierungen die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung die Entscheidung über die Beschwerde für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte einem der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zu übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient (§ 99 I I I S. 8 und 9). Wird die Beschwerde für zulässig erklärt, so kann sie nur durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdesdirift eingelegt werden (§ 99 IV S. 4). Audi das Oberlandesgericht entscheidet in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 99 I I I S. 5 und 6). Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen (§ 99 I I I S. 7). Der Bundesgerichtshof kann jedoch dann mit der Sache befaßt werden, wenn das Oberlandesgeridit von einer auf eine sofortige Beschwerde hin ergangene Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichtes oder des Bundesgerichtshofes selbst abweichen will (vgl. § 28 Abs. 2, 3 FGG). Die Entscheidung wird erst mit der Rechtskraft wirksam (§ 99 V S. 1). Über das Verfahren vgl. auch Anm. zu § 99. Ist eine Entscheidung gegen die Abschlußprüfer ergangen, so können diese eine Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerkes nicht mit ihrer gegenteiligen Ansicht begründen (ebenso B.-H. Rn. 6). Dagegen hindert die 1031

§§ 169/170

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 4 Entsdieidung die Parteien nicht daran, sich abweichend zu einigen (vgl. oben Anm. 2). IV. Kosten Anm. 4: Wie für das Verfahren nach § 99 gilt auch hier die Kostenordnung. Während aber für das Verfahren nadi § 99 im ersten Rechtszug das Vierfache der vollen Gebühr erhoben wird, wird hier nur das Doppelte der vollen Gebühr erhoben. Für den zweiten Rechtszug gilt das gleiche. Für die Ermäßigung der Gebühr bei Zurücknahme des Antrags oder der Beschwerde und die Festsetzung des Geschäftswertes gilt das gleiche wie in § 99 VI (vgl. § 99 Anm. 6). Während nach § 99 Kostenvorschüsse von keiner Seite erhoben werden, ist hier nur der Abschlußprüfer zur Leistung eines Kostenvorschusses nicht verpflichtet, von der Gesellschaft kann mithin das Gericht einen Kostenvorschuß anfordern. Auch hier ist Schuldner der Kosten die Gesellschaft. Die Kosten können jedoch ganz oder zum Teil dem Abschlußprüfer auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Bestimmung des § 99, wonach Kosten der Beteiligten nicht erstattet werden, fehlt hier. Demnach ist hier eine Erstattung außergerichtlicher Kosten zulässig (§ 13 a FGG; vgl. BayObLG in NJW1967, 831; KG in N J W 1969,1029).

Zweiter Unterabschnitt Prüfung durch den Aufsichtsrat § 170 Vorlage an den Aufsichtsrat (1) Unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts der Abschlußprüfer hat der Vorstand den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat vorzulegen. (2) Zugleich hat der Vorstand dem Aufsichtsrat den Vorschlag vorzulegen, den er der Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinns machen will. Der Vorschlag ist, sofern er keine abweichende Gliederung bedingt, wie folgt zu gliedern: 1. Verteilung an die Aktionäre 2. Einstellung in offene Rücklagen 3. Gewinnvortrag 4. zusätzlicher Aufwand bei Beschlußfassung nach dem Vorschlag des Vorstands 5. Bilanzgewinn 1032

Vorlage an den Aufsiditsrat

§170

Anm. 1

(3) Jedes Aufsiditsratsmitglied hat das Redit, von den Vorlagen Kenntnis zu nehmen. Die Vorlagen sind auch jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen auszuhändigen, soweit der Aufsichtsrat nidits anderes beschlossen hat. I. Übersicht (Anm. 1) II. Vorlage und Fristen (Anm. 2)

III. Vorlage des Gewinnverwendungsvorschlages (Anm. 3) I V . Rechte des einzelnen Mitgliedes des Aufsichtsrats (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Das Gesetz hat im 2. Abschnitt des 5. Teils die Vorschriften über Prüfung des Jahresabschlusses zusammengefaßt, und zwar im Unterabschnitt 1 die Prüfung durch Abschlußprüfer im Unterabschnitt 2 die Prüfung durch den Aufsiditsrat. Dort sind die bisher verstreuten Bestimmungen (§ 96 I; § 125 I S. 1 und I I ; § 126 II S. 1; § 139 II AktG 37) in den §§ 170 und 171 zusammengefaßt worden. § 170 befaßt sich mit den dem Aufsiditsrat zu machenden Vorlagen, § 171 mit der Prüfung durch den Aufsiditsrat, seinem Bericht und dessen Weitergabe. Die Vorschrift des § 170 entspricht im wesentlichen dem bisherigen Recht (§ 125 I S. 1; § 139 II AktG 37) mit folgenden Abweichungen: Die Abschlußprüfer haben den Prüfungsbericht nicht wie bisher unmittelbar dem Aufsiditsrat vorzulegen, sondern nur dem Vorstand. Dieser ist für die Vorlage an den Aufsichstrat verantwortlich. Eine Frist ist nicht vorgesehen, vielmehr hat die Vorlage unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts der Abschlußprüfer, den diese nach § 166 I I I dem Vorstand vorzulegen haben, zu erfolgen, und zwar zusammen mit dem Jahresabschluß und dem Geschäftsberidit, die beide vorliegen müssen, da sie Gegenstand der Prüfung waren. Zugleich hat der Vorstand seinen Vorschlag, den er der Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinns machen will, dem Aufsiditsrat vorzulegen. Das entspricht bereits dem bisherigen Recht. Neu ist die vom Gesetz vorgeschriebene Aufgliederung des Vorsdilags. Sie ergibt sich aus den neuen Bestimmungen über die Gewinnverwendung (§ 58) und der in § 174 II vorgeschriebenen Aufgliederung der Verwendung des Bilanzgewinns im Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung. Neu ist die Bestimmung des Abs. 3, wonach jedes Aufsiditsratsmitglied das Recht hat, von den sämtlichen Vorlagen, also dem Jahresabschluß, dem Geschäftsberidit, dem Prüfungsbericht der Abschlußprüfer und dem Vorschlag des Vorstandes über die Verwendung des Bilanzgewinns Kenntnis zu nehmen und die Aushändigung dieser Vorlagen zu verlangen, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. 1033

§170

Anm. 2,3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

II. Vorlage und Fristen Anm. 2: Nach § 125 I AktG 37 hatte der Vorstand in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres den Jahresabschluß aufzustellen und dem Aufsichtsrat vorzulegen. Nach § 127 I AktG 37 war innerhalb der gleichen Frist der Geschäftsbericht aufzustellen und dieser zusammen mit dem Jahresabschluß und mit dem Vorschlag für die Gewinnverteilung dem Aufsichtsrat vorzulegen. Diese Frist für die Vorlage an den Aufsichtsrat ist weggefallen. Nach § 148 hat der Vorstand zwar in derselben Frist von 3 Monaten — die abweichend vom geltenden Recht nicht verlängert werden kann — den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht aufzustellen, aber nicht dem Aufsichtsrat vorzulegen, sondern den Abschlußprüfern. Erst wenn die Abschlußprüfung abgeschlossen ist, erfolgt die Vorlage des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts zusammen mit dem Prüfungsbericht der Abschlußprüfer und dem Gewinnvorschlag des Vorstandes an den Aufsichtsrat, und zwar unverzüglich. Der Vorstand genügt seiner Pflicht, wenn er den Jahresabschluß dem Aufsichtsratsvorsitzenden zuleitet. Der Vorstand kann durch Ordnungsstrafen nach § 407 zur Erfüllung seiner Pflidit angehalten werden. III. Vorlage des Gewinnverwendungsvorschlages Anm. 3: Der Vorstand hat nicht etwa dem Aufsichtsrat einen Gewinnvorschlag zu unterbreiten, denn dieser ist nicht dazu berechtigt, die Gewinnverwendung vorzunehmen. Hierfür ist allein die Hauptversammlung zuständig. Er hat aber dem Aufsichtsrat zusammen mit den in Abs. 1 genannten Unterlagen den Vorschlag vorzulegen, den er der Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinns machen will. Der Vorschlag muß aufgegliedert sein. Für den Fall, daß sich nidit aus der Art des Vorschlags eine abweichende Gliederung ergibt, bestimmt das Gesetz, daß er wie folgt aufzugliedern ist: 1. Verteilung an die Aktionäre Hier ist der Betrag einzusetzen, der bei Annahme des Vorschlags tatsächlich an die Aktionäre zu zahlen ist, nicht der sich aus Grundkapital und vorgeschlagener Dividende sich rechnerisch ergebende Betrag. Es ist also zu berücksichtigen, daß eigene und diesen gleichgestellte Aktien keinen Anspruch auf Gewinnbeteiligung haben (§ 71 VI). Ob auch die Beträge außer Ansatz zu bleiben haben, die auf Aktien entfallen, aus denen wegen unterlassener Mitteilung nach § 20 VII keine Rechte geltend gemacht werden können, hängt davon ab, ob man annimmt, daß bei nachträglicher Mitteilung der Dividenden Anspruch auch für die zurückliegende Zeit fällig wird. Da wir diese Ansicht vertreten (vgl. § 20 Anm. 10), sind wir der Meinung, daß der 1034

Vorlage an den Aufsiditsrat

§170

Anm. 3

auf solche Aktien entfallende Dividendenbetrag mitzurechnen ist, wenn er auch zunächst nicht zur Auszahlung gelangt. Er bleibt bis zur Verjährung des Anspruchs eine Schuld der Gesellschaft (ebenso Adler-Düring-Sdimaltz Tz 12). 2. Einstellung in offene Rüdilagen Es handelt sich hier nicht um die Beträge, die im Jahresabschluß in freie Rücklagen eingestellt wurden — sei es bei Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen des § 58 II oder durch die Hauptversammlung nach § 58 I —, sondern ausschließlich um die Beträge die nach § 58 III durch die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß in offene Rücklagen eingestellt werden. 3.

Gewinnvortrag Das ist der Rest des Bilanzgewinnes der nach Berücksichtigung der Ziffern 1, 2 und 4 noch verbleibt. Er kann sehr hoch sein, wenn z.B. auf eine an sich mögliche Zuweisung in freie Rücklagen verzichtet wird, was zulässig ist, und er kann sehr klein sein, wenn es sich nur um einen nicht verteilungsfähigen Spitzenbetrag handelt. 4. Zusätzlicher Aufwand bei Beschlußfassung nach dem Vorschlag des Vorstandes Die Vorschrift soll verhindern, daß der sich aus dem Jahresabschluß ergebende Bilanzgewinn um Aufwendungen gekürzt wird, die sidi erst aus dem Gewinnverwendungsbeschluß ergeben. Nur die sich aus dem Gewinnverwendungsbeschluß ergebenden zusätzlichen Aufwendungen sind hier aufzuführen, nicht z. B. die Aufwendungen für Gewinnbeteiligung, die sich unmittelbar aus dem Jahresabschluß ergeben (vgl. Mutze in Die AktGes. 1966, 213; Brönner in Großkomm. Anm. 4). Dagegen fallen die Beträge, die sich aus dem Vorschlag für die gewinnabhängige Aufsichtsratsvergütung ergeben, und die entsprechende Steuerverpflichtung unter Ziff. 4 (vgl. Laufermann in WP1969,313 ff.; Brönner in Großkomm. Anm. 4). Praktisch handelt es sidi um erhöhte Aufwendungen für die Körpersdiaftssteuer, die wegen des gespaltenen Satzes dann entstehen, wenn der Bilanzgewinn nicht voll ausgeschüttet wird (vgl. Regierungsvorlage; im einzelnen siehe Karstens in BB 1969, 537 ff.). Dieser Betrag könnte, sobald man sich über den Vorschlag über die Gewinnverwendung klar ist, bei der Rückstellung für die Steuer bereits im Jahresabschluß berücksichtigt werden und würde dann den ausgewiesenen Bilanzgewinn verringern. Das soll durch die vorliegende Bestimmung verhindert werden. Der Jahresabschluß soll grundsätzlich unter den Voraussetzungen aufgestellt werden, daß der gesamte Bilanzgewinn ausgeschüttet wird. Geschieht das nicht, so sollen den besdilußfassenden Aktionären die sidi aus einer anderweitigen Verwendung des Bilanzgewinnes für sie ergebenden Folgen dadurch deutlich vor Augen geführt werden, daß die 1035

§ § 170/171

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 3,4 zusätzlichen Aufwendungen im Gewinnverwendungsbeschluß selbst unter Ziff. 4 aufgeführt werden müssen (ebenso B.-H. § 174 Rn. 7; Jährig in DB 1966, 1103; Mutze in Die AktGes 1966, 215; Adler-Düring-Schmaltz Tz 18). Das gilt uneingeschränkt, wenn eine Einstellung in freie Rücklagen vorgeschlagen wird, aber grundsätzlich gilt es auch, wenn nur ein Gewinnvortrag darin enthalten ist. N u r wenn es sich bei dem Gewinnvortrag um einen relativ kleinen nicht verteilungsfähigen Spitzenbetrag handelt, dürfte es mit dem Gesetzeszweck vereinbar sein, den erhöhten Steuerbetrag bereits bei der Steuerrückstellung im Jahresabschluß zu berücksichtigen, weil hier der Beschluß, den verbleibenden Gewinn als Gewinn vorzutragen, mehr oder weniger zwangsläufig ist (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 18). 5. Der Bilanzgewinn Er ergibt sich aus dem Jahresabschluß in der Jahresbilanz nach § 151 I Passivposten VIII und in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 157 I Ziff. 32 (vgl. dazu § 174 Anm. 2). Er ist hier die Summe der übrigen Posten des Gewinnverwendungsbeschlusses (a. A. irrtümlich die Voraufl.). IV. Rechte des einzelnen Mitgliedes des Aufsichtsrats Anm. 4: Die in § 1701 und II aufgeführten Vorlagen sind von so großer Bedeutung für die Überwachungspflichten, die dem Aufsichtsrat gegenüber der Geschäftsführung obliegen, daß nicht nur der Aufsichtsrat als Gremium, sondern jedes einzelne Mitglied von ihnen Kenntnis nehmen muß, um seiner Überwachungspflicht zu genügen. Deshalb schreibt Abs. 3 ausdrücklich vor, daß jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied — gleichgültig, wie es dazu bestellt wurde — das Recht hat, von den Vorlagen Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus sollte jedes Aufsichtsratsmitglied die Möglichkeit haben, die teilweise umfangreichen Vorlagen, insbesondere den Bericht des Abschlußprüfers, in Ruhe zu überprüfen. Deshalb wird grundsätzlich angeordnet, daß jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen die Unterlagen auszuhändigen sind. Der Grundsatz, daß der Aufsichtsrat mit Mehrheit seine Ordnung bestimmen kann, wird insofern gewahrt, als das Recht des Aufsichtsratsmitgliedes auf Aushändigung der Vorlagen dann nicht besteht, wenn der Aufsichtsrat mit Mehrheit etwas anderes beschlossen hat. Er kann dies generell tun oder in jedem Einzelfall. Die Vorschrift entspricht der des § 163 V, vgl. im einzelnen dort Anm. 7.

5 171 Prüfung durch den Aufsichtsrat (1) Der Aufsiditsrat hat den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen. Auf Ver1036

Prüfung durch den Aufsichtsrat

§171 Anm. 1

langen des Aufsichtsrats haben die Abschlußprüfer an seinen Verhandlungen über diese Vorlagen teilzunehmen. (2) Der Aufsichtsrat hat über das Ergebnis der Prüfung schriftlich an die Hauptversammlung zu berichten. In dem Beridit hat der Aufsichtsrat auch mitzuteilen, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung der Gesellschaft während des Geschäftsjahrs geprüft hat. Er hat ferner zu dem Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer Stellung zu nehmen. Am Schluß des Berichts hat der Aufsichtsrat zu erklären, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind und ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß billigt. (3) Der Aufsichtsrat hat seinen Beridit innerhalb eines Monats, nachdem ihm die Vorlagen zugegangen sind, dem Vorstand zuzuleiten. Wird der Bericht dem Vorstand nicht innerhalb der Frist zugeleitet, hat der Vorstand dem Aufsichtsrat unverzüglich eine weitere Frist von nicht mehr als einem Monat zu setzen. Wird der Beridit dem Vorstand nicht vor Ablauf der weiteren Frist zugeleitet, gilt der Jahresabschluß als vom Aufsiditsrat nicht gebilligt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Prüfungspflicht des Aufsichtsrats (Anm. 2)

III. Bericht des Aufsiditsrats I. Inhalt (Anm. 3) 2. Vorlage (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift des Abs. 1 S. 1 entspricht der des § 96 I AktG 37. Die Prüfung ist eine selbständige neben der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer. Da der Aufsichtsrat aber den Prüfungsbericht bei seiner Prüfung vorliegen hat und sich seiner selbstverständlich weitestgehend bedienen wird, ist die neue Bestimmung eingefügt worden, daß auf Verlangen des Aufsiditsrats die Abschlußprüfer an seinen Verhandlungen über diese Vorlage teilzunehmen haben. Uber das Ergebnis seiner Prüfung hat der Aufsichtsrat der Hauptversammlung schriftlich zu berichten. In diesem Bericht hat er weiterhin — wie bisher nach § 96 II AktG 37 — über Art und Umfang seiner Überwachung der Geschäftsführung der Gesellschaft zu berichten. Nicht mehr notwendig ist die Angabe im Bericht des Aufsichtsrats, welche Stelle den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht geprüft hat, da sich dies ohne weiteres aus dem zum Jahresabschluß gehörenden Bestätigungsvermerk ergibt. Andererseits ist die bisherige Vorschrift des § 96 II AktG 37 insofern verschärft worden, als der Aufsichtsrat nunmehr verpflichtet ist, in dem Bericht zu dem Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer ganz allgemein 1037

§ 171

Anm. 1,2

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Stellung zu nehmen, -während er sich bisher nach § 96 II AktG 37 nur darüber zu äußern hatte, ob die Prüfungen — die eigenen des Aufsichtsrats und die der Abschlußprüfer — nach ihrem abschließenden Ergebnis zu •wesentlichen Beanstandungen Anlaß gegeben haben. Abs. 2 und 3 S. 1 entsprechen dem bisherigen § 125 II AktG 37, wonach der Aufsichtsrat dem Vorstand gegenüber seine Billigung zu erklären hat, allerdings mit der Maßgabe, daß sie nunmehr im Bericht aufzunehmen ist (Anm. 3 a. E.). Abs. 3 normiert eine Frist, innerhalb welcher der Aufsichtsrat seinen Bericht dem Vorstand zuzuleiten hat, was sich bisher nur mittelbar aus § 125 II AktG 37 ergab (Anm. 4). II. Prüfungspflidit des Aufsiditsrats Anm. 2: Trotz der Prüfung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes durch die Abschlußprüfer hat auch der Aufsichtsrat, und zwar jedes Mitglied (RG 161, 133; Mutze in Die AktGes. 1966, 173), den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht zu prüfen. Die Arbeit der Abschlußprüfer ist die eines anderen Organs, nicht die seine, kann also seine Prüfungspflicht nicht erfüllen. Nichtsdestoweniger erfüllt diese das Aufsichtsratsmitglied selbst (§ 276 BGB), indem es den Bericht eines ihm mit Grund zuverlässig erscheinenden Abschlußprüfers sorgfältig durcharbeitet. Gibt die Abschlußprüfung oder der Inhalt des Berichts Bedenken gegen den Bericht selbst Anlaß, so ist diesen nachzugehen (RG 93, 340; ebenso B.-H. Rn. 4; jetzt auch Brönner in Großkomm. Anm. 2). Es ist zu prüfen: a) der Jahresabschluß (Einrichtung der Bücher, ihre Übereinstimmung mit den Belegen, des Jahresabschlusses mit ihnen und den Bestandsverzeichnissen). Der Aufsichtsrat kann mit der Vorbereitung — nicht aber mit der Beschlußfassung — Ausschüsse oder auch einzelne Mitglieder beauftragen, nach Ermessen sich auf Stichproben beschränken und sachkundige Hilfspersonen zuziehen. Nicht auch geprüft zu werden braucht eine etwaige Zwischenbilanz, wie durch den Wortlaut (Jahresabschluß) klargestellt werden soll (Schl.-Qu. §96 Anm. 31), doch ergibt sich die Pflicht, Zwischenbilanzen zu prüfen (RG 161, 133) — wenn sie nach § 90 dem Aufsichtsrat vorgelegt werden — aus §1111. Da Zwischenbilanzen nicht durch Abschlußprüfer vorgeprüft werden, ist diese Prüfung für den Aufsichtsrat sogar beschwerlicher als •die der Jahresabschlüsse. b) der Geschäftsbericht (vgl. § 160), der ebenfalls vom Vorstand zu erstatten ist. Eine Änderung durch den Aufsichtsrat ist nicht zulässig. Auch hier ist zu prüfen, ob der Vorschlag den gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen entspricht. Eine Änderung des Inhalts kann, selbst wenn eine Besprechung mit dem Vorstand dies zweckmäßig erscheinen läßt und dieser dazu bereit ist, nicht ohne weiteres erfolgen, weil der Geschäftsbericht bereits 1038

Prüfung durch den Aufsiditsrat

§171 Anm. 2,3

von den Abschlußprüfern geprüft ist. Es müßte dann eine Nachprüfung stattfinden und ein neuer Bestätigungsvermerk erteilt werden. c) der Vorschlag der Gewinnverwendung. Dieser wird nadi § 170 II vom Vorstand gemacht. Der Aufsichtsrat hat unter eigener Verantwortung zu prüfen, ob der Vorschlag den gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen entspricht, darüber hinaus auch, ob er ihn für zweckmäßig hält. Er kann von sich aus ihn nicht abändern. Es ist ihm aber unbenommen, in der Hauptversammlung seine abweichende Ansicht zu äußern und durch einzelne seiner Mitglieder, die Aktionäre sind, oder durch andere Aktionäre entsprechende Anträge zu veranlassen. Die neue Bestimmung, wonach auf Verlangen des Aufsichtsrats die Abschlußprüfer an seinen Verhandlungen über die Vorlagen teilzunehmen haben, hat, abgesehen davon, daß sie dabei Fragen beantworten und zusätzliche Aufklärung geben können, auch insofern Bedeutung, als möglicherweise der Aufsiditsrat und der Vorstand, der üblicherweise an den Sitzungen des Aufsichtsrats teilnimmt, zu dem Ergebnis kommen können, daß an den Vorlagen, sei es der Jahresabschluß selbst, der Geschäftsbericht oder der Vorschlag für die Gewinnverwendung, noch etwas zu ändern ist. Das braucht nicht deshalb notwendig zu sein, weil Gesetz oder Satzung nicht beachtet sind — das hätte bereits die vorausgegangene Prüfung beim Jahresabschluß und dem Geschäftsbericht ergeben müssen —, sondern weil der Aufsichtsrat es für zweckmäßig hält, z. B. den Text des Geschäftsberichts abzuändern. Ist der Vorstand damit einverstanden, so kann dies geschehen, allerdings nur unter Mitwirkung des Abschlußprüfers, denn der Geschäftsbericht ist mit dem Jahresabschluß zusammen geprüft. Der Bestätigungsvermerk, der bereits erteilt ist, ist vom Abschlußprüfer erteilt. Er muß erneuert werden, wenn am Geschäftsbericht etwas geändert wird. Ist der Abschlußprüfer bei der Sitzung zugegen, so kann er bereits dazu Stellung nehmen, ob er die Änderung bestätigen wird oder nicht. Dasselbe gilt für eine etwaige Änderung des Jahresabschlusses selbst. Dagegen hat der Abschlußprüfer mit dem Gewinnverwendungsvorschlag nichts zu tun. III. Bericht des Aufsichtsrats 1. Inhalt Anm. 3: Neben dem Ergebnis der Prüfung der Vorlagen nach Abs. 1 muß der Bericht außerdem ersehen lassen, in welcher Art die Geschäftsführung überwacht wurde und ferner, welches Ergebnis diese Überwachung hatte. Es muß angegeben werden, auf welche Teile der Geschäftsführung sich die Prüfung bezogen hat, ferner wie der Aufsichtsrat die Überwachung ausgeführt hat, z.B. durch Entgegennahme und Anforderung von Berichten des Vorstandes über die Geschäftsführung, Vornahme von Kassenrevisionen, Zuzie1039

§171

Anm. 3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

hung von Sachverständigen, Bildung von Ausschüssen usw. Die Angaben können allgemein gehalten werden, da sie sonst zu umfangreich würden und auch eine Gefährdung der Interessen der Gesellschaft zu befürchten wäre. Es wird in der Regel genügen, wenn in den Beriditen angegeben wird, daß der Aufsichtsrat in soundso viel Sitzungen, die sich etwa gleichmäßig über das Geschäftsjahr verteilen, die Geschäftsführung durch Erörterung mit den Mitgliedern des Vorstandes geprüft hat, und daß er eine Reihe von Kassenrevisionen, Prüfungen des Warenbestandes usw. vorgenommen habe. Ausdrücklich schreibt das Gesetz ferner vor, daß er zu dem Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch die Abschlußprüfer Stellung nehmen muß. Er hat zu erklären, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind, und ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß billigt. Das Gesetz schreibt nicht vor, daß in diesem Bericht des Aufsichtsrats das Ergebnis der Prüfung der Abschlußprüfer aufzunehmen sei. Dieses ergibt sich aus dem Bestätigungsvermerk der Abschlußprüfer selbst, der ein Teil des Jahresabschlusses ist und damit jedem Aktionär nach § 175 II zugänglich ist. Anders ist es bei der Prüfung des Berichts des Vorstandes über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§312) durch den Aufsichtsrat (§ 314). Hier hat der Aufsichtsrat einen vom Abschlußprüfer erteilten Bestätigungsvermerk in seinem Bericht aufzunehmen oder seine Versagung ausdrücklich mitzuteilen, weil dies die einzige Möglichkeit ist, wie der Aktionär von dem Ergebnis der Prüfung dieses Vorstandsberichts durch die Abschlußprüfer Kenntnis erlangen kann. D a nur das Ergebnis der Prüfung im Bericht mitzuteilen ist, sind Beanstandungen, die rechtzeitig erhoben wurden, nicht zu berichten. Haben sich Beanstandungen ergeben, so ist über sie unter eigener Stellungnahme des Aufsichtsrats zu berichten. Insbesondere wenn die Hauptversammlung wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat die Feststellung des Jahresabschlusses vornehmen muß, wird der Aufsichtsrat diese Meinungsverschiedenheiten in dem Bericht darlegen. Die unvermeidliche Wirkung, welche die Feststellung haben muß, daß die Prüfung der Geschäftsführung zu wesentlichen Beanstandungen Anlaß gegeben habe, darf trotzdem den Aufsichtsrat nicht abhalten, die Wahrheit mitzuteilen. Neu ist die Bestimmung, daß der Aufsichtsrat am Schluß des Berichtes die Erklärung abzugeben hat, ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß billigt. Eine solche Erklärung war zwar auch nach dem bisherigen Recht (§ 125 II AktG 37) notwendig, weil mit der Billigung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat dieser festgestellt war, wenn sich nicht Vorstand und Aufsichtsrat für eine Feststellung durch die Hauptversammlung entschieden. Es wurde aber nicht verlangt, daß diese Erklärung im Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung enthalten sein müsse. Der Bericht ist gemäß Abs. 2 Satz 1 schriftlich zu erstatten, wobei die 1040

Prüfung durch den Aufsichtsrat

§171

Anm. 3,4

Unterzeichnung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden ausreicht (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 1; Brönner in Großkomm. Anm. 8; Mutze in Die AktGes 1966, 174). Unrichtige oder verschleiernde Darstellungen im Bericht ziehen die Strafbarkeit nach § 400 nach sich und führt zur Schadenersatzpflicht der Mitglieder des Aufsichtsrates nach § 116. Beschlüsse der Hauptversammlung, die auf dem unrichtigen Bericht beruhen, können der Anfechtung unterliegen (vgl. Brönner in Großkomm. Anm. 8). 2.

Vorlage

Anm. 4: Der Aufsichtsrat hat seinen Bericht dem Vorstand zuzuleiten. Dieser hat für die Vorlage an die Hauptversammlung Sorge zu tragen. Die Zuleitung muß innerhalb eines Monats erfolgen, nachdem die Vorlagen dem Aufsichtsrat zugegangen sind. Daraus ergibt sich, daß die Prüfung der Vorlagen durch den Aufsichtsrat innerhalb dieser Zeit abgeschlossen sein muß. Da dem Aufsichtsrat keine Ordnungsstrafen zur Erfüllung seiner Pflicht gesetzt werden können, konnte das Registergericht den Vorstand nicht unter Androhung von Ordnungsstrafen zur Vorlage des Jahresabschlusses an die Hauptversammlung anhalten, weil diesem entgegengehalten werden konnte, daß zwar der Vorstand den Jahresabschluß rechtzeitig aufgestellt, der Aufsichtsrat aber zum Jahresabschluß noch nicht Stellung genommen habe. Infolgedessen sei dieser noch nicht festgestellt und könne daher nicht vorgelegt werden. Nunmehr ist der Vorstand verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß der Bericht rechtzeitig vorgelegt wird. Die Möglichkeit dazu wird ihm dadurch gegeben, daß, wenn der Bericht dem Vorstand nicht innerhalb der Frist des Abs. 3 S. 1 zugeleitet wird, er dem Aufsichtsrat unverzüglich eine weitere Frist von nicht mehr als einem Monat zu setzen hat. Hierzu kann der Vorstand nach § 407 durch Ordnungsstrafe angehalten werden. Wird der Bericht dem Vorstand nicht innerhalb der weiteren Frist zugeleitet, so gilt der Jahresabschluß als vom Aufsichtsrat nicht gebilligt, was wiederum zur Folge hat, daß nunmehr der Vorstand tätig werden muß. Er muß eine Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses einberufen. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß die Feststellung des Jahresabschlusses nicht dadurch hinausgezögert werden kann, daß sich der dem Ordnungsstrafverfahren unterliegende Vorstand auf die Untätigkeit des Aufsichtsrats, der dem Ordnungsstrafverfahren nicht unterliegt, berufen kann. Bedenken, die in der Richtung erhoben wurden, es sei für den Aufsichtsrat nicht zumutbar, daß ihm vom Vorstand eine Frist gesetzt werde, sind nicht berechtigt, da grundsätzlich die Organe der Gesellschaft, wenn auch mit verschiedenen Aufgaben, gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Die Tatsache, daß die Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat ernannt werden, macht diesen ebensowenig zum Untergebenen des Aufsichtsrats, wie dieser nicht deshalb Untergebener der 1041

§§ 171/172

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 4 Hauptversammlung ist, weil er ganz oder zum Teil von dieser gewählt ist. Entgegen dem bisherigen Recht können die in dieser Vorschrift enthaltenen Fristen durch die Satzung nicht abgeändert werden. Die dem Aufsichtsrat nach § 171 obliegenden Aufgaben kann er nach § 107 III nicht einem Ausschuß zur Beschlußfassung überweisen, sondern nur zur Vorbereitung seines Beschlusses. Bleibt der Aufsichtsrat untätig, so kann er nicht etwa durch Klage gezwungen werden. Vielmehr gilt nach Abs. 3 Satz 3 der Jahresabschluß als vom Aufsichtsrat nicht gebilligt. Entsteht daraus ein Schaden und war die Untätigkeit unbegründet, so kann sich eine Haftung aus §§ 116, 93 ergeben (vgl. B.-H. Rn. 14; Mutze in Die AktGes 1966,174). Enthält der Bericht des Aufsichtsrats die Erklärung nach Abs. 2, daß er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß billigt, so ist damit der Jahresabschluß noch nicht festgestellt, denn Vorstand und Aufsichtsrat können nach § 172 beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen. Nur wenn sie dies nicht tun, ist der Jahresabschluß festgestellt. Sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand sind hieran gebunden, sobald die Hauptversammlung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses einberufen ist (§ 175 IV). Fassen sie den Beschluß, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen (§ 173 I), so sind sie auch an diesen Beschluß von dem gleichen Zeitpunkt an gebunden (§ 175 IV). Bis dahin können sie die Beschlüsse wieder aufheben.

D r i t t e r Abschnitt Feststellung des Jahresabschlusses Gewinnverwendung Erster Unterabsdinitt Feststellung des Jahresabschlusses § 172 Feststellung durch Vorstand und Aufsiditsrat Billigt der Aufsiditsrat den Jahresabschluß, so ist dieser festgestellt, sofern nidit Vorstand und Aufsiditsrat beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen. Die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrats sind in den Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung aufzunehmen. 1042

Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat I. Übersicht (Anm. 1) II. Feststellung durdi die Verwaltung (Anm. 2)

§172 Anm. 1,2

III. Überlassen der Feststellung der Hauptversammlung (Anm. 3) IV. Beseitigung der Feststellung (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Satz 1 entspricht dem § 125 III AktG37 mit der Maßgabe, daß klargestellt ist, daß, wenn Vorstand und Aufsichtsrat die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung überlassen wollen, dies durch Beschlüsse beider Gremien zu erfolgen hat. Neu ist Satz 2, der bestimmt, daß diese Beschlüsse in dem Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung aufzunehmen sind, und zwar auch der Beschluß des Vorstandes, denn dessen Geschäftsbericht liegt bereits fest und ist von den Abschlußprüfern geprüft.

II. Feststellung durch die Verwaltung Anm. 2: Die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt wie im geltenden Recht in aller Regel dadurch, daß der Aufsichtsrat den ihm vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß billigt. Jedoch hat sich der materielle Inhalt dieser Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung insoweit geändert, als die Hauptversammlung nicht wie bisher über die Verteilung des sich aus dem Jahresabschluß ergebenden „Reingewinns" zu beschließen hat, sondern daß sie nunmehr im Rahmen des § 58 II über den Jahresüberschuß in ihrem Gewinnverwendungsbeschluß nach § 174 verfügen kann. Zwar konnte die Hauptversammlung auch nach bisherigem Recht von dem von der Verwaltung festgestellten Jahresabschluß sich ergebenden Reingewinn von sich aus weitere Rüdciagen bilden. Es wurde aber im allgemeinen von vornherein nur so viel Reingewinn ausgewiesen, als zur Ausschüttung einer von der Verwaltung vorgeschlagenen Dividende erforderlich war. Da die Verwaltung nach § 58 im allgemeinen nur bis zu 50 °/o des Jahresüberschusses in Rücklagen einstellen darf, ist die Verfügungsmacht der Hauptversammlung auch dann, wenn der Jahresabschluß von der Verwaltung festgestellt wird, eine erheblich größere als bisher (vgl. im einzelnen dazu die Anm. zu §§ 58 und 174). Es ist nicht erforderlich, daß der Aufsichtsrat den vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß unverändert billigt, vielmehr ist eine Änderung des Jahresabschlusses mit Zustimmung des Vorstandes durchaus möglich. Dabei ist die Bestimmung des § 162 III zu beachten, wonach jede Änderung, die nach Vorlage des Prüfungsberichts der Abschlußprüfer vorgenommen wird, den Bestätigungsvermerk unwirksam macht. Die Abschlußprüfer müssen den Jahresabschluß und gegebenenfalls den Geschäftsbericht zwar nur in1043

§172

Anm. 2,3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

soweit erneut prüfen, als es die Änderung fordert. Der Bestätigungsvermerk muß aber in jedem Fall neu erteilt werden, und es muß sich aus dem Datum ergeben, wann er erteilt ist. III. Überlassen der Feststellung der Hauptversammlung Anm. 3: Kommt eine Einigung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat über den Jahresabschluß nicht zustande, so kommt es nicht zu einer Billigung durch den Aufsichtsrat. Dieser hat es, im Gegensatz zum Vorstand, in der Hand, ob er der Hauptversammlung die Feststellung überlassen will, und zwar dadurch, daß er die Billigung nicht beschließt. Dann muß nach § 173 I der Jahresabschluß von der Hauptversammlung festgestellt werden. Hat er aber durch Beschluß die Billigung ausgesprochen, so kann er allein nicht mehr veranlassen, daß die Feststellung durch die Hauptversammlung erfolgt. Es müssen dann übereinstimmende Beschlüsse des Vorstands und Aufsichtsrats vorliegen, daß trotz Billigung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung überlassen werden soll. Beide Organe der Gesellschaft haben die Beschlüsse als solche zu fassen. Der Aufsichtsrat kann die Beschlußfassung einem Ausschuß überlassen, aber nur die Beschlußfassung über die Frage, ob ein von ihm gebilligter Jahresabschluß von der Hauptversammlung festgestellt werden soll, nicht den Beschluß, mit dem er den Jahresabschluß billigt. Dies letztere verbietet ausdrücklidi § 107 III. Liegen keine übereinstimmende Beschlüsse beider Organe vor, so bleibt es dabei, daß durch die Billigung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat dieser festgestellt ist. Bis zur Einberufung der Hauptversammlung, die den Jahresabschluß feststellen soll, können Vorstand und Aufsiditsrat ihre Beschlüsse wieder aufheben und es dabei belassen, daß es bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch Billigung des Aufsichtsrats verbleibt. Es genügt, wenn eines der beiden Gremien den gefaßten Beschluß aufhebt. Nach diesem Zeitpunkt ist die Aufhebung nicht mehr möglich (§ 175 IV). Nach der neu eingefügten Bestimmung des Abs. 2 sollen diese Beschlüsse, die der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung zur Folge haben, den Aktionären möglichst frühzeitig bekanntgegeben werden. Deshalb sind beide Beschlüsse, sowohl die des Vorstandes als auch die des Aufsichtsrats, in den Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung aufzunehmen. Dies deshalb, weil der Geschäftsbericht des Vorstandes bereits zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen vorliegt und der Prüfung durch die Jahresabschlußprüfer unterzogen war. Eine Abänderung oder Ergänzung dieses Vorstandsberichts hätte eine Nachprüfung zur Folge und damit eine Erneuerung des Bestätigungsvermerks. Um das zu vermeiden, sind auch die Beschlüsse des Vorstandes in den Bericht des Aufsichtsrats aufzunehmen, der 1044

Feststellung durch Vorstand und Aufsiditsrat

§ 172

Anm.3,4

erst nach der Abschlußprüfung fertigzustellen ist (§ 171 I I S . 1). Da nadi § 175 II dieser Bericht des Aufsichtsrats von der Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen ist und auf Verlangen jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen ist, wird sichergestellt, daß auf diese Weise frühzeitig die Aktionäre Kenntnis von den Beschlüssen erlangen. Sie bekommen auch dadurch bereits Kenntnis, daß auf der Tagesordnung, die ja mit der Einberufung der Hauptversammlung bekanntzumachen ist, die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung stehen muß. Es wäre dann aber noch nicht ersichtlich, ob dies deshalb geschieht, weil der Aufsiditsrat den Jahresabschluß nicht gebilligt hat oder weil übereinstimmende Beschlüsse des Vorstands und Aufsichtsrats vorliegen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen. Es wird sich allerdings empfehlen, dies bereits bei der Bekanntmachung der Tagesordnung mitzuteilen. Wenn es auch nicht unmittelbar als „Vorschlag des Vorstandes" angesehen werden kann — dieser geht ja vermutlich darauf, den Jahresabschluß unverändert anzunehmen —, so wird es jedenfalls eine Erleichterung für die Verwaltung sein, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung deshalb erfolgt, weil beide Organe dies gemeinsam beschlossen haben, obwohl der Jahresabschluß vom Aufsichtsrat gebilligt war, denn dann sieht der einzelne Aktionär bereits aus der Bekanntmachung der Tagesordnung und der Vorschläge des Vorstandes dazu, daß keine Bedenken von dem Aufsiditsrat gegen den Jahresabschluß geltend gemacht werden. IV. Beseitigung der Feststellung Anm. 4: Es liegt im Begriff der Feststellung, daß sie, von Irrtümern und Täuschungen abgesehen, endgültig ist und mithin die Feststellung des Jahresabschlusses nicht der Anfechtung unterworfen ist, zumal es sich auch nicht um einen Hauptversammlungsbesdiluß handelt. Wohl aber kann ein festgestellter Jahresabschluß nichtig sein, vgl. hierüber § 256. Ferner unterliegt jeder Jahresabschluß, gleichgültig, ob er von der Verwaltung oder von der Hauptversammlung festgestellt wurde, der Sonderprüfung nach § 258, wenn Anlaß zu der Annahme besteht, daß eine nicht unwesentliche Unterbewertung einiger Posten des Jahresabschlusses vorliegt, oder der Geschäftsbericht die Angaben, die nach § 160 II und III über die Bewertungsgrundsätze zu machen sind, nicht oder nicht vollständig enthält, und der Vorstand die fehlenden Angaben in der Hauptversammlung nicht gemacht hat, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist. Der Antrag ist beim Registergericht einzureichen. Er kann auch von einer Minderheit von Aktionären, 1045

§§ 172/173 Anm. 4

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

deren Anteile zusammen V20 des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 1 Million D M erreichen, gestellt werden (vgl. im einzelnen § 258 und die Anm. dort) ; für das Verfahren vgl. §§ 259 und 260. Ergibt sich, daß eine höhere Bewertung gerechtfertigt war, so ist der sich ergebende Differenzbetrag im nächsten Jahresabschluß einzusetzen. Im einzelnen vgl. hierzu § 261 und die Anm. dort. Durch dieses Verfahren wird mithin der festgestellte Jahresabschluß selbst nicht berührt. Gegen den von der Verwaltung festgestellten Jahresabschluß kann also — abgesehen von der Geltendmachung der Nichtigkeit — weder von einzelnen Aktionären, noch von einer Minderheit, noch durch einen Mehrheitsbeschluß der Hauptversammlung etwas unternommen werden (streitig; wie hier Schl.-Qu. §125 Anm. 5; f ü r eine Abänderungsmöglichkeit B.-H. Rn. 3; Adler-Düring-Schmaltz § 125 AktG 37 Tz 42; Hoffmann in BB 56, 569 ff.). Eine willkürliche Abänderung ist in jedem Falle nicht möglich (so auch B G H 23, 150). Naturgemäß kann die Hauptversammlung für die Zukunft Vorsorge treffen, indem sie den Aufsichtsrat, der ihrer Ansicht nach den Jahresabschluß nicht hätte billigen dürfen, abberufen und dafür Sorge trägt, daß ein anderer Aufsichtsrat den nächsten Jahresabschluß der Feststellung durch die Hauptversammlung überläßt. Dies kann nicht bei der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder zur Bedingung gemacht werden, sondern es unterliegt der alleinigen Entscheidung der Aufsichtsratsmitglieder, was sie in dieser Beziehung tun werden, wenn ihnen der Vorstand den nächsten Jahresabschluß vorgelegt hat. Endlich könnte die Hauptversammlung dem Vorstand das Vertrauen entziehen. Das ergäbe nach § 84 I I I für den Aufsichtsrat die Möglichkeit, den Vorstand wegen wichtigen Grundes abzuberufen. Praktisch wird das selten vorkommen, denn wenn der Aufsichtsrat den vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß gebilligt hat, kann er es kaum als hinreichenden Grund zur Abberufung der Vorstandsmitglieder ansehen, wenn die Hauptversammlung in diesem Punkt anderer Ansicht ist. Immerhin wäre es denkbar, wenn neue Gesichtspunkte zutage getreten sind. § 173 Feststellung durch die Hauptversammlung (1) Haben Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, oder hat der Aufsichtsrat den Jahresabschluß nicht gebilligt, so stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluß fest. (2) Auf den Jahresabschluß sind §§ 149 bis 159, 161 anzuwenden. Die Hauptversammlung darf bei der Feststellung des Jahresabschlusses nur die Beträge in offene Rücklagen einstellen, die nach Gesetz oder Satzung in offene Rücklagen einzustellen sind. 1046

Feststellung durdi die Hauptversammlung

§ 173 Anm. 1

(3) Ändert die H a u p t v e r s a m m l u n g den v o m Vorstand aufgestellten Jahresabschluß, so haben die Abschlußprüfer ihn erneut zu prüfen, soweit es die Änderung fordert. Ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist unwirksam. V o r der erneuten P r ü f u n g gefaßte Beschlüsse der H a u p t v e r sammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung werden erst wirksam, wenn auf G r u n d der erneuten P r ü f u n g ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt worden ist. Sie werden nichtig, wenn nicht binnen zwei Wochen seit der Beschlußfassung ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird. I. Übersicht (Anm. 1) II. Feststellung durdi die Hauptver-

Sammlung (Anm. 2)

III. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 3)

IV. Naditragsprüfung (Anm. 4)

V. Bedingte Hauptversammlungsbesdilüsse (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift des Abs. 1 entspricht im wesentlichen der des § 125 I V A k t G 37. Im Abs. 2 werden zunächst die Bestimmungen des 5. Teils, 1. Absdinitt über die Aufstellung des Jahresabschlusses auch dann für anwendbar erklärt, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt (§§ 149 bis 159, 161). N u r die §§ 148 und 160 sind nicht aufgeführt, da der Vorstand auch dann den Jahresabschluß nach § 148 aufstellt und nad- § 160 den Geschäftsbericht erstattet, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt. Weicht die Hauptversammlung bei der Feststellung des Jahresabschlusses von den bisherigen Bewertungs- und Abschreibungsmethoden ab, so muß der Vorstand dafür Sorge tragen, daß eine Ergänzung des Geschäftsberichts erfolgt. Die Hauptversammlung kann nach § 58 I, wenn sie den Jahresabschluß selbst feststellt, nur dann Beträge in freie Rücklagen einstellen, wenn die Satzung ihr dies gestattet und auch dann nur höchstens die H ä l f t e des Jahresüberschusses. Hierauf weist das Gesetz ausdrücklich hin. In Abs. 3 wird bestimmt, daß, wenn die Hauptversammlung den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß ändert, er erneut von den Abschlußprüfern zu prüfen ist, soweit es die Änderung erfordert. D a s gilt nicht nur für den Jahresabschluß selbst, sondern auch für den Geschäftsbericht. Ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist, sofern die Änderung eine neue Prüfung erfordert, unwirksam (a. A. Reg. Begr.; s. i. e. Anm. 4). Können die Änderungen nicht vom Abschlußprüfer bereits während der Hauptversammlung so weit geprüft werden, daß der neue Bestätigungsvermerk erteilt wird, so kann dennoch die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellen, allerdings dadurch bedingt, daß binnen zwei Wochen 1047

§173

Anm. 1—3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk auch für die Änderung erteilt wird (Abs. 3). Geschieht dies nicht, so werden die Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses und der damit zwingend verbundene Gewinnverwendungsbeschluß nichtig. Es muß eine neue Hauptversammlung stattfinden (vgl. dazu Anm. 5). II. Feststellung durch die Hauptversammlung Anm. 2: Wenn der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten und ihm vorgelegten Jahresabschluß nicht gebilligt hat, so hat die Feststellung durch die Hauptversammlung zu erfolgen. Insoweit hat der Aufsichtsrat es allein in der Hand, ob es zur Feststellung durch die Hauptversammlung kommt. Hat er einmal den Jahresabschluß gebilligt, so kann er zwar, wenn der Vorstand dennoch die Feststellung durch die Hauptversammlung wünscht, dies dadurch verhindern, daß er sich einem entsprechenden Vorstandsbeschluß selbst nicht anschließt. Er kann aber nicht mehr von sich aus die Feststellung rückgängig machen, wenn der Vorstand keinen entsprechenden Beschluß faßt, denn der Aufsichtsrat allein kann ebensowenig wie der Vorstand allein beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen (vgl. § 172, Anm. 3). Wie im bisherigen Recht ist die Hauptversammlung in bestimmten Fällen kraft Gesetzes ausschließlich für die Feststellung des Jahresabschlusses zuständig: Nach § 234 in bestimmten Fällen bei der Kapitalherabsetzung hinsichtlich des letzten vor der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung abgelaufenen Geschäftsjahrs; ferner bei der Abwicklung hinsichtlich der Eröffnungsbilanz (§ 270 II). Endlich verbleibt es auch für die Kommanditgesellschaft a. A. bei der bisherigen Bestimmung, wonach stets die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses beschließt (§ 286). III. Anzuwendende Vorschriften Anm. 3: Es ist an sich selbstverständlich, daß, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, sie sämtliche Vorschriften zu beachten hat, die für die Aufstellung des Jahresabschlusses zwingend vorgeschrieben sind. Wenn dennoch eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung eingefügt ist, so deshalb, weil im Gegensatz zum bisherigen Recht die Gliederung des Jahresabschlusses und die Bewertung im Zusammenhang mit der Aufstellung des Jahresabschlusses durch den Vorstand geregelt ist. Es sollte klargestellt werden, daß für die Hauptversammlung alle diese Bestimmungen, insbesondere auch die Bewertungsvorsdiriften, zu beachten sind. Daraus ergibt sich, daß unter Umständen die Hauptversammlung andere Bewertungsmethoden anwenden kann, als es der Vorstand in dem von ihm aufgestellten Jahresabschluß getan 1048

Feststellung durdi die Hauptversammlung

§173

Anm. 3

hat. Dies wiederum setzt eine Ergänzung des Geschäftsberichtes voraus, denn diese Abweichung von den bisherigen Methoden verlangt die Angabe im Geschäftsbericht. Hier wird der Geschäftsbericht nicht ausdrücklich erwähnt. Aus dem inneren Zusammenhang ergibt sich aber diese Ergänzung oder möglicherweise auch Änderung im Inhalt des Geschäftsberichtes, was wiederum zur Folge hat, daß der geprüfte Geschäftsbericht einer neuen Prüfung unterzogen werden muß. Wenn also die Hauptversammlung bei Aufstellung des Jahresabschlusses etwa die Bewertungsmethoden ändert, so muß dies auch im Geschäftsbericht erwähnt werden, und es muß sowohl die Änderung des Jahresabschlusses als auch die im Geschäftsbericht von den Abschlußprüfern geprüft und mit einem neuen Bestätigungsvermerk versehen sein. In der Praxis mag es nicht allzu häufig vorkommen, daß derartige Beschlüsse von der Hauptversammlung gefaßt werden. Es ist praktisch nur bei kleineren, übersichtlichen Gesellschaften denkbar. In besonderen Fällen kann es aber auch bei großen Gesellschaften vorkommen. Weiterhin hat die Hauptversammlung die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung bei der Feststellung des Jahresabschlusses — nicht etwa erst beim Gewinnverwendungsbeschluß — zu beachten. Nach dem Gesetz hat sie nicht ohne weiteres die gleiche Stellung wie Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses. Diese können nach § 58 II, ohne daß es einer Satzungsbestimmung bedarf, bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einstellen. Das kann die Hauptversammlung nicht. Sie darf überhaupt nur dann Teile des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einstellen, wenn die Satzung ihr dies gestattet. Auch dann kann sie es höchstens bis zur Hälfte des Jahresüberschusses, gleichgültig, ob die Satzung etwa diese gesetzliche Höchstgrenze ausdrücklich erwähnt oder ob die Satzung weitergeht. Eine etwa weitergehende Satzung ist insoweit, als gegen das Gesetz verstoßend nichtig. Man wird ihr aber die Gültigkeit insoweit nicht abstreiten können, als sie grundsätzlich der Hauptversammlung das Recht gibt, bei Feststellung des Jahresabschlusses im gesetzlichen Rahmen Beträge in die offene Rücklage zu überweisen. Zu unterscheiden von dem Beschluß der Hauptversammlung, durch den der Jahresabschluß festgestellt wird, ist der über die Gewinnverwendung nach § 174, der stets von der Hauptversammlung zu fassen ist. Hierbei muß sie § 254 beachten, wonach ihr Beschluß, abgesehen von den üblichen Anfechtungsgründen nach § 243 — Gesetzes- oder Satzungsverletzung —, auch dann angefochten werden kann, wenn sie übermäßige Zuweisungen in die Rücklagen beschließt, sofern dadurch unter die Aktionäre kein Gewinn in Höhe von mindestens 4 % verteilt werden kann. Der Beschluß über die Feststellung des Jahresabschlusses kann zwar nach § 257 aus den allgemeinen Gründen des § 243 angefochten werden, also insbesondere wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung. Die Anfechtung kann jedoch nicht darauf ge1049

§173 Anm. 3 , 4

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

stützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt (§ 257 I S. 2). Damit kommt auch hier wie an anderen Stellen des Gesetzes zum Ausdruck, daß die Anfechtung des Jahresabschlusses selbst vermieden werden soll, weil sonst das Anfechtungsrecht eine zu große Auswirkung haben könnte, und diese für die Gesellschaft außerordentlich wichtige Feststellung des Jahresabschlusses dadurch in ungebührlicher Weise verzögert oder verhindert werden könnte. IV. Naditragsprüfung Anm. 4: Wenn der Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses obliegt, sei es, weil der Aufsiditsrat den ihm vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß nicht gebilligt hat, sei es, daß ihr durch übereinstimmenden Beschluß von Vorstand und Aufsichtsrat die Feststellung überlassen ist, so hat die Hauptversammlung zwei Beschlüsse zu fassen, die man voneinander getrennt behandeln muß. Nämlich einmal den Beschluß, durch den sie den Jahresabschluß feststellt und zum anderen den Gewinnverwendungsbesdiluß nach § 174. Im ersteren Fall kann die Hauptversammlung durch ihren Beschluß zu einer Änderung des Jahresabschlusses kommen, wie ihn der Vorstand vorgelegt hat und wie er von den Abschlußprüfern geprüft wurde. Im zweiten Fall, dem Gewinnverwendungsabschluß, erfolgt jedoch niemals eine Änderung des festgestellten Jahresabschlusses. Das wird in § 174 III ausdrücklich bestimmt. Infolgedessen gibt es in diesem Fall auch keine Nachtragsprüfung. Anders ist es bei dem Beschluß, durch den die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, wenn sie eine Änderung in dem vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß vorgenommen hat. Nicht jede Änderung löst die Naditragsprüfung aus, vielmehr ist nur dann erneut zu prüfen „soweit es die Änderung fordert". Hierüber entscheidet verbindlich der Abschlußprüfer, der nach § 176 II an den Verhandlungen über die Feststellungen des Jahresabschlusses teilzunehmen hat. Er kann in der Hauptversammlung eine bindende Erklärung dahin abgeben, daß er eine Änderung nicht für notwendig hält. Er muß es aber nicht. Vielmehr steht ihm das Recht zu, sich die Angelegenheit zu überlegen, wobei er allerdings zu beachten hat, daß er, falls er zu dem Ergebnis kommt, daß eine Prüfung der Änderungen notwendig ist, diese nicht nur binnen zwei Wochen durchgeführt sein muß, sondern es muß innerhalb dieser Frist der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk hinsichtlich der Änderung erteilt werden, denn nach Abs. 3 S. 4 werden die Beschlüsse der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Gewinnverwendung nichtig, wenn nicht innerhalb dieser Frist der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk hinsichtlich der Änderungen vorliegt. Hält der Abschlußprüfer eine Nachtragsprüfung nicht für erforderlidi, so muß er auch dies in irgendeiner 1050

Feststellung durdi die Hauptversammlung

§ 173 Anm. 4,5

Form mitteilen, denn der Vorstand muß schließlich wissen, ob der Beschluß, mit dem die Hauptversammlung den Jahresabschluß festgestellt hat, wirksam ist. Wir sind deshalb der Auffassung, daß bei jeder Änderung, gleichgültig, welchen Umfang sie hat, ein neuer Bestätigungsvermerk erteilt werden muß, und wir glauben uns dabei auf den Gesetzeswortlaut stützen zu können, obwohl die Regierungsbegründung eine andere Auffassung zum Ausdruck bringt. Nach unserer Auffassung besagt der Satz 1 des Abs. 3, daß eine erneute Prüfung nur notwendig ist, soweit es die Änderung fordert. Dieser Gedanke wird im Satz 2 aber nicht fortgeführt, sondern es heißt, ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist unwirksam. Dies wird in der Regierungsbegründung wie folgt interpretiert: „Ist eine Nachtragsprüfung danach erforderlich, so wird ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk unwirksam, da er den geänderten Jahresabschluß nicht mehr deckt." Wir sind der Auffassung, daß bei jeder Änderung des Jahresabschlusses der erteilte Bestätigungsvermerk unwirksam wird (ebenso B.-H. Rn. 6). Das führt auch zu dem allein vernünftigen Ergebnis, daß der Abschlußprüfer in dieser seiner Eigenschaft verbindlich erklären muß, ob der frühere Bestätigungsvermerk auch nach der Änderung noch voll gültig ist. Das erfordert die Rechtssicherheit. In § 167 III ist gerade mit Rücksicht auf etwaige Nachtragsprüfungen bestimmt, daß der Prüfungsvermerk mit Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen ist. Wenn man der in der Regierungsbegründung zum Ausdruck gekommenen Auffassung folgt, so müßte der Abschlußprüfer dennoch eine Erklärung abgeben, die vielleicht nicht dem Wortlaut des Bestätigungsvermerks entspricht, die aber doch die gleiche Bedeutung hat wie ein neuer Bestätigungsvermerk. Warum soll man dann nicht von vornherein verlangen, daß bei jeder Änderung ein neuer Bestätigungsvermerk zu erteilen ist. Man kommt dann auch um die recht schwierige Auslegungsfrage herum, wann eine Änderung eine Nachtragsprüfung nicht erfordert.

V. Bedingte Hauptversammlungsbeschlüsse Anm. 5: Das Gesetz stellt klar, daß, wenn eine erneute Prüfung stattfindet, sowohl der Beschluß der Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses, als auch der über die Gewinnverwendung erst wirksam werden, wenn aufgrund der erneuten Prüfung ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk hinsichtlich der Änderung erteilt worden ist. Die Beschlüsse sind also bis dahin auflösend bedingt. Wird ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk nicht binnen zwei Wochen seit der Beschlußfassung erteilt, so werden die Beschlüsse nichtig. Das bedeutet, daß dann eine neue Hauptversammlung einberufen werden muß, die sich zu entscheiden hat, ob sie an den vom Abschlußprüfer beanstandeten Änderungen festhalten will. Es ist nicht möglich, nunmehr etwa den Jahresabschluß, so wie ihn die Hauptversammlung be1051

§173

Anm. 5

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

schlössen hat, durch eine Billigung des Aufsichtsrates nach § 172 festzustellen, auch dann nicht, wenn der Vorstand sich den abgeänderten Jahresabschluß zu eigen macht. Dem steht § 175 IV entgegen; denn wenn die Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses berufen ist, sei es, weil der Aufsichtsrat nach § 172 den Jahresabschluß nicht gebilligt hat oder weil nach § 173 I Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen haben, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, bleibt sie dies auch dann, wenn die Hauptversammlung nicht zu einem rechtsgültigen Ergebnis kommt, weil sidi später herausstellt, daß ihre Beschlüsse nichtig waren. Nach wie vor bleibt allein die Hauptversammlung in der Lage, den Jahresabschluß festzustellen. Das Gesetz sagt nichts darüber, was geschieht, wenn keine Naditragsprüfung erfolgt, weil die Änderung es nicht erforderte. In der Begründung zum Regierungs-Entwurf heißt es an dieser Stelle, „vielfach könne der in der Hauptversammlung anwesende Abschlußprüfer sich zu den Änderungen äußern" und „ohne weitere Prüfung auch für den geänderten Jahresabschluß den Bestätigungsvermerk erteilen". Dies kommt der von uns vertretenen Ansicht sehr nahe, denn es ist schließlich ein Streit um Worte, ob man feststellt, daß die Änderungen keiner Nachtragsprüfung bedürfen oder ob man erklärt, die Änderungen seien unbedenklich, und einen neuen Bestätigungsvermerk erteilt. Dieser Unterschied scheint uns für die Praxis so bedeutungslos, daß in allen Fällen zu empfehlen ist, daß ein neuer Bestätigungsvermerk erteilt wird, was sich nach unserer Ansicht (siehe oben Anm. 4) aus dem Gesetz sogar zwingend ergibt. Wird der Bestätigungsvermerk in der Hauptversammlung in dieser Weise erteilt, ist damit alles erledigt. Die Beschlüsse sind dann auch keine bedingten, sondern sie werden sofort voll wirksam. Es wird in einem solchen Fall sich auch empfehlen, den neu erteilten Bestätigungsvermerk vor Beschlußfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung erteilen zu lassen. Dann sind sie schon deshalb nicht bedingt, weil sie nicht vor, sondern nach der „erneuten Prüfung" gefaßt worden sind. Es ist auch möglich, daß der Abschlußprüfer erklärt, er könne nicht innerhalb der zur Verfügung stehenden zwei Wochen die Prüfung der Änderung durchführen und einen entsprechenden Bestätigungsvermerk erteilen. Dann wird es zweckmäßig sein, die Hauptversammlung zu vertagen, denn es erscheint nicht sinnvoll, die Hauptversammlung Beschlüsse fassen zu lassen, wenn man bereits sicher weiß, daß sie der Nichtigkeit anheimfallen. Eine weitere Möglichkeit ist die, daß der Abschlußprüfer erklärt, daß er jetzt schon sagen könne, daß er die Änderungen der Hauptversammlung unter keinen Umständen anerkennen wird, und daß er infolgedessen den Bestätigungsvermerk versagen wird. Dann könnte man so vorgehen, daß man diese Erklärung des Abschlußprüfers zu Protokoll nimmt und dann erst die Feststellungsbeschlüsse fassen läßt. Dann hat die 1052

Gewinnverwendung

§173 Anm. 5

Hauptversammlung in Kenntnis des eingeschränkten oder versagten Bestätigungsvermerkes ihre Beschlüsse gefaßt. Auch solche Beschlüsse sind, da sie nach der Prüfung der Änderung erfolgt sind, nicht bedingt, sondern unbedingt und fallen nicht unter diese Vorschrift. Ob sie aus sonstigen Gründen anfechtbar oder nichtig sind, ist eine andere Frage, wobei auf § 257 I S. 2 hinzuweisen ist, wonach eine Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung nidit darauf gestützt werden kann, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Ferner kann der Abschlußprüfer in der Hauptversammlung erklären, daß er der Ansicht sei, die vorgenommenen Änderungen erforderten keine Nachtragsprüfung. Dann ist unserer Ansicht nach ein neuer Bestätigungsvermerk sofort abzugeben, wobei es dann gleichgültig wäre, ob der Feststellungsbeschluß vor dieser Erklärung des Abschlußprüfers erfolgte oder nachher. Im ersteren Fall läge zwar ein bedingter Beschluß vor. Es wäre aber die auflösende Bedingung weggefallen, sobald der Bestätigungsvermerk erteilt ist. Im zweiten Fall läge überhaupt kein bedingter Beschluß vor, denn dann würde er nach der „erneuten Prüfung", die hier allerdings nur darin bestehen würde, daß der Wirtschaftsprüfer eine erneute Prüfung nicht für notwendig hält, liegen. Zweiter Unterabschnitt Gewinnverwendung § 174 (1) Die Hauptversammlung beschließt über die Verwendung des Bilanzgewinns. Sie ist hierbei an den festgestellten Jahresabschluß gebunden. (2) In dem Beschluß ist die Verwendung des Bilanzgewinns im einzelnen darzulegen, namentlich sind anzugeben 1. der Bilanzgewinn; 2. der an die Aktionäre auszuschüttende Betrag; 3. die in offene Rücklagen einzustellenden Beträge; 4. ein Gewinnvortrag; 5. der zusätzliche Aufwand auf Grund des Beschlusses. (3) Der Beschluß führt nicht zu einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses. I. Übersicht (Anm. 1) II. Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 2) III. Bindung an den festgestellten Jahresabschluß (Anm. 3)

IV. Aufgliederung des Gewinnverwendungsbesdilusses (Anm. 4) V. Keine Änderung des festgestellten Jahresabschlusses (Anm. 5)

1053

§ 174 Anm. 1

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

I. Übersicht Anm. 1: Während die Feststellung des Jahresabschlusses nur ausnahmsweise der Hauptversammlung obliegt, ist sie ausschließlich zuständig für den Gewinnverwendungsbeschluß. Auch die Satzung kann daran nichts ändern. Wenn die neuen Vorschriften auch bis zu einem gewissen Grade mit denen des bisherigen Rechts (§ 126 AktG 37) übereinstimmen, so sind sie dadurch doch in ihrem Inhalt und in ihrer Bedeutung wesentlich verändert, weil der sich nach den neuen Bestimmungen aus dem festgestellten Jahresabschluß ergebende Gewinn, um dessen Verwendung es sich handelt, etwas grundsätzlich anderes ist als der „Reingewinn" des bisherigen Rechts. Deshalb hat man auch die Begriffe verändert, während der § 126 AktG 37 von „Gewinnverteilung" sprach, handelt es sich jetzt beim § 174 um „Gewinnverwendung". Die Hauptversammlung beschließt nicht wie im § 126 AktG 37 über „die Verteilung des Reingewinns", sondern über „die Verwendung des Bilanzgewinnes". Der entscheidende Unterschied besteht darin, daß nach § 58 derjenige, der den Jahresabschluß feststellt, sei es der Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates, sei es die Hauptversammlung, nicht mehr unbesdiränkt über die Rücklagenbildung verfügen kann. Danach können grundsätzlich nur bis zur Hälfte des unter Posten 28 nach § 1571 ausgewiesenen Jahresüberschusses bei der Feststellung des Jahresabschlusses Rücklagen zugewiesen werden. Dagegen kann nach § 58 III die Hauptversammlung im Beschluß über die Gewinnverwendung weitere Beträge in offene Rücklagen einstellen. Dadurch und weiterhin durch die neuen Bewertungsvorschriften ist die Bedeutung der Gewinnverwendung wesentlich gestiegen. Hier liegt eine deutliche Stärkung der Stellung des Aktionärs, der nur in der Hauptversammlung seine Mitgliedschaftsrechte ausüben kann. Die aus dem bisherigen Recht § 126 III AktG 37 übernommene Bestimmung, wonach die Hauptversammlung bei der Gewinnverwendung an den festgestellten Jahresabschluß gebunden ist, gilt nicht nur unverändert, sondern sie ist nicht mehr nur darauf beschränkt, daß es sich auf den vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates festgestellten Jahresabschluß bezieht, sondern sie bezieht sich auch auf den von der Hauptversammlung selbst festgestellten Jahresabschluß. Wie an allen Stellen des Gesetzes, so wird auch hier streng unterschieden zwischen dem Hauptversammlungsbeschluß, der den Jahresabschluß feststellt, und dem Gewinnverwendungsbeschluß. Bei ersterem ist die Hauptversammlung an die Vorschrift des § 58 in ihrer Rücklagenpolitik gebunden, im zweiten Fall muß sie nur die Vorschrift des § 254 im Auge behalten, wonach eine übermäßige Rücklagenbildung dann zur Anfechtung des Beschlusses führen kann, wenn nicht mindestens eine Dividende von 4 °/o verteilt wird. Neu ist die Bestimmung des Abs. 2, wonach der Gewinnverwendungsbeschluß einer besonderen Aufgliederung bedarf. Eine Änderung gegenüber dem bisherigen Recht liegt in der Vorschrift des Abs. 3, wonach der Gewinnverwendungsbeschluß nicht 1054

Gewinnverwendung

§ 174 Anm. 1—3

zu einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses führt. Bisher war man überwiegend der Ansicht, daß dies der Fall sei, und sie vom Vorstand vorgenommen werden müsse. II. Beschluß der Hauptversammlung Anm. 2: Entsprechend dem bisherigen Recht ist die Hauptversammlung allein zuständig für den Gewinnverwendungsbeschluß. Die Satzung kann nichts Abweichendes bestimmen. Bilanzgewinn ist nach § 151 IV S. 3 der Überschuß der Aktivposten über die Passivposten. Er ergibt sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung und wird dort unter Posten 32 des § 157 I und entsprechend in der Jahresbilanz unter Passivposten VIII ausgewiesen. Wie sich der Bilanzgewinn im einzelnen errechnet, ergibt sich aus § 157 und den Anm. dort. Nicht ausdrücklich geregelt ist die umstrittene Frage, ob gewinnabhängige Verpflichtungen der Gesellschaften, z. B. Vergütungen an Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder, als Aufwand oder Teil des Gewinnes zu behandeln sind. Da weder in der gesetzlichen Aufschlüsselung des Vorschlages des Vorstandes an den Aufsichtsrat über die Gewinnverwendung (§ 170 II), noch im vorliegenden Abs. 2 diese Positionen genannt werden, kann man nunmehr davon ausgehen, daß derartige gewinnabhängige Verpflichtungen der Gesellschaft als Aufwendungen zu behandeln sind (vgl. B.-H. Rn. 8; Mutze in die AktGes 1966, 213), wenn sie durch die Satzung, Vertrag oder durch einen generellen Hauptversammlungsbeschluß festgelegt sind. Das bedeutet, daß sie nicht im Gewinnverwendungsvorschlag und dem Gewinnverwendungsbeschluß aufzuführen sind, sondern unter „sonstige Verbindlichkeiten" (§ 151 I Passivseite VI Posten 6) oder unter „andere Rückstellungen" (§ 1511 Passivseite IV Posten 2) einzustellen sind (vgl. aber den Fall Anm. 4). Umgekehrt steht aus den gleichen Gründen nunmehr fest, daß der Gewinnvortrag nicht wie eine Rücklage zu behandeln ist, die bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses festzustellen ist, sondern daß er zum Gewinnverwendungsbeschluß gehört, denn er ist im § 170 II beim Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstandes unter Nr. 3 und in § 174 II in Nr. 4 beim Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung ausdrücklich aufgeführt. Er wird in der Gewinn- und Verlustrechnung des nächsten Geschäftsjahres nach § 157 I Posten 29 nach dem Posten Jahresüberschuß berücksichtigt.

III. Bindung an den festgestellten Jahresabschluß Anm. 3: In der Hauptversammlung sind Jahresabschluß und Gewinn Verwendungsbeschluß grundsätzlich verschieden zu behandeln. Im allgemeinen wird die Hauptversammlung nur den bereits durch Billigung des Aufsichts1055

§174

Anm. 3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

rates festgestellten Jahresabschluß entgegennehmen. Aber selbst wenn sie dazu berufen ist, ihn festzustellen, muß sie dies tun, bevor überhaupt ein Gewinnverwendungsbeschluß möglich ist. Aus Abs. 1 S. 2, der neu eingefügt ist, ergibt sich zweierlei. Zunächst, daß ein Gewinnverwendungsbesdiluß nur erfolgen kann aufgrund eines festgestellten Jahresabschlusses und ferner, daß die Hauptversammlung in allen Fällen an den festgestellten Jahresabschluß — nicht aber an den Gewinnverwendungsvorschlag — gebunden ist. Sie ist nicht nur — wie nadi dem bisherigen Recht § 126 III AktG 37 — an den vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates festgestellten Jahresabschluß gebunden, sondern auch wenn sie selbst die Feststellung vornimmt. Dabei ist sie durch die Bestimmung des § 58 bei der Zuweisung in offene Rücklagen stärker eingeschränkt als Vorstand und Aufsiditsrat, wenn sie den Jahresabschluß feststellt. Diese können auch ohne Satzungsbestimmung Beiträge bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rüdciagen einstellen, während die Hauptversammlung dies nur kann, wenn eine entsprechende Satzungsbestimmung die Zuweisung von Beträgen in freie Rücklagen erlaubt. Ferner kann, wenn Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß feststellen, aufgrund einer Satzungsbestimmung dann mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen eingestellt werden, wenn diese die Hälfte des Grundkapitals noch nicht erreicht haben. Die Hauptversammlung hat diese Möglichkeit nicht. Bei dem Gewinnverwendungsbeschluß besteht eine solche Einschränkung nicht. Hier kann die Hauptversammlung in freie Rücklagen einstellen, soviel sie für richtig hält. Sie muß sich hierbei nur in den Grenzen des § 254 halten, d. h., es muß entweder noch so viel vom Gewinn verbleiben, daß daraus eine Dividende von 4 °/o bezahlt werden kann, oder, wenn das nicht möglich ist, dürfen die Beträge, die in offene Rücklagen eingestellt werden, den Betrag nicht übersteigen, der bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeit übersehbaren Zeitraum zu sichern (im einzelnen vgl. Anm. 3 zu § 254). In der Begründung zum Regierungs-Entwurf wird zu § 254 ausgeführt, daß nach § 58 III die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß Beträge in offene Rücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen kann, und zwar durch einfachen Mehrheitsbeschluß, ohne daß es einer Satzungsbestimmung bedarf. Es heißt dann weiter: „Diese Regelung birgt, namentlich bei Gesellschaften, die von einem Großaktionär beherrscht werden, die Gefahr in sich, daß die Hauptversammlungsmehrheit jahrelang jede Ausschüttung verhindert und statt dessen Rücklagen in einem Ausmaß ansammelt, das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nidit mehr zu rechtfertigen ist." Daraus könnte man entnehmen, daß audi ein übermäßiger Gewinnvortrag unter § 254 fallen würde. Der Wortlaut des Gesetzes würde dies aber nur dann decken, wenn man den Gewinnvortrag als Rücklage ansieht. 1056

Gewinnverwendung

§174

Anm. 3

Das tut das Gesetz aber offensichtlich nicht, denn es unterscheidet stets zwischen den offenen Rücklagen und dem Gewinnvortrag. So auch hier. Es wäre sonst wohl richtiger gewesen, die offenen Rücklagen und den Gewinnvortrag unter einer Nummer zusammenzufassen. Aber selbst wenn man sidi auf den Standpunkt stellt, daß dies hier nicht geschehen ist, um den Gewinnvortrag als solchen besonders darzustellen, so wird in der für die Verwendung des Jahresüberschusses entscheidenden Bestimmung des § 58 von offenen Rücklagen und Gewinnvortrag getrennt gesprochen, so daß die Erwähnung eines Gewinnvortrages in § 254 notwendig gewesen wäre, wenn man die Bestimmung des § 254 auch auf den Gewinnvortrag hätte anwenden wollen. Die Bestimmung des § 254 hat nach unserer Meinung nur insoweit Bedeutung für den Gewinnvortrag, als damit eine unzulässige Umgehung des § 254 vorliegen kann, die eine Anfechtung nach § 243 begründet. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Gewinnvortrag so hoch ist, daß eine Rückstellung in der gleichen Höhe nach § 254 anfechtbar wäre. Man wird aber nicht daraus den Schluß ziehen können, daß das Gesetz im Gewinnvortrag eine Rücklage im Sinne der Gesetzesterminologie sieht. Die Bindung der Hauptversammlung an den festgestellten Jahresabschluß bedeutet, daß sie die bei der Feststellung vorgenommenen Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rücklagen und Rückstellungen nicht rückgängig machen kann. Die Hauptversammlung ist auch nicht in der Lage, bestehende Rücklagen aufzulösen, wenn der Jahresabschluß festgestellt ist. Stellt sie ihn selbst fest, so kann sie bei dieser Gelegenheit, nicht aber beim Gewinnverwendungsbeschluß, auch bestehende Rücklagen im gesetzlich zulässigen Umfang auflösen. Stellt die Hauptversammlung den Jahresabsdiluß fest, und überschreitet sie bei der Rücklagenbildung die ihr nach § 58 gesetzte Grenze, so ist dennoch der Beschluß, mit dem der Jahresabschluß festgestellt wird, nach § 243 nicht anfechtbar, da § 257 II die Anfechtung dann ausschließt, wenn sie darauf gestützt werden soll, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Die im bisherigen Recht erörterte Frage, ob die Hauptversammlung Rücklagen, die sie selbst in früheren Jahren beschlossen hat, von sich aus wieder auflösen kann, ist eindeutig zu verneinen. Es wird nach der Konstruktion des neuen Gesetzes vielfach vorkommen, daß die Hauptversammlung Rücklagen beschließt. Es wäre nicht erträglich, wenn sie in der Lage wäre, gegen den Willen der Verwaltung diese in früheren Jahren gebildeten Rücklagen selbst wieder aufzulösen. Die weitere zum früheren Recht behandelte Frage, ob sie Abschreibungen erhöhen kann, wenn sie ihr zu niedrig erscheinen, ist ebenfalls zu verneinen. Die Hauptversammlung hat jetzt die Möglichkeit, eine besondere Rücklage zu bilden, etwa dafür, daß bei den Abschreibungen nicht vom Wiederbesdiaffungspreis ausgegangen werden kann, sondern nach wie vor der Anschaffungspreis maßgebend ist und das Höchstmaß der Abschreibungen bestimmt. Eine solche, während der Beratung zum Gesetz sehr umstrittene Substanzerhaltungsrücklage, kann auf 1057

§ 174

Anm. 3,4

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

dem Wege des Gewinnverwendungsbeschlusses unbedenklich gebildet werden, sofern sich ihre Bildung im Rahmen des § 254 hält. Der Streit geht darum, ob eine solche besondere Substanzerhaltungsrücklage vor Feststellung des Jahresergebnisses ohne Anrechnung auf die 50 °/o, die die Verwaltung vom Jahresüberschuß in Rücklagen einstellen kann, gebildet werden darf. Den darauf abzielenden Anträgen ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Außer an den festgestellten Jahresabschluß ist die Hauptversammlung bei dem Gewinnverwendungsbeschluß auch an etwaige Satzungsbestimmungen gebunden, wenn auch für diese der mögliche Rahmen durch die eingehende Regelung im Gesetz eine engere geworden ist. Nach § 58 III S. 2 kann die Satzung z. B. die Hauptversammlung ermächtigen, Teile des Gewinnes an außenstehenden Dritte, etwa an Arbeitnehmer oder eine gemeinnützige Stiftung zu schütten. Die Hauptversammlung hat es dann noch in der Hand, ob sie von dieser Ermächtigung Gebrauch machen will. Eine Satzungsbestimmung, die die Überweisung eines bestimmten Bruchteiles des Gewinnes an eine solche Stiftung zwingend vorschreibt, ist nicht gültig (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 8). Sie widerspricht dem Gedanken des Gesetzes, daß die Gewinnverwendung letztlich ausschließlich und ohne jede Einschränkung in der Hand der Hauptversammlung liegen muß. Andererseits darf die Hauptversammlung keine Gewinnverwendung beschließen, durch die andere als die Gesellschaft selbst oder deren Aktionäre einen Vorteil haben. Sie kann deshalb, wenn es an einer Satzungsbestimmung nach § 58 III fehlt, nicht etwa von sich aus einen Teil des Gewinnes einer Stiftung durch Beschluß zuweisen. IV. Aufgliederung des Gewinnverwendungsbeschlusses Anm. 4: Bereits der Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstandes ist nach einer besonderen Gliederung aufzustellen (§ 170 II), die sich von der hier vorliegenden nur dadurch unterscheidet, daß dort der Bilanzgewinn an letzter Stelle steht, während er hier an erster Stelle aufzuführen ist. Im übrigen sind die Aufgliederungen in beiden Bestimmungen gleich. Sie sind insoweit zwingend, als sämtliche 5 Posten aufgegliedert werden müssen, wenn sie nacii dem Inhalt des Gewinnverwendungsbeschlusses in Frage kommen (vgl. im übrigen § 170 Anm. 4). Ist eine Verwendungsart nicht erwähnt, so ergibt sich daraus, daß insoweit Beträge nicht vorgesehen sind (ebenso Brönner in Großkomm. Anm. 5). Auf der anderen Seite ist die Aufgliederung nicht vollständig. Es ist durchaus denkbar, daß bei einer anderen Gewinnverwendung, wie z. B. die Zuwendung eines Teiles des Gewinnes an eine gemeinnützige Stiftung (s. Anm. 3) die Aufgliederung ergänzt werden muß. Das kann auch dadurch eintreten, daß die Hauptversammlung eine einmalige zusätzliche aus dem Gewinn zu zahlende Vergütung an den Vorstand oder den Aufsichtsrat beschließt. Es 1058

Gewinnverwendung

§174

Anm. 4 , 5

ist auch denkbar, daß ein Bedürfnis dafür besteht, die in offene Rücklagen einzustellenden Beträge im einzelnen zu gliedern, wenn Rücklagen mit Zweckbindung geschaffen werden. Alles dies ist zulässig, wie sich aus der Formulierung „namentlich sind anzugeben" eindeutig ergibt. Die vorgeschriebene Aufgliederung soll dazu beitragen, daß die Hauptversammlung sich bis in das letzte Detail hinein über die Aufteilung des Bilanzgewinnes klar ist. Deshalb ist von besonderer Bedeutung die Position 5 über den zusätzlichen Aufwand aufgrund des Beschlusses. Dieser muß errechnet werden, da die Summen der Beträge dem Bilanzgewinn entsprechen muß (vgl. hierzu besonders Jährig in DB 1966, 1101; Kohlstruck in WP 1969, 161). Sollte sich später ergeben, daß der zusätzliche Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses falsch errechnet war und der Aufwand höher ist, so kann der höhere Betrag von keinem der anderen Posten abgesetzt werden, auch nicht vom Gewinnvortrag. Er wird in der Gewinn- und Verlustrechnung des folgenden Geschäftsjahres unter sonstiger Aufwendung (§157 I Posten 26) aufzuführen sein. Es kann andererseits nicht zweifelhaft sein, daß durch einen solchen fehlerhaften, zu geringen Ansatz des zusätzlichen Aufwandes der Gewinnverwendungsbeschluß insofern gegen das Gesetz verstößt, als mehr verteilt wurde, als vorhanden war. Infolgedessen unterliegt ein solcher Beschluß der Anfechtung nach § 243, wobei allerdings kaum eine Anfechtung durch einen Aktionär in Frage kommen wird, denn dieser müßte gegen den Beschluß Widerspruch erhoben haben, also den Fehler bereits bemerkt haben; wohl aber könnte der Vorstand verpflichtet sein, die Anfechtung geltend zu machen. Ob diese Verpflichtung besteht, muß davon abhängig gemacht werden, ob der Gesellschaft durch die fehlerhafte Gewinnverwendung ein Schaden entstehen kann. Die Kosten einer neuen Hauptversammlung werden bei der pflichtgemäßen Entschließung des Vorstandes eine entscheidende Rolle spielen müssen. Eine unzulässig hohe Ausschüttung an die Aktionäre kommt um deswillen nicht in Frage, weil die zusätzlichen Aufwendungen gerade deshalb entstehen, weil nicht der volle Bilanzgewinn ausgeschüttet wird. In aller Regel wird der Gesellschaft durch eine fehlerhafte Berechnung des zusätzlichen Aufwands deshalb kein Schaden entstehen.

V. Keine Änderung des festgestellten Jahresabschlusses Anm. 5: Wenn die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß Beträge in offene Rücklagen einstellt, so wird damit der materielle Inhalt des Jahresabschlusses in doppelter Weise geändert: einmal durch die Einstellung dieser Beträge in neue oder bestehende Rücklagen und zum anderen auch durch den zusätzlich dadurch entstehenden Aufwand. Dennoch stellt das Gesetz fest, daß der Gewinnverwendungsbeschluß nicht zu einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses führt. Damit soll gesagt werden, daß der 1059

§§ 174/175

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 5 Gewinnverwendungsbeschluß selbständig neben dem Jahresabschluß steht. Dieser müßte, wenn man den Gewinnverwendungsbeschluß als Änderung des Jahresabschlusses behandeln würde, mindestens einer Naditragsprüfung unterzogen und dann erneut festgestellt werden. Alles das wird durch die neue Lösung im Gesetz überflüssig. Es bleibt bei dem ordnungsgemäßen Jahresabschluß. Andererseits muß in der Bekanntmachung des Jahresabschlusses in den Gesellschaftsblättern nach § 178 I Nr. 3 der Gewinnverwendungsbeschluß mitgeteilt werden. Damit ist für die Öffentlichkeit und jeden Aktionär ersichtlich, welche materiellen Änderungen durch den Gewinnverwendungsbeschluß der festgestellte Jahresabschluß erhalten hat. Auf der anderen Seite wird den Bedürfnissen der Praxis dadurch Rechnung getragen, daß die Auswirkungen des Gewinnverwendungsbeschlusses nicht in dem alten Jahresabschluß aufgenommen werden müssen, sondern sich in den des folgenden Geschäftsjahres auswirken. In der Jahresbilanz des nächsten Geschäftsjahres erhöht sich dementsprechend der Posten offene Rücklagen um die Zuweisung durch den Gewinnverwendungsbeschluß und in der Gewinn- und Verlustrechnung für das nächste Geschäftsjahr erscheint unter Posten 26, sonstige Aufwendungen, der zusätzliche Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses, während der Gewinnvortrag unter Posten 29 ausgewiesen wird.

Dritter Unterabschnitt Ordentliche Hauptversammlung § 175 Einberufung (1) Unverzüglich nadi Eingang des Berichts des Aufsichtsrats hat der Vorstand die Hauptversammlung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses und zur Beschlußfassung über die Verwendung eines Bilanzgewinns einzuberufen. Die Hauptversammlung hat in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahrs stattzufinden. (2) Der Jahresabschluß, der Geschäftsbericht, der Bericht des Aufsichtsrats und der Vorschlag des Vorstands für die Verwendung des Bilanzgewinns sind von der Einberufung an in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen. (3) Hat die Hauptversammlung den Jahresabschluß festzustellen, so gelten für die Einberufung der Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses und für die Auslegung der Vorlagen und die Erteilung von Abschriften die Absätze 1 und 2 sinngemäß. Die Verhandlungen über 1060

Einberufung

§ 175 Anm. 1

die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Verwendung des Bilanzgewinns sollen verbunden werden. (4) Mit der Einberufung der Hauptversammlung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses oder, wenn die H a u p t v e r s a m m l u n g den Jahresabschluß festzustellen hat, der Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses sind Vorstand und Aufsichtsrat an die in dem Bericht des Aufsichtsrats enthaltenen Erklärungen über den Jahresabschluß (§§ 172, 173 Abs. 1) gebunden. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Einberufung (Anm. 2) III. Fristen (Anm. 3)

IV. Auslage und Versendung von Abschriften (Anm. 4) V. Wirkung der Einberufung der Hauptversammlung (Anm. 5)

I. Übersicht

Anm. 1: Für den 3. Unterabschnitt „Ordentliche Hauptversammlung" legt das Gesetz neu einen bisher schon allgemein üblichen Begriff fest. In der ordentlichen Hauptversammlung sollen nach § 175 I I I S. 2 die Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Verwendung des Bilanzgewinnes und nach § 120 I I I über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates verbunden werden. Es handelt sich jedoch lediglich um Sollvorschriften, so daß es auch zulässig ist, in getrennten Hauptversammlungen über diese Punkte zu beschließen (vgl. Koch in Die AktGes 1969, 2 ; Adler-Düring-Schmaltz T z 2). Der Sachzusammenhang zwischen dem Jahresabschluß und dem Gewinnverwendungsbeschluß ist ohne weiteres deutlich, aber auch für die Entlastung der Verwaltungsmitglieder ist ein sachlicher Zusammenhang gegeben, nachdem im § 120 I festgestellt wird, daß durch die Entlastung die Hauptversammlung die Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates billigt. D a s geschieht am zweckmäßigsten zusammen mit den Verhandlungen über das erzielte Ergebnis, wenn auch sicherlich die Entlastung sich nicht nur auf dieses bezieht, sondern auf die Gesamttätigkeit der einzelnen Verwaltungsmitglieder. Einer der Gründe, die Institution der Entlastung überhaupt weiter bestehen zu lassen, war der, daß eine allgemeine Kritik an einzelnen Mitgliedern der Verwaltung bei diesem besonderen Punkt der Tagesordnung angebracht werden kann, während sie sonst etwa mit der Entgegennahme oder Feststellung des Jahresabschlusses verbunden werden müßte, auch wenn sie im Grunde genommen nichts mit diesem Tagesordnungspunkt zu tun hat. Der Hauptgrund für die Beibehaltung war allerdings das offenbar unausrottbare Bedürfnis aller Verwaltungsmitglieder nach dieser rechtlich völlig bedeutungslosen — vgl. § 120 II S. 2 — Geste durch die Hauptversammlung. 1061

§ 175

Anm. 1,2

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Die Einberufung der Hauptversammlung hat unverzüglich nadi Eingang des Berichtes des Aufsichtsrates durch den Vorstand zu erfolgen. Die Hauptversammlung selbst muß in den ersten 8 Monaten des Geschäftsjahres stattfinden (s. Anm. 3). Die frühere gesetzliche Frist von 5 Monaten ist damit verlängert, und zwar noch um einen Monat mehr als die früher zulässige Verlängerung durch die Satzungsbestimmungen (§ 125 V AktG 37 bis zu 7 Monaten). Die jetzige gesetzliche Frist kann nicht durch Satzungsbestimmungen verlängert werden. Nach § 407 kann der Vorstand zur Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung durch Ordnungsstrafen angehalten werden. Wie im bisherigen Recht — § 120 VI AktG 37 — sind der Jahresabschluß, die Beridite des Vorstandes und des Aufsichtsrates und der Gewinnverwendungsvorschlag in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Neu ist, daß die Auslegung bereits mit der Einberufung der Hauptversammlung erfolgen muß und daß jedem Aktionär auf Verlangen unverzüglich eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen ist (s. Anm. 4). Neu ist ferner die Bestimmung, daß von der Einberufung der Hauptversammlung ab Vorstand und Aufsichtsrat an ihre Beschlüsse, ob sie selbst den Jahresabschluß feststellen wollen oder dies der Hauptversammlung überlassen, gebunden sind (s. Anm. 5). Nach § 13 EG gilt diese Bestimmung für alle Hauptversammlungen, die nach dem 1.1. 66 stattfinden (ebenso Kropff in DB 66, 709). II. Einberufung Anm. 2: Der Vorstand hat unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Eingang des Berichtes des Aufsichtsrates die ordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Ist der Jahresabschluß durch die Verwaltung festgestellt, so folgt die Einberufung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses. Soll die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellen, so erfolgt die Einberufung zur Feststellung des Jahresabschlusses. In beiden Fällen wird zur Beschlußfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns einberufen, da nach Abs. 3 die Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Verwendung des Bilanzgewinnes in derselben Hauptversammlung stattfinden sollen. Außerdem soll nach § 120 I I I S . 1 die Verhandlung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats mit der Verhandlung über den Jahresabschluß und den Gewinnverwendungsbeschluß verbunden werden, so daß auch dieser Punkt auf die Tagesordnung der ordentlichen Hauptversammlung zu setzen ist. Man wird den Begriff „unverzüglich" nicht allzu eng auslegen dürfen. Es ist im allgemeinen üblich, daß schon lange vor Fertigstellung des Berichtes des Aufsichtsrates ein Terminkalender aufgestellt wird, schon deshalb, weil 1062

Einberufung

§175

Anm. 2,3

nach § 118 II die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates an der Hauptversammlung teilnehmen sollen. Wenn man das einigermaßen erreichen will, muß der Hauptversammlungstermin rechtzeitig festgelegt werden. Im übrigen könnte man, wenn man das „unverzüglich" allzu wörtlich nimmt, es dadurch entschärfen, daß man die Hauptversammlung mit einer über die Mindestfrist von einem Monat weit hinausgehenden Frist einberuft. Das ist sicherlich erwünscht und liegt sowohl im Interesse der Gesellschaft selbst, als auch in dem der Aktionäre. III. Fristen Anm. 3: Das Gesetz hat die Frist, innerhalb derer die ordentliche Hauptversammlung stattzufinden hat — nicht etwa einzuberufen ist — gegenüber dem bisherigen Recht (§ 125 V S. 1 AktG 37) von fünf auf acht Monate verlängert. Allerdings ist es jetzt nicht mehr erlaubt, diese Frist durch die Satzung zu verlängern. Sie kann aber verkürzt werden (ebenso B.-H. Rn. 3; Eckardt in N J W 67, 271; a. A. Brönner in Großkomm. Anm. 3; Knurr in DNotZ 1966, 339; dahingestellt Adler-Düring-Schmaltz Tz 5), was aber wegen der verschiedenen einzelnen Fristen unzweckmäßig ist. Innerhalb dieser äußersten Frist von 8 Monaten, gerechnet vom Beginn des Geschäftsjahres an, spielt sich in bezug auf Jahresabschluß und den Gewinnverwendungsvorschlag folgendes ab: Nach § 148 hat innerhalb der ersten 3 Monate des Geschäftsjahres der Vorstand den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht aufzustellen und den Abschlußprüfern vorzulegen. Für die Abschlußprüfung besteht keine Frist. Die Prüfer können mit der Vorbereitung der Abschlußprüfung bereits vor der Vorlage des Jahresabschlusses beginnen und haben nach § 165 III besondere Auskunftsrechte. Die Abschlußprüfer haben ihren Prüfungsbericht (§ 166 III) mit dem Bestätigungsvermerk (§ 167 III) dem Vorstand vorzulegen. Der Vorstand hat nach § 170 unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichtes diesen zusammen mit dem Jahresabschluß und dem Geschäftsbericht dem Aufsichtsrat vorzulegen (§ 170 I). Gleichzeitig hat er ihm den Vorschlag vorzulegen, den er der Hauptversammlung für den Gewinnverwendungsbeschluß machen will (§ 170 II). Der Aufsichtsrat hat seinen Bericht innerhalb eines Monats, nachdem ihm die Vorlagen zugegangen sind, dem Vorstand zuzuleiten (§ 171 III). Wird die Frist nicht eingehalten, so hat der Vorstand unverzüglich eine weitere Frist von nicht mehr als einem Monat zu setzen. Wird auch diese nicht eingehalten, gilt der Jahresabschluß als vom Aufsichtsrat nicht gebilligt. Die Einberufungsfrist der Hauptversammlung beträgt einen Monat vom Tage der Versammlung aus gerechnet (§ 123 I). Die Frist verlängert sich nach 1063

§ 175 Rechnungslegung • Gewinnverwendung Anm. 3,4 § 123 II im Fall der satzungsmäßig vorgeschriebenen Hinterlegung oder Anmeldung um die Zeit, bis zu der äußerst angemeldet oder hinterlegt werden muß. Die Fristen können bei einer Universalversammlung, die auf Einhaltung der Frist- und Formbestimmungen verzichtet, teilweise ganz entfallen (vgl. LG Koblenz in BB 1966,1321). Mit der Einberufung hat die Bekanntmachung der Tagesordnung und der Vorschläge der Verwaltung zu jedem Punkt der Tagesordnung zu erfolgen. Eine Woche nach der Bekanntmachung können die Aktionäre Anträge und Wahlvorschläge einreichen (§ 126 und § 127). 12 Tage nach der Bekanntmachung der Einberufung hat der Vorstand den Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen den Inhalt der Bekanntmachung der Tagesordnung nebst Vorschlägen der Verwaltung und etwaigen Anträgen oder Wahlvorschlägen der Aktionäre mitzuteilen (§ 125). Diese haben sie unverzüglich an die Aktionäre weiterzuleiten (§ 128 I), gegebenenfalls mit ihren eigenen Vorschlägen für die Ausübung des Stimmrechts (§ 128 II). In allen Fällen, in denen der Vorstand innerhalb einer bestimmten Frist oder unverzüglich zu handeln hat (§§ 148, 170, 171 III; § 175), können seine Mitglieder nach § 407 durch Ordnungsstrafe des Registergerichts angehalten werden. Die Nichteinhaltung der 8-Monatsfrist hat lediglich zur Folge, daß der Vorstand durch Ordnungsstrafe nach § 407 zum Tätigwerden angehalten werden kann. Auf die Wirksamkeit verspätet gefaßter Beschlüsse hat die Fristüberschreitung keinen Einfluß (ebenso B.-H. Rn. 2; Brönner in Großkomm. Anm. 3). IV. Auslage und Versendung von Abschriften Anm. 4: Der Jahresabschluß, der Geschäftsbericht, der Bericht des Aufsichtsrats und der Vorschlag des Vorstandes für die Verwendung des Bilanzgewinns sind von der Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung an, d. h. spätestens an dem Tage, an dem das letzte der Gesellschaftsblätter, in denen die Bekanntmachung über die Einberufung zu erfolgen hat (§ 121 III), erschienen ist, in den Geschäftsräumen der Gesellschaft auszulegen, hierunter ist der Sitz der Verwaltung zu verstehen (siehe im einzelnen von Gleichenstein und Stallbaum in Die AktGes 1970, 217 ff.). Die Satzung kann keinen späteren Zeitpunkt vorschreiben. Sie könnte theoretisch einen früheren bestimmen, es wird dies aber kaum praktisch sein, weil vor Eingang der letzten Unterlage, nämlich des Berichtes des Aufsichtsrats, die Auslegung nicht erfolgen kann und der Vorstand unverzüglich nach Eingang dieses Beridits die Einberufung der Hauptversammlung vorzunehmen hat (vgl. oben Anm. 2). Zur Einsicht ist jeder Aktionär berechtigt, der als solcher durch das Aktienbuch (Namensaktie) oder Vorlegung einer Inhaberaktie oder der Hin1064

Einberufung

§175

Anm.4

terlegungsbescheinigung oder in anderer Weise ausgewiesen ist. Sie kann auch durch einen Bevollmächtigten und unter Zuziehung von Sachverständigen (B.-H. Rn. 7) vorgenommen werden. Die Gewährung der Einsicht kann durch Ordnungsstrafe nach § 407 erzwungen, sowie später mit ihrer Verweigerung die Anfechtung der Beschlüsse, insbesondere des Gewinnverwendungsbeschlusses, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, auch des Feststellungsbeschlusses und des Entlastungsbeschlusses, begründet werden (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 10; B.-H. Rn. 9). Darüberhinaus kann sie im Klageweg erzwungen werden, nicht aber im Wege einer einstweiligen Verfügung, weil mit dieser die Entscheidung des Hauptverfahrens vorweggenommen würde (so zu Recht Brönner in Großkomm. Anm. 4; Mutze in Die AktGes 1966, 176; a. A. B.-H. Rn. 7; dahingestellt Adler-Düring-Schmaltz Tz 10). Steht nur die Entlastung der Verwaltungsmitglieder auf der Tagesordnung, so gilt nach § 120 III der § 175 II sinngemäß. Auch hier müssen die mit der Entlastung in sachlichem Zusammenhang stehenden Vorlagen, das ist der Jahresabschluß, der Geschäftsbericht und der Bericht des Aufsichtsrats, ausgelegt werden. Dasselbe gilt auch dann, wenn entgegen der Sollvorschrift des Abs. 3 S. 2 in einer Hauptversammlung entweder der festgestellte Jahresabschluß entgegengenommen wird, oder die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgt, ohne daß gleichzeitig ein Gewinnverwendungsbeschluß ergeht. Jedem wie oben legitimierten Aktionär ist auf Verlangen eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen. Das Verlangen kann formlos, auch mündlich oder fernmündlich gestellt werden (vgl. auch RG in Recht 1924, 463; Mutze in Die AktGes 66, 175), auch ein für allemal, dann wohl nur schriftlich, wenn für eine Dauerlegitimation gesorgt ist (Aktienbuch, Hinterlegung einer Aktie). Nach der Hauptversammlung kann das Verlangen nicht mehr gestellt werden, da es, ebenso wie das Recht auf Einsicht, dem Aktionär nur dienen soll, sich auf diese vorzubereiten. Die Kosten, auch die der Versendung, hat die Gesellschaft zu tragen. Da dem Aktionär ein Recht auf Zusendung zusteht, muß ihm das auch kostenlos eingeräumt sein, da dem Recht eine Verpflichtung der Gesellschaft gegenübersteht. Sollte ihn die Kostenlast treffen, so hätte dies ausdrücklich im Gesetz vermerkt werden müssen (a. A. hinsichtlich der Kosten der Versendung B.-H. Rn. 8; Brönner in Großkomm. Anm. 6). Die Pflicht des Vorstandes zur Übersendung von Abschriften an den Aktionär kann nach § 407 durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. Für die Möglichkeit der Geltendmachung im Wege der Klage und einstweiligen Verfügung gilt das oben zur Gewährung der Einsicht Ausgeführte. Die Pflicht zur Auslegung der Vorlage und gegebenenfalls zur Übersendung von Abschriften an die Aktionäre besteht auch dann, wenn die Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses selbst vornimmt, ebenso 1065

§175

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 4,5 wie die Bestimmungen des Abs. 1 über die Einberufung auch in diesem Fall gelten (vgl. oben Anm. 2). V. Wirkung der Einberufung der Hauptversammlung Anm. 5: Die neue Bestimmung des Abs. 4 befaßt sich mit einer besonderen Wirkung, die die Einberufung der Hauptversammlung auslöst. Von diesem Zeitpunkt an, d. h. mit dem Wirksamwerden der Einberufung, die durch Beschluß des Vorstands erfolgt (so zu Recht Brönner in Großkomm. Anm. 11; a. A. die Voraufl.), können Vorstand und Aufsichtsrat die nach § 172 und §173 gefaßten Beschlüsse nicht mehr abändern, d.h., wenn bis dahin der Aufsichtsrat den Jahresabschluß nicht gebilligt hat, so kann er es nachträglich nicht mehr tun. Das ergibt sich im Grunde schon aus der neuen Bestimmung des § 124 I, nach der nunmehr zwingend die Tagesordnung der Hauptversammlung bei der Einberufung in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen ist. Es wäre schon einigermaßen merkwürdig, wenn es zulässig sein sollte, daß die ordentliche Hauptversammlung mit dem Tagesordnungspunkt, Feststellung des Jahresabschlusses und gleichzeitige Auslegung eines Berichts des Aufsichtsrats, aus dem sich ergibt, daß dieser den Jahresabschluß nicht gebilligt hat, erfolgen könnte, und die Hauptversammlung dann erfahren würde, daß es sich nicht um die Feststellung, sondern um die Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses handelt. Eine solche Abänderung der Tagesordnung wäre auch nicht zulässig. Die Bestimmung ist aber insofern von Bedeutung, als durch sie verhindert wird, daß eine einmal einberufene Hauptversammlung abgesagt oder vertagt wird, und daß nunmehr etwa ein abgeänderter Jahresabschluß von Vorstand und Aufsichtsrat durch Billigung des letzteren festgestellt wird. Selbst wenn eine ordnungsmäßige Nachtragsprüfung stattgefunden hätte, wäre ein solches Verfahren nach der vorliegenden Bestimmung unzulässig. Weiterhin ist es unzulässig, wenn Vorstand und Aufsichtsrat sich durch Beschlüsse dahin festgelegt haben, daß der Jahresabschluß von der Hauptversammlung festgestellt werden soll, daß einer von beiden Organen der Gesellschaft den Beschluß wieder aufhebt, wenn die Einberufung der Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses bereits erfolgt ist (vgl. Adler-Düring-Schmaltz T z l l ; B . - H . Rn. 10; Brönner in Großkomm. Anm. 9). An sich setzt die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung nach § 172 voraus, daß beide Organe ihre Beschlüsse aufrechterhalten. Es kann also, selbst wenn die Beschlüsse nach § 172 S. 2 gefaßt sind, bis zur Einberufung sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat seinen Beschluß mit einfacher Stimmenmehrheit wieder aufheben, soweit Satzung oder Geschäftsordnung nicht eine andere Stimmenmehrheit vorsieht. Dann ist die Einberufung der Hauptversammlung zunächst überhaupt nicht möglich, vielmehr müßte auf alle Fälle, gleichzeitig, 1066

Vorlagen • Anwesenheit der Abschlußprüfer

§§175/176 Anm. 5 / 1

ob der Vorstand oder der Aufsichtsrat seinen Beschluß aufgehoben hat, der Aufsichtsrat nunmehr von sich aus den ihm vorgelegten Jahresabschluß billigen, es sei denn, dies ist bereits vor den Beschlüssen geschehen, den Jahresabschluß von der Hauptversammlung feststellen zu lassen (§ 172 Anm. 3). Praktisch wird sich das auch so abspielen, denn die Aufhebung der Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, erfolgt nur dann, wenn Bedenken aufkommen, ob die Hauptversammlung den von der Verwaltung vorgelegten Jahresabschluß feststellen wird. Die Billigung durch den Aufsichtsrat wird in aller Regel erfolgen, denn die Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen, erfolgt nur dann, wenn beide Gremien sich über den Jahresabschluß an sich einig sind und nur aus besonderen Gründen dennoch die Feststellung durch die Hauptversammlung beschließen. Diese Möglichkeit der Aufhebung der Beschlüsse und nachträglicher Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung ist mit dem Augenblick der Einberufung nicht mehr möglich (h. L.; vgl. Brönner in Großkomm. Anm. 9; a. A. Adler-Düring-Schmaltz Tz 11).

§ 176 Vorlagen. Anwesenheit der Abschlußprüfer (1) Der Vorstand hat der Hauptversammlung die in § 175 Abs. 2 angegebenen Vorlagen vorzulegen. Zu Beginn der Verhandlung soll der Vorstand seine Vorlagen, der Vorsitzende des Aufsichtsrats den Bericht des Aufsichtsrats erläutern. Der Vorstand soll dabei auch zu einem ausgewiesenen Bilanzverlust Stellung nehmen. (2) Die Abschlußprüfer haben an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses teilzunehmen. Sie sind nicht verpflichtet, einem Aktionär Auskunft zu erteilen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Vorlage und Erläuterungspflicht (Anm. 2)

III. Anwesenheit der Abschlußprüfer (Anm. 3)

I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmungen des Abs. 1 S. 1 fassen die Vorschriften der bisherigen § 125 V S. 3, § 126 II, S. 1, § 127 II S. 1 AktG 37 zusammen, die weiteren Bestimmungen des Abs. 1 sind in ihrer gesetzlichen Festlegung neu, entsprechen jedoch der bisherigen Praxis. Neu ist die Bestimmung des Abs. 2, nach der die Abschlußprüfer an der Hauptversammlung teilnehmen sollen, wenn diese den Jahresabschluß fest1067

§176 Anm. 1,2

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

stellt. Die Vorschrift gilt nicht für den Fall, daß die Hauptversammlung einen festgestellten Jahresabschluß zur Kenntnis nimmt und nur über die Gewinnverwendung beschließt. Nadi bisherigem Recht (§ 125 VII AktG 37) war die Verhandlung über die Gewinnverteilung und die Entlastung zu vertagen, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschloß oder eine Minderheit es verlangte, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichten. Diese Bestimmungen sind in das neue Gesetz nicht aufgenommen worden, einmal weil jede Hauptversammlung zu jedem Punkt der Tagesordnung mit einfacher Mehrheit die Vertagung beschließen kann, zum anderen, weil ein Minderheitenschutz nicht mehr erforderlich erschien, nachdem seit 1931 die Abschlußprüfungen und seit 1937 das Auskunftsrecht der Aktionäre gesetzlich geregelt worden sind. Der Vorstand hat der Hauptversammlung, gleichgültig, ob sie zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses oder zur Feststellung des Jahresabschlusses einberufen worden ist, den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht, den Bericht des Aufsichtsrats und den Vorschlag für den Gewinnverwendungsbeschluß vorzulegen. Neben dem schriftlichen Rechenschaftsbericht, der in diesen Vorlagen enthalten ist, soll der Vorstand den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht, der Vorsitzende des Aufsichtsrats den Bericht des Aufsichtsrats erläutern. Weist der Jahresabschluß einen Bilanzgewinn aus, so hat der Vorstand seinen Vorschlag über die Gewinnverwendung zu erläutern. Wird ein Bilanzverlust ausgewiesen, so hat er hierzu Stellung zu nehmen, nicht schriftlich, aber mündlich in der Hauptversammlung. Die Hauptversammlung hat zwar, wenn sie den Jahresabschluß nur entgegennimmt, keinen Beschluß zu fassen, denn sie kann nicht etwa von sich aus durch Auflösung offener Rücklagen den Verlust dedsen. Das könnte sie nur dann, wenn sie den Jahresabschluß feststellt. Wenn der festgestellte Jahresabschluß einen Bilanzverlust ausweist, so ist dieser auf neue Rechnung vorzutragen. Es bedarf hierzu keines Beschlusses der Hauptversammlung. Dennoch soll durch die neue Bestimmung, daß der Vorstand zu einem Bilanzverlust Stellung nehmen soll, erreicht werden, daß den Akitonären die Ursachen des Verlustes und die Möglichkeiten seiner Beseitigung in der Zukunft dargelegt werden. II. Vorlage und Erläuterungspflicht Anm. 2: Der Vorstand hat — wie im bisherigen Recht ( § 1 2 5 V S . 3 AktG 37) — den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Bericht des Aufsichtsrats sowie, wenn ein Bilanzgewinn erzielt wurde, den Vorschlag über dessen Verwendung der Hauptversammlung vorzulegen. Das muß auch dann geschehen, wenn die Hauptversammlung überhaupt keinen Beschluß zu fassen hat, weil der Jahresabschluß bereits festgestellt ist und ein Gewinn1068

Vorlagen • Anwesenheit der Abschlußprüfer

§176 Anm. 2

Verwendungsbeschluß deshalb nidit in Frage kommt, weil kein Bilanzgewinn ausgewiesen wird. Wenn die einzelnen Verhandlungsgegenstände der ordentlichen Hauptversammlung, die nach § 175 I I I S. 2 und § 120 I I I S. 1 verbunden werden sollen, in verschiedenen Hauptversammlungen behandelt werden, sind in jeder der Hauptversammlungen, in der eine der drei Verhandlungen erfolgt, diese Vorlagen zu machen, da sie in allen Fällen zur Erörterung stehen. Neu ist die Bestimmung, wonach zu Beginn der Hauptversammlung Vorstand und Aufsichtsrat ihre Vorlagen zu erläutern haben. Der Vorstand hat mithin zunächst den von ihm vorgelegten Jahresabschluß und den Geschäftsbericht zu erläutern und, wenn sich aus dem Jahresabschluß ein Gewinn ergibt, den von ihm hierzu gemachten Vorschlag f ü r die Gewinnverwendung. Ergibt sich aus dem Jahresabschluß kein Gewinn, sondern ein Bilanzverlust, so hat er nach der ebenfalls neuen ausdrücklichen Bestimmung in Satz 3 auch zu dem ausgewiesenen Bilanzverlust Stellung zu nehmen. Das hat in der Weise zu geschehen, daß er einmal die Ursachen, die zu dem Verlust geführt haben, vortragen wird, ferner muß er dazu Stellung nehmen, aus welchen Gründen der Bilanzverlust nicht durch Auflösung von Rüdciagen ausgeglichen wurde, und endlich wird er sich darüber aussprechen, wie er sich die Beseitigung des Bilanzverlustes in der Zukunft denkt. Daß der Vorstand zu einem ausgewiesenen Bilanzverlust Stellung nehmen muß, ergibt sich schon aus seiner Verpflichtung, den Jahresabschluß zu erläutern. Der besondere Hinweis in einem besonderen Satz soll zum Ausdrude bringen, daß über einen ausgewiesenen Bilanzverlust ebenso verhandelt werden soll wie über einen Bilanzgewinn, obwohl in diesem Fall kein H a u p t versammlungsbeschluß in Frage kommt, denn die Hauptversammlung kann den Verlust nicht dadurch beseitigen, daß sie vorhandene Rücklagen auflöst, da sie hierzu niemals berechtigt ist. Das könnte sie nur im Rahmen des Feststellungsbeschlusses f ü r den Jahresabschluß selbst; wenn dieser ihr aber nicht obliegt, kann sie den Verlust nicht beseitigen. Sie braucht auch keinen Beschluß zu fassen, denn, wenn er nicht beseitigt wird, muß er auch ohne Mitwirkung der Hauptversammlung auf neue Rechnung vorgetragen werden. Darüber hinaus pflegt der Vorstand über den Ablauf des neuen Geschäftsjahres bis zum Tage der Hauptversammlung zu berichten. Gesetzlich vorgeschrieben ist dies aber nicht, da die Hauptversammlung es grundsätzlich nur mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr zu tun hat. Wenn in der Begründung zum Regierungs-Entwurf ausgeführt wird, die neue Bestimmung, wonach Vorstand und Aufsichtsrat jeweils ihre Vorlagen zu erläutern haben, entspreche schon der allgemeinen bisherigen Übung, so ist das sicherlich richtig in bezug auf den Vorstand und seine Vorlagen, jedoch nur bedingt in bezug auf den Bericht des Aufsichtsrats. Zunächst einmal ist es üblich, diesen Bericht k n a p p zu halten und sich darauf zu beschränken, daß und wie der Aufsichtsrat seiner 1069

§176

Anm. 2,3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Überwachungspflicht nachgekommen ist, daß der Jahresabschluß vom Prüfer N N geprüft und mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk versehen ist und daß der Aufsichtsrat dem Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstands zustimmt. Dies war in aller Regel auch das, was der Vorsitzende des Aufsichtsrats bisher als „Erläuterung" des Berichts ausführte. Man wird wohl annehmen können, daß in der Zukunft die Aufsichtsratsberichte etwas umfangreicher sein werden, vor allem dann, wenn eine Gesellschaft Konzerngesellschaft in einem faktischen Konzern ist und ein Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erstatten ist. Hier spielt der Bericht des Aufsichtsrats um deswillen eine besondere Rolle, weil nur durch ihn das Ergebnis der Prüfung des Berichts der Hauptversammlung bekanntgemacht wird. Dennoch dürfte es bei den Erläuterungen im wesentlichen dabei bleiben, daß der Aufsiditsratsvorsitzende auf die Erläuterungen des Vorstandes hinweist und sich ihnen namens des Aufsichtsrates anschließt. Zur Erfüllung der gesetzlichen Sollvorschrift dürfte ein solcher Hinweis auch genügen.

III. Anwesenheit der Abschlußprüfer Anm. 3: Der Regierungs-Entwurf sah vor, daß die Abschlußprüfer an den Verhandlungen über den Jahresabschluß und über die Gewinnverwendung teilzunehmen haben. Das hätte bedeutet, daß die Abschlußprüfer praktisch bei allen Hauptversammlungen hätten zugegegen sein müssen, was zu einer Überlastung der Abschlußprüfer geführt hätte, zumal sich die Hauptversammlungstermine in einem verhältnismäßig kurzem Zeitraum zusammenballen. Man glaubte daher, die Bestimmung dahin einschränken zu sollen, daß die Abschlußprüfer nur an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses teilzunehmen haben. Sie haben also nur dann eine Teilnahmepflicht an der Hauptversammlung, wenn diese den Jahresabschluß feststellt, nicht, wenn sie ihn nur entgegennimmt, sie sind aber auch dann zur Teilnahme berechtigt (Brönner in Großkomm. Anm. 6; Mutze in Die AktGes 66, 176). Damit verringert sich die Zahl der Hauptversammlungen erheblich, an denen der Abschlußprüfer teilzunehmen hat. Ihre Teilnahmepflicht erstreckt sich nur auf die Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses. Bei den Verhandlungen über andere Punkte der Tagesordnung besteht weder eine Teilnahmepflicht noch ein -recht (B.-H. Rn. 3). Andererseits ist es bedauerlich, daß man auf die Teilnahme an den Hauptversammlungen verzichtet hat, die über die Gewinnverwendung einen Beschluß zu fassen haben, weil dann, wenn der Beschluß vom Vorschlag des Vorstandes abweicht, Berechnungen über den zusätzlichen Aufwand angestellt werden müssen, die nicht ganz einfach sind und bei denen die Anwesenheit eines Abschlußprüfers erwünscht wäre. Immerhin muß man davon ausgehen, daß die Gesellschaft dafür Sorge trägt, daß geeignete Personen von Seiten der 1070

Vorlagen • Anwesenheit der Abschlußprüfer

§176 Anm. 3

Gesellschaft an der Hauptversammlung teilnehmen, um diese Berechnungen einwandfrei vornehmen zu können. Uber die weitgehenden Folgen, die sich daraus ergeben können, daß durch eine falsche Berechnung des zusätzlichen Aufwandes im Gewinnverwendungsbeschluß über einen höheren Betrag als den ausgewiesenen Bilanzgewinn verfügt wird, vgl. § 174 Anm. 4. Jedenfalls ist die Anwesenheit der Abschlußprüfer dann notwendig, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, denn, wenn sie bei der Feststellung von dem vorgelegten, geprüften Jahresabschluß abweicht, besteht die Möglichkeit, daß der in der Hauptversammlung anwesende Abschlußprüfer zu dem Ergebnis kommt, daß die Änderung eine Nachtragsprüfung nicht nötig mache (§ 173 III), oder er kann bei einer geringfügigen Änderung die nach seiner Ansicht erforderliche Nachtragsprüfung sofort in der Hauptversammlung vornehmen und einen entsprechenden Bestätigungsvermerk erteilen. Unserer Ansicht nach muß allerdings stets ein neuer Bestätigungsvermerk erteilt werden (vgl. Anm. 4 zu § 173). Die zusätzlichen Ausführungen in der Begründung des Regierungs-Entwurfs, die Teilnahme des Abschlußprüfers sei auch deshalb nützlich, weil er die Fragen der Aktionäre zur Rechnungslegung erfahren und seine Aufmerksamkeit dadurch auf Vorgänge gelenkt werden könne, die er bei der Prüfung bisher nicht besonders beachtet hat, halten wir nicht für sehr überzeugend. Wenn es sich wirklich um allgemein auch für die Zukunft interessierende Fragen handelt, wird der Vorstand dies den Abschlußprüfern schon im eigenen Interesse mitteilen, so daß sich dadurch der erhebliche Zeitaufwand der Abschlußprüfer nicht rechtfertigen ließe. Von der Möglichkeit, als Gast an der Hauptversammlung teilzunehmen, ist in gewissem Umfange schon bisher Gebrauch gemacht worden, so daß es aus diesem Grunde allein sicherlich nicht der gesetzlichen Änderung bedurft hätte. Wenn in Abs. 2 S. 2 ausdrücklich gesagt wird, die Abschlußprüfer seien nicht verpflichtet, einem Aktionär Auskunft zu erteilen, so besagt dies, daß der Aktionär nicht berechtigt ist, an den anwesenden Abschlußprüfer Fragen zu stellen und daß er nicht das Recht hat, daß ihm diese Fragen beantwortet werden. Eine andere Frage ist es, ob der Abschlußprüfer, obwohl er nicht verpflichtet ist, die Auskunft aus freien Stücken erteilen darf. Nach unserer Auffassung darf er das nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses. Die grundsätzliche Verschwiegenheitspflicht des Abschlußprüfers gilt auch gegenüber dem Aktionär und beruht auf seinem Verhältnis zur Gesellschaft. Er ist deshalb nicht nur nicht verpflichtet, dem Aktionär eine Auskunft zu erteilen, sondern er darf es nicht, wenn er nicht ausdrücklich hierzu vom Vorstand ermächtigt ist. Erteilt ihm der Vorsitzende, der meist der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist, das Wort, so kann der Vorstand dem widersprechen. Tut er das nicht, so liegt darin sein Einverständnis mit der Handlung des Vorsitzenden, so daß nunmehr der Abschlußprüfer berechtigt ist, eine Auskunft zu erteilen. Es hängt aber immer noch von seiner 1071

§§ 1 7 6 / 1 7 7

Anm. 3

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Entscheidung ab, ob er von diesem Recht Gebrauch machen will. Es ist durchaus denkbar, daß der Abschlußprüfer von sich aus Bedenken hat, ohne Aussprache mit dem Vorstand die Auskunft zu erteilen (a. A. Brönner in Großkomm. Anm. 6). Dies braucht er nicht zum Ausdrude zu bringen, sondern er kann sich schlechthin auf die vorliegende Gesetzesbestimmung beziehen und ohne Angabe von Gründen die Auskunft verweigern, auch wenn die Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, ausdrücklich oder stillschweigend zu erkennen gibt, daß sie gegen die Auskunftserteilung nichts einzuwenden hätte. Wir sind weitergehend der Meinung, daß weder der Vorsitzende der Hauptversammlung noch der Vorstand, indem sie ihrerseits den Abschlußprüfer fragen, diesen zu einer Stellungnahme vor der Hauptversammlung veranlassen können. Mit Recht wird in der Regierungsbegründung darauf hingewiesen, daß die Unterrichtung der Aktionäre nicht im Rahmen der Prüfungsaufgaben der Prüfer liegt. Wenn das richtig ist, so kommt es nicht darauf an* wer die Auskunft verlangt. Auch wenn das nicht von einem Aktionär, sondern von anderer Seite erfolgt, kann sich der Prüfer darauf berufen, daß er vor der Hauptversammlung, also vor den Aktionären, nidit zur Auskunftserteilung verpflichtet ist.

Vierter Abschnitt Bekanntmachung des Jahresabschlusses § 177 Einreichung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts zum Handelsregister. Bekanntmachung des Jahresabschlusses (1) Der Vorstand hat unverzüglich nach der Hauptversammlung über den Jahresabschluß den festgestellten Jahresabschluß mit Bestätigungsvermerk und den Geschäftsbericht nebst dem Bericht des Aufsichtsrats ( § 1 7 1 Abs. 2) zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. Der dem eingereichten Jahresabschluß beigefügte Bestätigungsvermerk muß von den Abschlußprüfern unterschrieben sein. Haben die Abschlußprüfer die Bestätigung des Jahresabschlusses versagt, so muß dies auf dem eingereichten Jahresabschluß vermerkt, der Vermerk von den Abschlußprüfern unterschrieben sein. (2) Der Vorstand hat unverzüglich nach der Hauptversammlung über den Jahresabschluß den festgestellten Jahresabschluß in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen und die Bekanntmachung zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. (3) Das Gericht hat zu prüfen, ob der eingereichte Jahresabschluß dem Absatz 1 entspricht, ob er bekanntgemacht worden ist und ob die Bekannt1072

Einreichung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts

§ 177

Anm. 1,2

machung dem § 178 Abs. 1 entspricht. Es hat ferner zu prüfen, ob der Jahresabschluß offensichtlich nichtig ist. Im übrigen braucht es nicht zu prüfen, ob der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht den Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung entsprechen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Einreichung beim Handelsregister (Anm. 2)

III. Bekanntmachung des Jahresabschlusses (Anm. 3) IV. Prüfung durdi das Gericht (Anm. 4) V. Verstoß (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die neuen Vorschriften entsprechen denen des bisherigen Rechts (§ 143 AktG 37), enthalten jedodi zwei wichtige Ergänzungen. Einmal soll Sicherheit dafür geschaffen werden, daß der dem Handelsregister einzureichende Bestätigungsvermerk sich auf den Jahresabschluß bezieht, der dem Registergericht gleichzeitig vorgelegt wird, und daß der in den Gesellschaftsblättern bekanntgemachte Jahresabschluß dem dem Handelsregister eingereichten Jahresabschluß entspricht. Zu diesem Zweck wird in Abs. 1 bestimmt, daß der dem eingereichten Jahresabschluß beigefügte Bestätigungsvermerk von den Abschlußprüfern unterschrieben sein muß. Nadi Abs. 3 hat das Gericht zu prüfen, ob der ihm eingereichte Jahresabschluß dem bekanntgemachten entspricht. Eine weitere grundsätzliche Neuerung enthält Abs. 3 insofern, als das Gericht zu prüfen . hat, ob der Jahresabschluß offensichtlich nichtig ist. Gegen diese Bestimmung wurden bei der Beratung des Gesetzes im Bundesrat Bedenken geltend gemacht. Man vertrat die Auffassung, daß der Registerrichter hier überfordert werde, zumal da die Prüfung nach § 177 dem Rechtspfleger im allgemeinen obliege. Die Bedenken sind nicht zutreffend, und sie wurden letztlich auch zurückgestellt, denn es ist keineswegs Aufgabe des Registerrichters zu prüfen, ob kein Nichtigkeitsgrund vorliegt, sondern er hat nur dann den Jahresabschluß zurückzuweisen, wenn er offensichtlich nichtig ist. Man wird nach den Verhandlungen im Bundesrat annehmen können, daß die Landesjustizverwaltungen Merkblätter herausgeben, was bei einer solchen Prüfung der „offensichtlichen Nichtigkeit" zu prüfen ist. Geblieben ist der Grundsatz, daß der Registerrichter nicht zu prüfen hat, ob der Jahresabschluß oder Geschäftsbericht den Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzungen entsprechen. II. Einreichung beim Handelsregister Anm. 2: Der Vorstand hat den festgestellten Jahresabschluß mit Bestätigungsvermerk, den Geschäftsbericht und den Bericht des Aufsichtsrats zum Handelsregister einzureichen. Es war bisher nicht ganz unstreitig, wann das zu geschehen hat. Es wurde die Auffassung vertreten, daß dies dann ge1073

§177

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Ama 2 schehen müßte, wenn der Bericht des Aufsichtsrats beim Vorstand eingegangen sei. Nunmehr ist klargestellt, daß dies unverzüglich nach der Hauptversammlung, in der über den Jahresabschluß verhandelt wird, zu geschehen hat. Es ist gleichgültig, ob der Jahresabschluß in dieser Hauptversammlung festgestellt wurde, oder ob er ihr nur zur Kenntnisnahme vorgelegt wurde. Der Bestätigungsvermerk der Abschlußprüfer ist ein Teil des Jahresabschlusses, er wird nach § 167 „zum Jahresabschluß" erteilt. Es bedarf deshalb keiner besonderen Erwähnung bei den vorzulegenden Unterlagen. Es wird aber bestimmt, daß der dem eingereichten Jahresabschluß als Bestandteil beigefügte Bestätigungsvermerk von den Abschlußprüfern unterschrieben sein muß. Dadurch soll die Gewähr dafür geboten werden, daß der dem Registergericht vorgelegte Jahresabschluß derjenige ist, auf den sich der Bestätigungsvermerk bezieht. Der Regierungs-Entwurf hatte vorgesehen, daß die Abschlußprüfer ausdrücklich bestätigen sollten, daß der Bestätigungsvermerk zu diesem Jahresabschluß von ihnen erteilt worden sei. Diese Bestimmung ist gestrichen worden, weil sie geeignet gewesen wäre, den Eindruck zu erwecken, als bestehe ein Mißtrauen gegen die Verwaltung. Da der von den Abschlußprüfern unterzeichnete Bestätigungsvermerk bei der Unterzeichnung mit Angabe von Ort und Tag zu versehen ist, kann man aus dem Bestätigungsvermerk insbesondere auch entnehmen, ob eine Nachtragsprüfung stattgefunden hat, bzw., ob diese vom Abschlußprüfer nicht für erforderlich gehalten wurde (vgl. § 162 III; § 173 III). Da nach § 178 I Nr. 1 der volle Wortlaut des Bestätigungsvermerks, also auch das Datum, mit zu veröffentlichen ist, kann man feststellen, ob er vor oder nach einer Hauptversammlung, die die Feststellung des Jahresabschlusses beschlossen hat, ausgestellt wurde, und gegebenenfalls auch, wenn diese Hauptversammlung den Jahresabschluß abgeändert hat, ob der Bestätigungsvermerk die Änderung deckt. Ist der Vermerk vorher ausgestellt, so deckt er ihn unserer Meinung nach nicht, da bei jeder Änderung ein neuer Bestätigungsvermerk mit neuem Datum ausgestellt werden muß. N u r wenn man dies verlangt (vgl. § 173 Anm. 4), kommt die Wirkung der vorliegenden Bestimmung voll zum Zuge. Haben die Abschlußprüfer den Bestätigungsvermerk eingeschränkt, so ergibt sich das aus dem Bestätigungsvermerk selbst. Es bedarf hierüber also keiner besonderen Bestimmung, wohl aber, wenn die Abschlußprüfer die Bestätigung überhaupt versagt haben. In diesem Fall muß dies auf dem eingereichten Jahresabschluß vermerkt werden, und zwar auch von den Abschlußprüfern, die diesen Vermerk zu unterschreiben haben. Nach § 130 V ist gleichzeitig eine offen dich beglaubigte Abschrift (in der Praxis eine Ausfertigung) der Niederschrift über die ordentliche Hauptversammlung einzureichen. Da diese den Gewinnverwendungsbeschluß enthält, war dieser hier nicht mehr gesondert aufzuführen (B.-H. Rn. 2). 1074

Einreichung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts

§ 177

Anm. 2—4

Nicht einzureichen ist der Prüfungsbericht, der nur für die Verwaltung und nicht für die Aktionäre oder Dritte bestimmt ist. Das gleiche gilt für den Bericht über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§312). Jedes Mitglied des Vorstandes ist verpflichtet, für die Einreichung und Bekanntmachung zu sorgen, es handelt jedoch der Vorstand als Kollegium. III. Bekanntmachung des Jahresabschlusses Anm. 3: Zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Einreichung bei dem Handelsregister zu erfolgen hat, nämlich unverzüglich nach der ordentlichen Hauptversammlung, muß der Vorstand den festgestellten Jahresabschluß, zu dem der Bestätigungsvermerk oder gegebenenfalls der Vermerk, daß die Bestätigung versagt wurde, als Bestandteil gehört — nicht aber den Geschäftsbericht und den Bericht des Aufsichtsrats — in den Gesellschaftsblättern, das sind nach § 25 stets der Bundesanzeiger und etwa von der Satzung zusätzlich bestimmte andere Blätter, bekanntmachen. Form und Inhalt der Bekanntmachung ergibt sich aus § 178. Der Bundesanzeiger, der die Bekanntmachung enthält, und gegebenenfalls die weiteren Gesellschaftsblätter sind zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. IV. Prüfung durdi das Gericht Anm. 4: Abweichend von der Bestimmung des § 143 III AktG 37, der nur negativ feststellte, was das Gericht nicht zu prüfen hatte, stellt das Gesetz nunmehr positiv fest, auf was sich die Prüfung des Gerichtes zu erstrecken hat. In Ubereinstimmung mit den schon im bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen muß das Gericht zunächst einmal prüfen, ob das, was ihm eingereicht wurde, vollständig ist. Das bedeutet in bezug auf den Jahresabschluß, das das Gericht feststellen muß, ob er mit einem von den Abschlußprüfern unterschriebenen Bestätigungsvermerk versehen ist, oder ob sich, wenn der Bestätigungsvermerk versagt wurde, dies ebenfalls von den Abschlußprüfern unterzeichnet auf dem Jahresabschluß vermerkt ist. Es muß aber weiter auch prüfen, ob neben dem Jahresabschluß der Geschäftsbericht und der Bericht des Aufsichtsrats eingereicht wurden. Endlich hat es zu prüfen, ob der Vorstand seiner Verpflichtung aus Abs. 2 nachgekommen ist, d. h., ob der Jahresabschluß bekanntgemacht worden ist. Dabei ist in erster Linie zu prüfen, ob der bekanntgemachte Jahresabschluß mit dem dem Gericht eingereichten übereinstimmt und ferner, ob der Inhalt der Bekanntmachungen den gesetzlichen Vorschriften des § 178 I entspricht. Insoweit tritt eine Änderung der Rechtslage nicht ein. Jedoch hat das Gericht ferner zu prüfen, ob der Jahresabschluß offensichtlich nichtig ist (vgl. oben Anm. 1). Das bedeutet nicht etwa, daß der Registerrichter im einzelnen prüfen müßte, ob die Nichtigkeitsgründe des § 256 gegeben sind. Einige Nichtigkeits1075

§§ 177/188

Anm. 4,5

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

gründe werden für ihn aber schon bei der vorgeschriebenen Prüfung nach Satz 1 offensichtlich. So, wenn der festgestellte Jahresabschluß nicht nach § 162 I und III geprüft worden ist, wenn überhaupt kein Bestätigungsvermerk oder ein Vermerk über die Versagung des Bestätigungsvermerks vorliegt. Ebenso offensichtlich ist es, wenn der Jahresabschluß von Personen festgestellt worden ist, die nicht zu Abschlußprüfern bestellt sind oder nach § 164 nicht sein können (§ 256 I Ziff. 3). Es ist auch denkbar, daß sich aus den vorgelegten Unterlagen offensichtlich ein Verstoß gegen § 173 III ergibt, aber keineswegs muß das immer der Fall sein. Ähnliches gilt für Verstöße gegen § 234 III und § 235 II. Dagegen wird es selten sein, daß sich die Nichtigkeitsgründe in § 256 I Nr. 1 und 4, II und III für den Registerrichter ohne weiteres erkennbar aus seinen Unterlagen ergeben und damit für ihn die Nichtigkeit des Jahresabschlusses „offensichtlich" ist (u. E. zu weitgehend B.-H. Rn. 4). Im letzten Satz des Abs. 3 wird das gleiche festgestellt wie im bisherigen Recht, nämlich das, was er nicht zu prüfen hat: ob der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht den Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung entsprechen. V. Verstoß Anm. 5: Der Vorstand handelt als Kollegium. Die Einreichung nach Abs. 1 und der Belege über die Bekanntmachung nach Abs. 2 — nicht die Bekanntmachung selbst (B.-H. Rn. 3; jetzt auch Brönner in Großkomm. Anm. 1) — kann durch Ordnungsstrafe nach § 14 HGB vom Registerrichter erzwungen werden, in jedem Fall aber erst nach Feststellung des Jahresabschlusses (OLG Hamm in Die AktGes 1960, 70; Brönner in Großkomm. Anm. 1). Jedes Mitglied des Vorstandes ist verpflichtet, für die Einreichung und Bekanntmachung zu sorgen. Ein Vorstandsmitglied, das vorsätzlich oder leichtfertig nicht für die Einhaltung der Bestimmungen übfir Form und Inhalt der Bekanntmachungen des Jahresabschlusses nach § 178 — nicht also des vorliegenden § 177 — sorgt, begeht eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 405 I Nr. 4. Zivilreditlidi haften Vorstandsmitglieder für Verschulden bei Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten nach § 93.

§ 178 Form und Inhalt der Bekanntmachung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts (1) Bei allen Veröffentlichungen und Vervielfältigungen des Jahresabschlusses, die durch das Gesetz oder die Satzung vorgeschrieben sind, sind die folgenden Vorschriften einzuhalten: 1076

Form und Inhalt

§178

Anm. 1

1. Der Jahresabsdiluß ist vollständig und richtig mit dem vollen Wortlaut des Bestätigungsvermerks wiederzugeben; haben die Abschlußprüfer die Bestätigung versagt, so ist hierauf in einem besonderen Vermerk zum Jahresabschluß hinzuweisen; 2. die in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Posten müssen in der Weise untereinandergesetzt werden, daß jeder Posten mit dem dazugehörigen, in Ziffern ausgedrückten Betrag eine besondere Zeile erhält; 3. der Beschluß der'Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns mit den Angaben nach § 174 Abs. 2 ist mitzuteilen; 4. alle im Zeitpunkt der Veröffentlichung oder Vervielfältigung im Amt befindlichen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sind mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben; die Vorsitzenden des Vorstands und des Aufsichtsrats sind als solche zu bezeichnen. (2) Wird der Jahresabschluß in Veröffentlichungen und Vervielfältigungen, die nidit durch das Gesetz oder die Satzung vorgeschrieben sind, nicht vollständig wiedergegeben, so ist in einer Überschrift zum Jahresabschluß ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß es sidi nicht um den vollständigen Jahresabsdiluß handelt. Der Bestätigungsvermerk darf nicht beigefügt werden. Es ist jedoch anzugeben, ob die Abschlußprüfer den vollständigen Jahresabsdiluß bestätigt haben oder ob sie die Bestätigung eingeschränkt oder versagt haben. Ferner ist anzugeben, in weldier Nummer des Bundesanzeigers der vollständige Jahresabschluß bekanntgemadit worden ist. (3) Absatz 1 Nr. 1 und Absatz 2 Satz 1 bis 3 gelten sinngemäß für Veröffentlichungen und Vervielfältigungen des Geschäftsberichts. I. Übersicht (Anm. 1) II. Pfliditveröffentlichung abschlusses (Anm. 2)

des

Jahres-

III. Freiwillige Veröffentlichung des Jahresabschlusses (Anm. 3) IV. Veröffentlichung des Geschäftsberichtes (Anm. 4) V. Verstoß (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift befaßt sich mit Form und Inhalt der Bekanntmachung, und zwar Abs. 1 bei den Pflichtveröff'entlidiungen des Jahresabschlusses; das sind nicht nur solche, die durch das Gesetz, sondern auch diejenigen, die durch die Satzung vorgeschrieben sind. 1077

§178

Anm. 1,2

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Abs. 2 bezieht sich auf die freiwilligen Veröffentlichungen des Jahresabschlusses. Abs. 3 bezieht sich auf Veröffentlichungen des Geschäftsberichtes. Durch das Gesetz wird letztere überhaupt nicht vorgeschrieben, könnte aber von der Satzung vorgeschrieben sein, was wohl nur selten der Fall sein wird, und es könnte sich um eine freiwillige Veröffentlichung handeln. Das bisherige Recht (§ 144 AktG 37) kannte nur Vorschriften für die Veröffentlichung des Jahresabschlusses, nicht des Geschäftsberidits. Bei der Veröffentlidiung des Jahresabschlusses machte es keinen Unterschied, ob es sich um eine Pflichtveröffentlichung oder um eine freiwillige Veröffentlichung handelte. Die Vorschriften entsprachen im wesentlichen denen des heutigen Abs. 1. Die neue Unterscheidung zwischen Pflichtveröffentlichung und freiwilliger Veröffentlichung des Jahresabschlusses ist deshalb vorgenommen worden, weil es auf der einen Seite zu begrüßen ist, wenn die Gesellschaften freiwillige Veröffentlichungen vornehmen, d. h. also, Veröffentlichungen in weiteren Blättern, die nicht Gesellschaftsblätter sind, oder auch in Aktionärsbriefen und ähnlichen Rundsdireiben an die Aktionäre. Auf der anderen Seite muß, wenn bei solchen Veröffentlichungen der Jahresabschluß nicht vollständig veröffentlicht wird, dafür Sorge getragen werden, daß dies ausdrücklich kenntlich gemacht wird, und es darf nicht dadurch ein falscher Eindruck entstehen, daß der Bestätigungsvermerk beigefügt wird. Dies ist deshalb ausdrücklich verboten. Es ist jedoch anzugeben, ob die Abschlußprüfer den Jahresabschluß eingeschränkt oder uneingeschränkt bestätigt oder die Bestätigung versagt haben. Endlich ist die Nummer des Bundesanzeigers, der die Pflichtveröffentlichung enthält, anzugeben.

II. Pfliditveröffentlidiung des Jahresabschlusses Anm. 2: Die Vorschriften des Abs. 1 gelten für alle sog. Pflichtveröffentlichungen, gleichgültig, ob sie durch das Gesetz oder durch die Satzung vorgeschrieben sind. Nr. 1 enthält das Verbot der Kürzung des Jahresabschlusses. Zusammenziehungen der nach den Gliederungsvorschriften zu trennenden Posten sind, auch soweit sie den Sinn nicht entstellen und die Übersichtlichkeit des Abschlusses nicht gefährden, unstatthaft. Zum vollständigen Jahresabschluß gehört der volle Wortlaut des Bestätigungsvermerks, für den das neue Gesetz in § 167 I den genauen Wortlaut festlegt. Es ist selbstverständlich, daß, wenn dieser Vermerk eingeschränkt ist, die Einschränkung ebenfalls mit zu veröffentlichen ist. Zu veröffentlichen ist auch das Datum und die Unterschrift der Abschlußprüfer. Dies ist, weil es selbstverständlich ist, im Gesetz nicht noch einmal gesagt. Wohl aber ist ausdrücklich bestimmt, daß, wenn die Bestätigung ganz versagt worden ist, hierauf in einem besonderen Vermerk zum 1078

Form und Inhalt

§178

Anm. 2 , 3

Jahresabschluß hinzuweisen ist. Dieser Vermerk ist nach § 177 I von den Abschlußprüfern zu unterschreiben. Auch hier ist Datum und Unterschrift mit dem Inhalt des Vermerks zu veröffentlichen. Nr. 2 gilt nicht nur für die Veröffentlichung, sondern auch für die Aufstellung des Jahresabschlusses. Insoweit gehört sie zu § 149 I, wonach der Jahresabschluß den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung zu entsprechen hat, denn es kann nicht zweifelhaft sein, daß schon nach diesen die vorgeschriebene Zahlenanordnung zu beobachten ist. Die Bestimmung hat deshalb für die Aufstellung des Jahresabschlusses keine eigene Bedeutung, wohl aber für seine Veröffentlichung und Vervielfältigung. Jeder Posten des Jahresabschlusses muß eine Zeile für sich allein in der Veröffentlichung erhalten (Tabellen- oder Spaltenform). Nr. 3 ist gegenüber dem bisherigen Recht neu. Zu veröffentlichen ist der Beschluß der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns, und zwar im Schema des § 174 II (vgl. Anm. 4 zu § 174). Diese Veröffentlichung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil durch den Gewinnverwendungsbeschluß der Jahresabschluß dadurch materiell geändert werden kann, daß die Hauptversammlung weitere Beträge in offene Rücklagen stellt. Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 174 III erfolgt dadurch jedoch keine Änderung des Jahresabschlusses. Man kann also das letzte Ergebnis nur erkennen, wenn man den festgestellten Jahresabschluß und den Gewinnverwendungsbeschluß kennt (vgl. § 174 Anm. 5 u. § 177). Nach Nr. 4 sind sämtliche Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder namentlich anzuführen. Für die Vorstandsmitglieder entspricht die Bestimmung § 80, für die Aufsichtsratsmitglieder geht sie darüber hinaus. Nicht anzugeben sind die im Geschäftsjahr oder nachher ausgeschiedenen Mitglieder, wie nach § 160 V für den Geschäftsbericht vorgeschrieben, sondern nur die zur Zeit der Veröffentlichung im Amt befindlichen, auch wenn etwa der Aufsichtsrat infolge der dazwischenliegenden Neuwahl anders zusammengesetzt ist als zur Zeit der Feststellung des Jahresabschlusses. III. Freiwillige Veröffentlichung des Jahresabschlusses Anm. 3: Für die freiwillige Veröffentlichung gilt das Kürzungsverbot des Abs. 1 nicht. Die Bedeutung der Bestimmung ist zunächst einmal die Klarstellung, daß unvollständige Jahresabschlüsse veröffentlicht werden können. Das geschieht auch vielfach in den Mitteilungen an die Aktionäre. Solche Mitteilungen sind durchaus zu begrüßen. Nur muß sichergestellt werden, daß dadurch kein falscher Eindruck erweckt wird. Nicht vollständig ist ein Jahresabschluß auch dann, wenn nicht nur Teile weggelassen sind, sondern Zahlen, die im vollständigen Jahresabschluß gesondert auszuweisen sind, zu 1079

§178

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

Anm. 3 sammengezogen werden. Eine solche Zusammenziehung darf aber nicht zu einem „falschen" Jahresabschluß werden. Die Grenze kann nur im Einzelfall gezogen werden. Jedenfalls dürfen die Zusammenziehungen nicht so sein, daß der Sinn entstellt und die Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses gefährdet würde. In allen Fällen, in denen der Jahresabschluß in diesem Sinne nicht „vollständig" wiedergegeben wird, muß auf diese Tatsache ausdrücklich hingewiesen werden, etwa durch Überschriften wie „Auszug aus dem Jahresabschluß" oder „Zusammengefaßte Angaben aus dem Jahresabschluß". Nach allgemeinen Grundsätzen kann sich dieser ausdrückliche Hinweis nicht etwa in Kleindruck an einer versteckten Stelle befinden, sondern er muß klar und deutlich für jeden, der sich mit den Zahlen befaßt, lesbar sein (ebenso Brönner in Großkomm. Anm. 7). Die Beifügung des Bestätigungsvermerks könnte einmal den Eindruck erwecken, daß dieser unvollständige Jahresabschluß geprüft und bestätigt wäre, zum anderen kann aber auch der Eindruck entstehen, daß es sich trotz eines Hinweises um den vollständigen, dem Gesetz entsprechenden Jahresabschluß handelt. U m beide Irrtümer zu vermeiden, ist die Beifügung des Bestätigungsvermerks ausdrücklich untersagt. Dagegen ist bei jedem unvollständigen Jahresabschluß anzugeben, ob die Abschlußprüfer den vollständigen Jahresabschluß bestätigt haben oder ob sie die Bestätigung eingeschränkt oder versagt haben. Diese Formulierung zwingt dazu, noch einmal außer dem ausdrücklichen Hinweis nach Abs. 2 S. 1 zum Ausdruck zu bringen, daß es noch einen anderen, nämlich den vollständigen Jahresabschluß gibt. Endlich wird zwingend vorgeschrieben, daß bei jeder Veröffentlichung eines unvollständigen Jahresabschlusses die Nummer des Bundesanzeigers, in dem der vollständige Jahresabschluß bekanntgemacht worden ist, anzugeben ist. Auf diese Weise soll es jedem Interessenten erleichtert werden, sich den vollständigen Jahresabschluß zu beschaffen. Die nach dem bisherigen Recht vielfach vertretene Auffassung, daß die Vorschriften auf Vervielfältigungen keine Anwendung finden, die nur für den inneren Betrieb der Gesellschaft bestimmt sind, beruhte im wesentlichen auf dem allgemein geltenden Verbot der Kürzung. Nachdem dieses weggefallen ist und das Gesetz in Abs. 2 schlechthin von Veröffentlichungen und Vervielfältigungen ohne jede Einschränkungen spricht, besteht kein praktisches Bedürfnis mehr, das Gesetz insoweit einengend auszulegen. Wir sind deshalb der Auffassung, daß auch für Vervielfältigungen, die nur für den Gebrauch innerhalb des Betriebes gedacht sind, die Vorschriften des Abs. 2 angewandt werden müssen, zumal da bei großen Gesellschaften die innerbetriebliche Benutzung schon einen weitgehenden Grad von Publizität erreicht und auf der anderen Seite die Vorschriften des Abs. 2 mühelos erfüllt werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine Vervielfältigung des Jah1080

Form und Inhalt

§178

Anni. 3—5

resabschlusses nicht etwa in jedem internen Rundsdireiben, in dem ein kleiner Abschnitt des Jahresabschlusses wiedergegeben wird, zu erblicken ist. Alles, was in dieser Beziehung im internen Verkehr der Gesellschaft geschieht, fällt nicht unter die Bestimmungen des Abs. 2. IV. Veröffentlichungen des Geschäftsberichtes Anm. 4: Wenn, was sicherlich nur ganz ausnahmsweise der Fall ist, die Satzung die Veröffentlichung des Geschäftsberichtes anordnet, so findet Abs. 1 N r . 1 Anwendung, d. h., der Geschäftsbericht ist in diesem Fall vollständig und selbstverständlich auch richtig wiederzugeben. Besteht keine Verpflichtung zur Veröffentlichung aufgrund einer Satzungsbestimmung — eine gesetzliche Verpflichtung gibt es nicht —, so findet Abs. 2 S. 1—3 sinngemäße Anwendung. Die sinngemäße Anwendung bedeutet, daß bei der Veröffentlichung oder Vervielfältigung eines unvollständigen Geschäftsberichtes ausdrücklich darauf hingewiesen werden muß, daß es sich nicht um den vollständigen Geschäftsbericht handelt (Abs. 2 S. 1). D a sich der Bestätigungsvermerk nach § 167 I auch darauf bezieht, daß der Geschäftsbericht Gesetz und Satzung entspricht, darf er nicht in den unvollständigen Geschäftsbericht aufgenommen oder ihm angefügt werden, dagegen muß in den Geschäftsbericht, auch wenn es im Vollständigen nicht stehen sollte, gesagt werden, ob die Abschlußprüfer den vollständigen Jahresabschluß bestätigt haben oder ob sie die Bestätigung eingeschränkt oder versagt haben. Ob das in diesem Fall wirklich notwendig und zweckmäßig ist, erscheint fraglich; bei der eindeutigen Bezugnahme des Gesetzes auch auf diesen Abs. 2 S. 3 muß aber insoweit die Vervollständigung des unvollständigen Geschäftsberichts erfolgen.

V . Verstoß Anm. i: Zur Bekanntmachung nach § 177 kann der Vorstand, der insofern als Kollegium verpflichtet ist, nicht unmittelbar durch Ordnungsstrafe nach § 1 4 H G B vom Registerrichter angehalten werden, sondern nur mittelbar, indem die Einreichung der Belege über die Bekanntmachung mit Ordnungsstrafen verlangt wird (vgl. B.-H. Rn. 3; jetzt auch Brönner in Großkomm. Anm. 1). D a jedes Mitglied des Vorstandes verpflichtet ist, für die ordnungsgemäße Bekanntmachung zu sorgen, trifft ihn einmal die zivilrechtliche Verantwortung, wenn der Gesellschaft ein Schaden entsteht, aus § 93; das wird aber wohl nur selten vorkommen, es sei denn, es wird von einem Dritten ein ihm entstandener Schaden gegen die Gesellschaft geltend gemacht. In diesem Fall könnte sich die Gesellschaft am Vorstand schadlos halten, sofern dieser seine Pflichten verletzt hat. Vor allem aber ist die Nichteinhaltung der Bestimmungen des § 178 eine Ordnungswidrigkeit. Nach § 4 0 5 I Ziff. 4 han1081

§ 178

Anm. 5

Rechnungslegung • Gewinnverwendung

delt u. a. ordnungswidrig, wer als Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats vorsätzlich oder leichtfertig nicht für die Einhaltung des § 178 über Form und Inhalt der Bekanntmachung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes sorgt.

1082

Beschluß der Hauptversammlung SECHSTER TEIL

§179

Anm. 1

Satzungsänderung. Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung Erster Abschnitt Satzungsänderung § 179 Beschluß der Hauptversammlung (1) Jede Satzungsänderung bedarf eines Beschlusses der Hauptversammlung. Die Befugnis zu Änderungen, die nur die Fassung betreffen, kann die Hauptversammlung dem Aufsidhtsrat übertragen. (2) Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine andere Rapitalmehrheit, für eine Änderung des Gegenstands des Unternehmens jedoch nur eine größere Kapitalmehrheit bestimmen. Sie kann weitere Erfordernisse aufstellen. (3) Soll das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung geändert werden, so bedarf der Beschluß der Hauptversammlung zu seiner 'Wirksamkeit der Zustimmung der benachteiligten Aktionäre. Über die Zustimmung haben die benachteiligten Aktionäre einen Sonderbeschluß zu fassen. Für diesen gilt Absatz 2. I. Übersicht (Anm. 1) II. Inhalt einer Satzungsänderung (Anm. 2) III. Zuständigkeit (Anm. 3) 1. Sachliche Änderungen (Anm. 3) 2. Formelle Änderungen (Anm. 4) IV. Ankündigung (Anm. 5) V. Erforderliche Mehrheit 1. Allgemein (Anm. 6)

2. Änderung des Gegenstandes (Anm. 7) VI. Sonderbesdiluß 1. Voraussetzung (Anm. 8) 2. als Wirksamkeitsvoraussetzung (Anm. 9) 3. Erforderliche Mehrheit (Anm. 10) 4. Verstoß (Anm. 11) VII. Sonderrechte (Anm. 12)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 145 I AktG 37 und des § 146 AktG 37 mit wenigen Änderungen. Abs. 2 S. 2 ist durch das Wort „Kapitalmehrheiten" hinter „anderen" ergänzt worden, womit ein Meinungsstreit im Sinne der herrschenden Meinung geklärt worden ist; Abs. 3 enthält eine Änderung insoweit, als die Zustimmung der benach1083

§179

Anm, 1,2

Satzungsänderung

teiligten Aktionäre nicht „in gesonderter Abstimmung", sondern durch einen „Sonderbeschluß" zu erfolgen hat; dieÄnderung beruht auf § 138 (s. Anm. 8). Die Bestimmung setzt den Grundsatz der Abänderlichkeit der Satzung voraus. Da die Satzung von den Aktionären aufgestellt ist, ist audi zur Satzungsänderung ein Beschluß der Hauptversammlung mit der durch § 179 bestimmten Mehrheit und nach § 181 die Eintragung der Änderung ins Handelsregister erforderlich. Daß die Satzung abänderlidi ist, ist zwingender Rechtsgrundsatz. Sie ist es selbst dann, wenn sie sich als unabänderlich bezeichnet. Aber im Hinblick auf § 179 II S. 3 ist in einer derartigen Bezeichnung das Erfordernis einer erhöhten Mehrheit, im Zweifel der Einstimmigkeit der Abstimmenden, möglicherweise zugleich auch der Vertretung und Teilnahme des ganzen stimmberechtigten Grundkapitals an der Beschlußfassung zu sehen. Eine solche Satzungsbestimmung noch weitergehend als Vorschrift der Zustimmung aller (auch nicht anwesenden und nicht stimmberechtigten) Aktionäre zu deuten, scheitert einerseits an § 118 I und daran, daß ein Sonderrecht auf Unabänderlichkeit der Satzung im ganzen wohl nicht denkbar ist, zumal ein solches praktisch dem Grundsatz der Abänderlichkeit der Satzung widersprechen würde (a. A. B.-H. Rn 4). Abs. 2 und 3 bestimmen die erforderlichen Mehrheiten. Grundsätzlich wird neben der Stimmenmehrheit zu einem satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluß eine qualifizierte Kapitalmehrheit verlangt; dies richtet sich gegen Mehrstimmrechte (§ 12). Werden die Rechte der Aktionäre einer Aktiengattung berührt, so müssen diese gesondert einen Beschluß mit entsprechender Mehrheit fassen. II. Inhalt einer Satzungsänderung Anm. 2: Inhalt einer Satzungsänderung kann die Änderung, Aufhebung und Neueinführung jeder beliebigen Bestimmung sein, welche die Satzung überhaupt wirksam treffen kann, und von der sich nicht aus dem Gesetz oder aus der Natur der Sache (z. B. § 55 mit § 541 und § 180) ergibt, daß sie in der ursprünglichen Satzung vorgesehen sein muß. Lediglich Änderungen solcher Satzungsbestimmungen, die die körperschaftsrechtliche Verfassung der Gesellschaft oder die Ausgestaltung dejr Mitgliedschaftsrechte regeln, sind Satzungsänderung im Sinne des § 179. Andere Bestimmungen, die nicht das Rechtsverhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft betreffen und nicht in der Satzung enthalten zu sein brauchen, sind hinsichtlich ihrer Änderung daher nicht an diese strengen Voraussetzungen gebunden (RG in JW 1919, 313; KG DR 1941, 2129; BGH 18, 208), z.B. Wechsel im Vorstand oder Aufsichtsrat, wenn die ersten Mitglieder in der Satzung aufgeführt sind, Gehalts- oder Pensionsvereinbarungen oder dergleichen. Vorbehaltlich des Grundsatzes gleicher Behandlung aller (s. § 1 Anm. 4) ist grundsätzlich der Inhalt des Aktien1084

Beschluß der Hauptversammlung

§179 Anm. 2

rechts nicht unveränderlich und hat kein Aktionär Anspruch auf seinen unveränderten Inhalt oder Bestand. Wohl kann die Satzung einzelne allgemeine Mitgliedschaftsrechte, auch soweit sie gesetzlich entziehbar sind, zu allgemeinen Sonderrechten erheben, indem sie zu ihrer Änderung oder Entziehung die Zustimmung jedes einzelnen betroffenen Aktionärs (s. hierüber bei § 181) für erforderlich erklärt — dann ist ein derartiger Satzungsänderungsbeschluß zwar rechtsgültig und eintragungsfähig (bestritten), aber gemäß § 35 BGB gegenüber einem Aktionär, der nicht (formlos vor oder nach dem Hauptversammlungsbeschluß oder seiner Eintragung) zustimmt, relativ unwirksam, so daß auf diese Weise verschiedene Aktiengattungen entstehen können —, aber es geht zu weit und ist nicht zulässig, allgemein jede Satzung dahin auszulegen, daß zu einem Eingriff in bestimmte allgemeine Mitgliedschaftsrechte wegen ihrer Bedeutung die Zustimmung des einzelnen Aktionärs erforderlich sei (Weipert in Z G H R 1944, 33). Soweit durch einen Änderungsbeschluß die wesentlichen Merkmale der Gesellschaft beseitigt würden, oder er sonst gegen zwingende aktien- oder öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, ist er selbstverständlich ebenso nichtig, wie ein anderer mit solchen Mängeln behafteter Hauptversammlungsbeschluß (§241) und kann nicht ins Handelsregister eingetragen werden. Ohne nichtig zu sein, kann ein Beschluß, auch in gewissen Beziehungen, insbesondere gegenüber bestimmten Personen (Gläubigern, Aktionären als Inhaber von Sonderrechten, Genußscheininhabern, Inhabern von Wandelschuldverschreibungen), unwirksam sein, wenn er ohne Zustimmung der Betroffenen in Rechte eingreift, die der Einwirkung durch das Selbstgesetzgebungsrecht der Gesellschaft nicht ausgesetzt sind, oder ihnen Pflichten auferlegen will oder schuldrechtliche Bindungen verletzt. Er hat dann die Wirkung eines solchen Eingriffs (oder Verpflichtung) nicht, das hindert aber seine Eintragung nicht. Endlich kann ein Satzungsänderungsbeschluß wie jeder Hauptversammlungsbeschluß nach § 243 wegen Verletzung einer nicht zwingenden Gesetzesbestimmung oder der Satzung, insbesondere über das Zustandekommen des Beschlusses, anfechtbar sein. Audi die Anfechtbarkeit braucht die Eintragung nicht zu hindern. Keine Satzungsänderung ist ein Beschluß, der sich über die Satzung, ohne für alle Zukunft ihre Änderung zu wollen, im Einzelfalle hinwegsetzt, und deshalb, mag er auch mit der zu einer Satzungsänderung genügenden Mehrheit gefaßt sein, als satzungsverletzend anfechtbar ist (Baumbadi-Hueck Rn 3; abw. Boesebeck in N J W 60, 2265). Fischer (in Großkomm. § 145 AktG 37 Anm. 6) nimmt an, daß von diesem Grundsatz eine Ausnahme möglich sei. Wird in einem Fall bewußt eine Ausnahme von Satzungsbestimmungen beschlossen, die nicht allgemein, sondern nur für diesen einen Fall gültig sein soll, so liegt eine Satzungsänderung vor (ebenso B.-H. Rn 3). Wir können diese Ansicht nicht teilen. Begrifflich würden in einem Beschluß zwei 1085

§179

Anm. 2,3

Satzungsänderung

Satzungsänderungen zu ganz verschiedenen Zeitpunkten vorliegen, nämlich zunächst die Änderung f ü r einen bestimmten Ausnahmefall und gleichzeitig die Rückführung zur alten Bestimmung, wenn dieser Ausnahmefall beendet ist. Oder soll es sich um eine auflösend bedingte Satzungsbestimmung handeln? Audi das ist begrifflich nicht möglich. Keine Satzungsänderung ist der Beschluß der Auflösung oder Vermögensveräußerung. In der Abwicklung sind Satzungsänderungen denkbar, aber nur insoweit zulässig, als sie mit dem Abwicklungszweck vereinbar sind (BGH 24, 286). Unstatthaft ist beispielsweise die Änderung des Gegenstandes des Unternehmens (OLG München in H R R 38, 1547). Eine Kapitalerhöhung ist nach B G H 24, 286 zulässig, wird aber aus anderen Gründen kaum möglich sein.

III. Zuständigkeit 1. Sachliche Änderungen Anm. 3: Satzungsänderungen sachlicher Art kann allein die Hauptversammlung beschließen. Die Bestimmung ist zwingend. Nach unserer Ansicht handelt es sich um eine Zuständigkeitsregelung innerhalb der Gesellschaft. Eine Satzungsbestimmung, die dem Vorstand, dem Aufsichtsrat oder einem Aktionär die Befugnis einräumen würde, die Satzung zu ändern, wäre nichtig, aber auch eine solche, die eine außergesellschaftliche Stelle (Behörde, Dritte) zur Mitwirkung beruft (allgemeine Ansicht, ebenso R G 169, 80; a. A. nur Groschuff in D R 39, 2133). Wir folgern dies weniger aus § 179 als aus der der Aktiengesellschaft durch § 1 gewährten eigenen Persönlichkeit, also ihrer rechtlichen Freiheit. So wenig wie es bei der Willensbildung einer natürlichen Person auch nur denkbar ist, daß dabei der Wille einer anderen Person mitwirkt, ist dies beim Zustandekommen des Willens einer juristischen Person möglich. Denknotwendig kann daher auch nichts anderes gelten, wenn die Wirksamkeit der Beschlüsse laut Satzung von der Zustimmung einer Behörde oder Stelle abhängig sein sollen, welche öffentliche Belange zu wahren hat (a. A. Waldmann in D F G 40, 103). N u r schuldrechtlich kann eine Bindung wirksam sein. Ferner kann der einzelne Satzungsänderungsbeschluß (wie jeder andere Hauptversammlungsbesdiluß) sich selbst beschränken und zur Bedingung seiner Wirksamkeit die Zustimmung eines anderen machen (a. A. Ritter, § 145, Anm. 4), denn es ist nicht einzusehen, warum sich nicht die Gesellschaft, wie jede natürliche Person, sollte vorbehalten können, etwas nur zu wollen, wenn ein anderer damit einverstanden ist. Aber sowenig wie eine natürliche Person von vornherein allgemein die Zustimmung eines Dritten zur Bedingung der Rechtswirksamkeit ihres Willens machen kann, so wenig kann dies eine Gesellschaft durch ihre Satzung. 1086

Beschluß der Hauptversammlung

§ 179 Anm. 4—6

2. Formelle Änderungen Anm. 4.: Für sachliche Änderungen der Satzung gibt es keine Ausnahme von dem Grundsatz der Alleinzuständigkeit der Hauptversammlung, wohl aber für formelle, welche die Fassung (gleich Wortlaut) betreifen. Insoweit kann die Hauptversammlung eine Änderung dem Aufsichtsrat überlassen, nur dem Kollegium, das aber einen Ausschuß bilden kann (s. § 107 III). Ob die Ermächtigung in jedem Einzelfall beschlossen werden muß oder allgemein von der Satzung erteilt werden kann, ist mit der herrschenden Meinung in letzterem Sinne zu beantworten. Die häufige Bestimmung, die den Aufsichtsrat ermächtigt, alle Änderungen und Zusätze vorzunehmen, die das Registergericht für erforderlich halten sollte, ist ungültig, soweit damit mehr als bloße Fassungsänderungen gemeint sind. Dagegen kann bei einer Versicherungs AG Hauptversammlung oder Satzung über § 179 I S. 2 hinaus den Aufsichtsrat ermächtigen, alle Änderungen vorzunehmen, die von der Aufsichtsbehörde verlangt werden (vgl. §39 III, §156 VAG). Für den Ermächtigungsbeschluß gilt § 181 nur, wenn die Ermächtigung in der Satzung allgemein vorgesehen werden soll; im Einzelfall bedarf nur die vom Aufsichtsrat beschlossene Neufassung der Eintragung (Anmeldung durdi den Vorstand). Für den Aufsichtsratsbeschluß gilt lediglich § 108, wenn Satzung oder Ermächtigungsbeschluß nichts Besonderes bestimmen. Überschreitet der Aufsichtsrat die Ermächtigung, ist auch die eingetragene Änderung nicht eingetreten. Das Gleiche gilt, wenn die Hauptversammlung im Ermächtigungsbeschluß die ihr gesteckten Grenzen des § 179 I S. 2 überschreitet. Sowohl der Ermächtigungs- als auch der darauf beruhende Aufsichtsratsbeschluß sind dann nichtig. IV. Ankündigung Anm. 5: Nicht mit übernommen wurde der bisherige § 145 II und I I I AktG 37, da diese Bestimmungen im neuen Gesetz an anderer Stelle geregelt worden sind. Die ordnungsgemäße Ankündigung der beabsichtigten Satzungsänderung ist in § 124 und die Frist, von wann ab rechtswirksam getroffene Festsetzungen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sadiübernahmen geändert werden können, ist in § 26 IV und § 2 7 I V geregelt. V. Erforderliche Mehrheit 1. Allgemein Anm. 6: Zunächst bedarf der Beschluß der Hauptversammlung nach dem Grundsatz des § 133 einer Mehrheit der abgegebenen Stimmen (vgl. dort 1087

§179 Anm. 6,7

Satzungsänderung

Anm. 2). Dabei werden die Aktien nicht nach dem Nennbetrag, sondern danach bewertet, welches Stimmrecht sie besitzen. Ein Mehrstimmrecht von Vorzugsaktien wirkt sich insoweit voll aus. Neben der Stimmenmehrheit muß die 'A-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals erreicht sein. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, wenn nach § 134 ein Stimmrechtshöchstbetrag festgesetzt ist. Evtl. ist selbst bei Einstimmigkeit nicht z k des vertretenen Grundkapitals erreicht (vgl. Möhring-Tank I Rz 446). Die Satzung kann — auch mittels Satzungsänderung — die Kapitalmehrheit durch eine andere ersetzen. Die Bestimmung „vorbehaltlich der im Gesetz enthaltenen besonderen Bestimmungen entscheidet die einfache Mehrheit" ist keine solche Anordnung (KG in D J Z 21, 496); wohl aber die Bestimmung „soweit das Gesetz nicht zwingend eine größere Mehrheit verlangt", da die Bestimmung des § 179 II nicht zwingend ist. Nicht geändert werden kann das Erfordernis der einfachen Stimmenmehrheit (s. § 133). Die Vorschrift befaßt sich ausschließlich mit der Kapitalmehrheit, um zu verhindern, daß die Satzung allein durch Mehrstimmrechtsaktien geändert werden kann. Die Satzung kann das gesetzliche Erfordernis sowohl mindern als auch erschweren. Es muß jedoch mindestens die Kapitalmehrheit vorhanden sein, d. h., die Satzung kann nicht ein Erfordernis von weniger als 50 %> des vertretenen Kapitals für Satzungsänderungen als genügend bezeichnen, das ergibt sich allein aus der Formulierung „andere Kapitalmehrheiten". Handelt es sich um erschwerende Bestimmungen der Satzung, so können sie, wenn sie allgemein für Satzungsänderungen gelten, selbst nur mit der durch sie vorgeschriebenen Mehrheit (ebenso B.-H. Rn 8), wenn sie aber nur für bestimmte Satzungsänderungen gelten, mit der sonst (nach der Satzung oder § 179 II) für Satzungsänderungen genügenden Mehrheit geändert werden, wenn sie nicht selbst anderes bestimmen oder anders auszulegen sind. Je nach dem Inhalt des erschwerenden Erfordernisses kann aber zu seiner Änderung (Beseitigung) Sonderabstimmung nach Abs. 3 erforderlich sein. 2. Änderung des Gegenstandes Anm. 7: Besonderes gilt für den Fall der Änderung des Gegenstandes des Unternehmens. Dieser ergibt sich gemäß § 23 aus der Satzung; gemeint ist hier nicht nur die ausdrückliche Änderung der betreffenden Satzungsbestimmung, sondern jeder Beschluß, tatsächlich den Gegenstand des Unternehmens zu ändern, so z. B. die Aufnahme einer anderen als in der Satzung bestimmten Fabrikation. Die zum Beschluß, den Gesellschaftsgegenstand zu ändern, erforderliche Kapitalmehrheit kann durch die Satzung nur vergrößert werden, eine Satzungsbestimmung, wonach die Zustimmung eines Bruchteils des Grundkapitals verlangt wird, ist mithin neben der gesetzlichen Bestimmung nur in dem 1088

Beschluß der Hauptversammlung

§179

Anm. 7—9

Sinn gültig, daß daneben auch mindestens 3A des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich ist. In allen Fällen kann die Satzung noch andere Erfordernisse aufstellen. Satzungsbestimmungen, die im Widerspruch zu den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen andere Mehrheiten vorsehen, sind nur neben den gesetzlichen Bestimmungen gültig, u. U. zwingenden gesetzlichen höheren Erfordernissen gegenüber gegenstandslos. VI. Sonderbeschluß 1. Voraussetzung Anm. 8: Eine Änderung des Verhältnisses mehrerer Aktiengattungen zum Nachteil der einen macht einen Sonderbeschluß der benachteiligten Aktionäre erforderlich. Die Satzung kann dieses Erfordernis erschweren, aber nicht beseitigen oder mildern. Über die Voraussetzungen, unter denen der Sonderbeschluß entbehrlich ist, siehe § 11 Anm. 9. Sind mehrere Gattungen benachteiligt, so hat jede benachteiligte Gattung einen Sonderbeschluß zu fassen. Über den Begriff der Aktiengattung vgl. § 11 Anm. 4 bis 6. Nicht jeder Beschluß, der auf die verschiedenen Aktiengattungen gerade infolge ihrer Verschiedenheit verschieden wirkt, gehört hierher, aber auch nicht nur ein solcher, welcher unmittelbar die Rechte der einen oder anderen Gattung betrifft und dadurch das Verhältnis der Gattungen verschiebt; vielmehr genügt z. B. nadi RG 125, 356 auch, daß das Mehrheitserfordernis für Satzungsänderungen abgeändert werden soll und dadurch die Machtstellung der einen Gattung eine Einbuße erfährt. Nach LG Berlin in JW 37, 2835 liegt eine Benachteiligung der Stammaktionäre bei Aufhebung sämtlicher Vorrechte der Vorzugsaktionäre und ihre Gleichstellung mit den ersteren auch dann nicht vor, wenn ihr Anteil am Bilanzgewinn und Abwicklungserlös zwar bevorzugt, aber begrenzt war (bedenklich). Für den Beschluß, durch den der Unterschied der Gattungen erst begründet werden soll, gilt das Erfordernis der Sonderabstimmung der dadurch zukünftig schlechter gestellten Aktionäre noch nicht, jedoch ist er, wenn er gegen die Gleichbehandlung aller bereits bestehenden Rechte verstößt, anfechtbar (s. § 1 Anm. 4; B.-H. Rn 10). Dasselbe gilt, wenn die Rechte, die allen Aktionären gleich und gemeinsam sind, also die Gattungsverschiedenheit nicht begründen, nur bei einer Gattung geändert werden sollen. 2. als Wirksamkeitsvoraussetzung Anm. 9: Um den Hauptversammlungsbeschluß, der das Verhältnis mehrerer Aktiengattungen zum Nachteil einer Gattung ändert, wirksam werden zu lassen, ist der Sonderbeschluß unabänderliche Voraussetzung. Es genügt nicht, daß die betroffenen Aktionäre bei der Gesamtabstimmung für die Satzungs1089

§179

Anm. 9,10

Satzungsänderung

änderung gestimmt haben. Ein Sonderbeschluß ist auch dann erforderlich, wenn die Hauptversammlung einstimmig die Satzungsänderung beschlossen hat (RG 148, 175, übereinstimmend mit KG in OLG 19, 336, entgegen KG in JW34,174). Wann die Sonderabstimmung stattfindet, ist gleichgültig, sie kann vor und nach dem Gesamtbeschluß auch in einer besonderen Versammlung der benachteiligten Aktionäre erfolgen. Innerhalb welcher Frist dies geschehen muß, kann nur nach Lage des einzelnen Falles, unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und den Interessen ailer Beteiligten entschieden werden (vgl. im einzelnen die Erläuterungen zu § 138). Erscheint kein benachteiligter Aktionär, so kann kein Beschluß zustande kommen. Die Tatsache, daß alle Versuche, einen Sonderbeschluß der benachteiligten Gattung zustande zu bringen, mangels Erscheinens oder Abstimmung auch nur eines einzigen Aktionärs der Gattung vergeblich waren, beseitigt das Erfordernis des Sonderbeschlusses nicht. Solange es an dem Sonderbeschluß fehlt, sei es, daß er nicht gefaßt wurde oder nichtig ist, ist zwar der Beschluß der Hauptversammlung weder nichtig noch anfechtbar, aber er ist (nicht bloß relativ, sondern) absolut unwirksam (LG Mannheim in Die AktGes. 1967, 83; B.-H. Rn 12; RG 148, 175). Der Wortlaut des Abs. 2 stellt unzweideutig klar, daß die Eintragung abzulehnen ist (KGJ 16, 20; 35 A 164), und zwar nach der nunmehrigen Fassung erst recht, ohne daß es auf die Begründung in RG 148, 187 ankäme. Die Eintragung macht den Beschluß nicht gültig, ist vielmehr von Amts wegen wieder zu löschen. Der noch fehlende Beschluß kann nachgeholt werden, auch wenn seit dem Zeitpunkt des Hauptbeschlusses ein Wechsel im Aktienbesitz eingetreten ist (vgl. Geßler in D J 36, 1491). Werden durch den Hauptversammlungsbeschluß mehrere Gattungen benachteiligt, so kommt es u. E. zunächst darauf an, ob der Nachteil die Aktionäre dieser Gattungen gleichmäßig trifft. Dann bedarf es nur eines Sonderbeschlusses der Aktionäre der mehreren Gattungen (a. A. B.-H. Rn 11; Möhring-Tank I Rz 448). Für unsere Ansicht spricht neben dem Sinn und Zweck auch der Wortlaut des Gesetzes, der eine Sonderbestimmung der „benachteiligten Aktionäre" und nicht von den „Aktionären dieser Gattung" verlangt. Wirkt sich der Nachteil dagegen auf die Gattungen verschieden aus, so ist ein Sonderbeschluß jeder Gattung erforderlich. 3. Erforderliche Mehrheit Anm. 10: Für die Mehrheitserfordernisse des Sonderbeschlusses gilt Abs. 1, ebenso evtl. eine Satzungsbestimmung über das Mehrheitserfordernis des Hauptversammlungsbeschlusses. Die Satzung kann die Mehrheitserfordernisse für Hauptversammlungs- und Sonderbeschluß nicht verschieden regeln. Nach § 138 sind abweichende Bestimmungen für Sonderbeschlüsse nicht zulässig (a. A. B.-H. Rn 11). 1090

Zustimmung der betroffenen Aktionäre 4.

§ § 179/180 Anm. 11,12/1

Verstoß

Anm. 11: Wird der Sonderbeschluß gefaßt und verstößt sein Zustandekommen gegen Gesetz oder Satzung, so ist er nichtig bzw. selbständig anfechtbar, weil er als Hauptversammlungsbeschluß im Sinne der §§ 241, 243 anzusehen ist (ebenso Schl.-Qu. § 145 Anm. 13, B.-H. Rn 12; Möhring-Tank I Rz 448). Der Hauptversammlungsbeschluß ist bei Nichtigkeit oder erfolgreicher Anfechtung des Sonderbeschlusses wegen des Fehlens des erforderlichen Sonderbeschlusses unwirksam. Es dürfte also eine wegen eines Fehlers des Sonderbeschlusses gegen den Hauptversammlungsbeschluß gerichtete Nichtigkeitsklage oder Anfechtungsklage abzuweisen sein. Wenn derselbe Fehler des Zustandekommens dem Hauptversammlungsbeschluß anhaftet, so würde er, wenn nur der Sonderbeschluß — erfolgreich — angefochten wird, schwebend unwirksam bleiben und die fehlerfreie Wiederholung des Sonderbeschlusses ihm zu voller Wirksamkeit verhelfen. In diesem Fall empfiehlt es sich also, den Hauptversammlungsbeschluß mit anzufechten. Wegen Gesetzwidrigkeit des Inhalts müssen notwendig immer beide Beschlüsse nichtig oder anfechtbar sein. VII. Sonderrechte Anm. 12: Von der Änderung des Verhältnisses mehrerer Aktiengattungen zu unterscheiden ist der Eingriff in Sonderrechte einzelner Aktionäre durdi Satzungsänderung. Hierzu ist die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erforderlich; bis diese erteilt ist, ist der Hauptversammlungsbeschluß schwebend unwirksam ( B G H 15, 181); wird sie verweigert, ist er endgültig unwirksam. § 180 Zustimmung der betroffenen Aktionäre (1) Ein Beschluß, der Aktionären Nebenverpflichtungen auferlegt, bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre. (2) Gleiches gilt für einen Beschluß, durch den die Übertragung von Namensaktien oder Zwischenscheinen an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden wird. Anm. 1: Die Vorschrift stimmt in Abs. 1 mit dem bisherigen § 147 AktG 37 überein und bestimmt in Abs. 2 neu, daß die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre für einen Beschluß erforderlich ist, durch den die Übertragung von Namensaktien oder Zwischenscheinen an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden wird. Nicht erwähnt ist der Entzug von Sonderrechten, trotzdem ist auch hier Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erforderlich (s. § 179 Anm. 12). 1091

§§ 180/181 Anm. 2—i

Satzungsänderung

Anm. 2: § 180 ist angesichts der §§ 54, 55 (vgl. dort) selbstverständlich und gilt auch für die Verlängerung oder Vermehrung bestehender Nebenverpfliditungen, auch für Verlängerung der Dauer einer Gesellschaft mit Nebenleistungspflichten. Auch wenn die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung von Namensaktien beschlossen wird, wird Aktionären eine Nebenverpflichtung auferlegt (a. A. B.-H. R n 5 ) . Nach herrschender Ansicht fiel dies schon früher unter die dem § 180 I entsprechende Vorschrift des bisherigen § 147 AktG 37. Nicht erforderlich ist die Zustimmung für Beschränkung und Aufhebung von Nebenleistungspflichten. Dies ist durch gewöhnliche Satzungsänderung möglich, auch wenn der verpflichtete Aktionär wegen der Gegenleistung ein besonderes Interesse an der vollen Aufrechterhaltung der Nebenleistungspflicht hat (B.-H. Rn 2), vorbehaltlich besonderer Satzungsbestimmungen. Anm. 3: Zustimmung aller betroffenen Aktionäre wird gefordert. Für die Zustimmung ist nidit eine gesonderte Abstimmung wie nach § 179 I I I erforderlich. Die Zustimmung ist vielmehr eine empfangsbedürftige formlose Erklärung, die einzeln der Gesellschaft gegenüber erteilt, aber auch durch entsprechende Abstimmung in und auch außerhalb der Hauptversammlung abgegeben werden kann, im voraus und nachträglich (ebenso R G in J W 31, 2975 und 36, 185). Solange die betroffenen Aktionäre nicht zugestimmt haben, ist der Beschluß ihnen gegenüber relativ unwirksam (nicht anfechtbar oder nichtig, ebenso R G a. a. O.). Daneben sind auch Fälle denkbar, bei denen § 179 I I I Anwendung findet. Das ist wichtig wegen des Erfordernisses eines Sonderbeschlusses und dessen Protokollierung. Anm. 4: Solange nicht alle Zustimmungen vorliegen, ist der Hauptversammlungsbeschluß schwebend unwirksam. Verweigert auch nur ein betroffener Aktionär seine Zustimmung, so ist der Beschluß endgültig unwirksam (B.-H. Rn 4; a. A. die Voraufl.). Daraus folgt, daß der Beschluß erst eingetragen werden kann, wenn dem Registergericht zu dessen Gewißheit nachgewiesen ist, daß sämtliche Zustimmungen erteilt sind. Das Gericht kann den Nadiweis in öffentlich beglaubigter Form fordern (Fischer in Großkomm. § 50 AktG 37 Anm. 7; B.-H. Rn 4; a. A. die Voraufl.).

§ 181 Eintragung der Satzungsänderung (1) Der Vorstand hat die Satzungsänderung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung ist der vollständige Wortlaut der Satzung beizufügen; er muß mit der Bescheinigung des Notars versehen 1092

Eintragung der Satzungsänderung

§ 181

Anm. 1,2

sein, daß die geänderten Bestimmungen der Satzungen mit dem Beschluß über die Satzungsänderung und die unveränderten Bestimmungen der Satzung mit dem zuletzt zum Handelsregister eingereichten vollständigen Wortlaut der Satzung übereinstimmen. Bedarf die Satzungsänderung staatlicher Genehmigung, so ist der Anmeldung die Genehmigungsurkunde beizufügen. (2) Soweit nicht die Änderung Angaben nadi § 39 betrifft, genügt bei der Eintragung die Bezugnahme auf die beim Gericht eingereichten Urkunden. Betrifft eine Änderung Bestimmungen, die ihrem Inhalt nach bekanntzumachen sind, so ist auch die Änderung ihrem Inhalt nach bekanntzumachen. (3) Die Änderung wird erst wirksam, wenn sie in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anmeldung 1. Verpflichtete (Anm. 2) 2. Form (Anm. 3) 3. Zeitpunkt (Anm. 4) III. Anlagen 1. Vollständige Satzung (Anm. 5) 2. Genehmigungsurkunde (Anm. 6)

IV. Prüfung durch das Gericht (Anm. 7) V. Inhalt (Anm. 8) VI. Bekanntmachung (Anm. 9) VII. Wirkung der Eintragung (Anm. 10) VIII. Rückwirkungen von Satzungsänderungen (Anm. 11) I X . Haftung für den Inhalt (Anm. 12)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 148 AktG 37 mit einer Änderung in Abs. 3, die wegen der Frage der Rückwirkung von Satzungsänderungen vorgenommen worden ist (s. Anm. 11). Satzungsänderungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung ins Handelsregister (Abs. 3). Abs. 1 bestimmt, durch wen und auf welche Weise die Eintragung herbeizuführen ist, Abs. 2 bestimmt, welchen Inhalt sie und ihre Bekanntmachung haben muß. Uber genehmigungsbedürftige Eintragungen ohne Genehmigung vgl. § 37 Anm. 4 e. II. Anmeldung 1. Verpflichtete Anm. 2: Jede Satzungsänderung, auch die dem Aufsichtsrat gemäß § 1791 S. 2 übertragene Fassungsänderung, ist zur Eintragung in das Handelsregister durdi die Gesellschaft anzumelden. Die Anmeldung erfolgt durch den Vorstand, d. h. nicht durch alle Mitglieder, sondern durch so viele, wie zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind (§ 78). Gleichzeitigkeit ist nicht 1093

§181

Satzungsänderung

Anm. 2—5 erforderlich. Stellvertretende Vorstandsmitglieder stehen ordentlichen gleich. Es genügt auch, wenn ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen anmeldet (KG in JW 38, 3121), sofern die Satzung diese sogenannte unechte Gesamtvertretung als gesetzliche Vertretung zuläßt. Trotz des Vorgesagten haben die Anmeldenden mit ihrem Namen, nicht mit der Firma der Gesellschaft zu zeichnen. Zu beachten ist, daß bei einigen Satzungsänderungen, z. B. bei den §§ 184, 188, 195, 223, der Aufsichtsratsvorsitzende mitanzumelden hat. 2. Form Anm. 3: Nach § 12 HGB ist die Anmeldung persönlich — das schließt Bevollmächtigung nicht aus — bei dem Geridit des Sitzes zu erwirken oder in öffentlich beglaubigter Form (Unterschriftsbeglaubigung) einzureichen. Auch eine Vollmacht bedarf nach § 12 II HGB der öffentlichen Beglaubigung. Es sind nach § 43 I so viel Stücke (beglaubigte Abschriften) der Anmeldung mit einzureichen, wie inländische Zweigniederlassungen bestehen. Für inländische Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften gilt § 44 nicht (vgl. Anm. 5). Die Niederschrift über die Hauptversammlung ist mindestens in beglaubigter Abschrift beizufügen. Das gleiche gilt für einen Aufsichtsratsbeschluß über Änderung der Fassung, wenn nicht die Urschrift beigefügt wird. Letztere bedarf weder der öffentlichen Beurkundung (§ 107), noch Beglaubigung der Unterschrift. 3. Zeitpunkt Anm. 4: Trotz der kategorischen Fassung des Gesetzes steht es der Gesellschaft frei, die Anmeldung aufzuschieben oder zu unterlassen. Der Hauptversammlungsbeschluß kann bestimmen, daß der Eintritt eines Termins oder einer Bedingung, insbesondere die Fassung oder Eintragung eines anderen Beschlusses, abgewartet werden soll. Unterbleibt die Anmeldung, so kann keine Ordnungsstrafe durch den Registerrichter (§ 407 II) festgesetzt werden. Der Vorstand ist jedoch zur Anmeldung der Gesellschaft gegenüber verpflichtet. Erkennt der Vorstand, daß der Beschluß, den er anmelden soll, nichtig ist, so kann er die Anmeldung (auf eigene Gefahr) — bei Teilnichtigkeit auch teilweise (KG in DFG 39, 90) — unterlassen. Ist der Beschluß anfechtbar, so kann er den Ablauf der Anfechtungsfrist abwarten, sofern nicht dadurch der Gesellschaft besondere Gefahren drohen (vgl. B.-H. Rn 2). III. Anlagen 1. Vollständige Satzung Anm. i: Durch das Gesetz zur Durchführung der ersten Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaft zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts 1094

Eintragung der Satzungsänderung

§181

Anm. 5—7

vom 15.8.1969 (BGBl. I 1146) wurde neu bestimmt, daß der vollständige Wortlaut der Satzung mit einzureichen ist. Ferner ist eine Bescheinigung eines Notars einzureichen, die zweierlei zu bestätigen hat: a) daß die geänderten Bestimmungen der eingereichten Satzung mit dem Hauptversammlungsbeschluß über die Änderung übereinstimmt; b) daß die unverändert gebliebenen Bestimmungen mit dem gleichen Wortlaut in die neu überreichte Satzung übernommen worden sind, wie sie bereits in der letzten dem Gericht eingereichten Satzung enthalten waren. Diese zuletzt eingereichte Satzung wird gemäß Art. 8 des Gesetzes vom 15. 8.1969 Ende 1970 bei Gericht eingereicht worden sein. Nach dieser Bestimmung mußte bis zum 31.12.1970 der Wortlaut der derzeit gültigen Satzung mit einer entsprechenden Bescheinigung eines Notars bei Gericht eingereicht werden. Mit dieser Bestimmung ist gewährleistet, daß immer der genaue Wortlaut der derzeit gültigen Satzung beim Registergericht in vollständiger Fassung vorliegt und sich nicht lediglich — wie bisher — aus den verschiedenen Anmeldungen ergibt. 2. Genehmigungsurkunde Anm. 6: Der Anmeldung ist die Genehmigungsurkunde beizufügen, wenn die Satzungsänderung der staatlichen Genehmigung bedarf, z. B., wenn sie den Gegenstand ändert und dadurch die Gesellschaft genehmigungspflichtig wird. Die Genehmigungsurkunde ist urschriftlich einzureichen. Zweckmäßig ist es, eine Abschrift beizufügen, die in den Registerakten verbleiben kann, während die Urschrift der Gesellschaft zurückzugeben ist. IV. Prüfung durch das Gericht Anm. 7: Die Prüfung des Registergerichts vor der Eintragung bezieht sich zunächst auf die Legitimation der Anmeldenden und die Form der Anmeldung, deren Übereinstimmung mit dem gefaßten Beschluß und darauf, ob überhaupt äußerlich ein im Rechtssinn wirksamer Beschluß vorliegt. Ist das nicht der Fall, z.B., wenn im Fall des § 179 III ein Sonderbeschluß fehlt, ist die Eintragung abzulehnen. Erfolgt sie trotzdem, so wird dadurch der Beschluß nicht gültig und kann die Eintragung ohne zeitliche Grenze von Amts wegen gelöscht werden (§ 144 II FGG). Zu prüfen ist ferner der Inhalt des gefaßten Beschlusses und die Erfüllung der durch ihn etwa begründeten Mehrheits-, Genehmigungs- und Zustimmungserfordernisse. Ist letztere nicht nachgewiesen oder der Beschluß inhaltlich mit zwingenden oder öffentlich-rechtlichen Gesetzesvorschriften nicht vereinbar oder nach § 241 nichtig, so ist die Eintragung abzulehnen; 1095

§181

Anm. 7—9

Satzungsänderung

audi hier gilt § 144 FGG. Eine inhaltliche Unvereinbarkeit mit bestehengebliebenen Satzungsbestimmungen kümmert das Gericht nicht; ebensowenig, ob Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung über das Zustandekommen verletzt sind, deren Verletzung ihn nur anfechtbar macht. Letzterenfalls kann das Registergericht zwar die Eintragung aussetzen, wird dies tun, wenn die Anfechtbarkeit offenkundig ist. Dagegen muß es die Eintragung vornehmen, wenn die Anfechtung unterblieben und nicht mehr möglich ist. Ist ein einheitlicher Beschluß teilweise oder einer von mehreren zusammenhängenden Beschlüssen nichtig oder anfechtbar, so ist Teilablehnung unzulässig. Trotz ihrer Bedeutung als Voraussetzung einer Rechtsänderung hat die Eintragung in keinem Fall heilende Wirkung (Ausnahme § 242). Gegen die Entscheidungen des Registergerichts hat die Gesellschaft sowie jeder betroffene Aktionär (KG J 37 A 152) das Beschwerderecht (a. A. B.-H. § 243 Rn 3). V. Inhalt Anm. 8: Bei der Eintragung bedarf es nicht der inhaltlichen Eintragung der Änderung, vielmehr genügt die Bezugnahme auf die Anlagen der Anmeldung. Nur wenn es sich um Angaben nach § 39 handelt, nämlich Firma, Sitz und Gegenstand des Unternehmens, Höhe des Grundkapitals, Vertretungsbefugnis, Zeitdauer der Gesellschaft und genehmigtes Kapital (vgl. § 202 Anm. 2) ist der Inhalt (nicht nur die Tatsache) der Änderung einzutragen. Da nach § 39 der Tag der Feststellung der Satzung einzutragen ist, muß auch der Tag der Satzungsänderung eingetragen werden. Was für die Eintragung gilt, gilt auch für die Anmeldung. Für die Eintragung in das Handelsregister einer Zweigniederlassung gilt § 43 (vgl. insbesondere Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 und 2). In das Handelsregister einer Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft kann die Satzungsänderung auch ohne vorherige Eintragung in das Handelsregister der (ausländischen) Hauptniederlassung eingetragen werden, wenn sie derer zu ihrer Wirksamkeit nach dem maßgebenden ausländischen Recht nicht bedarf (KG in DR 40,1007). VI. Bekanntmachung Anm. 9: Die Satzungsänderung ist bekanntzumachen (§10 HGB). Wenn es sich um Gegenstände handelt, die nach §§ 39,40 inhaltlich bekanntzumachen sind, ist auch die Änderung inhaltlich bekanntzumachen. Die Bekanntmachung erfolgt gemäß § 10 HGB durch das Registergericht im öffentlichen Anzeiger (Bundesanzeiger) und etwa weiteren nach § 11 HGB bestimmten Blättern, nicht also etwa von dem Vorstand in den Gesellschaftsblättern (vgl. hierüber zu § 25). Die Bekanntmachung hat die Wirkung nach § 15 HGB, aber es läßt sich nicht sagen, daß ein Dritter die eingetragene Satzungsänderung 1096

Eintragung der Satzungsänderung

§ 181

Anm. 9—11

(z.B. betreffend die Vertretung der Gesellschaft) nicht gegen sidi gelten lassen müsse, wenn sie nicht bekanntgemacht wurde oder der Dritte sie trotz der Bekanntmachung weder kannte noch kennen mußte. VII. Wirkung der Eintragung Anm. 10: Durch die Eintragung im Handelsregister wird die Satzungsänderung erst wirksam. Die frühere Fassung „ . . . hat keine Wirkung" wurde geändert, weil danach das Gesetz hier über die Rückwirkung von Satzungsänderungen etwas aussagen könnte, was nicht in diese Vorschrift hineingelegt werden sollte. Diese Gefahr soll mit der neuen Fassung behoben sein. Die Vorschrift sagt nidit aus, daß die Änderung in jedem Fall durch die Eintragung wirksam wird, sondern nur die ordnungsmäßige Satzungsänderung. Heilende Wirkung hat die Eintragung nidit (s. aber § 242). Bis zur Eintragung der Änderung lebt die Gesellschaft nach der alten Satzung weiter. Die Hauptversammlung kann aber schon vor der Eintragung, gleichzeitig mit dem Satzungsänderungsbesdiluß, Ausführungsbeschlüsse fassen, die durch die Eintragung des ersteren gesetzlich bedingt sind, z. B. schon Aufsichtsratsmitglieder wählen, deren Posten erst durch die Satzungsänderung geschaffen werden. Diese können ihr Amt erst wirksam ausüben, wenn die Satzungsänderung eingetragen ist. Bis zur Eintragung kann die Anmeldung zurückgenommen, auch der Beschluß mit einfacher Mehrheit wieder aufgehoben werden (h. A.; vgl. Fischer in Großkomm. §148 Anm. 12; Baumbach-Hueck R n 4 ; Brodmann § 275 Anm. 1 e). Die Gegenmeinung (Sdil.-Qu §148 Anm. 5; Schilling in Großkomm. § 195 AktG 37 Anm. 7 a) wird damit begründet, daß der Wille der qualifizierten Mehrheit nicht durch eine einfache Mehrheit durchkreuzt werden dürfe. Dabei wird verkannt, daß diese qualifizierte Mehrheit nicht mehr vorhanden ist und daß bis zur Eintragung eine Satzungsänderung noch nicht vorliegt. Mit der Eintragung ins Handelsregister des Sitzgerichts — bei Sitzverlegung des neuen Sitzgerichts — tritt die Satzungsänderung in Kraft; beachte die Ausnahmen § 189 und § 224. VIII. Rückwirkungen von Satzungsänderungen Anm. 11: Über die Zulässigkeit von Rückwirkungen von Satzungsänderungen sagt das Gesetz bewußt nichts, sondern lediglich über den Zeitpunkt des Inkrafttretens, und nichts über den sachlichen Inhalt des Beschlusses (KG in DR 1942, 735; Dempewolf in NJW 1958, 1212). Danach kann eine Rückwirkung möglich sein. Undenkbar ist sie z. B. bei Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung, Verschmelzung oder Umwandlung. Als unzulässig ist 1097

§§181/182

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 11,12 sie ferner anzusehen, wenn sie den Schutz der Allgemeinheit verletzen würde oder Vertretungsverhältnisse rückwirkend einengt, anders dagegen, wenn diese erweitert werden (vgl. im einzelnen Dempewolf a. a. O.; Zilian in J Z 1959, 53; Meilicke-Hohlfeld inBB 1957, 797). I X . H a f t u n g f ü r den Inhalt

Anm. 12: Dem Käufer einer Aktie haftet nach § 437 BGB der Verkäufer für den im Handelsregister eingetragenen Inhalt des Rechts, wenn nach § 157 BGB anzunehmen ist, daß ein Recht gerade dieses Inhalts Vertragsgegenstand ist, was besonders bei Paketkäufen anzunehmen ist. Um „Eigenschaften" im Sinne des § 119 II BGB, § 459 BGB handelt es sich hierbei nicht. Der Verkäufer haftet auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung, weil er Aktien des vereinbarten Inhalts nicht liefern kann. Aktien anderen Inhalts kann er und muß er (vorbehaltlich § 242 BGB) nicht liefern. Zweiter Abschnitt Maßnahmen der Kapitalbeschaffung Erster Unterabschnitt Kapitalerhöhung gegen Einlagen § 182 Voraussetzungen (1) Eine Erhöhung des Grundkapitals gegen Einlagen kann nur mit einer Mehrheit beschlossen werden, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine andere Kapitalmehrheit, f ü r die Ausgabe v o n Vorzugsaktien ohne Stimmrecht jedoch nur eine größere Kapitalmehrheit bestimmen. Sie kann weitere Erfordernisse aufstellen. Die Kapitalerhöhung kann nur durch Ausgabe neuer Aktien ausgeführt werden. (2) Sind mehrere Gattungen v o n Aktien vorhanden, so bedarf der Beschluß der H a u p t v e r s a m m l u n g zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung. Ü b e r die Zustimmung haben die Aktionäre jeder Gattung einen Sonderbeschluß zu fassen. Für diesen gilt Absatz 1. (3) Sollen die neuen Aktien f ü r einen höheren Betrag als den Nennbetrag ausgegeben werden, so ist der Mindestbetrag, unter dem sie nicht ausgegeben werden sollen, im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals festzusetzen. 1098

Voraussetzungen

§ 182 Anm. 1

(4) Das Grundkapital soll nicht erhöht werden, solange ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch erlangt werden können. Für Versicherungsgesellschaften kann die Satzung etwas anderes bestimmen. Stehen Einlagen in verhältnismäßig unerheblichem Umfang aus, so hindert dies die Erhöhung des Grundkapitals nicht. I. Übersicht (Anm. 1) II. Art der Kapitalerhöhung (Anm. 2) III. Beschluß der Hauptversammlung 1. Satzungsänderung (Anm. 3) 2. Mehrheit (Anm. 4) 3. Sonderbeschlüsse (Anm. 5)

IV. Ausgabekurs (Anm. 6) V. Verbot der Kapitalerhöhung (Anm. 7) VI. Versicherungsgesellschaften (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt im wesentlichen mit dem bisherigen § 149 AktG 37 überein. Abs. 1 S. 1 spricht von Erhöhung „durch Einlagen" und nicht mehr von „durch Ausgabe neuer Aktien". Da die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln im neuen Gesetz geregelt ist (§§207 bis 220), hat sich diese Änderung — ebenfalls die der Überschrift des ersten Unterabschnitts — zwangsläufig ergeben. Neu sind in Abs. 1 die Sätze 3 und 4 (s. Anm. 4). Abs. 2 enthält Änderungen, die auf § 138 zurückzuführen sind (Sonderbesdiluß, v. auch § 179). Von Maßnahmen der Kapitalbeschaffung behandelt das Gesetz folgende Arten: a) Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§§ 182 bis 191), b) bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192 bis 201), c) genehmigtes Kapital (§§ 202 bis 206), d) Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 bis 220) und e) Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen und Genußscheine (§ 221). Jede Kapitalerhöhung ist eine Satzungsänderung, so daß, soweit keine Sonderbestimmungen eingreifen, §§ 179 bis 181 ergänzend anzuwenden sind. Der Gang einer gewöhnlichen Kapitalerhöhung ist folgender: a) Beschlußfassung der Hauptversammlung über die Erhöhung (§§ 182, 183), b) Anmeldung des Beschlusses beim Handelsregister (§ 184), c) Zeichnung der neuen Aktien (§ 185), d) Einzahlung von mindestens 25 °/o der Bareinlage auf das erhöhte Kapital und des Aufgelds, e) Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister (§ 188) und deren Eintragung, 1099

§182 Anm. 1,2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

f) Ausgabe der neuen Aktien (§191), g) soweit das Bezugsredit der Aktionäre (§ 186) nicht ausgeschlossen wurde (oder als mittelbares — s. Anm. 10 zu § 186 — gewährt wurde) Aufforderung zur Ausübung des Bezugsrechts mit Bekanntmachung einer Frist (§ 186 Anm. 4) und des Ausgabebetrages (§ 186 Anm. 5). Ziffer c) und d) können indessen Ziffer b) vorangehen und tun dies regelmäßig; sie gehen sogar oft der Ziffer a) voraus (s. § 185 Anm. 4); Ziffer b) und e) werden regelmäßig zusammengefaßt. Zwischen Ziffer d) und den Ziffern b) und e) liegt dann die Entrichtung der Kapitalverkehrsteuer zwecks Erlangung der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts, ohne welche die Eintragung in das Handelsregister nicht vorgenommen wird. Sowohl der Erhöhungsbeschluß als auch die Durchführung der Erhöhung sind ins Handelsregister einzutragen und bekanntzumachen. Die neuen Aktien dürfen nicht ausgegeben werden, bevor die Durchführung der Kapitalerhöhung eingetragen ist (§ 191). Während der Abwicklung ist die Kapitalerhöhung, wenn überhaupt, nur im Rahmen des Abwicklungszwecks denkbar und durchführbar, auch wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung (§188) vor der Auflösung eingetragen wird. Nach Konkurseröffnung ist sie ausgeschlossen und kann auch die Erfüllung der Einlageverpflichtungen aus einer vor Konkurseröffnung als durchgeführt eingetragenen Kapitalerhöhung nur im Rahmen des Konkurszweckes verlangt werden. Ist der Konkurs nach Bewirkung der Einlagen oder eines Teiles vor Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung eröffnet worden, ist die Eintragung nicht mehr möglich und besteht eine Konkursforderung auf Rückgewähr der Einlage wegen Wegfalls des rechtlichen Grundes. Die neuen Aktien mit Vorrechten (Mehrstimmrecht s. § 12) auszustatten, ist — bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen, z. B. § 12 II — zulässig. Jeder alte Aktionär muß dies hinnehmen. Ein Zwang zur Zeichnung der neuen Aktien mittels Androhung von Nachteilen, wie insbesondere Zusammenlegung, kann nach herrschender Ansicht auf die alten Aktionäre nur insoweit ausgeübt werden, als die angedrohten Nachteile (Zusammenlegung) rechnungsmäßig dem Betrag der unterbliebenen Neueinlage entspricht. II. Art der Kapitalerhöhung Anm. 2: Das Gesetz spricht von einer Kapitalerhöhung durch Einlagen. Hierin könnte sowohl eine Durchführung durch Ausgabe neuer Aktien als auch durch Erhöhung des Nennwerts der alten Aktien liegen. Die herrschende Lehre hat die letztere Art für zulässig angesehen und den bisherigen § 149 AktG37 hierauf angewandt. Das neue Gesetz schließt diese Möglichkeit in Abs. 1 S. 4 von vornherein aus, indem es die Ausführung 11CC

Voraussetzungen

§182

Amn. 2—4

der Kapitalerhöhung ausschließlich durch Ausgabe neuer Aktien für zulässig erklärt. Unabhängig hiervon kann eine Kapitalvermehrung ohne Kapitalerhöhung durch freiwillige Zuzahlungen der Aktionäre erreicht werden. Mit diesen pflegen Satzungsänderungen verbunden zu werden, die nicht das Grundkapital, sondern die Ausstattung der Aktien, auf welche die Zuzahlung geleistet wird, mit Vorrechten betreffen. Dies muß sich jeder nicht zuzahlende Aktionär gefallen lassen (s. § 11 Anm. 7). Dem nicht zuzahlenden Aktionär dürfen Nachteile nur insoweit angedroht und zugefügt werden, als sie rechnungsmäßig dem Betrag der unterbliebenen Zuzahlung entsprechen. Uber Zuwendungen und deren Behandlung in der Bilanz vgl. Müller in DB 63, 937. III. Beschluß der Hauptversammlung 1. Satzungsänderung Anm. 3: Die Erhöhung des Grundkapitals kann immer nur die Hauptversammlung beschließen, da es sich im Hinblick auf § 23 III Nr. 3 notwendig um eine Satzungsänderung handelt. Da es ein Grundsatz des deutschen Aktienrechtes ist, daß das Grundkapital in der Satzung ziffernmäßig bestimmt sein muß, muß die Kapitalerhöhung auf einen bestimmten Betrag lauten. Dieser Beschluß ist notwendig bedingt, weil die Durchführbarkeit der Kapitalerhöhung nicht feststeht. Die Hauptversammlung kann sich daher darauf beschränken, den Betrag nach oben zu begrenzen und zusätzlich zu bestimmen, daß der Beschluß nur gelten soll, wenn ein Mindestbetrag erreicht wird oder auf diese Mindestgrenze verzichten, so daß jede im Höchstrahmen bleibende Kapitalerhöhung, die sich als durchführbar erweist, durchgeführt werden solle. Die Durchführung ist, wenn sie nicht schon bei der Beschlußfassung feststeht, zeitlich zu begrenzen. Innerhalb der beschlossenen zeitlichen Grenze kann die Durchführung abschnittsweise erfolgen und eingetragen werden. Nur innerhalb dieser genauen Weisungen kann dem Vorstand die Durchführung übertragen werden. Die Praxis begnügt sich mit der Festsetzung eines Höchstbetrages und schaltet die Ungewißheit dadurch aus, daß sie die Zeichnung des die Emission übernehmenden Bankhauses (Kreditinstituts) schon vor der Hauptversammlung vornehmen läßt (unter Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts — § 186 — meist mit der Verpflichtung, ein mittelbares zu gewähren — s. Anm. 10 zu § 186 — allein oder für Rechnung eines Konsortiums). 2. Mehrheit Anm. 4: Für den Beschluß der Hauptversammlung muß die in § 179 Anm. 6 erörterte doppelte Mehrheit gegeben sein, nämlich einfache der Stimmen und 1101

§182

Anm. 4,5

Maßnahmen der Kapitalbesdiaffung

*U des vertretenen Grundkapitals. Werden die Mehrheiten nicht erreicht, so ist der Antrag auf Kapitalerhöhung abgelehnt. Über Anfechtung bei Fehlfeststellung und Verkündung durch den Vorsitzenden vgl. § 130 Anm. 1. Die Satzung kann eine höhere Stimmenmehrheit vorschreiben und eine andere Kapitalmehrheit, nicht nur eine größere, sondern auch eine kleinere, also einfache Mehrheit des vertretenen Grundkapitals. Für den Fall, daß im Erhöhungsbeschluß das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen wird, vgl. § 186 Anm. 7. Besonderes ist für die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bestimmt. Für diese kann niemals eine geringere, sondern lediglich eine größere Kapitalmehrheit in der Satzung verlangt werden. Die Vorschrift wurde ähnlich gefaßt wie § 186 III, da die Zwangslage der Aktionäre in beiden Fällen — Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht und Ausschluß des Bezugsrechts — etwa die gleiche ist. Die Satzung kann darüber hinaus noch weitere Erfordernisse aufstellen, wie z. B. größere Stimmenmehrheit. 3. Sonderbeschlüsse Anm. 5: Bestehen mehrere Aktiengattungen, so sind stets Sonderbeschlüsse aller Aktiengattungen herbeizuführen. Voraussetzung ist jedoch, daß die verschiedenen Gattungen mit Stimmrecht ausgestattet sind. Nicht betroffen sind stimmrechtslose Aktien, da ihnen ein Stimmrecht allgemein nicht zusteht. Bestehen daher beispielsweise Stammaktien und Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, so bedarf es — abgesehen von § 141 — überhaupt keines Sonderbeschlusses. Anders als in § 179 III wird hier nicht vorausgesetzt, daß eine Gattung benachteiligt werden soll. Es müssen also wenigstens drei Beschlüsse gefaßt werden: der Beschluß der gesamten Hauptversammlung sowie die Beschlüsse jeder Gattung. Über die Erfordernisse des Sonderbeschlusses und die Folgen eines Verstoßes gegen die Bestimmung vgl. § 179 Anm. 8 bis 11. Nach Schl.-Qu. § 149 Anm. 10 und § 196 Anm. 1; Geßler in D J 36, 1495 sollen keine Bedenken bestehen anzunehmen, daß der Beschluß durch die Eintragung gültig wird und daß die nach der Eintragung ausgegebenen Aktien gültig seien. Diese Ansicht ist unhaltbar, da es sich um einen schwebend unwirksamen Beschluß handelt, solange der Sonderbeschluß nicht vorliegt. Die Eintragung kann nur im Rahmen des § 242 eine Heilung herbeiführen, der allerdings diesen Fall nicht umfaßt, so daß eine Heilung ausgeschlossen ist (ebenso Fischer in Großkomm. § 155 Anm. 6; s. auch § 179 Anm. 9). Wie die Sonderbeschlüsse zu fassen sind vgl. § 138 und die dortigen Anm. Die Sonderbeschlüsse bedürfen der gleichen wie durch Abs. 1 oder zusätzlich durch die Satzung verlangten Mehrheit, ebenso wie der Kapitalerhöhungsbeschluß der Hauptversammlung selbst. 1102

Voraussetzungen

§182 Anm. 6

IV. Ausgabekurs Anm. 6: Bestimmt der Erhöhungsbesdiluß überhaupt nichts über den Ausgabekurs, so werden die Aktien zum Nennbetrag ausgegeben, denn nur eine ausdrückliche Bestimmung in der ursprünglichen Satzung oder ein Erhöhungsbeschluß erlaubt eine Ausgabe über pari (BGH 33, 178). Die Ausgabe zu einem höheren Betrag ist ohne weiteres zulässig (Abs. 3). In diesem Fall muß ein Mindestausgabebetrag festgesetzt werden, der jedoch nicht für alle Aktien gleich sein muß, andernfalls ist der Beschluß anfechtbar (RG 143, 24; 144, 143). Nur in diesem Fall macht das Fehlen der Angabe über den Mindestausgabebetrag den Beschluß anfechtbar, nicht etwa immer, wie Rohwedder in Möhring-Sdiwartz S. 47 annimmt. Der Festsetzung eines Höchstbetrages bedarf es nicht. Die Bestimmung des wirklichen Ausgabekurses kann dem Vorstand überlassen werden, nicht dagegen dem Aufsiditsrat (insoweit a. A. B.-H. Rn 3). Theoretisch nur wäre denkbar, daß der Vorstand unter Beachtung des festgesetzten Mindestausgabekurses die Aktien versteigert, wenn auch kein mittelbares Bezugsrecht gewährt wird. Die Aktien müssen zu einem festen Betrag ausgegeben werden, da vor Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung das Aufgeld einzuzahlen ist. Das hindert nicht, daß die Gesellschaft an dem Gewinn des Zeichners zusätzlich beteiligt werden kann (vgl. hierzu § 186 Anm. 5). Die Kosten der Kapitalerhöhung trägt die Gesellschaft. Die Hauptversammlung kann noch weiteres bestimmen, so, ob die jungen Aktien Inhaber- oder Namensaktien sein sollen. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so ist anzunehmen, daß die jungen Aktien von derselben Art sein sollen, wie die alten. Stellt es sich als unzulässig dar, den Beschluß so auszulegen, so entscheidet § 24 I (a. A. Schi.-Qu. § 149 Anm. 12). Sollen die Aktien einen anderen als den in der Satzung bestimmten Nennbetrag haben (§ 8), muß es der Beschluß bestimmen (§ 23). Darin liegt für sich eine Satzungsänderung (§ 23), die eingetragen werden muß. Wenn nichts anderes bestimmt wird, sind die jungen Aktien für das ganze Geschäftsjahr dividendenberechtigt im Verhältnis der Höhe der geleisteten Einzahlung (§ 60). Der Erhöhungsbeschluß kann audi die Gewinnberechtigung für ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr vorsehen (vgl. Wündisdi in Die AktGes 1960, 320 f., insbesondere über die rechtlichen Konstruktionen eines derartigen Beschlusses). Ist bereits ein Gewinnverwendungsbeschluß gefaßt, so ist dies nicht mehr möglich. Wird für ein abgelaufenes Geschäftsjahr Dividende zugesagt, so ist für einen entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluß wegen der Aktionäre, die in dem besagten Geschäftsjahr noch keine Aktionäre waren, doch eine satzungsmäßige Ermächtigung nach § 58 III S. 2 nicht erforderlich; wenn auch insoweit Gewinn an hinsichtlich des Geschäftsjahres Außenstehende ausgeschüttet wird, so handelt es sich doch um eine Verteilung an Aktionäre. Den Zeitpunkt der Einzahlung kann, vorbehaltlidi der nach 1103

§182 Anm. 6—8

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

§ 188 II, § 36 II vor der Anmeldung zu leistenden 25 %> zuzüglich Aufgeld, die Hauptversammlung selbst bestimmen oder seine Bestimmung dem Vorstand überlassen. Zweckmäßig ist die Ermächtigung des Aufsichtsrats, die Fassung der das Grundkapital betreffenden Satzungsbestimmungen zu ändern (§ 179 I S. 2), wenn der Aufsichtsrat nicht schon durch die Satzung dazu ermächtigt ist. Uber weiteren notwendigen Inhalt des Erhöhungsbeschlusses bei Sacheinlagen vgl. § 183 und bei Ausschluß des Bezugsrechts vgl. § 186 I I I .

V. Verbot der Kapitalerhöhung Anm. 7: Das Grundkapital soll nicht erhöht werden, solange noch ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital erlangt werden können. In diesem Fall kann das Gericht die Eintragung ablehnen. In erster Linie ist an nicht eingeforderte, auch, aber weniger, an rückständige Einlagen zu denken, die ja normalerweise nie den Betrag der Kapitalerhöhung ausmachen. Zu den Einlagen gehören auch Sacheinlagen, ferner das Aufgeld bei Bareinlagen. Solange eine kaduzierte Aktie nicht verwertet ist, ist die Einlage nicht bewirkt. Bei einer bedingten Kapitalerhöhung gilt dies nicht (vgl. Anm. 5 zu § 193), auch nicht, wenn das Grundkapital zur Durchführung einer Verschmelzung erhöht wird, wohl aber auch in sonstigen Fällen der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage. Besitzt die Gesellschaft eigene, nicht voll gezahlte Aktien, die sie zur Abwendung schweren Schadens (§ 7 1 1 S. 1), wenn auch in erheblichen Umfang, erworben hat, so steht dies der Kapitalerhöhung nicht im Wege, denn sie kann nicht selbst Schuldnerin der Einlage sein. Sie braucht audi nicht etwa nachzuweisen, daß eine Veräußerung nicht möglich ist. Durch Abs. 4 wird nicht ausgeschlossen, daß derselbe Kapitalerhöhungsbeschluß innerhalb seiner zeitlichen Begrenzung in mehreren Abschnitten durchgeführt wird, und zwar in Höhe eines späteren Abschnitts, auch bevor die vorangegangenen voll einbezahlt sind. Sind im Vergleich zu den durch die Kapitalerhöhung zu beschaffenden Mittel die ausstehenden oder rückständigen Einlagen verhältnismäßig unerheblich, so kann ihrer ungeachtet das Kapital erhöht und die Erhöhung eingetragen werden. Ob dies zutrifft, entscheidet das Registergericht aufgrund der ihm zu machenden Angaben (§ 184 II). VI. Versicherungsgesellsdiaf ten Anm. 8: Bei Versicherungsgesellschaften kann die Satzung Abweichendes bestimmen, insbesondere auch, daß § 1 8 2 I V nicht gelten solle. 1104

Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen

§183 Anm. 1

§ 183 Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen (1) Wird eine Sacheinlage gemadit, so müssen ihr Gegenstand, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals festgesetzt werden. Der Beschluß darf nur gefaßt werden, wenn die Einbringung von Sacheinlagen und die Festsetzungen nach Satz 1 ausdrücklich und ordnungsgemäß (§ 124 Abs. 1) bekanntgemacht worden sind. (2) Ohne diese Festsetzung sind Verträge über Sacheinlagen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Ist die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals eingetragen, so wird die Gültigkeit der Kapitalerhöhung durch diese Unwirksamkeit nicht berührt. Der Aktionär ist verpflichtet, den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. Die Unwirksamkeit kann durch Satzungsänderung nicht geheilt werden, nachdem die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals in das Handelsregister eingetragen worden ist. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Gegenstand der Sacheinlage (Anm. 2) III. Inhalt des Beschlusses (Anm. 3)

IV. Ankündigung (Anm. 4) V. Verstoß (Anm. 5) VI. Eintragung ohne Festsetzung (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 150 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen, die inhaltlich keine Neuregelung darstellen. Sachlich neu ist Abs. 1 Satz 2, wonach die Festsetzungen nadi Abs. 1 Satz 1 ebenfalls in die Ankündigung des Erhöhungsbeschlusses aufgenommen werden müssen. § 183 regelt entsprechend § 27 die Kapitalerhöhung mit Sacheinlage. Eine Bestimmung über Sondervorteile entsprechend § 26 I fehlt bei der Kapitalerhöhung. § 26 I ist nicht anwendbar. Auch eine Pflichtprüfung entsprechend § 33 II Nr. 4 findet nicht statt (s. aber § 184 III). Um so wichtiger ist es, an der Entschlußfreiheit des Vorstandes trotz Hauptversammlungsbeschlusses festzuhalten, denn das Gesetz geht offenbar davon aus, daß die Gesellschaft nunmehr in der Lage sei, sich selbst und ihre Gläubiger gegen die Selbstsucht der Einleger zu schützen. Dagegen kann die Hauptversammlung eine Sonderprüfung nach den §§ 142 ff. beschließen und die Minderheit sie verlangen. Eine Prüfung des Registergerichts, dem hier ja kein Prüfungs1105

§183 Maßnahmen der Kapitalbeschaffung Anm. 1,2 bericht vorliegt, findet nur in beschränktem Umfang statt (§ 184 III; es kann aber eine Prüfung anordnen). Ober Vollzahlungspflicht bei Minderwert siehe § 9 Anm. 3. Auf Sachübernahme findet die Vorschrift überhaupt keine Anwendung. Wenn die Gesellschaft beabsichtigt, die Eingänge aus der Kapitalerhöhung zum Erwerb von Anlagen zu verwenden, so bedarf es der Festsetzung der Verträge in dem Beschluß nicht. Es darf sich aber nicht um eine verschleierte Sacheinlage handeln, wenn etwa zwischen Gesellschaft und Zeichner vereinbart ist, daß der eingezahlte Betrag nur zum Erwerb von Sachgütern vom Zeichner verwendet werden dürfe (RG 157, 224). In diesem Falle, wie auch im Falle der Sacheinlage, können aber zusätzlich die Vorschriften über die Nachgründung (§ 52) anwendbar sein, wenn die Gesellschaft noch nicht länger als zwei Jahre eingetragen ist (vgl. die Anm. zu § 52). Die Tatsache, daß eine Sacheinlage gemacht wird, ist nicht einzutragen, unbeschadet dessen, daß die Festsetzungen Satzungsbestandteil sind; über Unmöglichkeit und über Mängel der Sacheinlage siehe § 27 Anm. 4 bis 9. II. Gegenstand der Sacheinlage Anm. 2: Über den Begriff der Sacheinlage vgl. § 27. Darüber, was ihr Gegenstand sein kann, vgl. § 27 Anm. 11 bis 14. Die früher streitige Frage, ob eigene Aktien der Gesellschaft Sacheinlagen sein können, dürfte mit Rücksicht auf § 71, der auch hier in einem solchen Fall zu beachten wäre, keine praktische Bedeutung haben. Anders als bei der Gründung kommt hier auch die Einbringung von Forderungen gegen die Gesellschaft selbst in Betracht. Der Hauptfall ist der Fall der Sanierung. Bei der Sanierung nehmen Gläubiger Aktien der Gesellschaft in Zahlung, wobei ihre Einzahlungspflicht gegen ihre Forderung verrechnet wird. Dies muß im Beschluß festgesetzt sein. Es kann aber auch hier der mittelbare Weg beschritten werden: eine Bank übernimmt die jungen Aktien und ist der Gesellschaft zur Einzahlung verpflichtet, sie bietet sie den Gläubigern an. Hier handelt es sich nicht um den Fall einer Sacheinlage. Es kann übrigens bei jeder Sacheinlage und darum auch bei Einbringung einer Forderung gegen die Gesellschaft der Zeichner und Einleger die Aktien, die er gegen die Einlage erworben hat, den alten Aktionären zum Bezüge anbieten und sogar zur Gewährung eines solchen mittelbaren Bezugsredites verpflichtet werden; z. B. eine Gesellschaft erhöht ihr Kapital, um sich von einem Bankkredit zu befreien. Da es nicht sicher ist, ob die alten Aktionäre die jungen Aktien, die zur Ablösung des Kredits ausgegeben werden müssen, alle aufnehmen werden, übernimmt die Bank die Aktien selbst gegen Einbringung ihrer Forderung aus Kreditgewährung und bietet sie den alten Aktionären (mit kleinem angemessenen Aufschlag für ihr Risiko hängenzubleiben) zum Bezüge an. 1106

Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen

§ 183 Anm. 3—6

III. Inhalt des Beschlusses Anm. 3: Wird eine Sacheinlage gemacht, so muß der Beschluß die gleichen Festsetzungen enthalten wie die Satzung nach § 27 bei Gründung mit Sacheinlage. Im einzelnen vgl. die Anm. zu § 27. Die Festsetzung ist ein Bestandteil des Beschlusses der Hauptversammlung über die Kapitalerhöhung — über ihre Natur siehe § 27 Anm. 1 —, sie ist auch in den Zeichnungsschein aufzunehmen (§ 185 Nr. 3). Der Sacheinleger muß zeichnen. Gesondert von dem Kapitalerhöhungsbeschluß sind die Verträge über die Einlage formgültig zu schließen, welche nach § 188 der Anmeldung der durchgeführten Kapitalerhöhung beizufügen sind. IV. Ankündigung Anm. 4: Der Beschluß kann nur gefaßt werden, wenn die Einbringung von Sadieinlagen ausdrücklich angekündigt ist. In der Ankündigung müssen alle im Abs. 1 S. 1 aufgeführten Festsetzungen enthalten sein; es genügt daher nicht die Mitteilung, daß die Kapitalerhöhung ganz oder teilweise gegen Sacheinlagen erfolgen soll. Dies ergibt sich aus § 124 I I I . Wird hiergegen verstoßen, so ist der Beschluß anfechtbar, nicht nichtig (vgl. § 124 Anm. 7). V. Verstoß Anm. 5: Fehlen die Festsetzungen im Kapitalerhöhungsbeschluß, so sind die Vereinbarungen über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung gegenüber der Gesellschaft (nicht auch Dritten, etwa Vorstandsmitgliedern) unwirksam. Dies entspricht wörtlich § 27 II, vgl. dort Anm. 15. Unabhängig davon besteht die Anfechtbarkeit des Beschlusses, wenn die Voraussetzungen seiner Anfechtung nach §§ 243 ff. vorliegen. So, wie nach § 27 I I die Unwirksamkeit der Vereinbarungen über die Sacheinlage mangels Festsetzung in der Satzung keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Satzung hat, wenn die Gesellschaft eingetragen ist, hat sie hier keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Kapitalerhöhung, wenn ihre Durchführung eingetragen ist. Freilich hat das Registergericht die Eintragung der Durchführung, ja unter Umständen die Eintragung des Erhöhungsbeschlusses selbst abzulehnen, wenn es aus diesem oder dem Zeichnungsschein des Einlegers (§ 185 Nr. 3) ersieht, daß die Festsetzungen in dem ersteren oder letzteren fehlen oder unrichtig oder unvollständig sind. VI. Eintragung ohne Festsetzung Anm. 6: Wird die durchgeführte Kapitalerhöhung eingetragen, so ist der Aktionär mangels Festsetzung der Sacheinlage zu einer Bareinlage verpflich1107

§§ 183/184 Anm. 6

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

tet, sogar auch, wenn er sich in seinem Zeichnungsschein ausdrücklich nur zu einer Sacheinlage verpflichtet hatte. Er hat keine Möglichkeit, die Festsetzung in dem Beschluß herbeizuführen, ja es kann ihm geschehen, daß die Hauptversammlung bewußt die Festsetzung unterläßt. Er hat dann keine Mittel, die Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung zu verhindern. Er kann auch den Beschluß nicht anfechten. Die unterbliebene Festsetzung als solche ist nicht einmal für einen alten Aktionär oder den Vorstand ein Anfechtungsgrund. Der Sadieinleger muß sich also vorsehen und darf seinen Zeichnungsschein erst ausstellen, nachdem der Kapitalerhöhungsbeschluß gefaßt ist. So stellt sich das Gesetz den Gang auch vor (§ 185 Nr. 1), jedoch vorbehaltlich § 235, wo aber gerade Sacheinlagen ausgeschlossen werden. Die Gesellschaft kann aber den als Sacheinlage in Aussicht genommenen Gegenstand erwerben. Ist die Gesellschaft noch keine zwei Jahre im Handelsregister eingetragen, so müssen dabei die besonderen Vorschriften des § 52 über die Nachgründung beachtet werden (s. Herwig in J W 37, 511). Über die Frage, ob Abs. 2 insbesondere Satz 3 auf andere Fälle nichtiger Sadieinlagevereinbarung übertragen werden kann, vgl. § 27 Anm. 4 bis 9. Das dort Ausgeführte muß auch dann gelten, wenn der Zeichnungsschein den Anforderungen des § 185 entspricht. Daß der Zeichner nach Maßgabe einer Sacheinlagevereinbarung und nur unter der Voraussetzung ihres Rechtsbestandes zeichne, ist eine in den Zeichnungsschein aufgenommene Beschränkung (§ 185 I N r . 3 und Abs. 4). Solange die Durchführung der Kapitalerhöhung nicht eingetragen ist, kann in einem neuen Beschluß, der die Voraussetzungen eines Kapitalerhöhungsbeschlusses nach § 1 8 2 erfüllt, die Festsetzung nach § 1 8 3 1 erfolgen (vgl. § 27 Anm. 7); ist aber eingetragen, so kann die Unwirksamkeit nicht mehr durch Satzungsänderungen geheilt werden, es tritt vielmehr die Folge des Satzes 3 unabänderlich ein.

S 184 Anmeldung des Beschlusses (1) Der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrats haben den Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) In der Anmeldung ist anzugeben, welche Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch nicht geleistet sind und warum sie nicht erlangt werden können. (3) Hat das Gericht Zweifel, ob der Wert der Sadieinlage den Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien erreicht, so hat eine Prüfung durdi 1108

Anmeldung des Beschlusses

§184 Anm. 1—3

einen oder mehrere Prüfer stattzufinden. § 33 Abs. 3 bis 5, § 34 Abs. 2 und 3, § 35 gelten sinngemäß. Das Geridit hat die Eintragung abzulehnen, wenn der Wert der Sacheinlage nicht unwesentlich hinter dem Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien zurückbleibt. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 151 AktG 37 mit einigen unwesentlichen Änderungen in den Abs. 1 und 2. In Abs. 1 ist die Erwähnung des Stellvertreters des Vorsitzenden entfallen. Es ergibt sich zwingend aus dem Gesetz (§ 1 0 7 1 S . 3), daß der Stellvertreter an Stelle des Aufsichtsratsvorsitzenden nur tätig werden kann, wenn dieser verhindert ist. Völlig neu gefaßt ist der Abs. 3; danach kann vom Gericht eine Prüfung angeordnet werden (s. Anm. 5), was bisher nicht möglich war. Abs. 3 S. 3 stimmt wieder im wesentlichen mit § 151 I I I AktG 37 überein. Anm. 2: Über die Reihenfolge der einzelnen Vorgänge bei der Kapitalerhöhung vgl. Anm. 1 zu § 182. Da die Kapitalerhöhung eine Satzungsänderung ist, gilt für sie der Grundsatz der Eintragung gem. § 181. § 184 trifft eine Sonderbestimmung für die Anmeldung; er wechselt auch im Ausdruck gegenüber § 181, indem er nicht von der Eintragung der Kapitalerhöhung (Satzungsänderung), sondern des Kapitalerhöhungs-(Satzungsänderungs-) beschlusses spricht. Das ist begründet, weil der Beschluß mehr programmatische Bedeutung hat und der von ihm angestrebte Erfolg, die Satzungsänderung, Kapitalerhöhung, erst mit deren Durchführung verbunden ist. Rechtliche Folgen ergeben sich aus diesem Unterschied nicht. Die Anmeldung des Erhöhungsbeschlusses ist demzufolge zu unterscheiden von der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung (§ 188). Beide Anmeldungen können verbunden werden, sobald die Kapitalerhöhung durchgeführt ist. Bei der Anmeldung des Erhöhungsbeschlusses sind die ausständigen Einlagen anzugeben. Strafbestimmung wegen falscher oder unvollständiger Angaben: § 399 I Nr. 4. Erst durch die Eintragung wird der Erhöhungsbeschluß wirksam. Weicht Eintragung und Beschluß voneinander ab, so ist die Eintragung nichtig auch in Höhe des beschlossenen Betrages (vgl. B.-H. Rn. 3; J . H. Geßler Anm. 1). Anm. 3: Die Anmeldung durch den Vorstand entspricht der allgemeinen Bestimmung bei Satzungsänderungen ( § 1 8 1 1 ; s. dort). Die Mitwirkung eines Prokuristen ist hier dann unzulässig, wenn die Anmeldung Angaben nach Abs. 2 (s. Anm. 4) enthält, wie aus der engeren Begrenzung des Täterkreises in der für falsche und unvollständige Angaben einschlägigen Strafbestimmung § 399 I Nr. 4 zu folgern ist. Neben dem Vorstand muß der Vorsitzende des Aufsichtsrats bei der Anmeldung mitwirken, er kann sich nicht 1109

§184

Anm. 3—5

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Ist er verhindert, ist vielmehr der vom Aufsichtsrat gewählte stellvertretende Vorsitzende berufen, die Anmeldung mitzubewirken (§ 107 I S. 3).

Anm. 4: Die Anmeldung muß angeben, ob Einlagen ausstehen und evtl. erklären, warum sie nicht erlangt werden können. Die Erklärung braucht nicht notwendig in derselben Urkunde wie die Anmeldung enthalten zu sein, jedoch muß die Form des § 12 H G B auch für sie gewahrt sein. Die Richtigkeit der Versicherung steht unter Strafschutz (vgl. § 399 I N r . 4). Für die Angabe gilt Anm. 3, jedoch ist dies kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 I I B G B . Die Unrichtigkeit hat keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Kapitalerhöhung ( R G 54, 392). Auf die Richtigkeit kann sich das Registergericht verlassen. D a s Registergericht muß prüfen, ob die ausstehenden Einlagebeträge unerheblich sind (§ 182 I V S. 3) oder aus den angegebenen Gründen nicht realisierbar erscheinen, anderenfalls ist schon die Eintragung des Erhöhungsbeschlusses abzulehnen (vgl. § 182 Anm. 7). Bei Versicherungsgesellschaften mit entsprechender Satzungsbestimmung (§ 182 I V S. 2) entfällt die Abgabe der Erklärung ganz. Anm. 5: Über Prüfung durch das Registergericht und Bekanntmachung s. § 181 Anm. 6 bis 9. Auch hier gilt, daß die Eintragung Mängel des Beschlusses, die ihn nichtig machen, nur nach § 242 heilt. D a s Gericht hat die Relation zu prüfen zwischen dem Wert der Sacheinlage und dem Nennbetrag der dem Aktionär hierfür gewährten Aktien. Ist der Wert der Sadieinlage wesentlich geringer, so hat das Gericht die Eintragung abzulehnen. Es handelte sich bisher um eine Kannvorschrift; nach dem neuen § 184 I I I aber darf eine Eintragung nicht mehr erfolgen; wird trotzdem eingetragen, so kann sich der Registerrichter schadenersatzpflichtig machen. Zunächst hat das Gericht an H a n d der eingereichten Unterlagen die Prüfung anzustellen. Ergeben sich hierbei keine Zweifel hinsichtlich der oben angegebenen Relation, so muß der Beschluß eingetragen werden; ergeben sich jedoch Zweifel, so muß — nicht kann — eine Prüfung stattfinden, die von einem oder mehreren Prüfern durchzuführen ist. Die Entscheidung, ob eine Prüfung stattfindet, liegt demnach allein beim Gericht, das nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden hat. Für die Prüfung gelten die Bestimmungen des § 33 I I I — Prüfer werden vom Gericht nach Anhörung der Industrieund Handelskammer bestellt — , § 34 II und I I I , schriftlicher Bericht über die Prüfung unter Darlegung der Umstände und Übersendung des Prüfungsberichts an das Gericht, Vorstand und Industrie- und Handelskammer — sowie § 35 — Meinungsverschiedenheiten zwischen hier dem Vorstand und den Prüfern. 1110

Zeichnung der neuen Aktien

§185

Anm. 1

§ 185 Zeichnung der neuen Aktien (1) Die Zeichnung der neuen Aktien geschieht durch schriftliche Erklärung (Zeichnungsschein), aus der die Beteiligung nach der Zahl, dem Nennbetrag und, wenn mehrere Gattungen ausgegeben werden, der Gattung der Aktien hervorgehen muß. Der Zeichnungssdiein soll doppelt ausgestellt werden. Er hat zu enthalten 1. den Tag, an dem die Erhöhung des Grundkapitals beschlossen worden ist; 2. den Ausgabebetrag der Aktien, den Betrag der festgesetzten Einzahlungen sowie den Umfang von Nebenverpflichtungen; 3. die bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen vorgesehenen Festsetzungen und, wenn mehrere Gattungen ausgegeben werden, den Gesamtnennbetrag einer jeden Aktiengattung; 4. den Zeitpunkt, an dem die Zeichnung unverbindlich wird, wenn nicht bis dahin die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals eingetragen ist. (2) Zeidinungsscheine, die diese Angaben nicht vollständig oder die außer dem Vorbehalt in Absatz 1 Nr. 4 Beschränkungen der Verpflichtung des Zeichners enthalten, sind nichtig. (3) Ist die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals eingetragen, so kann sidi der Zeichner auf die Nichtigkeit oder Unverbindlidikeit des Zeichnungsscheins nicht berufen, wenn er auf Grund des Zeidinungssdieins als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. (4) Jede nicht im Zeidinungssdiein enthaltene Beschränkung ist der Gesellschaft gegenüber unwirksam. I. Übersicht (Anm. 1) II. Zeichnung 1. Natur (Anm. 2) 2. Annahme (Anm. 3) 3. Form (Anm. 4)

4. Inhalt des Zeichnungsscheines (Anm. 5—11) III. Nichtigkeit (Anm. 12) IV. Heilung der Nichtigkeit (Anm. 13)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 152 AktG 37 mit sprachlichen Änderungen in Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4, ohne damit den Inhalt zu ändern. Die Durchführung des Erhöhungsbeschlusses besteht in der Begebung neuer Aktien in Höhe des beschlossenen Betrages an zur Zeichnung Bereite. Der Vorstand ist zur Durchführung nicht schlechthin verpflichtet, insbesondere nicht, wenn die Hauptversammlung Sacheinlagen beschließen sollte, 1111

§185 Anm. 1, 2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

mit denen der Vorstand nicht einverstanden ist. Führt er aber den Beschluß durch, ist er in jedem Falle gegenüber der Gesellschaft, jedoch nidit auch gegenüber den Gläubigern von der Haftung nach § 9 3 I V befreit. Die Zeichnung der jungen Aktien erfolgt durch Ausstellung eines Zeichnungsscheines. Aktionär wird der Zeichner erst durch die Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung. In ein Gesellschaftsverhältnis aktien- oder bürgerlich-rechtlidier Art tritt der Zeichner vorher weder zur Gesellschaft noch zu den übrigen Zeichnern, noch zu den Aktionären, jedoch erwirbt er aus der Zuteilung einen klagbaren Anspruch auf Durchführung und Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Rahmen des § 187 (s. dort) und wird umgekehrt zur Bewirkung der Einlage verpflichtet. Über Willensfehler s. Anm. 7 vor § 23; ebenda (Anm. 9) über die Folgen der Nichtigkeit einer Beitrittserklärung — die bei der Kapitalerhöhung der Zeichnungserklärung entspricht — auf den Bestand der Kapitalerhöhung, wenn ihre Durchführung eingetragen ist. Aus Nr. 4 zu folgern, daß trotz der Eintragung die Bindung aller Zeichner wenigstens in dem Falle aufhört, daß infolge der Nichtigkeit einer Zeichnung das Kapital unter den Betrag der beschlossenen Mindasterhöhung herabgesetzt werden muß, geht u. E. zu weit (so offenbar B.-H. Rn 5, da sie uns als abweichend zitieren; da aber im gleichen Zusammenhang von der nicht eingetragenen Kapitalerhöhung die Rede ist, möchten wir annehmen, daß auch Baumbach-Hueck unsere Ansicht vertreten, die die Eintragung voraussetzt). Stellt sich die Nichtigkeit einer Zeichnung vor Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung heraus, so kann diese nur in entsprechend geringerer Höhe eingetragen werden, also gar nicht, wenn die etwa beschlossene Mindesterhöhung nicht erreicht wird. Über den Fall gültiger Zeichnungsscheine bei bürgerlich-rechtlich ungültiger Sacheinlagevereinbarung s. § 183 Anm. 6. II. Zeichnung 1. Natur Anm. 2: Die Zeichnung neuer Aktien bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen ist genauso geregelt, wie die nach dem neuen Gesetz nicht mehr normierte Stufengründung (frühere § 30 II und I I I AktG 37). Bezüglich der Natur der Zeichnung nahm früher nach HGB die herrschende Lehre und insbesondere die Rechtsprechung (RG 108, 274) an, daß sie eine einseitige körperschaftliche Erklärung, aber empfangsbedürftig ist, d. h. der Gesellschaft zugehen muß, an die sie gerichtet ist. Im Schrifttum überwiegt heute die Ansicht, daß Zeichnung durch Vertrag mit der Gesellschaft erfolge (vgl. B.-H. R n 3 ; Fischer in Großkomm. § 152 Anm. 1). Bei der Kapitalerhöhung wird die Zeichnung nicht gegenüber den übrigen Zeichnern und schon vorhandenen Aktionären, sondern gegenüber 1112

Zeichnung der neuen Aktien

§185

Anm. 2—4 der schon bestehenden Gesellschaft abgegeben und geht die Zuteilung von dieser aus. Diese macht den Zeichner zum künftigen Aktionär, sein Aktienrecht ist bedingt durch die Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung (§ 189), seine Pflicht aus der Zeichnung (Leistung der Mindesteinzahlung auf die Bareinlage) entsteht aber schon durch die Zuteilung. Eine der Zeichnung vorangehende allgemeine Einladung der Gesellschaft zur Beteiligung ist kein Vertragsantrag. Ist sie nicht an die Allgemeinheit, sondern an einzelne gerichtet, so kann, insbesondere wenn sie hinsichtlich Betrag und Gattung der Aktien bestimmt genug ist, die Frage aufgeworfen werden, ob eine solche Aufforderung ein Vertragsantrag sei oder die Übernahme der Verpflichtung enthalte, dem Empfänger der Aufforderung Aktien zuzuteilen, wenn er zeichnet. Der Unterschied ist theoretisch wichtig (praktisch wird auf die Zeichnung hin die Zuteilung sofort bestätigt werden), weil nur ersterenfalls der Zeichner ohne weiteres in der Hauptversammlung stimmberechtigt ist und mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung das Recht erwirbt und im Falle der Überzeichnung die Priorität hat. Wer einen Beitrittsvertrag annimmt, wird geneigt sein, sich für die erstere Alternative zu entscheiden, wir neigen der zweiten zu und halten auch in einem solchen Falle noch besondere Zuteilung für notwendig. Wir sehen Zeichnung und Zuteilung nicht als Bestandteile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts, sondern als zwei getrennte, wenn auch zusammenhängende Rechtsgeschäfte an. Ihre Reihenfolge ergibt sich zwanglos von selbst, weil man nicht jemand Aktien zuteilen kann, von dem nicht feststeht, daß er sie haben will. Wie oben schon angedeutet glauben wir, daß der Zuteilung, wenn diese nicht sofort auf die Zeichnung hin erfolgt, die Zulassung der Zeichnung voranzugehen hat, um sie bindend zu machen. 2. Annahme Anm. 3: Die Annahme der Zeichnung erfolgt durch die Gesellschaft, sie bedarf keiner besonderen Form, sie wird wohl nur selten ausdrücklich erklärt werden und liegt in der Aufforderung zur Mindesteinzahlung und Anmeldung der durchgeführten Kapitalerhöhung aufgrund der Zeichnung. 3. Form Anm. 4: Die neuen Aktien müssen schriftlich gezeichnet werden, auch bei Sacheinlagen. Meist wird eine Bank dazwischengeschoben, die als alleiniger Zeichner auftritt und die Verpflichtung übernimmt, die Aktien den von der Gesellschaft bestimmten Personen, meist den alten Aktionären, zu bestimmtem Kurs anzubieten (s. § 186 Anm. 10). Der Zeichnungsschein des Bankhauses (Konsortiums) liegt gewöhnlich schon der Hauptversammlung vor, welche zugleich mit der Kapitalerhöhung die Begebung der Aktien an das Bankhaus (Konsortium) mit Anbletungspflicht (unter Ausschluß des gesetz1113

§185

Anm. 4—6

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

liehen Bezugsrechts) beschließt. In diesem Regelfall gelten die gesetzlichen Bestimmungen für die Zeichnung der Bank, nicht für den Bezug bei der Bank. Der Verkehr vermeidet dadurch die vielen Schwierigkeiten, die sich aus § 185 und § 186 ergeben können. Gezeichnet wird durch schriftliche Erklärung. Fehlt es an der Schriftlichkeit, so ist die Zeichnung unheilbar nichtig (vgl. §§ 125, 126 BGB). Ob jede Zeichnung in besonderer Urkunde erklärt werden muß, ist streitig. Nach der herrschenden Lehre soll sich dieses Erfordernis aus dem Worte Zeichnungsschein ergeben, so daß Eintragung in einen gemeinsamen Zeichnungsschein, eine Zeichnungsliste, nicht genügen soll. Die gleiche Form wie für die Zeichnung ist nach ständiger Rechtsprechung für den Vorvertrag erforderlich (RG 130, 74). Stellvertretung ist zulässig. Die Vollmacht bedarf keiner Form, jedoch kann das Registergericht den Nachweis der Vollmacht verlangen (a. A. Fischer in Großkomm. § 30 AktG 37 Anm. 8, weil der Vertreter ohne Vertretungsmacht noch nach entsprechend anzuwendendem § 179 BGB hafte). 4. Inhalt des Zeicbnttngsscheins Anm. 5: Der Inhalt des Zeichnungsscheins zerfällt in zwei Teile. Der eine Teil — Abs. 1 S. 1 — ist der wesentliche Inhalt des Zeichnungsscheins. Er muß die Beteiligung ergeben, welche der Zeichner übernehmen will und diese nach Zahl, Nennbetrag und Gattung der übernommenen Aktien und Firma der Gesellschaft genau angeben. Nach Ritter § 30 Anm. 36, Baumbach-Hueck 12.Aufl. § 30 Anm. 2 D braucht die Stückelung nicht angegeben zu werden. Diese Ansicht ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht unzweifelhaft, weil „Nennbetrag der Aktien" ebensogut Gesamtnennbetrag als auch Betrag der einzelnen Aktien bedeuten kann (s. Anm. 10). Dies Angaben sind sämtlich wesentliche Bestandteile der eigentlichen Zeichnung. Der andere Teil — Abs. 1 S. 3 — ist nicht wesentlicher Bestandteil (s. Anm. 7). Der Zeichnungsschein braucht keine Angaben darüber zu enthalten, ob es sich um Inhaber- oder Namensaktien handelt. Dieser notwendige Inhalt muß sich nach den Grundsätzen über Erfüllung einer gesetzlichen Formvorschrift, wenn auch mit Hilfe des Erhöhungsbeschlusses doch unmittelbar aus dem Zeichnungsschein selbst ergeben (vgl. RG 85, 284; 118, 269). Fehlt im Zeichnungsschein eine dieser Angaben, so liegt überhaupt kein Zeidinungsschein vor, denn diese Angaben gehören begrifflich zu einem Zeichnungsschein (vgl. RG a. a. O. und unten Anm. 7). Die Bestimmung des Abs. 3 kommt hierauf nicht zur Anwendung. Anm. 6: Der Zeichnungsschein soll doppelt ausgestellt werden. Ein Stück bleibt bei der Gesellschaft, eines wird dem Registergeridit übersandt. Ein Verstoß hiergegen ist für die Gültigkeit der Erklärung bedeutungslos. Weicht der Inhalt der beiden Stücke voneinander ab, läßt sich aber ermitteln, welche 1114

Zeichnung der neuen Aktien

§185

Anm. 6—9

den Willen des Zeichners wiedergibt, ist dieses der Zeichnungsschein. Der Zeidiner wird aber doch die in dem anderen Schein enthaltene Erklärung anfechten müssen (§ 119 BGB). Abs. 4 scheint uns bei der vorausgesetzten Sachlage auf den unrichtigen Schein nicht anwendbar. Beide Erklärungen sind anzufechten, wenn keine von ihnen den Zeichnerwillen richtig wiedergibt, anderenfalls hat die Gesellschaft die Wahl, welches Stück sie als Zeichnung gelten lassen will. Diese Wahl hat sie auch, wenn sich der richtige Wille nicht ermitteln läßt. Für die Anfeditung gelten die aktienreditlichen Schranken (s. § 29 Anm. 4). Anm. 7: fehlt eine der nach Ziffer 1 bis 4 erforderlichen Angaben, ist der Zeidinungssdiein zwar nichtig (Abs. 2), aber heilbar, so daß der Zeichner sich unter den Voraussetzungen des Abs. 3 nicht darauf berufen kann. Das Registergericht hat jedoch die Nichtigkeit eines einzigen Zeichnungsscheins zum Anlaß zu nehmen, die Eintragung abzulehnen, ohne Rücksicht darauf, ob die Nichtigkeit durdi die Eintragung geheilt würde. Wird aber eingetragen, so ist der Zeidiner unter den Voraussetzungen, unter denen er an seine Zeichnung gebunden bleibt, vollberechtigter Aktionär geworden, audi ohne daß das Gesetz es ausdrücklidi sagt. Ist der Zeidinungssdiein nichtig und wird die Durchführung der Kapitalerhöhung trotzdem eingetragen, jedoch ohne daß — mangels der gesetzlichen Voraussetzungen — der Zeidiner gebunden ist, so ist nicht etwa die durch die Eintragung wirksam gewordene Kapitalerhöhung (§ 189) nichtig, wenn der Zeichner die Zeichnung nicht wiederholt oder durch die Ausübung von Aktionärrechten (gegenüber der Gesellschaft) bestätigt (Abs. 3), vielmehr ist die Lage dieselbe, wie in Anm. 9 b vor § 23. Anm. 8: Im einzelnen hat der Zeichnungsschein zu enthalten: Ziffer 1: Tag des Erhöhungsbeschlusses, richtiger: der Beschluß unter Angabe seines Tages; das ist der Tag, an dem der Beschluß vollständig gefaßt ist. Sind die Sonderbeschlüsse nach § 182 II an verschiedenen Tagen gefaßt worden, so ist der Tag des zuletzt gefaßten Beschlusses maßgeblich. Danach kann, entsprechend Anm. 22 zu § 23, der Zeidinungssdiein erst nach der Beschlußfassung ausgestellt werden (KGJ 19, 5), jedoch setzt sich die Rechtsübung darüber hinweg, indem sie es für statthaft hält, den bevorstehenden Tag des Beschlusses anzugeben (KG a . a . O . ) ; daraus können sich, besonders im Falle der Sacheinlage Schwierigkeiten ergeben (s. § 183 Anm. 6). § 235 durchbricht den Grundsatz. Anm. 9: Ziffer 2: Ausgabebetrag, Betrag der Einzahlung, Nebenverpflichtungen. Nicht nur der Betrag der ersten Einzahlung, die gemäß § 188 II in Verbindung mit § 36 II 25 % und Aufgeld betragen muß, sondern auch der später zu zahlende Betrag (streitig; wie hier Brodmann § 189 HGB, Anm. 5 b) 1115

§185

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 9—13 sind anzugeben, sofern deren EinZahlungstermine schon im Beschluß bestimmt sind. Anm. 10: Ziffer 3: Die Festsetzungen bei Sacheinlagen und der gesamte Nennbetrag der auszugebenden Aktien jeder Gattung, also Gegenstand der Sacheinlage, die Person, von der die Gesellschaft ihn erwirbt und Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien. Diese Angaben sind in alle Zeichnungsscheine, audi derjenigen Zeichner aufzunehmen, welche nicht Sacli-, sondern Bareinlagen machen. Über Aktiengattung vgl. § 11 und oben Anm. 5. Bei nur verschiedener Stückelung ist keine Angabe erforderlich, da damit keine verschiedenen Gattungen geschaffen werden. Anm. 11: Ziffer 4: Schließlich ist der Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem der Zeichner gebunden ist. Kalendermäßige Bestimmung ist nicht erforderlich — es genügt z. B. „Vi Jahr nach dem Erhöhungsbeschluß" —, jedoch zu empfehlen und in der Praxis auch üblich. Der Zeitpunkt muß für alle Zeichner gemeinsam sein, liegt also nicht im Belieben des Zeichners, vielmehr wird er notwendig im Erhöhungsbeschluß oder vom Vorstand bestimmt. Die Zeichnung wird unverbindlich, wenn bis zu diesem Zeitpunkt die Durchführung der Kapitalerhöhung, und zwar in der etwa beschlossenen Mindesthöhe, nicht eingetragen ist. Das Registergericht darf nach diesem Zeitpunkt nicht mehr eintragen; über den Fall, daß es trotzdem einträgt s. Anm. 13. III. Nichtigkeit Anm. 12: Ein Zeichnungsschein ist auch dann nichtig, wenn er Einschränkungen enthält. Zu den Einschränkungen gehören auch Bedingungen (RG 83, 258). Solche Bedingungen und Beschränkungen bleiben auch dann nichtig, wenn die Nichtigkeit des Zeichnungsscheins als solche gemäß Abs. 3 geheilt wird. Das Registergericht darf in diesem Falle die Durchführung der Kapitalerhöhung in Höhe dieser Zeichnungsscheine nicht eintragen (KG in OLG 43, 316), denn insoweit ist die Kapitalerhöhung nicht durchgeführt. Wird sie versehentlich doch eingetragen, so kann nach Abs. 3 die Nichtigkeit des Zeichnungsscheins geheilt werden. IV. Heilung der Nichtigkeit Anm. 13: Die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung und Bestätigung der Zeichnung heilen zusammen sowohl die Nichtigkeit des Scheins 1116

Zeichnung der neuen Aktien

§ 185

Anm. 13

wegen Verletzung von Ziffer 1, 2 u. 3, wie auch die Unverbindlidikeit des Scheins aus Ziffer 4 (dagegen wegen Willensmängel s. § 187 Anm. 3). Die Bestätigung der Zeichnung liegt in der Ausübung von Aktionärsrechten, wie Anforderung oder Entgegennahme einer Aktienurkunde, Hinterlegung gemäß § 125 II S. 1, Teilnahme an der Hauptversammlung, Dividendenbezug, nicht schon in der Erkundigung nach der Geschäftslage außerhalb der Hauptversammlung; Antrag auf Erteilung einer Abschrift des Jahresabschlusses oder Geschäftsberichtes kann Bestätigung sein, wenn er in der Form eines Verlangens nach § 175 gestellt wird. Eine Bestätigung liegt in der Erfüllung von Aktionärsverpflichtungen, vor allem der (Bar- oder Sach-)Einlage. Unklar sind die Worte „auf Grund des Zeichnungsscheins als Aktionär", denn niemand kann Rechte als Aktionär aufgrund des Zeichnungssdieins für sich allein ausüben, ebensowenig aufgrund seiner allein Pflichten erfüllen, ja überhaupt nur haben, bevor die Durchführung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister eingetragen ist. Ist sie eingetragen, so wird das Recht als Aktionär aufgrund des nun entstandenen Aktienrechts ausgeübt, das freilich seinerseits in subjektiver Beziehung ein Aktienrecht des Zeichners, trotz der Nichtigkeit der Zeichnung, erst durch die Bestätigungshandlung (Rechtsausübung, Pflichterfüllung) wird. Aufgrund des Zeidinungsscheins — aber auch nur in Verbindung mit der Zuteilung — besteht nur die Verpflichtung zur Leistung der sofortigen Mindesteinlage und des Aufgelds, deren Erfüllung der Eintragung vorangeht ( § 1 8 8 1 1 ; § 3 6 1 1 ) und daher keine Leistung „als Aktionär", sondern in der Erwartung, Aktionär zu werden, ist. Wir sehen aus praktischen Erwägungen den Zeichnungsschein auch durch die Entrichtung der Mindesteinlage in Verbindung mit der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung als geheilt an, wie wir umgekehrt aus den Worten „auf Grund des Zeichnungsscheins" auch nicht ableiten, daß nach der Eintragung, also aufgrund des Rechts (wirklich „als Aktionär") die Zeichnung nicht mehr bestätigt werden könne. Nicht vorausgesetzt wird, was freilich auch fraglich sein könnte, daß dem Zeichner bei der Bestätigung bekannt ist, daß die Frist für die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung, als sie erfolgte, überschritten war (Ziff. 4). Bei einer der Eintragung vorausgehenden Bestätigung (Bewirkung der Mindesteinlage) kann ihm dies freilich überhaupt nur bekannt sein, wenn der Zeitpunkt der Ziffer 4 schon im Augenblick der Bestätigung selbst vorüber ist. Der Beweis dieser inneren Tatsache wäre für die Gesellschaft, die sich darauf beruft, praktisch nicht führbar. D a der Gesetzeswortlaut die Voraussetzung nicht ergibt, braucht sie auch nicht gemacht zu werden. Fraglich ist ferner das Verhältnis des Abs. 3 zu § 142 F G G , wonach die Löschung der Eintragung von Amts wegen vorzunehmen ist, wenn sie mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig war. Letzteres trifft ohne weiteres zu. Würde man eine Bestätigung vor der Eintragung nicht gelten 1117

§ § 185/186

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 13 lassen (siehe oben in bezug auf Mindesteinlagen), so müßte die Eintragung also auch dann von Amts wegen gelöscht werden, wenn alle Aktionäre vor der Eintragung die Einlagen voll erfüllt haben — es sei denn, daß alle auch nach der Eintragung noch andere Bestätigungshandlungen vorgenommen haben, die aber für das Gericht kaum nachprüfbar sein dürften. Haben alle Zeichner bestätigt, kann die Löschung der Eintragung unterbleiben. Große Schwierigkeiten entstehen endlich, wenn nur ein Teil der Scheine nichtig ist (meist stimmt ihr Wortlaut überein und geben sie den gleichen Zeitpunkt der Unverbindlichkeit an) oder bestätigt wird. Sie können praktisch nicht eintreten, wenn man die Leistung der Mindesteinlage als Bestätigung gelten läßt (s. oben), da diese ja alle vor der Eintragung vornehmen müssen. Daß die Durchführung in voller Höhe angemeldet oder gar eingetragen wird, obwohl nur ein Teil der Zeichner (nämlich diejenigen, deren Scheine nicht nichtig sind) die Mindesteinlage gemacht hat, braucht uns nicht zu beschäftigen, weil es ein Fall ist, der nicht eintritt. Eine Teilanmeldung ist statthaft, wenn wie meist der Kapitalerhöhungsbeschluß keine Mindest-, sondern nur eine Höchstgrenze der Kapitalerhöhung angibt („um bis zu"). Diese Schwierigkeit wird im allgemeinen durch das mittelbare Bezugsrecht (§ 186 Abs. 5) ausgeräumt. Auf die Gegenstandslosigkeit des Zeichnungssdieins wegen Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses bezieht sich Abs. 3 nicht (s. § 188 Anm. 7). Die Folge der Heilung ist, daß der Aktionär aus dem Zeidinungsschein wie aus einem gültigen verpflichtet bleibt. Die Rechtslage ist die gleiche, wie wenn ein Zeidinungsschein mit dem der Sachlage entsprechenden Inhalt vorläge. Unzulässige Beschränkungen werden nicht berücksichtigt. Der Aktionär kann seine Sacheinlage leisten, audi wenn die notwendigen Festsetzungen im Zeichnungsschein nicht enthalten waren. Jede im Zeichnungsschein nicht enthaltene Beschränkung macht nicht nur diesen nicht nichtig, sondern ist auch erst recht der Gesellschaft gegenüber unwirksam, hier gibt es keine Heilung.

§ 186 Bezugsrecht (1) Jedem Aktionär muß auf sein Verlangen ein seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entsprechender Teil der neuen Aktien zugeteilt werden. Für die Ausübung des Bezugsredits kann eine Frist von mindestens zwei Wodien bestimmt werden. (2) Der Vorstand hat den Ausgabebetrag und zugleich eine nach Absatz 1 bestimmte Frist in den Gesellsdiaftsblättern bekanntzumachen. 1118

Bezugsredit

§186 Anm. 1

(3) Das Bezugsredit kann ganz oder zum Teil nur im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals ausgeschlossen werden. In diesem Fall bedarf der Beschluß neben den in Gesetz oder Satzung für die Kapitalerhöhung aufgestellten Erfordernissen einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (4) Ein Beschluß, durch den das Bezugsredit ganz oder zum Teil ausgeschlossen wird, darf nur gefaßt werden, wenn die Ausschließung ausdrücklich und ordnungsgemäß (§ 124 Abs. 1) bekanntgemacht worden ist. (5) Als Ausschluß des Bezugsrechts ist es nicht anzusehen, wenn nach dem Beschluß die neuen Aktien von einem Kreditinstitut mit der Verpflichtung übernommen werden sollen, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten. Der Vorstand hat das Bezugsangebot des Kreditinstituts unter Angabe des für die Aktien zu leistenden Entgelts und einer für die Annahme des Angebots gesetzten Frist in den Gesellsdiaftsblättern bekanntzumadien; gleiches gilt, wenn die neuen Aktien von einem anderen als einem Kreditinstitut mit der Verpflichtung übernommen werden sollen, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten. I. Übersicht (Anm. 1) II. Bezugsbereditigter (Anm. 2) I I I . Inhalt (Anm. 3) IV. Frist zur Ausübung (Anm. 4)

V. Ausgabebetrag (Anm. 5) VI. Ausschluß (Anm. 6 bis 9) V I I . Mittelbares Bezugsrecht (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Abs. 1 bis 4 die Bestimmungen des bisherigen § 153 A k t G 3 7 mit einigen sprachlichen Änderungen. Abs. 5 regelt neu das sogenannte mittelbare Bezugsrecht (s. Anm. 10). Jeder Aktionär hat einen gesetzlichen, auf Mitgliedschaft beruhenden Anspruch auf Zuteilung neuer Aktien entsprechend seiner bisherigen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. Dieses Recht kann nicht durch die Satzung beschränkt werden, wohl aber durch den Kapitalerhöhungsbeschluß oder durch übermäßig erschwerende Bedingungen praktisch ausgeschlossen werden. Der Beschluß bedarf der im Abs. 3 zwingend festgelegten qualifizierten Mehrheiten und besonderer Ankündigung. Die nach bisherigem Recht streitige Frage, ob das Recht der stimmrechtslosen Vorzugsaktionäre auf den Bezug neuer Aktien mit vorstehenden oder gleichstehenden Rechten entzogen werden kann, ist nunmehr durch § 1 4 1 V S. 3 dahin geklärt, daß es ausgeschlossen werden kann (vgl. im einzelnen § 141 Anm. 5). Auch der Ausschluß des Bezugsrechts kann in der Satzung nicht verboten werden, auch nicht zugunsten der Aktionäre ein bestimmter Ausgabekurs 1119

§186 Anm. 1,2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

(z.B. pari) angeordnet werden (§ 187). Jedoch ist die Steigerung der Mehrheitserfordernisse für den Ausschluß durch die Satzung und eine schuldrechtliche Vereinbarung der Aktionäre über die künftige Behandlung des Bezugsrechts (seines Ausschlusses oder Nichtausschlusses) möglich. II. Bezugsberechtigter Anm. 2: Das Bezugsrecht ist ein Mitgliedsrecht und unterliegt der Verbandsgewalt. Grundsätzlich steht jedem Aktionär das Bezugsrecht zu. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch zwei Ausnahmen: dem Unternehmen, das seiner Mitteilungspflicht nach dem § 20 ff. nicht nachgekommen ist (§§ 20 VII, 2 1 I V ) , und der Gesellschaft für eigene Aktien und denjenigen, die Aktien für Rechnung der Gesellschaft besitzen (§ 71 VI), stehen das Bezugsrecht nicht zu. Das Bezugsrecht, das mit Aktien der herrschenden Gesellschaft verbunden ist, die einem abhängigen oder einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen oder einem Dritten für Rechnung solcher Unternehmen gehören, kann nicht ausgeübt (§ 56 II), aber verwertet werden. Es ist nicht so, daß der Aktionär (ohne Ausschluß des Bezugsrechts) aufgrund der alten Aktie ohne weiteres Aktionär der jungen würde. Dies scheidet schon um deswillen aus, weil er ja nach § 54 nicht ohne seinen Willen zu einer neuen Einlage verpflichtet werden kann. Aufgrund der alten Aktie wird er aber auch nicht ohne weiteres Inhaber der neuen Aktie, wenn er das Bezugsrecht auszuüben erklärt. Er kann vielmehr nur die Zuteilung der neuen Aktie verlangen. Das Verlangen ist formlos, doch muß sich der Aktionär als solcher legitimieren. Früher geschah dies regelmäßig durch Vorlegung und Abstempelung des Mantels auch bei Namensaktien, so daß der Verkäufer des Bezugsrechts diesen zur Verfügung zu stellen hatte. Seit die Dividendenscheine nicht mehr allgemein ausdrücklich für einzelne Geschäftsjahre ausgegeben, sondern nur mit fortlaufenden Nummern ohne Aufdruck eines bestimmten Geschäftsjahres versehen werden, ist es üblich geworden, die Legitimation zur Ausübung des Bezugsrechts mit einem bestimmten Dividendenschein zu verbinden, der dann einzuliefern ist (die Dividende wird dann auf die nächste Nummer gezahlt). In diesem Fall genügt der Verkäufer seiner Verpflichtung durch Übergabe des richtigen Dividendenscheines. Bei vinkulierten Namensaktien (Versicherungsgesellschaften) ist aber noch die Genehmigung der Gesellschaft erforderlich. Der Erwerber muß der Gesellschaft bekanntgegeben und sein Erwerb genehmigt werden, bei mittelbarem Bezug erst recht. Die Eintragung im Aktienbuch erfolgt bei unmittelbarem Bezug von Amts wegen, weil hier ein ursprünglicher Aktienerwerb auch dann vorliegt, wenn das Bezugsrecht erworben war. Bei mittelbarem Bezug liegt ein abgeleiteter Aktienerwerb vor und wird die Umschreibung im Aktienbuch wohl regelmäßig von der Bank, welche die Aktien gezeichnet hat, als Veräußerin herbeigeführt werden. 1120

Bezugsrecht

§ 186 Anm. 2

Die Zuteilung ist ein besonderer, in Ausführung der Kapitalerhöhung vom Vorstand vorzunehmender körperschaftsrechtlidier Akt und geht der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung voran. Audi sie ist formlos und kann auch in der Aufforderung liegen, die Mindesteinzahlung auf die Bareinlagen zu leisten. Auch sie macht den Zeichneraktionär noch nicht zum Aktionär der neuen Aktien, sondern erst deren Entstehung durch die Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung (§ 189). Immerhin erzeugt die Zuteilung aufgrund vorangegangenen Verlangens mit oder ohne gleichzeitiger formgerechter Zeichnung (§185) bereits Ansprüche: einerseits auf formgerechte Zeichnung und Erfüllung der Einlageverpflichtung, andererseits auf Durchführung (Anmeldung der Kapitalerhöhung und Ausgabe der Aktien; letztere erschöpft sich nadi Entstehung des Rechts durch Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in Ausstellung und Aushändigung der Urkunde). Wenn er ohne Ausschluß des Bezugsrechts übergangen wird, hat der Aktionär die üblichen Mittel, Klage und einstweilige Verfügung, seinem Recht Geltung zu verschaffen. Gelingt dies nicht, wird insbesondere die junge Aktie gesetzwidrig begeben und daraufhin die durchgeführte Kapitalerhöhung eingetragen, so ist die gesetzwidrig begebene junge Aktie trotzdem gültig und auch trotzdem rechtswirksam begeben und der verletzte Aktionär auf Schadenersatzklage gegen die Gesellschaft angewiesen. Das Bezugsrecht ist mit jeder Aktie verbunden, auf Stimmrecht oder sonstige Rechte oder Vollzahlung kommt es nicht an. Es haben sonach, wenn mehrere Aktiengattungen bestehen, die Aktionäre aller Gattungen (auch stimmrechtslose Vorzugsaktien) das Bezugsrecht auch dann, wenn die jungen Aktien nur einer der verschiedenen Gattungen angehören (ebenso B.-H. Rn 9; Möhring-Tank R z l 6 8 ; Götz Hueck in Festschrift für Nipperdey 1965 Bd. I S. 430; Rohwedder in Möhring-Schwartz S. 47; a. A. Meilicke in BB 1961, 1284). Gehören auch die jungen Aktien den verschiedenen (schon bestehenden) Gattungen an, so muß der Hauptversammlungsbeschluß es mit der für den Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts erforderlichen Mehrheit beschließen, wenn etwa den Aktionären der einen Gattung das Bezugsrecht nur auf die jungen Aktien derselben, den Aktionären der anderen nur auf die jungen Aktien dieser Gattung zustehen soll. Nach R G 118,71 ist dies zulässig, der Grundsatz der Gleichberechtigung steht nicht entgegen. Bei Verpfändung der Aktien und bei Nießbrauch ist das Bezugsrecht vom Eigentümer geltend zu machen. Die Zustimmung des Nießbrauchers oder Pfandgläubigers ist nicht erforderlich. Letztere müssen dem Eigentümer durdi Einreichung die Möglichkeit geben, sich als Berechtigter zu legitimieren und das Bezugsrecht auszuüben. Durdi die Ausübung des Bezugsrechts wird dem Nießbraucher (Pfandgläubiger) insofern ein Schaden zugefügt, als der Substanzwert der alten Aktie sich verringert. Die vorher 1121

§186 Anm. 2,3

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

eingetretene Erhöhung war dagegen in der Regel dadurch eingetreten, daß der erwirtschaftete Gewinn nicht voll ausgeschüttet worden ist, der Nießbraucher also nicht in den vollen Genuß seines Rechtes gekommen ist. Übt der Eigentümer das Bezugsrecht aus oder verkauft er es, dann ist der Nießbraudier (Pfandgläubiger) um den Substanzwertverlust der alten Aktie geschädigt. Die herrschende Lehre gibt ihm daher einen Anspruch auf den Teil der Erträgnisse der jungen Aktie, der dem Wertverhältnis des Bezugsrechtes entspricht (vgl. Boesebeck in ZB H R 1929, 15; Bernidee, Das Bezugsrecht der Aktionäre 1928, S. 67 ff.; Meilicke in BB 1961, 1282; Fischer in Großkomm. § 1 5 3 Anm. 17 u. 18; Baumbach-Hueck Rn 4; Guntz in Die AktGes. 1958, 179). Bei Vorerbschaft ist der Vorerbe berechtigt; der Erlös für das Bezugsrecht oder die neue Aktie gehört aber zur Erbmasse. m . Inhalt Anm. 3: Das Bezugsrecht besteht in dem Recht, die Zuteilung von Aktien verlangen zu können. Es ist aus der Mitgliedschaft sich ergebende Recht, an der Bildung neuen Gesellschaftskapitals teilzunehmen, indem die Aktienrechte entsprechend der bisherigen Beteiligung vermehrt werden können, wenn die Verpflichtung abgegeben wird, zum Zwecke des Erwerbs der neuen Aktie die geforderte Einlage zu leisten. Das Verlangen der Zuteilung kann formlos, also auch mündlich gestellt werden, ist aber Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Zuteilung von Aktien. Übt ein Aktionär sein Bezugsrecht nicht aus, so wächst es nicht etwa den anderen Aktionären zu, sondern die junge Aktie kann anderweitig begeben werden. Sowohl der aus dem gesetzlichen als auch der aus dem mittelbaren Bezugsrecht sich ergebende Anspruch auf Zuteilung bzw. Übertragung von Aktien ist veräußerlich und vererblich. Ist zur Übertragung der zu beziehenden Aktie die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich, so bedarf ihrer auch die Veräußerung des Bezugsrechts. Rechtlich möglich ist, daß der Kapitalerhöhungsbeschluß die neuen Aktien als frei veräußerliche Inhaberaktien schafft, auch wenn die alten Aktien gebundene Namensaktien sind. Bei jeder Kapitalerhöhung entwickelt sich ein lebhafter Handel in Bezugsrechten und muß sich entwickeln, weil der einzelne Aktionär meist nicht die zum Bezug erforderliche Anzahl alter Aktien genau besitzt, da fast nie das Grundkapital gerade verdoppelt oder verdreifacht wird, so daß nicht auf jede, sondern auf mehrere alte Aktien eine junge entfällt und also jeder einzelne Aktionär Bezugsrechte zukaufen oder verkaufen muß. Die Verpflichtung des Verkäufers geht auf formlose Abtretung des Bezugsrechts (bzw. der Bezugsforderung) und auf Legitimationsübertragung an der bezugsberechtigten alten Aktie, weil ohne solche das Bezugsrecht nicht ausübbar wäre. 1122

Bezugsrecht

§186 Anm.3—5

Dem Umtauschverhältnis ist der Nennbetrag zugrunde zu legen. Wird z. B. das in 1000 Aktien von je 100,— DM eingeteilte Grundkapital um 50 000,— DM durdi Ausgabe von 500 Aktien im Nennbetrage von je 100,— DM erhöht, so geht das einer alten Aktie anhaftende Bezugsrecht auf eine halbe Aktie (50,— DM); ein Aktionär, der nur eine Aktie besitzt, muß also ein Bezugsrecht zukaufen oder sein Bezugsrecht verkaufen. Bei der Stückelung der jungen Aktien muß darauf gesehen werden, daß die Ausübung des Bezugsrechtes nicht dadurch erschwert werden darf. Letzteres macht den Beschluß anfechtbar, denn es liegt darin eine ungleichmäßige Behandlung der Aktionäre und gilt darum audi beim mittelbaren Bezugsredit. IV. Frist zur Ausübung Anm. 4: Die Frist für die Ausübung des Bezugsrechts ist nach Abs. 2 in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Sie läuft vom Erscheinen des letzten Blattes, das die Bekanntmachung enthält, und muß mindestens 2 Wochen betragen (vgl. im übrigen §§ 188 ff. BGB). Nach Ablauf der Frist ist die Ausübung zwar nicht unzulässig, die Gesellschaft kann aber die Aktien, für die kein Bezugsrecht innerhalb der Frist ausgeübt wurde, anderweitig begeben, ohne Schadenersatzansprüche gewärtigen zu müssen. Die Bestimmung einer solchen Frist ist zwar gesetzlich nicht geboten, aber praktisch unentbehrlich. Welche Frist läuft, wenn keine ausdrücklich bestimmt ist, ist streitig. Die h.L. (Fisdier in Großkomm. § 153 AktG 37 Anm. 5; Schl.-Qu. § 153 Anm. 7; B.-H. 11. Auflage §153 Anm.3 — in der neuesten Auflage ist eine Stellungnahme zu dieser Frage nicht enthalten —) hält die Ausübung des Bezugsredits dann bis zur Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister für möglich. Vor der Anmeldung muß jedoch, wie § 188 ergibt, jede junge Aktie gezeichnet und der geforderte Einlagebetrag geleistet worden sein. Der Vorstand kann die Aktien aber Dritten zur Zeichnung erst anbieten, wenn das Recht auf Bezug für die Aktionäre erloschen ist. Die h. L. ist aus diesen Gründen abzulehnen. Ist eine Frist nicht ausdrücklich genannt, so besteht lediglich die im Gesetz genannte Mindestfrist von zwei Wochen (ebenso Möhring-Tank I Rz 170; StaubPinner § 282 HGB Anm. 6). Die Frist kann von der Satzung, der Hauptversammlung, dem Vorstand bestimmt werden. Eine zeitliche Begrenzung des Bezugsrechtes ergibt sich übrigens auch dann, wenn im Kapitalerhöhungsbeschluß eine Zeitgrenze für seine Durchführung bestimmt ist. Beim mittelbaren Bezugsredit gehen Aufforderung zum Bezug und Fristsetzung vom Zeichner aus. V. Ausgabebetrag Anm. 5: Über den Ausgabebetrag vgl. § 182 Anm. 6. Ob der Betrag für die Aktionäre und sonstigen Zeichner gleidi sein muß, bestimmt die Haupt1123

§186 Anm. 5—7

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Versammlung zugleich mit dem Ausschluß des Bezugsrechts für einen Teil der Aktien. Die Hauptversammlung kann sidi darauf beschränken, nach § 182 III den Mindestausgabebetrag für den einen wie für den anderen Teil der Neuausgabe festzusetzen, dann dürfte der Vorstand ermäditigt sein, den Ausgabebetrag für die beiden Teile verschieden festzusetzen. Im Regelfall des mittelbaren Bezugsrechts wird im Hauptversammlungsbeschluß gesagt, zu welchem Kurs die Aktien an den Zeichner zu begeben und von diesem den alten Aktionären anzubieten sind und für einen etwa weiteren Teil der Emission der Mindestausgabekurs bestimmt. Der Ausgabebetrag und die für die Ausübung des Bezugsrechts bestimmte Frist (s. Anm. 4) sind im Bundesanzeiger und etwa in der Satzung bestimmten weiteren Blättern (§ 25) bekanntzumadien. Ist das Bezugsrecht ausgeschlossen worden, so braucht nicht nur keine Frist für seine Ausübung, sondern auch der Ausgabebetrag nicht bekanntgemacht zu werden, zu welchem der Vorstand (unter Beachtung des nach § 182 III von der Hauptversammlung beschlossenen Mindestausgabebetrages) die Aktien an einen dritten Zeichner abgegeben hat. Die Aktionäre sind auf ihr Fragerecht und den Geschäftsbericht angewiesen. VI. Ausschluß Anm. 6: Das Bezugsrecht kann nur im Kapitalerhöhungsbeschluß ausgeschlossen oder erschwert werden. In einem anderen Beschluß kann es trotz der Fassung des Abs. 4 nicht geschehen. Die Aktionäre könnten trotz eines solchen ihre Rechte gegen die Gesellschaft mit Klage und Antrag auf einstweilige Verfügung (Verhinderung der Begebung an andere) geltend machen, ohne den Besdiluß, durch den das Bezugsrecht entzogen ist, anzufechten. Das Gesetz läßt den Ausschluß des Bezugsrechts nur im Kapitalerhöhungsbeschluß zu, um ihn den für letzteren geltenden Mehrheitserfordernissen zu unterwerfen, die sogar gerade zum Schutz der Minderheit gegen einen Ausschluß vom Bezugsrecht durch eine selbstsüchtige Mehrheit getroffen sind. Auch der Ausschluß aller übrigen Aktionäre zugunsten eines einzigen ist nach Maßgabe von Anm. 8 zulässig (RG 118, 67; Fischer in Großkomm. § 153 AktG 37 Anm. 14; einschränkend B.-H. Rn 15), wenn nicht etwa damit eine Bereicherung des Begünstigten auf Kosten der Minderheit oder (und) der Gesellschaft oder eine Entrechtung der Minderheit bezweckt wird (RG 107, 72; 112, 18). Anm. 7: Nach § 182 bedarf die Kapitalerhöhung einer Mehrheit, die zugleich die Mehrheit der Stimmen und drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Dasselbe gilt für den Ausschluß und die Erschwerung des Bezugsrechts. Während die Satzung die zur Kapitalerhöhung erforderliche Kapitalmehrheit vergrößern oder ermäßigen kann, ist letzteres für den Ausschluß des Bezugsrechts nicht zulässig. Daneben gelten 1124

Bezugsredn

§186

Arnn. 7—10

ohne weiteres auch alle für die Kapitalerhöhung sonst noch vorgesehenen Erfordernisse und können außerdem noch weitere Erfordernisse bestimmt werden (s. aber Anm. 10). Anm. 8: Der Ausschluß als solcher ist nicht anfechtbar, da er gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist (RG 107, 70), kann aber anfechtbar sein nadi § 243 II auch nach § 243 I, wenn in der Art des Zustandekommens des Beschlusses ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, endlich nichtig sein, wenn dieser in seinem Inhalt liegt (§ 241), etwa wegen Schädigung der Minderheit zu eigennützigen Zwecken der Mehrheit (vgl. RG 105,375; 107,67; 107, 75; 108, 42; 108,327; 113,193; 132,160). Es ist aber nicht so, daß es gegen die Gleichbereditigung verstieße, wenn das allgemeine Bezugsrecht zugunsten eines einzelnen Aktionärs ausgeschlossen und alle jungen Aktien an einen einzelnen Aktionär (wie an einen Dritten) mit oder ohne die Verpfliditung begeben werden, sie den übrigen anzubieten (vgl. Anm. 10). Um eine unterschiedliche Behandlung der Aktionäre handelt es sich dabei überhaupt nicht, weil an den betreffenden Aktionär die Aktien nidit aufgrund des Bezugsrechts seiner Aktien begeben, vielmehr auch diese vom Bezug ausgeschlossen werden; dagegen halten wir es für unzulässig und anfechtbar, nur das Bezugsrecht eines Teils der Aktien auszuschließen, das der anderen nicht, sei es, daß das Bezugsrecht der letzteren entsprechend erhöht wird, sei es, daß die auf erstere entfallenden jungen Aktien an einen Dritten begeben werden, es sei denn, diese stimmen zu oder es ist sachlich gerechtfertigt (BGH 33,186), z. B. bei Sacheinlagen, die nur von bestimmten Aktionären geleistet werden können. Es ist denkbar, daß der Ausschluß nicht ausdrücklich, sondern implicite beschlossen wird, so, wenn die Erhöhung der Sacheinlage beschlossen wird. Anm. 9: Das Bezugsrecht darf nur ausgeschlossen werden, wenn die Ausschließung, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch deutlich, wie z. B. Ankündigung einer Sacheinlage, angekündigt ist. Es genügt nicht die Ankündigung, daß über das Bezugsrecht beschlossen werden soll. Wurde das Bezugsrecht ohne Ankündigung einer Ausschließung ausgeschlossen, ist der Kapitalerhöhungsbesdiluß anfechtbar. Bisher hieß es „kann nur gefaßt werden"; „kann" ist durch „darf" ersetzt worden, weil ein Verstoß lediglich Anfechtung und nicht Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge hat. VII. Mittelbares Bezugsrecht Anm. 10: Neu geregelt ist in Abs. 5 das mittelbare Bezugsrecht. Das sogenannte mittelbare Bezugsrecht ist ein Forderungsrecht auf Lieferung einer jungen Aktie, gerichtet gegen einen Zeichner, dem die jungen Aktien mit 1125

§ 186 Anm. 10

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

der Auflage zugeteilt worden sind, sie zu einem bestimmten Kurs den alten Aktionären in einem bestimmten, zwischen Zeichner und Gesellschaft vereinbarten Verhältnis zu ihrem Besitz an alten Aktien zum Bezug anzubieten (Vertrag zugunsten eines Dritten). Bis zum Bezug durch die alten Aktionäre ist der Zeichner Aktionär, ihm obliegen auch der Gesellschaft gegenüber allein alle Verpflichtungen aus der Zeichnung. Durch die Einschaltung eines solchen Zwischenmannes (Kreditinstitut, Konsortium, Großaktionär oder Dritte) wird vermieden, daß eine Vielzahl von Aktionären zur Ausübung des Bezugsrechts und Leistung der gesetzlichen Mindesteinzahlung veranlaßt werden muß, bevor die Zulässigkeit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung und Entstehung der Aktienrechte feststeht (§§ 189,191). Im Hinblick auf § 191 kann mit der Durchführung des mittelbaren Bezugsrechts erst nach der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung begonnen werden. Bis zur Durchführung des mittelbaren Bezugsrechts hat der Aktionär in Ansehung der jungen Aktie überhaupt keine gesellschaftsrechtliche Stellung. Vielmehr hat er nur aufgrund des Vertrages zwischen Gesellschaft und Zeichner, der ein Vertrag zugunsten eines Dritten ist, gegen letzteren einen bürgerlichrechtlichen Lieferungsanspruch auf Überlassung eines jungen Aktienrechts und erwirbt letzteres erst durch die Erfüllung dieses Anspruches durch Übertragung des Rechts und Übergabe der Urkunde (Durchführung des mittelbaren Bezugsrechts). Das mittelbare Bezugsrecht wird formlos geltend gemacht, wie auch sonst ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch und wie auch beim gesetzlichen Bezugsrecht (im Gegensatz zur nachfolgenden Zeichnung) das „Verlangen" formlos ist. Eine Zeichnung des Beziehers (alten Aktionärs) gegenüber des verpflichteten Zeichners findet nicht statt. Zur Ausübung seines Anspruchs hat der Aktionär sich gegenüber dem Zeichner mittels der Urkunde über die alte Aktie zu legitimieren, bei einer Namensaktie, die nicht auf seinen Namen lautet, zuzüglich eines Satzes zusammenhängender auf ihn reichender Indossamente oder Abtretungsurkunden. Oft wird auch bestimmt, daß die Legitimation statt durch die Aktienurkunde durch einen bestimmten Dividendenschein zu führen sei (s. auch oben). Die Herbeiführung des Bezugs durch die alten Aktionäre gehört zu den Verpflichtungen des Zeichners aus seinem Vertrag mit der Gesellschaft. Er hat unverzüglich nach der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung die notwendigen Aufforderungen an die Aktionäre zu richten, den Bezug auszuüben. Das Gesetz macht hinsichtlich der Zeichner einen Unterschied: handelt es sich um ein Kreditinstitut, so ist das mittelbare Bezugsrecht nicht als Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechtes anzusehen; ist der Zeichner dagegen kein Kreditinstitut, so liegt ein Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechtes vor. Der Unterschied liegt in dem Erfordernis einer größeren Kapital1126

Zusicherung von Rechten auf den Bezug neuer Aktien

§§ 186/187 Anm. 10/1,2

mehrheit nach Abs. 3 für Niditkreditinstitute als Zeichner, während die Erschwernisse des Abs. 3 für Kreditinstitute entfallen. Die Erschwernisse des Abs. 3 sind zur Sicherung der Aktionäre geschaffen. Da Kreditinstitute von der Bankenaufsichtsbehörde überwacht werden, ist der Anspruch der Aktionäre auf Aushändigung der Urkunde über die neuen Aktie hinreichend gesichert (amtliche Begründung). Das Gesetz spricht lediglich von einem Kreditinstitut. Die Vorschrift findet schon nach ihrem Zweck auch auf ein Konsortium von Kreditinstituten Anwendung. Es muß sich jedoch ausschließlich um Kreditinstitute handeln, sonst ist die Ausnahme des Absatzes 5 nicht gegeben und es liegt ein Ausschluß des Bezugsrechts vor, so daß die Absätze 3 und 4 beachtet werden müssen (B.-H. Rn 19). Eine besondere Sicherung ist durch die Bestimmung geschaffen worden, daß das Bezugsrecht unter Angabe des Preises und einer angemessenen Frist zur Annahme des Angebotes durch den Vorstand in den Gesellschaftsblättern (§ 25) bekanntgemacht werden muß. Diese Verpflichtung trifft die Gesellschaft auch, wenn andere Dritte als Zeichner fungieren mit der Auflage, die Aktien den alten Aktionären anzubieten.

§ 187

Zusicherung von Rechten auf den Bezug neuer Aktien (1) Rechte auf den Bezug neuer Aktien können nur unter Vorbehalt des Bezugsrechts der Aktionäre zugesichert werden. (2) Zusicherungen vor dem Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals sind der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Anm. 1: Die Bestimmung übernimmt die Vorschrift des bisherigen § 154 AktG37. Wie § 186 von dem gesetzlichen, handelt § 187 von einem mit Dritten oder Aktionären vereinbarten Bezugsrecht. Die „Zusicherung" ist ein vom Vorstand ausgehender gesellschaftsrechtlicher Akt, der eine causa für die Verpflichtung der Gesellschaft zur Zuteilung, evtl. Ausgabe der Aktien ist. Sie kann integrierender Bestandteil eines Vertrages sein, durch den auch der Empfänger der Zusicherung zur Zeichnung verpflichtet wird. Ein zugesichertes Bezugsrecht ist, wenn aus der Vereinbarung nichts anderes hervorgeht, frei veräußerlich und vererblich. Anm. 2: Ein derartiges Bezugsrecht kann vor dem Kapitalerhöhungsbeschluß mit Wirksamkeit gegenüber der Gesellschaft überhaupt nicht vereinbart werden, außer unter dem Vorbehalt des gesetzlichen Bezugsrechts, d. h. unter der Bedingung, daß die Aktionäre das gesetzliche Bezugsrecht nicht ausüben (nicht: daß die Hauptversammlung es ausschließt). Dies gilt von der 1127

§187 Maßnahmen der Kapitalbeschaffung Anm. 2—i Zusicherung des Bezugsrechtes sowohl an Dritte als auch an einzelne Aktionäre als solche; deshalb ist auch nicht zulässig, in der Satzung über § 186 hinaus den Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechtes zu verbieten oder ein satzungsmäßiges Bezugsrecht zu begründen. Anm. 3: Nach dem Beschluß über die Kapitalerhöhung, auch schon vor seiner Eintragung, kann, soweit in diesem das gesetzliche Bezugsrecht ausgeschlossen worden ist, eine beide Seiten bindende Vereinbarung über die Begebung der jungen Aktien getroffen werden. Eine Zusicherung, welche nach dem Beschluß vor seiner Eintragung gemacht wird, kann nicht erfüllt werden, wenn die Eintragung unterbleibt oder der Beschluß vor oder nach Eintragung für nichtig erklärt wird. Die Gesellschaft hat die Unmöglichkeit zu vertreten, wenn der Vorstand die Anmeldung (sei es aus eigener Entschließung oder aufgrund eines neuen Hauptversammlungsbeschlusses) unterlassen hat, und das Unterbleiben der Eintragung auf dieser Unterlassung beruht, sie kann dann nicht nur auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung, sondern auch auf Erfüllung (Anmeldung der Kapitalerhöhung und durchgeführte Kapitalerhöhung und Begebung der Aktien) verklagt werden. Wurde aber der Beschluß wegen eines Mangels nicht eingetragen, ist die Gesellschaft nicht verpflichtet, den Beschluß mangelfrei zu wiederholen. Der mangelhafte Beschluß hatte die Unwirksamkeit der Zusicherung ihr gegenüber nicht beseitigt, für den neuen Beschluß gilt § 1871 aufs neue. Ferner besteht der Anspruch aus der Zusicherung (bzw. Zuteilung), insbesondere auf Durchführung und Anmeldung der Durchführung nur unter der Voraussetzung, daß der beschlossene Mindestbetrag der Kapitalerhöhung gezeichnet wurde. Es kann aber auch bei der Zusicherung (Zuteilung) die Verpflichtung der Gesellschaft darauf beschränkt werden, dem Empfänger der Zusicherung die gezeichneten Aktien in dem Falle auszugeben, daß die Durchführung der Kapitalerhöhung eingetragen wird, ohne die Verpflichtung, die Eintragung herbeizuführen. Unter Umständen mag dieser Vorbehalt sich nach § 157 BGB auch ohne ausdrückliche Stipulation ergeben. Vereinbarungen, die ungeachtet dieser Bestimmungen getroffen werden, sind nichtig (§ 134 BGB) und begründen selbstverständlich auch keine Schadenersatzansprüche. Anm. 4: Nur die Gewährung von Rechten auf den Bezug ist durch die Vorschrift verboten, nicht die Eingehung von Verpflichtungen zum Bezug vor oder nach dem Beschluß über die Kapitalerhöhung. Es kann gefragt werden, ob der Begründung einer solchen Verpflichtung vor dem Beschluß nicht der Grundsatz entgegensteht, daß die Ubernahmeerklärungen nur aufgrund festgesetzter Satzung erfolgen können (vgl. auch § 185, insbesondere Ziffer 1 und die dortige Anm. 8) und daß dasselbe für die Verpflichtung zur Übernahme gelten müsse. Die Rechtsübung teilt dieses Bedenken nicht. 1128

Anmeldung und Eintragung der Durchführung

§§

187/188

Anm. 5

Anm. 5: Bei dem mittelbaren Bezugsrecht ist die Zusicherung, um die es sich in § 187 handelt, die Zusicherung der Gesellschaft an den künftigen Zeichner, welche erst nach dem Hauptversammlungsbeschluß wirksam erklärt werden kann, nicht die Verpflichtung des Zeichners zugunsten der Aktionäre, diesen junge Aktien anzubieten. Ebenso wie die Verpflichtung zur Übernahme, kann der Zeichner auch die Anbietungsverpflichtung schon vor dem Hauptversammlungsbeschluß — bedingt durch diesen und die Annahme seiner Zeichnung — eingehen. Beides geschieht regelmäßig, ja es wird sogar regelmäßig auch der Zeichnungsschein schon vor der Hauptversammlung ausgestellt. § 188 Anmeldung und Eintragung der Durchführung (1) Der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsiditsrats haben die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Für die Anmeldung gelten sinngemäß § 36 Abs. 2 und § 37 Abs. 1. Durch Gutschrift auf ein Konto des Vorstands kann die Einzahlung nicht geleistet werden. (3) Der Anmeldung sind für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft beizufügen 1. die Zweitschriften der Zeichnungsscheine und ein vom Vorstand unterschriebenes Verzeichnis der Zeichner, das die auf jeden entfallenden Aktien und die auf sie geleisteten Einzahlungen angibt; 2. bei einer Kapitalerhöhung mit Sadieinlagen die Verträge, die den Festsetzungen nach § 1 8 3 zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, sowie die Bescheinigung, daß der Bericht der Prüfer der Industrie- und Handelskammer eingereicht worden ist; 3. eine Berechnung der Kosten, die für die Gesellschaft durch die Ausgabe der neuen Aktien entstehen werden; 4. wenn die Erhöhung des Grundkapitals der staatlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde. (4) Hat das Geridit Zweifel, ob der Wert der Sadieinlage den Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien erreicht, so hat eine Prüfung durch einen oder mehrere Prüfer stattzufinden. § 33 Abs. 3 bis 5, § 34 Abs. 2 und 3, § 35 gelten sinngemäß. Das Gericht hat die Eintragung abzulehnen, wenn der Wert der Sacheinlage nicht unwesentlich hinter dem Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien zurückbleibt. (5) Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals können mit Anmeldung und Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung verbunden werden. 1129

§188

Anm. 1—3

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

(6) Die eingereichten Schriftstücke werden beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift aufbewahrt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anmeldepflichtige (Anm. 2) I I I . Voraussetzungen (Anm. 3) IV. Inhalt und Anlagen (Anm. 4 bis 6)

V. Verstoß (Anm. 7) VI. Verbindung der Anmeldungen (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 155 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen, sowie in Abs. 4 mit der Neuerung, daß durch das Gericht eine Prüfung angeordnet werden kann (s. Anm. 6). Wie § 184 von der Anmeldung des Erhöhungsbeschlusses, handelt § 188 von der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung. Wie die Bezugnahme auf § 36 I I und § 37 I ergibt, kann sie erst erfolgen, wenn 25 °/o Bareinlage auf die jungen Aktien und das volle Aufgeld eingezahlt sind und endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes stehen. II. Anmeldepflichtige Anm. 2: Abs. 1 entspricht § 1841, vgl. § 184 Anm. 3, § 181 Anm. 2, ferner § 1 8 2 Anm. 2. Auch hier kann die Anmeldung nicht durch Ordnungsstrafe erzwungen werden (§ 407 II). Die Frage, ob der Vorstand verpflichtet ist anzumelden, ist nach Anm. 3 zu § 184 zu beantworten, aber schwerlich einmal aktuell, wenn er die Kapitalerhöhung durchgeführt hat. III. Voraussetzungen Anm. 3: Es müssen vor der Anmeldung bereits 25 % der Bareinlagen und das Aufgeld — nicht die Sacheinlagen — auf die neuen Aktien geleistet sein und endgültig zur freien Verfügung des Vorstandes stehen. Dies muß im Zeitpunkt der Anmeldung noch zutreffen, nur die durch die Kapitalerhöhung anfallenden Steuern und Gebühren dürfen vor der Anmeldung aus den Einzahlungsbeträgen bestritten werden (vgl. Anm. 13 zu § 36, für das frühere Recht vgl. R G 144,145). Besteht eine Weisungsgebundenheit zu einem anderen Unternehmen, so ist damit der Vorstand nicht in seiner freien Verfügung über die Bareinlagen beschränkt (vgl. Ochs in N J W 1961, 488 ff.). Einlagen, die vor dem Erhöhungsbeschluß und vor der Zeichnung neuer Aktien geleistet werden, befreien den Leistenden von seiner erst später entstehenden Einlageschuld nur, wenn sie in Geld in das Vermögen der Gesellschaft gelangt ist und dieser noch im Zeitpunkt des Erhöhungsbeschlusses in voller Höhe zur Verfügung steht (BGH in DNotZ 1967, 621). In der Anmeldung ist die Erklärung abzugeben, daß dieser Vorschrift genügt ist 1130

Anmeldung und Eintragung der Durchführung

§ 188 Anm. 3—5

und — im Falle der Einzahlung auf Bankkonto durch schriftliche Bestätigung der Bank — nachzuweisen, daß der Vorstand in der Verfügung über den eingezahlten Betrag namentlich nicht durch Gegenforderungen beschränkt ist. Ausgabebetrag, Betrag der Einzahlungen und der daraus gezahlten Steuern und Gebühren ist anzugeben (vgl. Anm. zu § 36 und § 37). Auch diese Erklärung ist durch die Gesellschaft, gesetzlich vertreten durch den Vorstand (§ 78 II), so wie er sie nach der Satzung als gesetzlicher Vertreter vertritt, abzugeben (nicht wie bei der Anmeldung der Gesellschaft, bei der diese selbst noch nicht besteht, durch alle Vorstandsmitglieder) und zusätzlich durch den Aufsichtsratsvorsitzenden. Die Erklärung kann nicht durch einen Bevollmächtigten abgegeben werden (bestritten, vgl. § 36 Anm. 7). Dies trifft aber nach der Sachlage hier praktisch nur den Aufsichtsratsvorsitzenden. Die Mitwirkung eines Prokuristen statt eines Vorstandsmitgliedes scheidet hier aus (Grund: s. § 184 Anm. 3). Ist die Erklärung in besonderer Urkunde ausgestellt, gilt Anm. 6. Die im Gründungsstadium gewährte Erleichterung des § 54 III kommt nicht mehr in Frage.

IV. Inhalt und Anlagen Anm. 4: Lediglich die Anmeldung für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft muß verschiedene Anlagen haben. Dies war schon nach bisherigem Recht herrschende Ansicht, wurde aber besonders erwähnt, um klarzustellen, daß diese Anlagen nur einmal bei Gericht einzureichen sind und nicht jeweils eine für jede Niederlassung. Anm. 5: Folgendes ist der Anmeldung beizufügen: Ziffer 1: Die Doppelstücke der Zeichnungsscheine und ein Verzeichnis der Zeichner. Nur für die Unterschriften der Anmeldung, nicht dieses Verzeichnisses, ist öffentliche Beglaubigung erforderlich. Die auf jeden Zeichner entfallenden Aktien und die von ihm darauf geleisteten Einlagen, zu denen auch die Sacheinlagen gehören, sind anzugeben, nicht aber der Betrag, der auf die einzelnen jungen Aktien geleistet ist, noch ihre Gattung. Das ergibt der Zeichnungsschein (§ 185 Nr. 2). Die Angabe der geleisteten Einzahlung in dem Zeichnungsverzeichnis ersetzt nicht die ausdrückliche besondere nach Anm. 3 erforderliche Erklärung gemäß § 37 (KG in OLG 43, 316). Ziffer 2: Die Verträge, die den Festsetzungen über Sacheinlagen zugrunde liegen, sofern sie freiwillig oder zufolge gesetzlicher Formvorschrift sdiriftlich oder öffentlich beurkundet sind, mit der Bescheinigung, daß der Bericht der Prüfer der Industrie- und Handelskammer eingereicht worden ist. Ziffer 3: Die Ausgabekosten der neuen Aktien, das sind vor allem die Kosten des Notars und des Gerichts, die Kosten für die Herstellung der Aktien, ferner Steuern, Provisionen für die Einführung an der Börse; soweit die Beträge noch nicht feststehen, sind sie zu schätzen. 1131

§188

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. S—1 Ziffer 4: Die Genehmigungsurkunde, vgl. §181 Anm. 4, außerdem ist Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes wegen der Kapitalverkehrssteuer vorzulegen, nicht auch wegen Grunderwerbsteuer, da ja Sacheinlagen vor Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung nicht geleistet zu werden brauchen. Fehlen diese Anlagen bei der Anmeldung, so ist die Eintragung abzulehnen. Das Gericht hat ggf. durch Zwischenverfügung auf die Einreichung hinzuwirken, jedoch gibt es audi hier keine Ordnungsstrafe. Anm. 6: Die Bestimmung des Abs. 4 entspricht wörtlich dem §184111 vgl. dort Anm. 5. Das Registergericht hat auch bei dieser Eintragung die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Kapitalerhöhung in vollem Umfange vorzunehmen, also ob die Bestimmungen der §§ 182 bis 188 in Verbindung mit §§ 179 bis 181 gewahrt sind. Es muß prüfen, ob noch ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital geleistet werden können, bzw. ob nidit mehr als unerhebliche Rückstände vorhanden sind (§ 182 IV), ob die Hauptversammlung (§ 179) ordnungsgemäß (§1821 und II) beschlossen hat, ob sie ggf. einen Mindestbetrag (§ 182 III) festgesetzt und bei Sacheinlagen die in § 183 bestimmten Festsetzungen in den Beschluß aufgenommen hat, ob die Zeichnungsscheine den Vorschriften des § 185 entsprechen, ob die gesamten jungen Aktien gezeichnet sind und ob die Bestimmungen über das Bezugsrecht des § 186 gewahrt wurden, ferner ob die Anmeldungen gemäß § 182 und 188 formell in Ordnung sind, insbesondere ob die Vorschriften der § 36 II und § 37 (Versicherung über Einzahlung von mindestens 25 %) gewahrt sind. V. Verstoß Anm. 7: Ist eine dieser Bestimmungen verletzt, hat das Gericht die Eintragung abzulehnen (s. § 181 Anm. 5). Die Eintragung hat anders als die Eintragung des Beschlusses nach § 181 auch im Rahmen des § 242 II keine heilende Wirkung. Ein anfechtbarer Kapitalerhöhungsbeschluß bleibt anfechtbar (RG 124, 288), ein nichtiger bleibt nichtig, so daß durch die Eintragung auch keine Aktienrechte entstehen, selbst dann nicht, wenn Urkunden darüber ausgegeben werden (bestritten, wie hier Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung, siehe RG 144, 143). Nur die Nichtigkeit eines Zeichnungsscheines, der wenigstens den Erfordernissen nach § 185 I S. 1 genügt, kann im übrigen durch die Eintragung geheilt werden, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen des § 185 III erfüllt sind. Diese Nichtigkeit oder Unvollständigkeit der Zeichnung ist von der Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses zu unterscheiden. Abgesehen von dem aktienrechtlichen Fall der heilbaren Nichtigkeit nach § 185 kann eine Zeichnung aus bürgerlich-rechtlichen Gründen nichtig 1132

Anmeldung und Eintragung der Durchführung

§188

Anm. 7

sein, z. B. weil sie von einem Geschäftsunfähigen getätigt wurde (s. Anm. 8 v. § 23). Die Folge ist, daß die Durchführung der Kapitalerhöhung unvollständig ist. Während die Gesellschaft bei der unvollständigen Übernahme des Grundkapitals bei der Gründung vor Nichtigkeit durch § 275 geschützt ist und deshalb in jenem Fall anzunehmen ist, daß die nicht übernommenen Aktienrechte nichtsdestoweniger entstanden sind und der Gesellschaft zustehen (s. Anm. 9 vor § 23), fehlt es für die Kapitalerhöhung an einer entsprechenden Bestimmung. Die nicht übernommenen Rechte entstehen hier trotz Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung nicht. Auch in der durchgeführten Höhe wird das Kapital trotz Eintragung nur dann erhöht, wenn die beschlossene Mindesthöhe erreicht ist. Die Eintragung ist dann auf Anmeldung oder im Amtslöschungsverfahren (§ 142 F G G ) entsprechend zu berichtigen. Glücklicherweise ist die Frage infolge des üblichen Verfahrens (Gewährung eines bloß mittelbaren Bezugsrechts) akademisch, da Banken nicht von Geisteskranken oder sonst Geschäftsunfähigen geleitet zu werden pflegen. Mängel der Anmeldung, bloße Anfechtbarkeit des Beschlusses, Nichtleistung der Mindesteinlagen, Ausstehen älterer Einlagen berühren die Rechtsgültigkeit der Eintragung nicht. Vorbehaltlich § 242 hat von Amts wegen die Löschung zu erfolgen (§§ 142, 143 F G G ) , wenn der Erhöhungsbeschluß nichtig oder die Kapitalerhöhung nicht durchgeführt ist. Unbeschadet der Eintragung kann auf Feststellung der Nichtigkeit geklagt werden. Gegen die die Eintragung ablehnende Entscheidung des Registergerichts hat nicht nur die Gesellschaft, sondern jeder betroffene Aktionär ein Beschwerderecht ( K G J 28 A 228). Die Wirkung der Nichtigkeit einer als durchgeführt eingetragenen Kapitalerhöhung im Geschäftsverkehr, soweit sie nicht nach § 242 I I (betrifft nur den Hauptversammlungsbeschluß), § 183 II, § 185 I I I geheilt ist, dürfte regelmäßig in einer großen Verwirrung bestehen, welche nicht dadurch gelöst wird, daß sich der Leidtragende unter Umständen nach §§ 93, 116 an Vorstand und Aufsichtsrat oder nach § 839 BGB an dem Registerrichter schadlos halten kann. In dringlicher Beziehung ist davon auszugehen, daß die aufgrund der Kapitalerhöhung ausgegebenen Aktienurkunden nichtig und daher ungeeignet sind, durch ihre bloße Übergabe Rechte zu übertragen, ja da letztere überhaupt nicht bestehen, eine Rechtsübertragung auch zugunsten eines Gutgläubigen, auch durch Abtretung, nicht vor sich gehen kann. Anderes gilt natürlich von den alten Aktien. Verpflichtungsgeschäfte, welche sich auf neue Aktien beziehen, können daher nicht erfüllt werden, wohl aber solche, die alte Aktien zum Gegenstand haben. Alte und neue Aktien werden unterschiedlich gehandelt, solange sie einander börsenmäßig nicht gleichgestellt sind oder wenn die neuen Aktien einer anderen Gattung angehören als die alten. 1133

§§ 188/189

Arno. 7,8

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Was die schuldrechtlichen Geschäfte betrifft, so bestehen zwar nach unserer Ansicht Bedenken gegen die Anwendung des § 437 BGB auf Gattungskäufe, denen hier aber angesichts herrschender Ansicht und Rechtsprechung nicht nachgegangen werden soll. Wendet man § 437 BGB an, so hat der Verkäufer junger Aktien dafür einzustehen, daß er solche liefern kann, wie sie aus der Kapitalerhöhung hervorgehen sollten, obwohl sie nicht bestehen, und entsprechenden Schadenersatz zu leisten. Wie ist es aber, wenn alte Aktien verkauft oder alte und junge Aktien gleichgestellt sind. Es ist klar, daß der Verkäufer mit neuen Aktien überhaupt nicht erfüllen kann, und daß er mit alten Aktien erfüllend zwar wirksam ein Recht überträgt, aber etwas leistet, was er nicht schuldet, jedenfalls etwas mehr oder weniger anderes, denn die Aktie einer Gesellschaft nach Kapitalerhöhung ist etwas anderes als ohne Kapitalerhöhung, mag das Grundkapital zur Sanierung, Verbesserung oder Stärkung der Gesellschaft erhöht worden sein. Es ist also auch der Verkäufer einer alten Aktie nach § 437 BGB schadenersatzpflichtig, weil er Aktien einer Gesellschaft, die ihr Kapital erhöht hat, nicht liefern kann. Aber es ist ihm weder gestattet, noch braucht er mit den rechtsgültigen alten Aktien zu erfüllen, tut er es dennoch, so leistet er ein nicht geschuldetes aliud, erfüllt er aber mit einer jungen Aktie, so leistet er ein Nichts. VI. Verbindung der Anmeldungen Anm.8: An sich müßte zunächst nach § 184 der Erhöhungsbeschluß angemeldet und eingetragen werden. Da jedoch jeder Kapitalerhöhungsbeschluß unter der stillschweigenden Bedingung gefaßt wird, daß die Kapitalerhöhung auch durchgeführt wird, tritt die Wirkung des § 181 III in diesem Falle erst mit der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung ein (durch § 189 ausdrücklich bestimmt). Darum gestattet Abs. 5 gemeinsame Anmeldung und Eintragung der Kapitalerhöhung und ihrer Durchführung. Man wird den Erhöhungsbeschluß allein anmelden, wenn man das Gericht zur Prüfung des Beschlusses veranlassen will, bevor man zur Zeichnung auffordert. Werden beide Anmeldungen verbunden, so müssen sämtliche Erfordernisse der §§ 184, 188 erfüllt werden. Mit der Durchführung ist außerdem die Änderung der Fassung der Satzung anzumelden, sei es, daß die Hauptversammlung sie beschließt, sei es, daß diese sie dem Aufsichtsrat überträgt (§ 179) und daß dieser sie beschließt.

§ 189 Wirksamwerden der Kapitalerhöhung Mit der Eintragung der Durchfuhrung der Erhöhung des Grundkapitals ist das Grundkapital erhöht. 1134

Bekanntmachung

§§ 189/190 Anm. 1

Die Bestimmung entspricht wörtlich dem bisherigen §156 AktG37. Weder der Erhöhungsbeschluß noch seine Eintragung nach der Zeichnung, noch die Zeichnung der Aktien, noch deren Ausgabe (§ 191), sondern erst die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung bewirkt die letztere. Erst dann ist das Grundkapital in der Bilanz zu ändern, also nicht zum Stichtag des vorangegangenen Jahresabschlusses, auch dann nicht, wenn Beschluß und selbst Zeichnung noch in das alte Geschäftsjahr fallen. Auch die jungen Aktienrechte entstehen mit diesem Zeitpunkt. Wann nach § 190 die Eintragung bekanntgemacht, die Fassung der Satzungsbestimmung über das Grundkapital, Stückelung (evtl. auch Nennbetrag) der Aktien geändert und diese Fassungsänderung eingetragen wird, ist unerheblich. Bis zur Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung kann der Kapitalerhöhungsbeschluß, auch wenn er selbst schon eingetragen ist, durch Beschluß der Hauptversammlung aufgehoben werden, und zwar nach unserer Ansicht mit einfacher Mehrheit (bestritten), weil trotz der Eintragung die Wirkung der Satzungsänderung nach § 189 noch nicht eingetreten, die Wiederaufhebung des Beschlusses also keine Satzungsänderung ist. Heilende Wirkung hat die Eintragung der Durchführung auf den Kapitalerhöhungsbeschluß überhaupt nicht, auf Mängel der Festsetzungen über die Sacheinlagen und der Zeichnungsscheine nur im Rahmen der § 183 II, § 1 8 5 III. Hierüber und über die sich daraus ergebenden Fragen siehe § 181 Anm. 8, § 183 Anm. 5 und 6, § 184 Anm. 5, § 187 Anm. 3 und § 188 Anm. 7. Auch die Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses wird durch die Eintragung seiner Durchführung nicht ausgeschlossen (RG115,379; 124,289/90). Von der Entstehung durch Eintragung ab bis zur Ausfolgung der Urkunden werden die Aktien durch Abtretung übertragen, worüber nach dem Verkehrsbedürfnis, auch wenn die alte Aktie zugleich übertragen und die Urkunde über diese übergeben wird, eine schriftliche Erklärung unentbehrlich ist. Beim mittelbaren Bezugsrecht (§ 186 V) kann es sich indessen in diesem Stadium nur um die Übertragung des Anspruchs auf die Aktie handeln. § 190 Bekanntmachung In die Bekanntmachung der Eintragung (§ 188) sind außer deren Inhalt der Ausgabebetrag der Aktien und die bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen vorgesehenen Festsetzungen aufzunehmen. Bei der Bekanntmachung dieser Festsetzungen genügt die Bezugnahme auf die beim Gericht eingereichten Urkunden. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 157 AktG 37 mit den Inhalt nicht verändernden sprachlichen Verbesserungen. 1135

§ § 190/191

Anm. 2,3/1,2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 2: Die Eintragung ist bekanntzumachen, und zwar gemäß § 10 HGB durch das Registergericht im Bundesanzeiger und den nach § 11 HGB bestimmten weiteren Blättern, nicht also etwa von der Gesellschaft in den Gesellschaftsblättern. Es ist zunächst das bekanntzumachen, was nach § 181 II in Verbindung mit § 39 eingetragen ist, nämlich nur die Höhe des Grundkapitals; im übrigen kann auf die Urkunden Bezug genommen werden. Außerdem ist der Ausgabebetrag und die für Sacheinlagen getroffenen Festsetzungen bekanntzumachen. Anm. 3: Bei der Bekanntmachung der letzteren genügt die Bezugnahme auf die eingereichten Urkunden. § 40 wird hier also eingeschränkt und ist gegenstandslos.

§ 191 Verbotene Ausgabe von Aktien und Zwischensdieinen Vor der Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals können die neuen Anteilsrechte nicht übertragen, neue Aktien und Zwischenscheine nicht ausgegeben werden. Die vorher ausgegebenen neuen Aktien und Zwisdienscheine sind nichtig. Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit einigen sprachlichen Verbesserungen die Bestimmungen des bisherigen § 158 AktG37. Die Kapitalerhöhung und die darin liegende Satzungsänderung wird erst wirksam durch die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister (§ 189), vorher entsteht keines der neuen Aktienrechte. Die Übertragung vor der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ist nicht nur der Gesellschaft gegenüber unwirksam, sondern auch zwischen den Vertragsparteien schlechthin nichtig. Das dingliche Übertragungsgeschäft ist nichtig, nicht dagegen das Verpflichtungsgeschäft; dieses wird in der Regel dahin auszulegen sein, daß die Übertragung nach Eintragung der Durchführung der Erhöhung zu erfolgen hat. Eine Schadenersatzpflicht kann nur nach allgemeinen Gesichtspunkten in Frage kommen. Ein nichtiges Übertragungsgeschäft kann unter Umständen in ein rechtsgültiges Verpflichtungsgeschäft umgedeutet werden. Natürlich ist die Anwartschaft aus Zeichnung vererblich. Anm. 2: Vor der Eintragung ausgegebene Aktien und Zwischenscheine sind nichtig. „Ausgabe" im Sinne dieser Gesetzesstelle — die Entstehung des Rechts regelt §189 — bezieht sich nur auf die Urkunde. Der Empfänger erhält durch sie nicht die Stellung eines Aktionärs. Ist er gleichzeitig der Zeichner, so erwirbt er diese Stellung aufgrund der Zeichnung (bzw. eines Ver1136

Voraussetzungen

§ § 191 / 1 9 2

Anra. 2,3

langens nadi § 186) und der daraufhin erfolgten Zuteilung (s. Anm. 1 zu § 186) ohne weiteres mit der Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals (§ 189), ohne daß es auf Ausstellung oder Aushändigung der Urkunde ankommt. Ist er nicht der Zeichner, so kann auch die Eintragung ihn nicht zum Aktionär machen. Anm. 3: Die Bestimmung des Satzes 3 entspricht § 8 I S. 3 (vgl. dort Anm. 6); in Verbindung mit der Bestimmung § 405 I Nr. 2 (Ordnungswidrigkeit) ist § 191 Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB zugunsten der Nehmer der Aktien.

Zweiter Unterabschnitt Bedingte Kapitalerhöhung § 192 Voraussetzungen (1) Die Hauptversammlung kann eine Erhöhung des Grundkapitals beschließen, die nur so weit durchgeführt werden soll, wie von einem Umtausch- oder Bezugsrecht Gebrauch gemacht wird, das die Gesellschaft auf die neuen Aktien (Bezugsaktien) einräumt (bedingte Kapitalerhöhung). (2) Die bedingte Kapitalerhöhung soll nur zu folgenden Zwecken beschlossen werden: 1. zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an Gläubiger von Wandelsdiuldverschreibungen; 2. zur Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen; 3. zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer der Gesellschaft zum Bezug neuer Aktien gegen Einlage von Geldforderungen, die den Arbeitnehmern aus einer ihnen von der Gesellschaft eingeräumten Gewinnbeteiligung zustehen. (3) Der Nennbetrag des bedingten Kapitals darf die Hälfte des Grundkapitals, das zur Zeit der Beschlußfassung über die bedingte Kapitalerhöhung vorhanden ist, nicht übersteigen. (4) Ein Beschluß der Hauptversammlung, der dem Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung entgegensteht, ist nichtig. (5) Die folgenden Vorschriften über das Bezugsrecht gelten sinngemäß für das Umtausdirecht. 1137

§192 Anm. 1,2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Zuständigkeit der Hauptversammlung (Anm. 3) III. Voraussetzungen (Anm. 4 u. 5) IV. Inhalt (Anm. 6)

V. Verstoß (Anm. 7) VI. Begrenzung der Höhe (Anm. 8) VII. Wiederaufhebung (Anm. 9) VIII. Umtauschredit (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 159 AktG37 mit einigen Änderungen: In Abs. 1 ist das Wort „unentziehbar" vor „Umtausch oder Bezugsrecht" als entbehrlich weggefallen. Das Bezugsbzw. Umtauschrecht ist auch ohne besondere Bestimmung unentziehbar, weil es nicht ein mit der Aktie verbundenes, der Verbandsgewalt unterworfenes Mitgliedschaftsrecht, sondern das Recht eines Dritten (Nichtmitglieds) ist, Mitglied zu werden (s. Anm. 5). Abs. 2 ist neben sprachlicher Veränderung durch die Einfügung der Nr. 3 sachlich erweitert worden (s. Anm. 5). Die Abs. 3 und 4 sind sprachlich geändert worden. Anm. 2: Die Bezeichnung „bedingte Kapitalerhöhung" ist nicht sehr glücklich und eher irreführend. Der Erhöhungsbeschluß ist unbedingt, bedingt durch die Ungewißheit des Bezuges ist nur die Durchführung. Diese Ungewißheit des Bezuges (Zeichnungsergebnisses) und der Durchführung ist indessen, wenn auch nicht praktisch, theoretisch jeder Kapitalerhöhung eigentümlich. Darin liegt nicht die Besonderheit, sondern vielmehr darin, wie diese Rechtseinrichtung dem praktischen Bedürfnis entsprechend ausgestaltet ist. Der Hauptunterschied besteht nämlich darin, daß bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen die jungen Aktienrechte — mindestens in Serien — alle zugleich, und zwar erst nach Begebung aller durch die Eintragung der aufgrund dieser Begebung hierzu anzumeldenden Durchführung der Kapitalerhöhung entstehen. Bei der bedingten Kapitalerhöhung wird eine Bindung der Gesellschaft schon durch die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und die Entstehung der jungen Aktien, nicht erst durch die Eintragung der aufgrund der Begebung anzumeldenden Durchführung der Kapitalerhöhung, sondern schon aufgrund der Ausgabe der Aktien herbeigeführt, welche sich hier schon unmittelbar an den Bezug anschließen kann, ohne vorherige Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung. Dadurch ist möglich geworden, was für Wandelschuldverschreibungen notwendig war: daß jeder Gläubiger jederzeit ohne weiteres für sich allein den Bezug ausüben kann. Die Durchführung wird nicht eingetragen, nur nachrichtlich alljährlich nach Ablauf des Geschäftsjahres der bezogene Betrag (§ 201). Der Gang einer bedingten Kapitalerhöhung ist folgender (vgl. für die Kapitalerhöhung gegen Einlagen § 182 Anm. 1): 1138

Voraussetzungen

§192

Anm.2,3

a) Beschlußfassung der Hauptversammlung über die Erhöhung (§§ 193, 194), b) Anmeldung des Beschlusses beim Handelsregister (§ 195), c) Abgabe der Bezugserklärung (§ 198), d) Leistung des Gegenwerts für die Bezugsaktien (§ 199), e) Ausgabe der Bezugsaktien (§ 199), f) Anmeldung der Ausgabe von Bezugsaktien (§201). Audi die bedingte Kapitalerhöhung ist eine Satzungsänderung. Die Vorschriften über diese sind daher anwendbar, soweit nicht besondere Vorschriften gegeben sind, dagegen sind die Vorschriften über die Kapitalerhöhung fast alle durch Sondervorschriften ersetzt, nur § 193 II weist mit dem Worte „auch" auf ihre ergänzende Anwendbarkeit hin. Ein Vergleich der Fassung des § 192 mit jener des § 202 ergibt trotz Mangels einer inneren Begründung für diese verschiedene Regelung und trotz unbezweifelbarer Möglichkeit eines auftretenden Bedürfnisses unabweislich, daß in der ursprünglichen Satzung von Hause aus das bedingte Kapital nicht vorgesehen werden kann. Es muß also erst die Gesellschaft eingetragen sein, bevor das Bezugsrecht geschaffen werden kann. Andererseits schließt die Auflösung der Gesellschaft die Durchführung einer bereits vor Auflösung beschlossenen bedingten Kapitalerhöhung nicht aus (BGH 24, 279). Der Erhöhungsbeschluß wird ins Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht. Die Bezugsaktien dürfen nicht vor der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses ausgegeben werden (§ 197). Der Beschluß wird erst durch die Eintragung wirksam. Erst durch diese entstehen die Bezugsrechte (§ 197). Abs. 3 beschränkt den Umfang einer solchen Kapitalerhöhung auf die Hälfte des Grundkapitals, um einen Mißbrauch zu verhindern. II. Zuständigkeit der Hauptversammlung Anm. 3: Wie bei allen Satzungsänderungen ist die Hauptversammlung ausschließlich zuständig, auch für die Bestimmung des Bezugsberechtigten, des Zwecks der Erhöhung und des Ausgabebetrages. Sie kann ihr Recht nicht auf ein anderes Organ übertragen (vgl. § 179), es kann auch nicht durch Satzungsbestimmung dieses Recht abgeändert oder eingeschränkt werden, etwa in der Weise, daß es neben der Hauptversammlung der Zustimmung eines Dritten bedarf. Uber die Erfordernisse dieses Beschlusses vgl. § 193. Der Erhöhungsbeschluß muß, wie bei der gewöhnlichen Kapitalerhöhung, auf einen bestimmten Höchstbetrag lauten, um den das Grundkapital erhöht werden soll. Lediglich die Durchführung des Erhöhungsbeschlusses innerhalb dieses Höchstbetrages ist durch die Ausübung des Bezugs bedingt. 1139

§192

Anm. 4,5

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

III. Voraussetzungen Anm. 4: Nach dem Grundsatz des § 187 II, der § 193 für anwendbar erklärt, kann das Umtausch- oder Bezugsrecht nicht vor dem Kapitalerhöhungsbeschluß eingeräumt werden. Ebenso ist nicht möglich, zunächst eine bedingte Kapitalerhöhung zu beschließen, ohne das Umtausch- oder Bezugsrecht festzusetzen (vgl. § 193 II). Das Bezugsrecht entsteht durch die Eintragung des Beschlusses. Anm. 5: Die bedingte Kapitalerhöhung soll nur zu dem Zweck erfolgen: a) Der Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen, bei denen den Gläubigern ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt wird (§ 221) oder werden soll, mögen die Schuldverschreibungen gleichzeitig oder erst künftig ausgegeben werden oder schon ausgegeben worden sein, nur, daß letzterenfalls die Zusicherung des Bezugsrechtes unwirksam gegenüber der Gesellschaft war (§§ 193 I; 187 II; 193 II). b) Zur Vorbereitung eines Zusammenschlusses. Es ist nicht notwendig, daß es sich um die Vorbereitung eines Zusammenschlusses von Aktiengesellschaften handelt, es kann vielmehr auch einem Anteilseigner einer GmbH für den Fall des Zusammenschlusses ein Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt werden. Das gleiche gilt für den Inhaber einer o H G oder für einen Einzelkaufmann; Voraussetzung ist aber immer, daß das Bezugsrecht im Hinblick auf einen Zusammenschluß der Aktiengesellschaft mit einem anderen Unternehmen eingeräumt wird. Es ist nicht möglich, einem Gläubiger, z.B. einer Bank, für seine Forderungen ein Bezugsrecht auf Aktien einzuräumen. Dies geht nur auf dem Umweg über die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, die dann auf die Forderung der Bank verrechnet werden können. Ferner ist Voraussetzung, daß durch die Erhöhung der Zusammenschluß mit einem bestimmten Unternehmen vorbereitet wird. Es kann nicht allgemein zur Vorbereitung eines nur irgendwann einmal möglichen Zusammenschlußbedürfnisses mit einem Unternehmen, das noch gar nicht bestimmt werden kann, eine bedingte Kapitalerhöhung beschlossen werden. Unter „Zusammenschluß" sind zunächst alle Arten der Unternehmensverträge (§§ 291 bis 338) zu verstehen. Ferner fällt die Verschmelzung hierunter, da die Übergabe der Bezugsaktien an den Treuhänder gemäß § 346 II nicht als Ausgabe im Sinne des § 199 anzusehen ist (s. § 346 Anm. 5). Erst nach Eintragung der Verschmelzung kann die Ausgabe durch den Treuhänder erfolgen. Da mit diesem Zeitpunkt nach § 346 III das Vermögen der übertragenden auf die übernehmende Gesellschaft übergeht, sind die Voraussetzungen des § 199 erfüllt. Auch ein Bezugsrecht auf Aktien mit Nebenleistungspflichten (vgl. Anm. 3 zu § 198) und auf nicht vollbezahlte Bezugsaktien (trotz § 199 I, vgl. dort 1140

Voraussetzungen

§192

Anm. 5) 6

Anm. 4) ist nicht möglich, sei es aufgrund einer Wandelschuldverschreibung, sei es bei einem Zusammenschluß durch Erwerb der Aktien einer anderen Gesellschaft. Wie weit der Begriff „Vorbereitung" ausgedehnt werden kann, geht aus dem Gesetz nicht hervor. Eine weitherzige Ausdehnung ist nach beiden Hinsichten am Platze; so halten wir bedingte Kapitalerhöhung für zulässig in Verbindung mit einem nach § 194 zu behandelnden Kaufvertrag über ein Unternehmen, wobei dem Verkäufer die Wahl zwischen Aktien und Barkaufpreis gelassen wird. Trotz unbedingten Zusammenschlusses durch Kauf kann auch mit Rücksicht auf das Wahlrecht noch von Vorbereitung gesprochen werden (von AG Berlin eingetragen). c) Zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer der Gesellschaft zum Bezug neuer Aktien gegen Einlage von Geldforderungen, die den Arbeitnehmern aus einer ihnen von der Gesellschaft eingeräumten Gewinnbeteiligung zustehen. Mit dieser Bestimmung soll die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gesellschaft durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen erleichtert werden (amtliche Begründung). Dasselbe kann bei Kapitalerhöhung gegen Einlage (§§ 182 bis 191) durch Ausschuß des Bezugsrechtes (§ 186 III) erreicht werden. Auch durch Anbieten eigener Aktien (§ 7 1 1 N r . 1) kann die Beteiligung erreicht werden. Durch § 711 S. 2 kann die Gesellschaft auf diese Weise aber nur eine begrenzte Anzahl von Aktien anbieten, so daß ein Bedürfnis bestand, auch für diesen Zweck die bedingte Kapitalerhöhung zuzulassen. Voraussetzung ist zunächst, daß der Arbeitnehmer am Gewinn der Gesellschaft beteiligt ist. Nicht jede Geldforderung von Arbeitnehmern kann als Einlage gelten, sondern nur eine solche, die ihm aufgrund einer Gewinnbeteiligung zusteht. Die Geldforderung muß eingelegt werden, nicht das Stammrecht (die Gewinnbeteiligung); der Anspruch muß also schon fällig sein, d. h., ein Gewinnverwendungsbeschluß muß vorliegen. IV. Inhalt Anm. 6: Die bedingte Kapitalerhöhung kann nur beschlossen werden im Zusammenhang mit der Einräumung eines Umtausch- oder Bezugsrechts. Ein Umtauschrecht liegt vor, wenn die Aktie im Tausch gegen die Wandelschuldverschreibung zu beziehen ist, ein Bezugsrecht, wenn sie aufgrund einer Wandelschuldverschreibung ohne Hingabe dieser letzteren oder aufgrund einer Vermögensübertragung bezogen werden kann. Über die Unentziehbarkeit vgl. Anm. 1. Das Recht kann aufschiebend oder auflösend befristet oder bedingt sein. Gesetzlich ist es zeitlich nicht begrenzt (anders § 202 II). Die Befristung muß jedoch von vornherein vorgesehen sein (BGH 24, 289). Danach kann sowohl bestimmt werden, daß erst von einem bestimmten Zeitpunkt ab das Bezugs1141

§192

Anm. 6—9

Bedingte Kapitalerhöhung

recht ausgeübt werden kann, als auch, daß es bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeübt werden muß, anderenfalls es erlischt. V. Verstoß Anm. 7: Eine bedingte Kapitalerhöhung, die dem Abs. 1 nicht entspricht, etwa ohne Einräumung eines Bezugsrechts erfolgt, ist nichtig, ebenso wenn der Inhalt des Beschlusses die wesentlichen Punkte nach § 193 II nidit enthält. Dagegen enthält Abs. 2 nur eine Sollvorschrift, deren Verletzung zwar den Beschluß nur anfechtbar macht, aber seiner Eintragung auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist im Wege steht (anscheinend ebenso Schl.-Qu. § 159 Anm. 7; a. A. Ritter, Anm. 3), denn immerhin ist die Vorschrift im öffentlichen Interesse gegeben. Trotzdem eingetragen, wird der Beschluß wirksam. Da eine zwingende Vorschrift nicht verletzt ist, kann die Eintragung nicht nach § 144 III FGG gelöscht werden. Erfolgt nach der Eintragung der bedingten Kapitalerhöhung die Auflösung der Gesellschaft, so ist dies ohne Einfluß auf die Durchführung der Kapitalerhöhung. Selbst nach Eintritt der Liquidation abgegebene Umtauscherklärungen sind zu berücksichtigen (BGH 24, 286). VI. Begrenzung der Höhe Anm. 8: Das bedingte Kapital darf nidit mehr als die Hälfte des Grundkapitals betragen. Maßgebend ist der Nennbetrag, weder das Aufgeld der Bezugsaktien noch frühere Emissionen, das in die gesetzliche Rücklage geflossen ist, auch nicht die Einzahlung. Der maßgebende Zeitpunkt ist die Beschlußfassung über die Erhöhung. Es ist das Grundkapital zugrunde zu legen, das vor der bedingten Kapitalerhöhung vorhanden war. Genehmigtes Kapital ist noch nicht Grundkapital, es sei denn, daß die Durchführung der Kapitalerhöhung aufgrund des genehmigten Kapitals nach §§ 189, 203 bereits eingetragen ist; ebenso ist bedingtes Kapital nicht Grundkapital. Ein zweiter Beschluß über bedingte Kapitalerhöhung kann also neues bedingtes Grundkapital nur in Höhe des noch freien Teiles der Hälfte des Grundkapitals schaffen, doch ist bei Berechnung der Hälfte dem Grundkapital der Betrag zuzurechnen, der auf die erste bedingte Erhöhung hin im Zeitpunkt des zweiten Beschlusses schon bezogen ist. Eine Verletzung der Bestimmung hat die Nichtigkeit des Beschlusses in vollem Umfange zur Folge (§ 241 N r . 3; Baumbach-Hueck R n 8 ; Herbig in JW37, 512; Schl.-Qu. §159 Anm. 9; J. H . Geßler Anm. 4; a. A. Ritter, Anm. 4). VII. Wiederaufhebung Anm. 9: Ein dem Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung entgegenstehender Hauptversammlungsbeschluß ist nichtig (Abs. 4); dessen ungeachtet 1142

Voraussetzungen

§192 Anm. 9,10

kann der Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung wieder aufgehoben werden, solange er noch nicht eingetragen ist, denn als satzungsändernder Beschluß wird er erst durch die Eintragung wirksam, vorher kann ihm also ein anderer Beschluß nicht entgegenstehen. Es ist vorher, selbst wenn der Vorstand inzwischen den Vertrag mit den Gläubigern der Wandelschuldverschreibungen oder dem anderen Unternehmen geschlossen hat, auch kein Berechtigter da (§ 197 S. 2), dessen Rechte durch die Anordnung der Nichtigkeit eines entgegenstehenden Beschlusses zu schützen wären (ebenso Schl.-Qu. § 159 Anm. 11 a. E.). Nach der Eintragung ist ein entgegenstehender, also ein aufhebender Beschluß nichtig. Als satzungsändernder Beschluß bedürfte er der Eintragung, die aber abgelehnt werden muß. Nach Schl.-Qu. § 159 Anm. 12 kann auch die Zustimmung aller Bezugsberechtigten den Beschluß nicht wirksam machen, sondern nur der Verzicht aller auf das Bezugsrecht; indessen ist kein Grund ersichtlich, warum das maius (Totalverzicht) gefordert werden muß, wo der Beeinträchtigung das minus (Teilverzicht) entspricht. Dies betrifft nicht solche Beschlüsse, die nach Ablauf einer etwaigen Bezugsfrist gefaßt werden oder nur mittelbar das Bezugsrecht beeinträchtigen. Ebensowenig wird durch die bedingte Kapitalerhöhung eine weitere bedingte Kapitalerhöhung oder eine gegen Einlagen ausgeschlossen, denn die Bezugsberechtigten, welche den Bezug noch nicht ausgeübt haben, können nicht besser gestellt sein als die Aktionäre, welche die Aktie bezogen haben. Dasselbe gilt von der Verschmelzung. Die Ansicht, daß die Verschmelzung auch dann wegen einer beschlossenen und eingetragenen bedingten Kapitalerhöhung der übertragenden Gesellschaft nicht zulässig sei, wenn die aufnehmende Gesellschaft ihrerseits kein bedingtes Kapital schafft, um den Bezugsgläubigern der übertragenden Gesellschaft ihre Aktien im Verhältnis des Aktientausches entsprechend dem Bezugsrecht gewähren zu können, oder bedingtes Kapital nicht einmal schaffen kann, wie bei Verschmelzung durch Neubildung, ist einhellige Ansicht des gesamten Schrifttums. Über die Wirkung einer Umwandlung auf die bedingte Kapitalerhöhung siehe im einzelnen Wehler-Niethammer in DB 59, 615 und Loos in DB 1960, 544.

VIII. Umtausdirecht Anm. 10: Das Gesetz spricht in den folgenden Bestimmungen nur von Bezugsrechten. In welcher Weise die einzelnen Bestimmungen sinngemäß für das Umtauschrecht anzuwenden sind, wird an den betreffenden Stellen erörtert. 1143

§193 Anm. 1—4

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

§ 193 Erfordernisse des Beschlusses (1) Der Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. § 182 Abs. 2 und § 187 Abs. 2 gelten. (2) Im Beschluß müssen auch festgestellt werden 1. der Zweck der bedingten Kapitalerhöhung; 2. der Kreis der Bezugsberechtigten; 3. der Ausgabebetrag oder die Grundlagen, nach denen dieser Betrag errechnet wird. I. Übersicht (Anm. 1) II. Erforderliche Mehrheit (Anm. 2) III. Sonderbeschluß (Anm. 3) IV. Zusicherung (Anm. 4)

V. Nicht anwendbare Vorschriften (Anm. 5) VI. Inhalt (Anm. 6 u. 7)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 160 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen, die den Inhalt unberührt lassen. Die Vorschrift regelt die Mehrheit, mit der der Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung zu fassen ist, und seinen notwendigen Inhalt. Bei der Ankündigung ist § 124 zu beachten. II. Erforderliche Mehrheit Anm. 2: § 193 entspricht § 182 I S. 1 über die Mehrheit bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (vgl. dort Anm. 4); verschärfend ist aber bestimmt, daß die Satzung hier nur eine größere Kapitalmehrheit oder zusätzliche erschwerende Erfordernisse vorschreiben kann. III. Sonderbeschluß Anm. 3: Sind mehrere Gattungen von Aktien vorhanden, so bedarf es eines Sonderbeschlusses jeder Gattung zusätzlich zu dem Beschluß der Hauptversammlung. Die Sonderbeschlüsse bedürfen derselben Mehrheit wie dieser. Vgl. über Sonderbeschluß Anm. 8 bis 10 zu § 179. IV. Zusicherung Anm. 4: Die vorgeschriebene sinngemäße Anwendung des § 187 II ergibt, daß Zusicherungen über Umtausch oder Bezugsrecht, die vor dem Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung gemacht wurden, der Gesellschaft gegen1144

Erfordernisse des Beschlusses

§193 Anm. 4—6

über unwirksam sind. Sind bereits vor dem Erhöhungsbeschluß Wandelschuldverschreibungen ausgegeben worden, so muß das darin zugesicherte Bezugsrecht mithin im Erhöhungsbeschluß erneut zugesichert werden. Es wird nicht etwa durch den Erhöhungsbeschluß die Zusicherung nachträglich wirksam (vgl. zu § 187). Beachtlich ist, daß nach § 197 I S. 2 ein Anspruch des Bezugsberechtigten erst mit der Eintragung des Beschlusses entsteht, auch dann, wenn das Bezugsrecht erst nach der Beschlußfassung zugesichert wurde, die Zusicherung also nach § 187 IV (vgl. dort) wirksam war. V. Nicht anwendbare Vorschriften Anm. 5: Die hier nicht angeführten Vorschriften über die Kapitalerhöhung gegen Einlagen gelten für die bedingte Kapitalerhöhung nicht, insbesondere also nicht § 182 IV, wonach die Kapitalerhöhung erst erfolgen soll, wenn das bisherige Grundkapital vollbezahlt ist, nicht § 185 über Zeichnungsscheine (§ 198), nicht § 186 über das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre. Ein Bezugsrecht für die alten Aktionäre ist jedoch bei der bedingten Kapitalerhöhung zugunsten von Wandelschuldverschreibungen mittelbar vorgesehen durch Gewährung eines gesetzlichen Bezugsrechts auf diese (§ 221 III). VI. Inhalt Anm. 6: Über den wesentlichen Inhalt des Beschlusses wird bestimmt, daß festgestellt werden müssen: a) Nr. 1, der Zweck. Es kommen nur in Frage entweder Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen, Gewährung von Bezugsaktien an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen oder Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer zum Bezug neuer Aktien gegen Einlage einer Forderung aus einer Gewinnbeteiligung (§ 192 II). b) Nr. 2, der Kreis der Bezugsberechtigten. Es ist nicht notwendig, daß die Bezugsberechtigten namentlich aufgeführt werden, das ist meist gar nicht möglich. Es muß nur der Kreis der in Frage kommenden Personen, also z. B. die Inhaber der Schuldverschreibungen, Ausgabe X oder die Aktionäre der Y-Gesellschaft angegeben werden (vgl. Herbig in JW 1937, 512). Die Hereinnahme fremden Geldes, d. h. die Vereinbarung mit dem Gläubiger der Wandelschuldverschreibung, ist ein Akt der Geschäftsführung, für den, wenn er dazu auch abweichend von § 119 der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf (§221), der Vorstand zuständig ist (Schl.-Qu. § 174 Anm. 5); dasselbe gilt von der Vorbereitung des Zusammenschlusses. Durch die Bestimmung der Bezugsberechtigten durch die Hauptversammlung erwerben jene das Bezugsrecht nicht ohne weiteres, auch nicht mit der Eintragung des Beschlusses gemäß § 197. Es muß ihnen vielmehr vom Vorstand eingeräumt werden (so ist wohl auch Ritter Anm. 3 zu § 164 zu verstehen). Diese Ein1145

§193 Anm. 6

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

räumung des Bezugsredites an die von der Hauptversammlung bestimmten Bezugsberechtigten (mit denen unter Umständen erst verhandelt werden muß), fällt unter den Begriff „Zusicherung" nach § 187. Sie begründet einseitige Verpflichtungen für die Gesellschaft, ohne solche für die Bezugsberechtigten zur Folge zu haben, weil ja deren „Verlangen" (§ 185), „Zeichnung" der Bezugserklärung, erst nachfolgt. Dieser gesellschaftsrechtliche Akt der Einräumung des Bezugsrechts (Zusicherung) fällt in der Praxis zusammen mit dem weiteren Geschäftsführungsakt der Aushandlung der Darlehensbedingungen, dem keine körperschafts-(gesellschafts-)rechtliche Bedeutung innewohnt, wozu die Wandelbarkeit der Schuldverschreibungen bzw. die Vorbereitung des Zusammenschlusses gehört. D a sie (ersterenfalls) Bestandteil des Darlehensvertrages wird, hat man es mit einem gemischt aktien- und bürgerlich-rechtlichen Geschäft zu tun. Nach unserer Ansicht ist der Vorstand auch intern nicht verpflichtet, das Bezugsrecht zu gewähren, sondern ist in seiner Entscheidung nach § 7 7 , 119 frei. Er ist zwar im Falle der Ausführung des Beschlusses gemäß § 93 IV intern durch ihn gedeckt, aber für seine Nichtausführung als solche nicht haftbar. Schadenersatzpflichtig ist der Vorstand nur, wenn das Unterbleiben der Ausführung der Gesellschaft zum Schaden gereicht und der Vorstand sich von dem Vorwurf des Verschuldens nach § 93 nicht befreien kann, ohne daß dieser ihm schon aus der Nichtausführung des Beschlusses als solcher allein gemacht werden kann. c) Nr. 3, der Ausgabebetrag (nicht nur der Mindestbetrag). Das ist der Wert der gesamten Leistung, die der Bezieher zu machen hat, also vor allem auch ein Aufgeld. Beispiel: der Gläubiger hat zum Erwerb von zwei Aktien von je 1000,— D M drei Wandelschuldverschreibungen von je 1000,— D M oder auch, was gleichfalls denkbar ist (§ 199 II s. dort Anm. 6 und 7) für drei Bezugsaktien von je 1000,— D M Nennbetrag umgekehrt nur zwei Schuldverschreibungen gleichen Nennbetrages hinzugegeben (Umtauschrecht), oder er hat zum Erwerb einer Aktie von 1000,— D M eine Bareinlage von 1500,— D M zu leisten und behält seine Schuldversdireibung (Bezugsrecht,). Der Erwerbskurs für die Aktie kann auch gestaffelt sein, z. B. im Laufe der Jahre abnehmen, wie bei der Wandelschuldverschreibung der IG-Farbenindustrie von 1928. Bezugsrecht und Umtausch können auch verbunden werden, so daß die Schuldverschreibung im Falle ihrer Kündigung umgetauscht oder in Zahlung auf einen bestimmten Kurs gegeben werden kann. Es kann dem Gläubiger auch die Wahl zwischen Bezug und Umtausch gelassen werden. Ist der Betrag nicht ziffernmäßig bestimmt, so ist die Grundlage, auf der er berechnet wird, anzugeben, also z. B. bei einem Zusammenschluß, in welchem Verhältnis die Aktien des anderen Unternehmens gegen die neuen des eigenen Unternehmens umgetauscht werden sollen. Eine Verhältniszahl ist aber auch bei Wandelschuldverschreibungen, nicht nur beim Umtausch, festzusetzen. Auch bei einem Bezugsrecht muß feststehen, ob die Aktie zu dem 1146

Bedingte Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen

§§193/194

Anm. 0,7

bestimmten Kurs, auf die eine Schuldverschreibung oder nur auf mehrere bezogen werden kann. Das hat mit dem Ausgabetag nichts zu tun. Obwohl die Festsetzung dieses Bezugsverhältnisses vom Gesetz nicht erwähnt wird, gehört sie doch auch zum wesentlichen Inhalt des Beschlusses.

Anm. 7: Außer diesem Inhalt muß der Beschluß den Inhalt eines gewöhnlichen Kapitalerhöhungsbeschlusses haben, also insbesondere den Nennbetrag der einzelnen auszugebenden Aktien und den Betrag, bis zu welchem das Kapital erhöht werden soll, beziffern (vgl. § 182). Dieser Inhalt ist, ebenso wie der in Abs. 2 zwingend vorgeschriebene, wesentlich. Ohne ihn ist der Beschluß durch das Fehlen wesentlicher Punkte unvollständig und daher, da der Vorstand mangels Zuständigkeit ihn nicht ergänzen kann, nichtig. Sollen Sacheinlagen statthaft sein, muß der Beschluß die Festsetzung nach § 194 enthalten. Außerdem ist nach § 24 I erforderlich, es ausdrücklich zu beschließen, wenn Namensaktien ausgegeben werden sollen. Schließlich empfiehlt es sich, den Aufsichtsrat zu ermächtigen, die Fassung der Satzung zu ändern.

§ 194 Bedingte Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen (1) Wird eine Sacheinlage gemacht, so müssen ihr Gegenstand, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien im Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung festgesetzt werden. Als Sadieinlage gilt nidit die Hingabe von Schuldverschreibungen im Umtausch gegen Bezugsaktien. Der Beschluß darf nur gefaßt werden, wenn die Einbringung von Sacheinlagen ausdrücklich und ordnungsgemäß (§ 124 Abs. 1) bekanntgemacht worden ist. (2) Ohne diese Festsetzung sind Verträge über Sacheinlagen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Sind die Bezugsaktien ausgegeben, so wird die Gültigkeit der bedingten Kapitalerhöhung durch diese Unwirksamkeit nicht berührt. Der Aktionär ist verpflichtet, den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Bezugsaktien einzuzahlen. Die Unwirksamkeit kann durch Satzungsänderung nicht geheilt werden, nachdem die Bezugsaktien ausgegeben worden sind. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für die Einlage von Geldforderungen, die Arbeitnehmern der Gesellsdiafl aus einer ihnen von der Gesellschaft eingeräumten Gewinnbeteiligung zustehen. 1147

§194 Anm. 1—3

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

I. Übersicht (Anm. 1) II. Gegenstand (Anm. 2 u. 3) III. Ankündigung (Anm. 4)

IV. Verstoß (Anm. 5 bis 8) V. Einlage der Arbeitnehmer (Anm. 9)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Abs. 1 und 2 die Bestimmungen des bisherigen § 161 AktG 37 mit wenigen sprachlichen Veränderungen. Neu ist Abs. 3 (s. Anm. 9). Die Bestimmungen über die bedingte Kapitalerhöhung mit Sacheinlage entsprechen § 183. Eine wesentliche, in der Sache begründete Abweichung ergibt sich lediglich aus Abs. 1 S. 2, danach gilt die Hingabe von Schuldverschreibungen im Umtausch gegen Bezugsaktien nicht als Sacheinlage (vgl. §19211).

II. Gegenstand Anm. 2: Als Gegenstand kommt hier namentlich in Frage bei einem Zusammenschluß der einzulegende Gegenwert (Unternehmen, Aktie, Kuxe, Geschäftsanteile). Als Gegenstand kommt audi die Forderung des Arbeitnehmers aus der Gewinnbeteiligung in Betracht (s. aber Anm. 9). Die Person, von der der Gegenstand erworben wird, wird nicht immer angegeben werden können. In diesen Fällen genügt eine Beschreibung, wie z. B. die Angabe: „die Aktionäre der Firma X " . Auch hier kann, ebenso wie bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen, eine Sacheinlage durch Einbringung von Forderungen gemacht werden (s. aber Anm. 9). Das Registergericht kann die Eintragung des Erhöhungsbeschlusses wegen Unterbewertung der Sacheinlage ablehnen. Anm. 3: Die Hingabe der bezugsberechtigten Wandelschuldverschreibungen selbst im Umtausch gegen Bezugsaktien ist an sich eine Sacheinlage. Durch positive Bestimmung wird aber der Sachlage entsprechend angeordnet, daß sie nicht als solche gelten soll; das gilt auch dann, wenn der Gegenwert für die Wandelschuldverschreibung selbst ein Sachwert gewesen ist. Abs. 1 S. 2 bezieht sich nur auf Schuldverschreibungen im Sinne des § 221, die von der Gesellschaft selbst ausgegeben sind, wenn diese gegen die Aktien getauscht werden, zu deren Bezug sie berechtigen. Sie gilt auch für den Fall, daß neben dem Umtausch noch eine Zuzahlung zu erfolgen hat. Werden andere Schuldverschreibungen der Gesellschaft oder anderer Firmen eingebracht, so handelt es sich um eine gewöhnliche Sacheinlage, für die die Bestimmungen dieses Paragraphen zur Anwendung gelangen. 1148

Bedingte Kapitalerhöhung mit Sadieinlagen

§ 194 Anm. 4—8

III. Ankündigung Anm. 4: Die Ankündigung von Sacheinlagen muß die in Abs. 1 S. 1 aufgeführten Festsetzungen enthalten, es genügt also nicht die Mitteilung, daß die bedingte Kapitalerhöhung ganz oder teilweise gegen Sacheinlage erfolgen soll (s. im einzelnen § 183 Anm. 4). Ein Verstoß gegen diese Bestimmung macht den Beschluß anfechtbar, nicht etwa nichtig. IV. Verstoß Anm. 5: Fehlen die Festsetzungen über die Sacheinlage im Beschluß, so sind die darüber getroffenen Vereinbarungen und die zu ihrer Ausführung vorgenommenen Rechtshandlungen der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Die Bestimmung entspricht wörtlich § 183 II (vgl. dort Anm. 5). Daß sie praktisch werden könnte, ist kaum vorstellbar, da ja der Zweck der bedingten Kapitalerhöhung, also der Zusammenschluß, nach § 193 im Beschluß angegeben sein muß, womit auch die „Festsetzungen" verbunden sein werden. Uber die Natur der Festsetzung siehe Anm. 1 zu § 27. Anm. 6: Sind die Bezugsaktien ausgegeben, ohne daß die Festsetzungen über die Sacheinlage im Beschluß getroffen worden sind, so ist die Kapitalerhöhung gültig trotz der Unwirksamkeit der Vereinbarungen über die Sacheinlage (s. Anm. 5). Die Bestimmung entspricht § 27 II und § 183 II. Anstelle der Eintragung der Gesellschaft im § 27 II und der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in § 183 II tritt hier die Ausgabe der Bezugsaktien, weil in diesem Augenblick das Aktienrecht zur Entstehung gelangt. Anm. 7: Der Aktionär muß, obwohl Sacheinlage vereinbart war, in bar zahlen. Auch diese Sachlage kann schwerlich eintreten, denn nach § 193 Abs. 1 kann die Bezugsaktie erst ausgegeben werden, wenn der Gegenwert geleistet ist. Die Inhaber des aufzunehmenden Unternehmens werden aber dieses einlegen und auf Verlangen des Vorstandes wegen Unwirksamkeit der Vereinbarung eine Bareinlage zu leisten, dieses ablehnen; dann kommt es gar nicht zur Ausgabe der Bezugsaktien. Die Vorschrift kann also nur anwendbar werden, wenn die Sacheinlage geleistet ist und die Bezugsaktien ausgegeben sind und nachträglich der Mangel des Beschlusses entdeckt wird. Die Gesellschaft kann übrigens auch hier, ebenso wie bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen, den Gegenstand, der für die Sacheinlage in Aussicht genommen war, erwerben (vgl. hierüber § 183 Anm. 5). Anm. 8: Nach Ausgabe der Bezugsaktien kann die Unwirksamkeit durch Satzungsänderung nicht mehr geheilt werden. Die Bestimmung entspricht § 183 mit der Maßgabe, daß nicht die Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals, sondern die Ausgabe der Bezugsaktie der ent1149

§ § 194/195

Anm. 8,9 / 1

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

scheidende Zeitpunkt ist. In beiden Fällen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem das Aktienrecht entstanden und das Grundkapital erhöht ist. Bis zur Ausgabe der Bezugsaktien kann ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluß gefaßt werden, der die erforderlichen Festsetzungen enthält. V. Einlage der Arbeitnehmer Anm. 9: Die neue Vorschrift des Abs. 3 hängt mit § 192 I I Nr. 3 zusammen, wonach der Zweck einer bedingten Kapitalerhöhung auch die Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer der Gesellschaft sein kann gegen Einlage von Geldforderungen, die jenen aus einer von der Gesellschaft eingeräumten Gewinnbeteiligung zustehen. In diesem Fall besteht über den Wert der Einlage kein Zweifel, so daß auf die strengen Formerfordernisse der Abs. 1 und 2 in diesen Fällen verzichtet werden kann.

§ 195 Anmeldung des Beschlusses (1) Der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsiditsrats haben den Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft beizufügen 1. bei einer bedingten Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen die Verträge, die den Festsetzungen nach § 194 zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind; 2. eine Berechnung der Kosten, die für die Gesellschaft durch die Ausgabe der Bezugsaktien entstehen werden; 3. wenn die Kapitalerhöhung der staatlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde. (3) Hat das Gericht Zweifel, ob der Wert der Sacheinlage den Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien erreicht, so hat eine Prüfung durch einen oder mehrere Prüfer stattzufinden. § 33 Abs. 3 bis 5, § 34 Abs. 2 und 3, § 35 gelten sinngemäß. Das Gericht hat die Eintragung abzulehnen, wenn der Wert der Sacheinlage nicht unwesentlich hinter dem Nennbetrag der dafür zu gewährenden Aktien zurückbleibt. (4) Die eingereichten Schriftstücke werden beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift aufbewahrt. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 162 AktG 37 mit sprachlichen Änderungen in den Abs. 1 und 2 sowie einer sachlichen Änderung in Abs. 3. 1150

Anmeldung des Beschlusses

§ 195 Anm. 1—3

D i e Anmeldung des Erhöhungsbesdilusses erfolgt bei der bedingten wie bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen. § 195 I und III entsprechen deshalb wörtlich § 184 I und III. Einer Angabe darüber, ob Einlagen auf das bisherige Grundkapital ausstehen (§ 184 II), bedarf es bei der bedingten Kapitalerhöhung nicht, da diese auch in diesem Falle zulässig ist. Der Anmeldung des Erhöhungsbeschlusses müssen bei der bedingten Kapitalerhöhung alle die Unterlagen beigefügt werden (Abs. 2), die bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen erst bei der Anmeldung ihrer Durchführung ( § 1 8 8 ) einzureichen sind, mit Ausnahme natürlich der Bezugserklärungen, die dem Zeichnungsschein bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen entsprechen, weil diese ja auch zu einem späteren Zeitpunkt zulässig sind. Anm. 2: Bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen ist zunächst der Erhöhungsbeschluß anzumelden (§ 184) — seine Eintragung hebt die Selbstbestimmung der Gesellschaft hinsichtlich seiner Durchführung noch nicht auf — und nach Zeichnung der neuen Aktien und Einzahlung des Mindestbetrages von 25 o/o, die Durchführung der Kapitalerhöhung (§ 188). Erst dann wird die Kapitalerhöhung wirksam. Bei der bedingten Kapitalerhöhung ist schon mit der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses eine Bindung der Gesellschaft gegenüber dem Bezugsberechtigten (§ 192 IV) hinsichtlich der Durchführung hergestellt, sofern ihm die erforderliche ergänzende „Zusicherung" (s. § 193 Anm. 6 b) gemacht ist oder gemacht wird (s. § 197 Anm. 2). Schon von diesem Augenblick an ist ein Vermerk über die H ö h e des bedingten Kapitals in die Jahresbilanz aufzunehmen. Durch die Ausübung des Bezugsrechts und die Ausgabe der Aktien tritt dann die tatsächliche Erhöhung des Grundkapitals ein, die sich nunmehr in der Jahresbilanz durch Veränderung der Grundkapitalsziffer zeigt. Außerdem muß im Geschäftsbericht angegeben werden, wieviel Aktien im Laufe des Geschäftsjahres auf das bedingte Kapital ausgegeben sind. § 195 entspricht § 184, vgl. deshalb dort Anm. 2, insbesondere über die Form der Anmeldung und die anmeldepflichtigen Personen. Audi hier kann die Anmeldung nicht vom Registergericht durch Ordnungsstrafe erzwungen werden (§ 407 II). Anm. 3: Der Anmeldung sind beizufügen (s. § 188 Anm. 5): a) die Verträge, die den Festsetzungen über Sacheinlagen zugrunde liegen, die Bestimmung entspricht § 188 III Ziffer 2, vgl. dort Anm. 5. b) Ziffer 2: die Ausgabekosten der Bezugsaktien, vgl. § 188 Anm. 5. In Frage kommen nur die Kosten der Ausgabe der Bezugsaktien, nicht der Wandelschuldverschreibungen (ebenso Schi.-Qu. § 162 Anm. 3) und bei dem Zusammenschluß zweier Unternehmen, selbstverständlich nicht des Zusammenschlusses. c) Ziffer 3: die Genehmigungsurkunde, vgl. § 188 Anm. 5. N u r wenn die Kapitalerhöhung der staatlichen Genehmigung bedarf, ist die Genehmi1151

§§ 195—197

Anm. 3—5

Maßnahmen der Kapitalbeschaff ung

gungsurkunde vorzulegen. Die Genehmigung, die für die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen erforderlich ist, ist hier nicht gemeint und braudit nicht vorgelegt zu werden. Anm. 4: Über das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht des Registergerichts vgl. § 184 Anm. 5. Bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen prüft das Registergericht zweimal, sowohl anläßlich der Anmeldung des Beschlusses, als auch — endgültig — anläßlich der Anmeldung seiner Durchführung. Hier entfällt letztere Prüfung, die angesichts § 200 zu spät käme. Anm. 5:

Abs. 4 entspricht § 188 V I und § 37 IV (vgl. dort).

§ 196 Bekanntmachung der Eintragung In die Bekanntmachung der Eintragung des Beschlusses über die bedingte Kapitalerhöhung sind außer deren Inhalt die Feststellungen nach § 193 Abs. 2 und die nach § 194 bei der Einbringung von Sadieinlagen vorgesehenen Festsetzungen aufzunehmen. Für die Festsetzungen nach § 194 genügt die Bezugnahme auf die beim Gericht eingereichten Urkunden. Die Vorschrift entspricht bis auf einige sprachliche Änderungen dem bisherigen § 163 AktG 37. Die Bestimmung über die Bekanntmachung der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses entspricht jener über die Bekanntmachung der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 190) vgl. dort, jedoch mit Ergänzungen. In die Bekanntmachung aufzunehmen ist: der Betrag der Kapitalerhöhung, der Ausgabebetrag oder, falls ein solcher nicht feststeht, die Grundlage, wonach dieser Betrag errechnet wird (§ 190, § 193 II Nr. 3), der Zweck der bedingten Kapitalerhöhung, ob sie zur Einräumung von Umtausch- oder Bezugsrechten an die Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen oder zur Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen oder zur Gewährung eines Bezugsrechts an Arbeitnehmer gemäß § 192 II Nr. 3 erfolgt, sowie der Kreis der Bezugsberechtigten (vgl. § 193 Anm. 6 b). Hinsichtlich der Festsetzungen über Sacheinlagen genügt Bezugnahme auf die eingereichten Urkunden. Die Bekanntmachung erfolgt in den Gesellschaftsblättern, vgl. zu § 25. § 197 Verbotene Aktienausgabe Vor der Eintragung des Beschlusses über die bedingte Kapitalerhöhung können die Bezugsaktien nicht ausgegeben werden. Ein Anspruch des Be1152

§ 197 Anm. 1—3 zugsberechtigten entsteht vor diesem Zeitpunkt nicht. Die vorher ausgegebenen Bezugsaktien sind nichtig. Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. Verbotene Aktienausgabe

Anm. 1: Die Vorschrift entspricht inhaltlich den Bestimmungen des bisherigen § 164 AktG 37, sie enthält zwei miteinander zusammenhängende aber verschiedene Rechtsregeln: Satz 1 und Satz 3 sind zusammen mit § 200 zu verstehen und besagen: die Aktienrechte entstehen durch die Ausgabe der Aktien, diese ist vor Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht zulässig. Demnach entstehen die Aktienrechte, die bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen durch die Eintragung ihrer Durchführung entstehen, zwar durch die Ausgabe, aber frühestens durch die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses. Vorher ausgegebene Aktien sind nichtig. Die Bestimmung des § 197 entspricht § 191. Uber die Bedeutung der Ausgabe siehe § 199 Anm. 5 und Erläuterungen zu §200. Anm. 2: Satz 2 sagt weiter, wann das Bezugs- oder Umtauschredit entsteht. Positiv wird bestimmt, daß es frühestens im Augenblick der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses entsteht und nicht vorher, also nicht schon durch den Hauptversammlungsbeschluß und auch nicht schon durch die Einräumung seitens des Vorstandes (s. § 193 Anm. 6 b). Letztere kann geschehen, sobald der Beschluß gefaßt (§ 193 I; § 187 II), auch bevor er eingetragen ist, jedoch kann es bis zur Eintragung der Kapitalerhöhung durch Beschluß der H a u p t versammlung dem Bezugsberechtigten noch entzogen werden, da der Beschluß erst durch die Eintragung wirksam wird (vgl. § 192 Anm. 9). Vor der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses besteht kein Anspruch des Bezugsberechtigten auf Umtausch oder Bezug. Aber trotz der Eintragung des Beschlusses besteht das Bezugsrecht nicht, wenn es nicht vom Vorstand konkret eingeräumt wurde (s. a. a. O.) und wird der Beschluß, dem diese Einräumung vorangehen kann, gegenstandslos, wenn es aufgrund Scheiterns der Verhandlungen nicht zu ihr kommt. Vor der Ausübung des Bezugs ist der Bezugsberechtigte auch nicht Inhaber eines Anteilsrechts. Da der Bezugsberechtigte keine Anteile besitzt, kann er sich zur Übertragung der künftigen Anteile höchstens obligatorisch verpflichten (vgl. § 191 Anm. 1). Anm. 3: Vor der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses ausgegebene Aktien sind unheilbar nichtig (vgl. hierüber § 8 Anm. 4). Über Schadenersatzpflicht (vgl. § 8 Anm. 6), Strafbestimmung § 405 I N r . 2, auch gutgläubiger Erwerb an ihnen ist nicht möglich. 1153

§198

Anm. 1

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

§ 198 Bezugserklärung (1) Das Bezugsrecht wird durch schriftliche Erklärung ausgeübt. Die Erklärung (Bezugserklärung) soll doppelt ausgestellt werden. Sie hat die Beteiligung nach der Zahl, dem Nennbetrag und, wenn mehrere Gattungen ausgegeben werden, der Gattung der Aktien, die Feststellungen nach § 193 Abs. 2, die nach § 194 bei der Einbringung von Sacheinlagen vorgesehenen Festsetzungen sowie den Tag anzugeben, an dem der Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung gefaßt worden ist. (2) Die Bezugserklärung hat die gleiche Wirkung wie eine Zeichnungserklärung. Bezugserklärungen, deren Inhalt nicht dem Absatz 1 entspricht oder die Beschränkungen der Verpflichtung des Erklärenden enthalten, sind nichtig. (3) Werden Bezugsaktien ungeachtet der Nichtigkeit einer Bezugserklärung ausgegeben, so kann sich der Erklärende auf die Nichtigkeit nicht berufen, wenn er auf Grund der Bezugserklärung als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. (4) Jede nicht in der Bezugserklärung enthaltene Beschränkung ist der Gesellschaft gegenüber unwirksam. I. Übersicht (Anm. 1) II. Bezugsberechtigter (Anm. 2) I I I . Inhalt (Anm. 3)

IV. Wirkung (Anm. 4) V. Verstoß (Anm. 5) VI. Aktienausgabe (Anm. 6 bis 8)

I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt bis auf sprachliche Änderungen in den Abs. 1 und 2 mit dem bisherigen § 165 AktG 37 überein. Die Bezugserklärung bei der bedingten Kapitalerhöhung entspricht dem Zeichnungsschein bei der gewöhnlichen und hat nach § 198 II die gleiche Wirkung wie die Abgabe einer Zeichnungserklärung; ihr entspricht auch ihr notwendiger Inhalt. Inhaltlich unvollständige Bezugserklärungen oder solche, die eine Beschränkung enthalten, sind nichtig. Eine Heilung der Nichtigkeit kann nur eintreten, wenn Bezugsaktien ausgegeben sind und der Empfänger als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat (vgl. Anm. 7). Jede nicht in der Bezugserklärung enthaltene Beschränkung ist entsprechend § 185 der Gesellschaft gegenüber unwirksam (Ab. 4). Es bedarf nicht für jede einzelne Wandelschuldverschreibung oder jede einzelne bezogene Aktie einer besonderen Bezugserklärung. Übt ein Bezieher mehrere Bezugsrechte gleichzeitig aus, kann er dies auch in einer einheitlichen Bezugserklärung tun. 1154

Bezugserklärung

§ 198 Anm. 1—3

Berechtigt eine Wandelschuldverschreibung zum Bezug mehrerer Aktien, braucht das Bezugsrecht weder gleichzeitig noch voll ausgeübt zu werden, anders — der Natur der Sache nach — beim Umtausch von Wandelschuldverschreibungen und beim Zusammenschluß, weil beim letzteren die Sacheinlage nur ungeteilt eingebracht werden kann. Will sich der Einleger spätere Entschließung darüber vorbehalten, ob er für den vollen Gegenwert Aktien nehmen will, muß er zunächst Wandelschuldverschreibungen mit Umtauschrecht und nicht zu lange hinausgeschobener Fälligkeit nehmen (vgl. auch bei § 221) oder sich ein Wahlrecht ausbedingen (s. oben § 192 Anm. 5). II. Bezugsberechtigter Anm. 2: Das Bezugsrecht wird im Falle der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen gemäß § 221 nur den Gläubigern dieser Schuldverschreibungen eingeräumt, infolgedessen muß die Bezugserklärung von ihnen ausgehen. Für einen mittelbaren Bezug (§ 186) besteht hier keine Möglichkeit, aber auch keine Veranlassung. Eine Bank kann nur entweder selbst als Inhaber oder als Bevollmächtigte der Inhaber der Schuldverschreibungen oder als deren Treuhänder auftreten. Diese Bezugserklärung muß schriftlich abgegeben werden. Fehlt es an der Schriftform, so liegt eine Bezugserklärung im Sinne des Gesetzes überhaupt nicht vor (vgl. im einzelnen § 185 Anm. 4). Auch hier ist Vertretung zulässig, insbesondere kann für alle Bezugsberechtigten ein Bevollmächtigter bestellt werden. Daß die Bezugserklärung doppelt ausgestellt werden soll, ist lediglich eine Sollvorschrift, deren Verletzung keine Rechtsfolgen hat. Das Doppel ist nach § 201 vom Vorstand bei der Anmeldung der Ausgabe von Bezugsaktien zum Handelsregister einzureichen. [II. Inhalt Anm. 3: Inhaltlich muß die Bezugserklärung den Tag des Erhöhungsbeschlusses (§ 185 Anm. 8), die Stückzahl der bezogenen Aktien, ihren Nennbetrag und ihre Gattung angeben, nicht aber, ob es sich um Inhaber- oder Namensaktien handelt, ferner den Ausgabebetrag oder die Grundlage, wonach dieser Betrag errechnet wird. Insoweit entspricht dies § 185 Nr. 2. Darüber hinaus ist der Zweck der bedingten Kapitalerhöhung und der Kreis der Bezugsberechtigten anzugeben (vgl. hierzu §193 Anm. 6 b und c). Bei der bedingten Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen ist weiterhin der Gegenstand, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien anzugeben. Es entspricht dies dem §185 Nr. 3 (s. dort Anm. 10). Die Hingabe der zum Bezüge berechtigenden Schuldverschreibungen zum Umtausch gilt nicht als Sacheinlage (§ 194 I S. 2), ebenso nicht die Einlage der Geldforderung eines Arbeitnehmers der Gesellschaft aus einer ihm von dieser eingeräumten Ge1155

§198

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 3—5 winnbeteiligung (§ 194 III). Da auch bei Nebenleistungsgesellschaften durchaus eine bedingte Kapitalerhöhung möglich ist — warum sollte sie nicht zur Vorbereitung des Zusammenschlusses zweier Zuckerrübenfabriken beschlossen werden können? — und die Bezugsaktien nicht voll bezahlt zu sein brauchen, nicht einmal beim Umtausch einer Wandelschuldverschreibung, geschweige denn beim Bezug aufgrund einer solchen, wird die Bezugserklärung entsprechend § 188 Nr. 2 auch den Umfang von Nebenverpflichtungen angeben müssen. Ein Grund, aus dem sie in § 198 nicht erwähnt sind, ist nicht ersichtlich. Nicht vorgeschrieben, aber zweckmäßig, ist die Bezeichnung der Schuldverschreibungen, deren Bezugsrecht ausgeübt wird. Handelt es sich nicht um einen Umtausch, sondern einen Bezug, ist die Vorlegung der Schuldverschreibung nicht nur zwecks Legitimation des Beziehers, sondern auch zwecks Abstempelung unerläßlich. IV. Wirkung Anm. 4: Die Bezugserklärung hat die gleiche Wirkung wie eine Zeichnungserklärung. Welche Wirkung die Abgabe einer Zeichnungserklärung hat, ist im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt. Sie bedeutet zunächst eine einseitige Bindung des Erklärenden für die im Zeichnungsschein enthaltene Zeitdauer. Bei der Bezugserklärung fehlt es an der Angabe eines Zeitpunktes, an dem die Bezugserklärung unverbindlich wird. Es würde also, wenn die Wirkungen der Bezugserklärung wirklich die gleichen wären, wie die der Zeichnungserklärung, der Erklärende auf unbestimmte Zeit gebunden sein. Tatsächlich ist aber die Rechtslage für denjenigen, der eine Bezugserklärung abgibt, grundsätzlich anders als für denjenigen, der einen Zeichnungsschein ausstellt. Derjenige, der bei der Kapitalerhöhung neue Aktien zeichnet, hat in der Regel keinerlei Rechtsanspruch auf Zuteilung von Aktien; anders derjenige, der eine Bezugserklärung abgibt. Er kann sie nur abgeben, wenn er dem Kreis der Bezugsberechtigten angehört (§ 193 II Nr. 2), dann hat er aber auch einen unentziehbaren Anspruch auf Aushändigung der Aktien. Der Vorstand muß, wenn die Voraussetzungen des § 199 vorliegen, demjenigen, der die Bezugserklärung ausgeübt hat, die Aktien sofort aushändigen. Darum ist hier die Begrenzung der Bindung überflüssig, weil für den Bezieher die Ungewißheit fehlt, die bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen vorliegt. Über Sicherung und Vollstreckung des Anspruchs s. bei § 200. V. Verstoß Anm. 5: Bezugserklärungen, deren Inhalt dem Gesetz nicht entspricht oder die Beschränkungen enthalten, sind nichtig. Dies entspricht § 185 II (vgl. dort Anm. 12). 1156

Bezugserklärung

§ 198

Anm. 5—7

Auch hier ist zu unterscheiden zwischen demjenigen Inhalt der Bezugserklärung, ohne den eine solche überhaupt nicht vorliegt, weil es an einer selbst unter Berücksichtigung außerhalb ihrer liegenden Umstände (z. B. des Kapitalerhöhungsbeschlusses) verständlichen und eindeutigen Erklärung fehlt, und dem sonstigen gesetzlich notwendigen Inhalt, der zum Verständnis der Erklärung entbehrlich ist (ebenso Schi.-Qu., § 165 Anm. 6). VI. Aktienausgabe Anm. 6: Der Vorstand hat die Bezugsaktien nur auszugeben, wenn das Bezugsrecht durch eine gültige Bezugserklärung ausgeübt ist. Über die weiteren Voraussetzungen für die Ausgabe vgl. §§ 197, 199. Gibt er Bezugsaktien aus, ohne daß eine Bezugserklärung abgegeben ist, so wird durch diese Ausgabe das Fehlen einer Bezugserklärung nicht ersetzt, die Ausgabe kann aber trotzdem nach Maßgabe der Anm. 7 Bestand haben. Anm. 7: Aufgrund einer nichtigen Bezugserklärung kann vor ordnungsmäßiger Wiederholung weder von dem Bezugsberechtigten die Ausgabe noch von der Gesellschaft die Übernahme der Aktie verlangt werden. Jedoch kann der Erklärende sich nicht auf die Nichtigkeit berufen, wenn er als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. Bei der bedingten Kapitalerhöhung entstehen die Aktienrechte durch die Ausgabe der Aktie. Ein Zustand ist nicht denkbar, bei dem ohne Ausgabe der Aktie das Aktienrecht besteht und ausgeübt wird. Der Mangel des nidit wesentlichen Inhalts im Sinne der Anm. 5 wird durch die Ausübung von Rechten aus der bezogenen Aktie nach Abs. 3 geheilt; dazu ist zwanglos auch die Entgegennahme der Aktienurkunde zu rechnen, wenn das Recht auch erst durch ihre Ausgabe entsteht. Abgesehen von der schriftlichen Form, die hier durch eine eindeutig schlüssige Handlung ersetzt wäre, hat in Verbindung mit dem Inhalt der Urkunde die in ihrer Entgegennahme liegende, weil durch diese schlüssig ausgedrückte Erklärung, den wesentlichen Inhalt der Übernahmeerklärung. Die Frage spitzt sich also hier lediglich auf die Form zu. War die Bezugserklärung nicht schriftlich abgegeben, so bliebe für die Gesellschaft die Möglichkeit, sich darauf zu berufen, immer bedeutungslos, weil der Berechtigte einseitig die Form nachholen kann. Es bleibt sonach nur noch zu fragen übrig, ob er selbst noch nach Ausgabe und Entgegennahme der Aktie sich darauf berufen kann, daß er keine schriftliche Bezugserklärung abgegeben hat und mit dieser Begründung die Aktie zurückgeben und den geleisteten Gegenwert zurückfordern kann. Wir sind der Ansicht, daß die Frage zu verneinen und nach Abs. 3 seinem Wortlaut gemäß dahin zu beantworten ist, daß die Ausgabe und Entgegennahme der Aktie jeden Mangel der Bezugserklärung, auch den Formmangel, heilt, ebenso wie Willensmägel (Täuschung, Betrug, Verstoß gegen die guten Sitten, nicht Geschäftsunfähigkeit; ebenso Schl.-Qu. § 165 1157

§§ 198/199

Anm. 7,8/1

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 5, vgl. aber auch zu § 200). Ein Mangel schriftlicher Form wird schon wegen § 201 II nicht leicht vorkommen, zumal sonst ein formloser Umtausch vorläge. Anm. 8: Das Bezugsrecht kann stets nur so ausgeübt werden, wie es eingeräumt ist. Eine Abänderung ist mithin nicht möglich, wohl aber kann der Erklärende sich auf die Ausübung eines Teiles seiner Rechte, aber nicht auf den Bezug eines Teils einer einzelnen Aktie (§ 8) beschränken; im übrigen ist jede Beschränkung der Bezugserklärung unwirksam. Die Bezugserklärung gilt als unbeschränkt abgegeben. Ist die Beschränkung in die Bezugserklärung aufgenommen, ergibt sich dies aus Abs. 2; Abs. 4 sieht es noch besonders für den Fall vor, daß der Vorbehalt außerhalb der Bezugserklärung gemacht ist. § 199 Ausgabe der Bezugsaktien (1) Der Vorstand darf die Bezugsaktien nur in Erfüllung des im Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung festgesetzten Zwecks und nicht vor der vollen Leistung des Gegenwerts ausgeben, der sich aus dem Beschluß ergibt. (2) Der Vorstand darf Bezugsaktien gegen Wandelschuldverschreibungen nur ausgeben, wenn der Unterschied zwischen dem Ausgabebetrag der zum Umtausch eingereichten Schuldverschreibungen und dem höheren Nennbetrag der für sie zu gewährenden Bezugsaktien aus einer freien Rücklage, soweit sie zu diesem Zweck verwandt werden kann, oder durch Zuzahlung des Umtauschberechtigten gedeckt ist. Dies gilt nidit, wenn der Gesamtbetrag, zu dem die Schuldverschreibungen ausgegeben sind, den Gesamtnennbetrag der Bezugsaktien erreicht oder übersteigt. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) I I . Voraussetzungen (Anm. 3 u. 4) I I I . Ausgabebetrag (Anm. 5)

IV. Unternennwertausgabe (Anm. 6 u. 7) V. Deckung des Disagio (Anm. 8 u. 9)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 166 AktG 37 mit einigen Änderungen. Abs. 2 weist neben sprachlichen Änderungen auf zwei sachliche Veränderungen hin: a) Zur Deckung des Unterschieds zwischen dem Ausgabebetrag der zum Umtausch eingereichten Schuldverschreibungen und dem höheren Nennbetrag, der für sie zu gewährenden Bezugsaktien sah das frühere Recht auch den Reingewinn — jetzt Bilanzgewinn — vor. Es ist kaum denkbar, daß die Durchführung der bedingten Kapitalerhöhung auf den Zeitpunkt fällt, in 1158

Ausgabe der Bezugsaktien

§199

Anm. 1—3

dem zwar der Jahresabschluß festgestellt, über den Bilanzgewinn jedoch noch nicht verfügt worden ist; daher sah der Gesetzgeber davon ab, die Deckung aus dem Bilanzgewinn vorzusehen. Daneben stünde eine Erwähnung des Bilanzgewinns im Widerspruch zum bisherigen § 58 IV, wonach dieser nur an die Aktionäre zu verteilen ist. b) Eine freie Rücklage kann zur Deckung nur herangezogen werden, „wenn sie zu diesem Zweck verwandt werden kann" (s. Anm. 7). Anm. 2: Nach Abs. 1 erfolgt die Ausgabe von Bezugsaktien durch den Vorstand, darf aber nur zu dem festgesetzten Zweck, erst nachdem die Kapitalerhöhung eingetragen ist (§ 197) und nur nach Leistung des festgesetzten Gegenwertes für die einzelne auszugebende Bezugsaktie geschehen. Abs. 2 führt auch für den Fall, daß zum Umtausch bestimmte Schuldverschreibungen unter dem Nennbetrag ausgegeben werden, den Grundsatz durch, wonach die Ausgabe von Aktien unter dem Nennwert verboten ist (§ 9). Die Ausgabe der Aktie ist, wie die Einräumung des Bezugs- oder Umtauschrechts und bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen die Zuteilung ein vom Vorstand, hier durch Hingabe der Aktienurkunde (s. zu § 200), vorzunehmender körperschaftsrechtlicher Akt, der sich aber von der Zuteilung bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen — die er in sich einschließt — grundsätzlich dadurch unterscheidet, daß er die Entstehung des Aktienrechts herbeiführt (§ 200), welches bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen nach vorgängiger Zeichnung und Zuteilung durch die Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung entsteht (§§ 189,191). Wie in § 197 bedeutet hier „Ausgabe" sowohl Begebung und damit Schaffung des Rechts (hier in Erfüllung eines bestehenden Anspruchs) als auch die zugleich vorzunehmende Ausstellung und Aushändigung der Urkunde (s. zu § 200). Die Begebung findet hier statt, indem die Urkunde ausgehändigt wird. Theoretisch wäre denkbar, daß auch hier die „Ausgabe" der „Aktie" (-Recht) durch Erklärung des Vorstandes ohne Beurkundung des Rechtes und Aushändigung einer Urkunde geschieht; dies wird durch § 200 (s. dort) — wohl aus praktischen Erwägungen — ausgeschlossen. II. Voraussetzungen Anm. 3: Die Ausgabe von Bezugsaktien setzt voraus, daß sie zu dem Zweck erfolgt, der in dem Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung festgesetzt worden ist, d. h. zur Erfüllung eines den Gläubigern von Wandelschuldverschreibungen eingeräumten Bezugs- oder Umtauschrechts oder zur beschlossenen Vorbereitung des beschlossenen Zusammenschlusses oder zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer der Gesellschaft nach § 192 II Nr. 3. Nur die Ausgabe an Personen ist statthaft, die zu dem im Kapitalerhöhungsbeschluß bezeichneten (§ 193) Kreis von Bezugsberechtigten gehören. Die 1159

§ 199

Anm. 3—5

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Ausgabe zur Vorbereitung eines anderen, nicht beschlossenen Zusammenschlusses zu einem anderen als in § 192 II zugelassenen Zweck, wie überhaupt an Personen, die nicht zu diesem Kreis gehören, macht die Ausgabe nicht nichtig (h. L.; Weipert in Großkomm. § 166, Anm. 3). Anm. 4: Der Vorstand kann die Aktie nur an einen Bezugsberechtigten ausgeben, der seinen Anspruch auf Begebung durch ordnungsmäßige Bezugserklärung geltend gemacht hat. Der Anspruch ist klagbar, der Anspruch auf Ausstellung der Urkunde wird nach § 888 ZPO vollstreckt, auf Ausgabe und Aushändigung der ausgestellten Urkunde nach den §§ 894, 883, 897 ZPO. Die Ausgabe setzt außer der Bezugserklärung aber auch voraus, daß der volle Gegenwert (Sacheinlage bzw. Wandelschuldverschreibung mit oder ohne Zuzahlung, bei Bezug ohne Umtausch, Nennbetrag der Aktie plus Aufgeld) geleistet ist, der sich aus dem Beschluß ergibt. § 5 4 1 1 1 mit § 1 8 8 1 1 und § 36 II gelten hier nicht (für viele Weipert-Schilling in Großkomm. § 166 Anm. 2; B.-H. R n 2 ; a. A. Die Vorauf!.). Dies ergibt sich zwingend aus Abs. 1. Auch der Anspruch, der der Gesellschaft aus der Bezugserklärung erwächst, ist klagbar. Es muß nur der sich aus dem Beschluß ergebende volle Gegenwert geleistet sein. Diese Fassung schließt nicht aus, daß nicht vollbezahlte Bezugsaktien, sei es aufgrund eines Bezugsrechts, sei es im Umtausch gegen nicht vollbezahlte Aktien, ausgegeben werden (s. Anm. 5 zu § 192 und Anm. 3 zu § 198), wenn der Beschluß dies vorsieht. Die Vorschrift will nicht weitergehen als die Vorschriften, die für die Gründung und sonst für die Kapitalerhöhung gelten, nur verhindern, daß die ausgegebenen Bezugsaktien in der Luft schweben. Wird gegen die Vorschrift verstoßen, so haften Vorstand und Aufsichtsrat nach den §§ 93,116, aber nicht auch strafrechtlich. Die an einen Bezugsberechtigten ausgegebene Aktie ist dennoch gültig. Der Bezieher ist verpflichtet, die Einlage zu bewirken, evtl. kann er der Aktie verlustig erklärt und diese nach Kraftloserklärung der alten und Ausstellung einer neuen Urkunde verwertet werden. Der Bezieher haftet für den Ausfall (§§ 64, 65). Halbsatz 2 des Abs. 1 ist hauptsächlich bedeutungsvoll für den Bezug aufgrund einer Sacheinlage oder einer Schuldverschreibung ohne Umtausch der letzteren, bei dem ihr Nennbetrag nicht verrechnet wird.

III. Ausgabebetrag Anm. 5: Ausgabebetrag ist der Betrag, den der Empfänger der Schuldverschreibung an die Gesellschaft zu zahlen hatte. Welche Beträge die Gesellschaft an Kosten, Steuern usw. aufzubringen hat, spielt keine Rolle. Es kommt darauf an, ob der Gesamtbetrag, der der Gesellschaft aus der Ausgabe der Wandelschuldverschreibungen zugeflossen ist, dem Gesamtnenn1160

Ausgabe der Bezugsaktien

§199

Arno, 5—7

betrag der auszugebenden Bezugsaktien entspricht. Ist dies der Fall, so liegt keine Ausgabe der Aktien unter dem Nennwert vor. So ist z. B. die Bezugsaktie nicht unter Nennbetrag, sondern mit Aufgeld ausgegeben, wenn für sie zwei Wandelschuldverschreibungen mit gleichem Nennbetrag wie hier hingegeben werden müssen, die zu 90°/o ausgegeben waren; aber auch, wenn die Schuldverschreibungen zu verschiedenen Kursen ausgegeben sind, ein Teil unter, ein Teil über dem Nennbetrag der Bezugsaktie, ist der Durchschnittsausgabekurs entscheidend. IV. Unternennwertausgabe Anm. 6: Abs. 2, der dagegen hauptsächlich den Fall des Umtauschs einer Schuldverschreibung betrifft, will eine Unternennwertausgabe verhindern, in dem Spezialfall, daß die zum Umtausch gelangende Wandelschuldverschreibung selbst unter Nennwert ausgegeben war. Daß dieser häufige und naheliegende Spezialfall besonders geregelt wird, heißt natürlich nicht, daß im Umtausch gegen Sacheinlagen eine Unternennwertausgabe statthaft wäre (vgl. im Gegenteil § 195 III). Bei der Wandelschuldverschreibung ist der Nennbetrag deshalb entscheidend, weil durch den Umtausch die Aktiengesellschaft von einer entsprechenden Schuld in Höhe des Nennbetrages befreit wird. Hier ist es also gleichgültig, ob im Verkehr die Forderung gegen die Aktiengesellschaft, die in der Schuldverschreibung verbrieft ist, noch als vollwertig angesehen wird. Nur ein bei Ausgabe der Schuldverschreibung in Kauf genommenes Disagio muß beim Umtausch in eine Aktie gemäß Nachstehendem gedeckt werden. Anm. 7: Der Fall, der praktisch in erster Linie vorkommt, ist die Ausgabe der Schuldverschreibungen unter dem Nennwert; das ist zulässig. Nicht zulässig wäre dies bei den Aktien (vgl. § 9). Obwohl auch dann, wenn unter dem Nennbetrag ausgegebene Schuldverschreibungen zum Umtausch angeboten werden, die Gesellschaft von einer dem Nennbetrag entsprechenden Schuld befreit würde (vgl. oben Anm. 5), verlangt hier das Gesetz, daß die Differenz zwischen Ausgabebetrag der Schuldverschreibung und Nennwert der Bezugsaktie aus einer freien Rücklage, soweit sie zu diesem Zweck verwandt werden kann, oder durch Zuzahlung des Umtauschberechtigten gedeckt wird, weil der Gesellschaft bei der Ausgabe der Schuldverschreibung nicht der volle Gegenwert zugeflossen ist. Es soll durch die vorliegende Bestimmung verhindert werden, daß das Verbot, Aktien unter dem Nennbetrag auszugeben, umgangen wird. Indessen gibt sie ein Rätsel auf: Wie kommt der Vorstand dazu, diesen Fehlbetrag ohne Verpflichtung der Gesellschaft aus ihren Mitteln zu decken und wie kann diese sich dazu verpflichten, da rechtlich ja auch bei Beschlußfassung nicht feststeht, daß sie dazu in der Lage sein wird; sie 1161

§ § 199/200

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm.7—9/1 wird rechtlich immer diesen Vorbehalt machen müssen, der freilich praktisch bedeutungslos ist, weil der Bezug bei Aktualität reizlos ist. V. Deckung des Disagio Anm. 8: Bilanzgewinn kann zur Deckung nicht herangezogen werden (s. Anm. 1), sondern lediglich freie Rücklagen, sofern diese für diesen Zweck aufgelöst werden, oder Zuzahlungen des Umtauschberechtigten. Nicht verwandt werden dürfen demnach die gesetzlichen Rücklagen und die zweckgebundenen freien Rücklagen. Ist, wie häufig, das Disagio bereits allmählich durch eine besondere Rücklage ausgeglichen worden, so kann selbstverständlich in erster Linie diese Rücklage verwandt werden. Dem Gläubiger kann mit der Folge, daß bei Ausgabe Abs. 2 beachtet werden muß, auch eine Aktie von höherem Nennbetrag als der Nennbetrag seiner Wandelschuldverschreibung hingegeben werden. Auch dann kann der Unterschied aus freien zu diesem Zweck verwendbaren Rücklagen gedeckt werden (es ist dies freilich Theorie, weil wohl jeder Gläubiger sofort den Bezug erklären würde, man also besser statt über Wandelschuldverschreibungen und § 221 glattes Bezugsrecht geben wird). Freilich kann das Bezugsrecht aufgrund Wandelschuldverschreibungen seinerseits befristet, betagt und bedingt sein (s. § 192 Anm. 6). Anm. 9: Die Zuzahlungen der Umtauschberechtigten zum Ausgleich des Unterschiedsbetrages müssen, wie nadi Abs. 1 die Zuzahlung, die etwa gemäß Erhöhungsbeschluß über den Ausgabebetrag der Schuldverschreibung hinaus beim Bezug (als Aufgeld der Aktien) zu leisten sind, in bar vor der Ausgabe der neuen Aktien geleistet werden. Auch für sie gilt § 188 II S. 2, wonach sie nicht durch Gutschrift auf ein Konto des Vorstands geleistet werden können.

§ 200 Wirksamwerden der bedingten Kapitalerhöhung Mit der Ausgabe der Bezugsaktien ist das Grundkapital erhöht. Anm. 1: überein.

Die Vorschrift stimmt mit dem bisherigen § 167 AktG 37 wörtlich

Während im allgemeinen eine Kapitalerhöhung erst durch die Eintragung ihrer Durchführung im Handelsregister wirksam wird, tritt die Wirksamkeit bei der bedingten Kapitalerhöhung im Augenblick der Ausgabe der 1162

Wirksamwerden der bedingten Kapitalerhöhung

§ 200 Anm. 1,2

Bezugsaktien ein. Von diesem Augenblick an ist das Grundkapital erhöht und dementsprechend das Grundkapitalkonto zu ändern. Bis dahin war das bedingte Kapital nach § 152 III in den Posten I Grundkapital auf der Passivseite (§151) in einer Vorspalte zu vermerken (vgl. §152 Anm. 3); über Geschäftsbericht siehe § 160 III Nr. 4. Mit der Ausgabe der Bezugsaktie entsteht das Anteilsrecht des Aktionärs. Im Augenblick der Ausgabe beginnt z. B. das Dividendenbezugsrecht. Dieses hat der Aktionär, wenn in dem Kapitalerhöhungsbeschluß nichts anderes bestimmt ist, für das ganze Geschäftsjahr, in welchem die Bezugsaktie ausgegeben wurde. Die Eintragung der Ausgabe nach § 201 hat keine rechtsbewirkende oder -ändernde, sondern nachrichtliche Bedeutung. Anm. 2: Unter Zuteilung durch Ausgabe der Aktienurkunde (s. hierüber audi Anm. 2 zu § 199) versteht das Gesetz die körperliche Ausgabe einer Aktienurkunde (anscheinend ebenso auch Schl.-Qu. § 167 Anm. 2; a. A. Ritter § 166 Anm. 2). Eine Ausgabe des bloß abstrakten Aktienrechts durch formlose oder schriftliche Begebungserklärung auf die Bezugserklärung oder durch Eintragung des Bezugsberechtigten aufgrund seiner Bezugserklärung in ein Aktienbuch kommt nicht als Ausgabe im Sinne dieser Vorschrift in Frage; letzteres schon deshalb nicht, weil ein Aktienbuch, ohne daß Urkunden vorhanden sind, zwar eine praktisch vorkommende, aber keine gesetzliche Einrichtung ist. Da das Gesetz keine Form für die Schaffung und Begebung des Rechts vorsieht, träte, wenn sie hier, wo keine Eintragung ins Handelsregister erforderlich ist, ohne Verbindung mit der Ausgabe einer Aktienurkunde erklärt werden könnte, der u. E. unerträgliche Zustand ein, daß die Feststellung des jeweiligen (Aktie um Aktie veränderten) Standes des Grundkapitals auf den Nachweis schlüssiger Handlungen des Vorstandes angewiesen sein könnte. Wenn auch die Ausgabe Sache des Vorstandes ist, so ist es doch zulässig, die Aktien bei einem Treuhänder zu hinterlegen, der hier Ausgabe- und nicht Annahmevertreter ist. Dies bringt dem Bezugsberechtigten den Vorteil, daß er den Anspruch auf die Ausgabe der Aktien, wenn erforderlich, durch die Wegnahme vollstrecken kann, dagegen den Anspruch auf Ausstellung der Urkunde gegen die Gesellschaft nur nach § 888 ZPO. Man hat es aber in diesem Falle nicht mit einer konstitutiven Aktienurkunde zu tun (vgl. § 10 Anm. 1). Nicht die Ausstellung der Urkunde und ihr In-Verkehr-Bringen, sondern die Ausgabe an einen bestimmten Bezugsberechtigten bringt das Recht zur Entstehung. Dieses setzt auch eine rechtswirksame Bezugserklärung voraus. Zwar heilt sie selbst deren Mängel im Rahmen des § 198 III, aber nicht Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit des Bezugsberechtigten. Die Bezugserklärung muß auch von einem Bezugsberechtigten herrühren; Ausgabe an einen Bezieher, der nicht zu den Bezugsberechtigten gehört, hat trotzdem die Wirkung des § 200. 1163

§ 201

Anm. 1,2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

§ 201 Anmeldung der Ausgabe von Bezugsaktien (1) Der Vorstand hat innerhalb eines Monats nach Ablauf des Geschäftsjahrs zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, in welchem Umfang im abgelaufenen Geschäftsjahr Bezugsaktien ausgegeben worden sind. (2) Der Anmeldung sind für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft die Zweitschriften der Bezugserklärungen und ein vom Vorstand unterschriebenes Verzeichnis der Personen, die das Bezugsredit ausgeübt haben, beizufügen. Das Verzeidinis hat die auf jeden Aktionär entfallenden Aktien und die auf sie gemachten Einlagen anzugeben. (3) In der Anmeldung hat der Vorstand zu erklären, daß die Bezugsaktien nur in Erfüllung des im Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung festgesetzten Zwecks und nicht vor der vollen Leistung des Gegenwerts ausgegeben worden sind, der sich aus dem Besdiluß ergibt. (4) Die eingereichten Schriftstücke werden beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift aufbewahrt. Anm. 1: Die Vorschrift stimmt, von einigen sprachlichen Änderungen abgesehen, mit dem bisherigen § 168 AktG 37 überein. Die Anmeldung der Durchführung zum Handelsregister ist auch bei der bedingten Kapitalerhöhung erforderlich, weil ohne diese Unklarheit über die wirkliche Höhe des Grundkapitals bestünde. Die Eintragung hat jedoch nicht rechtswirkende oder -ändernde, sondern nur nachrichtliche Bedeutung. Über Ausweis der im Geschäftsjahr bezogenen Aktien vgl. § 160 I I I Nr. 4; Strafandrohung wegen falscher oder unvollständiger Angaben § 400 Nr. 1. Anm. 2: Uber Form und Inhalt der Anmeldung s. § 181 Anm. 6. Die Mitwirkung eines Prokuristen scheidet hier aus (vgl. § 184 Anm. 3 und § 188 Anm. 2 in Verbindung mit § 37). Da die Kapitalerhöhung bereits durch die Ausgabe der Aktien durchgeführt ist, ist die Gesellschaft verpflichtet, die Durchführung anzumelden und kann dazu durch Ordnungsstrafe gezwungen werden (s. § 14 HGB und § 407). Eine Mitwirkung des Vorsitzenden des Aufsiditsrates wie in § 188 und§ 195 ist hier nicht vorgesehen. Aus der Anmeldung muß sich ergeben, wieviel Bezugsaktien ausgegeben sind und dabei die in Abs. 3 vorgesehene Erklärung abgegeben werden. Über die Anlagen der Anmeldung vgl. Abs. 2. Die Anmeldung kann an sich nach jeder Ausgabe von Aktien erfolgen, was aber unzweckmäßig wäre und eine überflüssige Belastung des Handelsregisters zur Folge hätte. § 201 gestattet deshalb die einmalige alljährliche 1164

Anmeldung der Ausgabe von Bezugsaktien

§ 201

Anm. 2—5

Anmeldung innerhalb eines Monats nach Ablauf des Geschäftsjahres. Mit der Anmeldung der Durchführung ist die Fassungsänderung anzumelden, die vom Aufsichtsrat zu beschließen ist, wenn er — was zweckmäßig ist — von der Hauptversammlung oder in der Satzung hierzu ermächtigt ist. Anm. 3: Als Beilagen sind die Bezugserklärungen und ein Verzeichnis der Bezieher beizufügen (vgl. hierüber § 188 Anm. 5), Ordnungsstrafe hier zulässig. Anm. 4: In der Anmeldung hat der Vorstand die Erklärung abzugeben, daß die Bezugsaktien nur in Erfüllung des im Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung festgestellten Zwecks und nicht vor voller Leistung des Gegenwertes ausgegeben worden sind, der sich aus dem Beschluß ergibt. Es braucht nicht erklärt zu werden, daß sich die Einlagen in der freien Verfügung des Vorstandes befinden, diese dürfen auch schon umgesetzt sein. Es hängt dies nicht so sehr damit zusammen, daß die Aktienausgabe im Zeitpunkt der Anmeldung schon einige Zeit zurückliegt, als damit, daß die bedungene Leistung vielfach in der Wandelschuldverschreibung besteht und die Einzahlung auf diese zur Zeit der Anmeldung natürlich längst umgesetzt ist. Die Erklärung braucht nicht notwendig in derselben Urkunde enthalten zu sein wie die Anmeldung, jedoch muß die Form des § 12 HGB gewahrt sein. Nicht erforderlich ist die Erklärung, daß die Voraussetzungen des § 199 II beim Umtausch gegen unter dem Nennwert ausgegebene Schuldverschreibungen gewahrt sind. Eine falsche oder unvollständige Erklärung und dadurch herbeigeführte Eintragung heilt die Nichtigkeit (§ 199 Anm. 3), der zu einem anderen Zweck als des beschlossenen ausgegebenen Aktien. Was ist, wenn der Vorstand die Erklärung nicht abgibt, etwa weil er sie nicht abgeben kann a) weil er die Aktien vor voller Leistung des Gegenwerts ausgegeben hat? Die Durchführung der Kapitalerhöhung ist dennoch einzutragen, weil die ausgegebenen Aktien trotzdem zu Recht bestehen (§ 199 Anm. 4); b) weil er sie nicht an die Bezugsberechtigten oder zu einem anderen als dem beschlossenen Zweck ausgegeben hat? Die Eintragung kann nicht abgelehnt werden, da die Erhöhung trotzdem eingetreten ist. Anm. 5: Die Eintragung richtet sich nach § 189 II in Verbindung mit § 39; danach ist nur die Höhe des Grundkapitals einzutragen (nach anderer Ansicht nur oder auch der Betrag der ausgegebenen Aktien). Im übrigen kann auf die Urkunde Bezug genommen werden. Die Eintragung ist bekanntzumachen, und zwar gemäß § 10 HGB durch das Registergericht im Bundesanzeiger und in einem weiteren nach § 11 HGB bestimmten Blatt, nicht also von der Gesellschaft in den Gesellschaftsblättern, vgl. § 25. 1165

§ 202

Anm. 1,2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Dritter Unterabschnitt Genehmigtes Kapital § 202 Voraussetzungen (1) Die Satzung kann den Vorstand für höchstens fünf Jahre nach Eintragung der Gesellschaft ermächtigen, das Grundkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag (genehmigtes Kapital) durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen. (2) Die Ermächtigung kann audi durch Satzungsänderung für höchstens fünf Jahre nach Eintragung der Satzungsänderung erteilt werden. Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. § 182 Abs. 2 gilt. (3) Der Nennbetrag des genehmigten Kapitals darf die Hälfte des Grundkapitals, das zur Zeit der Ermächtigung vorhanden ist, nidit übersteigen. Die neuen Aktien sollen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausgegeben werden. (4) Die Satzung kann auch vorsehen, daß die neuen Aktien an Arbeitnehmer der Gesellschaft ausgegeben werden. I. Ubersicht (Anm. 1 u. 2) II. Inhalt der Ermächtigung (Anm. 3) III. Begrenzung (Anm. 4 bis 6) IV. Erforderliche Mehrheit (Anm. 7) V. Sonderbeschluß (Anm. 8)

VI. Ausführung der Ermächtigung (Anm. 9) VII. Mitwirkung des Aufsichtsrats (Anm. 10) V I I I . Arbeitnehmeraktien (Anm. 11)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Abs. 1 bis 3 die Bestimmungen des bisherigen § 169 AktG37 mit einigen sprachlichen Änderungen und der Umstellung der Begriffsbestimmung — (genehmigtes Kapital) — in Abs. 1. Dadurch sollte klarer zum Ausdruck kommen, daß mit „Nennbetrag" nicht das gesamte nunmehr erhöhte Grundkapital, sondern der Nennbetrag des genehmigten Kapitals gemeint ist. Neu ist Abs. 4, der sich mit der Ausgabe von Aktien an Arbeitnehmer befaßt (s. Anm. 11). Anm. 2: Jede Kapitalerhöhung ist ihrem Wesen nach gleichzeitig ein Akt der Selbstgesetzgebung und der Geschäftsführung (vgl. Godin in J W 38, 1146 und SozPr38, 1113). Grundsätzlich setzt sie denn auch ein Zusammenwir1166

Voraussetzungen

§202

Anm. 2

ken des Vorstandes und der Hauptversammlung, eine Entschließung beider Organe voraus. Bei der Bedeutung, die jede Kapitalbeschaffung hat, wirkt in der Praxis der Aufsichtsrat mit. D a ß die Entschließung des Vorstands erforderlich ist, kommt in den gesetzlichen Bestimmungen über die Kapitalerhöhung gegen Einlagen nicht besonders zum Ausdruck. D a s Erfordernis ist aber selbstverständlich, wie die Überlegung zeigt, daß eine wider Willen des Vorstands beschlossene Kapitalerhöhung ohne ihn nicht durchführbar ist, weil die Anmeldung zum Handelsregister, die Zuteilung und Ausgabe der Aktien ohne ihn nicht erfolgen kann. Es ist zwar herrschende, aber nicht unangreifbare Lehre, daß der Vorstand verpflichtet ist, eine von der Hauptversammlung beschlossene Kapitalerhöhung durchzuführen, auch wenn sie gegen seinen Willen beschlossen ist. An der Notwendigkeit seiner Entschließung ändert eine solche Verpflichtung nichts. Regelmäßig geht die Entschließung des Vorstandes voraus, er beruft die Hauptversammlung ein und richtet an sie die dem Vorhaben der Verwaltung entsprechenden Anträge. Bei der Festsetzung genehmigten Kapitals geht die Entschließung der Hauptversammlung voraus. Ihre Zustimmung wird beschlossen und festgelegt. Der Vorstand bleibt in seinen Entschlüssen frei; er wird „ermächtigt", die Kapitalerhöhung vorzunehmen. Die Ermächtigung kann auch schon in der ursprünglichen Satzung erteilt werden. Die Ermächtigung des Vorstands durch Beschluß der Hauptversammlung behandelt das Gesetz technisch schon als die in der Kapitalerhöhung liegende Satzungsänderung selbst. Sie bedarf also zu ihrer Rechtswirksamkeit der Eintragung ins Handelsregister. Die Einzelheiten der Ermächtigung (Beschränkungen und Bestimmungen über die Dauer, über die Ausgabebedingungen, Sacheinlagen, Inhalt der Aktienrechte) brauchen nach §§ 181, 39 nicht eingetragen zu werden. Es genügt, auf die eingereichten Urkunden Bezug zu nehmen. Dasselbe gilt, nachdem sie ins Handelsregister eingetragen und damit Bestandteil der Satzung geworden ist, für ihre Aufhebung vor Ablauf der Frist, für die sie erteilt ist. D a der Vorstand selbst völlig frei bleibt, ergibt sich, daß eine Bindung der Gesellschaft zur Ausgabe von Aktien durch die Ermächtigung gegenüber niemandem herbeigeführt wird. Es ist bei jeder Kapitalerhöhung ungewiß, ob und in welchem U m f a n g sie durchführbar ist. Es bleibt hier sogar noch ungewiß, ob die Gesellschaft die Kapitalerhöhung durchführen will. Die Festsetzung des genehmigten Kapitals soll der Verwaltung die Möglichkeit geben, ohne Zeitverlust und ohne Ungewißheit über die Zustimmung der Hauptversammlung rasch zu dem Zeitpunkt, der ihr günstig erscheint, durch Ausgabe neuer Aktien der Gesellschaft neues Kapital zuzuführen oder andere Unternehmungen anzugliedern. Damit sind die Vorratsaktien überflüssig. D a aber Zeichnung erforderlich ist, kann der Vorstand das genehmigte Kapital nicht einfach durch Verkauf an der Börse unterbringen. Es ist zu 1167

§ 202

Anm. 2,3

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

diesem Zweck, außer Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre, das Dazwischentreten einer Bank erforderlich, die (meist wohl noch nach Vorverkäufen) auf einmal oder abschnittsweise das genehmigte Kapital zeichnet und den alten Aktionären zum Bezug anbietet oder an der Börse oder an ihre Kundschaft verkauft; anders bei Sacheinlage. Die Hauptversammlung oder Satzung kann die Ermächtigung ohne Einschränkung oder auf einen bestimmten Zweck beschränkt erteilen, auch zeitlich begrenzt. Für länger als 5 Jahre kann sie nicht erteilt werden. Eine Verlängerung ist vor Ablauf der beschlossenen Frist statthaft; auch sie ist eine Satzungsänderung, welche der Mehrheit des Abs. 2 bedarf und zu ihrer Wirksamkeit eingetragen werden muß (s. Anm. 8 und 9); dasselbe gilt von einer Abkürzung (s. a. a. O.). Das genehmigte Grundkapital ist noch nicht Grundkapital, sondern eben, wie auch die gesetzliche Begriffsbestimmung ergibt, nichts als ein Willensentschluß der Hauptversammlung oder der Gründer, eine Ermächtigung des Vorstandes. Es ist also selbstverständlich unmöglich, das Mindestgrundkapital von 100 000,— DM teilweise als genehmigtes Kapital aufzubringen. Das genehmigte Kapital ist erst dann Grundkapital der Gesellschaft, wenn aufgrund der Ermächtigung die Kapitalerhöhung durchgeführt und dies im Handelsregister eingetragen ist. Vorher tritt das genehmigte Kapital als Grundkapital, insbesondere auch bilanzmäßig nicht hervor. Uber die Eintragung der Satzungsbestimmungen betreffend das genehmigte Kapital, vgl. § 39 II, § 181, über die Erwähnung im Geschäftsbericht vgl. § 160 I I I Nr. 5. Der Gang ist derselbe wie bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (vgl. § 182 Anm. 1). Anstelle des Beschlusses der Hauptversammlung über die Erhöhung tritt die Ermächtigung mit der ursprünglichen Satzung oder die Satzungsänderung, durch die die Ermächtigung erteilt wird. Diese ist nach § 1 8 1 anzumelden. § 1 8 8 V ist darauf nicht anwendbar (a. A. WeipertSchilling in Großkomm. § 170 Anm. 5), denn der Ermächtigungsbeschluß entspricht selbst nach § 203 I nicht dem Erhöhungsbeschluß. Durch Ordnungsstrafen kann die Anmeldung nicht erzwungen werden. Die Bestimmungen für die Kapitalerhöhung gegen Einlagen über Zeichnung der Aktien (§ 185), über die Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung (§ 189) gelten auch hier (vgl. § 203 Anm. 10). Erst mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ist das Grundkapital erhöht und entstehen die Aktienrechte. Mit ihr ist die Änderung der Satzungsfassung anzumelden, zu welcher zweckmäßig der Aufsichtsrat ermächtigt wird. II. Inhalt der Ermächtigung Anm. 3: Nur die Satzung, die ursprüngliche (Abs. 1) oder geänderte (Abs. 2), nicht ein bloßer Hauptversammlungsbeschluß, kann den Vorstand zur Erhöhung des Grundkapitals ermächtigen. 1168

Voraussetzungen

§ 202

Anra. 3

Der Inhalt der Ermächtigung muß ergeben, bis zu welchem Betrag Aktien ausgegeben werden dürfen. Die Bestimmung ist zwingend. Fehlt es an dieser Angabe, so ist die Ermächtigung nichtig. Jedoch ist die Satzungsbestimmung über die Ermächtigung wie jede andere der Auslegung fähig. Jedoch würde eine Bestimmung, wonach der Vorstand ohne Bemessung eines Höchstnennbetrages, sondern allgemein im gesetzlich zulässigen Rahmen ermächtigt wird, das Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien durch Einlage zu erhöhen, Zweifel über ihre Tragweite erwecken, wenn später das Kapital erhöht wird, bevor die Ermächtigung ausgenützt ist und ist deshalb unzulässig. Zu dem notwendigen Inhalt gehört auch die Ermächtigungsdauer, für die dasselbe entsprechend gilt. Neben diesem notwendigen Inhalt können in der Satzung noch weitere Bestimmungen getroffen werden, sie kann insbesondere die Ermächtigung, auch hinsichtlich des Zwecks, Beschränkungen unterwerfen. Die Hauptversammlung kann ferner alle Bedingungen der Aktienausgabe (Inhalt der Aktienrechte einschließlich etwaiger Vorzugsrechte, Ausgabebetrag, Ausschluß oder Umfang des Bezugsrechts der Aktionäre, Sacheinlage) selbst festsetzen, wenn sie die Festsetzung der Ausgabebestimmungen nicht dem Vorstand überlassen will (§§ 203, 204). Der Vorstand kann nicht ermächtigt werden, bedingt nach § 192 zu erhöhen und schon nach § 204 I, §§ 194, 192 kann er ebensowenig von der Ermächtigung durch bedingte Kapitalerhöhung Gebrauch machen. Eine Überschreitung dieser Ermächtigung betraglich oder zeitlich oder hinsichtlich des Inhalts der Aktienrechte macht die Aktienausgabe nichtig (LG Mannheim in BB 1957, 689), weil es an der Grundlage für diese, der Zustimmung der Hauptversammlung, fehlt. Dasselbe gilt, wenn der Vorstand das Bezugsrecht der Aktionäre übergeht, wenn der Ermächtigungsbeschluß es nicht ausgeschlossen hat. Der Zeichner muß sich also aus den Handelsregisterakten über Inhalt und Umfang der Ermächtigung unterrichten. Die aufgrund einer Aktienausgabe durchgeführte Kapitalerhöhung, die von der Ermächtigung nicht gedeckt ist, kann nicht eingetragen werden. Die Unwirksamkeit ist jedoch heilbar, und zwar durch Eintragung der Durchführung, da die genehmigte Kapitalerhöhung durch den Vorstand zwar mit dem Hauptversammlungsbeschluß bei der Kapitalerhöhung verglichen werden kann, aber doch nur mit der Folge, daß die Verletzung der Ermächtigung lediglich der Verletzung von Gesetz oder Satzung im Sinne des § 243 (Anfechtung) gleichgestellt werden kann. Die aufgrund der eingetragenen Durchführung ausgegebenen Aktien sind mithin gültig (ebenso WeipertSchilling in Großkomm. § 169 Anm. 13; im Ergebnis ebenso Schl.-Qu. § 169 Anm. 11; a. A. B.-H. Rn 8; unklar J . G. Geßler Ziff. 4). Überschreitet der Vorstand die Ermächtigungsdauer nur mit einem Teil der Aktienausgabe, so ist nur dieser nichtig. Dasselbe gilt, wenn der Betrag 1169

§ 202 Anm. 3—6

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

überschritten w i r d u n d nicht alle A k t i e n auf einmal ausgegeben werden. H a t der V o r s t a n d die A u s g a b e unter anderen als den beschlossenen Bedingungen ausgegeben, so w i r d in A n a l o g i e zu der R e g e l u n g f ü r die im H a u p t v e r s a m m lungsbeschluß nicht festgesetzte Sacheinlage (§ 183 I I ; § 2 0 5 I I I ) anzunehmen sein, d a ß die v o n der H a u p t v e r s a m m l u n g bestimmten A u s g a b e b e d i n g u n gen t r o t z d e m auch gegenüber dem Zeichner durchgreifen, der z u den v o m V o r s t a n d abweichend festgesetzten B e d i n g u n g e n gezeichnet hat, s o f e r n a u f g r u n d der Zeichnung die durchgeführte K a p i t a l e r h ö h u n g eingetragen w i r d (zustimmend S c h l . - Q u . § 169 A n m . 15; a. A . K l e t t e in B B 1968, 977). D i e E i n l a g e n können sowohl Geldeinlagen als Sacheinlagen sein; über letztere v g l . §§ 205, 206. Ü b e r die obere G r e n z e der E r h ö h u n g siehe A n m . 9.

III. Begrenzung Anm. 4: D i e Ermächtigungsdauer k a n n äußerst 5 J a h r e betragen. Eine zeitliche B e g r e n z u n g m u ß i m Beschluß enthalten sein; fehlt sie, so ist der Beschluß nichtig und d a r f nicht eingetragen werden ( O L G Celle in D i e A k t G e s 1962, 347 = B B 62, 875 = N J W 62, 2 1 6 0 ) . Wird t r o t z d e m eingetragen, ist H e i l u n g nach § 2 4 2 I I mit der F o l g e möglich, d a ß die gesetzliche Höchstfrist gilt (vgl. Weipert-Schilling in G r o ß k o m m . § 169 A n m . 11; B . - H . R n 4 ) . M i t A b l a u f dieser oder der vorgesehenen Frist erlischt die Ermächtigung, so d a ß eine spätere D u r c h f ü h r u n g der K a p i t a l e r h ö h u n g , d. h. A k t i e n a u s g a b e u n d A n meldung der D u r c h f ü h r u n g z u m Handelsregister, w i r k s a m nicht mehr m ö g lich ist. D i e A k t i e n u r k u n d e n brauchen nicht innerhalb der Frist ausgehändigt z u werden, d a die D u r c h f ü h r u n g der K a p i t a l e r h ö h u n g u n d Entstehung der Aktienrechte v o n der A u s g a b e der A k t i e n u r k u n d e n u n a b h ä n g i g ist. Entscheidend ist die E i n t r a g u n g der D u r c h f ü h r u n g i m Handelsregister in V e r b i n d u n g mit Zeichnung u n d Zuteilung. D e r T a g der A n m e l d u n g w i r d nicht mitgerechnet ( § 1 8 7 I B G B ) . I m F a l l e der V e r l ä n g e r u n g der E r m ä c h t i g u n g v o r F r i s t a b l a u f (s. A n m . 2, 7 und 9), m a g m a n diesen Beschluß in eine A u f hebung der früheren u n d eine neue Ermächtigung a u f s p a l t e n oder nicht, ist die gesetzliche Höchstfrist v o n der E i n t r a g u n g des neuen Beschlusses an zu rechnen. Anm. 5: D e r L a u f der vorgesehenen Frist beginnt mit der E i n t r a g u n g der Gesellschaft b z w . der Ermächtigung (allgemeine Ansicht). Es ergibt sich dies aus § 181 I I I ; dem V o r s t a n d ist dadurch ermöglicht, den Fristbeginn beliebig hinauszuschieben. E s steht nichts im Wege, die Ermächtigung zugleich aufschiebend befristet zu erteilen, sie endet aber auch in diesem F a l l spätestens 5 J a h r e nach E i n t r a g u n g . Anm. 6: D a s genehmigte K a p i t a l d a r f nicht mehr als die H ä l f t e des G r u n d k a p i t a l s betragen. D e r maßgebende Z e i t p u n k t ist der, zu dem die Ermächti1170

Voraussetzungen

§202

Anm. 6,7 gung -wirksam wird, d. h. also, der Eintragung der Satzungsänderung, die die Ermächtigung enthält. Einerseits kommt es lediglich auf das genehmigte Kapital, nidit auch auf etwa außerdem beschlossenes (oder eingetragenes) bedingtes Kapital an, andererseits nur auf das wirklich ausgegebene Grundkapital. Es kann also eine Gesellschaft mit einem Kapital von einer Million DM zugleich je 500 000,— DM bedingtes und genehmigtes Kapital haben, auch zugleich beschließen; es ist sogar möglich, daß eine Gesellschaft mit einem Grundkapital von einer Million DM gleichzeitig eine bedingte Kapitalerhöhung in Höhe von 500 000,— DM und eine Ermächtigung zur Ausgabe von 750 000,— DM neuer Aktien als genehmigtes Kapital beschließt. Dieser Ermächtigungsbeschluß ist wirksam, wenn die Eintragung der Satzungsänderung erst erfolgt, nachdem die Kapitalerhöhung aufgrund des bedingten Kapitals durchgeführt ist, d. h. die Bezugsaktien ausgegeben sind. Die beschlossene Satzungsänderung ist gültig und kann nunmehr eingetragen werden. Die Ausgabe der Bezugsaktien braucht nicht eingetragen zu sein oder gleichzeitig angemeldet zu werden, muß aber immerhin dem Registergericht nachgewiesen werden. Das gleiche gilt natürlich erst recht, wenn eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen zusammen mit einer Ermächtigung zu weiterer Kapitalerhöhung beschlossen und ihre Durchführung vor letzterer eingetragen wird. Würde der Vorstand jedoch vor der Durchführung der bedingten Kapitalerhöhung im vorstehenden Beispiel die Satzungsänderung zur Eintragung anmelden, so wäre die Eintragung abzulehnen, da die Satzungsbestimmung nichtig wäre. Selbstverständlich entscheidet der Nennbetrag, sowohl des vorhandenen Grundkapitals, als auch des genehmigten und bleiben Rücklagen, auch die gesetzliche, auch soweit sie aus dem Aufgeld herrührt, außer Betracht. Keine Rolle spielen ferner im Zeitpunkt des Beschlusses die Einzahlungen, aber für die Ausgabe der Aktien vor Vollzahlung des alten Kapitals gilt § 203 II. Erschöpfte die Ermächtigung nicht den vollen zulässigen Betrag, so kann eine weitere Ermächtigung beschlossen werden, die ihn erschöpft, für die eine besondere Frist läuft, wenn nicht gleichzeitig die frühere, soweit zulässig, verlängert wird (s. Anm. 4, 7 und 8). IV. Erforderliche Mehrheit Anm. 7: Die Bestimmung über die erforderliche Mehrheit des Hauptversammlungsbesdilusses entspricht § 193 I S. 1 (s. dort Anm. 2). Nach § 124 (Frist: 1 Monat) ist anzukündigen: Vorschlag der Verwaltung über die Satzungsänderung; Ermächtigung, Dauer, Betrag, Sacheinlage, Gegenleistung für diese, ferner Bestimmungen, die in dem § 204 I erwähnten Beziehungen (z. B. über Inhalt der Aktienrechte) oder nach § 204 II der Ermächtigungsbeschluß etwa selbst treffen soll, endlich Ermächtigung des Aufsichtsrats zur Änderung der Fassung. Die Aufhebung der Ermächtigung folgt 1171

§ 202

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 7—10 der allgemeinen Regel über Satzungsänderung (Mehrheit des § 179, Eintragung § 181). Änderungen, nicht nur Ausdehnungen, sondern auch Beschränkungen in zeitlicher oder betraglicher oder anderer Hinsicht, erst recht nachträgliche Zulassung von Sacheinlagen, erfordern dagegen die besondere Mehrheit des Abs. 1 S. 2. V. Sonderbeschluß Anm. 8: Sind mehrere Gattungen von Aktien vorhanden, so bedarf es zur Genehmigung neben dem Beschluß der Hauptversammlung gesonderter Beschlüsse jeder Aktiengattung (§ 182 II; § 138). Für die Aufhebung der Ermächtigung, die ihrerseits eine Satzungsänderung ist, sind Sonderbeschlüsse nicht erforderlich, dagegen wohl für Änderungen, auch bevor die Ermächtigung ins Handelsregister eingetragen ist. VI. Ausführung der Ermächtigung Anm. 9: Die Ausführung der Ermächtigung setzt einen Vorstandsbeschluß voraus; dasselbe gilt von der Festsetzung der Bedingungen der Aktienausgabe (§ 204). Der Beschluß ist ein Akt der Geschäftsführung, auf den die Anmerkungen zu § 77 anwendbar sind. Jedes Mitglied des Vorstandes hat, vorbehaltlich der gleichen Befugnis der anderen, die volle Geschäftsführung; setzt es sich über internen Widerspruch der anderen hinweg, so bleiben seine Akte trotzdem bestehen. Akte, die in einem mit der Außenwelt vorzunehmenden Rechtsgeschäft bestehen — dies trifft auf die Erklärung der Ausgabebedingungen an den Zeichner und die Aktienausgabe zu — freilich nur, wenn das Vorstandsmitglied auch Alleinvertretungsbefugnis hat oder die Mitwirkung der zur gesetzlichen Vertretung nach § 78 (oder Satzung) erforderlichen Zahl Mitwirkender (evtl. eines Prokuristen) gewinnt. Dasselbe gilt auch hier. Hieran kann man zweifeln, denn bei genauer Betrachtung handelt es sich nicht um eine Überschreitung interner Bindung (§ 82), sondern in dem gesetzlichen Fall darum, daß die zusätzlich zur Ermächtigung erforderliche korporative Willensentschließung nicht zustande gekommen ist (vgl. § 204 Anm. 3). Der Vorstand ist nicht verpflichtet, von der ihm erteilten Ermächtigung Gebrauch zu machen. Weder Satzung noch Hauptversammlung können audi nur intern eine solche Anweisung wirksam erteilen, da es sich dabei um einen Eingriff in die Geschäftsführung des Vorstandes handeln würde (§ 119). VII. Mitwirkung des Aufsichtsrats Anm. 10: Die Aktien sollen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates ausgegeben werden. Abs. 3 Satz 2 ist an falscher Stelle angefügt und gehört nach § 203, der von der Ausgabe handelt. Der Registerrichter muß die erfolgte 1172

Ausgabe der neuen Aktien

§§202/203 Anm. 10,11

Zustimmung des Aufsichtsrates nicht nachprüfen. Zum einen handelt es sich hier lediglich um eine Sollvorschrift und nicht um zwingendes Recht und zum anderen ist für die Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung nach § 203 I in Verbindung mit § 188 I die Mitwirkung des Vorsitzenden des Aufsichtsrates notwendig, dies muß dem Registergericht genügen (herrschende Lehre, für viele Weipert-Schilling in Großkomm. § 169 AktG 37 Anm. 15; Baumbach-Hueck Rn. 6).

VIII. Arbeitnehmeraktien Anm. 11: Das neue Aktiengesetz will die Möglichkeiten, Arbeitnehmer an der Gesellschaft zu beteiligen, erleichtern und hat daher verschiedene Bestimmungen getroffen. So ist auch das genehmigte Kapital geeignet, Arbeitnehmern Aktien der Gesellschaft anzubieten (Abs. 4). Hierfür gelten einige Sonderbestimmungen (s. § 203 IV, § 204 I I I ) . Die Satzungsbestimmung gehört zu der Bestimmung über das genehmigte Kapital, hieraus folgt, daß eine Satzungsänderung der Mehrheit des Abs. 2 bedarf (s. aber Anm. 7).

§ 203 Ausgabe der neuen Aktien (1) Für die Ausgabe der neuen Aktien gelten sinngemäß, soweit sich aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt, §§ 185 bis 191 über die Kapitalerhöhung gegen Einlagen. An die Stelle des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals tritt die Ermächtigung der Satzung zur Ausgabe neuer Aktien. (2) Die Ermächtigung kann vorsehen, daß der Vorstand über den Ausschluß des Bezugsrechts entscheidet. Wird eine Ermächtigung, die dies vorsieht, durch Satzungsänderung erteilt, so gilt § 186 Abs. 4 sinngemäß. (3) Die neuen Aktien sollen nicht ausgegeben werden, solange ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch erlangt werden können. Für Versicherungsgesellschaften kann die Satzung etwas anderes bestimmen. Stehen Einlagen in verhältnismäßig unerheblichem Umfang aus, so hindert dies die Ausgabe der neuen Aktien nidit. In der ersten Anmeldung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals ist anzugeben, welche Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch nicht geleistet sind und warum sie nicht erlangt werden können. (4) Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt nicht, wenn die Aktien an Arbeitnehmer der Gesellschaft ausgegeben werden. 1173

§203

Anm. 1—3

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

I. Obersicht (Anm. 1) II. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 2 bis 5) III. Aussdiluß des Bezugsrechts (Anm. 6)

IV. Voraussetzungen der Ausgabe (Anm. 7 bis 9) V. Anmeldung der Durchführung (Anm. 10) VI. Arbeitnehmeraktien (Anm. 11)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Abs. 1 u. 3 die Bestimmungen des bisherigen § 170 AktG 37 mit einigen Änderungen. Bisher waren die Abs. 3 u. 4 des § 186 (bisher § 153 AktG 37) nicht für anwendbar erklärt, da nadi § 171 AktG 37 der Vorstand auch über den Ausschluß des Bezugsrechtes entscheiden konnte. Diese Befugnis hat der Vorstand nach dem neuen Gesetz (§ 204 I) nicht mehr, daraus ergab sich notwendig auch die Anwendbarkeit der Abs. 3 und 4 des § 186, d. h. des gesamten § 186. Abs. 3 enthält lediglich sprachliche Änderungen. Neu sind die Abs. 2 und 4. Der Abs. 2 hängt mit der Streichung der Befugnis des Vorstandes zusammen, über den Ausschluß des Bezugsrechts zu entscheiden (s. Anm. 6). Abs. 4 gibt Erleichterungen für die Ausgabe von Aktien an Arbeitnehmer der Gesellschaft. Die Durchführung der Kapitalerhöhung aufgrund des genehmigten Kapitals richtet sich nach den Vorschriften für eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen (Abs. 1). Die Ausgabe der neuen Aktien soll nicht erfolgen, solange noch außenstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital geleistet werden können (Abs. 3). Anstelle des Erhöhungsbeschlusses bei der gewöhnlichen Kapitalerhöhung tritt die Ermächtigung zur Kapitalerhöhung durch die Satzung. II. Anzuwendende Vorschriften Anm. 2: Die für die ordentliche Kapitalerhöhung geltenden Bestimmungen über die Zeichnung der Aktien, den Zeichnungsschein, das Bezugsrecht der alten Aktionäre — diese mit Abweichung (§ 204) — und die Anmeldepflicht zum Handelsregister gelten auch hier. Auch eine Kapitalerhöhung mit Sacheinlage ist zulässig. Sie ist wegen der zwangsläufig sich ergebenden Abweichungen besonders (§§ 205, 206) geregelt. Strafbestimmungen: § 399 I S. 1. Anm. 3: Der Vorstandsbeschluß, ob und inwieweit von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden soll, folgt den allgemeinen Regeln (s. § 202 Anm. 9). Der Vorstand hat nach Zeitpunkt und Betrag innerhalb der gesetzlichen oder beschlossenen Höchstgrenze freie Hand. Der Beschluß braucht nicht einmal privatschriftlich beurkundet zu werden. 1174

Ausgabe der neuen Aktien

§203

Anm. 4

Anm. 4: Es ist ein Zeichnungsschein auszustellen, für den § 185 (auch Abs. 3, vgl. aber auch Anm. 4 zu § 205) in vollem Umfange gilt. Nach § 185 Nr. 1 muß der Zeichnungsschein den Tag, an dem die Erhöhung des Grundkapitals beschlossen ist, enthalten. Anstelle dieses Beschlusses tritt die Ermächtigung der Satzung zur Ausgabe neuer Aktien, d. h. nicht etwa der Tag des Beschlusses der Hauptversammlung, an dem die Satzungsänderung beschlossen wird, sondern der Tag, an dem die Ermächtigung wirksam wird, das ist der der Eintragung der Satzungsänderung ins Handelsregister (§ 181 III). Dieser Tag ist in den Zeichnungsschein aufzunehmen, natürlich unter Hinweis auf den einschlägigen Inhalt der Satzung oder des Beschlusses, da die nackte Angabe eines Kalendertages für sich allein inhalts- und zwecklos und unverständlich wäre. Auch das gesetzliche Bezugsrecht gilt hier, so daß § 186 anzuwenden ist, es sei denn, im Ermächtigungsbeschluß ist es dem Vorstand übertragen worden, über den Ausschluß des Bezugsrechts zu entscheiden (Abs. 2); in diesem Fall ist § 186 III und IV ausgeschlossen. Wird im Ermächtigungsbeschluß nichts über den Ausschluß des Bezugsrechts bestimmt, so kann für die Ausübung eine Frist bestimmt werden, die mindestens zwei Wochen betragen muß, und hat der Vorstand den Ausgabebetrag und die Frist bekanntzumachen. Auch hier gilt § 187, d. h., vor dem Ermächtigungsbeschluß gemachte Zusicherungen bezüglich Begebung der jungen Aktien sind gegenüber der Gesellschaft unwirksam. Nach dem Ermächtigungsbeschluß kann eine solche Zusicherung nur vorbehaltlich des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre gemacht werden, wenn der Beschluß es nicht selbst ausgeschlossen oder den Vorstand zur Ausschließung ermächtigt hat. Uber Schutz der Vorzugsaktionäre vgl. § 141 II sowie § 204 II und dort Anm. 8. Anzuwenden ist ferner §188 über die Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung durch Vorstand und Aufsichtsratsvorsitzenden mit der Abwandlung, daß bei der Anmeldung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals die Erklärung abgegeben werden muß, welche Einlagen auf das bisherige Grundkapital noch ausstehen und warum sie nicht geleistet werden können, wie dies sonst bereits bei der Anmeldung des Erhöhungsbeschlusses nach § 184 II zu geschehen hat. Wie bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen muß vor der Anmeldung und Eintragung der Durchführung mindestens ein Viertel der Bareinlage auf die gezeichneten Aktien gezahlt sein und zur freien Verfügung des Vorstandes stehen. Eine entsprechende Erklärung ist in der Anmeldung abzugeben (§§ 188,203). Prüfungsrecht und Pflicht des Registergerichts sind ebenfalls die gleichen. Wirksam wird die Kapitalerhöhung mit der Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals (§§ 189, 203). Auch hierin liegt ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem Ablauf der Durchführung einer bedingten 1175

§ 203 Anm. 4—6

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Kapitalerhöhung, denn — entsprechend dem Gläubigerrecht auf Zuteilung einer Aktie — tritt bei letzterer (§ 200) die Erhöhung des Grundkapitals mit der Ausgabe der Aktien ein, während hier die Ausgabe vor der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung nicht möglidi ist. Dasselbe gilt von der Übertragung der Aktien. Durch die Durchführung der Kapitalerhöhung, evtl. auch durch die Festsetzung eines vom Inhalt der alten Aktien abweichenden Inhalts der neuen durch den Vorstand, wird die Satzung unrichtig und muß neu gefaßt werden. Dazu ist ein Hauptversammlungs- oder ein Aufsichtsratsbeschluß notwendig, wenn der Aufsichtsrat durch Satzungs- oder Hauptversammlungsbeschluß ermächtigt ist, die Fassung der Satzung zu ändern. Der Vorstand kann dazu nicht ermäditigt werden. Wenn der Vorstand im Rahmen seiner Ermächtigung geblieben ist, in dem er den Inhalt der neuen Aktien bestimmte, liegt zwar schon darin der zur Satzungsänderung erforderliche korporative Willensakt, zur Wirksamkeit muß aber die Eintragung hinzukommen. Dieser hat die Neufassung vorauszugehen. Der dazu erforderliche Beschluß, auch der Hauptversammlung, ist seinerseits nicht satzungsändernd. Die Bekanntmachung richtet sich nadi § 190. Anm. 5: Anstelle des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen tritt nicht etwa der Beschluß, durch den die Satzung in der Weise geändert wird, daß dem Vorstand die Ermächtigung zur Kapitalerhöhung erteilt wird, sondern wie das Gesetz sagt, die „Ermächtigung der Satzung". Maßgebend ist das Wirksamwerden der Satzungsänderung, also die Eintragung des satzungsändernden Beschlusses im Handelsregister (§181 I I I ; durchaus herrschende Meinung, auch Weipert-Schilling in Großkomm. § 170 Anm. 2). Die Tragweite der Vorschrift ist sehr begrenzt: a) § 185 N r . 1: Im Zeichnungsschein ist der Tag der Eintragung der Satzung bzw. der Ermächtigung anzugeben (s. Anm. 4). b) § 186 II: Der Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre, der selbst nicht eintragungsbedürftig ist, kann natürlich nur im Ermächtigungsbeschluß, nicht in dessen Eintragung angeordnet werden, wenn er nicht nach § 203 II dem Vorstand überlassen wird. III. Ausschluß des Bezugsrechts Anm. 6: Neu geregelt ist in Abs. 2 die Frage des Ausschlusses des Bezugsrechtes bei genehmigtem Kapital. Nach bisherigem Recht konnte hierüber der Vorstand entscheiden (§ 171 I AktG37), sofern in der Ermächtigung keine Bestimmung enthalten war. Es wurde mit Recht die sich hieraus ergebende Folge angegriffen, daß die Hauptversammlung durch bloßes Schweigen bei dem Beschluß über das genehmigte Kapital die Befugnis, über den Ausschluß des Bezugsrechts zu entscheiden, aus der Hand gab. Aus diesem Grunde wurde 1176

Ausgabe der neuen Aktien

§203

Anm. 6,7

die allgemeine Befugnis des Vorstandes im bisherigen § 171 AktG 37 nicht ins neue Gesetz übernommen. Der Vorstand kann danach, wenn die Ermächtigung über den Ausschluß des Bezugsrechts schweigt, nicht mehr hierüber entscheiden (s. Anm. 4). Die Ermächtigung kann aber vorsehen (Abs. 2), daß der Vorstand die Befugnis hat, über den Ausschluß des Bezugsrechts zu entscheiden. Es muß also ausdrücklich festgelegt sein; es muß nicht notwendig gleichzeitig mit der Ermächtigung beschlossen werden, sondern auch nach der Eintragung der Ermächtigung der Satzung kann dem Vorstand die Befugnis hierzu eingeräumt werden. Da es sich aber um eine Satzungsänderung handelt, die zur Ermächtigung gehört, sind hierbei die Vorschriften des § 202 II zu beachten, sowie § 186 IV, letzteres ist in Abs. 2 S. 2 ausdrücklich bestimmt, ergibt sich jedoch unseres Erachtens bereits aus Abs. 1. Die Entscheidung des Vorstandes bedarf nach § 204 I S. 2, 2. Halbsatz der Zustimmung des Aufsichtsrates (siehe dort Anm. 7). Hinsichtlich des Ausschlusses des Bezugsredits ergeben sich mithin drei Möglichkeiten: a) die Ermächtigung bestimmt nichts, dann besteht das Bezugsrecht (siehe Anm. 4); b) die Ermächtigung schließt das Bezugsrecht aus; c) die Ermächtigung überläßt dem Vorstand die Entscheidung. IV. Voraussetzungen der Ausgabe Anm. 7: Die neuen Aktien sollen nicht vor der vollen Einzahlung des bisherigen Grundkapitals ausgegeben werden. Die Bestimmung entspricht § 182 IV (vgl. dort Anm. 7). Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied gegenüber der bedingten Kapitalerhöhung, welche auch vor Vollzahlung des bisherigen Grundkapitals zulässig ist. Unter „bisherigem" Grundkapital ist zu verstehen, was vor der ersten Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung (so Schl.-Qu. § 170 Anm. 8) als Grundkapital eingetragen war (vgl. unten Anm. 9). Nach § 182 (s. dort Anm. 7), § 184 II kann regelmäßig schon der Kapitalerhöhungsbeschluß bei ausstehenden Einlagen auf das alte Kapital nicht eingetragen werden. Dies gilt hier bezüglich des Ermächtigungsbeschlusses nicht, weil Abs. 1 den § 184 nicht für anwendbar erklärt, so daß die vorstehende aus seinem Abs. 2 zu ziehende Folge entfällt. Hier ist der maßgebende Zeitpunkt, in dem keine Einlagen auf das alte Kapital mehr ausstehen dürfen, derjenige der Ausgabe. Was aber ist Ausgabe im Sinne von Abs. 3? Offenbar etwas anderes als im Sinne von § 191 (s. dort Anm. 2) und als im Sinne von Abs. 1, der § 191 übernimmt, denn die Ausgabe der Urkunde kann, wie dort, hier nicht gemeint sein. Dies deshalb nicht, weil zwischen ihr und dem rechtspolitischen Interesse, das die Kapitalerhöhung vor Vollzahlung des alten Kapitals verbietet, ersichtlich keine Beziehung besteht. Das wird dadurch offenbar, daß Satz 4 des Abs. 3 die Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung bei noch ausstehenden Einlagen auf das alte Ka1177

§ 203 Anm. 7—10

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

pital und damit die Entstehung der neuen Rechte verhindern will, welche ohnedies schon nach Abs. 1 in Verbindung mit § 191 Voraussetzung für die Ausgabe der Urkunden ist. Wäre nur diese unter Ausgabe im Sinne des Satzes 1 des Abs. 3 zu verstehen, so wäre dieser sonach auch überflüssig. „Ausgabe" in seinem Sinne ist somit anscheinend Zuteilung auf die Zeichnung und Entgegennahme der Einzahlung. Dieses Ergebnis stimmt überein mit der Konsequenz aus §§ 182, 184 II, daß auch dort mangels Eintragungsfähigkeit des Erhöhungsbeschlusses bei ausstehenden Einlagen auf das alte Kapital keine Zeichnung, Zuteilung und Annahme der Einlagen stattfinden kann. Unter die Strafbestimmung § 405 I S. 2 fällt ein Verstoß gegen Abs. 3 nicht, so schutzbedürftig auch der Zeichner und Einzahler gegen das Risiko sein mag, daß trotz Leistung seiner Einlage die durchgeführte Kapitalerhöhung nicht eingetragen wird und das Recht nicht entsteht. § 405 I Nr. 2 hat die Ausgabe der Urkunden im Auge und es kann nicht angenommen werden, daß diese Vorschrift bei nur einmaligem Gebrauch des Wortes „ausgeben" einen mehrfachen Sinn verbindet und das Wort zugleich auch in einem zweiten Sinn gebraucht, der mit der Ausgabe der Urkunde nichts zu tun hat, und zwar letzteres wiederum nicht allgemein, sondern nur für einen Ausnahmefall (denn sonst würde er ja jede Eintragung der Durchführung unmöglich machen, der nach anderen Bestimmungen — § 188 I, § 203 I — die Zuteilung und Annahme der Einlageleistung gerade vorangehen muß). Anm. 8: Sind die Außenstände auf die Einlagen verhältnismäßig unerheblich, so können trotz nicht voller Einzahlung die neuen Aktien ausgegeben werden. Weder Vorstand noch Hauptversammlung sind in der Lage, verbindlich festzustellen, ob die noch ausstehenden Einlagen verhältnismäßig unerheblichen Umfang haben oder nicht; vielmehr ist dies allein Sache des Registergerichts. Es wird darum ratsam sein, sich für den Fall, daß Einlagen ausstehen, die noch erlangt werden können, mit dem Registergericht in Verbindung zu setzen, um die Frage der Erheblichkeit mit diesem abzustimmen, bevor das Risiko eingegangen wird, daß die Eintragung abgelehnt wird. Anm. 9: Bei Versicherungsgesellschaften (Abs. 3 S. 2) kann die Satzung das Erfordernis der Volleinzahlung des bisherigen Grundkapitals beseitigen. Die Satzungsbestimmung kann gleichzeitig mit der Ermächtigung beschlossen werden, die ja ebenfalls eine Satzungsänderung enthält. Sie kann ganz allgemein für alle Kapitalerhöhungen gelten oder auch nur für diejenigen, für die die Ermächtigung erteilt wird. V. Anmeldung der Durchführung Anm. 10: In der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung hat der Vorstand zu erklären, ob das bisherige Grundkapital voll eingezahlt ist 1178

Bedingungen der Aktienausgabe

§§ 203 / 204 Anm. 10,11

oder ob und welche Einlagen ausstehen und warum sie nidit erlangt werden können, nidit notwendig in derselben Urkunde, wie die Anmeldung selbst, jedoch vor der Eintragung. Sie unterliegt den gleichen Formen wie diese (vgl. § 184 Anm. 4). Zulässig ist es, die genehmigte Kapitalerhöhung abschnittsweise durchzuführen. Geschieht dies, so muß bei der Anmeldung der ersten Ausgabe die vorstehende Erklärung abgegeben werden. Bei den folgenden Anmeldungen ist eine soldie Wiederholung nicht nötig. Wie bei der abschnittsweise durchgeführten Kapitalerhöhung gegen Einlagen ist also offenbar auch nicht erforderlich, daß bei der Durchführung der zweiten Ausgabe die Einlagen auf die erste Ausgabe voll bezahlt sind, obwohl der Nennbetrag der ersten Ausgabe inzwischen zum Grundkapital der Gesellschaft gehört. Kostenmäßig ist zu beachten, daß es sich hier um eine Eintragung ohne bestimmten Geldbetrag handelt (OLG Düsseldorf in Die AktGes 1970,118 = BB 1970, 277). VI. Arbeitnehmeraktien Anm. 11: Durch Abs. 4 wird ebenso wie in § 192 II Nr. 3 die Ausgabe von Aktien an Arbeitnehmer der Gesellschaft erleichtert. An diese kann die Ausgabe nach Abs. 4 auch erfolgen, wenn ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital selbst in erheblichem Umfange vorhanden sind und erlangt werden können. Die in Anm. 10 genannten Angaben sind bei einer Ausgabe an Arbeitnehmer der Gesellschaft nicht erforderlich. § 204 Bedingungen der Aktienausgabe (1) Über den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe entscheidet der Vorstand, soweit die Ermächtigung keine Bestimmungen enthält. Die Entscheidung des Vorstands bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats; gleiches gilt für die Entscheidung des Vorstands nach § 203 Abs. 2 über den Ausschluß des Bezugsrechts. (2) Sind Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorhanden, so können Vorzugsaktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschaftsvermögens ihnen vorgehen oder gleichstehen, nur ausgegeben werden, wenn die Ermächtigung es vorsieht. (3) Weist ein Jahresabschluß, der mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen ist, einen Jahresüberschuß aus, so können Aktien an Arbeitnehmer der Gesellschaft auch in der Weise ausgegeben werden, daß die auf sie zu leistende Einlage aus dem Teil des Jahresüberschusses gedeckt wird, den nach § 58 Abs. 2 Vorstand und Aufsichtsrat in freie Rücklagen einstellen könnten. Für die Ausgabe der neuen Aktien 1179

§204 Anm. 1—3

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

gelten die Vorschriften über eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen, ausgenommen § 188 Abs. 2. Der Anmeldung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals ist außerdem der festgestellte Jahresabschluß mit Bestätigungsvermerk beizufügen. Die Anmeldenden haben ferner die Erklärung nach § 210 Abs. 1 Satz 2 abzugeben. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Entscheidung der Verwaltung 1. Inhalt (Anm. 3 u. 4) 2. Natur (Anm. 5 u. 6)

3. Mitwirkung des Aufsichtsrats (Anm. 7) III. Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (Anm. 8) IV. Arbeitnehmeraktien (Anm. 9 u. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Abs. 1 und 2 die Bestimmungen des bisherigen § 171 AktG 37 mit einigen Änderungen. In Abs. 1 ist die Befugnis, über den Ausschluß des Bezugsrechts zu entscheiden, nicht mehr aufgeführt (s. § 203 Anm. 6). Die Entscheidung „bedarf" nunmehr der Zustimmung des Aufsichtsrates, während diese bislang lediglich eingeholt werden „sollte". Abs. 2 ist § 141 II (bisher §117 AktG 37) angepaßt und entsprechend geändert worden (s. Anm. 8). Neu ist Abs. 3, der sich mit der Deckung der Einlage für die Ausgabe von Aktien an Arbeitnehmer der Gesellschaft befaßt (s. Anm. 9 u. 10). Anm. 2: Die Hauptversammlung setzt in dem Ermächtigungsbeschluß den Inhalt der Aktienrechte und die Ausgabebedingungen fest (über die Folge der Mißachtung solcher Bestimmungen des Ermächtigungsbeschlusses durch den Vorstand s. Anm. 3 zu § 202). Soweit sie es unterläßt, erstreckt sich die Ermächtigung des Vorstandes auch hierauf. Nur zur Ausgabe von Aktien gegen Sacheinlagen muß er besonders ermächtigt werden unter Festsetzung der Bedingungen im Ermächtigungsbeschluß (über das Erfordernis einer besonderen Ermächtigung für den Ausschluß des Bezugsrechts siehe § 203 II). Selbstverständlich kann die Ermächtigung nicht weitergehen als die Befugnis der Hauptversammlung selbst. Der Verstand kann daher den neuen Aktien keine Rechte geben, die denen von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorgehen oder gleichstehen (Abs. 2), ohne daß er dazu mit Zustimmung der Vorzugsaktionäre (§ 141) ermächtigt ist. Zu seinen Festsetzungen hat der Vorstand die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. II. Entscheidung der Verwaltung 1. Inhalt Anm. 3: Dem Vorstand liegt die letzte Entscheidung über die Kapitalerhöhung ob, er kann sie unterlassen oder vornehmen. Letzterenfalls ist er be1180

Bedingungen der Aktienausgabe

§204 Anm. 3—5

züglich des Inhalts der auszugebenden Rechte und der Ausgabebedingungen an den Ermächtigungsbeschluß gebunden, soweit sich dieser damit befaßt. Mangels Festsetzung in letzterem und innerhalb der gesetzlichen Schranken (Abs. 2 zu § 205) und der vom Beschluß etwa getroffenen Rahmenbestimmung ist es aber der Vorstand, welcher auch den Inhalt der neuen Aktienrechte bestimmt. Der Vorstand kann auch Aktien einer neuen Gattung, z. B. stimmrechtslose oder andere Vorzugsaktien (s. aber Anm. 8), ja mit der nach §12 erforderlichen Ausnahmegenehmigung sogar Mehrstimmrechtsaktien und Aktien mit Nebenleistungspflichten schaffen. Der Vorstand bestimmt den Nennbetrag und ob die Aktien auf den Namen oder Inhaber lauten. Ebenso setzt er im Rahmen des Ermächtigungsbeschlusses die eigentlichen Ausgabebedingungen fest (Zeitpunkt der Aktienausgabe, Ausgabekurs, Fälligkeit der Einzahlung; BGH 21, 357; 33, 179). Alle Festsetzungen sind erst mit der Zustimmung des Aufsichtsrates wirksam. Sie sind aktienrechtlich einseitige körperschaftsrechtliche autonome Willenserklärungen der Gesellschaft (siehe Anm. 5), aufgrund deren dann die Zeichnung stattfindet. Praktisch gehen ihr natürlich Verhandlungen, auch Vereinbarungen mit dem künftigen Zeichner voraus. Solche Vereinbarungen sind, soweit sie nicht dem Ermächtigungsbeschluß widersprechen, auch wenn sie vor dem aktienrechtlichen Vorstandsbeschluß getroffen werden (äußerlich kann dieser mit ihnen zusammenfallen), für die Gesellschaft verbindlich, so daß sie auf Erfüllung verklagt werden kann, § 203 I, 187 III stehen nicht im Wege, denn dem Erhöhungsbeschluß im Sinne von § 187 II entspricht nach § 203 I nicht der Vorstands-, sondern der Ermächtigungsbeschluß. Der Vorstand hat bei seiner Entscheidung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmannes anzuwenden, insbesondere hat er auf den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre zu achten (BGH 33,186). Anm. 4: Hat der Ermächtigungsbeschluß das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre nicht ausgeschlossen oder die Zulässigkeit seines Ausschlusses durch den Vorstand (§ 203 II) an Bedingungen geknüpft, z. B., daß den Aktionären ein mittelbares Bezugsrecht zugewendet werde, so befindet der Vorstand auch hierüber nach pflichtmäßigem Ermessen: hat der Ermächtigungsbeschluß das gesetzliche Bezugsrecht ausgeschlossen, so kann es der Vorstand trotzdem gewähren (wenn der Ausschluß des Bezugsrechts nicht etwa in der Festsetzung einer Sacheinlage lag und die Ermächtigung dahin ausgelegt werden muß, daß von ihr nur zum Zweck einer Sadieinlage Gebrauch gemacht werden darf), wird es aber meist nur als mittelbares Bezugsrecht einräumen, also das gesetzliche ausschließen, es sei denn, daß nur wenige Aktionäre vorhanden sind. 2. Natur Anm. 5: Die Entscheidung des Vorstandes wird vom Gesetz nur als Akt der Geschäftsführung gesehen, ist aber ein Akt von großer körperschaftsrecht1181

§ 204 Anm. 5

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

lidier Bedeutung, weshalb die Entscheidung an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden ist; denn in ihr liegt die endgültige Entschließung der Gesellschaft, ihr Grundkapital zu erhöhen — damit ist sie Voraussetzung der Kapitalerhöhung — sie setzt den Inhalt der Aktienrechte fest. Über die Folgen des Fehlens dieser Zustimmung vgl. Anm. 7. Notwendig muß sie der Zeichnung der Aktien vorausgehen (was § 205 I I : „in den Zeichnungsschein aufzunehmen" verwischt), denn die neuen Aktien können erst gezeichnet werden, wenn ihr Inhalt feststeht und vorher muß auch die Bestimmung über Gewährung und Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre getroffen sein, wenn der Vorstand sie zu treffen hat. Natürlich kann sich der künftige Zeichner schon vorher schuldrechtlich binden, während in einer Bindung des Vorstandes wohl immer auch schon die Entscheidung des Vorstandes liegt, denn trotz ihrer eminenten Wichtigkeit erfolgt sie formlos. Auch über ihre Bekanntmachung ist nichts bestimmt. Wird dem Aktionär das Bezugsrecht gewährt, so ist natürlich die Aufforderung, es (innerhalb einer Frist) auszuüben und die Bekanntgabe des Inhalts der neuen Aktien und der Ausgabebedingungen unumgänglich. In diesem Falle ist dafür die für die Bekanntmachung der Gesellschaft gemäß § 23 I V getroffene Satzungsbestimmung in Verbindung mit § 25 maßgebend. Aber schon der Umfang der Kapitalerhöhung innerhalb der durch Ermächtigungsbeschluß oder Gesetz gezogenen Rahmen braucht in diesem Falle nicht unbedingt alsbald zur Kenntnis der Aktionäre zu kommen. Es kann sein, daß der Vorstand das Bezugsrecht für einen Teil der von ihm vorgenommenen Kapitalerhöhung ausschließt. Wenn und soweit das Bezugsredit ausgeschlossen wird, braucht die Kapitalerhöhung zunächst nicht mitgeteilt zu werden. Sie bleibt also, wie der Inhalt der Aktienrechte und die Ausgabebedingungen zunächst ein Internum des Vorstandes (und Aufsichtsrats), welches nur — naturnotwendig — dem Zeichner eröffnet werden muß, bevor er zeichnen kann. Nicht einmal aus der Bekanntmachung des Registergerichts gemäß § 190 ist etwas über den Inhalt der neu ausgegebenen Aktienrechte, geschweige etwas über die Ausgabebedingungen zu erfahren. Zwar wird der Vorstand eine Mitteilung in der Presse machen, aber rechtlich muß der Aktionär warten, bis er etwas aus dem Geschäftsbericht erfährt und dann in der nächsten ordentlichen Hauptversammlung unter Umständen Auskunft nach § 131 verlangen kann. Die vom Vorstand (im Rahmen der schon eingetragenen Ermächtigung) endgültig beschlossene Satzungsänderung durch Kapitalerhöhung und Festsetzung des Inhalts der Aktienrechte wird nicht besonders eingetragen, obwohl ihre Eintragung doch wohl unentbehrlich und Voraussetzung ihrer Wirksamkeit sein dürfte. Es kommt aber nur mittelbar dazu mit der Eintragung der in bestimmter Höhe durchgeführten Kapitalerhöhung (§§ 203, 188, 189). Durch die vom Vorstand beschlossene Aktienausgabe ist sowohl, was den Betrag des Grundkapitals, als auch, was seine Einteilung in Aktien, 1182

Bedingungen der Aktienausgabe

§ 204 Anm. 5

als auch etwa deren Inhalt betrifft (neue Gattung), die bisherige Fassung der Satzung unrichtig geworden. Die Fassung muß also richtiggestellt werden. Diese Fassungsänderung ist von der Hauptversammlung oder, wenn er, wie zweckmäßig, dazu ermächtigt wurde, vom Aufsichtsrat zu beschließen (§ 179 I S. 2) und vom Vorstand zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Nicht gefordert wird, daß dem Registergericht neben dem Fassungsänderungsbesdiluß des Aufsichtsrates (oder der Hauptversammlung) der Vorstandsbeschluß vorgelegt und nachgewiesen wird, welcher die eigentliche Satzungsänderung bewirkt hat, die der Fassungsänderung zugrunde liegt. Die Gewähr für die Richtigkeit der angemeldeten Fassungsänderung liegt darin, daß sie vom Vorstand selbst angemeldet wird. Während die Eintragung der Fassungsänderung bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen nidit vordringlich ist und keine materielle Bedeutung hat, die vielmehr der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung zukommt (§ 189), wird hier der Eintragung der Fassungsänderung erhebliche materielle Bedeutung beizumessen sein, wenn der Vorstand neue Aktiengattungen geschaffen hat, über welche aus der Eintragung der Durchführung gemäß §§ 203, 189 nichts ersichtlich ist. Es ist schwer vorzustellen, daß sie, ohne in dem Ermächtigungsbeschluß festgesetzt zu sein und ohne durch Eintragung der Fassungsänderung festgelegt zu werden, lediglich aufgrund des Vorstandsbesdilusses bestehen kann. Man wird also hier fordern müssen, daß in solchem Falle die Satzungsänderung zugleich mit der Durchführung der Kapitalerhöhung angemeldet wird, mit deren Eintragung die neuen Rechte entstehen werden. Der Fall liegt ganz anders, als wenn der Inhalt der Rechte im Ermächtigungsbeschluß oder bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen im Erhöhungsbeschluß bestimmt werden, die ja beide als Satzungsänderungen inhaltlich anzumelden sind und, wenn auch teilweise nur unter Bezugnahme auf die Anmeldungsbeilagen, eingetragen werden. Trotz ihrer Bedeutung behandelt das Gesetz die „Entscheidung" des Vorstands so wenig wie bei der bedingten Kapitalerhöhung die Ausgabe der Bezugsaktien (dies ist dort erträglich, weil der Vorstand keine Entschließungsfreiheit hat). Was ist, wenn die Entscheidung des Vorstandes fehlerhaft zustande gekommen ist (s. hierüber bei § 77)? Sind die daraufhin begebenen Aktien trotz der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung nichtig? Ist auf den Vorstandsbesdiluß wenigstens § 242 II entsprechend anwendbar? Da eine rechtswirksame „Vorstandsentscheidung" eine Voraussetzung der Erhöhung des Grundkapitals ist und nur ausnahmsweise eine heilende Wirkung der Eintragung anerkannt wird, müßte man folgerichtig ersteres modifiziert durch letzteres annehmen. Im Grunde liegt der Fall dem parallel, daß der Vorstand ohne Ermächtigung, d.h. unter Überschreitung der Ermächtigung, Aktien ausgibt. Aber da — anders als ein beurkundeter Hauptversammlungsbeschluß — die Vorstandsentscheidung ein gänzlich un1183

§ 204

Anm. 5—7

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

kontrollierbares Internum ist, wäre die Rechtsunsicherheit unerträglich; die Gesellschaft müßte dem Rechtsschein und der Zeichner die Zeichnung gelten lassen. Es gilt, was dem Zeichner als Inhalt der Vorstandsentscheidung mitgeteilt worden ist, was der Zeichner gezeichnet hat und was aufgrund der Vorstandsentscheidung vom Vorstand zwecks Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung und als vom Aufsichtsrat oder Hauptversammlung aufgrund der Vorstandsentscheidung beschlossene Fassungsänderung (s. hierüber auch vorstehend) zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet worden ist (vgl. auch § 399 Nr. 4 — sehr zweifelhaft —). Das bezieht sich sowohl auf den Inhalt der Aktienrechte als auch auf die Ausgabebedingungen. Die Vorstandsentscheidung ist begrifflich zu unterscheiden von der Zuteilung der Aktien auf die Zeichnung, mag sie damit auch äußerlich scheinbar zusammenfallen. Für diese und ihre rechtliche Bedeutung gilt nichts Besonderes. Anm. 6: Die Ermächtigung ist eine in der ursprünglichen Satzung enthaltene oder durch Satzungsänderung eingeführte Satzungsbestimmung. Dies gilt aber nur von der Ermächtigung zur Erhöhung des Grundkapitals, von deren näherer Ausgestaltung (z.B. Dauer), von der Festsetzung des Inhalts der neuen Rechte im Ermächtigungsbeschluß und von der Ermächtigung zu dieser. Dagegen haben der Ausschluß des Bezugsrechts und die Ausgabebedingungen, auch wenn sie vom Ermächtigungsbeschluß vorgesehen werden, nicht die Natur von Satzungsbestimmungen und bedürfen nicht der Eintragung. 3. Mitwirkung des

Aufsichtsrats

Anm. 7: Die Entscheidung — ebenso wie die über den Ausschluß des Bezugsredits, sofern der Vorstand hierzu ermächtigt ist (§ 203 II) — bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrates. Es ist dies eine andere Formulierung als im § 202 I I I und hat auch eine andere Bedeutung. „Bedarf" drückt aus, daß nur bei Vorliegen dieser Zustimmung eine wirksame Entscheidung des Vorstandes vorliegen kann. Bis zur Zustimmung wäre die Entscheidung demnach schwebend unwirksam (abw. B.-H. Rn 3). Die Bestimmung betrifft aber nur die Entscheidung über den Inhalt der Rechte über Bezugsrecht und über Ausgabebedingungen, nicht Verwirklichung, Zeitpunkt und Ausmaß der Kapitalerhöhung. Hinsichtlich eines Verstoßes hiergegen gilt das gleiche, wie wenn der Vorstand die Grenzen seiner Ermächtigung überschreitet (vgl. § 202 Anm. 3). Ohne Zustimmung des Aufsichtsrates darf der Registerrichter nicht eintragen. Da bei der Anmeldung der Aufsichtsratsvorsitzende mitwirken muß, wird der Registerrichter die Eintragung nur dann ablehnen, wenn der Vorsitzende des Aufsichtsrates nicht bei der Anmeldung mitgewirkt hat, und zwar aus diesem Grunde. Hat er mitgewirkt, so kann das Gericht davon 1184

Bedingungen der Aktienausgabe

§204

Anm. 7—9

ausgehen, daß die Zustimmung des Auf sichtsrates vorliegt (vgl. § 202 Anm. 2). Hat sie nicht vorgelegen, wird trotzdem eine Eintragung erfolgen mit der Wirkung, daß die schwebende Unwirksamkeit des Vorstandsbeschlusses geheilt wird (vgl. § 202 Anm. 3) und die danach ausgegebenen Aktien gültig sind. Der Vorstand und der Aufsichtsrat, insbesondere dessen Vorsitzender (s. oben), machen sich aber evtl. schadenersatzpflichtig nach §§ 93, 116.

III. Vorzugsaktien ohne Stimmrecht Anm. 8: Sind Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorhanden, so bedarf nach § 141 II ein Beschluß über die Ausgabe neuer Aktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschaftsvermögens den Vorzugsaktien vorgehen oder gleichstehen, der Zustimmung der Vorzugsaktionäre. Es wird verhindert, daß durch Ermächtigung des Vorstandes § 141 umgangen wird, in dem vorgeschrieben wird, daß die Ausgabe von Aktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschaftsvermögens den stimmrechtslosen Vorzugsaktien vorgehen oder gleichstehen, in dem Ermächtigungsbeschluß vorgesehen sein müssen. Für diese gilt § 141 II und III. Es gilt aber § 204 II auch dann, wenn nach § 141 (und den dortigen Erläuterungen) die Zustimmung der Vorzugsaktionäre entbehrlich ist.

IV. Arbeitnehmeraktien Anm. 9: Abs. 3 ist neu und bietet der Gesellschaft die Möglichkeit, ihren Arbeitnehmern Aktien anzubieten, ohne daß diese hierauf eine Einlage zu bewirken haben. Diese Einlage wird gedeckt aus dem Teil eines Jahresüberschusses, der gemäß § 58 II in die freie Rücklage gestellt werden kann (s. hierzu die Anmerkungen zu § 58). Voraussetzung hierfür ist jedodi, daß der Jahresabschluß, der einen Überschuß aufweist, einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk trägt; ferner muß die Ausgabe an die Arbeitnehmer in der Satzung vorgesehen sein (§ 202 IV). Das Gericht muß die Möglichkeit haben, die besonderen Voraussetzungen des Abs. 3 prüfen zu können. Darum muß der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung der festgestellte Jahresabschluß mit dem Bestätigungsvermerk beigefügt werden. Aus dem gleichen Grunde ist die Erklärung nach § 210 I S. 2 erforderlich, d. h., die Anmeldenden haben dem Gericht gegenüber zu erklären, daß nach ihrer Kenntnis seit dem Stichtag der Bilanz bis zum Tag der Anmeldung keine Vermögensminderung eingetreten ist, die der Kapitalerhöhung entgegenstände, wenn sie am Tag der Anmeldung beschlossen worden wäre. Strafbestimmung: § 399 II. 1185

§ § 204/205 Anm. 10/1

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 10: Für die Ausgabe der Aktien an die Arbeitnehmer der Gesellschaft gelten die §§ 182 bis 191 mit Ausnahme des § 188 II; letzteres ergibt sich aus der Natur der Sache. S 205 Ausgabe gegen Sacheinlagen (1) Gegen Sacheinlagen dürfen Aktien nur ausgegeben werden, wenn die Ermächtigung es vorsieht. (2) Der Gegenstand der Sacheinlage, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien sind, wenn sie nicht in der Ermächtigung festgesetzt sind, vom Vorstand festzusetzen und in den Zeichnungsschein aufzunehmen. Der Vorstand soll die Entscheidung nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats treffen. (3) Ohne die vorgeschriebene Festsetzung sind Verträge über Sadieinlagen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Gleiches gilt, wenn die Festsetzung des Vorstands nicht in den Zeichnungsschein aufgenommen ist. Ist die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals eingetragen, so wird die Gültigkeit der Kapitalerhöhung durch diese Unwirksamkeit nicht berührt. Der Aktionär ist verpflichtet, den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. Die Unwirksamkeit kann durdi Satzungsänderung nicht geheilt werden, nachdem die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals in das Handelsregister eingetragen worden ist. (4) Die Absätze 2 und 3 gelten nidit für die Einlage von Geldforderungen, die Arbeitnehmern der Gesellschaft aus einer ihnen von der Gesellschaft eingeräumten Gewinnbeteiligung zustehen. I. Obersicht (Anm. 1 u. 2) II. Festsetzungen 1. Satzung, Ermächtigung (Anm. 3) 2. Zeichnungsschein (Anm. 4) 3. Mitwirkung des Aufsichtsrats (Anm. 5)

4. Unwirksamkeit (Anm. 6) III. Eintragung der Durchführung (Anm. 7 u. 8) IV. Arbeitnehmeraktien (Anm. 9)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt bis auf wenige sprachliche Änderungen in Abs. 3 in ihren Abs. 1 bis 3 mit dem bisherigen § 172 AktG 37 überein. Neu ist Abs. 4 hinsichtlich der Einlage von Geldforderungen von Arbeitnehmern der Gesellschaft, die diesen aufgrund einer Gewinnbeteiligung an der Gesellschaft zustehen (s. § 194 III sowie Anm. 9). 1186

Ausgabe gegen Sacheinlagen

§ 205 Anm. 2,3

Anm. 2: Die §§ 205, 206 behandeln die genehmigte Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen. Das Gesetz fordert durchgängig (§§ 27, 183, 194) zur Sacheinlage neben der darüber getroffenen Vereinbarung einen besonderen körperschaftsrechtlichen Akt der Gesellschaftsautonomie, nämlich die Festsetzung, die in der Satzung oder durch satzungsändernden Beschluß zu geschehen hat. Bei der nur genehmigten Kapitalerhöhung sieht sich das Gesetz gezwungen, die Möglichkeit zu eröffnen, auch diesen körpersdiaftsrechtlichen autonomen Akt der »Festsetzung" dem Vorstand zu überlassen. Aber es bestimmt auch für diesen Fall, daß die Ausgabe von Aktien gegen Sacheinlage nur zulässig ist, wenn der Ermächtigungsbeschluß sie gestattet; außerdem hat der Vorstand die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen. Die Verlautbarung der „Festsetzung" geschieht im Ermächtigungsbeschluß oder, wenn sie dem Vorstand überlassen ist, im Zeichnungsschein. Wird die Festsetzung weder in den Ermächtigungsbeschluß noch in den Zeichnungsschein aufgenommen, so sind die Vereinbarungen unwirksam. Der Aktionär hat in bar zu zahlen, wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung eingetragen ist. Von dieser Barzahlungspflicht kann er auch durch Satzungsänderung nicht mehr befreit werden. Alle diese Bestimmungen entsprechen äußerlich jenen, die für die Kapitalerhöhung gegen Einlagen gelten. Doch besteht ein versteckter erheblicher Unterschied in dem Fall, daß der Ermächtigungsbeschluß keine Festsetzung trifft. Dann sind, abweichend von der Kapitalerhöhung gegen Einlagen die vom Vorstand geschlossenen Vereinbarungen, die alsdann die Festsetzung enthalten, wirksam und nur von der auch bei der Kapitalerhöhung, wenn auch dort nicht als Voraussetzung der Wirksamkeit vorgeschriebenen Aufnahme in den Zeichnungsschein abhängig. Ebensowenig wie sonst bei der Kapitalerhöhung macht die Ausgabe von Aktien gegen Sacheinlage eine Prüfung notwendig, jedoch ist § 52 beachtlich; § 206 trifft aber Sonderbestimmungen für den Fall, daß die Abkommen über Sacheinlagen bereits vor Eintragung der Gesellschaft getroffen sind. II. Festsetzungen 1. Satzung, Ermächtigung Anm. 3: Es ist nicht notwendig, daß eine konkrete Sacheinlage, ihr Gegenstand, der Einleger, die Bedingungen, unter denen sie zu erfolgen hat, in der Satzung bzw. den satzungsändernden Ermächtigungsbeschluß vorgesehen sind. Es genügt, daß darin die Gestattung der Hereinnahme des Gegenwertes für die Aktien in Form irgendeiner Sacheinlage erklärt ist. Ist das der Fall, so ist der Vorstand, wenn nicht etwa § 52 zutrifft (s. Anm. 3 zu § 206), ermächtigt, die Festsetzungen, die bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen nach § 183 im Erhöhungsbeschluß getroffen werden müssen, von sich aus zu treffen (vgl. Abs. 2), z. B. auch Gläubiger mit Aktien zu befriedigen. Fehlt es aber 1187

§ 205

Anm. 3,4

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

an einer solchen Gestaltung in der Satzung (Ermächtigung) und werden trotzdem Aktien gegen Sacheinlage ausgegeben, so ist die Vereinbarung nichtig und die Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung, wenn sich die Sacheinlage aus dem Zeichnungsschein ergibt, abzulehnen; ergibt sie sich nicht daraus, und wird infolgedessen oder versehentlich die Durchführung eingetragen, so gilt Abs. 3 S. 3 und 4. Die Gesellschaft kann aber vorbehaltlich § 52 den Gegenstand von den Zeichnern käuflich erwerben. Über den Begriff der Sacheinlage vgl. § 183 Anm. 2 und § 27 Anm. 11 bis 14. Die Sacheinlage kann auch in dem ganzen Vermögen einer anderen im Wege der Verschmelzung nach §§ 339 ff. aufzunehmenden Gesellschaft bestehen. 2. Zeichnungsschein Anm. 4: Die Festsetzungen (über ihre Natur s. Anm. zu § 27) können in der Satzung (Ermächtigung) enthalten sein (z. B. wenn eine Verschmelzung beabsichtigt wird), oder sie müssen durch den Vorstand getroffen werden. Ersteres muß geschehen, wenn auch die Sacheinlagevereinbarung schon im Gründungsstadium (vor Eintragung der Gesellschaft) getroffen wird (§ 206). In beiden Fällen müssen sie im Zeichnungsschein enthalten sein. Aber die Aufnahme in den Zeichnungsschein hat eine verschiedene Bedeutung, je nachdem, ob die Festsetzung schon in der Satzung (Ermächtigungsbeschluß) oder erst vom Vorstand getroffen worden ist. Letzterenfalls ist — obwohl der Vorstand festsetzt und der Zeichnungsschein vom Zeichner ausgestellt wird — die Aufnahme in den Zeichnungsschein, die Form der Festsetzung durch den Vorstand eine Anomalie, die (s. unten) zu den größten Schwierigkeiten führt, wie bei der Gründung die Aufnahme in die Satzung und bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen in den Erhöhungsbeschluß. Ist die Festsetzung über die Sacheinlage nicht in der Satzung bzw. im Beschluß vorgesehen, so greift die gleiche Regelung Platz wie bei der Gründung (§ 27) und der Kapitalerhöhung (§ 183): die Vereinbarung der Sacheinlage und jede Ausführungshandlung sind unwirksam. Der Aktionär ist zur Bareinlage verpflichtet, wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen wird. Eine nachträgliche Satzungsänderung kann daran nichts ändern (Abs. 3). Gleichgültig hierbei ist, ob die Festsetzung fehlte, obwohl der Vorstand nicht hierzu ermächtigt werden sollte oder ermächtigt war, sie aber im Zeichnungsschein fehlte. Selbstverständlich kann, wenn die Festsetzung in der Satzung (Ermächtigungsbeschluß) hätte getroffen werden sollen, aber wesentliche Mängel (Unvollständigkeit, Unklarheit, Fehler in der Beurkundung) enthält, diesen nicht durch den Zeichnungsschein abgeholfen werden, sondern nur durch neuen Beschluß. Enthält aber die Satzung (Ermächtigungsbeschluß) die Festsetzung über die Sacheinlage, so entspricht dies der Festsetzung in der Satzung (§ 27) bzw. 1188

Ausgabe gegen Sadieinlagen

§205

Anm. 4

im Kapitalerhöhungsbeschluß. Wenn in diesem Fall der Zeichnungsschein die Festsetzung nicht enthält, so ist nicht die Vereinbarung, sondern der Zeichnungsschein nichtig und liegt eine Parallele zu § 185 II und III vor. Diese sind anzuwenden, d. h., der Zeidiner kann sich auf die Nichtigkeit des Zeichnungsscheins nicht berufen, wenn er aufgrund desselben als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat, muß also auch die Sacheinlage bewirken (s. § 185 Anm. 13). Die Vorschrift, daß jeder Zeichnungsschein (§185 Anm. 10; Schl.-Qu. § 152 Anm. 9), auch der Bareinleger, die Festsetzung betreffend Sacheinlagen bei der Vermeidung der Nichtigkeit der darüber getroffenen Vereinbarung enthalten muß, ist unerfüllbar, wenn der Vorstand das genehmigte Kapital abschnittsweise und einen Abschnitt vor Vereinbarung einer Sacheinlage auf einen anderen Abschnitt ausgibt. Mindestens für diesen Fall muß genügen, daß die Zeidmungsscheine auf den ersten Abschnitt die Gestattung der Sacheinlage durch den Ermächtigungsbeschluß erwähnen. Wird nach Begebung von Aktien gegen Sacheinlage dann noch ein dritter Abschnitt gegen Bareinlage begeben, so besteht mindestens die Möglichkeit, die Festsetzung betreffend die Sacheinlage des zweiten Abschnittes in den Zeichnungsscheinen des dritten Abschnitts zu erwähnen, wiewohl sie natürlich deren Aussteller nicht bekannt zu sein brauchen. Man wird also die Aufnahmen in die Zeichnungsscheine des späteren Abschnitts, weil möglich, auch für notwendig ansehen müssen. Wenn aber inzwischen die Durchführung der Kapitalerhöhung in Höhe der gegen die Sacheinlage begebenen Aktien eingetragen wurde, kann die Vereinbarung der Sacheinlage nicht nachträglich wieder nichtig werden und ihre Ausführung auf Verlangen wieder rückgängig zu machen sein, weil die späteren Zeichnungsscheine die Festsetzung nicht enthalten, zumal der Sacheinleger keine Möglichkeit hat, auf die Aufnahme der Festsetzungen in diesen Zeichnungsscheinen hinzuwirken und sich gegen die Gefahr zu schützen, so daß er nachträglich unerwartet eine Bareinlage machen muß. Die Doppel der früheren Zeichnungsscheine kann er bei den Registerakten einsehen, aber nicht einmal die der gleichzeitigen, geschweige die der späteren. Da ,man auch § 205 II zumindest nicht als Schutzgesetz zugunsten des Sacheinlegers ansprechen kann, kommt nicht einmal eine Schadenersatzhaftung des Vorstands, der ja auch nicht Aussteller der Zeichnungsscheine ist, gegenüber einem solchen Sacheinleger in Frage. Da alle Zeichnungsscheine, auch die der Bareinleger, die „Festsetzung" enthalten müssen, wenigstens alle gleichzeitig ausgegebenen, ist die Ansicht (Schl.-Qu. § 172 Anm. 3) falsch, daß die Festsetzung des Vorstands als Internum der Zeichnung nicht voranzugehen braucht, sondern in ihrer Annahme liegen könne. Die Aufnahme in den Zeichnungsschein ist nur die — anomale — Beurkundung der Festsetzung, nicht diese selbst, wenn sie nicht mit dem Entwurf des Zeichnungsscheines zusammenfällt. 1189

§§ 205/206

Anm. 5-—9

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

3. Mitwirkung des Aufsichtsrats Anm. 5: Der Vorstand soll die Festsetzungen über Sacheinlagen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates treffen (vgl. § 202 Anm. 10). Es handelt sidi hier — im Gegensatz zu § 204 I S. 2 — lediglich um eine Sollvorschrift. Ihre Verletzung ist mithin bedeutungslos (vgl. § 204 Anm. 7). 4. Unwirksamkeit Anm. 6: Hinsichtlich der Unwirksamkeit der Verträge und der Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung siehe oben Anm. 4 und § 183 Anm. 5 III. Eintragung der Durchführung Anm. 7: Wird die Durchführung der Kapitalerhöhung eingetragen, so wird die Gültigkeit der Kapitalerhöhung durch diese Unwirksamkeit nicht berührt (s. § 183 Anm. 5). Mangels Festsetzung der Sacheinlage bleibt der Aktionär zu einer Bareinlage verpflichtet (s. § 183 Anm. 6; § 27 Anm. 15). Die Gesellschaft kann den als Sacheinlage in Aussicht gestellten Gegenstand erwerben. Ist sie nodi keine zwei Jahre im Handelsregister eingetragen, so müssen dabei die besonderen Vorschriften des § 52 über die Nachgründung beachtet werden. Anm. 8: Solange die Durchführung der Kapitalerhöhung nodi nicht eingetragen ist, kann durdi einen neuen Beschluß, der alle Voraussetzungen erfüllen muß, die Festsetzung erfolgen. Nadi der Eintragung ist dies nicht mehr möglich (s. Anm. 5). IV. Arbeitnehmeraktien Anm. 9: Abs. 4 entspricht § 194 Abs. 3; vgl. dort Anm. 9.

§ 206 Verträge über Sacheinlagen vor Eintragung der Gesellschaft Sind vor Eintragung der Gesellschaft Verträge geschlossen worden, nach denen auf das genehmigte Kapital eine Sacheinlage zu leisten ist, so muß die Satzung die Festsetzungen enthalten, die für eine Ausgabe gegen Sacheinlagen vorgeschrieben sind. Dabei gelten sinngemäß § 27 Abs. 2, 4, §§ 32 bis 35, 37 Abs. 3 Nr. 2, 4 und 5, § 38 Abs. 2, § 49 über die Gründung der Gesellschaft. An die Stelle der Gründer tritt der Vorstand und an die Stelle der Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft die Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals. 1190

Verträge über Sadieinlagen vor Eintragung der Gesellschaft I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Zeitpunkt (Anm. 3) III. Verstoß (Anm. 4)

§ 206

Anm. 1—3

IV. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 5) V. Anmeldung der Durchführung (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 173 AktG 37 mit einigen sprachlichen und auch sachlichen Änderungen. Bei der Aufzählung der anzuwendenden Vorschriften ist § 27 IV neu aufgeführt, weil die Vorschriften über die Änderung rechtswirksam getroffener Festsetzungen und über die Beseitigung der Satzungsbestimmungen über die Festsetzungen aus § 145 Abs. 3 AktG 37 und § 12 der 3. Durchführungsverordnung zum Aktiengesetz 1937 in § 26 Abs. 4 und 5 übernommen worden sind, auf den § 27 Abs. 4 verweist. Ferner ist § 38 II (s. Anm. 2) neu aufgeführt. Anm. 2: Wenn schon vor Eintragung der Gesellschaft, also bereits im Gründungsstadium, Abkommen getroffen sind, nach denen auf das genehmigte Kapital Sacheinlagen erfolgen sollen, sind nicht die Bestimmungen anzuwenden, die für die Kapitalerhöhung mit Sacheinlage, sondern diejenigen, die für die Gründung der Gesellschaft mit Sacheinlage gelten. Es müssen die Festsetzungen über die Sacheinlage in der Satzung selbst enthalten sein, sie dürfen nicht dem Vorstand überlassen werden. Der Vorstand hat entsprechend § 32 einen Gründungsbericht zu erstatten. Auch eine Prüfung, für die die Bestimmungen über Gründungsprüfung (§§ 33 bis 35 und § 49) gelten, hat zu erfolgen. Für die Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung gelten die Bestimmungen des § 37 III über die Anmeldung der Gesellschaft, soweit sie sich auf die Sacheinlagen beziehen, sowie hinsichtlich der Prüfung § 38 II. § 206 will verhindern, daß auf dem Umweg über das genehmigte Kapital die besonderen Schutzvorschriften über die Sacheinlage bei der Gründung umgangen werden. II. Zeitpunkt Anm. 3: Nur wenn die Vereinbarung über eine Sacheinlage vor Eintragung der Gesemdiaft getroffen wird, aber nicht schon, wenn vor Eintragung der Vorstand nach § 205 I und II S. 1 nur ermächtigt wird, ohne daß schon konkrete Vereinbarungen vorliegen, muß die Satzung die Festsetzungen darüber enthalten. Enthält sie in diesem Falle die vereinbarten Einzelheiten nicht, kann nur Nachgründung nach § 52 (also unter anderem Beschluß der Hauptversammlung) stattfinden (s. Anm. 2 bis 4 zu § 52). Sachübernahmen aus dem Erlös der Aktienausgabe kraft genehmigten Kapitals, welche zur Zeit der Eintragung der Gesellschaft schon vereinbart sind, fallen unmittelbar unter § 27 II und § 52 (s. hierzu dort die Anm. 2). 1191

§ 206 Anm. 4,5

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

III. Verstoß Anm. 4: Die Bestimmung ist zwingend, bei Verstoß dagegen greift § 27 II Platz, der übrigens § 205 III entspricht; es wird jedoch ausdrücklich auf die Gründungsvorschriften verwiesen. Sind bereits im Gründungsstadium Vereinbarungen mit den künftigen Zeichnern über Sacheinlagen getroffen, in der Satzung dem Vorstand aber lediglich eine allgemeine Ermächtigung nach § 202 I und § 205 I dahin erteilt worden, demnächst die Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage durchzuführen, so ist der Vorstand nicht in der Lage, nach der Gründung die Festsetzung gemäß § 205 II zu treffen. Solche Festsetzungen wären nichtig. Anders ist der Fall, wenn derartige Abkommen nicht getroffen sind, dann kann der Vorstand, wenn die entsprechende Ermächtigung erteilt ist, solange diese läuft, wirksam nach § 205 II die Festsetzung treffen. Zu klären ist das Verhältnis von § 206 zu § 52 (Nachgründung). § 52 ist außer im Falle der Anm. 3 anzuwenden, wenn trotz der Voraussetzung des § 206 die ursprüngliche Satzung die Festsetzung nicht enthält und gleichwohl die Vereinbarung ausgeführt werden soll. Sie ist dann nachträglich mit der Mehrheit des § 52 zu treffen und im übrigen nach § 52 zu verfahren. Selbstverständlich ist § 52 außerdem in dem Falle des § 205 anwendbar, also wenn ursprünglich Satzung oder Ermächtigungsbeschluß die Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen gestatten, ohne daß vor der Eintragung der Gesellschaft Vereinbarungen darüber getroffen sind und innerhalb der Frist des § 52 Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erworben werden soll. IV. Anzuwendende Vorschriften Anm. 5: Das Gesetz verweist auf § 27 II, dieser entspricht dem § 205 III, ferner auf §§ 32 bis 35. Diese behandeln die Gründungsprüfung im Falle der Gründung mit Sacheinlagen. Danach hat der Vorstand, der hier anstelle der Gründer tritt, einen schriftlichen Bericht über den Hergang der Kapitalerhöhung mit Sacheinlage zu erstatten (§ 32). Er hat vor allem sich über die Angemessenheit der Sacheinlage zu äußern. Die Gründungsprüfer, deren Verantwortlichkeit sich nach § 49 regelt, haben neben den Mitgliedern des Aufsichtsrats den Hergang der Kapitalerhöhung zu prüfen (§ 33) und darüber schriftlich zu berichten (§ 34). Für die Anmeldung der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ist auf die Bestimmung über die Anmeldung der Eintragung der Gesellschaft (§ 37 III Nr. 2, 4 und 5) Bezug genommen. Die Nr. 2 und 5 entsprechen dem § 188 Nr. 2 und 4. Wesentlich ist deshalb hier nur die Bezugnahme auf Nr. 4. Danach ist der Gründungsbericht und der Prüfungsbericht der Mitglieder des Aufsichtsrats sowie der Gründungsprüfer sowie die Bescheinigung, daß der Bericht der Gründungsprüfer der amtlichen Vertretung des Handelsstandes eingereicht war, der 1192

Voraussetzungen

§§206/207

Anm. 5» 6

Anmeldung zum Handelsregister beizufügen. Weiter ist verwiesen auf § 38 II, d. h., das Gericht hat über den nach § 203 anwendbaren § 188 IV hinaus die Sacheinlage nach § 38 II zu prüfen. Dies wurde auch, obwohl es nicht erwähnt war, nach bisherigem Redit allgemein angenommen, zur Klarstellung wurde es ausdrücklich in das neue Gesetz mit aufgenommen. Schließlich ist noch auf § 49 verwiesen, woraus sidi ergibt, daß der Vorstand wie ein Gründer verantwortlich ist, dessen Verantwortlichkeit sidi wiederum nach den Vorschriften über die Abschlußprüfer richtet (§ 168 I bis IV). V. Anmeldung der Durchführung Anm. 6: Die Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung ist hier nicht etwa von sämtlichen Vorstandsmitgliedern und dem Aufsiditsrat vorzunehmen, sondern entsprechend der Bestimmung des § 188 nur von so vielen Mitgliedern des Vorstandes, wie zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind und vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats, denn der § 36 ist hier nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt, so daß insofern die Bestimmungen, die bei der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung gelten, anzuwenden sind. Die nach § 37 III Nr. 2, 4 und 5 einzureichenden Urkunden brauchen noch nidit bei der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister eingereicht zu werden, sondern erst, wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung beim Handelsregister angemeldet wird, also bei der Anmeldung gemäß § 188, auf den in § 203 verwiesen wird.

Vierter Unterabschnitt Kapitalerhöhung aus Gesellsdiaftsmitteln § 207 Voraussetzungen (1) Die Hauptversammlung kann eine Erhöhung des Grundkapitals durch Umwandlung von offenen Rücklagen in Grundkapital beschließen. (2) Für den Beschluß und für die Anmeldung des Beschlusses gelten § 182 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4, § 184 Abs. 1 sinngemäß. (3) Die Erhöhung kann erst beschlossen werden, nachdem der Jahresabschluß für das letzte vor der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufene Geschäftsjahr (letzter Jahresabschluß) festgestellt ist. (4) Dem Beschluß ist eine Bilanz zugrunde zu legen. 1193

§ 207

Anm. 1,2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

I. Obersicht (Anm. 1) II. Wesen der Kapitalerhöhung (Anm. 2) III. Der Kapitalerhöhungsbeschluß 1. Allgemeine Voraussetzung a) Satzungsänderung (Anm. 3) b) Einberufung der Hauptversammlung (Anm. 4)

c) Beschlußfassung (Anm. 5) 2. Besondere Voraussetzung (Anm. 6) 3. Zeitliche Voraussetzung (Anm. 7) 4. Anmeldung (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift hat im AktG 37 keine entsprechende Bestimmung, sie übernimmt vielmehr mit einigen Änderungen die Vorschriften des § 1 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vom 23. 12. 1959 (BGBl. I S. 789). Die Änderungen beruhen meist auf der Tatsache, daß im obengenannten Gesetz Kapitalgesellschaften im allgemeinen, im Aktiengesetz jedoch naturgemäß lediglich Aktiengesellschaften behandelt werden. Entfallen ist in Abs. 3 die Voraussetzung, daß zunächst über die Verteilung des „Reingewinns" (nunmehr Bilanzgewinn) Beschluß gefaßt sein muß. Es besteht kein Anlaß, der Hauptversammlung künftig vorzuschreiben, daß sie vor dem Beschluß über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erst über die Gewinnverwendung zu beschließen hat. Audi wenn der im letzten Geschäftsjahr erzielte Bilanzgewinn im Gewinnverwendungsbeschluß den offenen Rücklagen zugewiesen wird, kann er — anders als nach bisherigem Recht — nicht mehr anschließend sofort in Grundkapital umgewandelt werden. Der Gewinnverwendungsbeschluß führt nach § 174 III nicht mehr zu einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses, so daß die im Gewinnverwendungsbeschluß den offenen Rüdciagen zugewiesenen Beträge nicht in der letzten Jahresbilanz unter den „offenen Rücklagen" ausgewiesen werden können (§ 208 I S. 1). II. Wesen der Kapitalerhöhung Anm. 2: Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist erstmals im Zuge der sogenannten kleinen Aktienrechtsreform im obengenannten Gesetz vom 23. 12. 1959 gesetzlich geregelt worden. Der Vorgang ist aber seit langem bekannt. In den Inflationsjahren nach dem ersten Weltkrieg ist eine Reihe sogenannter „Gratisaktien" ausgegeben worden. Das Reichsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 20. 2. 1923 (Bd. 107, 168 f.) mit der Rechtsproblematik solcher Aktienausgaben befaßt. Es stellte zunächst durchaus zutreffend fest: „Die Bezeichnung Gratisaktien ist irreführend, freie Aktien im Sinne von Mitgliedschaft ohne Leistungspflicht sind mit dem Wesen des Aktienrechts nicht vereinbar." Weiterhin stellte es sich auf den Standpunkt, daß eine derartige Kapitalerhöhung nur möglich sei, wenn den Aktionären, die selbst nichts aufzubringen hätten, durch die Gesellschaft die Beträge zur 1194

Voraussetzungen

§207

Anm. 2

Verfügung gestellt •würden, die auf die neu gesdiaffenen Aktien durch den Kapitalerhöhungsbesdiluß eingezahlt werden müßten. Diese Beträge könnten nur aus den vom bilanzmäßigen Reingewinn der früheren Jahre zurückgestellten Reserven oder aus dem Gewinnvortrag des Vorjahres entnommen werden. Das Reichsgericht hat sich damit dem schon vorher vom Reichsfinanzhof entwickelten Begriff der sogenannten Doppelmaßnahme angeschlossen. Damit wird der Vorgang in zwei Einzelvorgänge zerlegt, einmal in eine Ausschüttung des Gewinns an die Aktionäre und zum anderen in die Wiedereinziehung des Bezugspreises von den Aktionären mit der Folge, daß der Reichsfinanzhof und ihm folgend später der Bundesfinanzhof den Vorgang der Ausschüttung des Gewinns mit Steuern aus Einkommen und Ertrag und die Entstehung des neuen Anteilsrechts der Besteuerung nach dem Kapitalverkehrsteuergesetz unterwarf. Gegen diese Aufteilung eines einheitlichen Vorganges in zwei verschiedene Vorgänge wurden von Beginn an erhebliche Einwendungen in der Literatur erhoben. Einmal wurde darauf hingewiesen, daß es sich bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und der damit im Zusammenhang stehenden Ausgabe von Gratisaktien nicht um eine echte Kapitalerhöhung handelt, bei der neue Mittel der Gesellschaft zufließen, sondern nur um eine Kapitalberichtigung, da sich das Vermögen der Gesellschaft nicht ändere. Auf der anderen Seite wurde darauf hingewiesen, daß mit der Einführung des Begriffs der Doppelmaßnahme der im Steuerrecht geltende Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise verlassen würde, da der Vorgang von den Beteiligten als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang angesehen und behandelt werde. Der Gesetzgeber hat sich erstmalig in der Dividendenabgabeverordnung vom 12. 6.1941 (RGBl. I S. 323) mit der Berichtigung des Gesellschaftskapitals befaßt. In dieser Verordnung trägt der zweite Abschnitt bezeichnenderweise die Überschrift „Berichtigung des Gesellschaftskapitals". Der Inhalt dieses Abschnittes entspricht in seinen Grundzügen der „Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wie jetzt dieser Vorgang bezeichnet wird. Der Gesetzgeber ist bei dem vorliegenden Gesetz davon ausgegangen, daß es sich um eine besondere Art der Kapitalerhöhung handelt. Das ist insofern zutreffend, als formal gesehen eine Erhöhung des Nennkapitals der Gesellschaft erfolgt, materiell handelt es sich aber nur um eine Berichtigung des Nennkapitals. Bei jeder der bisher im Aktiengesetz geregelten Kapitalerhöhung fließen der Gesellschaft neue Mittel zu, darum stehen sämtliche Arten der Kapitalerhöhung im zweiten Abschnitt unter der Überschrift: Maßnahmen der Kapitalbeschaffung. Auch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist unter dieser Überschrift aufgeführt; dies trifft die Sache nicht, denn gerade darum handelt es sich bei der sogenannten Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln nicht. Es wird kein Kapital beschafft, sondern 1195

§ 207 Anm. 2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

es wird, wie es im Gesetz zutreffend ausgedrückt ist, Grundkapital durch Umwandlung von offenen Rücklagen in Grundkapital erhöht. Die Bestimmungen des Gesetzes ermöglichen keine neuen „Maßnahmen der Kapitalbeschaffung", sondern es soll das Grundkapital der tatsächlich vorhandenen Finanzkraft der Gesellschaft angepaßt werden, also materiell eine K a p i t a l berichtigung durchgeführt werden und keine Kapitalbeschaffung. Rauch hat in seinem Buch „Kapitalerhöhung aus Gesellschafts mittein" (3. Aufl., S. 126) bereits darauf hingewiesen, daß diese Art der Änderung des Grundkapitals wesensverwandt ist mit der vereinfachten Kapitalherabsetzung bei der A G (§§ 229—236). In beiden Fällen handelt es sich um eine Kapitalangleichung, im letzteren Fall nach unten, in dem uns beschäftigenden Fall nach oben (so auch von Godin in Arch. ziv. Pr. 145, 69—86 und Z A K 1942, 283; Baumbach-Hueck Überbl. vor § 149 R n 2 und § 207 R n 2 und Würdinger S. 240; dagegen Boesebeck N J W 4 8 , 9 8 ) . Praktisch wirkt sich die hier vertretene Auffassung dahin aus, daß, wenn nur eine Berichtigung des Grundkapitals durchgeführt wird, auch nur eine Berichtigung der Anteile, in die dieses Grundkapital zerlegt ist, erfolgen kann. Es sind keine neuen Anteile vorhanden, die bei der Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien gezeichnet (§ 186) werden müßten. Es kann auch nicht die Frage des Bezugsrechts der bisherigen Anteilseigner auftreten, weil die neuen oder in ihrem Nennwert erhöhten Anteilrechte mit der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses in der Person des bisherigen A k tionärs automatisch entstehen ( § 2 1 1 und Anm. dort). Infolgedessen ist es auch nicht möglich, etwa durch einen qualifizierten Mehrheitsbeschluß ein solches überhaupt nicht bestehendes Bezugsrecht zu beseitigen, und es ist darüber hinaus auch nicht möglich, die Bestimmungen für die Beseitigung des Bezugsrechts analog anzuwenden. Im Gesetz kommt diese rechtliche N a t u r des Erhöhungsbeschlusses an verschiedenen Stellen zum Ausdruck, vor allem in § 212 (s. Anm. dort), in dem bestimmt wird, daß die neuen Anteilsrechte den Aktionären im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zustehen und daß ein entgegenstehender Beschluß der Hauptversammlung nichtig ist. Zahlreiche weitere Bestimmungen des Gesetzes tragen diesem Grundsatz Rechnung: a) § 213: entstehen sogenannte Spitzen, auf die nur ein Teil eines neuen Anteilsrechts entfällt, so sind diese für den Inhaber der alten Aktien veräußerlich und vererblich. b) § 215 I : eigene Aktien nehmen an der Erhöhung teil. c) § 2 1 6 1 : das Verhältnis verschiedener Aktiengattungen zueinander darf nicht abgeändert werden. d) § 216 I S. 2: die Ausgabe neuer Mehrstimmrechtsaktien bedarf nicht der Zulassung des § 12 II. e) § 218: das bedingte K a p i t a l (§§ 192 ff.) nimmt an der Erhöhung teil. 1196

Voraussetzungen

§207 Anm. 2—5

f) § 220: bei bilanzpflichtigen Aktionären ist der Zuwachs an Aktien nicht als Zugang auszuweisen. Wenn somit eindeutig anerkannt ist, daß es sich materiell um eine Kapitalberichtigung bei der Gesellschaft und um eine Berichtigung der Anteilsrechte bei den Aktionären handelt, so ist doch nicht zu verkennen, daß mit dem Beschluß, durch den offene Rücklagen in Grundkapital umgewandelt werden, auch eine Erhöhung des Grundkapitals erfolgt. Dem trägt das Gesetz in den Bestimmungen über die Beschlußfassung und Anmeldung des Beschlusses Rechnung. III. Der Kapitalerhöhungsbeschluß 1. Allgemeine Voraussetzung a) Satzungsänderung Anm. 3: Jede Kapitalberichtigung ist gleichzeitig eine Änderung der Satzung oder des Gesellschaftsvertrages, denn der Nennbetrag des haftenden Kapitals ist nach § 23 III N r . 4 notwendiger Bestandteil der Satzung. Der Kapitalerhöhungsbeschluß kann nur in einer Hauptversammlung gefaßt werden. b) Einberufung

der

Hauptversammlung

Anm. 4: Für die Einberufung, den O r t und die Bekanntgabe der Tagesordnung gelten §§ 121—126 und 128. Diesen Vorschriften würde eine Ankündigung: „Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln" nicht genügen. Die Ankündigung muß den Vorschlag des Vorstandes enthalten und damit im einzelnen die Angaben, um welchen Betrag das Grundkapital erhöht werden soll. Ferner muß die Änderung der Satzung genau angekündigt werden, wie z. B. „und Änderung des § der Satzung (Grundkapital), der folgende Fassung erhält: . . . " oder „und Ermächtigung des Aufsichtsrats zur entsprechenden Änderung des § der Satzung (Grundkapital)" (§ 124 II). c) Beschlußfassung Anm. 5: Für die Beschlußfassung gelten die Bestimmungen über die Kapitalerhöhung, allerdings mit erheblichen Einschränkungen. Es hätte nähergelegen, die Bestimmungen über Satzungsänderungen anzuwenden. Die Bestimmungen über Kapitalerhöhung des Aktiengesetzes passen f ü r den vorliegenden Fall nicht, dies ist daraus zu ersehen, daß nur der § 182 I anzuwenden ist. Diese Bestimmung deckt sich inhaltlich mit der des § 179 II über die Satzungsänderung. Der § 182 II findet keine Anwendung, da die vorhandenen Gattungen von Aktien durch die Kapitalberichtigung in keiner Weise berührt werden, was sich schon aus dem Wesen der Kapitalberichtigung (vgl. 1197

§ 207

Anm. 5—7

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 2) ergibt und durch § 216 I nochmals ausdrücklich gesetzlich bestimmt wird. Alle anderen Bestimmungen über die Kapitalerhöhung kommen hier nicht in Frage, mit Ausnahme des § 184 I (hierüber s. Anm. 8). Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf nach § 182 I einer Mehrheit, die mindestens 3A des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Wenn die Satzung diese gesetzliche Kapitalmehrheit geändert hat, so ist die Satzungsbestimmung maßgebend. Die Satzung kann sowohl eine geringere als auch eine größere Kapitalmehrheit vorschreiben, immer ist jedoch eine Stimmenmehrheit erforderlich. Schreibt die Satzung daneben noch andere Erfordernisse vor, so sind auch diese einzuhalten. Die entsprechende Bestimmung des Satzes 3 des § 182 I ist allerdings im Gesetz nicht als für sinngemäß anwendbar erklärt. Dies dürfte jedoch auf einem Versehen beruhen (vgl. im einzelnen B.-H. Rn 1). Auch Satz 3 des § 182 I ist anzuwenden. 2. Besondere

Voraussetzung

Anm. 6: Besondere Voraussetzung des Erhöhungsbeschlusses ist, daß ihm eine geprüfte Bilanz zugrunde zu legen ist. Dies wird in der Regel die letzte Jahresbilanz sein (§ 209 I). Liegt deren Stichtag so weit zurück, daß die Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht innerhalb von 8 Monaten vom Stichtag der Bilanz gerechnet beim Handelsregister erfolgen kann, und will man mit der Kapitalerhöhung nicht bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung warten, so muß nach den Bestimmungen des § 209 II eine besondere Bilanz erstellt werden (vgl. im einzelnen die Anm. zu § 209). Ein Erhöhungsbeschluß, dem keine Bilanz zugrunde liegt, ist nichtig. 3. Zeitliche Voraussetzung Anm. 7: Zeitlich kann der Kapitalberichtigungsbeschluß erst von der Hauptversammlung gefaßt werden, nachdem für das letzte, vor der Beschlußfassung abgelaufene Geschäftsjahr der Jahresabschluß festgestellt ist, d. h., es muß eine Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung vorliegen. Es muß weiter der Jahresabschluß festgestellt sein, das bedeutet, daß eine ordnungsgemäße Prüfung nach §§ 162—169 vorausgegangen sein muß. Die Feststellung des Jahresabschlusses ist erfolgt, wenn der Aufsichtsrat den ihm vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß billigt (§ 172). Billigt der Aufsichtsrat den Jahresabschluß nicht oder entscheiden sich Aufsichtsrat und Vorstand für die Feststellung durch die Hauptversammlung, so stellt diese den Jahresabschluß fest. Grundsätzlich kommt es auf die Reihenfolge der zu fassenden Beschlüsse nicht an, da eine Änderung des festgestellten Jahresabschlusses durch den Gewinnverwendungsbeschluß nicht mehr eintritt. Es kann jedoch vorgesehen 1198

Voraussetzungen

§207

Anm. 7 , 8

sein, daß die neuen Aktien am Gewinn des bereits abgelaufenen Geschäftsjahres teilnehmen sollen. In diesem Falle muß die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln dem Gewinnverwendungsbeschluß vorgehen (§ 217 II). Dann sind die Beschlüsse in folgender Reihenfolge zu fassen: 1. Feststellung des Jahresabschlusses (falls die Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat erfolgt ist, Vorlage des Jahresabschlusses). 2. Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft . . . D M durch Umwandlung von offenen Rücklagen in Höhe v o n . . . DM. 3. Die Erhöhung wird ausgeführt durch Ausgabe neuer Aktien (es folgt Stückelung) im V e r h ä l t n i s . . . z u . . . an die bisherigen Aktionäre. 4. Die neuen Aktien nehmen an dem Gewinn des am . . . abgelaufenen Geschäftsjahres (letztes abgelaufenes Geschäftsjahr) teil. 5. Gewinnverwendungsbeschluß. 6. Satzungsänderungen: „§ . . . (Grundkapital) wird wie folgt geändert: u Wird im Beschluß nicht bestimmt, von wann ab die neuen Anteile am Gewinn teilnehmen, so nehmen sie voll am Gewinn des Jahres teil, in dem die Kapitalerhöhung beschlossen wird (§ 217 I). Ist der Jahresabschluß für das letzte vor der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufene Geschäftsjahr festgestellt, so kann eine neu einberufene Hauptversammlung aufgrund des bereits durch eine andere Hauptversammlung verabschiedeten Jahresabschlusses den Kapitalerhöhungsbeschluß fassen. Sie kann aber in diesem Fall nicht mehr von § 217 II Gebrauch machen, d. h., es können die neuen Anteile nicht am Ergebnis des bereits abgelaufenen Geschäftsjahres teilnehmen, weil in diesem Falle bereits ein Gewinnverwendungsbeschluß vorliegt und somit nicht nach der Sonderbestimmung des § 217 II verfahren werden kann. Weitere Voraussetzung ist, daß die zweite Hauptversammlung, die aufgrund des letzten Jahresabschlusses den Kapitalerhöhungsbeschluß fassen will, so zeitig stattfindet, daß die Achtmonatsfrist zwischen dem Stichtag des Jahresabschlusses und der Anmeldung des Erhöhungsbeschlusses eingehalten werden kann. Ist dies nicht mehr möglich, so muß dem Erhöhungsbeschluß eine nach § 209 neu aufgestellte besondere Bilanz für einen Stichtag zugrunde gelegt werden, der die Einhaltung der Frist möglich macht. Auch in diesem Fall kann von § 217 I I nicht mehr Gebrauch gemacht werden. Für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gibt es keine zeitliche Begrenzung. Es kann also die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stets dann vorgenommen oder wiederholt werden, wenn die Kapitalstruktur der Gesellschaft dies zweckmäßig erscheinen läßt. 4.

Anmeldung

Anm. 8:

Für die Anmeldung des Beschlusses gelten die Bestimmungen für 1199

§§ 207/208 Anm. 8

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

die Anmeldung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses, das ist § 184 I. Danach haben der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrates den Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Diese Bestimmung weicht insofern von der korrespondierenden Bestimmung des § 1 8 1 1 S. 1 bei der Anmeldung einer Satzungsänderung ab, als dort nur der Vorstand anzumelden hat. Diese wahrlich sachlich geringfügige und praktisch nicht ins Gewicht fallende Abweichung rechtfertigt es unseres Erachtens nicht, daß man für diesen rein formellen Vorgang der Anmeldung, anstelle der Bestimmung der Satzungsänderung, diejenige für die Kapitalerhöhung für anwendbar erklärt hat. Bei allen materiellen Bestimmungen des Gesetzes ist der Gedanke der Kapitalberichtigung und der Berichtigung der Anteilsrechte streng durchgeführt. Es hätte deshalb auch hier genügt, auf die Bestimmung des § 1 8 1 1 S. 1 zu verweisen, zumal hier im Gegensatz zu allen anderen Kapitalerhöhungen eine Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung (§ 188) entfällt. V o m Vorstand haben so viele die Anmeldung zu unterzeichnen, wie zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind (§ 78). Die Anmeldenden haben dem Registergericht gegenüber zu erklären, daß nach ihrer Kenntnis seit dem Stichtag der zugrunde gelegten Bilanz bis zum Tage der Anmeldung keine Vermögensminderung eingetreten ist, die der Kapitalerhöhung entgegenstände, wenn sie am Tage der Anmeldung beschlossen worden wäre. Der Anmeldung sind beizufügen die mit dem Bestätigungsvermerk der Prüfer versehene Bilanz, die dem Erhöhungsbeschluß zugrunde liegt, und, wenn dies nicht die letzte Jahresbilanz war, auch diese, sofern sie noch nicht eingereicht ist (vgl. § 210 und Anm. dort.).

§ 208 Umwandlungsfahige Rücklagen (1) Die Rücklagen, die in Grundkapital umgewandelt werden sollen, müssen in der letzten Jahresbilanz, wenn dem Beschluß eine andere Bilanz zugrunde gelegt wird, auch in dieser Bilanz, unter „Offene Rücklagen" ausgewiesen sein. Vorbehaltlich des Absatzes 2 können freie Rücklagen in voller H ö h e , die gesetzliche Rücklage nur, soweit sie den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des bisherigen Grundkapitals übersteigt, in Grundkapital umgewandelt werden. (2) Die Rücklagen können nicht umgewandelt werden, soweit in der zugrunde gelegten Bilanz ein Verlust, einschließlich eines Verlustvortrags, oder ein anderer Gegenposten z u m Eigenkapital ausgewiesen ist. Sonderposten mit Rücklageanteil können nicht umgewandelt werden. Freie Rück1200

Umwandlungsfähige Rücklagen

§208

Anm. 1,2

lagen, die einem bestimmten Zweck zu dienen bestimmt sind, dürfen nur umgewandelt werden, soweit dies mit ihrer Zweckbestimmung vereinbar ist. I. Übersicht (Anm. 1) II. Zur Verfügung stehende Mittel 1. Freie Rücklagen (Anm. 2) 2. Gesetzliche Rücklagen (Anm. 3) III. Besondere Voraussetzung (Anm. 4) IV. Verbot der Umwandlung

1. Lastenausgleichsvermögensabgabe (Anm. 5) 2. Sonderposten mit Rücklageanteil (Anm. 6) 3. Zweckgebundene Rücklagen (Anm. 7) V. Verstoß (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt im wesentlichen die Bestimmungen des bisherigen § 2 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln unter Weglassung der nur für andere Kapitalgesellschaften vorgesehenen (Abs. 1 Nr. 2) oder nur als Übergang gedachten Bestimmungen (Abs. 2 Nr. 1 und 2). § 2 I I I ist als Satz 3 im Abs. 2 aufgenommen worden. II. Zur Verfügung stehende Mittel 1. Freie Rücklagen Anm. 2: § 208 bestimmt, welche Gesellschaftsmittel für die Kapitalerhöhung verwendet werden können. Zunächst müssen die zur Umwandlung bestimmten Gesellschaftsmittel in der letzten Jahresbilanz unter offene Rücklagen ausgewiesen sein. Das bedeutet zunächst einmal rein formell, daß die Beträge, die zur Umwandlung herangezogen werden sollen, in der Bilanz, die die Grundlage für die Umwandlung bildet, als offene Rücklagen bezeichnet werden. Das kann sowohl eine gesetzliche Rücklage als auch eine freie Rücklage sein. Immer muß aber die Bezeichnung „Rücklage" in dieser Bilanz gebraucht werden. In materieller Beziehung bedeutet dies, daß der Umwandlungsbeschluß in der gleichen Hauptversammlung gefaßt wird, der die letzte Jahresbilanz zur Kenntnis oder zur Beschlußfassung vorgelegt wird, und daß in dieser Jahresbilanz erstmalig Gesellschaftsmittel unter Rücklagen ausgewiesen werden können. Es ist nicht erforderlich, daß diese Beträge etwa schon in der vorausgegangenen Bilanz enthalten waren. Nur dann, wenn der Erhöhungsbeschluß nicht aufgrund einer Jahresbilanz erfolgt, sondern aufgrund einer besonderen Bilanz nach § 209, müssen sowohl in dieser, zu einem späteren Stichtag erstellten Bilanz als auch in der vorangegangenen letzten Jahresbilanz die Gesellschaftsmittel unter offene Rücklagen ausgewiesen sein. Zweck dieser Bestimmung ist, eine gewisse Sicherheit für das Vorhandensein der Rücklagen zu schaffen, da der Jahresabschluß der Pflichtprüfung unterliegt. Hieraus ergibt sich, daß auch dann, wenn die letzte ordentliche Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß Beträge in Rücklage gestellt 1201

§ 208 Anm. 2 , 3

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

hat, diese auch dann nicht zur Kapitalerhöhung verwendet werden können, wenn sie in der später aufgestellten besonderen Bilanz, die dem K a p i t a l erhöhungsbeschluß zugrunde liegt, mit Recht als Rücklagen aufgeführt sind, weil sie in der vorausgegangenen letzten Jahresbilanz noch nicht enthalten waren und der Gewinnverwendungsbeschluß nach § 174 I I I nicht zu einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses führt. Vor Feststellung des neuen Jahresabschlusses, auf den sich der Gewinnverwendungsbeschluß des Vorjahres ausgewirkt hat, können deshalb diese Beträge nicht mit verwendet werden. Stille Rücklagen, Bewertungsreserven oder Rückstellungen können ebensowenig in Grundkapital umgewandelt werden wie ein Gewinnvortrag oder der Bilanzgewinn des Jahres (vgl. B.-H. R n 2 ; a. A. Veith in D B 1960,110). D a s schließt nicht aus, daß Vorstand und Aufsichtsrat bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses bisherige stille Rücklagen als oifene ausweisen und frei gewordene Rückstellungen einer Rücklage zuführen. Diese Rücklagen sind dann umwandlungsfähig, soweit nicht die Ausnahmen des Abs. 2 dem entgegenstehen. Die bisher streitige Frage, ob Vorstand und Aufsiditsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses den Gewinnvortrag des vergangenen Jahres zu Rücklagen verwenden können, ist nach den neuen Bestimmungen über die Gewinnverwendung zu bejahen. Dies ergibt sich aus § 174 I I I , wonach der Gewinnverwendungsbeschluß eine Änderung des festgestellten Jahresabschlusses nicht herbeiführt. D a s bedeutet, daß solche Rücklagen, die erst von der Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß geschaffen werden, nicht zur Kapitalerhöhung nach § 207 verwendet werden können (B.-H. § 207 R n 3; Zintzen-Halft § 2 Anm. 2; Geßler in WM Beil 1 6 0 , 1 3 ) . Der Gewinnvortrag des Vorjahres kann daher nur dann berücksichtigt werden, wenn der Vorstand und Aufsiditsrat für berechtigt angesehen werden, ihn für Rücklagen zu verwenden. Ebenso kann der Bilanzgewinn, auch wenn die Hauptversammlung diesen oder einen Teil davon in offene Rücklagen einstellt, nicht für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln herangezogen werden (§ 174 I I I ; § 2 0 7 1 ) . 2. Gesetzliche

Rücklagen

Anm. 3: Zu den in der Jahresbilanz unter offene Rücklagen ausgewiesenen Beträgen gehören auch diejenigen, die in der Bilanz unter dem Posten „gesetzliche Rücklagen" erscheinen. Diese Beträge können jedoch zur U m wandlung nur insoweit herangezogen werden, als sie den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des bisherigen Grundkapitals übersteigen. Diese Bestimmung trägt dem in § 150 I I N r . 1 zum Ausdruck kommenden Grundsatz über die H ö h e der gesetzlichen Rücklagen Rechnung. Sind Beträge nach § 150 I I N r . 2—4 in die gesetzliche Rücklage eingestellt wor1202

Umwandlungsfähige Rücklagen

§ 208 Anm. 3,4

den, so stehen sie ebenso wie die Beträge, die bei einer Kapitalherabsetzung nach den §§ 232, 237 V in die gesetzliche Rücklage einzustellen waren (§ 150 II S. 1), zur Umwandlung zur Verfügung und selbstverständlich auch die Beträge, die etwa ohne jede gesetzliche Verpflichtung dem Posten „gesetzliche Rücklage" zugewiesen wurden. Diese weitgehende Auflockerung der gesetzlichen Rücklage ist deshalb unbedenklich, weil durch die Umwandlung dieser Beträge in Grundkapital die bisherige Bindung, der sie als gesetzliche Rücklage unterworfen waren, nicht verringert, sondern verschärft wird. Schöpft eine Gesellschaft die Umwandlungsmöglichkeiten bei der gesetzlichen Rücklage voll aus, so ist zu beachten, daß alsdann § 150 II Nr. 1 für die Zukunft gilt; sie muß nunmehr den Betrag, der mindestens dem zwanzigsten Teil des jährlichen Jahresüberschusses — gemindert um einen etwaigen Verlustvortrag — entspricht, solange wie die Rücklage nicht den zehnten oder den in den Satzungen bestimmten höheren Teil des neuen Grundkapitals erreicht, der gesetzlichen Rücklage zuführen. Soweit die Satzung einen höheren Betrag als 10 % des Grundkapitals für die gesetzliche Rücklage vorschreibt, könnte die Satzung durch satzungsändernden Beschluß der Hauptversammlung abgeändert werden. Zu beachten ist aber, daß dies nicht in der Hauptversammlung erfolgen kann, die die Umwandlung dieses über 10 % des Grundkapitals hinausgehenden Teils der Rücklagen in Grundkapital beschließen will, denn die Satzungsänderung ist zum Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht wirksam. Sie wird dies erst mit der Eintragung in das Handelsregister. Es müßte also eine besondere Hauptversammlung, die diese Satzungsänderung vornimmt, der Hauptversammlung, die den Erhöhungsbeschluß faßt, vorausgehen, und es müßte vorher die Eintragung des satzungsändernden Beschlusses erfolgt sein; denn für die Zulässigkeit des Umwandlungsbeschlusses ist die Rechtslage maßgebend, die zu der Zeit besteht, in der der Beschluß gefaßt wird. Die durch eine gleichzeitig beschlossene Satzungsänderung etwa frei werdenden Beträge der gesetzlichen Rücklage können deshalb nicht in der gleichen Hauptversammlung in Grundkapital umgewandelt werden (Fischer in Großkomm. § 2 Gesetz über Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Anm. 6; Baumbach-Hueck Rn 4). III. Besondere Voraussetzung Anm. 4: Die in der Bilanz unter Rücklagen ausgewiesenen Beträge können nur dann in Grundkapital umgewandelt werden, wenn sie nicht nur formell in der Bilanz als solche ausgewiesen sind, sondern auch wirtschaftlich noch in voller Höhe vorhanden sind. Die Umwandlung ist deshalb ausgeschlossen, wenn die zugrunde gelegte Bilanz einen Verlust, einschließlich eines Verlustvortrages, oder einen anderen Gegenposten zum Eigenkapital aufweist. Hierunter sind nidit die Außenstände auf Einlagen gemeint (vgl. Brönner § 2 1203

§ 208 Anm. 4 , 5

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 3; Möhring-Tank I Rz 474; B.-H. Rn 5). Nach der amtlichen Begründung des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (Bundestagsdrucksache I I I 416) ist hierbei gedacht an das Kapitalverlustkonto nach § 38 DM-Bilanzgesetz, Kapitalentwertungskonten nach §§ 9, 36, 37 DM-Bilanzgesetz, soweit sie noch vorhanden sein sollten, obwohl sie schon getilgt sein müßten und Lastenausgleidisgegenposten nach § 221 des Lastenausgleichsgesetzes, nicht aber an den Gegenwartswert der Lastenausgleichsvermögensabgabe, wenn dieser nicht in der Bilanz enthalten, sondern nach §218 LAG außerhalb der Bilanz vermerkt ist. Wenn neben diesen Posten Rücklagen ausgewiesen sind, so sind sie wirtschaftlich insoweit keine echten Rücklagen, als das Kapital der Gesellschaft um die Gegenposten vermindert ist. Waren solche Gegenposten in früheren Bilanzen enthalten, so müssen sie zunächst in der Bilanz, die der Kapitalerhöhung zugrunde liegt, ausgeglichen werden. Nur die nach diesem Ausgleich noch vorhandenen und als solche ausgewiesenen Rücklagen können zur Kapitalerhöhung herangezogen werden. Außenstehende Einlagen auf das Grundkapital eigener Aktien und die aus Anlaß der Währungsumstellung den Geldinstituten und Versicherungsunternehmen gewährte Ausgleichsforderung gegen die öffentliche Hand sind dagegen nicht Gegenposten zum Eigenkapital im Sinne dieser Bestimmung. Besondere Erwähnung im Gesetz ( § 1 6 EG) fand die als „Rücklage für die Lastenausgleichsvermögensabgabe" bezeichnete Rücklage. IV. Verbot der Umwandlung 1. Lastenausgleichsvermögensabgabe Anm. 5: Die Lastenausgleichsvermögensabgabe ist eine echte Schuld, die jedoch nach dem Lastenausgleichsgesetz nicht in die Bilanz selbst aufzunehmen ist, vielmehr ist sie nur im Anschluß an die Bilanz aufzuführen (§ 218 LAG). Eine Reihe von Gesellschaften ist inzwischen dazu übergegangen, die Vermögensabgabe als solche zu passivieren oder für sie eine besondere Rückstellung in die Passiven aufzunehmen. Nach § 218 II LAG ist es aber auch zulässig, eine „Rücklage für die Lastenausgleichsvermögensabgabe" zu bilden. Wenn Beträge unter der ausdrücklichen Bezeichnung „Rücklage für die Lastenausgleichsvermögensabgabe" in eine Rücklage eingestellt sind, so ist diese von der Umwandlung ausgeschlossen (§ 16 II EG), nicht aber, wenn etwa eine Gesellschaft Rücklagen ohne besonderen Hinweis auf die Lastenausgleichsvermögensabgabe in die Bilanz aufgenommen oder durch besondere Mittel vorhandene Rücklagen verstärkt hat im Hinblick auf die Lastenausgleichsvermögensabgaben. Solche Rücklagenbeträge würden zur Umwandlung zur Verfügung stehen (Geßler in WM 1960, Sonderbeilage Nr. 1 S. 15). An sich würde eine solche Rücklage für die Lastenausgleichsvermögensabgabe bereits unter § 208 II S. 3 fallen. 1204

Umwandlungsfähige Rücklagen

§208

Anm. 5—7

Bereits in der amtlichen Begründung ist ausgeführt, daß die Rücklage für den Lastenausgleich zur Vermögensabgabe nicht zur Kapitalerhöhung aus Gesellsctiaftsmitteln verwandt werden kann, weil sie nach § 218 Abs. 2 S. 2 LAG nur zur Ablösung der Vermögensabgabe und zur Entrichtung der Vierteljahresbeträge sowie zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung von sonstigen Verlusten verwandt werden darf. Man hat es trotzdem aus allgemeinen wirtschaftspolitischen Gründen für notwendig gehalten, die Gesellschaft ausdrücklich durch die Bestimmung des § 16 II E G auf die Lastenausgleichsvermögensabgabe hinzuweisen. Die Frage ist bewußt im Einführungsgesetz geregelt worden, weil diese Vermögensabgabe eine vorübergehende Angelegenheit ist. 2. Sonderposten mit Rücklageanteil Anm. 6: Unter Sonderposten versteht das Gesetz nach der amtlichen Begründung die Nr. 3 des Abs. 2 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, d. h. solche Posten, die aufgrund steuerlicher Vorschriften erst bei ihrer Auflösung zu versteuern sind. Sie können nicht zur Kapitalerhöhung herangezogen werden. Dies trägt dem Gedanken Rechnung, daß grundsätzlich nur versteuerte Rücklagen zur Umwandlung in Nennkapital geeignet sind. Bei diesen Rücklagen handelt es sich mindestens nicht in voller Höhe um echte freie Rücklagen. Es bleibt ungewiß, welcher Betrag zu versteuern ist. Mindestens in Höhe der zu erwartenden Steuerbeträge haben sie Rückstellungscharakter. Um Unklarheiten zu vermeiden, sind deshalb diese Rücklagen in voller Höhe von der Umwandlung ausgeschlossen. Es können also nicht die Steuern zurückgestellt und der Restbetrag als „freie" Rücklagen verwendet werden. 3. Zweckgebundene Rücklagen Anm. 7: Nur die zweckgebundenen Rücklagen, die in der Bilanz, die dem Erhöhungsbeschluß zugrunde gelegt wird, noch als zweckgebundene Rücklagen bezeichnet sind, fallen unter die Bestimmung des Abs. 2 S. 3. Ist die Zweckbindung vor oder bei Feststellung des Jahresabschlusses aufgehoben worden, so können sie zur Umwandlung verwandt werden. Die Aufhebung der Zweckbindung kann nur durch die Gesellschaftsorgane erfolgen, die den Jahresabschluß feststellen, also entweder durch Vorstand und Aufsichtsrat oder durch die Hauptversammlung. Es ist gleichgültig, durch welches der Gesellschaftsorgane die Zweckbindung ursprünglich vorgenommen wurde, denn bei jeder Jahresbilanz können von den feststellenden Organen Rücklagen aufgelöst werden, mithin kann auch eine Zweckbindung aufgehoben werden. Sollte sich ausnahmsweise die Zweckbindung aus der Satzung ergeben, so bedarf es eines satzungsändernden Beschlusses, der erst durch die Eintragung im Handelsregister wirksam wird. Es ist infolgedessen nicht mög1205

§ 208 Anm. 7,8

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

lieh, diesen Beschluß in der gleichen Hauptversammlung zu fassen, die derartige satzungsmäßig zweckgebundenen Rücklagen zur Kapitalerhöhung verwenden will. Trotz einer Zweckbindung können Rücklagen auch dann in Grundkapital umgewandelt werden, wenn diese mit ihrer Zweckbestimmung vereinbar ist, dies wird z. B. für Rücklagen zutreffen, die für Investitionen bestimmt sind. Nicht umgewandelt werden dürfen Rücklagen, die für Ausgaben bestimmt sind, die nicht aktivierungsfähig sind, denn ihr Zweck ist es, einen Bilanzausgleichsposten für den Fall der Minderung der Aktivseite durch die geplante Ausgabe zu haben (vgl. Geßler in BB 1960, 8). Für alle in Abs. 2 aufgeführten Rücklagen verbietet das Gesetz lediglich ihre Verwendung zur Kapitalerhöhung. Im übrigen kann die Gesellschaft diese Rücklagen nach den bestehenden Gesetzen verwenden. Die Verwaltung kann sie — mit Ausnahme der Rücklage für die Lastenausgleichsvermögensabgabe (§ 16 II EG), deren Verwendung durch gesetzliche Vorschrift eingeschränkt ist — über die Gewinn- und Verlustrechnung auflösen und entweder zur Gewinnverteilung an die Aktionäre oder zur Bildung neuer, nunmehr freier und umwandlungsfähiger Rücklagen verwenden (vgl. Geßler in BB 1960, 8). V. Verstoß Anm. 8: Eine Verletzung der Bestimmungen des Abs. 2 hat verschiedene Folgen. Werden Rücklagen entgegen S. 2 und § 16 II EG umgewandelt, so ist dieser Beschluß nichtig (Veith in DB 1960, 110; Geßler in BB 1960, 8; B.-H. Rn 8; a. A. Forster-Müller in DieAktGes 1960, 85). Das Verbot, die dort aufgeführten Rücklagen umzuwandeln, ist eine Bestimmung zum Schutz der Gläubiger, und zwar hier des Steuerfiskus im Sinne des § 241 Nr. 3. Im Falle der Nichtigkeit eines solchen Beschlusses wird man die Bestimmungen des § 242 II für anwendbar halten müssen. Danach kann die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluß in das Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem 3 Jahre verstrichen sind. Streitig bleibt, wie bei jeder Kapitalerhöhung, so auch hier bei einem nichtigen Umwandlungsbeschluß, ob die aufgrund dieses Beschlusses ausgegebenen neuen Aktien infolge der Eintragung des nichtigen Beschlusses in das Handelsregister als gültig anzusehen sind. Die Aktien sind solange nichtig, wie die Nichtigkeit des Erhöhungsbeschlusses geltend gemacht werden kann (vgl. im einzelnen § 183 Anm. 5; a. A. Geßler in WM 1960 Sonderbeilage 1 S. 15, wonach den Inhabern der neuen Aktien, auch wenn es die alten Aktionäre sind, die Nichtigkeit ihrer Aktien aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht entgegengehalten werden könne). Bei der zweiten Ausnahme für die Umwandlung von Rücklagen in Grundkapital in Abs. 2 S. 3 bedient sich der Gesetzgeber des Ausdrucks „dür1206

Zugrunde gelegte Bilanz

§§208/209 Anm. 8

fen nur umgewandelt werden". Es soll damit zum Ausdruck kommen, daß ein Verstoß gegen diese Bestimmung nur Anfechtung des Beschlusses zur Folge hat (Fischer in Großkomm. § 2 Gesetz über Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Anm. 18; Brönner § 2 Anm. 5; B . - H . Rn 8; Veith in D B 60, 110; Geßler in B B 60, 8). Es wirft sich dabei die Frage auf, wer die Anfechtung eines solchen Beschlusses durchführen soll. Der Aktionär wird selten ein Interesse daran haben. Nach § 245 Nr. 4 kann der Vorstand die Anfechtung durchführen. Liegt die Anfechtung im Interesse der Gesellschaft, so kann der Vorstand für die Unterlassung der Anfechtung haftbar gemacht werden.

§ 209 Zugrunde gelegte Bilanz (1) Dem Beschluß kann die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt werden, wenn die Jahresbilanz geprüft und die festgestellte Jahresbilanz mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Abschlußprüfer versehen ist und wenn ihr Stichtag höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Beschlusses zur Eintragung in das Handelsregister liegt. (2) Wird dem Beschluß nidit die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt, so muß die Bilanz den §§ 151 bis 156 entsprechen. Der Stichtag der Bilanz darf höchstens adit Monate vor der Anmeldung des Beschlusses zur Eintragung in das Handelsregister liegen. (3) Die Bilanz muß durdi einen oder mehrere Abschlußprüfer darauf geprüft werden, ob sie den §§ 151 bis 156 entspricht. Sie muß mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen sein. (4) Wenn die Hauptversammlung keine anderen Prüfer wählt, gelten die Prüfer als gewählt, die für die Prüfung des letzten Jahresabschlusses von der Hauptversammlung gewählt oder vom Gericht bestellt worden sind. Soweit sich aus der Besonderheit des Prüfungsauftrags nichts anderes ergibt, sind auf die Prüfung § 163 Abs. 1 Satz 3, §§ 164 bis 166, 167 Abs. 3, § 168 anzuwenden. (5) Bei Versicherungsgesellschaften werden die Prüfer vom Aufsichtsrat bestimmt; Absatz 4 Satz 1 gilt sinngemäß. Soweit sich aus der Besonderheit des Prüfungsauftrags nidits anderes ergibt, sind auf die Prüfung §§ 57 bis 5 9 des Gesetzes über die Beaufsiditigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen anzuwenden. (6) Im Fall der Absätze 2 bis 5 gilt für die Auslegung der Bilanz und für die Erteilung von Abschriften § 175 Abs. 2 sinngemäß. 1207

§209

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 1,2 I. Ubersicht (Anm. 1) II. Letzte Jahresbilanz 1. Allgemeines (Aiim. 2) 2. Prüfung (Anm. 3) 3. Frist (Anm. 4) III. Besondere Bilanz 1. Allgemeines (Anm. 5)

2. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 6) 3. Prüfung (Anm. 7) 4. Auslage (Anm. 8) 5. Recht auf Einsicht (Anm. 9) IV. Abweichende Satzungsbestimmungen (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift befaßt sidi mit der Bilanz, die dem Beschluß über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zugrunde zu legen ist. Sie übernimmt die Bestimmungen der §§ 3—5 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellsdiaftsmitteln mit einigen Änderungen, die jedoch den Inhalt nicht ändern, sondern lediglich darauf zurückzuführen sind, daß hier nur die Kapitalerhöhung bei Aktiengesellschaften behandelt werden kann. Eine sachliche Änderung ist nur insoweit erfolgt, als die Frist für die Bilanz von 7 auf 8 Monate verlängert worden ist. II. Letzte Jahresbilanz 1. Allgemeines Anm. 2: Der Gesetzgeber geht davon aus, daß im allgemeinen dem Kapitalerhöhungsbeschluß die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt wird. Das ist möglich, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind: a) die Jahresbilanz muß geprüft und die festgestellte Jahresbilanz mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Abschlußprüfers versehen sein; b) der Stichtag der Jahresbilanz darf nicht mehr als acht Monate vor der Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses zur Eintragung in das Handelsregister zurückliegen. Es ist mithin darauf zu achten, daß die Hauptversammlung, die die Jahresbilanz feststellt und gleichzeitig eine Kapitalerhöhung beschließen will, so zeitig stattfindet, daß die Anmeldung des Erhöhungsbeschlusses — nicht etwa seine Eintragung — vor Ablauf von acht Monaten, gerechnet vom Stichtag der Bilanz an, erfolgen kann. Die Prüfung hat nach den Bestimmungen über die Prüfung des Jahresabschlusses — §§ 151—156 — zu erfolgen. Auch der Bestätigungsvermerk bedarf keines anderen Inhaltes als in § 1671 vorgesehen. Der Prüfer hat nicht die Pflicht, Feststellungen darüber zu treffen, welche Beträge, die in der Bilanz angeführt sind, zur Umwandlung zur Verfügung stehen. Es genügt, daß sie unter „offene Rücklagen" erscheinen, damit entfällt für den Prüfer die Verpflichtung nachzuprüfen, ob für diese unter 1208

Zugrunde gelegte Bilanz

§ 209 Anm.2—4

Rücklage angeführten Beträge die Voraussetzung für die Umwandlung in Grundkapital gegeben ist. Er muß nur im Rahmen seiner ordnungsgemäßen Prüfung feststellen, ob die Beträge zu Recht unter Rücklagen ausgewiesen sind und damit die Bilanz ordnungsmäßig aufgestellt ist (Fischer in Großkomm. § 3 Kapitalerhöhungsgesetz Anm. 2). 2.

Prüfung

Anm. 3: Ist eine Prüfung des Jahresabschlusses nicht erfolgt, so kann eine rechtswirksame Feststellung des Jahresabschlusses nicht erfolgen (§ 162 I S. 2), und es ist damit auch der aufgrund eines ungeprüften Jahresabschlusses gefaßte Erhöhungsbeschluß nichtig. Wird ein geprüfter Jahresabschluß vom Aufsichtsrat und Vorstand geändert, so muß der geänderte Jahresabschluß erneut geprüft werden. Stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluß fest, so gilt das gleiche. Im vorliegenden Fall ist der Erhöhungsbeschluß nichtig, wenn die geänderte Jahresbilanz nicht nochmals geprüft und mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen ist. Das kann in der Weise geschehen, daß der in der Hauptversammlung anwesende Abschlußprüfer die etwa in der Hauptversammlung beschlossene Änderung auf ihre Zulässigkeit prüft und sodann erneut den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Dies ist aber zur Gültigkeit des Beschlusses erforderlich. Eine nachträgliche Prüfung und Einholung des Bestätigungsvermerkes ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht möglich, weil es heißt „versehen ist" (Schippel in D N Z 1960, 363). Die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, der die Umwandlung ohne diese Voraussetzung vornimmt, ergibt sich aus § 241 Nr. 3. Das Registergeridit hat im Rahmen seiner allgemeinen Prüfungspflicht festzustellen, ob die ihm nach § 210 vorzulegende, dem Kapitalerhöhungsbeschluß zugrunde gelegte Bilanz mit diesem Bestätigungsvermerk versehen ist, andernfalls hat es die Eintragung abzulehnen, im einzelnen vgl. hierzu die Anm. zu § 210. 3.

Frist

Anm. 4: Ob die zweite Voraussetzung gegeben ist, daß der letzte Jahresabschluß nur dann dem Erhöhungsbeschluß zugrunde gelegt werden kann, wenn ihr Stichtag höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Beschlusses zur Eintragung in das Handelsregister liegt, steht im Zeitpunkt der Beschlußfassung noch nicht fest, denn es ist möglich, daß die Anmeldung trotz rechtzeitiger Beschlußfassung verspätet erfolgt oder vom Registergericht abgelehnt wird. Der § 210 enthält im Abs. 2 eine Sonderbestimmung für diesen Fall. Das Registergericht darf den Beschluß nicht eintragen, wenn die Frist überschritten ist. Über die sich daraus ergebenden Folgen vgl. die Anm. zu §210. 1209

§ 209

Anm. 5—7

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

III. Besondere Bilanz 1. Allgemeines Anm. 5: Die Bestimmungen der Abs. 2—6 regeln den Fall, daß dem Erhöhungsbeschluß nicht die letzte Jahresbilanz, sondern nur eine besonders aufgestellte Bilanz zugrunde gelegt wird. Das wird im allgemeinen nur dann vorkommen, wenn der Stichtag der letzten Jahresbilanz so weit zurückliegt, daß die Achtmonatsfrist zur Anmeldung des Erhöhungsbeschlusses nicht eingehalten werden kann, und ganz besondere Gründe dafür sprechen, nicht die nächste ordentliche Hauptversammlung abzuwarten. Zu beachten ist, daß in dieser gesondert aufgestellten Bilanz nicht erstmalig Beträge unter „offene Rücklagen" auftauchen können, die für die Kapitalerhöhung zur Verfügung stehen, denn nach § 208 müssen diese Beträge in der letzten Jahresbilanz schon unter Rücklagen ausgewiesen sein. Sie müssen zusätzlich in der später gesondert aufgestellten Bilanz ebenfalls unter Rücklagen erscheinen. Es besteht also keine Möglichkeit, eine solche gesondert aufgestellte Bilanz etwa in dieser Beziehung auf die beabsichtigte Kapitalerhöhung hin abweichend von der letzten Jahresbilanz aufzustellen. Erst in der nächsten Jahresbilanz kann man Beträge, die bisher nicht unter Rüdklagen ausgewiesen wurden, als solche ansehen, und erst dann hat man neue Grundlagen für einen Kapitalerhöhungsbeschluß (vgl. im einzelnen, insbesondere wegen der durch den letzten Gewinnverwendungsbeschluß in offene Rücklagen gestellten Beträge, § 208 Anm. 2). Deshalb wird der durch die Bestimmungen der Abs. 2—6 geregelte Fall verhältnismäßig selten eintreten. 2. Anzuwendende Vorschriften Anm. 6: Die Bilanz muß den Vorschriften über die Gliederung der Jahresbilanz und über die Wertansätze in der Jahresbilanz entsprechen. Es gelten mithin neben der Generalklausel des § 149 die besonderen Gliederungsvorschriften der §§ 151 und 152. Für die Wertansätze gelten die §§ 153—156. Die Bilanz ist auf der Grundlage der letzten Jahresbilanz zu entwickeln. Abschreibung, Wertberichtigung, Rücklagen und Rückstellungen sind mit dem Teilbetrag anzusetzen, der dem Stichtag der Zwischenbilanz, um die es sich hier handelt, entspricht. Ebenso ist der Gewinn oder Verlust auszuweisen, dagegen ist es nicht erforderlich, eine Gewinn- und Verlustrechnung nach §§ 157, 158 aufzustellen. Sofern sich die Rücklagen in dieser Zwischenbilanz gegenüber der letzten Jahresbilanz erhöht haben, ist zu beachten, daß der Erhöhungsbetrag nicht zur Umwandlung benutzt werden kann. 3. Prüfung Anm. 7: Die Bilanz ist durch Abschlußprüfer im Sinne des § 164 zu prüfen, sie sind von der Hauptversammlung zu wählen. Geschieht dies nicht für die Aufstellung dieser Zwischenbilanz, so gelten diejenigen als Prüfer gewählt, 1210

Zugrunde gelegte Bilanz

§209

Anm.7,8

die für die Prüfung des letzten Jahresabschlusses von der Hauptversammlung gewählt oder vom Gericht bestellt worden sind. Die Prüfung erstreckt sich darauf, ob die Bilanz gemäß den Vorschriften über die Gliederung der Jahresbilanz und über die Wertansätze in der Jahresbilanz entsprechend dem Abs. 1 aufgestellt ist. Die Bestimmungen des § 167 I und II über den Bestätigungsvermerk finden keine Anwendung; vielmehr haben die Prüfer lediglich in einem Vermerk zu bestätigen, daß die Bilanz den Bestimmungen des Abs. 2 entspricht. Dieser Vermerk muß sich auf die Bilanz beziehen, die unverändert die Grundlage für die Kapitalerhöhung bildet. Der Vermerk muß uneingeschränkt erteilt werden und muß die Angaben nach § 167 III enthalten. Wenn eine Veränderung der Bilanz durch Aufsichtsrat und Vorstand oder die Hauptversammlung vorgenommen wird, was aber hier selten der Fall sein wird, da eine Bildung von neuen Rücklagen praktisch nicht in Frage kommt, müßte der Vermerk erneut erteilt werden. Im übrigen gelten für die Bestellung der Prüfer, deren Auskunftsrecht und für die Verantwortlichkeit der Prüfer die §§ 163 I, 165 und 168; danach ist der Prüfungsauftrag vom Vorstand zu erteilen. Anders bei Versicherungsaktiengesellschaften (Abs. 5). Bei diesen werden die Prüfer vom Aufsichtsrat bestimmt. Audi hier gelten, falls eine besondere Bestimmung nicht erfolgt, die Prüfer als bestimmt, die für die Prüfung des letzten Jahresabschlusses bestimmt worden sind; im übrigen gelten bei diesen Gesellschaften die §§ 57—59 des Gesetzes über die Beaufsichtigung des privaten Versicherungsunternehmens und der Bausparkassen entsprechend. 4. Auslage Anm. 8: Die Bestimmungen des Abs. 6 ergänzen diejenigen der Abs. 2—5. Sie beziehen sich lediglich auf den Sonderfall, daß nicht die Jahresbilanz der Kapitalerhöhung zugrunde gelegt wird, sondern eine besonders aufgestellte Zwischenbilanz. Die Vorschriften des § 175 II sollen sinngemäße Anwendung finden. Dies bezieht sich lediglich, darauf, wann und wo die Bilanz ausgelegt werden muß und ob den Aktionären Abschriften erteilt werden müssen. Ein dem Geschäftsbericht entsprechender Bericht oder ein Bericht des Aufsichtsrates ist nicht erforderlich und demgemäß nicht auszulegen. Auszulegen ist die nach den Grundsätzen der Abs. 2—5 aufgestellte Bilanz. Es ist nicht notwendig, daß diese schon mit dem Prüfungsvermerk nach Abs. 3 versehen ist. Auch die Prüfung selbst braucht nicht abgeschlossen zu sein. Es ist aber naturgemäß unzweckmäßig, die Prüfung so spät vornehmen zu lassen, daß sie nicht wenigstens so weit abgeschlossen ist, daß eine Veränderung der ausgelegten Bilanz nicht mehr zu erwarten ist. Die ausgelegte Bilanz muß der Hauptversammlung unverändert vorgelegt werden. Diese kann selbst Veränderungen vornehmen, die alsdann der Prüfung bedürfen und einen neuen Priifungsvermerk im Sinne des Abs. 3 notwendig machen. Wird die Bilanz aufgrund 1211

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

§ 209

Anm. 8—10

der Prüfung verändert und der Hauptversammlung somit eine andere Bilanz als die ausgelegte vorgelegt, so liegt ein Verstoß gegen § 206 VI vor, was den trotzdem gefaßten Beschluß anfechtbar macht (Fischer in Großkomm. § 5 Kapitalerhöhungsgesetz Anm. 5; B.-H. Rn 12). 5. Recht auf

Einsicht

Anm. 9: Die Auslegung erfolgt nur für die Aktionäre. Derjenige Aktionär, der Einsicht nehmen will, muß sich bei der Namensaktie durch Eintragung im Aktienbuch, bei der Inhaberaktie durch Vorlegung dieser Aktie oder der Hinterlegungsbescheinigung oder auf andere Weise ausweisen. Die Einsicht kann auch durch einen Bevollmächtigten vorgenommen werden. Auf Verlangen ist jedem Aktionär eine Abschrift der Bilanz zu übersenden. Nach der Hauptversammlung kann das Verlangen nicht mehr gestellt werden, da es ebenso wie das Redit auf Einsicht dem Aktionär nur dazu dienen soll, sich auf die Hauptversammlung vorzubereiten. Die Kosten der Zusendung hat die Gesellschaft zu tragen (vgl. § 175 Anm. 4). Das Recht auf Einsicht und Übersendung kann durch Ordnungsstrafe nach § 407 erzwungen und später mit ihrer Verweigerung die Anfechtung der Beschlüsse begründet werden (vgl. § 175 Anm. 4). Wird der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt, so ist eine dem Abs. 6 entsprechende Bestimmung nicht vorgesehen. Dies ist wohl daraus zu erklären, daß die Hauptversammlung in der gleichen Versammlung, in der sie den Jahresabschluß entgegennimmt, auch über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln beschließt. In diesem Falle gilt § 175 I I direkt, so daß es einer Sonderbestimmung nicht bedurfte. Es kann aber sein, daß die Jahresbilanz der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zugrunde gelegt wird, diese aber in einer späteren Hauptversammlung — allerdings so rechtzeitig, daß die Achtmonatsfrist gewahrt werden kann — beschlossen werden soll. Für diesen Fall ist § 209 V I ebenfalls anzuwenden (Geßler in D N 2 1960, 620; Fischer in Großkomm. § 5 Gesetz über die Kapitalerh. aus Gesellschaftsm., Anm. 4). IV. Abweichende Satzungsbestimmungen Anm. 10: Es ist für die Bestimmung des § 175 II anerkannt, daß die Satzung eine längere, keine kürzere Frist bestimmen kann. Es erhebt sich die Frage, ob, wenn die Satzung eine längere Frist bestimmt hat, diese auch im vorliegenden Fall gilt. Man wird die Frage bejahen müssen, obwohl es sich hier um einen besonderen Vorgang handelt (vgl. Fischer in Großkomm. § 5 Ges. über die Kapitalerh. aus Gesellschaftsm. Anm. 1). Der Sinn einer solchen Satzungsbestimmung ist der, daß den Aktionären ein Recht eingeräumt werden soll, das über die gesetzlichen Bestimmungen des § 1 7 5 1 1 hinausgeht. Wenn es sich hier darum handelt, eine Bilanz vorzulegen, die die 1212

Anmeldung und Eintragung des Bsedilusses

§§209/210

Anm. 10/1 Grundlage für die Kapitalerhöhung bildet, so wird man die für den Jahresabschluß in der Satzung festgelegte Bestimmung auch hier sinngemäß anzuwenden haben. Die Frist ist nach §§ 1871, 188 BGB zu berechnen. Danach wird, wenn die Bilanz gleich morgens ausgelegt wird, der erste Tag der Auslegung, aber mit Rücksicht auf das Wort „mindestens" nicht der Tag der Hauptversammlung bzw. der letzte Hinterlegungstag mitgeredinet (vgl. § 175 Anm. 3). § 210 Anmeldung und Eintragung des Beschlusses (1) Der Anmeldung des Beschlusses zur Eintragung in das Handelsregister ist für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte Bilanz mit Bestätigungsvermerk, im Fall des § 209 Abs. 2 bis 6 außerdem die letzte Jahresbilanz, sofern sie noch nicht eingereicht ist, beizufügen. Die Anmeldenden haben dem Gericht gegenüber zu erklären, daß nach ihrer Kenntnis seit dem Stichtag der zugrunde gelegten Bilanz bis zum Tag der Anmeldung keine Vermögensminderung eingetreten ist, die der Kapitalerhöhung entgegenstünde, wenn sie am Tag der Anmeldung beschlossen worden wäre. (2) Das Gericht darf den Besdiluß nur eintragen, wenn die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte Bilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt und eine Erklärung nach Absatz 1 Satz 2 abgegeben worden ist. (3) Das Gericht braucht nicht zu prüfen, ob die Bilanzen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. (4) Bei der Eintragung des Beschlusses ist anzugeben, daß es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt. (5) Die eingereichten Schriftstücke werden beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift aufbewahrt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anmeldung (Anm. 2) III. Beizufügende Schriftstücke (Anm. 3)

IV. Prüfung durch das Geridit (Anm. 4) V. Eintragung und Bekanntmachung (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt bis auf einige sprachliche Änderungen mit § 7 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit der Maßgabe überein, daß die Frist von sieben auf acht Monate verlängert worden ist. 1213

§ 210

Anm. 2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

II. Anmeldung Anm. 2: Die Bestimmungen über die Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses finden sich an verschiedenen Stellen des Gesetzes. Wer anzumelden hat, ergibt sich aus § 207 II, dort wird verwiesen auf die §§ 182,184. Dies ergibt, daß der Vorstand zusammen mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates zur Anmeldung verpflichtet ist. Die Anmeldung ist von so vielen Vorstandsmitgliedern — zu denen auch die stellvertretenden Vorstandsmitglieder zählen — zu unterzeichnen, wie zur Vertretung der Gesellschaft notwendig sind. Die Mitwirkung eines Prokuristen anstelle eines zweiten Vorstandsmitgliedes ist hier, auch wenn die Satzung solche unechte Gesamtvertretung als gesetzliche Vertretung zuläßt, nicht möglich mit Rücksicht auf den besonderen Inhalt der Anmeldung und die Strafbestimmung des § 399 II. Aus den gleichen Gründen kann auch die Anmeldung hier nicht durch einen Bevollmächtigten vorgenommen werden (s. RGR-Komm. § 12 HGB Anm. 5). Die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister ist von den dazu Verpflichteten nach § 12 HGB entweder persönlich bei dem Gericht zu bewirken oder in öffentlich beglaubigter Form (Unterschriftsbeglaubigung) einzureichen. Der Inhalt der Anmeldung ist zunächst der Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals. Das geschieht in der Regel durch Bezugnahme auf das notarielle Protokoll über die Hauptversammlung, in der der Beschluß gefaßt wurde, das der Anmeldung beigefügt wird. Darüber hinaus muß die Anmeldung eine Erklärung enthalten, daß nach Kenntnis der Anmeldenden seit dem Stichtage der zugrunde gelegten Bilanz bis zum Tage der Anmeldung keine Vermögensminderung eingetreten ist, die der Kapitalerhöhung entgegenstünde, wenn sie am Tage der Anmeldung beschlossen worden wäre. Der Sinn dieser Bestimmung ist, nach Möglichkeit sicherzustellen, daß das durch die Kapitalerhöhung geschaffene Grundkapital zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beschlusses wirtschaftlich ungeschmälert vorhanden ist. Die Bestimmung korrespondiert mit der des § 208 II, nach der Rücklagen nicht umgewandelt werden können, wenn die dem Kapitalerhöhungsbeschluß zugrunde liegende Bilanz Gegenposten zum Eigenkapital ausweist (vgl. § 208 Anm. 4). Da zwischen dem Stichtag der Bilanz und der Anmeldung ein Zeitraum bis zu 8 Monaten liegen kann, besteht die Möglichkeit, daß inzwischen Vermögensminderungen eingetreten sind, die so erheblich sind, daß eine zum Zeitpunkt der Anmeldung aufgestellte Bilanz eine Verwendung der Rücklagen oder eines Teiles derselben im Sinne des § 208 II verbieten würde. Die Anmeldenden müssen sich also im Rahmen der ihnen allgemein obliegenden Sorgfaltspflicht Gewißheit darüber verschaffen, daß keine Vermögensminderung eingetreten ist, die eine Verwendung der Rücklagen im Sinne des § 208 II verbieten würde. Wie sie dies tun, ist ihre Sache. Der Gesetzgeber hat davon Abstand genommen, etwa vorzuschreiben, daß eine Bilanz mit dem Stichtag der Anmeldung aufgestellt werden muß. 1214

Anmeldung und Eintragung des Beschlusses

§ 210 Anm. 2—4

Die Bedeutung dieser Erklärung wird dadurch deutlich, daß nach § 399 II diejenigen, die die vorgeschriebene Erklärung vorsätzlich der Wahrheit zuwider abgegeben haben, mit Gefängnis bestraft werden. III. Beizufügende Schriftstücke Anm. 3: Der Anmeldung sind beizufügen: a) eine Ausfertigung der Niederschrift der Hauptversammlung, die die Kapitalerhöhung beschlossen hat; b) die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte, mit dem Bestätigungsvermerk der Prüfer versehene Bilanz. Ist die letzte Jahresbilanz dem Kapitalerhöhungsbeschluß zugrunde gelegt worden, so muß diese mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk nach § 167 versehen sein. Bildet eine nach § 209 II bis VI besonders aufgestellte Bilanz die Grundlage für den Kapitalerhöhungsbeschluß, so muß die Bilanz mit dem Bestätigungsvermerk nach § 209 III versehen sein (vgl. § 209 Anm. 7); c) in den Fällen, in denen eine besondere Bilanz der Kapitalerhöhung zugrunde gelegt wurde, ist außer dieser mit dem Bestätigungsvermerk versehenen Bilanz die letzte Jahresbilanz einzureichen. Audi diese muß nach § 178 I S. 1 mit dem Bestätigungsvermerk versehen sein (vgl. § 178 Anm. 2); d) Der vollständige Wortlaut der Satzung mit der nach § 1811 S. 2 erforderlichen Bescheinigung eines Notars (vgl. i. e. dort Anm. 3). Die zu b) und c) genannten Unterlagen sind nur für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft einzureichen, d. h., es müssen nicht so viele Stücke eingereicht werden, wie Zweigniederlassungen bestehen (§ 43 I), sondern lediglich einmal für das Gericht des Sitzes. IV. Prüfung durch das Gericht Anm. 4: Das Registergeridit hat die Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in der gleichen Weise zu prüfen, wie die Anmeldung eines jeden satzungsändernden Beschlusses. Die Prüfung bezieht sich zunächst auf die Legitimation der Anmeldenden und die Form der Anmeldung, deren Übereinstimmung mit dem gefaßten Beschluß und darauf, ob überhaupt äußerlich ein wirksamer Beschluß vorliegt, ob eine Hauptversammlung stattgefunden hat, ob über sie ordnungsgemäß eine notarielle Niederschrift aufgenommen wurde, ob die Beschlüsse mit der nach § 207 II erforderlichen Mehrheit gefaßt und ordnungsgemäß festgestellt wurden. Wie bei jeder Kapitalerhöhung hat das Registergericht weiterhin zu prüfen, ob die Kapitalerhöhung ordnungsgemäß im Sinne des vorliegenden Gesetzes erfolgt ist. Es hat aufgrund der ihm vorgelegten Bilanzen zu überprüfen, ob die zur Kapitalerhöhung verwandten Beträge unter offene Rücklagen ausgewiesen sind und ob sie nach § 208 zu den umwandlungsfähigen Rücklagen gehören. Nicht dagegen 1215

§210 Anm. 4

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

hat es zu prüfen, ob die eingereichten Bilanzen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. D a z u wird es auch in aller Regel nicht in der L a g e sein. Es kann sich insoweit auf den Bestätigungsvermerk der Prüfer verlassen. Wohl aber hat es zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, d. h., ob die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte Bilanz mit dem Bestätigungsvermerk der Prüfer versehen ist, und zwar im Falle des § 209 I mit dem Bestätigungsvermerk nach § 167, in dem Falle des § 209 I I bis V I mit dem Bestätigungsvermerk nach § 209 I I I . Ist das nicht der Fall, so ist die Eintragung abzulehnen. Ergeben sich bei dieser Prüfung Verstöße, die nach § 241 die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge haben, so ist die Eintragung abzulehnen. Ergibt sich aus den Verstößen lediglich ein Recht auf Anfechtung, so kann das Registergericht die Eintragung nicht ablehnen, vielmehr muß sie erfolgen, wenn die Anfechtung unterbleibt oder nicht mehr möglich ist; bis dahin kann Aussetzung der Eintragung erfolgen. Trägt der Registerrichter ein, obwohl der Beschluß fehlerhaft ist, so hat die Eintragung nur im Rahmen des § 2 4 2 heilende Wirkung. Ist der Beschluß nach § 241 N r . 1, 3 oder 4 nichtig, so kann die Nichtigkeit noch innerhalb von 3 Jahren nach der Eintragung geltend gemacht werden. D a s Recht auf Anfechtung wird durch die Eintragung überhaupt nicht berührt. Ein an sich ordnungsgemäß zustande gekommener Kapitalerhöhungsbeschluß darf vom Registergericht nur eingetragen werden, wenn a) die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte Bilanz für einen höchstens 8 Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt und b) eine Erklärung nach Abs. 1 S. 2 abgegeben worden ist. Wenn die nach Abs. 1 S. 2 erforderliche Erklärung fehlt, so ist die Anmeldung als solche nicht ordnungsgemäß erfolgt, und es könnte mithin das Registergericht schon nach allgemeinen Gesichtspunkten die Eintragung aufgrund einer solchen fehlerhaften Anmeldung ablehnen. Zweifelhaft könnte aber bereits sein, ob das Registergericht die Eintragung nach allgemeinen Gesichtspunkten ablehnen kann, wenn eine an sich ordnungsgemäße Anmeldung eines ordnungsgemäß gefaßten Beschlusses lediglich verspätet eingeht. Durch die Formulierung „das Registergericht darf . . . nur eintragen" ist jedenfalls eindeutig klargestellt, daß die zu a) und b) genannten Voraussetzungen wesentlich im Sinne des § 142 F G G sind, was zur Folge hat, daß, wenn die Eintragung trotzdem erfolgt, das Registergericht sie von Amts wegen löschen kann. Dies nimmt zwar einer erfolgten Eintragung nicht die konstitutive Wirkung, die sich aus § 211 ergibt, jedoch wird diese konstitutive Wirkung wieder beseitigt, wenn die Löschung der Eintragung erfolgt. Die Kapitalerhöhung ist nicht erfolgt. Die neuen Anteile sind nicht zur Entstehung gelangt, es kann deshalb auch ein Gutgläubiger keine Rechte durch ihren Erwerb erlangen (vgl. § 188 Anm. 7). D a hier der Mangel einer wesentlichen Voraussetzung für die Eintragung nicht etwa darin bestand, daß ein 1216

Anmeldung und Eintragung des Beschlusses

§210

Anm. 4,5 Hauptversammlungsbeschluß nichtig war, kommt auch eine Heilung nach § 242 nicht in Frage. Zu beachten ist, daß nach § 142 FGG das Registergericht zur Vornahme der Löschung zwar berechtigt aber nicht verpflichtet ist. Mit Rücksicht auf die erheblichen Folgen, die eine solche Löschung für den Rechtsverkehr mit den neuen Anteilsrechten mit sich bringt, wird deshalb das Registergericht zu prüfen haben, ob im Einzelfall die Löschung erforderlich ist. Wenn lediglich bei der Anmeldung die Erklärung nach Abs. 1 S. 2 gefehlt haben sollte, so wird das Registergericht von einer Löschung der erfolgten Eintragung absehen können, wenn diese Erklärung nachgereicht wird (Fischer in Großkomm. § 7 Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Anm. 8). Für den Fall, daß die Achtmonatsfrist nicht eingehalten wurde, ist zunächst einmal festzustellen, daß der Beschluß jedenfalls dann, wenn er selbst noch innerhalb der Achtmonatsfrist gefaßt wurde, nicht nach § 241 nichtig ist. Er hätte lediglich, weil er nicht eingetragen werden durfte, keine Wirksamkeit erlangen dürfen. Ist er aber fälschlicherweise eingetragen worden, so ist er auch wirksam geworden. Das Registergericht wird deshalb auch in diesem Falle von einer Löschung der verbotswidrig erfolgten Eintragung Abstand nehmen können, wenn ihm der Nachweis geführt wird, daß der Kapitalerhöhungsbeschluß materiell insofern trotz der verspäteten Anmeldung in Ordnung ist, als eine Bilanz, deren Stichtag innerhalb der Achtmonatsfrist, zurückgerechnet vom Tage der tatsächlichen Anmeldung an, den Kapitalerhöhungsbeschluß, so wie er vorliegt, gerechtfertigt hätte (zustimmend Fischer a. a. O.). Der Sinn der Achtmonatsfrist und der Erklärung nach Abs. 1 S. 2 in der Anmeldung ist der, daß zum Zeitpunkt der Eintragung die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft noch so sind, daß die Erhöhung des Grundkapitals materiell gerechtfertigt ist. Wenn dieser Nachweis gelingt, wäre es unsinnig, die Löschung der Eintragung wegen der vorliegenden Verfahrensverstöße durchzuführen und die sich daraus ergebenden erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen, obwohl, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, im Ergebnis die Kapitalerhöhung gerechtfertigt war. Selbstverständlich gilt dies alles nur für den Fall, daß die Eintragung entgegen der ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes bereits erfolgt und damit die konstitutive Wirkung nach §211 eingetreten ist. Es ist nicht etwa möglich, eine verspätete Anmeldung, die beanstandet wird, in Ordnung zu bringen; wohl aber kann eine rechtzeitig erfolgte Anmeldung aufgrund einer Zwischenverfügung des Registergerichts insoweit ergänzt werden, daß die Erklärung des Abs. 1 S. 2 auch nach Ablauf der Achtmonatsfrist noch nachgereidit wird. V. Eintragung und Bekanntmachung Anm. 5: Für die Eintragung des Beschlusses und seine Bekanntmachung gelten die allgemeinen Vorschriften. Die Bekanntmachung hat nach § 10 HGB 1217

§ § 210/211

Anm. 5/1—3

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

durch das Registergeridit in dessen Blättern zu erfolgen. Besonders bestimmt ist, daß bei der Eintragung des Beschlusses anzugeben ist, daß es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt. Die nach Abs. 1 einzureichenden Schriftstücke, also insbesondere die Bilanzen, sind beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift aufzubewahren, damit jeder nach § 9 HGB Einsicht nehmen kann. § 211 Wirksamwerden der Kapitalerhöhung (1) Mit der Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals ist das Grundkapital erhöht. (2) Die neuen Aktien gelten als voll eingezahlt. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des § 8 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit Änderungen, die lediglidi darauf beruhen, daß in diesem Gesetz andere Kapitalgesellschaften nicht berücksichtigt werden. Anm. 2: Bei der ordentlichen Kapitalerhöhung als Maßnahme der Kapitalbeschaffung tritt die Erhöhung des Grundkapitals nach § 189 erst mit der Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals ein, bei der bedingten Kapitalerhöhung nach § 200 mit der Ausgabe der Bezugsaktien. Hier ist dies grundsätzlich anders, weil es sich nicht um eine Kapitalerhöhung handelt, bei der neue Mittel in die Gesellschaft fließen. Es bedarf deshalb zum Wirksamwerden des Kapitalerhöhungsbeschlusses weder einer Durchführung der Kapitalerhöhung noch deren Anmeldung bei dem Registergericht. Vielmehr tritt die Kapitalerhöhung in dem Augenblick ein, in dem die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses beim Registergericht erfolgt (über die Folgen fehlerhafter Eintragung vgl. Anm. 4 zu § 210). Anm. 3: Die gesetzliche Formulierung, die neuen Aktien „gelten als voll eingezahlt" trifft nicht ganz das, worum es geht, nämlich um eine Kapitalberichtigung, die sich naturgemäß auch in einer Berichtigung der Aktien in ihrer Zahl oder in ihrem Nennbetrag (Geßler in BB 1960, 8) niederschlägt. Bei einer solchen Berichtigung ist nichts einzuzahlen. Die Anteile entstehen mit der Kapitalerhöhung, diese wieder durch Umwandlung von Rücklagen in Grundkapital. Damit sind die Aktien voll eingezahlt. Dies gilt sowohl für die neuen Aktien, die auf die alten Aktien entfallen, die voll eingezahlt sind, wie auch dann, wenn die alten Aktien, auf die die neuen Aktien entfallen, nicht voll eingezahlt waren. Da dies zweifelhaft sein könnte, ist es in § 215 II S. 1 ausdrücklich klargestellt. Im übrigen gilt für die auf teileingezahlte Aktien entfallenden Anteile die Sonderregelung des § 215 II und § 216 II. 1218

Aus der Kapitalerhöhung Berechtigte

§§ 211 /212 Anm. 3/1,2 Die Vorschrift bringt jedoch zum Ausdruck, daß die Gesellschaft keinen Anspruch auf Einlage gegen die Aktionäre hat, was Bedeutung erlangt, wenn sich später herausstellt, daß die zur Umwandlung herangezogenen Rücklagen zwar bilanzmäßig nicht, aber tatsächlich vermögensmäßig in voller Höhe vorhanden waren (Veith in Der Betrieb 1960,111; Fischer in Großkomm. § 8 Ges. über die Kapitalerh. aus Gesellschaftsm. Anm. 2; Baumbach-Hueck Rn 3). § 212 Aus der Kapitalerhöhung Berechtigte Die neuen Aktien stehen den Aktionären im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zu. Ein entgegenstehender Beschluß der Hauptversammlung ist nichtig. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 9 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, soweit es Aktiengesellschaften betrifft. Im Regierungs-Entwurf war folgender Abs. 2 vorgesehen: „Dies gilt nidit, wenn die Hauptversammlung im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals den Vorstand ermächtigt hat, die neuen Aktien an Arbeitnehmer der Gesellschaft auszugeben. In diesem Fall gilt für den Beschluß § 174 Abs. 3 S. 2 und 3, Abs. 4 sinngemäß." Gegen diese Lösung wurden jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken vorgebradit (a. A. Dempewolf in Die AktGes 1959, 120). Reditsund Wirtschaftsausschuß standen daneben auf dem Standpunkt, daß die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ihrer Natur nach nur die Ausgabe der neuen Aktien an die Aktionäre zulasse (vgl. im einzelnen den schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses zu Drucksache IV/3296 zu § 192 des Reg.-Entw.). Die Möglichkeit, Arbeitnehmern der Gesellschaft auch unentgeltlich Aktien zu geben, wurde daher in § 204 III (genehmigtes Kapital) geschaffen (vgl. auch bei bedingter Kapitalerhöhung § 192 II Nr. 3). Anm. 2: Mit dieser Bestimmung wird eindeutig klargestellt, daß es sich bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln materiell um eine Kapitalberichtigung handelt. Die neuen Aktien stehen den Aktionären, ohne daß es einer Übernahme der Anteilsrechte bedarf, im Augenblick des Wirksamwerdens der Kapitalerhöhung, also mit der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nach § 211 im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital, zu. Es bedarf deshalb auch keiner Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung. Die Rechte aus den Aktien entstehen mit der Eintragung nach §211; dies gilt uneingeschränkt nur für den Fall, daß der einzelne 1219

§212

Anm. 2—i

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Aktionär eine volle neue Aktie erhält. Der Fall, daß nur ein Teil einer neuen Aktie auf die einzelne alte Aktie entfällt, wird in § 213 geregelt, und zwar dahin, daß die Rechte aus einer neuen Aktie einschließlich des Anspruchs auf Ausstellung einer Urkunde nur ausgeübt werden können, wenn Teilrechte, die zusammen eine volle Aktie ergeben, in einer Hand vereinigt sind, oder wenn sich mehrere Berechtigte zur Ausübung der Rechte zusammenschließen; das ändert aber nichts daran, daß grundsätzlich die Rechte aus der neuen Aktie ohne Rücksicht darauf entstehen, ob bereits eine Urkunde ausgestellt ist. Das Recht selbst aus der neuen Aktie ist bereits mit der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in der Person des Aktionärs entstanden. Wenn es eine volle Aktie ist, kann dieser es auch sofort geltend machen durch Ausübung des Stimmrechts oder durch Geltendmachung des Anspruchs auf Aushändigung einer Urkunde über das Recht. Nur wenn es ein Teilrecht ist, gelten die Sonderbestimmungen des § 213. Aber audi dieses Teilrecht ist bereits in der Person des Aktionärs entstanden. Die Rechte aus ihm können allerdings nur nach den besonderen Vorschriften des § 213 geltend gemacht werden (vgl. Anm. zu § 213). Anm. 3: Ein dem S. 1 entgegenstehender Beschluß der Hauptversammlung ist auch dann nichtig, wenn er von allen Gesellschaftern gefaßt worden ist (Geßler in BB 1960, 9; Baumbadi-Hueck R n 2 ; Veith in DB 60, 111). Das bedeutet, daß zunächst unter allen Umständen das Anteilrecht in der Person der bisherigen Aktionäre zur Entstehung gelangt; andererseits schließt die Bestimmung nicht aus, daß alle oder einzelne Gesellschafter, die in ihrer Person zur Entstehung gelangten Anteilrechte, sei es unmittelbar den Belegschaftsmitgliedern, sei es über die Gesellschaft, diesen zur Verfügung stellen. Das löst selbstverständlich steuerrechtliche Folgen aus. Sie können hierzu aber nicht durch Hauptversammlungsbeschluß oder in sonstiger Weise verpfliditet werden. Für falsch halten wir die Entscheidung des Landgerichtes Mannheim (BB 1961, 303), die allerdings eine GmbH betraf. Darin wurden geringfügige Abweichungen vom Grundsatz des § 9 des Kapitalerhöhungsgesetzes dann für zulässig gehalten, wenn es dadurch nicht zu einer Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse kommt (a. A. Simon in GmbH-Rundschau 1961,179; wie hier Pley er GmbH-Rundschau 1961, 86). Anm. 4: Fraglich ist, ob eine durch Verstoß gegen Satz 1 hervorgerufene Nichtigkeit der Verteilung den gesamten Beschluß über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erfaßt oder diesen wirksam läßt mit der Folge, daß die Aktien den bisherigen Aktionären zustehen. Die Frage muß nach § 139 BGB danach entschieden werden, ob die Kapitalerhöhung audi ohne die gesetzeswidrige Verteilung beschlossen worden wäre. Im Zweifel ist die ganze Kapitalerhöhung nichtig (vgl. Baumbach-Hueck Rn 2). 1220

Teilredite

§213

§ 213 Teilrechte (1) Führt die Kapitalerhöhung dazu, daß auf einen Anteil am bisherigen Grundkapital nur ein Teil einer neuen Aktie entfällt, so ist dieses Teilredit selbständig veräußerlidi und vererblich. (2) Die Rechte aus einer neuen Aktie einschließlich des Anspruchs auf Ausstellung einer Aktienurkunde können nur ausgeübt werden, wenn Teilredite, die zusammen eine volle Aktie ergeben, in einer Hand vereinigt sind oder wenn sich mehrere Berechtigte, deren Teilredite zusammen eine volle Aktie ergeben, zur Ausübung der Rechte zusammenschließen. Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 10 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, soweit sie Aktiengesellschaften betreffen. Für den Fall, daß auf einen Teil am bisherigen Grundkapital durch die Kapitalerhöhung nur ein Teil einer neuen Aktie entfällt, wird auf der einen Seite festgestellt, daß dieses Teilrecht selbständig veräußerlich und vererblich ist. Sein Inhaber ist, wie sich aus den §§ 211 und 212 ergibt, der Inhaber der alten Aktie. Auf der anderen Seite ist die Ausübung der Rechte aus einem solchen Teilrecht eingeschränkt. Es können, solange es ein Teilrecht bleibt, weder Mitgliedschaftsrechte, also z. B. das Stimmrecht, geltend gemacht werden noch der Anspruch auf Ausstellung einer Urkunde über die neue Aktie. Die Ausübung des Mitgliedschaftsrechtes und des Rechts auf Aushändigung einer Urkunde ist erst möglich, wenn so viel Teilrechte, die zusammen eine volle Aktie ergeben, in einer H a n d vereinigt sind, oder sich mehrere Berechtigte, deren Teilredite zusammen eine volle Aktie ergeben, zur Ausübung der Rechte zusammenschließen. Für diese Teilrechte, die bei einer Kapitalerhöhung entstehen, entwickelt sich ein Handel, so daß es dem einzelnen Aktionär möglich ist, seine Anteile an seiner Aktie zu veräußern oder andere hinzuzuerwerben. Der Handel mit diesen Teilrechten einer Aktie gestaltet sich ähnlich wie der der Bezugsrechte, jedoch ist rechtlich ein erheblicher Unterschied. Es wird nicht das Recht auf den Bezug einer Aktie gehandelt, sondern der Teil einer Aktie. Seltener wird es vorkommen, daß mehrere Berechtigte sich zusammenschließen, so daß aus mehreren Teilrechten eine volle Aktie entsteht, dann gelten die Bestimmungen für die Rechtsgemeinschaft an einer Aktie (§ 69). § 69 II scheidet aus, da Leistungen auf die Aktien nicht zu erbringen sind, dagegen gelten die Abs. 1 und 3 des § 69, danach müssen mehrere Berechtigte, um ihre Rechte aus der Aktie ausüben zu können, einen gemeinschaftlichen Vertreter benennen. Die Gesellschaft kann wirksam eine Willenserklärung gegenüber einem der Berechtigten abgeben, wenn diese nicht einen gemeinschaftlichen Vertreter haben (vgl. im einzelnen § 69 Anm. 5). 1221

§ 214

Anm. 1

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

§ 214 Aufforderung an die Aktionäre (1) Nadi der Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals hat der Vorstand unverzüglich die Aktionäre aufzufordern, die neuen Aktien abzuholen. Die Aufforderung ist in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. In der Bekanntmachung ist anzugeben, 1. um welchen Betrag das Grundkapital erhöht worden ist, 2. in welchem Verhältnis auf die alten Aktien neue Aktien entfallen. In der Bekanntmachung ist ferner darauf hinzuweisen, daß die Gesellschaft berechtigt ist, Aktien, die nicht innerhalb eines Jahres seit der Bekanntmachung der Aufforderung abgeholt werden, nach dreimaliger Androhung für Rechnung der Beteiligten zu verkaufen. (2) Nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntmachung der Aufforderung hat die Gesellschaft den Verkauf der nicht abgeholten Aktien anzudrohen. Die Androhung ist dreimal in Abständen von mindestens einem Monat in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Die letzte Bekanntmachung muß vor dem Ablauf von achtzehn Monaten seit der Bekanntmachung der Aufforderung ergehen. (3) Nach Ablauf eines Jahres seit der letzten Bekanntmachung der Androhung hat die Gesellschaft die nicht abgeholten Aktien für Rechnung der Beteiligten zum amtlichen Börsenpreis durch Vermittlung eines Kursmaklers und beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. § 226 Abs. 3 Satz 2 bis 6 gilt sinngemäß. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß für Gesellschaften, die keine Aktienurkunden ausgegeben haben. Die Gesellschaften haben die Aktionäre aufzufordern, sich die neuen Aktien zuteilen zu lassen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Ausführung der Kapitalerhöhung 1. Aushändigung der Aktienurkundc (Anm. 2 u. 3) 2. Aufforderung zur Abholung (Anm. 4)

III. Verwertung der nicht abgeholten Aktien 1. Androhung (Anm. 5) 2. Verkauf (Anm. 6) IV. Nidit verbriefte Aktien (Anm. 7)

I. Übersicht Antn.l: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 11 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellsdiaftsmitteln mit der Änderung, daß es für den Beginn der einzelnen Fristen auf die Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern und nicht im Bundesanzeiger ankommt. 1222

Aufforderung an die Aktionäre

§214

Anm. 2

II. Ausführung der Kapitalerhöhung 1. Aushändigung der Aktienurkunde Anm. 2: Wenn auch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln keine Durchführung im Sinne der §§ 185 bis 189 kennt, so bedarf sie doch einer Ausführung insoweit, als die Inhaber der neuen Rechte in die Lage versetzt werden müssen, von ihnen Gebraudi zu machen. Soweit Urkunden über die Aktie auszugeben sind, müssen diese den Berechtigten ausgehändigt werden. Sind durch die Kapitalerhöhung Teilrechte im Sinne des § 213 I entstanden, so muß festgestellt werden, wer im Sinne des § 213 II zur Ausübung dieser Rechte befugt ist. Der Gesetzgeber sieht in diesen Maßnahmen ein Zuteilen der Aktien (vgl. § 214 IV). Man darf dieses „Zuteilen" aber nicht etwa so verstehen, als würde dadurch erst das Anteilsrecht begründet. Handelt es sich um eine volle Aktie, so hat derjenige, dem es zusteht, bereits alle Rechte aus diesem neuen Mitgliedschaftsrecht und er kann die neue Aktie auch veräußern, wenn sie nicht in einer Aktienurkunde verbrieft ist, da in diesem Fall die Übertragung des Aktienrechts nur durch Übertragung der Aktienurkunde erfolgen kann. Die Bestimmungen gelten nicht, wenn die Kapitalerhöhung durch Erhöhung des Nennbetrages der Aktien durchgeführt worden ist (§ 215 II). In diesem Fall sind keine neuen Aktien abzuholen und es kann auch kein selbständiges Teilrecht entstehen (vgl. B.-H. R n 3 ) ; dagegen ist der Inhalt der Aktienurkunde unrichtig geworden, da sich der Nennbetrag erhöht hat. Es liegt im Interesse eines geordneten Rechtsverkehrs mit diesen Aktien, daß die alten Aktienurkunden durch neue, den richtigen Nennwert enthaltende Aktienurkunden ausgetauscht werden. Es empfiehlt sich deshalb in diesem Falle, eine Aufforderung zum Umtausch der alten Aktienurkunden gegen neue zu erlassen. Soweit es sich um teileingezahlte Aktien handelt, müssen diese nach § 213 auf den Namen lauten. Die Inhaber dieser Aktien ergeben sich nach den Bestimmungen der §§ 67 und 68 aus dem Aktienbuch der Gesellschaft. Es wird dann in diesem Falle der Umtausch auch ohne Bekanntmachung vollzogen werden können, wenn sämtliche Aktionäre ihre Anmeldungspflicht nach § 68 im Falle des Ubergangs der Namensaktie auf einen anderen Inhaber nachgekommen sind. Wird die Kapitalerhöhung durch Erhöhung des Nennbetrages der Aktien durchgeführt, so sind keine neuen Aktien auszugeben. Die Gesellschaft ist deshalb auch nicht in der Lage, Aktien für Rechnung der Beteiligten zu verkaufen. Wenn trotz der Aufforderung die Aktionäre die Aktienurkunde nicht zum Umtausch einsenden, bleibt der Gesellschaft keine Möglichkeit, von sich aus den Umtausch zu erzwingen. Die Bestimmung des § 72, wonach die Gesellschaft mit Genehmigung des Gerichts Aktienurkunden für kraftlos erklären kann, wenn ihr Inhalt durch eine Veränderung der rechtlichen Ver1223

§ 214

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 2—4 hältnisse unrichtig geworden ist, findet nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 73 dann keine Anwendung, wenn die Unrichtigkeit auf eine Änderung des Nennbetrages der Aktien beruht, es sei denn, daß es sich um eine Herabsetzung des Grundkapitals handelt; das ist hier aber nicht der Fall, so daß nicht zum Umtausch eingereichte alte Aktien nicht durch neue Urkunden ersetzt werden können. Die alten Urkunden sind nach wie vor Träger des gesamten Rechts, sie legitimieren ihren Inhaber auch für den erhöhten Nennbetrag, mag auch die Urkunde unrichtig sein. Anm. 3: Jeder Aktionär hat das Recht auf Ausstellung und Aushändigung der Aktienurkunde, das er ohne weiteres ausüben kann, soweit auf ihn durch die Kapitalerhöhung volle Aktienrechte entfallen sind. Zur Geltendmachung dieses Rechts bedarf es nicht erst der im Gesetz vorgesehenen Aufforderung zur Abholung, sondern lediglich der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses im Handelsregister. Das Abholen der Aktienurkunde kann, da das Gesetz es nicht verbietet, durch Bevollmächtigte erfolgen. Es werden infolgedessen die Depotbanken unter Beifügung eines Nummernverzeichnisses für ihre Kunden, die auf die alten Aktien entfallenden neuen Aktien entweder über eine von der Gesellschaft beauftragte Hausbank oder bei der Gesellschaft selbst anfordern. Entfällt nicht auf jede alte Aktie eine neue, so ist es zunächst Sache des einzelnen Aktionärs, bei ihm entstandene Spitzen durch Zu- oder Verkauf von Teilrechten auszugleichen (vgl. Anm. zu § 213). Die technische Abwicklung dieses Verfahrens ist im Gesetz nicht geregelt. Die Gesellschaft wird dafür Sorge tragen müssen, daß die Aushändigung der neuen Aktien so erfolgt, daß ein Doppelbezug neuer Aktien etwa durch zweimaliges Vorlegen der alten Aktie unmöglich gemacht wird. Das kann einmal dadurch geschehen, daß die neue Aktie auf einen bestimmten Dividendenschein ausgehändigt wird oder — wenn Dividendenscheine nicht ausgegeben sein sollten — durch Abstempelung der alten Aktie. 2. Auff orderung zur Abholung Anm. 4: Die Gesellschaft hat unverzüglich nach der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses, d. h. also nach Wirksamwerden der Kapitalerhöhung, durch öffentliche Bekanntmachung die Aktionäre aufzufordern, die neuen Aktien abzuholen. Verantwortlich ist der Vorstand. Die Bekanntmachung nach Abs. 1 kann durch Ordnungsstrafen erzwungen werden (§ 407 I), nicht dagegen die Verpflichtung nach den Abs. 2 und 3. Ein sachlicher Grund hierfür ist weder in der amtlichen Begründung angegeben noch sonst ersichtlich. Aus der Fassung der Abs. 2 und 3 ergibt sich, daß die Gesellschaft verpflichtet ist, den Verkauf anzuordnen und auch auszuführen (s. unten). Es wäre aus diesem Grunde richtiger gewesen, alle Verpflichtungen durch Ordnungsstrafen erzwingbar zu machen (so auch Fischer 1224

Aufforderung an die Aktionäre

§214

Anm. 4,5

in Großkomm. § 11 Gesetz über die Kapitalerh. aus Gesellschaftsmitteln Anm. 10; s. auch B.-H. Rn 5). Die Bekanntmachung hat im Bundesanzeiger und, wenn nach § 25 noch andere Gesellschaftsblätter in der Satzung als solche bezeichnet sind, auch in diesen zu erfolgen. Das Gesetz schreibt zwingend vor, daß die Bekanntmachung die Aufforderung an die Aktionäre enthalten muß, die neuen Aktien abzuholen. Ferner ist anzugeben, um welchen Betrag das Grundkapital erhöht worden ist und in welchem Verhältnis auf die alten Aktien neue Aktien entfallen. Damit ist der Aktionär in der Lage festzustellen, wie viele neue Aktien er abzuholen hat. Darüber hinaus ist, wie das Gesetz zwingend vorschreibt, in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, daß die Gesellschaft berechtigt ist, Aktien, die nicht innerhalb eines Jahres seit der Bekanntmachung der Aufforderung im Bundesanzeiger abgeholt werden, nach dreimaliger Androhung für Rechnung der Beteiligten zu verkaufen. Wie sich aus der Formulierung der Abs. 2 und 3 ergibt, ist die Gesellschaft verpflichtet, von ihrer Berechtigung, die Aktien zu verkaufen, Gebrauch zu machen. Dies ist deshalb notwendig, weil sonst die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, insbesondere ihre Ausübung in der Hauptversammlung, nicht möglich wäre. Der Aktionär, dem nach § 212 die neuen Aktien zustehen, kann diese, ohne im Besitz der neuen Aktienurkunde zu sein, nicht ausüben. Vor dem Verkauf der neuen Aktienurkunden gibt es aber keinen Träger der sich in der Urkunde verkörpernden Aktienrechte. Erst durch Ausgabe an einen bestimmten Aktionär können diese ausgeübt werden. Wenn also der alte Aktionär, der ein Recht auf Aushändigung der Urkunden hat, dieses Recht nicht ausübt, so muß die Aktienurkunde an einen Dritten veräußert werden, um die in der Aktienurkunde verkörperten Mitgliedschaftsrechte geltend machen zu können. III. Verwertung der nicht abgeholten Aktien 1. Androhung Anm. 5: Der Bekanntmachung nach Abs. 1 folgt nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntmachung der Aufforderung zur Abholung der Aktien in den Gesellschaftsblättern die dreimalige Androhung des Verkaufs durch die Gesellschaft. Audi diese Androhung muß in allen Gesellschaftsblättern, also in erster Linie im Bundesanzeiger, ferner aber auch in allen durch die Satzung bestimmten Blättern (§ 25), bekanntgemacht werden, um Wirkung zu haben. Erfolgt sie auch nur in einem der Gesellschaftsblätter nicht, so ist die Androhung wirkungslos und macht den Vorstand schadenersatzpflichtig. Die Androhung ist dreimal zu veröffentlichen; dabei sind folgende Fristen zu beachten: 1225

§ 214 Anm. 5 , 6

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

a) die erste A n d r o h u n g d a r f erst n a d i A b l a u f eines J a h r e s seit der B e kanntmachung der A u f f o r d e r u n g z u r A b h o l u n g der neuen A k t i e n in den Gesellschaftsblättern e r f o l g e n ; b ) die drei A n d r o h u n g e n müssen in A b s t ä n d e n v o n mindestens einem M o n a t bekanntgemacht w e r d e n ; c) die letzte A n d r o h u n g m u ß v o r dem A b l a u f v o n 18 M o n a t e n seit der B e k a n n t g a b e der A u f f o r d e r u n g z u r A b h o l u n g der A k t i e n in den Gesellschaftsblättern ergehen. Diese Bestimmungen sollen sicherstellen, d a ß innerhalb eines Zeitraumes v o n einem halben J a h r alle drei A n d r o h u n g e n bekanntgemacht werden. D u r c h diese, a u f einen v e r h ä l t n i s m ä ß i g kleinen Z e i t r a u m verteilten, wiederholten A n d r o h u n g e n soll sichergestellt werden, d a ß jeder B e t r o f f e n e a u f m e r k s a m gemacht w i r d . D i e F r i s t beginnt mit d e m Erscheinen des letzten der durch die S a t z u n g bestimmten Gesellschaftsblätter. Wenn die dritte A n d r o h u n g o r d n u n g s g e m ä ß e r f o l g t ist, läuft eine neue Frist v o n deren B e k a n n t m a c h u n g in den Gesellschaftsblättern v o n einem J a h r . E r s t d a n n k a n n die Gesellschaft die nicht abgeholten A k t i e n f ü r Rechnung der Beteiligten z u m amtlichen Börsenpreis durch V e r m i t t l u n g eines K u r s m a k lers u n d beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung verk a u f e n . D e r V e r k a u f ist mithin erstmalig möglich, wenn die A n d r o h u n g in kürzesten erlaubten A b s t ä n d e n e r f o l g t ist, nach A b l a u f v o n z w e i J a h r e n u n d zwei M o n a t e n , gerechnet v o n der B e k a n n t m a c h u n g der A u f f o r d e r u n g z u r A b h o l u n g der A k t i e n in den Gesellschaftsblättern. D e r einzelne A k t i o n ä r , der die A b h o l u n g versäumt, w i r d also weitgehend geschützt.

2.

Verkauf

Anm. 6: D i e B e s t i m m u n g des § 226 I I I , a u f deren S ä t z e 2 bis 6 B e z u g gen o m m e n ist, b e f a ß t sich mit der V e r w e r t u n g der A k t i e , die anstelle v o n kraftlos erklärten A k t i e n ausgegeben werden. D a n a c h ist Zeit, O r t u n d G e g e n s t a n d der Versteigerung öffentlich bekanntzumachen. D a b e i ist unter O r t die genaue Bezeichnung „ O r t , S t r a ß e u n d N u m m e r oder andere Bezeichnung des G e b ä u d e s " , in dem die Versteigerung stattfindet, zu verstehen. Ferner ist der T a g u n d die U h r z e i t bekanntzumachen. Z u r Bezeichnung des Gegenstandes der Versteigerung genügt die A n g a b e der betreffenden Gesellschaft, die A n z a h l , Stückelung, A r t oder G a t t u n g der A k t i e n . Entbehrlich ist die A n g a b e des G r u n d e s der Versteigerung. I n welcher Weise die B e k a n n t machung z u erfolgen hat, richtet sich nach der Verkehrssitte. D i e Versteigerung hat an sich a m S i t z der Gesellschaft zu e r f o l g e n ; ist jedoch d o r t kein angemessener E r f o l g z u erwarten, so sind die A k t i e n an einem geeigneten O r t z u v e r k a u f e n (§ 2 2 6 I I I S . 2). N a c h § 2 2 6 I I I S. 4 sind die Beteiligten besonders z u benachrichtigen. D i e Benachrichtigung k a n n unterbleiben, wenn sie untunlich ist. I m vorliegenden F a l l sind Beteiligte die A k t i o n ä r e der A k 1226

Aufforderung an die Aktionäre

§214 Anm. 6,7

tien, die Anspruch auf neue Aktienurkunden haben. Diese werden, wenn das Verfahren des § 214 überhaupt in Frage kommt, unbekannt sein. Die Gesellschaft ist nicht verpflichtet, besondere Ermittlungen anzustellen, so daß diese besondere Benachrichtigung der Beteiligten hier praktisch hinfällig wird. Die Bekanntmachung der Versteigerung muß mindestens zwei Wochen vorher ergehen. Für die Berechnung der Frist vgl. §§ 188 ff. BGB. Der Erlös des Verkaufs bzw. der Versteigerung ist nach § 226 III S. 6 zu hinterlegen. Die Hinterlegung erfolgt gemäß §§ 372 ff. BGB, und zwar zweckmäßig gem. § 376 BGB unter Verzicht auf Rücknahme (vgl. auch § 226 Anm. 18). IV. Nicht verbriefte Aktien Anm. 7: Der Abs. 4 regelt den Ausnahmefall, daß Aktienurkunden nidit ausgegeben sind, in der Weise, daß er die Bestimmung der Abs. 1 bis 3 sinngemäß für anwendbar erklärt mit dem Zusatz: „die Gesellschaften haben die Aktionäre aufzufordern, sich die neuen Aktien zuteilen zu lassen". In den vorausgegangenen Abs. 1 bis 3 des § 214 ist von einer Zuteilung nicht die Rede, sondern es wird lediglich bestimmt, daß die Aktionäre aufzufordern sind, die neuen Aktien abzuholen. Damit kann nur die Aktienurkunde gemeint sein. Nach den Bestimmungen der §§ 211 und 212 werden die Aktionäre mit der Eintragung der Kapitalerhöhung Inhaber der neuen Aktien, ohne daß dies im Beschluß ausdrücklich bestimmt zu werden braucht und ohne daß dies durch den Beschluß geändert werden kann (so auch Geßler in BB 1960, 9). Es kann sich bei den Bestimmungen des § 214 also zunächst nur darum handeln, in welcher Weise der Anspruch der Aktionäre auf Aushändigung der Aktienurkunde zu realisieren ist. Darüber hinaus enthält § 214 aber Bestimmungen über den Zwangsverkauf nicht abgeholter Aktienurkunden mit der Folge, daß nach Durchführung des Verkaufs der Aktionär seine Aktionäreigenschaft insoweit verliert. Insofern ist das Verfahren hier ein anderes als beispielsweise bei der Kraftloserklärung der Aktien nach §§ 73 und 226. Dort wird durch die Kraftloserklärung nur die Aktienurkunde berührt, hier wird durch den Verkauf der Aktienurkunde zugunsten des Berechtigten dessen Recht als Aktionär veräußert. Wie dies in der Praxis durchgeführt werden soll, wenn Aktienurkunden nicht bestehen, bleibt unklar. Die nach § 214 I vorgeschriebene Aufforderung an die Aktionäre, unverzüglich die neuen Aktien abzuholen, kann jedenfalls in dieser Form nicht erfolgen. Es müßte also heißen, daß die Aktionäre aufgefordert werden, sich das Aktienrecht zuteilen zu lassen; dieses steht ihnen aber bereits kraft Gesetzes zu. Man könnte sich vorstellen, daß ein gewisser Ausgleich zwischen den Aktionären erforderlich ist, wenn nicht durch die Kapitalerhöhung jeweils eine volle neue Aktie auf den einzelnen Aktionär entfällt, sondern nur ein 1227

§§ 214/215

Anm.7/1

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Teilrecht (§ 213), dann müßte also gewissermaßen die Gesellschaft bei der im Gesetz erwähnten Zuteilung diesen Ausgleich innerhalb ihres Aktionärskreises vornehmen. Dies könnte man sich vorstellen, da Aktiengesellschaften, die keine Aktienurkunden ausgeben, im allgemeinen aus einer festen Zahl von Aktionären bestehen. Im Grunde genommen ist aber dieser Ausgleich von Teilrechten Sache der Aktionäre selbst. Sind die unbeurkundeten Aktienrechte Namensaktien — was aber nicht unbedingt erforderlich ist, sie können auch Inhaberaktien sein —, so könnte man die „Zuteilung" darin erblicken, daß ein entsprechender Eintrag im Aktienbudi erfolgt (§ 67). Diese Zuteilung kann aber auch ohne Mitwirkung der Aktionäre erfolgen, da diese mangels übertragbarer Aktienurkunden sich ausschließlich aus dem Aktienbuch ergeben. Die Gesellschaft kann also die Zuteilung ohne die Mitwirkung der Aktionäre vornehmen. Handelt es sich um Inhaberaktien, für die keine Aktienurkunden ausgegeben sind, so muß klargestellt werden, welchem Aktionär die neuen Rechte zustehen. Diesen Vorgang könnte man unter „zuteilen" im Sinne der vorstehenden Bestimmungen verstehen. § 215 Eigene Aktien. Teileingezahlte Aktien (1) Eigene Aktien nehmen an der Erhöhung des Grundkapitals teil. (2) Teileingezahlte Aktien nehmen entsprechend ihrem Nennbetrag an der Erhöhung des Grundkapitals teil. Bei ihnen kann die Kapitalerhöhung nur durch Erhöhung des Nennbetrags der Aktien ausgeführt werden. Sind neben teileingezahlten Aktien volleingezahlte Aktien vorhanden, so kann bei diesen die Kapitalerhöhung durch Erhöhung des Nennbetrags der Aktien und durdi Ausgabe neuer Aktien ausgeführt werden; der Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals muß die Art der Erhöhung angeben. Soweit die Kapitalerhöhung durch Erhöhung des Nennbetrags der Aktien ausgeführt wird, ist sie so zu bemessen, daß durch sie auf keine Aktie Beträge entfallen, die durch eine Erhöhung des Nennbetrags der Aktien nicht gedeckt werden können. I. Übersicht (Anm. 1) II. Eigene Aktien (Anm. 2)

III. Teileingezahlte Aktien (Anm. 3 u. 4) IV. Erhöhung des Nennbetrages (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Abs. 1 und 2 Satz 3 Halbsatz 1 die Bestimmungen des bisherigen § 12 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, ohne dessen Abs. 2 Satz 4. In Abs. 2 S. 3 Halb1228

Eigene Aktien. Teileingezahlte Aktien

§ 215 Anm. 1—3

satz 2 und Satz 4 werden die Bestimmungen des § 6 IV des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln übernommen. Für die Bestimmung des § 12 II S. 4, wonach die Aktien, deren Nennbetrag erhöht wird, auf jeden durch fünf teilbaren Betrag gestellt werden konnten, besteht auf die Dauer kein Bedürfnis mehr. Darüber hinaus sollen die Nennbeträge der Aktien möglichst vereinheitlicht werden, so daß diese Vorschrift nicht im neuen Gesetz aufgenommen wurde. II. Eigene Aktien Anm. 2: Nadi § 71 VI stehen der Gesellschaft aus eigenen Aktien keine Rechte zu. Das gilt sowohl für die Herrschaftsrechte, insbesondere das Stimmrecht, wie auch für die vermögensrechtlichen Rechte, die sich aus dem Mitgliedschaftsrecht insgesamt ergeben. So entfällt z. B. bei der Abwicklung auf eigene Aktien kein Erlös (vgl. § 71 Anm. 21). Wenn nun in Abs. 1 der vorliegenden Bestimmung festgestellt wird, daß eigene Aktien an der Erhöhung des Grundkapitals teilnehmen, so deshalb, weil es sich nicht um eine Veränderung des Mitgliedschaftsrechts handelt, sondern lediglich um eine neue Bezeichnung des bestehenden Rechts und nicht um ein Recht aus dem alten Anteil in dem Sinne, wie es etwa ein Bezugsrecht wäre. Die gleiche Regelung findet sich schon in der ersten Durchführungsverordnung zur Dividendenabgabeverordnung in § 28. Die Dividendenabgabeverordnung von 1941 hat die damals geregelte „Kapitalerhöhung" zutreffend „Kapitalberichtigung" bezeichnet (vgl. § 207 Anm. 2). Auch soweit neue Anteile auf diese Weise der Gesellschaft als Eigenanteile zufallen, kann die Gesellschaft aus ihnen keine irgendwie gearteten Rechte herleiten. Die Rechtslage ist für die neuen Aktien die gleiche wie für die bisherigen Aktien. III. Teileingezahlte Aktien Anm. 3: Einige Schwierigkeiten bildet die Ausführung der Kapitalerhöhung dann, wenn teileingezahlte Aktien vorhanden sind. Zunächst einmal würde die Bestimmung des § 182 Platz greifen, die besagt, daß das Grundkapital nicht erhöht werden soll, solange noch ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital geleistet werden können. Diese Bestimmung würde allerdings nur dann gelten, wenn man in dem Vorgang der Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln eine echte Kapitalerhöhung sehen würde, was nach der hier vertretenen Ansicht jedenfalls nicht der Fall ist. Insofern ist es folgerichtig, wenn das Gesetz davon ausgeht, daß grundsätzlich auch teileingezahlte Aktien an der Erhöhung des Nennkapitals teilnehmen. Es entstehen dabei aber zwei Probleme. Zunächst einmal kann die Verpflichtung des Aktionärs, den noch nicht eingezahlten Teil seiner Einlage zu leisten, nicht durch einen Beschluß der Gesellschaft geändert werden. Dies kann weder in der 1229

§215

Anm. 3

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Weise geschehen, daß der Aktionär auf die ihm neu zugewiesenen Aktien die Einlagen zu zahlen hat, die er auf die teileingezahlte Aktie noch rückständig ist, noch in der Weise, daß etwa die Rücklagen dazu verwandt werden, die bisher nur teileingezahlten Aktien zu volleingezahlten Aktien zu machen; dem widerspricht der Wortlaut des § 207 I. Danach kann eine Aktiengesellschaft ihr Grundkapital durch Umwandlung von Rücklagen in Grundkapital erhöhen, sie kann also nicht teileingezahlte Aktien zu volleingezahlten Aktien machen, denn dadurdi würde keine Erhöhung des Grundkapitals eintreten, vielmehr würde dies der Verzicht auf eine Forderung der Gesellschaft gegen den Aktionär, der noch die Teileinzahlung schuldet, bedeuten. Das ist unzulässig. Auf der anderen Seite bilden die teileingezahlten Aktien für die Gesellschaft in gewissem Sinne eine Sicherheit, denn sie können nach §§ 64, 65 ggf. die Aktien einziehen und zu ihren Gunsten verwerten, wenn der Aktionär mit seinen Einzahlungsverpfliditungen in Verzug gerät. Wenn auch für teileingezahlte Aktien neue Aktien ausgegeben würden, so hätte dies einmal zur Folge, daß, da es sich ja um eine Aufsplitterung der alten Aktien handelt, diese, da an ihr EinZahlungsverpflichtungen haften, weniger wert würden. Die Sicherheit der Gesellschaft würde, wenn sie wegen Nichtzahlung des Aktionärs zur Verwertung der Aktie gezwungen würde, verringert. Auf die neu ausgegebene Aktie könnte sie nicht zurückgreifen, da nach § 211 II die neuen Aktien als voll eingezahlt gelten. Vom Aktionär her gesehen könnte dieser den ihm zufließenden Anteil, der als voll eingezahlt gilt, als vollwertige Aktie veräußern. Es bliebe dann übrig die im Wert verminderte alte Aktie mit der EinZahlungsverpflichtung. Das könnte zu einer Schädigung der Gesellschaft führen. In der 2. Durchführungsverordnung zur Dividendenabgabeverordnung von 1941 hat man in § 26 dieses Problem dadurdi geregelt, daß auch die neuen Anteile dem Kaduzierungsverfahren unterlagen. Nach der amtlichen Begründung des Regierungs-Entwurfes zum Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (Drucksache III/416) hat sich dieser Weg nicht bewährt. Es wird deshalb zwingend vorgeschrieben, daß bei teileingezahlten Aktien die Ausgabe neuer Aktien nidit zulässig ist, vielmehr darf die Erhöhung nur durch Erhöhung des Nennbetrages der Aktie ausgeführt werden. Das führt zu dem Ergebnis, daß der Aktionär einer teileingezahlten Aktie genauso an der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln teilnimmt, wie der Aktionär einer volleingezahlten Aktie. Das gilt sowohl für die Herrschaftsrechte (Stimmrecht) wie auch für die Vermögensansprüche, die sich aus einem Mitgliedschaftsrecht ergeben, selbstverständlich mit der Maßgabe, daß sejne Verpflichtung zur Volleinzahlung in der bisherigen Höhe aufrechterhalten bleibt (und ggf. bei einer Liquidation der Gesellschaft zur Verrechnung gelangt). Damit wären die Probleme gelöst, die sich ergeben, wenn sich die Mitgliedschaftsrechte einer teileingezahlten Aktie nach deren Nennbetrag richten. 1230

Eigene Aktien. Teileingezahlte Aktien

§215

Anm. 3—5

Ein Verstoß gegen die Bestimmung, daß die Kapitalerhöhung hinsichtlich teileingezahlter Aktien nur durdi Erhöhung des Nennbetrags erfolgen kann, hat Nichtigkeit zur Folge (ebenso B.-H. Rn 5; Fischer in Großkomm. § 12 Gesetz über Kapitalerh. aus Gesellschaftern. Anm. 3; Zietzen-Halfl § 12 Anm. 2). Weitere Schwierigkeiten treten auf, wenn maßgebend für die Beteiligung am Gewinn oder für die Ausübung des Stimmrechts die auf die Aktie geleistete Einlage ist (s. hierüber § 216 Anm. 5 bis 7). Anm. 4: Sind bei einer Gesellschaft neben teileingezahlten Aktien volleingezahlte Aktien vorhanden, so kann sie die teileingezahlten Aktien nur durch Erhöhung des Nennbetrages an der Kapitalerhöhung beteiligen. Für die volleingezahlte Aktie hat sie die Wahl, ob sie den Nennbetrag erhöhen will oder ob sie für die volleingezahlten Aktien neue Aktien ausgeben will. IV. Erhöhung des Nennbetrages Anm. 5: In dem Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals muß die Art der Erhöhung angegeben werden. Es ist nicht notwendig, daß ausdrücklich gesagt wird, es handele sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellsdiaftsmitteln, es genügt vielmehr, die dem § 207 entsprechende sachliche Angabe, daß Rücklagen in Grundkapital umgewandelt werden. Es muß in dem Beschluß angegeben werden, ob und in welchem Umfange und zu welchen Nennbeträgen neue Aktien ausgegeben werden, bzw. inwieweit der Nennbetrag der Aktien erhöht wird. Bei Ausführung der Kapitalberichtigung durch Erhöhung des Nennbetrages der Aktien gilt die Sonderbestimmung, daß keine Spitzenbeträge anfallen dürfen, vielmehr muß von vornherein die Kapitalberichtigung so bemessen werden, daß auf jeden Anteil der entsprechende volle Betrag, der sich aus der Erhöhung des Grundkapitals ergibt, entfällt. Ein Beschluß, der der vorstehenden Bestimmung zuwiderläuft, ist nach § 241 Nr. 3 nichtig (im Grunde ebenso B.-H. Rn. 8, die sich lediglich gegen die Anwendung des § 241 Ziff. 3 wenden. Dies ist von uns neben der von Hueck vertretenen Ansicht als zusätzlicher Nichtigkeitsgrund angeführt worden). Wenn die Kapitalerhöhung so ausgeführt wurde, daß es nicht möglich ist, jeden Anteil am bisherigen Grundkapital im Nennbetrag entsprechend seiner bisherigen Beteiligung zu erhöhen, so würde dies gegen die grundsätzliche Bestimmung des § 212 verstoßen, die Spitzenbeträge fielen ins Leere, da neue Aktien nicht ausgegeben werden; es würde also die Summe der Aktienrechte mit dem Grundkapital nicht übereinstimmen, das würde mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar sein.

1231

§216

Anm. 1,2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

§ 216 Wahrung der Redite der Aktionäre und Dritter (1) Das Verhältnis der mit den Aktien verbundenen Redite zueinander wird durch die Kapitalerhöhung nicht berührt. Die Ausgabe neuer Mehrstimmrechtsaktien und die Erhöhung des Stimmrechts von Mehrstimmrechtsaktien auf Grund des Satzes 1 bedürfen keiner Zulassung nadi § 12 Abs. 2 Satz 2. (2) Soweit sich einzelne Redite teileingezahlter Aktien, insbesondere die Beteiligung am Gewinn oder das Stimmrecht, nach der auf die Aktie geleisteten Einlage bestimmen, stehen diese Redite den Aktionären bis zur Leistung der noch ausstehenden Einlagen nur nach der Höhe der geleisteten Einlage, erhöht um den auf den Nennbetrag des Grundkapitals berechneten Hundertsatz der Erhöhung des Grundkapitals zu. Werden weitere Einzahlungen geleistet, so erweitern sich diese Redite entsprechend. Im Fall des § 271 Abs. 3 gelten die Erhöhungsbeträge als voll eingezahlt. (3) Der wirtschaftliche Inhalt vertraglicher Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten, die von der Gewinnaussdiüttung der Gesellschaft, dem Nennbetrag oder Wert ihrer Aktien oder ihres Grundkapitals oder sonst von den bisherigen Kapital- oder Gewinnverhältnissen abhängen, wird durch die Kapitalerhöhung nicht berührt. Gleiches gilt für Nebenverpflichtungen der Aktionäre. I. Übersicht (Anm. 1) II. Verhältnis der mit der Aktie verbundenen Redite 1. Anteilig zum Nennbetrag (Anm. 2) 2. Nicht anteilig zum Nennbetrag (Anm. 3) 3. Mehrstimmrechtsaktien (Anm. 4)

4. Teileingezahlte Aktien (Anm. 5 bis 7) III. Ansprüche gegen die Gesellschaft 1. Von Gewinnausschüttung Abhängige (Anm. 8) 2. Vom Nennbetrag Abhängige (Anm. 9) IV. Ansprüche der Gesellschaft (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 und 3 die Bestimmungen des bisherigen § 13 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, der seinerseits in den Abs. 1 und 3 dem § 41 DM-BilG. nachgebildet ist. In Abs. 1 S. 2 wird der bisherige § 6 I S. 3 des Kapitalerhöhungsgesetzes übernommen. II. Verhältnis der mit der Aktie verbundenen Rechte 1. Anteilig zum Nennbetrag Anm. 2: Da nach §212 die neuen Aktien den bisherigen Aktionären im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital nach Eintragung des 1232

Wahrung der Rechte der Aktionäre und Dritter

§ 216

Anm. 2,3 Erhöhungsbeschlusses (§211) automatisch zufallen, ändert sich dann nichts am Verhältnis der Rechte der Aktionäre, wenn nur Aktien mit gleichen Rechten (Stammaktien) vorhanden sind. Das gleiche gilt, wenn zwar Aktien mit verschiedenen Rechten bestehen (verschiedene Aktiengattungen, z.B. Vorzugs- und Stammaktien), diese Rechte aber anteilig bemessen sind, d. h., daß sie von dem Verhältnis abhängen, in dem die Nennbeträge der Anteile der verschiedenen Gattungen zueinander stehen. Das ist meist dann der Fall, wenn Gattungen bestehen, bei denen die Stimmrechte verschieden sind. H a t z. B. eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 10 Millionen DM Mehrstimmrechtsaktien von 3 Millionen DM mit 3 Stimmen für je 1000 DM Nennbetrag und 7 Millionen DM Stammaktien mit einer Stimme für je 1000 DM Nennbetrag, so stehen 9000 Stimmen den Inhabern der Mehrstimmrechtsaktien und 7000 Stimmen den Stammaktionären zu. Es besteht also ein Stimmenverhältnis von 9 : 7 im Verhältnis der beiden Gattungen. Verdoppelt die Gesellschaft ihr Grundkapital, so lautet es auf 20 Millionen DM mit 6 Millionen DM Mehrstimmredltsaktien und 14 Millionen DM Stammaktien. Die neuen Aktien erhalten das gleiche Stimmrecht wie die alten, dann ist das Stimmverhältnis künftig 18 : 14, es ist also das gleiche wie bisher. Sind stimmrechtslose Vorzugsaktien vorhanden, so sind auch die neuen auf sie entfallenden Aktien stimmrechtslos. Unterscheiden sidi die Rechte der verschiedenen Gattungen durch ihren Anspruch auf den Gewinn, so ist es zwar theoretisch auch möglich, daß es sich um anteilige Unterschiede handelt, so, wenn die eine Gattung etwa die Hälfte des Gewinns, der auf die andere Gattung entfällt, bekommt. Liegt ein solcher Fall vor, so haben auch die auf die einzelnen Gattungen entfallenden neuen Aktien den gleichen Vor- oder Nachteil bei der Gewinnverwendung (so auch Geßler in WM 1960, Sonderbeilage Nr. 1 S. 21). Im Kapitalerhöhungsbeschluß kann keine von der Bestimmung des § 216 I S. 1 abweichende Regelung getroffen werden. Es handelt sich vielmehr um eine zwingende gesetzliche Bestimmung. 2. Nicht anteilig zum Nennbetrag Anm. 3: Sind die mit den Aktien verbundenen Rechte aber nicht anteilig, d. h., sind sie von dem Verhältnis abhängig, in dem die Nennbeträge der Aktien der verschiedenen Gattungen zueinander stehen, so muß, um dem Grundsatz Rechnung zu tragen, daß das Verhältnis der Aktien zueinander durch die Kapitalerhöhung nicht berührt werden darf, im Kapitalerhöhungsbeschluß eine besondere Regelung getroffen werden (ebenso Geßler in BB 1960, 10; a. A. Boesebeck in Betrieb 1960, 404, der offenbar eine besondere Regelung im Kapitalerhöhungsbeschluß für überflüssig hält, weil durch den Kapitalerhöhungsbeschluß zwangsläufig die nach § 2161 vorgesdiriebene 1233

§216

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Anm. 3,4 Folge eintritt, so daß nur eine formelle Satzungsänderung vorzunehmen ist). Der praktisch häufigste Fall ist, daß Vorzugsaktien einen bestimmten Prozentsatz des Gesamtgewinns vorab bekommen. Hier ist das Recht nicht auf das Verhältnis der Nennbeträge der Gattungen zueinander bezogen, sondern auf das Grundkapital der Gesellschaft. Da sich dieses bei der Kapitalerhöhung ändert, muß sich der Prozentsatz bei den einzelnen Aktienrechten ändern, um der Bestimmung des § 216 I S. 1 Rechnung zu tragen. H a t z. B. eine Gesellschaft von 10 Millionen Kapital 3 Millionen Vorzugsaktien mit einem Anspruch auf 4 o/o Vorzugsdividende, so sind 120 000 DM erforderlich. Verdoppelt die Gesellschaft ihr Kapital, so verdoppelt sich zwangsläufig die Zahl der Vorzugsaktien, und es würde ohne die Bestimmung des Abs. 1 ein Betrag von 240 000 DM für die Vorzugsaktien vorab gezahlt werden müssen. Das wäre eine Benachteiligung der übrigen Aktionäre, so daß in diesem Fall die Vorzugsdividende auf 2 °/o für jede Vorzugsaktie — alte wie neue — herabgesetzt werden muß, damit das Verhältnis zwischen den Aktiengattungen nicht verschoben wird. Der Wortlaut der vorliegenden Bestimmung entspricht dem des § 471 der ersten Verordnung zur Durchführung der Dividendenabgabeverordnung vom 18. August 1941. Die Literatur hierzu ist deshalb verwendbar (vgl. Böttcher § 8 Anm. 127 ff.). Auch der § 41 dej DM-BilG entspricht der vorliegenden Bestimmung (vgl. Geßler Anm. zu § 41; Geiler, ebenfalls zu § 41). Wollen die Aktionäre ein vom Gesetz abweichendes Ergebnis, so können sie das nicht im Kapitalerhöhungsbeschluß erreichen; dieser wäre dann wegen Verstoßes gegen § 216 nach § 243 I anfechtbar (ebenso Fischer in Großkomm. § 1 3 Gesetz über Kapitalerh. aus Gesellschaftsm. Anm. 1; Brönner § 1 3 Anm. 1; abw. B.-H. Rn. 3). Es ist aber möglich, vor oder nach dem Kapitalerhöhungsbeschluß durch Satzungsänderung das Verhältnis der einzelnen Gattungen von Aktien abzuändern. Dann muß dieser als besonderer Punkt mit der Tagesordnung bekanntgemacht werden (§ 124) und es muß — anders als beim Kapitalerhöhungsbeschluß (vgl. § 207 Anm. 5) — nach § 178 III neben dem Beschluß der Hauptversammlung ein Beschluß der benachteiligten Aktionäre gefaßt werden. Der Beschluß wird, wie jeder satzungsändernde Beschluß, mit der Eintragung wirksam. Wird er also in der gleichen Hauptversammlung gefaßt, die die Kapitalerhöhung beschließt, und mit ihr angemeldet und eingetragen, so wird die durch die Satzungsänderung vorgenommene Regelung mit dem Kapitalerhöhungsbeschluß gleichzeitig wirksam (ebenso B.-H. Rn. 3). 3. Mehrstimmrechtsaktien Anm. 4: Nach § 12 II sind Mehrstimmrechte unzulässig. Die bereits bei der Einführung des Aktiengesetzes von 1937 bestehenden Mehrstimmrechtsaktien sind durdi diese Bestimmung aber nicht berührt worden, so daß auch heute 1234

"Wahrung der Rechte der Aktionäre und Dritter

§ 216 Anm. 4,5

noch Aktien mit Mehrstimmrediten vorhanden sind. Nach § 5 EG bleiben sie auch weiterhin aufrechterhalten (vgl. im einzelnen Anm. zu § 12). Wenn hier in Abs. 1 S. 2 bestimmt wird, daß die Ausgabe neuer Mehrstimmrechtsaktien und die Erhöhung des Stimmrechts von Mehrstimmrechtsaktien ohne die nach § 12 II f ü r Ausnahmefälle zulässig erklärte Genehmigung f ü r Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien erfolgen kann, darf daraus nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber sich etwa grundsätzlich für eine Vermehrung der Mehrstimmrechtsaktien entschieden habe. Die Regelung läßt deutlich erkennen, daß bei der sogenannten Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln keine neuen Anteilsredite geschaffen werden, daß sich vielmehr nur die Form der alten Anteilsrechte verändert, sei es durch Aufteilung mehrerer Aktien oder durch Änderung des Nennbetrages der alten Aktien. Damit verändert sich zwar entweder die Zahl oder der Nennbetrag der Mehrstimmrechtsaktien und die damit verbundene Stimmenzahl, diese muß aber mit Rücksicht auf die Bestimmungen des § 216 I S. 1 im bisherigen Verhältnis zu der Stimmenzahl der Stammaktien bleiben. 4. Teileingezahlte Aktien Anm. 5: Für teileingezahlte Aktien enthält das Gesetz eine besondere Regelung, die im Grunde aber nur eine Ausführungsbestimmung f ü r den Grundsatz, der in Abs. 1 S. 1 festgelegt ist, darstellt. Es ist bereits zu § 215 Anm. 3 dargelegt worden, daß bei teileingezahlten Aktien dann keine besonderen Probleme auftaudien, wenn bei allen Aktien der Gesellschaft die herrschaftsrechtlichen und vermögensrechtlichen Rechte gleich sind. Das ist aber schon dann nicht mehr der Fall, wenn auf die einzelnen teileingezahlten Aktien über die Mindesteinlage hinaus Beträge eingezahlt sind (vgl. § 134 II für die Ausübung des Stimmrechts). H a t eine Gesellschaft Aktien zu 1000 DM Nennbetrag ausgegeben, bei denen nach der Satzung das Stimmrecht mit der Einzahlung von 50 °/o gleich 500 D M beginnt, so hat ein Aktionär, der diese satzungsmäßige Mindesteinlage geleistet hat, eine Stimme. Der Aktionär, der den vollen Betrag von 1000 D M eingezahlt hat, hat zwei Stimmen. Wenn eine solche Gesellschaft eine Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln vornimmt im Verhältnis 1 :1, so würden, da nach § 211 II die neuen Aktien als voll eingezahlt gelten, der erste Aktionär 1 plus 2 gleich 3 Stimmen, der zweite Aktionär 2 plus 2 gleich 4 Stimmen besitzen. Das bisherige Stimmenverhältnis 1 : 2 würde sich also in ein Verhältnis 3 : 4 umwandeln. Das verhindert die Bestimmung des § 216 I I ; danach erhöht sich das Stimmrecht um den auf den Nennbetrag des Grundkapitals berechneten Hundertsatz der Erhöhung des Grundkapitals. Wenn die Gesellschaft also ihr Kapital verdoppelt hat, so hat jeder Aktionär die doppelte Stimmenzahl wie bisher, d. h., der Aktionär, der auf sein altes Stimmrecht die Mindesteinlage erstattet hat, hat nunmehr zwei Stimmen. Der Aktionär, der sein Aktienrecht voll eingezahlt hat, hat 1235

§ 216 Anm. 5,6

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

nunmehr 4 Stimmen. Damit bleibt das Verhältnis der Stimmen vor der Kapitalerhöhung 1 : 2, nach der Kapitalerhöhung 2 : 4, das gleiche. Zu beachten ist, daß auf teileingezahlte Aktien keine neuen Aktien ausgegeben werden dürfen, sondern daß das Anteilsrecht, das neu zur Entstehung gelangt, durch Erhöhung des Nennbetrages der bisherigen Aktie zur Entstehung gelangt. Es kann also nicht vorkommen, daß aus einer teileingezahlten Aktie eine neue voll eingezahlte Aktie entsteht; wohl aber kann es Gesellschaften geben, die neben teileingezahlten volleingezahlte Aktien haben. Für letztere können neue Aktien ausgegeben werden. Enthält die Satzung keine Bestimmung über das Stimmrecht teileingezahlter Aktien und sind bei der Gesellschaft neben teileingezahlten Aktien voll eingezahlte Aktien vorhanden, so steht nach § 134 II S. 1 dem Aktionär mit teileingezahlter Aktie kein Stimmrecht zu. Das durch die Kapitalerhöhung entstehende neue Anteilsrecht, das bei teileingezahlten Aktien in einer Erhöhung des Nennbetrages der alten Aktie besteht, hätte, da es nach §211 als voll eingezahlt gilt, volles Stimmrecht. Nach der vorliegenden Bestimmung bleibt es aber ebenso wie das bisherige stimmrechtslos. Anm. 6: Für die Gewinnverteilung bei Gesellschaften mit teileingezahlten Aktien gilt § 60 II. Danach ist grundsätzlich der Nennbetrag maßgebend, jedoch erhalten nach § 60 II Aktionäre zunächst bis zu 4 °/o der geleisteten Einlage. Der Rest wird gleichmäßig nach dem Nennbetrag verteilt. Es würde, wenn man das obige Beispiel anwendet, der Aktionär, der 500 DM auf seine Aktie eingezahlt hat, zunächst 4 % gleich 20 DM erhalten, der Aktionär, der volle 1000 DM eingezahlt hat, 40 DM. H a t die Gesellschaft ihr Grundkapital verdoppelt, so erhält der erste Aktionär auf das neue Aktienrecht ebenfalls 20 DM, im ganzen also 40 DM, der zweite Aktionär 80 DM. Alsdann nehmen beide Aktionäre gleichmäßig mit dem Nennbetrag ihres alten und neuen Aktienrechts an der Gewinnverteilung teil. Wenn in der Satzung vorgesehen ist, daß die Gewinnverwendung an die Aktionäre nach der Höhe ihrer Einzahlung auf die Aktien zu erfolgen hat, so bekäme in dem angeführten Beispiel bei einer Dividende von 10 °/o vor der Kapitalerhöhung der erste Aktionär 50 DM, der zweite Aktionär 100 DM. Ohne die Bestimmung des § 216 II würde bei einer Kapitalerhöhung 1 : 1 und der gleichen Dividende von 10 % der erste Aktionär 150 DM, der zweite 200 DM bekommen. Nach der Bestimmung des §21611 bekommt der erste Aktionär das Doppelte wie bisher, weil sich das Nennkapital der Gesellschaft verdoppelt hat, also 100 DM, der zweite Aktionär ebenfalls das Doppelte, also 200 DM. Auch hier bleibt damit das Verhältnis am ausgeschütteten Gewinn das gleiche wie bisher. Da diese Regelung im Gesetz zwingend vorgeschrieben ist, bedarf es bei dem Kapitalerhöhungsbeschluß keiner besonderen Regelung. 1236

Wahrung der Rechte der Aktionäre und Dritter

§ 216 Anm.6—8

Einen einmal festgelegten Verteilungsmaßstab für den zu verteilenden Bilanzgewinn kann die Hauptversammlung auch nicht durch satzungsändernden Beschluß nachträglich ändern (bestritten; vgl. § 60 Anm. 1). Anrn. 7: Wird nach der Durchführung der Liquidation das verbleibende Vermögen an die Gesellschafter verteilt, so gilt § 271 III. Es würde also nach dem oben angegebenen Beispiel der erste Aktionär 500 DM, der zweite Aktionär 1000 DM erhalten. Ist dann noch ein Uberschuß vorhanden, so wird dieser nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge verteilt. Hier kommt also der Grundgedanke des § 211, daß die neuen Aktien als voll eingezahlt gelten, wieder zum Zuge (vgl. Fischer in Großkomm. § 13 Ges. über Kapitalerh. aus Gesellschaftsm. Anm. 7; B.-H. Rn. 5). III. Ansprüche gegen die Gesellschaft 1. Von Gewinnausschüttung

Abhängige

Anm. 8: Der wirtschaftliche Inhalt vertraglicher Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten wird durch die Kapitalerhöhung nicht berührt, ebensowenig wie nach Abs. 1 das Verhältnis der mit den Anteilen verbundenen Rechte zueinander sich nicht verändert. Eine Veränderung der vertraglichen Beziehungen zu Dritten ergibt sich z. B. stets dann, wenn diese Rechte sich nach der Gewinnausschüttung der Gesellschaft den Nennbetrag ihrer Aktien oder ihres Grundkapitals richten. Von der Gewinnausschüttung abhängig sind beispielsweise Genußscheine, wenn sie nach einer Vordividende von einem bestimmten Prozentsatz an die Stammaktionäre zum Zuge kommen. In diesem Fall muß die Bedienung der Genußscheine bereits dann erfolgen, wenn nach den bisherigen Kapitalverhältnissen eine Dividendensumme an die Aktionäre gezahlt wird, nach deren Zahlung die Genußscheininhaber Anspruch auf die Zuteilung nach den bisherigen Kapitalverhältnissen hatten. Wenn also z. B. die Genußscheininhaber einen Anspruch auf Zuteilung von Bilanzgewinn nach Zahlung einer Dividende von 4%> an die Stammaktionäre hatten und die Gesellschaft ihr Kapital verdoppelt hat, so haben sie künftig bereits einen Anspruch auf Berücksichtigung nach Zahlung einer Dividende von 2 °/o an die Stammaktionäre. Das gleiche gilt für die Berechnung der Tantiemeansprüche für Vorstand und Aufsichtsrat. Wenn diese erst nach einer Stammdividende von dem dann noch verbleibenden Reingewinn zu zahlen sind, so sind sie jetzt von dem Reingewinn zu berechnen, der verbleibt, wenn man die Dividendensumme, die nach den bisherigen Bestimmungen der Tantieme vorging, abzieht. Wenn nach Satzungsbestimmung oder Vereinbarung die Tantieme von dem Teil des Gewinns zu berechnen ist, der nach Abzug eines in Prozenten zum Grund1237

§§216/217

Maßnahmen der Kapitalbeschalf ung

Anm. 8—10 kapital errechneten Dividendenbetrages verbleibt, so ist auch nach der Kapitalerhöhung vom Gewinn nur der gleiche Betrag wie bisher vor Errechnung der Tantieme abzuziehen; allerdings ist bei der Tantieme für den Aufsichtsrat die zwingende Bestimmung des § 113 I I I zu beachten, wonach bei der Berechnung der Tantieme ein f ü r die Aktionäre bestimmter Betrag von mindestens 4 % der geleisteten Einlage abzusetzen ist. In diesem Falle erhöht sich mit der Kapitalerhöhung der absolute Betrag, der bei der Tantiemeberechnung vorab vom Gewinn abzusetzen ist. Es empfiehlt sich mithin nachzuprüfen, inwieweit eine Änderung der Satzungsbestimmungen oder Vereinbarungen über die Tantieme angemessen erscheint (vgl. Böttcher in RuW 425/19, S. 37; s. auch Bösebeck in DB 60, 139). 2. Vom Nennbetrag Abhängige Anm. 9: Richten sich die vertraglichen Beziehungen zu Dritten nach dem Nennbetrag ihrer Anteile, so kann die Gesellschaft ihre Verpflichtung nicht durch Hingabe von Aktien im gleichen Nennbetrag wie bisher erfüllen» Sind z.B. Wandelschuldverschreibungen mit der Maßgabe ausgegeben worden, daß deren Inhaber das Recht auf Umtausch in Aktien im Verhältnis 1 : 1 des Nennbetrages haben, und ist durch eine Kapitalerhöhung das Gesellschaftskapital verdoppelt worden, so hat jeder Inhaber einer Wandelschuldverschreibung Anspruch auf Umtausch gegen zwei Aktien (vgl. hierzu § 218 und Hueck in DB 63,1348). IV. Ansprüche der Gesellschaft Anm. 10: Ebensowenig wie sich die Ansprüche Dritter gegen die Gesellschaft verändern, kann durch die Kapitalerhöhung eine Veränderung der Ansprüche der Gesellschaft Dritten gegenüber eintreten, zumal Ansprüche der Gesellschaft Dritten gegenüber kaum in irgendeiner Beziehung zum Grundkapital stehen. Bestehen Neben Verpflichtungen der Aktionäre nach § 55 — diese könnte man als Ansprüche der Gesellschaft gegenüber Dritten ansehen —, so bleiben diese in ihrem absoluten Betrag unverändert. Die neuen Aktien werden also nicht etwa mit entsprechenden neuen Nebenverpflichtungen belastet, dagegen verteilt sich die Belastung der alten Aktien nunmehr im Verhältnis auf die alten und neuen Aktien. § 217 Beginn der Gewinnbeteiligung (1) Die neuen Aktien nehmen, wenn nichts anderes bestimmt ist, am Gewinn des ganzen Geschäftsjahrs teil, in dem die Erhöhung des Grundkapitals beschlossen worden ist. 1238

Beginn der Gewinnbeteiligung

§217

Anm. 1,2 (2) Im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals kann bestimmt werden, daß die neuen Aktien bereits am Gewinn des letzten vor der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufenen Geschäftsjahrs teilnehmen. In diesem Fall ist die Erhöhung des Grundkapitals zu beschließen, bevor über die Verwendung des Bilanzgewinns des letzten vor der Beschlußfassung abgelaufenen Geschäftsjahrs Beschluß gefaßt ist. Der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns des letzten vor der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufenen Geschäftsjahrs wird erst wirksam, wenn das Grundkapital erhöht ist. Der Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals und der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns des letzten vor der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufenen Geschäftsjahrs sind nichtig, wenn der Beschluß über die Kapitalerhöhung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlußfassung in das Handelsregister eingetragen worden ist. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage rechtshängig ist oder eine zur Kapitalerhöhung beantragte staatliche Genehmigung noch nicht erteilt ist. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt den bisherigen § 14 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, soweit er sich auf Aktiengesellschaften bezieht. Ein Bezug auf § 207 III war entbehrlich, da diese Vorschrift insoweit nicht dem bisherigen § 1 III des Kapitalerhöhungsgesetzes entspricht. Anm. 2: Wenn die Hauptversammlung nichts anderes beschließt, nehmen die neuen Aktien an dem Gewinn des Geschäftsjahres teil, in dem der Erhöhungsbeschluß gefaßt ist. Es ist nicht notwendig, daß er bereits durch Eintragung während dieses Geschäftsjahres wirksam geworden ist. Diese Regelung geht davon aus, daß die Rücklagen, aus denen die Kapitalerhöhung erfolgt, bereits am Ende des abgeschlossenen Geschäftsjahres vorhanden waren. Das gilt sowohl für den Fall, daß dem Kapitalerhöhungsbeschluß nach § 209 I die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt wird, als auch für den Fall, daß dem Erhöhungsbeschluß nach § 209 II—VI eine besondere Bilanz zugrunde liegt (vgl. § 208 I). Durch eine solche Regelung wird vermieden, daß sich besondere Kurse für die neuen Aktien bilden. Die Bestimmung ist nicht zwingend. Die Hauptversammlung kann auch beschließen, daß die neuen Anteilsrechte erst zu einem späteren Zeitpunkt am Gewinn teilnehmen, etwa erst zum Beginn des neuen Geschäftsjahres. Ein solcher Beschluß würde aber dem ganzen System des Gesetzes widersprechen. Es wäre auch schwer, einen wirtschaftlichen Sinn für einen solchen Beschluß zu finden, denn im allgemeinen wird die Erhöhung des Grundkapitals vorgenommen, um den nominellen Prozentsatz der Dividende herabsetzen zu können bei gleichbleibender oder steigender Dividendensumme. Es wird also eher die Tendenz bestehen, von 1239

§ 217 Maßnahmen der Kapitalbeschaffung Anm. 2—1 der Bestimmung des Abs. 2 Gebrauch zu machen, als den Zeitpunkt, an dem die neuen Aktien am Gewinn teilnehmen, hinauszuschieben. Anm. 3: Die Bestimmung, daß die Hauptversammlung im Erhöhungsbeschluß festlegen kann, daß die neuen Aktien bereits am Gewinn des letzten vor der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufenen Geschäftsjahres teilnehmen können, trägt einem Bedürfnis der Praxis Rechnung. Diese für eine Kapitalerhöhung gegen Einlage undenkbare Regelung ist darauf zurückzuführen, daß hier keine Einlagen geleistet, sondern Rücklagen umgewandelt werden, die schon im vorausgegangenen Geschäftsjahr zum Eigenkapital der Gesellschaft gehörten. Anm. 4: Wenn der Gewinn Verwendungsbeschluß die Höhe der Dividenden wie üblich in Prozenten ausdrückt und diese Prozente auf das neue erhöhte Grundkapital bezogen sind, so würde, falls die Kapitalerhöhung nicht durch Eintragung wirksam wird, der gefaßte Beschluß nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen, deshalb soll er nach der vorliegenden zwingenden gesetzlichen Bestimmung erst wirksam werden, wenn das Grundkapital erhöht ist. Er wird nichtig, wenn der Beschluß über die Kapitalerhöhung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlußfassung in das Handelsregister eingetragen worden ist. Durch diese scharfen Bestimmungen wird es notwendig, einen neuen Gewinnverwendungsbeschluß zu fassen. Es muß also eine neue Hauptversammlung stattfinden. Ob diese Bestimmung wirklich notwendig war, kann dahingestellt bleiben (auch Fischer in Großkommentar § 14 Ges. über die Kapitalerh. aus Gesellschaftsm. Anm. 4 wendet sich hiergegen). Es wäre auch denkbar gewesen, den auf das neue Grundkapital bezogenen Gewinnverwendungsbeschluß dahin auszulegen, daß der auf die einzelnen neuen Aktien entfallende Anteil nach dem Beschluß auszuschütten sei. Der Gesetzgeber wollte aber absolute Klarheit schaffen und hat deshalb in Kauf genommen, daß eine neue Hauptversammlung stattfinden muß, wenn die Eintragung der Kapitalerhöhung nicht innerhalb von drei Monaten nach der Besdilußfassung in das Handelsregister erfolgt. Im Gegensatz zu den Bestimmungen des § 209 IV ist hier der maßgebende Zeitpunkt nicht die Anmeldung des Beschlusses zum Handelsregister, sondern seine Eintragung, denn erst durch diese gelangt das erhöhte Grundkapital zur Entstehung. Infolgedessen kann erst dann der Gewinnverwendungsbeschluß auf das erhöhte Grundkapital wirksam werden. Die Gefahr, die darin liegt, daß sich die Eintragung des Beschlusses über die Kapitalerhöhung verzögert, wird dadurch wesentlich abgeschwächt, daß der Lauf der Dreimonatsfrist gehemmt ist, solange eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage anhängig ist oder eine beantragte staatliche Genehmigung noch nicht erteilt ist. Immerhin bleibt die Gefahr bestehen, daß bei der Ein1240

Bedingtes Kapital

§§ 217/218 Anm. 4/1,2

tragung des Beschlusses Schwierigkeiten auftreten und der Registerrichter die Eintragung zunächst ablehnt und erst in der Beschwerdeinstanz die Eintragung erreicht wird; dann kann es leicht vorkommen, daß die Dreimonatsfrist sich als zu kurz erweist. Es empfielt sich deshalb, den Kapitalerhöhungsbeschluß unverzüglich bei dem Registergericht anzumelden.

§ 218

Bedingtes Kapital Bedingtes Kapital erhöht sidi im gleichen Verhältnis wie das Grundkapital. Ist das bedingte Kapital zur Gewährung von Umtauschrediten an Gläubiger von Wandelschuldversdireibungen beschlossen worden, so ist zur Deckung des Untersdiieds zwischen dem Ausgabebetrag der Schuldverschreibungen und dem höheren Gesamtnennbetrag der für sie zu gewährenden Bezugsaktien eine Sonderrücklage zu bilden, soweit nicht Zuzahlungen der Umtauschberechtigten vereinbart sind. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt § 15 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Die bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192 ff.) soll nur zum Zwecke der Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten beschlossen werden. Diese Umtausch- oder Bezugsrechte können entweder an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen oder zur Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen oder an Arbeitnehmer der Gesellschaft gegen Einlagen von Geldforderungen, die ihnen aus einer von der Gesellschaft eingeräumten Gewinnbeteiligung zustehen, gewährt werden. Liegen diese Voraussetzungen vor, so muß die Gesellschaft über eine vermehrte Anzahl von Aktien zur Erfüllung der Umtausch- und Bezugsrechte verfügen wie bisher, wenn der Grundsatz des § 216 III gewahrt werden soll, daß der wirtschaftliche Inhalt vertraglicher Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten durch die Kapitalerhöhung nicht verändert werden darf. Es ist deshalb notwendig, daß sich das bedingte Kapital im gleichen Verhältnis wie das Grundkapital erhöht, obwohl das bedingte Kapital nicht zum Grundkapital der Gesellschaft gehört, also der Kapitalerhöhungsbeschluß als solcher ohne diese ausdrückliche Bestimmung das bedingte Kapital nicht erfassen würde. Mit Rücksicht auf die vorliegende gesetzliche Bestimmung ist es nicht erforderlich, daß im Kapitalerhöhungsbeschluß ausdrücklich aufgenommen wird, daß das bedingte Kapital sich entsprechend erhöht. Es ergibt sich vielmehr von selbst aus der vorliegenden Gesetzesbestimmung. Anm. 2: Der Satz 2 des §218 behandelt gesondert den Fall, daß das bedingte Kapital zum Zwecke der Gewährung von Umtauschrechten an die 1241

§218

Anm. 2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen beschlossen wurde. Wenn Schuldverschreibungen zu einem Ausgabebetrag ausgegeben wurden, der dem Nennbetrag der Aktien, deren Umtausch verlangt werden kann, entspricht, so kann vor einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln die Gesellschaft die Ausgabe der Bezugsaktien gegen Umtausdi der eingereichten Schuldverschreibungen ohne weiteres vornehmen; wenn aber der Ausgabebetrag unter dem Nennwert der Umtauschaktie lag, so gilt die Bestimmung des § 199 I I . Danach muß der Unterschied zwischen dem Ausgabebetrag der zum U m tausch eingereichten Schuldverschreibung und dem höheren Nennbetrag der für sie zu gewährenden Bezugsaktie aus einer freien Rücklage oder durch Zuzahlung des Umtauschberechtigten gedeckt werden. Diese Bestimmung soll die indirekte Unterpariausgabe von Aktien verhindern. Nach Durchführung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist dieser Fall stets gegeben, denn der Gläubiger der Wandelschuldverschreibung bekommt jetzt mehr Aktien oder Aktien zu höherem Nennbetrag als dem Ausgabebetrag der Wandelschuldverschreibung entspricht. Es ist deshalb in allen Fällen die Bildung einer Sonderrücklage notwendig, soweit nicht Zuzahlungen der Umtauschbereditigten vereinbart sind, die so hoch sind, daß sie den ganzen Unterschied zwischen Ausgabebetrag der Wandelschuldverschreibung und Nennbetrag der nach der Kapitalerhöhung für den Umtausch zu gewährenden Bezugsaktien decken. D a s kann nur der Fall sein, wenn von vornherein eine so hohe Zuzahlung vereinbart war, daß diese auch nach der Kapitalerhöhung noch den Nennbetrag der Bezugsaktien, voll deckt. Dies wird im allgemeinen nicht der Fall sein, jedenfalls ist der Gläubiger einer Wandelschuldverschreibung nicht verpflichtet, eine höhere Zuzahlung zu leisten, als bei Ausgabe der Wandelsdiuldverschreibung vereinbart war. Dies würde gegen den Grundsatz des § 216 I I I verstoßen. Es wird deshalb im allgemeinen nach jeder Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ein Unterschied zwischen dem Ausgabebetrag der Schuldverschreibung und dem höheren Gesamtnennbetrag der für sie zu gewährenden Bezugsaktien vorhanden sein. In Höhe des U n terschiedsbetrages ist eine Sonderrücklage zu bilden. Im Gesetz ist nicht ausdrücklich gesagt, in welchem Zeitpunkt die Bildung dieser Sonderrücklage zu erfolgen hat. Der Sinn der Bestimmung ergibt aber, daß die Sonderrücklage sdion in der Bilanz, die die Grundlage des Kapitalerhöhungsbeschlusses bildet, vorgenommen sein muß (allgemeine Ansicht, vgl. Fischer in Großkomm. § 1 5 Gesetz über die Kapitalerh. aus Gesellschaftsm. Anm. 3; BaumbachH u e c k R n 4 ; Brönner § 1 5 Anm. 2). Es soll verhindert werden, daß freie Rücklagen, die nach § 199 I I zur Deckung des Unterschiedsbetrages erforderlich sind, in Grundkapital umgewandelt werden. Deshalb ist in die Sonderrücklage auch nicht etwa nur der Betrag einzustellen, der sich neu als Untersdiiedsbetrag aus der Kapitalerhöhung ergibt, sondern auch der Betrag, der etwa schon früher vorhanden war. 1242

Verbotene Ausgabe von Aktien und Zwisdienscheinen

§§ 218/219 Anm. 3/—

Anm. 3: Das genehmigte Kapital wird nicht erwähnt. Ein nach § 202 gefaßter Beschluß bleibt unverändert bestehen. Der in dem Beschluß bestimmte Nennbetrag wird durch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht erhöht. Dagegen verändert sich die zulässige Höhe für genehmigtes Kapital (§ 202 III). Es kann, wenn die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln im Handelsregister eingetragen und damit wirksam geworden ist, das genehmigte Kapital die Hälfte des neuen Grundkapitals erreichen, jedoch nur, wenn nach Eintragung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ein neuer Beschluß nach § 202 gefaßt wird; denn maßgebend für die zulässige Höhe des genehmigten Kapitals ist der Zeitpunkt, in dem die Ermächtigung erteilt wird. Einen indirekten Einfluß auf genehmigtes Kapital hat die Bestimmung des § 219; danach dürfen vor Eintragung des Beschlusses über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln in das Handelsregister auch aufgrund eines Beschlusses nadi § 202 keine neuen Aktien ausgegeben werden.

§ 219 Verbotene Ausgabe von Aktien und Zwisdienscheinen Vor der Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals in das Handelsregister dürfen neue Aktien und Zwischenscheine nicht ausgegeben werden. Die Vorschrift entspricht dem § 16 Kapitalerhöhungsgesetz. Der Grundsatz, daß vor der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in das Handelsregister neue Aktien und Zwisdienscheine nicht ausgegeben werden dürfen, entspridit § 191 Satz 1 mit der Maßgabe, daß nadi den vorliegenden Bestimmungen die Ausgabe neuer Aktien und Zwischenscheine nicht erfolgen darf, während nach § 191 die Ausgabe neuer Aktien und Zwischenscheine nicht erfolgen kann; das bedeutet, daß entgegen der vorliegenden Bestimmung ausgegebene Aktien und Zwisdienscheine gültig sind, während unter Verletzung des § 191 ausgegebene Aktien und Zwisdienscheine nichtig sind (vgl. Geßler in WM 1960, Sonderbeilage 1 S. 23; B.-H.Rn2; zweifelnd Fischer in Großkomm. § 16 Ges. über die Kapitalerh. aus Gesellsdiaftsm. Anm. 1). Die Bestimmung verbietet nicht, daß etwa in der gleidien Hauptversammlung, in der eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln beschlossen wird, über eine weitere Kapitalerhöhung gegen Einlagen Beschluß gefaßt wird. Es ist auch zulässig, daß die Eintragung beider Beschlüsse gleichzeitig erfolgt. Die Ausgabe von Aktien oder Zwischenscheinen aufgrund der Kapitalerhöhung gegen Einlagen darf nadi der vorliegenden Bestimmung erst erfolgen, wenn die Kapitalerhöhung aus Gesellsdiaftsmitteln eingetragen ist, 1243

§§ 219/220

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

und sie kann weiterhin erst vorgenommen werden, wenn nach § 191 die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals im Wege der Kapitalerhöhung gegen Einlagen eingetragen ist. Ebenso kann in der gleichen Hauptversammlung genehmigtes Kapital beschlossen werden; allerdings gilt dann für die Höchstgrenze noch das alte Grundkapital, und es dürfen auch in diesem Falle bis zur Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses aus Gesellschaftsmitteln aufgrund des genehmigten Kapitals keine neuen Aktien ausgegeben werden.

§ 220 Wertansätze Als Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Grundkapitals erworbenen Aktien und der auf sie entfallenen neuen Aktien gelten die Beträge, die sidi für die einzelnen Aktien ergeben, wenn die Anscfaaffungskosten der vor der Erhöhung des Grundkapitals erworbenen Aktien auf diese und auf die auf sie entfallenen neuen Aktien nach dem Verhältnis der Nennbeträge verteilt werden. Der Zuwachs an Aktien ist nicht als Zugang auszuweisen. Die Vorschrift übernimmt § 17 des Kapitalerhöhungsgesetzes. Audi diese Bestimmung zeigt, daß es sich nicht um eine echte Kapitalerhöhung, sondern nur um eine Berichtigung des Kapitals handelt. Das Vermögen, das den Gegenwert der in Grundkapital umgewandelten Rücklagen darstellt, stand schon vor der Kapitalerhöhung den Aktionären zu. Der vermögensrechtliche Wert der Aktie ändert sich durch die Kapitalberichtigung nicht, nur der Nominalbetrag bzw. die Anzahl der Aktien. Für die neuen Aktien bzw. die Erhöhung des Nennbetrages der alten Aktien entstehen keine Anschaffungskosten. Die Anschaffungskosten, die der Aktionär vor der Kapitalerhöhung für den Erwerb aufgebracht hat, beziehen sich mithin nach der Kapitalerhöhung auf die nunmehr in seinem Besitz befindlichen Aktien. Für den Fall der Veräußerung muß klargestellt werden, in welchem Verhältnis die Anschaffungskosten sich auf die bisherigen und die neuen Aktien verteilen. Maßgebend hierfür ist das Verhältnis der Nennbeträge. Die Bestimmung wirkt sich praktisch nur für einen bilanzpflichtigen Aktionär aus. Wenn z. B. ein Aktionär bisher in seiner Bilanz 10 Aktien zum Nennbetrag von 1000 D M mit einem Anschaffungswert von 15 000 D M zu Buche stehen hatte, muß er jetzt, wenn das Kapital der Gesellschaft sich verdoppelt hat, 20 Aktien ä 1000 D M zum gleichen Anschaffungswert von 15 000 D M in seiner Bilanz aufführen. Verkauft er von seinem Bestand Aktien im Nennwert von 10 000 DM, so verbleibt für die Restaktien ein Bilanzwert von 7500 DM. Eine etwaige Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Betrag von 7500 D M wirkt sich auf das Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung aus. 1244

Wertansätze

§220

Nicht geregelt ist der in der Praxis häufig vorkommende Fall, daß ein bilanzierungspflichtiger Aktionär nach § 213 Teilrechte hinzukaufen muß, um seine Redite ausüben zu können (vgl. Anm. zu § 213). In diesem Falle sind die Anschaffungskosten für die alten Aktien im Verhältnis der alten Aktien zu den neuen Aktien einschließlich der angefallenen Teilrechte zu verteilen. Der Preis für den Erwerb neuer Teilrechte ist den durch die Anschaffung von Teilrechten zu Vollrechten gewordenen Aktien zuzuschlagen. Wenn z. B. ein bilanzierungspflichtiger Aktionär bisher in seiner Bilanz 10 Aktien im Nennwert von 100 DM mit einem Anschaffungswert von 1350 DM zu Buche stehen hat und das Kapital der Gesellschaft im Verhältnis 8 : 1 erhöht wird, so sieht die Berechnung folgendermaßen aus: Für seine 10 alten Aktien erhält er ein neues Vollrecht und 2 /s = Vi Teilrechte. Um den Anschaffungswert der jetzt in seinen Händen befindlichen 11 Vollrechte erhalten zu können, muß er errechnen, wieviel er für jedes Vollrecht aufgewendet hat. Da er auch Vi Teilrecht aufgrund der Kapitalerhöhung erhalten hat, muß zunächst der alte Anschaffungswert von 1350 DM durch 45 — nämlich 45A Anteile — geteilt werden. 1350 DM geteilt durch 45 gleich 30. Vi Anteil hat demnach einen Anschaffungswert von 30 DM. Jedes seiner 11 Vollrechte mithin einen solchen von 4 X 30 = 120 DM, zusammen 1320 DM. Um das Teilrecht von einem Viertel auf ein Vollrecht zu ergänzen, muß er 6 Teilrechte von einem Achtel — bei einer Erhöhung im Verhältnis 8 : 1 erwerben. Angenommen, ein Teilrecht kostet 10 DM, so muß er 60 DM aufwenden. Der Anschaffungswert dieses Vollrechts ergibt sich mithin aus dem alten Anschaffungswert (Vi Teilrecht gleich 30 DM) plus aufgewendete Kosten (60 DM). Daraus ergibt sich also: 30 plus 60 gleich 90 DM als Anschaffungswert für das zwölfte Vollrecht. Eine Prüfung der Berechnung muß ergeben, daß der alte Anschaffungswert der 10 Anteile und dem aufgewendeten Betrag, der für den Erwerb von Teilrechten erforderlich war, den mit der obigen Berechnung erhaltenen Anschaffungswert ergeben muß. Alter Anschaffungswert aufgewendeter Betrag ergibt zusammen

1 350,— DM 60,— DM 1 410,— DM

Anschaffungswert der 11 Vollrechte 1 320,— DM Ansdiaffungswert des letzten Vollrechts 90,— DM 1 410,— DM (vgl. hierzu Geßler in WM 1960 Sonderbeilage 1, 22). Der nominelle Zuwachs, der durch das Zufließen neuer Aktien oder durch die Erhöhung des Nennbetrages der alten Aktien äußerlich entsteht, ist nicht als Zugang auszuweisen. 1245

§ § 220/221

Anm. 1,2

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Besonders zu beachten für die Praxis ist die steuerliche Behandlung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Die steuerlichen Wirkungen sind in einem besonderen Gesetz geregelt worden (Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmern, BGBl 1961, 1918; geändert BGBl 1963, Seite 676; vgl. B.-H. Anhang nach § 220).

Fünfter Unterabschnitt Wandelsdiuldverschreibungen. Gewinnsdiuldverschreibungen § 221 (1) Schuldverschreibungen, bei denen den Gläubigern ein Umtauschoder Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt wird (Wandelschuldverschreibungen), und Schuldverschreibungen, bei denen die Rechte der Gläubiger mit Gewinnanteilen von Aktionären in Verbindung gebracht werden (Gewinnschuldverschreibungen), dürfen nur auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung ausgegeben werden. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine andere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. § 182 Abs. 2 gilt. (2) Absatz 1 gilt sinngemäß für die Gewährung von Genußrechten. (3) Auf Wandelsdiuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genußrechte haben die Aktionäre ein Bezugsrecht. § 186 gilt sinngemäß. I. Ubersicht (Anm. 1 u. 2) II. Wandelsdiuldverschreibungen (Anm. 3) III. Gewinnsdiuldverschreibungen (Anm. 4) IV. Genußrechte (Anm. 5)

V. Sonderbestimmungen: 1. Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 6) 2. Genehmigungspflidit (Anm. 7) 3. Bezugsredit der Aktionäre (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 174 I, I I I und IV AktG37 mit nur einigen sprachlichen Änderungen. § 1 7 4 1 1 AktG 37 ist als entbehrlich entfallen. Anm. 2: Das Bedürfnis nach fremdem Kapital hat in der Zeit unmittelbar nach Friedensschluß von 1920 die Notwendigkeit nach sich gezogen, fremde 1246

Schuldverschreibungen

§221

Anm. 2,3

Reditsformen zu übernehmen, die den Gläubigerländern geläufig und dort heimisch waren. So wurde aus den Vereinigten Staaten die Wandelschuldversdireibung eingeführt (s. Anm. 3), damals unter der ausländischen Bezeichnung convertible bonds. Daneben bildete die Praxis die Gewinnschuldverschreibung aus (s. Anm. 4) und bediente sich weiter der sdion seit Jahrzehnten geschaffenen Form der Genußrechte (s. Anm. 5); eine gesetzliche Regelung erfolgte nidit. Audi das Aktiengesetz regelt inhaltlich die Schuldverschreibungen so wenig, wie die daraus hervorgehenden Rechte. Dasselbe gilt von den Genußrechten. Es überläßt es den Vertragsparteien, sowohl den Inhalt der Schuldverschreibungen als auch der künftigen Aktien (z. B., ob etwa stimmrechtslose oder stimmberechtigte Vorzugs- oder Namensaktien) zu bestimmen, beschränkt sich vielmehr auf den Schutz der Aktionäre gegen Ausgabe solcher Schuldverschreibungen, in dem es diese von einem Beschluß der Hauptversammlung abhängig macht (Abs. 1 u. 2) und das Bezugsrecht der Aktionäre wahrt (Abs. 3). Ein wichtiges mit der Ausgabe von Wandelschuldversdireibungen verbundenes Problem, nämlich die Sicherung des von ihnen gewährten Rechts auf Umtausch in Aktien oder Bezug von Aktien, regelt es an anderer Stelle. Dieses bereitete früher große Schwierigkeiten, man behalf sich mit der Bereitstellung von Vorratsaktien. Die achte Durchführungsverordnung zur Verordnung über die Kapitalherabsetzung in erleichterter Form vom 14.3. 1934 hat das Problem durch Einführung der bedingten Kapitalerhöhung zunächst in Verbindung mit der Abschaffung bestehender Vorratsaktien gelöst. Diese Lösung hat das Aktiengesetz von 1937 in §§ 159 ff. und das Aktiengesetz von 1965 in den §§ 192 ff. übernommen. Die Leistung des Gläubigers, die seinem in der Schuldverschreibung verbrieften Anspruch zugrunde liegt, kann beliebiger Art, auch eine Sachleistung sein. Die Ausgabe von Wandelschuldversdireibungen gegen Sachleistung kann daher auch eine Nachgründung im Sinne des § 52 sein, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen und dessen Berechtigung erforderlich machen. II. Wandelschuldversdireibungen Anm. 3: Wandelschuldverschreibungen sind Schuldverschreibungen, die den Gläubigern ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien gewähren. Im ersten Fall wird die Aktie im Umtausch gegen die Schuldverschreibung erworben, im zweiten behält der Gläubiger die Schuldverschreibung und erwirbt die Aktie gegen die Leistung der Einlage aufgrund des ihm gewährten Bezugsrechtes. Es ist indessen nicht ausgeschlossen, daß auch im ersten Fall der Gläubiger, um die Aktie zu erwerben, außer der Hingabe der Schuldverschreibung eine Bareinlage zu leisten hat, namentlich wenn die Aktie ein Aufgeld hat. 1247

§ 221

Anm. 3,4

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Diese Zuzahlung kann gestaffelt sein, z. B. je nach dem Zeitraum, den der Gläubiger vorübergehen läßt. Weder Umtausch- noch Bezugsrecht müssen gerade im Verhältnis von 1 : 1 gewährt werden, das heißt, es ist nicht notwendig, daß jede Schuldverschreibung für sich allein das Umtausch- oder das Bezugsrecht gewährt. Es kann sein, daß, um eine Aktie einzutauschen oder zu beziehen, Schuldverschreibungen in mehrfachem Nennwert der Aktie notwendig sind. Die Aktien, welche eingetauscht oder bezogen werden können, brauchen den Stammaktien nicht gleichgestellt zu sein, sie können insbesondere mit Vorrechten ausgestattet werden. Besonders angenehm wird es dem Gläubiger also dann gemacht, wenn er mit seiner Schuldverschreibung eine Aktie eintauschen kann, welche mit einem bis zu einer bestimmten Höhe bevorzugten (im übrigen beschränkten oder unbeschränkten) Dividendenrecht und für den Fall der Abwicklung mit einem Vorrang vor den anderen Aktionären, sei es mit, sei es ohne Teilnahme an dem Rest des Vermögensüberschusses, ausgestattet ist. Selbstverständlich ist es möglich, die Wandelschuldverschreibung gleichzeitig als Gewinnschuldverschreibung auszugestalten. Über den Einfluß einer Verschmelzung siehe § 192 Anm. 5. Worin der „Umtausch", abgesehen von der Auswechselung der Urkunden, nach seinem rschtlichen Wesen besteht, deutet das Gesetz nicht an und überläßt es der Erforschung durch Wissenschaft und Rechtsprechung. Man kann an eine Verwandlung der Forderung in ein Aktienrecht (Novation) denken, wozu der Antrag der Gesellschaft in dem Erhöhungsbeschluß liegt. BaumbachHueck (vor §221 Rn5) weisen zu Recht darauf hin, daß der Umtausch kein Tauschvertrag im Sinne des § 515 BGB ist, weil der Gläubiger ein ihm bereits zustehendes Recht ausübt (fakultas alternativa). Der Umtausch wird eingeleitet durch eine unwiderrufliche einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Vorstand. III. Gewinnschuldverschreibungen Anm. 4: Die Gewinnschuldverschreibung ist echte Schuldverschreibung, d. h., sie unterscheidet sich von der Aktie dadurch, daß sie ein Gläubigerrecht und nicht ein Anteilsrecht gewährt. Sie ist in Höhe des Nennwertes eine unbedingte, als solche in die Bilanz aufzunehmende Schuld der Gesellschaft und unterscheidet sich dadurch von den Genußrechten (vgl. Anm. 5). Der häufigste Fall der Gewinnschuldverschreibung ist die Schuldverschreibung mit Zusatzverzinsung. Es handelt sich dabei um eine gewöhnliche Schuldverschreibung mit einem bestimmten Zinssatz, z. B. 4 °/o, der sich jedoch erhöht, wenn die an die Aktionäre zu zahlende Dividende einen bestimmten Prozentsatz, z. B. 6 o/o, übersteigt. In diesem Fall ist die Zusatzverzinsung allein abhängig von den Beschlüssen der Hauptversammlung über die Verteilung des Gewinns. Der Inhaber kann sich nicht darauf berufen, daß ein höherer 1248

Schuldverschreibungen

§221 Anm. 4,5

Gewinn zur Verteilung zur Verfügung gestanden hat, wenn die Hauptversammlung nur einen Teil des Gewinnes ausschüttet. Daß die Zusatzzinsen nicht mit dem Bilanzgewinn, sondern ausschließlich mit der verteilten Dividende in fester Beziehung stehen und daß dadurch die Verfügungsfreiheit über den Bilanzgewinn erhalten bleibt, ist der Gewinnschuldverschreibung in gesetzlichem Sinn sogar charakteristisch. Anfechten kann der Inhaber der Schuldverschreibung einen Hauptversammlungsbeschluß selbstverständlich niemals, da er nicht Aktionär ist. Liegen die Voraussetzungen des § 254 vor, d. h., hat die Hauptversammlung in unzulässiger Weise durch Zuweisung von Beträgen in offene Rücklagen die Dividende unter 4 °/o festgesetzt, so ist der Vorstand zwar nach § 245 Nr. 4 zur Anfechtung berechtigt, aber im allgemeinen nicht verpflichtet, weil die Zusatzverpflichtung der Inhaber der Gewinnsdiuldverschreibungen dadurch beeinträchtigt wird. Er ist grundsätzlich nur dann zur Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses verpflichtet, wenn durch diesen das Wohl der Gesellschaft verletzt wird, nicht aber die Interessen einer Sondergruppe, hier der Inhaber der Gewinnschuldverschreibungen. Dagegen können sich diese auf eine Nichtigkeit nach § 241 berufen, außerdem unter Umständen geltend machen, daß ihr Gewinnanteil wider Treu und Glauben geschmälert worden sei. Die Zusatzzinsen der Schuldversdireibung sind trotz ihrer Abhängigkeit von den Aktionärdividenden echte Zinsen (RG 118, 155). Es ist nicht notwendig, daß sich die Höhe der Zusatzzinsen nach den Dividenden richtet, die die Aktionäre der schuldnerischen Gesellschaft bekommen, vielmehr kommt es vor, daß sie sich nach den Dividenden richten, die eine Konzerngesellschaft verteilt (RG 118,152). In diesem Falle ist die Zinsschuld unabhängig von einem Bilanzgewinn der schuldnerisdien Gesellschaft. Der Fall der Verschmelzung bereitet erhebliche Schwierigkeiten, wenn er in den Anleihebedingungen nicht vorgesehen ist. Einerseits kann die Verschmelzung den begründeten Anspruch auf Zusatzverzinsung nicht erlöschen machen, insbesondere ist seine Erfüllung nicht etwa unmöglich geworden, andererseits aber ist der Maßstab weggefallen. Es wird also eine neue Vereinbarung mit den Gläubigern getroffen werden müssen. IV. Genußrechte Anm. 5: Eine Begriffsbestimmung wird ebenfalls nicht gegeben, so daß zweifelhaft sein könnte, wann die Gesetzesbestimmung anwendbar ist, bestünde nicht eine alte Rechtsübung, die das Gesetz offenbar voraussetzt und sich zu eigen macht (vgl. ausführlich auch Ernst in Die AktGes 67, 75 ff. sowie Knoppe in BB 66,281 ff.). Nach dieser haben Genußrechte zwar mannigfachen Inhalt, ist für sie aber typisch, daß sie keine Mitgliedsrechte, insbesondere keinen Einfluß auf die Geschäftsführung, sondern nur Vermögensrechte gewähren, und zwar in Konkurrenz nur mit den Aktionären und nicht mit den Gläubigern (Anteil am Gewinn oder am Vermögensüberschuß bei der 1249

§ 221 Anm. 5

Maßnahmen der Kapitalbeschaffung

Abwicklung oder an beiden). Meist wird der Gesellschaft das Recht vorbehalten, die Genußrechte auf einmal oder allmählich mittels Auslosung durch eine einmalige, dem Gewinn oder freien Rücklagen zu entnehmende Zahlung abzustoßen. Sie erscheinen in der Bilanz regelmäßig weder als Kapital noch als Verbindlichkeit (herrschende Meinung: B . - H . vor § 2 2 1 R n 8 ; a. A. Ritter § 128 Anm. 5 d), sondern nur ausnahmsweise, wenn es notwendig ist, für sie Vermögen zu binden, wenn für sie Gegenwerte geleistet wurden, weldie nicht andere Aktiven der Bilanz ersetzen, also nicht zur Abschreibung oder Beseitigung eines Verlustsaldos dienen sollen. Solche Genußrechte kommen, wenn auch nicht immer inhaltlich, so doch wesentlich einer stimmrechtslosen Vorzugsaktie sehr nahe. Genußredite werden audi gewährt zur Abgeltung für die Einbringung von Gegenständen, deren Bewertung von der künftigen Rentabilität abhängt, bei Patenten usw. ( R G 132, 199), ferner als Entlohnung für eine Gründertätigkeit ( R G in Bankarchiv 11, 207). Wenn auch zur Ausgabe von Genußscheinen ein Hauptversammlungsbeschluß erforderlich ist, so wird doch dieser und sein Inhalt, desgleichen der Inhalt der Genußrechte nicht Bestandteil der Satzung. Die Ausgabe von Genußscheinen ist keine Satzungsänderung. Der Beschluß bedarf zu seiner Wirksamkeit also nicht der Eintragung in das H a n delsregister; er kann aber Satzungsänderung notwendig machen. Genußredite, die bei der Gründung gewährt wurden, können Sondervorteile im Sinne des § 26 sein und bedürfen dann der Aufnahme in die Satzung. Die Rechte des Inhabers eines Genußscheins müssen sich aus diesem selbst und der Urkunde, auf die er etwa Bezug nimmt, ergeben ( R G 83, 2 9 5 ; 1 1 7 , 3 8 2 ) . Der Anlaß und Zweck der Ausstellung des Genußscheins dürfen nur dann zur Auslegung benutzt werden, wenn sie sich aus den erwähnten Urkunden selbst ergeben. Im Falle der Verschmelzung bleibt der Genußschein bestehen, denn er ist kein Mitglieds-, sondern ein Gläubigerrecht, kann also bei der Verschmelzung nicht untergehen. Es kommt auf seinen eigenen Inhalt an, ob dieser mit der von der Verschmelzung geschaffenen Sachlage vereinbar ist. Dies ist denkbar, dann entstehen keine Schwierigkeiten, andernfalls ändert sich sein Inhalt angemessen. Art und Umfang der Veränderung des Inhalts werden nicht immer leicht zu bestimmen sein, zuweilen wird man sich durch Rückzahlung aus der Verlegenheit befreien können, zuweilen wird die Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses der Genußscheininhaber oder die Vertretung durch einen Treuhänder oder der Fall der Verschmelzung selbst vorgesehen sein. Sehr zweifelhaft ist, inwieweit die Verwaltung und die Hauptversammlung durch die Festsetzung des Jahresabschlusses, insbesondere durch hohe Rückstellungen und Abschreibungen, die Genußrechte beeinträchtigen können (vgl. hierzu R G 195, 236; R G in Bankarchiv 11, 207; R G 83, 295; 115, 231). Darüber, inwieweit der Genußscheininhaber sich eine nachträgliche Kapital1250

Schuldverschreibungen

§221

Anm. 5j 6

erhöhung gefallen lassen muß, vgl. RG 83, 298, wonach eine Kapitalerhöhung stets ohne seine Zustimmung möglich ist. Ebenso wie die Ausgabe neuer Aktien ist auch die Ausgabe neuer Genußscheine zulässig (RG 83, 296). Über Satzungsbestimmungen für den Fall der Kapitalherabsetzung vgl. RG 115,231. Genußrechte tauchen im Gesetz nochmals in § 160 III Ziff. 6 auf, der besagt, inwieweit sie im Geschäftsbericht Erwähnung finden müssen (vgl. im einzelnen dort). V. Sonderbestimmungen 1. Beschluß der Hauptversammlung Anm. 6: Die Ausgabe von Schuldverschreibungen ist an sich Sache des Vorstands, sie gehört zu seiner Geschäftsführungsbefugnis. Durch Satzung oder Bestimmung des Aufsichtsrates kann ihm vorgeschrieben werden, die Genehmigung des letzteren einzuholen (§111IV). In keinem Fall ist ein Verstoß hiergegen auf die Gültigkeit der Schuldverschreibungen von Einfluß. Bei der Wichtigkeit einer solchen Maßnahme, die nicht selten mit der Verpfändung umfangreicher Bestandteile des Gesellschaftsvermögens verbunden ist, wird der Vorstand zudem regelmäßig die Hauptversammlung befragen (§ 119 I). Zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen oder Gewinnschuldverschreibungen ist ein Beschluß der Hauptversammlung notwendig. Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit von s/4 des vertretenen Grundkapitals. Die Satzung kann eine andere größere oder — vorbehaltlich § 186, III und dort Anm. 7 — geringere Kapitalmehrheit (vgl. § 182 Anm. 4 und § 179 Anm. 5) und andere Erfordernisse (vgl. § 179 Anm. 5) vorschreiben. Der Besdiluß bedarf nicht der Eintragung in das Handelsregister, weil er ja keine Satzungsänderung einschließt. Über die Berechnung der erforderlichen Mehrheit sowie Satzungsbestimmungen vgl. §182 Anm. 4; §179 Anm. 5, § 133 Anm. 2. Ohne gültigen Beschluß der Hauptversammlung ist die Ausgabe gleichwohl nicht nichtig (allgemeine Ansicht). Das Erfordernis des Hauptversammlungsbesdilusses bedeutet nicht, daß der Vorstand, wenn der Besdiluß gefaßt wird, verpflichtet wäre, die Wandelschuldverschreibung, Gewinnschuldversdireibung, das Genußredit auszugeben. Audi hier ist ein Sonderbeschluß der verschiedenen Aktiengattungen wie bei der Kapitalerhöhung erforderlich (vgl. § 182 Anm. 5 und § 179 Anm. 8). Fehlt es an einem gültigen erforderlichen Zustimmungsbeschluß, so ist der Hauptversammlungsbeschluß unwirksam, die Ausgabe von Schuldverschreibungen jedoch nicht nichtig. Das Gesetz versteht unter Gewinnsdiuldverschreibung nur einen bestimmten Typ (s. Anm. 4), es ist aber nicht anzunehmen, daß bei einem anderen Typ, z. B., wenn sich die Zusatzverzinsung nach der Höhe des Bilanzgewinns 1251

§ § 221 /222 Maßnahmen der Kapitalherabsetzung Anm. 6—8 bemißt, die Ausgabe ohne einen Beschluß der Hauptversammlung mit denselben Mehrheitsbedingungen zulässig sein soll. 2. Genehmigungspflicht Anm. 7: Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen bedürfen nach § 795 BGB, Orderschuldverschreibungen nach § 808 aBGB der staatlichen Genehmigung. Aufgrund dieser im BGB getroffenen Regelung war die Übernahme des Abs. 2 des bisherigen § 174 entbehrlich. § 795 BGB betrifft alle Schuldverschreibungen, die im Inland auf den Inhaber ausgestellt werden, § 808 a nur für Orderschuldverschreibungen, soweit sie Teile einer Gesamtemission sind. Die Genehmigung richtet sich nach dem Gesetz über die staatliche Genehmigung über die Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldversdireibungen vom 26. 6.1954 (BGBl. 54,147). Die Genehmigung wird danach erteilt von dem zuständigen Bundesminister im Einvernehmen mit der obersten Behörde des Landes, in dessen Gebiet der Sitz der Gesellschaft ist. Die Erteilung der Genehmigung und deren Bestimmung sollen im Bundesanzeiger veröffentlicht werden (§ 3). Die Verwaltungsgebühr beträgt ein Viertel vom Tausend des Nennbetrages der Emission, höchstens jedoch 2000,— DM, bei Ablehnung 1/i hiervon, höchstens 250,— DM (§5); es haftet der gesetzliche Vertreter (§ 7), also der Vorstand; Strafbestimmung für vorsätzliches oder fahrlässiges Inverkehrbringen usw. ist § 6. 3. Bezugsrecht der Aktionäre Anm. 8: Auf die auszugebenden Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genußrechte haben die Aktionäre das gleiche gesetzliche Bezugsrecht wie bei einer Kapitalerhöhung auf die auszugebenden jungen Aktien. Das Bezugsrecht steht nur dem Aktionär zu, nicht etwa dem Gläubiger bereits früher ausgegebener Wandel- oder Gewinnschuldverschreibungen oder dem Inhaber von Genußrechten. Das Bezugsrecht des Aktionärs kann durch die Satzung weder beschränkt noch erweitert werden, wohl aber kann es im Ausgabebeschluß ausgeschlossen werden. § 186 ist für anwendbar erklärt, vgl. deshalb die Anm. dort. Dritter Abschnitt Maßnahmen der Kapitalherabsetzung Erster Unterabsdinitt Ordentliche Kapitalherabsetzung § 222 Voraussetzungen (1) Eine Herabsetzung des Grundkapitals kann nur mit einer Mehrheit beschlossen werden, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung 1252

Voraussetzungen

§ 222

Anm. 1,2

vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (2) Sind mehrere Gattungen von Aktien vorhanden, so bedarf der Beschluß der Hauptversammlung zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung. Über die Zustimmung haben die Aktionäre jeder Gattung einen Sonderbesdiluß zu fassen. Für diesen gilt Absatz 1. (3) In dem Beschluß ist festzusetzen, zu welchem Zweck die Herabsetzung stattfindet, namentlich ob Teile des Grundkapitals zurückgezahlt werden sollen. (4) Das Grundkapital kann herabgesetzt werden 1. durch Herabsetzung des Nennbetrags der Aktien; 2. durch Zusammenlegung der Aktien; diese ist nur zulässig, soweit der Mindestnennbetrag für Aktien nicht innegehalten werden kann. Der Beschluß muß die Art der Herabsetzung angeben. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Zweck (Anm. 3) III. Inhalt des Beschlusses (Anm. 4) IV. Sonderbeschlüsse (Anm. 5)

V. Ausschüttung von Grundkapital (Anm. 6) VI. Unterschiedliche Behandlung der Aktionäre (Anm. 7) VII. Zusammenlegung (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 175 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen und paßt die Bestimmungen hinsichtlich der Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung (Abs. 2) dem neuen § 138 an. Anm. 2: Das Gesetz kennt drei verschiedene Grundformen der Kapitalherabsetzung: a) die ordentliche Kapitalherabsetzung (§§ 222 bis 228), b) die vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 229 bis 236), c) die Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien (§§ 237 bis 239). Während die zu a) und c) genannten zu jedem Zweck (vgl. Anm. 6) vorgenommen werden können, ist die zu b) genannte vereinfachte Kapitalherabsetzung nur zulässig, wenn kein Kapital ausgeschüttet wird. Jede Kapitalherabsetzung ist eine Satzungsänderung, so daß neben den Sondervorschriften die Bestimmungen der §§ 179 bis 181 ergänzungsweise anwendbar sind, so daß also Voraussetzung der Wirksamkeit die Eintragung ist. Der Gang einer ordentlichen Kapitalherabsetzung ist folgender: a) Beschluß der Hauptversammlung über die Herabsetzung (§ 222), b) Anmeldung des Beschlusses zum Handelsregister (§ 223), 1253

§ 222

Anm. 2,3

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

c) Prüfung, Eintragung des Beschlusses und Bekanntmachung der Eintragung durch das Registergericht, dabei Hinweis an die Gläubiger auf ihr Recht auf Sicherstellung (§ 225), d) die Durchführung der aus der Kapitalherabsetzung sich ergebenden rechtlichen und technischen Folgen, e) Anmeldung der Durchführung der Kapitalherabsetzung nebst Eintragung und Bekanntmachung (§ 227). b) und d) können miteinander verbunden werden (§ 227 II). Wirksam wird die Kapitalherabsetzung mit der Eintragung des Herabsetzungsbeschlusses (§ 224). Die Verbindung von Kapitalherabsetzung mit Kapitalerhöhung ist zulässig (KG J 51 A 327 und KG in LZ 1918,1155). Jede Kapitalherabsetzung ist, auch wo sie nur eine Anpassung an bereits entstandene Vermögensverluste ist, mehr als eine bloße Unterlage für eine Buchung. Sie bedeutet immer eine Herabsetzung der gebundenen Kapitalziffer, also des sogenannten Garantiefonds, außerdem aber auch einen Eingriff in den objektiven Bestand des Aktienrechts durch Teilvernichtung der Einlage. Daß auch bei Teilverlust des Kapitals ohne die Kapitalherabsetzung der Anspruch auf die Einlage besteht, erweist sich darin, daß ohne sie jeder Aktionär die Wiederauffüllung des Grundkapitals aus dem Gewinn verlangen und einen Beschluß anfechten kann, der die Verteilung des Gewinns vor Wiederauffüllung des Grundkapitals vorsieht, vgl. von Godin in ZGHR 100, 221. II. Zweck Anm. 3: Es kann sidi bei der Kapitalherabsetzung wirtschaftlich um zwei verschiedene Zwecke handeln: a) aus einer tatsächlich vorhandenen Vermögensminderung die erforderlichen rechtlichen und buchhalterischen Folgerungen zu ziehen, einen Verlust auszugleichen oder erforderliche Abschreibungen machen zu können; b) die Rückzahlung eines Teils des Grundkapitals zu ermöglichen oder Grundkapital in Rücklagen zu verwandeln. In beiden Fällen kann sowohl die ordentlidie Kapitalherabsetzung wie die Einziehung von Aktien angewandt werden. Letztere im Falle a) natürlich nur, wenn die Gesellschaft eigene Aktien hat, die bei ihr mit nichts zu Buche stehen, oder wenn ihr, was dasselbe ist, Aktien unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden; dagegen ist die vereinfachte Kapitalherabsetzung nur im Falle a) oder zwecks Erhöhung der gesetzlichen Rücklagen zulässig. Ob ein Kapitalherabsetzungsbeschluß bedingt gefaßt werden kann, ist streitig. Nach herrschender Ansicht ist es zulässig, die Herabsetzung bis zu einem bestimmten Betrag zu beschließen und die Ausführung sowie die Bestimmung darüber, bis zu welchem Betrag die Herabsetzung endgültig zu erfolgen hat, 1254

Voraussetzun gen

§222

Anm. 3,4 dem Vorstand zu überlassen (vgl. KG J 16 A22), z.B., wenn das Ausmaß der Kapitalherabsetzung ähnlich wie bei der Kapitalerhöhung ungewiß ist, weil die Aktionäre sie durch Zuzahlung abwenden können (vgl. § 224 Anm. 10). Solchenfalls empfiehlt es sich, den Aufsichtsrat zu ermächtigen, die einschlägige Satzungsbestimmung neu zu fassen. Es ist überhaupt zulässig, die Kapitalherabsetzung bedingt zu beschließen, auch in der Weise, daß ihre Notwendigkeit erst durch einen späteren Vorgang bewiesen werden soll. Voraussetzung ist, daß die Art der Kapitalherabsetzung bestimmt ist sowie die Frist, innerhalb deren sie durchzuführen ist (vgl. RG 26,134; 80, 83). Der Zweck der Herabsetzung (siehe oben Anm. 3) ist in dem Beschluß festzusetzen. Durch diese Bestimmung soll es den Gläubigern ermöglicht werden, den Stand der Gesellschaft zu erkennen (vgl. B.-H. Rn 4). Es muß sich daher um klare Angaben handeln, allgemeine Redewendungen wie „zur Anpassung an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse" reichen daher nicht aus (vgl. KG JFG 10,112). Es können auch mehrere Zwecke verbunden werden. Fehlen der Zweckangabe macht den Beschluß anfechtbar (h. A.; a. A. Teichmann-Köhler, Anm. 5, die ihn für nichtig halten). III. Inhalt des Besdilusses Anm. 4: Da die Kapitalherabsetzung eine Satzungsänderung ist, ist Beschlußfassung durch die Hauptversammlung notwendig (s. aber Anm. 10). Die Satzung kann davon nicht wirksam abweichen. Die Mehrheitserfordernisse des Besdilusses sind die gleichen wie bei jeder Satzungsänderung, jedodi kann die Satzung keine geringere Kapitalmehrheit zulassen. Bei der Einberufung der Hauptversammlung ist nach § 124 bei der Bekanntmachung der Tagesordnung der Vorschlag vom Vorstand und Aufsichtsrat über die Beschlußfassung zu machen. Dazu gehört alles das, was nach zwingender Vorschrift beschlossen werden muß, also die Angabe, um welchen Betrag und zu welchem Zweck die Herabsetzung stattfindet, und ferner die Angabe, ob sie durch Herabsetzung des Nennbetrages der Aktie oder durch Zusammenlegung durchgeführt werden soll. Es ist ferner notwendig, das Verhältnis, in dem zusammengelegt wird, anzugeben (die frühere gegenteilige Rechtsprechung ist überholt; a. A. B.-H. Rn 2 unter Berufung auf die ältere Rechtsprechung). Sind Sonderbeschlüsse verschiedener Aktiengattungen zu fassen (Abs. 2), ist auch die gesonderte Abstimmung ausdrücklich und fristgemäß anzukündigen, vgl. im einzelnen über die Mehrheit und ihre Errechnung §179 Anm. 5, §133 Anm. 2; über die Folgen der Unvollständigkeit des Beschlusses s. Anm. 10. Durch die Satzung kann nur eine größere Kapitalmehrheit, als das Gesetz vorsieht, bestimmt werden, vgl. § 179 Anm. 5 und § 133 Anm. 4. 1255

§ 222

Anm. 5—7

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

IV. Sonderbeschlüsse Anm. 5: Sind mehrere Aktiengattungen vorhanden, so sind Sonderbeschlüsse der einzelnen Gattungen erforderlich. Die Bestimmung entspricht §179 III und § 182 II. Sonderbeschlüsse sind erforderlich, auch ohne daß durch Kapitalherabsetzung das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil der einen geändert wird (§ 179 III), vielmehr immer, wenn mehrere Aktiengattungen vorhanden sind (vgl. § 182 Anm. 5 und §179 Anm. 8). Die Erfordernisse dieses Sonderbesdilusses ergeben sich aus § 138 (s. dort). V. Ausschüttung von Grundkapital Anm. 6: Die Kapitalherabsetzung unter Einhaltung der GläubigerschutzVorschrift des § 225, insbesondere der Sperrfrist von 6 Monaten vor Ausführung irgendeiner auf ihr beruhenden Zahlung an die Aktionäre, ist der einzige Weg, auf dem es zulässig ist, Grundkapital an die Aktionäre auszuschütten und sie von den Einlageverpfliditungen zu befreien. Ausschüttungen aus dem Gewinn (einschließlich freier Reserven) setzen einen festgestellten Jahresabschluß und einen Gewinnverwendungsbeschluß voraus. Die gesetzliche Rücklage kann überhaupt nur nach der Abwicklung ausgeschüttet werden. VI. Unterschiedliche Behandlung der Aktionäre Anm. 7: Durch die Herabsetzung des Grundkapitals wird zwar in das Aktienrecht des Aktionärs eingegriffen (s. Anm. 2), aber sein Verhältnis zu anderen Aktienrechten bleibt von der Kapitalherabsetzung unberührt. Seine Quote am gesamten Aktienkapital verändert sich nicht, vorausgesetzt, daß die Kapitalherabsetzung für alle Aktionäre gleichmäßig erfolgt. Das gilt für alle Fälle der Herabsetzung des Nennwertes der einzelnen Aktien und der Zusammenlegung von Aktien, jedoch ist es durchaus zulässig, mit Zustimmung der betroffenen Aktionäre nur den Nennwert bestimmter Aktien herabzusetzen oder nur bestimmte Aktien zusammenzulegen. Ein derartiger Beschluß ist ohne die erforderliche Zustimmung der Benachteiligten wirkungslos und kann nicht eingetragen werden, bleibt wirkungslos auch trotz Eintragung. Dies ergibt — obwohl es sich nur um den Eingriff in ein allgemeines Mitgliedschaftsrecht handelt, das der Verbandsgewalt unterworfen ist und ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung sonst nur Anfechtung unter den besonderen Voraussetzungen des § 245 zuläßt. Beispiel: Rückgabe einer Sacheinlage an den Einleger. In diesem ist Einstimmigkeit oder doch Unterlassung der Anfechtung erforderlich, weil die übrigen nicht gleich behandelt werden, weil ihnen die Einlagen nicht zurück1256

Voraussetzungen

§222 Anm. 7,8

gegeben werden. Oder: Rückzahlung von 100 000,— DM bei einem Grundkapital von 500 000,— DM, das in 10 000 Stückaktien zu 50,— DM eingeteilt ist. Die Rückzahlung von 10,— DM auf jede Aktie ist nicht möglich, weil der Nennbetrag unter 50,— DM sinken würde. Um die Zusammenlegung zu vermeiden, kann beschlossen werden, daß auf jede fünfte, durch das Los zu bestimmende Aktie 50,— DM zurückgezahlt werden sollen, hier ist Zustimmung aller erforderlich (a. A. Würdinger, weil das Los jeden treffen könne, aber in Wahrheit soll doch durch das Los bestimmt werden, wer anders als die anderen behandelt werden soll, indem sein Recht vernichtet wird. Dem Ausgelosten kann zusätzlich ein Genußrecht gewährt werden); oder: ein Großaktionär übernimmt den Verlust allein, hier ist nur seine Zustimmung nötig. VII. Zusammenlegung Anm. 8: Da die Interessen des Aktionärs von einer Zusammenlegung der Aktien stärker betroffen werden als von einer Herabsetzung des Nennwertes jeder einzelnen Aktie, darf die Zusammenlegung nur erfolgen, wenn die Herabsetzung des Nennwertes eine Unterschreitung des Mindestnennwertes (von 50,— DM — § 8 —) zur Folge hätte. Ein Verstoß hiergegen macht den Beschluß anfechtbar. Die Unmöglichkeit, den Nennbetrag auf einen durch 100 teilbaren Betrag (§ 8 II) zu ermäßigen, rechtfertigt die Zusammenlegung nicht. Dieser Fall kann eintreten, wenn der Nennbetrag höher war als 100,— DM, z. B.: das Grundkapital von 750 000,— DM ist in 2500 Stückaktien mit einem Nennbetrag von 300,— DM eingeteilt und soll auf 400 000,— DM herabgesetzt werden. Jede Aktie bleibt also in Höhe von 160,— DM erhalten, eine Zusammenlegung ist sonach nicht statthaft. § 8 läßt aber einen solchen Nennbetrag nicht zu; ein Ausweg kann nur durch eine gleichzeitige Vermehrung der Stückzahl der Aktien gefunden werden in der Weise, daß der Nennbetrag jeder Aktie auf 100,— DM herabgesetzt und auf je 5 denominierte Aktien 3 weitere Aktien von je 100,— DM gewährt werden (etwas abweichend Kralik in DJ 1941, 247). Der Beschluß der Hauptversammlung muß angeben, ob das Kapital durch Herabsetzung des Nennwertes oder durch Zusammenlegung der Aktien herabgesetzt wird. Fehlt es an diesem Inhalt des Beschlusses, so ist er unvollständig und darum unwirksam, selbst wenn er versehentlich eingetragen werden sollte. Dasselbe gilt, wenn andere wesentliche Bestandteile seines notwendigen Inhalts fehlen, z. B. der Betrag, um den das Kapital herabgesetzt werden soll, vgl. Anm. 3, 6 und 9. Einzelheiten der Durchführung, wie Abstempelung der alten oder Ausgabe neuer Urkunden, braucht der Beschluß nicht festzusetzen. 1257

§§ 223/224

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

§ 223 Anmeldung des Beschlusses Der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrats haben den Besdiluß über die Herabsetzung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Vorschrift übernimmt den bisherigen § 176 AktG 37, ohne den Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden zu erwähnen, da dies entbehrlich ist ($ 107 I S . 3). Die Anmeldung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses obliegt, wie die Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses, dem Vorstand (§ 184 I) und dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats (§ 184 Anm. 3); sie ist erforderlich, um die Eintragung des Beschlusses und damit seine Wirksamkeit herbeizuführen, deshalb sagt das Gesetz „haben". Die Anmeldung kann nach pflichtmäßigem Ermessen der Gesellschaftsorgane unterbleiben. Die Erzwingung der Anmeldung durch Ordnungsstrafen ist unzulässig (§ 407 II). Das Registergericht hat zu prüfen, ob der Beschluß ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl. § 181 Anm. 6 bis 9 und § 184 Anm. 5). Es ist hier nicht begründet, wie bei §184 (s. dort Anm. 2), daß das Gesetz von der Eintragung des Beschlusses statt gemäß § 181 der Kapitalherabsetzung spricht. Folgerungen sind daraus nicht abzuleiten. Der Inhalt der Eintragung bestimmt sich nach § 181 II in Verbindung mit § 39; danach ist nur die Höhe des Grundkapitals einzutragen, im übrigen kann auf die Anmeldung Bezug genommen werden. Für die Bekanntmachung gilt § 181 II. Über die Anmeldung der Durchführung der Kapitalherabsetzung vgl. § 227. Die Anmeldung des Herabsetzungsbeschlusses und der Durchführung der Herabsetzung können miteinander verbunden werden (§ 227 II). § 224 Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung Mit der Eintragung des Beschlusses über die Herabsetzung des Grundkapitals ist das Grundkapital herabgesetzt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Folgen 1. Herabsetzung der Grundkapitalziffer (Anm. 2) 2. Änderung der Aktionärsrechte (Anm. 3) 3. Buchungen (Anm. 4) III. Rückwirkung (Anm. 5)

1258

IV. Anspruch auf Ausschüttung (Anm. 6) V. Befreiung von Einlageverpfliditung (Anm. 7) VI. Unterbleiben der Zusammenlegung (Anm. 8) VII. Durchführung der Herabsetzung (Anm. 9) VIII. Zuzahlungen (Anm. 10)

Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung

§ 224 Anm. 1—3

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt wörtlich mit dem bisherigen § 177 AktG 37 überein. Mit der Eintragung des Beschlusses über die Herabsetzung ist das Grundkapital herabgesetzt. II. Folgen 1. Herabsetzung der Grundkapitalziffer Anm. 2: Aus der Herabsetzung des Grundkapitals ergeben sich nachstehende Folgerungen: Die Grundkapitalziffer ist herabgesetzt; demnach kann die Satzungsbestimmung, die von ihr handelt, sofort neu gefaßt werden; aber auch die Einlagen, mit denen die Aktien verbunden sind, sind entsprechend herabgemindert und zu einem entsprechenden Teil vernichtet, da sie in einem unlöslichen Zusammenhang mit dem Grundkapital und zu diesem in einem unveränderlichen quantitativen Verhältnis stehen. Dies gilt nicht nur für den Fall, daß der Nennwert der Aktien herabgesetzt wird, sondern auch für den, daß als Folge dieser Teilvernichtung der Einlagen sich die Notwendigkeit ergibt, die Aktien zusammenzulegen, weil anderenfalls der gesetzliche Mindestnennwert nicht mehr vorhanden wäre (s. hierüber unten Anm. 9). Die Zusammenlegung der Aktien ist eine infolge der Kapitalherabsetzung sich notwendig erweisende Folgemaßnahme und setzt die vorangegangene Herabsetzung voraus. Dies zeigt sich unter anderem in folgendem: 2. Änderung der Aktionärsrechte Anm. 3: Der Gewinnanteil, Anteil am Abwicklungsvermögen, das Stimmrecht sind gleichfalls entsprechend herabgesetzt. Bei der bloßen Nennwertermäßigung macht sich dies nicht geltend, weil alle Aktien gleichmäßig das Stimmrecht im Verhältnis der Höhe der Einlagen gewähren, dieses Verhältnis sich aber nicht geändert hat. Aber es zeigt sich, wenn die Zusammenlegung notwendig wird und zum Teil schon durchgeführt ist, zum Teil noch nicht. Die noch nicht zusammengelegten Aktien hätten in einem solchen Fall ein verhältnismäßig geringeres Stimmrecht als die zusammengelegten, die Rechtsänderung tritt aber von selbst ein durch die Eintragung des Beschlusses, auch wenn die Aktien noch nicht zusammengelegt sind. Soweit Rechte, insbesondere Herrschaftsrechte unabhängig vom Nennbetrag sind, z. B. Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung, Auskunftsrecht, Entsenderecht, Recht auf Sondermitteilung (§ 125), werden sie von der Kapitalherabsetzung und Teilvernichtung der Einlage überhaupt nicht berührt, mag der Nennbetrag ermäßigt oder die Stüdezahl zusammengelegt werden. Die Meinung von Schlegelberger-Quassowski § 177 Anm. 9, daß bis zur Zusammenlegung die alten Aktien alle diese Rechte nicht mehr gewähren, sondern nur das Recht 1259

§ 224

Anm. 3—6

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

auf Umtausch, hat keine Grundlage (wie hier Weipert-Schilling in Großkomm. § 177 Anm. 3; s. auch B.-H. Rn 3). 3. Buchungen Anm. 4: Da das Grundkapital herabgesetzt ist, ist dieser Vorfall auch durch die entsprechende Buchung in den Büchern der Gesellschaft festzuhalten und das Kapitalkonto zu belasten. Zu erkennen ist ein vorübergehend neu einzuführendes Konto, das den darauf verbuchten Betrag anzugeben hat, entweder bei Jahresabschluß an andere (abzuschreibende) Konten oder (zur Beseitigung eines Verlustes) an die Gewinn- und Verlustrechnung, indem das Konto wieder belastet wird und letztere Konten erkannt werden, oder aber nadi Ablauf des Sperrjahres an die Aktionäre, wenn die Herabsetzung erfolgt ist, um das in Freiheit gesetzte Kapital an die Aktionäre auszuschütten. Natürlich ist es möglich, den durch die Kapitalherabsetzung entstehenden Budigewinn ohne die Einschaltung eines Zwischenkontos unmittelbar der Gewinnund Verlustrechnung oder den einzelnen abzuschreibenden Konten, auf diese verteilt, gutzuschreiben, aber es dürfte sich wohl immer die Einschaltung eines Zwischenkontos als notwendig erweisen, weil der Buchgewinn sich um eine Reihe von Unkosten, die durch die Kapitalherabsetzung entstehen, mindern kann, für welche dieses Konto zu belasten ist. III. Rückwirkung Anm. 5: Eine Rückwirkung auf den Stichtag des vorangegangenen Jahresabschlusses kann nur bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung (§ 234) beschlossen werden, bei der ordentlichen auch dann nicht, wenn der Beschluß selbst noch vor Ablauf des Geschäftsjahres und zu Zwecken gefaßt war, zu denen auch die vereinfachte Kapitalherabsetzung möglich ist (vgl. B.-H. Rn 2; RG 101, 201). Denkbar, aber wohl nur ausnahmsweise sinnvoll ist es, die Herabsetzung aufschiebend befristet (etwa zum Jahresabschluß) zu beschließen. IV. Anspruch auf Ausschüttung Anm. 6: Besteht der Zweck der Kapitalherabsetzung in der Ausschüttung von Kapital an die Aktionäre, so entsteht für diese mit der Eintragung des Beschlusses ein unentziehbarer Anspruch auf die Ausschüttung nach Ablauf des Sperrhalbjahres. Er ist die Folge und der Ausgleich der Teilvernichtung der Einlage. Auch wenn inzwischen Verluste eintreten sollten, berühren diese den Anspruch nicht. Sie können einen Verlustvortrag oder eine neue Kapitalherabsetzung zum Ausgleich dieser Verluste notwendig machen, aber sie beeinträchtigen den einmal entstandenen Anspruch der Aktionäre auf die beschlossene Ausschüttung nicht mehr, sobald der dazu erforderliche Kapitalherabsetzungsbesdiluß in das Handelsregister eingetragen ist. 1260

Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung

§ 224 Anm. 7,8

V. Befreiung von Einlageverpflichtung Anm. 7: Eine wichtige Folge der eingetretenen Kapitalherabsetzung schließt das Gesetz jedoch ausdrücklich aus. Ist sie erfolgt zur Befreiung der Aktionäre von der Einlageverpflichtung, so wäre an sich die Folge des Eintritts der Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung die, daß auch die Befreiung sofort eintritt. Im Interesse der Gläubiger bestimmt das Gesetz jedoch in § 225 II über die Regelung für die Ausschüttung von Grundkapital hinausgehend, daß die Befreiung erst 6 Monate nach der Bekanntmachung der Eintragung und nicht vor Befriedigung und Sicherstellung der Gläubiger wirksam wird, d. h. aber nicht, daß die Gesellschaft den Eintritt der Befreiung noch hindern könnte, nachdem die Kapitalherabsetzung eingetragen ist, ohne daß sich dies für Gläubigerzwecke als notwendig erweist (s. über die durch diese Regelung entstehenden Fragen Anm. zu § 225 II). VI. Unterbleiben der Zusammenlegung Anm. 8: Die eingetragene Kapitalherabsetzung ist unwiderruflich und kann nur durch die Wiedererhöhung des Grundkapitals rückgängig gemacht werden. Bis zur Eintragung kann die Anmeldung vom Vorstand und Vorsitzenden des Aufsichtsrates zurückgenommen und kann der Beschluß mit einfacher Mehrheit aufgehoben werden. Verschieden von dieser Unwiderruflichkeit ist aber die Frage, ob nadi Eintragung der Kapitalherabsetzung das Unterbleiben der Zusammenlegung möglich ist, wenn sich vor Beginn ihrer Durchführung ergibt, daß der Verlust, zu dessen Beseitigung die Kapitalherabsetzung beschlossen worden ist, nicht eingetreten war oder durch Gewinne wieder beseitigt ist. Würde man in diesem Fall die Zusammenlegung durchführen, so würde das durch die Eintragung des Beschlusses in Freiheit gesetzte Kapital entweder einer Rücklage zuzuführen oder gleichzeitig mit der Zusammenlegung an die Aktionäre auszuschütten sein. Dies würde aber einen neuen vorgängigen Hauptversammlungsbeschluß notwendig machen, und zwar entweder einen Gewinnverwendungsbeschluß anläßlich des nächsten Jahresabschlusses, wenn nicht bei dessen Feststellung der durch die Herabsetzung unerwartet entstandene Gewinn der Rücklage zugeführt wurde, oder einen den Vorschriften über Kapitalherabsetzung entsprechenden Beschluß, der nachträglich den Zweck der beschlossenen Kapitalherabsetzung änderte (Ausschüttung oder Erhöhung der Rücklage statt Verlustausgleich). Eine Ausschüttung nach der Zusammenlegung würde sich verbieten, weil die vernichteten Aktien nicht mehr daran würden teilnehmen können. Es ist aber nicht notwendig, die Zusammenlegung durchzuführen, ihre Unterlassung bereitet allerdings nicht unerhebliche konstruktive Schwierigkeiten. Zunächst setzt sie dem Beschluß eine neue Hauptversammlung voraus, welche der Vorstand vorzuschlagen hätte, daß die Zusammenlegung unterbleiben und das Kapital wieder erhöht werden 1261

§ 224

Anm. 8,9

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

solle. Ohne Wiedererhöhung des Kapitals würde die Zusammenlegung notwendig sein, weil anderenfalls die herabgesetzte Kapitalziffer mit der Summe der nicht zusammengelegten Aktien nicht mehr übereinstimmen, sondern weniger als diese betragen würde. Da die durch die Kapitalherabsetzung frei gewordenen Mittel nunmehr der Gesellschaft zur Verfügung stehen, kann eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt werden. Die frei gewordenen Mittel sind in offene Rücklagen zu stellen, so daß unter den Voraussetzungen der §§ 207 bis 220 die Kapitalerhöhung durchgeführt werden kann. VII. Durchführung der Herabsetzung Anm. 9: Zu klären ist das Verhältnis des § 224, wonach mit der Eintragung des Beschlusses über die Herabsetzung diese selbst schon geschehen ist, zu § 227, wonach die Durchführung der Herabsetzung in das Handelsregister eingetragen werden muß. Wieso ist die Herabsetzung erst noch durchzuführen, wenn sie schon geschehen ist? Gemeint sind in § 227 die in § 226 aufgezählten Handlungen, welche man gemeinhin Durchführungshandlungen nennt. Diese Handlungen sind ihrer inneren Natur nach voneinander sehr verschieden, teils rechtlicher, teils nur technischer Art mit rechtlichen Wirkungen, aber keine einzige davon ist eine Handlung, welche erst den Eintritt der Kapitalherabsetzung selbst bezwecken würde. Es sind vielmehr ausschließlich Handlungen, welche die Durchführung von Maßnahmen technischer oder rechtlicher Bedeutung bezwecken, deren Notwendigkeit erst eine Folge der schon eingetretenen Kapitalherabsetzung ist. Zu den Maßnahmen nur technischer Art gehört die Manipulation der Aktienurkunden, wenn diese wirklich nicht mehr ist als das und sich nicht darunter ein rechtlicher Vorgang versteckt, also etwa eine bloße Herabstempelung des Nennwerts. Zu den Maßnahmen rechtlicher Art dagegen gehört insbesondere die Zusammenlegung. Das bisherige Schrifttum hat fast allgemein von der Zusammenlegung behauptet, daß sie lediglich die Urkunde betreffe. Die Unrichtigkeit dieser Ansicht zeigt sich schon darin, daß eine Zusammenlegung (der Aktienrechte) auch dann notwendig wird, wenn darüber gar keine Urkunden ausgegeben worden sind. Ist das Kapital herabgesetzt, und zwar in einem Maße, daß die Einlagen und die ihr entsprechenden Nennwerte der Aktien unter dem gesetzlichen Mindestnennwert herunter vernichtet worden sind, so darf dieser Zustand nicht bestehenbleiben, weil er dem Gesetz, nämlich seiner Vorschrift über den Mindestnennwert, nicht entspricht. Es müssen also die übriggebliebenen Resteinlagen gruppenweise zu neuen Volleinlagen zusammengefaßt werden. Dadurch wird ein Teil der Mitgliedsrechte einlagelos und überzählig, da es Mitgliedsrechte ohne Einlage nicht gibt, diese müssen vernichtet werden. Um 1262

Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung

§ 224

Anm. 9,10

diese Zusammenfassung mehrerer Resteinlagen zu einer neuen Volleinlage herbeiführen zu können, ist ein Wechsel der subjektiven Berechtigung an den Resteinlagen da notwendig, wo nicht genügend in einer Hand vereinigt sind, um daraus neue Aktien mit vollen Einlagen zu machen. Wo dieser Wechsel der subjektiven Berechtigung nicht von den Beteiligten selbst möglich gemacht wird, indem sie die Aktien einreichen, müssen sie ihrer verlustig erklärt werden. All dies vollzieht sich im Zusammenlegungsverfahren (vgl. hierüber § 226; zustimmend Würdinger). VIII. Zuzahlungen Anm. 10: Eine scheinbare Schwierigkeit bereitet § 224 der Zuzahlung. Zugezahlt wird, um, vom Standpunkt der Gesellschaft aus gesehen (ganz oder teilweise), die Kapitalherabsetzung, vom Standpunkt des Aktionärs aus, die Zusammenlegung der Aktien abzuwenden. Damit wird die teilvernichtete Einlage freiwillig wieder aufgefüllt (neu geleistet). Man sprach früher in einem solchen Fall, in dem es der Herabsetzungsbesdiluß den Aktionären anheimstellte, durch Zuzahlung die Zusammenlegung abzuwenden, von einer bedingten Kapitalherabsetzung. Daß die Möglichkeit der Zuzahlung durch § 224 nicht verbaut sein soll, ist anzunehmen, obwohl in § 150 II Nr. 4 bei der gesetzlichen Rücklage nur von Zuzahlungen die Rede ist, welche die Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien leisten. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die neue Einlage, welche einen Kapitalverlust ausgleichen soll, selbstverständlich nicht in eine Rücklage eingestellt werden kann; eher könnte daraus, daß in § 150 II Nr. 4 nur Zuzahlungen erwähnt sind, deren Betrag in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, also nicht zum Ausgleich eines Kapitalverlustes verwandt werden kann, geschlossen werden, daß die Möglichkeit, den Aktionären, welche eine Zuzahlung leisten, nicht nur die Zusammenlegung ihrer Aktien zu ersparen, sondern gleichzeitig Vorrechte zu gewähren, unzulässig ist; denn in diesem Fall ist die Beobachtung des § 150 — Zuführung der Zuzahlung in die gesetzliche Rücklage — nicht möglich. Zudem geht aus § 231 S. 3 gleichfalls hervor, daß sich der Gesetzgeber Zuzahlungen zwecks Abwendung der Kapitalherabsetzung unter gleichzeitiger Gewährung von Vorrechten nicht vorgestellt hat. Gegen die einfache Zuzahlung zwecks Ausgleichs eines Kapitalverlustes und Abwendung der Kapitalherabsetzung ohne Schaffung von Vorrechten ist aus § 150 II Nr. 4 jedenfalls nichts zu entnehmen. Immerhin bereitet § 224 selbst eine scheinbare Schwierigkeit, denn wenn das Kapital durch die Eintragung schon herabgesetzt ist, kann nach ihr die Kapitalherabsetzung durch Zuzahlung nicht mehr abgewendet werden. Es kann dann auch nicht mehr erreicht werden, daß die Zusammenlegung unterbleiben kann, weil die Summe aller Aktiennennwerte mit der durch die Kapitalherabsetzung herabgesetzten Grundkapitalziffer übereinstimmen muß. Es kann also nur vor der Eintragung des Beschlusses 1263

§§ 224/225

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 10

zugezahlt werden, also nachdem er gefaßt, aber bevor er eingetragen ist. Dies ist gewissermaßen verfrüht, weil der Beschluß selbst vor der Eintragung noch nicht wirksam ist. Trotzdem halten wir diesen letzteren Weg für gangbar (wie hier Schl.-Qu. § 178 Anm. 10; anders Weipert-Schilling in Großkomm. § 177 Anm. 5; B.-H. R n 4 und Ritter § 178 Anm. 1 b, welche die Schwierigkeit dadurch ausräumen, daß sie bei einem durch Nichtleistung der Zuzahlung bedingten und bei einem befristeten Beschluß den § 177 — nunmehr § 224 — bis zum Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Kraft setzen. Aber kann bei rechtsbegründender Eintragung im Rahmen des § 39 Abs. 1 ein Beschluß vor Eintritt der Bedingung eingetragen oder gar die Eintragung selbst bedingt vorgenommen werden? Die Zulässigkeit, einen bedingten Kapitalerhöhungsbeschluß — „um bis zu D M " — mit der Bedingung einzutragen, ist kein Argument, weil dort das Schwergewicht auf der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung liegt, die nach der N a t u r der Sache unbedingt sein muß). Nach viel umstrittener Rechtsprechung des Reichsgerichtes (s. Band 52, 287 und 80, 181) darf zur Abwendung der Zusammenlegung keine geringere Zuzahlung verlangt werden, als dem Verhältnis für die Zusammenlegung der Aktien entspricht, auf welche nicht zugezahlt wird, wobei der Nennwert entscheidet, also z. B. bei der Zusammenlegung von zwei Aktien im Nennwert von 1000,— D M keine geringere Zuzahlung als 500,— D M je bestehenbleibender Aktie.

§ 225 Gläubigersdiutz (1) Den Gläubigern, deren Forderungen begründet worden sind, bevor die Eintragung des Beschlusses bekanntgemadit worden ist, ist, wenn sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung zu diesem Zweck melden, Sicherheit zu leisten, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können. Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung der Eintragung auf dieses Recht hinzuweisen. Das Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, steht Gläubigern nicht zu, die im Fall des Konkurses ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichtet und staatlich überwacht ist. (2) Zahlungen an die Aktionäre dürfen auf Grund der Herabsetzung des Grundkapitals erst geleistet werden, nadidem seit der Bekanntmachung der Eintragung sechs Monate verstrichen sind und nachdem den Gläubigern, die sich rechtzeitig gemeldet haben, Befriedigung oder Sidierheit gewährt worden ist. Auch eine Befreiung der Aktionäre von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen wird nidit vor dem bezeichneten Zeitpunkt 1264

Gläubigersdiutz

§ 225

Anm. 1,2

und nicht vor Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger wirksam, die sich rechtzeitig gemeldet haben. (3) Das Redit der Gläubiger, Sicherheitsleistung zu verlangen, ist unabhängig davon, ob Zahlungen an die Aktionäre auf Grund der Herabsetzung des Grundkapitals geleistet werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Zu berücksichtigende Gläubiger. 1. Maßgebender Zeitpunkt (Anm. 2) 2. Meldung (Anm. 3) III. Recht auf Befriedigung (Anm. 4) IV. Recht auf Sicherheitsleistung

1. Hinweis (Anm. 5) 2. Art (Anm. 6) 3. Ausnahme (Anm. 7) V. Anspruch der Aktionäre (Anm. 8) VI. Unzulässige Zahlungen (Anm. 9) VII. Einlageverpflichtung (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift stimmt bis auf einige, den sachlichen Inhalt nicht betreffende sprachliche Änderungen in Abs. 1 mit dem bisherigen § 178 AktG 37 überein. Die Bestimmungen über ordentliche Kapitalherabsetzung unterscheiden sidi von denen über vereinfachte Kapitalherabsetzung im wesentlichen durch den stärkeren obligatorischen Gläubigerschutz, der deshalb notwendig ist, weil die ordentliche Kapitalherabsetzung für jeden Zweck, also auch zum Zwecke von Zahlungen an die Aktionäre zulässig ist. Jeder Gläubiger kann Sicherheit verlangen, soweit seine Forderung noch nicht fällig ist, ohne Rücksicht auf den Zweck der Kapitalherabsetzung, insbesondere also auch dann, wenn keine Ausschüttung an die Aktionäre beabsichtigt ist, nämlich deshalb, weil die künftige Gewinnausschüttung bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung nicht beschränkt ist. Sind Zahlungen an die Aktionäre beabsichtigt oder sollen sie von Einlageverpflichtungen befreit werden, so muß erst eine Sperrfrist von 6 Monaten, von der gerichtlichen Bekanntmachung an gerechnet, verstreichen, bevor die Zahlung vorgenommen werden darf bzw. die Befreiung eintritt. Sämtliche Bestimmungen sind zwingend, sie können weder durch die Satzung noch durch Hauptversammlungsbeschluß abgeändert werden. Für ausländische Aktiengesellschaften gelten sie jedoch nur, wenn ihnen bei der Zulassung eine entsprechende Auflage gemacht wurde (vgl. RG 73,366; B.-H. Rn 2; Weipert-Schilling in Großkomm. § 178 AktG 37 Anm. 18). II. Zu berücksichtigende Gläubiger 1. Maßgebender Zeitpunkt Anm. 2: Nicht alle Gläubiger, sondern nur jene, die es im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Eintragung schon waren, sind — wenn nicht ihre Forderungen fällig sind, so daß sie Erfüllung verlangen können (ebenso Weipert1265

§ 225 Anm. 2—5

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Schilling in Großkomm. § 178 AktG 37 Anm. 7) — berechtigt, Sicherstellung zu verlangen, auch wenn ihre Forderung bedingt oder von einer Gegenleistung abhängig ist. Ist streitig, ob jemand Gläubiger ist, so hat der Vorstand mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu entscheiden, ob die Forderung zu berücksichtigen ist. Ist bereits ein Prozeß anhängig, so muß sie sichergestellt werden (streitig, a. A. KG J 34, 172). 2. Meldung Anm. 3: Nur den Gläubigern, die sich zu diesem Zwecke melden, ist Sicherheit zu leisten. Ob schon in der Anmeldung der Forderung das Verlangen nach Sicherheitsleistung zu erblicken ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Gegen die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft, die eine Kapitalherabsetzung vorgenommen hat, besteht der Anspruch auf Sicherstellung oder Befriedigung nicht (s. Anm. 1 a. E.). Der Gläubiger muß sich binnen einer Frist von 6 Monaten nach der Bekanntmachung melden (Berechnung: § 10 HGB, §§ 187, 188 BGB). Ob er von der Bekanntmachung Kenntnis erlangt hat oder erlangen konnte, ist gleichgültig. Maßgebend ist allein die Bekanntmachung des Registergerichts, nicht eine etwa vorangegangene Bekanntmachung der Gesellschaft. Eine vorzeitige Meldung vor Bekanntmachung begründet den Anspruch auf Sicherstellung erst mit Wirkung ab Zeitpunkt der Bekanntmachung (abweichend Weipert-Schilling in Großkomm. § 178 AktG 37 Anm. 9, die eine solche Anmeldung für wirkungslos halten; doch soll der Vorstand berechtigt sein, auch diese Anmeldung zu berücksichtigen). Die Frist ist eine Ausschlußfrist, wer sie versäumt, verliert seinen Anspruch auf Sicherstellung, nicht den auf Erfüllung. Die Frist kann nicht — auch nicht durch die Satzung — verlängert oder verkürzt werden. Entgegenstehende Bestimmungen sind nichtig. III. Recht auf Befriedigung Anm. 4: Befriedigung können nur die Gläubiger verlangen, deren Forderungen fällig sind. Durch die Kapitalherabsetzung tritt keine vorzeitige Fälligkeit ein. Unter Umständen kommt ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 321 BGB in Frage; doch wird selten durch die Kapitalherabsetzung eine Verschlechterung in der Vermögenslage der Gesellschaft eintreten, vielmehr meist nur eine früher eingetretene Verschlechterung weiteren Kreisen bekannt werden. IV. Redit auf Sicherheitsleistung 1. Hinweis Anm. 5: Nicht der Vorstand, sondern das Registergericht hat die Eintragung bekanntzumachen und dabei die Gläubiger auf ihr Recht, Sicherheit zu 1266

Gläubigerschutz

§ 225 Anm. 5—8

verlangen, hinzuweisen. Die Bekanntmachung erscheint nicht in den Gesellschaftsblättern, sondern in den Blättern des Amtsgerichts, d. h. im Bundesanzeiger und in einem anderen Blatt, das nach § 11 HGB bestimmt ist (vgl. zu § 25). Unterlassung des Hinweises macht den Registerrichter schadenersatzpflichtig, hindert aber weder Beginn noch Lauf der Frist. Unterlassung der verlangten Sicherheit macht den Vorstand gegenüber der Gesellschaft und über § 93 V den Gläubigern direkt haftbar. § 225 ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB (ebenso Weipert-Schilling in Großkomm. §178 AktG 37 Anm. 12; B.-H. Rn6; a. A. die Voraufl.). Aus diesem Grunde kommt den Gläubigern gegenüber auch nicht die Beschränkung des § 93 V S. 2 auf gröbliche Verletzung der Sorgfaltspflicht in Betracht (vgl. Weipert-Schilling a. a. O.). 2. Art Anm. 6: Die Sicherheit ist nach den Bestimmungen der §§ 232 ff. BGB zu leisten. Besitzt ein Gläubiger bereits Sicherheit, so ist zu prüfen, ob diese angesichts der Herabsetzung des Grundkapitals genügt. Ist dies der Fall, so kann weitere Sicherheit nicht verlangt werden. Der Anspruch des Gläubigers auf Sicherstellung ist klagbar. 3. Ausnahme Anm. 7: Gläubigern, die im Konkursfalle ein Recht auf Befriedigung aus einer besonderen Deckungsmasse haben, steht das Recht auf Sicherheitsleistung nicht zu. Es sind dies die Pfandbriefgläubiger der Hypotheken- und Schiffpfandbriefbanken, sowie die Versicherten der Versicherungsgesellschaften. § 35 Hypothekenbankgesetz, § 35 Schiffsbankgesetz in der Fassung vom 8. 5.1963, §§ 77,79 Versicherungs- und Bausparkassengesetz. V. Anspruch der Aktionäre Anm. 8: Die Aktionäre haben einen klagbaren Anspruch auf die beschlossene Kapitalrückzahlung. Er entsteht durch die Eintragung des Beschlusses (§ 224) und kann nach dieser, auch wenn Verluste eintreten, nicht mehr beseitigt werden. Er ist Konkursforderung, hat aber hinter die Gläubiger zurückzutreten, welche sich nach § 224 während der Sperrfrist gemeldet haben. Auszahlungen an Aktionäre aufgrund der Kapitalherabsetzung dürfen nur erfolgen, wenn zwei Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sind: a) Ablauf einer Sperrfrist von 6 Monaten ab Bekanntmachung der Eintragung (Berechnung: § 10 HGB, §§ 187,188 BGB). b) Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger, die sich innerhalb der Sperrfrist gemeldet haben. 1267

§ 225

Anm. 9,10

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

VI. Unzulässige Zahlungen Anm. 9: Erfolgen Zahlungen an Aktionäre entgegen dieser Bestimmung, so haften der Gesellschaft und unmittelbar den Gläubigern Vorstand und Aufsichtsrat nach den §§ 93, 116 und § 823 II BGB, die Aktionäre nach § 62 (evtl. § 117), und zwar auch dann, wenn die Zahlung nach Ablauf der Sperrfrist hätte erfolgen können. Nicht alle Zahlungen an Aktionäre sind während der Sperrfrist verboten, so dürfen Dividenden auch während der Sperrfrist gezahlt werden, wenn am Bilanzstichtag das Grundkapital nicht herabgesetzt war. Nicht zulässig während der Sperrfrist und vor Befriedigung und Sicherung der Gläubiger, die sich in ihr gemeldet haben, ist aber die Zahlung von Dividenden, die nur dadurch möglich ist, daß infolge der Kapitalherabsetzung ein Verlust beseitigt oder ein Teil der gesetzlichen Rücklage frei geworden (OLG Hamburg, Hanseatisches RGZ 36 B 110; vgl. § 150 Anm. 8 u. 9) und das dividendenberechtigte Kapital verringert ist, natürlich erst recht nicht die Auszahlung eines Sanierungsbuchgewinnes. Nach Abs. 3 kann stets Sicherstellung verlangt werden, es ist also nicht entscheidend für die Sicherstellung, ob Zahlungen an Aktionäre beabsichtigt sind, ebenso kann ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung beantragt werden, wenn eine ungesetzliche Auszahlung an Aktionäre zu befürchten oder teilweise bereits erfolgt ist. VII. Einlageverpfliditung Anm. 10: Bis zur Erfüllung der in Anm. 8 aufgeführten Voraussetzungen bleiben die Einlageverpflichtungen bestehen (vgl. § 224 Anm. 7), deren Beseitigung Zweck der Kapitalherabsetzung ist. Erst wenn die beiden Voraussetzungen eingetreten sind, gehen sie unter. Der Erlaß ist sonach zugleich aufschiebend befristet und bedingt durch das Ausbleiben der Notwendigkeit, die Einlagen zwecks Befriedigung der Gläubiger einzufordern. Von dieser Bedingung abgesehen, ist aber auch dieser Erlaß nach Eintragung des Beschlusses endgültig und unwiderruflich. Wird während der Sperrfrist die Einforderung notwendig, kann der Erlaß niemals wirksam werden. Stehen den während der Sperrfrist eingeforderten Einlagen Verluste gegenüber, so werden diese in Höhe der Einlagen durch diese ausgeglichen, denn da das Kapital herabgesetzt und die Herabsetzung infolge ihrer Eintragung wirksam ist, wirken die Einlagen wie Zuzahlungen ohne Kapitalerhöhung. Treten keine Verluste ein und wird die Einforderung nur wegen mangelnder Liquidität der Gesellschaft notwendig, so muß sich ein über das herabgesetzte Kapital hinausgehendes freies Vermögen der Gesellschaft ergeben, dessen Ausschüttung ohne neue Kapitalherabsetzung beschlossen werden kann. Für die Einzahlungen ist ein unter die Passiven aufzunehmendes Konto zu führen, das einem Kapitalkonto nach seiner Natur ähnlich ist. Treten während des Sperr1268

Kraftloserklärung von Aktien

§§

225/226

Anm. 10

halbjahres Verluste ein, ohne daß es zur Einforderung der Einlagen zu kommen braucht, weil genügend flüssige Mittel oder keine Gläubiger vorhanden sind, so verbleibt es dabei, daß nach Ablauf der Sperrfrist die Befreiung eintritt, denn zur Deckung von Verlusten können die Einlagen nach Eintragung der Herabsetzung nicht mehr eingefordert werden. Die Verluste bewirken dann eben eine Unterbilanz gegenüber dem herabgesetzten Kapital. Der Fall liegt nicht anders ab der in Anm. 6 zu § 224 behandelte.

§ 226 Kraftloserklärung von Aktien (1) Sollen zur Durchführung der Herabsetzung des Grundkapitals Aktien durch Umtausch, Abstempelung oder durch ein ähnliches Verfahren zusammengelegt werden, so kann die Gesellschaft die Aktien für kraftlos erklären, die trotz Aufforderung nicht bei ihr eingereicht worden sind. Gleiches gilt für eingereichte Aktien, welche die zum Ersatz durch neue Aktien nötige Zahl nicht erreichen und der Gesellschaft nicht zur Verwertung für Rechnung der Beteiligten zur Verfügung gestellt sind. (2) Die Aufforderung, die Aktien einzureichen, hat die Kraftloserklärung anzudrohen. Die Kraftloserklärung kann nur erfolgen, wenn die Aufforderung in der in § 64 Abs. 2 für die Nachfrist vorgeschriebenen Weise bekanntgemacht worden ist. Die Kraftloserklärung geschieht durch Bekanntmachung in den Gesellsdiaftsblättern. In der Bekanntmachung sind die für kraftlos erklärten Aktien so zu bezeichnen, daß sich aus der Bekanntmachung ohne weiteres ergibt, ob eine Aktie für kraftlos erklärt ist. (3) Die neuen Aktien, die an Stelle der für kraftlos erklärten Aktien auszugeben sind, hat die Gesellschaft unverzüglich für Rechnung der Beteiligten zum amtlichen Börsenpreis durch Vermittlung eines Kursmaklers und beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. Ist von der Versteigerung am Sitz der Gesellschaft kein angemessener Erfolg zu erwarten, so sind die Aktien an einem geeigneten Ort zu verkaufen. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. Die Beteiligten sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Bekanntmachung und Benachrichtigung müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung ergehen. Der Erlös ist den Beteiligten auszuzahlen oder, wenn ein Recht zur Hinterlegung besteht, zu hinterlegen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Verhältnis zu § 73 (Anm. 2)

III. Begriff und Erfordernis der Zusammenlegung (Anm. 3) 1269

§226 Anm. 1,2

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

IV. Behandlung der „Spitzen1 (Anm. 4 u. 5) V. Namensaktien und Zwischensdieine (Anm. 6) VI. Aktien ohne Urkunde (Anm. 7) VII. Freiwillige Zusammenlegung (Anm. 8) VIII. Verpflichtung zur Kraftloserklärung (Anm. 9)

IX. Verfahren der Kraftloserklärung 1. Androhung (Anm. 10) 2. Aufforderung zur Einreidiung der Aktien (Anm. 11) 3. Kraftloserklärung selbst (Anm. 12) X . Verwertung der neuen Aktien 1. Allgemeines (Anm. 13) 2. Versteigerung (Anm. 14 bis 17) 3. Auszahlung oder Hinterlegung (Anm. 18)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 179 AktG 37 mit einigen Änderungen und einem Zusatz, die sachlich jedoch nichts geändert haben. In Abs. 1 ist das Wort „Durchführung" an Stelle von „Ausführung" getreten, was der allgemeinen Auslegung bereits der §§ 179, 180 AktG 37 entspricht. Abs. 2 ist sprachlich geändert worden und enthält einen neuen Satz 4, der kein neues Recht schafft, sondern lediglich klarstellt, daß die für kraftlos erklärten Aktien so zu bezeichnen sind, daß für jeden Aktionär leicht erkennbar ist, ob seine Aktien betroffen sind. II. Verhältnis zu §73 Anm. 2: Zunächst ist Voraussetzung der vorliegenden Bestimmung, daß das Kapital herabgesetzt wird; sie gilt also nicht, wenn z.B. fünf Aktien zum Nennwert von 200,— DM zu einer & 1000,— DM zusammengelegt werden sollen. Das ist nur mit Einwilligung des betreffenden Aktionärs möglich (auch § 73 ist nicht anwendbar). Ferner ist Voraussetzung eine Zusammenlegung bei Herabsetzung des Nennwerts der einzelnen Aktie, z. B. von 2000,— DM auf 1000,— DM, dann gilt die Bestimmung nicht, sondern § 73, wonach die Genehmigung des Geridits erforderlich ist. Danach wird die alte Aktie für kraftlos erklärt und eine neue Urkunde ausgestellt. Die Kraftloserklärung betrifft nur die Urkunde und macht diese als Verkörperung des Aktienrechts nichtig, entkleidet sie jedoch keineswegs jeder rechtlichen Bedeutung, denn nach wie vor weist sie den Inhaber als berechtigt zum Empfang der neuen Urkunde aus. Eine Rechtsentziehung ist mit dieser Kraftloserklärung nicht verbunden, die neue Urkunde gebührt dem Inhaber der alten für kraftlos erklärten, sie wird daher für diesen hinterlegt und nicht etwa verwertet. Von der Kraftloserklärung im Falle der Nennwertermäßigung, die sich nach § 73 richtet, handelt § 226 nicht. Die Kraftloserklärung nach § 226 hat vielmehr eine ganz andere Natur und bedeutet nicht nur die Verrufung der Urkunde, sondern gleichzeitig eine Rechtsentziehung. 1270

Kraftloserklärung von Aktien

§226

Anm. 3

III. Begriff und Erfordernis der Zusammenlegung Anm. 3: Die Zusammenlegung wird erforderlich, wenn die herabgesetzte Grundkapitalziffer, geteilt durch die bisherige Zahl der Aktien, einen Nennwert je Aktie unter dem gesetzlichen Mindestnennwert ergibt. Zunächst tritt durch die Eintragung des Herabsetzungsbeschlusses nach § 224 diese Wirkung ein. Die durch Eintragung wirksam werdende Kapitalherabsetzung schließt eine Teilvernichtung der Einlagen ein (Anm. 2 zu § 224) und damit auch eine Ermäßigung des Nennwertes. Begrifflich ist es zunächst dasselbe, ob die herabgesetzte Einlage und der entsprechend herabgesetzte Nennwert die gesetzliche Mindesthöhe noch erreichen oder ob das nicht der Fall ist. Nur für das Weitere macht es einen Unterschied. Im ersteren Fall ist nicht mehr erforderlich, als die Aktienurkunden mit der eingetretenen Ermäßigung in Einklang zu bringen, hierüber siehe oben Anm. 2. Im zweiten Fall aber wird es notwendig, einen mit der gesetzlichen Vorschrift über die Mindesteinlagen und die Mindestnennwerte wieder übereinstimmenden Zustand herzustellen. Dies geschieht durch die Zusammenlegung und das Zusammenlegungsverfahren. Die Bezeichnung Zusammenlegung ist vollkommen zutreffend und kann wörtlich genommen werden; sie bedeutet die Zusammenfassung mehrerer, durch die Herabsetzung bestehen gebliebener Resteinlagen zu einer neuen Volleinlage. Dadurch wird ein Teil der Mitgliedsrechte völlig einlagelos und überzählig und muß vernichtet werden; beides geschieht gleichzeitig durch die Ausstellung und Ausgabe einer neuen Aktie und Vernichtung der alten. Es kann audi eine von den alten Urkunden zur neuen gestempelt (abgestempelt) werden; das bedeutet nur Papierersparnis und unterscheidet sich rechtlich von der Ausgabe einer neuen Urkunde nicht. Es ist befremdlich, daß, wie das HGB, so audi das Aktiengesetz, die sich nach Vorstehendem bei der angegebenen Sachlage zwangsläufig als notwendig und unumgänglich erweisende Zusammenlegung nirgends vorschreibt und die Fassung des § 222 IV und des § 226 sie viel eher als eine freiwillige Maßnahme vorauszusetzen scheint. Dies ist irreführend, wie denn überhaupt, ebenso wie im HGB so auch im Aktiengesetz, die Vorschriften über die Zusammenlegung eine theoretische Grundlage nicht aufzeigen. Es ändert daran nichts, daß die Zusammenlegung notwendig ist, wenn sich ohne sie ein Nennwert der Aktien ergäbe, der unter dem gesetzlichen Mindestnennwert bleibt, denn es gibt keinen anderen Weg, um wieder einen der zwingenden Vorschriften des § 8 entsprechenden Zustand herzustellen. Es ist Sache der Hauptversammlung, näheres über die Durchführung der Zusammenlegung zu bestimmen. Geschieht dies, ist die Verwaltung daran gebunden (RG 80, 83). Die Bestimmung kann auch von der Hauptversammlung dem Vorstand überlassen werden. Letzteres ist anzunehmen, wenn von der Hauptversammlung keine Anordnungen getroffen worden sind (ebenso B.-H. Rn 3; Schl.-Qu. § 179 Anm. 4). 1271

§ 226

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 4 IV. Behandlung der „Spitzen" Anm. 4: Wenn sich in einer Hand genügend alte Aktienreste befinden, um daraus eine neue herzustellen, findet, wenn sie eingereicht werden, nichts weiteres als die Ausreichung einer neuen Urkunde gegen die mehreren alten statt. Da der Berechtigte (Einreicher) stets bekannt sein muß, kann es nur im Fall seines Annahmeverzugs zur Hinterlegung der Urkunde kommen. Wo diese Voraussetzung weder von vornherein gegeben noch durch Zukauf fehlender oder Verkauf überzähliger Aktien hergestellt ist, können die Einlagereste nicht zusammengefaßt werden, ohne daß die bisherigen Aktionäre ihrer bisherigen subjektiven Berechtigung an den Aktienresten beraubt werden. Sie können ihr freiwillig entsagen, indem sie die Aktien einreichen und zur Verfügung stellen zur Verwertung für Rechnung der Beteiligten, wie das Gesetz sagt, womit es aber einen anderen erst nachfolgenden Schritt vorwegnimmt. Wo sie das nicht tun, sie entweder einreichen, aber nicht zur Verfügung stellen, oder überhaupt nicht einreichen, müssen sie der Rechte an den Aktien verlustig erklärt werden. Die überhaupt nicht eingereichten Aktien können naturgemäß alle nur als einzelne Aktien in Betracht kommen; ihre Aktionäre müssen ihrer auch dann verlustig erklärt werden, wenn sie zufällig die zum „Umtausch" in eine neue Vollaktie erforderliche Zahl besitzen, denn das ist eine bloße Möglichkeit, die solange nicht bedacht werden kann, als der betreifende Aktionär nicht durch Einreichung der Aktie nachweist, daß er die zum Umtausch erforderliche Zahl wirklich besitzt. Die Verlustigerklärung, die die subjektive Berechtigung betrifft, erfolgt durch die Kraftloserklärung, die danach benannt ist, daß sie gleichzeitig auch die Urkunden betrifft, die durch sie nichtig und kraftlos werden, aber nicht ganz, denn nach wie vor sind sie es, die die bisherigen Aktionäre als die zum Empfang des Ersatzes für das ihnen Genommene Berechtigten ausweisen (vgl. über den Inhalt der alten Aktienurkunden § 224 Anm. 3 und B.-H. § 226 Rn. 3). Die Kraftloserklärung hat also hier eine mehrfache Natur, der der Name jedoch keine Rechnung trägt, sowohl die einer Verlustigerklärung als auch die einer Verrufung der Urkunde, sie hat drittens noch die Bedeutung der Zusammenlegung selbst (s. hierüber unten). Es läge nahe, in dem Falle, daß Aktien, sei es, daß sie eingereicht werden oder nicht, nicht zur Verfügung gestellt werden, den Akt der Zusammenlegung im engeren Sinn in der nachstehend besprochenen Verwertung zu erblicken; indessen ist dies theoretisch nicht zulässig — denn die Verwertung ist die Auseinandersetzung der durch die vorgängige Zusammenlegung entstandenen Gemeinschaft (ebenso Geßler in SozPr. 1940, 760 f.) — und steht im Widerspruch zum praktischen Bedürfnis, denn nicht selten erweist sich die Verwertung längere Zeit und selbst dauernd als unmöglich. In diesem Fall würden von dieser Annahme aus, die alten Restaktien mit (gemindertem) Mitgliedsredit (Stimm-, Dividendenrecht) fortbestehen, was für die Gesell1272

Kraftloserklärung von Aktien

§ 226 Anm. 4,5 schaft unerträglich wäre (anders jedoch bis zur Kraftloserklärung; fällt in die Zeit zwischen Eintragung des Herabsetzungsbeschlusses in das Register und der Kraftloserklärung der Aktie eine Hauptversammlung, so ist auch ein Aktionär mit einer „Spitze" teilnahmeberechtigt und hat eine prozentual sich errechnende Stimme; so auch Siebel in NJW52, 330; Weipert-Schilling in Großkomm. § 179 AktG 37 Anm. 10; B.-H. Rn 3). Die Zusammenlegung ist ein einseitiger körperschaftlicher Akt, der in einer Willensentschließung der Gesellschaft beruht, die, wie jede solche, um rechtliche Bedeutung zu erlangen, erklärt sein muß. Die Kraftloserklärung, welche die subjektive Berechtigung an diesen nicht zur Verfügung gestellten Aktienresten beseitigt und die darüber noch im Verkehr befindlichen Urkunden verruft, geschieht somit gleichzeitig, um eine Voraussetzung für die Zusammenlegung zu schaffen und um den Umlauf der Urkunden damit in Einklang zu bringen. Sie ist also eine deutliche Äußerung des Zusammenlegungswillens und kann deshalb zwanglos auch als Erklärung der Zusammenlegung selbst gedeutet werden. Diese Erkenntnis ist praktisch erheblich (s. nachstehend). Anm. 5: Schließlich bedarf noch der Feststellung, wie sich der Akt der Zusammenlegung bei der dritten Gruppe von Aktien vollzieht, die in einer zum Umtausch nicht ausreichenden Zahl eingereicht und zur Verfügung gestellt werden. Auch hier wird er von der Verwertung als einem Akt der Auseinandersetzung der durch die Zusammenlegung entstehenden Gemeinschaft sdion vorausgesetzt. Man wird hier den Akt der Zusammenlegung, wenn er sich nicht in der Abstempelung einer alten Urkunde äußert, in der Bereitstellung der zum Ersatz der eingereichten Aktienreste bestimmten neuen Vollaktie zur Verwertung (nicht schon im Druck einer neuen Urkunde) zu erblicken haben. Werden Aktien, deren Zahl zum Umtausch in eine neue Aktie nicht ausreicht, nicht zur Verwertung zur Verfügung gestellt, so sind sie für kraftlos zu erklären. Auffällig ist, daß die Kraftloserklärung dieser eingereichten Aktien, die außer Verkehr sind und deren Einreicher bekannt sind, nicht durch Sondermitteilung erfolgen kann, vgl. Kralik in DJ 1941, 248 f. Es handelt sich um die sogenannten Spitzen. In der Praxis wird der große Teil der entstehenden Spitzen von den Aktionären selbst durch Zu- oder Verkauf von Aktien ausgeglichen. Nur soweit das nicht durchführbar ist, kommt die vorliegende Bestimmung in Frage. Reicht ein Aktionär ohne besondere Erklärung seine „Spitze" ein, so ist im Zweifel anzunehmen, daß er sich mit ihrer Verwertung als Spitze einverstanden erklärt. Eine Kraftloserklärung ist dann nicht erforderlich. Durch die Zusammenfassung der mehreren Resteinlagen zu einer neuen Volleinlage entsteht an dieser notwendigerweise eine Gemeinschaft der bisher 1273

§ 226 Anm. 5 , 6

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

an den Resteinlagen Berechtigten. Diese w i r d auseinandergesetzt durch die V e r w e r t u n g der neuen V o l l a k t i e f ü r ihre Rechnung. Diese V e r w e r t u n g der neuen (oder abgestempelten) A k t i e n findet statt, sowohl wenn die „ S p i t z e n " eingereicht u n d zwecks V e r w e r t u n g (die zweckmäßig in sinngemäßer A n w e n d u n g des A b s . 3 erfolgt, an sich nur f ü r die V e r w e r t u n g der neuen A k t i e gilt) zur V e r f ü g u n g gestellt werden, als auch, w e n n letzteres unterblieben ist u n d d i e A k t i e n f ü r kraftlos erklärt w u r d e n (Abs. 3). D e r E r l ö s w i r d ersterenfalls den Einreichern ausgehändigt, letzterenfalls ( A b s . 3) hinterlegt. D e n Inhabern der f ü r kraftlos erklärten (aber sonach noch nicht g a n z kraftlosen) U r k u n d e n steht der Anspruch a u f den E r l ö s zu. Auch hierbei k a n n a u f die Möglichkeit keine Rücksicht genommen werden, d a ß ein A k t i o n ä r genügend alte A k t i e n besaß. Meldet sich dieser nachträglich nach der K r a f t l o s e r k l ä r u n g , solange die neue V o l l a k t i e nicht verwertet ist, so k a n n er schuldrechtlich den U m t a u s c h u n d die A u s h ä n d i g u n g der U r k u n d e über die neue V o l l a k t i e verlangen. D a ß d a s Gesetz nur v o n dem durch die V e r w e r t u n g entstehenden E r lös ausspricht, d a ß er den Beteiligten a u s z u z a h l e n ist, schließt nicht aus, d a ß ihnen auch nach der K r a f t l o s e r k l ä r u n g die neue A k t i e z u überlassen ist, sofern sie bis dahin nicht verwertet ist, wenn sie eine entsprechende Z a h l f ü r kraftlos erklärter alter A k t i e n einreichen. E s handelt sich dabei aber u m ein schuldrechtliches Verhältnis. In der Zwischenzeit bis z u r Einreichung u n d z u m E m p f a n g der neuen A k t i e n ist der I n h a b e r der zu ihrem E m p f a n g erforderlichen Z a h l alter A k t i e n nach deren K r a f t l o s e r k l ä r u n g nicht berechtigt, M i t gliedschaftsrechte auszuüben. Diese E r ö r t e r u n g ist, d a die V e r w e r t u n g nach der K r a f t l o s e r k l ä r u n g nach ausdrücklicher, sich aus dem Sachverhalt u n a b weislich ergebender gesetzlicher Vorschrift unverzüglich erfolgen muß, nur f ü r den schon erwähnten, freilich nicht g a n z seltenen F a l l v o n B e l a n g , d a ß die V e r w e r t u n g nicht gelingt.

V . N a m e n s a k t i e n u n d Zwischenscheine

Anm. 6: F ü r N a m e n s a k t i e n ist keine S o n d e r r e g e l u n g getroffen. O b w o h l nach § 67 I I nur der im Aktienbuch eingetragene A k t i o n ä r der Gesellschaft gegenüber als A k t i o n ä r gilt, e r f o l g t die K r a f t l o s e r k l ä r u n g u n d ihre A n d r o h u n g nicht durch Sondermitteilung, sondern durch Bekanntmachung. D i e s schützt einen E r w e r b e r der Restaktien. D e r E r w e r b e r der z u r V e r w e r t u n g k o m m e n d e n neuen V o l l a k t i e erwirbt durch ursprünglichen E r w e r b u n d ist v o n A m t s wegen im Aktienbuch einzutragen. D i e Ausstellung der A k t i e auf den N a m e n des Erwerbers, der bei der Ausstellung noch nicht b e k a n n t ist, bereitet bei börsenmäßiger V e r w e r t u n g keine Schwierigkeit, weil die Lieferung erst nach V e r k a u f z u erfolgen pflegt. Bei der Versteigerung ist der Versteigerer z u ermächtigen, den N a m e n des Erwerbers in die U r k u n d e einz u f ü g e n . D a s G e s a g t e gilt auch v o n Zwischenscheinen. 1274

Kraftloserklärung von Aktien

§226

Anm. 7 VI. Aktien ohne Urkunde Anm. 7: A u d i bei Aktien ohne U r k u n d e n k a n n es zur Zusammenlegung kommen. Gerade in diesem Fall t r i t t am klarsten zutage, d a ß die Zusammenlegung keine bloße Manipulation der A k t i e n u r k u n d e n ist, sondern sich auf das Aktienrecht als solches bezieht. D e r Fall, d a ß Aktienurkunden nicht ausgestellt sind, pflegt nur vorzukommen, w e n n alle Aktien in wenigen H ä n den sind. Die A k t i o n ä r e sind regelmäßig bekannt, wenngleich derartige A k tienrechte an sich durch A b t r e t u n g ohne Kenntnis der Gesellschaft weiterv e r ä u ß e r t sein können. I h r gegenüber gilt aber auch in diesem Falle der letzte ihr bekanntgewordene A k t i o n ä r als solcher (§§ 413, 407 BGB). Regelmäßig werden die als A k t i o n ä r e bekannten Personen alle mit der Zusammenlegung einverstanden sein; d a n n erschöpft sich diese in Buchungen u n d in Eintragungen in Bücher (ein Aktienbuch im gesetzlichen Sinn besteht nicht) u n d in der jedem A k t i o n ä r zu machenden Mitteilung, auf welchen Betrag seine Aktienrechte zusammengelegt worden u n d welche seine Aktienrechte untergegangen b z w . erhalten geblieben sind. Es ist aber auch denkbar, d a ß ein Beteiligter nicht nur gegen die K a p i t a l herabsetzung gestimmt hat, sondern sich auch gegen die Zusammenlegung seiner Rechte v e r w a h r t . Dieser Widerspruch ist belanglos. Eine Kraftloserklärung ist nicht nötig. Die Zusammenlegung erfolgt auch dem Widersprechenden gegenüber durch Mitteilung. Eine Kraftloserklärung durch Bekanntmachung erscheint nur erforderlich, w e n n ein A k t i o n ä r u n b e k a n n t ist (wie Schl.-Qu., A n m . 2; a. A . K r a l i k in D J 1941, 246, der aber unseres Erachtens nicht genügend berücksichtigt, d a ß eine „Einreichung" hier nicht in Betracht k o m m t , der Fall also ausscheidet, „ d a ß eine Aktie t r o t z A u f f o r d e r u n g nicht eingereicht w i r d " ) . Die Gesellschaft ist also, selbst wenn der A k t i o n ä r widerspricht, in der Lage, die Zusammenlegung ohne weiteres zu erklären, soweit der A k t i o n ä r bekannt ist oder die E r k l ä r u n g der Gesellschaft nach §§ 413, 407 BGB gegen sich gelten lassen m u ß . Es bleibt nur der Fall, d a ß ein A k t i o n ä r widerspricht u n d Spitzen hat, die er nicht zur Verf ü g u n g stellt. Dieser m u ß er verlustig erklärt werden; aber da sie mit einer U r k u n d e nicht zusammenhängen, ist nicht ersichtlich, w a r u m die Verlustigmit einer Kraftloserklärung u n d Bekanntmachung verbunden sein muß. D e r Schutz des Verkehrs gegen eine Veräußerung der durch Zusammenlegung untergegangenen Rechte ist im Falle eines Widerspruchs nicht dringlicher, als wenn der A k t i o n ä r einverstanden w a r . Ein Bedürfnis, den Verkehr nicht beurkundeter Rechte zu schützen, ist zudem nicht gegeben. Es w ü r d e dazu führen, d a ß f ü r nicht beurkundete Aktien immer eine Kraftloserklärung durch Bekanntmachung notwendig wäre, auch wenn der A k t i o n ä r b e k a n n t u n d nicht mit der Zusammenlegung einverstanden ist u n d keine Spitzen in Frage kommen. H i e r fehlt es an jeder Parallele zu dem Fall, d a ß bei beurkundeten Aktien gesetzlich die Kraftloserklärung vorgesehen ist. „Spitzen" wer1275

§ 226

Anm. 7—10

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

den die Beteiligten hier meist untereinander durch Verkauf und Kauf ausgleichen, wenn nicht, muß die Versteigerung der auf die Spitze zusammen entfallenden neuen Vollaktie stattfinden; dazu wird regelmäßig die Ausstellung einer Urkunde notwendig sein. Zusammenlegung nicht vollbezahlter Aktien ist nach unserer Meinung nicht möglich, weil die Haftung der Vormänner nach § 65, denen die Aktien ausgehändigt werden müssen, nicht mehr durchführbar wäre (a. A. anscheinend Kralik a. a. O., S. 249). Kapitalherabsetzung mit Vermehrung der Aktienstückzahl führt, wenn nicht auf jede Aktie eine neue entfällt, zu einer Verbindung von glattem Umtausch mit Zusammenlegung. Die auf jede alte Aktie entfallende volle neue Aktie ist evtl. zu hinterlegen. Die überschießende Aktie ist zu verwerten und der Erlös für die Beteiligten zu hinterlegen. VII. Freiwillige Zusammenlegung Anm. 8: Endlidi ist eine freiwillige Zusammenlegung ohne Kapitalherabsetzung zwecks Verminderung der Zahl der Aktien und Erhöhung des Nennwertes möglich, wenn alle Aktionäre zustimmen; eine Kraftloserklärung findet hier nicht statt. § 226 ist zwingend. Die Satzung kann die Zusammenlegung nicht erleichtern, ebensowenig verbieten, wenn auch erschweren. VIII. Verpflichtung zur Kraftloserklärung Anm. 9: Das Wort „kann" bedeutet hier, daß die Gesellschaft den betroffenen Aktionären gegenüber berechtigt ist, die Aktie für kraftlos zu erklären. Von diesem Recht muß sie Gebrauch machen und die Kraftloserklärung nicht eingereichter Aktien aussprechen, da die Kapitalherabsetzung durch die Eintragung wirksam ist und kein anderer Weg offensteht, einen dem Gesetz entsprechenden Zustand herzustellen. Wie die Kraftloserklärung zu erfolgen hat, ergibt sich aus Abs. 2 in Verbindung mit § 64 II. Sie hat zur Folge, daß die Aktienurkunden nebst den noch nicht eingelösten Dividendenscheinen und Erneuerungscheinen nichtig werden. Sie sind nicht mehr geeignet, das Aktienrecht zu verkörpern, das durch sie auch nicht gutgläubig erworben werden kann. Eine Folge der Kraftloserklärung ist weiter, daß der Aktionär des Aktienrechts verlustig geht, also fortan keine Aktionärsrechte mehr ausüben kann (s. Anm. 4), endlidi, daß die Zusammenlegung vor sich geht. IX. Verfahren der Kraftloserklärung 1. Androhung Anm. 10: Die Kraftloserklärung setzt voraus, daß sie bei der Aufforderung zur Einreichung der Aktien angedroht war. Diese Androhung muß ausdrück1276

Kraftloserklärung von Aktien

§ 226 Anm. 10—13

lieh geschehen. Eine allgemeine Wendung „zur Vermeidung der gesetzlichen Folgen" genügt nicht. Die Androhung ist im wesentlichen Bestandteil der Aufforderung, so daß, wenn sie fehlt, auch nach deren dreimaliger Bekanntmachung (s. Anm. 11) die Kraftloserklärung wirkungslos ist. 2. Aufforderung zur Einreichung der Aktien Anm. 11: Die Aufforderung, die Aktien einzureichen verbunden mit der Androhung, muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden (vgl. zu § 25). Die erste Bekanntmachung muß mindestens 3 Monate, die letzte mindestens 1 Monat vor der Kraftloserklärung erfolgen. Bei vinkulierten Namensaktien (§ 68 II) genügt eine Einzelaufforderung an die Aktionäre nach § 64 II S. 2, da die Interessenlage hier dieselbe ist. Ist die Aufforderung mit Androhung nicht ordnungsgemäß erfolgt, so ist die Kraftloserklärung wirkungslos. Die alten Aktien bleiben gültig. Die Gültigkeit der für kraftlos erklärten Aktie kann entweder durch Feststellungsklage oder durch Klage auf Unterlassung der Verwertung festgestellt werden (vgl. WeipertSchilling in Großkomm. §179 AktG 37 Anm. 31; B.-H.Rn9). Die anstelle der alten ausgegebenen neuen Aktien sind nichtig (vgl. § 64 Anm. 11) und bleiben es auch dann, wenn sie in gutgläubige Hände gelangen (ebenso B.-H. Rn 9; Fischer in Großkomm. §58 AktG 37 Anm. 20; RG 54, 395; a. A. RG 27, 54; Weipert-Schilling in Großkomm. § 179 AktG 37 Anm. 32). 3. Kraftloserklärung selbst Anm. 12: Von der Androhung der Kraftloserklärung ist zu unterscheiden die Kraftloserklärung selbst. Während für erstere § 64 II gilt, erfolgt die Kraftloserklärung selbst durch einmalige Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern, also im Bundesanzeiger und etwaigen gemäß § 25 in der Satzung bestimmten anderen Blättern (vgl. zu § 25). Dies gilt auch für vinkulierte Namensaktien (§ 68 II), da jeder Aktionär und Dritte ein Interesse haben, zu erfahren, welche Aktien für kraftlos erklärt sind. Es müssen die Nummern der einzelnen Aktien angegeben werden. Die Kraftloserklärung ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist vollendet, sobald sie in allen Gesellschaftsblättern erschienen ist. Der Aktionär kann auch nach der Kraftloserklärung der Aktienurkunde Aushändigung der Ersatzurkunde verlangen, sofern diese nicht schon verwertet ist (s. oben Anm. 5). Ist dies bereits geschehen, so bleibt ihm nur der Anspruch auf den Erlös. X. Verwertung der neuen Aktien 1. Allgemeines Anm. 13: Wie die Gesellschaft die an Stelle der eingereichten Aktien ausgegebenen Aktien zu verwerten und den Erlös den Beteiligten auszufolgen 1277

§ 226

Anm. 13—16

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

hat, hat sie die an Stelle der für kraftlos erklärten ausgegebenen Aktien nach Abs. 3 für Rechnung der Beteiligten zu verwerten und den Erlös an sie auszuzahlen oder für sie zu hinterlegen (s. Anm. 18), und zwar unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern. Die Kosten des Verkaufs sind vom Erlös abzuziehen. Zu verwerten sind die Aktien zum amtlichen Börsenpreis durch Vermittlung eines Kursmaklers und, beim Fehlen eines solchen, durch öffentliche Versteigerung. 2. Versteigerung Anm. 14: Die Versteigerung muß durch einen Gerichtsvollzieher oder einen anderen zur Versteigerung befugten Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich geschehen; dies gilt auch für vinkulierte Namensaktien (§ 68 II), weil die Bekanntmachung der Versteigerung dem Zweck dient, Interessenten anzulocken. Anm. 15: Ort der Versteigerung ist der Sitz der Gesellschaft. Der Vorstand hat zu prüfen, ob ein angemessener Erfolg von einer Versteigerung am Sitz der Gesellschaft zu erwarten ist; dabei hat er Fahrlässigkeit zu vertreten. Verletzt er bei der Verwertung die Sorgfaltspflicht, haftet die Gesellschaft den geschädigten Aktionären (§31 BGB). Kommt er zu dem Ergebnis, daß kein angemessener Erfolg zu erwarten ist, so muß er an einem geeigneteren Ort verkaufen. Das wird stets dann der Fall sein, wenn sich am Sitz der Gesellschaft keine Börse befindet oder wenn die Aktien nicht an der am Sitz der Gesellschaft befindliche Börse, wohl aber an einer anderen gehandelt werden. Der geeignete Ort wird meist ein Börsenplatz sein. Die Versteigerung wird, soweit möglich, in den Börsenräumen anzusetzen sein, jedoch ist dies nicht zwingend vorgeschrieben, denn Ort ist hier nur im Gegensatz zum Sitz der Gesellschaft zu verstehen. Anm. 16: Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind durch öffentliche Bekanntmachung mitzuteilen. Hier ist (anders als in Anm. 15) unter Ort die genaue Bezeichnung, Ort, Straße, Nummer oder andere Bezeichnung des Gebäudes, in dem die Versteigerung stattfindet, zu verstehen, ferner ist der Tag und die Uhrzeit bekanntzumachen. Zur Bezeichnung des Gegenstandes der Versteigerung genügt die Angabe der betreffenden Gesellschaft, der Anzahl, Stückelung, Art oder Gattung der Aktien. Entbehrlich ist die Angabe des Grundes der Versteigerung und der (ohnedies meist unbekannten) Person, für deren Rechnung die Versteigerung erfolgt. In welcher Weise bekanntzumachen ist, richtet sich nach Treu und Glauben. Die Verkehrssitte ist zu berücksichtigen. Die öffentliche Bekanntmachung, die hier gemeint ist, darf nicht verwechselt werden mit einer Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern, für sie gilt nicht § 25. 1278

Anmeldung der Durchführung

§ § 226/227

Anm. 17,18/1

Anm. 17: Besondere Benachrichtigung der Beteiligten ist vorgeschrieben, sofern diese nicht untunlich ist. Die Beteiligten sind die säumigen Aktionäre (die meist nicht bekannt sind) und diejenigen, die die Aktien eingereicht haben, ohne mit der Verwertung durch die Gesellschaft einverstanden zu sein. Eine bestimmte Form der Benachrichtigung ist nicht vorgeschrieben. Briefform genügt. Die Benachrichtigung ist untunlich, wenn die Person des Beteiligten oder ihr Aufenthalt unbekannt ist. Die Gesellschaft braucht keine Ermittlungen anzustellen. Bekanntmachung und Benachrichtigung müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung ergehen. Die Benachrichtigungen müssen so rechtzeitig abgesandt sein, daß, normaler Verlauf vorausgesetzt, sie unter Wahrung der Frist beim Empfänger eingehen mußten. Über die Berechnung der Frist vgl. §§ 188 ff. BGB. 3. Auszahlung oder Hinterlegung Anm. 18: Meldet und legitimiert sich (durch die frühere Aktie) der beteiligte Aktionär, ist ihm der Anteil am Erlös alsbald (nicht erst nach Ablauf der Sperrfrist) auszuzahlen. Indessen wird regelmäßig die Voraussetzung für die Hinterlegung vorliegen, da der Aktionär unbekannt, ein bekannter Aktionär, der sich trotz Aufforderung nicht gemeldet hat, in Annahmeverzug (§ 372 BGB) sein dürfte. In diesem Falle muß hinterlegt werden; dies gilt aber nur vom Erlös verwerteter, nicht von unverwertbaren Aktien, diese würden nicht hinterlegt werden können, da ja nicht auf jede für kraftlos erklärte Aktie eine volle neue Aktie entfällt, ja erstere überhaupt nur Anspruch auf einen Teil des Barerlöses geben. Die Hinterlegung erfolgt gemäß §§ 372 ff. BGB, und zwar zweckmäßig gemäß § 376 BGB unter Verzicht auf Rücknahme.

§ 227 Anmeldung der Durchführung (1) Der Vorstand hat die Durchführung der Herabsetzung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Herabsetzung des Grundkapitals können mit Anmeldung und Eintragung des Beschlusses über die Herabsetzung verbunden werden. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 180 AktG 37 mit der Änderung, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrates oder sein Stellvertreter bei der Anmeldung der Durchführung der Herabsetzung des Grundkapitals nicht mehr mitzuwirken braucht. 1279

§ 227

Anm. 2,3

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 2: Wie nach § 223 der satzungsändernde Herabsetzungsbeschluß anzumelden, einzutragen und bekanntzumachen ist, so schreibt § 227 die Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Kapitalherabsetzung vor, womit jedoch nicht diese (s. § 224), sondern die Durchführung der im § 226 erwähnten, durch sie erst erforderlich werdenden Handlungen gemeint and. Da nach § 224 die Kapitalherabsetzung sich durch die Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses vollzieht, kommt der Anmeldung und Eintragung der Durchführung, d. h. der Beendigung der Ausführungshandlungen, keine materiellrechtliche Bedeutung mehr zu. Denn wie zu § 226 ausgeführt, vollzieht sich die Nennwertherabsetzung durch die Eintragung nach § 224 und die Zusammenlegung im engeren Sinn, wo diese als Folge davon erforderlich wird, nicht erst durch die Eintragung nach § 227, sondern schon teils durch den Umtausch, teils durch die Kraftloserklärung, teils durch die Bestimmung der an die Stelle der eingereichten und zur Verfügung gestellten Aktien tretenden neuen Vollaktien zu diesem Zwedk, insbesondere zur Verwertung. Die Eintragung der Durchführung hat daher nur nachrichtlichen Charakter. Dem entspricht, daß sie durch Ordnungsstrafe erzwungen werden kann (ebenso Kralik in DJ 1941, 248; a. A. Ritter Anm. 1). Das bedeutet jedoch nicht, daß das Registergericht durch Androhung der Ordnungsstrafen nicht nur die Anmeldung, sondern mittelbar die Durchführung selbst erzwingen könnte (a. A. Kralik, a. a. O.). Eine Frist, binnen deren die Herabsetzung durchgeführt sein muß, ist nicht vorgeschrieben. Die Bestimmung ist dazu angetan, Mißverständnisse zu erzeugen. Sind sonst alle Vorschriften im öffentlichen Interesse ergangen, die eine Eintragung zum Inhalt haben, so ist für diese Bestimmung ein solches öffentliches Interesse nicht erkennbar. Soweit nämlich die alten Aktien eingereicht und damit aus dem Verkehr gezogen sind, ist kein Interesse an der Eintragung denkbar, soweit sie aber für kraftlos erklärt sind, weil sie nicht eingereicht wurden, muß § 15 HGB der Kraftloserklärung weichen. Es kann natürlich keine Rede davon sein, daß der gutgläubige Erwerber einer für kraftlos erklärten Aktie sich darauf berufen könnte, daß die Durchführung zur Zeit seines Erwerbes noch nicht eingetragen war. Eine andere Beziehung, in der ein öffentliches Interesse an der Eintragung der Durchführung obwalten könnte, ist nicht ersichtlich. Anm. 3: Der Zeitpunkt der Durchführung ist einheitlich und einfach zu bestimmen bei der bloßen Nennwertherabsetzung. Man wird bei dieser die Berichtigung der Urkunden und die diesem Zweck dienende Kraftloserklärung nach §73 ausscheiden können (vgl. B.-H. Rn2; Schilling in Großkomm. § 180 AktG 37 Anm. 4). Kapitalherabsetzung und Durchführung fallen hier also zusammen. Es können also beide Anmeldungen und Eintragungen zugleich erfolgen, die Anmeldung der Durchführung ist hier gegenstandslos. 1280

Anmeldung der Durchführung

§227 Anm. 4—6

Anm. 4: Der Zeitpunkt der Durchführung, wenn eine Zusammenlegung notwendig wird, ist derjenige, in welchem die letzte Zusammenlegungshandlung geschehen ist. Die Verwertung für Rechnung der Beteiligten gehört hierzu nicht. KG J 34 A 146 hält den Zeitpunkt der Durchführung für eingetreten, wenn die nicht eingereichten Aktien für kraftlos erklärt sind. Aus der Kraftloserklärung als solcher und ihrer inneren Bedeutung ergibt sich dies zwar nicht, auch deshalb nicht, weil sie sich ja immer nur auf einen (kleinen) Teil der Aktien, die nicht zur Verfügung gestellten (oder gar nicht eingereichten) bezieht, aber sie wird, da zur Zeit der Kraftloserklärung die Einreichungsfrist längst abgelaufen sein muß und der Umtausch der eingereichten Aktien fast immer beendet sein wird, regelmäßig die letzte Zusammenlegungshandlung sein (s. hierzu Anm. zu § 226). Anm. 5: Selbstverständlich gehört nicht zur Durchführung der Kapitalherabsetzung die Erfüllung des Zwecks, zu dem sie beschlossen wurde, und dessen Herbeiführung nun, nachdem sie eingetreten ist, zulässig wird. Es gehört daher ebensowenig die Rückzahlung des Grundkapitals dazu, wenn dieses der Zweck war und der Ablauf der Sperrfrist, der eine weitere Voraussetzung der Zulässigkeit der Rückzahlung ist, die also vom Registergericht nicht zu prüfen ist, als die nach Eintritt der Wirksamkeit, d. h. der Eintragung der Kapitalherabsetzung, zulässig und erforderlich werdenden Buchungen, z. B. die Belastung des Kapitalkontos mit dem Herabsetzungsbetrag und dessen Gutschrift auf anderen Konten. Diese buchhalterischen Maßnahmen sind sogar schon nach der Eintragung gemäß § 224 zulässig und geboten, ohne Rücksicht darauf, ob die infolge der Kapitalherabsetzung notwendig werdende Zusammenlegung schon durchgeführt ist; denn der rechtliche Eintritt der Kapitalherabsetzung ist der Vorfall, der nach den Regeln ordentlicher Buchführung buchhalterisch — zunächst durch die Grundbuchung und aufgrund dieser auf den einschlägigen Konten, darunter dem Kapitalkonto — festzuhalten ist. Die Verteilung des Buchgewinns auf die einzelnen Konten ist freilich streng genommen erst Sache des nächsten Jahresabschlusses, der über das Bruttoergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung zu verfügen hat. Nur wo durch die Kapitalherabsetzung ein Verlustvortrag abgedeckt werden soll, ergibt sich dessen Beseitigung ohne weiteres dann, wenn der Betrag der Kapitalherabsetzimg, mit dem das Kapitalkonto zu belasten ist, wie zulässig unmittelbar der Gewinn- und Verlustrechnung gutgeschrieben wird. Anm. 6: Die Verpflichtung zur Anmeldung trifft lediglich den Vorstand. Nach bisherigem Recht mußte auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats oder dessen Stellvertreter mitwirken. Da die Eintragung lediglich rechtsbekundenden Charakter hat (s. Anm. 2) und insbesondere keine Erklärungen abzugeben sind, für die der Aufsichtsratsvorsitzende mitverantwortlich sein 1281

§§ 227/228

Anm. 6,7

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

könnte, ist dessen Mitwirkung bei der Anmeldung im neuen § 227 nicht mehr normiert worden. Nicht sämtliche Mitglieder des Vorstands, sondern nur so viele, wie zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind, haben anzumelden. Anm. 7: Wenn man unter der Durchführung der Kapitalherabsetzung etwas anderes versteht als diese selbst (vgl. RG 101, 199), ist die Bestimmung des Abs. 2 in demjenigen Falle der Kapitalherabsetzung, der die Regel bilden wird, dem der Zusammenlegung, unanwendbar. Bei der bloßen Nennwertherabsetzung ist die Anmeldung der Durchführung, mag man darunter dasselbe wie unter der Herabsetzung oder die Vornahme der durch diese erforderlich werdenden Handlungen nach § 226 verstehen, in jedem Fall gegenstandslos, weil solche Handlungen nicht erforderlich werden und die Vereinigung der beiden Anmeldungen und Eintragungen selbstverständlich sind (vgl. B.-H. Rn 2; Weipert-Schilling in Großkomm. § 180 AktG 37 Anm. 4). Die Bestimmung des § 227 würde, wenn man unter der Durchführung die Herabsetzung selbst versteht, immer gegenstandslos sein, weil beides dann immer zusammenfallen müßte. Es kann unter der Durchführung daher nur die Zusammenlegung nach § 226 gemeint sein. Bei der Zusammenlegung nach § 226 ist die gleichzeitige Anmeldung der Herabsetzung und der Durchführung untunlich, denn die Zusammenlegung, insbesondere die Kraftloserklärung, setzt voraus, daß der satzungsändernde Beschluß eingetragen ist, weil er ohne diese keine Wirksamkeit erlangt, also auch kein Aktionär sich gefallen lassen muß, daß seine Aktien für kraftlos erklärt werden. Es ist schon wegen § 224 nicht angängig, in Abs. 2 eine mittelbar bestimmte Ausnahme von dem Grundsatz des § 181 I I I zu erblicken, die größte Verwirrung stiften müßte. Eine Sondervorschrift enthält § 228 II S. 2. Bei gleichzeitiger Anmeldung ist aber § 223 zu beachten, denn die Anmeldung des Beschlusses über die Herabsetzung des Grundkapitals ist auch vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats vorzunehmen, anders als die Anmeldung der Durchführung. § 228 Herabsetzung unter den Mindestnennbetrag (1) Das Grundkapital kann unter den in § 7 bestimmten Mindestnennbetrag herabgesetzt werden, wenn dieser durch eine Kapitalerhöhung wieder erreicht wird, die zugleich mit der Kapitalherabsetzung beschlossen ist und bei der Sacheinlagen nicht festgesetzt sind. (2) Die Beschlüsse sind nichtig, wenn sie und die Durchführung der Erhöhung nicht binnen sechs Monaten nach der Beschlußfassung in das Handelsregister eingetragen worden sind. Der Lauf der Frist ist gehemmt, 1282

Herabsetzung unter den Mindestnennbetrag

§ 228

Anm. 1,2

solange eine Anfeditungs- oder Nichtigkeitsklage rechtshängig ist oder eine zur Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung beantragte staatliche Genehmigung noch nicht erteilt ist. Die Beschlüsse und die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals sollen nur zusammen in das Handelsregister eingetragen werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Zulässigkeit der Untersdireitung des Mindestgrundkapitals (Anm. 2) III. Sadieinlagen (Anm. 3)

IV. Verstoß (Anm. 4) V. Frist (Anm. 5 u. 6) VI. Eintragung (Anm. 7)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 181 mit einigen sprachlichen Änderungen in Abs. 1. Die Herabsetzung des Grundkapitals unter den nach § 2 EG und § 7 statthaften Mindestnennbetrag ist dann zulässig, wenn diese Grenze durch eine Kapitalerhöhung wieder erreicht wird. Weitere Bedingung ist jedoch, daß beide Beschlüsse innerhalb einer Frist von 6 Monaten im Handelsregister eingetragen sind. Die Vorschrift gilt für sämtliche Arten der Kapitalherabsetzung. II. Zulässigkeit der Unterschreitung des Mindestgrundkapitals Anm. 2: Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals beträgt 100 000,— DM. Bei umgestellten Gesellschaften beträgt er nur 50 000,— DM, muß aber, sofern die Gesellschaft ihre Verhältnisse wesentlich ändert, auf mindestens 100 000,— DM erhöht werden (§ 2 EG; vgl. im einzelnen Anmerkungen zu §7). Das Grundkapital kann unter diesen Mindestnennbetrag herabgesetzt werden, wenn gleichzeitig eine Kapitalerhöhung beschlossen wird, durch die der Mindestnennbetrag von 100 000,— DM wieder erreicht wird. Es ist nicht erforderlich, daß die Beschlüsse über Kapitalherabsetzung und Kapitalwiedererhöhung zusammen in einer gemeinsamen Abstimmung über einen einheitlichen Punkt der Tagesordnung gefaßt werden. „Zugleich" gefaßt sind vielmehr auch zwei getrennte Beschlüsse, sofern sie von derselben Hauptversammlung gefaßt werden. Auf letzteres Erfordernis deutet, obwohl der Mindestnennbetrag des Grundkapitals nach § 224 erst mit der Eintragung des Beschlusses im Handelsregister unterschritten wird, der Wortlaut („zugleich m i t . . . beschlossene") hin. Es ergibt sich auch aus der Erwägung, daß durch eine spätere Hauptversammlung der nichtige Beschluß einer früheren nicht — mittelbar — wirksam gemacht werden kann, ohne daß in der Tagesordnung darauf hingewiesen ist, und daß außerdem unter Umständen (satzungsmäßig) für den späteren Erhöhungsbeschluß eine geringere Mehrheit 1283

§ 228

Anm. 2—4

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

hinreichen kann, als für den vorangegangenen Herabsetzungsbeschluß. Auch der in der späteren Hauptversammlung gefaßte Kapitalerhöhungsbeschluß ist nichtig, weil er von der nichtigen Kapitalherabsetzung ausgeht und die Zeichnungen von der festgesetzten Satzung auszugehen haben, zu der beide Beschlüsse gehören. Es ist gleichgültig, um welche Form und Art der Kapitalherabsetzung es sich handelt. Die Bestimmung gilt sowohl für die ordentliche als auch die vereinfachte Kapitalherabsetzung. Es kommt nur eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen in Frage, nicht eine bedingte Kapitalerhöhung und auch nicht die Kapitalerhöhung aufgrund genehmigten Kapitals, denn nach dem Sinn des Gesetzes ist es erforderlich, daß die Kapitalerhöhung sofort durchgeführt wird, darauf weist Abs. 2 S. 2 hin. Eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wird praktisch nicht vorkommen und ist schlecht vorstellbar. III. Sacheinlagen Anm. 3: Sacheinlagen dürfen bei der Erhöhung nicht bedungen, also auch Forderungen gegen die Gesellschaft auf die Kapitalerhöhung nicht eingelegt werden (über den Begriff der Sacheinlage vgl. § 183 Anm. 1). Übersteigt das Grundkapital infolge der Kapitalerhöhung den Mindestbetrag, so ist anzunehmen, daß insoweit auch Sacheinlagen beschlossen werden dürfen, da sich das Gegenteil als ein unzweckmäßiger Zwang auswirken würde, zwei Hauptversammlungen stattfinden zu lassen, die unmittelbar aufeinander folgen könnten. IV. Verstoß Anm. 4: Ein Verstoß gegen die Bestimmung über das Mindestgrundkapital, ohne daß zugleich eine Kapitalerhöhung bis wenigstens zur Mindestgrenze beschlossen wird, macht den Kapitalherabsetzungsbeschluß nach § 241 Nr. 3 nichtig und kann nicht eingetragen werden. Eine trotzdem erfolgte Eintragung ist bedeutungslos (§ 242) und nach § 144 FGG zu löschen (für Heilung bei entsprechender Anwendung des § 242 II Weipert-Schilling in Großkomm. § 181 AktG 37 Anm. 1). Die Kapitalherabsetzung tritt also nicht ein. Auch der Kapitalerhöhungsbeschluß ist nichtig, wenn die beschlossene Erhöhung nicht ausreicht, um das Mindestkapital wiederherzustellen. Dies ergibt sich jedoch nicht unmittelbar aus § 241 Nr. 3, sondern regelmäßig gemäß §139 BGB aus der Nichtigkeit des Kapitalherabsetzungsbeschlusses, weil beide Beschlüsse als einheitliches Ganzes anzusehen sind, aber auch weil die Zeichner der neuen Aktien aufgrund einer festgestellten Satzung zeichnen, wozu die Beschlüsse beide gehören. 1284

Herabsetzung unter den Mindestnennbetrag

§ 228

Anm. 5—7

V. Frist Anm. 5: Innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach der Beschlußfassung müssen nicht nur der Herabsetzungs- und Erhöhungsbeschluß eingetragen werden, sondern auch die Durchführung der Erhöhung, denn erst durch deren Eintragung ist das Grundkapital gemäß § 189 erhöht. Die Fristsetzung ist berechtigt, denn mit dem gesetzwidrigen Zustand eines Unterkapitals — vgl. aber Anm. 7 — kann sich der Gesetzgeber nur vorübergehend abfinden. Ebenso ist es nach Anm. 4 am Ende berechtigt, daß der Nichtigkeit beide Beschlüsse verfallen. Die Eintragung der Durchführung der Kapitalherabsetzung ist dagegen nicht erforderlich, sie kann audi noch später erfolgen. Die Beschlüsse, die nach den Bestimmungen des Abs. 1 gefaßt sind, sind zunächst bedingt wirksam, sie werden jedodi nach Ablauf der Sedismonatsfrist beide nichtig, wenn nicht vorher sie beide und die Durchführung der Kapitalerhöhung eingetragen worden sind. Die Nichtigkeit wirkt dann zurück auf den Zeitpunkt der Beschlußfassung. Die Rechtslage ist die gleiche, als seien die Beschlüsse nicht gefaßt. Wegen Eintragung nach Ablauf der Frist vgl. Anm. 6 zu § 242, es müssen also beide Beschlüsse neu gefaßt werden, selbst wenn die Kapitalerhöhung schon durchgeführt ist. Die Zeichnungen werden unwirksam, nicht nur nach § 185 Nr. 4, sondern auch dann, wenn der Zeichnungsschein einen späteren Unverbindlichkeitstermin enthält, und müssen erneuert, die Einlagen müssen dem Einleger, der seine Zeichnung nicht erneuert, zurückgegeben (§812 BGB) und neu geleistet werden. Anm. 6: Die Frist ist gehemmt, solange eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage schwebt oder eine beantragte staatliche Genehmigung fehlt. Der Begriff des „gehemmten Laufes der Frist" ist der gleiche wie in §§ 202 ff. BGB. Es ist zu berechnen, wieviel von der Frist in dem Augenblick bis zur Zustellung der Anfechtungsklage abgelaufen war. Der Teil der Frist, der in diesem Augenblick noch nicht abgelaufen war, läuft dann vom Tage der Rechtskraft des Urteils an. In allen Fällen, in denen eine staatliche Genehmigung erforderlich ist, läuft die Frist überhaupt nicht, solange die Genehmigung nicht erteilt ist. Sie beginnt erst von diesem Tage an zu laufen. VI. Eintragung Anm. 7: Die Kapitalherabsetzungs- und Erhöhungsbeschlüsse sollen nur zusammen mit der Durchführung der Erhöhung eingetragen werden. Die Bestimmung soll verhindern, daß die Gesellschaft mit einem die Mindestgrenze nicht erreichenden Grundkapital eingetragen ist (§ 224), selbst wenn es sich dabei nur um einen vorübergehenden Zustand handeln würde. Die Verletzung der Bestimmung hat auf die Gültigkeit der Beschlüsse und der Eintragungen keinen Einfluß. Es müssen jedoch sämtliche drei Eintragungen innerhalb der Sechsmonatsfrist erfolgt sein, um nicht nach Abs. 2 S. 1 nichtig zu werden. 1285

§ 229

Anm. 1

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Zweiter Unterabschnitt Vereinfachte Kapitalherabsetzung § 229 Voraussetzungen (1) Eine Herabsetzung des Grundkapitals, die dazu dienen soll, Wertminderungen auszugleichen, sonstige Verluste zu decken oder Beträge in die gesetzliche Rücklage einzustellen, kann in vereinfachter Form vorgenommen werden. Im Beschluß ist festzusetzen, daß die Herabsetzung zu diesen Zwecken stattfindet. (2) Die vereinfachte Kapitalherabsetzung ist nur zulässig, nachdem der Teil der gesetzlichen Rücklage, der über zehn vom Hundert des nach der Herabsetzung verbleibenden Grundkapitals hinausgeht, und die freien Rüdciagen vorweg aufgelöst sind. Sie ist nicht zulässig, solange ein Gewinnvortrag vorhanden ist. (3) § 222 Abs. 1, 2 und 4, §§ 223, 224, 226 bis 228 über die ordentliche Kapitalherabsetzung gelten sinngemäß. I. Übersicht (Anm. 1) II. Verhältnis zur ordentlichen Kapitalherabsetzung 1. Unterschied (Anm. 2) 2. Gemeinsame Bestimmungen (Anm. 3) I I I . Zweck (Anm. 4)

IV. Voraussetzungen 1. Gesetzliche Rücklage (Anm. 5) 2. Freie Rücklagen und Gewinnvortrag (Anm. 6) 3. Verstoß (Anm. 7) V. Vornahme der Kapitalherabsetzung (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Abs. 1 und 3 die Bestimmungen des bisherigen § 182 AktG 37, ohne von dort Satz 2 des Abs. 2 zu übernehmen, da eine Feststellung, daß neben den gesamten Vorschriften auch die nachfolgenden anzuwenden sind, aus dem Grunde entbehrlich ist, weil diese Vorschriften unter der Überschrift „vereinfachte Kapitalherabsetzung" stehen und somit ihre Anwendung selbstverständlich ist. Abs. 2 übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 183 mit einigen Änderungen: Es wird nunmehr die vorherige Auflösung aller freien Rücklagen gefordert (s. Anm. 6); die Ermächtigung, Ausnahmen zuzulassen, ist weggefallen; neu hinzugekommen ist Satz 2, der eine Kapitalherabsetzung dann für unzulässig erklärt, wenn ein Gewinnvortrag vorhanden ist (s. Anm. 6). 1286

Voraussetzungen

§229

Anm.2

II. Verhältnis zur ordentlichen Kapitalherabsetzung 1. Unterschied Anm. 2: Der Unterschied zwischen der vereinfachten und der ordentlichen Kapitalherabsetzung besteht einmal in dem Zweck, und zwar negativ darin, daß in erleichterter Form die Kapitalherabsetzung zwecks Rückzahlung eines Teiles des Grundkapitals an die Aktionäre nicht beschlossen werden kann und in einer daraus für die Durchführung abzuleitenden Folge, nämlich darin, daß das Bedürfnis nach einem Gläubigerschutz nicht besteht und die Kapitalherabsetzung deshalb durchgeführt werden darf, ohne daß die Schutzbestimmungen für die Gläubiger beobachtet werden. Nach dem Aktiengesetz ist aber im Vergleich mit der früheren Regelung im HGB der Gläubigerschutz auch bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung erheblich abgeschwächt. Es kann daher die Frage aufgeworfen werden, ob, wenn eine Rückzahlung an die Aktionäre ohnedies nicht beabsichtigt und demnach die Sperrfrist hierfür gegenstandslos ist, die Enthebung von der Notwendigkeit, für nicht fällige Forderungen Sicherheit zu leisten, für sich allein im einzelnen Falle bedeutungsvoll genug ist, um die zahlreichen zum Teil beschwerlichen Sonderbestimmungen zu befolgen, deren Ziel ist zu verhindern, daß nicht doch gebundenes Kapital infolge der Kapitalherabsetzung an die Aktionäre ausgeschüttet wird und deren zeitliche Wirkung meist über das Sperrhalbjahr hinausgeht. Die Gefahr, einem Gläubiger, der nicht ohnedies schon Erfüllung verlangen kann, weil seine Forderung fällig ist, Sicherheit leisten zu müssen, dürfte meist nicht groß sein und nicht als erheblich empfunden werden; mehr Anreiz dürfte die nur bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung gegebene Möglichkeit bieten, sie bei dem vorangehenden Jahresabschluß vorwegzunehmen. Für den Schutz der Gläubiger besteht lediglich die zwingende Bestimmung des Abs. 2, weil sie die Verringerung des gebundenen Kapitals verbietet, solange ungebundene freie Rücklagen die Wertminderungen oder Verluste ausgleichen können, und gilt auch für den Fall, daß Grundkapital in gesetzliche Rücklagen verwandelt werden soll, obwohl deren Bindung in gewisser Beziehung stärker ist als die der Grundkapitalziffer. Die Bestimmung dient aber vor allem dem Schutz der Aktionäre. Nach ihr ist eine Kapitalherabsetzung in vereinfachter Form erst dann möglich, wenn alle freien Rücklagen aufgelöst sind und sogar die gesetzliche Rücklage insoweit aufgelöst ist, als sie den Betrag von 10 °/o des neuen Grundkapitals übersteigt und ein Gewinnvortrag nicht vorhanden ist. Als Folge hieraus ergibt sich, daß die Kapitalherabsetzung in vereinfachter Form zwecks Umwandlung von Grundkapital in gesetzliche Rücklage nicht möglich ist, wenn diese schon vorher mehr als 1 0 % des herabgesetzten Kapitals beträgt, und bei Vorhandensein freier Rücklagen nur, wenn diese gleichzeitig in gesetzliche Rücklage umgewandelt werden, und zwar, ohne daß letztere dadurch 10 °/o überschreitet. 1287

§ 229 Anm. 2—i

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung gibt es eine derartig einschränkende Bestimmung nicht, vielmehr kann die ordentliche Kapitalherabsetzung mit Gläubigerschutz auch zu Sanierungszwecken erfolgen, audi wenn noch freie Rücklagen vorhanden sind oder die gesetzliche Rüdslage mehr als 10 °/o des herabgesetzten Grundkapitals beträgt. Der Grund für diese verschiedene Regelung in Ansehung der gesetzlichen Rücklage liegt nicht zu Tage, wenn nicht etwa der, daß der Eingriff in die Aktionärsrechte bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung weniger weit geht. Der Gang einer vereinfachten Kapitalherabsetzung ist äußerlich der gleiche wie der einer ordentlichen Kapitalherabsetzung (vgl. § 222 Anm. 2), mit der Ausnahme, daß in der Bekanntmachung der Eintragung des Herabsetzungsbeschlusses durch das Registergericht die Gläubiger auf ein Redit auf Sicherstellung nicht hinzuweisen sind. 2. Gemeinsame Bestimmungen Anm. 3: Es sind alle Bestimmungen über die ordentliche Kapitalherabsetzung anwendbar mit Ausnahme derjenigen des § 222 III, welcher Abs. 1 ohnedies wiederholt, und des § 225 über den Gläubigerschutz. Die Gläubiger haben kein Recht auf Sicherstellung. Es bedarf deshalb auch nicht des Hinweises auf dieses Recht in der registergerichtlichen Bekanntmachung. An Stelle der Gläubigerschutzvorschriften des § 225 bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung treten zum Schutz der Gläubiger die § 229 und §§ 230 bis 233. III. Zweck Anm. 4: Während die gewöhnliche Kapitalherabsetzung grundsätzlich zu jedem Zweck zulässig ist, ist die vereinfachte Form unanwendbar, wenn es sich darum handelt, direkt oder indirekt (Bildung freier Rücklagen) den Aktionären Zahlungen auf Kosten des Grundkapitals zukommen zu lassen oder sie von ihrer Einlageverpflichtung zu befreien. Auch die Satzung kann derartiges wirksam nicht vorschreiben; s. auch § 230. Es kommt mithin als Zweck nur in Frage: a) Ausgleich von Wertminderungen. Es kann sich dabei sowohl um Wertminderungen handeln, die sich aus der allgemeinen Veränderung der Wirtschaftslage ergeben, wie auch um spezielle, z. B. Entwertung eines Patents durch eine neue Erfindung, insbesondere Entwertung des Warenlagers durch einen Preissturz. b) Deckung sonstiger Verluste. Hierunter kann man praktisch alles zusammenfassen. Die wichtigsten Fälle sind natürlich: Leerlauf, ungenügende Preise für die eigenen Erzeugnisse, Preissteigerung für die Rohware bei Vorverkauf zu festen Preisen, Schäden durch Naturereignisse, aber auch Untreue des Vorstands. Unterbilanz ist nicht Voraussetzung. 1288

Voraussetzungen

§ 229

Anm. 4—6

c) Einstellung in die gesetzliche Rücklage, insoweit diese dadurch nicht mehr als 10 °/o beträgt (Abs. 2 u. § 231). Während in den Fällen a) und b) der Betrag, um den das Kapital herabgesetzt wird, buchmäßig durch die Deckung der Verluste bzw. Wertminderungen aufgesogen wird, handelt es sich im Falle c) lediglich um eine Umbuchung auf der Passivseite der Bilanz. Der Posten, der bisher unter Grundkapital erschien, erscheint nunmehr unter der gesetzlichen Rücklage. Es ist zulässig, die Kapitalherabsetzung aus mehreren Gründen vorzunehmen, teilweise zur Deckung von Verlusten, teilweise zur Verstärkung der gesetzlichen Rücklagen. Dabei ist zu beachten, daß diese Verstärkung nicht beliebig vorgenommen werden darf (vgl. § 231). Zur Verstärkung freier Rüdciagen darf die vereinfachte Kapitalherabsetzung nicht vorgenommen werden, weil derartige Rücklagen jederzeit zur Verteilung an die Aktionäre zur Verfügung stehen. Darüber, daß auch die Bestimmungen über die gesetzliche Rücklage keine Gewähr gegen wirtschaftlich verfehlte Auszahlung an die Aktionäre bieten, vgl. § 150 Anm. 1 u. 7 bis 9.

IV. Voraussetzungen 1. Gesetzliche Rücklage Anm. 5: Der über 10 % des Grundkapitals hinausgehende Teil der gesetzlichen Rücklage muß aufgelöst sein. Ob ihre Auflösung statthaft ist, richtet sich nach § 150. Maßgebend ist das Grundkapital nadi der Kapitalherabsetzung. Da die Voraussetzungen für die Kapitalherabsetzung, soweit sie auch in vereinfachter Form erfolgen kann und für die Auflösung der gesetzlichen Rücklage (§ 150 III) dieselben sind, kann letztere anstelle oder neben der Kapitalherabsetzung stattfinden. Die Kapitalherabsetzung ist aber auch unter Erhaltung der gesetzlichen Rücklage bis zu 10 % (wie erläutert) statthaft. 2. Freie Rücklagen und Gewinnvortrag Anm. 6: Weiterhin sind die freien Rücklagen ganz aufzulösen. Darunter sind alle echten Rücklagen zu verstehen, gleichgültig, welche Bezeichnung sie haben, auch Dividendenergänzungsfonds. Ferner darf — wie es schon bisher angenommen, jetzt aber ausdrücklich normiert worden ist — ein Gewinnvortrag nicht vorhanden sein. Nicht nur — wie bisher — die zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung von sonstigen Verlusten bestimmten, sondern alle freien Rücklagen sind nunmehr vorher aufzulösen. Hierzu gehören nicht Rückstellungen und Rücklagen für bestimmte Zwecke, z. B. für soziale Leistungen; ferner gehören nicht hierher die unediten Rücklagen (Wertberichtigungskonten), die dazu dienen, zu hohe Ansätze auf der Aktivseite auszugleichen, also z.B. ein Delcredere-Konto, ein Erneuerungsfonds, der anstelle von Abschreibungen gebildet ist und so weiter. 1289

§ 229

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 7,8 3. Verstoß Anm. 7: Ein Verstoß gegen Abs. 2 kann Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 243, aber auch Nichtigkeit nach § 241 Nr. 3 zur Folge haben, je nachdem, in welcher Richtung sie verletzt wird. So erscheint das Verbot, das Grundkapital trotz Vorhandenseins freier Reserven herabzusetzen, überwiegend im Interesse der Gläubiger gegeben, so daß seine Verletzung den Beschluß nichtig macht, dagegen das Verbot der Herabsetzung, solange die gesetzliche Rücklage mehr als 10 °/o beträgt, überwiegend im Interesse der Aktionäre (sehr bestritten), so daß ein Verstoß dagegen den Beschluß anfechtbar macht (a. A. Baumbach-Hueck R n 4 ; Weipert-Schilling in Großkomm. §183 AktG 37 Anm. 10). V. Vornahme der Kapitalherabsetzung Anm. 8: Der Zwedc der Kapitalherabsetzung ist anzugeben. Es braucht aber in dem Beschluß nicht zum Ausdruck zu kommen, daß es sich um eine vereinfachte Kapitalherabsetzung handelt (s. hierüber § 230, Anm. 6). Damit erhebt sich die Frage, ob das Gesetz es etwa zum Gegenstand der Entscheidung des Vorstands machen will, ob eine Kapitalherabsetzung, die nicht zum Zwecke der Rückzahlung von Grundkapital geschah, in vereinfachter oder in ordentlicher Form vorzunehmen ist. Für die Auffassung könnte der Wortlaut des Satzes 1 ins Feld geführt werden, der von der „Vornahme", nicht dem Beschluß der Kapitalherabsetzung spricht. Es ergibt sich aber aus Abs. 3, daß dies nicht gemeint ist, weil daselbst auch die Bestimmungen über den Hauptversammlungsbeschluß angezogen sind, die bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung gelten. Das Registergericht hat sich also nach dem Hauptversammlungsbeschluß, nicht nach der Bestimmung des Vorstands zu richten. Fraglich erscheint es weiter, wie ein Kapitalherabsetzungsbeschluß auszulegen ist, der nichts darüber enthält, ob die Kapitalherabsetzung in vereinfachter oder in ordentlicher Form erfolgen soll. Nach dem Gesagten hat die Entscheidung darüber die Hauptversammlung. Dies entspricht der Sachlage, daß die Rechtsstellung der Aktionäre nach der vereinfachten Kapitalherabsetzung eine andere ist als bei der ordentlichen, insbesondere hinsichtlich der Gewinnausschüttung (vgl. § 233). Man wird deshalb die Entscheidung, wie ein solcher Beschluß aufzufassen ist, nicht dem Vorstand überlassen, vielmehr hat dieser, wenn die Hauptversammlung nichts anderes zu erkennen gab, die Kapitalherabsetzung in ordentlicher Form durchzuführen, d. h., er hat den Gläubigern, die sich innerhalb der Sperrfrist melden, Sicherheit zu leisten. Der Registerrichter hat darauf in seiner Bekanntmachung hinzuweisen (ebenso Schl.-Qu. § 182 Anm. 4). Der Gültigkeit des Kapitalherabsetzungsbeschlusses tut es in keinem Falle Abbruch, wenn der ordentliche als vereinfachter, der vereinfachte als ordent1290

Verbot von Zahlungen an die Aktionäre

§§ 229 / 230 Anm. 8/1,2

lidier durchgeführt wird. Letzterenfalls dürfte jedoch nicht anzunehmen sein, daß diese abweichende Durchführung die Notwendigkeit ausschließt, §§ 229 bis 233 zu beobachten; dies ist aus § 233 abzuleiten, wo gerade des Falles der Durchführung der beschlossenen vereinfachten Kapitalherabsetzung in ordentlicher Form (freilich ohne den Hinweis des Registergerichts) gedacht ist und trotzdem nur das Verbot des § 233 II S. 1 aufgehoben wird. Die Vornahme in vereinfachter Form gegenüber der beschlossenen ordentlichen bedeutet, wenn ohnedies eine Kapitalrückzahlung nicht geplant ist, die freiwillige Übernahme eines Mehr an Schutzmaßnahmen, ist also selbstverständlich statthaft. Die Verpflichtung, Sicherheit zu leisten, kann dadurch aber um so weniger beseitigt werden, als der Hinweis des Registergerichtes stattfindet.

§ 230 Verbot von Zahlungen an die Aktionäre Die Beträge, die aus der Auflösung der offenen Rücklagen und aus der Kapitalherabsetzung gewonnen werden, dürfen nicht zu Zahlungen an die Aktionäre und nicht dazu verwandt werden, die Aktionäre von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen zu befreien. Sie dürfen nur verwandt werden, um Wertminderungen auszugleichen, sonstige Verluste zu decken und Beträge in die gesetzliche Rücklage einzustellen. Auch eine Verwendung zu einem dieser Zwecke ist nur zulässig, soweit sie im Beschluß als Zweck der Herabsetzung angegeben ist. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit einigen sprachlichen Änderungen die Bestimmungen des bisherigen § 184 AktG 37. Die §§ 230 bis 232 befassen sich mit der Verwendung der durch die Kapitalherabsetzung freiwerdenden Beträge. § 230 bestimmt zunächst negativ, daß aus diesen Beträgen keinerlei Zahlungen an die Aktionäre erfolgen dürfen, und positiv, daß die Beträge nur zum Ausgleich von Wertminderung, zur Deckung von Verlusten und zur Einstellung in die gesetzliche Rücklage verwandt werden dürfen; dasselbe sagt schon § 229; wie dieser ist § 230 zwingend. Das vorstehende Verbot wird von § 233 I I I wiederholt (s. dort Anm. 3 u. 8). Anm. 2: Die Auflösung der freien Rücklagen mit Ausnahme der gesetzlichen Rücklage bis zu einem Betrag von 10 °/o des neuen Grundkapitals gehört zu den Voraussetzungen der vereinfachten Kapitalherabsetzung (vgl. § 229 Anm. 6). Durch die Kapitalherabsetzung und die Auflösung der Rücklagen vermindert sich die Passivseite, sofern nicht ein anderer Posten der 1291

§ 230

Anm. 2—4

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Passivseite, nämlich die gesetzliche Rücklage oder ein Wertberichtigungskonto erhöht wird. Unterbleibt letzteres, so ergibt sich in gleicher Höhe, in der die Passivseite vermindert wurde, ein Uberschuß der bisherigen Aktivseite. Dieser darf nur durch rein buchhalterische Maßnahmen, nämlich Ermäßigung der Posten der Aktivseite, also Beseitigung des Verlustvortrages oder Verringerung der Wertansätze, soweit dies gesetzlich zulässig oder sogar geboten ist, aufgebraucht und in Fortfall gebracht werden, nicht durch effektive Weggabe von Aktien, d. h. also, es dürfen nicht diese freiwerdenden Beträge zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden. Unter Zahlungen an die Aktionäre sind nicht nur Sonderzahlungen zu verstehen, sondern auch Dividendenzahlungen, wenn diese aus Beträgen, die durch die Kapitalherabsetzung frei geworden sind, gezahlt werden. Die Zahlung ist schlechthin verboten. Die Aktionäre sind zur Rückzahlung dessen, was sie empfangen haben, verpflichtet und haften in dieser Höhe den Gläubigern der Gesellschaft, maßgebend ist § 62. Ihre Haftung entfällt, wenn sie die Beträge in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben (vgl. § 62); ferner haften die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates nach §§ 93, 116 vermögensrechtlich, nicht aber strafrechtlich. Für Dividendenzahlungen, die aus echtem, sich nach der Kapitalherabsetzung ergebendem Gewinn, nicht Buchgewinn, geleistet werden und für welche die Kapitalherabsetzung nur insofern Voraussetzung war, als ohne sie dieser spätere Gewinn zu den Abschreibungen, Verlusttilgungen hätte verwandt werden müssen, die aus dem Buchgewinn der Kapitalherabsetzung vorgenommen worden sind, gilt lediglich § 233. Unter Zahlungen sind nicht nur Barzahlungen, sondern auch Sachleistungen jeder Art zu verstehen. Anm. 3: Die Befreiung der Aktionäre von der Verpflichtung zur Leistung der Einlage steht stets der Zahlung an die Aktionäre gleich (vgl. hierzu § 225 bezüglich der ordentlichen Kapitalherabsetzung, die allein zulässig ist, wenn dieser Zweck erreicht werden soll). Anm. 4: Die zulässige Verwendung der freiwerdenden Beträge beschränkt sich auf: a) Ausgleich von Wertminderungen, b) Deckung von Verlusten, c) Einstellung in die gesetzliche Rücklage. Ausgeglichen werden dürfen auch solche Wertminderungen und Verluste, die erst nach dem Kapitalherabsetzungsbeschluß entstanden sind (s. § 232 Anm. 5). Bei der Einstellung in die gesetzliche Rücklage ist zu beachten, daß diese nicht mehr als 10 °/o des Grundkapitals nach Durchführung der Herabsetzung betragen darf (vgl. hierzu auch § 231). Ausgeschlossen ist nicht nur die Aus1292

Beschränkte Einstellung in die gesetzliche Rücklage

§§ 230/231 Anm. 4—6

schüttung von Vermögen an die Aktionäre, sondern jede Maßnahme, die freies Vermögen herstellen könnte, wie die Schaffung ungebundener Rücklagen (was aber aus § 229 II abzuleiten wäre) und die Einstellung erdichteter Verbindlichkeiten, was ohnedies unzulässig ist. Verboten ist audi die Bildung stiller Reserven aus dem Buchgewinn durch übermäßige Abschreibungen oder Wertberichtigungen; gerade sie bieten die Möglichkeit zu Auszahlungen, die nicht einmal aus Gewinn geschehen (vgl. hierzu § 232). Anm. 5: Verstößt der Kapitalherabsetzungsbesdiluß durch Anordnungen über die Verwendung der Beträge gegen § 230, so ist der Beschluß nach § 241 Nr. 3 nichtig, denn die Bestimmung ist überwiegend im Interesse der Gläubiger getroffen; desgleichen ist der Jahresabschluß nichtig, der unter Verletzung dieser Vorschrift aufgestellt ist (§ 256 I Nr. 4). Anm. 6: § 229 bestimmt, daß der Kapitalherabsetzungsbeschluß als Zweck der vereinfachten Kapitalherabsetzung den Ausgleich von Wertminderungen, die Deckung sonstiger Verluste oder die Einstellung der Beträge in die gesetzliche Rücklage angeben muß. Über die Folgen für die Gültigkeit des Beschlusses, wenn eine solche Festsetzung fehlt, vgl. dort. Hier wird weiter bestimmt, daß der Beschluß befolgt werden muß und daß, falls die Angabe einer der Zweckbestimmungen fehlt, die Verwendung nicht zu diesem Zwecke erfolgen kann. Es darf z.B. keine Einstellung in die gesetzliche Rücklage erfolgen, wenn es im Beschluß lediglich heißt, daß Zweck der Kapitalherabsetzung die Deckung von Verlusten ist. Es empfiehlt sich deshalb, stets die drei überhaupt möglichen Gründe im Beschluß aufzuführen und dem Vorstand die Verwendung der freiwerdenden Beträge zu überlassen. Es kann jedoch auch die Hauptversammlung bestimmte Anweisungen treffen. Nicht erforderlich ist es, daß ziffernmäßig angegeben wird, welche Beträge für die verschiedenen Zwecke verwandt werden sollen. Es genügt die Aufzählung der Zwecke. Ein Jahresabschluß, der dem Beschluß zuwiderläuft, ist nichtig, wenn er zugleich § 224 verletzt (s. dort Anm. 5), andernfalls nur anfechtbar, wenn er von der Hauptversammlung, aber unangreifbar, wenn er vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wird (§§ 243, 256).

§ 231 Beschränkte Einstellung in die gesetzliche Rücklage Die Beträge, die aus der Auflösung der freien Rücklagen und aus der Kapitalherabsetzung gewonnen werden, dürfen in die gesetzliche Rücklage nur eingestellt werden, soweit diese zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigt. Als Grundkapital gilt dabei der Nennbetrag, der sich durch 1293

§231 Anm. 1—4

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

die Herabsetzung ergibt, mindestens aber der in § 7 bestimmte Mindestnennbetrag. Bei der Bemessung der zulassigen Höhe bleiben Beträge, die in der Zeit nach der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung nach § 150 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 in die gesetzlidie Rücklage einzustellen sind, auch dann außer Betracht, wenn ihre Zahlung auf einem Beschluß beruht, der zugleich mit dem Beschluß über die Kapitalherabsetzung gefaßt wird. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit einigen sprachlichen Änderungen die Bestimmungen des bisherigen § 186 AktG 37. Die früheren § 186 AktG 37 (jetzt § 231) und § 185 AktG 37 (jetzt § 232) sind umgestellt worden, um damit klarer herauszustellen, daß § 231 nicht für den Fall des § 232 gilt. Die Bestimmung schränkt die Zulässigkeit ein, aus den Buchgewinnen die gesetzliche Rücklage zu erhöhen, indem sie 10 % des neuen, herabgesetzten Grundkapitals als obere Grenze setzt. Anm. 2: Einstellung des Buchgewinns in die gesetzliche Rücklage ist nur solange zulässig, bis diese 10 °/o des neuen Grundkapitals erreicht (vgl. § 230 Anm. 2). Betrug die gesetzliche Rücklage mehr als 10 °/o des neuen, herabgesetzten Grundkapitals, z. B. 10 °/o des bisherigen Grundkapitals, so kann die Kapitalherabsetzung mithin nur zum Ausgleich von Wertminderungen oder zur Deckung von Verlusten vorgenommen werden. Es ist nidit nur ausgeschlossen, einen Teil des Buchgewinns in die gesetzliche Reserve zu überführen, vielmehr ist der 10 °/o des neuen, herabgesetzten Grundkapitals übersteigende Teil der gesetzlichen Rücklage gleichfalls aufzulösen und zu Abschreibungen, Wertminderungen, Verlustdeckung zu verwenden, bevor das Grundkapital herabgesetzt werden darf. Anm. 3: Die Bestimmung ist im wesentlichen zugunsten der Aktionäre getroffen, so daß ihre Verletzung nicht die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 zur Folge hat. Es kann auch der den Jahresabschluß feststellende Hauptversammlungsbeschluß nicht angefochten werden (§ 257). Auch wenn er vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wird, ist der Jahresabschluß unangreifbar. Jedoch ist er in beiden Fällen vom Abschlußprüfer zu beanstanden. Anm. 4: Als Grundkapital gilt der sich aus der Herabsetzung ergebende Nennbetrag, mindestens aber der nach § 7 zulässige Mindestnennbetrag. Eine Herabsetzung des Grundkapitals unter den nach § 7 zulässigen Mindestnennbetrag ist grundsätzlich nichtig. Der Fall kommt nur vor in Verbindung mit einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung (vgl. § 228). Es ist dann nicht das Grundkapital maßgebend, das sich nach Durchführung der mit der Kapitalherabsetzung verbundenen Kapitalerhöhung ergibt, sondern auch bei der Verbin1294

Einstellung von Beträgen

§ § 231 / 2 3 2

Anm. 4 , 5

dung von Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung ist für die Anwendung der Bestimmung das sich aus der Kapitalherabsetzung allein ergebende Grundkapital maßgebend; nur tritt, wenn dieses das Mindestkapital nicht erreicht, anstelle des herabgesetzten Grundkapitals der Mindestnennbetrag nach § 7. Dabei ist § 2 E G zu berücksichtigen. Gesellschaften, deren Grundkapital gemäß § 2 EG zulässigerweise unter 100 000,— D M liegt, können bei der Berechnung nach § 231 nicht den Betrag von 100 000,— D M (Mindestbetrag nach § 7) zugrunde legen, sondern das tatsächlich vorhandene Grundkapital, da dieses an die Stelle des im § 7 vorgesehenen Mindestbetrages tritt. Es erhebt sich jedoch die Frage, ob derartige Gesellschaften überhaupt eine Kapitalherabsetzung vornehmen können. Eine Kapitalherabsetzung ist eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse der Gesellschaft. Eine solche darf aber nur eingetragen werden, wenn gleichzeitig das Kapital auf 100 000,— D M erhöht wird. Aus diesem Grunde halten wir eine Kapitalherabsetzung bei Gesellschaften, deren Grundkapital unter 100 000,— DM liegt, für unzulässig. Einen dem entgegenstehenden Beschluß halten wir für nichtig, es sei denn, die Herabsetzung wird mit einer Kapitalerhöhung verbunden, die das Grundkapital auf mindestens 100 000,— D M stellen muß. Anm. 5: Unschädlich ist das nach dem Kapitalherabsetzungsbeschluß durch Ausgabe neuer Aktien oder Wandekchuldverschreibungen erzielte Agio, und zwar auch, wenn die Ausgabe auf einen gleichzeitig mit Kapitalherabsetzungsbeschluß gefaßten Kapitalerhöhungsbeschluß (bedingten) beruht. Dieses Aufgeld wird bei einer eben erst sanierten Gesellschaft nicht erheblich sein, erheblicher können Zuzahlungem der Aktionäre sein, die gleichfalls nicht mitgeredinet werden. Soll durch sie die Kapitalherabsetzung abgewendet werden, so kann die Zuzahlung in die gesetzliche Rücklage ohnedies nur eingestellt werden, wenn das Kapital gerade zu dem Zweck herabgesetzt werden sollte, die gesetzliche Rücklage zu erhöhen.

§ 232

Einstellung von Beträgen in die gesetzliche Rüdklage bei zu hoch angenommenen Verlusten Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz für das Geschäftsjahr, in dem der Beschluß über die Kapitalherabsetzung gefaßt wurde, oder für eines der beiden folgenden Geschäftsjahre, daß Wertminderungen und sonstige Verluste in der bei der Beschlußfassung angenommenen Höhe tatsächlich nicht eingetreten oder ausgeglichen waren, so ist der Unterschiedsbetrag in die gesetzliche Rücklage einzustellen. 1295

§ 232 Anm. 1—3

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 185 AktG37 (s. auch §231 Anm. 1) mit einer Änderung: wie der Vorgänger von § 185 AktG 37, der § 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über die Kapitalherabsetzung in erleichterter Form vom 18. 2.1932, regelt § 232 auch den Fall, daß sich der Unterschied zwischen den bei der Beschlußfassung angenommenen und tatsächlich eingetretenen Wertminderungen und sonstigen Verlusten bereits bei der Aufstellung der Bilanz für das Geschäftsjahr zeigt, in dem die Kapitalherabsetzung beschlossen worden ist. Ist die Kapitalherabsetzung infolge von Schätzungsfehlern in einem größeren Umfang vorgenommen worden als notwendig war, um die Verluste zu decken und die gesetzliche Rücklage aufzufüllen, so entstehen dadurch freie Rücklagen, die jederzeit zur Verteilung an die Aktionäre zur Verfügung stehen würden. Dadurch würde eine Gefährdung der Gläubiger eintreten, die die vorliegende Bestimmung verhindern soll. Es handelt sich um eine überwiegend zum Schutze der Gläubiger getroffene Bestimmung, so daß ein Verstoß gegen sie die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zur Folge hat, und zwar, sofern der Jahresabschluß vom Vorstand festgestellt ist gemäß § 2561 Nr. 1, soweit er ausnahmsweise durch die Hauptversammlung festgestellt ist gemäß § 241 Nr. 3. Anm. 2: Eine Einstellung in die gesetzliche Rücklage ist erforderlich, wenn sich bei Aufstellung der Jahresbilanz ergibt, daß der Umfang der Kapitalherabsetzung zu groß war. Eine nachträgliche Uberprüfung der der Kapitalherabsetzung zugrunde liegenden Schätzungen und Annahmen ist damit nicht vorgeschrieben. Es entsteht die Frage, ob die Bestimmung auch Platz greift, wenn sich nachträglich herausstellt, daß zwar angenommene Wertverluste nicht eingetreten waren, dagegen andere, die sie aufwiegen. Dies hätte zur Folge, daß auch in diesem Fall der Betrag der gesetzlichen Rücklage zuzuführen und der neu entdeckte Wertverlust aus dem neuen Gewinn zu decken oder, wenn ein solcher nicht erzielt wurde, vorzutragen sei. Da aber zulässig wäre, die gesetzliche Rücklage zur Deckung des Verlustvortrages wieder aufzulösen, halten wir im letzteren Fall die unmittelbare Abdeckung aus dem übriggebliebenen Buchgewinn für statthaft (ebenso B.-H. Rn. 3). Beides gilt auch für den Fall, wenn diesem ein Betriebs- oder Wertverlust gegenübersteht, der erst nach dem Kapitalherabsetzungsbeschluß entstanden ist. Voraussetzung ist, daß der richtige Sachverhalt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz ergibt, die entweder für das Geschäftsjahr, in dem die Kapitalherabsetzung beschlossen worden ist, oder für eines der beiden folgenden Geschäftsjahre aufgestellt wird. Anm. 3: Wenn schon bei der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung feststand, daß die Wertminderung oder die sonstigen Verluste nicht einge1296

Gewinnausschüttung . Gläubigerschutz

§§ 232/233 Amn. 4,5

treten sind, so verstieß der Kapitalherabsetzungsbeschluß gegen § 230 und war nichtig. Es kann aber sein, daß die Nichtigkeit nicht geltend gemacht und nach § 242 geheilt wird. Erst recht muß in einem solchen Falle § 232 befolgt werden, da seine Voraussetzungen ohne weiteres vorliegen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß Wertminderungen und Verluste meist Gegenstand von Schätzungen sind. Sind diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, wenn auch mit bewußt weitgehender Vorsicht vorgenommen worden, so braucht noch nicht Nichtigkeit des Beschlusses angenommen zu werden (vgl. hierzu R G 116, 129). Auch in einem solchen Falle ist es nicht nötig, daß die noch innerhalb vertretbaren Rahmens gebildeten Schätzungsreserven aufgelöst und der gesetzlichen Rücklage zugeführt werden. Werden sie aber aufgelöst, ist letzteres nach dem zwingenden § 232 erforderlich. Anm. 4: Es braucht in die gesetzliche Rücklage nichts eingestellt zu werden, wenn ein tatsächlich vorhandener Verlust nachträglich nach dem Kapitalherabsetzungsbeschluß durch Gewinn wieder ausgeglichen wird (s. Anm. 6), z. B. durch Steigen der Kurse von Wertpapieren (ebenso B.-H. Rn. 3).

Anm. 3: Der Betrag, um den man die Verluste oder Wertminderungen überschätzt hat, d. h. der übriggebliebene Buchgewinn, ist in die gesetzliche Rücklage einzustellen, nicht etwa auch der normale Betriebsgewinn der nächsten zwei Jahre. § 233 Gewinnausschüttung. Gläubigerschutz (1) Gewinn darf nicht ausgeschüttet werden, bevor die gesetzliche Rücklage zehn vom Hundert des Grundkapitals erreicht hat. Als Grundkapital gilt dabei der Nennbetrag, der sich durch die Herabsetzung ergibt, mindestens aber der in § 7 bestimmte Mindestnennbetrag. (2) Die Zahlung eines Gewinnanteils von mehr als vier vom Hundert ist erst für ein Geschäftsjahr zulässig, das später als zwei Jahre nach der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung beginnt. Dies gilt nicht, wenn die Gläubiger, deren Forderungen vor der Bekanntmachung der Eintragung des Beschlusses begründet worden waren, befriedigt oder sichergestellt sind, soweit sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung des Jahresabschlusses, auf Grund dessen die Gewinnverteilung bechlossen ist, zu diesem Zweck gemeldet haben. Einer Sicherstellung der Gläubiger bedarf es nicht, die im Fall des Konkurses ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichtet und staatlich überwacht ist. Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung des Jahresabschlusses auf die Befriedigung oder Sicherstellung hinzuweisen. 1297

§ 233

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 1—3 (3) Die Beträge, die aus der Auflösung von offenen Rücklagen und aus der Kapitalherabsetzung gewonnen sind, dürfen auch nach diesen Vorschriften nicht als Gewinn ausgeschüttet werden. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Verbot der Gewinnausschüttung 1. Auffüllung der gesetzlichen Rückläge (Anm. 3 u. 4)

2. Beschränkung auf 4 ®/o (Anm. 5) 3. Dauer der Beschränkung (Anm. 6 u. 7) III. Gläubigerschutz (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit einigen sprachlichen Änderungen die Bestimmungen des bisherigen § 187 AktG 37 unter Weglassung der Ermächtigung in Abs. 2, einen anderen Prozentsatz als 4 % zur Zahlung als Gewinnanteil zuzulassen. Anm. 2: Verbietet § 230 jede Auszahlung an die Aktionäre aus dem bei der Herabsetzung vorhandenen Vermögen im Interesse der Gläubiger, so beschränkt § 233 im gleichen Interesse selbst diejenigen aus späterem Gewinn, denn ohne die Herabsetzung würde dieser Gewinn wenigstens insoweit dem Vermögen der Gesellschaft verbleiben und von der Ausschüttung ausgeschlossen gewesen sein, als er ohne die Kapitalherabsetzung erforderlich gewesen wäre, um die nur aus dem Buchgewinn vorgenommenen Abschreibungen, Wertberichtigungen, Verlustausgleiche zu bestreiten. Solange die gesetzliche Rücklage 10 °/o des neuen Grundkapitals nicht erreicht (Abs. 1), darf überhaupt kein Gewinn ausgeschüttet werden; ferner grundsätzlich nicht mehr als 4 °/o für die Geschäftsjahre, in denen der Besdiluß gefaßt worden ist und die beiden folgenden. Soll mehr gezahlt werden, so müssen die Gläubigerschutzbestimmungen des § 225 erfüllt worden sein. § 233 ist zwingend. II. Verbot der Gewinnausschüttung 1. Auffüllung der gesetzlichen Rücklage Anm. 3: Solange die gesetzliche Rücklage nicht 10 °/o des herabgesetzten Grundkapitals beträgt, darf kein Gewinn ausgezahlt werden. Gewinn wird in der Regel nur an Aktionäre gezahlt, in Frage kommen jedoch auch die Inhaber von Genußscheinen, wenn es sich dabei um abgespaltene Aktionärrechte handelt. Der Gewinn kann auch aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages an eine andere Gesellschaft abgeführt werden. Dieser Gewinn fällt unter § 233, nicht etwa die den Aktionären nach dem Gewinnabführungsvertrag garantierten Ausgleichszahlungen. Diese sind in gleicher Höhe weiter zu zahlen (s. § 304 und Anm. dort). Nicht hierher gehören aber die Inhaber von Gewinnschuldverschreibungen, denn diese erhalten Zinsen und nicht Ge1298

Gewinnausschüttung

• Gläubigersdiutz

§233

Anm. 3—6

winn. Mag auch die Höhe der Zinsen sich nach dem Gewinn richten, richtet sie sich jedoch regelmäßig nach der Dividende (vgl. zu § 221). Verboten ist nur die Ausschüttung, zulässig die Zuführung von Gewinn an die freiwillige Rüdslage, die insoweit freilich nidit ausgeschüttet werden darf, bevor die Voraussetzung des Abs. 1 erfüllt ist. Eine Speisung der gesetzlichen Rücklage über § 150 Nr. 1 bis 4 hinaus ist nicht vorgeschrieben. Anm. 4: Sobald die gesetzliche Rücklage 10 °/o des Grundkapitals einmal voll erreicht hat, darf wieder Gewinn verteilt werden, auch dann, wenn später Verluste aus der Rücklage zu decken sind (B.-H. R n 2 ; Schl.-Qu. § 187 Anm. 2). Maßgebend ist, wie nach §§ 229, 231, das herabgesetzte Kapital, auch wenn es gleichzeitig wieder erhöht wird. Wird es unter den Mindestnennbetrag herabgesetzt (s. § 231 Anm. 4), so ist dieser maßgebend (z. B. Grundkapital 400 000,— DM, Herabsetzung auf 200 000,— DM, so beträgt die gesetzliche Rücklage 20 000 DM; oder: Grundkapital 400 000,— DM, Herabsetzung auf 50 000,— DM, Wiedererhöhung auf 200 000,— DM. Erst wenn die gesetzliche Rücklage 10 000,— DM erreicht hat, darf Gewinn ausgeschüttet werden — da vom Mindestgrundkapital von 100 000,— DM ausgegangen werden muß). Es ist gleichgültig, aufgrund welcher Zuweisungen die gesetzliche Rücklage 10 %> des Grundkapitals erreicht hat. Es rechnen hier alle Zuweisungen mit, auch z. B. ein Aufgeld im Falle der Kapitalerhöhung. 2. Beschränkung auf 4 °lo Anm. 5: Die Höhe des verteilbaren Gewinns ist jedoch auch dann beschränkt. Der zulässige Prozentsatz beträgt nur 4 %>; er berechnet sich auf das zur Zeit der Ausschüttung vorhandene Aktienkapital, nicht etwa wie bei der Berechnung der 10 % der gesetzlichen Rücklage auf das sich aus der Herabsetzung ergebende Grundkapital (vgl. oben Anm. 4). Eine entgegen diesen Bestimmungen gezahlte höhere Dividende ist unzulässig. Es haftet mithin der empfangende Aktionär nach § 62 neben Vorstand und Aufsichtsrat, die nach §§ 93,116 haften. Diese Beschränkung beginnt schon mit dem Herabsetzungsbeschluß (vgl. Anm. 3). 3. Dauer der

Beschränkung

Anm. 6: Das Verbot des § 233 gilt von der Eintragung des Herabsetzungsbeschlusses im Handelsregister ab, denn erst von diesem Zeitpunkt an ist das Grundkapital herabgesetzt. Nur ein nach diesem Zeitpunkt gefaßter Gewinnverwendungsbeschluß ist nichtig, wenn er § 233 verletzt und darf nicht ausgeführt werden. Der vorher gefaßte Beschluß ist trotzdem gültig. Es fragt sich, ob aufgrund eines solchen Beschlusses nach dem angegebenen Zeitpunkt 1299

§ 233

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 6—8 noch die Auszahlung erfolgen darf; das ist zu bejahen, denn durch den Gewinn Verwendungsbeschluß ist der Dividendenanspruch zu einem Gläubigerrecht geworden, das durch spätere rein gesellschaftsrechtliche Vorgänge nicht beeinträchtigt werden kann. Der Vorstand ist verpflichtet, die vorher durch rechtswirksamen Beschluß festgesetzte Dividende wie jede andere Schuld auszuzahlen (ebenso Schl.-Qu. § 187 Anm. 2). Audi wenn Gewinnverwendung und Kapitalherabsetzung gleichzeitig beschlossen werden, darf vor der Eintragung der letzteren für das vorher abgelaufene Geschäftsjahr noch Gewinn verteilt und ausgezahlt werden (ebenso Schl.-Qu. a. a. O.), denn das Verbot der Dividendenzahlung tritt erst mit der Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses in Kraft. Ein vorher erworbener Gewinnanspruch kann davon nicht mehr berührt werden. Entgegen Abs. 1 stellt dagegen Abs. 2 die zulässige Dividendenhöhe nicht auf die Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses, sondern auf seine Fassung und den Zeitpunkt der Zahlung der Dividende ab. Es darf also in dem genannten Fall keine höhere Dividende als 4 o/o ausbezahlt werden; darauf muß schon der Verwendungsbeschluß achten. Ein unlöslicher Konflikt zwischen dem erworbenen Anspruch und Abs. 2 würde eintreten, wenn der Gewinnverwendungsbeschluß zwar dem Kapitalherabsetzungsbesdiluß vorangeht, die Dividende aber erst nach dem letzteren ausgezahlt wird; glücklicherweise wohl casus qui non fit (vgl. § 234 Anm. 2). Anm. 7: Die Beschränkung der Gewinnverteilung gilt für die Geschäftsjahre, die innerhalb von zwei Jahren nach der Beschlußfassung (nicht der Eintragung, auch bei Zurückbeziehung nach §§ 234, 235) beginnen. Das Geschäftsjahr, in dem der Beschluß gefaßt wurde, rechnet nicht mit. Es müssen danach zwei volle Geschäftsjahre vergangen sein. Erst für das dritte kann mehr als 4°/o Dividende ausgeschüttet werden. Beispiel: Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Die Kapitalherabsetzung wurde am 1. Februar 1967 beschlossen, die Gesellschaft kann erst f ü r das Geschäftsjahr 1970 unbeschränkt Gewinn verteilen, denn das Geschäftsjahr, in dem der Beschluß gefaßt wurde, ist erst am 31. Dezember 1967 zu Ende. Die weiteren zwei Geschäfts jähre, in denen sie beschränkt ist, sind 1968 und 1969. Selbstverständlich kann in diesem Beispiel auch für 1967 keine Dividende von mehr als 4 % ausgeschüttet werden. Ob für 1966, hängt davon ab, wann die Kapitalherabsetzung eingetragen ist. Vgl. oben Anm. 3.

III. Gläubigerschutz Anm. 8: Die Gesellschaft kann sich von der gesetzlichen Begrenzung der Gewinnverteilung dadurch frei machen, daß sie, wenn der Gewinnverwendungsbeschluß gefaßt ist, in der Bekanntmachung des ihm zugrunde liegenden 1300

Rückwirkung der Kapitalherabsetzung

§§ 233/234 Anm. 8

Jahresabschlusses die Gläubiger darauf hinweist, daß sie sich zum Zwecke der Sicherstellung ihrer Forderung melden sollen und dann vor Ausführung des Gewinnverwendungsbeschlusses die Forderungen der Gläubiger sicherstellt, die innerhalb von 6 Monaten dieser Aufforderung nachkommen und nicht im Falle eines Konkurses der Gesellschaft ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichteten und staatlich überwachten Deckmasse (§ 225 Anm. 7) haben. Die Bestimmung entspricht § 225. Es muß also das nachgeholt werden, was die vereinfachte Kapitalherabsetzung von der ordentlichen unterscheidet. Lediglich die Art, in der die Gläubiger auf ihr Recht auf Sicherstellung oder Befriedigung hingewiesen werden, weicht von § 225 ab. Während es nach § 225 in der Bekanntmachung der Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses zu geschehen hat, also in den Veröffentlichungsblättern des Registergerichts, erfolgt der Hinweis hier in der Bekanntmachung des Jahresabschlusses, also gemäß § 177 II in den Gesellschaftsblättern, das sind nach § 25 der Bundesanzeiger und die in der Satzung als Gesellschaftsblätter bezeichneten anderen Blätter. Eine bestimmte Form des Hinweises ist nicht vorgesehen; man wird sich zweckmäßig dem Wortlaut des Gesetzes anschließen. Einer Aufforderung der Gläubiger zur Anmeldung ihrer Forderung bedarf es auch hier nicht, dagegen muß auch hier eine Sperrfrist von 6 Monaten nach der Bekanntmachung vor der beschlossenen Gewinnauszahlung abgewartet werden. Diese Frist beginnt mit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses, und zwar dem Erscheinen des letzten Blattes, in dem er entsprechend Gesetz und Satzung zu veröffentlichen ist und nicht wie nach § 225 mit der Bekanntmachung der Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses (vgl. im übrigen § 225 Anm. 8). Eine Teilauszahlung der beschlossenen Gewinnausschüttung bis zur gesetzlichen Grenze ist zulässig. Gegen das Verbot des Abs. 1 kann Gewinn jedoch auch mit Gläubigeraufforderung nicht ausgeschüttet werden. Abs. 3 wiederholt, was bereits in § 230 zum Ausdruck kommt. Es wird nochmals betont, daß Zahlungen aus den durch die Kapitalherabsetzung gewonnenen Beträgen auch als Gewinn nicht zulässig sind (vgl. hierzu § 230 Anm. 2 u. oben Anm. 3).

§ 234 Rückwirkung der Kapitalherabsetzung (1) Im Jahresabschluß für das letzte vor der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung abgelaufene Geschäftsjahr können Grundkapital und offene Rücklagen in der Höhe ausgewiesen werden, in der sie nach der Kapitalherabsetzung bestehen sollen. 1301

§ 234

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 1,2 (2) In diesem Fall beschließt die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses. Der Beschluß soll zugleich mit dem Beschluß über die Kapitalherabsetzung gefaßt werden. (3) Die Beschlüsse sind nichtig, wenn der Beschluß über die Kapitalherabsetzung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlußfassung in das Handelsregister eingetragen worden ist. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage rechtshängig ist oder eine zur Kapitalherabsetzung beantragte staatliche Genehmigung noch nicht erteilt ist. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Der die Rückwirkung berücksichtigende Jahresabschluß 1. Vorlage (Anm. 3)

2. Feststellung durch die Hauptversammlung (Anm. 4) 3. Verbindung mit Kapitalherabsetzungsbeschluß (Anm. 5) 4. Verfahren (Anm. 6) III. Frist zur Eintragung (Anm. 7)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 188 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen in Abs. 1 und 2. § 188 II S. 3 AktG 37 ist weggelassen worden, ohne daß damit eine sachliche Änderung eingetreten ist, denn es ist selbstverständlich, daß auch im Fall des § 234 die Vorschriften über das Verfahren bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses gelten (s. Anm. 6). Anm. 2: Die §§ 234 bis 236 behandeln die Rückwirkung der Kapitalherabsetzung auf den Jahresabschluß. Durdi diese soll der Gesellschaft erspart werden, einen Verlustabschluß zu veröffentlichen. Die Rüdewirkung gilt nur für den Jahresabschluß für das der Kapitalherabsetzung unmittelbar vorangehende Geschäftsjahr (nicht etwa ein noch früheres). In jeder anderen Hinsicht, insbesondere des Rechtsbestandes der Aktien, des Stimmrechts usw. verbleibt es bei § 224. Eine Schwierigkeit entsteht bei der an sich zulässigen Gewinnausschüttung für das abgelaufene Geschäftsjahr, für dessen Schlußtag die Kapitalherabsetzung zurückwirken soll, denn sie hat das bilanzmäßige Grundkapital zur Grundlage, während doch die gewinnberechtigten Aktien von der Kapitalherabsetzung noch nicht berührt sind. Um eine Verschleierung zu vermeiden, wird für diesen Fall vorgeschrieben, daß in der Gewinn- und Verlustrechnung die Beträge, die im Zusammenhang mit der Kapitalherabsetzung buchmäßig gewonnen sind, genau ausgewiesen werden müssen. Auch ihre Verwendung muß sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung ergeben (§ 240). Der Jahresabschluß darf erst bekanntgemacht werden, wenn die Kapitalherabsetzung eingetragen ist (§ 236). Voraussetzung der Rückwirkung ist: 1302

Rückwirkung der Kapitalherabsetzung

§ 234 Anm. 2—4

a) der Jahresabschluß muß von der Hauptversammlung festgestellt werden (Abs. 2). b) der Kapitalherabsetzungsbeschluß muß binnen drei Monaten im Handelsregister eingetragen sein (Abs. 3). Wird gegen diese Bestimmung verstoßen, so sind der Jahresabschluß und der Herabsetzungsbeschluß nichtig. Die Möglichkeit der Rückbeziehung auf den Stichtag des Jahresabschlusses gewährt das Gesetz nur bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung, bei der ordentlichen auch dann nicht, wenn sie nidit stattfindet, um Kapital zurückzuzahlen. II. Der die Rückwirkung berücksichtigende Jahresabschluß 1. Vorlage Anm. 3: Um einen Verlustabschluß zu vermeiden, kann der Vorstand der Hauptversammlung, die über eine Kapitalherabsetzung zu beschließen hat, einen Jahresabschluß vorlegen, in dem die noch gar nicht beschlossene Herabsetzung bereits so berücksichtigt wird, als sei sie durchgeführt. Das Grundkapital erscheint bereits mit dem herabgesetzten Betrag nach dem Vorschlag, den die Verwaltung der Hauptversammlung über die Kapitalherabsetzung macht. Auch die Rüdciagen sind bereits so im Jahresabschluß aufzuführen, wie sie nach der Durchführung der Kapitalherabsetzung bestehen werden, d. h., da alle freien Rücklagen nach § 229 vor der Kapitalherabsetzung aufgelöst werden müssen, daß solche sich im Jahresabschluß nicht mehr vorfinden können. Audi von der gesetzlichen Rücklage darf höchstens ein Betrag von 10 o/o des herabgesetzten Grundkapitals verbleiben (§ 229), es sei denn, daß durch eine zugleich zu beschließende Kapitalerhöhung Beträge gemäß § 150 II Nr. 2 bis 4 in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind (§ 231). 2. Feststellung durch die Hauptversammlung Anm. 4: Wird die Kapitalherabsetzung rückbezogen, hat die Hauptversammlung den Jahresabschluß festzustellen, auf den sich die Rückwirkung bezieht. Die Zuständigkeit der Hauptversammlung ist ausschließlich. Die Hauptversammlung kann auf ihr Recht weder verzichten noch ein anderes Organ der Gesellschaft mit der Ausführung beauftragen. Satzungsbestimmungen dieser Art wären nichtig. Ein vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats vor oder nach dem Herabsetzungsbeschluß aufgestellter Jahresabschluß, der die vereinfachte Kapitalherabsetzung bereits berücksichtigt, muß von ihm der Hauptversammlung zur Feststellung vorgelegt werden. Die Entscheidung darüber, ob der Jahresabschluß die Kapitalherabsetzung schon berücksichtigen soll, steht dem Vorstand zu, der den Entwurf aufzustellen hat; er hat dem Aufsichtsrat nach § 90 I Nr. 1 darüber zu berichten. Der Vor1303

§ 234 Anm. 4—6

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

stand braucht den Jahresabschluß dem Aufsichtsrat nicht zur Billigung vorzulegen, wohl aber zur Prüfung nach § 170 I. Nicht über Billigung, nur über seinen Prüfungsbericht an die Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat zu beschließen. Es ist ihm unbenommen, in seinem Prüfungsbericht seine Ansicht zur Rüdsbeziehung der Kapitalherabsetzung zu äußern. Die Hauptversammlung ist an den ihr vom Vorstand vorgelegten Entwurf, wie überhaupt, so auch zu diesem Punkte nicht gebunden, sie braucht insbesondere die Kapitalherabsetzung nicht rüdewirken zu lassen; sie kann auch umgekehrt ihrerseits die Rückwirkung beschließen (vgl. Weipert-Schilling in Großkomm. § 188 AktG 37 Anm. 2). Von sich aus, ohne entsprechenden Vorschlag des Vorstands, kann die Hauptversammlung die Rückwirkung nur beschließen, wenn der Jahresabschluß nicht aufgrund § 234, sondern § 173 an sie gelangt, weil Vorstand und Aufsichtsrat ihr die Feststellung überlassen wollen oder sich über den Jahresabschluß nicht einigen können (z. B. weil etwa der Vorstand die Kapitalherabsetzung nicht zurückwirken lassen will, dagegen der Aufsichtsrat). H a t die Verwaltung dagegen den Jahresabschluß festgestellt, kann die Hauptversammlung hieran nichts mehr ändern. Will der Vorstand die Kapitalherabsetzung zurückwirken lassen, legt er den Jahresabschluß aber nicht der Hauptversammlung, sondern zur Billigung dem Aufsichtsrat vor, und macht auch dieser den Fehler mit, so ist der so festgestellte Jahresabschluß nicht bloß falsch, sondern nichtig (§ 256 II). Der Aufsiditsrat hat auch in einem solchen Fall, in welchem er zur Mitwirkung nicht berufen war, wenn er trotzdem mitwirkte, nicht ordnungsgemäß mitgewirkt. 3. Verbindung mit Kapitalherabsetzungsbeschluß Anm. 5: Die Feststellung des Jahresabschlusses soll zugleich mit der Kapitalherabsetzung beschlossen werden. Es handelt sich nur um eine Sollvorschrift, deren Verletzung für den Rechtsbestand des Kapitalherabsetzungsbeschlusses keine Folgen hat, auch anfechtbar ist der Beschluß nicht. Anfechtbar ist ein Beschluß aber, durch den der Zusammenhang mit der Feststellung des die Rückwirkung gemäß § 234 beinhaltenden Jahresabschlusses mit dem Kapitalherabsetzungbeschluß auseinandergerissen wird. Dieser Beschluß ist unzulässig und macht ihn deshalb anfechtbar (Baumbach-Hueck Rn 3; WeipertSchilling in Großkomm. § 188 AktG 37 Anm. 6). 4. Verfahren Anm. 6: Bisher war die Anwendung der Bestimmungen über das Verfahren bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses (§ 125 I, II und IV AktG 37 — jetzt §§ 148, 170, 171, 173, 175 und 176) ausdrücklich normiert (s. auch Anm. 1). Da dies selbstverständlich ist, wurde dies im § 234 nicht übernommen; danach hat die Hauptversammlung in den ersten acht Monaten 1304

Rückwirkung einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung

§§ 234/235

Anm. 6,7

des Geschäftsjahres stattzufinden; der Vorstand hat den Jahresabschluß mit dem Bericht des Aufsichtsrates vorzulegen. Der Vorstand hat in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres den Jahresabschluß aufzustellen und den Abschlußprüfern und unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichtes dem Aufsichtsrat vorzulegen. Dieser hat sich innerhalb eines Monates nach der Vorlegung dem Vorstand gegenüber zu erklären (vgl. im einzelnen die Anm. zu den obengenannten Bestimmungen). III. Frist zur Eintragung Anm. 7: Die Beschlüsse sind bedingt rechtswirksam und werden (von Anfang an) nichtig, wenn der Herabsetzungsbeschluß nicht binnen drei Monaten, nachdem er gefaßt wurde, ins Handelsregister eingetragen wird. Der Fristlauf wird durch eine rechtshängige Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage, desgleichen durch eine ausstehende, beantragte behördliche Genehmigung gehemmt. Warum wegen der Fristversäumnis, wegen der auch der Kapitalherabsetzungsbeschluß nichtig wird (und überhaupt) ein Zwang geübt wird, die Beschlüsse zu wiederholen, ist nicht einleuchtend. Die Nichtigkeit kann auch durch Eintragung nach Ablauf der Frist nicht behoben werden (§ 242); vielmehr ist die Eintragung des Beschlusses nach Fristablauf gerade wegen seiner dadurch eingetretenen Nichtigkeit abzulehnen und, wenn trotzdem erfolgt, bedeutungslos und nach § 144 F G G zu löschen (§ 242 Anm. 5; für Heilung und entsprechende Anwendung des § 242 II Weipert-Schilling in Großkomm. §188 AktG 37 Anm. 9). Der Jahresabschluß ist nunmehr vom Vorstand und Aufsichtsrat festzustellen — es sei denn, daß beide Beschlüsse nach Ablauf der Frist wiederholt werden.

§ 235 Rückwirkung einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung (1) Wird im Fall des § 234 zugleich mit der Kapitalherabsetzung eine Erhöhung des Grundkapitals beschlossen, so kann auch die Kapitalerhöhung in dem Jahresabschluß als vollzogen berücksichtigt werden. Die Beschlußfassung ist nur zulässig, wenn die neuen Aktien gezeichnet, keine Sacheinlagen festgesetzt sind und wenn auf jede Aktie die Einzahlung geleistet ist, die nach § 188 Abs. 2 zur Zeit der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung bewirkt sein muß. Die Zeichnung und die Einzahlung sind dem Notar nachzuweisen, der den Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals beurkundet. (2) Sämtliche Beschlüsse sind nichtig, wenn die Beschlüsse über die Kapitalherabsetzung und die Kapitalerhöhung und die Durchführung der Erhöhung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlußfassung in das 1305

§ 235

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 1 Handelsregister eingetragen worden sind. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage rechtshängig ist oder eine zur Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung beantragte staatliche Genehmigung noch nicht erteilt ist. Die Beschlüsse und die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals sollen nur zusammen in das Handelsregister eingetragen werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Kapitalveränderungsbeschlüsse 1. Auswirkung (Anm. 2) 2. Feststellung des Jahresabschlusses (Anm. 3)

3. Fehlen der Voraussetzungen (Anm. 4) 4. Zeichnung (Anm. 5) 5. Nachweis der Zeichnung und Einzahlung (Anm. 6) 6. Anmeldung (Anm. 7)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 189 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen in Abs. 1. Während § 234 lediglich die Rückwirkung der Kapitalherabsetzung auf den Jahresabschluß des letzten Geschäftsjahres behandelt, bezieht sich die vorliegende Bestimmung auf den häufigen Fall, daß das Kapital gleichzeitig herabgesetzt und wieder erhöht wird. In diesem Fall soll die Gesellschaft die Möglichkeit haben, im Jahresabschluß entweder lediglich die Kapitalherabsetzung nach § 234 oder darüber hinaus auch die bereits beschlossene Kapitalerhöhung zu berücksichtigen. Es müssen dann folgende Voraussetzungen erfüllt sein: a) der Jahresabschluß muß von der Hauptversammlung festgestellt werden (§ 234 II), ein zusätzliches Erfordernis, die Gleichzeitigkeit aller Beschlüsse, ergibt sich aus § 234 II, b) es darf wie nach § 228 bei der Kapitalerhöhung keine Sacheinlage bedungen sein, c) die neuen Aktien müssen gezeichnet sein, d) es müssen mindestens 25 °/o auf die neuen Aktien eingezahlt sein, e) Zeichnung und Einzahlung ist der Urkundsperson, die den Erhöhungsbeschluß protokolliert, nachzuweisen, f) die Beschlüsse über die Kapitalherabsetzung und die Kapitalerhöhung müssen binnen drei Monaten nach der Beschlußfassung im Handelsregister eingetragen sein. Das Erfordernis zu b) steht der Rückwirkung bei Umwandlung von Forderungen in Aktien im Wege, die Erfordernisse zu c) und d) durchbrechen den in § 185 Nr. 1 und 2 festgehaltenen Grundsatz, daß eine Zeichnung von Aktien den Erhöhungsbeschluß voraussetzt und nur aufgrund festgestellter Satzung erfolgen kann (vgl. auch Anm. 5). In vollem Umfang gelten die Anmerkungen zu § 234, daneben auch § 235. 1306

Rückwirkung einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung

§ 235

Anm. 1—5

Die Kapitalherabsetzung und die -erhöhung müssen zugleich beschlossen werden (vgl. § 228 I). Für die Kapitalerhöhung gelten die allgemeinen Bestimmungen der §§ 182 ff. Es kommt hier nur die Kapitalerhöhung gegen Einlage in Frage. II. Kapitalveränderungsbesdilüsse 1. Auswirkung Anm. 2: Die Berücksichtigung der Kapitalerhöhung wirkt sich in der Weise aus, daß unter den Passiven (§151 unter Passivseite I) das erhöhte Kapital erscheint, unter den Aktiven (§151 unter Aktiva I) erscheint unter dem Posten „Außenstehende Einlagen auf das Grundkapital" der Betrag, den die Zeichner der neuen Aktie zu leisten haben. Die Bekanntmachung eines solchen Jahresabschlusses darf erst nach Eintragung der beiden Beschlüsse über die Kapitalveränderung und der Durchführung der Kapitalerhöhung ergehen (§ 236). 2. Feststellung des Jahresabschlusses Anm. 3: Für die Feststellung des Jahresabschlusses ist im Falle der Rückbeziehung der Kapitalveränderung ausschließlich die Hauptversammlung zuständig. Es ist natürlich daneben zulässig, daß der Jahresabschluß vom Vorstand und Aufsichtsrat aufgestellt wird, aber ohne Berücksichtigung der Kapitalveränderung. Berücksichtigt er sie dennoch, so ist er unzutreffend und nichtig (§ 256; vgl. § 234 Anm. 4 u. 5). 3. Fehlen der Voraussetzungen Anm. 4: Liegen die in Anm. 1 b) bis d) aufgeführten Voraussetzungen nicht vor, so ist der den Jahresabschluß festsetzende Beschluß nichtig, weil sein Inhalt Vorschriften verletzt, die überwiegend im Interesse der Gläubiger erlassen sind (§ 256 I Nr. 1; ebenso Weipert-Schilling in Großkomm. § 189 AktG 37 Anm. 6). Ein Verstoß gegen e) verletzt nur eine Ordnungsvorschrift und berührt den Rechtsbestand des Beschlusses nicht. 4. Zeichnung Anm. 5: § 187 gilt auch hier. Es können mithin dem Zeichner keine Zusicherungen auf den Bezug neuer Aktien gemacht werden, bevor die Erhöhung des Grundkapitals beschlossen ist. Trotzdem muß aber hier der Zeichner bereits Zeichnungserklärung abgeben und sogar Zahlung leisten. Die ohnedies nach § 185 zeitlich zu begrenzende Bindung aus der Zeichnungserklärung endigt, wenn der Beschluß über die Kapitalerhöhung nicht gefaßt wird oder wenn das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre (wenn nicht etwa diese selbst nach seiner Maßgabe gezeichnet haben) nicht ausgeschlossen wird. 1307

§ 235

Anm. 5—7

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Da letzterenfalls die Voraussetzung vorgängiger Zeichnung und Einzahlung durch die alten Aktionäre nicht mehr erfüllt werden kann, gilt Anm. 4. Der Zeichner kann die Rückzahlung des Gezahlten nach § 812 ff. BGB verlangen (zustimmend Schl.-Qu. § 189, Anm. 5). Daß gemäß nachstehend unter Anm. 6 Zeichnung und Einzahlung dem Erhöhungsbeschluß vorangehen, ist nicht nur gegenüber §§ 186, 187, sondern auch § 185 Nr. 1 anomal. 5. Nachweis der Zeichnung und Einzahlung Anm. 6: Dem Notar ist bei der Beurkundung des Erhöhungsbeschlusses der Nachweis der Zeichnung und Einzahlung zu erbringen. Der Notar wird sich im allgemeinen mit der Vorlage der Zeichnungsscheine und der Quittungen über die Einzahlung begnügen können. Im Falle der Einzahlung durch Gutschrift auf ein Bankkonto muß nach §§ 37, 188 eine schriftliche Bestätigung der Bank vorgelegt werden (vgl. im einzelnen § 37 I), doch ist der Notar berechtigt, den Nachweis durch öffentlich beglaubigte Urkunden zu verlangen, wenn Zweifel an der Echtheit der vorgelegten privatschriftlichen Urkunden bestehen (vgl. Anm. 4). Es braucht nicht beurkundet zu werden, daß dem Notar die Zeichnungen und Einzahlungen nachgewiesen worden sind, aber er haftet nach § 839 BGB auf Schadenersatz, wenn er den sich Rückwirkung beilegenden Kapitalerhöhungsbeschluß beurkundet, ohne daß ihm der Nachweis erbracht wurde, obwohl Zeichnungen und Einzahlungen nicht stattgefunden hatten, sofern ein Schaden entsteht. Darum wird er guttun, den Nachweis zu beurkunden. Die Schadenersatzpflicht ist hier keine Gewährpflicht (wie teilweise nach §§ 46, 93). Das Registergericht braucht sich nicht um den Nachweis zu kümmern, da der Beschluß nicht dadurch nichtig ist, daß entgegen der Vorschrift Zeichnung und Einzahlung schon vor dem Beschluß stattgefunden haben. 6. Anmeldung Anm. 7: Abs. 2 entspricht § 234 Abs. 3. Hier müssen nicht nur beide Kapitalveränderungsbeschlüsse, sondern auch die Durchführung der Kapitalerhöhung binnen drei Monaten nach der Beschlußfassung eingetragen sein, ohne daß ein Grund für die Frist, wie in § 228 Anm. 5, erkennbar wäre. Wird die Frist nicht innegehalten, so werden alle drei Beschlüsse über Kapitalherabsetzung, -erhöhung und Jahresabschluß nichtig. Eine Eintragung der ersteren kann nadi Ablauf der Frist nicht mehr erfolgen und ist, trotzdem erfolgt, wirkungslos (§ 242; s. dort Anm.) und nach § 144 FGG zu löschen. Es ist ein neuer Jahresabschluß festzustellen (s. § 234 Anm. 5). Die geleisteten Einlagen sind zurückzuzahlen (vgl. § 228 Anm. 5 u. hier Anm. 5). Ein innerer Grund für diese Nichtigkeitsvorschrift ist, wenn nicht gleichzeitig ein Fall des § 228 vorliegt, nicht erkennbar. Ohne Rüdebeziehung auf den Schluß des 1308

Bekanntmachung

§§ 235 / 2 3 6 Anm. 7

Geschäftsjahres und ohne Verbindung mit der Beschlußfassung über einen sie berücksichtigenden Jahresabschluß können Kapitalherabsetzung und -erhöhung gemeinsam beschlossen •werden, ohne daß der rechtliche Bestand der Beschlüsse von ihrer Eintragung innerhalb bestimmter Frist abhängt. Es ist nicht recht ersichtlich, warum wegen der Verbindung mit dem Jahresabschluß, nach dem Fristablauf nicht nur der Jahresabschluß, sondern auch die Kapitalveränderungsbeschlüsse nichtig werden, zumal trotz Fristablaufs beide Beschlüsse eingetragen werden können und ebenso wie der — freilich unzutreffende — Jahresabschluß zu Recht bestehen, wenn sie ohne Anordnung der Rückwirkung gefaßt wurden und gleichwohl bei nachfolgender Festsetzung des Jahresabschlusses berücksichtigt würden. Die gemeinsame Eintragung (nicht Anmeldung) der beiden Käpitalveränderungsbeschlüsse und der durchgeführten Kapitalerhöhung (nicht auch Herabsetzung) ist nur Ordnungsvorschrift, deren Verletzung keine Folge hat. Erforderlich ist nur, daß alle drei Eintragungen innerhalb der Frist stattfinden. Kommt auch nur eine zu spät, so bleibt es bei der Nichtigkeit für sämtliche Beschlüsse, und müssen alle Eintragungen gelöscht werden. Dann gilt alles Vorstehend«.

§ 236 Bekanntmachung Die Bekanntmachung des Jahresabschlusses nadi § 177 Abs. 2 darf im Fall des § 234 erst nach Eintragung des Beschlusses über die Kapitalherabsetzung, im Fall des § 235 erst ergehen, nachdem die Beschlüsse über die Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung und die Durchführung der Kapitalerhöhung eingetragen worden sind. Die Bestimmung stimmt wörtlich mit dem bisherigen § 191 AktG 37 überein. Nach § 177 I I hat der Vorstand den Jahresabschluß unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumadien (vgl. zu § 2 5 ) ; hiervon macht § 2 3 6 eine Ausnahme: Ein Jahresabschluß, der noch nicht rechtswirksame Änderungen des Grundkapitals bereits berücksichtigt, soll dem breiteren Publikum nicht bekannt werden, zumal da erst, wenn der Kapitalherabsetzungsbeschluß und die Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister eingetragen sind, feststeht, ob der Beschluß der Hauptversammlung nicht etwa infolge Versäumung der Frist nach § 234 I I I und § 235 I I nichtig ist. Die Form und Art der Bekanntmachung richtet sich nach § 177 und § 178 (vgl. die Anm. dort). 1309

§237

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Dritter Unterabschnitt Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien § 237 Voraussetzungen (1) Aktien können zwangsweise oder nach Erwerb durdi die Gesellschaft eingezogen werden. Eine Zwangseinziehung ist nur zulässig, wenn sie in der ursprünglichen Satzung oder durch eine Satzungsänderung vor Übernahme oder Zeichnung der Aktien angeordnet oder gestattet war. (2) Bei der Einziehung sind die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung zu befolgen. Für die Zahlung des Entgelts, das Aktionären bei einer Zwangseinziehung oder bei einem Erwerb von Aktien zum Zwecke der Einziehung gewährt wird, und für die Befreiung dieser Aktionäre von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen gilt § 225 Abs. 2 sinngemäß. (3) Die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung braudien nidit befolgt zu werden, wenn Aktien, auf die der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet ist, 1. der Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung gestellt oder 2. zu Lasten des Bilanzgewinns oder einer freien Rücklage, soweit sie zu diesem Zwedk verwandt werden können, eingezogen werden. (4) Auch in den Fällen des Absatzes 3 kann die Kapitalherabsetzung durch Einziehung nur von der Hauptversammlung beschlossen werden. Für den Beschluß genügt die einfache Stimmenmehrheit. Die Satzung kann eine größere Mehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Im Beschluß ist der Zweck der Kapitalherabsetzung festzusetzen. Der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrats haben den Beschluß zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (5) In den Fällen des Absatzes 3 ist in die gesetzliche Rücklage ein Betrag einzustellen, der dem Gesamtnennbetrag der eingezogenen Aktien gleichkommt. (6) Soweit es sich um eine durch die Satzung angeordnete Zwangseinziehung handelt, bedarf es eines Beschlusses der Hauptversammlung nicht. In diesem Fall tritt für die Anwendung der Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung an die Stelle des Hauptversammlungsbeschlusses die Entscheidung des Vorstands über die Einziehung. I. Übersicht (Anm. 1) II. Wesen der Einziehung (Anm. 2) III. Satzungsänderung (Anm. 3 u. 4) IV. Einziehung

1310

1. Erklärung (Anm. 5) 2. Bestimmung der Aktie (Anm. 6) 3. Vernichtung des Aktienrechts (Anm. 7)

Voraussetzungen 4. Zwangseinziehung (Anm. 8) 5. Einziehung nach Erwerb durch die Gesellschaft (Anm. 9—11) 6. Zweck (Anm. 12) 7. Inhalt der Einziehungsanordnung (Anm. 13) V. Ansprüche der betroffenen Aktionäre (Anm. 14 u. 15) VI. Kapitalherabsetzung 1. Anzuwendende Bestimmungen (Anm. 16) 2. Gläubigerschutz (Anm. 17) VII. Vereinfachte Einziehung

§237

Arno. 1,2

1. Allgemeines (Anm. 18) 2. Unentgeltlidi zur Verfügung gestellte Aktien (Anm. 19) 3. Buchungsweise (Anm. 20) 4. Voraussetzungen (Anm. 21 u. 22) 5. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 23) VIII. Einziehungsbeschluß 1. Als Voraussetzung (Anm. 24) 2. Erforderliche Mehrheit (Anm. 25) 3. Angabe des Zweckes (Anm. 26) 4. Angeordnete Zwangseinziehung (Anm. 27) IX. Kapitalbindung (Anm. 28)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 192 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen in Abs. 4. In Abs. 3 Nr. 2 ist der Ausdruck „aus der Jahresbilanz sich ergebender Reingewinn" ersetzt durch den Begriff „Bilanzgewinn", der in § 151 IV S. 3 bestimmt ist und sachlich mit dem alten Ausdruck übereinstimmt. In der gleichen Ziffer ist eingefügt worden: „soweit sie zu diesem Zweck verwandt werden dürfen"; damit soll nur klargestellt werden, daß § 237 keinen Widerspruch zu § 58 oder der Satzung aufstellen und den Bilanzgewinn und die freien Rücklagen nicht zur Einziehung zur Verfügung stellen wollte. II. "Wesen der Einziehung Anm. 2: Über das Wesen der Einziehung ist aus § 238 S. 3 zu entnehmen, daß sie sich nicht gleichmäßig gegen den Bestand aller Aktien, sondern nur gegen denjenigen einzelner bestimmter Aktien, wenn auch je nadi dem einzelnen Falle einer größeren Zahl, richtet und diese Aktien in ihrem rechtlichen Bestände vernichtet. Dadurch unterscheidet sie sich von vornherein von dem Ausschluß eines Aktionärs nach § 64, der nur die subjektive Berechtigung an der Aktie betrifft, ihren rechtlichen Bestand aber unberührt läßt, erst recht von der bloßen Kraftloserklärung der Aktienurkunde nach § 73, die wie bei der ordentlichen und vereinfachten Kapitalherabsetzung ergänzend hinzutreten kann, sowie von dem Erwerb eigener Aktien, der nur das Ruhen der Aktienrechte zur Folge hat. Sie ist im Ergebnis eine Kapitalherabsetzung, weil die Grundkapitalziffer mit der Summe der einzelnen bestehenbleibenden Aktienrechte übereinstimmen muß (§§ 1, 6) und vom Aktiengesetz in § 237 deshalb auch grundsätzlich den Vorschriften über die Kapitalherabsetzung unterstellt. Regelmäßig betrifft die ordentliche und vereinfachte Kapitalherabsetzung alle Rechte gleichmäßig. Indessen ist dies weder begrifflich 1311

§ 237

Anm. 2—i

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

noch etwa nach zwingenden Gesetzesnormen notwendig. Mit Duldung der davon betroffenen Aktionäre kann sich auch die ordentliche und vereinfachte Kapitalherabsetzung auf bestimmte Aktien beschränken. Dieses Verfahren kommt der Einziehung von Aktien nahe. III. Satzungsänderung Anm. 3: Die Einziehung betrifft das Grundkapital der Gesellschaft und sonach ihren kapitalmäßigen Aufbau. Diesen zu regeln ist nach § 23 ausschließlich Sache der Satzung. Aus der Wirkung der Einziehung auf das Grundkapital ergibt sich daher für die Frage ihrer Zulässigkeit, daß sie entweder in der Satzung selbst angeordnet oder auf einem satzungsändernden Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung beruhen muß. Eine Einziehung ohne Satzungsgrundlage oder satzungsändernden Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung ist rechtsunmöglich und unwirksam. Eine Grenze für das Ausmaß der Einziehung ergibt sich hierbei nur aus der Vorschrift des § 7 über das Mindestgrundkapital, die aber nach § 228 eine Unterschreitung nicht ausschließt, wenn gleidizeitig eine Wiedererhöhung beschlossen wird. Anm. 4: Ein Beschluß, welcher die Zwangseinziehung anordnet, ohne daß sie in der Satzung angeordnet oder gestattet war, ist zwar nidit nichtig aber anfechtbar, und zwar nicht nur von dem Betroffenen, sondern jedem Aktionär, auch wenn der Betroffene einwilligt (ebenso Weipert-Schilling in Großkomm. §192 AktG37 Anm. 11, entgegen deren Vorauflage); andere (Schl.-Qu. § 192 Anm. 13; Baumbadi-Hueck Rn. 5) nehmen Nichtigkeit an, weil das Erfordernis im Interesse der Gläubiger und auch der anderen Aktionäre gesetzt sei, was nicht einzusehen ist, denn für die Gläubiger und die anderen Aktionäre macht es keinen Unterschied, ob Zwangseinziehung oder Einziehung nach Erwerb vorliegt, die keine Satzungsänderung voraussetzt. Alles was die Gegenmeinung hinsichtlich ersterer vorbringt, trifft auch auf letztere zu. Überdies sind die Gläubiger durch die Gläubigerschutzvorsdiriften geschützt (Abs. 2 S. 1, wonach die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung Anwendung finden). Gerade daß die Einziehung nach Erwerb nicht in der ursprünglichen Satzung vorgesehen zu sein braucht (desgleichen, daß die Anordnung der Satzung zeitlich auf die Zeichnung der Aktien, nicht Erwerb der Forderung, abgestellt ist), läßt erkennen, daß dieses Erfordernis zum Schutz der Aktionäre aufgestellt ist. Der Inhaber der betroffenen Aktien ist aber nicht darauf angewiesen, den Beschluß anzufechten. Selbst wenn dieser von niemand angefochten und eingetragen wird, ist er nicht geeignet, die Einziehung zulässig und damit die Einziehungserklärung wirksam zu machen. Eine aufgrund eines solchen Beschlusses ausgesprochene Zwangseinziehung ist vielmehr mangels Zustimmung des Betroffenen unwirksam, ebenso die sich zweckmäßigerweise etwa anschließende Kraftlos1312

Voraussetzungen

§237

Amn.4,5

erklärung nach § 226. Ein derartiger Einziehungsbeschluß bleibt also, auch wenn er nicht angefochten wird, insoweit, als die betroffenen Aktionäre der Einziehung nicht zustimmen, ein unausführbares Programm, relativ unwirksam — nicht absolut, denn soweit die Aktionäre dem unangefochtenen Beschluß zustimmen, ist er, der mangels Anfechtung zu Recht besteht, auch ausführbar. IV. Einziehung 1. Erklärung Anm. 5: Von der Satzungsbestimmung und dem Einziehungsbeschluß ist die Einziehung selbst, das ist die Einziehungserklärung oder Einziehungshandlung, zu unterscheiden. Die Einziehung erfolgt bei der Zwangseinziehung durch eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung der Gesellschaft gegenüber dem Inhaber oder Eigentümer der einzuziehenden Aktien. Eine solche erübrigt sich naturgemäß, wenn sich die Aktien im Eigenbesitz der Gesellschaft befinden (Einziehung erworbener Aktien) und fällt hier mit dem Einziehungsbeschluß zusammen, wenn der Erwerb vorher stattgefunden hat; andernfalls ist eine Einziehungshandlung erforderlich (§ 238). Begrifflich sind Einziehungsbeschluß und Einziehung nicht identisch. Die Bekanntmachung der Nummern der eingezogenen Aktien in den Gesellschaftsblättern (§ 25) genügt. Eine Sondermitteilung ist nicht erforderlich. Bei Namensaktien genügt umgekehrt letztere anstelle der Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern, ohne jedoch erforderlich zu sein. Die Vernichtung der Aktienurkunde, wenn eine solche ausgestellt ist, gehört in den Fällen, in denen es sich um die Einziehung nicht im Besitze der Gesellschaft befindlicher Aktien handelt, und in den Fällen, in denen eigene Aktien eingezogen werden, die sich bei der Beschlußfassung schon im Besitz der Gesellschaft befinden, nicht zum Einziehungsakt. Bei der Einziehung erst zu erwerbender eigener Aktien kann die Vernichtung der Urkunden dagegen die nach § 238 S. 3 notwendige Einziehungshandlung sein. Die Kraftloserklärung der Urkunde setzt die Einziehung voraus. Sie ist nach § 73 notwendig, wenn der Inhaber der eingezogenen Aktie die Urkunde nicht abliefert. Wo die Einziehung aufgrund Satzungsanordnung ausgesprochen bzw. vorgenommen wird und kein Hauptversammlungsbeschluß zu fassen ist, liegt der Unterschied zwischen Satzungsbestimmung und Einziehungsbeschluß einerseits und der Einziehungshandlung andererseits ohne weiteres zutage. Auch wo ein solcher gefaßt werden muß, darf dieser mit ihr nicht verwechselt werden. Die Einziehungserklärung wird ihm, wo er notwendig ist, gewöhnlich nachfolgen oder mit ihm zusammenfallen, wenn es sich nämlich um die Einziehung zur Zeit des Beschlusses schon im Besitz der Gesellschaft befindlicher 1313

§ 237

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 5,6 Aktien handelt. Keinesfalls kann die Einziehungserklärung oder -handlung vor der Eintragung des Beschlusses den Bestand des Aktienrechts vernichten. 2. Bestimmung der Aktie Anm. 6: Von der Einziehungserklärung ist auch zu unterscheiden die Bestimmung der individuellen einzuziehenden Aktien. Wo die Einziehung in der Satzung angeordnet ist, kann darin bestimmt sein, welche Aktien einzuziehen sind; es kann dies aber auch einem Hauptversammlungsbesdiluß überlassen sein — dieser hat in solchem Falle keine satzungsändernde Bedeutung, da er ja nur die Anordnung der Satzung ausführt und sie aufgrund der Satzung selbst ergänzt, bedarf also auch nicht der Eintragung —; es kann aber auch ein Verfahren zur Ermittlung der einzuziehenden Aktien in der Satzung vorgesehen sein, Auslosung u. dgl. Es kann endlich auch Kündigung durdi den Vorstand vorgesehen sein — jedoch nur mit einer Maßgabe: es darf wohl dem Ermessen des Vorstandes überlassen sein, welche Aktien er kündigen will (a. A. Weipert-Schilling in Großkomm. §192 AktG 37 Anm. 7), aber nicht, ob, wieviel oder wann er kündigen will (ein Gegenstück zum genehmigten Grundkapital gibt es nicht), denn wenn die Kapitalherabsetzung nidit angeordnet, sondern nur gestattet ist, setzt die Einbeziehung einen Hauptversammlungsbeschluß voraus. Zur Bestimmung genügt audi die Festsetzung von Kriterien der Bestimmbarkeit, z.B. „alle nicht einem bestimmten Aktionär gehörigen Aktien" (s. hierüber unter anderem Gesichtspunkt nachstehend Anm. 12). Beruht die Einziehung auf Hauptversammlungsbeschluß, so kann gleichfalls in der Satzung vorgesehen sein, wie die einzuziehenden Aktien zu bestimmen sind. Regelmäßig wird das nicht der Fall sein, dann kann der Hauptversammlungsbesdiluß sie selbst bestimmen oder ein Verfahren vorschreiben, nach dem sie bestimmt werden sollen, auch dem Vorstand die Auswahl durch Kündigung überlassen. Sollen zu erwerbende Aktien eingezogen werden, so muß das durch Satzung oder Hauptversammlungsbeschluß bestimmte Maß der Einziehung innegehalten werden. Es ergibt sich aus dem Erwerb von selbst, welche Aktien einzuziehen sind. Dasselbe ist der Fall, wenn der Erwerb dem Hauptversammlungsbeschluß vorangeht und dieser die Einziehung aller erworbenen Aktien anordnet. Wird nur die Einziehung eines Teiles der vorhandenen eigenen Aktien beschlossen, so wird regelmäßig dem Vorstand die Auswahl überlassen bleiben, oder der Beschluß die einzuziehenden Nummern aufführen und sich ein besonderes Verfahren erübrigen. Die Bestimmung der einzuziehenden Aktien als eines der Elemente des Einziehungsverfahrens (nämlich erstens Einziehungsanordnung durch Satzung oder Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung im Falle der Zwangseinziehung aufgrund Gestattung durch die Satzung, zweitens: Bestimmung der einzuziehenden Aktien, 1314

Voraussetzungen

§237

Anm. 6—8

drittens: Einziehungserklärung) für sich gesondert betrachtet, ist nur eine Vorbereitungshandlung und hat weder nach innen eine satzungsändernde, noch nach außen rechtsvernichtende Bedeutung wie die Einziehungserklärung (s. Anm. 4 zu § 238). 3. Vernichtung des Aktienrechts Anm. 7: Die Vernichtung des Aktienrechts wird durch die Einziehungserklärung bzw. Einziehungshandlung herbeigeführt (s. § 238). Diese setzen — auch für den Eintritt ihres rechtsvernichtenden Erfolges — eine Einziehungsanordnung voraus. Letztere kann in der Satzung getroffen sein oder durch Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung getroffen werden. Audi letzterer ist, wenn es sich um Zwangseinziehung handelt, nur zulässig und rechtswirksam, wenn die Satzung ihrerseits die Zwangseinziehung anordnet oder gestattet (vgl. Anm. 8). Das Aktienrecht kann nicht wirksam vernichtet werden, bevor die die Zwangseinziehung anordnende oder gestattende Satzungsbestimmung bzw. der sie anordnende Einziehungsbeschluß, welcher als satzungsändernd (weil kapitalherabsetzend) selbst eintragungsbedürftig ist (§ 238), ins Handelsregister eingetragen ist. 4. Zwangserziehung Anm. 8: Das Gesetz erwähnt in Abs. 1 die Zwangseinziehung und die Einziehung nach Erwerb durch die Gesellschaft. Unter Zwangseinziehung ist die Einziehung einer einem Aktionär gehörigen Aktie zu verstehen. Dieses bedeutet einen Eingriff in das Recht des Inhabers der betroffenen Aktie, wenn er sich der Aktie nicht (durch Verkauf oder unentgeltlich) begibt. Auch die Rechtsstellung des Aktionärs beruht ausschließlich auf der Satzung. Die Zulässigkeit der Zwangseinziehung setzt auch unter diesem Gesichtspunkt voraus, daß sie in der Satzung angeordnet oder gestattet, oder daß ein sie anordnender oder gestattender satzungsändernder Beschluß gefaßt und eingetragen ist. Dieser Gesichtspunkt hat aber dem Gesetzgeber zugunsten des Aktionärs, in dessen Rechte ein so schwerwiegender Eingriff vollzogen wird, eine weitere naheliegende Einschränkung der Zulässigkeit eingegeben. Danach ist auch aufgrund satzungsändernden Beschlusses die Zwangseinziehung nidit ohne weiteres zugelassen, sondern nur, wenn die Einziehung in der ursprünglichen Satzung oder dodi wenigstens durch eine Satzungsänderung gestattet war, bevor die einzuziehende Aktie übernommen oder gezeichnet worden ist (gestattete Zwangseinziehung). Unter dieser Voraussetzung kann jeder Erwerber der Aktie aus der Satzung von der Zulässigkeit der Zwangseinziehung Kenntnis nehmen und sich nicht über Unbilligkeit beschweren, wenn die Zwangseinziehung seine Aktie trifft. „Übernahme" ist nicht etwa der Erwerb der Aktie durch den derzeitigen Aktionär, sondern die ihrer Entstehung vorausgehende, der Zeichnung entsprechende Übernahme der §§ 23 II, 29. Es ist 1315

§ 237 Anm. 8,9

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

zu beachten, daß, wenn die Bestimmung auf einer Satzungsänderung beruht, diese nadi § 181 III erst wirksam wird, wenn sie im Handelsregister eingetragen ist. Trotz § 185 N r . 1 wird der Zeichnungsschein häufig schon vor dem Erhöhungsbeschluß ausgestellt. Ist dem Zeichner bekannt, daß die Aktien zwangseinziehbar werden sollen, gar etwa dies in dem Zeichnungsschein erwähnt, so ist wohl formlos gültige Zustimmung des Zeichners anzunehmen. Daß sich die Zustimmung auf eine künftige Aktie bezieht, ist unbedenklich. Über den notwendigen Inhalt der Anordnung vgl. Anm. 11—13. Diese Einschränkung der Zwangseinziehung ist nur im Interesse des Inhabers der betroffenen Aktie bestimmt. Er kann in eine Satzungsänderung willigen, die eine ihn bedrohende künftige Einziehung androht oder gestattet, und er kann in die Einziehung als solche willigen. Auch letzterenfalls ist der Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung unentbehrlich, aber es ist für diesen, der selbst satzungsändernd ist, keine weitere Satzungsbestimmung Voraussetzung seiner Zulässigkeit, wenn eine solche noch nicht bestand. Daß der Einziehungsbeschluß (die Zustimmung bedarf keiner Form und kann deshalb außerhalb der Hauptversammlung erklärt werden) nur einstimmig gefaßt werden könne, wenn die Satzung die Zwangseinziehung nicht gestattet hat, wie von einigen auch in dem Falle angenommen wird, daß der Inhaber der betroffenen Aktie zustimmt, ist nicht zu begründen; seine Zustimmung genügt. Aber einer Satzungsänderung, die nachträglich die künftige Einziehung androht oder gestattet, müssen allerdings alle Aktionäre, deren Aktien davon betroffen werden können, zustimmen (ebenso B.-H. Rn. 2; Ritter Anm. 4; Weipert-Schilling in Großkomm. § 192 AktG 37 Anm. 10 halten jede nachträgliche Anordnung oder Gestattung auch bei Zustimmung der Betroffenen für unzulässig). Man könnte fragen, ob sich etwa das Erfordernis der Zustimmung nur aus dem Recht auf Gleichbehandlung ergibt. Es würde sich dann (s. § 1 Anm. 4) zum Erfordernis der Duldung (Nichtanfeditung) des Hauptversammlungsbeschlusses abschwächen und ganz entfallen, wenn gleichmäßig alle Aktien von Zwangseinziehungen bedroht werden. Dies ist aber mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar. Soweit nicht in der ursprünglichen Satzung die Zwangseinziehung angedroht oder gestattet ist, ist hier das Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Bestandes des Rechts gesetzlich gewährleistet. Wo die Zwangseinziehung angedroht und gestattet ist, braucht sich die Androhung oder Gestattung nicht auf alle Aktien zu erstrecken, sie kann sich auf bestimmte Gattungen, sogar bestimmte einzelne Aktien beschränken. 5. Einziehung nach Erwerb durch die Gesellschaft Anm. 9: Einziehung nach Erwerb durch die Gesellschaft heißt nichts anderes, als daß die Aktie vor der Einziehung (Anm. 5) im Besitz der Gesellschaft sein muß, und daß dieser Besitz durch Erwerb erfolgt sein muß. Die 1316

Voraussetzungen

§237

Anm. 9,10

früher streitige Frage, ob unter Erwerb der nach dem heutigen § 71 erlaubte Erwerb zu erblicken sei oder ob auch nach § 71 unerlaubt erworbene Aktien eingezogen werden können, spielt keine Rolle mehr, da die einengenden Bestimmungen nach § 71 I Nr. 6 dann nicht gelten, wenn der Erwerb aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung erfolgt und eine Übertretung die Gültigkeit des Erwerbs nicht berührt (§ 71 II). Demnach muß auch die nachträgliche Einziehung solcher Aktien zulässig sein, die bei der Beschlußfassung ohne die Voraussetzung des § 71 I schon erworben sind. Selbstverständlich heißt dies nicht umgekehrt, daß § 237 die Fälle zulässigen Erwerbes eigener Aktien vermehrt. Diese Zulässigkeit ergibt sich nur aus § 71. Indessen können, entgegen § 71 I, erworbene eigene Aktien gültig nach § 237 eingezogen werden. Bei nicht voll bezahlten Aktien muß freilich formell der Erwerb gleichzeitig beschlossen werden, weil sie der Gesellschaft noch nicht gehören (§ 71 II), anderenfalls richtet sich der Einziehungsbeschluß wirksam, weil er durch die Veräußerung zugestimmt hat, gegen den Veräußerer als (noch) Aktionär. Die Befreiung von der Verpflichtung, den Erwerbspreis zu erstatten, tritt dann mit dem Ablauf der Sperrfrist ein. Der Erwerb durch Dritte für Rechnung der Gesellschaft steht hier dem Erwerb durch die Gesellschaft nicht gleich. Daraus ergibt sich, daß der Dritte mit der Einziehung einverstanden sein muß. In diesem Fall kann der Erwerb zur Einziehung oder diese beschlossen werden (ob der Dritte zur Zustimmung verpflichtet ist, auf die er notfalls verklagt werden müßte, richtet sich nach der Wirksamkeit seines Auftrages, vgl. § 71 V sowie Anm. 23). Nach Ablauf der Sperrfrist darf die Gesellschaft die Aufwendungen des Dritten erstatten bzw. wird er von der Verpflichtung frei, vorher erhaltene Aufwendungen zurückzugeben. Anm. 10: Die Einziehung eigener, also erworbener Aktien durch satzungsändernden Beschluß (s. Anm. 3) ist immer zulässig. Sie kann auch schon in der ursprünglichen Satzung vorgesehen sein. Unzulässig und nichtig wäre eine Satzungsbestimmung, welche anordnet, daß eigene Aktien, welche die Gesellschaft erwirbt, immer einzuziehen sind, denn das würde bedeuten, daß der Vorstand über die Kapitalherabsetzung befindet. Dagegen ist eine Bestimmung, welche anordnet, daß alljährlich eine bestimmte Menge eigener Aktien zwecks Einziehung zu erwerben sind, wenn sie diese nach Umfang und Gegenwert genau bestimmt, theoretisch möglich und, weil der Vorstand genau gebunden ist, auch zulässig. Die Anordnung kann auch bedingt sein. Aber es ist unzulässig, die Einziehung auf das freie Wollen des Vorstandes abzustellen — das wäre keine Anordnung —, erst recht, es abzustellen auf das Verlangen (Antrag) eines Aktionäres oder Dritten (z.B. Behörde), was darauf hinausliefe, daß ein einzelner Aktionär oder Dritter über eine Kapitalherabsetzung zu beschließen hätte. 1317

§ 237

Anm. 11,12

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 11: Für den Fall der Einziehung nach Erwerb im besonderen gilt sonach folgendes: Es bedarf keiner sie anordnenden oder gestattenden Satzungsbestimmung, aber immer, auch wenn sie von der Satzung angeordnet ist, eines Einziehungsbeschlusses der Hauptversammlung (Ausnahme s. Anm. 3). Bloße Einziehungshandlung des Vorstandes (Abs. 6) genügt nicht. Der Erwerbspreis kann in dem Einziehungsbeschluß festgesetzt oder der Bestimmung durch den Vorstand überlassen werden. Eine obere Grenze ist dem Erwerbspreis, soweit er nicht aus Bilanzgewinn oder freien Rücklagen gezahlt wird, durch den Umfang der Kapitalherabsetzung in Verbindung mit den §§ 71, 57 gezogen. In dem Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses zulässig erworbene Aktien sind meist schon bezahlt. Ihre Bezahlung war nach § 71 zulässig; eine nochmalige Bezahlung kann nicht in Frage kommen, die Einhaltung einer Sperrfrist ist daher gegenstandslos. Aktien, welche erst zufolge des Einziehungsbeschlusses erworben werden sollen, können erst bezahlt werden, wenn 6 Monate seit der Bekanntmachung der Eintragung des Einziehungsbeschlusses abgelaufen und alle Gläubiger, welche sidi in dieser Zeit gemeldet haben, befriedigt oder sichergestellt sind. Eine Verletzung der Vorschrift macht den Empfänger der Zahlung nach § 62, desgleichen Vorstand undAufsiditsrat nadi den §§ 93,116 auch den Gläubigern gegenüber haftbar. Auch diejenigen Aktien, welche zur Zeit des Beschlusses durch unzulässigen Erwerb erworben waren, können eingezogen werden (B.-H. Rn. 6; etwas abweichend Sdil.-Qu. § 192 Anm. 16). Aber die bereits nach §§ 62, 93, 116 entstandene Haftung bleibt bis zum Ablauf der Sperrfrist bestehen. Sie kann nur dadurch beseitigt werden, daß der Empfänger der Leistung diese zurückgibt (§ 62) und den Ablauf der Sperrfrist abwartet, bevor er sie aufs neue empfängt. 6. Zweck Anm. 12: Das Gesetz äußert sich nidit über die Zwecke, zu denen die Einziehung zulässig ist. Daß sie zu allen Zwecken zulässig ist, zu denen eine Kapitalherabsetzung erfolgen kann, ist selbstverständlich. Die Einziehung kann aber auch Selbstzweck sein, wenn es sich darum handelt, bestimmte Aktien oder Aktiengattungen zu beseitigen. Dagegen ist es nach der Rechtsprechung des Reichsgerichtes nidit zulässig, die Zwangseinziehung auf Umstände abzustellen, die nur in den persönlichen Verhältnissen des einzelnen Aktionärs liegen (s. RG120,180; JW1928, 2623; ferner betreffend Zugehörigkeit zu einem Verein RG 49, 77; Sdil.-Qu. § 192 Anm. 9; a. A. Weipert-Sdiilling in Großkomm. §192 AktG 37 Anm. 12). Richtig ist, daß die Einziehung nidit als Verwirkung, nicht als Strafe für ein bestimmtes Verhalten angedroht oder ausgesprochen werden kann, denn die Folgen des Verzugs mit der Leistung der Einlage und die Verwirkung des 1318

Voraussetzungen

§237 Anm. 12,13

Aktienrechts (als Voraussetzung und als Folge) hat das Gesetz selbst (§§ 63, 55) erschöpfend geregelt und überdies die Verpflichtung des Aktionärs zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen ausgeschlossen. Es kann dafür nicht durch die Androhung des Verlustes des Aktienrechtes Ersatz gesucht werden. Dagegen halten wir es für zulässig, bei Namensaktien, deren Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft geknüpft ist, die Zwangseinziehung gleichmäßig gegen alle Aktionäre für alle Fälle nicht rechtsgeschäftlichen Rechtsüberganges vorzusehen, um dadurch die persönliche Verpflichtung des Aktionärs zu ergänzen, bei der Übertragung bestimmte Beschränkungen zu beachten, sofern diese persönliche Verpflichtung allen Aktionären auferlegt ist (s. Anm. 10 zu § 54), audi zur Ergänzung der persönlichen Verpflichtung des Aktionärs, die Aktie unter gewissen objektiven, nicht in seinem Verhalten begründeten Voraussetzungen an die Gesellschaft zu veräußern (s. Anm. 12 zu § 68). RG 120,177 läßt darüber hinaus sogar zu, daß die Gesellschaft dem Aktionär das Aktienrecht nimmt, nicht um es zu vernichten (einzuziehen), sondern um es einem Dritten zu übertragen. Einer solchen Einziehungsanordnung ist unseres Erachtens eine Satzungsbestimmung gleichzustellen, welche anordnet, daß ohne weitere Voraussetzung in einem bestimmten Termin alle nicht einem bestimmten Aktionär gehörigen Aktien auf seinen Antrag gegen ein von ihm bei der Gesellschaft zur Verfügung zu stellendes Entgelt einzuziehen seien. Der Fall unterscheidet sich von demjenigen des RG 120, 177 zwar formell dadurch, daß die Aktien nicht bestehenbleiben, sondern vernichtet werden, materiell greifen aber die zu § 54 Anm. 10 erhobenen Bedenken auch hier durch. Daß im Hinblick auf Abs. 1 S. 2 der Voraussetzung des § 179 zwangsläufig genügt sein wird, ändert nichts daran, daß es sich um eine vom Gesetz verpönte Auflage an den Aktionär handelt, sich seines Aktienrechts — hier mittelbar — zugunsten eines anderen zu begeben (s. auch Anm. 10). 7. Inhalt der Einziehungsanordnung Anm. 13: Ebensowenig wie über die zulässigen Einziehungszwecke äußert sich das Gesetz über den notwendigen Inhalt der Einziehungsanordnung (Satzungsbestimmung, Hauptversammlungsbeschluß). Es ergibt sich aber aus ihm, daß dem Vorstand nicht das Ob und dementsprechend auch nicht Maß und Zeitpunkt der Einziehung überlassen bleiben darf. Satzung oder Einziehungsbeschluß müssen dies alles bestimmen. Wenn die Satzung zwar die Einziehung anordnet, aber ohne das Ausmaß oder den Zeitpunkt zu bestimmen, liegt unter diesen Gesiditspunkten nur eine gestattete Einziehung vor, so daß also ein Hauptversammlungsbeschluß hinzukommen muß. Dagegen kann das Wie der Einziehung unseres Erachtens dem Vorstand überlassen bleiben, insbesondere also auch die Bestimmung der Aktien, welche eingezogen werden sollen (Kündigung). Es ist nicht notwendig, ihm die Auslosung vorzuschreiben. 1319

§ 237

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 14

V. Ansprüche der betroffenen Aktionäre Anm. 14: Theoretisch empfindlicher ist die Lücke, welche mangels jeder Bestimmung darüber besteht, welche Ansprüche aus der Zwangseinziehung für den Inhaber der von ihr betroffenen Aktie begründet werden. Wenn die Satzung sich bestimmt darüber ausspricht, können Zweifel nicht auftauchen. Die Satzung kann auch Einziehung oder Entschädigung vorsehen, auch Einziehung bei Entschädigung durch einen Dritten. Da sie keinen Geldanspruch gegen einen Dritten gewähren kann, handelt es sich dann um eine bedingte Anordnung, so daß die Einziehung wirksam erst erklärt werden kann, wenn der Dritte geleistet hat oder mit der Maßgabe, daß sie erst bei Leistung des Dritten wirksam wird. Die Annahme einer bedingten Anordnung liegt näher als die einer Verweisung des Aktionärs auf einen Geldanspruch gegen den Dritten aus einem zwischen ihm und der Gesellschaft nach § 328 BGB zugunsten des von der Einziehung betroffenen Aktionärs geschlossenen Vertrages. Die Satzung kann sich aber auch damit begnügen, die Anordnung von der Einzahlung des Entgelts durch den Dritten bei der Gesellschaft zu treuen Händen für die Aktionäre abhängig zu machen. Wenn aber die Satzung schweigt, so erhebt sich die Frage, ob der Hauptversammlungsbeschluß diesen Anspruch einseitig festsetzen kann und wenn nicht, ob der Inhaber der einzuziehenden Aktien einen gesetzlichen Anspruch hat und welchen. Die Folgerichtigkeit scheint zu verlangen, daß zum Inhalt der Anordnung oder Gestattung der Einziehung durch die Satzung auch der Preis gehört, zu welchem die Einziehung zulässig sein soll. Eine Satzungsbestimmung, welche bestimmen würde, daß die Zwangseinziehung zu jedem beliebigen durch die Gesellschaft festzusetzenden Preis zulässig sein solle, also auch ohne Gegenleistung, würde eine ebenso große Ungewißheit für die Aktionäre begründen und für sie ebenso beschwerlich sein, wie wenn das Gesetz es zugelassen hätte, daß die Zwangseinziehung ohne Gestattung in der ursprünglichen oder vor der Zeichnung der Aktien geänderten Satzung erfolgt. Auch könnte sich in einem solchen Falle im Hinblick auf diese Ungewißheit kein Marktpreis bilden, welcher dem eigentlichen Wert der Aktie entspricht. Wir halten es daher für unzulässig, daß die Bestimmung des Gegenwertes der Willkür der Gesellschaft überlassen wird. Für zulässig halten wir die Satzungsbestimmung, daß der Wert der Aktie zu vergüten und von der Hauptversammlung — dagegen nicht, auch nicht im Falle angeordneter Zwangseinziehung, daß er vom Vorstand — festzusetzen sei. In einem solchen Falle hat die Hauptversammlung bei der Einziehung oder später (RG 125, 120 ff.) unter entsprechender Anwendung von § 315 BGB die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen und ist die Bestimmung durch die Hauptversammlung unverbindlich und durch Urteil zu treffen, wenn erstere der Billigkeit nicht entspricht. Für die Wertbestimmung dürfte der Tag des Einziehungsbeschlusses, nicht der Einziehungshandlung, maßgebend sein (RG 125, 120 ff.). Spricht sich die Satzung 1320

Voraussetzungen

§237 Anm. 14—16

überhaupt nicht aus, so wird dem Aktionär ein gesetzlicher Anspruch auf dasjenige anzuerkennen sein, was er bei der Abwicklung im Zeitpunkt der Einziehung erhalten hätte (a.A. Ritter, der auch in diesem Falle die Hauptversammlung das Entgelt festsetzen lassen will.). Anm. 15: Abweichend von dem Grundsatz, daß der Inhalt der Aktienrechte, vorbehaltlich allgemeiner Gleichbehandlung, keinem Aktionär gewährleistet und nicht unabänderlich ist, wird in sinngemäß ausdehnender Anwendung des Abs. 1 S. 2 nach der Zeichnung oder Übernahme der Aktie die durch die Satzung einmal geschaffene Rechtslage nicht mehr (durch Satzungsänderung) geändert werden können. Sie bleibt von einem darauf abzielenden Beschluß unberührt. Der Beschluß ist nicht nur relativ, sondern absolut unwirksam. Auch ein Einziehungsbeschluß, der ein der Satzung nicht entsprechendes (etwa § 315 BGB nicht entsprechendes, s. oben) Entgelt festsetzt, ist unwirksam, weil er der Anordnung bzw. Gestattung entbehrt, also keine Grundlage in der Satzung hat. Liegt der Betrag unter dem festgesetzten Entgelt, ist die Unwirksamkeit relativ gegenüber jenen Aktionären, die nicht zustimmen. Ob der Untergang der Aktie von der tatsächlichen Auszahlung des satzungsmäßigen Entgelts abhängt oder der Aktionär nur einen Anspruch darauf hat, ist durch Auslegung aus der Satzung zu ermitteln. Gleichmäßig gilt wohl letzteres, aber auch ersteres ist in besonderen Fällen denkbar. VI. Kapitalherabsetzung 1. Anzuwendende Bestimmungen Anm. 16: Die Einziehung ist eine Kapitalherabsetzung, denn das Grundkapital, das in Aktien zerlegt sein muß (§§ 1,6), muß sich zwangsläufig um die vernichteten Aktien ermäßigen. Deshalb muß sich der Betrag der Kapitalherabsetzung mit dem Gesamtbetrag der eingezogenen Aktien mindestens decken, auch wenn dadurch ein Buchgewinn entsteht, daß das Einziehungsentgelt bzw. der Erwerbspreis für erworbene oder zu erwerbende Aktien unter dem Nennbetrag liegt. Liegt er darüber, entsteht ein Buchverlust. Dann steht nichts im Wege, diesen durch erhöhte Kapitalherabsetzung auszugleichen, wenn er nicht aus Reingewinn oder freien Rücklagen gedeckt wird. Ist letzteres nicht möglich, so muß die Kapitalherabsetzung um das Aufgeld erhöht werden, das freilich in einem solchen Falle nur ausnahmsweise gerechtfertigt sein und gewährt werden dürfte. Es liegt kein Grund vor, eine solche Bemessung des Entgelts für unzulässig und einen dahingehenden Hauptversammlungsbeschluß unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerinteresses für nichtig anzusehen, denn dieses wird durch die Gläubigerschutzvorschriften gewahrt. Die über die Einziehung hinausgehende Kapitalherabsetzung führt dann zu Denominierung oder Zusammenlegung der nicht 1321

§ 237 Anm. 16—18

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

eingezogenen Aktien. Hieraus ergibt sich, daß sowohl bei der Zwangserziehung als auch bei der Einziehung nach Erwerb die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung gelten. Die Vorschriften über die vereinfachte Kapitalherabsetzung sind nicht anwendbar, weil die Einziehung nach Erwerb die Ausschüttung von Vermögen bedeuten kann. Es ist also ein Beschluß der Hauptversammlung mit s /4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals erforderlich. Ferner müssen ggf. Sonderbesdilüsse der verschiedenen Gattungen gefaßt und die Gläubigerschutzvorschriften des § 225 beachtet werden. Stimmrecht steht auch dem Aktionär einzuziehender Aktien zu, wenn sie (im Zeitpunkt der Abstimmung) nidit der Gesellschaft oder einem Dritten für ihre Rechnung gehören; auch letzterer ist nicht stimmberechtigt. Es bedarf zu seiner Wirksamkeit der Eintragung. Handelt es sich um eine angeordnete Zwangseinziehung, so fällt der Einziehungsbeschluß weg und wird durch die Entscheidung des Vorstandes ersetzt. Die Frage, ob diese ihrerseits zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung bedarf, ist zu verneinen (vgl. Anm. 28). 2. Gläubigerschutz Anm. 17: Nach § 225 II dürfen Zahlungen an die Aktionäre aufgrund der Herabsetzung des Grundkapitals erst geleistet werden, nachdem seit der Bekanntmachung der Eintragung 6 Monate verstrichen sind und den Gläubigern, die sich rechtzeitig gemeldet haben, Sicherheit geleistet ist. Abs. 2 erwähnt besonders das Entgelt für zwangsweise eingezogene oder zur Einziehung erworbene Aktien und das Erlöschen einer mit solchen Aktien noch verbundenen Einlageverpflichtung. Danach gilt (wie selbstverständlich) das Verbot für das Entgelt für Aktien nicht, die zur Abwendung eines schweren Schadens erworben wurden, oder diese Absicht schon beim Erwerb bestand. Der Erwerbspreis für derart erworbene Aktien kann, wenn er zur Zeit der Einziehung noch nicht bezahlt ist, ohne Rücksicht auf Lauf der Sperrfrist und Befriedigung oder Sicherung während ihrer sich meldenden Gläubiger bezahlt werden. Über den Lauf der Sperrfrist bei angeordneter Zwangseinziehung s. Anm. 28 am Ende. Die Aktionäre sind während der Sperrfrist hinsichtlich des Erwerbspreises Gläubiger der Gesellschaft, und zwar ist ihre Forderung betagt durch den Ablauf der Sperrfrist und bedingt durch die Befriedigung oder Sicherstellung der alten Gläubiger, welche sich innerhalb der Sperrfrist melden. N u r diese haben im Konkurs der Gesellschaft ein Vorrecht vor ihnen in der Weise, daß sie die ihnen zukommende Konkursdividende jenen, soweit zu deren Befriedigung erforderlich, zu überlassen haben. VII. Vereinfachte Einziehung 1. Allgemeines Anm. 18: Die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung brauchen nicht beachtet zu werden, wenn die Aktien voll bezahlt sind und ent1322

Voraussetzungen

§237

Ann». 18—20

weder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden oder aus dem Gewinn oder freien Rüdslagen eingezogen werden sollen. Ein Hauptversammlungsbeschluß ist auch hier notwendig, wenn auch ohne die besondere Mehrheit. Da er satzungsändernd auch in diesem Falle ist, ist zwar nicht nadi Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 223, 224, aber nach § 181 seine Eintragung notwendig (s. Abs. 4 S. 4). 2. Unentgeltlich zur Verfügung gestellte Aktien Anm. 19: „Unentgeltlich" der Gesellschaft zur Verfügung gestellt sind die Aktien, wenn die Gesellschaft aus ihren Mitteln nichts dafür aufzuwenden hat, also sowohl, wenn die Aktionäre kein Einziehungsentgelt erhalten, als auch, wenn dieses aus Mitteln eines Dritten (Großaktionärs) stammt. An sich sind auch unentgeltlich erworbene Aktien zu aktivieren. Es braucht dies jedoch nicht zu geschehen, wenn sie lediglich zum Zweck der Einziehung zur Verfügung gestellt werden. Beispiel: Grundkapital 2 Millionen DM, Verlust: 1 000 000 DM, Wert der Aktien: 5 0 % . Werden 1 000 000 DM Aktien zur Verfügung gestellt, nicht aktiviert und eingezogen, so entsteht nach Abs. 5 eine gesetzliche Rücklage von 1 000 000 DM, die unmittelbar zum Ausgleich des Verlustes verwandt werden kann. Werden die zur Verfügung gestellten Aktien nach ihrem Wert aktiviert (was freilich nicht statthaft ist, da ja keine Selbstkosten dafür entstanden sind), so entsteht zunächst in Höhe von 500 000 DM (Wert der Aktie ist 50 °/o) ein Gewinn, um den sich der Verlust mindert. Werden sie alsdann eingezogen, so entsteht über den Restverlust hinaus nach Abs. 5 noch eine gesetzliche Rücklage von 500 000 DM. Aber durch die Einziehung fällt der Aktivposten »eigene Aktien" von 500 000 DM fort, so daß sich in dieser Höhe wieder ein Verlust ergibt und gesetzliche Rücklage und Verlust sich aufheben. Erstere kann aufgelöst werden, um letzteren zu tilgen. 3. Buchungsweise Anm. 20: Die gesetzliche Ausdrucksweise will besagen, daß die entgeltlich erworbenen Aktien, die in Höhe des Erwerbspreises zu aktivieren wären, zu Lasten des Bilanzgewinns oder freien Rücklagen abzuschreiben sind bzw., daß bei der Zwangseinziehung das Einziehungsentgelt dem Gewinnkonto oder einem freien Rücklagenkonto zu belasten ist. Die Einziehung selbst erfolgt zu Lasten des Kapitalkontos, und zwar in Höhe des Nennbetrages der einzuziehenden Aktien, während Gewinn oder Rüdklage, denen dieser vom Grundkapital gekürzte Nennbetrag gutgebracht wird, sich andererseits um den Buchwert der einzuziehenden Aktien bzw. den Erwerbspreis oder das Einziehungsentgelt ermäßigen. Bleibt dieser hinter dem eingezogenen Nennbetrag zurück, so entsteht ein Buchgewinn. Dieser ist dem gesetzlichen Rücklagekonto zuzuführen. Als Gewinn ist er selbst ein Passivum und an die 1323

§237 Anm. 20—23

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Stelle des Kapitalkontos getreten und wird selbst wieder durch die Erhöhung eines Passivums der Rüdklage ersetzt. Eine Verwendung der gesetzlichen Rücklage für die Einziehung in vereinfachter Form kommt nidit in Frage, soweit sie nicht eine freie Rücklage ist, wohl aber kann aus ihr nach § 150 ein etwaiger Verlust abgebucht werden, so daß trotz dieses Verlustes die freien Rücklagen ungeschmälert für Einziehungszwecke frei werden. Ohne daß ein Verlust vorweg zu Lasten der gesetzlichen oder einer freien Rücklage abgebucht wird, ist das Verfahren nach Abs. 3 nicht statthaft, weil andernfalls die Einziehung auf einen Angriff auf das bisher gebundene Vermögen hinausliefe. 4. Voraussetzungen Anm. 21: Die Aktien müssen voll bezahlt sein, auch wenn sie aus Bilanzgewinn oder freien Rücklagen eingezogen werden sollen und diese Mittel ausreichen, auch die ausstehende Einlage zu decken. Warum, ist nicht ersichtlich, aber der Text ist eindeutig. Es muß also der Aktionär erst zur Vollzahlung herangezogen und ihm (aus Bilanzgewinn oder freier Rücklage) ein entsprechend höheres Einziehungsentgelt (im Falle des § 71 höherer Kaufpreis) bewilligt werden. Es ist nicht Voraussetzung, daß die Aktien zum Zwecke der Einziehung hingegeben werden, es muß nur unentgeltlich erfolgen (Weipert-Schilling in Großkomm. § 192 AktG 37 Anm. 29; a. A. B.-H. Rn 9). Anm. 22: Ist über die Verwendung des Gewinns bereits anderweitig beschlossen worden, so kann zu Lasten des Gewinns keine Einziehung mehr erfolgen, da die Bestimmungen des Abs. 3 nur für die Vermögenswerte gelten sollen, die zur Verteilung an die Aktionäre zur Verfügung stehen. Hier kommen insbesondere Gewinnabführungsverträge in Frage (Weipert-Schilling in Großkomm. § 192 AktG 37 Anm. 30; s. auch BGH 23, 150). 5. Anzuwendende Vorschriften Anm. 23: Es fragt sich, ob bei der Einziehung derartiger Aktien (Anm. 18—20) nur auf die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung seitens des Gesetzgebers verzichtet ist, so daß diejenigen über die vereinfachte zu beobachten bleiben, oder ob er auch von den letzteren entbunden hat. Letzteres trifft zweifellos zu, wenn die Einziehung aus dem Bilanzgewinn erfolgen soll. Hier liegt kein Fall einer Sanierung vor und ist ein Bedürfnis nach Gläubigerschutz über die in Abs. 5 vorgeschriebene Zuweisung des Buchgewinns an die gesetzliche Rücklage hinaus nicht gegeben. Aber wenn die Einziehung zu Lasten freier Rücklagen oder unentgeltlich erfolgt, kann gleichzeitig ein Verlust vorhanden sein, der aus der gesetzlichen Rücklage gedeckt wird. Werden die Aktien unentgeltlich zur Verfügung gestellt, kann 1324

Voraussetzungen

§237

Anm. 23,24

der Fall sogar so liegen, daß der erst dadurch entstehende Buchgewinn über die gesetzliche Rücklage geführt und sofort zur Deckung des Verlustes nach §150 verwandt wird. In diesen Fällen, besonders in dem letzteren, kann also eine richtige Sanierung vorliegen, und die Einbeziehung dazu führen, daß die Gewinnergebnisse der folgenden Jahre ohne die Einziehung zur Deckung von Verlusten hätten verwandt werden müssen, infolge der Einziehung aber ausgeschüttet werden können. Die Einziehung kann also mittelbar zu Zahlungen an die Aktionäre führen, welche ohne sie nicht möglich gewesen wären, und somit den Vermögensstand der Gesellschaft schmälern. Bei der Einziehung zu Lasten einer freien Rücklage oder unentgeltlich zur Verfügung gestellter Aktien sollten daher von den Vorschriften über die vereinfachte Kapitalherabsetzung die §§ 230, 232, 233 anwendbar sein (zustimmend Schl.-Qu. § 192 Anm. 44 und für den auch von uns vorausgesetzten Sanierungsfall auch Bley ZAK 1942, 281; z. T. auch B.-H. Rn 12). Können erst zu erwerbende Aktien aus Gewinn und freien Rücklagen eingezogen werden, ohne daß die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung innegehalten werden, oder ist dies nur zulässig, wenn der Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens erforderlich ist? § 71 I N r . 6 ergibt, daß ohne letztere Voraussetzung der Erwerb der einzuziehenden Aktien nur zulässig ist, wenn die Einziehung nach den Vorschriften über die ordentliche Herabsetzung des Grundkapitals erfolgt. Demnach ist, abgesehen von der Abwendung schweren Schadens, § 237 III Nr. 2 für die Einziehung zu erwerbender Aktien aus Bilanzgewinn und freien Rücklagen bedeutungslos und kommt nur für die Zwangseinziehung in Frage. Der innere Grund für diese unterschiedliche Behandlung kann nur darin liegen, daß die Gläubiger mit der Verwendung von Bilanzgewinn und Rücklagen zur Zwangseinziehung von Aktien, weil diese in der Satzung vorgesehen sein muß, rechnen mußten, zum Erwerb von Aktien nicht. Da aber Rücklagen und Bilanzgewinn auch sonst ohne Rücksicht auf die Gläubiger ausgeschüttet werden können, ist dieser Grund nicht einleuchtend. Sonach müßte im Interesse der Aktionäre der Grund für diese Unterscheidung zu suchen sein. Er läßt sich aber nicht finden. VIII. Einziehungsbeschluß 1. Als Voraussetzung Anm. 24: Abs. 4 besagt nicht mehr, als daß die Tatsache, daß das Entgelt aus dem Bilanzgewinn und so weiter bestritten werden soll, einen Hauptversammlungsbeschluß nicht entbehrlich macht. Aber keineswegs macht sie ihn notwendig, wenn er nach anderer Bestimmung (Abs. 6) entbehrlich ist. Ohne Hauptversammlungsbeschluß, soweit ein solcher gesetzlich erforderlich ist, kann nicht eingezogen werden. Über das Verhältnis von § 237 III Nr. 2 zu 1325

§ 237

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 24—27 § 71 I Nr. 6 s. oben Anm. 17. Immer ist für die Frage, ob der Erwerb zulässig ist, wenn er nicht zur Abwendung eines schweren Schadens erfolgt, Voraussetzung, daß ein Hauptversammlungsbeschluß bereits vorliegt, der Erwerb zwecks Einziehung vorsieht. Die Frage ist, ob es trotz des Wortlautes des § 71 I Nr. 6 genügt, wenn der Beschluß nach § 237 III Nr. 2 und IV gefaßt ist. Unentgeltlicher Erwerb vollbezahlter Aktien (§ 237 III N r . 1) ist immer, also auch ohne Kapitalherabsetzungsverfahren, zulässig (§ 711). 2. Erforderliche Mehrheit Anm. 25: Zum Beschluß der Hauptversammlung genügt in den Fällen der Anm. 19 und 20 die einfache Stimmenmehrheit. Eine Kapitalmehrheit wird hier nicht gefordert. Es ist dies der einzige Fall, in dem ein satzungsändernder Beschluß ohne eine bestimmte Kapitalmehrheit möglich ist. Es kann sich hier also ein mehrfaches Stimmrecht voll geltend machen. Satz 2 gilt schlechthin, schließt also auch die Anwendung von § 222 II und § 179 III bei Vorhandensein verschiedener Gattungen aus (ebenso Weipert-Schilling in Großkomm. § 192 AktG 37 Anm. 35). Abgesehen von dem Stimmerfordernis gelten alle Bestimmungen über Satzungsänderung. Ein nach Abs. 4 gefaßter Beschluß ist nichtig, wenn kein Fall des Abs. 3 vorlag. Die Satzung kann statt der einfachen Stimmenmehrheit eine größere oder eine bestimmte Kapitalmehrheit fordern und andere Erfordernisse aufstellen. 3. Angabe des Zweckes Anm. 26: Im Beschluß ist der Zweck der Kapitalherabsetzung festzusetzen (vgl. § 222 III). Dies macht häufig Schwierigkeiten, denn meist ist die Einziehung Selbstzweck. Ein Verstoß gegen die Vorschrift macht den Beschluß anfechtbar, nicht nichtig. Der Beschluß ist zum Handelsregister anzumelden. Neben der Anmeldung des Einziehungsbeschlusses ist auch die Durchführung der Einziehung anzumelden (vgl. § 239). Über die Wirkung der Eintragung des Einziehungsbeschlusses vgl. § 238. Über die Form der Anmeldung vgl. § 223. 4. Angeordnete Zwangseinziehung Anm. 27: N u r in den Fällen angeordneter Zwangseinziehung bedarf es keines Beschlusses der Hauptversammlung (dagegen immer bei Einziehung nach Erwerb), vgl. hierüber Anm. 12 und 13. Es kann auch bei angeordneter Zwangseinziehung ein Beschluß gefaßt werden (s. hierüber Anm. 4 zu § 238). Auch wenn kein Beschluß gefaßt wird, sind jedoch die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung anzuwenden. Es tritt lediglich anstelle des Hauptversammlungsbeschlusses die Entscheidung des Vorstandes über die Einziehung. Welchen Inhalt sie hat, sagt das Gesetz nicht (s. nachstehend und Anm. 4 zu § 238). Mit dem Wegfall des Hauptversammlungsbeschlusses fällt auch der in gesonderter Abstimmung gefaßte Beschluß der Aktionäre der ein1326

Voraussetzungen

§ 237

Anm.27

zelnen Gattungen des § 222 II weg. Zweifelhaft ist es, ob auch die Vorschrift des § 223 über die Anmeldung des Beschlusses wegfällt. Da nach der ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes anstelle des Hauptversammlungsbeschlusses die Entscheidung des Vorstandes tritt, wäre an sich die Anwendung des § 223 möglich. Es steht dem aber die Erwägung entgegen, daß hier keine Satzungsänderung vorliegt, sondern eine Ausführung der Satzung, die allerdings eine Ermäßigung der Grundkapitalsziffer zur Folge hat, wie sich aber audi schon aus der Satzung ergibt. Satz 2 verkennt unseres Erachtens die Rechtslage durch die Gleichsetzung der „Entscheidung des Vorstandes" mit einem Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung. Wenn die Satzung die Einziehung anordnet, ist für einen Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung oder des Vorstandes kein Raum. Es ist daher die Gleichsetzung auch um deswillen falsch, weil der Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung sonst die Anordnung enthält, welche bei der schon durch die Satzung angeordneten Zwangseinziehung die „Vorstandsentscheidung" nicht auch enthalten kann. Raum ist in diesem Falle nur noch für die dem Vorstand obliegende Einziehung in engerem Sinn, d. h. Durchführung der hier nicht durch Hauptversammlungsbeschluß, sondern Satzung getroffenen Einziehungsanordnung. Zu denken wäre mehr an die Eintragung einer Fassungsänderung (s. § 239 am Ende). Außerdem kennt das Aktiengesetz audi sonst nur die Eintragung von Hauptversammlungsbeschlüssen, nicht aber von Entscheidungen des Vorstandes (a. A. Ritter Anm. 10). Eine gesetz- oder satzungswidrige „Entscheidung" des Vorstandes ist wirkungslos; sie braucht nicht angefochten zu werden. Dies ist auch gar nicht zulässig. Es kann sidi nur um eine Feststellungsklage handeln. Im übrigen finden die Bestimmungen über die gewöhnliche Kapitalherabsetzung Anwendung. Dies ist indessen nicht ganz ohne Schwierigkeit, denn wie ist die Sperrfrist zu berechnen, vor deren Ablauf eine Zahlung an den Inhaber der eingezogenen Aktie nidit erfolgen darf? Und wie erhalten die Gläubiger ohne Eintragung und ohne Bekanntmachung Kenntnis? Es ist anzunehmen, daß der Hinweis der Gläubiger (§ 225 I S. 2) in die Bekanntmachung der Eintragung der durchgeführten Kapitalherabsetzung aufzunehmen ist und daß dementsprediend der Lauf der Sperrfrist beginnt (a. A. Weipert-Sdiilling in Großkomm. § 192 AktG 37 Anm. 40; B.-H. Rn 13). Es ist übrigens sehr selten, daß die Satzung die Zwangseinziehung anordnet, abgesehen vom Fall unentgeltlicher Einziehung von Mehrstimmrechtsaktien. Sowohl die Rücksicht auf die Verkehrsfähigkeit der Aktien als auch die geldliche Bewegungsfreiheit der Gesellschaft verbietet die Anordnung. Es haben die Bestimmung und die von ihr erregten Zweifel darum mehr akademische Bedeutung. Angeordnet ist die Einziehung auch dann, wenn dem Aktionär das Recht zusteht, die Einziehung zu verlangen (die Aktie zu kündigen). Wir halten dies nach § 57 für unzulässig. Äußerst kann ein solches Recht für den 1327

§§ 237/238

Anm. 27,28/1

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Fall eingeräumt werden, daß das Entgelt aus dem Bilanzgewinn oder den freien Rüdciagen entrichtet werden kann (weitergehend Ritter Anm. 3 zu § 193). IX. Kapitalbindung Anm. 28: In den Fällen des Abs. 3 wird das gebundene Vermögen der Gesellschaft durch den Erwerb nicht verringert. Die Bestimmung will deshalb verhindern, daß durch die Kapitalherabsetzung als solche ein Buchgewinn entsteht, der demnächst zu einer Verteilung an die Aktionäre zu Lasten des vor dem gebundenen Vermögens zur Verfügung stände. Es muß deshalb der Betrag, um den sich das Grundkapital durch die Herabsetzung ermäßigt, neu gebunden und bei Feststellung des nächsten Jahresabschlusses zwecks Vermeidung einer Nichtigkeit (§ 256 I Nr. 1) in die gesetzliche Rücklage eingestellt werden. Die Rücklage kann, wie stets die gesetzliche Rücklage, nur zur Deckung von Verlusten und Wertminderungen verwandt und aus dieser Bindung auch durch nachträgliche Erfüllung der Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung, insbesondere den Gläubigerschutz, nicht mehr entstrickt werden. § 238 Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung Mit der Eintragung des Beschlusses oder, wenn die Einziehung nachfolgt, mit der Einziehung ist das Grundkapital um den Gesamtnennbetrag der eingezogenen Aktien herabgesetzt. Handelt es sich um eine durch die Satzung angeordnete Zwangseinziehung, so ist, wenn die Hauptversammlung nicht über die Kapitalherabsetzung beschließt, das Grundkapital mit der Zwangseinziehung herabgesetzt. Zur Einziehung bedarf es einer Handlung der Gesellschaft, die auf Vernichtung der Redite aus bestimmten Aktien gerichtet ist. I. Übersicht (Anm. 1) II. Ausführungsmaßnahmen (Anm. 2) III. Eintritt der Kapitalherabsetzung (Anm. 3)

IV. Angeordnete Zwangseinziehung (Anm. 4 u. 5) V. Kraftloserklärung der Urkunde (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 193 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen, aber mit einer anderen Überschrift. Da die Vorschrift nicht das Wirksamwerden der Einziehung, sondern das Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung behandelt, ist die Überschrift entsprechend geändert worden. 1328

Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung

§ 238

Anm. 2,3

II. Ausführungsmaßnahmen Anm. 2: Für den Eintritt der Kapitalherabsetzung geht das Gesetz in hier zwangsläufiger Abweichung von § 224 von dem Unterschied zwischen Einziehungsbeschluß (sei es der Hauptversammlung, sei es bei angeordneter Zwangseinziehung des Vorstands) und seiner Ausführung, der Einziehung im engeren Sinne, aus. Das Gesetz versteht darunter eine Maßnahme der Gesellschaft, die auf eine Vernichtung der Rechte aus bestimmten Aktien gerichtet ist. Man kann zunächst sagen, daß hier nicht durchweg Handlungen gemeint sind, die sich auf eine körperliche Vernichtung der Aktienurkunden beziehen. Trotzdem hat dem Gesetzgeber bei dem Ausdruck „Handlungen" offenbar deren Vernichtung oder Kassierung (Durchlochung, Durchstreichung, Zerschneidung) vor Augen gestanden, wobei er wohl zunächst an den Hauptfall, die Einziehung erworbener Aktien, gedacht hat. Auch für ihn trifft jedoch die Vorstellung nur zu, wenn die Einziehung dem Beschluß nachfolgt. Ging der Erwerb dem Beschluß voraus, so werden regelmäßig schon durch den Einziehungsbeschluß der Hauptversammlung die Aktien auch eingezogen, es sei denn, daß nicht alle eigenen Aktien eingezogen werden und der Hauptversammlungsbeschluß die einzuziehenden Aktien nicht individuell bezeichnet. Letzterenfalls ist trotz des vorangegangenen Erwerbs nach dem Hauptversammlungsbeschluß noch eine weitere Ausführungsmaßnahme erforderlich. Die Einziehung im engeren Sinne ist die Ausführungsmaßnahme zu dem Einziehungsbeschluß und besteht regelmäßig in einer Einziehungserklärung, welche die Vernichtung bestimmter Aktienrechte ausspricht. Sie kann von der Hauptversammlung erklärt werden und im Einziehungsbeschluß mit enthalten sein, anderenfalls ist sie vom Vorstand abzugeben. Sie kann auch in der Zerstörung der Urkunde zu erblicken sein, wenn sie dieser nicht vorausgeht (wie immer, wenn sie der Einziehungsbeschluß enthält), hat aber im Grunde mit der Zerstörung der Urkunde nichts zu tun; letztere ist als solche nur zur guten Ordnung erforderlich, damit ein Mißbrauch der Urkunde ausgeschlossen wird, aber für die Vernichtung des Aktienrechts bedeutungslos; diese wird durch die Einziehungserklärung herbeigeführt.

III. Eintritt der Kapitalherabsetzung Anm. 3: Nach Denkgesetzen ist hier abweichend von § 224 der Eintritt der Kapitalherabsetzung nicht vor der Vernichtung der Aktienrechte durch die Einziehungserklärung (s. Anm. 2), also nicht vor der Ausführung des Einziehungsbeschlusses, möglich. Die Einziehungserklärung kann aber mit diesem verbunden werden (s. Anm. 2), darum sagt das Gesetz, daß das Grundkapital erst mit der Einziehung im engeren Sinn herabgesetzt sei, wenn diese der Eintragung des Beschlusses nachfolge. Die Einziehung im engeren Sinne kann immer frühestens mit der Eintragung des Beschlusses wirksam werden, denn 1329

§ 238 Anm. 3,4

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

diese Wirksamkeit, die ihrerseits erst mit seiner Eintragung beginnt, weil er satzungsändernd ist, ist ja die Voraussetzung ihrer Zulässigkeit. Audi wenn die Einziehung erklärt wird, bevor der Beschluß eingetragen ist, insbesondere etwa zugleich mit diesem ausgesprochen wird, ist daher ihre Wirksamkeit abhängig (bedingt) von seiner Eintragung. Sie wird dann gleichzeitig mit (der Eintragung des Beschlusses, also) dem Beschlüsse wirksam und es trifft dann zu, was das Gesetz als Regel voranstellt, daß das Grundkapital mit der Eintragung des Beschlusses herabgesetzt ist, aber nur äußerlich, denn in Wirklichkeit ist das Grundkapital in allen Fällen durch die Einziehungserklärung herabgesetzt, deren Wirksamkeit in jenem besonderen Falle aus dem angegebenen Grunde bis zur Eintragung des Einziehungsbeschlusses aufgeschoben ist, die aber dieser auch nachfolgen kann. Regelmäßig wird so bei der Einziehung erworbener Aktien das Grundkapital „mit der Eintragung des Beschlusses" herabgesetzt, wenn dieser die einzuziehenden Aktien individuell eindeutig bezeichnet. Bei der Einziehung erst zu erwerbender Aktien ist dies natürlich nicht möglich, und wird die Einziehung im engeren Sinne der Eintragung des Beschlusses meist nachfolgen. Es ist jedoch durchaus denkbar, daß der Erwerb sich in der Zeit zwischen Beschluß und dessen Eintragung vollzieht. Auch die Einziehungserklärung des Vorstands kann vor der Eintragung ausgesprochen werden und wird dann mit dieser wirksam (s. oben). Auch in diesem Fall ist (äußerlich) das Grundkapital „mit der Eintragung des Beschlusses herabgesetzt". I V . Angeordnete Zwangseinziehung Anm. 4: Für den Fall der angeordneten Zwangseinziehung ergibt sich aus Vorstehendem, daß zu der schon in der Satzung enthaltenen Einziehungsanordnung nur noch die Ausführung hinzuzutreten hat. Diese besteht in der Einziehungserklärung des Vorstands, welcher eine eigene neue Willensbildung, einen Beschluß des Vorstands, eine „Entscheidung" (§ 237 V I S. 2), nur in vereinzelter Richtung und nur dann voraussetzt, wenn es erforderlich ist, daß der Vorstand sidi darüber schlüssig wird, welche individuellen Aktien (Nummern) eingezogen werden sollen. Sind diese nach der Satzung durch das Los zu bestimmen oder ist eine ganze Gattung einzuziehen, so ist für eine Entscheidung des Vorstandes nur noch in der rechtlich nicht erheblichen Hinsicht der Bestimmung des Zeitpunkts Raum, wann er die Auslosung herbeiführen und die von der Satzung angeordnete Vernichtung der Aktienrechte aussprechen will. Meist wird aber die Satzung auch den Zeitpunkt bestimmen. Es ist daher selbstverständlich, daß, wie S a t z 2 ausdrücklich vorschreibt, in diesem Falle mit der (auf die Auslosung hin erfolgenden) Einziehungserklärung das Grundkapital herabgesetzt ist (nicht erst mit einer Eintragung der im § 237 V I „Entscheidung" genannten Einziehungserklärung, wie sich aus der verfehlten Gleichsetzung mit einem Einziehungsbeschluß a. a. O . er1330

Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung

§238 Anm. 4,5

geben müßte; s. § 237 Anm. 27). Auch wenn der Vorstand die einzuziehenden Aktien zu bestimmen (kündigen) hat, und insoweit eine eigene Entschließung des Vorstandes vorausgesetzt wird, geht letztere doch nicht weiter als die zu jeder Verwaltungshandlung erforderliche, und bereitet sie die (Kündigung) Einziehungserklärung nur vor. Nach außen wird sie mit dieser regelmäßig zusammenfallen. Eine Satzungsänderung bedeutet sie nicht (s. § 237 Anm. 6), weil Zwang und Umfang des Zwangs zur Kündigung von der Satzung bestimmt sind und bestimmt sein müssen. Auch diese Bestimmung der einzuziehenden Aktien, die einen internen Vorbereitungsakt darstellt, bedarf daher der Eintragung ins Handelsregister nicht und kann und darf auch nicht eingetragen werden und ist daher auch in diesem Falle selbstverständlich, daß die Vernichtung der Aktienrechte, durch welche gleichzeitig das Grundkapital herabgesetzt wird, ohne weiteres mit der Einziehungserklärung stattfindet, weldie mit der Kundgebung der getroffenen Bestimmung nach außen (Kündigung) zusammenfallen wird. Insoweit sagt Satz 2 Selbstverständliches. Anm. 5: Störend ist dagegen, daß das Gesetz audi bei dem Fall angeordneter Zwangseinziehung die Möglichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses anführt, da die Ausführung der Satzungsanordnung eine reine Geschäfisführungsmaßnahme ist und keine Gelegenheit zu einer Willensentschließung der Hauptversammlung gibt. Es läßt sich auch hier nur daran denken, daß nach der Satzung nicht der Vorstand, sondern die Hauptversammlung die einzuziehenden Aktien bestimmen soll. Dann liegt in dem Hauptversammlungsbeschluß wohl zugleich die Einziehungserklärung (nicht nur die vorbereitende Bestimmung der einzuziehenden Aktien), also auch die „Zwangseinziehung" (im engeren Sinn), mit der das Grundkapital herabgesetzt ist. Es ist daher nicht einzusehen, warum das Gesetz diesen Fall davon ausnimmt und noch dazu mit den Worten: „wenn nicht die Hauptversammlung die Kapitalherabsetzung beschließt", denn über diese beschließt sie nicht, weil diese schon in der Satzung vorgesehen ist. Sie beschließt nur darüber, welche Aktien vernichtet werden sollen, um das Grundkapital herabzusetzen und spricht gleichzeitig deren Vernichtung aus. Ein solcher Beschluß braucht u. E. auch nicht ins Handelsregister eingetragen zu werden, um wirksam zu werden, weil er die Satzung nicht ändert, sondern ausführt und fällt daher auch nicht unter die §§ 179 ff., 222 ff. Es ist anzunehmen, daß das Gesetz an Fälle gedacht hat, in welchen die Satzung das Ausmaß der Zwangseinziehung nicht vorsieht und der Bestimmung durch die Hauptversammlung überläßt; aber in diesen Fällen handelt es sich nicht um eine angeordnete Zwangseinziehung, sondern um eine gestattete; darum bedarf in solchen Fällen auch der Hauptversammlungsbeschluß, weil er die Satzung ändert, der Eintragung zu seiner Wirksamkeit und gilt das in Anm. 3 Gesagte, d. h., die Kapitalherabsetzung tritt frühestens ein, sobald der Beschluß eingetragen ist, wenn er auch die Einziehungserklärung enthält (ebenso B.-H. Rn. 2). 1331

§ § 238/239

Anra. 6/1—3

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

V. Kraftloserklärung der Urkunde Anm. 6: Ist eine Aktie als eingezogen erklärt, „vernichtet", so hat die Urkunde aufgehört ein Recht zu verkörpern. Ihrer Kraftloserklärung bedarf es nicht, denn diese liegt schon in der Einziehungserklärung. Erstere wird aber unter Umständen im Verkehrsinteresse liegen. Auf sie ist § 73 entsprechend anzuwenden. Nach der Einziehung besteht kein Aktienrecht mehr. Es besteht nur noch der Anspruch auf das Einziehungsentgelt, den die Urkunde weiterhin verkörpert. Auch an den gutgläubigen Erwerber können durch die Ubertragung der Urkunden keine weiteren Rechte gelangen.

§ 239 Anmeldung der Durchführung (1) Der Vorstand hat die Durchführung der Herabsetzung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine durch die Satzung angeordnete Zwangseinziehung handelt. (2) Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Herabsetzung können mit Anmeldung und Eintragung des Beschlusses über die Herabsetzung verbunden werden. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 194 AktG 37 mit einigen Änderungen. Die Anmeldung zum Handelsregister obliegt nur noch dem Vorstand. Die Mitwirkung des Vorsitzenden des Aufsichtsrates oder dessen Stellvertreter ist aus den gleichen Gründen nicht mehr im neuen Gesetz bestimmt, wie bei § 227 I (s. dort Anm. 6). Ferner ist in Abs. 1 gesagt, daß die Anmeldung der Durchführung der Kapitalherabsetzung „zur Eintragung" zu erfolgen habe; diese Einfügung ist eine Anpassung an den allgemeinen Gesetzestext und bildet selbstverständlich keine rechtliche Änderung der früheren Bestimmung. Anm. 2: Wie nach § 223 der Einziehungsbeschluß anzumelden ist, ist entsprechend § 227 die Durchführung der Einziehung anzumelden. Die Eintragung der letzteren hat stets nur mitteilende Bedeutung. Ihre Anmeldung ist daher durch Ordnungsstrafe erzwingbar. Anm. 3: Die Eintragung des Einziehungsbeschlusses entbehrt ihrer im § 224 vorgesehenen rechtsändernden Wirkung zugunsten nachfolgender Handlungen oder Erklärungen (s. § 238). Trotzdem ist seine Anmeldung nicht erzwingbar, weil die Eintragung immerhin die Wirksamkeit des Beschlusses bedingt. 1332

Ausweis der Kapitalherabsetzung

§§ 239 / 240 Anm. 4,5/1

Anm. 4: Die Verbindung beider Anmeldungen (Abs. 2) ist nur bei der Einziehung von Aktien möglich, welche zur Zeit der Beschlußfassung schon erworben sind, denn die Zulässigkeit der nachfolgenden Einziehung und des nachfolgenden Erwerbs setzen die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses voraus, die er erst durch Eintragung erwirbt. Der Sinn des Abs. 2 kann nicht sein, daß beiläufig diese Grundsätze aufgegeben werden sollen. Anm. 5: Erforderlich ist es auch, die Fassung der Satzungsbestimmung, die von der Höhe des Grundkapitals handelt, nach und entsprechend der Durchführung zu ändern. Auch diese Änderung muß angemeldet und eingetragen werden. Es empfiehlt sich, hierzu den Aufsichtsrat im Einziehungsbeschluß zu ermächtigen, wenn ihm die Einziehung nachfolgt.

Vierter Unterabschnitt Ausweis der Kapitalherabsetzung § 240 Der aus der Kapitalherabsetzung gewonnene Betrag ist in der Gewinnund Verlustrechnung als „Ertrag aus der Kapitalherabsetzung " gesondert, und zwar hinter dem Posten „Entnahmen aus offenen Rücklagen", auszuweisen. Eine Einstellung in die gesetzliche Rücklage nadi § 229 Abs. 1 und § 232 ist als „Einstellung in die gesetzliche Rücklage nach den Vorschriften über die vereinfachte Kapitalherabsetzung" gesondert auszuweisen. Im Geschäftsbericht ist zu erläutern, ob und in weldier Höhe die aus der Kapitalherabsetzung und aus der Auflösung von offenen Rücklagen gewonnenen Beträge 1. zum Ausgleidi von Wertminderungen, 2. zur Deckung von sonstigen Verlusten oder 3. zur Einstellung in die gesetzliche Rücklage verwandt werden. Anm. 1: Die Vorschrift ersetzt den bisherigen § 190 AktG 37. Die Bestimmung gilt — anders als bisher § 190 AktG 37 — für alle Arten der Kapitalherabsetzung (s. Anm. 2). § 190 AktG 37 galt lediglich für die vereinfachte Kapitalherabsetzung und hat dort nur für die Fälle der Rüdewirkung (jetzt §§ 234, 235) gegolten. Im Satz 1 ist das bisher angeordnete gesonderte Ausweisen der aus der Auflösung der Rücklagen gewonnenen Beträge in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht hier gesetzlich festgelegt worden. Das bedeutet nicht, daß diese Sonderposten in Zukunft entfallen können; vielmehr 1333

§ 240

Maßnahmen der Kapitalherabsetzung

Anm. 1—5 ist diese Frage bereits in § 157 geregelt, wonach die Entnahmen von Rücklagen gesondert von den anderen außerordentlichen Erträgen auszuweisen sind (s. Anm. bei § 157). Danach sind also auch die weitgehenden Auflösungen von Rücklagen nach § 229 erfaßt. Neu eingefügt ist Satz 2, der die Einstellung in die gesetzliche Rücklage nach § 229 I und § 232 besonders regelt (s. Anm. 4). Die Angaben, die nach § 190 S. 2 AktG 37 in der Gewinn- und Verlustrechnung zu machen waren, was zu Schwierigkeiten geführt hat, sind nunmehr nach S. 3 im Geschäftsbericht zu machen (s. Anm. 5). Anm. 2: Wenn eine Kapitalherabsetzung allein oder zusammen mit einer Kapitalerhöhung durchgeführt worden ist, so gelten nach § 240 Sondervorschriften für die Gewinn- und Verlustrechnung. Es ist hierbei gleichgültig, um welche Form der Kapitalherabsetzung es sich handelt, § 240 gilt für alle Formen; darum wurde die Vorschrift unter einem besonderen Unterabschnitt gesondert und an anderer Stelle als bisher im Gesetz aufgeführt. Fraglich ist, für welche Gewinn- und Verlustrechnung die Vorschrift anzuwenden ist; im allgemeinen der ersten, die die Eintragung des Beschlusses über die Kapitalherabsetzung folgt, denn gem. § 224 wird damit die Kapitalherabsetzung wirksam. Anders ist es jedoch in den Fällen der §§ 234, 235. In diesen Fällen gilt § 240 für den Jahresabschluß des letzten vor der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung abgelaufenen Geschäftsjahres. Anm. 3: Gesondert auszuweisen ist der aus der Kapitalherabsetzung gewonnene Betrag, das ist der Betrag, um den sich ziffernmäßig das Grundkapital auf der Passivseite der Bilanz ermäßigt. Dieser Betrag ist aufzuführen hinter dem Posten „Entnahme aus offenen Rücklagen" (§ 157 I Posten 30). Anm. 4: Werden nach § 229 I und § 232 Beträge in die gesetzliche Rücklage eingestellt, so dürfen diese nicht mit den sonst in die gesetzliche Rücklage eingestellten Beträgen zusammen aufgeführt werden; sie sind besonders auszuweisen und besonders zu bezeichnen als „Einstellung in die gesetzliche Rücklage nach den Vorschriften über die vereinfachte Kapitalherabsetzung" (§1571 Posten 31a). Anm. 5: Es ist ferner die Verwendung der freigewordenen Beträge gemäß ihrer Zweckbestimmung in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen. Im Geschäftsbericht (§ 160) sind diese Einstellungen gesondert auszuweisen und zu erläutern. Erst hier und nicht schon durch Einsetzung der Beträge in die einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung oder durch Berücksichtigung in der Jahresbilanz ist anzugeben, wie die aus der Kapitalherabsetzung selbst und aus der damit im Zusammenhang stehenden Auflösung von offenen Rücklagen gewonnenen Beträge verwandt werden, und zwar ge1334

Ausweis der Kapitalherabsetzung

§ 240 Anm. 5

trennt in Beträge, die zum Ausgleich von Wertminderungen, zur Deckung von sonstigen Verlusten oder zur Einstellung in die gesetzliche Rücklage verwandt werden. Die Verlagerung der Angaben von der Gewinn- und Verlustrechnung in dem Geschäftsbericht ist deshalb erfolgt, weil die Angaben mehr für die Aktionäre als für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

1335

V o r b e m . § 241

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen SIEBENTER TEIL

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen und des festgestellten Jahresabschlusses. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung Erster Abschnitt Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Erster Unterabschnitt Allgemeines Vorbemerkung zu § 241 Während das Aktiengesetz 1937 unter der Überschrift „Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen und der vom Vorstand festgestellten Jahresabschlüsse" die Nichtigkeit und Anfechtung einheitlich für sämtliche H a u p t versammlungsbeschlüsse ohne Rücksicht auf ihren Inhalt — abgesehen von § 197 II, § 198 I I A k t G 37 — regelte, "werden im neuen Gesetz Sondervorschriften für die Nichtigkeit und Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 250—252), für die Nichtigkeit und Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses (§§ 253, 254), die Anfechtung der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 255) und f ü r die Anfechtung des Jahresabschlusses, der von der Hauptversammlung festgestellt worden ist (§ 257) aufgestellt. In dem Bestreben, die Nichtigkeitsgründe und die Anfechtungsmöglichkeiten für den Jahresabschluß einzuschränken, ist zur Nachprüfung der nach den neuen Bewertungsvorschriften unzulässigen Unterbewertung ein besonderes Verfahren, das eine Sonderprüfung, verbunden mit einer gerichtlichen Entscheidung, beinhaltet, neu geschaffen worden. Dies alles macht eine Aufgliederung der einzelnen Vorschriften des 7. Teils erforderlich. Es werden nunmehr im 1. Abschnitt in den §§ 241—249 Bestimmungen der bisherigen §§ 194—201 A k t G 37 behandelt; die Bestimmung über die Nichtigkeit des vom Vorstand festgestellten Jahresabschlusses (§ 202 A k t G 37) wird nunmehr im 2. Abschnitt in § 256 zusammen mit der Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung (§ 257) behandelt, und der 3. Abschnitt (§§ 258—261) umfaßt die Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung. 1336

Nichtigkeitsgründe

Vorbem. § 241 / § 241

Im 1. Abschnitt, der weitestgehend die Vorschriften des bisherigen Rechts übernimmt, wird als besonders wichtige Ergänzung die Möglichkeit der Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse (§ 244) eingeführt. Abweichend vom bisherigen Recht wird neu und ausführlicher der Streitwert bei Anfechtungsklagen geregelt (§ 247).

§ 241 Nichtigkeitsgründe Ein Beschluß der Hauptversammlung ist außer in den Fällen des § 192 Abs. 4, §§ 212, 217 Abs. 2, § 228 Abs. 2, § 234 Abs. 3 und § 235 Abs. 2 nur dann nichtig, wenn er 1. in einer Hauptversammlung gefaßt worden ist, die nicht nach § 121 Abs. 2 und 3 einberufen war, es sei denn, daß alle Aktionäre erschienen oder vertreten waren, 2. nicht nach § 130 Abs. 1, 2 und 4 beurkundet ist, 3. mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, 4. durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt, 5. auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, 6. nach § 144 Abs. 2 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Grund rechtskräftiger Entscheidung als nichtig gelöscht worden ist. I. Übersicht (Anm. 1) II. Nichtigkeit 1. Abgrenzung (Anm. 2) 2. Begriff (Anm. 3) 3. Tragweite (Anm. 4) III. Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 5) IV. Die einzelnen Nichtigkeitsgründe 1. Einberufungsfehler (Anm. 6) 2. Fehlende Beurkundung (Anm. 7) 3. Verstoß gegen das Wesen der Ak-

tiengesellschaft oder gegen Gläubigerschutzvorschriften oder solche des öffentlichen Interesses (Anm. 8—10) 4. Verstöße gegen die guten Sitten (Anm. 11) VI. Der durch Urteil für nichtig erklärte Beschluß (Anm. 12) VII. Der gelöschte Beschluß (Anm. 13)

1337

§ 241

Anm. 1,2

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht im wesentlichen der des § 195 AktG37. Außer sprachlichen Änderungen ist bei der Aufzählung der sonstigen Fälle der Nichtigkeit die des früheren § 135 I AktG 37 (jetzt § 162 I) nicht mehr hier aufgeführt, weil die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nunmehr in § 256 geregelt wird. Dort findet sie sich unter Abs. 1 Nr. 2. Neu eingefügt in der Aufzählung sind die Bestimmungen der §§ 212 und 217 II, die sich beide auf Beschlüsse bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln beziehen. Damit sind jetzt im § 241 alle die Fälle von Nichtigkeit aufgeführt, die nicht im 2. Unterabschnitt — § 250 Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, § 253 Nichtigkeit des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns — und im 2. Abschnitt — § 256 Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses — geregelt werden (vgl. hierzu Vorbem. vor § 241). Eine Ergänzung des sich im Aktienrecht befindlichen Katalogs aus anderen Rechtsgebieten, z. B. aus bürgerlichem Recht § 34, findet nicht statt (vgl. B.-H. Vorb. vor § 2 4 1 R n 2 u n d 3 ; Würdinger, S. 150; Hans. OLG Hamburg in Die AktGes 1970, 231). Für die Sonderabschlüsse nach § 138 gelten die Bestimmungen über Hauptversammlungsbeschlüsse sinngemäß, das bedeutet, daß auch die Nichtigkeitsgründe für diese Sonderbeschlüsse in gleichem Maße gelten, wie für Hauptversammlungsbeschlüsse. II. Nichtigkeit 1. Abgrenzung Anm. 2: Während das Gesetz nur zwischen Nichtigkeitsgründen und Anfechtungsgründen (§ 243) unterscheidet, muß beachtet werden, daß es neben den nichtigen Beschlüssen auch Scheinbeschlüsse (BGH 11, 236) und unwirksame Beschlüsse gibt, die vom Gesetz nicht behandelt werden. Da bei anfechtbaren Beschlüssen, wenn die Anfechtung nicht erfolgt, diese voll gültig bleiben und bei nichtigen Beschlüssen die Möglichkeit der Heilung durch Eintragung und fast allgemein die Heilung der Nichtigkeit, selbst bei Verletzung der Grundsätze des Aktienrechts, des öffentlichen Interesses, ja sogar der guten Sitten, durch Eintragung, wo sie stattzufinden hat, und Zeitablauf möglich ist, können Scheinbeschlüsse oder unwirksame Beschlüsse überhaupt nicht wirksam werden. Es ist deshalb wichtig, diese Gruppe von Beschlüssen von den nach dem Gesetz nichtigen Beschlüssen zu trennen. Die Unwirksamkeit besteht meist in einem Übergriff über die Grenzen der Autonomie und wird behoben durch die Zustimmung des Betroffenen oder der Behörde, durch deren gesetzliche Berufung zur Mitentscheidung die Autonomie beschränkt ist (Genehmigung). Der derzeitige Sprachgebrauch versteht unter „Unwirksamkeit" mehrerlei; einmal den Fall, daß zwar ein 1338

Nichtigkeitsgründe

§241 Anm. 2

Beschluß vorliegt, an den als Willenserklärung der Gesellschaft das Gesetz aber keine Wirkung knüpft, dem es vielmehr den angestrebten Erfolg versagt, z. B. die einseitige Lossagung von Verbindlichkeiten. Solche Beschlüsse bieten keine Besonderheiten und sind wie gleichartige Willenserklärungen sonstiger Privater unbeachtlich. Diesen Fällen nahe stehen jene, in denen Hauptversammlungsbeschlüsse intern die Zuständigkeit der Hauptversammlung ( z . B . über Angelegenheiten der Geschäftsführung) oder gegenüber Aktionären die Grenzen der Verbandsgewalt überschreiten. Zwischen diesen beiden Fällen besteht ein Unterschied insofern, als Beschlüsse der ersteren Art unbeachtlich sind, weil sie von einem in diesem Fall nach dem Willen des Gesetzes für eine von ihm beachtete Willenserklärung der Gesellschaft nicht zuständigen Organ ausgehen, so daß eine beachtliche Willenserklärung überhaupt nicht vorliegt, während die Überschreitung der Verbandsgewalt nach innen die Parallele zu der zuerst erwähnten Anmaßung einseitiger Rechtsbildung nach außen darstellt. Die Beschlüsse der zweiten Gruppe sind nicht nur wie diese Anmaßung unwirksam, sondern auch anfechtbar (§ 243). Bezüglich des Grades der Unwirksamkeit besteht aber ein nicht zu übersehender Unterschied. Beschlüsse eines unzuständigen Organs sind absolut unwirksam. Absolut (mitunter schwebend) unwirksam sind auch solche Beschlüsse, deinen das Gesetz eine Wirkung nur für den Fall des Hinzutretens einer zusätzlichen Wirksamkeitsvoraussetzung gewährt (Eintragung, behördlicher Genehmigung, besonderer Zustimmungsbeschluß einer Aktiengattung oder „der außenstehenden Aktionäre"), solange nicht mit Erfüllung auch dieser Voraussetzung alle Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Diese werden erst wirksam, wenn das Fehlende hinzutritt, dürfen also solange nicht eingetragen werden. Mit der Begründung, der Beschluß sei schwebend unwirksam, kann eine Anfechtungs- oder gar Nichtigkeitsklage nicht erhoben werden. Dagegen kann Feststellungsklage (§ 256 Z P O ) erhoben werden, um das Bestehen des Schwebezustandes feststellen zu lassen ( B G H 15, 177 ff. für die Genossenschaft). Überschreitungen der Verbandsgewalt sind nur relativ unwirksam gegenüber den betroffenen Aktionären. Sie können, wenn sie unangefochten bleiben, in dem Umfange durchgeführt werden, in dem die Betroffenen zustimmen (wie ja auch Anmaßungen nach außen durch Zustimmung des Betroffenen wirksam werden). Wir halten es nicht nur für wichtig und erforderlich, Nichtigkeit und Unwirksamkeit, sondern auch innerhalb der letzteren diese Fälle, namentlich relative und absolute Unwirksamkeit, zu unterscheiden. Unwirksame Beschlüsse können auch an sich gültige und selbst unanfechtbare Beschlüsse, welche die Zuständigkeit der Hauptversammlung überschreiten, sein, insbesondere, wenn sie mit Rechten in Widerspruch stehen oder sich gegen Rechte wenden, die der Verbandsgewalt nicht unterliegen, z. B. der Beschluß, die Forderung eines Gläubigeraktionärs nicht zu erfüllen, Einfüh1339

§ 241

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Anm. 2—i rung oder Erhöhung von Nebenleistungen, Verletzung von Sonderrechten und dergleichen. Die Nichtigkeit betrifft lediglich den Beschluß als solchen. § 139 BGB kann nicht mit der Wirkung angewandt werden, daß ein nichtiger Beschluß die Nichtigkeit auch anderer mit diesem Beschluß zusammengehöriger Hauptversammlungsbeschlüsse nach sich zieht (vgl. Häns OLG Hamburg in Die AktGes 1970, 231; Georgakopoulus, S. 105; Würdinger, S. 41). Die erschöpfende Aufzählung der Nichtigkeitsgründe im Aktiengesetz (siehe oben Anm. 1) hat eine Umkehrung des Grundsatzes in § 139 BGB der Gestalt zur Folge, daß die Nichtigkeit einer einzelnen Satzungsbestimmung im Zweifel nicht auf andere Bestimmungen ausgedehnt werden kann. 2. Begriff Anm. 3: Die Nichtigkeitsgründe zerfallen in zwei Gruppen: a) Formelle Mängel, welche das Zustandekommen oder Voraussetzungen des Fortbestandes betreffen (§ 217 Abs. 2, Beschlüsse über Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln und über Verwendung des Bilanzgewinns des letzten vor der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufenen Geschäftsjahres, § 228 II, Kapitalherabsetzung unter den Mindestnennbetrag bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung, § 234 III, Feststellung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung bei rückwirkender Kapitalherabsetzung, § 235 Beschlüsse bei rückwirkender Kapitalherabsetzung mit gleichzeitiger Kapitalerhöhung sowie die vorliegenden Bestimmungen der Nr. 1 u. 2). b) Sachliche Mängel, die den Inhalt betreffen: § 192IV, ein dem Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung entgegenstehender Hauptversammlungsbeschluß, § 212 ein Beschluß bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, durch den die neuen Aktien den Aktionären nicht im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zugewiesen werden, sowie die Nr. 3 und 4 der vorliegenden Bestimmung. c) Gerichtliche Entscheidung (Nr. 5 u. 6 der vorliegenden Bestimmung). 3. Tragweite Anm. 4: Die Tragweite der Nichtigkeit ist die gleiche wie im sonstigen Recht. Die Rechtslage ist so, als läge überhaupt kein Beschluß vor. § 248 S. 4 stellt ausdrücklich fest, daß die Nichtigkeit auch auf andere Weise als durch Erhebung der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann. Es können also insbesondere Ansprüche der Gesellschaft, die etwa durch einen nichtigen Beschluß beseitigt werden sollen, ohne weiteres geltend gemacht werden. Es kann ferner die Nichtigkeit im Wege der Einrede jederzeit, auch ohne daß eine Nichtigkeitsklage erhoben wäre, geltend gemacht werden (anders bei der Anfechtung). Über die Heilung der Nichtigkeit vgl. § 242; über die Geltendmachung der Nichtigkeit durch besondere Klage vgl. § 249. 1340

Nichtigkeits gründe

§241 Anm* 5» 6

III. Beschluß der Hauptversammlung Anm. 5: Unter Beschluß ist nicht nur ein Mehrheitsbeschluß zu verstehen, sondern auch z. B. das Verlangen der Minderheit nach § 147 zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen und ein Sonderbeschluß der Aktionäre nach §138 (dort werden die Beschlüsse ausdrücklich denen der Hauptversammlung gleichgestellt). Auch eine Wahl ist ein Beschluß, auch wenn sie, sofern nach der Satzung zulässig, nur mit relativer Mehrheit zustande kam, auch die Ablehnung eines Antrags. Streitig ist es jedoch, ob in einem solchen Fall Nichtigkeitsklage erhoben werden kann. Es wird zuweilen an dem Reditsschutzinteresse fehlen. Ist dieses gegeben, so kann auch in einem solchen Fall die Klage erhoben werden (RG 142, 130 = JW 1934 90; RG 146 72; JW 1935, 1236; RG 146, 388; RG in JW 1936, 919; zum schutzwürdigen Interesse RG 107, 170; RG in JW 1929, 636; 1936, 919; ebenso Schilling in Großkomm. § 195 AktG 37 Anm. 6. Das Gesetz spricht nur von Beschlüssen der Hauptversammlung. Beschlüsse der Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung sind nadi § 118 aktienrechtlich völlig unbeachtlich. Es kann auch kein Rechtsschutzinteresse bestehen, ihre Ungültigkeit festzustellen, so daß hier die Nichtigkeitsklage nicht in Frage kommt. IV. Die einzelnen Nichtigkeitsgründe 1. Einberufungsfehler Anm. 6: Einberufungsfehler begründen die Nichtigkeit nur, wenn sie in Verstößen gegen § 121 II und III bestehen. Andere Einberufungsfehler begründen immer nur Anfechtbarkeit, insbesondere, wenn sie darin bestehen, daß die Hauptversammlung nicht nach dem Sitz- oder Börsenort oder dem von der Satzung bestimmten Ort einberufen ist (§121IV), oder daß die Fristen für die Einberufung (§ 123) oder die Vorschriften über die Bekanntmachung der Tagesordnung und der Vorschläge der Verwaltung (§ 124), oder daß der Hinweis nach § 122 III S. 3 unterblieben ist, oder daß gegen Satzungsbestimmungen, wenn auch nur Sollvorschriften (RG 170, 97) verstoßen wurde. Dasselbe gilt für den Fall der Verletzung der Mitteilungspflicht der Gesellschaft nach §§ 125 bis 127, nicht aber auch für eine Verletzung der Pflichten aus den Bestimmungen des § 128 (§ 243 III). Verstöße gegen § 121 II und III können also, wenn bemerkt, nur durch eine neue Bekanntmachung, audi wenn die Frist für diese nicht mehr gewahrt werden kann, insoweit gutgemacht werden, daß die von der Hauptversammlung zu fassenden Beschlüsse nicht nichtig, sondern anfechtbar sein werden. Auch bei einer Vollversammlung ist bei Verletzung von § 121 II oder III Anfechtbarkeit gegeben. Zur Vollversammlung ist erforderlich, daß alle Aktionäre, auch die nicht stimmberechtigten, anwesend oder vertreten sind 1341

§ 241

Anm. 6

Nichtigkeit v o n Hauptversammlungsbeschlüssen

und, wenn Dritte berechtigt sind, das Stimmrecht auszuüben, anstelle der Aktionäre, die Dritten. Natürlich hindert das Zustandekommen der Vollversammlung die Anfechtbarkeit nicht. Es kann vielmehr jeder Teilnehmer den gefaßten Beschluß wegen der Einberufungsfehler anfechten, wenn er Widerspruch zur Niederschrift erklärte. Einfacher ist es freilich, der Nichteinverstandene entfernt sich und läßt die Vollversammlung an seiner Abwesenheit scheitern. Doch ist nur nachträgliche Entfernung unschädlich, wenn sich der Aktionär vorher, sei es auch nur durch schlüssiges Verhalten, mit der Abhaltung der Hauptversammlung einverstanden erklärt hatte. Der regelmäßig erklärte „Verzicht auf die Einhaltung der Fristen und Formen der Einberufung" beseitigt das Anfechtungsrecht der Aktionäre — es ist also bedeutsam, ihn zu beurkunden —, nicht auch des Vorstands, wenn etwa die Vollversammlung über seinen Kopf hinweg zusammengetreten sein sollte (§118 II, 121 II, 245 N r . 4 und 5). Ein nichtigkeitsbegründender Einberufungsfehler liegt vor: a) wenn die Einberufung überhaupt nicht erkennen läßt, von wem sie ausgeht, b) wenn sie von Personen ausgeht, die zur Einberufung nicht befugt sind. Personen, die im Handelsregister als Vorstand eingetragen sind, gelten als befugt (§ 121 II S. 2). Ist bei Gesamtvertretung nur ein Vorstandsmitglied als Einberufer angegeben, so ist doch deutlich, daß die Versammlung vom Vorstand als solchem einberufen wird, erst recht, wenn außerdem ein Prokurist oder der Aufsichtsratsvorsitzende zeichnet. Ist eine Hauptversammlung nach § 1 1 1 III vom Aufsichtsrat einberufen worden, so ist dessen Unvollständigkeit für die Gültigkeit der Einberufung bedeutungslos. Zweifel könnten nur bestehen, wenn der Aufsichtsrat beschlußunfähig ist, weil er an sich als Kollegium die Einberufung vorzunehmen hat. D a die noch vorhandenen Mitglieder eines beschlußfähigen Aufsichtsrates nach wie vor ihren Pflichten nachkommen müssen, wäre es eine sinnlose Prinzipienreiterei, die Beschlüsse einer von einem nicht beschlußfähigen Aufsichtsrat einberufenen Hauptversammlung, insbesondere etwa die Ergänzungswahl, als nichtig anzusehen (so auch Schilling Großkomm. § 195 AktG 37 Anm. 12). Übrigens kann die Satzung, wie sie dem Aufsichtsrat das Recht der Einberufung über die Fälle des § 111 hinaus einräumen kann, dieses Recht auch einem beschlußunfähigen Aufsichtsrat, ja selbst den einzelnen Mitgliedern gewähren (vgl. § 121 Anm. 6). Ist die Hauptversammlung von einer unzuständigen Person einberufen, so sind ihre Beschlüsse auch dann nichtig, wenn sie mit Zustimmung einer zuständigen Person tagt, es sei denn, daß an ihr alle Aktionäre teilnehmen. Ist die Hauptversammlung von einer Minderheit einberufen worden (§ 122 III), so ist die Einberufung nur dann fehlerhaft mit der Wirkung der Nichtigkeit, wenn die gerichtliche Ermächtigung nach § 122 III nicht vorgelegen hat. D a die Minderheit ihr Recht auf Einberufung von der Ermächtigung 1342

Nichtigkeitsgründe

§241

Anm. 6

herleitet, kommt es nicht darauf an, ob ihre Anteile 5 % des Grundkapitals erreichen; die zu § 50 III GmbH-Ges. ergangene und wegen der dort anders lautenden Regelung entgegenstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH 11, 232 ff.) findet für das Aktienrecht keine Anwendung (ebenso Schilling in Großkomm. § 195 AktG 37 Anm. 12; a. A. Kuhn in Die AktGes. 1956, 19), c) Ferner liegt ein die Nichtigkeit begründender Einberufungsfehler vor, wenn die Einberufung nicht erkennen läßt, welche Gesellschaft sie betrifft oder deren Firma nicht angibt. In § 121 III ist neu eingefügt, daß außer der Firma auch deren Sitz anzugeben ist. Diese Bestimmung dient zur weiteren sicheren Identifizierung der Gesellschaft, um die es sich handelt. Fehler bei der Firmen- und Sitzangabe sind unschädlich, wenn trotzdem erkennbar bleibt, um welche Gesellschaft es sich handelt, d) Daneben ist dieser Grund der Nichtigkeit gegeben, wenn die Einberufung den Ort oder die Zeit der Versammlung nicht erkennen läßt. Außer dem geografischen Ort ist auch die Angabe des Versammlungsraums erforderlich. Da die Versammlung grundsätzlich nach dem Sitzort einzuberufen ist, wird von einer Einberufung, die keinen Ort angibt, angenommen werden können, daß sie den Sitzort und die Geschäftsräume der Gesellschaft meint (zweifelhaft, weil § 121 I I I die Angabe trotz Abs. 4 verlangt, aber z. B. unzweifelhaft, wenn die Versammlung immer in den Geschäftsräumen am Sitzort stattgefunden hat). Beruft eine Gesellschaft nach ihrem Sitz ein, ist davon auszugehen, daß sie ihre eigenen Geschäftsräume meint. Tag und auch Stunde sind anzugeben. Stimmt die Angabe des Wochentags mit dem Kalendertag nicht überein, so kann es trotzdem sein, daß nicht zweifelhaft ist, welcher Tag gemeint ist, z. B. wenn der Kalendertag ein Sonntag ist oder es wird der Monat falsch angegeben, auch dann kann sein, daß ohne weiteres deutlich ist, daß der angegebene Monat nicht gemeint sein kann und daß auch aus der Zusammenschau von angegebenen Wochen- und angegebenem Kalendertag der richtige Monat hervorgeht. Ist eine Stunde überhaupt nicht angegeben, auch nicht nachträglich (s. oben), kann die Hauptversammlung nur abgehalten werden, wenn sich trotzdem alle Aktionäre eingefunden haben, e) Schließlich ist die Einberufung mit einem die Nichtigkeit begründenden Fehler behaftet, wenn die Bedingungen nicht angegeben sind, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen. Nach § 123 II kann die Satzung die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts von der Hinterlegung der Aktien abhängig machen. Wenn dies der Fall ist, muß sich aus der Einberufung ergeben, bei welchen Stellen die Hinterlegung erfolgen kann und bis zu welchem Zeitpunkt sie erfolgen muß. Wird als letzter Tag für die Hinterlegung ein Tag angegeben, der mehr als 10 Tage vor dem Tage der Haupt1343

§ 241

Anm. 6—8

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Versammlung liegt, so ist das unschädlich, ebenso wenn etwa bestimmt würde, die Hinterlegung dürfe nur bei der Gesellschaft erfolgen. In beiden Fällen führt eine solche Bekanntmachung nicht zur Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse, vielmehr greift § 123 I I I ein. Danach kann die Hinterlegung immer bei einem Notar oder bei einer Wertpapiersammelbank erfolgen und sie kann immer bis spätestens am zehnten Tag vor der Versammlung erfolgen. f) Wenn die Bekanntmachung der Einberufung nicht ordnungsgemäß in allen Gesellschaftsblättern erfolgt ist, insbesondere etwa gar der Bundesanzeiger übersehen worden ist, ist die Einberufung ebenfalls mit der Folge der Nichtigkeit fehlerhaft. Wie oben erwähnt, führt die Unterlassung der Bekanntmachung der Tagesordnung, die nach § 124 mit der Einberufung zu erfolgen hat, nicht zur Nichtigkeit der in der Hauptversammlung gefaßten Beschlüsse. Sie sind nur anfechtbar nach § 243, so daß ein Teilnehmer an der Versammlung nach § 245 Nr. 1 Widerspruch zur Niederschrift erklären, ein nichterschienener Aktionär (§ 245 Nr. 2) wenigstens die Anfechtungsfrist (§ 246 I) innehalten muß, wenn er den Beschluß nicht hinnehmen will. Das gilt auch, wenn sein Zustandekommen unter derartigen Umständen auf sittenwidrigem Verhalten der Beteiligten beruht. In solchem Fall kann von der Gesellschaft durch Klage Nichtausführung und von dem Versammlungsleiter, der die Beschlußfassung zugelassen und seinerseits einen Sittenverstoß begangen hat, Schadenersatz nach § 826 BGB verlangt werden. 2. Fehlende Beurkundung Anm. 7: Ist der Beschluß der Hauptversammlung nicht notariell beurkundet, so ist er nichtig (über die Heilung vgl. § 242 I). Das gleiche gilt, wenn die Niederschrift in folgenden wesentlichen Punkten mangelhaft ist: Wenn Ort und Tag der Verhandlung, der Name des Notars sowie die Art und das Ergebnis der Abstimmung und die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlußfassung nicht angegeben sind oder der Notar die Niederschrift nicht unterschrieben hat (im einzelnen vgl. § 130 u. Anm. dort). Auf die formgerechte Beurkundung kann auch durch einstimmigen Beschluß einer Vollversammlung nicht verzichtet werden (RGZ 114, 205; 119, 230). Fehlen oder fehlerhafte Anfertigung des Teilnehmerverzeichnisses (§ 129) begründet nicht Nichtigkeit, sondern nur Anfechtbarkeit der gefaßten Beschlüsse, wenn diese dadurch beeinflußt sind, was nur ausnahmsweise der Fall sein wird (vgl. § 129 Anm. 6). 3. Verstoß gegen das Wesen der Aktiengesellschaft oder gegen schutzvorschriften oder solche des öffentlichen Interesses

Gläubiger-

Anm. 8: Nichtig sind die inhaltlich mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbaren Beschlüsse. Was mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unver1344

Niditigkeitsgriinde

§241 Anm. 8—10

einbar ist, ist nicht mit einem Wort zu sagen, weil das Gesetz ihr Wesen nicht bestimmt. Selbstverständlich gehören alle die Merkmale des § 1 dazu, mit denen die Aktiengesellschaft beschrieben wird, insbesondere als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, der Ausschluß der persönlichen Haftung der Aktionäre für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, aber auch das Recht der Selbstgesetzgebung, ausgeübt durch die Versammlung der Gesellschafter, die Organisation (Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung, Stimmrecht), der Ausschluß der Nachschußpflicht u. a. Häufig handelt es sich um Grundsätze, die gleichzeitig das Wesen der Gesellschaft bestimmen und im öffentlichen Interesse aufgestellt sind, wie die feste Grundkapitalziffer, die freie Übertragbarkeit der Aktien, die Notwendigkeit der Einlage und ihrer Erhaltung, die Unzerstörbarkeit der Aktiengesellschaft außer unter den gesetzlichen Voraussetzungen (RG 164, 223). Der Grundsatz der Gleichbehandlung folgt nicht so sehr aus dem Wesen der Aktiengesellschaft, womit verschiedene Rechte der Aktionäre durchaus verträglich sind, als aus dem Gesellschaftsvertrag, soweit ihn sich nicht das Gesetz im einzelnen Hinsichten, z. B. hinsichtlich des Stimmrechts, gesetzlichen Bezugsrechts, selbst zu eigen macht. Darüber hinaus besteht auch kein öffentliches Interesse am Schutz der künftigen Aktionäre. Die Verletzung des Grundsatzes macht einen Beschluß nur anfechtbar, es ist nicht etwa Zustimmung des Zurückgesetzten zum Hauptversammlungsbeschluß erforderlich. Um ein sogenanntes Sonderrecht handelt es sich nicht (ebenso B.-H. Rn. 7). Der BGH (Bd. 33, 186) hat eine ungleiche Behandlung der Aktionäre für zulässig erklärt, wenn sie sachlich berechtigt ist und damit nicht den Charakter der Willkür trägt. Anm. 9: Jede Vorschrift, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft gegeben ist, ist gleichzeitig im öffentlichen Interesse gegeben. Im einzelnen dienen dem Schutz der Gläubiger alle Bestimmungen zur unversehrten Aufrechterhaltung des Grundkapitals, denn dieses ist die Garantiesumme für die Gläubiger, also vor allem die Schutzbestimmungen zugunsten der Gläubiger bei Kapitalherabsetzung; weiter auch die gesetzliche Rücklage (§ 150), denn auch diese hat Garantiefunktion gegenüber den Gläubigern, ferner der Grundsatz der ordnungsgemäßen Buchführung, die Bilanzierungsgrundsätze in den Grenzen des § 256 (RG J W 36,419). Schließlich dient eine Reihe der neuen Bestimmungen über verbundene Unternehmen dem Schutz der Gläubiger. Anm. 10: Der Begriff des öffentlichen Interesses darf nicht eng ausgelegt werden. Es handelt sich neben den Gläubigerschutzvorschriften um die Bestimmung, die den Schutz der zukünftigen — z. B. § 23 V (vgl. OLG Düssel1345

§ 241 Anm. 10,11

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

dorf in Die AktGes 1968, 19) — und teilweise der gegenwärtigen Aktionäre — z. B. das Verbot von Mehrstimmrechtsaktien oder das Gebot qualifizierter Mehrheiten — betreffen (daher zu eng Möhring-Tank I Rz 511).

4. Verstöße gegen die guten Sitten Anm. 11: Die Nichtigkeit eines Beschlusses wegen Unsittlichkeit kann nicht mit Unsittlichkeit des Beweggrundes oder Zwecks des Beschlusses, sondern nur mit seinem Inhalt begründet werden. N u r wenn der Beschluß, so wie er lautet, ganz auf sich allein gestellt, unsittlich ist, ist er nichtig. Beschlüsse, welche in dieser Isolierung sittlich indifferent sind, könrren wegen Unsittlichkeit nicht niditig sein, auch dann nicht, wenn sie aus unsittlichem Beweggrund fließen oder auf unsittliche Zwecke abzielen. Ein Beispiel f ü r einen inhaltlich unsittlichen Beschluß wäre der Beschluß, ein Freudenhaus zu betreiben. Betrifft ein Verstoß gegen die guten Sitten, Gesetz oder Satzung die Art des Zustandekommens des Beschlusses (z. B. sittenwidrige Ausnutzung zufälliger Umstände R G Z 166, 129), so ist der Beschluß anfechtbar, wenn er auf dem Verstoß beruht (vgl. B G H 8, 356). Ein inhaltlich sittenwidriger Beschluß kann auch vorliegen, wenn durch einen an und f ü r sich, allein betrachtet, nicht sittenwidrigen Verzicht auf Ersatzansprüche, z. B. gegen den Vorstand, Dritte (Gläubiger) geschädigt werden (RG 161, 244) oder bewußt eine nichtbestehende Forderung gegen die Gesellschaft (bei einer Kapitalerhöhung) als Sacheinlage zugelassen wird (RG in D R 1942, 2783). Aus dem Inhalt der Satzung oder dem sonstigen Inhalt der Versammlungsniederschrift kann die Nichtigkeit des Beschlusses wegen seines Inhalts nur abgeleitet werden, wenn sich daraus etwas f ü r dessen Auslegung ergibt (RG a. a. O.). Unter Umständen läßt das R G gegenüber der Berufung auf einen zwar nicht nach seinem Inhalt nichtigen, vielmehr formal rechtsbeständigen, aber nach Zweck oder Beweggrund oder Zustandekommen anstößigen Beschluß zugunsten wie zuungunsten der Gesellschaft, auch wenn die Anfechtungsfrist versäumt ist, den Einwand unzulässiger Rechtsausübung zu (RG 161, 145; 167, 76; D R 42, 278); desgl. im Rahmen des § 826 BGB einen Schadenersatzanspruch nicht nur gegen die an dem Verstoß beteiligten Aktionäre und Organpersonen, wenn solche daran beteiligt sind, sondern letzterenfalls auch gegen die Gesellschaft (RG in D R 42, 278), der gegen diese auf Unterlassung der Durchführung des Beschlusses gerichtet ist. Diese Rechtsprechung ist vom Bundesgerichtshof (BGH 15, 382 ff.) fortgeführt worden, wonach ein Beschluß auch dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein kann, wenn er seinem inneren Gehalt nach in einer sittenwidrigen Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen besteht (vgl. Schilling in Großkomm. § 195 A k t G 37 Anm. 26). 1346

Niditigkeitsgriinde

§241 Anm. 12,13

V. Der durch Urteil für nichtig erklärte Beschluß Anm. 12: Die Nichtigkeit eines nach §§ 243, 251, 254, 255 u. 257 anfechtbaren Beschlusses tritt gemäß § 248 erst mit der Rechtskraft des auf die Anfechtungsklage ergangenen Urteils ein. Über die Wirksamkeit der Nichtigkeit Dritten gegenüber vgl. § 248 Anm. 2 u. 3. VI. Der gelöschte Beschluß Anm. 13: Ein Beschluß, der in das Handelsregister eingetragen ist, kann nach § 144 III FGG durch Löschung von Amts wegen daraus beseitigt werden, wenn er durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint. Beide Voraussetzungen müssen zusammen vorliegen. Verletzt der Beschluß zwar das Gesetz, aber nur die Interessen einiger bestimmter Beteiligter, so darf er nicht gelöscht werden. Die Bestimmung des FGG stellt nicht darauf ab, daß der Beschluß durch Verletzung von Bestimmungen zustande gekommen ist, sondern darauf, daß die Beseitigung des Beschlusses wegen seines gesetzeswidrigen Inhalts im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint. Es wird kaum vorkommen, daß die Voraussetzungen dieser Bestimmungen gegeben sind, wenn nicht auch schon die Nichtigkeit des Beschlusses nach Nr. 3 oder 4 vorliegt. Von praktischer Bedeutung ist die Bestimmung deshalb, weil eine Löschung nach § 144 II FGG auch dann noch geboten ist, wenn nach § 242 II S. 1 die Nichtigkeit aufgrund von Nr. 3 und 4 nicht mehr geltend gemacht werden kann. Auf diese Weise kann also ein Beschluß, der zwar nach Nr. 3 oder 4 nichtig wäre, dessen Nichtigkeit aufgrund dieser Bestimmungen aber nicht mehr geltend gemacht werden könnte, noch nach Ablauf der dreijährigen Frist des § 242 wieder beseitigt werden. Für das Verfahren gelten die §§ 141 bis 143 FGG. Das Gericht hat die Beteiligten — das ist hier lediglich die Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand — von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs zu bestimmen. In den Fällen, in denen die Löschung von dem dem Registergericht übergeordneten Landgericht angeordnet worden war, gegen die einen Widerspruch zurückweisende Verfügung des Landgerichts, ist die sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht zu richten. Die Löschung, die erst nach Rechtskraft des Beschlusses vorgenommen werden darf, macht ihn auch wieder sachlich nichtig, wenn er inzwischen durch Zeitablauf geheilt war. Grund der neueren Nichtigkeit ist die Löschung selbst, nicht deren Grund oder Anlaß. Die Löschung führt die neue Nichtigkeit also auch herbei, wenn sie selbst unbegründet war. Nichtsdestoweniger und, obwohl das öffentliche Interesse im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend ist und trotz des Wortlauts „gelöscht worden ist" statt „wird", wird mit Schilling in Großkomm. § 195 AktG 37 Anm. 27 Rückwirkung der Löschung anzunehmen 1347

§§ 241/242 Anm. 13

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

sein. Rückwirkende Kraft zuungunsten Dritter hat die Löschung nicht (h. M. Schlegelberger Anm. 5 zu § 144 F G G ) . Diese folgt indessen nur aus der Vertrauenswirkung des öffentlichen Registers und steht darum einer Bereicherungsklage auf Rüdegewähr von Leistungen nach den hierfür maßgebenden Grundsätzen nicht entgegen, die aufgrund des Beschlusses vor seiner Löschung gemacht wurden. Audi nur versehentlich eingetragene unwirksame Beschlüsse können von Amts wegen gelöscht werden ( K G J 16 A 2 0 ; 65 A 164). Auf die Wirksamkeit hat dies keinen Einfluß, da die Unwirksamkeit, auch wenn die Löschung von Amts wegen unterbleibt, jederzeit von allen Beteiligten geltend gemacht werden kann. Ein die Nichtigkeitsklage abweisendes rechtskräftiges Urteil ist für das Registergericht ebensowenig ein Löschungshindernis wie der Zeitablauf. Ein ihr stattgebendes Urteil erledigt dagegen ein Verfahren nach § 144 F G G . Durch die Löschung wird ein rechtshängiger Nichtigkeitsstreit in der Hauptsache erledigt, da auch für das Prozeßgericht die nunmehrige Nichtigkeit feststeht. Es kann aber nicht etwa Nichtigkeitsurteil aufgrund der Löschung ergehen, weil im Nichtigkeitsstreit kein Nichtigkeitsgrund nachgeschoben werden kann. Eine Löschung nach § 142 F G G kommt für Hauptversammlungsbeschlüsse nicht in Betracht (Schl.-Qu. § 195 Anm. 5), es sei denn für Eintragung von Beschlüssen, die, weil sie nicht zustande gekommen oder unwirksam sind, nicht eingetragen werden durften. Eine solche Löschung hat keine Rechtsfolgen, da die Eintragung keine heilende Wirkung hatte.

§ 242 Heilung der Nichtigkeit (1) Die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, der entgegen § 130 Abs. 1, 2 und 4 nicht oder nicht gehörig beurkundet worden ist, kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluß in das Handelsregister eingetragen worden ist. (2) Ist ein Hauptversammlungsbeschluß nach § 241 N r . 1, 3 oder 4 nichtig, so kann die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluß in das Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem drei Jahre verstrichen sind. Ist bei Ablauf der Frist eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses rechtshängig, so verlängert sich die Frist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat. Eine Löschung des Beschlusses von Amts wegen nach § 144 Abs. 2 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird durch den Zeitablauf nicht ausgeschlossen. 1348

Heilung der Nichtigkeit

§242

Anm. 1

(3) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn in den Fällen des § 217 Abs. 2, § 228 Abs. 2, § 234 Abs. 3 und § 235 Abs. 2 die erforderlichen Eintragungen nicht fristgemäß vorgenommen worden sind. I. Übersicht (Anm. 1) II. Voraussetzung der Heilung 1. Eintragung des Beschlusses (Anm. 2)

2. Zeitablauf (Anm. 3) III. Wirkung der Heilung (Anm. 4) IV. Löschung von Amts wegen (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Wie im bisherigen Recht (§ 196 AktG 37) wird die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, der nicht oder nicht ordnungsgemäß beurkundet ist (§ 241 Nr. 2) bereits mit der Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister geheilt (§ 242 I). Hauptversammlungsbeschlüsse, die wegen Einberufungsfehlern (§ 241 Nr. 1), Verstoß gegen das Wesen der Aktiengesellschaft oder gegen Vorschriften zum Schutz der Gläubiger oder des öffentlichen Interesses (§ 241 Nr. 3) oder wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 241 Nr. 4) nichtig sind, werden geheilt, wenn sie im Handelsregister eingetragen sind und seit der Eintragung drei Jahre verstrichen sind (§ 242 II). Dasselbe gilt nach dem neu eingefügten Abs. 3 für die meisten Fälle, in denen die Nichtigkeit an anderer Stelle des Gesetzes ausgesprochen wird. Das ist in § 217 II bei der Kapitalerhöhung aus Gesellsdiaftsmitteln, § 228 II bei Kapitalherabsetzung unter den Mindestnennbetrag mit gleichzeitiger Kapitalerhöhung, § 234 III bei Rückwirkung der Kapitalherabsetzung und § 235 II bei Rückwirkung der Kapitalherabsetzung und gleichzeitiger Kapitalerhöhung. Nicht geheilt werden kann die Nichtigkeit nur von zwei Beschlüssen: 1. § 192 IV, ein Beschluß der Hauptversammlung, der dem Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung entgegensteht; 2. § 212, ein Beschluß, der bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln die neuen Aktien nicht den Aktionären im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zuteilt. Nicht erwähnt und daher nicht heilbar ist die Nichtigkeit von Beschlüssen nach § 241 Nr. 5 (s. Anm. 4) und Nr. 6 (s. Anm. 5). Nicht heilbar ist ferner die Nichtigkeit der Beschlüsse, die nicht eingetragen werden, mit Ausnahme des Beschlusses, mit dem die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt (§ 256 III). Obwohl dieser Beschluß nicht eingetragen wird, kann die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger 6 Monate vergangen sind, in den Fällen, in denen die Nichtigkeit auf Einberufungsfehlern oder auf fehlerhafter oder mangelnder Beurkundung beruht. In den übrigen Fällen des § 256 I, wenn seit der Bekanntmachung 3 Jahre verstrichen sind. 1349

§ 242

Anm. 1,2

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Für Beschlüsse, die unwirksam sind (z. B. weil der erforderliche Sonderbeschluß einer Aktiengattung oder erforderlichen Einzelzustimmung eines Aktionärs oder staatliche Genehmigung aussteht) ist § 242 nicht anwendbar, auch nicht entsprechend. Die Unwirksamkeit solcher Beschlüsse wird durch Eintragung nicht geheilt, auch nicht durch hinzutretenden Zeitablauf, ungeachtet des zweifellos audi in solchen Fällen bestehenden Bedürfnisses, (streitig; wie hier Würdinger S. 151; Fischer in Großkomm. § 146 AktG 37 Anm. 16; a. A. B.-H. Rn 8; Schilling in Großkomm. § 196 AktG 37 Anm. 8; Schl.-Qu. § 196 Anm. 1; Hans OLG Hamburg in DieAktGes 1970, S. 231, das aus dem Schweigen der betroffenen Aktionäre deren Zustimmung unterstellt; mit einer derartigen Unterstellung kann aber eine Heilung nicht begründet werden). Eine Eintragung, die nicht wegen Verletzung des materiellen Aktienrechtes, sondern als solche selbst nichtig ist (z. B. wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des FGG), hat keine heilende Wirkung (RG 85, 207). Nicht heilbar sind Beschlüsse, deren gewollter rechtlicher Erfolg nicht möglich ist, weil das Gesetz für die Möglichkeit seines Eintrittes tatsächliche Voraussetzungen außerhalb des Zustandekommens für den Hauptversammlungsbeschluß aufgestellt hat, die nicht vorliegen; z. B. ein Eingliederungsbeschluß nach § 320, ohne daß sich 95 °/o der Aktien der Gesellschaft in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befanden. In solchen Fällen kann die Eintragung die fehlenden Möglichkeitsvoraussetzungen des Gewollten (Beschlossenen) nicht ersetzen. Der Beschluß bleibt unwirksam. II. Voraussetzungen der Heilung 1. Eintragung des Beschlusses Anm. 2: Voraussetzung für die Heilung eines Beschlusses ist stets die Eintragung im Handelsregister. Die bloße Einreichung genügt nicht (Herbig in JW 37, 851; a. A. Dietrich in JW 37, 653). Das Registergericht muß vielmehr die Eintragung ablehnen, wenn es die Nichtigkeit erkennt. Die Tatsache, daß die Eintragung Voraussetzung zur Heilung ist, hat nicht zur Folge, daß der Beschluß in jedem Falle einzutragen ist. Fraglich ist, ob auch ein nichtiger Sitzverlegungsbeschluß bei Eintragung in das Register des Gerichts des neuen Sitzes geheilt werden kann, obwohl es infolge der Nichtigkeit des Beschlusses nicht Sitzgericht und sein Register nicht Handelsregister der Gesellschaft geworden ist. Trotz logischer Bedenken wird man die Frage mit Rücksicht auf das hier dem gesetzgeberischen Beweggrund bildende Bedürfnis bejahen. Dafür spricht auch, freilich nicht zwingend, § 45 II S. 4, wonach mit der Eintragung beim Gericht des neuen Sitzes die Sitzverlegung wirksam wird. Ohne weitere Voraussetzungen als die der Eintragung des Beschlusses im Handelsergister wird die Nichtigkeit geheilt, wenn sie darauf beruht, daß der 1350

Heilung der Nichtigkeit

§ 242 Anm. 2—4

Hauptversammlungsbeschluß nicht oder nicht ordnungsgemäß nach § 130 I, I I und I V beurkundet worden war. 2.

Zeitablauf

Anm. 3: In allen anderen Fällen, in denen überhaupt eine Heilung der Nichtigkeit möglich ist, muß außer der Voraussetzung der Eintragung des Beschlusses im Handelsregister noch eine weitere kommen. E s müssen seit der Eintragung 3 J a h r e verstrichen sein. Ist eine K l a g e auf Feststellung der Nichtigkeit rechtshängig, so wird der A b l a u f der Frist gehemmt. Sie läuft erst ab, bis über die K l a g e rechtskräftig entschieden ist, oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat, also z. B . durch Vergleich oder Klagerüdcnahme. D a s gilt nicht nur f ü r den Kläger, sondern f ü r jedermann (vgl. B . - H . R n 5). Sind die Beschlüsse eingetragen und die Frist abgelaufen, so ist die Nichtigkeit geheilt, wenn sie auf § 241 N r . 1, 3 oder 4 und nach dem neu eingefügten § 242 I I I auf § 217 I I , § 228 II, § 234 I I I und § 235 I I beruht (vgl oben Anm. 1, auch über die noch verbleibenden Fälle der Nichtigkeit). Maßgebend für den L a u f der 3-Jahres-Frist ist nicht, wie bei der Anfechtung, der T a g des Beschlusses, sondern der der Eintragung in das Handelsregister der Hauptniederlassung. D i e Frist ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Eine nach Ablauf erhobene Nichtigkeitsklage ist abzuweisen. Eine Verlängerung der Frist durch Parteivereinbarung ist unzulässig. Wird die Nichtigkeit durch K l a g e geltend gemacht, so muß die Zustellung innerhalb der Frist bewirkt sein, und z w a r sowohl an den Vorstand wie an den A u f sichtsrat (§ 249 in Verbindung mit § 246 I I ) . N u r die ordnungsgemäße Zustellung der K l a g e während der dreijährigen Frist hemmt den Fristablauf nach § 242 I I S. 2. Wenn die Nichtigkeit vor Fristablauf durch Einrede geltend gemacht wurde, wird diese Geltendmachung durch den Fristablauf hinfällig (vgl. B G H 33, 176). Dies ergibt sich aus dem neueingefügten S. 2 in Abs. 2, wonach der Ablauf der Frist nur bei Rechtshängigkeit einer K l a g e auf Feststellung der Nichtigkeit gehemmt wird (vgl. B . - H . R n 6 ; a. A . die Voraufl.); andere G r ü n d e können mithin den Ablauf der Frist nicht hemmen. Über Berechnung der Frist vgl. § 188 B G B .

III. Wirkung der Heilung Anm. 4: D i e Wirkung der Heilung besteht darin, daß die Nichtigkeit in keiner Weise geltend gemadit werden kann, weder durch Nichtigkeitsklage noch durch Einrede oder einfache Nichtbeachtung des Beschlusses. D i e A n fechtbarkeit des Beschlusses wird durch die Eintragung nicht berührt. Führt die Anfechtungsklage zum E r f o l g und wird der Beschluß durch Urteil rechtsk r ä f t i g f ü r nichtig erklärt, so kann er nicht geheilt werden. E r bleibt nichtig. D a s folgt daraus, daß § 241 N r . 5 in § 242 nicht erwähnt ist. Zu beachten 1351

§§ 242/243

Anm. 4,5

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

ist jedoch die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage von 1 Monat nach der Beschlußfassung (§ 246 I). Ist diese verpaßt, so ist eine Anfechtung nicht mehr möglich und damit der anfechtbare Beschluß voll wirksam. IV. Löschung von Amts wegen Anm. 5: Trotz Heilung der Nichtigkeit ist zeitlich unbegrenzt die Löschung von Amts wegen nach § 144 II FGG zulässig und geboten, wenn der Beschluß durch seinen Inhalt zwingende Gesetzesvorschriften verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint (vgl. Anm. 13 zu § 241). Eine Löschung mangelhaft beurkundeter Beschlüsse findet nach dieser Vorschrift nicht statt. Längerer Zeitablauf wird das öffentliche Interesse an der Beseitigung verringern, denn maßgeblich ist nicht das ursprüngliche öffentliche Interesse an der Unterlassung der Eintragung, sondern dasjenige an der Beseitigung (vgl. auch Anm. 13 zu §241). Ist die Löschung des Beschlusses von Amts wegen erfolgt, ist er unheilbar nichtig.

§ 243 Anfechtungsgründe (1) Ein Beschluß der Hauptversammlung kann wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage angefochten werden. (2) Die Anfechtung kann auch darauf gestützt werden, daß ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sidi oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suchte und der Beschluß geeignet ist, diesem Zweck zu dienen. Dies gilt nicht, wenn der Beschluß den anderen Aktionären einen angemessenen Ausgleich für ihren Schaden gewährt. (3) Auf eine Verletzung des § 128 kann die Anfechtung nidit gestützt werden. (4) Für eine Anfechtung, die auf die Verweigerung einer Auskunft gestützt wird, ist es unerheblidi, daß die Hauptversammlung oder Aktionäre erklärt haben oder erklären, die Verweigerung der Auskunft habe ihre Beschlußfassung nicht beeinflußt. I. Übersicht (Anm. 1) II. Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 2) III. Rechtsschutzinteresse (Anm. 3) IV. Anfechtung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (Anm. 4) V. Anfechtung wegen Mißbrauchs des Stimmrechts (Anm. 5) 1352

VI. Eintragung anfechtbarer Beschlüsse (Anm. 6) VII. Ausschluß der Anfechtung wegen Verletzung des § 128 (Anm. 7) VIII. Sonderbestimmung bei Verweigerung einer Auskunft (Anm. 8)

Anfechtungsgründe

§243

Anm. 1

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt im Abs. 1 den Inhalt des bisherigen Abs. 1 des § 197 AktG 37. In Abs. 2 wird der auch im bisherigen Recht (§ 197 II AktG 37) enthaltene Anfechtungsgrund an die neuen Bestimmungen des Konzernrechtes angepaßt. Neu ist Abs. 3, der bestimmt, daß eine Verletzung der Mitteilungspflichten der Kreditinstitute und Vereinigungen von Aktionären gegenüber den Aktionären kein Anfechtungsgrund sein kann. Neu ist ferner die Bestimmung des Abs. 4, die sich mit der im bisherigen Recht umstrittenen Frage befaßt, ob eine Anfechtung auf die Verweigerung einer Auskunft gestützt werden kann. Anfechtbarkeit und Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses unterscheiden sich nicht im Ergebnis, denn auch eine erfolgreiche Durchführung ersterer führt die Nichtigkeit des Beschlusses herbei. Sie unterscheiden sich auch im Grunde nur graduell, denn beide beruhen auf Rechtsverletzung, aber die Nichtigkeit auf einer solchen, bei der das öffentliche Interesse in Mitleidenschaft gezogen ist. Dementsprechend kann sich auf eine solche Nichtigkeit jedermann ohne weiteres berufen, während bei der Anfechtbarkeit, die auf einer Rechtsverletzung beruht, welche das öffentliche Interesse nicht betrifft, erst eine Vernichtung des Beschlusses durch Richterspruch herbeigeführt sein muß, bevor es jemand möglich wird, sich darauf zu berufen. Dieser Richterspruch, der den Beschluß vernichtet, muß aber ergehen, wenn die Vernichtung des Beschlusses begehrt wird. Zu diesem Begehren ist aber nicht jedermann sachberechtigt, da die Öffentlichkeit unbeteiligt ist, sondern nur ein bestimmter Personenkreis, bestehend aus den Aktionären, der Gesellschaft selbst, nämlich vertreten durch den Vorstand, und unter bestimmten Voraussetzungen den einzelnen Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates (§ 245). Verschieden von der Nichtigkeit selbst ist die Feststellung der Nichtigkeit, die natürlich auch bei von vornherein nichtigen Beschlüssen im Streitfall notwendig wird. Hier besteht hinsichtlich der Tragweite der Feststellung eine starke Annäherung der auf Nichtigkeitsklage oder auf Anfechtungsklage ergehenden Urteile, denn die Bestimmung über die Nichtigkeitsklage (§ 249) verweist auf § 248, der die Bestimmungen über die Nichtigkeitswirkung eines Urteils, das auf Anfechtungsklage ergangen ist, beinhaltet. Wenn die Nichtigkeit durch Richterspruch auf eine Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage des Vorstandes, eines Aktionärs, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds hin ausgesprochen wird, wirkt die Feststellung gegen jedermann. Die Feststellung der Nichtigkeit, die auf Klage eines anderen hin erfolgt, wirkt nur gegenüber diesem. Diese Regelung beruht darauf, daß es untunlich wäre, die Feststellung der ursprünglichen Nichtigkeit durch Urteil auf Nichtigkeitsklage hin eine geringere Tragweite einzuräumen, als der Vernichtung eines Beschlusses infolge einer Anfechtungsklage, wenn das Klagebegehren von demselben Personenkreis ausgeht. 1353

§ 243 Anna. 1 , 2

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Nach § 244 kann die Anfechtung nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der anfechtbare Beschluß durch einen neuen Beschluß der Hauptversammlung bestätigt wird. II. Beschluß der Hauptversammlung Anm. 2: Für die Frage, was unter Beschluß der Hauptversammlung im Sinne der Vorschriften zu verstehen ist, kann auf Anm. 5 des § 241 verwiesen werden. Schon jeher hat die Frage eine Rolle gespielt, ob ein ablehnender Beschluß anfechtbar ist. Die Frage wurde vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung bejaht (vgl. RG in JW 36, 919). Es ist aber nicht etwa so, daß im Falle erfolgreicher Anfechtung anstelle des ablehnenden Beschlusses ein positiver Beschluß gesetzt werden könnte, und zwar nach RG deshalb nicht, weil dadurch die Anfechtung des positiven Beschlusses beeinträchtigt würde (RG 76,248; 142,123; jedoch anders RG 122,107; ausdrücklich aufgehoben in RG 146, 71, 73; a. A. Ciaren in ZAK 1937, 492; auch Schilling in Großkomm. § 200 AktG 37 Anm. 3). Zuweilen stellt die Anfechtung eines ablehnenden Beschlusses in Wahrheit nichts anderes dar als das Begehren festzustellen, daß ein Antrag angenommen worden sei und demnach ein positiver Beschluß vorliege. Dies ist dann der Fall, wenn behauptet wird, das verkündete Ergebnis beruhe darauf, daß Neinstimmen zu Unrecht mitgezählt worden seien, insbesondere, weil sie von Nichtstimmberechtigten abgegeben worden seien. Hier liegt eine Feststellungsklage vor, welche an sich nicht Widerspruch zur Niederschrift und Fristeinhaltung zur Voraussetzung hat (ebenso B.-H. § 248 Rn 5; dagegen RG 142, 123). Allerdings ist zu beachten, daß daneben aber Anfechtung des als solchen verkündeten Beschlusses auch unter den angegebenen Umständen erforderlich ist. Dies ist wichtig sowohl wegen der Voraussetzung des Widerspruches zur Niederschrift und der zeitlich begrenzten Zulässigkeit als auch wegen der verschiedenen Urteilswirkungen, die zwar einerseits Rechtskraft gegen alle schafft, aber nach demselben Urteil auch bei erfolgreicher Anfechtungsklage nicht zuläßt, das positive Erkenntnis an die Stelle des Beschlusses zu setzen. Auch Wahlen können angefochten werden, auch die Wahl des Abschlußprüfers, trotz des daneben möglichen Widerspruchsverfahrens nach § 163 (RG in HRR 37, Nr. 14). Über den Einfluß der Verschmelzung und Umwandlung auf die Anfechtung der Beschlüsse vgl. die Anmerkungen zu §§ 346 und 369. Auf die Anfechtung der Sonderbeschlüsse finden die Bestimmungen über die Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung Anwendung (§ 138). Beschlüsse, die als solche und als zustande gekommen verkündet worden sind, können nach der Rechtsprechung nicht anders als durch Anfechtungsklage beseitigt werden, sofern sie nicht nach § 241 nichtig sind, auch wenn sie nicht mit der durch Gesetz oder Satzung vorgeschriebenen Mehrheit zustande 1354

Anfeditungsgründe

§ 243 Anm. 2,3

gekommen sind (RG 142, 126; 166, 185; BGH 14, 267). Diese der Verkündung durch den Vorsitzenden beigemessene Bedeutung wiegt um so schwerer, als gleichfalls nach der Rechtsprechung des R G eine erfolgreiche Anfechtung gegen einen falsch verkündeten Beschluß nicht zur richterlichen Feststellung des wirklich gefaßten Beschlusses führt. III. Reditssdiutzinteresse Anm. 3: Ein persönliches Interesse des Anfechtungsklägers an der Vernichtung braucht nicht zu bestehen (RG 145, 336; BGH 43, 265 für die GmbH), insbesondere kein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO, da die Anfechtungsklage keine Feststellungsklagt, sondern eine gestaltende Klage ist. Das Rechtsschutzinteresse des Aktionärs liegt allein schon in seiner Mitgliedschaft begründet, vermöge deren ihm die Befugnis eingeräumt ist, zur Wahrung der Ordnung gegen die Beschlüsse der Gesellschaft anzugehen, die mit Gesetz oder Satzung nicht im Einklang stehen, mögen sie ihm auch keinen Nachteil bringen (RG 146, 295). Sogar wenn ein Aktionär für den Beschluß gestimmt hat, ist er nicht gehindert, ihn anzufechten, wenn er alsbald nach der Abstimmung anderen Sinnes wird und noch rechtzeitig Widerspruch zur Niederschrift erklärt (RG in H R R 35, 1145). Auch durch die Erklärung des Vorstandes, daß er den Beschluß nicht ausführen werde, ist der Anfechtungskläger nicht klaglos gestellt, weil eine solche Erklärung den Beschluß nicht beseitigen kann, wie ein Urteil gemäß § 248 (RG J W 38, 750) und aus demselben Grunde ebensowenig ein außergerichtliches Anerkenntnis. Immerhin ist das Anfechtungsrecht nicht jedermann gegeben, sondern nur dem Personenkreis, der an der Gesellschaft selbst und deshalb auch an ihren Beschlüssen unmittelbar interessiert ist. Daß es den Angehörigen dieses Kreises gegeben ist, kann nur den Sinn haben, daß bei diesen Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft ein Rechtsschutzbedürfnis unterstellt wird (BGH 43, 265). Wo ein solches gar nicht bestehen kann, müßte die Klage abgewiesen werden. Besonders bei der Anfechtung ablehnender Beschlüsse ist ein gewisses Rechtsschutzbedürfnis zu fordern (RG in J W 36, 919; R G 166, 188; BGH in WP 64, 1168). Die Klage ist ferner als unzulässige Rechtsausübung, d. h. als Unrecht abzuweisen, wenn die Gesellschaft den Nachweis erbringt, daß der Anfechtungskläger eigensüchtige, gesellschaftsfremde Interessen verfolgt (RG 146, 395; B G H a. a. O.). Dies ist um so mehr anzunehmen, als die Verfolgung solcher Interessen bei der Abstimmung durch den Anfechtungskläger selbst ein Anfechtungsgrund wäre. Diese Voraussetzung braucht nicht schon deshalb zuzutreffen, weil der Anfechtungskläger anstrebt, seinen Einfluß durch einen Sitz im Aufsichtsrat zu vergrößern. Nach R G 134, 262; 146, 395 findet die Anfechtungsbefugnis ihre Schranke in der von uns bestrittenen Treuepflicht (s. Anm. 3 bis 5 zu § 1) des Aktionärs und in dem Grundsatz von Treu und Glauben. Nur reicht nach 1355

§ 243 Anm. 3,4

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen

dem Vorgesagten der Mangel des persönlichen Interesses des Aktionärs an der Vernichtung des Beschlusses für sich allein nicht aus, um seine Anfechtungsklage als Verstoß gegen Treu und Glauben darzustellen. Dagegen liegt ein solcher nicht nur bei erpresserischer Verfolgung eigensüchtiger, gesellschaftsfremder Interessen, sondern auch dann vor, wenn der Kläger aus Spott oder Manie Anfechtungsklagen geschäftsmäßig erhebt (RG a. a. O.). Letzterenfalls fehlt es schon am Rechtsschutzinteresse. Es spielt keine Rolle, ob der Beschluß im Interesse der Gesellschaft liegt oder nicht. Dieser Gesichtspunkt für sich allein kann weder dazu führen, die Anfechtungsklage zu begründen, noch sie abzuweisen. IV. Anfechtung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung Anm. 4: Begründet ist die Anfechtungsklage immer nur dann, wenn der Beschluß durch seinen Inhalt, Zwedc oder Zustandekommen das Gesetz oder die Satzung verletzt. Unter Verletzung des Gesetzes sind in erster Linie Verstöße gegen Bestimmungen dieses Gesetzes einschließlich der Strafbestimmungen zu verstehen. Daneben sind hierunter jedoch auch Verstöße gegen Bestimmungen anderer Gesetze als des Aktienrechtes zu verstehen, auch gegen Handelsgewohnheitsrecht, da unter Gesetz jede Rechtsnorm, regelmäßig auch eine bloße Sollvorschrift, zu verstehen ist. In Frage kommt insbesondere die Nichtbeachtung der Vorschriften für das Zustandekommen eines Beschlusses über die Einberufung (§ 121 I V ; über Verletzung der Vorschriften der §§ 121 II und I I I vgl. § 241), fehlerhafte Aufstellung des Teilnehmerverzeichnisses (§ 129), Verletzung des Rechtes des Aktionärs auf Anwesenheit (vgl. R G in J W 31, 2961; Westrick in BB 58, 395), Abgabe seiner Stimmen, Verletzung des Auskunftsrechts (§ 131; vgl. B G H 32, 159), wobei zu beachten ist, daß evtl. der Anfechtungsrechtsstreit auszusetzen ist, nämlich dann, wenn ein Verfahren nach § 132 eingeleitet worden ist. Ferner kommt Nichtbeachtung von besonderen Mehrheitserfordernissen für bestimmte Arten von Beschlüssen, z. B. Satzungsänderungen in Frage. Materiellrechtliche Vorschriften, auf deren Verletzung die Anfechtung begründet zu werden pflegt, sind namentlich der Grundsatz der Gleichberechtigung (RG 68, 213; 113, 156; 119, 228; 120, 180 und 373; D J 38, 72), das Verbot der Verfolgung gesellschaftsfremder Vorteile bei der Abstimmung (Abs. 2), die Vorschrift über die Entlastung, aber auch die guten Sitten. Ein Beschluß, der seinem Inhalt nach gegen die guten Sitten verstößt, ist nach § 241 Nr. 4 nichtig (vgl. dort Anm. 11). Ist ein Beschluß seinem Inhalt nach indifferent, verstößt er jedoch seinem Gesamtcharakter nach, der sich aus Inhalt, Beweggrund, Zweck ergibt, gegen die guten Sitten, z. B., indem die Mehrheit bewußt eigensüchtig die Interessen der Minderheit gröblich verletzt, ohne daß es das Interesse der Gesellschaft erheischt, so kommt entsprechend der bisherigen Rechtsprechung (RG 107, 74) Anfechtbarkeit in Frage. Das 1356

Anfechtungsgründe

§243

Anm. 4,5

gilt auch, wenn der Verstoß gegen die guten Sitten in der Art des Zustandekommens des Beschlusses begründet ist (RG 9 1 , 3 2 4 ; 115,383; 124, 306; 131,145; 166,128; vgl. auch R G 12,114; 113,188). Durch Verstöße dieser Art kann, wenn die Vertretungsorgane der Gesellschaft daran beteiligt sind, eine Verpflichtung der Gesellschaft zum Schadenersatz gegenüber den geschädigten Aktionären aus §§ 826, 831 BGB herzuleiten sein, die sie neben der Anfechtungsbefugnis, also auch nach Versäumung der Anfechtungsfrist geltend machen können und die auf Unterlassung des Beschlusses (einstweilige Verfügung) gehen kann (RG Warn. 42, 86). Bei Verletzung der Satzung ist maßgebend die z. Z. des Beschlusses gültige Satzung; bei der Auslegung ihrer Bestimmung ist die Verkehrssitte zu berücksichtigen. Es kann auch die Verletzung von Sollvorschriften zur Anfechtung genügen. Auch die Verletzung derjenigen Vorschriften, deren Verletzung die Nichtigkeit begründet, kann durch Anfechtungsklage verfolgt werden ( J W 32, 1649), allerdings dann nur mit den Voraussetzungen der Anfechtungsklage. Insbesondere ist es nicht statthaft, der Anfechtungsklage nach Ablauf der Monatsfrist Nichtigkeitsgründe nachzuschieben, auch nicht im Einvernehmen mit der Gesellschaft (RG in H R R 33, Nr. 941). Handelt es sich um die Verletzung einer Vorschrift über das Zustandekommen der Hauptversammlungsbeschlüsse, so braucht der angefochtene Beschluß nicht auf dieser Verletzung zu beruhen. Der Nachweis eines solchen ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Verletzung und dem Zustandekommen des Beschlusses ist nicht erforderlich. Doch ist von der Rechtsprechung umgekehrt die Anfechtbarkeit immer dann verneint worden, wenn der sichere Nachweis erbracht wurde, daß der Beschluß nicht auf der Verletzung beruhen kann. Die Beweislast trägt die Gesellschaft (RG 167, 165; B G H 36, 121). Eine Ausnahme gilt nach Abs. 4 für den Fall, daß die Anfechtung auf die Verweigerung der Auskunft (§ 131) gestützt wird (s. Anm. 8). V. Anfechtung wegen Mißbraudis des Stimmrechts Anm. 5: Während der besondere Anfechtungsgrund des § 197 II AktG 37 sich tatbestandsmäßig eng an § 101 AktG 37 anlehnte, so ist das jetzt insofern nicht mehr der Fall, als der entsprechende § 243 II die Anfechtung nur dann zuläßt, wenn ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen sucht und die besondere Schadensersatzpflicht des § 117 (bisher § 101 AktG 37) nicht mehr zur Voraussetzung hat, daß der handelnde Aktionär sich oder einem Dritten Sondervorteile verschaffen will. Es genügt, wenn er unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates, einen Prokuristen oder einen Handlungsbevollmächtigten dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln. Sowohl im alten wie im neuen Recht gelten 1357

§ 243

Anm. 5

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

diese Grundsätze jedoch dann nicht, wenn die Einflußnahme durch Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erfolgt (jetzt § 117 VII N r . 1), weil grundsätzlich die Freiheit des Aktionärs bei der Stimmrechtsausübung nicht beschränkt sein soll. Trotz des sich jetzt nicht mehr voll deckenden Sachverhaltes soll der Anfechtungstatbestand im Abs. 2 die dadurch klaffende Lücke schließen, indem der Mißbrauch der Stimmrechtsausübung, um Vorteile zum Schaden der Gesellschaft zu erlangen, zum Anfechtungsgrund erklärt wird. Die Anfechtbarkeit hat subjektive und objektive Voraussetzungen. Die subjektive Voraussetzung besteht in der Absicht des Aktionärs, einen Sondervorteil zum Schaden der Gesellschaft zu erlangen. Es ist nicht erforderlich, daß eigene Sondervorteile angestrebt werden. Es kann sich auch um Vorteile eines Dritten, insbesondere auch um die eines anderen Unternehmens, handeln. Eine Kenntnis des Dritten von der Absicht des Aktionärs ist nicht erforderlich. H a t er Kenntnis, so kommt seine Haftung nach § 117 in Frage, sofern er den Aktionär vorsätzlich veranlaßt hat, entsprechend von seinem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Der Vorteil muß ein Sondervorteil sein, d. h. der nicht allen zufließt, die sich der Gesellschaft gegenüber in derselben Lage befinden (Baumbadi-Hueds Rn 10). Er muß zum Schaden der Gesellschaft angestrebt werden. Es wird nicht gesagt werden können, daß ein unmittelbares ursächliches Verhältnis zwischen Vorteil und Schaden bestehen muß, etwa daß einem aus dem Vermögen der Gesellschaft erlangten Wert eine Minderung des Gesellschaftsvermögens unmittelbar gegenübersteht. Es ist auch nicht erforderlich, daß der Beschluß sich als ein Mittel zu dem angestrebten Zweck oder als ein Stützpunkt auf dem Wege zu diesem darstellt, wie etwa die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, welche einen gefügigen Vorstand einsetzen sollen, der die zu dem angestrebten Vorteil führende Handlung vornimmt. Es genügt, daß der angestrebte Sondervorteil sich in seinen mittelbaren, auch entfernten Folgen schädlich für die Gesellschaft oder ihre oder einzelne ihrer Aktionäre als solche auswirkt. Aber der Vorsatz des Aktionärs, d. h. seine Vorstellung von dem Ablauf, muß diese Auswirkung mit umfassen, (a. A. B.-H. Rn 10, der sich auf die m. E. nicht zutreffende Begründung des Reg. Entw. bezieht). In dieser Hinsicht genügt Eventualvorsatz. Eine Einschränkung dieser weiten Auslegung ergibt sich von selbst praktisch durch die Frist des § 246 I. Danach müssen Vorstand und Aktionäre verhältnismäßig schnell die Ziele des abstimmenden Aktionärs und die Folgen des angestrebten Sondervorteils erkennen, so daß zu entfernt liegende Folgen schon aus diesem Grunde ausscheiden. Der Vorteil braucht kein Vermögensvorteil, der Schaden kein Vermögensschaden zu sein. Er kann auch in einer Verschiebung der Stimmenmacht bestehen. Nur ist bei der Gesellschaft nicht gut ein Schaden vorstellbar, der 1358

Anfechtungsgründe

§243 Anm. 5« 6

nicht wenigstens mittelbar Vermögensschaden werden kann. Auch ein ideeller Schaden kommt bei der Gesellschaft als Schaden nur in Frage, wenn er wirtschaftliche Wirkung hat. Neben dem subjektiven Moment der Absicht des Täters, einen Sondervorteil zum Schaden der Gesellschaft zu erzielen, muß auch objektiv der Beschluß geeignet sein, den angestrebten, für die Gesellschaft schädlichen, Sondervorteil zu bringen. Er braucht nicht geeignet zu sein, selbst unmittelbar schädlich zu wirken. Während nach dem bisherigen Recht die Anfechtung dann nicht gegeben war, wenn der angestrebte Sondervorteil schutzwürdigen Belangen dient — die sogenannte Konzernklausel — so ist nach den neuen Bestimmungen die Anfechtbarkeit dann nicht gegeben, wenn der Beschluß den anderen Aktionären einen angemessenen Ausgleich für ihren Schaden gewährt. Dies ist der gleiche Grundsatz, der im Konzernrecht gilt, insbesondere beim Abschluß von Unternehmensverträgen nadi § 291, den Beherrschungsverträgen und Gewinnabführungsverträgen. In diesen Fällen ist nach § 304 ein angemessener Ausgleich in den Verträgen festzusetzen. Für die „anderen Unternehmensverträge" des § 292 gilt dies jedoch nicht; sondern, da diese der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen, wird die vorliegende Bestimmung dort praktisch werden. Darüber, wann ein Ausgleich als angemessen anzusehen ist, vgl. die Anm. zu § 304. Die Nachprüfung, ob der Ausgleich angemessen ist, kann bei diesen Unternehmensverträgen (§ 292) nicht nach § 304 I I I bis V, die nur für Verträge nach § 291 anwendbar sind, erfolgen. Insbesondere kann nicht etwa im Wege der Vereinbarung die Anfechtbarkeit des Beschlusses ausgeschlossen und die Aktionäre auf das Verfahren nach § 306 verwiesen werden. Das Recht auf Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 243 II kann nidit ausgeschlossen werden. Auch eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 304 I I I S. 2 ist nidit möglich, da der § 304 sich nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Ausgleichszahlung bezieht, nicht auf eine freiwillig angebotene. Nur beim Beherrschungsvertrag und beim Gewinnabführungsvertrag ist vom Gesetz eine Ausgleichszahlung vorgeschrieben. Wird sie bei anderen Unternehmensverträgen angeboten, so trifft § 243 II zu, es muß aber die Frage, ob der Ausgleich angemessen ist, im Anfechtungsprozeß entschieden werden und nicht in dem besonderen Verfahren nach § 306. VI. Eintragung anfechtbarer Beschlüsse Anm. 6: Eintragung hindert die Anfechtung nicht. Die Stellung des Registergerichts zu anfechtbaren Beschlüssen, welche eintragungsbedürftig und -fähig sind, hängt zunächst davon ab, ob für ihn der Anfechtungsgrund und die Anfechtbarkeit bei der Prüfung erkennbar ist, die er selbstverständlich vor Eintragung anzustellen hat. Ist dies der Fall und (oder) Widerspruch zur Niederschrift eingelegt, so wird der Registerrichter die Eintragung nur dann 1359

§ 243

Anm. 6,7

Nichtigkeit von H a u p t v e r s a m m l u n g s b e s d i l ü s s e n

nicht auszusetzen haben, wenn offensichtlich die Anfechtungsklage aussichtslos ist. In Wahrheit handelt es sich unter letzterer Voraussetzung nicht um anfechtbare Beschlüsse, sondern um solche, deren Anfechtbarkeit von einem Aktionär grundlos behauptet wird. In anderen Fällen wird dagegen die Aussetzung bis zum Ablauf der Monatsfrist regelmäßig notwendig sein. Nach Ablauf der Monatsfrist, wenn niemand Anfechtungsklage erhoben hat oder nach Abweisung der Anfechtungsklage, wenn eine Vernichtung des Beschlusses durch Urteil nicht mehr möglich ist, ist der Beschluß in jedem Falle einzutragen ( K G J 39 A 122). Im Falle vorzeitiger Eintragung eines anfechtbaren Beschlusses kann jeder Aktionär Beschwerde einlegen ( K G J 34 A 166; a. A. Schl.-Qu. § 196, Anm. 8) und Löschung der Eintragung verlangen ( K G J 28 A 230), vorausgesetzt, daß der Beschluß zwingende, wenn auch nicht die in § 241 genannten Vorschriften verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich ist (§ 144 II FGG). § 139 BGB ist auf Eintragung nicht anwendbar (RG 132, 22). Es kann daher nicht ein unanfechtbarer eingetragener Beschluß gelöscht werden, weil er mit einem zu löschenden zusammenhängt. Vor der Eintragung aber kann auf den Zusammenhang Rücksicht genommen werden. VII. Ausschluß der Anfechtung wegen Verletzung des § 128 Anm. 7: Nach § 128 sind Kreditinstitute, die Aktien im Depot haben, zu zweierlei Mitteilungen verpflichtet. In allen Fällen haben sie die Mitteilungen, die ihnen der Vorstand der Gesellschaft nach § 125 I binnen zwölf Tagen nach der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger zuzuleiten hat, an die Aktionäre weiterzuleiten, deren Aktien sie im Depot haben. Das sind neben dem Inhalt der Bekanntmachung etwaige Anträge von Aktionären nach § 126 oder Wahlvorschläge von Aktionären nach § 127. Eine weitere Mitteilungspflicht haben sie dann, wenn sie beabsiditigen, in der Hauptversammlung das Stimmrecht für die Aktionäre auszuüben oder ausüben zu lassen. Sie müssen dann zusätzlich Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung den Aktionären mitteilen und diese um Erteilung von Weisungen für die Ausübung des Stimmrechtes bitten (§ 128 II). Die gleiche Verpflichtung betrifft Vereinigungen von Aktionären, sofern deren Mitglieder diese Mitteilung verlangen. Die Verletzung dieser Bestimmung des § 128 ist eine Verletzung des Gesetzes, die an sich zur Anfechtung berechtigen würde. Es handelt sich aber hier um Vorgänge, mit denen die Gesellschaft nichts zu tun hat, sie spielen sich zwischen dem Kreditinstitut und dem Aktionär als Kunden des Kreditinstitutes ab. Aktienrechtlich spielen sie nur wegen der Ausübung des sogenannten Depotstimmrechts eine besondere Rolle. Da die Gesellschaft keine Möglichkeit hat, diese Vorgänge in irgendeiner Weise zu kontrollieren, wäre es eine unbillige 1360

Anfechtungsgründe

§ 243 Anm. 7,8

Belastung für die Gesellschaft, wenn man es bei der grundsätzlichen Regelung des § 243 I belassen würde. Deshalb bestimmt Abs. 3 ausdrücklich, daß, obwohl eine Verletzung des Gesetzes vorliegt, eine Anfechtung darauf nicht gestützt werden kann. Das gleiche wird man mit Obermüller-Werner-Winden (S. 139) bei Verletzung der Stimmabgabe mit Rücksicht auf § 135 V annehmen können. Dagegen begründet die Verletzung der Mitteilungspflichten nach §§ 125 bis 127 nach § 243 I die Anfechtung, da es sich hierbei um Pflichten handelt, die der Gesellschaft selbst obliegen.

VIII. Sonderbestimmung bei Verweigerung einer Auskunft Anm. 8: Wird die Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung darauf gestützt, der Beschluß wäre nicht oder nicht in dieser Form zustande gekommen, wenn nicht die von einem Aktionär erbetene Auskunft verweigert worden wäre (vgl. BGH 36,121), so hat zwar der Kläger nicht den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Verweigerung der Auskunft und dem Zustandekommen des Beschlusses zu beweisen. Es kann ihm aber die Gesellschaft einwenden, der Beschluß könne nicht auf der Verletzung beruhen (OLG Düsseldorf in Die AktGes 68, 20). Hierfür trägt sie die Beweislast (vgl. oben Anm. 2), die sie vielfach dadurch zu erfüllen sucht, daß sie einen neuen Hauptversammlungsbeschluß veranlaßt, in dem die Mehrheit feststellt, daß sie ihren Beschluß unabhängig von der Verweigerung der Auskunft gefaßt hat. Ein solches Vorgehen wird durch die neue Bestimmung ausdrücklich ausgeschlossen. Weder ein Hauptversammlungsbeschluß dieser Art noch die Erklärung von Aktionären im gleichen Sinne haben eine rechtliche Bedeutung. Unberührt bleibt von dieser Vorschrift des Abs. 4 die Bestimmung des § 132, wonach darüber, ob der Vorstand die verlangte Auskunft zu geben hat, ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, entscheidet. Ist ein Verfahren nach § 132 anhängig, muß bis zur Entscheidung in diesem Verfahren der Anfechtungsprozeß ausgesetzt werden. Wenn jedoch ein Verfahren nach § 132 gar nicht in Gang gesetzt ist, so kann dennoch der Anfechtungsprozeß durchgeführt werden, denn das Verfahren nach § 132 zielt darauf ab, daß eine zu Unrecht verweigerte Auskunft erteilt wird, während es sich im Anfechtungsprozeß darum handelt, ob die Verweigerung einer Auskunft die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses zur Folge hat. Zu beachten ist die Möglichkeit, den anfechtbaren Beschluß nach § 244 bestätigen zu lassen. Will der die Auskunft begehrende Aktionär diesen Bestätigungsbeschluß verhindern, so muß er in der hierfür einberufenen Hauptversammlung seine Frage erneut stellen.

1361

§ 244

Anm. 1

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen

§ 244 Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse Die Anfeditung kann nidit mehr geltend gemacht werden, wenn die Hauptversammlung den anfechtbaren Beschluß durch einen neuen Beschluß bestätigt hat und dieser Beschluß innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. Hat der Kläger ein rechtliches Interesse, daß der anfechtbare Beschluß für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluß für nichtig erklärt wird, so kann er die Anfeditung weiterhin mit dem Ziel geltend machen, den anfechtbaren Beschluß für diese Zeit für nichtig zu erklären. I. Übersidit (Anm. 1) II. Bestätigungsbeschluß (Anm. 2)

III. Zeitliche Wirkung des Bestätigungsbeschlusses (Anm. 3)

I. Übersicht Anm. 1: Nach bisherigem Recht war im wesentlichen unstreitig, daß der Anfechtungskläger zwar kein Feststellungsinteresse nach § 256 Z P O nachweisen müsse, daß aber doch ein Rechtsschutzinteresse vorliegen müsse, das allerdings bei dem zur Anfechtung befugten Personenkreis aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft zu unterstellen sei. Wenn aber ein solches gar nicht bestehen kann, so müsse die Klage abgewiesen werden (vgl. § 243 Anm. 3). Einen solchen Fall sah man insbesondere dann für gegeben an, wenn der anfechtbare Beschluß bereits durch einen unanfechtbaren bestätigt wurde. Allerdings hatte eine solche Bestätigung keine rückwirkende Kraft. Dies letztere konnte zu Schwierigkeiten führen, insbesondere wenn ein Kapitalerhöhungsbeschluß angefochten wurde, nachdem er bereits in das Handelsregister eingetragen worden war. Eine Wiederholung des anfechtbaren Besdilusses hätte den alten nicht beseitigt, sondern es wäre dann eine weitere Kapitalerhöhung erfolgt. Die Beseitigung der Folge des anfechtbaren, bereits eingetragenen Beschlusses hätte nur durch eine Kapitalherabsetzung erfolgen können. Diese Schwierigkeiten haben zu der neuen Bestimmung geführt, durch die es möglich gemacht wird, anfechtbare Hauptversammlungsbeschlüsse durch einen neuen Beschluß in der Weise zu bestätigen, daß diese Bestätigung rückwirkende Kraft hat. Der Anfechtungskläger kann seine Klage vom Bestätigungsbeschluß an nicht mehr weiterführen, es sei denn, er hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß der anfechtbare Beschluß für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluß für nichtig erklärt wird. Es ist zu beachten, daß die bisherige Rechtsprechung (s. B G H 15, 332; 21, 352) und Literatur (Fischer in Lind. Möhr, zu § 197, Nr. 4; Pohle in Die AktGes. 1957, 45; Merstmäcker in JZ 1957, 180; Kuhn in WM 1957, 1145; sowie die Kommentare zum bisherigen Recht) für den Bestätigungsbeschluß 1362

Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse

§ 244 Anm. 1,2

nach neuem Recht nicht mehr angewendet werden kann, sondern lediglich für die vor dem 1.1.1966 gefaßten Beschlüsse. II. Bestätigungsbesdiluß Anm. 2: Der Bestätigungsbeschluß ist von der Hauptversammlung mit der gleichen Mehrheit zu fassen, die für den angefochtenen Beschluß nach Gesetz oder Satzung vorgeschrieben ist. Gleichgültig ist, ob die Anfechtung darauf gestützt wird, daß der Beschluß nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist oder darauf, daß er durch seinen Inhalt anfechtbar ist. Im ersteren Fall ist es verhältnismäßig einfadi, einen Bestätigungsbeschluß fassen zu lassen, der unangreifbar ist, wenn beispielsweise beim ersten Beschluß die Einberufungsvorschriften für die Hauptversammlung nicht ordnungsgemäß eingehalten wurden, oder, wenn die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Erfordernisse für sein Zustandekommen nicht beachtet wurden, so kann man in einer ordnungsgemäß einberufenen Hauptversammlung oder unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Erfordernisse für das Zustandekommen des Beschlusses nunmehr einen Bestätigungsbesdiluß fassen lassen, der zwar theoretisch, aber praktisch kaum angreifbar sein wird. Anders ist es, wenn der erste Beschluß wegen seines Inhaltes angefochten wurde. Dann kann auch der Bestätigungsbeschluß mit der gleichen Begründung angefochten werden wie der erste. Die formellen Voraussetzungen für eine Anfechtung (z. B. Widerspruch zur Niederschrift) müssen jedoch auch hinsichtlich des Bestätigungsbeschlusses vorliegen. Wird die Anfechtungsklage nicht innerhalb der Monatsfrist des § 246 I erhoben, so hat dies die Wirkung, daß die Anfechtung des ersten nicht mehr geltend gemacht werden kann, gleichgültig, ob der Bestätigungsbeschluß die gleichen Anfechtungsmöglichkeiten besitzt oder nicht, denn dadurch, daß er nicht innerhalb der Frist angefochten worden ist, ist er voll gültig geworden. Die Wirkung dieser Gültigkeit besteht darin, daß die Anfechtbarkeit des ersten nicht mehr geltend gemacht werden kann. Damit gilt dieser als von Anfang an rechtswirksam. Ist er inzwischen eingetragen worden, so steht damit fest, daß die Eintragung in Ordnung ist (a. A. B.-H. Rn 7, der unter Berufung auf die u. E. nicht mehr anwendbare Rechtsprechung zum alten Recht eine selbständige Anfechtung des Bestätigungsbeschlusses trotz der Formulierung des Gesetzes „Die Anfechtung kann nicht mehr geltend gemacht werden, . . f ü r entbehrlich hält, wenn dieser die gleichen Mängel aufweist wie der bestätigte Beschluß). Wird der Bestätigungsbeschluß angefochten, so bleibt die Bestätigungswirkung aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung in der Schwebe. Das hat zur Folge, daß die Anfechtung des ersten Beschlusses weiter geltend gemacht werden kann. Das mit der Anfechtungsklage gegen den ursprünglichen Beschluß befaßte Gericht wird jedoch, wenn es an sich die Anfechtung für begründet hält und damit seine Entscheidung von der Wirksamkeit des 1363

§ 244 Anm. 2,3

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Bestätigungsbeschlusses abhängig ist, sein Verfahren bis zum Abschluß des über den Bestätigungsbeschluß anhängigen Anfechtungsverfahrens auszusetzen haben (§ 148 ZPO). Ist eine gegen den Bestätigungsbeschluß erhobene Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden, so tritt die Bestätigungswirkung ein. Dasselbe wird man, obwohl es im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt ist, annehmen können, wenn sich die Anfechtung gegen den Bestätigungsbeschluß auf andere Weise, also z.B. durch Klagerücknahme, erledigt, denn auch dann erhält der Beschluß nach allgemeinen Gesichtspunkten volle Wirksamkeit. Das Eintreten der Bestätigungswirkung hat zur Folge, daß der Anfechtungsprozeß hinsichtlich des ersten Beschlusses nicht weitergeführt werden kann. Die Klage ist abzuweisen, wenn nicht rechtzeitig der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt. Alsdann ist über die Kosten nach § 91 a ZPO zu entscheiden. Der Anfechtungsprozeß kann auch dann fortgesetzt werden, wenn sich ergibt, daß der Bestätigungsbeschluß nach § 241 nichtig ist. Nach § 249 I S. 2 kann die Nichtigkeit auch auf andere Weise als durch Erhebung der Klage geltend gemacht werden. Sie kann also in einem solchen Fall im Anfechtungsprozeß über den ersten Beschluß dadurch geltend gemacht werden, daß der Anfechtungskläger das Verfahren fortsetzt. Alsdann muß das Gericht über die Frage der Nichtigkeit nach § 241 mit Ausnahme des Nichtigkeitsgrundes nach Nr. 5 in dem Verfahren über die Anfechtung des ursprünglidien Beschlusses entscheiden. Es hat aber nicht die Möglichkeit, im Rahmen dieses Verfahrens zu prüfen, ob die Anfechtung des Bestätigungsbeschlusses begründet ist. Hierüber kann nur in dem zweiten Anfechtungsprozeß über den Bestätigungsbeschluß entschieden werden. Das Gericht im ersten Anfechtungsprozeß ist an diese Entscheidung gebunden (§ 248). III. Zeitliche Wirkung des Bestätigungsbeschlusses Anm. 3: Die Anfechtung kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der anfechtbare Beschluß durch einen neuen Beschluß bestätigt ist. Die zeitliche Wirkung wird nach der einen Richtung erweitert, und zwar dadurch, daß auch eine berechtigte Anfechtung vom Augenblick der Wirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses an nicht mehr weiterverfolgt werden kann. Sie wird auf der anderen Seite dahin eingeengt, daß erst dann die Bestätigungswirkung eintritt, wenn feststeht, daß der Bestätigungsbeschluß nicht angefochten wird oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen oder sonst endgültig erledigt ist. Ergibt sich die Rechtsbeständigkeit des Bestätigungsbeschlusses, so ist vom Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses ab für die dann folgende Zeit die Rechtslage geklärt, was aber letztlich noch nichts für den Zwischenzustand zwischen dem ersten Beschluß und dem Bestätigungsbeschluß besagt. So wie die Frage, ob die Anfechtung des ersten Besdilusses begründet war, in dem schwebenden Anfechtungsprozeß auch nach wirksamer Bestätigung 1364

Anfechtungsbefugnis

§§244/245 Anm. 3

des Beschlusses noch für die Kostentragungspflicht von Bedeutung sein kann und deshalb zu einer gerichtlichen Feststellung zwar nicht mehr der Nichtigkeit des Beschlusses aber zur Feststellung führt, ob der Beschluß bis zum Bestätigungsbeschluß anfechtbar war, was bejahendenfalls dazu führt, daß der Gesellschaft die Kosten auferlegt werden, so kann es auch aus anderen Gründen von Bedeutung sein, ob der Beschluß bis zu dem Bestätigungsbeschluß rechtswirksam war. Es kann Fälle geben, in denen der Anfechtungskläger ein schutzwürdiges Interesse daran hat, daß der angefochtene Beschluß für die Zeit bis zur Bestätigung für nichtig erklärt wird und erst von diesem Zeitpunkt an als wirksam zu behandeln ist. Wird z. B. das Dividendenvorrecht von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht herabgesetzt, gegen den Herabsetzungsbeschluß die Anfechtungsklage erhoben, und der Beschluß darauf von der Hauptversammlung bestätigt, so haben die Inhaber der Vorzugsaktie ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß der Herabsetzungsbeschluß gegen Gesetz oder Satzung verstieß und die Herabsetzung deshalb erst von dem Bestätigungsbeschluß an wirksam geworden ist. Dieses rechtliche Interesse ist auch schutzwürdig, weil die Vorzugsaktionäre eine Minderung ihrer Rechte erst dann hinzunehmen brauchen, wenn die gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen erfüllt sind. Um diese und ähnliche Fälle angemessen lösen zu können, bestimmt § 244 S. 2, daß in solchen Fällen der Anfechtungsprozeß mit dem Ziel weitergeführt werden kann, den anfechtbaren Beschluß für die Zeit bis zum Erlaß des Bestätigungsbeschlusses für nichtig zu erklären (vgl. Ausschußbericht).

1. 2.

3. 4. 5.

§ 245 Anfechtungsbefugnis Zur Anfechtung ist befugt jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, wenn er gegen den Beschluß "Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat; jeder in der Hauptversammlung nicht erschienene Aktionär, wenn er zu der Hauptversammlung zu Unrecht nicht zugelassen worden ist oder die Versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen oder der Gegenstand der Beschlußfassung nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden ist; im Fall des § 243 Abs. 2 jeder Aktionär; der Vorstand; jedes Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats, wenn durch die Ausführung des Beschlusses Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begehen oder wenn sie ersatzpflichtig werden würden. 1365

§ 245

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Anm. 1,2 I. Übersicht (Anm. 1) II. Anfechtung durch Aktionäre 1. Allgemeines (Anm. 2) 2. Der erschienene Aktionär (Anm. 3) 3. Der nicht erschienene Aktionär (Anm. 4)

III. Anfechtung durch den Vorstand (Anm. 5) IV. Anfechtung durch ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsiditsrates (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt den § 198 I AktG 37 mit geringfügigen sprachlichen und einer sachlichen Änderung. In Nr. 5 wird klargestellt, daß auch das Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates anfechten kann, das bei einer Ausführung des Beschlusses nicht persönlich strafbar oder ersatzpflichtig werden würde, es genügt, wenn ein Mitglied dies würde. II. Anfechtung durch Aktionäre 1. Allgemeines Anm. 2: Zur Anfechtung befugt sind die Aktionäre, und zwar auch die nicht stimmberechtigten. Sie müssen die Aktionäreigenschaf!: von der Hauptversammlung bis zur Beendigung des Rechtsstreites besitzen, anderenfalls die Klage abgewiesen werden muß, und zwar als Sachentscheidung. Verliert der Kläger während der Dauer des Rechtsstreits seine Aktionärseigenschaft, verliert er auch das Prozeßführungsrecht (BGH 43, 261). Zur Anfechtung berechtigt ist außer dem Inhaber der Aktie der Nießbraucher, ferner der Inhaber der elterlichen Gewalt für die seiner Verwaltung und Nutznießung unterliegenden Aktien, bei verpfändeten Aktien der Eigentümer, nicht der Pfandgläubiger, sofern nicht letzterem das Stimmrecht überlassen ist. Bei Miteigentum vgl. § 69. Es sind grundsätzlich die rechtlichen, nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend (BGH 24,119 ff.). Es ist zu unterscheiden zwischen den Aktionären, die in der Hauptversammlung erschienen sind (Nr. 1; s. Anm. 3) und zwischen denen, die nicht erschienen sind (Nr. 2; s. Anm. 4). In einem Sonderfall, nämlich, wenn ein Aktionär zum Schaden der Gesellschaft Sondervorteile zu erlangen suchte, sind nach Nr. 3 alle Aktionäre ohne Einschränkung und Bedingung zur Anfechtung berechtigt. Das bedeutet, daß auch der Aktionär, der in der Hauptversammlung anwesend war und keinen Widerspruch zu Protokoll erklärt hatte, den Beschluß anfechten kann, auch wenn er für ihn gestimmt hat. Grundsätzlich braucht der Aktionär, der anficht, kein persönliches Interesse an der Vernichtung des Beschlusses darzutun (RG 145, 336; 146, 335; BGH in WM 64, 1178; BGH 43, 201; § 243 Anm. 3). Eine Ausnahme gilt jedoch für Beschlüsse, die einen Antrag ablehnen. Eine Anfechtung ist auch dann nicht ausgeschlossen, es muß aber ein schutzwürdiges Interesse nachgewiesen werden (BGH in WM 1964, 1168; RG in JW 36, 920). 1366

Anfechtungsbefugnis

§245

Anm. 3,4 2. Der erschienene Aktionär Anm. 3: Voraussetzung für die Anfechtung durch einen erschienenen oder vertretenenen Aktionär (über Nichtzulassung zu einer Abstimmung und über Entfernung während einer solchen s. Anm. 4a, über Teilung des Aktienbesitzes s. Anm. 4b) ist, daß er gegen den Beschluß, den er anfechten will, Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, auch wenn die Hauptversammlung nicht gehörig berufen oder der Gegenstand der Beschlußfassung nicht gehörig angekündigt worden ist. Nicht vorausgesetzt ist, daß der Aktionär gegen den Beschluß gestimmt hat, auch nicht, daß er sich der Stimme enthalten hat. Er kann auch nachträglich anderen Sinnes werden (RG in H R R 35, 1145; bestr.; vgl. § 243 Anm. 3). Erst recht kann ein Aktionär Widerspruch erklären, der mit einem Teil seiner Stimmen für, mit einem anderen gegen den Beschluß gestimmt hat. Der Widerspruch kann vor und nach dem Beschluß erklärt werden. Richtet er sich jedoch nur gegen den Antrag, so muß er nach der Beschlußfassung nochmals wiederholt werden. Es muß klar zum Ausdruck kommen, daß er sich gegen den Beschluß als solchen richtet. Ein allgemeiner Widerspruch gegen alle Beschlüsse ist nur wirksam, wenn dies ausdrücklich betont wird. Nach reichsgerichtlicher Rechtsprechung (RG 30, 51; 36, 24) ist dies nur dann möglich, wenn die Anfechtung sich auf einen Vorgang stützt, der für alle Beschlüsse gleichermaßen gilt, also z. B. nicht ordnungsgemäße Einberufung. Dies halten wir nicht für zutreffend. Es ist ausreichend, wenn für jeden Beschluß ein Anfechtungsgrund vorliegt, denn Gründe brauchen bei Abgabe des Widerspruchs nicht angegeben zu werden, zumal sie bis zum Ablauf der Monatsfrist gewechselt werden können. Ein Stimmen gegen den Beschluß genügt nicht. Wer gegen den Beschluß gestimmt hat, sanktioniert ihn für seine Person dann, wenn er es unterläßt, zur Niederschrift zu widersprechen. Der Widersprechende darf den Beschluß nicht in irgendeiner Form nachträglich gutheißen (vgl. RG 33, 93). In der Abhebung der beschlossenen Dividende liegt kein Verzicht auf die Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses, ebensowenig in dem Bezug junger Aktien auf die Anfechtung des Kapitalerhöhu>ngsbeschlusses, ebensowenig geht die Anfechtung dadurch verloren, daß der Aktionär später für einen Beschluß stimmt, der sich auf dem angefochtenen aufbaut. Es ist nicht erforderlich, daß der Widerspruch in die Niederschrift aufgenommen wird. Es genügt, wenn er in so deutlicher Weise erklärt wurde, daß ein gewissenhafter Protokollführer sich kraft seines Amtes verpflichtet fühlen mußte, die Erklärung in das Protokoll aufzunehmen (RG 53, 293; Breslau OLG 34, 351; OLG Hamburg in Die AktGes 1960, 333). 3. Der nichterscbienene Aktionär Anm. 4: Der nichterschienene Aktionär ist zur Anfechtung befugt, a) wenn er zu Unrecht nicht zugelassen ist. 1367

§ 245 Anm. 4

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

b) wenn die Hauptversammlung nicht ordnungsgemäß berufen und der Beschluß nicht ordnungsgemäß angekündigt ist. Ein Recht der Teilung des Aktienbesitzes wie beim Stimmrecht kann hier nicht anerkannt werden, so daß ein Aktionär, der einen Teil seiner Aktien selbst vertreten hat oder durch einen Bevollmächtigten hat vertreten lassen, wegen seines unvertretenen Besitzes nicht als nichterschienen betrachtet werden kann. c) indem er als Streitgenosse (Nebenintervenient) der Anfechtungsklage eines anderen beitritt (§ 248 sowie § 66 ZPO). Zur Klagebegründung gehört, daß der Anfechtende schon zur Zeit des Hauptversammlungsbeschlusses Aktionär war. Z» a): Der Fall, daß ein Aktionär zu Recht bei der Hauptversammlung nicht zugelassen wird, kommt praktisch kaum vor. Denkbar sind Fälle, in denen der Eigentümer des Hauses oder der Vorsitzende dem Aktionär den Zutritt verweigert, oder der Vorsitzende ihn aus dem Saal verweist, oder daß die rechtzeitige Anmeldung oder Hinterlegung oder gar die Aktionäreigenschaft, z . B . der Bestand des geltend gemachten Aktienrechts, nicht anerkannt wird. Die Nichtzulassung zur Hauptversammlung darf nicht verwechselt werden mit dem Fall, daß ein Aktionär zu einer bestimmten Abstimmung nicht zugelassen wird. Letzterem Vorgang ist gleichzustellen die Abstimmung, während der Aktionär sich vorübergehend entfernt hat, wenn er dies gemeldet hat. In diesen beiden Fällen kommt nur Anfechtung nach Nr. 1, also mit Erklärung eines Widerspruchs zu Protokoll, in Frage. Über Ausschluß aus der Hauptversammlung s. § 1 1 9 Anm. 14. Ein Aktionär, der vor der Beschlußfassung zu Unrecht von der weiteren Teilnahme an einer Hauptversammlung ausgeschlossen ist, ist ohne Widerspruch zu Protokoll anfechtungsberechtigt (BGH 44, 250 = N J W 66, 43). Zu b): Die Verletzung einzelner Bestimmungen über die Einberufung hat die Nichtigkeit nach § 241 Nr. 1 zur Folge, nämlich dann, wenn die Einberufung von unzuständigen Personen erfolgt ist, oder wenn die Firma der Gesellschaft, ihr Sitz, Zeit oder Ort der Hauptversammlung nicht angegeben und die Einberufung nicht in allen Gesellschaftsblättern veröffentlicht ist (s. hierüber § 241 Anm. 6). Alle anderen Verstöße gegen die Bestimmungen über die Einberufung, also insbesondere gegen § 121 IV, §§ 123, 124 und 125, haben nur Anfechtbarkeit der Beschlüsse zur Folge. Trotzdem können sie von dem nicht erschienenen Aktionär geltend gemacht werden, auch wenn er von der Hauptversammlung Kenntnis gehabt hat. Dieser kann aber, wenn sie vorliegen, auch andere Anfechtungsgründe geltend machen, sogar ohne gleichzeitig aus ihnen die Anfechtbarkeit abzuleiten. 1368

Anfechtungsbefugnis

§245 Anm. 5

III. Anfechtung durch den Vorstand Anm. 5: Der Vorstand als Organ ist nach Nr. 4 ohne weitere Voraussetzung in allen Fällen zur Anfechtung berechtigt. Es bedarf hierzu eines Vorstandsbeschlusses. Gleichgültig ist es, ob die einzelnen Vorstandsmitglieder, sofern sie Aktionäre waren, dem Beschluß zugestimmt haben, auch ob der Vorstand als solcher mit dem Beschluß einverstanden war, auch ob seine Mitglieder zur Zeit des Beschlusses schon im Amt waren. Es braucht kein Widerspruch zu Protokoll erhoben zu werden. Bei der von ihm ausgehenden aktiven Anfechtung handelt der Vorstand nach außen durch so viele Personen wie zur Gesamtvertretung erforderlich sind (anders passiv, Anm. 4 zu § 246). Klagepartei ist der Vorstand in seiner jeweiligen Zusamensetzung während des Rechtsstreits. Ihr Wechsel ist für diesen belanglos. Nichtsdestoweniger hat der Vorstand, wenn er als Organ klagt, die Interessen der Gesellschaft, nicht etwa seine Interessen, z. B. als Tantiemeberechtigter, wahrzunehmen (RG 83, 323; B.-H. Rn. 6). Zur Anfechtung verpflichtet ist der Vorstand nur nach Maßgabe des § 93, wenn das Interesse der Gesellschaft es verlangt, nicht unbedingt. Auch der Vorstand kann aber einen Hauptversammlungsbeschluß nicht wegen Verletzung der Gesellschaftsinteressen, sondern nur des Gesetzes, der Satzung und der guten Sitten anfechten. Er kann auch eine gegen ihn oder ein einzelnes Vorstandsmitglied gerichtete Kundgebung oder Vertrauensentziehung anfechten, aber auch nur, wenn der Beschluß den Gesellschaftsinteressen zuwiderläuft und ein Anfechtungsgrund gegeben ist. Dies kann er aber dann nidit, wenn der Aufsichtsrat aufgrund des Beschlusses die Vorstandsbestellung widerrufen hat, weil der Widerruf sofort wirksam wird; aber die etwa verbleibenden Vorstandsmitglieder oder — innerhalb der Anfechtungsfrist — die Neubestellten können es. Der abberufene Vorstand kann im Streit über die Wirksamkeit der Abberufung, wenn diese auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruhte, durch den dem Vorstand das Vertrauen entzogen wurde, sich darauf berufen, daß der Vertrauensentzug aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt ist (§ 84 III S. 2). Nach außen ficht der Vorstand den Hauptversammlungsbeschluß in eigenem Namen an. Er hat die Klage gegen die Gesellschaft zu richten, die im Rechtsstreit vom Aufsichtsrat vertreten wird (§ 246 II S. 3). Er ist also, obwohl nicht rechtsfähig, für diese Klage als selbständig gedacht und mit Prozeßfähigkeit ausgestattet, ähnlich wie eine offene Handelsgesellschaft. Die Klage ist auch nicht namens der Vorstandsmitglieder, sondern namens des Vorstandes zu erheben, dessen Zusammensetzung sich während des Rechtsstreits ändern kann, ohne daß dieses beachtlich wäre. Diese Konstruktion soll offenbar vermeiden, daß die Gesellschaft sich selbst verklagen und im Prozeß zugleich als Klägerin und Beklagte auftreten muß; denn materiell ist natürlich sie es, die anficht. Darum ist die Anfechtung auch eine Geschäftsführungsmaßnahme, für welche, wenn der Vorstand aus 1369

§§ 245/246

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Anm. 5,6

mehreren Personen besteht, Anm. 2 bis 6 zu § 76 gelten. Die Vertretung des Vorstandes richtet sich nach § 78. Kein Vorstandsmitglied ist von der Vertretung ausgeschlossen. Sind mehrere Mitglieder verschiedener Meinung und fehlt es ihnen an der Disziplin, die erforderlich ist, um sich den Regeln der Anm. 2 bis 6 zu § 76 zu unterwerfen, so kann sich nach § 78 ereignen, daß ein Teil der Mitglieder, die von den anderen erhobene Klage zurücknimmt, aber dies ist keine Besonderheit dieser Klage. Die Kosten der Klage trägt in jedem Fall die Gesellschaft (Schilling in Großkomm. § 198 AktG 37 Anm. 21; B.-H. Rn 6). Während der Abwicklung hat der Abwickler das Anfechtungsrecht, im Falle des Konkurses der Konkursverwalter, soweit der anzufechtende Beschluß Belange der Masse betrifft. Auch hier ist die Anfechtungsbefugnis nicht mit dem Anfechtungsgrund zu verwechseln. IV. Anfechtung durch ein Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates Anm. 6: Nach Nr. 5 ist jedes einzelne Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrates unter der Voraussetzung zur Anfechtung befugt, daß durch die Ausführung des Beschlusses irgendein Mitglied — nicht etwa nur das anfechtende — des Vorstandes oder des Aufsichtsrates eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begehen oder wenn es sich ersatzpflichtig machen würde. Die bisher vertretene Ansicht, nur das Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates, das eine strafbare Handlung durch die Ausführung des Beschlusses begeht oder sich persönlich ersatzpflichtig macht, sei berechtigt zur Anfechtung, ist durch die Neufassung des Gesetzes überholt. Für die Frage der Strafbarkeit kommen die aktienrechtlichen Sondervorschriften der §§ 399 bis 404 sowie jede andere strafrechtliche Bestimmung in Frage. Für die Frage der Ersatzpflicht kommen neben den besonderen Bestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere §§ 93 und 116, auch alle sonstigen Vorschriften des bürgerlichen Rechts in Frage, aus denen sich eine Haftung ergeben könnte (also auch §§ 823 ff. BGB, insbesondere § 826). Ob diese Voraussetzungen für die Befugnis der Anfechtung vorliegen, hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen. Es muß genügen, daß, wenn auch nur bei Hinzutritt weiterer, noch unbekannter oder auch nur möglicher Umstände, die Möglichkeit einer strafrechtlichen oder vermögensrechtlichen Haftung besteht. Dazu braucht nicht Voraussetzung zu sein, daß das Vorstandsmitglied schon zur Zeit des Hauptversammlungsbeschlusses im Amt war. § 246

Anfechtungsklage (1) Die Klage muß innerhalb eines Monats nadi der Beschlußfassung erhoben werden. 1370

Anfechtungsklage

§ 246

Anm. 1,2

(2) Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Die Gesellschaft wird durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. Klagt der Vorstand oder ein Vorstandsmitglied, wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat, klagt ein Aufsichtsratsmitglied, wird sie durch den Vorstand vertreten. (3) Zuständig für die Klage ist ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Die mündliche Verhandlung findet nicht vor Ablauf der Monatsfrist des Absatzes 1 statt. Mehrere Anfechtungsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. (4) Der Vorstand hat die Erhebung der Klage und den Termin zur mündlichen Verhandlung unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Frist zur Klageerhebung (Anm. 2) III. Wesen der Anfechtungsklage (Anm. 3) IV. Das gerichtliche Verfahren 1. Vertretung der Gesellschaft im Prozeß (Anm. 4) 2. Zuständigkeit (Anm. 5)

3. Frist für mündliche Verhandlung (Anm. 6) 4. Verbindung mehrerer Klagen (Anm. 7) 5. Prozeßführung der Gesellschaft (Anm. 8) V. Bekanntmachung (Anm. 9)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt im wesentlichen unverändert die Abs. 1 bis 3 und 5 des bisherigen § 199 AktG 37. Die Bestimmung des bisherigen Abs. 4, wonach das Gericht anordnen konnte, daß der klagende Aktionär der Gesellschaft Sicherheit zu leisten habe, wenn diese glaubhaft macht, daß ihr gegen den Kläger ein Ersatzanspruch zusteht oder erwachsen könne, ist nicht mehr aufgenommen worden. Da eine ähnliche Pflicht in anderen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unbekannt ist, wurde in allen Fällen, in denen das bisherige Recht eine solche Sicherheitsleistung vorgesehen hat, diese gestrichen. Der bisherige Abs. 6 über den Streitwert ist erweitert nunmehr in § 247 enthalten. II. Frist zur Klageerhebung Anm. 2: Innerhalb eines Monats nach Beschlußfassung muß die Klage erhoben werden. Die Frist beginnt am Tage der Hauptversammlung ohne Rücksicht darauf, wann der Anfechtende Kenntnis von dem Beschluß erlangt (RG in JW 07, 490). Auch der Nachweis, daß der Anfechtende unmöglich Kenntnis erlangt haben kann, ist belanglos. Dies kann eine Anfechtung durch den Vorstand ausschließen, wenn dieser von dem Beschluß einer nidit von ihm berufenen Vollversammlung, der aus diesem Grunde anfechtbar ist 1371

§ 246

Anm. 2

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

(Anm. 6 zu § 241), vor Ablauf der 1-Monats-Frist keine Kenntnis erhält. Die in der Vorauflage vertretene Ansicht, den Beginn der Frist deshalb in diesem Sonderfall auf die Kenntnis des Vorstandes abzustellen, wird nicht mehr aufrechterhalten. Der Gesetzeswortlaut und der Zweck der Bestimmung rechtfertigt keine Ausnahme (so auch Schilling in Großkomm. § 199 AktG 37 Anm. 2; a. A. Godin in SozPrax. 1940, 87). Diese erlangt der Vorstand spätestens durch die ihm von dem Notar zu übersendende beglaubigte Abschrift der Versammlungsniederschrift, die der Vorstand nach § 130 V dem Registergericht einzureichen hat. Die Frist endigt mit dem Ablauf desjenigen Tages des auf die Hauptversammlung folgenden Kalendermonats, der durch seine Zahl dem Kalendertag entspricht, an dem die Hauptversammlung stattgefunden hat (§ 188 I I B G B ) , z . B . : Tag der Hauptversammlung 31. März, letzter Tag der Frist 30. April ( § 1 8 8 I I I BGB). Anwendbar ist § 193 B G B ( R G 1 0 5 , 123 und 151, 347), so daß die Frist, wenn ihr letzter Tag auf einen Samstag, Sonntag oder staatlich anerkannten Feiertag fällt, erst am folgenden Tag endigt. Die Frist ist eine Ausschlußfrist, ihr Ablauf in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beathten ( R G D R 42, 2 7 7 ; B G H in Lind.-Möhr. § 199 Nr. 1). Über die Wahrung der Frist durch Einreichung eines Armenrechtsantrages vgl. O L G Frankfurt in N J W 1966, 838 mit zutreffender Anm. von Lüke (a. A. Boesebeck in Die AktGes. 1966, 303; vgl. auch B . - H . Rn 3). Darum kann die Berufung auf den Ablauf der Frist niemals dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung (arglistigen Verhaltens) begegnen ( R G a. a. O.). Sämtliche Anfechtungsgründe müssen innerhalb der Frist vorgebracht werden. Ein Nachschieben vcn Gründen im Prozeß ist nicht zulässig ( R G 1 7 0 , 9 5 ; O L G Köln in Die AktGes. 1963, 112), so daß die Fragepflicht des Gerichtes nach § 139 Z P O gegenstandslos und ihre Verletzung kein Revisionsgrund ist ( R G a. a. O.). Die Gründe sind jedoch nicht innerhalb der Frist mit allen Einzelheiten vorzutragen, sondern nur nach ihrem wesentlichen Inhalt ( B G H 15, 177; B G H in B B 1966, 917 = Die AktGes. 1966, 397). Auch die Zustimmung der Gesellschaft als Prozeßgegner ändert daran nichts, denn die Dauer der Frist ist der Parteivereinbarung entzogen. Jedoch gilt das Verbot des Nachschiebens nicht für Nichtigkeitsgründe, auf welche die Anfechtungsklage gestützt werden soll (Schl.-Qu. § 199 Anm. 1), weil die Nichtigkeitsklage an keine Frist gebunden ist (s. § 249 Anm. 6). Auch die Satzung kann die Frist nicht verlängern. Sie ist keine Verjährungsfrist. Die Vorschriften über Hemmung und Unterbrechung der Verjährung sind also nicht anwendbar ( B G H in N J W 1952, 98), auch keine Notfrist, sonach gibt es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Warn 42, 82). Dies ist wichtig, wenn die Frist zur Anfechtung der Wahl eines neuen Aufsichtsratsmitglieds dadurch versäumt wurde, daß er den Vorstand ohne wichtigen Grund abberuft. 1372

Anfechtungsklage

§246

Anm. 2—4

Vor Ablauf der Frist muß die Klage sowohl dem Vorstand wie dem Aufsichtsrat zugestellt sein. Die Zustellung erfolgt an ein Vorstandsmitglied (§ 171 I I I ZPO; allg. Ans.) und an ein Aufsiciitsratsmitglied (BGH 32, 119). Die Zustellung an das Vorstandsmitglied erfolgt im Geschäftslokal der Gesellschaft oder in der Wohnung des Vorstandsmitgliedes, dem zugestellt werden soll (§ 180 ZPO). Im Geschäftslokal kann, wenn kein Vorstandsmitglied angetroffen wird, auch einem anwesenden Angestellten zugestellt werden (§ 184 ZPO). Dem Aufsiciitsratsmitglied ist in seiner Privatwohnung zuzustellen. Dort kann auch firsatzzustellung stattfinden. § 184 ZPO ist nicht anwendbar (so mit aus größtenteils auch heute noch nicht überholten Gründen R G 83, 416). Die Zustellung an den Vorstand fällt im Falle § 245 Nr. 4 und Nr. 5, wenn ein Vorstandsmitglied klagt, weg, ebenso die Zustellung an den Aufsichtsrat, wenn ein Mitglied des Aufsichtsrats klagt. Dies ergibt sich aus Abs. 2 S. 2. III. Wesen der Anfechtungsklage Anm. 3: Die Anfechtungsklage ist eine Gestaltungsklage, nicht eine Feststellungsklage. Letztere kann in den Fällen, in denen die Anfechtungsklage in Frage kommt, nicht erhoben werden. Nach ständiger Rechtsprechung des R G (s. insbesondere R G 142, 123) auch dann nicht, wenn tatsächlich ein anderer Beschluß zustande gekommen ist, als der Vorsitzende festgestellt hat. In diesem Fall ist vielmehr der festgestellte Beschluß durch Anfechtungsklage zu beseitigen und auf Feststellung zu klagen, daß ein Beschluß bestimmter Art zustande gekommen ist (vgl. im einzelnen § 243 Anm. 2). Da die Nichtigkeit des anfechtbaren Beschlusses erst durch das Urteil herbeigeführt wird, ergibt sich von selbst, daß die Anfechtbarkeit nicht anders als durch Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann. IV. Das gerichtliche Verfahren 1. Vertretung der Gesellschaft im Prozeß Anm. 4: Die Gesellschaft wird im Anfechtungsprozeß durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. Hiervon gab es nach dem bisherigen Recht nur eine Ausnahme, nämlich die der Anfechtungsklage nach § 198 I Nr. 4 AktG 37 (jetzt § 245 Nr. 4), wenn der Vorstand als solcher die Anfechtungsklage erhob. Nach der Neufassung des Abs. 2 S. 3 gilt die Regel auch dann nicht, wenn ein Vorstandsmitglied oder ein Aufsichtsratsmitglied klagt. Im Falle des § 245 Nr. 4 oder im Falle der Nr. 5, wenn ein Mitglied des Vorstandes klagt, wird die Gesellschaft allein durch den Aufsichtsrat und im Falle des § 245 Nr. 5, wenn ein Aufsichtsratsmitglied klagt, allein vom Vorstand vertreten. In allen anderen Fällen bleibt es bei der zwingenden Vorschrift, daß sie durch Vorstand und Aufsichtsrat, und zwar von beiden Organen als sol1373

§ 246

Anm. 4

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

dien vertreten wird, nicht von den Mitgliedern der Organe. Die Organe sind aber nicht etwa selbst Partei, sondern nur gemeinsam Vertreter der beklagten Partei, der Gesellschaft. Vom Aufsichtsrat muß mangels entsprechender Anwendbarkeit des § 78 II (bestritten) angenommen werden, daß er nach außen kollektiv handeln muß, d. h. also, daß alle Mitglieder des Aufsichtsrats zusammen die Gesellschaft vertreten, soweit nicht von ihm ein Ausschuß gebildet worden ist. Für den Vorstand brauchen nach außen nur dann alle Mitglieder tätig zu werden, wenn weder Satzung noch Aufsichtsrat noch Vorstand eine Bestimmung nach § 78 II bis IV getroffen haben sollte. Aus Vorstehendem ergibt sich für die Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters nach § 130 ZPO, daß im Rubrum der Klage die zur gesetzlichen Vertretung erforderliche Zahl der Mitglieder des Vorstandes und alle Mitglieder des Aufsichtsrats anzuführen sind (etwa: „vertreten durch a) ihren Vorstand, bestehend aus . . . b) ihren Aufsichtsrat, bestehend aus . . . " ) . D a aber § 130 Z P O nur Soll-Vorschrift ist und § 253 Z P O zur gültigen Klageerhebung nur die Bezeichnung der Partei, nicht ihrer Vertreter, verlangt, ist die Klage wirksam erhoben und daher bei rechtzeitiger Zustellung der Klage gem. Anm. 1 die Klagefrist gewahrt, auch wenn die Mitglieder der beiden Organe nicht oder nicht vollständig genannt sind ( B G H 32, 118). Das Gericht hat aber auf Ergänzung hinzuwirken. Es hat nicht nur nach § 3 1 3 Z P O die gesetzlichen Vertreter im Urteil vollständig zu benennen, sondern auch nach § 56 Z P O die Legitimation der gesetzlichen Vertreter von Amts wegen zu prüfen. D a die Anfechtungsklage notwendig im Anwaltsprozeß durchgeführt wird, ist freilich diese Prüfung nur im Versäumnisfall oder zwecks Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung oder der Vollmacht des für die Gesellschaft auftretenden Prozeßbevollmächtigten notwendig, wenn die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung oder der Vollmacht bestritten wird. Es ist die Regel, daß der Kläger nur so viele Vorstandsmitglieder benennt, als etwa gem. § 78 II und I I I zur Vertretung der Gesellschaft ausreichen. Nach dieser Übung kann auch bei der Anfechtungsklage verfahren werden, obwohl der Kläger sich nur die Vorstandsmitglieder aussuchen kann, an die er die Klage zustellen läßt, aber nicht bestimmen kann, welche Vorstandsmitglieder die Gesellschaft im Rechtsstreit vertreten sollen. Dagegen müssen alle Aufsichtsratsmitglieder benannt werden oder alle Mitglieder eines etwa gebildeten Ausschusses, wenn der Beschluß über dessen Bildung nachgewiesen werden kann. Die Klage muß nach herrschender Ansicht abgewiesen werden, wenn nicht bis zum Urteil die Benennung aller nach Vorstehendem zu benennenden Mitglieder nachgeholt ist. Die Gesellschaft wird nicht durch alle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gemeinsam, sondern durch Vorstand und Aufsichtsrat, und zwar in deren jeweiligen Bestand, vertreten. Die zu 1374

Anfechtungsklage

§246

Anm. 4

diesen Organen gehörigen Personen bleiben also untereinander zu den Gremien Vorstand und Aufsichtsrat zusammengeschlossen und von den Mitgliedern des anderen Gremiums geschieden. Dies ergibt der Wortlaut und der Zweck des Gesetzes, welches die Mitwirkung des Aufsichtsrats bei der Vertretung anordnet, um den Gefahren einer Interessenkollision auf Seiten des Vorstandes, insbesondere einer Voreingenommenheit des Vorstandes in der Sache selbst und der Gefahr einer Kollision des Vorstandes mit dem Anfechtungskläger zu begegnen. Eine Folge dieser Regelung zeigt sidi bei der Zustellung der Klage. Es wäre auch müßig zu untersuchen, durch wieviele Mitglieder jedes Organ nach außen tätig werden muß, wenn Vorstand und Aufsichtsrat aus ihrer Verschmelzung ein neues Organ bilden würden, da in diesem Fall gefragt werden müßte, durch wieviele Mitglieder dieses nach außen tätig zu werden hat. Die beiden Organe führen die Vertretung der Gesellschaft gemeinsam und einheitlich, müssen sich aber über jede Prozeßhandlung, insbesondere über die Einlegung der Rechtsmittel und über die Bestellung des Prozeßbevollmächtigten, einigen. Die Organe beschließen jeweils getrennt (ebenso Schilling in Großkomm. § 199 AktG 37 Anm. 12). Sie können mehrere Prozeßbevollmächtigte bestellen, aber nicht jedes Organ einen anderen, sondern nur beide gemeinsam. Sind durch den anzufechtenden Beschluß Aufsichtsratsmitglieder abberufen worden, so wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat in seiner neuen Zusammensetzung vertreten. Will der Vorstand diese Wahl anfechten und ruft ihn der neue Aufsichtsrat ab, so scheidet die Möglichkeit der Anfechtung der Wahl durch den Vorstand praktisch aus; ein unerwünschtes Ergebnis. Bei der Anfechtung des Auflösungsbeschlusses und während der Abwicklung wird die Gesellschaft durch die Abwickler und den Aufsichtsrat, im Konkurs, soweit der angefochtene Beschluß die Masse betrifft, durch den Konkursverwalter allein vertreten. Der Kläger kann sich bei der Prüfung, wer Vorstand ist, auf die Eintragung im Handelsregister verlassen. § 15 HGB ist anzuwenden, obwohl der Aktionär an sich nicht Dritter ist. Bei der Prüfung der Frage, wer Mitglied des Aufsichtsrats ist, kann er sich darauf verlassen, daß die zu den Registerakten eingereichten Mitteilungen über die Mitglieder des Aufsichtsrats richtig sind. Fehlt ein zur Vertretung notwendiges Vorstandsmitglied, etwa weil er sein Amt niedergelegt hat, so ist der Vorstand durch das Registergericht zu ergänzen (§ 85). Ist der Aufsichtsrat beschlußunfähig, so hat das Gericht nach § 104 die Ergänzung vorzunehmen. Allenfalls wäre ein Prozeßvertreter nach § 57 ZPO durch das Prozeßgericht zu bestellen, der aber dann an die Stelle beider Organe tritt. Ein Prozeßvertreter nach § 57 ZPO ist für die Gesellschaft auch zu bestellen, wenn der Vorstand und ein Aufsichtsratsmitglied oder ein Vorstands1375

§ 246 Anm. 4—7

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen

mitglied und ein Aufsichtsratsmitglied oder gar alle Vorstandsmitglieder und alle Aufsichtsratsmitglieder selbst klagen, weil dann die Gesellschaft auch nach Abs. 2 Satz 3 keine ordnungsmäßige Vertretung mehr hat (B.-H. Rn 6). Die Vorschrift des Abs. 2 S. 3, wonach, wenn der Vorstand klagt oder ein Vorstandsmitglied, die Gesellschaft durch den Aufsiditsrat und, wenn ein Aufsichtsratsmitglied klagt, sie durch den Vorstand allein vertreten wird, findet auch dann Anwendung, wenn neben dem Vorstand und einem Vorstandsmitglied oder neben einem Aufsichtsratsmitglied etwa ein oder mehrere Aktionäre Klage erheben. 2. Zuständigkeit Anm. 5: Das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, und zwar die Kammer für Handelssachen (durch § 41 EG ist § 95 GVG durch Einfügung eines neuen zweiten Absatzes ergänzt), ist sowohl örtlich wie sachlich ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes und gleichgültig, an welchem Ort die Hauptversammlung stattgefunden hat, ausschließlich zuständig. Audi die Satzung kann hieran nichts ändern. Klagerhebung vor einem unzuständigen Gericht wahrt die Monatsfrist des Absatzes 1 selbst bei Verweisung gem. § 276 ZPO an das zuständige Gericht nicht (ebenso Schilling in Großkomm. §199 AktG 37 Anm. 18). Eine Schiedsgerichtsvereinbarung ist wirkungslos (OLG Stuttgart in JW 27, 1111; BGH Lind.-Möhr. § 199 Nr. 1). Gem. § 547 Nr. 2 ZPO ist die Revision auch dann zulässig, wenn die Revisionssumme nicht erreicht wird. 3. Frist für mündliche Verhandlung Anm. 6: Eine mündliche Verhandlung findet nicht vor Ablauf eines Monats nach der Hauptversammlung, die den angefochtenen Beschluß gefaßt hat, statt. Das gilt sowohl für die Verhandlung vor der Kammer als auch für die vor dem Einzelrichter. 4. Verbindung mehrerer Klagen Anm. 7: Mehrere Anfechtungsprozesse, die den gleichen Beschluß oder voneinander abhängige Beschlüsse betreifen (vgl. Schilling in Großkomm. § 199 AktG 37 Anm. 20), sind zu verbinden, auch, wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen. Mehrere Anfechtungskläger sind notwendige Streitgenossen. Dasselbe gilt gem. § 249 für mehrere Nichtigkeitsprozesse. In beiden Fällen handelt es sich um zwingende Bestimmungen. § 249 II bestimmt außerdem, daß eine Verbindung von Nichtigkeits- und Anfechtungsprozessen zulässig ist. Nach allgemeiner Ansicht (BGH in Lind.-Möhr. §199 Nr. 1; KG in N J W 1959, 439; Schilling in Großkomm. § 199 AktG 37 Anm. 8) ist die Anfechtungsklage dann als Hilfsantrag aufzufassen, da die Feststellung der Nichtigkeit dem Anspruch auf Nichtigkeitserklärung die Grundlage entzieht. Daher ist auch bei einer auf Nichtigkeits1376

Anfechtungsklage

§246

Anm. 7—9 und Anfechtungsgründe geführten Klage zunächst über die Nichtigkeit zu verhandeln. 5. Prozeßführung der Gesellschaft Anm. 8: Obwohl das Urteil rechtsgestaltend ist und für und gegen alle wirkt, gilt im Rechtsstreit nicht etwa die Offizial-, sondern wie immer die Verhandlungsmaxime. Es ist daher, obwohl Vorstand und Aufsichtsrat einen Hauptversammlungsbeschluß nicht aufheben können, dennoch zulässig, daß die Gesellschaft den Klageanspruch anerkennt (RG J W 38, 750; ebenso Schl.Qu. § 197 Anm. 7) mit der Folge, daß das Anerkenntnisurteil gegen sie zu erlassen ist oder daß sie Versäjmnisurteil gegen sich ergehen läßt. Beiden Urteilen kommt die Tragweite des § 248 zu. Auch an einem Tatsachengeständnis ist die Gesellschaft nicht gehindert. Ein Aktionär als (in notwendiger Streitgenossenschaft nach § 62 Z P O — befindlicher) Streithelfer ist an ein Geständnis nicht gebunden. Er kann Einspruch gegen ein Versäumnisurteil und Berufung gegen ein Anerkenntnisurteil einlegen, ohne daß letzterenfalls das Anerkenntnis der Gesellschaft seiner Prozeßführung hinderlich ist, denn es handelt sich dabei nicht um ein einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch begründetes Anerkenntnis, sondern um die Anerkennung einer Rechtsfolge, ohne daß das Anerkenntnis Rechtsgrund f ü r eine damit eintretende, nicht mehr rückgängig zu machende Rechtslage wäre (Godin Soz.-Pr. 38, S. 1149. Ängstliche Aktionäre, denen an der Aufrechterhaltung eines Beschlusses liegt, tun also gut daran, der Gesellschaft als Streithelfer beizutreten (Godin a. a. O.). Von der Klageerhebung erfahren sie nach § 246 V. Besonders zu empfehlen ist dies, wenn eine Vollversammlung über den Kopf von Vorstand und Aufsichtsrat hinweg zusammengetreten ist und Beschlüsse gefaßt hat, die der Vorstand anficht, während der Aufsichtsrat die beklagte Gesellschaft vertritt. Ein Vergleich ist, vom Kostenpunkt abgesehen, nicht anders denkbar, als in Form eines Voll- oder Teilanerkenntnisses und einer Voll- oder TeilKlagezurücknahme, denn eine inhaltliche Änderung des Hauptversammlungsbeschlusses durch einen Prozeßvergleich zwischen Gesellschaft und einzelnen Anfechtern ist ausgeschlossen. V. Bekanntmachung Anm. 9: Der Vorstand hat unverzüglich die Erhebung der Klage in den Gesellschaftsblättern (§ 25) bekanntzumachen. Der angefochtene Beschluß ist nach Datum und Gegenstand zu bezeichnen. Fernerhin ist bekanntzumachen der erste Termin der mündlichen Verhandlung. Spätere Termine brauchen nicht bekanntgemacht zu werden. Die Bekanntmachung hat gem. § 25 im Bundesanzeiger und in den etwa in der Satzung als Gesellschaftsblätter bezeichneten weiteren Blättern zu erfolgen. Es genügt eine einmalige Veröffent1377

§§ 246/247

Anm. 9/1

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

lidiung. Es muß erkenntlich sein, daß diese vom Vorstand ausgeht. Die Bekanntmachung kann vom Registergericht nach § 407 durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. § 247 Streitwert (1) Den Streitwert bestimmt das Prozeßgericht unter Berüdksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen. Er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als eine Million Deutsdie Mark beträgt, eine Million Deutsche Mark nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist. (2) Macht eine Partei glaubhaft, daß die Belastung mit den Prozeßkosten nach dem gemäß Absatz 1 bestimmten Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Prozeßgericht auf ihren Antrag anordnen, daß ihre Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepaßten Teil des Streitwerts bemißt. Die Anordnung hat zur Folge, daß die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nadi diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat. Soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten. Soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, kann der Rechtsanwalt der begünstigten Partei seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben. (3) Der Antrag nach Absatz 2 kann vor der Geschäftsstelle des Prozeßgerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Später ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert durch das Prozeßgericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören. I. Übersicht (Anm. 1) II. Die Festsetzung des Streitwertes (Anm. 2) III. Kostenberechnung nach einem Teil des Streitwertes

1. Grundsatz (Anm. 3) 2. Voraussetzungen (Anm. 4) 3. Folgen der gerichtlichen Anordnung (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die im bisherigen Recht in einem Absatz (Abs. 6 zu § 199 AktG 37) nur sehr allgemein behandelte Frage, wie der Streitwert in einem An1378

Streitwert

§247

Anm. 1,2

fechtungsprozeß zu bestimmen ist, wird nunmehr in sehr eingehenden Bestimmungen völlig neu geregelt. Bisher war lediglich bestimmt, daß das Prozeßgericht nach den gesamten im einzelnen Falle gegebenen Verhältnissen unter Berücksichtigung des Interesses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses nach freiem Ermessen den Streitwert festzustellen hatte. Auch jetzt geht das Gesetz davon aus, daß nicht wie im HGB nur das Interesse des Klägers an der Beseitigung des Beschlusses maßgebend sei, wobei die obere Grenze der Kurswert der Aktien, die der Anfechtende besaß, bildete, sondern daß es auf die Bedeutung der Sache für beide Parteien ankommt. Da das der Klage stattgebende Urteil nicht nur zwischen den Parteien, sondern darüber hinaus für und gegen alle Aktionäre sowie Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates wirkt (§ 248), wäre es unbillig, nur das Interesse des Klägers allein für maßgebend zu erachten. Das Interesse der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung des Beschlusses wird sich in etwa decken mit den Gesamtinteressen derer, auf die sich die Urteilswirkung erstreckt. Da durch diese Regelung unter Umständen der Streitwert außerordentlich hoch sein könnte, ist im Abs. 1 eine Grenze gesetzt, er darf ein Zehntel des Grundkapitals und ohne Rücksicht auf die Höhe des Grundkapitals 1 Million DM nur dann übersteigen, wenn die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist. Das letztere wird in der Regel nur für einen Großaktionär in Frage kommen. Diese oberste Grenze würde aber noch nicht hinreichende Sicherheit dafür geben, daß auch ein Kleinaktionär von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch machen kann. Deshalb wird in den Abs. 2 und 3 neu eingeführt, daß, wenn eine Partei glaubhaft macht, ihre wirtschaftliche Lage würde durch den Streitwert, der an sich festzusetzen ist, erheblich gefährdet, für diese Partei ein anderer Streitwert festgesetzt werden kann. Man hat damit die Regelung in Patentstreitigkeiten weitgehend übernommen. Es sind verschiedentlich Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 247 II geltend gemacht worden (vgl. von Falkenhausen in Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften 1967, S. 243 ff.). M. E. bestehen jedoch keine verfassungsmäßigen Bedenken (ebenso Däubler in BB 1969, 545 ff.; vgl. auch Fechner in JZ 1969, 349). II. Die Festsetzung des Streitwertes Anm. 2: Der Streitwert ist stets vom Prozeßgericht festzusetzen. Wie dies zu geschehen hat, sagt das Gesetz zunächst in einer sehr allgemeinen Formel, ähnlich wie das bisherige Recht, nämlich unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles. Konkreter und von praktischer Bedeutung ist die Bestimmung, daß das Interesse beider Parteien grundsätzlich dabei zu berücksichtigen ist, vgl. hierzu oben Anm. 1. Dabei wird eine zwingende obere 1379

§ 247

Anm. 2,3

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Grenze des Streitwertes gesetzt. Der Streitwert darf ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses 10 Millionen D M übersteigt, nicht mehr als 1 Million D M betragen. In diesem Rahmen kann das Gericht nach billigem Ermessen — was nichts anderes bedeutet, als das freie Ermessen im bisherigen Recht — entscheiden (vgl. K G in N J W 67, 1782; L G Bonn in Die AktGes. 1968, 25). Von der gesetzlichen Obergrenze gibt es eine Ausnahme. Der Streitwert kann höher festgesetzt werden, wenn die Bedeutung der Sache für den Kläger — nicht etwa für die Beklagte — höher zu bewerten ist. Das scheint angebracht, denn es kann durchaus sein, daß ein Großaktionär an der Anfechtung ein sehr viel höheres Interesse hat, wobei es nicht etwa auf seinen Aktienbesitz ankommt. Auch wenn der Kurswert seiner Aktien weit über eine Million D M liegt, braucht sein Interesse an der Anfechtung des Beschlusses den Betrag nicht zu erreichen. Umgekehrt — aber wohl seltener — kann ein Aktionär mit einem unter 1 Million D M oder ein Zehntel des Grundkapitals liegenden Aktienbesitz an dem angefochtenen Beschluß ein höheres Interesse haben, als seinem Aktienbesitz entspricht. III. Kostenberechnung nach einem Teil des Streitwertes 1. Grundsatz Anm. 3: In den Abs. 2 und 3 ist eine Bestimmung aus dem Patentgesetz, unsd zwar § 53, sinngemäß übernommen worden. Sowohl in Patentstreitsachen, wie auch bei Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse, besteht die erhebliche Gefahr, daß mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache ein so hoher Streitwert festgesetzt werden muß, daß es einem der Beteiligten nicht möglich ist, ohne erhebliche Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage das Prozeßkostenrisiko zu übernehmen. Das bedeutet, daß in einem solchen Fall der Betreffende die ihm zustehenden Rechte nicht geltend machen kann. Dabei ist es nicht möglich, ihn etwa auf den Weg des Armenrechts zu verweisen, denn dort wird ihm nur ein Teil des Kostenrisikos abgenommen. Zunächst entfallen für ihn die Kosten seines eigenen Rechtsanwaltes und die Gerichtskosten. Dagegen hat er im Falle des Unterliegens die Kosten der Gegenseite in vollem Umfange zu tragen. Sie sind erstattungsfähig. Anders hier, auch die Kosten der Gegenseite sind, wenn die begünstigte Partei den Rechtsstreit verliert, nur nach dem festgesetzten Teil des Streitwertes erstattungsfähig. Es findet also nicht wie beim Armenrecht eine teilweise Kostenbefreiung statt, sondern durch die Bestimmung, daß nur nach einem Teil des Streitwertes die Kosten zu berechnen sind, wird das Kostenrisiko begrenzt. Deshalb ist es auch möglich, dieselbe Partei nach der vorstehenden Vorschrift zu begünstigen und ihr daneben das Armenrecht zu bewilligen. Das eine schließt das andere nicht aus (vgl. B.-H. R n 4 ; Reeb in BB 1970, 865 ff.). Es ist hierbei allerdings zu beachten, daß, wenn das 1380

Streitwert

§247

Anm. 3,4

Gericht entweder bereits das Armenrecht oder aber eine Streitwertermäßigung nach § 247 II gewährt hat, meist die Voraussetzungen für die andere Kostenhilfe nicht mehr vorliegen, da das Gericht bei der Gewährung des Armenrechts und der Herabsetzung des Streitwertes die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers hinreichend geprüft haben wird. Ferner ist zu beachten, daß zwar der Antrag auf Gewährung des Armenrechts in jedem Stadium des Verfahrens gestellt werden kann, nicht aber der Antrag auf Ermäßigung des Streitwertes (siehe Abs. 3). Vergleiche über diese ganzen Fragen und die Zweckmäßigkeit der Reihenfolge der zu stellenden Anträge die sehr eingehenden Ausführungen von Reeb in BB 1970, 865 ff. Durch die Begünstigung einer wirtschaftlich schwachen Partei nach Abs. 2 wird nicht etwa der nach Abs. 1 festgesetzte Streitwert geändert, oder ein neuer Streitwert festgesetzt für eine Partei. Vielmehr bleibt es bei dem nach Abs. 1 festzusetzenden Streitwert. Die Begünstigung besteht darin, daß die Kosten für die eine Partei nach einem ihrer wirtschaftlichen Lage angepaßten „Teil des Streitwertes" bemessen werden. 2. Voraussetzungen Anm. 4: Das Prozeßgericht wird nur tätig aufgrund eines Antrages, für den kein Anwaltszwang besteht. Er kann vor der Geschäftsstelle des Prozeßgerichtes zu Protokoll erklärt werden. Üblicherweise wird er von dem Anwalt gestellt. Seine Stellung als Prozeßbevollmächtigter legitimiert ihn dem Gericht gegenüber, denn der Antrag ist ein Teil des Prozeßverfahrens. Anders als der Antrag auf Bewilligung des Armenrechtes kann er nicht zu jeder Zeit gestellt werden, sondern er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache „anzubringen", das bedeutet, nicht vor dem ersten Termin, wenn in diesem nicht verhandelt wird. Nur wenn in einem Termin die Anträge zur Hauptsache gestellt sind, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden. Unter „anbringen" ist die Stellung des Antrages zu Protokoll bei Gericht od»r die Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht zu verstehen. In letzterem Falle muß jedoch vor Verlesung der Anträge zur Hauptsache der Antrag aus dem Schriftsatz verlesen werden. Nur wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert durch das Prozeßgericht heraufgesetzt wird, kann der Antrag noch später angebracht werden. Unter angenommenen Streitwert ist der Streitwert zu verstehen, der der Anforderung des Gerichtskostenvorschusses zugrunde gelegt wurde. Das ist praktisch der vom Kläger in der Klage angegebene Streitwert. Setzt das Gericht nach Verhandlung in der Hauptsache den Streitwert durch ausdrücklichen Beschluß in der gleichen Höhe fest, die der „angenommene Streitwert" hatte, so kann der Antrag nicht mehr gestellt werden, selbstverständlich auch nicht, wenn der Streitwert geringer festgesetzt wird. Nur wenn er höher festgesetzt wird, kann der Antrag gestellt werden. 1381

§ 247

Anm. 4,5

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Während das Armenrecht aus §§ 144 ff. ZPO nur bewilligt wird, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, ist dies nicht Voraussetzung des Antrages nach der vorliegenden Bestimmung. Nach dem Schrifttum und der Rechtsprechung zu § 53 des Patentgesetzes ist nicht zu prüfen, ob die Prozeßführung mutwillig ist (so Benkhard Patentgesetz § 53 Anm. 2). Nur bei offenbar mißbräuchlicher Anstrengung des Prozesses wird das Gericht trotzdem den Antrag ablehnen (Benkhard, a. a. O., und die dort zitierten Entscheidungen). Die Regierungsbegründung geht insofern einen Schritt weiter, als sie davon ausgeht, daß im Schrifttum und in der Rechtsprechung zu § 53 des Patentgesetzes anerkannt sei, daß die Vergünstigung bei völlig aussichtsloser oder mutwilliger Prozeßführung abgelehnt werden kann. Das ist sicherlich richtig, es ist nur die Frage, ob von dieser Möglichkeit der Ablehnung in hinreichendem Umfange Gebrauch gemacht wird. Für die hier vorliegende neue Bestimmung ist dies sehr zu wünschen, denn es wäre für die Wirtschaft unerträglich, wenn durdi die Anwendung der Bestimmung in der Rechtsprechung aussichtslose oder mutwillige Anfechtungsprozesse mit geringem Prozeßkostenrisiko geführt werden könnten (vgl. auch Reeb in BB 1970, 865 ff.). Die antragstellende Partei- muß glaubhaft machen, daß die Belastung mit den vollen Prozeßkosten ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. Wie die Glaubhaftmachung zu erfolgen hat, sagt das Gesetz nicht. Eine eidesstattliche Versicherung wird nicht genügen, da, wenn diese genügen soll, es gerade im Aktiengesetz ausdrücklich hervorgehoben wird. Man wird deshalb auch hier strengere Anforderungen an die Glaubhaftmachung stellen. Nach Benkhard Patentgesetz § 53 Anm. 2 unter Verweisung auf § 11 Patentgesetz Anm. 5 ist § 118 II ZPO als rechtsähnliche Vorschrift heranzuziehen. Sowohl darüber, ob die Glaubhaftmachung genügt, wie, ob die glaubhaft gemachten Tatsachen eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage ergeben, hat das Gericht nach freiem Ermessen zu prüfen. Vor einer Entscheidung über den Antrag hat das Gericht den Gegner zu hören. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß, der mit Beschwerde anfechtbar ist für jede Partei, die dadurch beschwert ist, also auch den Gegner des Antragstellers (§§ 567 ff. ZPO). Der Antrag und der Beschluß wirken nur für die Instanz, in der beide ergehen. In jeder weiteren Instanz muß die begünstigte Partei den Antrag erneuern. Das Gericht kann erneute Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Lage verlangen. 3. Folgen der gerichtlichen Anordnung Anm. 5: Erläßt das Gericht die Anordnung, so hat die begünstigte Partei die Gerichtskosten und die Kosten ihres eigenen Anwaltes nur nach dem vom Gericht festgesetzten Teil des Streitwertes zu entrichten. Gewinnt die be1382

Urteilswirkung

§§247/248

Anm. 5

günstigte Partei den Prozeß, so kann ihr Anwalt seine Kosten nach dem vollen Streitwert festsetzen und sich vom Gegner erstatten lassen. Soweit die begünstigte Partei Gerichtskosten vorgelegt hat, sind sie ebenfalls in der geleisteten Höhe erstattungsfähig. Soweit der begünstigten Partei Kosten des Rechtsstreites auferlegt werden oder soweit sie diese beispielsweise durch Vergleich übernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwaltes nur nach dem bestimmten Teil des Streitwertes zu erstatten. Die obsiegende Partei hat diejenigen Gerichtskosten zu zahlen, die sich aus der Differenz zwischen dem vom unterliegenden Teil zu tragenden Gerichtskosten nach dem ermäßigten Streitwert und der Kostenberechnung nach dem vollen Streitwert ergeben (Reimer Patentgesetz § 53 Anm. 7). Selbstverständlich hat auch der Anwalt der obsiegenden Partei Anspruch auf volle Gebühren, so daß auch hier die obsiegende Partei die Differenz zwischen dem erstattungsfähigen Betrag — sofern er erstattet wird — und den Gebühren nach dem vollen Streitwert zu tragen hat. Dies alles bedeutet, daß durch die Anwendung der Bestimmung der Abs. 2 und 3 nicht nur der begünstigten Prozeßpartei ein Teil des Prozeßkostenrisikos abgenommen wird, sondern daß der anderen Partei auf alle Fälle, also selbst wenn sie voll obsiegt, mit Sicherheit einen erheblichen Teil der Kosten zu tragen hat. Das Gericht wird also bei Anwendung seines Ermessens im Einzelfall sehr genau zu prüfen haben, ob die Anwendung der Bestimmungen gerechtfertigt erscheint. § 248 Urteilswirkung (1) Soweit der Beschluß durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt ist, wirkt das Urteil für und gegen alle Aktionäre sowie die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, auch wenn sie nicht Partei sind. Der Vorstand hat das Urteil unverzüglich zum Handelsregister einzureichen. War der Beschluß in das Handelsregister eingetragen, so ist auch das Urteil einzutragen. Die Eintragung des Urteils ist in gleicher Weise wie die des Beschlusses bekanntzumachen. (2) Hatte der Beschluß eine Satzungsänderung zum Inhalt, so ist mit dem Urteil der vollständige Wortlaut der Satzung, wie er sich unter Berücksichtigung des Urteils und aller bisherigen Satzungsänderungen ergibt, mit der Bescheinigung eines Notars über diese Tatsache zum Handelsregister einzureichen. I. Ubersidit (Anm. 1) II. Die Urteilswirkung 1. auf Personen (Anm. 2) 2. in der Sache (Anm. 3)

III. Einreichung an das Registergericht, Eintragung und Bekanntmachung (Anm. 4) IV. Satzungsänderungsbesdiluß (Anm. 5) 1383

§ 248

Anm. 1,2

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt den Abs. 1 des § 200 AktG 37 ohne Änderung; dagegen ist der Abs. 2 nicht übernommen, der besagte, daß für einen Schaden aus unbegründeter Anfechtung die Kläger, denen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, der Gesellschaft als Gesamtschuldner verantwortlich sind. Da es auch bei anderen gerichtlichen Verfahren vorkommen kann, daß der Kläger durch die Klageerhebung dem Beklagten schuldhaft einen Schaden zufügt, aber im sonstigen Recht dafür keine besondere Haftung normiert ist, erschien es nicht gerechtfertigt, die im Aktienrecht bestehenden Vorschriften aufrechtzuerhalten. Nunmehr gelten, wie stets in solchen Fällen, für eine etwaige Schadenersatzpflicht die allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen, namentlich § 826 BGB. Klagt der Vorstand oder ein Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrats, so kommt eine Haftung nach §§ 93 und 116 in Frage. Dies gilt auch für eine Anfechtung nach § 255 Ziff. 5, da auch diese zum Verantwortungsbereich der Verwaltungsmitglieder innerhalb der Gesellschaft gehört (a. A. B.-H. Rn 1). II. Die Urteilswirkung 1. auf Personen Anm. 2: Die unter der Überschrift „Urteilswirkung" erlassenen Bestimmungen beschränken sich darauf, die Rechtskraftwirkung des Urteils in persönlicher Hinsicht festzusetzen, indem sie bestimmen, daß das Urteil, welches den angefochtenen Beschluß für nichtig erklärt, für und gegen alle Aktionäre sowie alle Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates wirkt, auch wenn sie nicht Prozeßpartei gewesen sind. Wer immer für die Aufrechterhaltung des Beschlusses war und ihn nicht angefochten hat, muß sich also damit abfinden, daß der Beschluß rechtskräftig für nichtig erklärt ist. Aktionäre und Aufsichtsratsmitglieder können im Anfechtungs- und im Nichtigkeitsprozeß Nebenintervenienten sein. Sie befinden sich dann mit der Gesellschaft in notwendiger Streitgenossenschaft gem. § 6 2 ZPO (Godin J W 38, 1149; ebenso R G 164, 131/132). In persönlicher Beziehung geht aber die Wirkung des rechtskräftigen Urteils weit über den vom Gesetz abgesteckten Personenkreis hinaus und besteht auch gegenüber Dritten. Von dem die Klage abweisenden Urteil gilt dies zwar nicht, da aber alle Anfechtungsklagen zu verbinden, also einheitlich zu entscheiden sind, und bei Erlaß des Urteils die Einmonatsfrist des § 246 I notwendig abgelaufen sein muß, demnach neue Klagen nicht mehr kommen können, läuft praktisch ein die Klage abweisendes Urteil auch auf endgültige Feststellung des Rechtsbestandes des Beschlusses für und gegen jedermann hinaus. Ist der Beschluß nichtig, so kann dies dennoch jederzeit geltend gemacht werden. Über den Inhalt (Tenor) des Urteils spricht sich das Gesetz nicht aus. Nach dem Wortlaut ist der Beschluß für nichtig zu erklären. Von jeher be1384

Urteilswirkung

§248 Anm. 2,3

schäftigte es die Gerichte und das Schrifttum, ob an die Stelle des für nichtig erklärten Beschlusses vom Gericht ein anderer als gefaßt anzusehender Beschluß gesetzt werden dürfe. Diese Frage kann namentlich auftaudien, wenn ein ablehnender Beschluß mit Erfolg angefochten worden ist. Seit RG 142, 129, wo die abweichende Meinung von RG 122, 107 von demselben Senat ausdrücklich aufgegeben worden ist, dürfte als höchstrichterlich entschieden anzusehen sein, daß das Gericht an die Stelle des für nichtig erklärten ablehnenden Beschlusses den zustimmenden (annehmenden) Beschluß nicht setzen kann, und zwar auch in einem Falle nicht, in welchem der Anfechtungskläger geltend macht, daß der gefaßte Beschluß nur scheinbar ablehnend, in Wahrheit aber annehmend gewesen sei, weil bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses unzulässigerweise Neinstimmen mitgezählt worden seien, ohne welche der Antrag angenommen sei (vgl. § 243 Anm. 2). Dies gilt auch für den Beschluß, mit dem die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt (§ 257) und für den Gewinnverwendungsbeschluß (§ 254). 2. in der Sache Anm. 3: Trotz der Überschrift enthält die Bestimmung hinsichtlich der sachlichen Urteilswirkung nichts. a) Ungewiß ist daher schon, was in der Schwebezeit bis zum Erlaß des Urteils Rechtens ist. Wie sich das Registergericht während dieser gegenüber anfechtbaren, einzutragenden Beschlüsse zu verhalten hat, ist in § 243 zu Anm. 6 ausgeführt. Die Eintragung des Beschlusses kann auf Antrag des Anfechtungsklägers auch durch einstweilige Verfügung verhindert werden. Hat es das Registergericht verhältnismäßig leicht, so hat es der Vorstand wesentlich schwerer, sein Verhalten einzurichten. Es ergibt sich von selbst, daß er auf die Möglichkeit Rücksicht zu nehmen hat, daß der Anfechtungsklage stattgegeben wird. Er hat demnach bei jeder Maßnahme zur Ausführung des angefochtenen Beschlusses zu bedenken, welche Lage durch sie im Fall seiner Vernichtung eintreten wird. Grundsätzlich aber wird er, wenn er nicht ernste Bedenken gegen die Rechtsbeständigkeit des Beschlusses zu haben braucht, von dieser ausgehen und den Beschluß ausführen dürfen, ohne sich verantwortlich zu machen. Er wird dazu verpflichtet sein, wenn die Anfechtungsklage aussichtslos und mutwillig erscheint; in allen anderen Fällen ist er aber auch berechtigt, von der Ausführung des Beschlusses vorläufig abzusehen und hierzu sogar verpflichtet, wenn er die Anfechtung für begründet hält. Auch für den Aufsichtsrat kann sich während der Schwebezeit diese Ungewißheit auswirken, besonders, wenn die Anfechtungsklage sich gegen die Wahl seiner Mitglieder richtet. Kann er in einem solchen Fall den Vorstand gültig bestellen, ihn abberufen? Kann er und der von ihm bestellte Vorstand den Jahresabschluß feststellen oder wird nichts anderes übrigblei1385

§ 248

Anm. 3

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

ben, als von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, ihn von der Hauptversammlung feststellen zu lassen? Können sie diese dann einberufen? Kann der gewählte Abschlußprüfer, wenn seine Wahl angefochten wird, die Prüfung gültig vornehmen, die die Voraussetzung für einen gültigen Jahresabschluß und daher auch für den sich auf diesem aufbauenden Gewinnverwendungsbeschluß ist? In allen diesen Fällen wird man annehmen müssen, daß von der Beständigkeit des angefochtenen Beschlusses auszugehen ist, wenn es nicht offenbar ist, daß die Anfechtungsklage begründet ist. Im letzteren Fall werden die Zweifel zu beheben sein, indem man einen neuen, unanfechtbaren Hauptversammlungsbeschluß, der den anfechtbaren Beschluß nach § 244 bestätigt, herbeiführt. Im übrigen ist es Sache einer vernünftigen Abgrenzung der Nichtigkeitswirkung, auch die Schwebezeit erträglich zu machen. b) Über die eigentliche sachliche Urteilswirkung ergibt sich aus dem Gesetz mittelbar, daß sie in der Vernichtung des Beschlusses besteht, unmittelbar, daß diese materiell-rechtliche Wirkung gegenüber allen Aktionären und Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrats eintritt. Der Beschluß ist von der Rechtskraft des Urteils an für und gegen jedermann nichtig, auch für und gegen Dritte und auch dann, wenn sie gutgläubig sind, gleichgültig, ob der Beschluß eingetragen war und nun die Nichtigkeit eingetragen wird oder ob er nicht eingetragen oder auch nicht einzutragen war. Das ergibt sich aus dem Begriff der Nichtigkeit, die nicht etwa nur eine relative Nichtigkeit innerhalb der Gesellschaft ist. Nur die formelle Rechtskraft gegenüber dem Dritten liegt nicht vor. Kommt es zu einem Rechtsstreit mit ihm, ist nicht etwa die Anfechtbarkeit des Beschlusses neuerdings zu prüfen, sondern dem Urteil seine Nichtigkeit zugrunde zu legen, nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit. Davon verschieden ist die Frage, ob und inwieweit die feststehende Nichtigkeit auf die in der Vergangenheit inzwischen hergestellten Rechtsbeziehungen einwirkt, richtiger: ob letztere aufrechtzuerhalten sind, obwohl der Beschluß, den sie unmittelbar oder mittelbar zur Grundlage hatten, von nun an als niemals gefaßt angesehen werden soll. Die Schwierigkeit beginnt mit dieser rückschauenden Behandlung der Geschehnisse während der Schwebezeit. Man wird sich zunächst, wie immer, davor hüten müssen, bürgerlich-rechtliche Rechtsgrundsätze unbesehen auf das Aktienrecht zu übertragen, etwa den bürgerlich-rechtlichen Grundsatz des § 1 4 2 BGB, daß ein wirksam angefochtenes Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Daß dies im Falle der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses unter Umständen auch nur im Verhältnis zwischen Gesellschaft, Aktionär und Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates gilt, ergibt sich aus der neuen Bestimmung des § 244 über Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbesdilüsse. Danach kann zwar nach der Be1386

Urteilswirkung

§248

Anm. 3

stätigung die Anfechtbarkeit grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden, nur wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß der anfechtbare Beschluß für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluß für nichtig erklärt wird, kann er die Anfechtung weiterhin mit dem Ziel geltend machen, den anfechtbaren Beschluß für diese Zeit für nichtig zu erklären. Diese Bestimmungen sind denen der §§ 141 ff. B G B nachgebildet, auch dort kann ein nichtiges Rechtsgeschäft nur durch erneute Vornahme „bestätigt" werden. Das Gesetz spricht nicht von der Feststellung, daß der Beschluß nichtig gewesen ist, sondern von einer Nichtigerklärung. Daraus ergibt sich zunächst nicht die rückwirkende Kraft. Es läßt sich auch nicht aus der Welt schaffen, daß ein zunächst bis zum Urtensspruch auch nach dem Gesetz gültiger Hauptversammlungsbeschluß vorhanden war und daß das Leben der Gesellschaft in der Zwischenzeit nicht stillgestanden hat. Soll etwa eine z. Z. des Eintritts der Rechtskraft des Urteils bereits durchgeführte Kapitalherabsetzung nach § 241 N r . 1 hinfällig sein, die von einer Hauptversammlung beschlossen worden ist, welche ein Vorstand einberufen hat, der von einem nicht beschlußfähigen Aufsichtsrat bestellt war, weil die Wahl der von der Hauptversammlung zu wählenden Mitglieder für nichtig erklärt ist? Und wie ist es mit einer durchgeführten Kapitalerhöhung in dem unterstellten Fall? Man wird nicht umhin können, die in der Schwebezeit vorgenommenen Handlungen eines Aufsichtsrats, bei dem die Wahl der durch die Hauptversammlung zu wählenden Mitglieder angefochten ist, für rechtswirksam anzuerkennen (ebenso Schl.-Qu. § 200 Anm. 3; Kauffmann in Der Betrieb 1955, 1165; die für die G m b H ergangene Entscheidung — B G H 11, 232 ff. — kann insoweit hier nicht angewandt werden; vgl. auch Schilling in Großkomm. § 200 AktG 37 Anm. 6). D a die Grundlage für die Vorstandsbestellung in obigem Beispiel durch das Urteil zusammenbricht, das die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder, die in der Hauptversammlung zu wählen sind, für nichtig erklärt, der den Vorstand bestellt hat, hat das Gericht (§ 14) nach § 85 den Vorstand zu bestellen, der die Hauptversammlung zur Wahl der von ihr zu wählenden Mitglieder des Aufsichtsrates zu berufen hat. Ein solcher Fall ist immer als ein dringender im Sinne des § 104 II S. 2 anzusehen, so daß die 3-Monats-Frist des § 104 II S. 1 nicht abgewartet zu werden braucht. Andere Beispiele ergeben, daß durch die Ausführung eines Beschlusses und dadurch, daß das Leben der Gesellschaft über die Anfechtung hinweggegangen ist, nicht immer die Nichtigkeitsfolge wegfallen kann, denn sonst hätte in diesen Fällen die Anfechtung überhaupt keinen Zweck. Ein solches Beispiel ist die unmittelbare Anfechtung eines Kapitalherabsetzungsbeschlusses oder eines Kapitalerhöhungsbeschlusses. Durch die erfolgreiche Anfechtung der Kapitalerhöhung wird auch die Zeichnung und Verpflichtung aus der Kapitalerhöhung hinfällig, weil diese nicht dahin geht, schlechthin eine Ein1387

§ 248 Anm. 3

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen

läge, sondern eine E i n l a g e auf das erhöhte G r u n d k a p i t a l zu leisten. D i e G l ä u biger sind durch § 2 4 6 I V geschützt, so d a ß R G 85, 312 auf die Gesellschaft nicht z u übertragen ist. H i e r k o m m t es also besonders d a r a u f an, d a ß v o r der Entscheidung über die Anfechtungsklage ein Bestätigungsbeschluß nach § 2 4 4 herbeigeführt w i r d (vgl. dort A n m . 1). A u s letzteren Beispielen ergibt sich auch, d a ß auch nicht immer gesagt werden k a n n , d a ß die Dritten, die in der Schwebezeit mit der Gesellschaft in B e r ü h r u n g gekommen sind, v o n der Nichtigkeit des Beschlusses unberührt bleiben. Soll e t w a ein D r i t t e r , der nach Ausschluß des Bezugsrechts der A k tionäre Aktien gezeichnet hat, u n d durch die E i n t r a g u n g der durchgeführten K a p i t a l e r h ö h u n g erst A k t i o n ä r geworden ist, demnach bisher das Anfechtungsrecht nicht hatte, geltend machen können, d a ß die Nichtigkeitserklärung des Kapitalerhöhungsbeschlusses f ü r ihn keine W i r k u n g h a b e u n d d a ß er A k t i o n ä r g e w o r d e n sei? O d e r sollen G l ä u b i g e r , die f ü r ihre Forderungen Genußscheine hingenommen haben, d a r a n festhalten können, weil der f ü r nichtig erklärte Sanierungsbeschluß ihnen gegenüber nicht nichtig sei? I m allgemeinen gehen die Meinungen dahin, den gutgläubigen D r i t t e n zu schützen. Diese Ansicht ist zweifellos begründet auch mit Rücksicht a u f § 2 7 7 I I , der v o n der W i r k s a m k e i t der im N a m e n einer nichtigen Gesellschaft v o r genommenen Rechtsgeschäfte handelt, denn die W i r k u n g der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses k a n n nicht weiter reichen als die Wirk u n g der Nichtigkeit der Gesellschaft selbst. E s ist auch beachtlich, d a ß sich ein D r i t t e r a u f die bloße Anfechtbarkeit eines Beschlusses nicht berufen k a n n . S o muß ein Schuldner an den durch einen anfechtbar gewählten Aufsichtsrat bestellten V o r s t a n d zahlen, auch wenn § 15 H G B versagt, weil der V o r s t a n d noch nicht im Handelsregister eingetragen ist und auch, wenn sein guter G l a u b e versagt, weil er die Anfechtbarkeit der Wahl des Aufsichtsrats kennt, j a selbst, wenn schon Anfechtungsklage erhoben ist u n d er dies weiß. N u r w o unmittelbar aus dem f ü r nichtig erklärten Beschluß die Rechte des Dritten abgeleitet werden sollen, treten die Nichtigkeitsfolgen auch ihm gegenüber ein. Eine andere F r a g e ist, o b ein Dritter, soweit er den Nichtigkeitsfolgen ausgesetzt ist, die Anfechtbarkeit des Beschlusses u n d Rechtmäßigkeit seiner Vernichtung bestreiten k a n n , weil d a s Urteil ihm gegenüber keine formelle Rechtskraft habe. Diese nach Denkgesetzen zu bejahende F r a g e muß aus praktischen G r ü n d e n verneint werden, weil ein neues in einem Rechtsstreit mit einem D r i t t e n ergehendes Urteil, m ö g e es die Nichtigkeit des Beschlusses a u f g r u n d des v o r a n g e g a n g e n e n Nichtigkeitsurteils oder trotz des letzteren, weil es falsch w a r , den Rechtsbestand des Beschlusses feststellen, wieder nur Rechtskraft zwischen der Gesellschaft u n d diesem einen D r i t t e n erlangen könnte, so d a ß es z. B . möglich w ü r d e , d a ß a u f g r u n d eines durchgeführten, aber auf Anfechtungsklage hin f ü r nichtig erklärten Sanierungsbeschlusses die U m w a n d l u n g der F o r d e r u n g einzelner G l ä u b i g e r in A k t i e n 1388

Urteilswirkung

§248

Anm. 3—5

bestehen bliebe, die anderer nicht. Was die Aktionäre betrifft, so gilt für Rechtsfolgen, die unmittelbar aus dem für nichtig erklärten Beschluß abzuleiten sind, dasselbe. Man wird jedoch für sie nicht immer sagen können, daß es ihnen gegenüber dabei sein Bewenden hat, und sie die Nichtigkeit des erfolgreich angefochtenen Beschlusses nicht auch mittelbar geltend machen könne. Man wird aber hierin die Grenze von Fall zu Fall ziehen müssen. Es wird die Meinung vertreten, daß das Urteil „natürlich" nicht wirke, wenn es von einem Nichtaktionär (oder einem Aktionär, der die Aktien während des Rechtsstreits verkauft hat) als Aktionär erstritten worden ist. Daran ist jedenfalls richtig, daß in einem solchen Fall mangels Anfechtungsbefugnis die Klage hätte abgewiesen werden müssen. Die Anfechtungsbefugnis gehört zu den Klagegründen. Daß gegenüber einem rechtskräftigen Urteil dieser Klagegrund, anders als ein anderer, nochmals nachgeprüft werden könne, halten wir nicht für zutreffend. III. Einreichung an das Registergeridit, Eintragung und Bekanntmachung Anm. 4: Der Vorstand hat das rechtskräftige, nicht etwa ein vorläufig vollstreckbares Urteil, ohne schuldhaftes Zögern (§121 BGB) zum Handelsregister einzureichen. Einer besonderen Anmeldung bedarf es nicht. Das Registergericht wird auf die Einreichung hin von Amts wegen tätig. Es brauchen deshalb auch keine Anträge irgendwelcher Art gestellt zu werden. Die Einreidiung kann nach § 14 HGB durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. War der angefochtene Beschluß eingetragen, so ist nunmehr einzutragen, daß der Beschluß nichtig ist, und zwar unter Angabe der gerichtlichen Entscheidung in der Spalte, wo der Beschluß eingetragen war. Seine Eintragung ist zu röten (§ 44 Handelsregisterverfügung vom 12. 8. 37). War die Eintragung des angefochtenen Beschlusses bekanntgemacht, so ist auch die Eintragung des Urteils bekanntzumachen (§ 10 HGB). IV. Satzungsänderungsbesdiluß Anm. 5: Betraf der erfolgreich angefochtene Beschluß eine Satzungsänderung, so sind nach dem neu eingefügten Abs. 2 der vollständige Wortlaut der Satzung und eine Bescheinigung eines Notars einzureichen, aus der sich die Gültigkeit der eingereichten Satzung ergibt. Die Ergänzung wurde durch die neue Bestimmung des § 181 I S. 2 erforderlich (vgl. dort Anm. 3). Danach soll aus den Registerakten stets zusammenhängend der zur Zeit gültige Wortlaut der Satzung ersichtlich sein. Dem trägt der neue Abs. 2 Rechnung. Im einzelnen siehe § 181 Anm. 3. 1389

§ 249

Anm. 1

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

§ 249 Nichtigkeitsklage (1) Erhebt ein Aktionär, der Vorstand oder ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses gegen die Gesellschaft, so gelten § 246 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, §§ 247 und 248 sinngemäß. Es ist nicht ausgeschlossen, die Nichtigkeit auf andere Weise als durch Erhebung der Klage geltend zu machen. (2) Mehrere Nichtigkeitsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Nichtigkeits- und Anfechtungsprozesse können verbunden werden. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Klagebefugnis (Anm. 2) III. Vertretung der Gesellschaft (Anm. 3) IV. Das gerichtliche Verfahren (Anm. 4)

V. Geltendmachung der Nichtigkeit auf andere Weise (Anm. 5) VI. Verbindung von Verfahren (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift entspricht der des § 201 AktG 37. Wann ein Beschluß der Hauptversammlung nichtig ist, bestimmt zunächst allgemein § 241 und in besonderen Fällen die §§ 250, 253 und 256. Besteht im Einzelfall Streit, ob diese Bestimmungen auf einen Hauptversammlungsbeschluß zutreffen, so kann dieser letzten Endes nur durch eine Klage, die sog. Nichtigkeitsklage, entschieden werden. Auf sie finden die für die Anfechtung nach §§ 246 bis 248 geltenden Grundsätze sinngemäß Anwendung, obwohl es sich hier nicht um eine Gestaltungsklage, wie bei der Anfechtung, sondern um eine Feststellungsklage handelt. Jedoch fallen diejenigen Bestimmungen weg, die sich auf die Monatsfrist des § 246 beziehen, da eine solche Frist für die Geltendmachung der Nichtigkeit der Natur der Sache nach nicht bestimmt ist. Unanwendbar sind die Bestimmungen des § 245, die davon handeln, wer zur Erhebung der Anfechtungsklage aktiv legitimiert ist, weil gleichfalls der Natur der Sache nach die Nichtigkeitsklage von jedermann erhoben werden kann. § 249 und die von ihm angezogenen Bestimmungen finden indessen nur für Nichtigkeitsklagen von Aktionären und Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern Anwendung. Für die Nichtigkeitsklage Dritter gelten also die Vorschriften der ZPO. Für solche kann auch das Amtsgericht zuständig sein und ist die Zulässigkeit der Revision davon abhängig, daß der Wert des Streitgegenstandes die Revisionssumme erreicht (RG 170,89). Die Nichtigkeit des Beschlusses braucht nicht immer ein Rechtsverhältnis oder das Nichtbestehen eines solchen zu bedeuten, vielmehr wird Bestand oder Nichtbestand 1390

Nichtigkeitsklage

§249

Anm. 1—4

des Beschlusses meist nur Grundlage für das Bestehen oder Nichtbestehen eines von ihm zu unterscheidenden Rechtsverhältnisses sein. Die Klage des Dritten ist dann auf Feststellung dieses Rechtsverhältnisses zu richten, wenn daran ein rechtliches Interesse besteht, oder auf Leistung aufgrund desselben. § 249 gilt nidit für die Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschlusses (vgl. § 241 Anm. 2), dagegen auch, wenn es sich um die Feststellung handelt, daß ein angeblicher Hauptversammlungsbeschluß keiner sei (a. A. Ritter § 2 0 1 Anm. 5). II. Klagebefugnis Anm. 2: Zur Erhebung der Nichtigkeitsklage im Sinne des § 249 sind befugt die Aktionäre, der Vorstand und die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates. In letzterem Fall brauchen die Voraussetzungen des § 245 Nr. 5 nicht vorzuliegen. Die Voraussetzungen des § 245 Nr. 5 brauchen sie nicht zu erfüllen. Ein Feststellungsinteresse brauchen sie nicht nachzuweisen, es ergibt sich vielmehr ohne weiteres aus ihrer Aktionär-, bzw. Organstellung (BGH 43, 201.) Es handelt sich hier um den gleichen Personenkreis wie bei § 245, ohne daß die dort aufgeführten Voraussetzungen erfüllt zu sein brauchen. Der Vorstand als Gremium hat hier — ohne daß es besonders bestimmt worden ist — Aktivlegitimation. Dies gilt nicht für den Aufsichtsrat. III. Vertretung der Gesellschaft Anm. 3: Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten, die ausnahmsweise nicht allein durch ihren Vorstand, sondern in der Regel durch diesen und den Aufsichtsrat vertreten wird. Nur wenn zu den Klägern ein Mitglied des Aufsichtsrats gehört, wird sie, wie sonst, allein vom Vorstand vertreten. Gehört zu den Klägern ein Vorstandsmitglied, so wird sie ausnahmsweise allein durch den Aufsichtsrat vertreten (im einzelnen s. hierzu § 246 Anm. 4). IV. Das gerichtliche Verfahren Anm. 4: Die für die Anfechtungsklage geltenden Bestimmungen über die örtliche und sachliche Zuständigkeit gelten auch für die Nichtigkeitsklage, ferner die Bestimmungen über die Verpflichtung des Vorstands, die Erhebung der Klage und den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen, sowie über die Festsetzung des Streitwerts (vgl. im einzelnen die entsprechenden Anmerkungen zu §§ 246 und 247). Da die Erhebung der Nichtigkeitsklage nicht an die Monatsfrist, wie die Anfechtungsklage, gebunden ist, braucht sie bei Anberaumung des Verhandlungstermins nicht beachtet zu werden (§ 246 I I I S. 2). Die Bestimmungen über die Rechtskraftwirkung des § 248 gelten auch hier. Hier wird festgestellt, daß der Beschluß von Anfang an nichtig ist, er 1391

§ 249 Anm. 4

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen

wird nicht erst f ü r nichtig erklärt. Danach kann die Frage nicht auftauchen, von wann ab der richterliche Ausspruch materielle Bedeutung hat. Im übrigen treten hier dieselben Fragen auf wie dort, zunächst über die Tragweite der Rechtskraft, insbesondere auf Beziehungen zu Dritten, die sich auf den Beschluß aufbauen. Es läßt sich weder aus der vorliegenden Bestimmung, noch aus einer anderen ableiten, daß ein Dritter gegen sich die Rechtskraft gelten lassen muß. Wird also auf die Klage eines Aktionärs hin der Beschluß der Hauptversammlung, der einem Verschmelzungsvertrag zustimmt, für nichtig erklärt, so hindert dies die Vertragsgegnerin nicht, Erfüllungsklage zu erheben (a. A. wohl Baumbach-Hueck Rn. 4, auch Schilling in Großkomm. § 201 A k t G 37 Anm. 7, gegen den eingewandt sei, daß es sich nicht darum handelt, ob der Dritte die Nichtigkeit des Beschlusses, sondern ihre Feststellung in einem Verfahren gelten lassen muß, an dem er nicht beteiligt war). Hier fehlt es dem Urteil im Vorprozeß an der gestaltenden Wirkung, die dem späteren Urteil zugrunde zu legen wäre. Das f ü h r t zu unerwünschten Ergebnissen. Mißlich ist dies besonders angesichts der zeitlich unbegrenzten Klagemöglichkeit. Eine Milderung dieser Unzuträglichkeiten ergibt sich indessen aus den Bestimmungen des § 242 über die Heilung der Nichtigkeit durch Eintragung und Zeitablauf bei eingetragenen Beschlüssen. Fraglich ist auch, ob ein Aktionär, der mit der Anfechtungsklage abgewiesen worden ist, denselben Grund, wenn unter § 241 fallend, noch einmal mit der zeitlich unbegrenzten Nichtigkeitsklage geltend machen kann. Aus R G 120, 31 scheint sich die Bejahung zu ergeben, wenn der Entscheidung auch ein etwas anderer Tatbestand zugrunde lag (s. unten). Wir möchten die Frage bejahen (ebenso Schilling in Großkomm. § 201 A k t G 37 Anm. 8). Auch die materielle Tragweite der Nichtigkeit ist nicht unzweifelhaft. Natürlich entbehren alle Rechtshandlungen, die sich auf den Beschluß aufbauen, des rechtlichen Grundes und es können aus ihm keine rechtlichen Folgen abgeleitet werden. Handelt es sich aber um andere, spätere H a u p t v e r sammlungsbeschlüsse, die auf dem nichtigen Beschluß beruhen, so ist es fraglich, ob sie ohne weiteres in sich zusammenfallen und aus welchem Grunde. Einen Fall der Nichtigkeit des späteren Beschlusses nach § 241 wird die Nichtigkeit des früheren regelmäßig nicht darstellen, sondern nur möglicherweise, wenn ein rechtlicher, nicht nur logischer Zusammenhang besteht und auch durchaus nicht immer ein Grund zur Anfechtbarkeit. Auch wenn letzteres zutrifft, kann die Anfechtungsfrist verstreichen, ehe die Nichtigkeit des älteren Beschlusses zutage tritt (RG 120, 28 über einen Fall, in welchem die Anfechtungsklage gegen den zweiten Beschluß erhoben und diese Anfechtbarkeit wegen der Nichtigkeit des älteren bejaht war). 1392

Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern

249/250 Anm. 5,6

§§

V. Geltendmachung der Nichtigkeit auf andere Weise Anm. 5: Die Nichtigkeitsklage ist keine Gestaltungsklage wie die Anfechtungsklage, denn die Nichtigkeit besteht bereits vor dem Urteil und kann deshalb, anders als die Anfechtbarkeit, von jedem im Wege der Einrede oder im Wege der Widerklage geltend gemacht werden, auch durch einfache Nichtbeachtung des Beschlusses. Über Heilung der Nichtigkeit vgl. § 242. Ein Aktionär kann nur nach § 249 Klage erheben. Hat er Leistungsklage erhoben, bei der der Bestand des Beschlusses nur einen Zwischenpunkt bildet, so kann er eine Zwischenfeststellungsklage nach § 280 ZPO nicht erheben (ebenso Schl.-Qu. § 201 Anm. 11). Wenn die Gültigkeit des Beschlusses bestritten wind, kann jeder Aktionär positive Feststellungsklage nur nach § 256 ZPO erheben. VI. Verbindung von Verfahren Anm. 6: Mehrere Nichtigkeitsprozesse sind zu verbinden. Die Bestimmung ist zwingend, sie entspricht der des § 246 III S. 3. Mehrere Anfechtungs- und Nichtigkeitsprozesse müssen nicht, können aber verbunden werden. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen könnein in einem Verfahren zwecks alternativer Entscheidung erhoben werden. Auch dies ist zweckmäßig, da die Grenze zwischen Nichtigkeit und bloßer Anfechtbarkeit eines Beschlusses zweifelhaft sein kann. Sowohl bei der Verbindung einer Nichtigkeits- mit einer Anfechtungsklage, als auch bei der gemeinsamen Erhebung hat letztere Hilfscharakter, weil sie die Nichtigkeit erst herbeiführen will, während erstere ursprüngliche Nichtigkeit behauptet (s. auch § 246 Anm. 7). Der Ubergang von der Anfechtungs- zur Nichtigkeitsklage ist möglich, umgekehrt nur, wenn die Einmonatsfrist gewahrt ist. Erhebung der Nichtigkeitsklage durch Erhebung der Widerklage ist mit Rücksicht auf die Vertretungsverhältnisse nicht möglich.

Zweiter Unterabschnitt Nichtigkeit bestimmter Hauptversammlungsbeschlüsse § 250 Nichtigkeit der Wahl von Aufsiditsratsmitgliedern (1) Die Wahl eines Aufsiditsratsmitglieds durch die Hauptversammlung ist außer im Falle des § 241 Nr. 1, 2 und 5 nur dann nichtig, wenn 1. der Aufsichtsrat unter Verstoß gegen § 9 6 Abs. 2, §97 Abs. 2 Satz 1 oder § 98 Abs. 4 zusammengesetzt wird; 1393

§ 250 Anm. 1

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

2. die Hauptversammlung, obwohl sie an Wahlvorschläge gebunden ist (§§ 6 und 8 des Mitbestimmungsgesetzes), eine nicht vorgeschlagene Person wählt; 3. durch die Wahl die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder überschritten wird (§ 95); 4. die gewählte Person nach § 100 Abs. 1 und 2 bei Beginn ihrer Amtszeit nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann. (2) Für die Klage auf Feststellung, daß die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds nichtig ist, sind der Betriebsrat jedes Betriebs der Gesellschaft, jede in den Betrieben der Gesellschaft vertretene Gewerkschaft und deren Spitzenorganisation parteifähig. (3) Erhebt ein Aktionär, der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, der Betriebsrat eines Betriebs der Gesellschaft, eine in den Betrieben der Gesellschaft vertretene Gewerkschaft oder deren Spitzenorganisation gegen die Gesellschaft Klage auf Feststellung, daß die Wahl eines Aufsiditsratsmitglieds nichtig ist, so gelten § 246 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, §§ 247, 248 Abs. 1 Satz 2 und § 249 Abs. 2 sinngemäß. Es ist nicht ausgeschlossen, die Nichtigkeit auf andere Weise als durch Erhebung der Klage geltend zu machen. I Übersicht (Anm. 1) II. Nichtigkeitsgründe (Anm. 2)

III. Parteifähigkeit für die Nichtigkeitsklage (Anm. 3) IV. Verfahren (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Im zweiten Unterabschnitt werden unter der Überschrift „Nichtigkeit bestimmter Hauptversammlungsbeschlüsse" drei verschiedene Hauptversammlungsbeschlüsse gesondert geregelt: 1. Nichtigkeit und Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§§ 2 5 0 - 2 5 2 ) ; _ 2. Nichtigkeit und Anfechtung des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinnes (§§ 253—254); 3. Anfechtung des Beschlusses über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 255). § 250 ist neu und zählt zunächst erschöpfend die Gründe auf, die zur Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern führt, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre oder solche der Arbeitnehmer handelt. Entscheidend ist nur, daß ihre Wahl durch die Hauptversammlung erfolgt. Die Bestimmung findet niemals Anwendung auf entsandte Mitglieder, gleichgültig, ob es sich um nach § 101 II von Aktionären entsandte Aufsichtsratsmitglieder handelt, oder ob es sich um Aufsichtsrats1394

Nichtigkeit der W a h l von Aufsichtsratsmitgliedern

§ 250

Anm. 1,2

mitglieder handelt, die nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz von der Spitzenorganisation einer Gewerkschaft entsandt sind. Sie finden auch keine Anwendung auf Aufsichtsratsmitglieder, die anderweitig, also nicht von der Hauptversammlung, gewählt sind, nämlich die nach den Mitbestimmungsgesetzen durch Wahlmänner zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder. Wohl aber auf das von den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern der Hauptversammlung zur Wahl vorzuschlagende Mitglied (sogenannter 11. Mann), worauf Baumbach-Hueck (Rn 3) zu Recht hinweisen (insoweit fehlerhaft die Voraufl.). In Abs. 2 wird der Kreis, der nach § 249 zur Erhebung der Nichtigkeitsklage Berechtigten erweitert um den Betriebsrat jedes Betriebes der Gesellschaft und jede in den Betrieben der Gesellschaft vertretenen Gewerkschaft und deren Spitzenorganisation. Der Abs. 3 wiederholt die Bestimmung des § 249, mit der bei der Nichtigkeitsklage weitgehend auf das Verfahren der Anfechtungsklage verwiesen wird. Dabei wird dieses erweitert um die Klagebereditigten nach Abs. 2 und eingeschränkt, indem nur auf den § 248 Abs. 1 S. 2 verwiesen wird, der bestimmt, daß der Vorstand das Urteil unverzüglich zum Handelsregister einzureichen hat; im übrigen bestimmt in diesem Fall die Urteilswirkung der § 252, der insoweit an Stelle des § 248 tritt. II. Niditigkeitsgriinde Anm. 2: Die Verweisung auf § 241 Nr. 1, 2 und 5 bedeutet, daß der Beschluß, mit dem die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds erfolgt, in allen Fällen, die in § 241 aufgeführt sind, nichtig sind, mit Ausnahme der Nr. 3 und 4. Die in den Eingangsworten des § 241 aufgeführten Vorschriften treffen auf einen Wahlbeschluß nidit zu, deshalb kommen sie hier nicht in Frage. Die ausgelassene Nr. 3 befaßt sich mit der Nichtigkeit eines Beschlusses, wenn er mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Die Nr. 1 bis 4 im § 250 I enthaltenen Bestimmungen sind diejenigen, die im Rahmen der Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds „mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren" sind und „im öffentlichen Interesse gegeben sind". Sind die Ziff. 1—4 eine Aufzählung der Fälle, bei denen eine Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds gegen das Wesen der Aktiengesellschaft verstößt oder im öffentlichen Interesse gegebene Bestimmungen verletzt, so kann dies aber nicht erschöpfend sein. So ist bei einem derartigen Verstoß bzw. einer derartigen Verletzung der Beschluß als nichtig anzusehen. Hierbei ist insbesondere an die Wahl von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat über die 1395

§ 250 Anm. 2

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

für die Arbeitnehmer gesetzlich vorgesehene Zahl hinaus zu denken; vgl. hierüber ausführlich § 105 Anm. 3. Die nicht zitierten Fälle des § 241 N r . 4 — Verstoß gegen die guten Sitten — und Nr. 6 — nach § 144 II F G G aufgrund rechtskräftiger Entscheidung als nichtig gelöschter Beschluß — kommen ihrem Wesen nach bei einem Beschluß über die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds nicht in Frage, letzteres schon um deswillen nicht, weil der Beschluß nicht eingetragen wird. Der Abs. 1 bringt somit im Grunde gegenüber dem § 241 nichts Neues, er gibt gewissermaßen eine Substantiierung zu § 241 N r . 3 und stellt durch Nichtaufführung klar, daß die in § 241 aufgeführten Fälle, die für die Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes sowieso nicht passen, nicht in Frage kommen. Als mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren und gegen das öffentliche Interesse verstoßend, werden angesehen: 1. Wenn der Aufsichtsrat anders zusammengesetzt ist als: a) nach den zuletzt angewandten gesetzlichen Vorschriften (§ 96 II), b) nach einer rechtskräftigen Bekanntmachung des Vorstandes im Sinne des § 97 (§ 97 II S. 1), c) nach einer gerichtlichen Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats ( § 9 8 IV); 2. Wenn die Hauptversammlung, obwohl sie nach §§ 6 und 8 des Mitbestimmungsgesetzes an Wahlvorschläge gebunden war, eine nicht vorgeschlagene Person wählt. 1. und 2. beziehen sich auf Vorschriften, die die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Sinne des § 96 betreffen, d. h. die Zusammensetzung aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer. Dabei handelt es sich nicht um den unmittelbaren Schutz der richtigen Zusammensetzung des Aufsichtsrats, sondern mittelbar um die Einhaltung der Bestimmungen, die zur Feststellung, nach welchen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammengesetzt ist, im vorliegenden Gesetz getroffen sind. Einmal können nur die für die bisherigen Aufsichtsratswahlen gültigen Vorschriften wieder angewandt werden, wenn nicht eine Bekanntmachung des Vorstandes gemäß § 97 erfolgt oder wenn nicht die bisherige Zusammensetzung streitig wird und ein Antrag nach § 98 bei Gericht gestellt wird. Das bedeutet, daß z. B. die Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes dann nicht der Nichtigkeit anheimfällt, wenn sie nach den zuletzt angewandten Vorschriften erfolgt, obwohl diese überholt sind und die Wahl objektiv nach anderen Vorschriften hätte erfolgen sollen. Wenn zum Zeitpunkt der Wahl weder eine Bekanntmachung nach § 97 noch ein Antrag nach § 98 vorliegt, ist die objektiv unrichtige Wahl dennoch nicht etwa nichtig. Dasselbe gilt, wenn die nach § 97 I erfolgte Bekanntmachung unrichtige Vorschriften bekanntgemacht hat, aber nach § 97 II niemand einen gerichtlichen Antrag gestellt hat, so ist eine Wahl 1396

Nichtigkeit der Wahl von Aufsiditsratsmitgliedern

§ 250 Anm. 2

aufgrund der bekanntgemachten falschen Vorschriften ordnungsgemäß erfolgt. 3. Wenn durch die Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 95) überschritten wird (vgl. hierüber im einzelnen Anm. zu § 95). Hier kann man streiten, ob ein Überschreiten der Höchstzahl so bedeutungsvoll ist, daß ein Verstoß gegen diese Bestimmung die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge hat, denn sicherlich kann man nicht sagen, daß die gesetzlich vorgeschriebene Höchstzahl vom Wesen der Aktiengesellschaft; her bestimmt ist. Nach bisherigem Recht, das ebenfalls schon eine Höchstzahl kannte, konnten Ausnahmen zugelassen werden. Das zeigt schon, daß es sich bei dieser Frage nicht um eine solche handelt, die sich aus dem Wesen der Aktiengesellschaft bestimmen läßt. Man wird aber sagen können, daß es als im öffentlichen Interesse liegend angesehen werden kann, daß nicht allzu große Aufsichtsräte entstehen. Nach der klaren gesetzlichen Regelung ist ein Streit, ob dies wirklich der Fall ist, müßig. Sind in einem Wahlgang mehrere Aufsichtsratsmitglieder gewählt, so kann u. U. nur dann festgestellt werden, durch wessen Wahl die Höchstzahl überschritten wird, wenn bei der Wahl deutlich zum Ausdruck gekommen ist, in welcher Reihenfolge die gleichzeitig zur Wahl stehenden als gewählt anzusehen sind. Das wird in der Praxis verhältnismäßig selten vorkommen, denn man pflegt, schon um niemanden zu verletzen, in solchen Fällen die Namen alphabetisch zu ordnen. Dann ist der ganze Wahlbeschluß nichtig, wenn vielleicht auch von 3 Gewählten nur durch die Wahl eines die Höchstgrenze überschritten wird. 4. Wenn die gewählte Person aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht Aufsichtsratsmitglied sein durfte (§ 100 I und II). Die Gründe sind sehr verschieden und deshalb ist es auch verschieden zu beurteilen, ob sie nicht mit dem Wesen der Aktiengesellschaft zu vereinbaren sind, oder ob sie im öffentlichen Interesse gegeben wurden. Ersteres liegt vor, wenn die Bestimmungen des Abs. 1, wonach nur eine natürliche Person Mitglied des Aufsichtsrats sein kann, und bei Abs. 2 Nr. 2, wonach gesetzliche Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens nicht Aufsichtsratsmitglied sein können. Das Zweite liegt vor im Fall des Abs. 2 Nr. 1, wenn der Betreffende bereits 10 andere Aufsichtsratsmandate besitzt und Nr. 3, bei der sog. Überkreuzverflechtung. In diesen beiden Fällen kann man nicht sagen, daß sie gegen das Wesen der Aktiengesellschaft verstoßen würden, wohl aber kann man, wenn man überhaupt ihre Zweckmäßigkeit bejaht, sagen, daß sie im öffentlichen Interesse gegeben sind. Für die Übergangszeit ist § 12 III EG zu beachten. Vgl. hierzu § 100 Anm. 8. Verstößt der Wahlbeschluß aus anderen als den in Abs. 1 aufgeführten Bestimmungen gegen gesetzliche Vorschriften, so ist er nur anfechtbar. 1397

§ 250

Anm. 2,3

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen

Eine Heilung der Nichtigkeit nach § 242 kommt bei der Nichtigkeit eines Wahlbeschlusses deshalb nicht in Frage, weil der Wahlbeschluß nicht in das Handelsregister eingetragen wird und die Heilung der Nichtigkeit stets eine solche Eintragung zur Voraussetzung hat. Wohl aber können anfechtbare Wahlbeschlüsse nach § 244 bestätigt werden (vgl. § 2511S. 3). III. Parteifähigkeit für die Nichtigkeitsklage Anm. 3: Abs. 2 bestimmt, wer für die Klage auf Feststellung der Niditigkeit parteifähig ist. Die von § 245 abweichende Formulierung, in der es heißt „zur Anfechtung ist befugt", ist hier deshalb notwendig, weil neben der Befugnis zur Klageerhebung auch eine anderweitige Beteiligung am Rechtsstreit, z. B. als Nebenintervenient, in Frage kommen kann. Als parteifähig werden neben den Aktionären, dem Vorstand und den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrats der Betriebsrat jedes Betriebes der Gesellschaft, als Gremium — nicht etwa ein einzelnes Betriebsratsmitglied — sowie jede in den Betrieben vertretene Gewerkschaft und deren Spitzenorganisation angesehen. Das gilt für alle Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit eines Wahlbeschlusses, gleichgültig, welche Bestimmungen durch Abs. 1 verletzt wurden, also z. B. auch, wenn die Nr. 4 verletzt wurde, d. h., eine Person gewählt wurde, die bereits zehn Aufsichtsratsmandate zum Zeitpunkt der Wahl besaß. Damit geht die Bestimmung in ihrer Wirkung über das hinaus, was in der Regierungsbegründung angegeben ist. Danach soll es den Organen der Arbeitnehmer ermöglicht werden, durch Erhebung der Nichtigkeitsklage darauf hinzuwirken, daß der Wahlbeschluß der Hauptversammlung nicht gegen zwingende Vorschriften des Mitbestimmungsrechts verstößt. Dennoch ist die Bestimmung gerechtfertigt, denn wenn ein Aufsichtsrat aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und solchen der Arbeitnehmer zusammengesetzt ist, haben die Arbeitnehmer ein Interesse daran, daß die Zusammensetzung des gesamten Aufsichtsrats, auch in personeller Beziehung, den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Wenn dieses Motiv für die Bestimmung wegfällt, d. h. bei Gesellschaften, in denen der Aufsichtsrat nach dem Gesetz ohne Mitglieder der Arbeitnehmer zu bilden ist, kann eine Klagebefugnis der Organe der Arbeitnehmer nicht deshalb in Frage kommen, weil etwa die Nr. 4 des Abs. 1 verletzt ist. Dagegen kommt sie selbstverständlich in Frage, wenn es sich darum handelt, ob der Aufsichtsrat ohne Arbeitnehmervertreter ordnungsgemäß zusammengesetzt ist, also insbesondere bei Verletzung der Bestimmungen des Abs. 1 Nr. 1 und 2, nicht aber bei Nr. 3; hier handelt es sich zwar um die Verletzung einer im öffentlichen Interesse gegebenen Bestimmung, aber es ist nicht einzusehen, warum gerade die Organe der Arbeitnehmer zu deren Wahrung berechtigt sein sollen, wenn es sich um einen Aufsichtsrat handelt, 1398

Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern

§§

250/251

Anm. 3,4 in dem Arbeitnehmervertreter nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen Mitglieder sind (ebenso B.-H. Rn 10). IV. Verfahren Anm. 4: Das Verfahren einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl eines Aufsichtsratsmicgliedes ist entsprechend der allgemeinen Nichtigkeitsklage nach § 249 geregelt. Es wird lediglich die Aufführung der Klageberechtigten um die in Abs. 2 Genannten erweitert. Im übrigen wird auf die Bestimmungen für die Anfechtungsklage verwiesen; zwar gibt es keine Frist, innerhalb deren die Nichtigkeitsklage nach der Beschlußfassung erhoben werden muß (§ 246 I), wohl aber gelten die übrigen Bestimmungen des § 246 mit Ausnahme der in Abs. 3 S. 2, die unmittelbar mit der Frist von einem Monat zusammenhängt, wonadi die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf der Monatsfrist stattfinden soll. Anwendung finden ferner die Bestimmungen des § 247 über den Streitwert, von der Bestimmung des § 248 über die Urteilswirkung jedoch nur der Satz, daß der Vorstand das Urteil unverzüglich zum Handelsregister einzureichen hat. Die Bestimmung des § 248 Abs. 1 S. 1, die sich darauf bezieht, für und gegen wen das Urteil wirkt, findet keine Anwendung, weil die Urteilswirkung im § 252 gesondert geregelt ist. Die Bestimmungen der Sätze 3 und 4 des § 248 Abs. 1 kommen nicht in Frage, weil die Wahl des Aufsichtsrats kein Beschluß ist, der ins Handelsregister eingetragen wird. § 248 Abs. 2 entfällt schon wegen der in ihm enthaltenen Voraussetzung einer Satzungsänderung, die hier niemals vorliegen kann. Das Ergebnis der Wahl ist vielmehr nur beim Handelsregister anzumelden. Für anwendbar wird weiterhin erklärt die Bestimmung des § 249 II, wonach mehrere Nichtigkeitsprozesse zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden sind; ebenso können Nichtigkeits- und Anfechtungsprozesse miteinander verbunden werden. Die Bestimmung, wonach die Nichtigkeit auch auf andere Weise als durch Erhebung der Klage geltend gemacht werden kann, ist wörtlich die gleiche wie in § 249 I S. 2.

§ 251 Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (1) Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung kann wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durdi Klage angefochten werden. Ist die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden, so kann die Anfechtung auch darauf gestützt werden, daß der Wahlvorschlag gesetzwidrig zustande gekommen ist. § 243 Abs. 4 und § 244 gelten. (2) Für die Anfechtungsbefugnis gilt § 245 Nr. 1, 2 und 4. Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds, das nach dem Mitbestimmungsgesetz auf Vor1399

§ 251

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Anm. 1,2 schlag der Betriebsräte oder einer Spitzenorganisation gewählt worden ist, kann audi von jedem Betriebsrat eines Betriebs der Gesellschaft, jeder in den Betrieben der Gesellschaft vertretenen Gewerkschaft oder deren Spitzenorganisation angefochten werden. Die Wahl eines weiteren Mitglieds, das nach dem Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt worden ist, kann auch von jedem Aufsichtsratsmitglied angefochten werden. (3) Für das Anfechtungsverfahren gelten §§ 246, 247 und 248 Abs. 1 Satz 2. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anfechtungsgründe (Anm. 2)

III. Anfechtungsberechtigte (Anm. 3) IV. Durchführung der Anfechtung (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist neu. Sie gibt außer den allgemeinen Anfechtungsgründen einen neuen für den Fall, daß die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern aufgrund von Wahlvorschlägen nach den §§ 6 und 8 des Mitbestimmungsgesetzes, an die die Hauptversammlung gebunden ist, erfolgt ist und die Wahlvorschläge gesetzwidrig zustande gekommen waren. Der Fall, daß die Hauptversammlung von dem Wahlvorschlag abweicht, ist in § 250 I Nr. 2 behandelt, er führt die Nichtigkeit des Wahlbeschlusses herbei. Abs. 2 erweitert den Kreis der nach § 245 Anfechtungsbefugten um die Organe der Arbeitnehmer, jedoch nicht allgemein für jede Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes, wie im § 250 die Parteifähigkeit für die Nichtigkeitsklage schlechthin erweitert wird. Hier bezieht sich die Erweiterung nur auf die Anfechtung der Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes, das nach dem Mitbestimmungsgesetz auf Vorschlag der Betriebsräte oder einer Spitzenorganisation gewählt ist. Die Wahl eines weiteren Mitgliedes, das nach dem Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt worden ist (der sog. 11. Mann), kann von jedem Aufsichtsratsmitglied angefochten werden. II. Anfechtungsgründe Anm. 2: Da die Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes durch die Hauptversammlung ein Beschluß dieser ist, ist sie, wie jeder Beschluß, nach § 243 anfechtbar, wenn er unter Verletzung des Gesetzes oder der Satzung zustande gekommen ist, oder wenn sein Inhalt gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt, sofern nicht im letzteren Fall Nichtigkeitsgründe nach § 250 I vorliegen. Dann kommt keine Anfechtungsklage, sondern nur eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit in Frage (vgl. Anm. 3 und 4 zu § 250). 1400

Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern

§ 251 Anm. 2

Ebenso, wie bei der Frage der Nichtigkeit von Wahlbeschlüssen für Aufsichtsratsmitglieder, kann es sich auch hier immer nur um Aufsichtsratsmitglieder handeln, deren Bestellung durch einen Beschluß, und zwar eine Wahl der Hauptversammlung, erfolgt. Die Bestimmungen finden mithin keine Anwendung auf die entsandten Mitglieder, gleichgültig, ob es sich um von den Aktionären entsandte Mitglieder nach § 101 II oder um solche der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften nach dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz handelt. Auch die Vorschriften über die Anfechtung der Wahlen, durch welche die Arbeitnehmer oder Wahlmänner Aufsichtsratsmitglieder wählen, werden durch die vorliegende Bestimmung nicht berührt. Zu § 250 I N r . 1 ist dort in Anm. 4 erörtert worden, daß der Schutz der richtigen Zusammensetzung des Aufsichtsrats insofern ein indirekter ist, als nur dann die Wahlbeschlüsse nichtig sind, wenn die Wahl nicht nach den Vorschriften erfolgt, nach denen sie nach § 96 II, § 97 II S. 1 oder § 98 IV erfolgen müßte, daß die Nichtigkeit aber nicht eintritt, wenn diese Verfahrensvorsdiriften beachtet sind, aber dennoch der Aufsichtsrat objektiv falsch, d. h. nach nicht zutreffenden Vorschriften zusammengesetzt ist. Die Frage ist, ob in einem solchen Fall der Beschluß anfechtbar ist. Auch das ist zu verneinen. In § 96 II heißt es, der Aufsichtsrat kann nur anders als nach den zuletzt angewandten Vorschriften zusammengesetzt werden, wenn entweder eine Bekanntmachung nach § 97 erfolgt ist oder eine gerichtliche Entscheidung nach § 98. Ebenso besagt § 97 II S. 1: „So ist der neue Aufsichtsrat nach den in der Bekanntmachung des Vorstandes angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen"; ebenso besagt § 98 I V : „Entspricht die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht der gerichtlichen Entscheidung, so ist der neue Aufsichtsrat nach den in der Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen". Fraglich ist, ob eine Anfechtung des Wahlbeschlusses nach § 243 II möglich ist, d. h., ob sie darauf gestützt werden kann, daß ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts bei der Wahl für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen sudite. Das Gesetz geht davon aus, daß dieser Tatbestand durch die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds nicht erfüllt werden kann. Zunächst einmal verweist es nicht schlechthin für die Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses auf § 243, sondern wiederholt in Abs. 1 S. 1 den § 243 I. Im übrigen verweist es an anderer Stelle und in anderem Zusammenhang auf § 243 IV und erklärt diesen für anwendbar. In Abs. 2 wird bei der Aufzählung der zur Anfechtung Befugten auf § 245 verwiesen, jedoch die N r . 3 ausdrücklich ausgelassen, die sich ausschließlich auf § 243 II bezieht. Ebenso ist in § 245 ausgenommen die Nr. 5, wonach jedes Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrats zur Anfechtung befugt ist, wenn durch die Ausführung des Beschlusses ein Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrats eine strafbare Handlung oder eine 1401

§ 251 Anm. 2

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Ordnungswidrigkeit begehen oder sich ersatzpflichtig machen würde. Dieser Fall kann bei einer Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes nicht vorkommen, ebensowenig wie der § 243 II, so daß sich ergibt, daß beide Tatbestände als Anfechtungsgründe der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern ausgeschlossen sind. D a das Gesetz nicht auf § 243 insgesamt verweist, sondern den Abs. 1 ausdrücklich im Wortlaut wiederholt und nur auf den § 243 IV verweist, könnte man schließen, daß § 243 I I I bei der Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern keine Anwendung findet. Das wäre aber wenig sinnvoll, denn die Bestimmung besagt, daß die Anfechtung nicht auf eine Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 128 gestützt werden kann. Nach § 128 sind die Kreditinstitute und Vereinigungen von Aktionären verpflichtet, Mitteilung nach § 125 I unverzüglich an die Aktionäre, für die sie Aktien verwahren bzw. die ihre Mitglieder sind und es verlangen, an diese weiterzugeben. Zu den an die Aktionäre weiterzugebenden Mitteilungen gehören auch die Wahlvorschläge von Aktionären zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 127. Die Bestimmung des § 243 III besteht, weil sich die Weitergabe der Mitteilungen an die Aktionäre außerhalb der Einflußmöglichkeiten der Gesellschaft abspielt und es deshalb als Unbilligkeit angesehen werden müßte, wenn die Beschlüsse wegen eines Verstoßes gegen diese Vorschrift anfechtbar sein sollten. Diese Gründe gelten in gleichem Umfang für die Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung. Es liegt deshalb kein Grund vor, diese Bestimmung nicht zur Anwendung zu bringen. Sie gilt allgemein für alle Anfechtungsfällle, infolgedessen auch für die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, da sie dort nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Man kann auch nicht einwenden, dann gelte auch § 243 II, denn diese Bestimmung ist, wie oben ausgeführt, zwar nicht ausdrücklich, aber indirekt dadurch ausgeschlossen worden, daß in Abs. 2 des § 251 bei der Aufzählung der zur Anfechtung Befugten gerade die N r . 3 des § 245, die sich auf § 243 II bezieht, ausgenommen worden ist. Der in Abs. 1 S. 2 gegebene besondere Anfechtungsgrund bezieht sich ausschließlich auf Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung, durch die Wahlvorschläge, an die die Hauptversammlung gebunden ist, durchgeführt werden, und zwar unter Beachtung dieser Wahlvorschläge. Weicht sie von den Wahlvorschlägen ab, so ist der Beschluß nach § 250 I N r . 2 nichtig. H ä l t sich die Hauptversammlung an den Wahlvorschlag, und ist der Beschluß auch aus sonstigen Gründen nicht anfechtbar, so ist er als solcher nicht gesetzwidrig, auch wenn der Wahlvorschlag auf gesetzwidrige Weise zustande gekommen ist. Gerade für diesen Fall gibt die vorstehende Bestimmung ein zusätzliches Anfechtungsrecht und schließt damit eine sonst bestehende Lücke. Es wird dadurch verhindert, daß durch einen ordnungsgemäß durchgeführten Wahlbeschluß ein gesetzwidriger Wahlvorschlag sanktioniert wird. 1402

Anfechtung der W a h l von Aufsichtsratsmitgliedern

§ 251

Anm. 3,4

III. Anfechtungsbereditigte Anm. 3: Für die Anfechtung von Wahlbeschlüssen der Hauptversammlung für Aufsichtsratsmitglieder sind die gleichen befugt, wie in allen Anfechtungsfällen nach § 245, mit Ausnahme der dort unter Nr. 3 aufgeführten, vgl. hierzu oben Anm. 2. Diese Bestimmung gilt für alle Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung, also auch dann, wenn es sich um die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds der Aktionäre handelt. Nur für die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds, das nach dem Mitbestimmungsgesetz (§§ 6 und 8) auf bindenden Vorschlag zu wählen ist, kommen weitere Anfechtungsbefugte hinzu: 1. Jeder Betriebsrat eines Betriebes der Gesellschaft — als Gremium, nicht etwa jedes einzelne Betriebsratsmitglied, 2. jede in den Betrieben der Gesellschaft vertretene Gewerkschaft, 3. deren Spitzenorganisation. Handelt es sich um die Wahl eines „weiteren Mitglieds" — das ist der sog. 11. Mann — so ist neben den in § 245 Nr. 1, 2 und 4 jedes Aufsichtsratsmitglied anfechtungsberechtigt. Dies beruht darauf, daß die Wahl auf Vorschlag der anderen Aufsichtsratsmitglieder erfolgt. Nicht anfechtungsberechtigt sind die oben unter 1—3 Genannten (vgl. B.-H. Rn 10; die gegenteilige Ansicht der Voraufl. wird nicht aufrechterhalten). IV. Durchführung der Anfechtung Anm. 4: Einer Anfechtungsklage kann mit Erfolg entgegengehalten werden, der anfechtbare Beschluß sei in nicht anfechtbarer Weise nach § 244 durch einen neuen Hauptversammlungsbeschluß bestätigt worden (vgl. die Anm. dort). Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Verfahrens der Anfechtungsklage einschließlich der Monatsfrist des § 246 I im Gegensatz zur Nichtigkeitsklage, bei der die Frist wegfällt. Eingeschränkt ist nur die Anwendbarkeit des § 248. Hier findet nur Abs. 1 Satz 2 Anwendung, weil die Urteilswirkung selbst in § 252 gesondert geregelt ist und die Sätze 1, 3 und 4 des Abs. 1 und der Abs. 2 deshalb hier nicht in Frage kommen, weil die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds nicht in das Handelsregister einzutragen ist. Es wird vielmehr nur dem Registergericht das Ergebnis der Wahl mitgeteilt (im einzelnen vgl. die Anm. zu den zitierten Vorschriften). Wird eine Anfechtung auf die Verweigerung einer Auskunft in der Hauptversammlung gestützt, so ist es unerheblich, daß die Hauptversammlung oder Aktionäre erklärt haben oder erklären, die Verweigerung der Auskunft habe ihren Beschluß nicht beeinflußt (§ 243 IV, auf den im Abs. 1 ausdrücklich verwiesen wird; vgl. im einzelnen § 243 Anm. 8). 1403

§§ 251/252

Anm. 4

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Nicht zitiert ist der § 249 I I , wonach mehrere Nichtigkeitsprozesse zur gleichen Zeit zur Verhandlung und Entscheidung zu verbinden sind. Nichtigkeits- und Anfechtungsprozesse können verbunden werden, da im § 250 I I I für die Nichtigkeitsprozesse ausdrücklich auf § 249 I I verwiesen ist und es sich auch dort um die Wahlbeschlüsse von Aufsichtsratsmitgliedern handelt. Es muß daher angenommen werden, daß der § 249 I I auch bei der Anfechtung solcher Wahlbeschlüsse zu gelten hat. D a hier nur der Satz 2 in Frage kommt, es also im Ermessen des Gerichts liegt, die Verbindung vorzunehmen, war eine besondere Erwähnung nicht notwendig. Das Gericht kann das schon nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung.

§ 252 Urteilswirkung (1) Erhebt ein Aktionär, der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, der Betriebsrat eines Betriebs der Gesellschaft, eine in den Betrieben der Gesellschaft vertretene Gewerkschaft oder deren Spitzenorganisation gegen die Gesellschaft Klage auf Feststellung, daß die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durdi die Hauptversammlung nichtig ist, so wirkt ein Urteil, das die Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig feststellt, für und gegen alle Aktionäre und Arbeitnehmer der Gesellschaft, die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, die Betriebsräte der Betriebe der Gesellschaft, die in den Betrieben der Gesellschaft vertretenen Gewerkschaften und deren Spitzenorganisationen, auch wenn sie nicht Partei sind. (2) Wird die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt, so wirkt das Urteil für und gegen alle Aktionäre sowie die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats, auch wenn sie nicht Partei sind. Im Fall des § 251 Abs. 2 Satz 2 wirkt das Urteil auch für und gegen die nach dieser Vorschrift anfechtungsberechtigten Betriebsräte, Gewerkschaften und Spitzenorganisationen, auch wenn sie nicht Partei sind. Die Vorschrift ist neu und regelt die Urteilswirkung für die Nichtigkeitsklage im Abs. 1 und die Anfechtungsklage im Abs. 2. Der in § 248 I S. 1 zum Ausdruck gekommene Grundsatz, daß die aufgrund einer Nichtigkeitsklage festgestellte Nichtigkeit eines Beschlusses und aufgrund einer Anfechtungsklage erklärte Nichtigkeit eines Beschlusses für und gegen alle Beteiligten wirken muß, wird auch hier in den Abs. 1 und 2 ausgesprochen.- Er wird deshalb in einer besonderen Vorschrift wiederholt, weil hier der Kreis der Beteiligten verschieden ist von dem des § 248 und auch jeweils verschieden im Falle der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage. 1404

Nichtigkeit des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns

§§

252/253

Wird die Nichtigkeit eines Wahlbeschlusses der Hauptversammlung aufgrund einer Nichtigkeitsklage festgestellt, so wirkt, gleichgültig, wer die Klage erhoben hat, das Urteil nicht nur gegen die Prozeßbeteiligten, sondern gegen alle zur Klage legitimierten (s. § 250 Anm. 3) sowie gegen alle Arbeitnehmer. Damit wird die Wirkung des Urteils auf alle diejenigen ausgedehnt, die zum Bereich der Gesellschaft gehören, weil unter diesen die Feststellung naturnotwendig einheitlich zu geschehen hat; eine andere Regelung der Urteilswirkung wäre nicht praktikabel, denn innerhalb des Gesellschaftsbereiches kann die Frage der Gültigkeit eines Wahlbeschlusses nicht unterschiedlich geregelt sein. Der Abs. 2 regelt die Urteilswirkung eines auf eine Anfechtungsklage ergehenden Urteils, das den Hauptversammlungsbeschluß für nichtig erklärt. Im allgemeinen ist die Wirkung die gleiche, wie bei jeder Anfechtung nach § 248 I, der inhaltlich im Satz 1 wiederholt wird. Hier muß jedoch unterschieden werden zwischen der Wahl eines Aufsichtsratsmitgliedes, das nach dem Mitbestimmungsgesetz auf Vorschlag der Betriebsräte oder einer Spitzenorganisation gewählt worden ist (§ 251 I I S. 2) und allen anderen Wahlen eines Aufsichtsratsmitgliedes durch die Hauptversammlung, weil in ersterem Fall der Kreis der zur Anfechtung Befugten nach § 251 S. 2 erweitert wird. D a die Arbeitnehmer, im Gegensatz zum Abs. 1, im Abs. 2 nicht ausdrücklich aufgeführt werden und dies in der Begründung zum Reg.-Entwurf damit begründet wird, daß die Urteilswirkung die Arbeitnehmer der Gesellschaft deshalb nicht erfaßt, weil sie nicht anfechtungsberechtigt sind, muß dies hingenommen werden, obwohl dies nicht ganz einzusehen ist. Die Reg.-Begründung führt hinsichtlich der Wirkung eines auf eine Nichtigkeitsklage hin ergangenen Urteils selbst aus, daß sie auch gegenüber den Arbeitnehmern im Interesse der einheitlichen Feststellung eintreten müsse. D a ß zwischen der Feststellung und der Erklärung der Nichtigkeit hinsichtlich der Wirkung des Urteils ein Unterschied gemacht wird, ist nicht zu verstehen (ähnlich B . - H . Rn 3; vgl. im übrigen über die Urteilswirkung § 248 Anm. 2 und 3). § 253 Nichtigkeit des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns (1) Der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns ist außer in den Fällen des § 173 Abs. 3, des § 217 Abs. 2 und des § 241 nur dann nichtig, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses, auf dem er beruht, nichtig ist. Die Nichtigkeit des Beschlusses aus diesem Grunde kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses nicht mehr geltend gemadit werden kann. (2) Für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit gegen die Gesellschaft gilt § 249. 1405

§ 253

Anm. 1,2

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Nid

I. Übersicht (Anm. 1) II. Die allgemeinen Nichtigkeitsgründe (Anm. 2)

III. Der besondere Nichtigkeitsgrund (Anm. 3) IV. Geltendmachung (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist neu. Sie verweist auf die allgemeinen Nichtigkeitsgründe des § 241 und regelt besondere Fälle der Nichtigkeit eines Gewinnverwendungsbeschlusses. Dieser ist nichtig in den Fällen der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung nach Änderung ohne neuen Bestätigungsvermerk (§ 173 III), bei Nichteintragung der Kapitalerhöhung innerhalb der Frist (§217 II) und dann, wenn die Feststellung des ihm zugrunde liegenden Jahresabschlusses nichtig ist. Für die Nichtigkeitsklage gilt § 249. II. Die allgemeinen Nichtigkeitsgründe Anm. 2: Der Hauptversammlungsbeschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns ist nichtig, wenn einer der allgemeinen Niditigkeitsgründe aus § 241 vorliegt. In § 241 sind Fälle aufgeführt, in denen außer den Fällen der Nr. 1 bis 6 ein Hauptversammlungsbeschluß nichtig ist. Von diesen ist nur ein einziger auch hier erwähnt, nämlich der § 217 II. Das liegt daran, daß alle übrigen Paragraphen nicht im Zusammenhang mit dem Gewinnverweindungsbeschluß stehen können, mit Ausnahme der §§ 234 III, 235 III, die einen unmittelbaren Einfluß auf den Gewinnverwendungsbeschluß haben. Wenn bei einer vereinfachten Kapitalherabsetzung §§ 229 bis 236 im Jahresabschluß für das letzte vor der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung abgelaufene Geschäftsjahr das Grundkapital und die offenen Rüdklagen in der Höhe ausgewiesen-werden sollen, in der sie nach der Kapitalherabsetzung bestehen sollen, so hat die Hauptversammlung den Jahresabschluß festzustellen. Beide Beschlüsse, also sowohl der über die Kapitalherabsetzung wie der über die Feststellung des Jahresabschlusses, sind nichtig, wenn der Beschluß über die Kapitalherabsetzung nicht binnen 3 Monaten nach der Beschlußfassung eingetragen worden ist (§ 234). Hier wird also auch der festgestellte Jahresabschluß nichtig und damit auch ein Gewinnverwendungsbeschluß. Das ergibt sich aus der vorliegenden Bestimmung. Deshalb bedurfte es nicht einer besonderen Erwähnung des § 234 und auch nicht des § 235, der sich auf den zusätzlichen Fall bezieht, daß außer der Rüdewirkung der Kapitalherabsetzung eine gleichzeitige Kapitalerhöhung beschlossen wird. Hier sind sämtliche Beschlüsse nichtig, also auch wieder der Jahresabschluß und deshalb auch ein Gewinnverwendungsbeschluß. Nur einer der in § 241 erwähnten Vorschriften, nämlich der § 217 II, mußte hier besonders hervorgehoben werden, denn er trifft gerade den Ge1406

Nichtigkeit des Beschlusses über die V e r w e n d u n g des Bilanzgewinns

§ 253

Anm. 2—i

winnverwendungsbeschluß. Bei der Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln kann in dem Erhöhungsbeschluß bestimmt werden, daß die neuen Aktien bereits am Gewinn des letzten vor der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufenen Geschäftsjahres teilnehmen. Nach dieser Beschlußfassung kann der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns erfolgen. Er wird wirksam, wenn das Grundkapital erhöht ist. Beide Beschlüsse, sowohl der über die Kapitalerhöhung als auch der über die Verwendung des Bilanzgewinns, sind nichtig, wenn der Beschluß über die Kapitalerhöhung nicht binnen 3 Monaten nach der Beschlußfassung ins Handelsregister eingetragen worden ist. Endlich ist hier eine Bestimmung aufgeführt, die in § 241 nidit enthalten ist. Das ist § 173 III. Danach kann zwar, wenn der Jahresabschluß durch die Hauptversammlung festgestellt wird, sowohl dieser Beschluß als auch der Gewinnverwendungsbeschluß vor der erneuten Prüfung des Jahresabschlusses durch den Abschlußprüfer gefaßt werden. Beide Beschlüsse werden aber nichtig, wenn nicht binnen 2 Wochen seit der Beschlußfassung ein hinsichtlich der Änderung uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird. Die beiden hier erwähnten Fälle der § 173 III und § 217 II sind die einzigen im Gesetz, die sich besonders mit der Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses befassen. III. Der besondere Nichtigkeitsgrund Anm. 3: Ein Gewinn Verwendungsbeschluß setzt einen festgestellten Jahresabschluß voraus, denn es handelt sich um die Verwendung des Gewinns, der sich aus diesem festgestellten Jahresabschluß ergibt. Es ist deshalb auch ohne besondere Gesetzesbestimmung folgerichtig, daß, wenn der festgestellte Jahresabschluß nichtig ist, auch der Gewinnverwendungsbeschluß von dieser Nichtigkeit ergriffen werden muß. Das wird im Gesetz zur Klarstellung nunmehr ausdrücklich festgelegt; dies entspricht im wesentlichen der Ansicht des Schrifttums zum bisherigen Recht. Es kommt nicht darauf an, ob die Feststellung des Jahresabschlusses von der Verwaltung erfolgte oder von der Hauptversammlung durch einen Beschluß. Wann der Jahresabschluß nichtig ist, richtet sich nach § 256; siehe im einzelnen dort. IV. Geltendmachung Anm. 4: Wie in allen Fällen der Nichtigkeit eines Beschlusses ist die Geltendmachung auf verschiedene Weise möglich. Zunächst einmal dadurch, daß er nicht beachtet wird, also der Vorstand die im Gewinnverwendungsbeschluß etwa liegende Verteilung einer Dividende nicht ausführt, oder, wenn die Nichtigkeit streitig ist, durch Klage auf Feststellung der Nichtigkeit gegen die Gesellschaft. Die Bestimmungen des § 249 finden Anwendung, im einzelnen 1407

§ § 253/254 Anm. 4

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

s. die Anm. dort. Die Nichtigkeit kann aber auch im Wege der Einrede geltend gemacht werden, so z. B., wenn ein Aktionär die Dividende einklagt, so kann die Gesellschaft sich auf die Nichtigkeit des Beschlusses berufen. Die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses nicht mehr geltend gemacht werden kann. Zwei Nichtigkeitsgründe können immer geltend gemacht werden: wenn der Jahresabschluß nicht nach § 162 I und III geprüft (§ 256 I Nr. 2) und wenn der Feststellungsbeschluß der Hauptversammlung durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt worden ist (§ 256 III Nr. 3). Andere Nichtigkeitsgründe können nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger 3 bzw. 6 Monate verstrichen sind (vgl. im einzelnen § 256 Anm. 12). Ist der Gewinnverwendungsbeschluß selbst mit einem selbständigen Nichtigkeitsgrund behaftet, so kann die Nichtigkeit unabhängig davon geltend gemacht werden, ob die Geltendmachung der Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses noch möglidi ist. Der Gewinnverwendungsbeschluß bleibt nichtig, da er nicht eingetragen wird und die Nichtigkeit somit nach § 242 nicht geheilt werden kann. § 254 Anfechtung des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns (1) Der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns kann außer nach § 243 auch angefochten werden, wenn die Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn Beträge in Rücklage stellt, die nidit nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen sind, obwohl die Einstellung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern und dadurdi unter die Aktionäre kein Gewinn in Höhe von mindestens vier vom Hundert des Grundkapitals, abzüglich von noch nicht eingeforderten Einlagen, verteilt werden kann. (2) Für die Anfechtung gelten §§ 244 bis 248. Die Anfechtungsfrist beginnt auch dann mit der Beschlußfassung, wenn der Jahresabschluß nach § 173 Abs. 3 erneut zu prüfen ist. Zu einer Anfechtung wegen zu hoher Einstellung in Rücklagen nach Absatz 1 sind Aktionäre nur befugt, wenn ihre Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von einer Million Deutsche Mark erreichen. I. Übersidit (Anm. 1) II. Mindestdividende (Anm. 2) III. Begrenzung der Rücklagen (Anm. 3)

1408

IV. Folgen satzungsmäßiger Bestimmungen (Anm. 4) V. Anfechtungsberechtigte (Anm. 5) VI. Frist (Anm. 6)

Anfechtung des Beschlusses über die V e r w e n d u n g des Bilanzgewinns

§ 254

Anm. 1—3

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift ist neu und regelt die Anfechtbarkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 174. Dieser ist wie jeder Hauptversammlungsbeschluß nadi § 243 anfechtbar, insbesondere wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung. Die vorliegende Bestimmung gibt einen besonderen Anfechtungsgrund, der sich aus der Neuregelung der Verwendung des Jahresüberschusses nach § 58 als notwendig erwiesen hat. § 58 III bestimmt, daß die Hauptversammlung im Beschluß über die Verwendung des Jahresüberschusses Beträge in offene Rücklage einstellen oder als Gewinn vortragen kann. Irgendwelche Grenzen sind hier nicht gesetzt. Sie kann also nach dieser Bestimmung durch einfachen Mehrheitsbeschluß den ganzen Gewinn in Rücklagen einstellen. § 58 IV stellt ausdrücklich fest, daß die Aktionäre nur Anspruch haben auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung oder durch Hauptversammlungsbeschluß nach § 58 III von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist. Dadurch bleibt die Möglichkeit offen, daß ein Großaktionär oder auch in Familiengesellschaften eine Gruppe von Aktionären, die die Mehrheit in der Hauptversammlung haben, die anderen Aktionäre aushungern, indem sie von dem Recht der Mehrheit der Hauptversammlung, alles in Rücklagen einzustellen und von der Gewinverteilung auszuschließen, Gebrauch macht. Diese Möglichkeiten sollen durch die vorstehende Bestimmung, jedenfalls bis zu einem gewissen Grade, beseitigt werden. Dabei wird an dem Grundsatz des § 58 III, daß die Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn Beträge in Rücklagen einstellen darf, nichts geändert. Es wird aber einer Minderheit von Aktionären das Recht gegeben, den Gewinnverwendungsbeschluß dann anzufechten, wenn die Einstellung in Rücklagen übermäßig hoch ist und nicht einmal eine Dividende von 4 vom Hundert des Grundkapitals ausgeschüttet wird. II. Mindestdividende Anm. 2: Eine Anfechtung ist dann nicht gegeben, wenn an die Aktionäre eine Dividende in Höhe von mindestens 4 °/o des Grundkapitals auf die eingeforderten Einlagen verteilt wird. Geschieht dies, so kann die Hauptversammlungsmehrheit so viel in Rücklagen einstellen wie es ihr behagt, auch wenn dadurch das vernünftige Maß weit überschritten wird. Die Vorschrift wirkt sich deshalb im Grunde nicht als ein Schutz vor zu großer Rücklagenbildung aus, sondern als Garantie einer Mindestdividende der Einlage der Aktionäre. III. Begrenzung der Rücklagen Anm. 3: Nur wenn die Mindestdividende (s. Anm. 2) nicht bezahlt wird, kann der Gewinnverwendungsbeschluß angefochten werden, wenn Beträge in 1409

§ 254

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen

Anm. 3,4 Rücklagen eingestellt sind, obwohl die Einstellung nicht oder nicht in dieser Höhe bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Der wirtschaftliche Sinn der Einstellung von Beträgen in offene Rücklagen ist der, die Widerstandskraft der Gesellschaft für wirtschaftliche oder finanzielle Schwierigkeiten, die im einzelnen noch nicht absehbar sind — denn dann kann man Rückstellungen vornehmen — zu schützen. Infolgedessen muß sich die kaufmännische Beurteilung darauf richten, ob die Höhe der Rücklagen diesem Ziel entspricht. Eine feste Norm gibt es nicht; es sind nicht nur Branchenunterschiede, sondern auch solche der einzelnen Unternehmen zu berücksichtigen. Auch das Problem der so hart umstrittenen sog. Substanzerhaltungsrücklage wird hier zu beachten sein, d. h., es muß darauf Rücksicht genommen werden, daß das Gesetz bei der Frage der Abschreibungsmöglichkeiten von den Anschaffungswerten ausgeht und nicht vom Wiederbeschaffungswert, so daß bei der kaufmännisch notwendigen Substanzerhaltung die Differenz zwischen dem Anschaffungswert, der innerhalb einer nach dem Gegenstand sich richtenden auch den technischen Fortschritt berücksichtigenden Zeit voll abgeschrieben werden kann, und den dann vermutlichen Wiederbeschaffungswert durch offene Rücklagen sicherzustellen. Dies ist eine kaufmännische Notwendigkeit. Ihre Beachtung kann deshalb nicht zur Anfechtbarkeit führen. Der Gesetzgeber hat auch davon Abstand genommen, festzulegen, auf welchen Zeitraum die notwendigen Rücklagen berechnet werden dürfen. Auch hier ist von Fall zu Fall zu prüfen. Deshalb ist nur die sehr 'allgemeine und bewußt dehnbare Formulierung gewählt: „Für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum". IV. Folgen satzungsmäßiger Bestimmung Anm. 4: Aktionäre können durch eine übemäßige Zuweisung in die Rücklagen nur dann benachteiligt werden, wenn ein Anspruch auf Dividende besteht. Es ist möglich, daß die Satzung eine Verteilung des Gewinns an die Aktionäre ganz ausschließt oder auf einen bestimmten Prozentsatz begrenzt. Solange diese Satzungsbestimmungen eingehalten werden, kommt § 254 nicht zur Anwendung. Anderes gilt, wenn die Satzung nach § 58 III Satz 2 die Hauptversammlung ermächtigt hat, den Gewinn anders zu verwenden, beispielsweise durch Zuwendung an eine gemeinnützige Stiftung. Geschieht dies im Gewinnverwendungsbeschluß, so kommt eine Anwendung des § 254 schon inhaltlich nicht in Frage, da eine Zuweisung in Rücklagen nicht erfolgt ist. Ist aber eine Zuweisung an eine gemeinnützige Stiftung nicht erfolgt, sondern vielmehr Beträge in Rücklagen eingestellt worden, so kommt § 254 sehr wohl zur Anwendung, da nur eine Zuweisung an eine gemeinnützige Stiftung eine Verteilung unter die Aktionäre ausschließt (anders die Voraufl.). 1410

Anfechtung des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns

§ 254

Anm. 4—6

§ 254 findet keine Anwendung auf einen evtl. zu hoch bemessenen Gewinnvortrag, da es sich hierbei nicht um eine Rücklage handelt (vgl. im einzelnen, insbesondere auch andere Folgen § 174 Anm. 3). V. Anfechtungsberechtigte Anm. 5: Während nach § 245 grundsätzlich jeder einzelne Aktionär ohne Rücksicht auf seinen Aktienbesitz zur Anfechtung befugt ist, können hier Aktionäre nur anfechten, deren Anteile zusammen den 20. Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 1 Mill. DM erreichen (über die Berechnung der Minderheit und über den neu eingeführten Grundsatz der Minderheit mit festem Nennbetrag vgl. § 142 Anm. 5). Die übrigen in § 245 genannten Anfechtungsberechtigten, also der Vorstand und unter gewissen Voraussetzungen jedes Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrats, bleiben auch in diesem Fall anfechtungsberechtigt. Man könnte die Frage aufwerfen, ob der Vorstand nicht sogar verpflichtet ist, die Anfechtung durchzuführen, wenn sich die vorgeschriebene Minderheit von Aktionären nicht zusammenfindet und die Hauptversammlungsmehrheit ganz offensichtlich den Gewinnverwendungsbeschluß zum Aushungern der übrigen Aktionäre gefaßt hat. Das ist zu verneinen, da der Vorstand die Interessen der Gesellschaft zu wahren hat und nicht die einer Aktionärsgruppe. VI. Frist Anm. 6: Der besondere Hinweis im Abs. 2 S. 1, daß für die Anfechtung die §§ 244—248 gelten, wäre an sich nicht erforderlich gewesen, da der Gewinnverwendungsbeschluß ein Beschluß der Hauptversammlung ist, auf den auch ohne besondere gesetzliche Bestimmung diese Vorschriften zur Anwendung gelangen würden. Ihre Einfügung hier wie bei allen besonderen Bestimmungen über Nichtigkeit und Anfechtung war notwendig, weil das Gesetz von einer Zweiteilung zwischen allgemeinen und besonderen Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen ausgeht (vgl. Werner in Die AktGes. 1967, 123). Wenn nach § 173 III die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt und dabei den vom Vorstand aufgestellten und von den Abschlußprüfern geprüften Jahresabschluß abändert, so muß dieser, soweit es die Änderung erfordert, erneut geprüft werden. An sich könnte die Hauptversammlung deshalb weder den Feststellungsbeschluß fassen noch den Gewinnverwendungsbeschluß. Das Gesetz läßt beides zu mit der Maßgabe, daß die Beschlüsse erst wirksam werden, wenn aufgrund der erneuten Prüfung ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt worden ist. Beide Beschlüsse werden nichtig, wenn dies nicht binnen 2 Wochen seit der Beschlußfassung geschieht. Es könnte zweifelhaft sein, ob die Frist von 1 Monat, innerhalb 1411

§§ 254/255 Anm. 6

Nichtigkeit von Hauptversammlungsbesdilüssen

deren die Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses zu erfolgen hat, mit der Beschlußfassung der Hauptversammlung beginnt oder mit der Erteilung des neuen Bestätigungsvermerks, also mit dem Wirksamwerden des Beschlusses. Das Gesetz stellt ausdrücklich fest, daß auch in diesem Fall die Beschlußfassung der Hauptversammlung maßgebend ist. Das gleiche gilt nach § 257 II S. 2 für die Anfechtung des Beschlusses, durch den der Jahresabschluß von der Hauptversammlung festgestellt wurde.

§ 255 Anfechtung der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (1) Der Beschluß über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen kann nach § 243 angefochten werden. (2) Die Anfechtung kann, wenn das Bezugsrecht der Aktionäre ganz oder zum Teil ausgeschlossen worden ist, auch darauf gestützt werden, daß der sich aus dem Erhöhungsbesdiluß ergebende Ausgabebetrag oder der Mindestbetrag, unter dem die neuen Aktien nicht ausgegeben werden sollen, unangemessen niedrig ist. Dies gilt nicht, wenn die neuen Aktien von einem Dritten mit der Verpflichtung übernommen werden sollen, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten. (3) Für die Anfechtung gelten §§ 244 bis 248. Die Bestimmung ist neu. Wie in allen Fällen, in denen es sich um die Nichtigkeit oder Anfechtungsgründe für bestimmte Hauptversammlungsbeschlüsse handelt, hat das Gesetz auch hier sämtliche Anfechtungsgründe, die gegen einen Beschluß über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen geltend gemacht werden können, ausdrücklich erwähnt und deshalb im Abs. 1 auf den § 243 uneingeschränkt verwiesen. Auch im übrigen gelten alle Bestimmungen, die sonst für die Anfechtung gelten, worauf in Abs. 3 noch einmal ausdrücklich verwiesen ist. Von sadilicher Bedeutung ist nur Abs. 2, durch den eine Benachteiligung einer Minderheit von Aktionären verhindert werden soll. Bei einer Kapitalerhöhung durch Einlagen kann im Erhöhungsbeschluß bestimmt werden, daß die Aktien für einen höheren Betrag als den Nennbetrag ausgegeben werden sollen (§ 182). Diesen höheren Ausgabebetrag kann die Hauptversammlung im Kapitalerhöhungsbeschluß selbst festsetzen. Es genügt aber, wenn sie sich darauf beschränkt, einen Mindestbetrag festzusetzen. Das muß sie allerdings tun, anderenfalls ist der Kapitalerhöhungsbeschluß anfechtbar (vgl. im einzelnen § 182 Anm. 6). An dieser Rechtslage wird auch durch die vorstehende Bestimmung nichts geändert. Die Festsetzung eines objektiv unangemessen nied1412

Nichtigkeit

§§255/256

rigen Ausgabebetrages oder eines unangemessen niedrigen Mindestbetrages ist nach wie vor dann zulässig, wenn das Bezugsrecht der Aktionäre nicht ausgeschlossen wird, weil es dann jedem Aktionär freisteht, von dem günstigen Bezugsrecht Gebrauch zu machen. Auch diejenigen, die dies nicht können, weil ihnen die Mittel zum Erwerb der neuen Aktien fehlen, können ein besonders günstiges Bezugsrecht durch Verkauf realisieren, so daß sie nicht geschädigt sind, auch wenn sie das Bezugsrecht nicht selbst ausüben können. Wenn aber von der Möglichkeit des § 186 II Gebrauch gemacht wird, und das Bezugsrecht ganz oder zum Teil ausgeschlossen wird, so würde ein besonders günstiger Ausgabebetrag der neuen Aktien nur diejenigen Aktionäre begünstigen, die in der Lage sind, die neuen Aktien zu erwerben. Soweit das Bezugsrecht ausgeschlossen ist, kann es auch keinen Handel in Bezugsrechten geben. Eine wirtschaftliche Verwertung des Bezugsrechtes ist nicht gegeben oder jedenfalls, wenn es zum Teil ausgeschlossen wird, nur zu einem Teil. Hier greift die neue Bestimmung ein. Wenn sich aus dem Kapitalerhöhungsbeschluß ein unangemessen niedriger Ausgabe- oder Mindestbetrag ergibt und der Beschluß gleichzeitig gem. § 186 III S. 1 einen teilweisen oder vollständigen Ausschluß des Bezugsrechts enthält, so kann der Kapitalerhöhungsbeschluß deshalb angefochten werden, weil der Ausgabe- oder Mindestbetrag unangemessen niedrig ist. Nach § 186 V ist es als Ausschluß des Bezugsrechts nicht anzusehen, wenn nach dem Beschluß die neuen Aktien von einem Kreditinstitut mit der Verpflichtung übernommen werden sollen, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten. Durch diese Bestimmung ist das mittelbare Bezugsrecht dem unmittelbaren Bezugsrecht gleichgestellt worden. Dennoch wird in der vorliegenden Bestimmung ausdrücklich gesagt, daß die Anfechtung nicht möglich ist, wenn die neuen Aktien von einem Dritten mit der Verpflichtung übernommen werden sollen, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten. Ein Unterschied zum § 186 V besteht nur darin, daß hier jeder Dritte die Verpflichtung übernehmen kann, während § 186 V nur von Kreditinstituten spricht. In der Praxis dürfte der Unterschied wohl kaum von Bedeutung sein.

Zweiter Abschnitt N i c h t i g k e i t des festgestellten Jahresabschlusses § 256 Nichtigkeit (1) Ein festgestellter Jahresabschluß ist außer in den Fällen des § 173 Abs. 3, § 234 Abs. 3 und § 235 Abs. 2 nichtig, wenn 1. er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder 1413

§ 256

Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, 2. er nicht nach § 162 Abs. 1 und 3 geprüft worden ist, 3. er von Personen geprüft worden ist, die nicht zum Abschlußprüfer bestellt sind oder nach § 164 nidit Abschlußprüfer sein können, 4. bei seiner Feststellung die Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über die Einstellung von Beträgen in offene Rücklagen oder über die Entnahme von Beträgen aus offenen Rüdilagen verletzt worden sind. (2) Ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluß ist außer nach Absatz 1 nur nichtig, wenn der Vorstand oder der Aufsichtsrat bei seiner Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt hat. (3) Ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluß ist außer nach Absatz 1 nur nichtig, wenn die Feststellung 1. in einer Hauptversammlung beschlossen worden ist, die nicht nach $ 121 Abs. 2 und 3 einberufen war, es sei denn, daß alle Aktionäre erschienen oder vertreten waren, 2. nicht nach § 130 Abs. 1, 2 und 4 beurkundet ist, 3. auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für niditig erklärt worden ist. (4) Wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses (§§ 151, 152,157 bis 159) sowie wegen der Nichtbeachtung von Formblättern, nach denen der Jahresabschluß zu gliedern ist, ist der Jahresabschluß nur niditig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt sind. Eine wesentliche Beeinträchtigung liegt namentlich vor, wenn 1. in der Bilanz § 152 Abs. 1 Satz 2, Abs. 6 und 8 nicht beachtet ist, oder 2. in der Gewinn- und Verlustrechnung die Posten § 157 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 nicht gesondert ausgewiesen sind, obgleich die Voraussetzungen des § 157 Abs. 4 nicht vorliegen, oder wenn Aufwendungen oder Erträge, die unter die Posten § 157 Abs. 1 Nr. 7, 15, 24, 25 oder 27 fallen, nicht unter diesen Posten ausgewiesen sind. (5) Wegen Verstoßes gegen die Bewertungsvorschriften ist der Jahresabschluß nur nichtig, wenn 1. Posten überbewertet oder 2. Posten unterbewertet sind und dadurdi die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Überbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit einem höheren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 153 bis 156 zulässig ist. Unterbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit 1414

Niditigkeit

§256

Anm. 1

einem niedrigeren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem höheren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 153 bis 156 zulässig ist. (6) Die Niditigkeit nadi Absatz 1 Nr. 1, 3 und 4, Absatz 2, Absatz 3 N r . 1 und 2, Absatz 4 und 5 kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4, des Absatzes 2 und des Absatzes 3 N r . 1 und 2 sechs Monate, in den anderen Fällen drei Jahre verstrichen sind. Ist bei Ablauf der Frist eine Klage auf Feststellung der Niditigkeit des Jahresabschlusses rechtshängig, so verlängert sich die Frist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat. (7) Für die Klage auf Feststellung der Niditigkeit gegen die Gesellschaft gilt § 249 sinngemäß. I. Übersicht (Anm. 1) I I . Für alle festgestellten Jahresabschlüsse geltende Nichtigkeitsgründe 1. Niditigkeit in Sonderfällen (Anm. 2) 2. Verletzung von Vorschriften zum Schutz der Gläubiger oder des öffentlichen Interesses (Anm. 3) 3. D e r nicht geprüfte Jahresabschluß (Anm. 4) 4. Unzulängliche Abschlußprüfung (Anm. 5) 5. Verstöße gegen Bestimmungen über die Bildung und Auflösung offener Rücklagen (Anm. 6)

I I I . Zusätzlicher Niditigkeitsgrund bei Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat (Anm. 7) I V . Zusätzliche Nichtigkeitsgründe bei Feststellung durdi H a u p t versammlung (Anm. 8) V . Verstöße gegen Gliederungsvorschriften (Anm. 9) V I . Verstöße gegen Bewertungsvorschriften (Anm. 10) V I I . Unbeschränkte Geltendmachung (Anm. 11) V I I I . Beschränkte Geltendmachung (Anm. 12)

I. Übersicht Anm. 1: Die Regelung der Niditigkeit und Anfechtbarkeit des festgestellten Jahresabschlusses hat in den Ausschüssen erhebliche Schwierigkeiten gemacht; einmal deshalb, weil der Reg.-Entwurf für den von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Abschluß nicht nur eine Niditigkeit, sondern — abweichend vom bisherigen Recht — auch eine Anfechtbarkeit vorsah. Ferner war für Bewertungsverstöße ein besonderer Rechtsbehelf vorgesehen, dessen einzelne Regelungen umstritten waren, der aber auch mit Rücksicht auf die Neugestaltung der Bewertungsvorschriften der §§ 153—156 nicht mehr paßte. Über den Ablauf der Beratung in den Ausschüssen im einzelnen vgl. Ausschußbericht zu Drucksache IV/3296, Vorbemerkung zum 2. und 3. Abschnitt 1415

§ 256 Anm. 1

Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

(§§ 256—261 I Grundzüge der vom Rechtsausschuß und Wirtschaftsausschuß beschlossenen Vorschriften Ziffer 1 u. 2). Bei den Beratungen in den Ausschüssen herrschte weitgehende Übereinstimmung darüber, daß die Anfechtung des Jahresabschlusses, gleichgültig, ob er durch die Verwaltung oder durch die Hauptversammlung festgestellt sei, nadi Möglichkeit eingeschränkt werden müsse, weil es für die Gesellschaften erfahrungsgemäß eine große Schädigung ist, wenn während der ganzen Dauer eines Anfechtungsprozesses keine Klarheit über die Jahresabschlüsse besteht. Deshalb ist man zunächst einmal für den von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschluß bei dem Grundsatz des bisherigen Rechts geblieben, daß dieser nur nichtig sein kann, nicht aber anfechtbar. Lediglich die Feststellung durch die Hauptversammlung kann im Wege der Klage angefochten werden (§ 257). Audi in diesem Fall kann aber mit der Anfechtung kein inhaltlicher Mangel des Jahresabschlusses, sondern nur ein Mangel der Beschlußfassung geltend gemacht werden. Die durch den Fortfall der Anfechtungsklage entstehende Lücke wird teilweise dadurch ausgefüllt, daß die Fälle, in denen der Jahresabschluß wegen Verstoßes gegen Rechnungslegungsvorschriften nichtig ist, im Verhältnis sowohl zum bisherigen Recht als auch zum Reg.-Entwurf eingehender geregelt und erweitert worden sind. Eingehender geregelt ist namentlich, wann Gliederungs- oder Bewertungsverstöße den Jahresabschluß nichtig machen, (vgl. Anm. 9 und 10). Hingegen sind die Rechtsfolgen der Nichtigkeit im Verhältnis zum geltenden Recht und zum Reg.-Entwurf dadurch gemildert worden, daß die Nichtigkeit in weiteren Fällen und teilweise auch in kürzeren Fristen geheilt wird (Abs. 6). Unterbewertungen, die den Jahresabschluß nicht nichtig machen, und Verstöße gegen die Berichtspflichten im Geschäftsbericht können von einer Aktionärsminderheit in dem besonderen Verfahren der Sonderprüfung der §§ 258 bis 261 geltend gemacht werden. Nach dem AktG 37 galten für die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Beschlusses der Hauptversammlung, mit dem diese den Jahresabschluß feststellte, die allgemeinen Vorschriften über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§ 195 und 197 ArtG 37) mit der einzigen besonderen Bestimmung in § 197 III AktG 37, daß die Anfechtung auf eine Verletzung der Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses nicht gestützt werden kann, wenn Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses nur unwesentlich beeinträchtigt sind. Nur die Nichtigkeit des vom Vorstand festgestellten Jahresabschlusses w a r in einer besonderen Bestimmung (§ 202 AktG 37) geregelt. Nach dem neuen Aktiengesetz sind in der vorliegenden Vorschrift des § 256 die Nichtigkeitsgründe sowohl für den von Vorstand und Aufsichtsrat, als auch für den durch die Hauptversammlung festgestellten Jahresabschluß zusammengefaßt, und zwar zusammen mit der Bestimmung, wann die Nichtig1416

Nichtigkeit

§ 256 Anm. 1,2

keit nicht mehr geltend gemacht werden kann, während die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses in § 257 gesondert, allerdings im wesentlichen durch Verweisung auf die allgemeinen Anfechtungsbestimmungen, geregelt wird. Die in Abs. 1 aufgeführten Nichtigkeitsgründe gelten für jeden festgestellten Jahresabschluß, gleichgültig, ob er durch Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wurde oder durch Beschluß der Hauptversammlung. Der Nichtigkeitsgrund des Abs. 2 gilt nur für den von Vorstand und Aufsiditsrat festgestellten Jahresabschluß. Die in Abs. 3 aufgeführten weiteren 3 Nichtigkeitsgründe gelten nur für den von der Hauptversammlung festgestellten Jahresabschluß. Die Bestimmungen sind am 1. 1. 1966 in Kraft getreten; Übergangsbestimmungen bestehen nur hinsichtlich der Heilung der Nichtigkeit, und zwar insofern, als die durch Abs. 6 neu geschaffenen Heilungsmöglichkeiten auch auf Jahresabschlüsse anzuwenden sind, die vor dem 1. 1. 1966 festgestellt worden sind (siehe § 21 EG). Die Nichtigkeitsgründe des § 256 gelten daher für alle Jahresabschlüsse, die nadi dem 31.12.1965 festgestellt werden, gleichgültig, welchen Zeitraum diese betreffen. Allerdings nehmen die Bestimmungen der Absätze 4 und 5 auf Rechnungslegungsvorsdiriften des neuen Gesetzes Bezug. Diese Nichtigkeitsbestimmungen können daher für Geschäftsjahre, für die die Gesellschaft bei ihrer Rechnungslegung noch die Vorschriften des AktG 1937 zugrunde gelegt hat, nicht zur Anwendung kommen (vgl. Kropff in DB 1966, 709; Adler-Düring-Schmaltz Vorbem. zu §§ 256, 257 Tz 37; Werner in DB 1966, 894). II. Für alle festgestellten Jahresabschlüsse geltende Nichtigkeitsgründe 1. Nichtigkeit in Sonderfällen Anm. 2: Die Vorschrift des Abs. 1 beginnt mit der Aufzählung von 3 Sonderfällen, in denen ein festgestellter Jahresabschluß nichtig ist. Alle drei Fälle beziehen sich auf einen durch Hauptversammlungsbeschluß festgestellten Jahresabschluß, so daß im Grunde diese Aufzählung in Abs. 3 gehört. Nach § 173 III kann die Hauptversammlung den von dem Vorstand aufgestellten Jahresabschluß von sich aus ändern, er muß aber dann erneut von den Abschlußprüfern geprüft werden, soweit es die Änderung erfordert. An sich könnte die Feststellung des Jahresabschlusses erst erfolgen, wenn diese Nachprüfung abgeschlossen ist. Das Gesetz läßt jedoch zu, daß bereits vor der erneuten Prüfung die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgen kann, jedoch wird dieser Beschluß erst wirksam, wenn aufgrund der erneuten Prüfung ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt worden ist. Der Beschluß wird nichtig, wenn nicht binnen zwei Wochen seit der Beschlußfassung ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird. 1417

§ 256 Anm. 2,3

Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Nach § 234 kann eine vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 229—236) in der Weise erfolgen, daß im Jahresabschluß für das letzte vor der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung abgelaufene Geschäftsjahr das Grundkapital und offene Rücklagen in der Höhe ausgewiesen werden, in der sie nach der Kapitalherabsetzung bestehen sollen. In diesem Fall muß die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung erfolgen. Der Beschluß ist nach § 234 III nichtig, wenn der Beschluß über die Kapitalherabsetzung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlußfassung in das Handelsregister eingetragen worden ist. Dasselbe gilt nach § 235, wenn mit der Kapitalherabsetzung gleichzeitig eine Kapitalerhöhung beschlossen wird. 2. Verletzung von Vorschriften zum Schutz der Gläubiger oder des öffentlichen Interesses Anm. 3: Jede Vorschrift, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft gegeben ist, ist zugleich im öffentlichen Interesse gegeben. Hier ist nur an Gesetzes-, nicht auch Satzungsbestimmungen — anders als in Nr. 4 — gedacht. Ein Verstoß der hier gedachten Art liegt auch nicht vor, wenn die Vorstandstantieme unter Verletzung von § 86 II falsch berechnet ist (ebenso Adler-Düring-Schmaltz § 256 Tz 8; a. A. Schilling in Großkomm. § 202 AktG 37 Anm. 6). Der Jahresabschluß ist hiernach z. B. nichtig, wenn er das Grundkapital nicht in Höhe des Nennwertes auf der Passivseite enthält, die in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Beträge in freie Rücklagen einstellt oder die gesetzliche Rücklage unzulässigerweise auflöst. Ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger und dem öffentlichen Interesse sind sicher die Bestimmungen über die Aufstellung des Jahresabschlusses (§§ 149—159 und 161) von Anfang bis zu Ende bestimmt. Es wäre aber unerträglich, wenn man bei jeder Verletzung dieser Bestimmungen unheilbare Nichtigkeit annehmen müßte. Deshalb bestimmt Abs. 4, daß Verstöße gegen die Vorschriften über die Gliederung und Nichtbeachtung von Formblättern den Jahresabschluß nur nichtig macht, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt wird (s. im einzelnen Anm. 9). Nach Abs. 5 führen Verstöße gegen die Bewertungsvorschriften nur dann zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses, wenn durch eine Überbewertung die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. (s. im einzelnen Anm. 10). Damit ist der Grundsatz anerkannt, daß es bei der Nichtigkeit auf die Schwere des Verstoßes, gemessen an der Wichtigkeit der Bestimmung, ankommt. In erster Linie treten die Bestimmungen hervor, welche der Erhaltung des Grundkapitals und dem Schutz der Gläubiger dienen, also eine obere Grenze für die Bewertung der Aktiven und eine untere für die Bewer1418

Nichtigkeit

§256

Anm. 3—5

tung der Passiven und den Grundsatz aufstellen, daß nicht verwirklichte Gewinne unberücksichtigt gelassen, nicht verwirklichte Verluste berücksichtigt werden müssen. 3. Der nicht geprüfte Jahresabschluß Anm. 4: Die Vorschrift verweist auf § 162 und damit auf die Prüfung durdi Abschlußprüfer, nicht aber auf § 171, die Prüfung durch den Aufsichtsrat. Wenn letztere unterbleibt, ist dies unschädlich. H a t keine Prüfung durch Abschlußprüfer stattgefunden, so kann der Jahresabschluß nicht festgestellt werden (§ 162 I S. 2). Dasselbe gilt dann, wenn der Vorstand den Jahresabschluß oder den Geschäftsbericht, nachdem ihm der Prüfungsbericht vorgelegt worden ist, ändert und die Abschlußprüfer diese Änderungen, soweit erforderlich, nicht erneut geprüft haben. Aus den Vorschriften über die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 172) oder durch die Hauptversammlung (§ 173) ergibt sich nicht, was geschieht, wenn die Feststellung erfolgt, obwohl keine Prüfung stattgefunden hat, also die Bestimmung des § 162 verletzt ist. Die Ergänzung trifft die vorliegende Bestimmung. In diesem Falle ist die Feststellung, gleichgültig, auf welche Weise sie erfolgt ist, stets nichtig. Dieser Fall, zusammen mit dem in Abs. 3 Nr. 3 behandelten, wenn die Nichtigkeit auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig festgestellt ist, sind die einzigen Nichtigkeitsgründe, die nicht heilbar sind (Abs. 6). Wäre die Nichtigkeit eines nicht geprüften Jahresabschlusses heilbar, so könnten die ganzen Bestimmungen über die Abschlußprüfung dadurch umgangen werden, daß man den Fristablauf abwartet, was allerdings zur Voraussetzung hätte, daß alle Beteiligten, Aktionäre, Aufsichtsrat und Vorstand sich einig wären und kein Dritter ein Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit hat. 4. Unzulängliche Abschlußprüfung Anm. 5: Nicht jede fehlerhafte Abschlußprüfung hat die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses zur Folge, sondern nur dann, wenn die Abschlußprüfungen, gleichgültig, ob sie von natürlichen oder juristischen Personen durchgeführt wurde, die a) nicht durch Beschluß der Hauptversammlung nach § 163 zu Abschlußprüfern bestellt wurden oder b) die nach § 164 nicht Abschlußprüfer sein können. § 164 I bestimmt, daß nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsgesellschaften Abschlußprüfer sein „können". § 164 II zählt die Fälle auf, in denen ein Wirtschaftsprüfer nicht Abschlußprüfer sein „kann" und § 164 III diejenigen, in denen eine Wirtsdiaftsprüfungsgesellsdiaft nicht Abschlußprüfer sein „kann". 1419

§ 256

Anm. 5—6

Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

In allen drei Bestimmungen ist gleichmäßig vom Können die Rede, so daß, was an sich zweifelhaft sein könnte, auch der Abs. 1 unter die Bestimmung des § 256 I Nr. 3 fällt. Wenn jemand zum Abschlußprüfer bestellt wird, der nicht Wirtschaftsprüfer ist, so hat dies die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses zur Folge. Mag der Betreffende auch noch so fähig sein, und mag die Abschlußprüfung selbst völlig fehlerfrei sein. Die Bestimmungen des § 256 I Nr. 2 und 3, die der Sicherung der Abschlußprüfung dienen sollen, beschäftigen sich nicht mit dem Sachgehalt der Abschlußprüfung, sondern ausschließlich damit, ob die formellen Voraussetzungen erfüllt sind, einmal, daß überhaupt eine Abschlußprüfung stattgefunden hat, und zum anderen, daß sie von Personen durchgeführt wurden, die die Gewähr für eine ordnungsgemäße Abschlußprüfung bieten. Damit wird nur indirekt dafür Sorge getragen, daß die Abschlußprüfung selbst sachlich in Ordnung ist (vgl. im übrigen Anm. zu § 164). Die Bestimmung ist neu, es wurde aber auch nach dem bisherigen Recht allgemein angenommen, daß ein Verstoß bei der Auswahl der Abschlußprüfer die Nichtigkeit der Bestellung und damit auch die Nichtigkeit der Prüfung des von ihnen geprüften Jahresabschlusses zur Folge haben würde. 5. Verstöße gegen Bestimmungen über die Bildung und Auflösung offener Rücklagen Anm. 6: Die Bestimmung ist neu und notwendig geworden wegen der veränderten Stellung der Hauptversammlung bei der Verwendung des Gewinns. Die Hauptversammlung hat nicht mehr den von der Verwaltung festgestellten „Reingewinn" zu verteilen, sondern sie hat einen Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns zu fassen. In § 58 ist deshalb im einzelnen geregelt, inwieweit der Jahresüberschuß bei Aufstellung des Jahresabschlusses durch Einstellung von Beträgen in freie Rücklagen geschmälert werden kann. Teilweise trifft diese Bestimmung das Gesetz selbst, teilweise überläßt es aber auch der Satzung die Bestimmung in einem gewissen Rahmen (vgl. Nauss in Die AktGes. 67,127). Um der Hauptversammlung den ihr nach § 58 zustehenden Spielraum über die Gewinnverwendung zu lassen, muß mit besonderer Schärfe dafür gesorgt werden, daß bei der Feststellung des Jahresabschlusses, gleichgültig, ob diese durch Vorstand und Aufsichtsrat oder durch die Hauptversammlung geschieht, die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung eingehalten werden. Die vorstehende Vorschrift erklärt deshalb die Nichtigkeit der Feststellung eines Jahresabschlusses, wenn dadurch die Bestimmungen über die Einstellung von Beträgen in offene Rücklagen verletzt werden. Das bedeutet, daß auch die Verletzung einer Satzungsbestimmung die Nichtigkeit zur Folge haben kann (ebenso B.-H. Rn 11). Die gleiche Folge hat die Verletzung von Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über die Entnahme von Beträgen aus offenen Rücklagen; hier ist aber die Be1420

Nichtigkeit

§256

Anm. 6,7

gründumg eine andere. D a die offenen Rücklagen dazu bestimmt sind, die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft zu stärken, ist jede Entnahme eine Gefährdung der Gesellschaft. Soweit sie durch Gesetz geregelt ist, handelt es sich auch gleichzeitig um eine Vorschrift zum Schutze der Gläubiger und der öffentlichen Interessen. Sie fällt also auch unter N r . 1. Soweit es sich um Satzungsbestimmungen handelt, besteht jedenfalls ein besonderes Interesse für alle Aktionäre, daß auch das „Gesetz der Gesellschaft" eingehalten wird. III. Zusätzlicher Niditigkeitsgrund bei Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat Anm. 7: Ist der Jahresabschluß durch Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt, so ist er außer bei Verstößen gegen Abs. 1 auch dann nichtig, wenn Vorstand oder Aufsichtsrat nicht ordnungsgemäß mitgewirkt haben. Es muß ein den Gesetzes- und Satzungsbestimmungen entsprechender Beschluß beider Gremien vorliegen. Nicht gesagt wird, wann die Mitwirkung aufhört, ordnungsmäßig zu sein. Denkbar ist, daß auch die Satzung Bestimmungen über die Mitwirkung von Vorstand und Aufsichtsrat enthält. Solche sind auch in allgemeinen Bestimmungen über die Berufung von Aufsichtsratsmitgliedern zu sehen. Auch können besondere Mehrheitserfordernisse aufgestellt sein. Audi Verletzungen von Satzungsbestimmungen sind beachtlich. Nicht jede geringfügige Verletzung kann diese Wirkung haben. So ist ein Aufsichtsratsbeschluß, der in Anwesenheit aller Aufsichtsratsmitglieder gefaßt wurde, ordnungsgemäß, auch wenn die Einladung den Satzungsbestimmungen nicht entspricht. Dies ergibt sich schon aus dem Geiste des § 241 N r . 1. Daß die Unterlassung der nach § 107 II zwingend vorgeschriebenen Protokollierung der Beschlüsse des Aufsichtsrats nicht die Folge der Nichtigkeit des Jahresabschlusses haben kann, ergibt sich schon aus § 107 II S. 3. Als nicht ordnungsgemäß zustande gekommen wird man einen Beschluß ansehen müssen, wenn der Aufsichtsrat nicht beschlußfähig ist. Seine Unvollständigkeit spielt dagegen keine Rolle (vgl. § 108 II und dort Anm. 3). Die Übertragung des Beschlusses an einen Ausschuß ist nidit zulässig, da § 107 III, der bestimmt, wann die Beschlußfassung nicht an einen Ausschuß verwiesen werden kann, den § 171 ausdrücklich aufführt, aus dessen Abs. 2, letzter Satz, sich die Billigung des Jahresabschlusses ergibt. Nicht ordnungsgemäß ist ein Beschluß, der in einer Sitzung gefaßt wird, die nicht nach den Satzungsbestimmungen einberufen war und in der nicht alle Aufsichtsratsmitglieder zugegen waren oder nach § 108 I I I an der Abstimmung teilgenommen haben. Es ist unerheblich, ob die fehlenden Mitglieder durch ihre Stimme den Beschluß hätten zu Falle bringen können, denn es steht nicht fest, ob es ihnen nicht gelungen wäre, die übrigen Anwesenden umzustimmen. Nachträgliche Zustimmung beseitigt die Ordnungwidrigkeit. 1421

§ 256

Anm. 7—9

Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Was die Vorstandsmitglieder betrifft, so gilt auch hier, daß jedes an dem Beschluß unbeteiligte Mitglied ihm zur Genehmigung beitreten kann. Einer Sitzung mit Ladung bedarf es für den Vorstand überhaupt nicht. Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist eine Maßnahme der Geschäftsführung. Daraus folgt, daß jedes Mitglied sie allein treffen kann, solange kein anderes Vorstandsmitglied widerspricht. Praktisch spielt es sich so ab, daß eines der Mitglieder oder zwei von ihnen unter gleichzeitiger, fortlaufender Beratung mit den übrigen zusammen und mit den jeweilig verantwortlichen Angestellten für die Buchhaltung den Entwurf aufstellen, und daß endlich eine oder mehrere gemeinsame Bilanzsitzungen stattfinden. In dieser Weise ist regelmäßig der gesamte Vorstand beteiligt. Schon im Hinblick auf die große, auch strafrechtliche Verantwortlichkeit muß jedem Mitglied Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben werden, aber nichtig würde den Abschluß nur das geflissentliche Ubergehen eines Vorstandsmitgliedes machen. Erforderlich ist Einstimmigkeit der mehreren Vorstandsmitglieder, es sei denn, Satzung oder Geschäftsordnung haben für die Willensbildung abweichendes bestimmt. IV. Zusätzliche Nichtigkeitsgründe bei Feststellung durch die Hauptversammlung Anm. 8: Ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluß ist außer nach Abs. 1 in den in Abs. 3 unter Nr. 1 bis 3 aufgeführten weiteren drei Fällen nichtig, die nach § 241 nach Nr. 1, 2 und 5 die Nichtigkeit jedes Hauptversammlungsbeschlusses herbeiführen. Da die Bestimmungen wörtlich wiederholt sind, kann für Nr. 1 auf § 241 Anm. 6, zu Nr. 2 auf § 241 Anm. 7 und zu Nr. 3 auf § 241 Anm. 12 Bezug genommen werden. Da neben den zusätzlichen Nichtigkeitsgründen in Abs. 3 auch die des Abs. 1 gelten, brauchte die Bestimmung des § 241 Nr. 3 nicht wiederholt zu werden, da sie, soweit sie für den Jahresabschluß in Frage kommt, in Abs. 1 Nr. 1 enthalten ist. Auch der Nichtigkeitsgrund nach § 241 Nr. 4, wenn der Inhalt des Hauptversammlungsbeschlusses gegen die guten Sitten verstößt, hat bei der Feststellung des Jahresabschlusses neben der Bestimmung des Abs. 1 Nr. 1 keine praktische Bedeutung und ist deshalb nicht aufgenommen worden. V. Verstöße gegen Gliederungsvorsdiriften Anm. 9: Verstöße gegen die Vorschriften über die Gliederung der Jahresbilanz (§ 151), zu einzelnen Posten der Jahresbilanz (§ 152), über die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 157), zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 158) und über den Vermerk der Pensionszahlungen (§ 159) sowie wegen der Nichtbeachtung von Formblättern, nach denen der Jahresabschluß zu gliedern ist (§ 161) ist der Jahresabschluß nur 1422

Nichtigkeit

§256

Anm. 9

nichtig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt wird. Bei den vorstehenden Bestimmungen handelt es sich durchweg um Vorschriften, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft und auch im öffentlichen Interesse gegeben sind, also an sich unter Abs. 1 N r . 1 fallen. Abs. 4 bedeutet also eine wichtige Einschränkung der Anwendung dieser N r . Die Bestimmung lehnt sich an die des § 197 I I I AktG 37 an. Das Gesetz gibt keine Definition dafür, wann die Klarheit und Übersichtlichkeit wesentlich beeinträchtigt wird. Das ist praktisch auch nicht möglich. Dies kann vielfach nur im Einzelfall festgestellt werden. Immerhin gibt es einige Beispiele, aus denen sich einmal bindend ergibt, wann es bei der grundsätzlichen Nichtigkeit verbleibt, aus denen aber auch Schlüsse gezogen werden könen, ob im Einzelfall aus anderen Gründen eine wesentliche Beeinträchtigung der Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses anzunehmen ist. Eine wesentliche Beeinträchtigung liegt immer dann vor, wenn A. in der Bilanz 1. bei den im Anlagevermögen auszuweisenden Gegenständen die Zugänge und Abgänge, die Zuschreibungen, die f ü r das Geschäftsjahr gemachten Abschreibungen sowie die Umbuchungen nicht bei den einzelnen Posten des Anlagevermögens gesondert aufgeführt sind (§ 152 I S . 2); 2. Wertberichtigungen zu etwas anderem als zu Sachanlagen, zu Beteiligungen und zu Wertpapieren des Anlagevermögens sowie als Pauschalwertberichtigung wegen des allgemeinen Kreditrisikos zu Forderungen vorgenommen worden sind (§ 152 VI S. 1); 3. die auf die einzelnen Posten entfallenden Wertberichtigungen nicht gesondert, die Pauschal Wertberichtigung nicht als „Pauschal Wertberichtigung zu Forderungen" ausgewiesen sind (§ 152 VI S. 2); 4. Forderungen mit Verbindlichkeiten, nicht abgerechnete Leistungen mit Anzahlungen, Grundstücksrechte mit Grundstückslasten verrechnet wurden (§ 152 V I I I S . l ) ; 5. Rücklagen, Wertberichtigungen und Rückstellungen als Verbindlichkeiten aufgeführt sind (§ 152 VIII S. 2); B. in der Gewinn- und Verlustrechnung 1. die ersten 5 Posten, aus denen sich der Rohertrag bzw. Rohaufwand errechnet, nicht einzeln aufgeführt sind. Das sind die Posten: a) Posten 1: Umsatzerlöse b) Posten 2: Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen c) Posten 3: andere aktivierte Eigenleistungen d) Posten 4: Gesamtleistung e) Posten 5: Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren. 1423

§ 256

Anm. 9,10

Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Das gilt nicht, wenn der Ausnahmefall vorliegt, daß eine Gesellschaft nach § 157 IV diese Posten nicht gesondert ausweisen muß. 2. gewisse Aufwendungen oder Erträge nicht unter den für sie bestimmten Posten ausgewiesen sind. Das sind die Erträge (Posten 7) und Aufwendungen (Posten 27) bei Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsverträgen, Erträge (Posten 15) und Aufwendungen (Posten 25) aus Verlustübernahme und Aufwendungen (Posten 24) für Steuern (vgl. Karioli und Tomfohrde in WP 1967, 169).

VI. Verstöße gegen Bewertungsvorsdiriften Anm. 10: Wegen Verstoßes gegen die Bewertungsvorschriften ist der Jahresabschluß immer nichtig, wenn Posten überbewertet sind. Das ist der Fall, wenn Aktivposten mit einem höheren Wert, Passivposten mit einem niedrigeren Wert im Jahresabschluß eingesetzt sind, als nach den Bewertungsvorschriften der §§ 153—156 zulässig ist. Eine Abschwächung dieser Bestimmung dadurch, daß man Bagatellverstöße oder Verrechnung von Überbewertungen mit Unterbewertungen (wie Werner in Die AktGes. 1967, 124 empfiehlt), halten wir nicht für zulässig. Selbstverständlich verbleibt der in den Vorschriften der §§ 153 bis 156 selbst liegende Ermessensspielraum. Eine Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses liegt nicht vor, wenn Posten unterbewertet sind, d. h., wenn Aktivposten mit einem niedrigeren Wert, Passivposten mit einem höheren Wert angesetzt sind als es nach den Bewertungsvorschriften der §§ 153—156 zulässig ist. Nur wenn zu einer solchen Unterbewertung Weiteres hinzutritt, kann sich die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses ergeben. Das ist der Fall, wenn 1. durch die Unterbewertung die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben ist, oder 2. die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft verschleiert wird. Die Fassung der Bestimmung lehnt sich an die Strafvorschrift des § 400 an, die ihrerseits insoweit die Formulierung des § 296 AktG 37 verwendet. Eine falsche Wiedergabe kann sowohl durch falsche Angaben wie durch Verschweigen erheblicher Umstände zustande kommen. Unter Verschleierung versteht man im allgemeinen eine Darstellung, durch die wahre Tatsachen so undeutlich oder unkenntlich gemacht werden, daß dadurch eine unrichtige Beurteilung der Sachlage veranlaßt wird. Dies kann auch ohne falsche Darstellung oder Angabe oder Verschweigen erheblicher Umstände erreicht werden. Jede Unterbewertung — auch wenn sie nicht den Jahresabschluß nichtig macht — kann eine Sonderprüfung nach § 258 auslösen. 1424

Nichtigkeit

§256 Anm. 11,12

VII. Unbeschränkte Geltendmachung Anm. 11: Die Geltendmachung der Nichtigkeit ist nur in zwei Fällen beschränkt: 1. Wenn der Jahresabschluß nicht durch Abschlußprüfer geprüft ist (§ 162 I) und wenn im Falle der Änderung des Jahresabschlusses nach Vorlage des Prüfungsberichts keine Nachtragsprüfung stattfand (§ 162 III). 2. Wenn die Feststellung des Jahresabschlusses auf Anfechtungsklage durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt worden ist. Das sind die Fälle Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 3. Diese Fehler sind so einschneidend, daß ihre Nichtigkeitsfolge jederzeit geltend gemacht und beachtet werden müssen. Die Geltendmachung des in Abs. 1 aufgeführten Sonderfalles der Nichtigkeit — § 173 III — ist ebenfalls unbeschränkt möglich, da weder § 242 auf ihn anwendbar ist, eine Beschränkung der Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes auch an anderer Stelle des Gesetzes nicht bestimmt worden ist. VIII. Beschränkte Geltendmachung Anm. 12: Mit Ausnahme der Nichtigkeitsgründe der §§ 173 III, 256 I Nr. 2 und §256111 Nr. 3 (siehe Anm. 11) hält das Gesetz die anderen Nichtigkeitsgründe für nicht so schwerwiegend, daß sie jederzeit müßten geltend gemacht werden können. Diese Nichtigkeitsgründe können daher nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger eine gewisse Frist verstrichen ist. Diese beträgt 6 Monate, wenn die Nichtigkeit beruht: 1. darauf, daß die Prüfung durch Personen erfolgte, die nicht zum Abschlußprüfer bestellt sind oder nicht Abschlußprüfer sein können (Abs. 1 Nr. 3); 2. auf Verstoß gegen Bestimmungen über die Bildung und Auflösung offener Rücklagen (Abs. 1 Nr. 4); 3. darauf, daß Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt haben (Abs. 2); 4. daß die Feststellung in einer fehlerhaft einberufenen Hauptversammlung beschlossen wurde, ohne daß alle Aktionäre erschienen oder vertreten waren (Abs. 3 Nr. 1); 5. daß der Beschluß nicht beurkundet ist (Abs. 3 Nr. 2). Die Frist beträgt 3 Jahre, wenn die Nichtigkeit beruht: 1. auf Verletzung von Vorschriften zum Schutz der Gläubiger oder des öffentlichen Interesses (Abs. 1 Nr. 1); 2. auf Verstoß gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses sowie wegen der Nichtbeachtung von Formblättern, nach denen 1425

§§ 256/257

Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses

Anm. 12 der Jahresabschluß zu gliedern ist, wenn dadurch die Klarheit und Übersichtlichkeit wesentlich beeinträchtigt sind (Abs. 4); 3. darauf, daß Posten entgegen den Bewertungsvorschriften der §§ 153 bis 156 überbewertet sind (Abs. 5 N r . 1); 4. darauf, daß Posten entgegen den Bewertungsvorschriften der §§ 153 bis 156 unterbewertet sind und dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird (Abs. 5 N r . 2). 5. auf nicht rechtzeitiger Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses nach § 234 (s. § 242 III); 6. auf nicht rechtzeitiger Eintragung des mit einem Erhöhungsbeschluß verbundenen Kapitalherabsetzungsbeschlusses (§ 235 II; s. § 242 III). Die Fristen von 6 Monaten und 3 Jahren verlängern sich, wenn bei ihrem Ablauf eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses rechtshängig ist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist, oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat. Die Nichtigkeit kann, wie in allen Fällen der Nichtigkeit, dadurch geltend gemacht werden, daß der nichtige Jahresabschluß nicht beachtet wird; das bedeutet praktisch, daß der Nichtigkeitsgrund beseitigt wird, was wiederum im allgemeinen zur Aufstellung, P r ü f u n g und Feststellung eines neuen Jahresabschlusses führen wird. D a die Nichtigkeit des Jahresabschlusses die Nichtigkeit des Beschlusses über die Gewinnverwendung zur Folge hat, kann die Geltendmachung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses sich praktisch darin äußern, daß der Vorstand eine etwa aufgrund des Jahresabschlusses von der Hauptversammlung beschlossene Dividende nicht auszahlt und in einem Prozeß gegen die Gesellschaft auf Zahlung der Dividende den Einwand der Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses und damit der Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses erhebt (vgl. § 252 Anm. 4).

§ 257 Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung (1) Die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung kann nach § 243 angefochten werden. Die Anfechtung kann jedoch nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. (2) Für die Anfechtung gelten die §§ 244 bis 248. Die Anfechtungsfrist beginnt auch dann mit der Beschlußfassung, wenn der Jahresabschluß nach § 1 7 3 Abs. 3 erneut zu prüfen ist. 1426

Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses

§ 257 Anm. 1 / 2

Anm. 1: Die Bestimmung ist neu. Während der vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellte Jahresabschluß überhaupt nicht der Anfechtung unterliegt, ist der Beschluß der Hauptversammlung, der den Jahresabschluß feststellt, wie jeder Hauptversammlungsbeschluß nach § 243 anfechtbar. Die vorstehende Bestimmung enthält lediglich eine Beschränkung der allgemein gültigen Anfechtungsbestimmungen, die besagt, daß die Anfechtung nicht darauf gestützt werden kann, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Damit ist nicht etwa gesagt, daß der Anfechtungsgrund des § 243 I völlig in Wegfall kommt, er ist nur eingeschränkt, soweit es sich auf den Inhalt bezieht, nicht insoweit, als das Zustandekommen des Beschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Damit ist schwer vorstellbar, daß der Anfechtungsgrund des § 243 II je praktisch werden könnte. Danach kann die Anfechtung darauf gestützt werden, daß ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechtes für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen sucht. Das könnte leicht dadurch geschehen, daß der Jahresabschluß so festgestellt wird, daß beispielsweise kein Bilanzgewinn ausgewiesen wird. Das bezieht sich dann aber auf den Inhalt des Jahresabschlusses und ist durch die vorliegende Bestimmung von der Anfechtung ausgeschlossen. Die schlimmsten Verstöße gegen Gesetz und Satzung, die durch den Inhalt des Jahresabschlusses begangen werden können, führen nach § 256 zur Nichtigkeit. Danach kommen für den Inhalt des Jahresabschlusses in Frage die Bestimmungen des Abs. 1 Nr. 1, Verletzung von Vorschriften zum Schutz der Gläubiger oder des öffentlichen Interesses, vgl. Anm. 3 zu §256; § 2 5 6 1 Nr. 4 Verstoß gegen die Bestimmungen über die Bildung und Auflösung offener Rücklagen (vgl. dort Anm. 6). Daneben stehen naturgemäß die Nichtigkeitsgründe, die sich auf das Zustandekommen des Beschlusses beziehen. Über die Frage der Verbindung von Nichtigkeits- und Anfechtungsprozessen s. § 249 II und Anm. dort, der auch hier gilt und in Abs. 2 nur deshalb nicht zitiert ist, weil er sich nicht auf die Anfechtung allein, sondern in erster Linie auf die Nichtigkeitsklage bezieht. Anm. 2: Daß der Beschluß, mit dem die Hauptversammlung den Jahresabschluß festgestellt hat, wenn er in seinem Zustandekommen anfechtbar ist, ebenso bestätigt werden kann wie jeder andere Hauptversammlungsbeschluß (§ 244), ist ebenso selbstverständlich, wie die Anwendung der Bestimmungen über die Anfechtungsbefugnis (§ 245) und die Verfahrensvorschriften (§ 246 Anfechtungsklage, § 247 Streitwert) und die Bestimmungen über die Urteilswirkung (§ 248). Nur der 2. Satz des Abs. 2 ist von Bedeutung. Er befaßt sich mit dem Beginn der Fristen in dem Sonderfall des § 173 III. Ändert die Hauptversammlung den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß, so müssen die Abschlußprüfer ihn erneut prüfen, wenn die Änderung dies erforder1427

§§ 257/258

Anm. 2

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

licii macht. An sich könnte vor Abschluß dieser Nachtragsprüfung der J a h resabschluß nicht festgestellt werden. Das Gesetz erlaubt dies aber mit der Maßgabe, daß der Feststellungsbeschluß erst wirksam wird, wenn aufgrund der erneuten Prüfung ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird. Die Beschlüsse werden nichtig, wenn nicht binnen zwei Wochen seit der Beschlußfassung ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wird. Es könnte nun in der T a t zweifelhaft sein, ob die Einmonatsfrist des § 246 I für die Erhebung der Anfechtungsklage mit dem Wirksamwerden des Beschlusses, d. h. also mit der Erteilung des Bestätigungsvermerks, zu laufen beginnt oder mit der Beschlußfassung, wie sonst üblich. Das Gesetz hat sich für letzteres entschieden. Die Frist beginnt wie immer, mit der Beschlußfassung, d. h. mit dem Tage, an dem die Hauptversammlung stattgefunden hat. Das gleiche gilt für den Gewinnverwendungsbeschluß nach § 254 I I .

Dritter Abschnitt Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung $ 258 Bestellung der Sonderprüfer (1) Besteht Anlaß für die Annahme, daß 1. in einem festgestellten Jahresabschluß bestimmte Posten nicht unwesentlich unterbewertet sind (§ 256 Abs. 5 Satz 3) oder 2. der Geschäftsbericht die Angaben nach § 160 Abs. 2 oder 3 nicht oder nicht vollständig enthält und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht hat und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist, so hat das Gericht auf Antrag Sonderprüfer zu bestellen. Die Sonderprüfer haben die bemängelten Posten darauf zu prüfen, ob sie nicht unwesentlich unterbewertet sind. Sie haben den Geschäftsbericht darauf zu prüfen, ob die Angaben nach § 160 Abs. 2 und 3 nicht oder nidit vollständig gemacht worden sind und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht hat und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist. (2) Der Antrag muß innerhalb eines Monats nach der Hauptversammlung über den Jahresabschluß gestellt werden. Dies gilt auch, wenn der Jahresabschluß nach § 173 Abs. 3 erneut zu prüfen ist. E r kann nur von Aktionären gestellt werden, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil 1428

Bestellung der Sonderprüfer

§258

Anm. 1

des Grundkapitals oder den Nennbetrag von einer Million Deutsche Mark erreichen. Die Antragsteller haben die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag zu hinterlegen und glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar. (3) Vor der Bestellung hat das Gericht den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Abschlußprüfer zu hören. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (4) Sonderprüfer nach Absatz 1 können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. Für die Auswahl gilt § 164 Abs. 2 und 3 sinngemäß. Die Abschlußprüfer der Gesellschaft und Personen, die in den letzten drei Jahren vor der Bestellung Abschlußprüfer der Gesellschaft waren, können nicht Sonderprüfer nach Absatz 1 sein. (5) § 142 Abs. 6 über den Ersatz angemessener barer Auslagen und die Vergütung gerichtlich bestellter Sonderprüfer, § 145 Abs. 1 bis 3 über die Rechte der Sonderprüfer, § 146 über die Kosten der Sonderprüfung und § 1 6 8 über die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer gelten sinngemäß. Die Sonderprüfer nach Absatz 1 haben die Rechte nach $ 145 Abs. 2 auch gegenüber den Abschlußprüfern der Gesellschaft. I. Obersicht (Anm. 1) II. Voraussetzungen für die Bestellung von Sonderprüfern 1. Allgemeines (Anm. 2) 2. Unterbewertung (Anm. 3) 3. Unvollständigkeit im Geschäftsbericht (Anm. 4)

III. Verfahren 1. Antrag (Anm. 5) 2. Tätigkeit des Gerichts (Anm. 6) 3. Prüfungsumfang (Anm. 7) IV. Stellung der Sonderprüfer (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschriften des 3. Abschn. sind neu. Ein festgestellter Jahresabschluß, gleichgültig, ob er vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt ist oder durch Beschluß der Hauptversammlung, ist wegen Verstoßes gegen die Bewertungsvorschriften grundsätzlich stets nichtig, wenn Posten überbewertet sind, dagegen nur ausnahmsweise, wenn sie unterbewertet sind, nämlich dann, wenn dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird (§ 256 V, vgl. dort Anm. 10). Anfechtbar ist ein durch Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluß überhaupt nicht. Ist er durch die Hauptversammlung festgestellt, so kann die Anfechtung nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt (§ 257 I 1429

§ 258

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

Anm. 1, 2 vgl. dort Anm. 1). Die Vorschriften der §§ 258 bis 261 behandeln alle die Fälle, in denen in einem festgestellten Jahresabschluß, gleichgültig, ob er vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt ist oder durch Beschluß der Hauptversammlung, gegen die Bewertungsvorschriften der §§ 153 bis 156 dadurch verstoßen wurde, daß sie Aktivposten mit einem niedrigeren, Passivposten mit einem höheren Betrag, als nach diesen Bestimmungen zulässig ist, angesetzt wurden, ohne daß durch diese Unterbewertung die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert worden ist. Zu den Bewertungsvorschriften in engem Zusammenhang stehen die Vorschriften über den Inhalt des Geschäftsberichts, § 160 II, nach denen die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden und wesentliche Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden einschließlich der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberechtigungen zu erörtern sind. D a neben erstreckt sich die Sonderprüfung nach § 258 aber auch auf die Überprüfung von Angaben im Geschäftsbericht, die nichts mit einer unzulässigen Unterbewertung zu tun haben (§ 160 I I I ) ; ferner haben die Sonderprüfer über bestimmte Wahrnehmungen, die sie gelegentlich der Sonderprüfung machen, zu berichten (§ 259 I S. 1). Der Abs. 1 der vorliegenden Bestimmung befaßt sich mit den Voraussetzungen des Antrags auf Sonderprüfung und damit, was die Sonderprüfer, wenn sie vom Gericht bestellt sind, zu prüfen haben. Abs. 2 regelt die Antragstellung und bestimmt die Antragsberechtigten. Die Abs. 3 bis 5 befassen sidi mit dem Verfahren und der Bestellung der Sonderprüfer. II. Voraussetzungen für die Bestellung von Sonderprüfern 1. Allgemeines Anm. 2: Die Bestellung von Sonderprüfern ist für die Gesellschaft eine bedeutsame und, da sie in der Öffentlichkeit vor sich geht, auch unangenehme Angelegenheit. Es kann deshalb einerseits nicht zugelassen werden, daß die Antragsteller ohne jeden Anlaß Behauptungen aufstellen, um durch die Sonderprüfung gewissermaßen erst feststellen zu lassen, ob überhaupt zu ihrer Vornahme ein Anlaß bestand. Auf der anderen Seite war nicht zu verkennen, daß Aktionäre kaum in der Lage sind, gerade für die Bewertung, sichere Auskünfte zu bekommen. Nach § 131 kann der Vorstand die Auskunft in der Hauptversammlung nach N r . 3 über den Unterschied zwischen dem Buchwert und dem Verkehrswert von Gegenständen verweigern, und nach N r . 4 über die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden, soweit die Angaben hierüber im Geschäftsbericht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Diese Einschränkungen fallen nur in den Ausnahmefällen weg, in denen der Jahresabschluß von der Hauptversammlung selbst festgestellt wird. Es kann 1430

Bestellung der Sonderprüfer

§258

Anm. 2,3

deshalb nidit bestritten werden, daß der Durchschnittsaktionär auf Vermutungen angewiesen ist. Diese müssen aber doch einen gewissen Grad erreicht haben. Man hat sich deshalb entschlossen, die Formulierung zu wählen „besteht Anlaß für die Annahme"; damit ist der Rechtsprechung ein bewußt weiter Rahmen abgesteckt worden. Es wird sich erst nach einem gewissen Zeitablauf überblicken lassen, wann Anlaß zur Annahme besteht. Ein weiterer Anhaltspunkt wird in Nr. 1 insofern gegeben, als sich die Annahme darauf beziehen muß, daß bestimmte Posten nicht unwesentlich unterbewertet sind. Es genügt also nicht, darzutun, daß ganz allgemein ein Anlaß zur Annahme besteht, daß Unterbewertungen stattgefunden haben, sondern es muß schon aus den Bilanzzahlen oder aus anderen bekannten Tatsachen auf bestimmte Posten geschlossen werden können, bei denen die Unterbewertung erfolgt ist (siehe auch Adler-Düring-Schmaltz Tz 7). Auch schon in diesem Stadium des Verfahrens muß dargelegt werden, daß es sich nicht um unwesentliche Unterbewertung handelt. Der Gesetzgeber ist bei der Formulierung dieser Bestimmung davon ausgegangen, daß die Rechtsprechung an die Spezifizierung des Antrags keine zu weitgehenden Anforderungen stellen werde (vgl. Aussdiußbericht zu Drucksache IV/3296). Die Sonderprüfung kann aus zwei verschiedenen Gründen stattfinden: 1. Wegen Unterbewertung bestimmter Posten im Jahresabschluß. 2. Wegen Unvollständigkeit des Geschäftsberichts. 2. Unterbewertung Anm. 3: Eine Unterbewertung liegt vor, wenn Aktivposten mit einem niedrigeren Wert, Passivposten mit einem höheren Betrag angesetzt sind, als nach den Bewertungsvorschriften der §§ 153 bis 156 zulässig ist (§ 256 V S. 3; vgl. dort Anm. 10). Bei der Antragstellung muß dargelegt werden, daß es sich um nicht unwesentliche Unterbewertung handelt und bei welchem Posten die Unterbewertung stattgefunden haben soll. Man wird es als zulässig erachten müssen, wenn dargetan wird, daß bei einer bestimmten zusammengehörigen Gruppe von Einzelposten eine Unterbewertung stattgefunden hat. Beispielsweise bei den Posten § 151 I Aktivseite II A, Posten 1 bis 4. Das würde bedeuten, daß behauptet werden muß, Grundstücke, grundstückseigene Rechte und Bauten seien nicht unwesentlich unterbewertet, ohne daß man angeben muß, worauf im einzelnen sich die Unterbewertung bezieht. Auch eine ähnliche Zusammenziehung, wie die der Posten 5 bis 7, Maschinen, maschinelle Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung, -anlagen im Bau und Anzahlung auf Anlagen könnte wohl zulässigerweise vorgenommen werden. Dagegen würde es uns schon bedenklich erscheinen, wenn man es zuließe, daß die Behauptung, die Finanzanlagen, also § 151 Aktivseite II B, seien alle unterbewertet. Ganz sicherlich ist es nicht zulässig zu behaupten, das gesamte Anlagevermögen oder das gesamte Umlaufvermögen 1431

§ 258 Anm. 3,4

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

sei unterbewertet. Das wären zu allgemeine Angaben. Hier könnte man nicht mehr sagen, daß die Annahme für Unterbewertung „bestimmter Posten" vorgetragen sei. 2. Unvollständigkeit im Geschäftsbericht Anm. 4: In diesem Fall müssen zunächst einmal zwei Voraussetzungen gegeben sein, die sehr leicht nachprüfbar sind: a) In der Hauptversammlung muß der Vorstand nach fehlenden Angaben gefragt worden sein. b) Es muß die Aufnahme dieser Frage in die Niederschrift verlangt worden sein, dagegen ist die tatsächliche Aufnahme nicht erforderlich. Der Antragsteller muß zunächst einmal nachweisen, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind. Das kann er gegebenenfalls, indem er Zeugen benennt, falls seine Frage sich aus der Niederschrift nicht ergibt. Der Richter hat nachzuprüfen, ob diese Voraussetzungen vorliegen, bevor er sich weiter mit dem Antrag befaßt, denn wenn sie fehlen, ist der Antrag ohne weiteres abzulehnen. Erst dann hat das Gericht zu prüfen, ob ein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, daß der Geschäftsbericht unvollständig ist. Diese Prüfung ist u. U. ohne Zuziehung von Sachverständigen nicht ohne weiterse möglich (zustimmend Adler-Düring-Schmaltz Tz 11). Es handelt sich dabei um die Uberprüfung der Erläuterungen des Jahresabschlusses, insbesondere, ob die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden so vollständig angegeben sind, wie es zur Vermittlung eines möglichst sicheren Einblicks in die Vermögensund Ertragslage der Gesellschaft erforderlich ist. Im Geschäftsbericht sind ferner Abweichungen des Jahresabschlusses von dem letzten Jahresabschluß, namentlich wesentliche Änderungen der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden einschließlich der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen zu erörtern. Um festzustellen, ob das ordnungsgemäß erfolgt ist, muß zunächst einmal geprüft werden, ob die Bewertungsvorschriften der §§ 153—156 eingehalten worden sind. Anders ist es weitestgehend bei der Überprüfung, ob im Geschäftsbericht die Angaben nach § 160 III vollständig gemacht sind. In vielen Fällen wird das Gericht in der Lage sein, aus den in diesem Falle sehr viel spezifizierter möglichen Angaben der Antragsteller und der Stellungnahme des Vorstandes der nach Abs. 3 vom Gericht „zu hören" ist, genügendes Material zu erhalten, um selbst entscheiden zu können, ob Anlaß für die Annahme besteht, daß im Geschäftsbericht Angaben nicht oder nicht vollständig gemacht sind. Die Zuziehung von Sachverständigen in diesem Stadium des Verfahrens kommt u. E. unter keinen Umständen in Frage, denn wenn hierzu Anlaß bestünde, dann besteht auch Anlaß für die Annahme, daß der Bericht unvollständig ist. Der Grundgedanke der Einrichtung über Sonderprüfung ist im Auge zu behalten. Er ist der, daß dem Aktionär der nötige Einblick fehlt, um etwa, wie 1432

Bestellung der Sonderprüfer

§258

Anm. 4 , 5

es bei der Sonderprüfung nach § 142 II verlangt wird, Tatsachen vorzutragen, die den Verdacht rechtfertigen, daß bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder Gesetzes- oder Satzungsverletzungen vorgekommen sind. Die Formulierung, die hier gebraucht ist: „besteht Anlaß für die Annahme, daß" ist um so viel unbestimmter, daß die Anforderungen für das, was die Antragsteller vorzutragen und bis zu einem gewissen Grade glaubhaft zu machen haben, sehr viel weniger streng sind, als bei der Sonderprüfung nach § 142. III. Verfahren 1. Antrag Anm. 5: Die Bestellung von Sonderprüfern erfolgt nur aufgrund eines Antrags, der innerhalb eines Monats nach „der Hauptversammlung über den Jahresabschluß" gestellt wird. Das ist die Hauptversammlung, in der der Jahresabschluß, der vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt ist, dieser zur Kenntnis vorgelegt wird und in der, falls ein Bilanzgewinn erzielt ist, der Gewinnverwendungsbeschluß von der Hauptversammlung vorgenommen wird, oder die Hauptversammlung, in der ein nicht festgestellter Jahresabschluß der Hauptversammlung selbst zur Feststellung vorgelegt wird. Nicht Voraussetzung ist, daß ein Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinnes gefaßt wurde, wie Adler-Düring-Schmaltz irrig unseren obigen Ausführungen entnommen haben (Tz 16). Die Frist von einem Monat ergibt sich daraus, daß das Verfahren an Stelle einer Anfechtung des Jahresabschlusses in bezug auf unzulässige Unterbewertung getreten ist. Auch hier besteht ein erhebliches Bedürfnis, daß die Gesellschaft bald Klarheit darüber bekommt, ob der Jahresabschluß richtig ist. Zwar ist die Wirksamkeit des Jahresabschlusses von der Durchführung des Verfahrens nicht abhängig. Er bleibt festgestellt, wenn seine Feststellung im übrigen ordmungsgemäß erfolgt ist. Die Gesellschaft muß aber wegen der Auswirkungen dieses Verfahrens auf den folgenden Jahresabschluß spätestens bis zu dessen Erstellung Klarheit haben. Deshalb gelten die gleichen Fristen wie im Falle einer Anfechtung. Ändert die Hauptversammlung bei der Feststellung des Jahresabschlusses nach § 173 III den Jahresabschluß ab und bedarf er wegen dieser Änderung einer Nachtragsprüfung, so kann zwar der Jahresabschluß festgestellt werden, der Beschluß wird aber erst wirksam, wenn aufgrund der erneuten Prüfung ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt worden ist. Es könnte zweifelhaft sein, ob die Frist von einem Monat mit dem Wirksamwerden des Beschlusses beginnt oder mit dem Tag der Hauptversammlung, an der der Beschluß, der zunächst schwebend unwirksam ist, gefaßt wurde. Das Gesetz stellt ausdrücklich fest, daß das letztere der Fall ist (so auch in § 252 bei der Anfechtungsfrist für den Beschluß, mit 1433

§ 258

Anm. 5,6

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

dem die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, und § 254 I I I bei Anfechtung des Gewinn Verwendungsbeschlusses). Der Antrag kann nicht von einem einzelnen Aktionär gestellt werden, sondern nur von einer Minderheit, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals, also nicht etwa des vertretenen Grundkapitals, oder den Nennbetrag von 1 Million DM erreicht (über die Besonderheiten der nach einem festen Nennbetrag bestimmten Minderheit vgl. Anm. 5 zu § 142). Weitere Voraussetzung ist, daß die Antragsteller seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. Dies haben sie glaubhaft zu machen. Die Antragsteller müssen die Aktien — sofern Urkunden darüber ausgegeben sind — bis zur Entscheidung über den Antrag hinterlegen (dasselbe gilt auch nach § 260 für die Minderheit, die die gerichtliche Entscheidung über die abschließende Feststellung der Sonderprüfer beantragt). Darüber, wie die Glaubhaftmachung zu erfolgen hat, vgl. § 142 Anm. 5. Die Hinterlegung muß nicht bei der Hinterlegungsstelle erfolgen, es kann vielmehr audi bei der Gesellschaft geschehen (KG in J W 30, 3777). Die Aktien müssen hinterlegt bleiben, bis der Antrag zurückgenommen oder durch das Gericht darüber rechtskräftig entschieden ist, nicht aber bis zur Durchführung der Sonderprüfung (B.-H. Rn. 8; Adler-Düring-Schmaltz Tz 17). 2. Tätigkeit des Gerichts Anm. 6: Der Antrag ist dem Gericht im Sinne des § 14, das ist das Registergericht am Sitz der Gesellschaft, einzureichen. Das Verfahren ist das der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Vor der Bestellung von Sonderprüfern hat das Gericht sämtliche Organe der Gesellschaft zu hören, die mit der Aufstellung und Oberprüfung des Jahresabschlusses zu tun haben, das sind: Vorstand, Aufsichtsrat und die Abschlußprüfer. Vorstand und Aufsichtsrat haben sich als Gremium zu erklären. Mehrere Abschlußprüfer können gemeinsam eine Erklärung abgeben, sie können aber auch voneinander abweichende Erklärungen dem Gericht gegenüber machen. Vor der Bestellung der Sonderprüfer muß das Gericht sich im klaren sein, ob die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1 oder 2 vorliegen. Es muß also von sich aus zu dem Ergebnis gekommen sein, daß im Falle der Nr. 1 Anlaß für die Annahme besteht, daß die von den Antragstellern angegebenen Posten oder wenigstens einer davon nicht unwesentlich unterbewertet ist. Es ist zwar nirgends vorgeschrieben, ergibt sich aber aus der Natur der Sache, daß dies im Beschluß zum Ausdruck kommen muß. Das Gericht hat dem bestellten Prüfer den Umfang der Prüfung und die einzelnen Posten anzugeben, auf die sich die Prüfung zu beziehen hat. 1434

Bestellung der Sonderprüfer

§258

Anm. 6,7 Entschließt sich das Gericht, Sonderprüfer zu bestellen, so können dies — wie auch nach § 164 I — nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. Für die Auswahl der Sonderprüfer sind die Vorschriften des § 164 II und III anzuwenden. Danach kommen als Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfergesellschaften solche nicht in Frage, die persönlich oder gesellschaftsrechtlich zu eng mit der zu prüfenden Gesellschaft verbunden sind (vgl. im einzelnen § 164 Anm. 3). Eine weitere Verschärfung ergibt sich aus Abs. 4 S. 3, wonach Sonderprüfer nicht sein kann, wer in den letzten drei Jahren vor der Bestellung Abschlußprüfer der Gesellschaft war. 3. Prüfungsumfang Anm. 7: Im Falle der Nr. 1 hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob eine Unterbewertung vorliegt und ob diese wesentlich ist. Im Falle der Nr. 2 umschreibt das Gesetz den Prüfungsumfang dahin, daß der Geschäftsbericht darauf zu prüfen ist, ob die Angaben nach § 160 II und III nicht oder nicht vollständig gemacht worden sind. Hier wird keine Einschränkung in der Weise gemacht, daß nur die beanstandeten Angaben zu prüfen seien, bzw. ob nicht nur zu prüfen ist, ob gewisse Angaben, die nach Ansicht des Antragstellers zu machen waren, nicht gemacht wurden. Dennoch ist das anzunehmen, wenn der Antragsteller, was er tun muß, in seinem Antrag dargelegt hat, welche Angaben seiner Ansicht nach fehlen, oder welche unvollständig sind. Es wäre nicht sinnvoll, die Sonderprüfung auf alle Punkte des § 160 III zu erstrecken. Dasselbe gilt auch für § 160 II; wenn z.B. der Antragsteller gar nicht behauptet hat, daß außerplanmäßige Abschreibungen oder Wertberichtigungen erfolgt seien, so braucht nicht geprüft zu werden, ob diese Angaben hierüber fehlen. Zu beachten ist jedoch, daß eine Prüfung nach Nr. 2 sich auf die Frage der Unterbewertung im Geschäftsbericht zu beschränken hat. Diese spielt im Fall des § 160 III nicht unbedingt eine entscheidende Rolle. Sie kann es, soweit die Nachprüfung der Angaben nach § 160 II im Vordergrund stehen, sie braucht es aber überhaupt nicht, wenn es sich bei der Nachprüfung darum handelt, ob Angaben nach § 160 III nicht oder nicht vollständig gemacht wurden. Die Überschrift des 3. Abschnittes „Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung" ist deshalb zu eng. Es kann nach Abs. 1 Nr. 2 u. U. eine Sonderprüfung angeordnet werden, die nicht das geringste mit Unterbewertung zu tun hat, deren Zweck vielmehr darauf hinausläuft, einen unvollständigen Geschäftsbericht zu ergänzen. Das ergibt sich aus den Vorschriften über den Inhalt des Prüfungsberichts, in diesem Fall des § 259 IV. Danach haben die Sonderprüfer am Schluß ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung die fehlenden Angaben zu machen. Nur wenn die Angaben von Änderungen von Bewertungs- oder Abschreibungsmethoden fehlen, ist, wie im Falle einer Sonderprüfung nach Nr. 1, in der abschließenden Feststellung der Betrag 1435

§§ 258/259

Anm. 7 , 8

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

anzugeben, um den sich der Jahresabschluß verändert. Es laufen hier also zwei ganz verschiedene Sonderprüfungen nebeneinander her. IV. Stellung der Sonderprüfer Anm. 8: Die Stellung der nach § 258 bestellten Sonderprüfer ist grundsätzlich die gleiche wie die der nach § 142 bestellten, was sich aus den Verweisungen des Abs. 5 ergibt. Danach haben sie die Rechte aus § 145 auf Einsicht in die Bücher und Schriften und Vorlage der Unterlagen auf Auskunftserteilung, letzteres auch gegenüber dem Konzernunternehmen, sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen (§ 145 I bis I I I , vgl. dort Anm. 2 bis 4). Für die Verantwortlichkeit der Sonderprüfer nach § 258 gilt § 168 über die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer sinngemäß, sowie er auch nach § 144 für die Verantwortlichkeit der Sonderprüfer nach § 142 gilt. Sie haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. Beides wird vom Geridit festgesetzt (§ 142 I V ; vgl. dort Anm. 6). Die Gesellschaft hat die vom Gericht festgesetzten Kosten zu tragen, gleichgültig, ob dem Antrag stattgegeben wurde oder ob er abgelehnt ist. Unbeschadet bleibt ein nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zustehender Ersatzanspruch (§ 146, vgl. Anm. dort). Die Gründe der Kostenregelung nach § 146, daß auch die von einer Minderheit eingeleitete Sonderprüfung letztlich im Interesse aller Aktionäre und der Gesellschaft selbst dient, gelten auch hier. Die Rechte der Sonderprüfer nach § 258 gehen insofern noch weiter, als sie nicht nur von den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrats, sondern auch von den Abschlußprüfern der Gesellschaft alle Aufklärungen und Nachweise verlangen können, welche die sorgfältige Prüfung notwendig macht.

§ 259 Prüfungsbericht. Abschließende Feststellungen (1) Die Sonderprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Stellen die Sonderprüfer bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben fest, daß Posten überbewertet sind (§ 256 Abs. 5 Satz 2), oder daß gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses (§§ 151, 152, 157 bis 159) verstoßen ist oder Formblätter nicht beachtet sind, so haben sie auch darüber zu berichten. Für den Bericht gilt § 145 Abs. 4 sinngemäß. (2) Sind nach dem Ergebnis der Prüfung die bemängelten Posten nidit unwesentlich unterbewertet (§ 256 Abs. 5 Satz 3), so haben die Sonderprüfer am Schluß ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung zu erklären, 1436

Prüfungsbericht • Abschließende Feststellungen

§ 259

1. zu welchem Wert die einzelnen Aktivposten mindestens und mit welchem Betrag die einzelnen Passivposten höchstens anzusetzen waren; 2. um welchen Betrag sich der Jahresüberschuß beim Ansatz dieser Werte oder Beträge erhöht hätte. Die Sonderprüfer haben ihrer Beurteilung die Verhältnisse am Stichtag des Jahresabschlusses zugrunde zu legen. Sie haben für den Ansatz der Werte und Beträge nach Nummer 1 diejenige Bewertungs- und Abschreibungsmethode zugrunde zu legen, nach der die Gesellschaft die zu bewertenden Gegenstände oder vergleichbare Gegenstände zuletzt in zulässiger Weise bewertet hat. (3) Sind nadi dem Ergebnis der Prüfung die bemängelten Posten nicht oder nur unwesentlich unterbewertet (§ 256 Abs. 5 Satz 3), so haben die Sonderprüfer am Schluß ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung zu erklären, daß nach ihrer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung die bemängelten Posten nicht unzulässig unterbewertet sind. (4) Hat nach dem Ergebnis der Prüfung der Geschäftsbericht die Angaben nach § 160 Abs. 2 oder 3 nicht oder nicht vollständig enthalten und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht und ist die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden, so haben die Sonderprüfer am Schluß ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung die fehlenden Angaben zu machen. Ist die Angabe von Änderungen von Bewertungs- qder Abschreibungsmethoden einschließlich der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen unterlassen worden, so ist in der abschließenden Feststellung auch der Betrag anzugeben, um den der Jahresüberschuß oder Jahresfehlbetrag ohne die Änderung, deren Angabe unterlassen wurde, höher oder niedriger gewesen wäre. Sind nach dem Ergebnis der Prüfung keine Angaben nach Satz 1 unterlassen worden, so haben die Sonderprüfer in einer abschließenden Feststellung zu erklären, daß nach ihrer pilichtmäßigen Prüfung und Beurteilung im Geschäftsbericht keine Angaben nach § 160 Abs. 2 oder 3 unterlassen worden sind. (5) Der Vorstand hat die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach den Absätzen 2 bis 4 unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. I. Obersicht (Anm. 1) II. Inhalt des Prüfungsberichts 1. im allgemeinen (Anm. 2) 2. bei der Prüfung wegen Unterbewertung (Anm. 3)

3. bei der Prüfung des Geschäftsberichts (Anm. 4) III. Gleichzeitige Prüfung wegen Unterbewertung und Unvollständigkeit des Geschäftsberichts (Anm. 5) I V . Bekanntmachung (Anm. 6)

1437

§ 259

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

Anm. 1,2 I. Übersicht Anm. 1: Vgl. auch § 256 Anm. 1. Auch diese Bestimmung ist neu. Die Sonderprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten und je nach dem Ergebnis und ihrer Aufgabe am Schluß ihres Berichtes die in den Abs. 2, 3 und 4 angegebenen Erklärungen abzugeben. Diese sind nach Abs. 5 bekanntzumachen. II. Inhalt des Prüfungsberichts 1. im allgemeinen Anm. 2: Die Sonderprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Dabei haben sie auch die Wahrnehmungen in den Bericht aufzunehmen, die sie gelegentlich der Prüfung machen, sofern es sich um schwere Verstöße handelt. Das ist einmal, wenn sie feststellen, daß Posten überbewertet sind, d. h., wenn Aktivposten mit einem höheren Wert, Passivposten mit einem niedrigeren Wert angesetzt sind, als nach den Bewertungsvorschriften der §§ 153 bis 156 zulässig ist, vgl. § 256 V und dort Anm. 10. In einem solchen Fall ist der festgestellte Jahresabschluß nichtig. Es besteht deshalb ein Interesse daran, daß solche Feststellungen im Prüfungsbericht festgehalten werden; damit werden sie sowohl dem Vorstand wie dem Aufsichtsrat bekannt, der das Notwendige aufgrund seiner allgemeinen Verpflichtungen zu veranlassen hat. Sie haben ferner Verstöße gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses (S§ 151, 152, 157, 159) aufzunehmen, obwohl nicht jeder Verstoß die Nichtigkeit des Jahresabschlusses herbeiführt, vielmehr nur dann, wenn durch den Verstoß die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt wird (S 258 IV). Hierüber haben sich die Sonderprüfer, da es nicht Gegenstand ihrer Prüfung ist, nicht auszulassen. Sie haben nur die Tatsachen, die sie anläßlich ihrer Prüfung in dieser Beziehung festgestellt haben, in den Prüfungsbericht aufzunehmen, was dann zur Folge hat, daß Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet sind, eingehend zu prüfen, ob die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt sind, und damit der Jahresabschluß nach S 256IV nichtig ist. Dasselbe gilt, wenn die Sonderprüfer gelegentlich ihrer Prüfung feststellen, daß Formblätter nicht beachtet sind (vgl. S 256 Anm. 4). Im übrigen wird für den Inhalt des Berichts auf S 145 IV verwiesen (vgl. dort Anm. 5). Danach müssen Tatsachen, die für die Gesellschaft oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen nicht unerhebliche Nachteile zufügen können, dann im Prüfungsbericht aufgenommen werden, wenn ihre Kenntnis zur Beurteilung erforderlich ist. Die Bestimmung kann praktisch von Bedeutung werden, wenn es sich um die Bewertung von Beteiligungen oder Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen handelt. 1438

Prüfungsbericht • Abschließende Feststellungen

§ 259 Anm. 2,3

Die Sonderprüfer haben den Bericht zu unterzeichnen und unverzüglich sowohl dem Vorstand sowie unmittelbar zum Handelsregister einzureichen. Dadurch hat jeder, der sein rechtliches Interesse nachweist, die Möglichkeit, in den Bericht Einsicht zu nehmen. Darüber hinaus ist auf Verlangen jedem Aktionär vom Vorstand eine Abschrift des Prüfungsberichts zu erteilen, und endlich hat der Vorstand den Bericht dem Aufsichtsrat vorzulegen und bei der Einberufung der nächsten Hauptversammlung als Gegenstand der Tagesordnung bekanntzumachen. Es ist also hinreichend dafür Sorge getragen, daß der Prüfungsbericht als Ganzes der Öffentlichkeit bekannt wird. Darüber hinaus hat der Vorstand nadi Abs. 5 die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Es kommt hier deutlich die Tendenz des Gesetzes zum Ausdruck, auf der einen Seite in der Art der Bewertung den Gesellschaften weitestgehend freie Hand zu lassen, auf der anderen Seite aber die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen weitgesteckten Grenzen mit aller Schärfe durchzusetzen. Die Verwaltungen der Gesellschaften werden die größte Sorgfalt darauf verwenden müssen, daß nicht eine Sonderprüfung nach § 258 mit einem für sie ungünstigen Ergebnis stattfindet. 2. bei der Prüfung wegen Unterbewertung Anm. 3: Ergibt die Prüfung, daß die bemängelten Posten in unzulässiger Weise, d. h. nicht unwesentlich, unterbewertet sind, so haben die Sonderprüfer in der Schlußerklärung ihres Berichts anzugeben, wie diese Posten hätten bewertet werden müssen, um einen Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften zu vermeiden. Bei der Neubewertung hat der Sonderprüfer die Überlegungen des Vorstandes und auch der Abschlußprüfer der Gesellschaft, die zu einer Unterbewertung führten, weitestgehend zu berücksichtigen. Er muß aber von sich aus entscheiden, wie weit sie zulässig sind. Damit kommt er praktisch zu den gerade noch eben von ihm zu verantwortenden Werten. Im Gesetz kommt dies zum Ausdruck, indem der Wert anzugeben ist, mit dem Aktivposten mindestens, und der Betrag, mit dem Passivposten höchstens anzusetzen waren. Um welchen Betrag sich der Jahresüberschuß erhöht bzw. sich ein Jahresfehlbetrag ermäßigt, ist dann eine einfache Rechnung. Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, daß der Sonderprüfer bei der Beurteilung die Verhältnisse am Stichtag des Jahresabschlusses zugrunde zu legen hat und daß er sich nach der Bewertungs- und Abschreibungsmethode zu richten hat, nach der die Gesellschaft den Jahresabschluß aufgestellt hat. Nur wenn diese etwa unzulässig war, hat er die letzte zulässige anzuwenden, die von der Gesellschaft angewandt wurde. Für den Fall, daß die Prüfung keine unzulässige Unterbewertung ergeben hat, ist den Sonderprüfern vom Gesetz eine wörtlich normierte „abschließende 1439

§ 259

Anm. 3—5

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

Feststellung" vorgeschrieben, die Ähnlichkeit mit dem Bestätigungsvermerk der Abschlußprüfer hat. 3. bei der Prüfung des Geschäßsberichts Anm. 4: Soweit die Sonderprüfung die Vollständigkeit des Geschäftsberichts zum Gegenstand hat, sind drei abschließende Feststellungen möglich. 1. Wenn sich ergibt, daß tatsächlich Angaben fehlen oder unvollständig waren, so sind die fehlenden Angaben in der abschließenden Feststellung zu machen und die unvollständigen zu ergänzen. 2. Handelt es sich dabei um fehlende oder unvollständige Angaben von Änderungen von Bewertungs- oder Abschreibungsmethoden, einschließlich der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder Wertberichtigungen, so ist zusätzlich in der abschließenden Feststellung auch der Betrag anzugeben, um den der Jahresüberschuß oder Jahresfehlbetrag sich ändert. 3. Kommt der Sonderprüfer zu dem Ergebnis, daß keine Angaben unterlassen wurden oder unvollständig waren — was im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt ist, weil es die unvollständige Angabe als eine teilweise Unterlassung ansieht —, so ist als abschließende Feststellung eine im Gesetz ebenso genau formulierte Erklärung abzugeben wie in Abs. 3 oder wie bei dem Bestätigungsvermerk der Abschlußprüfer. Diese gewissermaßen positiven abschließenden Feststellungen sind deshalb in ihrem Wortlaut vom Gesetz vorgeschrieben worden, weil es naheliegt, daß immer noch gewisse Zweifel bestehen mögen. Der Sonderprüfer wird durch die gesetzliche Festlegung des Wortlauts daran gehindert, eine unklare abschließende Feststellung zu treffen. Er muß entweder den vom Gesetz vorgeschriebenen Wortlaut nehmen, oder er muß sich auf den Standpunkt stellen, daß diese positive abschließende Feststellung im Einzelfall nicht getroffen werden kann, dann muß er natürlich im einzelnen ausführen, was er beanstandet (siehe auch Adler-Düring-Schmaltz T z 20). HI. Gleichzeitige Prüfung wegen Unterbewertung und Unvollständigkeit des Geschäftsberichts Anm. 5: Es wird vermutlich nicht selten vorkommen, daß dieselben Antragsteller einmal eine Unterbewertung bei bestimmten Posten behaupten und zum anderen gleichzeitig, daß der Geschäftsbericht unvollständig sei. Dann kann beides in einer einheitlichen Sonderprüfung behandelt und ein einheitlicher Prüfungsbericht erstellt werden. Es sind dann zwei abschließende Feststellungen zu treffen, einmal in bezug auf das Prüfungsergebnis wegen Unterbewertung und zum anderen hinsichtlich des Prüfungsergebnisses über die Unvollständigkeit des Geschäftsberichts (ebenso Adler-Düring-Schmaltz T z 2 1 ; B . - H . Rn 6). 1440

Gerichtliche Entscheidung

§§ 259/260 Anm. 6

IV. Bekanntmachung Anm. 6: Der Vorstand hat nach Abs. 5 die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen, also stets im Bundesanzeiger sowie in den von der Satzung bezeichneten sonstigen Blättern (§ 25). Hierzu kann er nach § 4071 durch Ordnungsstrafen angehalten werden. Er macht sidi evtl. nach § 93 schadenersatzpflichtig, wenn er seiner Pflicht nicht nachkommt. Die Bekanntmachung hat die wichtige Bedeutung, daß durch sie die Frist zur Anrufung des Gerichts nach § 260 in Lauf gesetzt wird (Adler-DüringSchmaltz Tz 25; B.-H. § 260 R.O. 7). § 260 Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer (1) Gegen abschließende Feststellungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs. 2 und 3 können die Gesellschaft oder Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von einer Million Deutsche Mark erreichen, innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger den Antrag auf Entscheidung durch das nach § 132 Abs. 1 zuständige Gericht stellen. § 258 Abs. 2 Satz 4 und 5 gilt sinngemäß. Der Antrag muß auf Feststellung des Betrags gerichtet sein, mit dem die im Antrag zu bezeichnenden Aktivposten mindestens oder die im Antrag zu bezeichnenden Passivposten höchstens anzusetzen waren. Der Antrag der Gesellschaft kann auch auf Feststellung gerichtet sein, daß der Jahresabschluß die in der abschließenden Feststellung der Sonderprüfer festgestellten Unterbewertungen nicht enthielt. (2) Über den Antrag entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. § 259 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist anzuwenden. Soweit die volle Aufklärung aller maßgebenden Umstände mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, hat das Gericht die anzusetzenden Werte oder Beträge zu schätzen. (3) § 99 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 5 gilt sinngemäß. Das Gericht hat seine Entscheidung der Gesellschaft und, wenn Aktionäre den Antrag nach Absatz 1 gestellt haben, auch diesen zuzustellen. Es hat sie ferner ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Die Beschwerde steht der Gesellschaft und Aktionären zu, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von einer Million Deutsche Mark erreichen. § 258 Abs. 2 Satz 4 und 5 gilt sinngemäß. Die Beschwerdefrist beginnt mit der Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger, jedoch für die Gesellschaft und, wenn Aktionäre den An1441

§ 260 Anm. 1

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

trag nach Absatz 1 gestellt haben, auch für diese nidit vor der Zustellung der Entscheidung. (4) Für die Kosten des Verfahrens gilt die Kostenordnung. Für das Verfahren des ersten Rechtszugs wird das Doppelte der vollen Gebühr erhoben. Für den zweiten Rechtszug wird die gleiche Gebühr erhoben; dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde Erfolg hat. Wird der Antrag oder die Beschwerde zurückgenommen, bevor es zu einer Entscheidung kommt, so ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte. Der Geschäftswert ist von Amts wegen festzusetzen. Die Kosten sind, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Gesellschaft, sonst dem Antragsteller aufzuerlegen. §247 gilt sinngemäß. I. Übersicht (Anm. 1) II. Antrag auf gerichtliche Entscheidung 1. Frist (Anm. 2)

2. Beteiligte (Anm. 3) 3. Inhalt des Antrages (Anm. 4) III. Das gerichtliche Verfahren (Anm. 5) IV. Kosten (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmung ist neu. Wie jede Sonderprüfung, so kann auch diese nach § 258 nur zur Feststellung von Tatsachen führen. Es kann jedoch kein Streit zwischen den Beteiligten von Sonderprüfern entschieden werden. Deshalb mußte eine Stelle für die Entscheidung eines weiterbestehenden Streites bestimmt werden. Es war dabei daran gedacht worden, eine Sonderstelle einzurichten, an der Wirtschaftsprüfer als Richter beteiligt werden. Davon ist man aber wieder abgekommen; die Trennung zwischen Sonderprüfung, die ganz in den Händen der Wirtschaftsprüfer liegt, und der gerichtlichen Entscheidung über die Auswertung des Ergebnisses, erschien eine gesunde Trennung zwischen der Tätigkeit des Sachverständigen und der des Richters, welch letzterer den Streit zwischen den Parteien zu entscheiden hat. Andererseits wollte man vermeiden, daß nach jeder Sonderprüfung ein gerichtliches Verfahren notwendig ist. Man hat deshalb einen neuen Weg beschritten. Die tatsächlichen Feststellungen, aber auch das Ergebnis dieser Feststellungen, werden dann wie ein rechtskräftiges Urteil für alle Beteiligten wirksam, wenn nicht innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung des Ergebnisses der Sonderprüfung im Bundesanzeiger eine gerichtliche Entscheidung beantragt wird. Der Antrag kann einerseits von der Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, andererseits von einer Minderheit von Aktionären gestellt werden. Diese Minderheit ist zwar ihrem Umfang nach die gleiche wie diejenige, die zur Stellung des Antrags auf Bestellung der Sonderprüfer erforderlich ist. Es braucht sich aber nicht um dieselben Aktionäre zu handeln. Es kann sich eine neue Minderheit bilden, die den Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellt (Frey in WP 1966, 1442

Gerichtliche Entscheidung

§260

Anm. 1,2 640; Adler-Düring-Schmaltz Tz 3). Der Antrag ist beim Landgericht des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt, die wiederum einerseits von der Gesellschaft, andererseits von einer Minderheit von Aktionären eingelegt werden kann. Eine gerichtliche Entscheidung nach § 260 ist nicht in allen Fällen der Sonderprüfung nach § 258 I vorgesehen, sondern nur für den Fall, in dem sich die Sonderprüfung auf Unterbewertung erstreckt. Bei der Sonderprüfung wegen Unvollständigkeit des Geschäftsberichtes bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung nicht, weil der Geschäftsbericht mit den abschließenden Feststellungen ergänzt wird, wenn er der Ergänzung bedarf. Damit ist das Ziel der Antragsteller erreicht. Hier gibt es nichts, worüber eine Gerichtsentscheidung ergehen könnte. Kommt der Sonderprüfer zum Ergebnis, daß eine Ergänzung nidit verlangt werden kann, so bestätigt er damit die Ansicht von Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlußprüfer. Dann besteht kein Grund, die Anrufung des Gerichts zuzulassen (ebenso B.-H. Rn. 2). II. Antrag auf geriditlidie Entscheidung 1. Frist Anm. 2: Der Antrag auf geriditlidie Entscheidung richtet sich gegen die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer. Diese sind nach § 259 V vom Vorstand unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen, also stets auch im Bundesanzeiger. Der Antrag kann nur innerhalb einer Frist von einem Monat nach Veröffentlichung gestellt werden. Maßgebend für den Beginn der Frist ist allein der Ausgabetag des Bundesanzeigers, nicht etwa der weiteren Gesellschaftsblätter, in denen die Bekanntmachung nach § 259 V ebenfalls zu erfolgen hat. Unterläßt der Vorstand die Bekanntmachungen in den übrigen Gesellschaftsblättern — erfolgt sie also lediglich im Bundesanzeiger —, so beginnt die Frist gleichwohl zu laufen. Wird ein Antrag nicht gestellt, so sind die Feststellungen der Sonderprüfer sowohl für die Gesellschaft als auch für die Antragsteller verbindlich. Ein Antrag auf eine erneute Sonderprüfung, etwa von anderen Aktionären, kann nicht gestellt werden, da auch der Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern an eine Frist von einem Monat nach der Hauptversammlung über den Jahresabschluß gebunden ist, vgl. § 258 Anm. 2. Auch hier haben die Aktionäre den Besitz von Aktien nachzuweisen, wie sich aus der sinngemäßen Anwendung des § 258 II S. 4 und 5 ergibt. Es ist jedoch fraglich, von welchem Zeitpunkt ab die 3-Monats-Frist zu berechnen ist, während weldier Zeit die Antragsteller Inhaber der Aktien gewesen sein müssen. Die „sinngemäße" Anwendung bedeutet, daß die Veröffentlichung der Feststellung der Sonderprüfer im Bundesanzeiger der hier maßgebende Zeitpunkt ist. In § 258 ist die Hauptversammlung als Zeitpunkt angegeben, weil der 1443

§ 260

Anm. 2—4

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

dort vorgelegte Jahresabschluß angegriffen wird. Hier wird die Feststellung der Sonderprüfer angegriffen, so daß deren Bekanntmachung hier an die Stelle der Hauptversammlung in § 258 II S.4 treten muß. U . E . ergibt sich der Beginn der Frist aus der Tatsache, daß § 258 II S. 4 nur „sinngemäße" Anwendung findet (a. A. B.-H. R n 4 ; Adler-Düring-Schmaltz Tz 4, die die Hauptversammlung als den maßgeblichen Zeitpunkt ansehen). 2.

Beteiligte

Anm. 3: Am Verfahren ist stets beteiligt die Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand. Anders als in Anfechtungs- und Nichtigkeitsprozessen kann sie hier aber auch Antragsteller sein, nämlich dann, wenn die abschließende Feststellung der Sonderprüfer eine Unterbewertung bejaht hat. Der Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft oder deren Mitglieder sind ebensowenig berechtigt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen wie die Abschlußprüfer. Sie sind zwar im Verfahren über die Bestellung der Sonderprüfer nach § 258 zu hören; sie haben auch insofern bei der Sonderprüfung mitzuwirken, als sie den Sonderprüfern die von ihnen verlangten Aufklärungen und Nachweise zu geben haben. Am gerichtlichen Verfahren sind sie jedoch nicht beteiligt, lediglich der Vorstand in seiner Eigenschaft als Vertreter der Gesellschaft. Wird der Antrag von Aktionären gestellt, so müssen deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von einer Million DM erreichen (über die Errechnung der Mehrheit und die Besonderheit der festen Mehrheit nach Nennbetrag vgl. § 142 Anm. 5). Die Minderheit hat die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag zu hinterlegen, wie dies auch für die Minderheit gilt, die die Bestellung von Sonderprüfern beantragt. Das Gesetz sagt nicht, daß die Hinterlegung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu erfolgen hat, sondern nur schlechthin über den gestellten Antrag. Wenn die Aktionäre beabsichtigen, gegen die Entscheidung Beschwerde einzulegen, so muß zwar hier die gleiche Minderheit diese Beschwerde einlegen, es müssen aber nicht dieselben Aktionäre sein. Deren Aktien werden nach Entsdieidung über den Antrag frei (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 17). Sie können sich frei entscheiden, ob sie bei der Beschwerde mitmachen wollen (vgl. über die Hinterlegungsart Anm. 5 zu § 258). Auch bei der Beschwerde haben die Aktionäre glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens 3 Monaten vor dem Tage der Veröffentlichung der Feststellung Inhaber der Aktien sind (vgl. § 142 Anm. 5 u. oben Anm. 4). 3. Inhalt des Antrages Anm. 4: Das Gesetz schreibt den Prozeßbeteiligten die Antragsform genau vor. Die Antragsteller haben den Antrag zu stellen auf Feststellung des Be1444

Gerichtliche Entscheidung

§260

Anm. 4,5

träges, mit dem die im Antrag zu bezeichnenden Aktivposten mindestens oder die in dem Antrag zu bezeichnenden Passivposten höchstens anzusetzen waren. Das läßt sich aus dem ersten Teil der Feststellung ohne weiteres entnehmen, die die Sonderprüfer bei der abschließenden Feststellung ihres Berichtes nach § 259 I I zu treffen haben, wenn Posten unterbewertet sind. Die zweite, nach § 259 II zu treffende Feststellung, um welchen Betrag sich das Jahresergebnis beim Ansatz dieser Werte oder Beträge verändert hätte, ist nicht Gegenstand des Antrages und nicht Gegenstand der Entscheidung des Gerichtes. Insoweit besteht ein Unterschied zu § 259 II Nr. 2, wonach die Sonderprüfer auch eine Feststellung über diesen Betrag zu treffen haben. Über die Auswirkungen der gesichtlichen Entscheidung vgl. § 261 II. Wenn die Gesellschaft die gerichtliche Entscheidung beantragt, so ist Voraussetzung, daß nach dem Ergebnis der Prüfung Posten unzulässig unterbewertet sind. In diesem Falle ist der Antrag dahin zu stellen, daß der Jahresabschluß die in der abschließenden Feststellung der Sonderprüfer festgestellten Unterbewertungen nicht enthielt. Das deckt sich nicht ganz mit der abschließenden Feststellung nach § 259 II. Dort wird festgestellt, daß die bemängelten Posten nicht unzulässig unterbewertet sind, während hier der Wortlaut darüber hinauszugehen scheint. In Wahrheit ist das nicht der Fall; gemeint ist, daß keine zu beanstandende Unterbewertung vorliegt, wie sie ja in diesem Falle von den Sonderprüfern angenommen wird. Es kann nach dem Ergebnis dieser Verhandlung vor Gericht durchaus noch eine gewisse Unterbewertung übrigbleiben, sie muß aber so gering sein, daß sie nicht unzulässig ist, sie muß also unwesentlich sein. Die Ansicht von Adler-Düring-Schmaltz (Tz 9), die Gesellschaft könne auch den Antrag stellen, es lägen höhere Unterbewertungen vor als die vom Sonderprüfer festgestellten, ist abzulehnen (ebenso B.-H. Rn 6). Allerdings wird die Frage (wie Adler-Düring-Schmaltz auch feststellen) rein akademischer Natur bleiben. III. Das gerichtliche Verfahren Anm. 5: Während für die Zuständigkeit des Gerichtes der § 132 I gilt, also das Landgericht, gegebenenfalls die Kammer für Handelssachen, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, zuständig ist, findet auf das Verfahren § 99 Anwendung, auf den auch in § 132 I I I verwiesen ist. Danach finden auf das Verfahren die Bestimmungen des FGG Anwendung (vgl. hierzu insbesondere von Falkenhausen in Die AktGes. 1967, 309 ff.), das Landgericht hat den Antrag in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen (§ 99 II). Das Gericht entscheidet nach Abs. 2 nach freiem Ermessen. Dabei hat es bei seiner Beurteilung die Verhältnisse am Stichtag des Jahresabschlusses zugrunde zu legen. Ferner hat es für den Ansatz der Werte und Beträge diejenigen Bewertungs- und Abschreibungsmethoden zugrunde zu legen, nach 1445

§ 260

Anm. 5,6

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

der die Gesellschaft die zu bewertenden Gegenstände oder vergleichbaren Gegenstände zuletzt in zulässiger Weise bewertet hat; vgl. hierzu § 259 II und dort Anm. 3. Soweit nicht aufgrund des Prüfungsberichtes der Sonderprüfer eine Entscheidung des Gerichtes möglich ist, muß das Gericht weitere Aufklärung vornehmen, insbesondere kann es weitere Sachverständige und Wirtschaftsprüfer hören. Nur dann, wenn die weitere Aufklärung aller maßgebenden Umstände mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, kann das Gericht davon absehen und die anzusetzenden Werte oder Beträge schätzen. Das Landgericht entscheidet durch Beschluß (§ 90 III S. 1) und hat diesen mit Gründen zu versehen und der Gesellschaft und den antragstellenden Aktionären zuzustellen. Ferner ist die Entscheidung ohne Gründe vom Gericht — nicht etwa von der Gesellschaft — in den Gesellschaftsblättern der Gesellschaft, die sich nach § 23 IV aus der Satzung ergeben müssen, bekanntzumachen. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig, die jedoch nur auf eine Verletzung des Gesetzes gestützt werden kann (vgl. im einzelnen § 99 Anm. 5). Sie kann eingelegt werden, einmal von der Gesellschaft, und zum anderen von einer Minderheit der Aktionäre. Die Minderheit ist die gleiche, die nach Abs. 1 berechtigt ist, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Es brauchen aber nicht dieselben Aktionäre zu sein, es kann eine anders zusammengesetzte Minderheit sein. Dies ergibt sich daraus, daß bei der Aufzählung der Beschwerdeberechtigten nicht von „den" Aktionären, sondern allgemein von Aktionären die Rede ist (Abs. 3 S. 4). Auch diese müssen ihre Aktien hinterlegen, und zwar nunmehr bis zur Entscheidung über die Beschwerde. Das Gesetz erklärt den § 258 II S. 4 und 5 für sinngemäß anwendbar. Die Aktionäre müssen danach glaubhaft machen, daß sie mindestens 3 Monate vor der Bekanntmachung der erstinstanzlichen Entscheidung im Bundesanzeiger Inhaber der Aktien gewesen sind. Unseres Erachtens ergibt sich dieser Zeitpunkt des Beginns der Frist daraus, daß § 258 II S. 4 nur „sinngemäße" Anwendung findet (vgl. Anm. 2). Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beträgt zwei Wochen (§ 22 FGG) und beginnt mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger oder, wenn sie Antragsteller waren und die Zustellung später als die Bekanntmachung im Bundesanzeiger erfolgte, erst mit dieser. Aus dieser ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes ist zusätzlich erkenntlich, daß die Aktionäre nicht dieselben zu sein brauchen, die den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt haben. Es hätte sonst nicht ein verschiedener Beginn der Frist normiert zu werden brauchen. IV. Kosten Anm. 6: Die Kosten des Verfahrens sind, wenn dem Antrag stattgegeben wird, in jedem Falle der Gesellschaft aufzuerlegen. Diese Regelung erschien 1446

Entscheidung über den Ertrag auf Grund höherer Bewertung

§§

260/261

Anm. 6

sachgemäß, weil weder der Sonderprüfer, gegen deren Feststellung sich der Antrag richtet, noch die Minderheit, die die Bestellung der Sonderprüfer beantragt hat, mit diesen Kosten belastet werden können. Die ersteren deshalb nicht, weil sie ihre Prüfung objektiv vornehmen sollen und nicht unter dem Druck eines etwaigen Kostenrisikos stehen dürfen, die letzteren deshalb, weil sie nichts dafür können, wenn die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer unrichtig waren; nur wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird, hat der Antragsteller die Kosten zu tragen. Im übrigen entspricht die Vorschrift der des § 99 VI S. 1 bis 5 (vgl. dort Anm. 6). Der Streitwert ist nach § 247 festzusetzen (vgl. Anm. dort).

§ 261 Entscheidung Ober den Ertrag auf Grund höherer Bewertung (1) Haben die Sonderprfifer in ihrer abschließenden Feststellung erklärt, daß Posten unterbewertet sind, und ist gegen diese Feststellung nidit innerhalb der in § 260 Abs. 1 bestimmten Frist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt worden, so sind die Posten in dem ersten Jahresabschluß, der nach Ablauf dieser Frist aufgestellt wird, mit den von den Sonderprüfern festgestellten Werten oder Beträgen anzusetzen. Dies gilt nidit, soweit auf Grund veränderter Verhältnisse, namentlidi bei Gegenständen, die der Abnutzung unterliegen, auf Grund der Abnutzung, nach §§ 153 bis 156 oder nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung für Aktivposten ein niedrigerer Wert oder für Passivposten ein höherer Betrag anzusetzen ist. In diesem Fall sind im Geschäftsbericht die Gründe anzugeben und in einer Sonderredinung die Entwicklung des von den Sonderprüfern festgestellten Wertes oder Betrags auf den nach Satz 2 angesetzten Wert oder Betrag darzustellen. Sind die Gegenstände nidit mehr vorhanden, so ist darüber und über die Verwendung des Ertrags aus dem Abgang der Gegenstände im Geschäftsbericht zu berichten. Bei den einzelnen Posten der Jahresbilanz sind die Unterschiedsbeträge zu vermerken, um die auf Grund von Satz 1 und 2 Aktivposten zu einem höheren Wert oder Passivposten mit einem niedrigeren Betrag angesetzt worden sind. Die Summe der Unterschiedsbeträge ist auf der Passivseite der Bilanz nach dem Posten VIII und in der Gewinn- und Verlustredinung nach dem Posten Nummer 32 als „Ertrag auf Grund höherer Bewertung gemäß dem Ergebnis der Sonderprüfung" gesondert auszuweisen. (2) Hat das gemäß § 260 angerufene Gericht festgestellt, daß Posten unterbewertet sind, so gilt für den Ansatz der Posten in dem ersten Jahresabschluß, der nadi Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung aufgestellt wird, Absatz 1 sinngemäß. Die Summe der Unterschiedsbeträge ist als „Er1447

§ 261

Anm. 1,2

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

trag auf Grund höherer Bewertung gemäß gerichtlicher Entscheidung" gesondert auszuweisen. (3) Der Ertrag aus höherer Bewertung nach Absätzen 1 und 2 redinet für die Anwendung der §§ 58 und 86 Abs. 2 nicht zum Jahresuberschuß. Über die Verwendung des Ertrags abzüglich der auf ihn zu entrichtenden Steuern entscheidet die Hauptversammlung, soweit nicht in dem Jahresabschluß ein Bilanzverlust ausgewiesen wird, der nicht durch offene Rücklagen gedeckt ist. I. Übersidit (Anm. 1) II. Neubewertung 1. In Jahresbilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (Anm. 2)

2. Im Geschäftsbericht (Anm. 3) 3. Zeitpunkt (Anm. 4) III. Entscheidung über die Verwendung (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmung ist neu. Liegt in einem festgestellten Jahresabschluß eine Unterbewertung im Sinne des § 256 V vor, durch die die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft nicht vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird, so kann nach § 258 die Bestellung von Sonderprüfern beantragt werden. Kommen diese zu der abschließenden Feststellung, daß eine Unterbewertung vorliegt (§ 259 II), so haben sie nidit etwa den festgestellten Jahresabschluß entsprechend zu berichtigen, dieser bleibt völlig unberührt von der „Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung". Audi wenn das Gericht angerufen wird, hat seine Entscheidung keinen unmittelbaren Einfluß auf den festgestellten Jahresabschluß. Dieser wird durch beide Vorgänge nicht geändert, vielmehr ist der Kern der vorliegenden Bestimmung der, daß sich die festgestellten Fehler im Jahresabschluß erst auf den folgenden Jahresabschluß auswirken und weiterhin, daß über diese Auswirkungen die Hauptversammlung zu entscheiden hat, und zwar in voller Höhe, nicht etwa nach § 58 nur zur Hälfte und die Verwaltung zur anderen Hälfte (§ 58 II). Das bedeutet praktisch, daß die Hauptversammlung in der Lage ist, durch einen Mehrheitsbesdiluß, nämlich im Gewinnverwendungsbeschluß, über die Beträge zu entscheiden, die ihr durch die Unterbewertung entzogen worden sind. Dabei braudit sie diese Beträge keineswegs zur Ausschüttung zu verwenden, sie kann sie auch in eine offene Rücklage einstellen oder als Gewinn vortragen. II. Auswirkung der festgestellten Unterbewertung 1. In Jahresbilanz und Gewinn- und Verlustrechnung Anm. 2: Steht die Bewertung der nachgeprüften Posten unangreifbar fest, so sind die von den Sonderprüfern oder ggf. vom Gericht festgestellten 1448

Entscheidung über den Ertrag auf Grund höherer Bewertung

§ 261 Aiua. 2

Werte oder Beträge im nächsten Jahresabschluß anzusetzen. Zwischenzeitlich eingetretene oder die ordnungsmäßig vorzunehmenden Veränderungen sind dabei zu berücksichtigen. Insoweit die Unterbewertung darin liegt, daß Aktivposten mit einem niedrigeren Wert als zulässig angesetzt sind, können z.B. die nach § 154 zulässigen planmäßigen Abschreibungen von dem Wert, den die Sonderprüfer ermittelt haben, vorgenommen werden, so daß im nächsten Jahresabschluß nicht der gleiche Wert, den die Sonderprüfer eingesetzt haben, einzusetzen ist, sondern ein um die Abschreibung verringerter. Ferner ist das Niederstwertprinzip des § 155 II zu beachten. Grundsätzlich hat die Berichtigung bei dem betroffenen Posten als Einzelberiditigung zu erfolgen. Ist die Unterbewertung dadurch entstanden, daß Passivposten zu hoch eingesetzt sind, so ist in gleicher Weise zu verfahren wie bei den Aktivposten, d. h., es ist bei jedem einzelnen Posten der von den Sonderprüfern oder vom Gericht festgestellte richtige Wert einzusetzen, sofern nicht aufgrund zwischenzeitlich veränderter Verhältnisse ein anderer Betrag anzusetzen ist. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei den Aktivposten. Wegen dieser möglichen Veränderungen bestimmt das Gesetz, daß der von den Sonderprüfern oder dem Gericht festgestellte Unterschiedsbetrag bei jedem einzelnen Posten zu vermerken ist. Dadurch wird deutlich, welcher Betrag auf der Neubewertung und welcher auf zwischenzeitlichen Veränderungen beruht. Da es sich stets um den Ausgleich einer Unterbewertung handelt, verbessert sich durch die Einsetzung der richtigen Werte die Bilanz. Um kein falsches Bild entstehen zu lassen, muß, gleichgültig, ob sich die Wertberichtigung auf Aktiv- oder auf Passivposten bezieht, stets die Summe der Berichtigung auf der Passivseite der Bilanz in einer Summe noch einmal erscheinen. Das Gesetz schreibt vor, daß dies in einem bestimmten Posten zu geschehen hat, der in der nach § 151 vorgeschriebenen Gliederung auf der Passivseite als letzter Posten nach dem Posten VIII, Bilanzgewinn, anzufügen ist. Wenn z.B. der Passivposten IV — Rückstellungen — dadurch unterbewertet war, daß ein um DM 100 000,— zu hoher Betrag unter IV Posten 2 „andere Rückstellungen" in dem der Sonderprüfung unterworfenen Jahresabschluß angesetzt war, so ist bei dem Jahresabschluß, der die Berichtigung enthält, von dem sich für diesen Jahresabschluß im Vergleich zum alten ergebenden richtigen Betrag der Betrag von DM 100 000,— abzuziehen und als gesonderter Posten „Ertrag aufgrund höherer Bewertung" einzusetzen. Die Beträge gleichen sich hier auf der Passivseite aus. Ist ein Aktivposten unterbewertet, z. B. auf der Aktivseite unter II A Posten 1 ein Grundstück um DM 100 000,— zu niedrig angesetzt, so ist bei dem Jahresabschluß, der die Berichtigung enthält, unter diesem Posten der Betrag von DM 100 000,— zuzurechnen, auf der Passivseite ist wiederum hinter Posten VIII der gleiche 1449

§ 261

Anm. 2—4

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

Betrag auszuweisen. Hier findet also der Ausgleich dadurch statt, daß sowohl auf der Aktivseite als auch auf der Passivseite der gleiche Betrag einzusetzen ist und dadurch der Ausgleich herbeigeführt wird. In der Gewinn- und Verlustrechnung ist der gleiche Betrag unter der gleichen Bezeichnung im Rahmen der Gliederung des § 157 als gesonderter Posten ebenfalls hinter dem Posten Bilanzgewinn—Bilanzverlust (Posten 32) gesondert auszuweisen (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 4). 2. Im Geschäftsbericht Anm. 3: Es ist denkbar, daß der Posten, auf den sich die Feststellung der Sonderprüfer bezieht, überhaupt nicht mehr im nächsten Jahresabschluß vorkommt, etwa, wenn die Gesellschaft nur ein Grundstück besitzt, das zwischenzeitlich verkauft ist. Dann muß im Geschäftsbericht über die Verwendung des Ertrags aus dem Abgang berichtet werden. Ferner sind in jedem Fall, in dem der im Jahresabschluß aufgenommene Wert von dem durch die Sonderprüfer festgestellten oder in der Entscheidung festgesetzten Wert abweicht, im Geschäftsbericht die Gründe der Abweichung anzugeben, und zwar muß dies in einer Sonderrechnung geschehen, aus der die Entwicklung des von dem Sonderprüfer festgestellten Wertes zu dem Wertansatz in dem Jahresabschluß sich ergibt. Wenn z.B. eine Abschreibung erfolgt ist, so ist darzulegen, ob es sich um eine planmäßige oder gar um eine außerplanmäßige Abschreibung handelt. Unterbleibt eine höhere Bewertung deshalb, weil sonst nicht das Niederstwertprinzip eingehalten worden wäre, so ist dies im einzelnen darzulegen. 3. Zeitpunkt Anm. 4: Nach § 259 II Nr. 1 haben die Sonderprüfer bei ihren abschließenden Feststellungen zu erklären, zu welchen Posten die einzelnen Aktivposten mindestens und mit welchem Betrag die einzelnen Passivposten höchstens anzusetzen waren (vgl. hierzu § 259 Anm. 3). Wird nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Bekanntmachung der Feststellung im Bundesanzeiger gerichtliche Entscheidung beantragt (§ 260), so ist die Feststellung bindend. Der Vorstand hat in dem ersten Jahresabschluß, der nach Ablauf dieser Frist aufgestellt wird, die Posten mit diesen Werten und Beträgen anzusetzen. Nach § 148 hat der Vorstand in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres den Jahresabschluß aufzustellen und den Abschlußprüfern vorzulegen. Wenn innerhalb dieser Frist die Feststellung der Sonderprüfer veröffentlicht wird oder eine gerichtliche Entscheidung nach § 260 ergeht und rechtskräftig wird, bevor die Vorlage des Jahresabschlusses an die Abschlußprüfer erfolgt, so muß selbstverständlich dies berücksichtigt werden. Wie ist es aber, wenn während der Prüfung der Abschlußprüfer oder zu irgendeinem späteren Zeitpunkt bis zur Feststellung des Jahresabschlusses die Feststellung 1450

Entscheidung über den Ertrag auf Grund höherer Bewertung

§ 261 Anm. 4,5

der Sonderprüfer wirksam oder eine gerichtliche Entscheidung rechtskräftig wird? Bei strenger Auslegung des Gesetzeswortlautes brauchte alsdann die Feststellung oder die gerichtliche Entscheidung nicht mehr berücksichtigt zu werden. Das ist aber nicht der wahre Sinn des Gesetzes; vielmehr kann kein Jahresabschluß wirksam festgestellt werden, wenn vor dem Zeitpunkt seiner Feststellung eine verbindliche Feststellung der Unterbewertung vorliegt. Gegebenenfalls muß der Jahresabschluß ergänzt und erneut den Abschlußprüfern und später dem Aufsichtsrat vorgelegt werden. Erst wenn die Unterbewertung, sei es durch die Sonderprüfer, sei es durch rechtskräftige Entscheidung, zu einem Zeitpunkt wirksam wird, in dem der Jahresabschluß bereits festgestellt ist, muß die Berücksichtigung der Feststellung auf den nächsten Jahresabschluß verschoben werden (ebenso B.-H. Rn. 3; abweichend Adler-Düring-Schmaltz Tz 3). Dieser Fall kann durchaus eintreten, wenn eine gerichtliche Entscheidung beantragt wird; er sollte aber nicht eintreten, wenn es sich um die Feststellung durch die Sonderprüfer handelt. Es besteht an dieser Frage insofern ein praktisches Interesse, weil bei der Bewertung der beanstandeten Posten des Jahresabschlusses nicht unbedingt die von den Sonderprüfern bzw. dem Gericht festgestellten Werte oder Beträge anzusetzen sind, nämlich dann nicht, wenn sich inzwischen die Verhältnisse verändert haben. Das wird dann nicht oder in geringerem Umfang der Fall sein, wenn bereits im nächsten Jahresabschluß die richtige Bewertung erfolgen kann. Ist das nicht möglich, so ist damit zu rechnen, daß eine stärkere Veränderung eintritt und damit das Resultat, daß die Hauptversammlung über die ihr entzogenen Beträge verfügen können soll, herabgemindert wird, es kann auch ganz entfallen. Deshalb sind wir der Auffassung, daß, solange noch eine Änderung des Jahresabschlusses möglich ist, dies geschehen muß. Darauf, daß der Jahresabschluß vom Vorstand aufgestellt ist, kann es nicht entscheidend ankommen. III. Entscheidung über die Verwendung Anm. 5: Der unter der Bezeichnung „Ertrag auf Grund höherer Bewertung gemäß dem Ergebnis der Sonderprüfung" bzw. nach Abs. 2 „gemäß gerichtlicher Entscheidung" in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert aufzuführende Betrag ist, wie sich aus seiner Bezeichnung bereits ergibt, stets ein Ertragsposten. Er ändert das Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung dahin, daß er einen Gewinn entsprechend erhöht, einen Verlust verringert. Soweit durch die Einsetzung dieses Postens ein Gewinn entsteht oder sich erhöht, steht er in vollem Umfang der Hauptversammlung im Rahmen ihres Gewinnverwendungsbesdilusses zur Verfügung. Das gilt insbesondere auch dann, wenn Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß festgestellt haben. In diesem Fall können sie nach § 58 bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen einstellen. Der Jahresüberschuß wird in § 157 1451

§ 261 Anm. 5

Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung

unter Posten 28 ausgewiesen, also vor Ausweis des hier zur Erörterung stehenden Postens. Seine Verwendung durch Vorstand und Aufsiditsrat wäre also sdion aus diesem Grunde nicht möglich. D a s Gesetz stellt dies aber noch einmal ausdrücklich fest (Adler-Düring-Schmaltz T z 15). Weiterhin wird ausdrücklich festgestellt, daß er für die Anwendung des § 86 II, das ist die Berechnung einer Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder, nicht zum J a h resüberschuß zu rechnen ist. Nicht erwähnt wird die Vorschrift des § 113 I I I , die sich mit der gewinnabhängigen Vergütung für die Aufsichtsratsmitglieder befaßt. D o r t wird bestimmt, daß sich der Betrag aus dem Bilanzgewinn errechnet. D a s bedeutet, daß auch hier der „Ertrag auf G r u n d höherer Bewertung gemäß dem Ergebnis der Sonderprüfung" oder „gemäß geriditlidier Entscheidung" außer Betracht bleibt. D a s bedeutet eine gewisse Bestrafung der Mitglieder der Verwaltung. Hätten sie die Unterbewertung nicht vorgenommen, so hätten sie im betreffenden J a h r eine höhere Tantieme bekommen. Durch die nachträgliche Beriditigung erhöht sich ihre Tantieme weder für dieses J a h r noch für das Jahr, in dem die Beriditigung erfolgt ist (ebenso B.-H. Rn. 6; AdlerDüring-Schmaltz T z 18). Die Hauptversammlung kann auch dann über den Betrag verfügen, der sich aus der neuen Bewertung ergibt, wenn der Jahresabschluß einen Bilanzverlust ergibt, sofern dieser durch offene Rücklagen gedeckt ist. D a s Gesetz spricht nur von offenen Rücklagen, nicht etwa von freien Rücklagen, so daß also auch die gesetzliche Rücklage bei der Prüfung der Frage, ob der Bilanzverlust noch durch offene Rücklagen gedeckt ist, mitzuberücksiditigen ist. Dies erklärt sidi daraus, daß die gesetzliche Rücklage nach § 150 I I I zur Verlustdeckung verwandt werden kann. Liegt eine solche Deckung aus offenen Rücklagen vor, so kann zwar die Hauptversammlung nicht die freien Rücklagen oder gar die gesetzliche Rücklage auflösen, um den Verlust zu decken, da sie nie zur Auflösung von Rücklagen berechtigt ist, sondern immer nur zur Verstärkung von Rücklagen. Sie kann aber ohne Rücksicht darauf, daß ein Verlust besteht, über den gesonderten Ertragsposten, der durch die Neubewertung entstanden ist, nach Gutdünken verfügen, d. h., sie kann die Ausschüttung einer Dividende beschließen, die durch diesen Betrag gedeckt wird (B.-H. Rn. 6; Adler-Düring-Schmaltz T z 16). D a s hat zur Folge, daß der ausgewiesene Verlust als solcher vorgetragen werden muß. Es entsteht hier also die bisher nicht mögliche Situation, daß eine Dividende ausgeschüttet wird, obwohl in dem Jahresabschluß ein Verlust ausgewiesen und auf neue Rechnung vorgetragen wird. D a s erklärt sich dadurch, daß es sich hier nicht um die Ausschüttung eines in dem Geschäftsjahr, auf den sich der J a h resabschluß bezieht, entstandenen Bilanzgewinn handelt. Ist der ausgewiesene Bilanzverlust nicht mehr durch offene Rücklagen gedeckt, so hat die Hauptversammlung zwei Möglichkeiten. Einmal kann sie 1452

Entscheidung über den Ertrag auf Grund höherer Bewertung

§ 261

Anm, 5

den durch höhere Bewertung entstandenen Ertragsposten dazu verwenden, den Verlust zu decken und dann einen etwa noch verbleibenden Rest als Dividende ausschütten; sie kann aber auch so viel in offene Rücklagen einstellen, daß diese nunmehr zusammen den ausgewiesenen Bilanzverlust dekken und alsdann den Rest ausschütten. Selbstverständlich kann sie auch auf Ausschüttung ganz verzichten und einen den Jahresverlust etwa überschreitenden Betrag in Rücklage stellen oder als Gewinn vortragen. Immer muß der Betrag von Steuern berücksichtigt werden, der sich aus dem zusätzlichen Ertrag ergibt. Das wird zweckmäßigerweise bereits vorher errechnet werden. Der sich ergebende Betrag darf aber nicht von dem Betrag, der gesondert auszuweisen ist, vorher abgesetzt werden. Er kann allenfalls vermerkt werden, denn das Gesetz schreibt ausdrücklich die gesonderte Ausweisung des Ertrags aufgrund höherer Bewertung gemäß dem Ergebnis der Sonderprüfung bzw. gemäß gerichtlicher Entscheidung vor.

1453

§262

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft ACHTER TEIL

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft Erster Abschnitt Auflösung Erster Unterabschnitt Auflösungsgründe und Anmeldung § 262 Auflösungsgründe (1) Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst 1. durch Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit; 2. durch Beschluß der Hauptversammlung; dieser bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt; die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen; 3. durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft; 4. mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgelehnt wird. 5. mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 144 a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel der Satzung festgestellt worden ist. (2) Dieser Abschnitt gilt auch, wenn die Aktiengesellschaft aus anderen Gründen aufgelöst wird. I. Übersidit (Anm. 1) II. Begriff der Auflösung (Anm. 2) III. Die einzelnen, gesetzlich aufgeführten Auflösungsgründe 1. Zeitablauf (Anm. 3) 2. Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 4) 3. Eröffnung des Konkursverfahrens (Anm. 5) 4. Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse (Anm. 6) 1454

5. Feststellung eines Mangels der Satzung (Anm. 7) IV. Andere Auflösungsgründe 1. Vermögenslosigkeit (Anm. 8) 2. Sitzverlegung ins Ausland (Anm. 9) 3. Auflösung nach §§ 396—398 (Anm. 10) 4. Sonstige (Anm. 11) V. Keine Auflösungsgründe (Anm. 12)

Auflösungsgründe

§ 262 Anm. 1,2

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt bis auf eine kleine sprachliche Abweichung in Abs. 1 Nr. 2 wörtlich die Bestimmungen des bisherigen § 203 AktG 37. Durch das Koordinierungsgesetz vom 15. 8. 1969 ist § 144 a FGG neu eingefügt worden. Hierdurch ergab sich die Neueinfügung der Ziff. 5 in Abs. 1 (siehe Anm. 7). §§ 262—274 handeln von der Auflösung, §§ 275—277 von der Nichtigkeit der Gesellschaft. § 262 führt, ohne sie zu erschöpfen (Abs. 2), eine Reihe von Auflösungsgründen auf, aus denen sich ergibt, daß die Gesellschaft nach zwingender Regelung grundsätzlich sich kraft Autonomie selbst auflösen kann, und bestimmt zugleich, daß die Vorschriften des Abschnittes auch dann gelten, wenn die Aktiengesellschaft aus anderen Gründen aufgelöst wird. Nach § 263 hat der Vorstand die Auflösung der Gesellschaft zur Eintragung anzumelden, während der Auflösungsbeschluß, um wirksam zu werden, der Eintragung nur bedarf, wenn er eine Satzungsänderung enthält (s. Anm. 4). Nur in zwei Fällen wird die Auflösung von Amts wegen eingetragen, nämlich bei Eröffnung und Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse. §§ 264 bis 274 handeln von der Abwicklung. Unter Auflösung ist nicht das Aufhören der Gesellschaft als Rechtspersönlichkeit zu verstehen, diese tritt vielmehr erst ein, wenn die Abwicklung beendet ist, d. h. die Gesellschaft keinerlei Vermögen mehr besitzt (RG 41, 95; 123, 294; BGH in N J W 57, 1279), vgl. hierüber § 273 Anm. 2. Die Fortsetzung der Gesellschaft kann, vom Falle der Konkurseröffnung und ihrer Ablehnung mangels Masse abgesehen, beschlossen werden, solange mit der Verteilung des Vermögens nicht begonnen ist (§ 274). Die Gesellschaft ist also autonom Herr über ihr Leben und ihren Tod. Mangels eines Fortsetzungsbeschlusses begründet die Auflösung für jeden Aktionär einen klagbaren Anspruch auf Anmeldung des Beschlusses, Durchführung der Abwicklung -und Verteilung des Vermögensüberschusses (RG 136, 187). II. Begriff der Auflosung Anm. 2: Auflösung im Sinne dieser Bestimmungen bedeutet nicht Auflösung im engeren Sinne, sondern deren Beginn, den Beginn einer Selbstvernichtung in gesetzlich geregelter Weise, die nunmehr als Zweck an die Stelle der bisherigen Zwecke der Gesellschaft tritt. Sie ist aber nicht aufgelöst, sondern in der Auflösung begriffen, bleibt also vorläufig noch bestehen. Dasselbe gilt von ihrer Organisation. Die Stelle des Vorstandes, auch hinsichtlich Berufung der Hauptversammlung und Befugnis zur Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen ihre Beschlüsse, nehmen bei satzungsmäßiger oder freiwilliger Auflösung die Abwickler ein. Aufsichtsrat und Hauptversammlung behalten ihre Funktionen mit der Maßgabe, daß ersterer nun die Abwicklung über1455

§ 262

Anm. 2,3

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

wacht. Satzungsänderungen sind (nur) möglich im Rahmen des Abwicklungszwecks, z. B. eine Firmenänderung, die infolge Veräußerung des Unternehmens mit Firma notwendig wird, auch eine Kapitalerhöhung, wenn die Gesellschaft sie zur Abwicklung braucht, desgleichen eine Umwandlung nach Umwandlungsgesetz. Die Pflicht zu Nebenleistungen bleibt bestehen, solange die Abwickler den Gewerbebetrieb fortsetzen, für den die Nebenleistungen erfolgen. Weder Dienst- noch sonstige von der Gesellschaft abgeschlossenen Verträge werden grundsätzlich verändert, jedoch kann die Auflösung, insbesondere bei Stillegung eines Betriebes, ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung eines Dienstvertrages sein (BGH 24, 279), namentlich, wenn sie wirtschaftlich zweckmäßig war und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz Stillegung des Betriebs bis zum Ablauf des Arbeitsvertrages der Gesellschaft nicht zuzumuten ist (RAG 18, 257). Bei gegenseitigen Verträgen kann § 321 BGB in Frage kommen. Auch die Firma der Gesellschaft ändert sich nicht (über die Firmenzeichnung der Abwickler mit dem Zusatz „in Abwicklung" vgl. § 269 VI). Handelsvollmachten bleiben bestehen. Audi die Prokuren bleiben — abweichend vom bisherigen Recht — bestehen. Es können Prokuren während der Abwicklung erteilt werden (§ 269 Anm. 1). III. Die einzelnen, gesetzlich aufgeführten Auflösungsgründe 1. Zeitablauf Anm. 3: Das Gesetz zählt fünf Auflösungsgründe besonders auf: Nr. 1: Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit. Die Zeit muß sich aus der Satzung selbst ergeben, sie muß nach § 39 II im Handelsregister eingetragen sein. Es ist nicht notwendig, daß die Zeit kalendermäßig ausdrücklich bestimmt ist. „Bestimmten" bezieht sich auf „in der Satzung", heißt sonadi nicht, daß es ein Zeitpunkt sein müsse, der von vornherein feststeht (a. A. Schl.-Qu. § 203 Anm. 2 unter unberechtigter Berufung auf den Wortlaut), sondern daß kraft Bestimmung der Satzung die Gesellschaftsdauer nicht unbeschränkt, sondern beschränkt ist (vgl. Barz in Großkomm. § 203 AktG 37 Anm. 11). Die Satzung kann auch an den Eintritt eines bestimmten Ereignisses, z. B. Ablauf eines Patents, Verkauf des Grundstücks, Eintritt einer auflösenden Bedingung, Unmöglichkeit des Gesellschaftszwecks, Kündigung durch einen Aktionär (Barz a . a . O . Anm. 16; B.-H. Rn. 2) die Auflösung knüpfen. Audi fester Endtermin mit Verlängerung mangels Kündigung ist zulässig (RG 136, 180; R. Fischer in GmbH-Rundschau 1955, 166). Jedoch geht es zu weit, allgemein zu sagen, daß sich die Zeit der Auflösung aus den Umständen ergeben könne (Barz in Großkomm. § 203 AktG 37 Anm. 11; R G in J W 1911, 322). Ist in der Satzung nichts über die Zeitdauer bestimmt, so ist die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit errichtet. Durch eine Satzungsänderung kann 1456

Auflösungsgründe

§262

Anm. 3,4

eine Zeitdauer noch nachträglich bestimmt werden. Da darin neben der Satzungsänderung auch ein auf Auflösung abzielender Beschluß liegt (RG 65, 266), ist dazu nicht nur die Mehrheit des § 179 I und seine Eintragung (§ 181), sondern auch die Mehrheit der Nr. 2 erforderlich (B.-H. Rn. 3; s. audh Anm. 4). Ist eine Zeitdauer in der Satzung bestimmt, so wird die Gesellschaft mit Eintritt des Auflösungszeitpunktes oder -ereignisses, ohne daß es eines Beschlusses der Hauptversammlung bedürfte, selbsttätig aufgelöst. Eine stillschweigende Fortsetzung der Gesellschaft durch Weiterführung des Betriebs ändert an der Tatsache der Auflösung nichts. Will die Hauptversammlung die Auflösung verhindern, so muß sie die Satzung ändern (§§ 179 ff.) und dafür Sorge tragen, daß der satzungsändernde Beschluß im Handelsregister bereits eingetragen ist (§181 III, K G J 34 A 166), bevor die Auflösung eintritt, die aber auch nach Maßgabe des § 274 rückgängig gemadit werden kann. Barz (in Großkomm. § 203 AktG 37 Anm. 12) läßt die Gesellschaft auch dann als werbende bestehen, wenn der Beschluß erst nach dem satzungsmäßigen Eintritt der Auflösung eingetragen wird unter Hinweis auf RG 118, 337. Es müssen in diesem Fall jedodi die Voraussetzungen des § 274 erfüllt sein (ebenso B.-H. Rn. 3). Ein vor der Auflösung eingetragener Beschluß, durdi den die zeitliche Beschränkung hinausgeschoben oder aufgehoben wird, ist ein gewöhnlicher Satzungsänderungsbeschluß, für den §§ 179 ff., nicht § 262 bzw. § 274 gilt (ebenso Barz in Großkomm. § 203 AktG 37 Anm. 12; a. A. Schl.-Qu. § 203 Anm. 3). Soll die Dauer verlängert werden, bedarf es bei Nebenleistungsgesellschaften der Zustimmung aller zu Nebenleistungen verpflichteten Aktionäre (§ 180; RG 137, 188), desgleichen des Kündigenden, wenn nach Kündigung vor Ablauf der Kündigungsfrist eine die Auflösung verhindernde Satzungsänderung beschlossen werden soll, es sei denn, daß die Kündigung zurückgenommen oder der kündigende Aktionär abgefunden wird (vgl. § 274 Anm. 2). Über Fortsetzung der Gesellschaft vgl. zu § 274. 2. Beschluß der Hauptversammlung Anm. 4: Nr. 2: Der Beschluß kann, ordnungsmäßige Ankündigung (§ 124) vorausgesetzt, jederzeit gefaßt werden; er bedarf einer Mehrheit von mindestens 3/* des vertretenen Grundkapitals. Danach muß nach dem Grundsatz des § 133 eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen, daneben die Dreiviertelmehrheit des vertretenen Grundkapitals erreicht sein (vgl. § 179 Anm. 5). Die Satzung kann die Mehrheit durch eine größere, also nicht kleinere Kapitalmehrheit ersetzen und noch andere Erfordernisse, etwa auch eine höhere Stimmenmehrheit oder Einstimmigkeit oder Zugehörigkeit bestimmter Aktionäre zur Mehrheit aufstellen, vgl. § 179 Anm. 5 und § 133 Anm. 2 1457

§ 262 Anm. 4

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

(B.-H. Rn. 1; Barz in Großkomm. § 203 AktG 37 Anm. 17). Einer besonderen Abstimmung verschiedener Aktiengattungen bedarf es nicht. Anfechtbarkeit und Nichtigkeit regeln sich nach allgemeinen Grundsätzen. Zweifelhaft ist, durch wen die Gesellschaft vertreten wird, ob — im Falle eines Obsiegens des Klägers retrospektiv gesehen — nach § 246 I I oder durdi die Abwickler. Wir halten letztere für zuständig (ebenso Barz in Großkomm. § 203 AktG 37 Anm. 19; für die Genossenschaft BGH 32, 114). Ob der Beschluß zu seiner Wirksamkeit der Eintragung und der für eine Satzungsänderung erforderlichen Mehrheit bedarf, hängt davon ab, ob er eine Satzungsänderung enthält. Regelmäßig ist der Auflösungsbeschluß keine Satzungsänderung, er kann eine bedingte (a. A. Schl.-Qu. § 203 Anm. 6) und auch eine betagte Auflösung vorsehen. In diesem Fall soll er nach R G 65, 266 eine Satzungsänderung enthalten, wenn bis dahin die Gesellschaft unbestimmte Zeit bestehen sollte, und gleichzeitig den für diese geltenden Bestimmungen unterliegen. Das ist bei der bedingten Auflösung und bei der betagten dann nicht einleuchtend, wenn der Termin nicht sehr fem ist. R G 145, 101 hat daher auch diesen Grundsatz dahingehend eingeschränkt, daß eine Satzungsänderung nicht vorliege, wenn die satzungsmäßige Dauer der Gesellschaft abgeändert wird, sofern der Gesellschaftsvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen war, oder das Ende auf einen späteren Zeitpunkt fällt und der Beschluß die Auflösung auf einen nur kurze Zeit nach der Beschlußfassung fallenden Zeitpunkt bestimmt. R G 65, 266 erachtet eine Satzungsänderung auch dann für vorliegend, wenn eine Auflösung vor Eintritt eines in der Satzung vorgesehenen Endtermins der Gesellschaft beschlossen wird; ebenso K G J 45 A 178. Diese Entscheidungen setzen voraus, daß die Auflösung durch Satzung oder satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluß, sei es überhaupt, sei es für bestimmte Zeit, ausgeschlossen werden könnte. Dies trifft indessen nicht zu. Die Bestimmung, daß die Gesellschaft durch Beschluß der Hauptversammlung aufgelöst werden kann, ist zwingend (herrschende Ansicht). Es ist nicht erkennbar, womit begründet werden könnte, daß sie nicht zwingend ist. Daß Nr. 1 zuläßt, daß nach Ablauf die Gesellschaft ohne Auflösungsbeschluß von selbst aufgelöst wird, ergibt nicht, daß Nr. 1 auch zuläßt, daß bis zum Zeitablauf die Auflösung durch Gesellschafterbesdiluß ausgeschlossen sei. Aufgrund des zwingenden Charakters der Vorschrift kann eine Satzungsbestimmung, welche Auflösung durch Zeitablauf vorsieht, niemals den Sinn haben, daß vor dem satzungsmäßigen Endtermin die Auflösung durch Beschluß unzulässig sei und deshalb ein vorzeitiger Auflösungsbeschluß keine Satzungsänderung sei (wie hier Barz in Großkomm. § 203 AktG 37 Anm. 14; a. A. Schl.-Qu. § 203 Anm. 6). Im Hinblick auf die zwingende Regelung der Mehrheitserfordernisse für den Auflösungsbeschluß betrifft die Meinungsverschiedenheit die Eintragung und den Eintragungszwang, dagegen kann 1458

Auflösungs gründe

§262

Anm. 4,5

die Satzung vorsehen, daß zur (vorzeitigen) Auflösung Einstimmigkeit erforderlich sei. Unter Umständen kann eine Satzungsbestimmung, welche Unauflöslichkeit schlechthin oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorsieht, diese Bedeutung haben. Auch in der satzungsmäßigen Festsetzung der Endigung durch Zeitablauf kann die Festsetzung der Unauflöslichkeit in dem genannten Sinn liegen. In solchen Fällen ist erst eine Satzungsänderung notwendig, damit die Auflösung durch Mehrheitsbeschluß stattfinden kann. 3. Eröffnung des Konkursverfahrens Anm. 5: Nr. 3: Die Auflösung tritt in dem im Eröffnungsbeschluß genannten Zeitpunkt (§ 108 KO) ein. Wird der Eröffnungsbeschluß auf Beschwerde aufgehoben, so wird die Auflösung rückwirkend hinfällig. Die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens hat die Auflösung nicht zur Folge, erst die Konkurseröffnung. Der Konkurs ist bei der Gesellschaft gemäß § 207 K O sowohl bei Zahlungsunfähigkeit als auch bei Überschuldung vorgeschrieben. Die Wirkungen des Konkurses sind im übrigen die gewöhnlichen. Die Verfügungsgewalt über das gesamte Vermögen geht auf den Konkursverwalter über, ohne daß dieser von Vorstand oder Aufsichtsrat kontrolliert würde, soweit es nach Maßgabe der Konkursordnung zur Masse gehört. Im übrigen ist es durch den Abwickler abzuwickeln. Der Konkursverwalter ist auch zuständig, die Übertragung von nicht vollbezahlten Namensaktien zu genehmigen (RG 72, 293; a. A. Schl.-Qu. § 203 Anm. 22, welche daneben die Zustimmung der Abwickler für erforderlich halten). Der Konkursverwalter ist auch berechtigt, die Forderungen der Gesellschaft gegen die Aktionäre, natürlich nur unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes, geltend zu machen, so auf rückständige Einlagen, wobei er nidit mehr einfordern darf, als zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist (RG 79, 175). Die Nebenverpflichtungen der Aktionäre aus § 55 erlöschen, soweit nicht rückständig, im Konkurs (a. A. Barz in Großkomm. § 203 AktG 37 Anm. 24). Für die rückständigen vgl. § 17 KO. Der Anspruch auf das Entgelt für die vollbrachte Nebenleistung ist Konkursforderung. Die bestehenden Dienstverträge, auch die Verträge mit Vorstand und Aufsichtsrat, kann der Konkursverwalter, letztere nur mit Wirkung für die Masse, kündigen. Über Vergütung des Aufsichtsrats s. § 113 Anm. 2. Er kann aber nicht die Organe als solche abberufen, das kann nur der Aufsichtsrat bzw. die Hauptversammlung (RG 81, 337). Regreß anspräche gegen die Organe macht der Verwalter geltend, und zwar sowohl soweit sie der Gesellschaft als auch soweit sie den Gläubigern zustehen. Letztere können während des Konkurses nicht selbständig Regreßansprüche geltend machen. Der Konkursverwalter vertritt die Gesellschaft im Prozeß — gegen die Organe, die Entlastung begehren; im Anfechtungsprozeß (BGH 32, 118) — soweit das zur Konkursmasse gehörende Vermögen betroffen ist. In diesen 1459

§ 262 Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft Anm. 5,6 Prozessen kann der Vorstand als Zeuge gehört werden (RG in LZ 1914, 776). Der Konkursverwalter kann auch das Vermögen im ganzen mit Firma veräußern (RG in D J 1937, 1042 u. 1815; Schl.-Qu. §203 Anm. 16); eine Verschmelzung vornehmen, wenn sidi dazu jemals Gelegenheit bieten sollte, kann er weder konkursrechtlich, da die Gläubiger dadurch nidit befriedigt würden, sondern nur einen neuen Schuldner erhielten, noch aktienrechtlich. Der Konkursverwalter entlastet die Organe, soweit Ansprüche aus der Geschäftsführung gegen sie zur Masse gehören. Im übrigen bleiben die Gesellschaftsorgane, auch der Vorstand, im Amt, wenn auch ihre Tätigkeit Aufgaben zugewandt ist, die die Masse nicht berühren, insbesondere hat der Vorstand namens der Gesellschaft die Aufgaben des Gemeinschuldners. Er bleibt Vorstand, seine Mitglieder werden, obwohl das Konkursverfahren dieselben Ziele wie eine Abwicklung verfolgt, nicht etwa zu Abwicklern (vgl. § 264 I; ebenso Barz in Großkomm. § 203 AktG 37 Anm. 26; a.A. B.-H. Rn. 5; Schl.-Qu. §203 Anm. 18; danach hätten evtl. satzungsmäßig oder durch Hauptversammlungsbeschluß bestellte Abwickler an die Stelle des Vorstandes zu treten). War die Gesellschaft bei Konkurseröffnung aufgelöst, so bleibt an Stelle des Vorstandes der Abwickler im Amt. Ist nicht zur Masse gehöriges Vermögen vorhanden, oder bleibt bei Beendigung, insbesondere etwa Einstellung des Konkurses, unverteiltes Vermögen übrig, so setzt, da die Gesellschaft aufgelöst ist, ohne weiteres die Abwicklung (§265) ein (vgl. RG 81, 335; 127, 200; wegen der Rechte des Vorstandes §§ 109, 123, 141 II, 144, 135, 173, 189 K O und wegen der Pflichten §§ 100, 101, 125 KO). Die Hauptversammlung wird nidit vom Konkursverwalter, sondern vom Vorstand oder Aufsichtsrat berufen. Wegen der Passivlegitimation für Anfechtungsklagen s. RG 76, 246. Die Beendigung des Konkurses durch Einstellung oder Aufhebung ist in das Handelsregister einzutragen (§ 32 HGB). Außerdem ist, sofern nicht noch vorhandenes Vermögen der Gesellschaft abzuwickeln ist — in diesem Falle sind die Abwickler anzumelden —, das Erlösdien der Gesellschaft zum Handelsregister anzumelden, einzutragen und bekanntzumachen. Eine Verpflichtung des Vorstandes, das Erlöschen anzumelden, besteht nidit (KG J 30 B 12). Das Erlöschen der Gesellschaft kann auch von Amts wegen eingetragen werden (vgl. KG in JW 38, 1825 mit Anm. von Groschuff und D J 38, 1161 mit Anm. von Lenz). 4. Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse Anm. 6: Nr. 4: Die Bestimmung entspricht dem § 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 (RGBl. I S. 914). Das Gesetz ist nicht aufgehoben. Es gelten deshalb ergänzend die Bestimmungen des Gesetzes, die nicht in der vorliegenden Bestimmung aufgegangen sind. Davon interessiert hier zunächst § 11 S. 2: 1460

Auflösungsgründe

§262

Anm. 6—8

„Gegen den abweisenden Beschluß steht außer demjenigen, der den Eröffnungsantrag gestellt hat, auch dem Gemeinschuldner die sofortige Beschwerde zu." Antragsberechtigt ist jeder Gläubiger, der Vorstand (§ 103 II KO) und jedes Vorstandsmitglied, auch dann, wenn sonst nur mehrere zusammen vertretungsberechtigt sind (§ 208 KO). Wird die Eröffnung des Konkurses abgelehnt, so sind besciiwerdeberechtigt nach § 109 K O der Antragsteller und nach § 1 Löschungsgesetz die Gesellschaft (sofortige Beschwerde). Die Rechtskraft des Ablehnungsbeschlusses hat nicht ohne weiteres die Vollbeendigung, aber die Auflösung der Gesellschaft zur Folge. Ist — wenn auch überschuldetes oder nicht flüssiges — Vermögen vorhanden, so ist es nach § 264 abzuwickeln, § 274 ist nicht anwendbar. Ist kein abzuwickelndes verwertbares Vermögen da, so ist die Gesellschaft nach § 2 des Gesetzes vom 9.10.1934 auf Antrag zu löschen. Die Einstellung eines bereits eröffneten Konkursverfahrens nadi § 204 K O (vgl. Crisolli-Groschuff Anm. 4 zu § 1 Löschungsgesetz) madit die durch die Konkurseröffnung bereits eingetretene Auflösung nicht rückgängig. Über Eintragung und Bekanntmachung der Auflösung vgl. § 263. 5. Feststellung eines Mangels der Satzung Anm. 7: Nr. 5: Die Bestimmung ist durch das Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15. 8.1969 neu eingefügt worden. Nach der ebenfalls neuen Bestimmung des § 144 a FGG hat das Registergericht der Gesellschaft eine Frist zu setzen, wenn die Satzung eine der nach § 23 III Nr. 1—4 wesentliche Bestimmung nicht enthält oder eine dieser Bestimmungen oder die Bestimmung nach § 23 III Nr. 3 nichtig ist. Wird der Mangel nicht behoben, oder ist ein von der Gesellschaft gegen die die Fristsetzung enthaltende Verfügung erhobene Widerspruch zurückgewiesen worden, so hat das Gericht den Mangel der Satzung festzustellen. Auf diese Feststellung und die sich hieraus ergebende Folge der Auflösung der Gesellschaft nach § 262 I Nr. 5 hat das Gericht die Gesellschaft bei der Fristsetzung hinzuweisen. IV. Andere Auflösungsgründe 1. Vermögenslosigkeit Anm. 8: Die Vorschriften dieses Abschnittes gelten auch, wenn die Gesellschaft aus anderen Gründen aufgelöst wird. Als solche kommen in Frage: Völliger Mangel eines be- und verwertbaren, zur Bestreitung der Gläubiger oder Verteilung unter die Aktionäre brauchbaren Vermögens in Verbindung mit der Löschung nach § 2 des Gesetzes vom 9.10.1934 auf Antrag der 1461

§ 262 Anm. 8—10

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Steuerbehörde oder der Vertretung des Industrie- und Handelsstandes (also nicht auch der Gesellschaft oder eines Aktionärs). Dieses Verfahren ist nur zulässig, wenn die Vermögenslosigkeit nicht auf eine gesetzwidrige Verteilung des Vermögens zurückzuführen ist, weil eine solche Gesellschaft im Hinblick auf ihren Anspruch aus § 62 nicht vermögenslos ist. Solange ein Gewerbe betrieben wird, ist auch völliger Vermögensmangel kein Löschungsgrund (München H R R 37 N r . 650). Bezüglich des Verfahrens muß auf das Löschungsgesetz verwiesen werden (Widerspruchsfrist, sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über den Widerspruch, evtl. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Bei Löschung aufgrund eines mangelhaften Verfahrens, Anregung zu einem Verfahren nach § 142 FGG). Ob die Löschung zur Auflösung erforderlich ist, ist streitig. Wir sind der Meinung, daß zwar für das Löschungsverfahren die vermögenslose Gesellschaft, welche jeglichen Gewerbebetrieb eingestellt hat, als aufgelöst und zu Ende abgewickelt gilt ( § 3 S. 2 Löschungsgesetz knüpft diese Vermutung freilich erst an die Löschung selbst), so daß insofern die Löschung nur nachrichtliche Bedeutung hat, daß ihr aber auch rechtsverändernde Wirkung insofern zukommt, als die Gesellschaft unbekanntes oder erst nach der Löschung erworbenes Vermögen abwickeln muß (§ 2 I I I Löschungsgesetz; ebenso Groschuff Anm. zu KG in DR 41, 1543; vgl. auch § 274 Anm. 2). Es muß ein Abwickler bestellt und die Auflösung eingetragen werden (ebenso RG in JW 37, 1739); ein Verfahren nach § 142 FGG ist außer bei Verfahrensmängeln unzulässig (RG a. a. O.), dagegen hat eine Löschung aufgrund eines mangelhaften Verfahrens die Auflösung nicht zur Folge (RG a. a. O.); wenn aber die Gesellschaft, ohne gelöscht worden zu sein, neues Vermögen erwirbt, so kann sie nicht ohne besonderen Auflösungsbeschluß wegen ihrer früheren Vermögenslosigkeit als aufgelöst gelten und ist nicht gezwungen, das neu erworbene Vermögen abzuwickeln und sich selbst danach zur Löschung anzumelden, vgl. § 273 Anm. 8 und 9. Die Rechtsfähigkeit endigt hier nicht vor der Löschung, aber auch diese beendigt sie nicht unbedingt. § 31 II HGB gilt neben § 2 Löschungsgesetz nicht. Die Löschung wegen vermeintlicher Vermögenslosigkeit allein kann die Auflösung, nicht die Beendigung der Gesellschaft herbeiführen. 2. Sitzverlegung ins Ausland Anm. 9: Auflösungsgrund ist ferner die Verlegung des Sitzes ins Ausland (RG 107, 97; a. A. Ritter Anm. 11), da das Gesetz nur Sitzverlegung im Inland kennt. Für den Beschluß gelten die Erfordernisse der §§ 179 ff., da es sich um eine Satzungsänderung handelt. 3. Auflösung nach §§ 396—398 Anm. 10: Auflösungsgrund ist ferner ein Urteil auf Antrag der zuständigen obersten Landesbehörde wegen Gefährdung des Gemeinwohls (vgl. die Sonderregelung in den §§ 396—398). 1462

Anmeldung und Eintragung der Auflösung

§§ 262/263 Anm. 11,12/1

4. Sonstige Anm. 11: Weitere Auflösungsgründe sind: § 5 Umwandlungsgesetz vom 6.11.1969; § 38 Kreditgesetz; § 42 Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen; § 17 Vereinsgesetz vom 5. 8.1964. Die Satzung kann weitere Auflösungsgründe auf dem Umweg über Nr. 1 bestimmen. V. Keine Auflösungsgründe Anm. 12: Kein Auflösungsgrund ist die Vereinigung aller Aktien in einer Hand, auch nicht der endgültige Wegfall des Gegenstandes des Unternehmens, sei es durch Erreichung oder Unmöglichkeit des Zwecks oder Einstellung des Betriebs (vgl. RG 124, 298), es sei denn, daß die Satzung daran die Folge der Auflösung knüpft (s. Anm. 3).

§ 263 Anmeldung und Eintragung der Auflösung Der Vorstand hat die Auflösung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Dies gilt nidit in den Fällen der Eröffnung und der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens (§ 262 Abs. 1 Nr. 3 und 4), sowie im Falle der gerichtlichen Feststellung eines Mangels der Satzung (§ 262 Abs. 1 Nr. 5). In diesen Fällen hat das Gericht die Auflösung und ihren Grund von Amts wegen einzutragen. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 204 AktG 37 und stellt in Satz 3 klar, was ins Handelsregister eingetragen werden muß (s. Anm. 3). Auflösung ist in allen Fällen einzutragen, in den Fällen des § 262 Nr. 3, 4 und 5, § 398 von Amts wegen. In dem Fall der Nr. 1 und 2 und Abs. 2 des § 262 hat der Vorstand sie zur Eintragung anzumelden. Die Eintragung wird in allen Fällen durch das Registergericht, im Falle des § 262 Nr. 3 (Eröffnung des Konkursverfahrens) und Nr. 4 (Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens) durch das Konkursgericht, nicht durch den Vorstand bekanntgemacht (s. Anm. 3). Die Eintragung der Auflösung hat im allgemeinen nur nachrichtliche Bedeutung. Daß der Auflösungsbeschluß eine Satzungsänderung einschließt, so daß die Eintragung zu seiner Wirksamkeit erforderlich ist, kommt nach Anm. 4 zu § 262 kaum je in Frage. Nur im Falle der Löschung einer in Wahr1463

§ 263

Anm. 1—3

A u f l ö s u n g und Nichtigerklärung der Gesellschaft

heit nicht vermögenslosen Gesellschaft aufgrund des § 2 des Löschungsgesetzes hat sie rechtsändernde Wirkung (vgl. § 262 Anm. 8). § 15 HGB findet Anwendung, außer in den Fällen des § 262 I Nr. 3 und 4, in welchen die Bekanntmachung dem Registergericht obliegt, § 32 HGB. Anm. 2: Die Anmeldung erfolgt durch den Vorstand, nicht durch die Abwickler, persönlich oder schriftlich in öffentlich beglaubigter Form (§12 HGB), und zwar durch so viel Mitglieder, wie zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind. Das Registergericht kann die Anmeldung gemäß § 14 HGB durch Ordnungsstrafe erzwingen, es sei denn, daß hier ausnahmsweise der Auflösungsbeschluß zugleich eine Satzungsänderung einschließt. Anzumelden ist ohne schuldhaftes Zögern, doch bleibt dem pflichtmäßigen Ermessen des Anmeldungspflichtigen ein angemessener Spielraum, der nach den Belangen der Gesellschaft zu begrenzen ist, wobei aber in diesem Rahmen auch die Belange der Gesellschafter berücksichtigt werden können. Im einzelnen vgl. § 81 Anm. 4. Anzumelden ist die Tatsache der Auflösung, auch im Falle des § 262 Nr. 2, nicht der Auflösungsbeschluß (vgl. § 262 Anm. 1). Anm. 3: Die Tatsache der Auflösung ist in allen Fällen mit Ausnahme jener des § 262 Nr. 3, 4 und 5 anzumelden (vgl. oben Anm. 1). In diesen findet die Eintragung von Amts wegen statt. Im Falle der Konkurseröffnung (§ 262 Nr. 3) hat der Gerichtsschreiber des Konkursgerichts eine beglaubigte Abschrift des Eröffnungsbeschlusses dem Registergericht zu übersenden (§112 KO). Wird die Konkurseröffnung mangels Masse abgelehnt, gilt § 1 Abs. 2 Löschungsgesetz: „Die Geschäftsstelle des Konkursgerichts hat dem für die Führung des Handelsregisters zuständigen Gericht eine beglaubigte Abschrift des den Eröffnungsantrag abweisenden Beschlusses mit einer Bescheinigung der Rechtskraft zu übersenden. Die Auflösung ist von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen." Von dieser Bestimmung ist nur der letzte Satz inhaltlich im Aktiengesetz vorhanden. Der erste Satz gilt jedoch ebenfalls, da das Löschungsgesetz nicht ausdrücklich aufgehoben ist. Im Falle der Nr. 5 liegt der Auflösungsgrund in der vom Registergericht selbst ergehenden Feststellung. Einer besonderen Anmeldung bedarf es daher nicht. Das Registergericht hat in allen drei Fällen von Amts wegen die Eintragung vorzunehmen. Früher war es streitig, was im einzelnen eingetragen werden mußte. Das Gesetz bestimmt nunmehr ausdrücklich, daß bei der Auflösung aufgrund § 262 Nr. 3 bis 5 nicht nur die Auflösung als solche, sondern auch der Auflösungsgrund eingetragen werden muß. In allen anderen Fällen genügt die Eintragung der Auflösung als solcher. 1464

Notwendigkeit der Abwicklung

§ 264

Anm. 1,2 Zweiter Unterabschnitt Abwicklung § 264 Notwendigkeit der Abwicklung (1) Nach der Auflösung der Gesellschaft findet die Abwicklung statt, wenn nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet worden ist. (2) Soweit sich aus diesem Unterabsdinitt oder aus dem Zweck der Abwicklung nichts anderes ergibt, sind auf die Gesellschaft bis zum Schluß der Abwicklung die Vorschriften weiterhin anzuwenden, die für nicht aufgelöste Gesellschaften gelten. I. Übersicht (Anm. 1) II. Tragweite von Satzungsbestimmungen (Anm. 2)

III. Ausnahme (Anm. 3) IV. Anzuwendende Bestimmungen (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 205 AktG 37, faßt jedoch den Abs. 2 genauer, in dem klargestellt wird, daß alle — also nicht nur die „vorausgehenden", wie es fälschlich bisher hieß — Vorschriften bis zum Abschluß der Abwicklung gelten, die für nicht aufgelöste Gesellschaften gelten. § 264 bis § 274 behandeln die Abwicklung. Eine solche hat grundsätzlich stets stattzufinden, außer im Falle des Konkurses (§ 264 I). Für die im Abwicklungsstadium befindliche Gesellschaft gelten dieselben Bestimmungen wie für die Erwerbsgesellschaft, soweit sich nicht Abweichungen aus den §§ 265 bis 274 und dem Zweck der Abwicklung ergeben. Dieser besteht ausschließlich in der Versilberung und Barverteilung des vorhandenen Vermögens, was neue Geschäfte nicht ausschließt (vgl. § 268 I). II. Tragweite von Satzungsbestimmungen Anm. 2: Die Bestimmung ist teilweise zwingend und kann insoweit von der Satzung nicht geändert werden. Die Abwicklung ist in den gesetzlichen Formen durchzuführen, auch wenn Aktiva oder Passiva nicht vorhanden sind (RG in JW 26, 2934). Ober den Sonderfall des § 2 Löschungsgesetz vgl. § 262 Anm. 8. Weder Satzung noch Hauptversammlungsbesciiluß können die Abwicklung völlig ausschließen. § 264 ist sowohl im öffentlichen Interesse der Gläubiger als auch im privaten Interesse der Aktionäre gegeben. Satzungsbestimmungen oder Hauptversammlungsbeschlüsse, welche die 1465

§ 264

Anm. 2,3

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Abwicklung ohne Rücksicht auf das Gläubigerinteresse ausschlössen, also ohne die Versilberung, soweit zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich, und phne das Sperrjahr vorzusehen, wären nichtig (vgl. § 241 Nr. 1). Anders der Anspruch der Aktionäre, dieser ist durch die ursprüngliche Satzung abdingbar (§ 271 Anm. 2). Jeder Aktionär hat, solange nicht die Fortsetzung nach § 274 beschlossen ist, Anspruch darauf, daß die Abwicklung stattfindet, richtiger, daß die Gesellschaft ihre Vollbeendigung herbeiführt und ihr Vermögen verteilt. Aber in seinem Wesen unterscheidet sich dieser Anspruch nicht von dem des Aktionärs der werbenden Gesellschaft, daß sie sich entsprechend dem Gesellschaftszweck betätige, um verteilungsfähigen Gewinn zu erzielen. Davon verschieden ist der Anspruch des Aktionärs auf Verteilung des vorhandenen verteilungsfähigen Vermögensüberschusses und auf eine Ausschüttung aus diesem auf seine Aktie. Dieser klagbare (vgl. § 271 Anm. 6) Anspruch stammt aus der Aktie und ist gesellschaftsrechtlich die praktische Folge der Beteiligung des Aktionärs am Gesellschaftsvermögen, welche sich in ihn in dem Maße verwandelt, in dem die Abwicklung fortschreitet. Der Anspruch ist ein Geldanspruch, dessen Erfüllung also die Versilberung des Gesellschaftsvermögens voraussetzt. Aber es kann auch beschlossen werden, das Vermögen nach Ablauf des Sperrjahres in natura zu verteilen. Der Anspruch des Aktionärs auf einen, seinen Aktienbesitz entsprechenden Anteil am Vermögensüberschuß kann, wenn er nicht schon in der ursprünglichen Satzung ausgeschlossen war, nachträglich nicht mehr ohne seine Zustimmung beseitigt oder geschmälert werden. Derartige Hauptversammlungsbeschlüsse sind deshalb ihm gegenüber unwirksam (RG 62, 60; Baumbach-Hueck § 271 Rn. 2). Wir schließen uns dieser Auffassung an. Die ursprüngliche Satzung kann aber Bestimmungen darüber enthalten, daß eine Hauptversammlung die Verteilung des Abwicklungsreinvermögens anderweitig beschließen kann. Dann ist die Hauptversammlung völlig frei. Beschlüsse, welche die Art und Weise der Versilberung oder der Verteilung des Vermögensüberschusses in bar oder natura betreffen, können auch ohne Ermächtigung durch die Satzung, noch während der Abwicklung, als einfädle Hauptversammlungsbeschlüsse nach dem Mehrheitsprinzip gefaßt werden. III. Ausnahme Anm. 3: § 264 sieht von dem Grundsatz, daß jeder Auflösung die Abwicklung folgt, nur eine selbstverständliche Ausnahme vor, nämlich für den Fall der Konkurseröffnung (§ 262 Ziff. 3), in welchem das Ziel der Abwicklung eben durch die Tätigkeit des Konkursverwalters nach den Bestimmungen der Konkursordnung herbeigeführt wird. Wird das Verfahren eingestellt, oder bleibt bei seiner Beendigung unverwertetes Vermögen übrig, setzt die ge1466

Notwendigkeit der Abwicklung

§ 264

Anm. 3,4

wohnliche Abwicklung ein. Eine Auflösung ohne Abwicklung kann noch nach § 396 II eintreten. Die Abwicklung ist erst mit der völligen Verteilung des Vermögens beendet, sie kann jedoch auch auf andere Weise beendet werden, so, wenn die Hauptversammlung gemäß § 274 die Fortsetzung der Gesellschaft beschließt. IV. Anzuwendende Bestimmungen Anm. 4: Bis zum Schluß der Abwicklung gelten die für die nicht aufgelösten Gesellschaften geltenden Bestimmungen (s. Anm. 1). Die bisherigen Gesellschaftsorgane werden von der Abwicklung insofern betroffen, als der Vorstand durch Abwickler ersetzt wird, Aufsichtsrat und Hauptversammlung bleiben bestehen, sogar neue Geschäfte dürfen eingegangen werden, jedoch nur insoweit, als dem Zweck der Abwicklung dienlich. Eine feste Grenze kann nicht gezogen werden. Es ist denkbar, daß auch der Erwerb eines neuen Unternehmens noch in den Rahmen des Abwicklungszwecks fällt. In der Regel wird dies jedoch nicht der Fall sein. Die Verträge der Vorstandsmitglieder und Angestellten bleiben bestehen, wenn nicht andere Personen zu Abwicklern bestellt werden (s. insbesondere § 265 Anm. 4 bis 9), jedoch fällt ein etwa vereinbarter Gewinnanteil fort, da während der Abwicklung ein Jahresgewinn nach § 270 III nicht mehr ermittelt wird. An Stelle vereinbarter Tantiemen ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. Für die Frage, was angemessen ist, sind maßgebend die §§ 87 und 113. Ebensowenig findet eine Gewinnausschüttung an die Aktionäre statt (§ 271 Anm. 2). Was sie — unter notwendiger Beobachtung des § 272 — als Abschlagszahlungen empfangen, ist Kapitalrüdczahlung. Der Aufsichtsrat hat, wie bisher über den Vorstand, so jetzt über die Abwickler die Aufsicht auszuüben (§ 268 II), aber er hat mit ihrer Bestellung nichts zu tun (§ 265), deshalb ist auch § 105 II unanwendbar (a. A. Ritter Anm. 3 e). Dem Aufsichtsrat steht kein Gewinnanteil mehr zu. Den Anspruch auf feste Vergütung behält er (a. A. Baumbach-Hueck Rn. 3). In angemessener Höhe tritt ein solcher an die Stelle eines Anspruchs auf Gewinnanteil. Die Hauptversammlung hat nicht nur die gleichen Befugnisse wie bei der Erwerbsgesellschaft, sie hat sogar darüber hinaus das alleinige Recht auf Feststellung des Jahresabschlusses (§ 270 II). Die Rechte der Minderheiten und der einzelnen Aktionäre sind die gleichen wie bei der Erwerbsgesellschaft. Satzungsänderungen sind nicht unzulässig, soweit sie dem Zweck der Abwicklung nicht allgemein widersprechen, auch nicht Kapitalerhöhung und -herabsetzung (vgl. BGH in NJW 1957, 1279). Änderung der Firma kommt 1467

§§264/265

Anm. 4

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

nur ( H R R 28 Nr. 240) in Frage, wenn die Gesellschaft ihr Geschäft mit der Firma veräußert. In diesem Falle muß die Gesellschaft eine neue Firma nehmen ( R G 107, 33). Nach O L G München in H R R 38 Nr. 1547 ist es nur unter bestimmten Umständen zulässig, die Satzung einer aufgelösten Gesellschaft durch eine neue zu ersetzen und einen anderen als den bisherigen Gegenstand des Unternehmens anzugeben (zu weitgehend).

§ 265 Abwickler (1) Die Abwicklung besorgen die Vorstandsmitglieder als Abwickler. (2) Die Satzung oder ein Beschluß der Hauptversammlung kann andere Personen als Abwickler bestellen. Auch eine juristische Person kann Abwickler sein. (3) Auf Antrag des Aufsichtsrats oder einer Minderheit von Aktionären, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den Nennbetrag von einer Million Deutsche Mark erreichen, hat das Gericht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Abwickler zu bestellen und abzuberufen. Die Aktionäre haben glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien sind. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Gericht oder Notar. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (4) Die gerichtlich bestellten Abwickler haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. Einigen sich der gerichtlich bestellte Abwickler und die Gesellschaft nicht, so setzt das Gericht die Auslagen und die Vergütung fest. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstrekkung nach der Zivilprozeßordnung statt. (5) Abwickler, die nicht vom Gericht bestellt sind, kann die Hauptversammlung jederzeit abberufen. Für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag gelten die allgemeinen Vorschriften. (6) Die Absätze 2 bis 5 gelten nicht für den Arbeitsdirektor. Seine Bestellung und Abberufung bestimmen sich nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes oder des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Vorstandsmitglieder als Abwickler (Anm. 3) III. Bestimmung anderer Personen zu Abwicklern

1468

1. durch Satzung oder HauptverSammlung (Anm. 4 — 6 ) 2. durch das Gericht (Anm. 7 — 9 ) IV. Abberufung (Anm. 10) V. Arbeitsdirektor (Anm. 11)

Abwickler

§265 Anm. 1—3

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in den Abs. 1 bis 3 und 5 die Bestimmungen des bisherigen § 206 AktG 37 in übersichtlicherer Form und mit zwei Änderungen: Die Minderheit, die eine Bestellung von Abwicklern durdi das Gericht verlangen kann, muß nicht immer 5 4/o des Grundkapitals erreichen, sondern ist auch gegeben, wenn die Anteile einen Nennbetrag von 1 Million DM erreichen. Ferner stellt das Gesetz klar, daß das Gericht die Abwickler zu bestellen hat — und nicht kann, wie es bisher im § 206 AktG 37 hieß. Neu sind die Abs. 4 und 6, die sich mit der Vergütung der Abwickler (Abs. 4, s. Anm. 9) und dem Arbeitsdirektor (Abs. 6, vgl. Anm. 11) befassen. Anm. 2: Nach dem Gesetz sind die Mitglieder des Vorstandes zu Abwicklern berufen, jedoch kann die Gesellschaft durch die Satzung oder durch einfachen Mehrheitsbeschluß andere Abwickler bestellen. Endlich kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats oder einer Minderheit von 5 °/o des Grundkapitals oder einem Nennbetrag von 1 Million DM Abwickler ernennen. Das gleiche gilt auch für die Abberufung. Das Gericht kann in dringenden Fällen auch auf Antrag eines Beteiligten einen Abwickler bestellen, wenn die zur Vertretung der Gesellschaft notwendigen Abwickler fehlen, dies ergibt sich aus den §§ 85, 264 II. Das Amt eines nach § 85 bestellten Abwicklers erlischt in dem Augenblick, in dem die Hauptversammlung neue Abwickler bestellt oder aus anderen Gründen die Voraussetzung der Bestellung durch das Gericht nach § 85 wegfällt. Die Vorstandsmitglieder haben die Funktion als Abwickler (§ 265 I). Sind aber nach Satzung, Hauptversammlungsbeschluß oder Gerichtsbeschluß andere Personen zu Abwicklern bestellt, so haben diese die Funktion des Vorstands (§ 268 II, § 269). Man kann also sagen: der Vorstand besteht in der Abwicklung aus den Abwicklern oder die Abwickler bilden den Vorstand. II. Vorstandsmitglieder als Abwickler Anm. 3: Die Abwicklung besorgen regelmäßig die bisherigen Vorstandsmitglieder als Abwickler. Die Satzung kann nichts anderes bestimmen, ohne selbst den oder die Abwickler zu bezeichnen. Die Zahl der Abwickler kann die Satzung vorsehen. Trifft sie keine Bestimmung, genügt, wenn nicht mehr Vorstandsmitglieder vorhanden sind, und die Hauptversammlung nicht anderes beschließt, ein Abwickler. Regelmäßig amtieren also so viel Abwickler wie zur Zeit der Auflösung Vorstandsmitglieder vorhanden sind, es sei denn, daß gleichzeitig einige Mitglieder vom Aufsichtsrat abberufen werden oder ihr Amt niederlegen, oder daß die Hauptversammlung sie abberuft (s. Anm. 10 b), ohne andere Abwickler zu bestellen. Fällt ein Abwickler fort, so braucht kein Ersatzmann bestellt zu werden, solange noch ein Abwickler 1469

§ 265

Anm. 3—5

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

vorhanden ist, es sei denn, daß sidi eine Mindestzahl mittelbar aus Kollektivvertretung ergibt. Es gelten nicht die vor der Auflösung für den Vorstand bestehende Bestimmungen über Anzahl und Vertretung seitens des Vorstandes (S 269 Anm. 4). III. Bestimmung anderer Personen zu Abwicklern 1. durch Satzung oder Hauptversammlung Anm. 4: Durch die Satzung und nach zwingender Vorschrift, beachtlicherweise auch ohne wichtigen Grund, durch Beschluß der Hauptversammlung kann eine andere Person bestellt werden. Auch wenn die Satzung einen oder mehrere Abwickler benennt, kann statt deren die Hauptversammlung einen oder mehrere Abwickler (ohne satzungsändernden Beschluß) ernennen (s. Anm. 10, a. A. Ritter Anm. 3 a). Es muß sich dabei stets um eine bestimmte Person handeln. Es genügt nicht, daß die Person nur bestimmbar ist. Es ist also unzulässig, z. B. den jeweiligen Inhaber einer bestimmten Stelle zum Abwickler zu bestellen, schon deshalb, weil Satzung oder Hauptversammlung die Abwickler selbst bestellen muß und die Bestellung auch nicht mittelbar einem Dritten überlassen kann, insbesondere nicht dem Aufsichtsrat (KGJ 49, 125). Die durch die Satzung oder Mehrheitsbeschluß bestellten Abwickler treten an die Stelle der früheren Vorstandsmitglieder. Scheidet einer der bestellten Abwickler aus, so muß, wenn die Bestellung eines Ersatzmannes erforderlich ist (s. Anm. 3), dieser durch die Hauptversammlung oder bei vorliegenden Voraussetzungen, durch das Gericht neu bestellt werden. Erweist sich die Satzungsbestimmung, die einen Abwickler bestellt, als unausführbar, so ist es Auslegungsfrage, ob sie die gesetzliche Regel, daß die Vorstandsmitglieder die Abwicklung besorgen, schlechthin ausschließen wollte. Bejahendenfalls sind die Abwickler von der Hauptversammlung oder auf Antrag gemäß Abs. 3 durch das Gericht zu bestellen. Anm. 5: Wenn zu Abwicklern andere Personen als die Vorstandsmitglieder bestellt werden — nur dann —, endet das Bestellungsverhältnis der letzteren. Sah dies schon eine bei der Bestellung vorhandene Satzungsbestimmung vor, so war dies Verhältnis von vornherein auflösend betagt (dies incertus quando). Es stehen dann der Vorstandsperson keine weiteren Ansprüche zu. Beruht aber die Bestellung der Abwickler auf einer erst nach der Bestellung der Vorstandsmitglieder geschaffenen Satzungsbestimmung oder auf einem Hauptversammlungsbeschluß, so ist Anm. 15 zu § 84 anwendbar. Es bedarf keines besonderen wichtigen Kündigungsgrundes. Der widitige Grund für die Beendigung des Vorstandsverhältnisses, auch in seinen vermögensrechtlichen Beziehungen, liegt darin, daß andere Personen zu Abwicklern bestellt werden, 1470

Abwickler

§265

Anm. 5—7

wozu das Gesetz selbst der Hauptversammlung die Befugnis gewährt. Es gehört also die Beendigungsmöglichkeit zum gesetzlich unabdingbaren Inhalt jedes Vorstandsverhältnisses. Anm. 6: Hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen gilt das gleiche wie für Mitglieder des Vorstandes, vgl. daher § 76 Anm. 8 u. 9. Nach ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes kann abweichend von § 76 III zum Abwickler auch eine juristische Person des öffentlichen oder bürgerlichen Rechts, z. B. Treuhandgesellschaften, bestimmt werden; eine bemerkenswerte Abweichung von dem Grundsatz, daß die Bestellung nicht einem Dritten überlassen werden kann, weil die Organe der juristischen Person, die die wahren Abwickler sind, von deren Gründern oder Gesellschaftern, möglicherweise, wenn es keine Gesellschaft ist, von Dritten bestellt werden. 2. durch das Gericht Anm. 7: Das Amtsgericht des Sitzes (§ 145 FGG, § 14) kann Abwickler bestellen: a) auf Antrag eines Beteiligten, wenn nidit genügend Abwickler zur Vertretung der Gesellschaft vorhanden sind, in dringenden Fällen nach § 85 (vgl. oben Anm. 3), b) auf Antrag des Aufsichtsrats — nicht der einzelnen Mitglieder — oder eine Minderheit von Aktionären, die 5 % des Grundkapitals vertreten oder deren Anteile einen Nennbetrag von 1 Million DM erreichen und die Voraussetzung einer gewissen Besitzzeit erfüllen, sofern ein wichtiger Grund vorliegt. Der Antrag muß von allen Aufsichtsratsmitgliedern unterzeichnet sein oder ein Aufsichtsratsmehrheitsbeschluß dem Registergericht durch den federführenden Aufsichtsratsvorsitzenden vorgelegt werden. Ob ein wich tiger Grund vorliegt, ist Ermessensfrage. Bejaht sie das Registergericht, muß e« den Abwickler bestellen. Auch wenn genügend Abwickler zur Vertretung der Gesellschaft vor handen sind, kann ein wichtiger Grund zur Bestellung eines weiteren Abwicklers gegeben sein. Das Verfahren richtet sich nach FGG. Die Gesellschaft ist zu hören (§ 146 FGG), soweit nicht untunlich, was der Fall ist, wenn es an einer gesetzlichen Vertretung fehlt. Gegen die Entscheidung im Falle a) sofortige Beschwerde des Antragstellers, im Falle b) des Aufsichtsrates oder der Minderheit. Das Gesetz betont diese Möglichkeit, wie auch an anderen Stellen, nunmehr ausdrücklich. Der einzelne Aktionär oder das einzelne Mitglied des Aufsichtsrats ist nicht berechtigt, Beschwerde einzulegen (KG in OLG 8, 235). Beschwerde und weitere Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrags der Minderheit kann nur diese als solche einlegen, nicht der einzelne Minderheitsaktionär, wenn er nicht selbst 5 °/o des Grundkapitals oder Aktien 1471

§ 265 Anm. 7—9

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

mit einem Nennbetrag von 1 Million DM besitzt. Die notwendige Streitgenossenschaft ist der freiwilligen Gerichtsbarkeit fremd (München in H R R 37, 461), auch die Gesellschaft selbst hat das Recht der Beschwerde gegen die Bestellung. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (§ 24 FGG); wird ihr stattgegeben, bleiben die Rechtshandlungen des vom Registergericht bestellten Abwicklers rechtswirksam (§ 32 FGG). Daß das Registergericht hinsichtlich Auswahl und Zahl der Personen oder Regelung der Vertretungsbefugnis an die Anträge der Antragsteller gebunden sei, läßt sich aus dem Gesetz nicht begründen (ebenso Bayrisches Oberstes Landesgericht in J F G 2, 183), aber der Antrag auf Bestellung von Abwicklern kann bedingt und deshalb auch unter der Bedingung gestellt werden, daß eine vorgeschlagene Person zum Abwickler bestellt wird. In einem solchen Falle bleibt dem Gericht nur Ablehnung übrig, wenn es den Vorgeschlagenen nicht zum Abwickler bestellen will, anderenfalls könnte der Antragsteller Beschwerde einlegen und den Antrag zurücknehmen. Das Registergericht kann die Gesellschaft nicht durch Ordnungsstrafe zur Bestellung von Abwicklern anhalten. Die Bestimmung kann nicht angewandt werden auf eine zwar errichtete, aber noch nicht eingetragene Gesellschaft (BayrObLG in N J W 1965, 2264), da das Abwicklungsverfahren des Aktiengesetzes die Eintragung voraussetzt; auch ist der Schutzgedanke für die Gläubiger in diesem Falle nicht durchschlagend, da vor der Eintragung eine persönliche Haftung gegeben ist (vgl. BayrObLG a. a. O.). Anm. 8: Aktionäre, die die Bestellung von Abwicklern bei Gericht beantragen, haben eine Besitzzeit für ihre Aktien von mindestens drei Monaten glaubhaft zu machen. Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Gericht oder Notar (vgl. im einzelnen § 142 Anm. 5, § 70). Eine Hinterlegung der Aktien ist nicht vorgeschrieben. Anm. 9: Werden vom Gericht oder Hauptversammlung Personen zu Abwicklern bestellt, die keine Mitglieder des Vorstandes sind, so kommt durch diese Bestellung und ihre Annahme der Bestellungsvertrag und das sich darauf begründende Bestellungsverhältnis zustande. Der Vorstand hat dem von der Hauptversammlung bestellten Abwickler seine Bestellung mitzuteilen. Es kann von der Hauptversammlung auch der Notar mit dieser Mitteilung beauftragt werden (Nebengeschäft: Zuteilung eines Auszuges aus der Niederschrift). In dem rein akademischen Fall, daß der Abwickler in der Satzung benannt ist, kommt der Bestellungsvertrag unmittelbar aufgrund der Satzung und der Annahme zustande. Eine Zuständigkeit des Aufsichtsrates besteht in dieser Angelegenheit nicht. Die Zuständigkeit zur Bestellung enthält auch die Zuständigkeit zur näheren Regelung des Vertragsverhältnisses in 1472

Abwickler

§265

Anm. 9—11

seinen Einzelheiten, soweit es nicht durch Gesetz oder Satzung geregelt ist, auch der Vergütung. Obwohl die Zuständigkeit der Hauptversammlung grundsätzlich nicht übertragbar ist, kann hier doch angenommen werden, daß sie diese Regelung dem Aufsichtsrat oder einem Aufsichtsratsausschuß oder auch dem Vorstand, wenn andere Personen als Abwickler bestellt sind, als letzte Amtshandlung überlassen darf. Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, hat der Abwickler eine angemessene Vergütung zu beanspruchen. Für den vom Gericht bestellten Abwickler gilt die Sonderregelung des Abs. 4, wonach bei NichtZustandekommen einer Einigung zwischen Gesellschaft und gerichtlich bestelltem Abwickler das Gericht über die Vergütung und Auslagen zu entscheiden hat. Die Vorschrift entspricht den für den Vorstand geltenden Bestimmungen (§ 85 III), vgl. daher § 85 Anm. 9. IV. Abberufung Anm. 10: Zur Abberufung ist befugt: a) auch der gesetzlichen, satzungsmäßigen oder gewählten Abwickler: das Gericht unter den in Anm. 7 b genannten Voraussetzungen. Der wichtige Grund braucht nicht in einem Verschulden des Abwicklers zu bestehen. b) aller mit Ausnahme der nach § 265 I I I vom Gericht ernannten: Die Hauptversammlung auch ohne wichtigen Grund jederzeit mit einfacher Mehrheit (nach Ritter Anm. 4 i soll die Hauptversammlung die von der Satzung bestellten Abwickler nicht ohne Satzungsänderung abberufen können). Ein nach § 85 vom Gericht bestelltes Vorstandsmitglied, das als solches gemäß § 265 I Abwickler wird, kann ebenfalls von der Hauptversammlung abberufen werden. Eine Abberufung durch den Aufsichtsrat ist auch dann unzulässig, wenn die Vorstandsmitglieder Abwickler sind. Der Aufsichtsrat ist auch bei wichtigem Grund darauf angewiesen, den Antrag auf Abberufung bei Gericht zu stellen. Gegen Abberufung durch das Gericht ist die sofortige Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt sind die Gesellschaft und der abberufene Abwickler. V. Arbeitsdirektor Anm. 11: Die Abs. 2 bis 5 gelten nicht für den Arbeitsdirektor. Das bedeutet zunächst, daß für den Fall, daß durch die Satzung andere als die Vorstandsmitglieder zu Abwicklern bestimmt werden sollen, der Arbeitsdirektor trotzdem Abwickler wird (Abs. 1). Er kann nicht von der Hauptversammlung, sondern nur vom Aufsichtsrat unter den Voraussetzungen des § 13 Mitbestimmungsgesetz abberufen oder bestellt werden. 1473

§ 266

Anm. 1 — 3

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

§ 266 Anmeldung der Abwickler (1) Die ersten Abwickler sowie ihre Vertretungsbefugnis hat der Vorstand, jeden Wechsel der Abwickler und jede Änderung ihrer Vertretungsbefugnis haben die Abwickler zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung oder Abberufung sowie über die Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft beizufügen. (3) Die Bestellung oder Abberufung von Abwicklern durdi das Gericht wird von Amts wegen eingetragen. (4) Die Abwickler haben ihre Namensunterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen, wenn sie dies nicht schon als Vorstandsmitglieder getan haben. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt im wesentlichen die Bestimmungen des bisherigen § 207 AktG 37 und enthält neben sprachlichen Änderungen in Abs. 4 eine Ausnahme insofern, als Abwickler ihre Namensunterschrift dann nicht zur Aufbewahrung bei Gericht zu zeichnen haben, wenn sie dies als Vorstandsmitglieder bereits getan haben. Die Ausdehnung der Anmeldepflichten in den §§ 37 und 39 haben eine Anpassung an diese Vorschriften notwendig gemacht. Die Abwickler sowie ihre Vertretungsbefugnis sind zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Ausnahme bei gerichtlicher Bestellung Abs. 3. Die Bedeutung der Eintragung besteht darin, daß nach § 15 HGB ein Dritter die Eintragung gegen sich gelten lassen muß; dagegen hat die Eintragung keine Bedeutung für den Beginn des Amtes des Abwicklers, vielmehr ist dafür allein der Zeitpunkt der Bestellung maßgebend. Anm. 2: Obwohl Rechte und Pflichten des Vorstands auf die Abwickler übergehen (§ 268 II), hat — wie die der Auflösung (§ 263) — die Anmeldung der ersten Abwickler durch den Vorstand zu erfolgen, und zwar gleichgültig, ob ihr Amt auf Gesetz, Satzung oder Beschluß beruht, auch dann, wenn der bisherige Vorstand Abwickler ist. Nur dann kann sie unterbleiben, wenn das Gericht die Abwickler bestellt hat (Abs. 3). Die Anmeldung ist von so vielen Vorstandsmitgliedern durchzuführen, wie zur Vertretung erforderlich sind. Anm. 3: Jeder Wechsel der Abwickler ist von diesen selbst zur Eintragung anzumelden, es sei denn, daß er auf von Amts wegen einzutragender (Abs. 3), gerichtlicher Bestellung und (oder) Abberufung beruht. Anzumelden ist auch, 1474

Anmeldung der Abwickler

§266

Anm. 3—7

wenn eine Frau, z. B. durch Heirat, ihren Namen verändert. Die Anmeldung erfolgt durch die neuen, nicht durch die ausgeschiedenen Abwickler, ebenfalls von so vielen, wie zur Vertretung notwendig sind. Der Ausscheidende hat nur die Möglichkeit, unmittelbar durch Anregung eines Ordnungsstrafverfahrens nach § 14 HGB seine Löschung zu betreiben. Anm.4: In jedem Fall ist die Vertretungsbefugnis anzumelden, bzw. im Falle des Abs. 3 von Amts wegen einzutragen; desgleichen ist jede Änderung der Vertretungsbefugnis anzumelden, z. B. aufgrund einer Bestimmung des Aufsichtsrats gemäß § 269 III S. 2. Unterbleibt die Anmeldung und Eintragung, so kann die Abweichung von der gesetzlichen Gesamtvertretung (§ 269 II) einem gutgläubigen Dritten nicht entgegengesetzt werden. Anm. i: Der Anmeldung sind die Urkunden, aus denen sich die angemeldeten Rechtsvorgänge ergeben, beizufügen; also: für die Bestellung der Hauptversammlungsbeschluß — bei Bestellung kraft Satzung genügt der Hinweis auf diese — für das Ausscheiden die Sterbeurkunde, die Niederlegungserklärung, der Hauptversammlungsbeschluß. Diese Anlagen brauchen nur in einem Stück beigefügt zu werden, auch wenn die Anmeldung in mehreren Stücken für die Gerichte der Zweigniederlassungen eingereicht werden muß, weil die Prüfung, ob die angemeldete Änderung wirklich eingetreten ist, ausschließlich dem Registergericht des Sitzes obliegt. Anm. 6: Die vom Gericht bestellten Abwickler und eine vom Gericht getroffene Bestimmung über die Vertretung werden auf Mitteilung des Gerichtes an das Registergericht ohne Anmeldung von Amts wegen ins Handelsregister eingetragen, ebenso ihre Abberufung, wohl aber ist eine Anmeldung erforderlich, wenn ein gerichtlich bestellter Abwickler aus anderen Gründen als durch Abberufung wegfällt. Anm. 7: Die Abwickler haben ihre Namensunterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen, Zwang nach § 14 HGB. Das gilt für alle Abwickler, auch für die vom Gericht bestellten, nicht aber für frühere Vorstandsmitglieder, da diese bereits als solche ihre Namensunterschrift bei Gericht hinterlegt haben. Dies ist nunmehr ausdrücklich klargestellt worden, nachdem die herrschende Lehre dies bereits zu den bisherigen Bestimmungen angenommen hatte. Ist eine juristische Person Abwickler, so zeichnet für diese mit der Firma deren für sie vertretungsberechtigten Personen in der für die Vertretung notwendigen Anzahl, z. B. also u. U. ein Geschäftsführer mit einem Prokuristen. 1475

§§ 267/268

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

§ 267 Aufruf der Gläubiger Die Abwickler haben unter Hinweis auf die Auflösung der Gesellschaft die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, ihre Ansprüche anzumelden. Die Aufforderung ist dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Die Vorschrift stimmt wörtlich mit dem bisherigen § 208 AktG 37 überein. §§ 267 bis 273 behandelnden Verlauf der Abwicklung und die Pflichten der Abwickler. Zunächst haben diese (nicht der Vorstand) in vertretungsberechtigter Zahl ohne schuldhaftes Zögern nach ihrer Bestellung (nicht erst Eintragung der Auflösung oder der Abwicklung, es sei denn, erstere beruhe ausnahmsweise auf Satzungsänderung) die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern. Dabei ist auf die Auflösung hinzuweisen. Von dieser Aufforderung hängt der Lauf des Sperrjahres ab. Die Abwickler haften der Gesellschaft und deren Gläubigern nach § 93 für den durch die Unterlassung oder schuldhafte Verzögerung entstehenden Schaden. Der Aufsichtsrat haftet nach § 116, Aktionäre unmittelbar den Gläubigern für etwa empfangene Beträge nach § 62, auch sind sie der Gesellschaft zur Rückzahlung verpflichtet. Das Registergericht kann die Aufforderung nicht erzwingen. Die Aufforderung muß erkennen lassen, daß sie von den Abwicklern ausgeht, deshalb deren Namensunterschrift enthalten, auf die Auflösung hinweisen und sich erkennbar an die Gläubiger wenden, um sie aufzufordern, sich zu melden, gleichgültig, ob sie eine Geldforderung oder eine Forderung anderer Art haben. Die Aufforderung geschieht in allen Fällen öffentlich in den Gesellschaftsblättern (§ 25), so daß auch die bekannten Gläubiger keine besondere Aufforderung erhalten, und zwar dreimal. Welche Zwischenräume zwischen den Veröffentlichungen liegen, ist gleichgültig. Es ist zulässig, zwei Veröffentlichungen an einem Tag in der Morgen- und Abendausgabe einer Zeitung erscheinen zu lassen (bestritten). Die öffentliche Aufforderung ist stets ausreichend aber auch stets erforderlich, selbst wenn alle Gläubiger der Gesellschaft bekannt sind oder wenn feststeht, daß Gläubiger nicht vorhanden sind. Eine Aufforderung, die nach Inhalt oder äußerer Form diesen Anforderungen nicht genügt, setzt das Sperrjahr (§ 272) nicht in Lauf. Die letzte Bekanntmachung ist dafür maßgebend. § 268 Pflichten der Abwickler (1) Die Abwickler haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. Soweit es die Abwicklung erfordert, dürfen sie auch neue Geschäfte eingehen. 1476

Pflichten der Abwickler

§268

Anm. 1

(2) Im übrigen haben die Abwickler innerhalb ihres Geschäftskreises die Rechte und Pflichten des Vorstands. Sie unterliegen wie dieser der Überwachung durch den Aufsiditsrat. (3) Das Wettbewerbsverbot des § 88 gilt für sie nicht. (4) Auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, die Tatsache, daß die Gesellschaft sich in Abwicklung befindet, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Abwickler und der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. Der Angaben nach Satz 1 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Satzes 1; Satz 3 ist auf sie nicht anzuwenden.

I. Übersicht (Anm. 1) II. Durchführung der Abwicklung (Anm. 2) 1. Verwertung der Forderungen (Anm. 3) 2. Versilberung des Vermögens (Anm. 4)

3. Befriedigung der Gläubiger (Anm. 5) III. Abschluß neuer Geschäfte (Anm. 6) IV. Stellung der Abwickler (Anm. 7 — 9 ) V. Angabe auf Geschäftsbriefen (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt im wesentlichen die Bestimmungen des bisherigen § 209 I, I I I bis V AktG 37. Die Möglichkeiten, neue Geschäfte abzuschließen, sind erweitert worden, in dem alle Geschäfte neu abgeschlossen werden können, nicht nur um schwebende Geschäfte zu beenden, sondern ganz allgemein, sofern es nur die Abwicklung erfordert (s. Anm. 6). § 209 II AktG 37 ist als überflüssig weggefallen. Da die Abwickler nach Abs. 2 die Rechte und Pflichten des Vorstands haben, haben sie bereits nach § 92 die früher in § 209 I I AktG 37 normierte Pflicht, die Eröffnung des Konkurses oder Vergleichsverfahrens zu beantragen. §§ 268 und 269 grenzen den Gesdiäfts-(Pflichten)kreis und die Vertretungsmacht der Abwickler ab, und zwar befaßt sich § 268 mit der Geschäftsführung, § 269 mit der Vertretung. 147 7

§ 268 Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft Anm. 2—5 II. Durchführung der Abwicklung Anm. 2: Die Abwickler haben die laufenden Geschäfte zu beenden. Das bedeutet nicht, daß die Geschäfte etwa vorzeitig zum Abschluß geführt werden müssen, vielmehr hat die Abwicklung grundsätzlich keinen Einfluß auf die Erledigung des einzelnen Geschäftes. Der Abwickler hat das gesamte Vermögen sachgemäß zu verwalten. 1. Verwertung der Forderungen Anm. 3: Forderungen sind nach dem Wortlaut des Gesetzes einzuziehen, auch die ausstehenden Einlagen der Aktionäre oder ihre Nebenleistungen (s. Anm. 2 zu § 262), soweit zur Abwicklung (Gläubigerbefriedigung) erforderlich, ohne dabei an Beschränkungen durch Satzung oder Aufsichtsrat gebunden zu sein. Die Bestimmung ist insofern nicht zwingend, als auch eine andere Verwertung der Forderungen zulässig ist; so können sie verkauft werden. Sie müssen nur in irgendeiner Form zu Geld gemacht werden. Das kann auch auf Umwegen geschehen, so kann die Verwertung einer Hypothekenforderung den Erwerb des Grundstücks, sei es in der Zwangsversteigerung, sei es durch freihändigen Kauf notwendig machen, ebensowenig ist, wenn zweckmäßig, die Stundung einer Forderung ausgeschlossen. 2. Versilberung des Vermögens Anm. 4: Das übrige Vermögen ist in Geld umzusetzen. Das kann durch Übertragung des Betrages oder des Vermögens im ganzen (letzterenfalls § 361) Verschmelzung (§ 339), solange die Versilberung noch nicht beendet ist (RG 124, 300) oder durch Einzelverkauf, aber auch z. B. durch Verarbeitung von Rohstoffen geschehen. Dazu werden neue Anschaffungen häufig nötig sein, sie sind zulässig. Das Vermögen ist nicht nur so weit zu versilbern, wie es zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist, sondern auch für die Verteilung an die Aktionäre, d. h., es wird im allgemeinen ganz in Geld umzusetzen sein, sofern nicht die Aktionäre die Vermögenswerte in natura erhalten sollen; dies kann sich aus der Satzung ergeben — ebenso eine andere Art der Verwertung des nach Befriedigung der Gläubiger verbleibenden Vermögens — oder kann mit Zustimmung der Aktionäre beschlossen werden. Streitig ist, ob alle — so Schl.-Qu. § 209 Anm. 7 — zustimmen müssen oder ob ein Mehrheitsbeschluß ausreicht (so Baumbach-Hueck Rn 5 ; Barz in Großkomm. § 209 AktG 37 Anm. 5 ; sowie das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung). Wir schließen uns der letzten Ansicht an, da die Bestimmung in § 268, das Vermögen in Geld umzusetzen, nicht in öffentlichem Interesse erlassen ist und die Bestimmung nicht zwingend ist. 3. Befriedigung der Gläubiger Anm. 5: Die Gläubiger sind zu befriedigen. Es herrscht hier nicht der Gleichheitsgrundsatz, so daß die Gläubiger in der Reihenfolge ihrer Meldung 1478

Pflichten der Abwickler

§268

Anm. 5—7

befriedigt werden können, wobei der Abwickler, um nicht ersatzpflichtig zu werden, mit der nötigen Sorgfalt handeln muß. Evtl. ist er verpflichtet, Vergleichs- oder Konkursverfahren zu beantragen. Der Überschuß ist an die Aktionäre zu verteilen (s. § 271). III. Abschluß neuer Geschäfte Anm. 6: Soweit es die Abwicklung erfordert, dürfen die Abwickler neue Geschäfte eingehen; damit paßt sich das Gesetz der Rechtsprechung an, die die frühere gesetzliche Regelung als zu eng aufgefaßt und in dem jetzt normierten Sinn ausgelegt hat. Es können alle Arten von Geschäften in Frage kommen — Mietvertrag, Arbeitsvertrag, Grundstücksgeschäft usw. —. Voraussetzung ist nur, daß diese Geschäfte zur Abwicklung erforderlich sind. Verstöße hiergegen machen die Geschäfte jedoch nicht nichtig, da die Abwickler in ihrer Vertretungsmacht nicht beschränkt werden können (§ 269 V) und die gleiche Vertretungsmacht haben wie Vorstandsmitglieder (§ 269 I). Die Gesellschaft wird daher in jedem Falle verpflichtet, die Abwickler können sich jedoch ersatzpflichtig machen. Die Abwickler können zwar Hilfskräfte heranziehen und Vollmachten erteilen, sie dürfen aber nicht die Abwicklung in ihrer Gesamtheit einem Dritten übertragen (KGJ 37 A 164). IV. Stellung der Abwickler Anm. 7: Die Abwickler haben innerhalb des Geschäftskreises die Rechte und Pflichten des Vorstandes. Der Geschäftskreis selbst ergibt sich aus Abs. 1 (vgl. oben Anm. 2 bis 6). Die Abwickler habein also z. B. das Recht der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 245 Nr. 4. Sie haben den Jahresabschluß aufzustellen, können ihn jedoch nicht gemeinsam mit dem Aufsichtsrat feststellen, vielmehr ist hierfür stets die Hauptversammlung zuständig. Sie haben — auch strafreditlich (§ 401 Nr. 1 und 3) — die Pflicht nach § 104 durch entsprechenden Antrag die Ergänzung des beschlußunfähig gewordenen Aufsichtsrats herbeizuführen und bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Konkurs- oder gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen. Ihre Verantwortung riditet sich nach § 93, besteht aber nur gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber einzelnen Aktionären. Die Natur der Sache bringt es zwar mit sich, daß sie nicht die überragende Stellung des Vorstandes innehaben, jedoch gilt auch für ihre Geschäftsführung § 119 II, wonach die Hauptversammlung nur auf ihr Verlangen zu entscheiden hat (wie hier Ritter § 209 Anm. 4, a. A. Schl.-Qua. Anm. 14 und 16; Barz in Großkomm. § 209 AktG 37 Anm. 5; B.-H. Rn. 9). 1479

§ 268

A u f l ö s u n g und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Anm. 7—10 Die Hauptversammlung kann nur ausnahmsweise Weisungen an die Abwickler erteilen, so über die Art der Verteilung des Überschusses in bar oder natura (s. oben Anm. 6). Es leuchtet nicht ein, daß Unabhängigkeit von der Hauptversammlung dem Zweck der Abwicklung zuwider laufen soll, mag auch Bedürfnis danach nicht im gleichen Maße wie bei der werbenden Gesellschaft bestehen. Beschränkungen, welche nach § 82 und § 111 IV S. 2 für den Vorstand gegolten haben, gelten nicht mehr ohne weiteres für die Abwickler, können jedoch auch für sie (neu) bestimmt werden, aber nach § 264 II nur, soweit sie nicht mit dem Abwicklungszweck in Widerspruch stehen. Anwendbar sind insbesondere § 77 (bestritten), §§ 86, 87, 89 bis 91, § 93 (mit Ausnahme von Abs. 4, vgl. B.-H. Rn 9, Barz a. a. O. Anm. 10), § 94, § 31 BGB. Unanwendbar ist § 88, § 92, § 93 IV. Über Vertretungsmacht, insbesondere darüber, ob Satzungsbestimmungen, die für den Vorstand gelten, auch für die Abwickler anzuwenden sind, vgl. § 269 Anm. 4. Die einschränkenden Worte „innerhalb ihres Geschäftskreises" besagen nicht, daß außerhalb ihres Geschäftskreises noch ein Betätigungsfeld für den Vorstand übrigbleibt. Dies ist nicht der Fall, denn die ganze Gesellschaft hat nunmehr den beschränkten Abwicklungszweck. Inwieweit die Abwickler ihren dadurch fest umschriebenen Geschäftskreis zu überschreiten die Möglichkeit, nicht die Befugnis, haben, ergibt sich aus den Erläuterungen zu § 269. Der Vorstand aber wird als Organ vollständig durch das Organ „Abwickler" ersetzt, also anders als im Konkurs. Entsteht ein zeitlicher Zwischenraum zwischen Auflösung und Bestellung von Abwicklern (vgl. § 265 Anm. 3), so bleibt einstweilen die Gesdiäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Vorstandes bestehen, da dieser erst durch die Abwickler verdrängt wird. Anm. 8: Die Abwickler unterliegen der Überwachung durch den Aufsichtsrat, dieser behält im Abwicklungsstadium die gleichen Funktionen wie bisher. Auch § 111 ist anwendbar. Anm. 9: Das gesetzliche Wettbewerbsverbot für Vorstandsmitglieder des § 88 gilt für Abwickler nicht, auch nicht, wenn sie vorher Vorstandsmitglieder waren. Es kann jedoch vertraglich ein solches Verbot vereinbart werden (vgl. § 8 8 Anm. 1). V. Angabe auf Geschäftsbriefen Anm. 10: Die Vorschrift hinsichtlich der Angaben auf Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind, entspricht dem § 80 wörtlich, mit dem Unterschied, daß nach § 80 noch der Vorsitzende des Vorstandes zu 1480

Vertretung durch die Abwickler

§§268/269

Anm. 1 0 / 1

bezeichnen ist. Ein dieser Stellung entsprechendes Amt gibt es bei den Abwicklern nicht, so daß eine dementsprechende Regelung entfallen konnte, vgl. im einzelnen die Erläuterungen zu § 80. Zusätzlich muß hier die Tatsache angegeben werden, daß sich die Gesellschaft in Abwicklung befindet.

§ 269 Vertretung durch die Abwickler (1) Die Abwickler vertreten die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. (2) Sind mehrere Abwickler bestellt, so sind, wenn die Satzung oder die sonst zuständige Stelle nichts anderes bestimmt, sämtliche Abwickler nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Abwickler. (3) Die Satzung oder die sonst zuständige Stelle kann auch bestimmen, daß einzelne Abwickler allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Dasselbe kann der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung oder ein Beschluß der Hauptversammlung ihn hierzu ermäditigt hat. Absatz 2 Satz 2 gilt in diesen Fällen sinngemäß. (4) Zur Gesamtvertretung befugte Abwickler können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Dies gilt sinngemäß, wenn ein einzelner Abwickler in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. (5) Die Vertretungsbefugnis werden.

der Abwickler kann nicht

beschränkt

(6) Abwickler zeidinen für die Gesellschaft, indem sie der Firma einen die Abwicklung andeutenden Zusatz und ihre Namensuntersdirift hinzufügen. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des hisherigen § 210 AktG 37 mit einigen Änderungen. Die Abwickler vertreten die Gesellschaft allgemein und nicht mehr nur „innerhalb ihres Geschäftskreises". Verschiedene Umstellungen und Änderungen ergeben sich daraus, daß die Vorschrift in den Abs. 1 bis 4 dem § 78 völlig angeglichen worden ist (vgl. Erläuterungen zu § 78). Als wesentliche Änderung ergibt sich als Folge der Erweiterung der Vertretungsmacht in Abs. 1 der Wegfall des bisherigen Abs. 5 des § 210 des AktG 37, wonach Prokuristen nicht mehr bestellt werden durften. Nach dem neuen Gesetz bleiben die vor der Auflösung erteilten Prokuren bestehen und können auch neue erteilt werden. 1481

§ 269 Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft Anm. 2—6 Anm. 2: Wie § 268 die Gesdiäftsführungsbefugnis, regelt § 269 die Vertretungsbefugnis und Vertretungsmacht der Abwickler. Abs. 1 entspricht § 78 I, Abs. 2 regelt die Vertretungsmacht mehrerer Abwickler entsprechend § 78 II. Abs. 3 regelt wie § 78 III die Möglichkeit, eine von Abs. 2 abweichende Regelung zu treffen. Abs. 4 entspricht § 78 IV und regelt die Ermächtigung einzelner zur Gesamtvertretung befugte Abwickler. Abs. 5 entspricht § 82 I und bestimmt die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis. Abs. 6 entspricht § 79 hinsichtlich der Zeichnung der Firma. Anm. 3: Die Abwickler sind die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft, genau wie der Vorstand, auch gegenüber den früheren Vorstandsmitgliedern. Gegenüber den Abwicklern wird die Gesellschaft entsprechend §112 vom Aufsichtsrat vertreten (ebenso B.-H. Rn 5). Die Vorschrift entspricht wörtlich dem § 78 I, vgl. daher im einzelnen wegen der Wirksamkeit der einzelnen Geschäfte und der Haftung der Abwickler die Erläuterungen zu § 78. Anm. 4: Die Vorschriften des Abs. 2 über die Vertretungsbefugnis mehrerer Abwickler, die des Abs. 3 über eine von Abs. 2 abweichende Regelung sowie die des Abs. 4 über die Ermächtigung entsprechen den Vorschriften des § 78 II bis IV mit folgendem Unterschied: Während nach § 78 II eine von der gesetzlichen Gesamtvertretung abweichende Regelung nur von der Satzung getroffen werden kann, kann sie hier auch durch Beschluß der Hauptversammlung bzw. des Gerichtes bei der Bestellung oder nachträglich, und zwar von der Satzung abweichend, auch ohne ihre Änderung bestimmt werden; dies gilt nicht nur für das Amtsgericht, wenn es die Abwickler bestellt, sondern auch für die Hauptversammlung. Über Anmeldung und Eintragung siehe § 266 Anm. 2 bis 5. Eine Satzungsbestimmung, betreffend die Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder, ist nicht ohne weiteres auf die Abwickler anzuwenden, siehe im übrigen § 78 Anm. 4 bis 17. Anm. 5: Die Vertretungsbefugnis der Abwickler ist unbeschränkbar, dies entspricht § 82 I und gilt nur für das Außenverhältnis. Der Gesellschaft gegenüber gilt § 82 II, danach kann die Geschäftsführungsbefugnis beschränkt werden. Die Abwickler sind verpflichtet, derartige Beschränkungen einzuhalten. Im Gegensatz zu der gesetzlichen Beschränkung des Geschäftskreises der Abwickler hat eine solche, nicht auf Gesetz beruhende Beschränkung jedoch keine Wirksamkeit nach außen. Anm. 6: Die Abwickler haben bei Zeichnung der Firma die Worte „in Abwicklung" oder ähnlich beizufügen, dies ist eine reine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung auf die Gültigkeit der vorgenommenen Rechtshandlung keinen Einfluß hat. Durch den Zusatz wird die Firma als solche nicht ver1482

Eröffnungsbilanz • Jahresabschluß und Geschäftsbericht

§§ 269/270

Anm.6/1

ändert; wird die Abwicklung aufgehoben oder die Firma als Gesellschaft veräußert, so fällt der Zusatz weg. Über die Zeichnung der Unterschrift der Abwickler vgl. § 266 Abs. 4. § 270 Eröffnungsbilanz. Jahresabschluß und Geschäftsbericht (1) Die Abwickler haben für den Beginn der Abwicklung eine Bilanz (Eröffnungsbilanz) und einen die Eröffnungsbilanz erläuternden Bericht sowie für den Schluß jedes Jahres einen Jahresabschluß und einen Geschäftsbericht aufzustellen. (2) Die Hauptversammlung beschließt über die Feststellung der Eröffnungsbilanz, des Jahresabschlusses und über die Entlastung der Abwickler und der Mitglieder des Aufsichtsrats. Für die Eröffnungsbilanz, den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht gelten sinngemäß §§ 148, 149, 151, 152, 160, 161, 171, 175, 176 Abs. 1, §§ 177 und 178. (3) Die §§ 153 bis 158, 162 bis 169 über die Gliederung der Gewinnund Verlustrechnung, über die Wertansätze in der Jahresbilanz und über die Prüfung des Jahresabschlusses gelten nicht. Das Gericht kann jedoch aus wichtigem Grund eine Prüfung der Eröffnungsbilanz oder des Jahresabschlusses anordnen; gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. In diesem Fall gelten die §§ 162 bis 169, 171 Abs. 1 Satz 2, § 176 Abs. 2 über die Prüfung des Jahresabschlusses sinngemäß. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Eröffnungsbilanz (Anm. 3) I I I . Jahresabschlüsse (Anm. 4) IV. Geschäftsjahr (Anm. 5)

V. Feststellung der Eröffnungsbilanz und der Jahresabschlüsse (Anm. 6) V I . Gliederungs- und Bewertungsvorschriften (Anm. 7) V I I . Abschlußprüfung (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 211 I bis I I I , V mit einigen Änderungen. § 211 V AktG 37, wonach die Vorschrift für den Jahresabschluß auch für die Eröffnungsbilanz gilt, ist in Abs. 1 bis 3 eingearbeitet, so daß er als solcher entfallen konnte. Abs. 4 des § 2 1 1 AktG 37 war entbehrlich, da die Tatsache, daß der Jahresabschluß den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung zu entsprechen hat, in § 149 geregelt ist, auf den in Abs. 2 S. 2 verwiesen ist. Neu geregelt ist die Verpflichtung, einen die Eröffnungsbilanz erläuternden Bericht aufzustellen (Abs. 1). Häufig sind einzelne Bilanzposten in der Eröffnungsbilanz neu zu bewerten, so daß diese Bilanz nur mit einem derartigen Bericht verständlich wird. Es ist selbstverständlich, daß das bisherige Geschäftsjahr beibehalten 1483

§ 270 Anm. 1—3

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

werden kann. Daß im neuen Gesetz dies nicht ausdrücklich normiert ist, ändert also nichts am bisher geltenden Recht (vgl. die amtliche Begründung). Eine weitere Änderung besteht darin, daß die Eröffnungsbilanz und die späteren Jahresbilanzen nach den Grundsätzen der §§151, 152 aufzustellen sind, während bisher § 131 AktG 37 nicht anzuwenden war. Damit soll ein Vergleich mit vor der Auflösung erstellten Bilanzen ermöglicht werden. Anm. 2: Die Abwickler haben eine Eröffnungsbilanz, einen diese erläuternden Bericht und späterhin Jahresabschlüsse aufzustellen, dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung vorzulegen und nach Feststellung durch diese bekanntzumachen. Die Bilanzen dienen jedoch nicht der Gewinnermittlung, vielmehr sind sie reine Vermögensbilanzen. Die Gewinn- und Verlustrechnung bezweckt nicht einen verteilbaren Gewinn, sondern die Vermehrung oder Verminderung des verteilbaren Vermögens während der Abwicklung zu zeigen. Auf die Bilanzen finden deshalb auch die Vorschriften über Wertansätze und Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung keine Anwendung (Abs. 3). Audi eine Pflichtprüfung gibt es im Abwicklungsstadium nicht (das gilt aber nicht im Falle der stillen Abwicklung, vgl. KG in Das Recht 1936, Nr. 5391). Nur in besonderen Fällen kann das Gericht eine Prüfung anordnen. Die Jahresabschlüsse im Abwicklungsstadium werden nicht durch die Abwickler unter Billigung des Aufsichtsrats festgestellt, sondern durch die Hauptversammlung. Nach § 407 I können die Abwickler zur Erfüllung der ihnen nach Abs. 1 obliegenden Verpflichtungen vom Registergericht durch Ordnungsstrafe angehalten werden. Mangel an Mitteln befreit den Abwickler von der ihm im öffentlichen Interesse auferlegten Pflicht zur Aufstellung der Eröffnungsbilanz und der Jahresabschlüsse nicht, vielmehr muß er, wenn Mittel fehlen, die Kosten selbst tragen (KGJ 30 A 127). II. Eröffnungsbilanz Anm. 3: Die Abwickler haben für (nicht zu) den Beginn der Abwicklung unter Errichtung einer Inventur eine Eröffnungsbilanz sowie eine diese erläuternden Bericht aufzustellen. Maßgebend ist mithin der Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft, also entweder der durch die Satzung bestimmte Tag oder der, an dem der Gesellschafterbeschluß gefaßt (nicht eingetragen, wenn nicht die Auflösung eine Satzungsänderung einschließt) wurde oder der in diesem Beschluß als Anfangstag der Auflösung bestimmt oder an dem der Beschluß über die Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens oder Vergleichsverfahrens oder die Verfügung des Gerichts hinsichtlich der Feststellung eines Mangels der Satzung rechtskräftig wurde. Darauf, wann die Abwickler bestellt werden und wann sie ihr Amt antreten, kommt es nicht 1484

Eröffnungsbilanz • Jahresabschluß und Geschäftsbericht

§ 270 Anm. 3

an; auch wenn sie wesentlich später bestellt werden, müssen sie die Eröffnungsbilanz für diesen Zeitpunkt aufstellen. Diese ist stets notwendig, auch wenn seit der letzten Jahresbilanz das Vermögen sich nicht geändert hat ( R G S t r 45, 238). Über sie muß von der Hauptversammlung Beschluß gefaßt werden (Abs. 2), und zwar innerhalb der ersten acht Monate ( § 1 7 5 I S. 2). Die Bilanz ist vom Abwickler innerhalb der ersten 3 Monate aufzustellen und dem Aufsichtsrat vorzulegen (§ 148). Über die Fristen s. Anm. 6. Eine Schlußbilanz für den bis zum Auflösungstag abgelaufenen Teil des letzten Geschäftsjahres ist nicht erforderlich (bestritten; wie hier Schl.-Qu. § 211 Anm. 3; a. A. Barz in Großkomm. § 211 A k t G 37 Anm. 1; BaumbachHueck Rn. 3) und hat, da eine Gewinnausschüttung an Aktionäre mit Rücksicht auf §§ 271, 272 (s. dort) für dieses Rumpfgeschäftsjahr nicht mehr stattfindet (ebenso B . - H . Rn. 3; abw. Barz in Großkomm. § 211 A k t G 37 Anm. 1), regelmäßig nur Zweck, wenn Gewinnansprüche außenstehender Dritter oder Angestellter (nicht Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder), die nicht etwa auf die Vorstandstantieme abgestellt sind, festzustellen sind. Ist ausnahmsweise für das Rumpfgeschäftsjahr die Feststellung eines Abschlusses erforderlich, so ist er entweder von den Abwicklern (an Stelle des Vorstandes) mit Billigung des Aufsichtsrates (a. A. Barz in Großkomm. § 2 1 1 A k t G 37 Anm. 1) oder von der Hauptversammlung (gemeinsam mit der Eröffnungsbilanz) festzustellen und vor der Feststellung durch Abschlußprüfer zu prüfen. Dasselbe gilt, wenn Jahresabschlüsse rückständig sind. Auf diese Abschlüsse für Zeiträume, die vor der Auflösung liegen, sind die §§ 148 bis 178 anzuwenden. Fraglich ist, ob Abwickler und Aufsichtsrat, wenn sie diese Abschlüsse feststellen, noch Rücklagen in der Bilanz stellen können oder den ganzen nach Abschreibungen und Rückstellungen verbleibenden Gewinn als solchen ausweisen müssen. Die Frage ist wohl im letzteren Sinn zu beantworten, aber nicht bedeutsam von dem hier vertretenen Standpunkt aus, daß die Hauptversammlung doch keine Gewinnausschüttung mehr beschließen kann. Auch der Geschäftsbericht für das bei Beginn der Abwicklung abgelaufene Geschäftsjahr ist in diesem Falle von dem Abwickler zu erstatten. Eine bei Abwicklungsbeginn noch nicht beschlossene Gewinnverteilung kann für dieses, obwohl vollendete, Geschäftsjahr nicht mehr beschlossen werden (bestritten, s. oben). Die Eröffnungsbilanz unterliegt nicht der Bilanzprüfung. Es fehlt nicht nur, wie selbstverständlich, die Gewinn- und Verlustrechnung, da sie ja eine Ausgangsbilanz ist, sondern auch der Bericht des Aufsichtsrats. Sie kann daher auch nicht etwa als Unterlage für einen auf das Rumpfgeschäftsjahr bezüglichen Entlastungsbeschluß dienen. Die Eröffnungsbilanz ist der Ausgangspunkt, den die künftige Rechnungslegung des Abwicklers zu nehmen hat. Sie ist dazu bestimmt, das bei Beginn der Abwicklung vorhandene Reinvermögen auszuweisen. Entgegen dem bisherigen Recht sind nunmehr die Vorschriften 1485

§ 270

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Anm. 3—5 über die Gliederung der Jahresbilanz (§§ 151, 152) für die Eröffnungsbilanz anzuwenden; damit soll (s. Anm. 1) diese mit früheren Bilanzen vergleichbar werden; -das hindert natürlich nicht, daß verschiedene Posten sich verschieben oder entfallen (s. § 151 II). Da das Vermögen in Zukunft gerade ausgeschüttet werden soll, demnach das Grundkapital nicht mehr von der Ausschüttung ausgeschlossen ist, ist dies auch nicht mehr unter die Passiven der Bilanz einzustellen. Ebensowenig ist das noch bzgl. der Rücklagen der Fall. Der Saldo der Aktiv- und Passivseite ist das Reinvermögen. Dieser Saldo ist auf die Passivseite als „Bilanzausgleich" einzustellen. IQ. Jahresabschlüsse Anm. 4: Die Abwickler haben ferner für den Schluß jedes Jahres (s. Anm. 5) einen auf der Eröffnungsbilanz gemäß dem Grundsatz der Bilanzkontinuität aufbauenden Jahresabschluß und einen Geschäftsbericht aufzustellen. Das Gesetz stellt damit ausdrücklich fest, daß nicht nur eine Jahresbilanz, sondern auch eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen ist. Zwar darf kein Gewinn mehr verteilt werden, jedoch soll durch die Gewinn- und Verlustrechnung erkenntlich gemacht werden, welche Mehreinnahmen in der Abwicklung erzielt bzw. welche Ausfälle entstanden sind. Gewinn und Verlust können aus der Abwicklung herrühren oder aus dem Betrieb, soweit dieser während der Abwicklung fortgesetzt wird. Gewinn oder Verlust der eigentlichen Abwicklung besteht in dem Unterschied zwischen dem Erlös und den Wertansätzen, mit denen die Bestandskonten bei Beginn der Abwicklung belastet worden sind, und in deren Höhe sie in der Eröffnungsbilanz erschienen sind. Dieser auf den Bestandskonten bei der Bilanz, sei es auf der Habenseite (Gewinn), sei es auf der Sollseite (Verlust), stehende Mehrbetrag ist auf diesen Konten durch Einstellung des Saldos auf der Gegenseite und über Gewinn- und Verlustrechnung auszugleichen. Das so ausgewiesene Ergebnis, vermehrt oder vermindert um Betriebsverlust oder -gewinn, stellt die Bilanz der Aufwendungen und Erträge während des Abwicklungsjahres dar. Auch ein Geschäftsbericht ist vorzulegen, für ihn gilt §160.

IV. Geschäftsjahr Anm. 5: Als Abwicklungsjahr kann das bisherige Geschäftsjahr beibehalten werden. Dies war bisher ausdrücklich im Gesetz bestimmt. Das neue Gesetz sagt hierüber nichts mehr (s. Anm. 1). Da jedoch gemäß § 264 II alle Vorschriften über die werbende Gesellschaft für die in Abwicklung befindliche Gesellschaft gelten und sich aus den Vorschriften §§ 265 bis 274 nichts Gegenteiliges ergibt, kann auch, ohne daß es im Gesetz besonders gesagt wird, das Geschäftsjahr beibehalten werden. Ein besonderer Beschluß ist hierfür 1486

Eröffnungsbilanz • Jahresabschluß und Geschäftsbericht

§ 270

Anm. 5} 6

nicht erforderlich (B.-H. Rn4; abw. die Voraufl.). Da die Auflösung nur selten mit dem Abschluß eines Geschäftsjahres zusammenfällt, ist meist das erste Abwicklungsjahr kein volles Jahr. Unzulässig ist es, das erste Teil•geschäftsjahr zum folgenden zu schlagen, weil auch für die Abwicklung gilt, daß der Jahresabschluß nicht mehr als ein Geschäftsjahr umfassen darf ($ 264 II). V. Feststellung der Eröffnungsbilanz und der Jahresabschlüsse Anm. 6: Die Feststellung der Eröffnungsbilanz wie des Jahresabschlusses obliegt ausschließlich der Hauptversammlung, nicht den Abwicklern unter Billigung des Aufsichtsrates. Die Abwickler haben in den ersten drei Monaten der Abwicklung bzw. des Geschäftsjahres die Eröffnungsbilanz bzw. den Jahresabschluß aufzustellen (§ 148). Nach § 148 ist er nach dieser Frist den Abschlußprüfern vorzulegen. Eine Prüfung der Eröffnungsbilanz oder des Jahresabschlusses findet in der Abwicklung jedoch nicht statt (§ 270 III). Wir sind daher der Ansicht, daß für die Abwicklung in § 148 an Stelle der Abschlußprüfer der Aufsichtsrat zu lesen ist, so daß diesem die Bilanz und der Geschäftsbericht innerhalb der ersten drei Monate nach der Auflösung bzw. des neuen Geschäftsjahres vorzulegen ist. Für den Inhalt des Jahresabschlusses gilt § 149, für die Gliederung der Jahresbilanz die §§ 151, 152 — im Gegensatz zum bisherigen Recht — und § 161; für den Inhalt des Geschäftsberichtes gilt § 160. Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluß zu prüfen (§ 171); die Abwickler haben die Hauptversammlung in den ersten acht Monaten nach der Auflösung bzw. des nächsten Geschäftsjahres einzuberufen (§ 175), wobei die Vorschriften der §§ 121 bis 124 beachtet werden müssen; schließlich muß der Abwickler zu Beginn der Hauptversammlung seine Vorlagen vorlegen und sie erläutern (§ 176 I). Der Aufsichtsrat hat ebenfalls einen Bericht über seine Prüfung zu erstatten (§ 171 II) und diesen in der Hauptversammlung zu erläutern (§ 176 I). Unverzüglich nach der Hauptversammlung hat der Abwickler den festgestellten Jahresabschluß, den Geschäftsbericht und den Bericht des Aufsichtsrates zur Eintragung dem Handelsregister einzureichen, den Jahresabschluß bekanntzumachen und auch die Bekanntmachung dem Handelsregister einzureichen (§ 177 mit Ausnahme der dortigen Bestimmungen hinsichtlich der Abschlußprüfer). Im einzelnen vgl. die Anm. zu den in Abs. 2 angeführten Gesetzesstellen. Bei Gesellschaften in der Abwicklung ist es zuweilen nicht möglich, einen Hauptversammlungsbeschluß zustande zu bringen, weil sidi die Aktionäre nicht mehr für die Gesellschaft interessieren und nicht erscheinen. Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht München (in HRR 41, Nr. 639) halten übereinstimmend die Abwickler für verpflichtet, sich um das Zustandekommen der Hauptversammlung zu bemühen, evtl. durch Antrag auf 1487

§ 270 Anm. 6,7

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Bestellung eines Abwesenheitspflegers für Aktionäre unbekannten Aufenthalts (unhaltbar). VI. Gliederungs- und Bewertungsvorsdiriften Anm. 7: Die ordentlichen Jahresbilanzen sind Gewinnermittlungsbilanzen, sie sollen den verteilungsfähigen Bilanzgewinn ermitteln. D a die Gesellschaft weiterbestehen bleiben soll, ist dabei zu verhüten, daß mehr als der erzielte Gewinn ausgeschüttet und daß der Vermögensbestand angegriffen wird. Dem vorzubeugen dienen der Ansatz des Anlagevermögens zum Anschaffungswert als Höchstansatz und des Umlaufvermögens zum Niederstwert, sowie der Grundsatz, daß nicht verwirklichte Gewinne nicht, wohl aber nicht verwirklichte Verluste zu berücksichtigen sind. Bei der Abwicklung soll dagegen gerade der Vermögensbestand ausgeschüttet werden; demnach entbehren hier die Vorschriften der Berechtigung, welche seiner Erhaltung dienen; deshalb gelten sie nicht. Dagegen gelten — anders als bisher — die Gliederungsvorschriften des § 1 5 1 , 152; sie dienen nicht zum Schutze des Grundvermögens, sondern in erster Linie der Übersichtlichkeit. Die nach der Auflösung erstellten Bilanzen sollen mit früheren Bilanzen vergleichbar sein. An die Stelle derBewertungsvorschriftender§§ 153 ff. tritt nach § 264 I I I § 1 4 9 I I die Vorschrift des § 40 H G B , die hier dahin zu verstehen ist, daß Forderungen zu ihrem Nennwert, zweifelhafte zu ihrem wahrscheinlichen Wert, uneinbringliche überhaupt nicht, die übrigen Vermögensgegenstände aber alle zu ihrem nach sorgfältiger kaufmännischer Überlegung zu schätzenden Verkaufswert einzusetzen sind. Der Wiederbeschaffungswert scheidet aus, weil eine Wiederbeschaffung nicht in Betracht kommt, vielmehr die Veräußerung ins Auge zu fassen ist. Er kommt nur mittelbar in Frage, wenn die Veräußerung des Unternehmens als Ganzes angestrebt wird und möglich erscheint, dann kann der Wiederbeschaffungswert, den die Gegenstände für den Erwerber haben können, in Betracht gezogen werden, wenn wahrscheinlich ist, daß dieser einen entsprechenden Preis bezahlt. Dasselbe gilt in anderer Beziehung: die Gegenstände des Anlagevermögens können nur unter dieser Voraussetzung nach dem Wert angesetzt werden, den sie für ein in Betrieb befindliches Unternehmen haben. Anderenfalls kann nur der Einzelverkaufspreis für gebrauchte Gegenstände in Frage kommen, wobei noch dazu der mehr oder weniger dringliche Zwang zum Verkauf und dessen preismindernde Wirkung gleichfalls zu berücksichtigen ist. Letzteres trifft auch für die Gegenstände des Umlaufvermögens zu. Umstände, welche namentlich bei dem Verkauf des Geschäftes im ganzen die Hoffnung begründen, einen Überpreis zu erzielen (der Fassonwert, wenn ein solcher bei einer aufgelösten Gesellschaft überhaupt noch in Betracht kommen kann oder etwa ein langjähri1488

Eröffnungsbilanz • Jahresabschluß und Geschäftsbericht

§ 270

Anm. 7,8

ger Mietvertrag über ein Grundstück in besonders verkehrsgünstiger Lage), können in der Eröffnungsbilanz ebensowenig bewertet werden, wie dies bei der ordentlichen Jahresbilanz möglich war. Konten für die Betriebseinrichtung (§ 153 IV) müssen in der Eröffnungsbilanz abgesetzt werden. Daß die für die ordentlichen Bilanzen geltenden Bewertungsvorschriften hier nicht gelten, heißt aber nicht, daß es unzulässig sei, sie zu befolgen, und daß Eröffnungsinventur und -bilanz unter allen Umständen von einer Neubewertung ausgehen müssen. Zu hohe Werte der früheren Bilanzen können natürlich nicht beibehalten werden, doch steht nichts im Wege, statt die Wertansätze zu verändern, Wertberichtigungskonten einzustellen, wie auch vorhandene Wertberichtigungkonten an Stelle der Herabsetzung der Wertansätze beibehalten werden können. Eine Neubewertung zwecks Einführung höherer Wertansätze ist zwar, wenn diese sich rechtfertigen lassen, gestattet, aber keineswegs geboten. Während der Abwicklung spielt die Bewertung nur eine Rolle für die leicht festzustellende Frage, ob eine Überschuldung vorliegt. Ist dies nicht der Fall, so ist sie von geringerer Bedeutung, da es sich nicht darum handelt, Vermögen zu erhalten und bei einer vorzunehmenden Gewinnverwendung vor Schmälerung zu schützen, und es schließlich nur auf das endgültige und wirklich künftige, nicht aber auf das vermutete (erhoffte oder befürchtete) Ergebnis ankommt. Wie die Bewertungsvorschriften, dient auch die für ordentliche Bilanzen geltende Vorschrift, daß das Grundkapital und die gesetzliche Rücklage, wie Rücklagen überhaupt, in der Passivseite aufzuführen seien, lediglich der Erhaltung des diesen Ziffern entsprechenden Aktivvermögens. Sie kommt also hier nicht in Betracht, weil ja gerade das Vermögen verteilt werden soll. Grundkapital und sämtliche Rücklagen sind daher aufzulösen (s. Anm. 3), das gilt aber nur von wirklichen Rücklagen. Wertberichtigungskonten können, wie schon gesagt, beibehalten werden, wenn nicht die Aktivwertansätze geändert werden; ebenso sind Rückstellungen für ungewisse Schulden, befürchtete Verluste aus schwebenden Verträgen usw. beizubehalten. Beizubehalten ist ferner unter den Passiven ein etwa für Genußscheine angelegtes Kapitalkonto, wenn diese ausnahmsweise mit Einlagen belegt waren, welche bei der Auflösung zurückzugewähren sind und deshalb gebundenes Vermögen waren.

VII. Abschlußprüfung Anm. 8: Eine Abschlußprüfung ist nicht vorgeschrieben, weder für die Eröffnungsbilanz noch für die Jahresabschlüsse, um die Gesellschaft von Kosten zu entlasten, die meist außer Verhältnis zu dem Erfolg einer solchen Prüfung stehen würden. Nur in besonderen Fällen kann das Registergericht anordnen, 1489

§ § 2 7 0 / 271

Anm. 8

Auflösung und NiAtigerklärung der Gesellschaft

daß eine Prüfung zu erfolgen hat. Der Gesetzgeber denkt dabei vor allem an solche Gesellschaften, die bereits kurz nach der Gründung ihre Auflösung beschließen, so z . B . Grundstücks- und Siedlungsgesellschaften; jedoch enthält die gesetzliche Bestimmung keine Beschränkung. Voraussetzung ist, daß ein wichtiger Grund für die Anordnung vorliegt. Ein solcher kann bestehen, wenn Bedenken gegen die Richtigkeit des Jahresabschlusses vorgetragen werden. In diesem Fall hätte die Anordnung aber (etwa auf Anregung des Aufsichtsrates oder nach Auslegung auf Anregung eines Aktionärs) vor der Feststellung durch die Hauptversammlung zu geschehen, die ggf. abgesagt werden oder ohne Beschlußfassung über diesen Punkt auseinandergehen müßte. Ordnet das Gericht eine Abschlußprüfung an, so hat diese stattzufinden. Auf sie sind die Bestimmungen über die Abschlußprüfung sinngemäß anzuwenden. Es sind also Abschlußprüfer zu wählen oder auf Antrag durch das Gericht zu bestellen, wofür die Voraussetzungen (§ 163 I I I ) wohl regelmäßig vorliegen werden, insbesondere ist der Abschluß ohne die angeordente Prüfung nichtig, doch hat die Nichtigkeit keine andere Bedeutung, als daß die Prüfung nachgeholt und die Feststellung wiederholt werden muß. Der Bestätigungsvermerk kann entsprechend den Bestimmungen des § 167 erteilt werden, wenn auch der Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen, auf die im Bestätigungsvermerk Bezug genommen wird, bei der Abwicklung grundsätzlich ein anderer ist.

§ 271 Verteilung des Vermögens (1) Das nadi der Berichtigung der Verbindlichkeiten verbleibende Vermögen der Gesellschaft wird unter die Aktionäre verteilt. (2) Das Vermögen ist nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge zu verteilen, wenn nicht Aktien mit verschiedenen Rechten bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens vorhanden sind. (3) Sind die Einlagen auf das Grundkapital nidit auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet, so werden die geleisteten Einlagen erstattet und ein Überschuß nadi dem Verhältnis der Aktiennennbeträge verteilt. Reicht das Vermögen zur Erstattung der Einlagen nicht aus, so haben die Aktionäre den Verlust nadi dem Verhältnis der Aktiennennbeträge zu tragen; die noch ausstehenden Einlagen sind, soweit nötig, einzuziehen. I. Obersicht (Anm. 1) II. Art der Verteilung (Anm. 2 — 4 ) III. Verjährung (Anm. 5)

1490

IV. Verstoß (Anm. 6) V. Aktienurkunde (Anm. 7)

Verteilung des Vermögens

§271 Anm.1,2

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 2 1 2 AktG 37 mit einigen sprachlichen Änderungen. §§ 271 und 272 regeln die Verteilung des Vermögens, und zwar bestimmt § 271, daß das Vermögen unter die Aktionäre zu verteilen ist, was § 272 in Verbindung mit § 271 I nur gestattet, wenn die Gläubiger befriedigt (§ 2711) oder sichergestellt sind (§ 272 II und I I I ) und das Sperrjahr (§ 272 I) abgelaufen ist. Darüber, wie die Verteilung praktisch durchzuführen ist, sagt das Gesetz nichts. Eine Aufforderung an die Aktionäre, sich zu melden, wird nicht vorgeschrieben. Satzung oder Hauptversammlungsbeschluß können sie vorschreiben, unter Umständen werden audi Treu und Glauben im Geschäftsverkehr sie erfordern. Für Aktionäre, die sich nicht melden oder deren Aufenthalt unbekannt ist, kann der Betrag gemäß §§ 372 ff. BGB hinterlegt werden. Der Abwickler kann zwar bei Vermögensauszahlung an die Aktionäre Quittung und Vorlage der Aktie auch zwecks Vermerks der vorgenommenen Zahlung, nicht aber Aushändigung der Aktie verlangen (s. Anm. 7). II. Art der Verteilung Anm. 2: Haben die Abwickler nach § 268 die laufenden Geschäfte beendet, das Vermögen in Geld umgesetzt und die Gläubiger befriedigt, ist das dann noch verbleibende Vermögen der Gesellschaft ohne weiteres, das heißt, ohne daß die Hauptversammlung es zu beschließen hätte, unter die Aktionäre zu verteilen. Auf die Aktionäre entfällt der gesamte Vermögensüberschuß, auch soweit das Vermögen bisher durch entsprechende Rücklagen für gewisse Zwecke gebunden war. Die Verteilung darf nach § 272 I jedoch erst nach Ablauf des Sperrjahres geschehen, das mit der Bekanntmachung der Aufforderung an die Gläubiger, gemäß § 267 ihre Ansprüche anzumelden, zu laufen beginnt. Die Aktionäre haben sich durch die Aktien zu legitimieren. Zu den zu tilgenden Schulden gehören zwar auch Ansprüche der Aktionäre auf Auszahlung von Gewinnanteilen, deren Ausschüttung bei der Auflösung schon beschlossen war. Im übrigen aber ergeben die §§ 271, 272, daß das gesamte bei der Auflösung vorhandene Vermögen nur nadi Maßgabe der §§ 271, 272 nach Befriedigung der Gläubiger und nach Ablauf des Sperrjahres und nur durch Kapitalausschüttung zu verteilen ist; demnach ist eine Gewinnausschüttung nicht mehr zulässig, auch nicht, wenn der Gewinn aus der Zeit vor der Auflösung stammt, es sei denn, daß seine Ausschüttung im Zeitpunkt der Auflösung schon beschlossen war. Die Bestimmung ist nicht im vollen Umfange zwingend (vgl. § 264 Anm. 2 und § 268 Anm. 2). Zwingend ist die Vorschrift, daß vor jeder Ausschüttung erst die Gläubiger befriedigt werden müssen, nicht zwingend, daß 1491

§ 271

Anm. 2,3

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

das Reinvermögen unter die Aktionäre zu verteilen ist. Es kann die Satzung bestimmen, daß es an einen Dritten (z. B. ein wohltätiges Unternehmen) fällt. Nach herrschender Meinung müssen derartige Bestimmungen, die einen Rechtsanspruch des Aktionärs auf einen Anteil am Vermögensüberschuß ausschließen, sdion vor Ausgabe der Aktien getroffen sein — siehe hingegen § 264 Anm. 2 — und kann ohne Zustimmung des Betroffenen nicht durch Satzungsänderung eingeführt werden. Jedoch wird anerkannt, daß Bestimmungen über Vorrang von Vorzugsaktien, Beteiligung von Genußscheininhabern oder Inhabern von Schuldverschreibungen am Überschuß über das Grundkapital, ja am Vermögensüberschuß überhaupt auch nachträglich durch Satzungsänderung eingeführt werden können, dgl. Bestimmungen, die den Anspruch der Aktionäre nur modifizieren. Sieht die Satzung vor, daß das Vermögen einem Dritten zufallen soll, so kann dies durch Satzungsänderung geändert werden, eine vertragliche Bindung zugunsten des Dritten (etwa nach §§ 328 ff. BGB) liegt darin nicht, ist vielmehr nicht möglich (RG 169, 165). Abdingbar ist auch die Bestimmung über die Art der Verteilung des Vermögens, also, ob das Vermögen zu versilbern und in Geld oder in natura zu verteilen ist. Ist hierüber in der Satzung nichts Besonderes bestimmt, so ist es in Geld zu verteilen, doch kann sowohl durch Satzungsänderung als auch während der Abwicklung durdi Mehrheitsbeschluß (RG 124, 300) eine abweichende Art der Verteilung wirksam beschlossen werdein. Der Sacheinleger hat selbst dann keinen Anspruch auf die Sacheinlage, wenn sie sich noch im Reinvermögen vorfindet und er eine ausreichende Zahl von Aktien besitzt, auch er hat nur einen Geldanspruch. Die Satzung kann nichts Abweichendes bestimmen, weil damit der Gesellschaft die freie Verfügung über die Sacheinlage genommen wäre. Aber er kann nicht nur selbstverständlich käuflich die Einlage aus der Abwicklungsmasse erwerben, sondern es kann auch während der Abwicklung mit gewöhnlicher Mehrheit beschlossen werden, daß ihm die Sacheinlage an Stelle der Barausschüttung überlassen werden solle, sofern darin keine Begünstigung liegt; er ist nicht gehindert mitzustimmen. Anm. 3: Das vorhandene Vermögen ist an die Aktionäre gleichmäßig, d. h. nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge zu verteilen. Maßgebend ist das Verhältnis des Nennbetrages der einzelnen Aktien zur Summe aller Aktien, wobei die im Besitz der Gesellschaft selbst befindlichen Aktien nicht mitgerechnet werden (§ 71 VI). Es kommt lediglich auf die Nennbeträge an. Ein bei der Einlage entrichtetes Aufgeld bleibt also unberücksichtigt. Teilnahmeberechtigt können auch Genußscheininhaber sein, sei es am Vermögensüberschuß überhaupt, sei es an dem den Nennbetrag des Grundkapitals übersteigenden Rest; nicht einmal letzteres folgt aus dem Recht zur Teilnahme am Gewinn. 1492

Verteilung des Vermögens

§271

Anm. 3—6

Auch die Gleichmäßigkeit der Verteilung ist nicht unabdingbar (s. Anm. 2). Verschiedenheiten beim Dividendenbezug gelten aber nicht ohne weiteres für den Anteil am Vermögensüberschuß (RG 33, 17), deshalb kann es bedeutsam sein, daß das gesamte Vermögen als Kapitalausschüttung zu verteilen ist (s. Anm. 2). Anm. 4: Wenn die Einlagen nicht auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet sind, sind grundsätzlich zunächst die auf das Grundkapital (nicht auf das Aufgeld) geleisteten Einlagen zurückzuzahlen. Ein etwaiger Überschuß wird nach Abs. 2 unter die Aktionäre verteilt. Ist kein Überschuß vorhanden, sondern reicht das Vermögen nicht zur Zurückerstattung der Einlagen aus, so müssen die Aktionäre den Verlust nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge (nicht etwa der Einlagen) tragen (Beispiel: Grundkapital 2 Millionen, 1000 Aktien Serie A sind vollbezahlt, 1000 Aktien Serie B mit 50 «/o, Schlußvermögen 300 000,— DM, demnach Verlust 1 200 000,— DM; sonach 60 °/o der Nennbeträge; die B-Aktionäre haben 1 0 % zuzuzahlen, damit die A-Aktionäre 40 °/o ihrer Einlagen zurückerhalten und jede Kategorie gleichmäßig 60 °/o verloren hat. III. Verjährung Anm. 5: Der Anspruch der Auszahlung der Abwicklungsrate verjährt in 30 Jahren (§ 195 BGB). Eine Abkürzung der Verjährung durch Satzungsänderung ist zulässig, dagegen die Einführung einer Ausschlußfrist ohne Zustimmung aller Aktionäre nur, wenn sie so lange (RG 7, 32: 5 Jahre) bemessen ist, daß praktisch das Recht des einzelnen Aktionärs auf den Abwicklungsanteil nicht beeinträchtigt wird (KG in JW 37, 2979). Unanwendbar ist § 801 BGB (a. A. B.-H. Rn. 2). IV. Verstoß Anm. 6: Wird eine unrichtige Verteilung vorgenommen, so kann der geschädigte Aktionär gegen die Gesellschaft auf Zahlung des ihm zukommenden Betrages klagen (RG 59, 58). Der Anspruch stammt aus der Aktie, ist also gesellschaftlicher Natur und löst sich von der Aktie ab, wenn die Gesellschaft aufgelöst und Gewinn in dem zur Verteilung (in der gesetzlichen, satzungsmäßigen oder beschlossenen Weise) geeigneten Zustand vorhanden ist. Er kann erst erfüllt werden, wenn das Sperrjahr abgelaufen ist. Der Gesellschaft haften die Abwickler und der Aufsichtsrat nach §§ 93, 116. Ein unmittelbarer Anspruch des geschädigten Aktionärs gegen die Gesellschaftsorgane besteht unter der Voraussetzung des § 93 III Nr. 5. Eine Haftung der bevorzugten Aktionäre nach § 62 besteht nach herrschender Ansicht gegenüber der Gesellschaft und evtl. benachteiligten Aktionären (oder Gläubigern), wenn sie eine Ausschüttung entgegen den Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung er1493

§ § 271 / 2 7 2

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Anm. 6 , 7 / 1 halten haben, aber nicht, wenn die Ausschüttung gesetz- und satzungsmäßig, aber trotzdem unrichtig war, z. B., weil nachträglich ein trotz Aufgebots unbekannt gebliebener Gläubiger (etwa infolge Aufwertung RG 124, 213) aufgetaucht ist (s. hierzu § 273 Anm. 8). V. Aktienurkunde Anm. 7: Es ist bestritten, ob gegen Zahlung der Schlußrate Ablieferung der Aktie oder nur Quittung und Vermerk über die geleistete Zahlung auf die Aktie verlangt werden kann (Schl.-Qu. §212 Anm. 11; a. A. Barz in Großkomm. §212 AktG 37 Anm. 6; LG München in WM 58, 1111). Für erstere Meinung ergeben sich aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte, letzteres ist mit der Erwägung zu begründen, daß sich später noch zu verteilendes Vermögen herausstellen kann, und daß der Aktionär der Aktie noch zur Teilnahme an der Hauptversammlung zwecks Genehmigung der Schlußrechnung und Entlastung der Abwickler (§ 273) bedarf. Die Aktie läßt sich für diesen Zweck nicht durch eine Bestätigung ersetzen.

§ 272 Gläubigersdiutz (1) Das Vermögen darf nur verteilt werden, wenn ein Jahr seit dem Tage verstrichen ist, an dem der Aufruf der Gläubiger zum drittenmal bekanntgemacht worden ist. (2) Meldet sidi ein bekannter Gläubiger nidit, so ist der geschuldete Betrag für ihn zu hinterlegen, wenn ein Recht zur Hinterlegung besteht. (3) Kann eine Verbindlichkeit zur Zeit nicht berichtigt werden oder ist sie streitig, so darf das Vermögen nur verteilt werden, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist. I. Obersicht (Anm. 1) II. Sperrjahr (Anm. 2) III. Verstoß (Anm. 3)

IV. Bestand der Forderungen (Anm. 4—6) V. Nach Verteilung auftretende Gläubiger (Anm. 7)

I. Obersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt wörtlich die Bestimmungen des bisherigen § 213 AktG 37 und enthält Gläubigerschutzvorschriften, die bei der Verteilung des Vermögens zu beachten sind. Sie werden ergänzt durch § 267, wonach die Gläubiger aufzufordern sind, ihre Ansprüche anzumelden und durch § 271 I, wonach die Verteilung des Vermögens erst nach Befriedigung der Gläubiger erfolgen darf. Hier wird darüber hinaus ein Sperrjahr be1494

Gläubigerschutz

§272

Anm. 1—3

stimmt, dessen Ablauf vor Beginn der Verteilung und der Ausfolgung des Vermögens an Dritte abgewartet werden muß. Einen Einfluß auf den Bestand einer Forderung hat der fruchtlose Ablauf des Sperrjahres natürlich nicht. Ist die Erfüllung innerhalb dieser Schutzfrist bekanntgewordener Verbindlichkeiten nicht möglich, oder sind sie streitig, so haben die Abwickler die geschuldeten bzw. geforderten Beträge nach § 232 BGB sicherzustellen. Vor Sicherstellung darf das Vermögen nicht verteilt werden. II. Sperrjahr Anm. 2: Nach § 267 sind die Abwickler verpflichtet, unter Hinweis auf die Auflösung der Gesellschaft die Gläubiger aufzufordern, ihre Ansprüche anzumelden. Die Aufforderung ist dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Vom Erscheinen der letzten Bekanntmachung an rechnet das Sperrjahr, innerhalb dessen vom Vermögen nichts verteilt werden darf. Der der letzten Bekanntmachung folgende Tag ist der erste Tag der Frist (vgl. § 187 I BGB), demnach kann audi mit Abschlagszahlungen erst nach Befriedigung aller bekannten Gläubiger und nach Ablauf des Sperrjahres begonnen werden. Bis zu dem angegebenen Zeitpunkt unzulässig ist auch die Ausschüttung an Genußscheininhaber, soweit diese überhaupt am Vermögensüberschuß teilnehmen. Die öffentliche Aufforderung nach § 267 genügt stets, also auch gegenüber bekannten Gläubigern, ist aber audi stets erforderlich, selbst wenn alle Gläubiger bekannt und anderweitig benachrichtigt sind (vgl. Anm. zu § 267, aber audi zu § 361). III. Verstoß Anm. 3: Die Bestimmung ist zwingend. Bei Verstoß haften die Gesellschaftsorgane gemäß §§93, 116, und zwar audi bei leichter Fahrlässigkeit gemäß § 93 I I I Nr. 5. Aktionäre — audi wenn sie gutgläubig waren — haben die empfangene Zahlung nach §§271, 272 und § 62 zurückzugeben und haften in deren Höhe nach letzterer Vorschrift auch den Gläubigern (Näheres s. Anm. 6 zu § 271). Auch andere Personen, die an der Verteilung teilnehmen, wie Genußscheininhaber, sind aufgrund der §§271, 272 zur Rückgabe des Empfangenen verpflichtet. Ob eine Haftung gegenüber den Gläubigern aus § 62 gegen sie abgeleitet werden kann, hängt von der Entstehungsursache des Genußsdieines ab. Die Frage ist zu bejahen, wenn der Genußsdiein aus der Aktie abgespalten oder an die Stelle vernichteter Aktienrechte, dagegen zu verneinen, wenn er an die Stelle einer Forderung getreten ist. Freilich ergibt sich im Grunde das Recht aus dem Genußschein (mangels gesetzlicher Regelung) aus der bei seiner Entstehung getroffenen Vereinbarung, nicht aus dem Entstehungsgrund. Da aber die Vereinbarung regelmäßig im Stiche läßt, bleibt nur übrig, auf die Entstehungsgeschichte zurückzugreifen, um zu ermit1495

§ 272 Anm. 3—7

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

teln, was gewollt und vereinbart ist. Die Frage dieser Haftung ist sehr zweifelhaft und nicht unbestritten. Die Gläubiger können eine entgegen der gesetzlichen Bestimmung begonnene Verteilung durch Klage, Arrest oder einstweilige Verfügung verhindern; nichtsdestoweniger sind die Rechtsakte, durch welche die Verteilung vorgenommen wurde, trotz deren Unzulässigkeit, dinglich (anders schuldrechtlich) voll gültig (RG 92,79), was bei Naturalverteilung erheblich ist. IV. Bestand der Forderungen Anm. 4: Dadurch, daß ein Gläubiger sich nicht meldet, verliert er nicht seinen Anspruch gegen die Gesellschaft. Die Verbindlichkeit ist vielmehr trotzdem zu berichtigen. Ist der bekannte Gläubiger einer unstreitigen, fälligen und unbedingten Forderung in Annahmeverzug, oder kann die Gesellschaft aus einem anderen, in der Person des Gläubigers liegenden Grunde, z. B., weil er oder sein Aufenthalt unbekannt ist oder infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewißheit über die Person der Gläubiger, nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen (§ 372 BGB), so kann der Abwickler gleichwohl verteilen, wenn er gemäß § 372 BGB hinterlegt und ist, wenn er verteilt, zur Hinterlegung verpflichtet. Anm. 5: Letzteres gilt auch, wenn eine Verbindlichkeit streitig oder wenn sie zur Zeit nicht berichtigt werden kann, z. B., weil der Anspruch bedingt oder von einer Gegenleistung abhängig ist. Handelt es sich um einen Fall der Unmöglichkeit der Berichtigung, der unter § 372 BGB fällt, so ist nach Abs. 2 zu hinterlegen. Auch wenn der Abwickler eine erhobene Forderung für offenbar unbegründet hält, handelt er auf eigene Gefahr, wenn er sie unbeachtet läßt. Anm. 6: Für den Gläubiger begründet § 273, anders als § 225, keinen Anspruch auf Sicherheitsleistung. Sein Anspruch geht nur auf Unterlassung der Verteilung (vgl. RG 143, 301). Er kann mithin nicht auf Sicherheitsleistung klagen (RG 72, 21), jedoch erkannte RG 72, 21 den (bedingten) Anspruch auf Sicherheitsleistung (neben dem Unterlassungsanspruch) für den Fall verbotswidriger Verteilung (also neben der Unterlassungsstrafe) an. Natürlich hat ein bekannter Gläubiger einer unstreitigen, unbedingten und fälligen Forderung auch nach Beginn der Verteilung keine Sicherheit, sondern Erfüllung zu verlangen (darum nicht verständlich RG 143, 302). V. Nach Verteilung auftretende Gläubiger Anm. 7: Tritt nach zulässiger Verteilung nachträglich noch ein bis dahin unbekannter Gläubiger einer unbekannten Forderung auf — etwa einer Forderung, die irrtümlich als erloschen betrachtet worden war —, der sich 1496

Schluß der Abwicklung

§§ 272 / 273

Anm.7/1 trotz der veröffentlichten Bekanntmachung nicht gemeldet hatte, so kann seine Klage nicht etwa abgewiesen werden, weil kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist, aber bei der Vollstreckung geht er leer aus. Er hat auch keinen Ersatzanspruch gegen die Gesellschaftsorgane, da diese nicht schuldhaft gehandelt haben. Ist die Abwicklung bereits beendet und die Gesellschaft gelöscht, so kann der Gläubiger seinen Ansprudi auch nicht mehr gegen die Gesellschaft geltend machen, denn diese ist tatsächlich aus dem Rechtsleben verschwunden. Anders ist es dann, wenn die Gesellschaft noch Vermögen besitzt, insbesondere, wenn Rückforderungsansprüche gegen die Aktionäre bestehen, wenn die Verteilung zu Unrecht erfolgte, der Gläubiger etwa bekannt war (RG 124, 214), vgl. § 271 Anm, 6. Natürlich hat weder der zu spät gekommene Gläubiger noch die Gesellschaft selbst irgendeinen Rückforderungsanspruch gegen die befriedigten Gläubiger. Vgl. aber auch § 273 IV.

§ 273 Schluß der Abwicklung (1) Ist die Abwicklung beendet und die Schlußrechnung gelegt, so haben die Abwickler den Schluß der Abwicklung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Gesellschaft ist zu lösdien. (2) Die Büdier und Schriften der Gesellschaft sind an einem vom Gericht bestimmten sicheren Ort zur Aufbewahrung auf zehn Jahre zu hinterlegen. (3) Das Gericht kann den Aktionären und den Gläubigern die Einsicht der Büdier und Schriften gestatten. (4) Stellt sich nachträglich heraus, daß weitere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind, so hat auf Antrag eines Beteiligten das Gericht die bisherigen Abwickler neu zu bestellen oder andere Abwickler zu berufen. § 265 Abs. 4 gilt. (5) Gegen die Entscheidungen nadi den Absätzen 2, 3 und 4 Satz 1 ist die sofortige Beschwerde zulässig. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Ende der Rechtspersönlichkeit (Anm. 3) III. Anmeldung 1. Voraussetzungen (Anm. 4)

2. Inhalt (Anm. 5) IV. Aufbewahrung der Bücher und Schriften (Anm. 6) V Recht auf Einsicht (Anm. 7) VI. Nachtragsabwicklung (Anm. 8 u. 9)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit sprachlichen Änderungen in Abs. 1 die Bestimmungen des bisherigen § 214 AktG 37. Neu hinzugekommen ist Abs. 5, ohne daß dadurch das bisher geltende Recht geändert worden wäre, 1497

§ 273 Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft Anm. 1—3 denn Abs. 5 enthält nichts anderes, als was sich bereits aus dem § 146 II FGG in Verbindung mit § 145 FGG ergibt. Anm. 2: Die Auflösung bedeutet nicht das Ende der Gesellschaft (s. § 262), sondern den Beginn ihrer Selbstzerstörung. Sie führt zur Abwicklung ihres Vermögens und ihres Geschäfts. Ist die Abwicklung beendet, so ist der Schluß der Abwicklung zum Handelsregister anzumelden und in dieses einzutragen (Abs. 1). Es hat keine Bedeutung, ist vielmehr ein tatsächlicher — oft nur scheinbarer — Zustand, der den Abwickler bestimmt, seine Tätigkeit als beendet anzusehen und von dem die Eintragung in das Handelsregister Kunde gibt. Man könnte sagen, es sei das Aufhören der Abwicklungstätigkeit, weil es (zunächst) nidits mehr abzuwickeln gibt. An seine Eintragung schließt sich die Löschung der Gesellschaft (Abs. 1 S. 2). Bedeutet diese das Ende der Aktiengesellschaft, ihrer Rechtspersönlichkeit (-fähigkeit)? Die Frage nach dem Ende der Gesellschaft, wann sie z. B. aufhört, Erbe sein zu können, wann ihre höchstpersönlidien Rechte (abgesehen von der Aufhebung durch einseitige Erklärung des Abwicklers gemäß §§ 875, 1064 BGB oder Aufhören eines Bedürfnisses nach § 1091 BGB), wann ihre Ämter (Testamentsvollstreckung, Treuhandschaft) und die von ihr übernommenen Aufträge, abgesehen von der vertraglich vielleicht unzulässigen und deshalb wirkungslosen Niederlegung oder Kündigung wegen Aufhörens ihrer Rechtspersönlichkeit erlöschen, wann ihre Organe aufhören zu bestehen, wie lange ein in ihrem Aufsichtsrat innegehaltener Sitz im Sinne des § 100 II mitzuzählen ist, wann ihr Firmen-, Namens- und Ehrenschutz aufhört, diese Fragen sind im Gesetz unbeantwortet geblieben. Nach Schl.-Qua. § 214 Anm. 9 hat die Löschung gemäß Abs. 1 S. 2 rechtsvernichtende Kraft, aber nach Anm. 10 doch nicht, wenn noch unbekanntes Vermögen vorhanden ist. Nach Barz in Großkommentar § 214 AktG 37 Anm. 5, der dieser Auffassung widerspricht, begründet die Löschung nur eine Vermutung der vollen Beendigung der Gesellschaft und geht diese unter, wenn objektiv kein Vermögen mehr vorhanden ist. II. Ende der Rechtspersönlichkeit Anm. 3: Ausgangspunkt und festzuhalten ist a) daß zwar die Entstehung, aber nach keiner gesetzlichen Bestimmung der Fortbestand der Rechtsperson von der Eintragung im Handelsregister abhängig ist, und daß ihre Löschung (vorbehaltlich § 346 IV) nur berichtende, nicht bewirkende Bedeutung hat, b) daß grundsätzlich auch der Bestand einer juristischen Person, so wenig wie der einer natürlichen, vom Besitz von Vermögen abhängig ist (vgl. § 55 ff. BGB) und daß deshalb auch der Verlust ihres ganzen Vermögens, wenn sie auch nicht ohne solche ins Leben treten kann (§ 1, § 23 Nr. 3), ihres Betriebes 1498

Schluß der Abwicklung

§273

Anm. 3

oder einiger oder aller ihrer Betriebe (Zweigniederlassungen) nicht das Ende der Gesellschaft herbeiführt, c) daß sich dies auch daraus ergibt, daß sie eine Gesellschaft von Aktionären (§ 1), keine Anstalt, nicht identisch mit ihrem Vermögen, ihrem Betrieb oder ihren Betrieben ist, endlich, d) daß sie als rechtliche Konstruktion auch keine räumliche Ausdehnung hat, mag auch ihr von ihr zu unterscheidendes Unternehmen noch so ausgedehnt und verzweigt sein; sie kann deshalb auch nicht zerfallen. Die vom Gesetz nicht geregelte Frage nach dem Ende der Rechtspersönlichkeit der Aktiengesellschaft läßt sich unseres Erachtens dogmatisch und theoretisch ein für allemal gültig überhaupt nicht lösen, vielmehr wird man immer von Fall zu Fall eine praktische Lösung suchen müssen. Man wird unseres Eraditens die Gesellschaft trotz völliger Vermögenslosigkeit als fortbestehend ansehen müssen, wenn sie nicht gelöscht und ihre Organisation, insbesondere ihr Aufsichtsrat, erhalten geblieben ist, etwa auch die Aktienurkunden unversehrt sind. Ein, wenn auch vermögensloser, nicht gelöschter Mantel mit Aufsichtsrat (meist wird auch der Vorstand noch vorhanden sein, weil eine stille Abwicklung vorangegangen ist) ist noch rechtsfähig. Umgekehrt dürfte das Unterbleiben der Löschung nidit ausreichen, die Reditsperson zu erhalten, wenn kein Vermögen und keine Organe mehr vorhanden sind. Eine Rechtsperson (Aktiengesellschaft), die nur in einem papierenen Eintrag in einem öffentlichen Register besteht, ist doch wohl nicht denkbar. Es ist u. E. auch völlige Vermögenslosigkeit nicht ausnahmslos Voraussetzung für den Untergang der Rechtspersönlichkeit der AG. Soll eine Gesellschaft, welche still liquidiert und ihr Vermögen verteilt hat, ohne die Bestimmungen über Abwicklung, insbesondere Gläubigerschutz und Sperrjahr zu beachten, aber weder Gläubiger noch Vermögen, noch Vorstand, noch Aufsichtsrat hat, fortbestehen, weil sie noch im Handelsregister eingetragen ist und den erst in 5 Jahren verjährenden Anspruch auf § 62 besitzt? Schuldverhältnisse können die A G überhaupt überleben; ihnen ist der Gläubiger, nicht der Schuldner wesentlich. Ungetilgte Schulden können unseres Erachtens den Untergang der Rechtspersönlichkeit der A G nicht hindern, wenn keine Befriedigungsmittel vorhanden sind. Die Schulden aber bleiben bestehen und können von Dritten erfüllt werden, ohne daß Schenkung vorliegt oder der Gläubiger bereichert ist. Auch Bürgschaften und Pfandrechte, die etwa ein Dritter bestellt hat, bleiben bestehen, ohne den Fortbestand der Gesellschaft vorauszusetzen. Patente, die in der Patentrolle eingetragen sind und nicht gelöscht wurden, hindern den Untergang der Gesellschaft nicht und es ist sehr fraglich, ob nachträglich, solange das Schutzrecht nicht wegen Nichtzahlung der Gebühr erlischt, noch Verletzungsansprüche entstehen können, die eine Fortsetzung der Abwicklung notwendig machen. Endlich kann umgekehrt, wenn nachträglich noch einmal Vermögen auftaucht, oder gar nur eine Abwicklungs-

1499

§ 273 Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft Anm. 3,4 maßnahme notwendig wird, doch nicht in jeder Beziehung Fortbestand der AG angenommen werden (so jedoch Barz in Großkomm. § 214 AktG 37 Anm. 5; B.-H. Rn. 4). Soll etwa die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder für Vorgänge wieder aufleben, die sich in der Zwischenzeit zugetragen haben mögen, sollen die in der Zwischenzeit fällig gewordenen Früchte eines Nießbrauchs der Gesellschaft zustehen, sollen für die Zwischenzeit ihre Rechte und Pflichten aus Ämtern und Aufträgen als fortbestanden habend gelten, soll eine Erbschaft, zu welcher sie in erster Linie berufen war, die in der Zwischenzeit als dem Zweitberufenen angefallen behandelt worden ist (ein Vermächtnis, von dem der Erbe durch ihren Wegfall befreit war), doch als ihr angefallen gelten, soll sie, obwohl sich nur eine einzelne Abwicklungsmaßnahme als erforderlich zeigt, um dieser willen, wen auch nur für kurze Zeit wieder erbfähig werden und eine jetzt anfallende Erbschaft noch erwerben können? Wir glauben, daß man für die Frage der Erbfähigkeit und der Fortdauer der höchstpersönlichen Rechte und Pflichten die Löschung der AG als den endgültig entscheidenden Zeitpunkt ansehen muß, sdion weil durch sie die Möglichkeit entfällt, den Bestand der AG nachzuweisen, dessen Nadiweis hierfür unerläßlich ist, und daß man die AG in dieser Hinsicht bis zur Löschung als fortbestehend zu behandeln hat, wenn sie bis dahin auch ihre Organe aufrechterhalten hat, und daß es im übrigen nicht schwer sein wird, von Fall zu Fall eine praktische Entscheidung zu treffen. So ist z.B. auch nicht bezweifelt worden, daß Enteignung in »der Zone" trotz Löschung an dem in dieser gelegenen Sitzgerichts, weil nur regional begrenzt wirksam, das Vermögen außerhalb der Zone und den Bestand der Gesellschaft nicht berührt. Die AG darf vor Ablauf des Sperrjahres nicht gelöscht werden, auch nicht aufgrund des Löschungsgesetzes vom 9.10.1934, es sei denn, daß das Vermögen zur Befriedigung der Gläubiger erschöpft wurde. III. Anmeldung 1. Voraussetzungen Anm. 4: Der Schluß der Abwicklung ist anzumelden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: a) Die Abwicklung muß beendet sein (§ 268); das ist der Fall, wenn die laufenden Geschäfte abgewickelt sind — solange ein Prozeß noch schwebt, ist dies nicht der Fall (RG 77, 273) — und das Vermögen gemäß § 271 verwertet und gesetzmäßig verteilt ist, und wenn ferner das Sperrjahr (§ 272) abgelaufen ist (so KG in JW 32, 2623 unter Aufgabe des Standpunktes, der in KGJ 28 A 51 vertreten war, wonach der Nachweis des Ablaufs des Sperrjahres gegenüber dem Registergericht nicht für erforderlich gehalten wurde). Sind die Beträge hinterlegt oder sichergestellt, die noch frei werden können, 1500

Schluß der Abwicklung

§ 273 Anm. 4,5

ist zwar nach Ablauf des Sperrjahres die Vermögensverteilung zulässig, aber die Abwicklung noch nicht beendet. b) Es muß eine Schlußrechnung gelegt sein, diese ist keine Bilanz, weil kein Vermögen mehr vorhanden ist, betrifft überhaupt nicht den Vermögensstand, sondern die Einnahmen und ihre Verwendung. Sie muß § 259 BGB entsprechen. Die Schlußrechnung ist der Hauptversammlung, nicht etwa dem Aufsichtsrat oder gar dem Registergericht zu legen und von ihr zu genehmigen. Über die Entlastung der Abwickler ist Beschluß zu fassen (§ 268 III). Nach § 93 IV S. 3 würde Löschung und Entlastung erst nach drei Jahren möglich sein. Dies widerspricht dem Zweck der Abwicklung und gilt deshalb hier nicht. Die Entlastung der Abwickler nach Beendigung der Abwicklung ist — im Gegensatz zu § 120 II S. 2 — eine Freistellung von Ansprüchen (vgl. Barz in Großkomm. § 214 AktG 37 Anm. 3; B.-H. Rn. 3). Der einzelne Aktionär hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Schlußrechnung, jedoch ist ein Entlastungsbeschluß der Hauptversammlung anfechtbar, wenn keine Schlußrechnung erteilt ist, obwohl es auch nur von einem Aktionär in der Hauptversammlung verlangt wurde (RG 34, 57). Die Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung liegt den Abwicklern ob, evtl. kann der Aufsichtsrat sie einberufen oder die Minderheit nach § 122 die Einberufung erzwingen. 2. Inhalt Anm. 5: Es ist nicht das Erlöschen der Firma der Gesellschaft anzumelden, sondern der Schluß der Abwicklung. Das Gericht hat dann den Schluß der Abwicklung einzutragen und die Gesellschaft zu löschen. Eines besonderen Löschungsantrages bedarf es nicht. Anzumelden ist von den Abwicklern, und zwar von so vielen, wie zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind. Der Registerrichter kann die Anmeldung durch Ordnungsstrafen erzwingen (§ 14HGB). Ist das Vermögen gesetzmäßig verteilt worden, kann das Registergericht auch ohne Anmeldung des Schlusses der Abwicklung die Gesellschaft nach § 2 Löschungsgesetz löschen. Vorbehaltlich § 12 FGG braucht dem Registergericht nicht nachgewiesen zu werden, daß die Abwicklung beendet ist. Die Tatsache, daß die Schlußrechnung gelegt ist, muß durch Vorlage einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift der Hauptversammlungsniederschrift (vgl. KG in JW 32, 2623) nachgewiesen werden. Das Registergericht hat den Ablauf des Sperrjahres nachzuprüfen. Zu weiteren Prüfungen ist es nicht verpflichtet, aber berechtigt, wenn ihm Bedenken auftaudien (§12 FGG). Die Eintragung und Löschung ist vom Registergeridit gemäß § 10 HGB in den Blättern des Registergerichtes zu veröffentlichen (s. zu § 25), nicht durch die Gesellschaft in den Gesellschaftsblättern. 1501

§ 273

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Anm. 6,7 IV. Aufbewahrung der Bücher und Sdiriften Anm. 6: Gleichzeitig mit der Anmeldung stellen die Abwickler zweckmäßig den Antrag, das Gericht möge gemäß § 145 FGG bestimmen, wo die Bücher und Schriften der Gesellschaft aufzubewahren sind. Es empfiehlt sich, dem Gericht die in Aussicht genommene Aufbewahrungsstelle vorzuschlagen. In Frage kommen Behörden, Treuhänderbüros oder auch Geschäftsräume anderer größerer, insbesondere nahestehender Firmen. Die Kosten der Aufbewahrung trägt die Gesellschaft. Die Abwickler haben einen entsprechenden Betrag zurückzubehalten. Aufzubewahren sind nicht nur die Handelsbücher im Sinne des § 44 HGB und die Schriften im Sinne des § 44 II HGB, sondern unter anderem auch das Aktienbuch. Die Dauer der Aufbewahrung beträgt 10 Jahre (vgl. aber § 91 Anm. 1), sie beginnt mit der Hinterlegung (so herrschende Ansicht). Das Registergericht kann die Abwickler durch Ordnungsstrafen (§ 407 I) zu einem Antrag gemäß § 145 FGG zur Hinterlegung der Bücher und Schriften anhalten. Eine entsprechende Bestimmung fehlt nach dem Löschungsgesetz vom 9.10.1934; hier hat der letzte Besitzer nach eigener sorgfältiger Überlegung zu verfahren; er kann die Bücher und Schriften auch vernichten, wenn er sie für entbehrlich hält. Hat die Gesellschaft das Geschäft in seiner Gesamtheit veräußert und dabei die Handelsbücher übergeben, so entfällt die Verpflichtung, sie trifft dann den Neuerwerber nach § 44 HGB. V. Recht auf Einsicht Anm. 7: Einsicht in die Bücher und Sdiriften der Gesellschaft kann vom Gericht (nicht auf eigene Faust vom Verwahrer) Aktionären, die zur Zeit der Beendigung der Abwicklung noch Aktionäre waren, sowie deren Gesamtrechtsnachfolgern (weitergehend die herrschende Ansicht, die alle, die jemals Aktionäre waren, für berechtigt hält) und unbefriedigten Gläubigern der Gesellschaft gestattet werden, denn die Gesellschaft ist als Rechtspersönlichkeit nicht mehr vorhanden, wenn sie auch noch insofern als fortbestehend gilt, als z. B. ungetilgt gebliebene Schulden durch Dritte getilgt werden können, ohne daß damit die Zahlung zu einer Schenkung wird. Audi Bürgschaften und Pfandrechte für Schulden der Gesellschaft bleiben bestehen (RG HRR 1931, Nr. 777 sowie oben Anm. 3). Wer Einsicht verlangt, muß ein berechtigtes Interesse nachweisen. Das Gericht wird dabei insbesondere auch zu prüfen haben, ob die Einsicht nicht nur verlangt wird, um sich Unterlagen zu Konkurrenzzwecken zu verschaffen, was durchaus denkbar ist, wenn wesentliche Teile des Geschäftes der aufgelösten Gesellschaft von einem anderen Unternehmen übernommen sind. Es kann nur die Einsicht, weder die Auslieferung noch die Anfertigung von Abschriften verlangt werden, jedoch kann sich der Betreffende Ver1502

Schluß der Abwicklung

§273

Anm. 7—9

merke machen. Er kann auch einen Vertreter schicken und einen Sachverständigen zuziehen. Ob das Gericht die Einsicht gestatten will, hängt von seinem freien Ermessen ab (Beschwerde nach § 146 FGG). Ist die Ermächtigung erteilt, so kann die Gestattung der Einsicht gegenüber dem Verwahrer im Wege der Klage und einstweiligen Verfügung erzwungen werden. RG in JW 1937, 2289 läßt unmittelbaren Zwang des Registergerichtes gemäß § 33 FGG zu, hiergegen mit Recht Marowski in JW 38, 11. Ist das Geschäft mit den Handelsbüchern veräußert, so kommt nur Anspruch auf Vorlegung nach § 810 BGB in Frage. VI. Nachtragsabwicklung Anm. 8: Auch nach der Löschung ist die Gesellschaft noch in der Lage, Trägerin von Rechten und Verbindlichkeiten zu sein (vgl. Anm. 3). Es kann deshalb die Notwendigkeit der Fortsetzung der Abwicklung eintreten. Nach HGB war Voraussetzung, daß sich noch verteilbares Vermögen herausstellt. Das hat zu der Erörterung der Frage geführt, ob man noch von verteilbarem Vermögen sprechen könne, wenn dem etwa nachträglich festgestellten Vermögensgegenstand entsprechende Passiven gegenüberstehen. Darauf kommt es, wie clie herrschende Ansicht auch früher annahm, nicht an. Es ist auch nicht wichtig, ob es sich um einen irgendwie wirtschaftlich verwertbaren Vermögenswert handelt. Die einzige Voraussetzung ist, daß eine Abwicklungsmaßnahme notwendig ist, das ist z. B. dann der Fall, wenn eine an sich wertlose Hypothek zu löschen ist oder wenn sonst in irgendeiner Weise die Mitwirkung der Gesellschaft im Grundbuchverkehr notwendig ist. Die Bestimmung gilt auch dann, wenn das Vorhandensein des Vermögens bei Beendigung der Abwicklung bekannt war (KGJ 41 A 139); andererseits genügt nicht das Auftreten eines Gläubigers, denn das allein würde keine Abwicklungsmaßnahme notwendig machen. Wenn aber die Verteilung entgegen den gesetzlichen Vorschriften vorgenommen worden ist, würde durch das Auftreten eines Gläubigers der Gesellschaft ein Ersatzanspruch gegen ihre Organe erwachsen (vgl. RG 109, 391 und § 272 Anm. 7). Aber während dieser Ersatzanspruch nach HGB, wenn der Schluß der Abwicklung eingetragen und die Gesellschaft gelöscht wurde, auch wenn er wertlos, ja verjährt (RG a. a. O.) war, die Fortsetzung der Abwicklung zuließ und evtl. notwendig machte, braucht dies nicht der Fall zu sein, weil bei solcher Sachlage durchaus nicht immer eine Abwicklungsmaßnahme veranlaßt ist. Dies gilt auch von dem erst nach 5 Jahren verjährenden Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Aktionäre aus § 62, wenn das Vermögen gesetzwidrig verteilt worden ist. Anm. 9: Die Fortsetzung der Abwicklung macht die Bestellung von Abwicklern notwendig. Nachtragsabwickler können, wie Abs. 4 klar zum Ausdruck bringt, lediglich vom Gericht bestellt werden. Weder kann die Satzung 1503

§ 273 Anm. 9

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

solche vorsehen nodi die Hauptversammlung solche bestellen, da die Gesellschaftsorgane nicht mehr bestehen, aber auch vor Beendigung der Abwicklung kann nicht für den Fall einer Nachtragsabwicklung der Abwickler festgelegt werden. Abs. 4 ist allein maßgebend. Die Bestellung erfolgt auf Antrag eines Beteiligten; das ist jeder Gläubiger, jeder Aktionär, der bei Beendigung der Abwicklung Gläubiger oder Aktionär war und unter Umständen der Dritte, dem die Abwicklungshandlung zugute kommt, die Mitglieder des Aufsichtsrates und die früheren Abwickler. Letztere dürften dazu verpflichtet sein, ohne aber durch Ordnungsstrafen dazu angehalten werden zu können. Für das Verfahren gelten die §§ 145, 146, 20 FGG. Das Gericht kann nach § 12 FGG Ermittlungen anstellen. Bei Ablehnung des Antrages ist der Antragsteller, anderenfalls die Gesellschaft, vertreten durch die früheren Abwickler, nicht aber diese persönlich zu sofortiger Beschwerde berechtigt. Wird dem Antrag stattgegeben, so sind die alten Abwickler (anders als bei der GmbH und OHG) nicht ohne weiteres vertretungsberechtigt (Bayrisches Oberstes Landesgericht in J W 2 9 , 670; RG 109, 392); vielmehr ist ihre Vertretungsmacht mit der Löschung der Gesellschaft beendet worden. Es müssen also neue Abwickler bestellt werden, seien es die früheren, seien es andere (s. hierzu und zur Person und besonderen Stellung des Nachtragsabwicklers OLG Celle in Die Aktiengesellschaft 1962, 254). Will ein Gläubiger die Gesellschaft verklagen, kann er also nicht ohne weiteres die Klage den früheren Abwicklern zustellen und erst im Rechtsstreit die Voraussetzung für das Fortbestehen der Gesellschaft behaupten und beweisen, vielmehr muß er vorher im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Bestellung von Abwicklern beantragen. Bei der Bestellung der Abwickler ist die Vertretungsbefugnis zu regeln. Der Geschäftskreis kann auf einzelne Maßnahmen beschränkt werden. Von letzterem Fall abgesehen, sind die Abwickler ins Handelsregister einzutragen und die Eintragung bekanntzumachen. Damit wird die Gesellschaft wieder zur Abwicklungsgesellschaft, weswegen die Löschung wieder zu löschen ist (Baumbach-Huedk Rn. 8; Brandt-Marowski Die Registersachen 4. Auflage, S. 298; Barz in Großkomm. § 214 AktG 37 Anm. 10; a. A. Schl.-Qu. § 214 Anm. 22). Die übrigen Organe der Gesellschaft — Hauptversammlung und Aufsichtsrat — leben ohne weiteres wieder auf (RG 129, 107; 134, 94; zum Teil a. A. Bayrisches Oberstes Landesgericht in JW 1929, 670). Die Abwicklung ist dort fortzusetzen, wo sie stehengeblieben war. Es bedarf also keines neuen Sperrjahres, wohl aber demnächst eines neuen Jahresabschlusses, einer neuen Schlußrechnung und neuer Entlastung der Abwickler. War die Gesellschaft im Konkurs, so ist, wenn sich nachträglich Vermögen findet, nach § 166 II K O dieses zu verteilen. Lehnt der Konkursverwalter die Wiederaufnahme des Konkurses ab, so können Abwickler bestellt werden. 1504

Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft

§ § 273 / 274 Anm.9

Im Gegensatz zu R G nimmt das AG Berlin einen wesentlich anderen Standpunkt ein (vgl. hierüber Marowski in J W 28, 11; ferner Amtsgerichtspräsident Berlin in J W 38, 2834 undGroschuff in D R 1 9 4 1 , 1 5 4 3 ) ; danach ist nur dann, wenn verteilbares Vermögen auftaucht, die Gesellschaft neu einzutragen und ein neuer Abwickler zu bestellen. Im übrigen wird davon ausgegangen, daß das Amt des Abwicklers fortbesteht, wie auch die verfrüht gelöschte Gesellschaft selbst, und daß der Abwickler auch gegenüber dem Grundbuchamt durch einen Registerauszug über die gelöschte Gesellschaft ausgewiesen wird, auch wenn darin alles gerötet ist. Die Nachtragsabwicklung ist der einzige Weg, um die Gesellschaft im Rechtsleben wieder handlungsfähig zu gestalten. Es kann kein Pfleger und kein Prozeß Vertreter nach § 57 Z P O bestellt werden.

§ 274 Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft (1) Ist eine Aktiengesellschaft durch Zeitablauf oder durch Beschluß der Hauptversammlung aufgelöst worden, so kann die Hauptversammlung, solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen ist, die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (2) Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft 1. durch die Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst, das Konkursverfahren aber auf Antrag der Gesellschaft eingestellt oder nach rechtskräftiger Bestätigung eines Zwangsvergleichs aufgehoben worden ist; 2. durch die gerichtliche Feststellung eines Mangels der Satzung nach § 262 Abs. 1 Nr. 5 aufgelöst worden ist, eine den Mangel behebende Satzungsänderung aber spätestens zugleich mit der Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen wird. (3) Die Abwickler haben die Fortsetzung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Sie haben bei der Anmeldung nachzuweisen, daß noch nicht mit der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft unter die Aktionäre begonnen worden ist. (4) Der Fortsetzungsbeschluß wird erst wirksam, wenn er in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. Im Falle des Absatzes 2 Nr. 2 hat der Fortsetzungsbeschluß keine Wirkung, solange er und der Beschluß über die Satzungsänderung nicht in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden sind; die beiden Beschlüsse sollen nur zusammen in das Handelsregister eingetragen werden. 1505

§ 274

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Anm. 1—3 Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit einigen sprachlichen Änderungen die Bestimmungen des bisherigen § 215 AktG 37 und erklärt die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft allgemein für zulässig. Die Erweiterung durch die Ziff. 2 des Abs. 2 und der neu eingefügte S. 2 in Abs. 4 ergab sich durch den in § 262 Abs. 1 Nr. 5 neu aufgenommenen Auflösungsgrund. Die gesetzliche Regelung ist erschöpfend. Die Satzung kann die Fortsetzung nicht erleichtern (aber gemäß Anm. 4 erschweren). Der Beschluß, die Gesellschaft fortzusetzen, kann auch mit dem Beschluß verbunden werden, sie umzuwandeln. Anderenfalls bleibt die bisherige Rechtsform, wie ja auch immer, die Personenidentität der Gesellschaft erhalten. Die Fortsetzung ist keine Satzungsänderung (s. Anm. 8), ebensowenig eine Neugründung. Die Vorschriften hierüber gelten nicht (Schi.-Qu. § 215 Anm. 6). Dagegen muß ein Grundkapital vorhanden sein, zwar nicht in der bisherigen von der Satzung bestimmten Höhe, wohl aber in der gesetzlichen Mindesthöhe (§ 7). Wird dies durch die vorhandenen Aktiven nicht gedeckt, so muß ein entsprechender Verlust in die Bilanz eingestellt werden. Er muß, bevor Gewinn ausgeschüttet wird, ausgeglichen werden. Anm. 2: Zulässig ist die Fortsetzung, wenn die Auflösung durch Eintritt eines satzungsmäßig festgesetzten Termins oder Ereignisses, also auch Kündigung eingetreten oder beschlossen worden war. Im Falle der Kündigung ist die Zustimmung des Kündigenden erforderlich; ohne sie ist der Beschluß unwirksam (vgl. § 262 Anm. 3). Außerdem kann die Fortsetzung beschlossn werden, wenn das Konkursverfahren durch Abschluß eines Zwangsvergleichs aufgehoben oder auf Antrag der Gesellschaft eingestellt worden ist (vgl. hierzu unten Anm. 5) und wenn der Mangel der Satzung, wegen dessen Feststellung die Gesellschaft aufgelöst wurde, durdi Hauptversammlungsbeschluß behoben wurde, der aber nidit erst nach dem Fortsetzungsbeschluß gefaßt werden kann. Keine Fortsetzung ist mithin möglich, wenn die Auflösung nach § 262 Nr. 4 eingetreten ist, d. h., wenn die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde, und nach Auflösung wegen Gefährdung des Gemeinwohls auf Antrag der staatlichen Behörden (§ 396). In diesen Fällen ist es selbstverständlich, daß die Fortsetzung mit der Anordnung der Auflösung unvereinbar wäre. Ebensowenig kann die Fortsetzung einer nach dem Löschungsgesetz vom 9.10.1934 gelöschten Gesellschaft beschlossen werden, wenn etwa nach der Löschung Vermögen auftaucht; dies muß abgewickelt werden (vgl. § 262 Anm. 7). § 262 II ist in diesen Fällen unanwendbar, dagegen ist die Fortsetzung zulässig im Falle eines Nichtigkeitsurteiles nadi § 277 I in Verbindung mit § 262 II, jedoch nur, wenn gleichzeitig ein Heilungsbeschluß nach § 276 möglich ist und gefaßt wird (s. § 277 Anm. 5; vgl. auchB.-H. Rn 3; Barz in Großkomm. § 217 AktG 37 Anm. 3). Anm. 3: Für alle Fälle der Fortsetzung ist Voraussetzung, daß mit der Verteilung des Vermögens noch nicht begonnen war. Sind Auszahlungen oder 1506

Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft

§274

Anm. 3—5

sonstige Leistungen an die Aktionäre bereits erfolgt, so kann ein Fortsetzungsbeschluß auch dann nicht mehr gefaßt werden, wenn die Leistungen zurückgewährt werden. Es kommt nur auf den Beginn der Verteilung, nicht auf den Stand der Versilberung, auch nicht auf die Höhe des Vermögens an. Unerheblich ist also, ob der unverteilte Rest das Grundkapital noch deckt. Audi Kapitalverluste, die auch die Abwicklung mit sich gebracht hat, sind unschädlich, selbst wenn der Rest weniger als 100 000,— DM (§ 7) beträgt. Freilich kann letzterenfalls mit der Fortsetzung die zweckmäßige Herabsetzung des Grundkapitals auf den wirklichen Vermögensstand (ohne gleichzeitige Wiedererhöhung auf 100 000,— DM) nicht beschlossen werden. Anm. 4: Der Fortsetzungsbeschluß bedarf der Dreiviertelmehrheit des vertretenen Grundkapitals, vgl. § 179 Anm. 5; über die Berechnung des vertretenen Gründkapitals § 133 Anm. 2. Die Satzung kann eine größere, nicht eine kleinere Kapitalmehrheit und noch andere Erfordernisse, also auch eine erhöhte Stimmenmehrheit (über letztere vgl. § 179 Anm. 5) oder solche vorsehen, welche die Fortsetzung praktisch ausschließen. Uber den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beschlusses vgl. unten Anm. 6. Anm. 5: Ist die Auflösung durch Eröffnung des Konkursverfahrens herbeigeführt worden, findet keine Abwicklung statt. Endet der Konkurs durch Ausschüttung der Masse, so ist die AG damit untergegangen. Die Firma ist erloschen; dies ist im Handelsregister von Amts wegen einzutragen (vgl. K G J 34 B 12). Stellt sich nachträglich heraus, daß noch Vermögen vorhanden war, so ist dieses nach § 166 K O nachträglich zu verteilen; evtl. sind Abwickler nach § 273 I V zu bestellen (vgl. dort Anm. 9); hier ist für einen Fortsetzungsbeschluß kein Raum. Das gleiche gilt, wenn das Verfahren wegen einer die Kosten des Verfahrens nicht deckenden Masse nach § 204 K O eingestellt wird. Im letzteren Fall tritt zwar die Abwicklung ein, es kann aber nicht die Fortsetzung beschlossen werden. Die Fortsetzung ist nur möglich, wenn entweder das Konkursverfahren nach Abschluß des Zwangsvergleichs aufgehoben oder das Konkursverfahren auf Antrag der Gesellschaft eingestellt ist. In diesen Fällen muß sich die Gesellschaft entscheiden, ob sie die Fortsetzung beschließen will oder ob die Abwicklung anzumelden ist. Das Registergericht kann nach Ablauf einer angemessenen Frist nach § 14 H G B die Anmeldung der Abwicklung erzwingen. Der Fortsetzungsbeschluß kann auch dann noch gefaßt werden, wenn die Abwicklung bereits angemeldet war. Die Gültigkeit der inzwischen von den Abwicklern vorgenommenen Rechtsgeschäfte wird dadurch nicht berührt. Das Registergericht hat bei Eintragung zu prüfen, ob die Bedingungen, unter denen im Falle des vorangegangenen Konkurses der Fortsetzungsbeschluß gefaßt werden kann, vorliegen; wenn nicht, ist der Fortsetzungsbeschluß unwirksam, nicht etwa nur anfechtbar. 1507

§ 274 Anm. 6—9

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Anm. 6: Die Gesellschaft kann auch dann die Fortsetzung beschließen, wenn die Auflösung aufgrund gerichtlicher Feststellung eines Mangels der Satzung erfolgt war. Voraussetzung hierzu ist, daß der festgestellte Mangel durch satzungsändernden Beschluß behoben wird. Für diesen Beschluß gelten die allgemeinen Bestimmungen (§§ 178 ff.). Die Satzungsänderung muß spätestens zusammen mit der Fortsetzung beschlossen werden, d. h. in der gleichen Hauptversammlung. Zu beachten ist, daß je nach Satzung für die beiden Beschlüsse verschiedene Mehrheiten gegeben sein müssen. Wird die Fortsetzung vor der Satzungsänderung beschlossen, so ist dieser Beschluß m. E. nach § 241 Ziff. 3 nichtig und muß wiederholt werden, nadidem die Satzungsänderung beschlossen ist. Anm. 7: Die Abwickler haben die Fortsetzung der Gesellschaft zur Eintragung anzumelden. Dies paßt nicht auf Abs. 2, denn in diesen Fällen sind keine Abwickler ernannt, es sei denn, die Abwicklung hatte inzwischen begonnen (s. oben Anm. 5), dagegen ist der Vorstand nodi vorhanden, so daß dieser anmelden muß. Anzumelden ist immer, auch wenn die Auflösung selbst noch nicht eingetragen war (s. auch Anm. 9), weil der Fortsetzungsbeschluß nach Abs. 4 ohne Eintragung wirkungslos ist. In den Fällen des Abs. 2 Ziff. 1, in denen der Vorstand Vorstand geblieben war, ist auch klar, wer Vorstand ist. Eine Anmeldung der Vorstandsmitglieder und Hinterlegung ihrer Unterschrift kommt nicht in Frage. In den sonstigen Fällen aber bestand nach der Auflösung kein Vorstand mehr, er muß daher durch den Aufsichtsrat neu bestellt und neu angemeldet werden (anscheinend ebenso Schl.-Qu. § 215 Anm. 7; a. A. offenbar Barz in Großkomm. § 215 AktG 37 Anm. 9); vorher haben die Abwickler — in der zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Zahl — den Fortsetzungsbeschluß anzumelden, weil vor seiner Eintragung ein Vorstand nicht wieder bestehen kann. Anm. 8: Außerdem können nur die Abwickler selbst den Nachweis erbringen, daß noch nicht mit der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft unter die Aktionäre begonnen worden ist. Dies haben sie nachzuweisen. Das Gesetz begnügt sidi nicht mit der bloßen Versicherung, denn dieser Nadiweis ist überaus wichtig, weil eine Verteilung des Vermögens die Kapitalgrundlage beeinträchtigen würde. Der Nachweis wird durch einen Buchprüfer zu führen sein. Strafbestimmung wegen falscher oder unvollständiger Angaben § 399 Ziff. 5. Anm. 9: Die Wirkungen des Fortsetzungsbeschlusses treten erst ein, wenn er im Handelsregister eingetragen ist. Im Fall des Abs. 2 Ziff. 2 wird der Beschluß erst wirksam, wenn außer ihm auch der Beschluß über die Satzungsänderung im Handelsregister eingetragen ist. Beide Beschlüsse sollen nur zusammen eingetragen werden. Verletzung dieser Bestimmung ist ohne 1508

Klage auf Nichtigerklärung

§§

274/275

Anm. 9

Bedeutung für die Wirksamkeit der Beschlüsse, da es sich lediglich um eine Sollvorschrift handelt (B.-H. Erg.Bd. § 274 Rn. 2). Wird nur die Satzungsänderung eingetragen, so verbleibt die Gesellschaft in Abwicklung, bis der Fortsetzungsbeschluß eingetragen wird. Wird letzteres zunächst alleine eingetragen, so bleibt er so lange wirkungslos, bis die Satzungsänderung eingetragen wird. Diese muß aber spätestens mit der Fortsetzung zusammen beschlossen worden sein (vgl. oben Anm. 6). Durch die Bedingung der Eintragung und die vor ihr liegende Prüfung durch den Registerrichter wird die Gewähr geschaffen, daß die Vermögensgrundlage unversehrt geblieben ist. Auf die Bekanntmachung, die das Registergericht in seinen Blättern, nicht etwa die Gesellschaft in den Gesellschaftsblättern vornimmt, kommt es nicht an. Die Wirkungen bestehen nicht etwa in einer Satzungsänderung, sondern darin, daß die Gesellschaft von der Eintragung ab wieder aus dem Abwicklungsstadium heraustritt. Aufsichtsrat und Hauptversammlung haben während der Auflösung schon weiterbestanden; über Vorstand siehe Anm. 7. D a der Auflösungsbeschluß regelmäßig ohne Eintragung wirksam ist (s. Anm. 4 zu § 262 und Anm. 1 zu § 263), der Fortsetzungsbeschluß dagegen nur, wenn er eingetragen ist, kann es sein, daß ein Fortsetzungsbeschluß zur Eintragung mit dem Nachweis nach Anm. 8 und der Neubestellung des Vorstands nach Anm. 7 von den Abwicklern angemeldet werden muß, obwohl die Auflösung selbst noch nicht nach §§ 263, 266 angemeldet worden ist, denn ohne die Eintragung des Fortsetzungsbeschlusses verbliebe die Gesellschaft rechtlich dauernd im Zustand der Abwicklung, hätte auch keinen Vorstand, sondern Abwickler. Der Jahresabschluß wäre von der Hauptversammlung festzustellen. Eine Gewinnausschüttung wäre unstatthaft, solange nicht die Gläubiger sichergestellt und befriedigt sind (§ 272) und würde eine persönliche Haftung der Aktionäre begründen.

Zweiter Abschnitt Nichtigerklärung der Gesellschaft § 275 Klage auf Nichtigerklärung (1) Enthält die Satzung keine Bestimmungen über die Höhe des Grundkapitals oder den Gegenstand des Unternehmens oder sind die Bestimmungen der Satzung über den Gegenstand des Unternehmens nichtig, so kann jeder Aktionär und jedes Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats darauf klagen, daß die Gesellschaft für nichtig erklärt werde. Auf andere Gründe kann die Klage nicht gestützt werden. 1509

§ 275

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Anm. 1 (2) Kann der Mangel nach § 276 geheilt werden, so kann die Klage erst erhoben werden, nachdem ein Klageberechtigter die Gesellschaft aufgefordert hat, den Mangel zu beseitigen, und sie binnen drei Monaten dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist. (3) Die Klage muß binnen drei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft erhoben werden. Eine Löschung der Gesellschaft von Amts wegen nach §144 Abs. 1 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird durch den Zeitablauf nicht ausgeschlossen. (4) Für die Klage gelten § 246 Abs. 2 bis 4, §§ 247, 248 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 2 sinngemäß. Der Vorstand hat eine beglaubigte Abschrift der Klage und das rechtskräftige Urteil zum Handelsregister einzureichen. Die Nichtigkeit der Gesellschaft auf Grund rechtskräftigen Urteils ist einzutragen. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Geltendmachung der Nichtigkeit (Anm. 3) III. Tragweite der Niditigkeit (Anm. 4) IV. Rechtsstellung bei Nichtigkeit 1. der Aktionäre (Anm. 5) 2. des Vorstandes (Anm. 6) 3. des Aufsichtsrates (Anm. 7) 4. der Hauptversammlung (Anm. 8) 5. der Gesellschaft allgemein (Anm. 9) V. Voraussetzungen der Nichtigkeit (Anm. 10 u. 11)

VI. Klageberechtigte (Anm. 12) VII. Klage auf Nichtigerklärung 1. Gründe (Anm. 13) 2. Aufforderung zur Beseitigung des Mangels (Anm. 14) 3. Frist (Anm. 15) VIII. Löschung von Amts wegen (Anm. 16) IX. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 17) X. Einreichung zum Handelsregister (Anm. 18) XI. Nachträgliche Niditigkeit (Anm. 19)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 216 AktG 37 mit einigen Änderungen. Die Abs. 1 und 2 blieben zunächst unverändert. Durch das Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15. 8.1969 wurden die Nichtigkeitsgründe des Abs. 1 wesentlich eingeschränkt (s. Anm. 10). In Abs. 3 ist die Frist, innerhalb welcher die Klage auf Nichtigkeitserklärung zu erheben ist von 5 auf 3 Jahre verkürzt worden; dies ist erforderlich geworden, um die Angleidiung des Gesellschaftsrechts innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu erleichtern. Nach Abs. 4 ist nicht mehr eine Abschrift des Urteils, sondern dieses selbst — also eine Ausfertigung — dem Handelsregister einzureichen; dort ist nicht das Urteil, sondern die Nichtigkeit der Gesellschaft einzutragen. 1510

§275 Anm. 2,3 Anm. 2: §§ 275—277 handeln von der Nichtigkeit der eingetragenen Gesellschaft, wobei sie voraussetzen, daß die Eintragung nicht als solche selbst nichtig ist (s. aber Anm. 1 zu § 277). Die eingetragene Gesellschaft ist nichtig nur, wenn eine der nach § 23 III wesentlichen Satzungsbestimmungen nicht getroffen worden oder nichtig ist. Weitere Nichtigkeitsgründe sind ausdrücklich ausgeschlossen (Abs. 1 S. 2). Die Tragweite der Bestimmung ist nicht nur, daß sie diejenigen Satzungsbestimmungen anführt, deren Mängel oder Nichtigkeit (Unzulässigkeit) die Nichtigkeit der Gesellschaft herbeiführen, und daß sie mittelbar damit die Nichtigkeit wegen fehlender oder nichtiger anderer Satzungsbestimmungen ausschließt, vielmehr bedeutet die Bestimmung auch, daß auch der Mangel anderer wesentlicher Gründungserfordeiinisse, wie insbesondere Gründerzahl, die Nichtigkeit der Gesellschaft nicht nach sich zieht, wenn sie eingetragen wird. Dies darf, wenn solche Mängel vorliegen, nicht geschehen — denn § 275 handelt nur von den eingetragenen Gesellschaften —, geschieht es aber doch, so ist die Gesellschaft unanfechtbar rechtsbeständig und kann sie auch nicht mehr durch Löschung von Amts wegen vernichtet werden, denn diese ist nur insoweit zulässig, als Nichtigkeitsklage erhoben werden kann. Die Eintragung hat also in einem nicht unbeträchtlichen Umfang heilende Wirkung (vgl. auch B.-H. Rn 2; Barz in Großkomm. § 216 AktG 37 Anm. 3; Möhring-Tank Teil I Rz 593; hinsichtlich des Vorliegens einer Geschäftsunfähigkeit eines Gründers a. A. Gierke § 60 IV 1 c). Für unzulässig halten wir es aufgrund dieser Regelung der Nichtigkeit, die Eintragung schlechthin nach der Lehre von der rechtserzeugenden Wirkung des Rechtsscheines als heilkräftig anzusehen, insbesondere bleiben nichtige Satzungsbestimmungen trotz ihrer Eintragung und trotz Eintragung der Gesellschaft nichtig, sowohl diejenigen, welche die Nichtigkeit der Gesellschaft nach sich ziehen, als auch solche, deren Nichtigkeit den Bestand der Gesellschaft nicht treffen. Es muß die Eintragung aufgrund einer ordnungsmäßigen Anmeldung erfolgt sein; § 275 befaßt sich nur mit der Nichtigkeit der Gesellschaft, nicht mit der Gültigkeit der Anmeldung als solcher oder der Eintragung (B.-H. Rn 3; Barz in Großkomm. § 216 AktG 37 Anm. 2); über deren Mängel siehe §§ 36, 37 und die Anmerkungen dort. Klage auf Nichtigerklärung

II. Geltendmachung der Nichtigkeit Anm. 3: Für die Geltendmachung der Nichtigkeit läßt das Gesetz die Klage auf Nichtigerklärung zu. Diese kann nach Abs. 3 nur innerhalb einer Ausschlußfrist von 3 Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft erhoben werden. Es gilt sonach nicht nur nach § 276 eine Heilung durch Eintragung der Aktiengesellschaft und Satzungsänderung, sondern, wie bei einem Hauptversammlungsbeschluß — in gewissem Umfang (vgl. zu § 276) — auch durch 1511

§ 275 Anm. 3,4

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Zeitablauf. Prozeßvoraussetzung ist in Fällen heilbarer Nichtigkeit, daß die Gesellschaft vorher aufgefordert worden ist, den Mangel zu beseitigen und dieser Aufforderung binnen drei Monaten nicht nachgekommen ist. Es fragt sich, ob die Klage auf Nichtigerklärung der einzige Weg ist, auf dem die Nichtigkeit geltend gemacht werden kann. Diese Frage ist um so bedeutsamer, als das Recht, die Klage zu erheben, nicht jedermann gegeben ist, sondern nur den Aktionären, den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Wenn nicht die Eintragung als solche selbst nichtig ist, ist die Frage zu bejahen (s. auch unten Anm. 15). Ein Dritter kann, anders als bei der Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen, die Nichtigkeit der Gesellschaft selbst nicht einmal durch Feststellungsklage geltend machen, jedenfalls mangels Reditsschutzinteresse nicht zu dem Zweck, um die Rechtsbeständigkeit eines mit ihr abgeschlossenen Rechtsgeschäftes zu bestreiten (§ 277 II; s. unten Anm. 15). Diese Frage steht in nahem Zusammenhang mit der Bedeutung der Nichtigkeit der Aktiengesellschaft bis zum Nichtigkeitsurteil und seiner Eintragung überhaupt. III. Tragweite der Nichtigkeit Anm. 4: Versucht man, Bedeutung und Tragweite der Nichtigkeit der Gesellschaft aus den gegebenen Vorschriften abzuleiten, so ist zu beachten: Die Organe, Vorstand und Aufsichtsrat, sind tätig, denn sie vertreten die Gesellschaft bei der Klage auf Nichtigerklärung. Die Verbandsgewalt besteht, ebenso wie das Recht der Selbstgesetzgebung, wenigstens in gewissem Umfange, denn die Hauptversammlung kann mit Mehrheitsbeschluß die Heilung der Mängel beschließen (§ 276). Da die Nichtigkeit drei Jahre hindurch geltend gemacht werden kann, ist es ferner sehr wohl möglich, daß auch Aufsichtsratswahlen in dieser Zeit stattzufinden haben, die gleichfalls mit Stimmenmehrheit erfolgen und deren Gültigkeit gleichfalls anerkannt ist, weil ja der Aufsichtsrat vom Gesetz anerkannt und mit gewissen Aufgaben betraut wird. Es sind also auch keineswegs alle Hauptversammlungsbeschlüsse ungültig. Weiter folgt aus der Notwendigkeit der Beschlüsse, daß die Aktien ein Stimmrecht begründen, also auch nicht in vollem Umfange nichtig sein können. Alle diese Beschlüsse, wie etwa die Aufsichtsratswahlen, können auch durch das Niditigkeitsurteil nicht nachträglich rückwirkend nichtig werden. Es gelten auch die Bestimmungen über die strafrechtliche und vermögensrechtliche Haftung der Gründer. Rechtsgeschäfte der Gesellschaft nach außen sind in vollem Umfange gültig (§ 277 III), selbst wenn die Gesellschaft für nichtig erklärt wird; um so mehr muß dies gelten, wenn sie niemals für nichtig erklärt, vielleicht ihre Nichtigkeit niemals entdeckt wird, für diejenigen Rechtsgeschäfte, welche innerhalb der Dreijahresfrist abgeschlossen werden. 1512

Klage auf Nichtigerklärung

§275

Aum. 4,5

Ja, selbst wenn die Gesellschaft für nichtig erklärt wird, tritt der Zustand der Abwicklung ein (§ 277); wenn das Gesetz auch nicht geradezu sagt, daß die Gesellschaft aufgelöst wird, so ist es immerhin so, wie wenn sie aufgelöst wäre. Es wird also zwar für die Vergangenheit nicht ausdrücklich gesagt, daß die Gesellschaft, die nunmehr in die Abwicklung übergeführt wird, bis dahin bestanden hat, aber es wird wenigstens zu Abwicklungszwecken ein Zustand hergestellt, für den eine bestehende Gesellschaft Voraussetzung ist. Nun wäre es wohl widersinnig, anzunehmen, daß durch das Nichtigkeitsurteil eine bis dahin nichtige und nicht bestehende Gesellschaft erst ins Leben gerufen wird und daß das Nichtigkeitsurteil, statt sie zu vernichten, ihr Dasein erst begründet. Auch diese Bestimmung ergibt daher, daß his zum Nichtigkeitsurteil die nichtige Gesellschaft keineswegs nicht besteht. Das Vorhandensein einer gesetzlichen Organisation (Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung), das Vorhandensein eines Selbstgesetzgebungsrechts und die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen der Hauptversammlung, die Rechtsbeständigkeit der mit Dritten abgeschlossenen Rechtsgeschäfte, und zwar für und gegen die Gesellschaft, stellen einen Zustand her, der von der Nichtigkeit wenigstens sehr weit entfernt ist. Man wird deshalb über § 277 hinaus die nichtige Gesellschaft bis zur Beendigung ihrer Abwicklung auch für erbfähig ansehen müssen und fähig zum ursprünglichen Erwerb (Fruchtbezug). IV. Rechtsstellung bei Nichtigkeit 1. der Aktionäre Anm. 5: Ist durch ausdrückliche Vorschrift (§ 277 II) klargestellt, daß die nichtige Gesellschaft nach außen besteht, so drängt sich als nächste Frage auf, wie sich die Innen Verhältnisse bei ihr gestalten: Zunächst die Rechtsstellung der Aktionäre. Daß sie ein Stimmrecht haben, ist oben schon ausgeführt. Es dürfte nicht unbesonnen sein, daraus zu folgern, daß auch die Aktienrechte als solche bestehen, daß die Aktienurkunde gültig ist, und daß daher auch die Übertragung des Aktienrechts durch ihre Übergabe wirksam erfolgt. Damit steht im Einklang, daß die Klage auf Nichtigerklärung von den Aktionären, und zwar als solchen, nicht etwa von den Zeichnern oder Übernehmern von Aktien erhoben wird; wenngleich auf den gesetzlichen Wortlaut für diese Frage vielleicht nicht soviel Gewicht zu legen ist. Demnach wird auch der Erwerber der Aktie, wenn diese nicht vollbezahlt ist, zur Vollzahlung verpflichtet, nicht etwa nur dann, wenn kein Nichtigkeitsurteil ergeht und keine Löschung erfolgt, und der Erwerb nach Ablauf der dreijährigen Frist oder nach Heilung durch Beschluß stattgefunden hat. Es besteht daher auch die Möglichkeit eines Ausschluß Verfahrens. Schon aus gegebener Gesetzesvorschrift (§ 277 III) kann dies für die Zwecke der Abwicklung 1513

§ 275 Anm. 5

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

nadi Nichtigkeitsurteil entnommen werden. Sie richtet sich gegen den jeweiligen Aktionär und will sich gegen ihn richten, was umgekehrt gleichfalls die Richtigkeit dieser Ausführungen bestätigt. Es ist undenkbar, daß sie sich nur gegen den späteren Aktionär richten will, dessen Erwerb nach dem Nichtigkeitsurteil sich vollzogen hat, nicht aber auch, wenn die Rechtsübertragung vor dem Nichtigkeitsurteil stattgefunden hat. Wie ist aber die Einzahlungspflicht bis zum Nichtigkeitsurteil oder bis zur Heilung durch Zeitablauf (vorbehaltlich Abs. 3 und § 144 FGG) oder Beschluß? Ist der Aktionär auch in dieser Schwebezeit zur Vollzahlung verpflichtet? Und ferner: kann er sich dieser Verpflichtung nur durch erfolgreiche Nichtigkeitsklage erwehren oder kann er einredeweise die Leistung verweigern? Nach R G 114, 78 soll letzteres möglich sein. Dies trifft nach Aktiengesetz sicher schon aus dem Grunde nicht zu, weil nicht einzusehen ist, warum der Aktionär die Klage auf Nichtigerklärung nur unter der Prozeßvoraussetzung vorheriger Aufforderung an die Gesellschaft, die Nichtigkeit binnen drei Monaten zu beheben, sollte erheben, dieser aber einredeweise ohne diese Erschwerung sollte geltend machen können. Außerdem ist diese in der erwähnten Reichsgerichtsentscheidung vertretene Reditsauffassung geeignet, ganz unklare Verhältnisse zu schaffen. Es kann sein, daß der eine Aktionär sich mit Erfolg weigert, der andere nicht, während das Nichtigkeitsurteil gleichzeitig Klarheit für alle Aktionäre schafft. Wie könnte ferner auch die Gesellschaft, die infolge der Einrede vor Ablauf der Dreijahresfrist abgewiesen wird, nachträglich zu einem Urteil kommen, wenn die Dreijahresfrist verstreicht, ohne daß von irgendeiner Seite Klage auf Nichtigerklärung erhoben wird? Es wäre also nur eine „Abweisung zur Zeit" denkbar. Wann aber wäre die „Zeit" abgelaufen, nach der neue Klage erhoben werden könnte? In den Fällen, in denen noch nach Ablauf der drei Jahre Löschung von Amts wegen erfolgen kann (Abs. 3, § 144 FGG)? Wir sind aus allen diesen Gründen der Ansicht, daß der Aktionär nur durch Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung seine Verpflichtung zur Vollzahlung bekämpfen kann, nicht einredeweise (ebenso Barz in Großkomm. § 216 AktG 37 Anm. 5). Von diesem Standpunkt aus ergibt sich auch von selbst, daß er, wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, zur Vollzahlung, nicht nur in beschränktem Umfange, wie gemäß § 277 I I I nach einem Nichtigkeitsurteil, sondern unbeschränkt verpflichtet ist. Wer ihm die Einrede der Nichtigkeit gibt, wird zu dem Ergebnis kommen, daß der Vorstand geltend machen kann, daß die Zahlung ganz oder teilweise zur Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen erforderlich ist; denn auch hier kann es nicht sein, daß das Nichtigkeitsurteil erst die Verpflichtung begründet und der Vorstand erst ein Nichtigkeitsurteil erwirken muß, um durch Einforderung der Einzahlungen in die Lage zu kommen, die Verpflichtungen der Gesellschaft zu erfüllen, deren Rechtsbeständigkeit das 1514

Klage auf Nichtigerklärung

§275

Anm. 5—8

Gesetz anordnet, ohne daß es auf den Zeitpunkt ankäme, zu dem sie begründet worden sind. Auch die Gleichmäßigkeit der Einforderung müßte darunter leiden, wenn die Nichtigkeit einredeweise geltend gemacht werden könnte. Bis zum Nichtigkeitsurteil ist der Aktionär wie zur Einlage audi zu den satzungsmäßigen Nebenleistungen nach § 55 verpflichtet. 2. des "Vorstandes Anm. 6: Was sodann die Rechtsstellung des Vorstandes betrifft, so ergibt sich schon aus Vorstehendem, daß ihm nicht nur die Vertretung nach außen (§ 277 II) obliegt, sondern auch nach innen eine ganze Reihe von Aufgaben und Befugnissen zustehen. Er beruft wirksam die Hauptversammlung und meldet auch deren Beschlüsse, soweit sie eintragungsbedürftig sind, zum Handelsregister an (§ 277 I und § 276). Er zieht die Einlagen ein und er führt die Geschäfte der Gesellschaft, nicht nur tatsächlich, sondern auch befugterweise, denn wer soll denn befugt sein, sie zu führen und das doch vorhandene aus den Mindesteinzahlungen herrührende Gesellschaftsvermögen zu verwalten? Es kann davon keine Rede sein, daß er diese Verwaltung nur als Geschäftsführer ohne Auftrag und unbefugt führt, denn er wird vom Aufsichtsrat bestellt, und zwar gültig. Der von diesem mit ihm geschlossene höchstens fünfjährige Vertrag ist rechtswirksam. Er hat Anspruch auf Gehalt, er untersteht der Aufsicht des Aufsichtsrates, er haftet für die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters. 3. des Aufsichtsrates Anm. 7: Dasselbe gilt vom Aufsichtsrat, der, da das Gesetz einen Vorstand voraussetzt, welcher gesetzliche Aufgaben zu erfüllen hat, auch gesetzlich befugt und verpflichtet ist, den Vorstand zu bestellen und ihn gültig bestellt. Es ist nicht anzunehmen, daß das Gesetz den so gültig bestellten Vorstand im Falle der Nichtigkeit der Gesellschaft unüberwacht die Geschäfte führen läßt und ihn von der Überwachung durch den Aufsichtsrat freistellen will. Der Aufsichtsrat hat also neben dem Recht und der Pflicht, den Vorstand zu bestellen, auch die sich daran knüpfende regelmäßige Pflicht, -den von ihm bestellten Vorstand zu überwachen. Auch die Jahresabschlüsse, die vom Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt worden sind, sind gültig. 4. der Hauptversammlung Anm. 8: Was endlich die Häuptversammlungsbeschlüsse betrifft, so ist schon darauf hingewiesen worden, daß gewisse Beschlüsse vom Gesetz vorausgesetzt werden, also gültig müssen gefaßt werden können. Es fragt sich, ob auch andere Beschlüsse, welche die Hauptversammlung faßt, die vom Gesetz nicht vorausgesetzt werden, z. B. Nachgründungs-, Kapitalerhöhungs- oder -herab1515

§ 275

Anm. 8,9

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

setzungsbeschlüsse, insbesondere aber Gewinnverwendungsbeschlüsse, gültig sind. Wir stehen nicht an, auch diese Frage zu bejahen, sowohl für den Fall nachträglicher Vernichtung der Gesellschaft durch Urteil oder Löschung wie für den Fall ihrer Heilung durch Beschluß oder Zeitablauf. Wir gehen dabei zunächst von letzterer aus, bei der es vielleicht niemals jemandem zu Bewußtsein kommt, daß die Gesellschaft einen Zustand der Nichtigkeit durchgemacht hat. Es ist doch nicht vorstellbar, daß die Beschlüsse, die innerhalb der Dreijahresfrist gefaßt werden, z. B. über Gewinnverwendung — bei den eingetragenen Beschlüssen kommt § 242 zu Hilfe — trotzdem dauernd nichtig sein sollen, oder sollen sie alle schwebend unwirksam sein, je nachdem, ob die Klage auf Nichtigerklärung erfolgreich erhoben wird oder nicht, also durch eine unter Umständen dreijährige Schwebezeit hindurch, die in den Fällen des § 144 FGG niemals sicher beendet wäre, während für die Anfechtungsklage nur eine einmonatige Schwebezeit als erträglich angesehen wird? Oder werden sie etwa gar gerade durch die erfolgreiche Nichtigkeitsklage bestätigt, die ja die Gesellschaft in den Zustand einer rechtsbeständigen, wenn auch aufgelösten Gesellschaft überführt? Die Beschlüsse mögen alle anfechtbar sein, vorausgesetzt, daß mit der Anfechtungsklage gegen den Beschluß gleichzeitig die Klage auf Nichtigerklärung gegen die Gesellschaft erhoben wird, aber unerträglich würde es sein, wenn die Beschlüsse der Hauptversammlung je nach ihrem Gegenstand, gültig oder nicht, dazu nach § 242 heilbar oder nicht, und letzterenfalls dauernd oder Jahre hindurch oder immer schwebend unwirksam sein sollten. 5. der Gesellschaft allgemein Anm. 9: Wir kommen sonach zu dem Schluß, daß die nichtige Gesellschaft bis zu ihrer Nichtigkeitserklärung durch Urteil oder ihre Löschung eine ordentliche bestehende Gesellschaft ist (im wesentlichen ebenso, im Gegensatz früherer Rechtsprechung RG 114, 77; das für eine Genossenschaft ergangene RG-Urteil RG 148, 225; ebenso Teichmann-Köhler §216 Anm. 5 a und b; Baumbach-Hueck Rn 10; Möhring-Tank Teil I Rz 594; Barz in Großkomm. § 216 AktG 37 Anm. 9). Rechtsprechung und Rechtslehre haben den Begriff „der faktischen Gesellschaft'' entwickelt, der hier zur Anwendung gelangt (Siebert in MDR 1952, 287 ff.; Fischer in N J W 1955, 849; BGH 3, 285; 13, 323). Selbstverständlich haben die vorstehenden Ausführungen alle zur Voraussetzung, daß die Eintragung selbst gültig gewesen ist und nicht etwa selbst nichtig ist. Der Fall einer ordnungsmäßig begründeten, aber nichtig eingetragenen oder einer nichtig begründeten und nichtig eingetragenen Gesellschaft ist vom Gesetz nicht geregelt. Er hat sich bisher nicht ereignet. Weil wir hoffen, daß er sich nicht ereignen wird, sehen wir von Ausführungen darüber ab, die den Rahmen dieses Buches, das dem praktischen Bedürfnis dienen soll, überschreiten müßten. Auch der Fall ist hier nicht geregelt, daß 1516

Klage auf Nichtigerklärung

§ 275 Anm.9,10

die Gesellschaft nicht eingetragen worden ist; dies kann darauf beruhen, daß die Eintragung versagt oder nicht nachgesucht wurde. In beiden Fällen kann die Gründungsgesellschaft als solche gültig oder nichtig gewesen sein. V. Voraussetzungen der Nichtigkeit Anm. 10: Niditigkeit der Gesellschaft liegt nur vor, wenn folgende Bestimmungen der Satzung fehlen: a) über den Gegenstand, z. B. wenn der Gegenstand gesetzlich verboten ist, nicht aber schon dann, wenn zum Betrieb des Unternehmens eine behördliche Konzession erforderlich wäre; Nichtigkeit kann ferner gegeben sein, wenn der Gegenstand zu ungenau bestimmt ist; b) über die Höhe des Grundkapitals, z. B. wenn der Mindestnennbetrag des § 7 nicht gewahrt ist oder das Grundkapital auf ausländische Währung lautet. Ferner kann Klage auf Nichtigerklärung erhoben werden, wenn die Bestimmungen über die Höhe des Grundkapitals nichtig sind. Nichtige Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens begründen dagegen eine solche Klage nicht. Bis zum Koordinierungsgesetz von 1969 begründete das Fehlen oder die Nichtigkeit jeder nach § 23 I I I wesentlichen Bestimmungen der Satzung die Klage auf Nichtigerklärung. Dies ist heute auf die Ziff. 2 und 3 des § 23 I I I beschränkt und wegen Ziff. 3 auch nur auf deren Fehlen. Die Amtslöschung nach § 144 FGG besteht nach wie vor. Für die Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft ist bei Fehlen oder Nichtigkeit eine Folge nicht mehr normiert. Für die nach § 23 I I I Ziff. 1 und 4 wesentlichen Bestimmungen der Satzung ist hinsichtlich ihres Fehlens oder ihrer Nichtigkeit ein besonderes Verfahren in § 144 a FGG festgelegt worden. Danach hat das Registergericht, und zwar ohne daß es eines Antrages bedürfte von Amts wegen bei Feststellung eines Mangels die Gesellschaft zur Behebung dieses Mangels eine Frist zu setzen. Hierbei muß es die Gesellschaft darauf hinweisen, daß nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Gesellschaft nach § 262 I Nr. 5, § 289 II Abs. 2 aufgelöst wird. Die Gesellschaft kann, wenn sie den Mangel nicht behebt, dieses Unterlassen durch Widerspruch gegen die Verfügung rechtfertigen. Es schließt sich dann ein Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Verfügung an. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde gegeben (s. B.-H. Erg.Bd. § 275 Rn. 7). Behebt die Gesellschaft den Mangel nicht und erhebt auch keinen Widerspruch oder ist dieser rechtskräftig zurückgewiesen, so wird der Mangel der Satzung durch das Gericht festgestellt. Hiergegen ist die sofortige Beschwerde gegeben. Erfolgt die Feststellung aufgrund rechtskräftiger Zurückweisung des Widerspruchs, ist die Feststellung nicht mehr angreifbar, da über die 1517

§ 275 Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft Anm. 10—12 Rechtmäßigkeit bereits im Verfahren über den Widerspruch entschieden worden ist (a. A. offenbar B.-H. Erg.Bd. § 275 Rn. 8). Wird die Feststellung rechtskräftig, tritt Abwicklung ein (§ 262 I Nr. 5). Sind über andere Punkte (z. B. Bestellung des Vorstands, Form der Berufung der Hauptversammlung) unzulässige Bestimmungen getroffen, so sind zwar diese nichtig, aber nicht der übrige Inhalt der Satzung, § 139 BGB ist nicht anzuwenden. Es werden also davon die in § 23 III aufgeführten notwendigen Satzungsbestimmungen nicht in Mitleidenschaft gezogen, so daß Klage auf Nichtigerklärung nicht erhoben werden kann. Über Heilung vgl. § 276. Sind die Bestimmungen über das Grundkapital nichtig, kann zwar die Nichtigkeit durch Satzungsänderung nicht geheilt werden, die Geltendmachung der Nichtigkeit wird jedoch dadurch weiter beschränkt, daß die Klage nur binnen drei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft erhoben werden kann. Allerdings kann das Registergericht auch nach Ablauf dieser Frist die Nichtigkeit eintragen. Die Voraussetzungen hierfür sind nach § 144 II FGG, wenn die gesetzlichen Bestimmungen über das Grundkapital verletzt sind, gegeben. Anm. 11: Trotz des zweiten Satzes des Abs. 1 bleibt die Frage offen, ob Mängel der Beurkundung des Gründungsvertrages die Nichtigkeit der Gesellschaft herbeiführen, ob also die in Abs. 1 angeführten notwendigen Bestimmungen des § 23 III, Nr. 2 oder 3, sei es als überhaupt nicht getroffen, sei es als nichtig wegen Formfehlers anzusehen sind, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht ordnungsgemäß beurkundet worden ist. Wir sind der Ansicht, daß eine Klage auf Nichtigerklärung nur dann gegeben sein soll, wenn die Bestimmungen des § 23 III Nr. 2 oder 3 fehlen, d. h.: sind in der Satzung die Bestimmungen enthalten und ihrem Inhalt nach rechtswirksam, dann kommt eine Klage nach § 275 nicht in Betracht, gleichgültig, ob die Satzung als solche ungültig ist — z. B. wegen Willensmängel, fehlender Beurkundung oder aus sonstigen Gründen — oder nicht (Barz in Großkomm. § 216 AktG 37 Anm. 3; Baumbach-Hueck Rn. 2; a. A. Sdil.-Qu. § 216 Anm. 3).

VI. Klageberechtigte Anm. 12: Die Nichtigkeit kann nur klageweise von jedem Aktionär und von jedem Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates — nicht von Dritten — geltend gemacht werden. Nicht der Vorstand und der Aufsichtsrat als Organ sind klageberechtigt, sondern immer nur die einzelnen Mitglieder. Selbstverständlich können sich sämtliche Mitglieder zusammenschließen. Eine Verpflichtung zur Klageerhebung besteht für niemand, auch nicht für ein Mitglied des Vorstandes (abw. B.-H. Rn 10). 1518

Klage auf Nichtigerklärung

§275

Anm. 13—15

VII. Klage auf Nichtigerklärung 1. Gründe Anm. 13: Auf andere Gründe, als die in Abs. 1 (Anm. 10 u. 11) aufgeführten, kann die Nichtigkeit nicht gestützt werden. Dies war nach HGB äußerst streitig. Das Reichsgericht hat sich bereits in seiner Entscheidung in Band 114, 77 auf diesen Standpunkt gestellt. Es ist auch kein Nichtigkeitsgrund, wenn die Gesellschaft ohne eine vorgeschriebene Genehmigung eingetragen worden ist; sie ist dann nadi § 14 HGB, 407 anzuhalten, diese nachzubringen. 2. Aufforderung zur Beseitigung des Mangels Anm. 14: In den Fällen, in denen die Nichtigkeit gemäß § 276 durch Satzungsänderung heilbar ist, kann die Klage auf Nichtigerklärung nicht ohne weiteres erhoben werden. Vielmehr ist Klagevoraussetzung, daß ein Klageberechtigter, wenn auch nicht gerade der Kläger, die Gesellschaft aufgefordert hat, den Mangel zu beseitigen und daß seit dieser Aufforderung drei Monate ergebnislos verstrichen sind. Auch hier ist der Vorstand vertretungsberechtigt für den Empfang der Aufforderung, für die eine Form nicht vorgeschrieben ist. Eine ohne Aufforderung oder vor Ablauf der Dreimonatsfrist erhobene, d. h. zugestellte Klage ist als unzulässig abzuweisen (zustimmend MöhringTank I Rz. 595; Ritter §216 Anm. 3). Nimmt die Gesellschaft später als drei Monate nach der Aufforderung die Satzungsänderung vor und ist diese spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetragen, so ist die Klage auf Nichtigerklärung ebenfalls abzuweisen, jedoch kann der Kläger die Hauptsache für erledigt erklären lassen. In diesem Fall würden die Gesellschaft die Prozeßkosten treffen. 3. Frist Anm. 15: Die Klage muß binnen drei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft erhoben werden. Erhoben ist die Klage mit der Zustellung an mindestens je ein Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrates, es sei denn eines der Mitglieder dieser Organe hat die Klage erhoben, dann wird die Gesellschaft vom jeweils anderen Organ vertreten, so daß die Zustellung an ein Mitglied dieses Organs genügt. Die Frist des Abs. 2 hat auf den Ablauf der Frist des Abs. 3 keinen Einfluß, würde also z. B. zwei Jahre, 10 Monate nach Eintragimg der Gesellschaft ein Nichtigkeitsgrund entdeckt, der nach § 276 heilbar ist, so kann die Frist von 3 Monaten, während welcher der Mangel zu beheben ist, nicht mehr eingehalten werden. Gleichwohl ist Klage möglich, wenn gleichzeitig die Gesellschaft zur Behebung des Mangels aufgefordert wird. Der Kläger trägt allerdings insoweit das Prozeßrisiko, als der Mangel innerhalb der Frist von 3 Monaten behoben werden kann. Wird der Mangel aber nicht behoben, so hat der Kläger nach Ablauf dieser Frist die Klagevoraussetzungen erfüllt. Da eine gegenteilige Ansicht zu einer unzu1519

§ 275 Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft Anm. 15,16 lässigen Abkürzung der Dreijahresfrist führen würde, muß in diesem Falle Klageerhebung vor Ablauf der Dreimonatsfrist zulässig sein. Die Frist kann natürlich durch Parteivereinbarung weder verlängert noch abgekürzt werden, ihr Ablauf ist von Amts wegen zu beaditen. Der Fristablauf hat, auch wenn ein nach § 276 nicht heilbarer Nichtigkeitsgrund vorliegt, die Wirkung der Heilung der Gesellschaft in dem Sinne, daß fortan ihre Nichtigkeit von niemand mehr geltend gemacht werden kann, weder durch Klage noch incidenter. Es hätte wenig zu bedeuten, wenn nur die Nichtigkeitsklage der Organmitglieder oder Aktionäre ausgeschlossen wäre. Da das Gesetz mit deren Ausschluß — vorbehaltlich Anm. 16 — offenbar jede Geltendmachung der Nichtigkeit ausschließen und die Gesellschaft auf gesunde Beine stellen wollte, ergibt sich, daß sie auch vorher nur durch eine solche Klage gefährdet war, also von einem Dritten oder in anderer Weise ihre Nichtigkeit nicht geltend gemacht werden konnte, auch nicht durch Einrede und Widerklage. Dies geht auch daraus hervor, daß § 249 II S. 2 nicht für anwendbar erklärt ist. Dritte sind darauf angewiesen, das Amtslöschungsverfahren anzuregen. Geheilt wird nur die Gesellschaft, nicht die nichtige Bestimmung, wie ja auch die fehlende Satzungsbestimmung nicht durch Zeitablauf ersetzt wird. Es muß also auch dann noch ein Beschluß nach § 276 gefaßt werden. V m . Löschung von Amts wegen Anm. 16: Auch noch nach Ablauf der Dreijahresfrist des Abs. 3 kann — d. h., es ist dazu befugt und nach pflichtmäßigem Ermessen dazu verpflichtet — das Registergericht oder das Landgericht von Amts wegen gemäß §§ 142, 144 FGG die Gesellschaft löschen, wenn die Voraussetzungen der Nichtigkeitsklage nach § 275 vorliegen. Da das Registergericht eine von materiellem Recht anerkannte Gesellschaft nicht löschen kann, kommt auch für die Löschung durch das Registergericht ein Mangel als Löschungsgrund nur in Betracht, wenn er unter § 275 fällt; dagegen können Mängel des Eintragungsverfahrens vor dem Registergericht zu einer Löschung nach § 142 FGG führen (z. B. wenn gar kein Eintragungsantrag gestellt war, die Versicherung nach § 37 fehlte). Das Gericht hat die Beteiligte, also die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihr eine angemessene Frist von mindestens drei Monaten zur Geltendmachung eines Widerspruchs zu setzen (§§ 142, 144 III FGG). Handelt es sich um Mängel, die nach § 276 heilbar sind, so kann in der Zwischenzeit von der Gesellschaft die Satzung geändert oder ergänzt werden. Durch die richterliche Frist ist die Frist des Abs. 2 ersetzt. Das Verfahren vor dem Registergericht ist nicht von dem Antrag oder der Anregung eines nach Abs. 2 Klageberechtigten abhängig. Gegen die Entscheidung des Registergerichts ist Beschwerde und weitere Beschwerde zulässig. Die Löschung darf erst erfolgen, wenn ein Widerspruch nicht erhoben ist oder der erhobene Widerspruch 1520

Klage auf Nichtigerklärung

§275 Anm. 16—19

rechtskräftig zurückgewiesen ist. Dieses Verfahren kann, da es sich um ein Einschreiten von Amts wegen handelt, von jedermann, insbesondere auch von den Organen des Handelsstandes, angeregt werden. Das Verfahren kann auch auf Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften entsprechend angewandt werden. Nach RG in JW 35, 424 ist es bei nachträglicher Nichtigkeit nicht anwendbar; hiergegen die herrschende Ansicht. Die Löschung führt nicht Vollbeendigung, sondern Auflösung der Gesellschaft herbei. IX. Anzuwendende Vorschriften Anm. 17: Für die Klage auf Nichtigerklärung gelten die Bestimmungen über die Anfechtungsklage §§ 246 bis 249, sie ist gegen die Gesellschaft zu richten, die durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird. Klagt der Vorstand oder ein Vorstandsmitglied, vertritt der Aufsichtsrat allein, klagt dieser oder eines seiner Mitglieder, der Vorstand allein (§ 246 II). Ausschließlich zuständig ist das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat — § 246 III —. Der Vorstand hat die Klageerhebung und den Termin zur mündlichen Verhandlung in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen (§ 246 IV), Streitwert: § 247 I. Mehrere Klagen auf Nichtigerklärung sind zu verbinden (§ 249 II). Das rechtskräftige Urteil, welches die Gesellschaft für nichtig erklärt, wirkt — aber erst durch seine Eintragung (§ 277) — für und gegen alle Aktionäre sowie die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, auch wenn sie nicht Partei sind (§248 S. 1); nicht so auch das klageabweisende Urteil, es greift dem Ergebnis einer weiteren innerhalb der dreijährigen Frist zugestellten Klage nicht vor, die mit der vorangegangenen nicht mehr hat verbunden werden können. X. Einreichung zum Handelsregister Anm. 18: Von der Klage hat der Vorstand eine beglaubigte Abschrift dem Handelsregister einzureichen; ebenso ist das rechtskräftige Urteil — gleichgültig, wie es ausgefallen ist — dem Handelsregister einzureichen, und zwar eine Ausfertigung — und nicht wie bisher eine beglaubigte Abschrift —. Spricht das Urteil die Nichtigkeit der Gesellschaft aus, so ist dies im Handelsregister einzutragen. Nach bisherigem Recht war „das Urteil" einzutragen, worunter auch ein klageabweisendes zu verstehen ist, was jedoch nicht gemeint war. XI. Nachträgliche Nichtigkeit Anm. 19: Die herrschende Ansicht läßt die Klage auf Nichtigerklärung und die Löschung von Amts wegen auch bei nachträglicher Nichtigkeit zu (vgl. B.-H. Rn 5; Schl.-Q. §216 Anm. 4; Barz in Großkomm. §216 AktG 37 Anm. 4). Nach unserer Ansicht kann nur eine einzelne Satzungsbestimmung 1521

§§ 275/276

Anm. 19/1—3

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

nachträglich nichtig werden, mag sie durch Satzungsänderung eingeführt worden sein (Nichtigkeitsklage gegen den satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluß) oder nachträglich unzulässig geworden sein, nicht aber wird die ganze Satzung nichtig.

§ 276 Heilung von Mängeln Ein Mangel, der die Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens betrifft, kann unter Beachtung der Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen geheilt werden. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit wenigen Änderungen die Bestimmungen des bisherigen § 217 AktG 37 und ist durch das Koordinierungsgesetz vom 15. 8.1969 entsprechend den neuen Bestimmungen des § 275 I auf Mängel der Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens beschränkt worden. Geändert ist zunächst die Überschrift, da nach Ansicht des Gesetzgebers nicht die Nichtigkeit, sondern die Mängel geheilt werden können. Man mag über die sprachliche Richtigkeit streiten, was hier jedoch nicht interessiert. Es ist ausgeführt worden, welche Vorschriften über Satzungsänderungen beachtet werden müssen, nämlich sowohl die des Gesetzes als auch die der Satzung (s. Anm. 3). Anm. 2: Von der Heilbarkeit der Mängel ist zu unterscheiden die Erschwerung ihrer Geltendmachung, die darin liegt, daß nach § 275 Abs. 3 die Klage auf Nichtigerklärung nach Ablauf von 3 Jahren nicht mehr erhoben werden kann. Durch Ablauf dieser Frist wird die Nichtigkeit nicht geheilt, denn sie kann noch immer von Amts wegen über FGG (§§ 142, 144) eingetragen werden, sie kann aber nicht mehr von jedem Aktionär geltend gemacht werden, auch nicht im Wege der Einrede. Anm. 3: Die Heilung nach § 276 hat zur Folge, daß die Nichtigkeit vollkommen beseitigt wird. Es kann also auch keine Löschung von Amts wegen mehr erfolgen. Notwendig zur Heilung ist eine Satzungsänderung nach den Bestimmungen der §§ 179 bis 181. Trotz der Nichtigkeit der Satzung gelten für den Beschluß etwa für den Fall der Satzungsänderung vorhandene Satzungsbestimmungen. Dies war bisher streitig; vereinzelt wurde die Ansicht vertreten, daß die Bestimmungen einer mit dem Mangel der Nichtigkeit behafteten Satzung nicht auf den Beschluß der Hauptversammlung nach § 276 angewendet werden könnten. Das Gesetz folgt aber der bereits bisher herrschenden Ansicht und erklärt ausdrücklich die Satzungsbestimmungen für 1522

Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit

§§ 276/277 Anm. 3,4

anwendbar. Notwendig ist mithin ein Beschluß der Hauptversammlung, er muß die fehlenden bzw. nichtigen Bestimmungen nunmehr in gültiger Form treffen. Der Beschluß bedarf der in § 179 bestimmten Mehrheit und zu seiner Wirksamkeit der Eintragung (§181). Anm. 4: Eine Frist ist für den satzungsändernden Beschluß nicht vorgesehen, er wird erst durch die Eintragung wirksam (§ 181 III). Ergeht nach diesem Zeitpunkt ein Urteil auf Nichtigerklärung, gegen das ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist und findet seine Eintragung im Handelsregister statt (§ 277 I), die der Vorstand zwar nicht beantragen, aber durch Einreichung des Urteils herbeiführen muß (§ 275 IV S. 2), so wird eine Wiederholung der Heilung notwendig, da das Urteil nach seiner Eintragung trotz der eingetragenen Heilung für und gegen alle wirkt; denn es ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, daß die Frist nach § 275 II, welche auf Aufforderung eines einzelnen Klägers vor Erhebung seiner Klage, die zu dem Niditigkeitsurteil geführt hat, in Lauf gesetzt wurde, gegen die Gesellschaft als Ausschluß-! frist wirkt, so daß sie nach Versäumung der Frist die Heilung überhaupt nicht mehr beschließen könnte. Dies wäre so außergewöhnlich, daß es ohne ausdrückliche Vorschrift nicht angenommen werden kann. Dasselbe gilt auch für den Fall, daß vor Eintragung des satzungsändernden Beschlusses ein Urteil auf Nichtigerklärung ergangen und eingetragen worden ist (§ 277 I, § 274). In beiden Fällen muß zugleich mit dem (bzw. wiederholten) Heilungsbeschluß ein Beschluß über Fortsetzung der Gesellschaft gefaßt werden (§§ 277 I, 274), denn das Nichtigkeitsurteil schließt nicht aus, daß die Heilung beschlossen wird. Die Folgen, die es nach § 277 I hat, können durch einen Fortsetzungsbeschluß behoben werden, solange nicht mit der Verteilung begonnen war. Dasselbe gilt von der Löschung von Amts wegen; gegen eine entsprechende Anwendung des § 274 bestehen keine Bedenken (§ 262 II); siehe Anm. 5 zu § 277.

§ 277 Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit (1) Ist die Nichtigkeit einer Gesellschaft auf Grund rechtskräftigen Urteils oder einer Entscheidung des Registergerichts in das Handelsregister eingetragen, so findet die Abwicklung nach den Vorschriften Ober die Abwicklung bei Auflösung statt. (2) Die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtsgeschäfte wird durch die Nichtigkeit nicht berührt. (3) Die Gesellschafter haben die Einlagen zu leisten, soweit es zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten nötig ist. 1523

§ 277

Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft

Anm. 1—3 Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt wörtlich die Bestimmungen des bisherigem § 218 AktG 37 und regelt die Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit, welche aufgrund § 275IV stattfindet. Dieselbe Wirkung hat die Amtslöschung. Welche Wirkungen die Nichtigkeit vor der Eintragung hat, sagt das Gesetz nicht. Nach unserer Ansicht ist die Nichtigkeit vor der Eintragung nach innen und außen wirkungslos. Die einzige Wirkung besteht darin, daß die Beteiligten die Möglichkeit haben, durch Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung die Eintragung der Nichtigkeit zu erzwingen (vgl. ausführlich hierzu § 275 Anm. 1 bis 9). Die Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit (Amtslöschung) besteht in der Auflösung. Absonderlicherweise hat nicht das für und gegen jedermann wirkende rechtskräftige Nichtigkeitsurteil diese Wirkung, sondern nach dem Gesetzeswortlaut und der ihm folgenden herrschenden Meinung, der wir uns anschließen, erst die Eintragung. Nach der Eintragung der Nichtigkeit hat die Abwicklung der Gesellschaft stattzufinden. Es wird ausdrücklich festgestellt, daß die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtsgeschäfte durch die Nichtigkeit nicht berührt wird. Trotz der Nichtigkeit sind die Gesellschafter verpflichtet, die Einlagen zu leisten, aber nur soweit, als es zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft notwendig ist. Dieser Grundsatz gilt bei der Abwicklung allgemein, wenn er auch sonst im Gesetz nicht zum Ausdruck gekommen ist. § 277 dürfte entsprechend anzuwenden sein, wenn die Eintragung als solche selbst nichtig ist und von Amts wegen gelöscht wird. Anm. 2: Die Eintragung der Nichtigkeit einer Gesellschaft im Handelsregister erfolgt stets von Amts wegen, und zwar entweder auf Grund eines rechtskräftigen Urteils, das vom Vorstand gemäß § 275 IV einzureichen ist (Ordnungsstrafverfahren gemäß § 14 HGB möglich) oder nach vorausgegangenem Verfahren gemäß § 144 FGG. Ist die Nichtigkeit eingetragen, so findet die Abwicklung der Gesellschaft statt, als sei diese aufgelöst. Es gelten die §§ 262 bis 274. Anm. 3: Die Abwickler haben, ebenso wie bei der Abwicklung einer aufgelösten Gesellschaft, die laufenden Geschäfte zu beenden. Sie können sich dabei nidit darauf berufen, daß die Gesellschaft bei Abschluß der Geschäfte nichtig und mithin nicht in der Lage war, im Rechtsleben aufzutreten. Solange die Gesellschaft eingetragen ist, ist sie auch in der Lage, Rechtsgeschäfte einzugehen. Weder sie noch ihr Vertragsgegner kann sich auf die Nichtigkeit berufen, und zwar auch dann nicht, wenn letzterer die Nichtigkeit erkannte, auch nicht, wenn er Kenntnis von dem rechtskräftigen nichtigen Urteil hatte. 1524

Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit

§ 277 Amn. 4,5 Anm. 4: Die Gesellschafter haben die Einlagen nur insoweit zu leisten, als es zur Erfüllung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft erforderlich ist. Da diese Bestimmung ausschließlich für die Zeit nach der Eintragung der Nichtigkeit gilt, findet die Bestimmung keine Anwendung für die Zeit vor der Eintragung. Nach unserer Ansicht sind in dieser Zeit die Gesellschafter ebenso verpflichtet, ihre Einlagen zu leisten, wie dies die Gesellschafter einer nicht nichtigen Gesellschaft sind (s. Anm. 5 zu § 275). Anm. 5: Die Eintragung des Nichtigkeitsurteils schließt wohl eine nachträgliche Heilung durch Zeitablauf, aber nicht durch Heilungsbeschluß aus. Aus Abs. 1 ist dies nidit abzuleiten, die unbedenklich zulässige entsprechende Anwendung (§ 262 II) von § 274 ergibt in Verbindung mit Abs. 1 die Möglichkeit, auch nach der Eintragung des Nichtigkeitsurteils durch Heilungsund durch Fortsetzungsbeschluß die Gesellschaft noch auf die Beine zu bringen, solange mit der Vermögensverteilung nicht begonnen war (s. audi die Erläuterungen zu § 276).

1525

ZWEITES BUCH

Kommanditgesellschaft auf Aktien § 278 Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien (1) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet (persönlich haftender Gesellschafter) und die übrigen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre). (2) Das Rechtsverhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre sowie gegenüber Dritten, namentlich die Befugnis der persönlich haftenden Gesellschafter zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft, bestimmt sich nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft. (3) Im übrigen gelten für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, soweit sich aus den folgenden Vorschriften oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt, die Vorschriften des Ersten Budis über die Aktiengesellschaft sinngemäß. I Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Juristische Person (Anm. 3) III. Persönlich haftender Gesellschafter 1. Unbeschränkte Haftung (Anm. 4 u. 5) 2. Persönliche Voraussetzung (Anm. 6) 3. Ein- und Austritt (Anm. 7) IV. Kommanditaktionär (Anm. 8) V. Grundkapital (Anm. 9) VI. Anzuwendende Vorschriften des HGB

1. Allgemeines (Anm. 10) 2. Verhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander (Anm. 11) 3. Verhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Anm. 12) 4. Vertretungsmacht (Anm. 13) VII. Anzuwendende Vorschriften des Aktiengesetzes (Anm. 14)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmung des bisherigen § 219 AktG 37 mit nur einer Änderung: 1526

Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien

§ 278

Anm. 1,2

Es ist nicht mehr bestimmt, daß die Beteiligung in Einlagen besteht. Diese Änderung ist auch bei § 1 vorgenommen worden und ist in der Einfügung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 bis 220) begründet, wonach die Aktionäre eine Beteiligung erhalten, ohne hierauf Einlagen zu leisten. Bei der Gründung einer Gesellschaft ist eine Beteiligung jedoch nur gegen Leistung von Einlagen denkbar, weswegen dies im § 2 für die Aktiengesellschaft und im § 280 II für die KG auf Aktien ausdrücklich gesagt ist. Anm. 2; Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist ein Zwitter von Personal- und Kapitalgesellschaft individualistischer und kollektivistischer Unternehmungsform, wenigstens auf dem Papier, wenn sie auch in den Formen ihrer praktischen Erscheinung überwiegend, ja fast ausschließlich die Merkmale der Kapitalgesellschaft aufweist. Ursprünglich stand die Kommanditgesellschaft auf Aktien der ordentlichen Kommanditgesellschaft sehr nahe, aus der sie hervorgegangen war. Heute steht sie der Aktiengesellschaft sehr viel näher als jener. Diese Entwicklung ist sogar durch das Aktiengesetz dadurch noch verschärft worden, daß sie ausdrücklich zur juristischen Person erklärt worden ist (Abs. 1). Die Rechtsform ist ursprünglich zur Zeit des Konzessionszwanges für Aktiengesellschaften geschaffen worden, der für Kommanditgesellschaften auf Aktien deshalb nicht gegolten hat, weil sie als Abwandlungen der Kommanditgesellschaft angesehen worden sind. Die Gesetzgebung nach Aufhebung des Konzessionszwanges hielt ursprünglich noch an der Herkunft von der Kommanditgesellschaft fest. Noch die Novelle von 1884 dachte sich das Zustandekommen einer Kommanditgesellschaft auf Aktien so, daß der Inhaber eines Unternehmens für dieses fremde Kapitalien in Form von Aktien hereinnahm, „Kapitalisten um sich sammelte", etwa so, als wenn er sie an Stelle von Obligationen ausgeben würde. Das Aktiengesetz von 1937 hat die Kommanditgesellschaft auf Aktien, obwohl ihre Anwendung bei der gekennzeichneten Entwicklung stetig weiter zurückgegangen ist, dennoch beibehalten, weil zweifellos ist, daß sie theoretisch der damaligen Weltanschauung mehr zusagte, als die Form der Aktiengesellschaft, die meist an Haupt und Gliedern aus Leuten besteht, von denen niemand viel riskieren will. Aber das Gesetz hat gleichwohl auch diese Unternehmungsform im Sinne der kapitalistischen Wirtschaftsform ausgebaut und die Voraussetzungen für eine größere Verbreitung nicht geschaffen. Für Monsterunternehmungen ist sie nun einmal nicht angemessen; sie ist vielmehr gegeben für diejenigen Fälle, welche die Novelle von 1884 im Auge hatte, derart, daß ein mittlerer Unternehmer von einem größeren Personenkreis, möglichst in zersplitterten Beträgen, um Herr im eigenen Hause bleiben zu können, Kapitalien hereinzunehmen sucht. Diese Stellung ist indessen gerade durch die Änderungen, die durch das Gesetz von 1937 eingetreten sind, nicht ge1527

§ 278

Anm. 2,3

Kommanditgesellschaft auf Aktien

schaffen, vielmehr auch für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die der Aktiengesellschaft eigentümliche Trennung von Unternehmer und Betriebsinhaber zwingend vorgeschrieben worden. Eine Gestaltung, wie die Novelle von 1884 sich vorstellte, hat das Gesetz ausgeschaltet, indem es auch für die Kommanditgesellschaft auf Aktien das hohe Mindestgrundkapital von 500 000,— D M (jetzt 100 000,— DM) eingeführt hat, wobei wohlgemerkt die Einlage des persönlich haftenden Gesellschafters, also das Stammunternehmen, wenn ein solches von ihm eingebracht würde, nicht mitgerechnet wird. Der Gesetzgeber hat freilich auf eine Pflichteinlage des persönlich haftenden Gesellschafters verzichtet und die Vorbedingungen für die Einlagen noch obendrein dadurch ungünstig gestaltet, daß er der Kommanditgesellschaft auf Aktien ausdrücklich und zwingend die Rechtspersönlichkeit verlieh, was zur unabweislichen Folge hat, daß die Einlage des persönlich haftenden Gesellschafters in das Eigentum der juristischen Person übergehen muß und nicht Gesamthandseigentum des persönlich haftenden Gesellschafters und der juristischen Person sein kann. Auch die Aufnahme echter (nicht bloß schuldrechtlicher) Kommanditisten ist ausgeschlossen (s. Anm. 8 am Ende), wodurch die Rechtsform gleichfalls aus dem Anwendungsgebiet verdrängt wird, für das sie geschaffen wäre. So ist nach dem Gesetz nicht denkbar, daß ein Unternehmer, der Kapitalisten um sich gesammelt hat, sein Unternehmen in dieser Rechtsform auf seine Nachkommen vererbt, von welchen einer oder zwei als persönlich haftende Gesellschafter im Unternehmen tätig werden, während die übrigen als Kommanditisten neben den Kommanditaktionären beteiligt bleiben. Die Verbindung einer Vererbung des angestammten Unternehmens von Generation zu Generation innerhalb der Familie mit der Freizügigkeit des hereingenommenen beweglichen Kapitals, ist nach dem Gesetz ausgeschlossen. Auch das Aktiengesetz hat sonach aus dem Geschäftsinhaber einen Vorstand gemacht. Das neue Aktiengesetz hat insoweit an den Bestimmungen des alten Aktiengesetzes nichts geändert. Einen großen Anklang hat die K G a A nie gefunden. Dies wird sich auch durch das neue Gesetz schon insbesondere deswegen nicht ändern, weil die K G a A in konzernrechtlicher Hinsicht einer A G vollkommen gleichgestellt worden ist.

II. Juristische Person Anm. 3: Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist nach dem Vorbild der Aktiengesellschaft nach ausdrücklicher gesetzlicher, ihr Wesen bestimmender Vorschrift eine juristische Person, siehe hierzu die Erläuterungen zu § 1. Es folgt daraus, daß die Einlage des persönlich haftenden Gesellschafters in das Eigentum dieser juristischen Person übergeht. 1528

Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien

§ 278

Anm. 4,5

III. Personlich haftender Gesellschafter 1. Unbeschränkte Haftung Anm. 4: Notwendig ist, daß mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet. Die Satzung kann eine größere Mindestzahl persönlich haftender Gesellschafter vorschreiben. In der persönlichen Haftung eines oder mehrerer Gesellschafter liegt einer der Unterschiede zur Aktiengesellschaft, er ist zwar nach dem Gesetz wesentlich, aber nicht nach der inneren Natur der Dinge. Nach dieser wäre er wesentlich, wenn nicht die ursprüngliche Bedeutung dieser Haftung verwischt wäre. Ursprünglich, als die Kommanditgesellschaft auf Aktien noch als eine Sonderform der Kommanditgesellschaft galt und gedacht war, war diese Haftung nichts anderes, als die persönliche Haftung des offenen Handelsgesellschafters selbst, der „Kapitalisten um sich gesammelt hatte", was seine eigene unbeschränkte Haftung natürlich nicht hat berühren können. Heute ist die H a f tung nicht ursprünglich, tatsächlich oder gedanklich bei der Entstehung des Gesellschaftsverhältnisses zeitlich schon vorhanden, sondern zusätzlich. Die Haftung besteht heute gesamtschulderisch neben derjenigen der Gesellschaft als juristische Person. Die Vorschriften der §§ 420 ff. BGB sind anzuwenden. Auch die gesamtschuldnerische Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter neben derjenigen der mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten KGaA macht jene nicht zu Inhabern des Gewerbebetriebs; es folgt daraus nicht, daß der Gewerbebetrieb in ihrem Namen und unter ihrer Firma betrieben wurde. Die persönlich haftenden Gesellschafter sind aber trotzdem Kaufleute im Sinne des § 1 HGB, im Gegensatz zu den Vorstandsmitgliedern einer AG (so die herrschende Lehre: Barz in Großkomm. § 219 AktG 37 Anm. 7; Baumbach-Hueck Rn. 2; Würdinger in RGR-Komm. § 1 Anm. 13 d; Schl.Qu § 219 Anm. 9). Unterschiedlich zum Vorstand der AG, der im Gegensatz zu den persönlich haftenden Gesellschaftern seine Stellung von einem anderen Gesellschaftsorgan ableitet, haftet dieser mit seinem gesamten Vermögen, woraus sich seine eigene Kaufmannseigenschaft ableitet. Anm. 5: Die Haftung gegenüber den Gläubigern ist unbeschränkt und unbeschränkbar. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam (§ 128 HGB), es sei denn, daß sie im Einzelfall unmittelbar mit dem Dritten getroffen worden ist. Scheidet ein persönlich haftender Gesellschafter aus, verjähren die Ansprüche der Gläubiger gegen ihn in 5 Jahren nach seinem Austritt (§ 159 HGB). Die Gesellschaft ist verpflichtet, dem ausscheidenden, persönlich haftenden Gesellschafter von der Haftung für die Verpflichtungen der Gesellschaft zu befreien (§ 738 BGB), was nur durch Erfüllung oder durch Vereinbarung mit den Gläubigern möglich, also überaus lästig ist. Jedoch ist § 738 BGB nach1529

§ 278

Anm. 5—7

Kommanditgesellschaft auf Aktien

giebig; die Satzung kann also diese Verpflichtung ausschließen. Der Ausschluß kann sidiauch aus §§ 157,242 BGB ergeben. Der persönlich haftende Gesellschafter haftet aus demselben Reditsgrund wie KGaA gesamtschuldnerisch neben ihr und anderen persönlich haftenden Gesellschaftern, aber anders als bei der o H G und KG ist die Verpflichtung der Gesellschaft nicht seine, da er — wie ein Aktionär — von ihr unterschieden ist. 2. Persönliche Voraussetzung Anm. 6: Ober die Frage, wer persönlich haftender Gesellschafter sein kann, schweigt das Gesetz (vgl. § 280 Anm. 2). Juristische Personen, insbesondere Aktiengesellschaften, scheiden aus (vgl. § 76 III; ebenso B.-H. Rn 2; Barz in Großkomm. § 219 AktG 37 Anm. 10; Schl.-Qu. § 219 Anm. 9, RG 105,101). Es soll ja gerade die Kommanditgesellschaft auf Aktien eine Verbindung von Personal- und Kapitalgesellschaft sein. Eine Aktiengesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter wäre widersinnig. Was sollen die zwei verschiedenen Aktionärgruppen, die einander gegenüberstehen? Auch Personalgesellschaften des Handelsrechts scheiden nadi unserer Ansicht aus. Die Bestimmungen des Gesetzes passen auf sie nicht und haben mindestens solche nicht im Auge. Mit Rücksicht auf § 76 III kann nur eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter sein (vgl. Grobe in N J W 1968,1709 und die dort zitierte Entscheidung des LG Hamburg). Die für eine KG u. Co entwickelten Grundsätze finden auf die KGaA keine Anwendung. Auch die Fassung des § 281 nimmt auf solche Gesellschaften nicht Bedacht. 3. Ein-und Austritt Anm. 7: Die persönlich haftenden Gesellschafter müssen zwar nach § 281 im Gesellschaftsvertrag genannt sein, d. h. aber nicht, daß der Ein- und Austritt der persönlich haftenden Gesellschafter jeweils eine Satzungsänderung notwendig macht. Es genügt vielmehr, wenn die Satzung Ein- und Austritt (vgl. § 289 V) gestattet. Ohne solche Gestattung ist allerdings Satzungsänderung notwendig. Bei der Gründung müssen sich die persönlich haftenden Gesellschafter an der Feststellung beteiligt haben; kommt also eine Ernennung für sie nicht in Frage. Für den späteren Eintritt (vgl. § 289 Anm. 6) eines Gesellschafters ist Abs. 2, d. h. in erster Linie der Gesellschaftsvertrag, maßgebend. Bei einer kapitalistisch aufgebauten Gesellschaft wird wohl regelmäßig der Aufsichtsrat die persönlich haftenden Gesellschafter „bestellen". Dies ist nach den Regeln über KG und o H G zulässig. Sollte der Fall sich ereignen, daß die Satzung keine Bestimmung enthält, so -ist nach Abs. 2 ein Vertrag mit den vorhandenen persönlich haftenden Gesellschaftern und den Kommanditaktionären erforderlich, den letztere nicht anders als durch Mehrheitsbeschluß der Hauptversammlung beschließen können. Unter dieser Voraussetzung hat man 1530

Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien

§ 278 Anm.7,8

es hier einmal mit dem Fall zu tun, in dem wirklich ein unmittelbares persönliches Band zwischen dem Geschäftsleiter und den (Kommandit-)Aktionären besteht. Das Gesetz hat die Gelegenheit nicht wahrgenommen, ihn zur Regel zu machen, vielmehr im Gegenteil den Weg praktisch zur Regel gemacht, den es für die Aktiengesellschaft sogar zwingend vorgeschrieben hat, um gerade im Interesse der Selbständigkeit des Vorstandes das persönliche Band zwischen ihm und den Aktionären zu zerschneiden. Nach anderer Ansicht ist, wenn die Satzung über den Eintritt neuer persönlich haftender Gesellschafter schweigt, ein Vertrag mit den vorhandenen persönlich haftenden Gesellschaftern genügend und ein Beschluß der Kommanditaktionäre entbehrlich. Audi der Austritt stellt trotz § 281 keine Satzungsänderung dar. Auch hier ist nach Abs. 2 § 289 V die Satzung maßgebend. Sie kann den Austritt durch einseitige, sofort wirksame oder befristete Erklärung seitens des persönlich haftenden Gesellschafters zulassen. Ist dies nicht der Fall, so ist auch hier ein Vertrag notwendig, vorbehaltlich des Rechtes jedes persönlich haftenden Gesellschafters, bei unbestimmter Dauer die Gesellschaft zu kündigen oder aus wichtigem Grund auf ihre Auflösung zu klagen und vorbehaltlich der Möglichkeit, einen Gesellschafter durch gerichtliches Urteil auf übereinstimmende Klage aller übrigen persönlich haftenden Gesellschafter hin auszuschließen. Hatte der Ausscheidende eine Einlage geleistet, so ist für sein Guthaben gleichfalls in erster Linie der Gesellschaftsvertrag maßgebend. Enthält dieser keine Bestimmung, so hat er, auch wenn er eine Sacheinlage geleistet hat, einen Geldauseinandersetzungsanspruch nach den §§ 138 HGB, 733 BGB. Mangels abweichender Satzungsbestimmung oder Übereinkunft sind die wahren Werte zugrunde zu legen und ist der ausscheidende persönlich haftende Gesellschafter auch wegen der stillen Rücklagen und Mehrwerte und des Geschäftswertes abzufinden. Das Kapitalguthaben der persönlich haftenden Gesellschafter gehört nicht zum gebundenen Vermögen; seine Rückzahlung beim Austritt ist daher ohne Vorkehrungen zum Gläubigerschutz statthaft; ohne Austritt natürlich nur mit Satzungsänderung (§ 281 II). Auch § 288 gilt nicht für die Auszahlung des Abfindungsguthabens. IV. Kommanditaktionär Anm. 8: Die übrigen Gesellschafter, die nicht unbeschränkt haften, sind an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt. Daß sie mit Einlagen beteiligt sind, ist angesichts der Möglichkeit einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln hier nicht mehr gesagt. Bei der Gründung sind jedoch Einlagen zu leisten (§ 280 II). Daß das Grundkapital in Aktien zerlegt ist, mit denen 1531

§ 278

Anm. 8

Kommanditgesellschaft auf Aktien

die übrigen Gesellschafter beteiligt sind, bedeutet den wesentlichen und tiefgreifenden Unterschied gegenüber der Kommanditgesellschaft. Dadurch ist der wirtschaftliche Charakter der Form verändert und ebenso ihr rechtlicher. Durch diese Zerlegung wird die rechtliche Selbständigkeit und Freizügigkeit der Einlage in Gestalt einer Kommanditaktie hergestellt, welche im freien Markt von Mann zu Mann wandern kann und deshalb die Übernahme der Bestimmungen aus dem Aktienrecht notwendig macht, welche den Schutz der Öffentlichkeit vor den Gefahren einer Beteiligung zum Gegenstand haben. Das Gesetz nennt die Beteiligung dieser Gesellschafter zutreffend geradewegs „Aktien" und diese Gesellschafter zutreffend Kommanditaktionäre, denn diese Gesellschafter haben keine wesentlich andere Rechtsstellung, keine wesentlich anderen Rechte und Pflichten als die Aktionäre bei der Aktiengesellschaft. Auf diese kommt, soweit es sich nicht um das Verhältnis zu den persönlich haftenden Gesellschaftern handelt, Aktienrecht zur Anwendung. Ihre Verpflichtungen erschöpfen sich gem. § 54 in der Leistung der Einlagen entsprechend dem Nennbetrag der Aktien, zuzüglich eines etwaigen Aufgeldes. Im Sonderfalle der Nebenleistungs-AG (§ 55) können wiederkehrende Naturalleistungen hinzukommen. Bei verspäteter Zahlung gelten die Bestimmungen der §§ 63 bis 66. Wie der Aktionär kann der Kommanditaktionär seine Einlage nicht zurückfordern (§ 57). Er hat nur Anspruch auf Gewinnbeteiligung (§ 60), vgl. im einzelnen § 288. Er kann keine Zinsen beanspruchen (§ 57 II). Eine Haftung gegenüber Gläubigern kann nur nach § 62 in Frage kommen, d.h., wenn der Kommanditaktionär Zahlungen von der Gesellschaft empfangen hat, ohne daß er sie gutgläubig als Gewinnanteil bezogen hat (s. Anm. 14). Die Bestimmung über die Einforderung rückständiger Einlagen steht den geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschaftern nach Maßgabe der Satzung zu. Die Hauptversammlung der Kommanditaktionäre kann keine bindenden Anweisungen erteilen. Die Aktien sind in derselben Weise übertragbar wie bei der Aktiengesellschaft. Für Namensaktien gelten die §§ 67, 68. Insoweit nach § 68 II in Verbindung mit Satzungsbestimmungen die Zustimmung der Gesellschafter zur Übertragung von Namensaktien erforderlich ist, muß die Zustimmung von den persönlich haftenden Gesellschaftern erteilt werden. Die Aktien können Inhaber- oder Namensaktien sein. Ersteres bildet die Regel entsprechend der kapitalistischen Form, in der die Kommanditgesellschaft a. A. gewöhnlich auftritt; wo sie als Personalgesellschaft mit einem vom Geschäftsinhaber eingelegten Geschäft vorkommen sollte, wird die vinkulierte Namensaktie erscheinen. Über die Kraftloserklärung von Aktien und Ersatz vernichteter oder beschädigter Aktien und Gewinnanteilscheine vgl. § § 7 2 bis 75. 1532

Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien

§ 278

Anm. 8,9

Bei der kategorischen Sprache des Gesetzes: „die übrigen" kann es nur Kommanditaktionäre, nicht auch Kommanditisten geben. Es ist aber auch aus inneren Gründen zu verneinen, daß ein Übergang der Einlage in das Vermögen der KGaA mit dem Wesen der Kommanditgesellschaft im handelsrechtlichen Sinne zu vereinen ist. Sowenig wie der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA ein offener Handelsgesellschafter ist, wäre der Kommanditist bei rein schuldrechtlichen Beziehungen noch Kommanditist im Sinne des HGB. Es entstünde ein der KGaA eigentümlicher weiterer Gesellschaftertypus, der aber durch den Gesetzeswortlaut ausgeschlossen ist (so auch Baumbadi-Huedk Rn 4; Schl.-Qu. § 231 Anm. 7; Barz in Großkomm. § 219 AktG 37 Anm. 5), dagegen ist nach R G 153, 371 die Aufnahme eines stillen Gesellschafters angesichts der nur schuldrechtlichen Natur der stillen Gesellschaft zulässig, und zwar reicht zur Aufnahme die Vertretungsmacht des persönlich haftenden Gesellschafters hin. Ob ein bloß schuldrechtliches Gesellschaftsgebilde möglich ist, bei dem einem Gesellschafter aufgrund Vereinbarung mit dem persönlich haftenden Gesellschafter eine beschränkte Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern obliegt, auf welche seine vollberechtigte Einlage anzurechnen ist, die Eigentum der KGaA wird, mag dahinstehen; ein echtes Kommanditgesellschaftsverhältnis (mit Gesamthandseigentum) im Sinne des H G B wäre es nicht und so stünde auch das Handelsregister dafür nicht zur Verfügung. Gedacht ist in vorstehenden Ausführungen an ein Gesellschaftsverhältnis, bei dem der Kommanditist Gesellschafter innerhalb der KGaA sein soll. Davon verschieden ist die Frage, ob er zusammen mit ihr eine (von ihr zu scheidende) weitere Gesellschaft unter einer gemeinsamen anderen Firma bilden kann, er als Kommanditist, sie als persönlich haftende Gesellschafterin. Dies ist nicht zu verneinen, weil die KGaA (wie ihrerseits Kommanditistin auch) persönlich haftende Gesellschafterin einer K G werden kann. Denkbar ist auch ein Gesellschaftsgebilde, bei dem beide als Kommanditisten an einer Gesellschaft beteiligt sind, deren persönlich haftender Gesellschafter ein Dritter ist (etwa auch der persönlich haftende Gesellschafter der KGaA, der dann zweimal persönlich haftender Gesellschafter zweier verschiedener Gesellschaften wäre). Das Vermögen wäre dann Gesamteigentum des persönlich haftenden Gesellschafters der KGaA und des weiteren Kommanditisten. Die Aktivseite der Bilanz der KGaA wiese dann nur ihre Beteiligung an der K G auf. V. Grundkapital Anm. 9: Über den Begriff des Grundkapitals vgl. Anm. zu § 6. Es ist hier die Summe der Nennbeträge der Aktien der Kommanditaktionäre, etwaige Kapitalbeteiligungen der persönlich haftenden Gesellschafter als solche zählen nicht mit. Die Bestimmungen, die zur Erhaltung des Grundkapitals der 1533

§ 278 Anm. 9,10

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Aktiengesellschaft getroffen sind, gelten auch hier für das Grundkapital der Kommanditgesellschaft a. A., nicht auch für die Einlagen der persönlich haftenden Gesellschafter, denn diese haften den Gläubigern sowieso, ohne daß es einer Bindung dieser Einlagen bedürfte. VI. Anzuwendende Vorschriften des HGB 1. Allgemeines Anm. 10: Die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches über die Kommanditgesellschaft gelten für die Rechtsbeziehungen der persönlich haftenden Gesellschafter a) untereinander, b) gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre — namentlich hinsichtlich der Befugnis zur Geschäftsführung — c) gegenüber Dritten, namentlich in Bezug auf ihre persönliche Haftung (s. oben Anm. 5). Außer den in diesen Erläuterungen besonders erörterten Bestimmungen sind also anwendbar: zu a) und b) §§ 705 bis 707 BGB, §§ 109 bis 122 HGB, zu c) §§ 128 bis 130,159 bis 161 HGB. Soweit eine Satzungsbestimmung einen unter Abs. 2 fallenden Gegenstand betrifft, kann sie (mangels abweichender Satzungsbestimmungen) nadi § 133 I mit einfacher Mehrheit beschlossen werden (s. Würdinger S. 247). Eintragung ist nicht erforderlich. Erforderlich ist aber die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter (§ 285 II). Bestritten ist, ob neben dem gem. Abs. 3 sich nach aktienrechtlichen Vorschriften richtenden körperschaftlichen Mitgliedschaften der Kommanditaktionäre und persönlich haftenden Gesellschafter und den durch sie begründeten Rechtsbeziehungen zwischen KGaA und den einzelnen Gesellschaftern zufolge Abs. 2 ein nach HGB zu beurteilendes gesellschaftliches Rechtsband zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern untereinander und zwischen ihnen und den einzelnen Kommanditaktionären besteht oder doch aufgrund Vertragsfreiheit begründet werden kann (s. hierüber einerseits bejahend Godin in J W 1940, Schl.-Qu. §219 Anm. 2; auch Ritter §219 Anm. 4 b, freilich mit der Besonderheit, daß er es im Verhältnis zum Kommanditaktionärverband einer nach seiner Lehre beschränkt rechtsfähigen Person innerhalb der juristischen Person der KGaA bejaht, im Verhältnis zwischen persönlich haftenden Gesellschaftern und einzelnen Kommanditaktionären verneint; andererseits sehr eingehend Würdinger in ZAK 40, 314). Die Frage ist unter anderem bedeutsam dafür, ob die persönlich haftenden Gesellschafter — im Gegensatz zum Vorstand — dem einzelnen Kommanditaktionär aus der Geschäftsführung haften, wenn diese Haftung nicht vertragsmäßig ausgeschlossen ist, mögen auch die Rechte der Kommanditaktionäre kraft Gesetzes nur einheitlich und durch den Aktionärverband wahrgenommen werden können, ferner dafür, ob die Kommanditaktionäre trotz § 54 Individualverpfliditungen nicht nur schuldrechtlicher, sondern auch gesellschaftsrecht1534

Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien

§ 278

Anm. 10—12

lidier Natur, nicht gegenüber der Gesellschaft (§ 54), aber gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern übernehmen können, z. B. die Verpflichtung, ihnen (alljährlich durch Auslosung zu bestimmende) Aktien käuflich zu überlassen, ferner dafür, ob den persönlich haftenden Gesellschaftern das Recht eingeräumt werden kann, bei Auflösung der KGaA, deren Unternehmen (unter Wahrung der Bestimmungen über den Gläubigerschutz) ohne Abwicklung mit Aktien und Passiven zu übernehmen usw. Würdinger will Abs. 2 lediglich auf das organisatorische Verhältnis beziehen, während der Wortlaut und die bisherige Auslegung weitergehen, auch § 285 II, § 289 I die hier vertretene Auffassung stützen; es kann doch auch nur aus dieser Auffassung hergeleitet werden, daß z.B. für den Eintritt, Austritt und Ausschluß (Würdinger, S. 251) eines persönlich haftenden Gesellschafters, seine Einlagen (Würdinger S. 243), Entnahmen (Würdinger S. 244), Gewinnbeteiligung, Handelsrechte maßgebend sein. 2. Verhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander Anm. 11: Es ist nicht begrifflich notwendig und wird vielfach durch die Satzung ausgeschlossen, daß die persönlich haftenden Gesellschafter eine Kapitaleinlage machen. Die Kapitaleinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter müssen nach Art und Höhe in der Satzung festgesetzt sein (§ 281 II). Es unterscheidet aber die Satzung sowohl über den Gegenstand der Einlage wie über das Maß, bis zu welchem die persönlich haftenden Gesellschafter berechtigt und verpflichtet sind, Einlagen zu leisten. Abgesehen von GewinnZu- und Verlust-Abschreibungen setzt sonach eine Erhöhung und Ermäßigung der Einlagen einen satzungsändernden Beschluß voraus. Gläubigerschutzvorschriften brauchen dabei nicht beachtet zu werden. Die Einlagen gehen in das Eigentum der Gesellschaft über; dies ergibt sich zwingend aus der juristischen Persönlichkeit der Gesellschaft. Die persönlich haftenden Gesellschafter können auch Aktien zeichnen, in diesem Fall sind sie als Kommanditaktionäre mit Einschränkungen (§ 285) stimmberechtigt. 3. Verhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter zur Gesamtheit der Kommanditaktionäre Anm. 12: Insbesondere hinsichtlich ihrer Geschäftsführungsbefugnis gelten nach § 161 HGB die Bestimmungen, die bei der oHG gelten. Nach § 114 HGB sind zur Führung der Geschäfte alle persönlich haftenden Gesellschafter berechtigt und verpflichtet, dagegen sind die Kommanditaktionäre von der Geschäftsführung ausgeschlossen (§ 164 HGB). Die Geschäftsführungsbefugnis kann durch Gesellschaftsvertrag einem oder mehreren der persönlich haftenden Gesellschafter vorbehalten werden, dann sind die anderen persönlich haftenden Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Nach § 115 HGB ist jeder persönlich haftende Gesellschafter allein zu handeln berechtigt, 1535

§ 278 Anm. 12

Kommanditgesellschaft auf Aktien

jedoch muß die Handlung unterbleiben, wenn ein anderer persönlich haftender Gesellschafter -widerspricht. In der Satzung kann Gesamtgeschäftsführung bestimmt werden, so daß jedes Geschäft der Zustimmung mehrerer oder aller persönlich haftenden Gesellschafter bedarf (§ 115 II HGB). Nach § 116 HGB erstreckt sich die Befugnis der Geschäftsführung auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft oder die gewöhnliche Verwaltung mit sich bringt. Zu Geschäften, die über diesen Rahmen hinausgehen, ist ein Beschluß aller persönlich haftenden Gesellschafter erforderlich (§ 116 II HGB); ihnen kann zwar nicht der einzelne Kommanditaktionär, wie in § 164 HGB der Kommanditist, wohl aber die Gesamtheit der Kommanditaktionäre widersprechen, die durch den Aufsichtsrat vertreten wird (§ 297), sofern die Hauptversammlung dies beschlossen hat (Würdinger S. 245 hält die Zustimmung der Kommanditaktionärhauptversammlung für erforderlich, was aber aus §§ 164,116 HGB wohl nicht abzuleiten ist). Da das in § 278 II für anwendbar erklärte Recht des HGB nachgiebig ist, können der Hauptversammlung und dem Aufsichtsrat abweichend von § 119 II, § 111 noch wesentlich weitergehende Befugnisse eingeräumt, ja die persönlich haftenden Gesellschafter ihren Weisungen unterworfen werden (Würdinger S. 248). Zur Bestellung eines Prokuristen bedarf es der Zustimmung aller geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter (§ 116 III HGB); die Zustimmung des Aufsichtsrats ist nicht erforderlich. Zu den Pflichten und Befugnissen der Geschäftsführung gehören insbesondere auch alle in § 283 aufgeführten Obliegenheiten. Die Entziehung der Geschäftsführung kann nach §117 HGB auf Antrag aller übrigen Gesellschafter, wobei die Gesamtheit der Kommanditaktionäre durch den Aufsichtsrat vertreten wird, durch gerichtliche Entscheidung erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (s. RG 79, 298). Für Entziehung der Geschäftsführung durch Gesellschafterbeschluß gilt das in Anm. 13 Gesagte entsprechend (vgl. die Erläuterungswerke zu § 117 HGB). Ist ein weiterer persönlich haftender Gesellschafter nicht vorhanden, so kann der persönlich haftende Gesellschafter verurteilt werden, der Umwandlung in eine AG zuzustimmen (RG 82, 310). Nicht entziehbar sind die Befugnisse, die sich aus § 283 nach Maßgabe für den Vorstand der AG geltenden zwingenden Vorschriften ergeben. Die Geschäftsführung ist Pflicht des persönlich haftenden Gesellschafters, doch kann er sie nach § 712 II BGB aus wichtigem Grunde kündigen. Von letzterer auch hierbei geltender Ausnahme abgesehen, kann die Satzung die Geschäftsführungsbefugnis abweichend regeln, insbesondere erweitern auf alle außergewöhnlichen Geschäfte und einschränken. Bemerkenswert ist, daß sich daraus besonders eine von der Stellung der Hauptversammlung der AG sehr verschiedene Stellung der Hauptversamm1536

Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien

§ 278

Anm. 12,13 lung ergeben kann, da nach Abs. 2 die zwingende Vorschrift des §119 II durch die nachgiebigen Vorschriften des HGB ersetzt ist; die Hauptversammlung hat also hier unter Umständen viel weitergehende Rechte, die durch die Satzung noch erweitert, nicht auch beschränkt werden können. Diese Bestimmungen müssen in der ursprünglichen Satzung enthalten sein; zu einer Satzungsänderung ist die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter notwendig. Daraus ergibt sich auch eine ganz andere Stellung des Aufsichtsrats (vgl. hierzu § 287). An Stelle des Aufsichtsrates stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluß mit den persönlich haftenden Gesellschaftern fest (§ 286). Kraft besonderer Bestimmung (§ 283 Nr. 3) hat der persönlich haftende Gesellschafter bei der Geschäftsführung nicht nur die Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten (§ 708 BGB) aufzuwenden, sondern die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (a. A. Ritter § 219 Anm. 4 a). Für seiine Geschäftsführung kann dem persönlich haftenden Gesellschafter eine Entlohnung gewährt werden, die nicht nur in einem Gewinnanteil, sondern auch in fester Vergütung bestehen kann, das folgt daraus, daß die KGaA eine von ihm verschiedene Person ist. 4. Vertretungsmacht Anm. 13: Auch auf die Vertretungsmacht der persönlich haftenden Gesellschafter finden nach Abs. 2 und § 161 HGB die Bestimmungen über die oHG (§§125 ff. HGB) Anwendung. Danach ist grundsätzlich jeder persönlich haftende Gesellschafter ermächtigt, die Gesellschaft allein zu vertreten (also ganz anders als nach § 78 II S. 1), jedoch ist auch hier die Satzung maßgebend. Ob allen persönlich haftenden Gesellschaftern die Vertretungsmacht entzogen werden kann, ist streitig (dafür KGJ 10, 27; RG 74, 299; München ZAK 37, 61, wo in solchem Falle die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters — Geschäftsführer der oHG — zugelassen wird; es würde das praktisch zu einer KGaA mit Vorstand führen). Unseres Eraditens ist dies zu verneinen. Die Bestellung mehrerer persönlich haftender Gesellschafter zu Gesamtvertretern ist zulässig. Endlich kann bestimmt werden, daß bei mehreren persönlidi haftenden Gesellschaftern einer zusammen mit einem Prokuristen vertretungsberechtigt ist. Ist ein persönlich haftender Gesellschafter von der Vertretung ausgeschlossen, so kann er weder zum Prokuristen noch zum Handlungsbevollmächtigten bestellt werden, wohl aber kann er zur Vornahme einzelner bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigt werden, aber nicht als gesetzlicher Vertreter im Sinne von § 78 II 5. 2, sondern nur durch Sondervollmacht. Nach allgemeinem Rechtsgrundsatz (vgl. § 125 II S. 3 HGB) genügt auch, wenn die Satzung (echte oder unechte) Gesamtvertretung bestimmt. Das Wissen auch nur eines persönlidi haftenden 1537

§ 278 Anm. 13,14

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Gesellschafters genügt, wenn es auf das Wissen der Gesellschaft ankommt. Eine Erklärung ist der Gesellschaft zugegangen (zugestellt), auch wenn sie nur einem persönlich haftenden Gesellschafter zugegangen ist. Die Vertretungsmacht erstredet sich auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen. Eine Beschränkung ist grundsätzlich unwirksam (§ 126 HGB, vorbehaltlich Abs. 3 daselbst), wohl aber gelten die aktienrechtlichen Beschränkungen der Vertretungsmacht des Vorstands. Eine Übertragung der Vertretungsbefugnis auf dritte Personen oder auf andere Gesellschaftsorgane als die persönlich haftenden Gesellschafter ist nicht möglich. Die Entziehung der Vertretungsbefugnis kann nur nach § 127 HGB, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, durch gerichtliche Entscheidung auf Antrag aller Gesellschafter ausgesprochen werden, wobei der Aufsichtsrat für die Gesamtheit der Kommanditaktionäre aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses (§ 287) handelt. Ein wichtiger Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Vertretung der Gesellschaft. Angesichts der nach Abs. 2 herrschenden Vertragsfreiheit kann die Satzung die Entziehung aber auch ohne Gerichtsurteil durch Erklärung der übrigen Gesellschafter, sei es nur aus wichtigem Grunde, oder aus freiem pflichtmäßigem Ermessen zulassen. Auch ein allein vorhandener persönlich haftender Gesellschafter kann (nach RG 74,298 und Schreiber: Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, S. 115) von der Vertretungsbefugnis ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluß des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters kann zu Schwierigkeiten führen, da §85 unanwendbar ist (anders die herrschende Meinung); wir halten ihn deshalb für unzulässig. Die Entziehung der Vertretungsbefugnis kann sich nicht auf die im § 283 aufgeführten Befugnisse erstrecken. Diese sind unentziehbar. Die Vertretung niederlegen kann ein persönlich haftender Gesellschafter nicht.

VII. Anzuwendende Vorschriften des Aktiengesetzes Anm. 14: Im übrigen gelten die Bestimmungen über die Aktiengesellschaften sinngemäß auch für die Kommanditgesellschaften auf Aktien. Es gelten mithin für die Kommanditgesellschaft aA § 3, wonach sie immer Handelsgesellschaft ist, ferner §§ 5, 6 und 7, wonach der Mindestnennbetrag des Grundkapitals 100 000,— DM beträgt, ferner §§ 8 bis 12, 15 bis 22, 42 ff., 54 bis 75, 79, 89 (nach § 283), §§ 90 bis 93, 95 bis 116, 117 bis 277 mit cter Maßgabe, daß an die Stelle des Vorstandes die persönlich haftenden Gesellschafter in ihrer Gesamtheit treten und mit den sich aus §§ 281 bis 290 ergebenden Besonderheiten. Danach beschließt die Hauptversammlung über den Jahresabschluß (§ 286). 1538

Feststellung der Satzung • Gründer

§§ 278—280

Anm. 14/1

Für die Verschmelzung van Kommanditgesellschaften gelten die besonderen Bestimmungen der §§ 354 bis 358. Für die Vermögensübertragung §§ 359, 360, Gewinngemeinschaft §§ 291 bis 293, Umwandlung §§ 362 bis 364,366 bis 368, 386 bis 388, 389 bis 392,393. § 279 Firma (1) Die Firma der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen. Sie muß die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien" enthalten. (2) Führt die Kommanditgesellschaft auf Aktien die Firma eines auf sie übergegangenen Handelsgeschäfts fort (§ 22 des Handelsgesetzbuchs), so muß sie die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien" in die Firma aufnehmen. Die Vorschrift übernimmt mit einer sprachlichen Änderung in Abs. 2 die Bestimmungen des bisherigen § 220 AktG 37. Die Bestimmung entspricht § 4 mit der selbstverständlichen Maßgabe, daß die Firma die Bezeichnung Kommanditgesellschaft auf Aktien enthalten muß, im übrigen gilt all das, was zu § 4 gesagt ist. § 280 Feststellung der Satzung. Gründer (1) Die Satzung muß von mindestens fünf Personen durch notarielle Beurkundung festgestellt werden. In der Urkunde sind der Nennbetrag, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien anzugeben, die jeder Beteiligte übernimmt. Bevollmächtigte bedürfen einer notariell beglaubigten Vollmacht. (2) Alle personlich haftenden Gesellschafter müssen sich bei der Feststellung der Satzung beteiligen. Außer ihnen müssen die Personen mitwirken, die als Kommanditaktionäre Aktien gegen Einlagen übernehmen. (3) Die Gesellschafter, die die Satzung festgestellt haben, sind die Gründer der Gesellschaft. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 221 AktG 37 mit einigen Änderungen. Alle Kommanditaktionäre müssen sich an der Feststellung der Satzung beteiligen. Da nach dem neuen Gesetz die Stufengründung weggefallen ist, müssen bereits bei der Feststellung der Satzung alle Aktien übernommen werden; hieraus folgt die Pflicht aller Kommanditaktionäre zur Beteiligung. Die Pflicht, auf die Aktien Einlagen zu leisten, ist 1539

§ 280

Anm.1,2

Kommanditgesellschaft auf Aktien

wegen der Möglichkeit der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 bis 220) nicht bei der Begriffsbestimmung (§ 278), sondern hier festgelegt worden (s. auch §278 Anm. 1), weil bei der Gründung die Aktien nur gegen Einlagen übernommen werden können. Hieraus ergibt sich, daß, wenn persönlich haftende Gesellschafter Aktien übernehmen — was ihnen wie bisher freisteht —, dies bereits bei der Feststellung der Satzung gegen Leistung von Einlagen zu erfolgen hat. § 221 II S. 2 ist weggefallen, da die Stufengründung nicht in das neue Aktiengesetz übernommen worden ist. Durch das Beurkundungsgesetz vom 28. 8.1969 ist nur noch die notarielle Beurkundung möglich, nicht mehr eine gerichtliche. Anm. 2: Die Errichtung der Gesellschaft folgt den Bestimmungen über die Errichtung von Aktiengesellschaften; demgemäß müssen alle Kommanditaktionäre bei der Feststellung der Satzung mitwirken, zusätzlich auch alle persönlich haftenden Gesellschafter. Es ist nicht angängig, daß die persönlich haftenden Gesellschafter alle Aktien übernehmen, weil dann keine Kommanditgesellschaft auf Aktien entstünde (ebenso Schl.-Qu. Anm. 4; anderer Ansicht Barz in Großkomm. § 221 AktG 37 Anm. 7; Baumbach-Hueck Rn. 3; Gierke S. 399; Würdinger S. 249. Diese abweichende Ansicht kann u. E. nach dem neuen Gesetz nicht mehr vertreten werden, da sie nur im Zusammenhang mit einer Stufengründung denkbar gewesen ist, mit der später Kommanditaktionäre hinzukommen konnten. Nach neuem Recht müssen aber alle Aktien bei der Gründung übernommen werden, so daß es begrifflich ausgeschlossen ist, die Aktienübernahme nur durch persönlich haftende Gesellschafter für zulässig zu erachten. Da eine Kommanditgesellschaft auf Aktien nur aus persönlich haftenden Gesellschaftern und Kommanditaktionären zu bestehen hat, müssen letztere bei der Feststellung der Satzung mitwirken). Es wird darauf verwiesen, auch eine Ein-Mann-Gesellschaft sei inzwischen allgemein anerkannt. Darauf kann es hier aber nicht ankommen. Offenbar wird von den Vertretern der Gegenmeinung die Bestimmung des § 285 I S. 1 übersehen. Hieraus ergibt sich, daß persönlich haftende Gesellschafter bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern in keinem Fall mitstimmen dürfen. Es könnte also, wenn die phG alle Aktien übernehmen, ein Aufsichtsrat nicht bestellt werden. Abs. 3 gibt lediglich § 28 wieder und besagt, daß die Personen, die den Gesellschaftsvertrag abschließen, die Gründer sind. Über den notwendigen Satzungsinhalt vgl. § 281 in Verbindung mit § 23, über die Anmeldung und Eintragung § 282. Nach § 30 haben die Gründer den ersten Aufsichtsrat zu bestellen, dabei sind jedoch die persönlich haftenden Gesellschafter nicht wahlberechtigt (§ 285 Nr. 1). Nach § 32 ist der Gründungsbericht zu erstatten. Die Gründungs1540

Inhalt der Satzung

§§280/281 Anm. 2—6

prüfung nach §§ 33, 34 ist stets erforderlich, da ja an Stelle des Vorstandes die persönlidi haftenden Gesellschafter treten; mithin immer die Voraussetzungen des § 33 II Nr. 1 vorliegen. Für die Verantwortlichkeit der Gründer und der ihnen gleichgestellten Personen gelten die Bestimmungen der §§ 46, 47, für die Sorgfaltspflicht und Haftung der persönlidi haftenden Gesellschafter und der Mitglieder des Aufsichtsrates § 48. Über die Unwirksamkeit von Vergleichen und Verzichtsabkommen über Haftungsansprüche vgl. § 50. Die Verjährung der Haftungsansprüche tritt in 5 Jahren ein (§ 51). Anm. 3: Der Gesellschaftsvertrag, die Satzung, muß ebenso wie bei der AG von mindestens 5 Personen festgestellt werden. Ob juristische Personen und andere Gesellschaften des Handelsrechts persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft aA sein können, ist streitig (s. § 278 Anm. 5). Auch Minderjährige können (z.B. durch Erbfolge) persönlich haftende Gesellschafter werden, wie überhaupt jede rechtsfähige natürliche Person. Das ist nicht gleichbedeutend damit, daß sie auch die Geschäftsführung ausüben könnten, und daß nicht etwa die Zustimmung anderer, insbesondere des Vormundschaftsgerichtes, zum Eintritt erforderlich ist, wenn er auf Vertrag beruht. Anm. 4: Unter den Personen, die die Satzung feststellen, müssen sämtliche persönlich haftende Gesellschafter und Kommanditaktionäre sein. Sind es mehr als fünf, so genügt es nicht, wenn etwa nur fünf den Gesellschaflsvertrag feststellen, da nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (Abs. 2) alle beteiligt sein müssen. Es ist nicht notwendig, daß die persönlich haftenden Gesellschafter Kapitaleinlagen machen, insbesondere ist es auch nicht notwendig, daß sie sich an der Übernahme von Aktien beteiligen. Tun sie das, so werden sie zusätzlich Kommanditaktionäre. Anm. 5: Bei der notariellen Verhandlung müssen sämtliche Gründer gleichzeitig zugegen sein, sie können sich jedoch durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Ein Bevollmächtigter kann gleichzeitig mehrere oder alle vertreten, wenn er von § 181 BGB befreit ist. Die Vollmacht bedarf der notariellen Form (vgl. hierzu die Anm. zu § 23). Anm. 6:

Abs. 3 entspricht § 28, vgl. daher die dortigen Anmerkungen.

§ 281 Inhalt der Satzung (1) Die Satzung muß außer den Festsetzungen nach § 23 Abs. 3 und 4 den Namen, Vornamen, Beruf und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters enthalten. 1541

§281 Anm. 1—3

Kommanditgesellschaft auf Aktien

(2) Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter müssen, wenn sie nicht auf das Grundkapital geleistet werden, nach Höhe und Art in der Satzung festgesetzt werden. (3) § 26 Abs. 1 über Sondervorteile gilt für alle besonderen Vorteile, die zugunsten eines persönlich haftenden Gesellschafters bedungen sind. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt die Bestimmungen des bisherigen § 222 AktG 37 mit wenigen sprachlichen Änderungen und regelt den Inhalt der Satzung. Die durch das Beurkundungsgesetz vorgenommenen Änderungen passen die Bestimmungen an den neu gefaßten § 23 an, ohne daß dadurch eine sachliche Änderung eingetreten ist. Notwendiger Satzungsinhalt ist nach § 23 die Bestimmung der Firma und des Sitzes der Gesellschaft, des Gegenstandes des Unternehmens, der Höhe des Grundkapitals, der Nennbeträge der einzelnen Aktien und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die einzelnen Gattungen der Aktien sowie die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft. Im einzelnen vgl. die Erläuterungen zu § 23. Uber die Firma vgl. die Sonderbestimmung des § 279, die dem § 4 entspricht. Nach § 278 III in Verbindung mit § 278 II ist auch hier der Gegenstand nicht etwa aufgrund § 105 HGB auf ein Handelsgewerbe beschränkt. Anm. 2; Außerdem sind Name, Vorname, Beruf und Wohnort der persönlich haftenden Gesellschafter bei Vermeidung heilbarer Nichtigkeit der Gesellschaft in der Satzung anzugeben. Eine Änderung in der Person des persönlich haftenden Gesellschafters, insbesondere Bei- und Austritt setzt nicht notwendig Satzungsänderung voraus, erfolgt vielmehr nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages oder der Bestimmungen über die Kommanditgesellschaft (vgl. § 278 Anm. 6). Sache der Satzung ist auch, über die rechtlichen Beziehungen zwischen dein persönlich haftenden und den übrigen Gesellschaftern diejenigen Regeln aufzustellen, welche dauernd gelten sollen. Daneben ist eine individuelle Regelung bezüglich des einzelnen persönlich haftenden Gesellschafters durch Vertrag möglich, bei welchem der Aufsichtsrat die Gesellschaft vertreten kann (§ 24; s. audi über Bestellung durch den Aufsichtsrat § 278 Anm. 6, aber auch unten Anm. 4). Anm. 3: Die persönlich haftenden Gesellschafter können Einlagen machen, a) auf das Grundkapital, dann werden sie Kommanditaktionäre minderen Rechts (§ 285); hierüber ist nichts auszuführen; b) nicht auf das Grundkapital in ihrer Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafter (s. auch § 278 Anm. 11). Diese Einlagen müssen nach Art und Höhe in der Satzung festgesetzt sein; die Satzung ergibt also, zu welchen 1542

Inhalt der Satzung

§281 Anm, 3,4

Einlagen nach Gegenstand und Maß ein persönlich haftender Gesellschafter berechtigt und verpflichtet ist. Die Sacheinlagen erwähnt das Gesetz nicht. Die besonderen aktienrechtlichen Schutzvorschriften gelten nur, wenn sie auf das Grundkapital gemacht werden, im anderen Fall nicht. Aber trotzdem ergibt sich mittelbar aus § 281, daß die Bewertung und Höhe des dafür auf Kapitalkonto gutzuschreibenden Betrages von der Satzung festzusetzen ist. Die Einlagen werden Alleineigentum der juristischen Person (s. zu § 278). Sie gehören nicht zum gebundenen Grundkapital, sind also auch rückzahlbar ohne Beobachtung von Gläubigerschutzvorschriften. Sie können sich nach Maßgabe der Satzung durch Gewinn, Verlust oder satzungsmäßig zulässige Entnahmen verändern. Rückzahlungen, die ohne Zusammenhang mit dem Austritt des persönlich haftenden Gesellschafters gemacht werden, Ermäßigungen und Erhöhungen setzen eine Satzungsänderung voraus. Obwohl der Gegenstand der Einlage Vermögen der juristischen Person wird, ist die durch sie begründete Beteiligung des Einlegers so wenig ein Geldanspruch wie das Recht aus der Aktie. In einen solchen verwandelt sie sich erst bei dem Ausscheiden des persönlich haftenden Gesellschafters. Im Unterschied zur Aktie ist das Kapitalkonto des persönlich haftenden Gesellschafters unübertragbar. Pfändbar ist auch hier nur der Auseinandersetzungsanspruch, über diesen vgl. Anm. 6 zu § 278. Anm. 4: Nach § 26 sind alle Sondervorteik, die zugunsten eines Kommanditaktionärs bedungen sind, in der Satzung festzusetzen. § 281 bestimmt, daß auch alle zugunsten der persönlich haftenden Gesellschafter bedungenen Sondervorteile in der Satzung enthalten sein müssen. Im Grunde sagt das nichts anderes, als was schon § 278 II sagt, daß die Rechte der persönlich haftenden Gesellschafter, wenn nicht die gesetzlichen Vorschriftein über die Kommanditgesellschaft angewandt werden sollen, durch die Satzung zu regeln sind. Zu „Sondervorteilen" gehört darum alles, was über die gesetzlichen Vorschriften hinaus dem persönlich haftenden Gesellschafter zugesichert wird, wobei es gleichgültig ist, ob ihm diese Zusicherungen in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter oder in seiner Eigenschaft als Aktionär gemacht wurden. Grundsätzlich hat er nach § 168 HGB in Verbindung mit § 278 II zunächst einen Anspruch auf eine Verzinsung seines Kapitalguthabens in Höhe von 4 %, ferner kann er von dem überschießenden Gewinn einen den Umständen nach angemessenen Betrag fordern. Alles, was darüber hinausgeht, ist ein Sondervorteil, und zwar grundsätzlich auch die Vergütung, die der geschäftsführende Gesellschafter für seine Tätigkeit erhält. An sich müßte deshalb auch diese in der Satzung festgesetzt werden. Nach herrschender Ansicht genügt es aber, wenn dies nur im großen Rahmen geschieht, z. B. würde die Angabe genügen, daß der persönlich haftende Gesellschafter X neben seinem Anspruch auf Reingewinn eine feste Vergütung für seine Tätigkeit 1543

§§ 281 / 282 Kommanditgesellschaft auf Aktien Anm. 4,5 erhält, die der Aufsichtsrat festzusetzen hat (vgl. hierzu OLG Hamburg in Hanseatische RGZ 1930 B 208 und Schreiber a . a . O . S. 127; a.A. Ritter § 222 Anm. 4). Anm. 5: Ein Verstoß gegen § 281 begründet Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarung, nicht der Gesellschaft (§ 278 III 275).

§ 282 Eintragung der personlich haftenden Gesellschafter Bei der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister sind statt der Vorstandsmitglieder die persönlich haftenden Gesellschafter anzugeben. Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die persönlich haftenden Gesellschafter haben. Die Vorschrift stimmt wörtlich mit dem bisherigen § 223 AktG 37 überein. Die durch das Koordinierungsgesetz erfolgte Änderung des § 39 verlangte auch eine Neuregelung des Satzes 2. Das Gesetz enthält keine besondere Bestimmung über die Anmeldung. Aus § 282 ergibt sich, daß bei der Eintragung „statt der Vorstandsmitglieder" sämtliche persönlich haftende Gesellschafter anzugeben sind, und zwar gleichgültig, ob sie zur Geschäftsführung berufen sind oder nicht. Die Anmeldung richtet sich nach §§ 36, 37. Danach hat sie von sämtlichen Gründern, zu denen immer alle persönlich haftenden Gesellschafter zählen, und von sämtlichen Mitgliedern des Aufsichtsrates auszugehen. Sie darf gemacht werden, wenn mindestens ein Viertel des Nennbetrages jeder Aktie, auf welche eine Bareinlage zu machen ist, und ein etwaiges Aufgeld eingezahlt ist und der Betrag zur freien Verfügung der persönlich haftenden Gesellschafter steht. Dies ist in der Anmeldung von den Anmeldenden zu erklären und die unbeschränkte Verfügbarkeit des eingezahlten Betrages nachzuweisen. Auf Bareinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter bezieht sich das nicht; diese können auch nach der Anmeldung erfüllt werden. Die Vertretungsbefugnis des persönlich haftenden Gesellschafters ist immer einzutragen. Zu beachten ist, daß ohne besondere Satzungsbestimmung jeder persönlich haftende Gesellschafter allein vertretungspflichtig ist (vgl. § 278 Anm. 13); im übrigen ist für die Eintragung maßgebend § 39. Bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist die Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter wesentlicher Bestandteil der Eintragung der Gesellschaft und diese ohne jene unvollständig und bis zur Eintragung unwirksam. 1544

Persönlich haftende Gesellschafter

§283

§ 283 Persönlich haftende Gesellschafter Für die persönlich haftenden Gesellschafter gelten sinngemäß die für den Vorstand der Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften über 1. die Anmeldungen, Einreichungen, Erklärungen und Nachweise zum Handelsregister sowie über Bekanntmachungen; 2. die Gründungsprüfung; 3. die Sorgfaltspflidht und Verantwortlichkeit; 4. die Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat; 5. die Zulässigkeit einer Kreditgewährung; 6. die Einberufung der Hauptversammlung; 7. die Sonderprüfung; 8. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen der Geschäftsführung; 9. die Aufstellung und Vorlegung des Jahresabschlusses, des Geschäftsberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns; 10. die Prüfung des Jahresabschlusses; 11. die Rechnungslegung im Ronzern; 12. die Ausgabe von Aktien bei bedingter Rapitalerhöhung, bei genehmigtem Kapital und bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln; 13. die Nichtigkeit und Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen; 14. den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens. Die Vorschrift entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 225 AktG 37. In Nr. 1 sind die Bekanntmachungen mit aufgenommen worden, da die Fälle, in denen der Vorstand Bekanntmachungen vorzunehmen hat, erweitert worden sind. Nr. 9 ist den neuen Vorschriften über die Aufstellung und Vorlegung des Jahresabschlusses angepaßt worden. Nr. 11 ist neu und war wegen der neuen Bestimmungen über Rechnungslegung im Konzern (§§ 329 bis 338) erforderlich. Die frühere Nr. 11 ist nicht übernommen worden, da deren Inhalt bereits durch Nr. 1 erfaßt ist. N r . 12 wurde ergänzt durch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. § 283 zählt erschöpfend auf, welche der für den Vorstand geltenden Bestimmungen für die persönlich haftenden Gesellschafter gelten sollen. Der Hervorhebung bedarf, daß nach fast allgemeiner Ansicht (a. A. Ritter § 225 Anm. 4) § 283 auch für solche persönlich haftenden Gesellschafter gilt, die von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind. Indessen trifft dies nur insoweit zu, als die für anwendbar erklärten Vorschriften nicht gerade die Geschäftsführungsbefugnis voraussetzen. Zum Beispiel gilt Nr. 1 hinsichtlich solcher persönlich haftenden Gesellschafter nur bei der Anmeldung nach der Gründung, im übrigen nicht. Ferner gelten Nr. 2 und Nr. 5, auch das Recht 1545

§ § 283 / 284

Anm. 1,2

Kommanditgesellschaft auf Aktien

zur Einberufung der Hauptversammlung (Nr. 6) wird unter Umständen dem nicht geschäftsführenden, persönlich haftenden Gesellschafter nicht vorenthalten werden können, ebensowenig das Recht, Hauptversammlungsbeschlüsse durch Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage zu bekämpfen (Nr. 13), dagegen sind unanwendbar Nr. 1, Nr. 4, Nr. 7, Nr. 9 bis 12, Nr. 14). § 284 Wettbewerbsverbot (1) Ein persönlidi haftender Gesellschafter darf ohne ausdrückliche Einwilligung der übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und des Aufsichtsrats weder im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen noch Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft sein. Die Einwilligung kann nur für bestimmte Arten von Geschäften oder für bestimmte Handelsgesellschaften erteilt werden. (2) Verstößt ein persönlich haftender Gesellschafter gegen dieses Verbot, so kann die Gesellschaft Schadenersatz fordern. Sie kann statt dessen von dem Gesellschafter verlangen, daß er die für eigene Redinung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten läßt und die aus Geschäften für fremde Redinung bezogene Vergütung herausgibt oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtritt. (3) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in drei Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem die übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und die Aufsichtsratsmitglieder von der zum Schadenersatz verpflichtenden Handlung Kenntnis erlangen. Sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in fünf Jahren seit ihrer Entstehung. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit den gleichen Änderungen, wie sie bei § 88 auftauchen, die Bestimmungen des bisherigen § 226 AktG 37. Es ist nicht mehr allgemein von der Beteiligung als persönlich Haftender an einer gleichartigen Handelsgesellschaft die Rede, vielmehr sind genau aufgezählt die Posten, die der persönlich haftende Gesellschafter nicht ohne ausdrückliche Einwilligung übernehmem darf. Ferner ist neu geklärt, inwieweit der Aufsichtsrat eine Einwilligung erteilen kann (s. Anm. 6). Anm. 2: § 284 regelt das Wettbewerbsverbot für persönlich haftende Gesellschafter und hält sich dabei an die für den Vorstand geltenden Bestimmungen (§ 88), ohne sie jedoch ganz zu übernehmen. Der Betrieb eines Handelsunternehmens ist ihm nicht, wie in § 88 dem Vorstandsmitglied schlechthin untersagt; ferner ist ihm eine Beteiligung nur bei gleichartigen — bei Vorstandsmitgliedern, bei allen — Handelsgesellschaften untersagt. Die Folgen 1546

Wettbewerbsverbot

§284 Anm.2—7

eines Verstoßes (Abs. 2) und die Verjährung der Ersatzansprüche (Abs. 3) sind genau wie für Vorstandsmitglieder geregelt (§ 88 II und III). Anm. 3: Das Wettbewerbsverbot gilt für die sämtlichen persönlich haftenden Gesellschafter ohne Rücksicht darauf, ob sie von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sind oder nicht. Das Verbot gilt nur so lange, wie das Gesellschaftsverhältnis dauert, also nicht nach dem Ausscheiden des persönlich haftenden Gesellschafters und nach Auflösung der Gesellschaft; vielmehr kommen für diese Zeit nur satzungsmäßige (s. Anm. 6) oder außerhalb der Satzung vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote in Frage. Für diese gelten nicht die §§ 74 ff. HGB (vgl. auch § 88 Anm. 1). Anm. 4: Verboten ist nicht, wie durch § 88 der Betrieb eines Handelsgewerbes schlechthin, sondern es sind lediglich solche Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung verboten, die in den Geschäftszweig der Gesellschaft fallen. Maßgebend dafür, was zu dem Geschäftszweig gehört, ist zunächst der Gegenstand des Unternehmens gemäß der Satzung. Eine tatsächliche Beschränkung des Tätigkeitsgebietes ist ohne Bedeutung, dagegen erweitert eine tatsächliche Erweiterung des Geschäftszweiges auch das Wettbewerbsverbot. Anm. 5: Verboten ist ferner die Beteiligung an einem anderen Handelsgeschäft, jedoch nur, wenn es sich um ein gleichartiges Handelsgeschäft handelt und er dort im Vorstand (AG), Geschäftsführer (GmbH) oder persönlich haftender Gesellschafter (KGaA, gewöhnliche KG, oHG) sein soll. Im Gegensatz zum Vorstandsmitglied kann er aber Dienstverträge auch dieser Art eingehen, wenn es sich um ein Handelsgeschäft eines anderen Erwerbszweiges handelt. Anm. 6: Das Wettbewerbsverbot gilt nicht absolut, vielmehr kann der persönlich haftende Gesellschafter alle verbotenen Geschäfte wirksam vornehmen und darf es, wenn die Einwilligung aller übrigen persönlich haftenden Gesellschafter, einschließlich der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen, und des Aufsichtsrats vorliegt. Die Einwilligung der Hauptversammlung ist nicht erforderlich. Die bisher mögliche Blankoeinwilligung ist durch die neue Regelung in Abs. 1 S. 2 nicht mehr möglich. Die Bestimmung entspricht dem § 88 I S . 3; vgl. daher ausführlich § 88 Anm. 8. Anm. 7: Verstößt ein persönlich haftender Gesellschafter gegen die Bestimmungen des Abs. 1, so hat die Gesellschaft einen Schadenersatzanspruch oder ein Eintrittsrecht. Die Vorschrift entspricht § 88 II; vgl. daher im einzelnen, insbesondere wegen der der Gesellschaft daneben noch gegebenen Möglichkeiten § 88 Anm. 9 und 10. 1547

§§ 284 / 285

Anm. 8

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Anm. 8: Die Ansprüche der Gesellschaft unterliegen, ebenso wie im Falle des § 88, einer doppelten Verjährungsfrist. Einmal verjähren sie drei Monate nach Kenntnis und ferner ohne Rücksicht auf Kenntnis nach fünf Jahren seit ihrer Entstehung. Für den Beginn der Dreimonatsfrist ist es erforderlich, daß sämtliche übrigen persönlich haftenden Gesellschafter von dem Verstoß Kenntnis erlangt haben; außerdem muß jedes Aufsichtsratsmitglied Kenntnis erlangt haben. Über den Beginn der Fünfjahresfrist, über Berechnung und Unterbrechung der Verjährung sowie über Verjährung des Unterlassungsanspruchs vgl. § 88, Anm. 11.

§ 285 Hauptversammlung (1) In der Hauptversammlung haben die persönlich haftenden Gesellschafter nur ein Stimmrecht für ihre Aktien. Sie können das Stimmrecht weder für sich noch für einen anderen ausüben bei Beschlußfassungen über 1. die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats; 2. die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter und der Mitglieder des Aufsichtsrats; 3. die Bestellung von Sonderprüfern; 4. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen; 5. den Verzicht auf Ersatzansprüche; 6. die Wahl von Abschlußprüfern. Bei diesen Beschlußfassungen kann ihr Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden. (2) Die Beschlüsse der Hauptversammlung bedürfen der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter, soweit sie Angelegenheiten betreffen, für die bei einer Kommanditgesellschaft das Einverständnis der persönlich haftenden Gesellschafter und der Kommanditisten erforderlich ist. Die Ausübung der Befugnisse, die der Hauptversammlung oder einer Minderheit von Kommanditaktionären bei der Bestellung von Prüfern und der Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft aus der Gründung oder der Geschäftsführung zustehen, bedarf nicht der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. (3) Beschlüsse der Hauptversammlung, die der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter bedürfen, sind zum Handelsregister erst einzureichen, wenn die Zustimmung vorliegt. Bei Beschlüssen, die in das Handelsregister einzutragen sind, ist die Zustimmung in der Verhandlungsniedersdirift oder in einem Anhang zur Niederschrift zu beurkunden. 1548

Hauptversammlung I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Für die Hauptversammlung anzuwendende Vorschriften (Anm. 3)

III. Ausschluß des Stimmrechts

1. Allgemeines (Anm. 4) 2. Die einzelnen Fälle (Anm. 5) IV. Einberufung (Anm. 6)

§285 Anm. 1—3

V. Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter 1. Erfordernis (Anm. 7) 2. Form (Anm. 8) VI. Ausschluß des Widerspruchsrechts (Anm. 9)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift weist lediglich in Abs. 1 Änderungen auf und ist im übrigen mit dem bisherigen § 227 AktG 37 identisch. Abs. 1 ist verschärft, da der persönlich haftende Gesellschafter in den einzeln aufgeführten Fällen auch nicht für einen anderen und auch ein anderer nicht für ihn das Stimmrecht ausüben darf. Die Nr. 2 ist im Zusammenhang mit § 120 dahin geändert worden, daß der persönlich haftende Gesellschafter über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats und nicht des Aufsichtsrats schlechthin (s. Anm. 4 zu § 120), nicht mitstimmen kann. Anm. 2: § 285 regelt die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter in der Hauptversammlung, in ihrer Eigenschaft als Kommanditaktionäre und zur Hauptversammlung in ihrer Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafter. Die Kommanditaktionäre können (wie die Aktionäre) ihre Mitverwaltungsbefugnisse nur in der Hauptversammlung ausüben. Der Umfang dieser Befugnisse würde nach § 278 II nur gering sein (vgl. § 166 HGB), es sei denn, daß die Satzung sie erweitert. In Wahrheit dehnt aber das Gesetz selbst die Befugnisse der Hauptversammlung weit über die Rechte der Kommanditisten nach HGB hinaus aus und sogar meist zwingend, so daß die Satzung sie nicht einmal einschränken kann. Eine solche zwingende Ausdehnung ergibt sich nunmehr aus § 283 Nr. 9 mit § 285 Nr. 6, aus § 283 Nr. 7 mit § 285 Nr. 3, aus § 285 Nr. 2. Das Auskunftsrecht aus § 131 würde nach § 278 II den Kommanditaktionären nicht zustehen, gleichwohl wird man es ihnen nicht vorenthalten können. Die Niederschrift über die Hauptversammlungsbeschlüsse sind nach § 130 V unverzüglich dem Registergericht einzureichen, aber nicht vor der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter, soweit diese nach Abs. 2 erforderlich ist. IL Für die Hauptversammlung anzuwendende Vorschriften Anm. 3: Die Hauptversammlung ist nicht eine Versammlung aller Gesellschafter, sondern nur der Kommanditaktionäre, in welcher diese Gesellschaftergruppe, sei es in gemeinsamen Angelegenheiten aller Gesellschafter oder in 1549

§ 285

Anm. 3—5

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Angelegenheiten ihrer speziellen Interessensphäre, Stellung nimmt und besdiließt. Es ist deshalb selbstverständlich, daß die persönlich haftenden Gesellschafter als solche kein Stimmrecht haben, sondern nur, wenn sie selbst Kommanditaktionäre sind, also Aktien besitzen. Die Bestimmungen über die Ausübung der Aktionärrechte (§ 118), über das Auskunftsrecht (§§ 131, 132), über Stimmenmehrheit (§ 133), über Ausübung des Stimmredits (§§ 134 ff.), über die Berufung der Hauptversammlung (§§ 121—128), über Aktien ohne Stimmrecht (§§ 139 ff.), über Bestellung von Sonderprüfern (§ 142), über Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§ 147), über die Anfechtung (§§ 243 ff.) und über die Nichtigkeit (§§ 241, 242, 249) von Hauptversammlungsbeschlüssen sind entsprechend anwendbar. Im Falle der Anfechtung und der Geltendmachung der Nichtigkeit richtet sidi die Klage auch hier gegen die Gesellschaft, obgleich es sich nicht um die Beschlüsse einer Versammlung aller Gesellschafter handelt, sondern nur um eine solche der Kommanditaktionäre. Über Anwendbarkeit der Bestimmungen über den Jahresabschluß vgl. § 286. III. Ausschluß des Stimmredits 1. Allgemeines Anm. 4: In den Fällen des Abs. 1 Nr. 1—6 haben die persönlich haftenden Gesellschafter auch als Kommanditaktionäre kein Stimmrecht. Das Stimmverbot ist zwingend, erstreckt sich aber nidht auf andere aus der Aktie fließende Rechte, wie die Befugnis, den Beschluß anzufechten. Seine Beachtung wird von § 405 III Nr. 5 durch Strafandrohung eingeschärft. Sie haben kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung nunmehr auch nicht mehr das Recht, als Bevollmächtigte anderer in diesen genannten Fällen das Stimmrecht auszuüben (s. auch oben Anm. 1). Auch wenn sie selbst andere mit der Ausübung ihres Stimmrechts beauftragen, dürfen die so bevollmächtigten Vertreter in den in Abs. 1 aufgezählten Fällen nicht mitstimmen. 2. Die einzelnen Fälle Anm. 5: Die persönlich haftenden Gesellschafter haben kein Stimmrecht bei der Entlastung, Wahl und Abberufung des Aufsichtsrates (Nr. 1 und 2), weil der Aufsichtsrat die Belange der Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern zu vertreten und die Geschäftsführung der letzteren zu überwachen hat (vgl. hierzu § 287). Da das Gesetz dem Aufsichtsrat als Träger beider Aufgaben denkt und für seine Wahl das Stimmrecht der persönlich haftenden Gesellschafter ausschließt, ist anzunehmen, daß sie, wenn für erstere ein besonderes Organ bestellt wird (§ 2871), auch bei dessen Wahl nicht stimmberechtigt sind und daß für dessen Wahl gleichfalls auch die Satzung nichts anderes bestimmen kann; an1550

Hauptversammlung

§285 Anm.5—7

derenfalls wäre die Bestimmung für viele wichtige Fälle leicht zu umgehen. Aus entsprechender Erwägung ist den persönlich haftenden Gesellschaftern das Stimmrecht bei der Wahl des Abschlußprüfers versagt (Nr. 6), nicht aber das Widerspruchsrecht nach § 163 II. Nr. 2—5 sind nicht nur eine Wiederholung von § 136 I, der vielmehr daneben anzuwenden ist, sondern es sind bei Beschlußfasssung über die eigene Entlastung, Sonderprüfung, Ersatzansprüche alle persönlich haftenden Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen, auch wenn sie selbst von der Beschlußfassung nicht betroffen sind und auch die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen. Letzteres gilt auch für Beschlußfassungen nach Nr. 1 und 6; dagegen ist von der Abstimmung bei der Beschlußfassung, durch die ein persönlich haftender Gesellschafter von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, nur dieser selbst ausgeschlossen.

IV. Einberufung Anrn. 6: Zur Berufung der Hauptversammlung und zur Teilnahme am dieser, zur Erhebung der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage sind die persönlich haftenden Gesellschafter als solche, auch die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen, berechtigt.

V. Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter 1. Erfordernis Anm. 7: Nach § 278 II sind für das Rechtsverhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre die Vorschriften des Handelsgesetzbuches über die Kommanditgesellschaft maßgebend. Danach können Beschlüsse, welche die Gestaltung (z. B. Satzungsänderung, Aufnahme eines neuen Gesellschafters) oder den Bestand (z. B. Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses) betreffen oder Akte, der den persönlich haftenden Gesellschaftern vorbehaltenen Geschäftsführung einschließen, nur mit Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter wirksam sein. Für beide Arten von Beschlüssen kann sich aus der Satzung Abweichendes ergeben, weil die Vorschriften des HGB nachgiebig sind. Im übrigen ist die obige Unterscheidung wesentlich. Zu Beschlüssen ersterer Art ist, vorbehaltlich abweichender Satzungsbestimmung, die Zustimmung aller am Gesellschaftsverhältnis in dem Zeitpunkt, in dem der Beschluß wirksam wird, beteiligter, wenn auch von der Geschäftsführung ausgeschlossener, persönlich haftender Gesellschafter notwendig. Bei eintragungsbedürftigen Beschlüssen ist dies der Zeitpunkt der Eintragung, sonst derjenige, in dem die letzte bis dahin ausstehende Zustimmung erteilt wird. Die Zustimmung zwi1551

§ 285 Anm.7,8

Kommanditgesellschaft auf Aktien

sdienzeitlich weggefallener Gesellschafter ist nicht erforderlich (KG in J W 1927, 720). Beschlüsse der zweiten Art werden wirksam, wenn so viele der persönlich haftenden Gesellschafter zustimmen, wie zu einer Maßnahme der Geschäftsführung satzungsmäßig zusammenwirken müssen, wenn keiner der anderen widerspricht. Bei gemeinsamen Angelegenheiten haben sonach zwar die persönlich haftenden Gesellschafter als solche kein Stimmrecht, ist aber ihre Zustimmung zu dem Hauptversammlungsbeschluß erforderlich. 2.

Form

Anm. 8: Die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter stellt zusammen mit dem Hauptversammlungsbeschluß die Äußerung des Gesellschaftswillens dar. Trotzdem braucht sie nicht in der Hauptversammlung erklärt zu werden und ist sie regelmäßig formlos wirksam. Stimmen sämtliche persönlich haftende Gesellschafter als Kommanditaktionäre für einen Beschluß, so liegt darin ihre Zustimmung zu dem Beschluß. Reichen persönlich haftende Gesellschafter einen Beschluß zum Handelsregister ein, so liegt in der Unterzeichnung des Begleitschreibens die formlose Zustimmungserklärung, nicht aber in der bloßen Unterlassung der Anfechtung. Formbedürftig ist aber die Zustimmung, wenn der Beschluß in das Handelsregister einzutragen ist; dann muß sie in der Verhandlungsniederschrift oder in einem Anhang zur Niederschrift beurkundet sein, und zwar bevor der Beschluß zum Handelsregister eingereicht wird. Auch in diesem Falle braucht die Zustimmung nicht in der Hauptversammlung erklärt zu werden. Der Anhang braucht deshalb nach herrschender, nicht unzweifelhafter Ansicht (RG in J W 1927, 720) auch nicht von dem gleichen Notar beurkundet zu werden wie die Niederschrift, jedoch muß in einem der gedachten Fälle die Zustimmung unter allen Umständen zur öffentlichen Urkunde erklärt werden; Beglaubigung genügt nicht. Die Zustimmung muß auch stets in besonderer Urkunde oder als Anhang der Urschrift der notariellen Niederschrift beigefügt werden; sie darf nicht in einer besonderen Urkunde, etwa der Anmeldung des Beschlusses, enthalten sein (KG in R J A 10, 251). Formmangel macht die Zustimmung nichtig und somit den Beschluß weiter schwebend unwirksam, kann aber jederzeit durch Nachholung der Form geheilt werden, auch wenn der Beschluß schon eingereicht war. Die Zustimmung kann auch durch einen gewillkürten oder gesetzlichen Vertreter erklärt werden. Die Vollmacht ist formlos, muß aber bei eintragungsbedürftigen Beschlüssen dem Registergericht nachgewiesen werden und hierzu öffentlich beglaubigt sein. Durch verfrühte Einreichung wird die Nachholung der Zustimmung zwar durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmung ausgeschlossen; dagegen halten wir es für zulässig, die Bestimmung dahin auszulegen, daß eine zum Zeitpunkt der Einreichung vorliegende Zustimmung auch noch nachgereicht werden kann. 1552

Jahresabschluß. Geschäftsbericht

§§ 285 / 286 Anm. 9

VI. Ausschluß des "Widerspruchsrechts Anm. 9: Das Widerspruchsrecht der persönlich haftenden Gesellschafter aus § 115 HGB ist zwingend ausgeschlossen gegenüber der Ausübung der Befugnisse der Hauptversammlung oder ihrer Minderheit zur Bestellung von Prüfern oder Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung. An sich würde sich für den zweiten Fall schon aus § 115 HGB ergeben, daß der von einer Maßnahme der Geschäftsführung — um eine solche handelt es sich hier — Betroffene nicht selbst widersprechen kann. § 285 I I S. 2 schließt aber das Widerspruchsrecht für alle persönlich haftenden Gesellschafter, auch die nicht betroffenen aus. Gegen die Wahl von Prüfern haben die persönlich haftenden Gesellschafter kein Widerspruchsrecht; zwischen Sonder- (§ 142) und Abschlußprüfern wird nicht unterschieden.

§ 286 Jahresabschluß. Geschäftsbericht (1) Die Hauptversammlung beschließt über die Feststellung des Jahresabschlusses. Der Beschluß bedarf der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. (2) In der Jahresbilanz sind die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter nach dem Posten „Grundkapital" gesondert auszuweisen. Der auf den Kapitalanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters für das Geschäftsjahr entfallende Verlust ist von dem Kapitalanteil abzuschreiben. Soweit der Verlust den Kapitalanteil übersteigt, ist er auf der Aktivseite vor dem Posten „Bilanzverlust" als „nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter" gesondert auszuweisen. Unter § 89 fallende Kredite, die die Gesellschaft persönlich haftenden Gesellschaftern, deren Ehegatten oder minderjährigen Kindern oder Dritten, die für Rechnung dieser Personen handeln, gewährt hat, sind auf der Aktivseite bei dem Posten III B Nr. 11 Buchstabe a unter „davon an persönlich haftende Gesellschafter und deren Angehörige" zu vermerken. (3) In der Gewinn- und Verlustrechnung braucht der auf die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewinn oder Verlust nicht gesondert ausgewiesen zu werden. (4) § 160 Abs. 3 Nr. 8 und 9 gilt für die persönlich haftenden Gesellschafter mit der Maßgabe, daß der auf den Kapitalanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters entfallende Gewinn nicht angegeben zu werden braucht. 1553

§286 Anm. 1—3

Kommanditgesellschaft auf Aktien

I. Übersicht (Anm. 1) II. Feststellung des Jahresabschlusses (Anm. 2 u. 3) III. Gewinnverwendungsbesdiluß (Anm. 4) IV. Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung (Anm. 5) V. Kapitalanteil der persönlich haftenden Gesellschafter (Anm. 6)

VI. Sonderausweis der Kredite (Anm. 7) VII. Behandlung des Gewinns und Verlusts der persönlich haftenden Gesellschafter 1. in der Gewinn- und Verlustrechnung (Anm. 8) 2. im Geschäftsbericht (Anm. 9)

I. Übersicht

Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt zunächst in Abs. 1 S. 1 die Bestimmung des bisherigen § 228 AktG 37, während die übrigen Bestimmungen neu sind. Sie beschäftigen sich mit den Kapitalkonten der persönlich haftenden Gesellschafter, der Gliederung der Jahresbilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und mit dem Geschäftsbericht. II. Feststellung des Jahresabschlusses

Anm. 2: Der Jahresabschluß wird, wie bei der AG vom Vorstand, von den persönlich haftenden Gesellschaftern aufgestellt, aber festgestellt wird der Jahresabschluß durch die Hauptversammlung der Kommanditaktionäre mit Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter (Abs. 1 S. 2). Während der Kommanditist nicht berechtigt ist, bei der Feststellung der Bilanz mitzuwirken, wird dieses Recht den Kommanditaktionären zugestandein. Die persönlich haftenden Gesellschafter sind eben nicht wie der Vorstand Führer der Aktionäre, sondern Partner mit zum Teil abweichenden Belangen. Das würde freilich nicht grundsätzlich ausgeschlossen haben, die Vertretung der Belange der Kommanditaktionäre dem Aufsichtsrat (wie in § 287) zu überlassen. Es ist darum zu untersuchen, ob die Satzung dies bestimmen und die Hauptversammlung ausschalten kann. Dies ist zu verneinen, denn die Regelung der Zuständigkeiten auf der Seite der Kommanditaktionäre gehört nicht zu den Reditsbeziehungen zwischen ihnein und den persönlich haftenden Gesellschaftern, die unter § 278 II fallen, der auf nachgiebiges Recht verweist. Es ist also § 278 III maßgebend, wonach der zwingende aktienrechtliche Grundsatz zur Geltung kommt, daß eine Änderung der gesetzlichen Ordnung der Zuständigkeiten unzulässig ist. § 286 ist also in seinen beiden Beziehungen zwingend. Anm. 3: Die Feststellung des Jahresabschlusses ist «ine gemeinsame Sache der persönlich haftenden Gesellschafter und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, über welche diese in der Hauptversammlung Beschluß faßt. Auf seiten der ersteren müssen alle mitwirken (§ 41 I S. 2 HGB), und zwar, 1554

Jahresabschluß. Geschäftsbericht

§286 Anm. 3—6

obwohl die Aufstellung des Jahresabschlusses ein Akt der Geschäftsführung ist, auch die von ihr ausgeschlossenen Gesellschafter. Es ist dies die publizistische und privatrechtliche Pflicht und das Recht. Letzteres, weil der Jahresabschluß unmittelbar den Gewinnanspruch und damit möglicherweise mittelbar sogar auch die Kapitalkonten betrifft, aus denen sidi das Beteiligungsverhältnis ergibt. Die Hauptversammlung kann den vorgelegten Jahresabschluß nur mit Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter abändern. Die Feststellung der Bilanz durch einen persönlich haftenden Gesellschafter ist als Willenserklärung, wie jede solche, anfechtbar (§§ 119,121 BGB), als Anerkenntnis rückforderbar (§ 812 BGB). Der Beschluß der Hauptversammlung kann nach §§241, 243 nichtig oder anfechtbar sein. Die erfolgreiche Anfechtung macht eine Neufeststellung notwendig. III. Gewinnverwendungsbeschluß Anm. 4: Ist die Feststellung des Jahresabschlusses gemeinsame Sache der persönlich haftenden Gesellschafter und der Hauptversammlung, so war früher streitig, ob auch der Beschluß über die Gewinnverwendung gemeinsame Sache ist. Das Gesetz hat ausdrücklich die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter lediglich zur Feststellung des Jahresabschlusses gefordert und sie bewußt nicht auch zur Gewinnverwendung verlangt. Damit kommt klar zum Audruck, daß der Gewinnverwendungsbeschluß keine gemeinsame Sache der persönlich haftenden Gesellschafter und der Hauptversammlung im Sinne des § 285 II ist und er der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht bedarf. Aus § 278 III ergibt sich, daß auf den Gewinnverwendungsbeschluß die §§ 58,174 Anwendung finden, vgl. zur freien Rücklage im Jahresabschluß einer KGaA Werther in Die AktGes 1966, 305 ff. IV. Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung Anm. 5: Für die Einberufung der Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses und die Auslegung des Jahresabschlusses vor der Hauptversammlung gelten die für die AG geltenden Bestimmungen; im einzelnen vgl. die Erläuterungen dort. Uber den Einfluß der Feststellung des Jahresabschlusses auf die Gewinnentnahme der persönlich haftenden Gesellschafter vgl. § 288. V. Kapitalanteil der persönlich haftenden Gesellschafter Anm. 6: Abs. 2 behandelt die bisher nicht geregelte Bilanzierung der Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter. Aufgrund § 278 II gelten die Bestimmungen des HGB, dessen § 120 bestimmt, daß die auf den persönlich haftenden Gesellschafter entfallenden Gewinne seinem Kapitalanteil 1555

§ 286

Anm. 6—9

Kommanditgesellschaft auf Aktien

gutzuschreiben und die auf ihn entfallenden Verluste hiervon abzuschreiben sind. Hiervon übernimmt das Gesetz den letzten Teil, obwohl auch der erste Teil anzuwenden ist. Die Bestimmung in § 286 II ist jedoch zwingend — wie sich aus der Formulierung „ist abzuschreiben" ergibt — während § 120 HGB abdingbar ist. Die Abdingbarkeit besteht daher nur noch für die Behandlung des Gewinns. Die Kapitalanteile sind auf der Passivseite hinter dem Posten „Grundkapital" gesondert auszuweisen. Sind die Verluste, die auf den persönlich haftenden Gesellschafter entfallen, so hoch, daß sie die Kapitalanteile übersteigen, so ist der Verlust als gesonderter Posten auf der Aktivseite auszuweisen. Als vorletzter Posten — vor „Bilanzverlust" — ist er als „nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter" auszuweisen. Aus dieser Regelung ergibt sich, daß der den persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnende Verlust nicht bei dem Posten „Bilanzverlust" erscheint. Er ist immer gesondert zu behandeln, zunächst vom Kapitalanteil abzuschreiben und dann — wenn die Kapitalanteile verbraucht sind — als Sonderposten auszuweisen. VI. Sonderausweis der Kredite Anm. 7: Erhält der persönlich haftende Gesellschafter oder sein Ehegatte oder minderjährige Kinder oder Dritte, die für Rechnung dieser Personen handeln, Kredite von der Gesellschaft, so sind diese gesondert zu vermerken unter dem Posten I I I B 11 a der Jahresbilanz. Unter diesen Posten fallen alle nach § 89 ausgegebenen Kredite. Der Sondervermerk ist dadurch gerechtfertigt, daß die persönlich haftenden Gesellschafter, im Gegensatz zum Vorstand, den Gläubigern der Gesellschaft persönlich haften. VII. Behandlung des Gewinns und Verlusts der persönlich haftenden Gesellschafter 1. in der Gewinn- und Vertustrechnung Anm. 8: Abs. 3 bestimmt für die Gewinn- und Verlustrechnung, daß in ihr der auf die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewinn oder Verlust nicht gesondert auszuweisen ist. In der Bilanz zeigt sich jede Veränderung der Kapitalanteile, so daß eine gesonderte Erwähnung in der Gewinn- und Verlustrechnung entbehrlich ist. 2. imGeschäflsbericht Anm. 9: Für den Geschäftsbericht bestimmt Abs. 4 in logischem Zusammenhang mit Abs. 3, daß § 160 III Nr. 8 und 9 nur mit der Maßgabe gilt, daß der auf den Kapitalanteil des persönlich haftenden Gesellschafters entfallende Gewinn nicht angegeben zu werden braucht; das bedeutet, daß nur 1556

Auf sichtsrat

§§ 286 / 287

Anm. 9/1

solche Gewinnbeteiligungen im Geschäftsbericht anzugeben sind, die sich aus dem Anstellungsvertrag evtl. ergeben, sowie selbstverständlich die Gesamtbezüge.

§ 287 Aufsichtsrat (1) Die Beschlüsse der Kommanditaktionäre führt der Aufsiditsrat aus, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. (2) In Rechtsstreitigkeiten, die die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegen die persönlich haftenden Gesellschafter oder diese gegen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre führen, vertritt der Aufsiditsrat die Kommanditaktionäre, wenn die Hauptversammlung keine besonderen Vertreter gewählt hat. Für die Kosten des Rechtsstreits, die den Kommanditaktionären zur Last fallen, haftet die Gesellschaft unbeschadet ihres Rückgriffs gegen die Kommanditaktionäre. (3) Persönlich haftende Gesellschafter können nicht Aufsichtsratsmitglieder sein. I. Übersicht (Anm. 1) II. Aufsiditsrat als Organ der Gesellschaft (Anm. 2) III. Aufsiditsrat als Vertreter der Kommanditaktionäre (Anm. 3)

IV. Vertretung durch den Aufsiditsrat (Anm. 4) V. Kostenlast (Anm. 5) VI. Ausschluß der persönlich haftenden Gesellsdiafter vom Aufsiditsrat (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt wörtlich die Bestimmungen des bisherigen § 229 I, II und IV AktG 37. Da die dem § 229 III AktG 37 entsprechende Vorschrift des § 97 AktG 37 weggefallen ist, wurde auch § 229 III AktG 37 nicht mit übernommen (s. die Erläuterungen zu § 112). § 287 behandelt den Aufsiditsrat, der bei der Kommanditgesellschaft aA eine Doppelstellung hat. Einmal ist er der Vertreter der Gemeinschaft der Kommanditaktionäre und hat als solcher die Beschlüsse der Hauptversammlung auszuführen. In dieser Funktion hat er nach § 278 II geringe Befugnisse; doch können sie durdi die Satzung beliebig vergrößert und über diejenigen hinaus ausgedehnt werden, die ihn meist kraft zwingender gesetzlicher Vorschriften in seinen anderen Funktionen zustehen. Daneben ist er Organ der Gesellschaft gemäß §§ 95 bis 116 genau wie bei der AG und als solches den persönlich haftenden Gesellschaftern zur Ausübung seines Kontrollrechtes gegenübergestellt. Er vertritt die Gesellschaft gemäß § 112 bei Vornahme von 1557

§ 287 Anm. 1,2

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Rechtsgeschäften mit Und bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber persönlich haftender Gesellschaftern (vgl. § 283 Nr. 8). Insoweit der Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft handelt, haftet er für Pflichtwidrigkeiten nach §§ 116, 93 der Gesellschaft als solcher; handelt er für die Kommanditaktionärgesamtheit, so haftet er nur diesen, und zwar ebenfalls nach §§ 116, 93 (so herrschende Ansicht). Eine unmittelbare Haftung gegenüber den Gläubigern (§ 93 V) kommt nur dann in Frage, wenn der Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft gehandelt hat. § 287 handelt vom Aufsichtsrat in beiden Funktionen, und zwar Abs. 1 und 2 von ihm als Vertreter der Kommanditaktionäre, Abs. 3 als Organ der Gesellschaft. II. Aufsiditsrat als Organ der Gesellschaft Anm. 2: Auf den Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft sind nach § 278 I I I die Bestimmungen anwendbar, die für den Aufsichtsrat der AG gelten. Das gilt insbesondere für die Zusammensetzung und Bestellung des Aufsichtsrats (§§ 95 bis 104). Auch hier gilt die Höchstzahl des § 95 I sowie § 100, wo im einzelnen bestimmt wird, wer nicht Mitglied des Aufsichtsrats werden kann; hier kommt § 287 I I I hinzu, wonach die persönlich haftenden Gesellschafter nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein können (s. Anm. 6). Bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 101 durch die Hauptversammlung haben die persönlich haftenden Gesellschafter, auch soweit sie Kommanditaktionäre sind, kein Stimmrecht (§ 285 Nr. 1). Stimmen sie mit, so ist die Wahl anfechtbar; besitzen sie alle Aktien, fehlt es am Anfechtungskläger (a. A. Schl.Qu. § 229 Anm. 2, der § 104 anwenden will). Das gleiche gilt für die Abberufung (§ 103). Auch § 96 über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats mit Mitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, ferner § 101 II über die Entsendung von Mitgliedern in den Aufsiditsrat und § 104 über die Bestellung durch das Gericht sind anwendbar. Es gilt ferner auch § 105, wonach Aufsichtsratsmitglieder nicht persönlich haftende Gesellschafter oder dauernde Vertreter von persönlich haftenden Gesellschaftern sein, noch als Angestellte die Geschäfte der Gesellschaft führen können. § 105 I I scheidet nach der Natur der Sache aus. Jeder Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder ist von den persönlich haftenden Gesellschaftern bekanntzumachen (§ 106). Es gelten die Bestimmungen über innere Ordnung des Aufsichtsrats (§ 107), Teilnahme an den Sitzungen (§ 109), über Einberufung (§ 110), Beschlußfähigkeit (§ 108), ferner § 111 über Überwachung der Geschäftsleitung, insbesondere § 111 IV, wonach Maßnahmen der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden können (vgl. hierzu unten Anm. 3), wohl aber seine Zustimmung zu gewissen Arten von Geschäften in der Satzung oder durch ihn selbst vorgeschrieben werden kann. Über das Verhältnis des 1558

Aufsichtsrat

§287

Anm. 2—i

§112 zu § 287 vgl. Anm. 4. Anzuwenden sind ferner die Bestimmungen über die Vergütung der Aufsichtsratsmicglieder (§ 113). Der Aufsichtsrat erhält seine Vergütung ausschließlich von der Gesellschaft als solcher, auch soweit er als Vertreter der Gesamtheit der Kommanditaktionäre anzusehen ist. Ferner ist anzuwenden § 116 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit, jedoch mit der Maßgabe, daß eine Haftung gegenüber der Gesellschaft und den Gläubigern der Gesellschaft nur in Frage kommt, wenn der Aufsichtsrat als Gesellschaftsorgan gehandelt hat, nicht aber, wenn er als Gesamtvertreter der Kommanditaktionäre tätig geworden ist. Es sind weiter anwendbar § 80 über Namensangabe und § 117 über Handeln zum Schaden der Gesellschaft. III. Aufsichtsrat als Vertreter der Kommanditaktionäre Anm. 3: Der Aufsichtsrat als Vertreter der Kommanditaktionäre hat deren Beschlüsse in deren (den nicht gemeinsamen) Angelegenheiten auszuführen. Er vertritt die Belange der Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern, aber nur jeweils aufgrund eines Beschlusses ihrer Hauptversammlung. Er übt im Auftrag der ersteren die Rechte des Kommanditisten nach §§ 161 ff. HGB aus. Die Satzung kann andere Bestimmungen treffen; sie kann nach § 278 II den Kommanditaktionären erweiterte Befugnisse, z. B. auch Weisungsbefugnisse in Ansehung der Geschäftsführung und der Gestaltung der Gesellschaftsverhältnisse selbst (z. B. durch Aufnahme weiterer persönlich haftender Gesellschafter) einräumen und zur Ausübung dieser Befugnisse den Aufsiditsrat berufen, soweit nicht zwingende Vorschriften, wie z. B. die Festsetzung des Jahresabschlusses, entgegenstehen. Es kann zur Ausübung der Rechte der Kommanditaktionäre auch ein anderes Organ bestellt werden als der Aufsichtsrat. Da § 278 II auf die nachgiebigen Bestimmungen des HGB verweist, können dessen Befugnisse weitergehen als jene des Aufsichtsrats. IV. Vertretung durch den Aufsiditsrat Anm. 4: Die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat richtet sich nach § 112, danach vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit den persönlich haftenden Gesellschaftern und führt gegen sie die von der Hauptversammlung beschlossenen Rechtsstreitigkeiten. Neben den Rechtsstreitigkeiten, die die Gesellschaft führt, kommen jene in Betracht, die Abs. 2 im Auge hat, welche aus dem durch Satzung oder §§ 161 ff. HGB, § 278 II geordneten Kommanditverhältnissen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre als solche gegen die persönlich haftenden Gesellschafter führt, z. B. über den richtigen Jahresabschluß oder den Gewinn1559

§§ 287/288 Kommanditgesellschaft auf Aktien Anm. 4—6 anteil der persönlich haftenden Gesellschafter oder umgekehrt. In diesen Fällen ist die Gesellschaft nicht Prozeßpartei. Das Vertretungsrecht des Aufsichtsrat rührt davon her, daß er der Vertreter der Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist (vgl. oben Anm. 1). Die Bestimmung gilt auch dann, wenn ein besonderes Verwaltungsorgan für die Durchführung der Beschlüsse der Kommanditaktionäre bestimmt ist; jedoch kann die Hauptversammlung im Einzelfall besondere Vertreter wählen, dann ist der Aufsichtsrat nicht mehr zur Vertretung legitimiert. Zu diesem Beschluß ist die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter nidit erforderlich; andererseits ist das Stimmrecht der persönlich haftenden Gesellschafter, soweit sie Aktien besitzen, in diesem Falle nicht ausgeschlossen. Die Klage auf Ausschließung eines persönlich haftenden Gesellschafters ist eine Klage der KGaA, nidit etwa eine gemeinsame Klage der übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und Kommanditaktionäre, denn, mag auch ein gesellschaftsrechtliches Band unter den persönlich haftenden Gesellschaftern und zwischen diesen (also auch dem auszuschließenden) und den Kommanditaktionären bestehen, so handelt es sich um den Ausschluß eines Mitglieds der juristischen Person. V. Kostenlast Anm. 5: Die Kosten eines Rechtsstreits der Gesamtheit der Kommanditaktionäre treffen im Falle ihres Unterliegens unmittelbar diese, denn die Gesellschaft ist nidit Prozeßpartei; nichtsdestoweniger bürdet das Gesetz der Gesellschaft die Haftung für die Kosten des Rechtsstreits auf, welche die Kommanditaktionäre zu tragen hätten. Sie hat aber das Recht des Rückgriffs auf die einzelnen Kommanditaktionäre. Praktisch kann sie dieses nur durch Einhaltung der Dividenden und später evtl. des Liquidationserlöses geltend machen. Die Kommanditaktionäre haften nach allgemeiner Ansicht nicht mit ihrem gesamten Vermögen, sondern nur mit ihrem Anteil. VI. Ausschluß der persönlich haftenden Gesellschafter vom Aufsichtsrat Anm. 6: Persönlich haftende Gesellschafter können ebensowenig wie Vorstandsmitglieder (§ 105) dem Aufsichtsrat angehören. Wegen der Anwendung des § 105 s. Anm. 2.

§ 288

Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung (1) Entfällt auf einen persönlich haftenden Gesellschafter ein Verlust, der seinen Kapitalanteil übersteigt, so darf er keinen Gewinn auf seinen Kapitalanteil entnehmen. Er darf ferner keinen solchen Gewinnanteil und 1560

Entnahmen der persönlidi haftenden Gesellschafter • Kreditgewährung

§ 288

Anra. 1

kein Geld auf seinen Kapitalanteil entnehmen, solange die Summe aus Bilanzverlust, nicht durdi Einlagen gedeckten Verlustanteilen persönlich haftender Gesellschafter und Forderungen aus Krediten an persönlidi haftende Gesellschafter und deren Angehörige die Summe aus Gewinnvortrag, offenen Rücklagen und Kapitalanteilen der persönlich haftenden Gesellschafter übersteigt. (2) Solange die Voraussetzung von Absatz 1 Satz 2 vorliegt, darf die Gesellschaft keinen unter § 286 Abs. 2 Satz 4 fallenden Kredit gewähren. Ein trotzdem gewährter Kredit ist ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren. (3) Ansprüche persönlidi haftender Gesellschafter auf nidit vom Gewinn abhängige Tätigkeitsvergütungen werden durdi diese Vorschriften nicht berührt. Für eine Herabsetzung solcher Vergütungen gilt § 87 Abs. 2 Satz 1 sinngemäß. I. Übersicht (Anm. 1 u. 2) II. Anteil am Jahresertrag (Anm. 3) III. Auszahlung von Gewinn (Anm. 4 u. 5)

IV. Gehaltsansprüche (Anm. 6) V. Verbot der Kreditgewährung (Anm. 7)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in Abs. 1 die Bestimmung des bisherigen § 230 I AktG 37 mit Änderungen. § 230 II AktG 37 ist weggefallen. Die Abs. 2 und 3 sind neu. Bisher durfte ein Gewinn nicht an die persönlich haftenden Gesellschafter ausgezahlt werden, wenn die Bilanz einen Verlust auswies, der den nicht in Aktien bestehenden Kapitalanteil überstieg. Diese Regelung erschien unbillig. Da die persönlich haftenden Gesellschafter häufig nur geringfügige Kapitalanteile besitzen, könnte mithin schon ein verhältnismäßig geringer Bilanzverlust dazu führen, daß sowohl jede Gewinnauszahlung als auch jede Entnahme von Geld auf den Kapitalanteil ausgeschlossen ist. Nach der Neufassung darf ein persönlich haftender Gesellschafter keinen Gewinn auf seinen Kapitalanteil entnehmen, wenn auf ihn ein, seinen Kapitalanteil übersteigender Verlust entfällt oder wenn sich bei einem Vergleich der in Abs. 1 S. 1 genannten Posten — Summe aus Bilanzverlust, nicht durch Einlagen gedeckten Verlustanteilen und Forderungen aus Krediten einerseits, Summe aus Gewinnvortrag, offenen Rücklagen und Kapitalanteilen der persönlich haftenden Gesellschafter andererseits — ein Passivsaldo ergibt. Neu ist die Kreditsperre des Abs. 2 für die Zeit, in der die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Ferner ist für diese Lage eine Regelung hinsichtlich der Vergütung des persönlich haftenden Gesellschafters in Abs. 3 getroffen worden (s. Anm. 7). 1561

§ 288

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Anm. 1—3 Nicht übernommen wurde § 230 II AktG 37, wonach sowohl aus den Gewinnanteilen der persönlich haftenden Gesellschafter, wie auch aus dem auf die Kommanditaktionäre entfallenden Gewinn Beträge in die 'gesetzliche Rücklag« einzustellen waren. Die durch die Folge, daß an der gesetzlichen Rücklage die persönlich haftenden Gesellschafter und die Kommanditaktionäre gemeinsam beteiligt sind, eintretende Vermengung ist insbesondere wegen auftretender Abrechnungsschwierigkeiten unerwünscht. Da die persönlich haftenden Gesellschafter den Gläubigern persönlich haften, konnte das Bedürfnis, die gesetzliche Rücklage aufzufüllen, vor den genannten Schwierigkeiten zurücktreten. Anm. 2: Die Frage der Gewinn- und Verlustverteilung gehört zu den Rechtsverhältnissen, die zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und den Kommanditaktionären zu regeln sind, so daß gemäß § 278 II die Bestimmungen über die Kommanditgesellschaft anzuwenden sind. Aus diesem Grunde ist auf den Gewinnanteil der persönlich haftenden Gesellschafter auch § 86 unanwendbar. Abs. 1 trifft über die Auszahlung ergänzende Bestimmungen. Diese gelten aber nicht etwa auch für die Auszahlung des Abfindungsguthabens des ausscheidenden persönlich haftenden Gesellschafters. II. Anteil am Jahresertrag Anm. 3: Die Grundlage für die Berechnung des Gewinnanteils des persönlich haftenden Gesellschafters ist der sich aus dem Jahresabschluß ergebende Jahresertrag. Enthält die Satzung keine besondere Regelung, so ist er in Ermangelung dieser auf folgende Weise zu berechnen: Erst ist nach den Grundsätzen des HGB (nach § 278 II) der Jahresertrag, dann der davon auf die persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Teil zu ermitteln (B.-H. Rn 5; abw. Würdinger, S. 244); letzterer darf aber nidit höher sein als der gesamte Gewinn, der sich nach § 153 dieses Gesetzes ergäbe, da anderenfalls das Grundkapital angegriffen werden könnte. Die Bedeutung dieser Methode liegt vor allem darin, daß für die Berechnung des Gewinnanteils der persönlich haftenden Gesellschafter nach HGB jedes einzelne Jahr für sich zu betrachten ist, der Jahresgewinn von dem Verlust des Vorjahres also nicht beeinträchtigt wird. Von dem sich aus der Bilanz ergebenden Jahresgewinn erhalten die persönlich haftenden Gesellschafter gemäß § 121 HGB zunächst 4°/o ihres Kapitalanteils. Auch auf das Grundkapital, d. h. also auf die Einlage der Gesamtheit der Kommanditaktionäre ist rechnerisch zunächst ein Betrag von 4 °/o auszuwerfen. Ergibt sich, daß der Jahresgewinn geringer ist als 4 % der Einlagen der persönlich haftenden Gesellschafter zuzüglich Grundkapital, so bestimmen sich die Anteile, die die persönlich haftenden Gesellschafter vorab zu erhalten haben, nach einem entsprechend niedrigeren 1562

Entnahmen der persönlidi haftenden Gesellschafter * Kreditgewährung

§ 288

Anm. 3 Satz. Übersteigt der Jahresgewinn 4°/o, so ist der Überschuß gemäß § 168 HGB zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und den Kommanditaktionären nach einem, den Umständen nadi angemessenen Verhältnis zu verteilen. Letzteres gilt auch dann, wenn ein Verlust vorhanden ist. Der auf die persönlich haftenden Gesellschafter nach der Satzung, evtl. §§ 168 II, 121 II HGB entfallende Teil des Verlustes ist gleichfalls aus einem erst rechnerisch nach den Grundsätzen des HGB festzustellenden Jahresergebnisses zu ermitteln und ist von deren Einlage abzuschreiben, so daß sich dieser also verringert. Entsteht dadurch ein Passivsaldo, so ist er (erst) bei Ausscheiden des persönlich haftenden Gesellschafters, evtl. Auflösung durch Zahlung auszugleichen. Der auf die Kommanditaktionäre entfallende Verlust, d. h. der nach diesem Gesetz zu ermittelnde Verlust, abzüglich des von den persönlich haftenden Gesellschaftern nach dem HGB zu übernehmenden Teiles, ist entweder vorzutragen oder aus den Rüdciagen zu decken oder durch Herabsetzung des Grundkapitals zu tilgen. Wird der ganze Verlust einschließlich des die persönlich haftenden Gesellschafter treffenden Teiles vorgetragen, so mindert er doch in des letzteren Höhe ihr Kapitalkonto, was bei diesem jeweils zu berücksichtigen ist. Für die Kommanditaktionäre gelten die Grundsätze des Aktienrechts, sie haben deshalb niemals Anspruch auf Zinsen, sondern nur auf den sich aus der Bilanz ergebenden Bilanzgewinn. Das ist jedoch nicht der ganze Jahresgewinn, sondern nur der Teil, der nadi dem vorstehend Ausgeführten auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre entfällt. Für die Aufstellung der Bilanz, aus der sich dieser Gewinn ergibt, gelten die aktienrechtlichen Grundsätze, insbesondere auch diejenigen über die Gliederung. Zu beachten ist, daß auf der Passivseite nicht nur das sich aus der Einlage der Kommanditaktionäre ergebende Grundkapital aufzuführen ist, sondern es sind auch die Kapitalkonten der persönlich haftenden Gesellschafter in die Passiven einzusetzen. Diesem Kapitalkonto ist gutzuschreiben der Gewinn, der den persönlich haftenden Gesellschaftern zufällt, und nur der sich dann noch aus der Bilanz ergebende Gewinn steht zur Verteilung an die Kommanditaktionäre zur Verfügung. Tritt ein Verlust ein, so ist zunächst festzustellen, welcher Teil des Verlustes auf die persönlich haftenden Gesellschafter entfällt. Dieser Teil ist von deren Kapitalkonto abzusetzen. Dadurch verringert sich entsprechend der bilanzmäßige Verlust. Er ist gleich dem Teil des Gesamtverlustes, der auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre entfällt. Er erscheint als Unterbilanz (soweit er bilanzmäßig nach außen nicht von dem Kapitalkonto der persönlich haftenden Gesellschafter ausgeglichen wird). Mitunter kann es klarer sein, den gesamten Verlust zunächst ohne Aufteilung vorzutragen. Im Verhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander gilt § 121 HGB. 1563

§ 287 Anm. 3—6

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Die vorstehende gesetzliche Regelung über die Verteilung des Gewinns und Verlustes wird meistens durch Satzungsbestimmung vereinfacht, auch eine Beteiligung der persönlich haftenden Gesellschafter am Verlust gewöhnlich ausgeschlossen. Eine Satzungsänderung bedarf der Zustimmung sämtlicher, auch der nicht zur Geschäftsführung berufenen, persönlich haftenden Gesellschafter. III. Auszahlung von Gewinn Anm. 4: Abs. 1 enthält keine Bestimmung über die Verteilung des Gewinns, sondern eine Regelung, wann eine Auszahlung nicht erfolgen darf. Grundsätzlich gelten zwar für die Auszahlung ebenfalls die Bestimmungen, welche für die Kommanditgesellschaft und für die offene Handelsgesellschaft gelten. Nach § 122 HGB in Verbindung mit § 169 HGB kann jeder persönlich haftende Gesellschafter aus der Gesellschaftskasse zu seinen Lasten einen Betrag bis 4 % seines, für das letzte Geschäftsjahr festgestellten Kapitalanteils erheben, auch wenn kein Gewinn erzielt und sein Kapitalanteil gemindert ist und darüber hinaus bis zur Höhe seines Anteils am Gewinn des letzten Jahres, soweit dies nicht offensichtlich zum Schaden der Gesellschaft gereicht. Über die besondere Regelung der Auszahlung vgl. Anm. 1. Anm. 5: Aber auch bei positiven Kapitalanteilen können die Auszahlungen von Gewinnanteilen oder Entnahmen unzulässig sein. Dies ist der Fall, wenn die Summe aus Bilanzverlust, nicht durch Einlagen gedeckte Verlustanteile und Forderungen an Krediten an persönlich haftende Gesellschafter oder deren Angehörige auf der einen Seite, die Summe aus Gewinnvortrag, offenen Rücklagen und Kapitalanteilen auf der anderen Seite, nicht übersteigt. Unter Angehörigen sind im Zusammenhang mit § 286 und § 98 die Ehegatten und minderjährigen Kinder zu verstehen. Dritte, die im Namen dieser Peronen handeln, sind nicht mit aufgezählt — wie in §§ 286, 89 —, so daß solche Kredite nicht mitzuzählen sind. IV. Gehaltsansprüche Anm. 6: Von dem Verbot, wonach Entnahmen von Geld auf Kapitalanteil ausgeschlossen sind, werden nicht betroffen die Gehaltsansprüche der persönlich haftenden Gesellschafter für ihre Geschäftsführung, soweit ihnen solche nach der Satzung zustehen. Wird die Tätigkeit bei der Geschäftsführung jedoch dadurch ausgeglichen, daß die betreffenden persönlich haftenden Gesellschafter einen höheren Anteil am Gewinn haben, als die von der Geschäftsführung Ausgeschlossenen, so können sie auch diesem Teil des Gewinns nichts entnehmen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Solche Ver1564

Auflösung

§§288/289 Anm. 6,7

gütungen können jedoch herabgesetzt werden. Die Anwendung des § 87 II S. 1 wurde ausdrücklich normiert, da er nach § 278 II sonst nicht hätte angewendet werden können; vgl. im einzelnen Anm. zu § 87. V. Verbot der Kreditgewährung Anm. 7: Solange die Voraussetzungen des Abs. 1 S. 2 vorliegen, dürfen keine Kredite nach § 286 I I S. 4 gewährt werden. Hierunter fallen wieder Dritte, die im Namen der persönlich haftenden Gesellschafter, deren Ehegatten oder minderjähriger Kinder handeln, ebenso wie die genannten Personen selbst. Das Gesetz spricht lediglich von der Gewährung, meint aber nicht Genehmigung, sondern Auszahlung, wie sich aus Satz 2 aus dem Wort „zurückzugewähren" ergibt. Ein vorher bereits genehmigter Kredit darf demnach auch nicht mehr ausgezahlt werden, dagegen fällt ein vorher ausgezahlter, aber noch nicht zurückgezahlter Kredit nicht unter Abs. 2 S. 2. Nur ein nach vorliegenden Voraussetzungen gewährter (gleich ausgezahlter) Kredit, ist ohne Rücksicht auf die getroffenen Vereinbarungen zurückzuzahlen.

§ 289 Auflösung (1) Die Gründe für die Auflösung der Kommanditgesellschaft auf Aktien und das Ausscheiden eines von mehreren persönlich haftenden Gesellschaftern aus der Gesellschaft richten sidi, soweit in den Absitzen 2 bis 6 nichts anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft. (2) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien wird auch aufgelöst 1. mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgelehnt wird; 2. mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 144 a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel der Satzung festgestellt wurde. (3) Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Kommanditaktionärs wird die Gesellschaft nicht aufgelöst. Die Gläubiger eines Kommanditaktionärs sind nicht berechtigt, die Gesellschaft zu kündigen. (4) Für die Kündigung der Gesellschaft durch die Kommanditaktionäre und für ihre Zustimmung zur Auflösung der Gesellschaft ist ein Beschluß der Hauptversammlung nötig. Gleiches gilt für den Antrag auf Auflösung der Gesellschaft durch gerichtliche Entscheidung. Der Beschluß bedarf einer 1565

§ 289

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Anm. 1,2 Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (5) Persönlich haftende Gesellschafter können außer durch Ausschließung nur ausscheiden, wenn es die Satzung für zulässig erklärt. (6) Die Auflösung der Gesellschaft und das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters ist von allen persönlich haftenden Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. § 143 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs gilt sinngemäß. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Auflösungsgründe (Anm. 2) III. Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters (Anm. 3) IV. Anmeldung zum Handelsregister (Anm. 4)

V. Auseinandersetzungsguthaben (Anm. 5) VI. Aufnahme eines neuen persönlich haftenden Gesellschafters (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit einigen sprachlichen Änderungen die Bestimmungen des bisherigen § 231 AktG 37 und handelt von der Auflösung der Gesellschaft (Abs. 1 bis 4 u. 6) und von dem Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafter (Abs. 1 u. 5). In Abs. 2 ist ein weiterer Auflösungsgrund und damit die Ziff. 2 durch das Koordinierungsgesetz neu aufgenommen worden und entspricht damit der Einfügung der Ziff. 5 in § 262 I für die AG. Begriff und Wirkungen der Auflösung sind die gleichen wie bei der Aktiengesellschaft. Die Gesellschaft geht durch die Auflösung nicht unter, sondern sie besteht weiter zum Zweck der Abwicklung und behält auch ihre bisherigen Organe bei. Die Gründe der Auflösung dagegen richten sich nach den Vorschriften über die Kommanditgesellschaft, die durch die vorliegenden Vorschriften ergänzt werden; erstere sind nur zum Teil, letztere alle zwingend. Uber die Nichtigkeit der Gesellschaft enthält das Gesetz keine besonderen Bestimmungen, daher gelten die §§ 275,277. II. Auslösungsgründe Anm. 2: Die Gründe der Auflösung richten sich nach den Bestimmungen über die Kommanditgesellschaft. Da jedoch § 161 II HGB auf die Bestimmungen für die oHG verweist, sind die §§ 131 ff. HGB anzuwenden, danach wird die Gesellschaft aufgelöst: 1566

Auflösung

§289

Anm.2

a) durch Ablauf der Zeit, für welche sie eingegangen ist (§131 Nr. 1 HGB, vgl. § 262 Anm. 3). Die Bestimmung des § 274, wonach die Fortsetzung (mit beurkundeter Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter — s. Anm. 7 zu § 285) beschlossen werden kann, gilt auch hier. Eine stillschweigende Forsetzung ist nicht möglich, b) durch Beschluß der Gesellschafter (§ 131 Nr. 2 HGB). Die Bestimmung entspricht § 262 Nr. 2. Erforderlich ist zunächst ein Beschluß der persönlich haftenden Gesellschafter; hierfür gilt § 119 HGB. Danach ist Einstimmigkeit aller persönlich haftenden Gesellschafter erforderlich, jedoch kann die Satzung auch einen Mehrheitsbeschluß zulassen. Nach RG 114, 393 muß er für den Auflösungsbeschluß besonders zugelassen sein. Ferner ist ein Beschluß der Hauptversammlung erforderlich. Für diesen gelten die besonderen Bestimmungen des Abs. 4. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals. Über die Berechnung dieser Mehrheit vgl. § 179 Anm. 5. Die Satzung kann diese Mehrheit durch eine größere, nicht kleinere Kapitalmehrheit, auch Stimmenmehrheit, ersetzen und noch andere Erfordernisse aufstellen (vgl. hierzu § 179 Anm. 5). Der Beschluß der persönlich haftenden Gesellschafter bedarf der besonderen Form des § 285 III, da der Beschluß nach § 289 VI in das Handelsregister eingetragen wird. Von dieser Eintragung hängt jedoch die Wirkung des Beschlusses nicht ab, vielmehr tritt diese bereits ein, sobald die Einwilligung der persönlich haftenden Gesellschafter vorliegt. Fortsetzung nach § 274 mit beurkundeter (§285111) Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. c) durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft (§ 131 Nr. 3 HGB). Die Vorschrift entspricht § 262 Nr. 3 (vgl. dort Anm. 4). Die Eröffnung des Vergleichsverfahrens hat nicht die Wirkung der Auflösung. Im Konkursverfahren sind die persönlich haftenden Gesellschafter nicht selbst Gemeinschuldner, evtl. geraten sie aufgrund ihrer Haftung in einen selbständigen Konkurs. Fortsetzung der Gesellschaft durch Zwangsvergleich gemäß §27411. d) durch Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgelehnt wird. Diese sich nicht aus den Bestimmungen über die Kommanditgesellschaft bzw. über die oHG ergebende Vorschrift entspricht § 262 Nr. 4 (vgl. dort Anm. 6). e) durch den Tod eines Gesellschafters, sofern nicht aus der Satzung sich ein anderes ergibt (§ 131 Nr. 4 HGB). In Frage kommt nur der Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters, der eines Kommanditaktionärs ist bedeutungslos (§ 177 HGB). Ist im Gesell1567

§ 289

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Anm. 2

schaftsvertrag die Fortsetzung der Gesellschaft bestimmt (s. Anm. 3), so ist §138 oder § 139 HGB anzuwenden, je nachdem, ob die Satzung die Fortsetzung der Gesellschaft nur unter den übrigen Gesellschaftern oder mit dem Erben vorsieht. Ersteres dürfte die fast ausnahmslose Regel, letzteres die höchst seltene Ausnahme sein. In ihrem Falle hat der Erbe die Wahl, entweder Kommanditaktionär zu werden oder auszuscheiden, wenn er nicht persönlich haftender Gesellschafter werden will; ersteres würde voraussetzen, daß der Erblasser mit einer Einlage außerhalb des Grundkapitals beteiligt war und macht eine Kapitalerhöhung erforderlich, wobei wegen des verschiedenen bisherigen Gewinnanteils eine besondere Aktiengattung geschaffen werden muß. Kommanditist nach HGB kann der Erbe nicht werden (§ 278 I; s. § 278 Anm. 2). War der Erblasser nicht mit einer Einlage beteiligt, so bleibt dem Erben nur das Austrittsrecht, wenn er nicht persönlich haftender Gesellschafter werden will. f) durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters (§131 Nr. 5 HGB), nicht aber eines Kommanditaktionärs. Nach § 131 N r . 5 HGB würde auch im letzteren Falle die Auflösung eintreten. Abs. 3 schließt jedoch für diesen Fall die Auflösung der Gesellschaft aus. In der Satzung kann bestimmt werden, daß die Gesellschaft fortgesetzt wird. Ist das der Fall, dann scheidet der betreffende persönlich haftende Gesellschafter im Augenblick der Konkurseröffnung aus (§ 138 HGB, s. unten Anm. 3). g) durch Kündigung, wenn die Gesellsdiaft auf unbestimmte Zeit oder auf die Lebenszeit eines persönlich haftenden Gesellschafters eingegangen ist (§§ 131 Nr. 6, 132, 134 HGB); sie kann auch letzterenfalls nach in gewissem Umfange — vgl. die Erläuterungswerke zum HGB — zwingender Vorschrift von jedem persönlich haftenden Gesellschafter erklärt werden. Der einzelne Kommanditaktionär kann nicht kündigen, vorbehaltlich §262 Anm. 2, vielmehr nur die Hauptversammlung der Kommanditaktionäre die vom Aufsichtsrat auszuführende (§ 2871) Kündigung beschließen. Die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter ist nicht erforderlich, weil die Kündigung eine Sonderangelegenheit der Kommanditaktionäre ist. Für diesen Beschluß gelten die gleichen Voraussetzungen wie für den Auflösungsbeschluß (vgl. oben unter Anm. 2 b). Nach § 135 HGB kann auch der Privatgläubiger eines persönlich haftenden Gesellschafters die Gesellschaft kündigen, sofern er innerhalb der letzten 6 Monate eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesellschafters ohne Erfolg versucht hat, er einen nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuldtitel besitzt und aufgrund des Titels die Pfändung und Überweisung des Anspruches des Gesellschafters auf Auseinandersetzung sich hat überweisen lassen. Nach Abs. 3 ist ein Gläubiger eines Kommanditaktionärs niemals berechtigt, die Gesellschaft 1568

Auflösung

§289

Anm.2

zu kündigen. Das gilt auch dann, wenn er Gläubiger sämtlicher Kommanditaktionäre, d. h. des Inhabers aller Aktien ist. Die Kündigung kann vorbehaltlich abweichender Satzungsbestimmung nur für den Schluß eines Geschäftsjahres und muß mindestens 6 Monate vor diesem Zeitpunkt erklärt werden. Eine Form ist nicht vorgeschrieben. Sie ist nicht an die Gesellschaft, sondern an sämtliche Gesellschafter, also die persönlich haftenden Gesellschafter und, wenn sie von einem solchen ausgeht, immer an ein Mitglied des Aufsichtsrats als Vertreter der Kommanditaktionäre zu richten (vgl. im übrigen §§ 130 ff. BGB). Uber die Berechnung der Kündigungsfrist vgl. §§ 187 ff. BGB. Die Kündigung muß bestimmt und endgültig sein, sie kann auch zur Unzeit geschehen, § 723 II BGB ist nicht anwendbar. Die Kündigung kann in der Satzung durch Erschwernisse (Kündigungsfristen) eingeschränkt, auch für gewisse Zeit, aber nicht ganz ausgeschlossen werden. Nach § 138 HGB kann die Satzung bestimmen, daß trotz der Kündigung die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen soll. Liegt freilich ein Kündigungsbeschluß der Kommanditaktionäre vor, kann die Kommanditgesellschaft aA als solche unter den persönlich haftenden Gesellschaftern allein nicht fortgesetzt werden. Kündigt ein Privatgläubiger eines persönlichen haftenden Gesellschafters, können die Gesellschafter auch ohne Satzungsvorschrift nach § 1411 HGB erklären, daß die Gesellschaft unter ihnen fortbestehen soll, vgl. über diese Fälle Anm. 3. h) durch gerichtliche Entscheidung, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (ohne Rücksicht auf Vertragsdauer und Kündigungsfrist). Dieser Grund kann nur durdi Klage geltend gemacht werden (§131 Nr. 6, § 133 HGB). Klageberechtigt ist jeder persönlich haftende Gesellschafter. Für den einzelnen Kommanditaktionär wird dieses Recht durch die Bestimmung des Abs. 4 beseitigt. Es ist ein Beschluß der Hauptversammlung erforderlich; für ihn gilt dieselbe Mehrheit wie für den Auflösungs- und Kündigungsbeschluß (vgl. oben unter Ziffer b). Ist ein solcher Beschluß gefaßt, so wird die Klage vom Aufsichtsrat durchgeführt (§ 287). Voraussetzung für die Auflösung durch Gerichtsbeschluß ist, daß ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser liegt insbesondere vor, wenn ein Gesellschafter — worunter hier ein persönlich haftender Gesellschafter oder die Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu verstehen ist — eine ihm nach der Satzung obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt, oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird (§ 133 II HGB). Die Satzung kann auch fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde zulassen. Dafür gilt das zu g) Gesagte mit der Maßgabe, daß eine Kündigungsfrist entfällt. Liegt der Auflösungsgrund in der Person eines persönlich haftenden Gesellschafters, so kann vom Prozeßgericht auf übereinstimmenden Antrag aller übrigen Gesellschafter (wobei die Kommanditaktionäre auf1569

§ 289

Anm. 2,3

Kommanditgesellschaft auf Aktien

grund Hauptversammlungsbeschlusses durch den Aufsichtsrat vertreten werden) die Ausschließung des Gesellschafters statt der Auflösung ausgesprodien werden. Ebenso kann die Satzung die Ausschließung eines persönlich haftenden Gesellschafters aus wichtigem Grunde vorsehen (s. auch Anm. 3). i) mit der Rechtskraft der Verfügung, durch welche nach § 144 a FGG ein Mangel der Satzung festgestellt wurde. Diese Bestimmung des Abs. 2 Ziff. 2 entspricht § 262 I Ziffer 5, vgl. daher dort Anm. 7. k) durch die in Anm. 8 zu § 262 als weitere Auflösungsgründe der AG aufgeführten Fälle: aa) Fortfall des gesamten Vermögens; auch für die Kommanditgesellschaft aA gilt das Gesetz über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9.10.1934 (RGBl. I S . 914). bb) Verlegung des Sitzes ins Ausland. cc) Auflösung auf Antrag des Staates durch das Gericht wegen Gefährdung des Gemeinwohls (vgl. die Sonderregelung in den §§ 396—398). III. Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters Anm. 3: Das Aussdieiden eines persönlich haftenden Gesellschafters aus einer im übrigen fortbestehenden KGaA ist nach Abs. 5 außer durch Ausschließung nur möglich, wenn die Satzung es zuläßt (s. Anm. zu §§ 278, 282) und setzt andernfalls, auch wenn alle persönlich haftenden Gesellschafter und die Hauptversammlung der Aktionäre damit einverstanden sind, eine Satzungsänderung voraus. Ferner kann ein persönlich haftender Gesellschafter ausscheiden durch seinen Tod oder Konkurs, sowie durch die Kündigung eines Privatgläubigers, wenn die Satzung für einen solchen Fall die Fortsetzung der Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern anordnet oder diese die Fortsetzung aufgrund einer sie gestattenden Satzungsbestimmung beschließt. § 1411 S. 2 HGB genügt als Grundlage für einen solchen Beschluß nach vom uns nicht geteilter herrschender Meinung gemäß Abs. 5 nicht, aber die Satzung kann auch die Ausschließung durch die übrigen Gesellschafter gestatten und dafür bei der geltenden Vertragsfreiheit Einstimmigkeit oder Mehrheitsbeschluß vorschreiben, auch einen Aufsiditsratsbeschluß genügen lassen (§ 278 II, vgl. zu § 140 HGB). Wenn die Satzung die Fortsetzung der KGaA ohne den Ausscheidenden nicht anordnet, sondern nur gestattet, so ist die ohne den Fortsetzungsbeschluß eintretende Auflösung der Gesellschaft zunächst aufschiebend bedingt davon, daß die Fortsetzung beschlossen wird. Wird sie beschlossen, so liegt also kein Fall des § 274 vor. Die Fortsetzung braucht also nicht in das Handelsregister eingetragen zu werden, und es gilt daher auch für die Zustimmung der verbleibenden persönlich haftenden Gesellschafter nicht § 283 III S. 4. Nicht denkbar ist, daß die Gesamtheit der Kommanditaktionäre, auch nicht, daß der einzige oder letzte persönlich haftende Gesellschaf1570

Auflösung

§289 Anm. 3—5

ter ausscheidet, ohne daß ein anderer eintritt oder die Gesellsdiaft durch Satzungsänderung in eine AG umgewandelt wird (§§ 366 ff.). Diese Umwandlung kann die Satzung von vornherein vorsehen und muß es, wenn sie das Ausscheiden des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters zuläßt. Ist nur ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden, so ist sowohl zu seinen Gunsten als zu seinen Ungunsten § 142 HGB entsprechend anwendbar (der Fall unterscheidet sich von dem des § 142 HGB insofern, als der persönlich haftende Gesellschafter derKGaA, anders als derjenige einer oHG, nicht Inhaber des Unternehmens ist) mit der Maßgabe, daß die Gesellsdiaft ihre Umwandlung in eine AG beschEeßen kann (§ 366), und daß die dazu erforderliche Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters durch richterliches Urteil ersetzt wird (vgl. RG 82, 360). Für die Zeit his zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits wird man mit einstweiliger Verfügung helfen müssen, welche z. B. zunächst einmal die Zustimmung für die Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung ersetzt. Die Abberufung eines persönlich haftenden Gesellschafters kann eine Ausschließung aus der Gesellschaft sein (s. oben), sie ist ohne weitergehende Satzungsbestimmung nur durch Gerichtsurteil nach § 140 HGB (nicht etwa durch den Aufsichtsrat) möglich (s. das Vorstehende). Die Abberufung kann auch eine Entziehung der Geschäftsführungs- oder (und) Vertretungsbefugnis sein; vgl. hierüber § 278 Anm. 12 und 13. Das Ausscheiden durch Ausschließung muß eine Ausnahme sein und es muß mit besonderer Sorgfalt geprüft werdein, ob der Grund tatsächlich eine solch weitgehende Maßnahme rechtfertigt (RG in JW 1933, 98); alle anderen Möglichkeiten müssen als nicht ausreichend angesehen werden (BGH 18, 362). IV. Anmeldung zum Handelsregister Anm. 4: Die Auflösung der Gesellschaft und das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters ist zum Handelsregister anzumelden, und zwar von sämtlichen persönlich haftenden Gesellschaftern, gleichgültig, ob sie von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind oder nicht. Im Falle des Todes eines persönlich haftenden Gesellschafters haben grundsätzlich dessen Erben bei der Anmeldung mitzuwirken. Jedoch kann diese Mitwirkung unterbleiben, soweit ihr besondere Hindernisse entgegenstehen. Ist von mehreren Erben nur der eine verhindert, so ist nur von dessen Mitwirkung abzusehein. Wird die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt, so ist stets die Anmeldung des Ausscheidens eines persönlich haftenden Gesellschafters von allen Erben mit vorzunehmen. V. Auseinandersetzungsguthaben Anm. 5: Im Falle des Ausscheidens hat der Ausscheidende, der mit einer Einlage beteiligt war, Anspruch auf Auszahlung seines Auseinandersetzungs1571

§ 289 Anm. 5 , 6

Kommanditgesellschaft auf Aktien

guthabens, das sich nach den Vorschriften des HGB über die Kommanditgesellschaft, nicht etwa nach der gemäß § 153 aufgestellten Bilanz ergibt. Diese Vorschriften sind für den Ausscheidenden wesentlich günstiger. Da sie nachgiebig sind, kann aber die Satzung anderes vorschreiben. Vorbehaltlich solcher Satzungsbestimmung hat der Ausscheidende einen seinem Kapitalanteil entsprechenden Geldanspruch, auch wenn eine Sacheinlage geleistet war. Der Kapitalanteil ist zu beredinen, indem von dem wahren Wert der Aktiven ausgegangen wird und die während der Mitgliedschaft des Ausscheidenden gebildeten Rüdklagen und den in den Bewertungen steckenden Reserven, von denen er nicht schon einen Gewinnanteil gehabt hat, als aufgelöst gedacht werden; aus dem sich ergebenden Gewinn ist der ihn vertragsmäßig treffende Gewinnanteil seinem Kapitalanteil gutzubringen. Schwierig mag mitunter die Behandlung des Geschäftswerts (vgl. § 153 Anm. 8) sein, an dem das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung dem ausscheidenden Gesellschafter einer oHG einen Anteil zuerkennt. Der Ausscheidende kann Befreiung von den fälligen und Sicherstellung wegen der noch ¡nicht fälligen Verpflichtungen verlangen (§ 738 BGB). An dem Ergebnis der zur Zeit seines Ausscheidens schwebenden Geschäfte nimmt er nach Maßgabe des bisherigen Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssels teil. Alles Vorstehende kann durch Satzung oder Vereinbarung anders geregelt werden. Ein stehengebliebener Gewinnanteil ist keine Einlage. Über die Anwendung des § 142 HGB betreffend Übernahme ohne Abwicklung mit Aktiven und Passiven s. Anm. 3. VI. Aufnahme eines neuen persönlich haftenden Gesellschafters Anm. 6: Von der Aufnahme eines neuen persönlich haftenden Gesellschafters spricht das Gesetz nicht, es ergibt sich aber — s. audi § 278 Anm. 6, insbesondere über die Frage, unter welchen Umständen darin eine Satzungsänderung liegt — aus § 278 II in Verbindung mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts, daß dazu ein Vertrag mit allen persönlich haftenden Gesellschaftern — auch hier besteht Vertragsfreiheit und demnach die Möglichkeit abweichender Satzungsbestimmung — und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre erforderlich ist. Letztere äußert sich durch Beschluß der Hauptversammlung. Es kann aber die Satzung auch in dieser Beziehung anderes bestimmen und den Aufsichtsrat oder ein besonderes Organ (§ 287 II) dazu ermächtigen, im Namen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre auch ohne Beschlußfassung durch diese, ja allein ohne Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter, einen neuen persönlich haftenden Gesellschafter aufzunehmen.

1572

Abwicklung

§290

Anm. 1—3 § 290 Abwicklung (1) Die Abwicklung besorgen alle persönlich haftenden Gesellschafter und eine oder mehrere von der Hauptversammlung gewählte Personen als Abwickler, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. (2) Die Bestellung oder Abberufung von Abwicklern durch das Gericht kann auch jeder persönlich haftende Gesellschafter beantragen. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt wörtlich die Bestimmungen des bisherigen § 232 AktG 37 und behandelt die Abwicklung, die außer im Konkursfall die Folge der Auflösung der Gesellschaft ist (§ 264). Es kann aber auch hier die Satzung anderes bestimmen, z. B. ein Recht der persönlich haftenden Gesellschafter zur Übernahme vorsehen, jedoch nur, vorbehaltlich der Notwendigkeit zur Versilberung, so weit sie zur Befriedigimg der Gläubiger erforderlich ist. Uber das Sperrjahr vgl. KG in DFG 40, 110. Für die Abwickler gelten die §§ 264 bis 274. Abweichende Satzungsbestimmungen sind nur im Verhältnis der Gesellschafter untereinander zulässig. Abwickler sind stets sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter, gleichgültig, ob sie mit der Geschäftsführung betraut waren oder nicht, also ohne daß die Hauptversammlung andere Abwickler ernennen könnte, wohl aber kann sie neben diesen Abwicklern weitere Abwickler wählen. Der Beschluß bedarf nidit der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter, jedoch sind diese stimmberechtigt bei der Wahl (§ 285 Nr. 1). Eine Abberufung der Abwickler durch die Hauptversammlung nach § 265 V ist möglich, aber insoweit nicht, als die persönlich haftenden Gesellschafter Abwickler sind. Für ihre Abberufung gilt § 147 HGB (a. A. Schl.-Qu. § 232 Anm. 4). Zweifelhaft ist, worauf sich in Abs. 1 der Vorbehalt zugunsten der Satzung bezieht. Wir beziehen ihn sowohl auf die Abwicklung durch die persönlich haftenden Gesellschafter als auch auf die Befugnis der Hauptversammlung, weitere Abwickler zu wählen. Anm. 2: § 265 über die Ernennung von Abwicklern durch das Registergericht gilt auch für die Kommanditgesellschaft a. A. Es kann nicht nur der Aufsichtsrat und eine Minderheit der Kommanditaktionäre, die fünf Prozent des Grundkapitals oder einen Nennbetrag von einer Million DM vertreten, den Antrag stellen, sondern auch jeder persönlich haftende Gesellschafter. Über das Verfahren vgl. § 265 Anm. 7. Anm. 3: Die persönliche Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter dauert während der Abwicklung fort. Sonach haften sie für Verpflichtungen, welche die Abwickler nach § 268 eingehen. Das Sperrjahr gemäß § 272 gilt nur bezüglich der Verteilung des Grundkapitals. An die persönlich haftenden Gesellschafter kann die Ausschüttung schon vorher erfolgen, sofern nicht 1573

§ 290 Anna. 3

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vorliegt (ebenso Schl.-Qu. § 232 Anm. 3; B.-H. Rn 2; abw. Barz in Großkomm. § 232 AktG 37 Anm. 7). Es entspricht dies der — ohnedies gegebenen — persönlichen Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter, die vorbehaltlich kürzerer gesetzlicher Verjährung (§§ 192 ff. BGB, § 853 BGB) der einzelnen Verbindlichkeit gemäß § 159 HGB, erst nadi fünf Jahren verjährt. Dies setzt aber voraus, daß die Auseinandersetzung zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre vorgenommen ist. Für diese ist die Satzung, hilfsweise § 155 HGB maßgebend. Für die Verteilung der auf die persönlich haftenden Gesellschafter entfallene Masse gilt gleichfalls die Satzung und hilfsweise § 155 HGB; für die Verteilung der auf die Kommanditaktionäre entfallenen Masse gelten §§ 278 III, 271. Eine Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft nach § 274 ist möglich, sie bedarf der Zustimmung aller persönlich haftenden Gesellschafter.

1574

DRITTES BUCH

Verbundene Unternehmen ERSTER TEIL

Unternehmensverträge Erster Abschnitt Arten von Unternehmensverträgen Vorbemerkungen zu §§ 291—328 I. Allgemeines 1. Einzelgesellschaft und verbundene Unternehmen (Anm. 1) 2. Beeinträchtigung der Funktion der Gesellsdiaftsorgane (Anm. 2) 3. Sicherungsbestimmungen (Anm. 3) 4. Eingliederung (Anm. 4) 5. Vertrags- und faktischer Konzern (Anm. 5) 6. Anwendungsgebiet (Anm. 6) II. Unternehmensverträge 1. Begriff (Anm. 7) 2. Beherrschungsvertrag (Anm. 8)

3. Gewinnabführungsvertrag (Anm. 9) 4. Geschäftsführungsvertrag (Anm. 10) 5. Gewinngemeinschaft (Anm. 11) 6. Teilgewinnabführungsvertrag (Anm. 12) 7. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag (Anm. 13) 8. Nicht unter das Gesetz fallende Unternehmensverträge (Anm. 14) III. Obergangsbestimmungen (Anm. 15)

I. Allgemeines 1. Einzelgesellschafi und verbundene Unternehmen Anm. 1: Bisher ging man davon aus, daß aktienrechtliche Gesetzesvorschriften dazu bestimmt seien, im wesentlichen die innere Ordnung einer rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Gesellschaft zu regeln, die sich insbesondere von anderen Gesellschaften dadurch unterscheidet, daß an ihr eine Vielzahl von Gesellschaftern beteiligt ist. Dem ganzen Aufbau der gesetzlichen Bestimmungen liegt der Gedanke zugrunde, daß sich in der Hauptversammlung, dem Organ, in dem die Vielzahl der Gesellschafter allein ihre Rechte ausüben können, ein Wille der Mehrheit bildet, der über die Wahl des Aufsichtsrats und die Bestellung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat Einfluß bis hin zur Geschäftsführung gewinnt. Soweit die Hauptversammlung den Jahres1575

Vorbem. §§291—328 Anm. 1,2

Unternehmensverträge

abschluß feststellt und durch die ihr allein gegebene Zuständigkeit für die Gewinnverwendung, hat sie einen gewissen, wenn auch sehr beschränkten Einfluß auf den Geschäftsablauf. Durch die Möglichkeit, Entlastung zu verweigern und Sonderprüfer zu bestellen, bleiben ihr gewisse Kontrollrechte gegenüber der Verwaltung gewahrt. Alles in allem ist die Gesamtkonstruktion so aufgebaut, daß durch eine aus vielen Aktionären bestehende Hauptversammlung ein Interessenausgleich stattfindet, der sich neutralisierend auf die Gesellschaft in der Weise auswirkt, daß die Willensbildung der Mehrheit dem Interesse der Gesellschaft entspricht. Dies alles funktioniert dann nicht mehr, wenn die Hauptversammlung von einem oder einigen wenigen Großaktionären beherrscht wird, oder aus sonstigen Gründen die Gesellschaft unter einen herrschenden Einfluß gerät. Sie wird damit, wenn der beherrschende Einfluß von einem Unternehmen ausgeht, zu einer abhängigen Gesellschaft im Sinne des § 17. Damit gehört sie zu dem weitergezogenen Kreis der „verbundenen Unternehmen". Die wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere der letzten Jahrzehnte, hat dazu geführt, daß der größere Teil aller Aktiengesellschaften verbundene Unternehmen in diesem Sinne sind. Unter den Oberbegriff „verbundene Unternehmen" fallen noch wesentlich mehr Aktiengesellschaften, weil hierzu auch die Aktiengesellschaften gehören, die auf andere Unternehmen einen beherrschenden Einfluß ausüben. Es sind dies vielfach die großen Publikumsgesellschaften. Bei diesen wird die innere Ordnung jedoch nicht berührt. Ihre Organe behalten die volle Funktionskraft. Die Bestimmungen des 3. Buches finden für sie Anwendung, soweit es sich um die Beziehungen zu den mit ihnen verbundenen Unternehmen oder Konzernunternehmen eines Konzerns, an dem sie beteiligt sind, handelt, insbesondere auch die Bestimmungen über die Rechnungslegung im Konzern §§ 329—338 (vgl. hierzu Vorbem. zu § 329). 2. Beeinträchtigung der Funktion der Gesellschaftsorgane Anm. 2: Für Aktiengesellschaften, die sich als abhängige Gesellschaften in einem Unternehmensverband befinden, liegt die rechtliche Problematik darin, daß die Funktion ihrer eigenen Organe durch den beherrschenden Einfluß, der von außen auf die Gesellschaft ausgeübt wird, beeinträchtigt wird. Je größer die Beeinträchtigung ist, um so mehr bedarf die Gesellschaft des Schutzes davor, daß ihr von dem herrschenden Unternehmen Schaden zugefügt wird. In der gesetzlichen Regelung ergibt sich auf diese Weise eine Art Wechselwirkung zwischen den Bestimmungen über den Umfang der Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens einerseits und den Schutzbestimmungen der Gesellschaft, ihrer außenstehenden Aktionäre und ihrer Gläubiger andererseits. Eine Leitungsmacht, die so weit geht, daß die abhängige Gesellschaft eigene Nachteile im Interesse des herrschenden Unternehmens oder des Gesamtkonzerns in Kauf nehmen muß, wird vom Gesetz nur gestattet, wenn 1576

Vorbemerkungen vor §§ 291—328 Vorbem. §§ 291—328 Anm. 2—4 ein sogenannter vertraglicher Konzern vorliegt und wenn die Vertragsgrundlage dieses Konzerns ein Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 ist. Das ist ein Vertrag, in dem eine Aktiengesellschaft oder eine KGaA die Leitung ihrer Gesellsdiaft einem anderen Unternehmen unterstellt (vgl. über die Rechtsnatur von Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag Müller in Die AktGes. 65,133 ff.; Kropff in BB 65,1282). Nur wenn ein solcher Vertrag vorliegt, gelten die Bestimmungen der §§ 308—310 über den Umfang der Leitungsmacht und die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens, seiner gesetzlichen Vertreter sowie der Verwaltungsmitglieder der abhängigen Gesellschaft. Zur Sicherung der außenstehenden Aktionäre muß ein solcher Vertrag ein doppeltes Angebot enthalten, einmal muß er denjenigen Aktionären, die in der Gesellschaft verbleiben wollen, eine Ausgleichszahlung an Stelle eines Gewinnanteils garantieren, zum anderen muß er die Bereitschaft enthalten, die Aktien der Aktionäre, die aus der Gesellschaft ausscheiden wollen, gegen eine angemessene Abfindung zu erwerben. Die Bestimmungen über den notwendigen Inhalt des Vertrages gelten auch für den zweiten Unternehmensvertrag, der in § 291 genannt wird, den Gewinnabführungsvertrag, durch den sich eine AG oder KGaA verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Er wird häufig mit einem Beherrschungsvertrag zusammenfallen; ist das aber nicht der Fall, so gelten für diesen Vertrag nicht die Bestimmungen über die Leitungsmadit. Auf der Grundlage eines Gewinnabführungsvertrages allein ist es nicht zulässig, die Leitungsmacht in der Weise auszuüben, daß im Interesse des herrschenden oder eines Konzernunternehmens der abhängigen Gesellschaft Nachteile zugefügt werden. Allerdings wird mit Rücksicht darauf, daß sich das wirtschaftliche Ergebnis bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages bei der herrschenden Gesellschaft auswirkt, auf eine Kontrolle der Einhaltung der beschränkten Leitungsmacht verzichtet (§316). 3. Sicherungsbestimmungen Anm. 3: In den Bestimmungen über den Abschluß, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen und im 3. Absdinitt über Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger werden die in § 291 aufgeführten beiden Vertragsarten, der Beherrschungsvertrag und der Gewinnabführungsvertrag, im wesentlichen gleich behandelt. Sie unterscheiden sich gemeinsam von den in § 292 aufgeführten „anderen Unternehmensverträgen" dadurch, daß die letzteren schuldrechtliche Verträge sind, bei denen Leistung und Gegenleistung sich gegenüberstehen, während die in § 291 behandelten Verträge als Organschaftsverträge bezeichnet werden können. 4. Eingliederung Anm. 4: Nicht zu den Unternehmensverträgen gehört die vom Gesetz neu eingeführte Möglichkeit der Eingliederung eines Unternehmens, denn diese 1577

Vorbem. §§291—328 Anm. 4—6

Unternehmensverträge

beruht nicht auf einem Vertrag, sondern auf Hauptversammlungsbeschlüssen der beteiligten Gesellschaften. Sie ist die engste Verbindung von zwei rechtlich selbständig bleibenden Unternehmen. Infolgedessen ist auch die Leitungsmacht der herrschenden Gesellschaft, die in diesem Fall Hauptgesellschaft genannt wird, eine noch weitergehende, als die der herrschenden Gesellschaft, wenn ein Beherrschungsvertrag vorliegt. Alle Schutzbestimmungen für Aktionäre können in diesem Fall wegfallen, da es nach der Eingliederung keine außenstehenden Aktionäre mehr gibt. Der Anspruch etwa bei der Eingliederung noch vorhandener und mit der Eingliederung ausscheidender Aktionäre auf angemessene Abfindung entspricht der Regelung bei einem Beherrschungsvertrag. 5. Vertrags- und faktischer Konzern Anm. 5: Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist, werden mithin vom Gesetz weitestgehend gleich behandelt. Sie bilden auch nach der Definition des § 18 I S. 2 einen Konzern und sind Konzernunternehmen. Im Falle der Eingliederung besteht aber kein Vertrag. Infolgedessen erscheint die bisherige Einteilung der Konzerne in Vertragskonzerne und in faktische Konzerne etwas problematisch, zumal nach der Regierungsbegründung (Vorbem. vor §291) entsprechend dem bisherigen Sprachgebrauch unterschieden werden soll „zwischen den auf einem Beherrschungsvertrag beruhenden und den rein tatsächlichen Konzernverhältnissen". Danach fallen alle Unternehmensverbindungen, die ausschließlich auf einem Gewinnabführungsvertrag nach § 291 oder auf einem Unternehmensvertrag nach § 292 beruhen, unter die Kategorie des faktischen Konzerns, obwohl Verträge ihre Grundlage bilden (so auch Geßler in DB 65,1962 und Kropff in BB 1965, 1282 ff.). Es kommt nach der jetzt vorliegenden gesetzlichen Regelung nicht mehr darauf an, ob die Unternehmensverbindung auf Vertrag beruht oder auf rein tatsächlichen Verhältnissen, sondern es ist entscheidend, ob eine AG oder KGaA die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt hat. Das kann auf zweierlei Weise geschehen; einmal durch Abschluß eines Beherrschungsvertrages nach § 291 und zum anderen durch Eingliederung in eine AG. In beiden Fällen handelt es sich um gesellschaftsrechtliche Vorgänge, die letztlich durch Hauptversammlungsbeschlüsse der beteiligten Gesellschaften zustande kommen. In einem Fall beruhen sie auf einem Vertrag, im anderen auf gesetzlicher Regelung. 6. Anwendungsgebiet Anm. 6: Die Bestimmungen des 3. Buches gelten — worauf die Überschrift „verbundene Unternehmen" bereits hinweist — nicht nur für Aktiengesellschaften und KGaA — soweit letztere ausdrücklich genannt sind —, sondern 1578

Vorbemerkungen vor §§ 291—328 Vorbem. §§ 291—328 Anm. 8,7 stets dann, wenn von Unternehmen geredet wird, für alle Unternehmen, gleichgültig, in weldier Rechtsform sie betrieben werden. Andererseits muß stets wenigstens eine AG beteiligt sein. Eine Unternehmensverbindung, an der überhaupt keine inländische AG beteiligt ist, kann begrifflich nicht unter die Bestimmungen des Aktiengesetzes fallen, da diese sich nur auf die innere Ordnung einer Aktiengesellschaft beziehen und die Auswirkungen der Beziehungen zwischen Unternehmen lediglich in bezug auf eine Aktiengesellschaft regeln. Über die Anwendung der Bestimmungen auf ausländische Gesellschaften siehe § 293 Anm. 6. II. Unternehmensverträge 1. Begriff Anm. 7: Unter dem neu geschaffenen Sammelbegriff „Unternehmensverträge" führt das Gesetz in den §§ 291 und 292 u. a. fünf typische Vertragsarten auf, durch die eine oder mehrere Aktiengesellschaften oder KGaA mit anderen Unternehmen zusammengefaßt werden (über die Abgrenzung der einzelnen Vertragsarten gegeneinander vgl. Geßler in DB 65,1691 ff.). Mit der in der bisherigen Rechtslehre außerordentlich umstrittenen Frage der Rechtsnatur solcher Verträge hat sich das Gesetz nicht befaßt. Immerhin hat es jedoch zwei Gruppen dadurch gebildet, daß es den sogenannten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (mit der Sonderform des Geschäftsführungsvertrages) in § 291 und die anderen drei Vertragsarten in § 292 behandelt. In allen Fällen gibt es für die von ihm geschilderten Vertragsarten jeweils eine Legaldeiinition. Es mag zweifelhaft sein, ob die Trennung in zwei Gruppen hinreichend begründet ist. Sicherlich ist der in § 291 an erster Stelle unter der neugesdiaffenen Bezeichnung „Beherrschungsvertrag" dargestellte Vertrag ein solcher besonderer Art. Sein Wesen besteht darin, daß sich eine AG oder KGaA unter die Leitung eines anderen Unternehmens stellt. Diese Schaffung einer Leitungsmacht außerhalb der Gesellschaft ist der springende Punkt für die Behandlung eines sogenannten Vertragskonzerns. Alle Verträge, für die dies kennzeichnend ist, unterliegen den besonderen Bestimmungen der §§ 308—310. Alle übrigen Unternehmensverträge, audi der Gewinnabführungsvertrag, der an zweiter Stelle in § 291 genannt wird, unterliegt diesen Bestimmungen nicht. Es wäre also naheliegend gewesen, den Beherrschungsvertrag in einer gesonderten Vorschrift zu behandeln (vgl. auch Kropff in BB 65, 1282, der die Zusammenfassung der beiden in § 291 behandelten Vertragsformen zu einem Vertragstyp für richtiger hält). Daß Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertag zwar als getrennte Vertragsformen, aber gemeinsam in einer Vorschrift behandelt werden, wird damit begründet, daß es die beiden einschneidendsten Vertragstypen seien. Zu § 292 führt die Regierungsbegründung aus, daß es sich bei den dort behandelten 1579

Vorbem. §§291—328 Untcrnehmensv ertragt: Anm. 7 Unternehmensverträgen um schuldrechtliche Verträge mit Austausch von Leistung und Gegenleistung im Gegensatz zu den in § 291 behandelten Beherrsdiungs- und Gewinnabführungsverträgen handelt. Wichtiger für die gemeinschaftliche Behandlung des Beherrschungsvertrages und des Gewinnabführungsvertrages in einer Vorschrift dürfte aber die Tatsache sein, daß in der Praxis meistens beide Verträge zusammenfallen. Diese Entwicklung beruht auf steuerlichen Überlegungen. Die Schaffung eines sogenannten steuerlichen Organschaftsverhältnisses bietet u. U. erhebliche Vorteile, so bei der Umsatzsteuer und bei einem Gewinn- und Verlustausgleich, auch bei der Körperschaftssteuer. Eine Legaldeiinition des Organschaftsverhältnisses gibt es nur im Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer) vom 29. 5.1967 (BGBl. I 545). Nach § 2 II N r . 2 UmsStG liegt eine Organgesellschaft vor, „wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist". Im Gewerbesteuerrecht spricht man in einem solchen Fall von einer Betriebsstätte. Für die Umsatz- und Gewerbesteuer würde ein Beherrschungsvertrag allein eine hinreichende Vertragsgrundlage für ein Organschaftsverhältnis sein. Hier kommt es auf die Unterordnung der Organgesellschaft unter den Willen der Obergesellsdiaft an, also in der Gesetzessprache des vorliegenden Gesetzes, ob die Organgesellschaft die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt hat. Für die Körperschaftssteuer hat .das Organschaftsverhältnis nur dann eine Bedeutung, wenn die Obergesellschaft in der Lage ist, einen Verlust der Organgesellschaft vom eigenen Gewinn abzusetzen. Das ist zwar nur dann möglich, wenn ein Organschaftsverhältnis im oben wiedergegebenen Sinne, also ein eindeutiges Beherrschungsverhältnis gegeben ist. Es muß aber noch etwas anderes hinzutreten, nämlich eine Ergebnisübernahme, d. h. aber im Sinne des § 291, die Verpflichtung der einen Gesellschaft, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen, in Verbindung mit der sich daraus gesetzlich ergebenden Verlustübernahme nach § 302. Danach hat der andere Vertragsteil jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen. Durch diese Ausgestaltung des Gewinnabführungsvertrages zu einem Gewinnabführungs- und Verlustübernahmevertrag werden die Möglichkeiten einer Auswirkung auf die Körperschaftsteuer im Falle des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen eines Organschaftsverhältnisses geschaffen. Die Zusammenfassung der beiden Vertragstypen hat mithin das Ergebnis, daß hier die beiden für die Gestaltung von Organschaftsverhältnissen entscheidenden Vertragstypen erwähnt sind, wobei der Beherrschungsvertrag stets gegeben sein muß, wenn man ein Organschaftsverhältnis begründen will, während der Gewinnabführungsvertrag hinzutreten muß, wenn der wirtschaftliche Zweck darauf hinausläuft, einen Gewinnausgleich zu schaffen. Die Abgrenzung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags einer1580

Vorbemerkungen vor §§ 291—328 Vorbem. §§ 291—328 Anm. 7 seits von den anderen Unternehmensverträgen des § 292 andererseits ist aber auch aus der Verschiedenheit ihrer Rechtsnatur begründet. Allen im Gesetz unter dem Sammelbegriff Unternehmensverträge aufgeführten Verträgen ist typisdi, daß sie die Struktur des Unternehmens ändern (so Regierungsbegründung zu § 291). Sie tun dies aber in sehr verschiedenem Maße, und es ist unterschiedlich, inwieweit der strukturändernde Charakter oder die schuldrechtlichen Bestimmungen im Vordergrund stehen und welche den Ausschlag geben. Je nachdem ist zu unterscheiden zwischen sogenannten Organisationsverträgen und obligatorischen Verträgen (so Würdinger, S. 288). Es gibt Verträge, die zwar tief in die Struktur der Gesellschaft eingreifen, aber dennoch überwiegend obligatorischen Charakter haben, weil sie die beteiligten juristischen Personen als solche verpflichten, nicht dagegen die Organe der verpflichteten Gesellschaft unmittelbar binden. Das Beispiel für die erste Gruppe ist der Betriebspachtvertrag (§ 292 I Nr. 3). Er greift wesentlich in die Struktur der Gesellschaft ein, denn diese betreibt nicht mehr ihr bisheriges Unternehmen, sie verpachtet es und erhält hierfür eine Gegenleistung, den Pachtzins. Grundsätzlich müssen Leistung und Gegenleistung in angemessenem Verhältnis stehen. Tun sie das, so besteht keinerlei Anlaß zu irgendwelchen gesellschaftsrechtlichen Bedenken bez. eines solchen Vertrages, es sei denn, daß man darin eine Satzungsänderung sieht, wenn die Verpachtung des Unternehmens in der ursprünglichen Satzung nicht vorgesehen war (s. hierzu § 292 Anm. 5). Davon abgesehen wird aber die Stellung des Vorstands der verpachtenden Gesellschaft und ihrer sonstigen Organe in keiner Weise berührt; es braucht keineswegs eine Abhängigkeit zwischen dem Pächter, der nunmehr das gepachtete Unternehmen betreibt, und dem Verpächter vorzuliegen; beide können sich völlig selbständig gegenüberstehen. Die an dem Vertrag beteiligten Unternehmen werden zwar nach § 15 verbundene Unternehmen, es ist aber keineswegs notwendig, daß sie auch Konzernunternehmen im Sinne des § 18 sind, denn ein derartiger Vertrag setzt keine einheitliche Leitung voraus. Wenn ein solcher Vertrag von unabhängigen Gesellschaften abgeschlossen wird, so bedarf es keines besonderen Schutzes der Gläubiger. Die Bestimmung des § 302 II besagt, daß nur dann, wenn eine abhängige Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens dem herrschenden Unternehmen verpachtet und die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht, das herrschende Unternehmen den Fehlbetrag abdecken muß. Diese Bestimmung findet also nur Anwendung, wenn zwei Dinge hinzutreten, die für einen Betriebspachtvertrag nicht wesentlich sind, nämlich erstens, daß die verpachtende Gesellschaft in einem Abhängigkeitsverhältnis zur pachtenden steht und zweitens, daß der Pachtzins nicht angemessen ist. Die Frage, welchem Vertragstyp der Vertrag zuzuordnen ist, spielt für seine notwendige Eintragung ins Handelsregister keine Rolle mehr, da diese maßgebend ist (Geßler in DB 1965, 1614). 1581

Vorbem. §§ 291—328 Anm. 8,9

Unternehmensverträge

2. Beberrschungsvertrag Anm. 8: Der Beherrschungsvertrag besteht seinem Wesen nach darin, daß eine Aktiengesellschaft oder KGaA die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt. Hier wird also nicht etwa die Leitung des Betriebes oder eines Teiles von mehreren Betrieben einem anderen Unternehmen unterstellt, sondern die Leitung der Gesellschaft selbst. Deshalb gibt es keine durch Beherrschungsvertrag verbundenen Gesellschaften, die nicht gleichzeitig einen Konzern bilden. Das wäre auch so, wenn es nicht ausdrücklich in § 18 gesagt wäre. Ein solcher Vertrag setzt auch voraus, daß die Gesellschaft, die sich der Leitung einer anderen Gesellschaft unterstellt, eine abhängige Gesellschaft und das andere Unternehmen eine herrschende Gesellschaft ist. Dies wird ausdrücklich in § 291 II in der Weise bestimmt, daß, wenn zwei Unternehmen, die voneinander nicht abhängig sind, durch Vertrag unter einheitliche Leitung zusammengefaßt werden, ohne daß dadurch eines von ihnen von einem anderen vertragschließenden Unternehmen abhängig wird, der Vertrag kein Beherrschungsvertrag ist. Hier ist es also deutlich, daß das Wesen eines Beherrschungsvertrages darauf gerichtet ist, die Organe der Gesellschaft zu binden und nicht etwa eine obligatorische Beziehung zwischen den beteiligten Gesellschaften zu schaffen. Es handelt sidi mithin hier um einen typischen Organisationsvertrag (Kropff in BB 65, 1282 bezeichnet ihn als Satzung der durch ihn zusammengeschlossenen Unternehmensgruppe und folgert daraus, daß er audi wie eine Satzung ausgelegt werden müsse; ebenso Würdinger, S. 288). Das schließt nidit aus, daß dieser Vertrag auch obligatorische Elemente enthält. Das Gesetz schreibt dies sogar ausdrücklich vor, denn in einem Beherrschungsvertrag müssen obligatorische Verpflichtungen gegenüber den außenstehenden Aktionären eingegangen werden. Das gehört aber nicht zum Wesen des Vertrags, sondern ist gewissermaßen eine notwendige Folge, die ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist (vgl. im übrigen § 291 Anm. 2). 3. Gewinnabführungsvertrag Anm. 9: Während bei dem hier gewählten Beispiel, Betriebspachtvertrag einerseits und Beherrschungsvertrag andererseits, die Einreihung in die Begriffe obligatorischer Unternehmensvertrag und Organisationsvertrag eindeutig sein dürfte, ist die Abgrenzung schon bedeutend schwieriger bei einem Gewinnabführungsvertrag, zumal da das Gesetz den Vertrag, durch den eine Gesellschaft sich verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen, unter § 291 und den Teilgewinnabführungsvertrag unter § 292 I Nr. 2 behandelt, mit der Folge, daß für den Abschluß, die Änderungen und die Auflösung dieser Verträge verschiedene Bestimmungen gelten. Ein Gewinnabführungsvertrag nach § 291 wird, wenn der andere Vertragsteil eine AG oder KGaA ist, nur wirksam, wenn auch die Hauptversamm1582

Vorbemerkungen vor §§ 291—328 Vorbem. §§ 291—328 Anm. 9,10 lung dieser Gesellschaft zustimmt (§ 293). Das gleiche gilt für die Änderungen (§ 295), für die Aufhebung bedarf es eines Sonderbeschlusses der außenstehenden Aktionäre (§ 296 II). Den Gewinnabführungsvertrag muß man losgelöst vom Beherrschungsvertrag betrachten, denn das Gesetz unterscheidet deutlich zwischen beiden, insbesondere bezieht sich der 1. Abschnitt des 2. Teils des 3. Buches über die Leitungsmacht und Verantwortlichkeit nur auf solche Unternehmensverbindungen, die auf einem Beherrschungsvertrag beruhen, während alle anderen Unternehmensverbindungen, also auch die, die allein auf einem Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 beruhen, unter den 2. Abschnitt „Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages" fallen. Es ist zweifelhaft, ob die Elemente eines Organisations- oder die eines schul drechtlichen Vertrages überwiegen. Seine wirtschaftliche Bedeutung, die darin liegt, daß der von der Gesellschaft erzielte Gewinn dem Vertragspartner zufließt, läßt ihn überwiegend als Organisationsvertrag erscheinen (ebenso Kropff in BB 65, 1282). Besonders hervorgehoben wird der Gewinnabführungsvertrag in § 316, und zwar in dem Zusammenhang, daß bei Vorliegen eines solchen Vertrages der sogenannte Abhängigkeitsbericht des § 312 entfällt. Damit hat er insoweit dieselbe Wirkung wie ein Beherrschungsvertrag (vgl. im übrigen § 291 Anm. 3). 4. Geschäftsführungsvertrag Anm. 10: Im Regierungs-Entwurf war unter dem Eindruck, daß derartige Verträge möglich seien, der sogenannte Gesdiäftsführungsvertrag unter den „anderen Unternehmensverträgen" aufgeführt und als ein Vertrag definiert, durch den eine Aktiengesellschaft oder KGaA es übernimmt, ihr Unternehmen im eigenen Namen für Rechnung eines anderen zu führen (Geschäftsführungsvertrag). Dabei war gedacht an eine Geschäftsführung gegen Entgelt, die auch zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen vereinbart werden könnte (vgl. Ausschußbericht zu Drucksache IV/3296). Während der Beratung des Gesetzes sind Bedenken aufgekommen, ob eine solche Konstruktion wirklich der Wirtschaftspraxis entspricht. Diese stützten sich einmal auf den Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft (vgl. Bundestagsdrucksache IV 2320, S. 589), zum anderen entsprach diese Beurteilung auch den Ausführungen der Konzernrechtskommission des Deutschen Juristentages. Man hat deshalb davon Abstand genommen, diesen offenbar nur theoretisch möglichen Fall der entgeltlichen Geschäftsführung überhaupt in das Gesetz aufzunehmen und lediglich den anderen Fall geregelt, in dem die Geschäftsführung ohne Entgelt erfolgt. Ein solcher Vertrag ist aber nichts anderes als ein Gewinnabführungsvertrag. Dies kommt jetzt in § 291 I S. 2 zum Ausdruck, er gilt als Vertrag über die Abführung des ganzen Gewinns. Der Bericht der Studienkommission des Deut1583

Vorbem. §§291—328 Anm. 10—12

Unternehmensverträge

sehen Juristentages geht aber noch weiter; es wird die Ansicht vertreten, daß, wenn einmal ausnahmsweise die Übernahme des gesamten Ergebnisses vereinbart wird, ohne daß in dem Vertrag ein Beherrschungsverhältnis vorgesehen ist, dennoch sich aus der Zusammenfassung der Ergebnisse von abhängigen Gesellschaften und herrschenden Unternehmen sich gerade aus dieser Maßnahme in aller Regel die gemeinsame Leitung durch das herrschende Unternehmen ergibt. Selbst wenn dies im Einzelfall nicht so sein sollte, sollte die einheitliche Leitung fingiert werden. Dem ist zwar der Gesetzgeber nicht gefolgt, er hat aber dennoch dem Gewinnabführungsvertrag eine besondere Stellung eingeräumt, indem er ihn zusammen mit dem Beherrschungsvertrag in § 291 und getrennt von den schuldrechtlichen Verträgen des § 292 als Organisationsvertrag behandelt hat. Die Frage, ob dies zutrifft, wird in der Zukunft keine entscheidende Rolle mehr spielen, weil für die einzelnen Grundvertragstypen die sich aus ihnen ergebenden Rechtsfolgen im einzelnen im Gesetz geregelt sind, so daß ihre Einordnung in bestimmte Gruppen nicht mehr von entscheidender Bedeutung für die Rechtswirkungen der Verträge sein kann. Da alle diese Verträge zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung ins Handelsregister bedürfen, ist diese maßgebend für den Charakter des Vertrages (Geßler in DB 65, 1694; vgl. im übrigen § 291 Anm. 4). 5. Gewinngemeinschaft Anm. 11: Siehe hierüber § 292 Anm. 3 und wegen der Abgrenzung zu anderen Verträgen § 292 Anm. 2. 6. Teilgewinnabführungsvertrag Anm. 12: Der Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 I Nr. 2 wird grundsätzlich wie jeder „andere Unternehmensvertrag" des § 292 behandelt, mit einer Ausnahme: bei den Vorschriften über die Bildung von gesetzlichen Rücklagen (§ 300 Nr. 2) gelten für ihn besondere Bestimmungen. Diese Bestimmungen sind aber letztlich technischer Natur und haben nichts zu tun mit einem Wesensunterschied zwischen dem Gewinnabführungsvertrag nach § 291 und dem Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 I Nr. 2. Wenn nichts weiter vorliegt als die Verpflichtung einer Gesellschaft, einen Teil ihres Gewinnes an ein anderes Unternehmen abzuführen, so ist das in der Tat zunächst eine obligatorische Verpflichtung von Gesellschaft zu Gesellschaft. Sie beinhaltet keine Bindung der Gesellschaftsorgane der verpflichteten Gesellschaft. Man kann deshalb nicht sagen, daß ein solcher Vertrag in die Gruppe der Organisationsverträge einzureihen sei, denn es ist zumindest theoretisch denkbar, daß ein solcher Vertrag zwischen unabhängigen Gesellschaften abgeschlossen wird, denn die Verpflichtung zur Gewinnabführung kann sich aus einem Vertrag nach § 675 BGB über entgeltliche Geschäftsbesorgungen ergeben. Dann handelt es sich um eine schuldrechtliche Verpflichtung mit Lei1584

Vorbemerkungen vor §§ 291—328 Vorbem. §§ 291—328 Anm. 12—14 stung und Gegenleistung (vgl. im übrigen § 292 Anm. 4, über die Abgrenzung zu anderen Verträgen § 292 Anm. 2). 7. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag Anm. 13: Ein Betriebspachtvertrag (§ 292 I Nr. 3) schafft an sich keine Unternehmensverbindung. Das ergibt sich schon daraus, daß nicht das Unternehmen an sich verpachtet wird, sondern der Betrieb des Unternehmens. Das Unternehmen als solches wird durch den Vertrag nicht berührt, sondern nur sein Betrieb. Über die Abgrenzung zwischen Unternehmen und Betrieb vgl. die Anm. zu § 15. Ein Betriebspachtvertrag als solcher bindet also ganz gewiß nicht deren Organe, sondern nur die verpachtende Gesellschaft, und zwar auf Überlassung des Betriebes. Das ist aber auch ein schwerer Eingriff in die Struktur der Gesellschaft, denn es wird aus der bisher im Wirtschaftsleben dadurch tätigen Gesellschaft, daß sie ihre Betriebe führte und einen Gewinn aus ihnen zu erwirtschaften suchte, eine Rentengesellschaft, die nunmehr eine gleichbleibende Rente erhält und diese als einzige Einnahme zu verwalten hat. Damit ändert sich auch die Tätigkeit ihrer Organe ganz entscheidend, was seine Rückwirkungen auf ihre innere Organisation zur Folge haben kann, so z. B. Verringerung der Zahl der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Kürzung der Bezüge der Verwaltungsmitglieder und ähnliches. Wegen dieser Strukturänderung bedarf der Abschluß, die Änderung und die Beendigung auch eines solchen Vertrages der Zustimmung der Hauptversammlung der verpachtenden Gesellschaft, und zwar ist ein qualifizierter Beschluß von 3A des vertretenen Grundkapitals notwendig, obwohl es sich hier nicht um eine Änderung der Satzung handelt, sondern um die Änderung der Struktur der Gesellschaft. Deshalb finden auf den Beschluß die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderung keine Anwendung (§ 293 I). Auch ein solcher Vertrag bedarf der Eintragung ins Handelsregister, er wird erst wirksam, wenn sein Bestehen in das Handelsregister eingetragen worden ist (§ 294). Das alles geschieht aber nicht deshalb, weil die Organe der Gesellschaft durch den Vertrag gebunden werden, sondern weil durch den Vertrag die Struktur der Gesellschaft wesentlich insofern geändert wird, als sie sich praktisch nicht mehr selbst im Wirtschaftsleben betätigt. Das, was über den Betriebspachtvertrag ausgeführt ist, gilt auch sinngemäß für den Betriebsüberlassungsvertrag (vgl. im übrigen § 292 Anm. 5; zur Abgrenzung zu anderen Verträgen vgl. § 292 Anm. 2). 8. Nicht unter das Gesetz fallende Unternehmensverträge Anm. 14: Auch für Unternehmensverträge gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Es sind deshalb neben den im Gesetz aufgeführten typischen Fällen, für die jeweils eine Legaldefinition gegeben wird, auch Verträge möglich, in 1585

Vorbem. §§291—328 Unternehmensverträge Anm. 14,15 denen sich die einzelnen Arten der im Gesetz aufgeführten Verträge überschneiden, bzw. nebeneinander vorkommen. Das ist in bezug auf die in § 291 behandelten Beherrsdiungs- und Gewinnabführungsverträge sogar die Regel (Rasch, S. 76; B.-H. § 291 Rn 2). Es ist aber auch möglich, daß ein Beherrschungsvertrag mit einem Vertrag zusammenfällt, der in § 292 aufgeführt ist. Dann sind grundsätzlich die weitestgehenden gesetzlichen Bestimmungen auf einen solchen Vertrag anzuwenden (ebenso B.-H. § 291 Rn 2). Das gilt sowohl für sein Zustandekommen, wie auch für die Anwendung der Sicherungsbestimmungen für die Gesellschaft und deren Gläubiger und des gesetzlich vorgeschriebenen Inhalts zur Sicherung der außenstehenden Aktionäre. Selbstverständlich enthalten Unternehmensverträge neben den Bestimmungen, die für ihre Einreihung in einen bestimmten Typ entscheidend sind, auch noch andere Bestimmungen, die, sofern sie im Gesetz nicht ausdrücklich als typisch für einen anderen Unternehmensvertrag gelten, insoweit irrelevant sind, als sie nicht den Charakter des Vertrages beeinflussen können. Endlich gibt es Unternehmensverträge, die unter keinen der in §§291 und 292 aufgeführten Typen fallen. Sie können deshalb auch durchaus Verträge sein, die zur Zusammenfassung mehrerer Unternehmen dienen und somit im allgemeinen Sprachgebrauch als Unternehenmsverträge bezeichnet werden. Sie sind aber keine Unternehmensverträge im Sinne dieses Gesetzes. Die Bestimmungen des 3. Buches finden auf sie keine Anwendung. Ebenso können sie auch nicht dafür maßgebend sein, ob es sich um verbundene Unternehmen im Sinne des § 15 oder um Konzernunternehmen im Sinne des § 18 handelt (B.-H. § 291 Rn. 1; Würdinger S. 282. III. Übergangsbestimmungen Anm. 15: Die Ubergangsbestimmung des § 22 EG befaßt sich im Gegensatz zum Regierungs-Entwurf überhaupt nicht mit der Frage, inwieweit Unternehmensverträge, die vor dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes geschlossen wurden, rechtswirksam sind (ebenso Geßler in DB 66, 217). Im Ausschußbericht ist ausdrücklich festgestellt, daß die Entscheidung, ob bestehende Unternehmensverträge rechtswirksam sind, der Rechtsprechung überlassen bleiben müsse. Die in § 22 EG enthaltenen Übergangsbestimmungen beziehen sich dem Gesetzeswortlaut nach nur auf Unternehmensverträge, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen sind. Das beinhaltet, daß sie rechtswirksam zustande gekommen sind. Tatsächlich wurden gegen die Rechtsgültigkeit solcher Unternehmensverträge 3 Gruppen von Bedenken geltend gemacht. Zunächst könnten die Verträge gegen den Grundsatz der Gewinnverwendung verstoßen, insbesondere gegen das Verbot der Rückgewähr von Einlagen; ferner könnten sich Bedenken ergeben aus dem Grundsatz, daß der Vorstand die Aktiengesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten hat, und zum dritten könnten die Bedenken darauf beruhen, daß, wenn die 1586

Vorbemerkungen vor §§ 291—328

Vorbem. §§ 291—328

Anm. 15

Hauptversammlung den Verträgen nicht zugestimmt hat, darin eine Satzungsverletzung erblickt werden könnte, denn die Verträge beinhalten teilweise eine Satzungsänderung. In der Regierungsvorlage war ausdrücklich bestimmt, daß Unternehmensverträge nicht deshalb unwirksam sein sollten, weil ein Verstoß gegen die §§ 52, 54, 70 I AktG 37 angenommen wird oder bei ihrem Abschluß die Vorschriften über Satzungsänderungen nicht eingehalten worden sind. Diese Bestimmung war aus dem Gedanken erwachsen, daß in der Regel diese Verträge die rechtliche Grundlage eines wirtschaftlichen Dauerverhältnisses zwischen den Vertragspartnern bilden und deshalb ihre unvorhergesehene Beendigung etwa mit dem Inkrafttreten des Gesetzes unerwünscht sei und zur Erschütterung dieses Dauerverhältnisses führen könnte (so Reg.Begr.). Gewissermaßen zum Ausgleich für diese weitgehende Gültigkeitserklärung für die alten Unternehmensverträge war im Regierungs-Entwurf ein System für die Kündigung und Beendigung solcher Verträge vorgesehen. Das Gesetz hat eine andere Lösung bestimmt: Vor Anwendung des § 22 EG auf bestehende Unternehmensverträge bedarf es zunächst der Prüfung, ob überhaupt dieser Unteraehmensvertrag nach dem AktG 37 als rechtswirksam anzusehen ist. Im Urteil des BGH vom 8. 2.1960 (NJW 1960, 722 ff.) wird zu der Frage, inwieweit Organschaftsverträge zulässig sind, die die Abführung des Gewinnes an den Organträger vorsehen, ausgeführt, das Anstößige solcher Verträge liege darin, daß einzelnen Gesellschaftern wider ihren Willen das Mitgliedschaftsrecht auf Gewinnbeteiligung genommen wird. Es wird darauf hingewiesen, daß in einem Teil des Schrifttums der Standpunkt vertreten wird, daß im Hinblick auf die §§ 52, 54 und 126 AktG 37 derartige Verträge nichtig seien (vgl. Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, S. 160 ff.; derselbe in DB 56, 813 und 837; Duden in BB 57, 49; Fischer in Großkomm. § 52 AktG 37 Anm. 3, 4,18; § 54 Anm. 7; Flume in DB 56, 457 und 672 ff.). Man wird in jedem Einzelfall nachprüfen müssen, inwieweit dem Grundgedanken des neuen Gesetzes beim Abschluß der Verträge Genüge getan wurde (vgl. auch Zartmann in Die Aktiengesellschaft 1964,119; Schilling in BB 1965,1428 ff.). Wenn Organschaftsverträge im Sinne des neuen § 291 ohne Anbietung einer Abfindung an die Aktionäre abgeschlossen wurden, so ist dadurch allein ihre Wirksamkeit nicht in Frage gestellt, denn auch nach neuem Redit (§ 305 V) ist ein solcher Vertrag nicht unwirksam. Anders ist es, wenn ein Ausgleich (§ 304 III) nicht vorgesehen ist. Vor allem aber ist Verträgen, die ohne Zustimmung der Hauptversammlung geschlossen sind, die Gültigkeit zu versagen (vgl. Geßler in DB 65, 1654; Havermann in Wp 66, 90; Kropff in BB 65, 1287; Falkenhausen in BB66, 190; OLG Karlsruhe in N J W 1967, 831). Man wird davon ausgehen können, daß sie nichtig sind. Anders ist die Situation schon, wenn die Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit zugestimmt hat. Man kann zwar sicherlich sagen, daß, wenn das neue Gesetz 1587

V o r b e m . § § 2 9 1 — 3 2 8 / § 291

Anm. 15

Unternehmens vertrage

in § 291 Organschaftsverträge zuläßt und ausdrücklich bestimmt, daß Leistungen der Gesellschaft aufgrund dieser Verträge nicht als Verstoß gegen die Bestimmungen über die Gewinnverwendung und Auszahlung der neuen §§ 57, 58, 60 anzusehen sind, und wenn weiter das Gesetz davon ausgeht, daß bei solchen Verträgen auch nicht eingewandt werden kann, daß die im neuen wie im alten Gesetz gegebene unbeschränkte Verantwortlichkeit des Vorstandes und Leitungsbefugnisse des Vorstandes verletzt werden (ebenso Schilling a. a. O.), so muß auf der anderen Seite doch beachtet werden, daß das Gesetz eine solche Verletzung der Vorschriften über die Gewinnverteilung und die Leitungsmacht des Vorstandes nur zuläßt, wenn für die außenstehenden Aktionäre hinreichend anderweitig Sorge getragen wird. Wenn ein alter Organschaftsvertrag alle diese Sicherungen, die das Gesetz heute als notwendigen Inhalt solcher Verträge für die außenstehenden Aktionäre geschaffen hat (§§ 304—307), nicht beinhaltet, ist es äußerst zweifelhaft, ob er als gültig angesehen werden kann (insoweit abweichend Schilling a. a. O., ähnlich wie hier Geßler in DB 1965, 1691 ff. mit der Maßgabe, daß er Verträge, die keinen Ausgleich vorsehen, für unwirksam hält, während das Fehlen eines Abfindungsangebots unschädlich sein soll). Dagegen ist es für die Gültigkeit alter Unternehmensverträge ohne Bedeutung, ob sie die Schutzbestimmungen für die Gesellschaft und deren Gläubiger (§§ 300—303) enthalten, denn diese treten nunmehr nach § 22 I S. 1 EG an die Stelle entgegenstehender oder fehlender Vertragsbestimmungen. Bestehende Unternehmensverträge waren nach § 22 H E G unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes (1.1.1966) vom Vorstand zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Ist dies nicht geschehen und demgemäß ihre Eintragung unterblieben, so hat dies keine Wirkung auf ihre Wirksamkeit, da § 294 auf die alten Verträge keine Anwendung findet (a. A. die Voraufl.; wie hier B.-H. § 22 EG Rn 8). Die Eintragung kann auch jetzt noch durch Ordnungsstrafen erzwungen werden.

§ 291 Beherrsdiungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag (1) Unternehmensverträge sind Verträge, durch die eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt (Beherrsdiungsvertrag) oder sich verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (Gewinnabführungsvertrag). Als Vertrag über die Abführung des ganzen Gewinns gilt auch ein Vertrag, durch den eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien es übernimmt, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen. 1588

Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Anm. 1,2 (2) Stellen sich Unternehmen, die voneinander nicht abhängig sind, durch Vertrag unter einheitliche Leitung, ohne daß dadurch eines von ihnen von einem anderen vertragschließenden Unternehmen abhängig wird, so ist dieser Vertrag kein Beherrschungsvertrag. (3) Leistungen der Gesellschaft auf Grund eines Beherrsdiungs- oder eines Gewinnabführungsvertrags gelten nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58 und 60. I. Übersicht (Anm. 1) II. Beherrschungsvertrag (Anm. 2) III. Gewinnabführungsvertrag (Anm. 3)

IV. Geschäftsführungsvertrag (Anm. 4) V. Zulässigkeit von Beherrschungsund Gewinnabführungsverträgen (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Im bisherigen Recht sind in § 256 AktG37 unter der wenig zutreffenden Überschrift „Gewinngemeinschaft'" behandelt worden: 1. die Gewinnabführung, wenn sie sich auf mehr als V* des gesamten Gewinns bezog, 2. der Betriebspachtvertrag, 3. der Betriebsüberlassungsvertrag, 4. der Geschäftsführungsvertrag. Es besteht Übereinstimmung darüber, daß zu der in § 256 I AktG 37 definierten Gewinnabführung nicht nur die heute in § 291 I und § 292 I Nr. 2 aufgeführte Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsvertrag gehören, sondern auch die heute in § 292 I Nr. 1 definierte Gewinngemeinschaft (vgl. Schilling in Großkomm. § 256 AktG 37 Anm. 9). Man kommt mithin zum Ergebnis, daß im bisherigen § 256 AktG 37 alle heute in den §§ 291 und 292 aufgeführten typischen Unternehmensverträge aufgeführt waren, bis auf die entscheidende Ausnahme des am weitesten gehenden Unternehmensvertrages, nämlich des Beherrschungsvertrages, der in der früheren Literatur vielfach auch mit Unterwerfungsvertrag bezeichnet wurde. Übergangsbestimmungen s. Vorbemerkungen vor § 291—328 Anm. 15. II. Beherrschungsvertrag Anm. 2: Über die Rechtsnatur vgl. Vorbem. zu § 291 Anm. 8. Der Grundsatz, daß die Bestimmungen des dritten Buchs über verbundene Unternehmen grundsätzlich für alle Unternehmen gelten, gleichgültig, in welcher Rechtsform sie betrieben werden, wenn nur an der Unternehmensverbindung eine inländische AG oder KGaA beteiligt ist, wird hier insoweit eingeschränkt, als das Unternehmen, das sich der Leitung eines an1589

§291

Anm. 2

Unternehmensverträge

deren Unternehmens unterstellt, eine Aktiengesellschaft oder K G a A sein muß. Wenn also z. B. eine G m b H die Leitung ihrer Gesellschaft einer Aktiengesellschaft durch Abschluß eines Vertrages unterstellt, so ist dieser Vertrag kein Beherrsdiungsvertrag im Sinne des §291. Er löst allerdings auch rechtliche Wirkungen aus. Er räumt zunächst einmal der herrschenden Aktiengesellschaft einen beherrschenden Einfluß ein. Damit werden die Unternehmen zu herrschenden und abhängigen Unternehmen. Weiterhin werden sie aber auch gleichzeitig Konzernunternehmen nach § 18 I, denn beide Unternehmen werden unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt (§ 18 I S. 1). Ein solcher Vertrag zwischen einer Aktiengesellschaft als herrschender Gesellschaft und einer G m b H als abhängiger Gesellschaft unterliegt nicht den Bestimmungen eines Beherrschungsvertrages. Er kann also von dem Vorstand der Aktiengesellschaft und der Geschäftsführung der G m b H abgeschlossen werden, ohne daß es der Mitwirkung der Hauptversammlung bzw. der Gesellschafterversammlung bedarf. Auch die übrigen Bestimmungen des dritten Buches finden keine Anwendung mit Ausnahme derjenigen über die Rechnungslegung im Konzern (§§ 329 bis 338), unter der Voraussetzung, daß die Aktiengesellschaft in diesem Beispiel im Inland ihren Sitz hat. Auf der anderen Seite spielt die Rechtsform, unter der das Unternehmen betrieben wird, dem die A G oder K G a A die Leitung ihrer Gesellschaft unterstellt, keine Rolle. Es kann sich um eine juristische Person, um eine Personalgesellschaft oder auch um das Unternehmen eines Einzelkaufmannes handeln (vgl. im einzelnen § 15 Anm. 2). Es madit auch keinen Unterschied, ob es sich um ein in- oder ausländisches Unternehmen handelt, während naturgemäß die Aktiengesellschaft oder K G a A , die sich in der Leitung eines anderen Unternehmen unterstellt, ihren Sitz im Inland haben muß, da nur auf solche Aktiengesellschaften und K G a A das Aktiengesetz überhaupt Anwendung finden kann. Es ist weiterhin gleichgültig, ob das herrschende Unternehmen an der abhängigen Gesellschaft beteiligt ist. Das wird zwar meist der Fall sein, es ist aber nicht Voraussetzung. Vor Abschluß des Vertrages braucht auch kein Abhängigkeitsverhältnis zu bestehen im Sinne des § 17. Mit dem Abschluß entsteht es allerdings zwangsläufig, ebenso wie zwangsläufig ein Konzern nach § 18 entsteht, und zwar aufgrund des § 18 I S. 2. Dort ist der Beherrschungsvertrag ausdrücklich erwähnt. Es ergäbe sich aber auch ohne diese ausdrückliche Erwähnung schon aus § 18 I S. 1. Es muß aber stets ein Unternehmen sein und nicht eine Privatperson, auch nidit eine Privatperson als Großaktionär (ebenso B.-H. Rn. 4). Dieser bedarf auch praktisch keines Beherrschungsvertrages, denn er kann seinen Einfluß durch Abstimmung in der Hauptversammlung, Wahl des Aufsichtsrats und damit Beeinflussung bei der Bestellung des Vorstandes hinreichend gelten machen. Versucht er selbst Leitungsmacht auszuüben, so sind für ihn die Grenzen durch § 117 gezogen. Wenn er vorsätzlich seinen Einfluß dazu benutzt, 1590

Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§291

Anna. 2

die Gesellschaft oder eine der sie leitenden Personen dazu zu bestimmen, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln, so ist er zum Schadenersatz verpflichtet. Wenn im neu gefaßten Abs. 7 gesagt wird, daß dies nicht gilt, wenn die Leitungsmacht aufgrund eines Beherrschungsvertrages oder einer Eingliederung ausgeübt wird, so besagt das nicht etwa, daß ein Beherrschungsvertrag mit jedermann abgeschlossen werden kann, sondern daß auch ein Unternehmen, wenn es seinen Einfluß zum Schaden der Gesellschaft benutzt, unter § 117 fällt, und zwar gleichgültig, ob es überhaupt als verbundenes Unternehmen anzusehen ist, oder ob es völlig selbständig neben dem anderen Unternehmen steht. Nur dann, wenn die Verbindung so eng ist, daß ein Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung vorliegt, entfällt jede Haftung aus § 117, weil sich der Schutz der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und der Aktionäre bzw. ehemaligen Aktionäre aus den Bestimmungen des dritten Buches ergibt, es also der Schutzbestimmung des § 117 in diesem Falle nicht mehr bedarf. Voraussetzung ist, daß eine Aktiengesellschaft oder K G a A die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt. Es genügt also nicht, wenn nur einzelne Betriebe der Gesellschaft der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt werden. Dann liegt möglicherweise ein Betriebsüberlassungsvertrag nach § 292 I N r . 3 vor. Die Unterstellung muß sich auf die gesamte Gesellschaft beziehen und damit gerade auf die Leitung der Gesellschaft. Es gehört zum Wesen des Beherrschungsvertrages, daß sich der Vorstand des abhängigen Unternehmens zum mindesten eines Teiles der ihm zustehenden Lei tungsm acht zugunsten des herrschenden Unternehmens entäußert. Allerdings ist es nicht so, daß die Befugnisse des Vorstandes des sich unterstellenden Unternehmens ohne weiteres auf den Vorstand des anderen Unternehmens übergehen. Die Leitungsmacht wird vielmehr in gewissem U m f a n g gespalten. Nach § 308 ist das leitende Unternehmen berechtigt, dem Vorstand der unterstellten Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Diese Weisungen sind vom Vorstand auszuführen. Daneben bleibt diesem aber die Leitung der Gesellschaft. Er behält auch seine Entscheidungsbefugnis, soweit diese nicht durch Weisungen eingeschränkt ist. Allerdings wird es meist so sein, daß die großen Entscheidungen beim leitenden Unternehmen fallen und daß sich der Vorstand der unterstellten Gesellschaft danach zu richten hat. Der Umfang der Leitungsmacht kann durchaus verschieden sein. Sie wird in § 308 I S. 1 dahin definiert, daß das leitende Unternehmen berechtigt ist, dem Vorstand der unterstellten Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Damit ist die Leitungsmacht gewissermaßen nach oben und nach unten begrenzt. N a d i oben insofern, als das leitende Unternehmen nicht einfach für alle Funktionen den Vorstand der unterstellten Gesellschaft ausschalten kann. Diesem obliegt 1591

§291 Anm.2

Unternehmensverträge

nicht nur die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft weiter, sondern er haftet auch grundsätzlich im gleichem Umfang wie bisher; nur soweit er Weisungen erhalten hat, beschränkt sich seine Haftung. Nach unten insoweit, daß, wenn nicht einmal ein Weisungsrecht des leitenden Unternehmens gegeben ist, auch kein Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 vorliegt. Damit ist nicht gesagt, daß aus dem Wortlaut des Vertrages sich ein solches Weisungsrecht unbedingt ergeben muß. Es genügt, wenn sich aus dem Gesamtinhalt die Berechtigung des leitenden Unternehmens ergibt, Weisungen, in welcher Form auch immer, zu erteilen. Mit Recht hat die Studienkommission des Deutschen Juristentages in ihrem Bericht darauf hingewiesen, daß man das Kriterium der Beherrschung nicht an den Begriff der Weisungen binden sollte, es komme vielmehr in der Praxis entscheidend darauf an, daß die Organe der abhängigen Gesellschaft ihre Geschäftspolitik in diejenige des Gesamtkonzerns einordnen müssen. Diese Einordnung werde von der Konzernleitung in mannigfaltiger Weise bewirkt, selten durch förmliche Weisung. Diesen Gedankengängen hat auch das Gesetz Rechnung getragen. Es hat davon abgesehen, wie im Referenten-Entwurf von einem Vertrag zu sprechen, durch den eine Aktiengesellschaft oder K G a A es „sich in den wesentlichen Fragen der Geschäftsführung den Weisungen eines anderen unterwirft", sondern es hat es nunmehr auf die Unterstellung der Leitung der Gesellschaft unter ein anderes Unternehmen abgestellt. Wie diese Leitung im einzelnen ausgeführt wird, bleibt damit ganz offen, trotz des Gebrauchs des Begriffes der Weisungen in § 308. Man wird mithin einen Beherrschungsvertrag immer dann annehmen können, wenn sich aus dem Gesamtinhalt des Vertrages ergibt, daß die unterstellte Gesellschaft sich den Zwecken des leitenden Unternehmens oder anderer Konzernunternehmen in der Weise einordnet, daß sie es in Kauf nimmt, wenn im Interesse des leitenden Unternehmens oder anderer Konzernunternehmen ihre eigenen Interessen benachteiligt werden (vgl. hierzu Würdinger S. 285 ff.; Geßler in DB 65, 1693; B.-H. R n 5 ) . Bei der Prüfung der Frage, ob ein Vertrag ein Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 ist, wird es stets darauf ankommen festzustellen, inwieweit die einzelnen Bestimmungen des Vertrages die Leitungsmacht des Vorstandes der unterstellten Gesellschaft einengen, und ob die Grenze überschritten wird, die dort liegt, wo der Vorstand verpflichtet ist, gegen die Interessen der eigenen Gesellschaft im Interesse der Konzernspitze oder eines Konzernunternehmens zu handeln. Dabei steht ein Unterlassen dem Handeln gleich, es ist auch nicht erforderlich, daß es sich um ein Rechtsgeschäft handelt. Vielmehr genügt jede Maßnahme, gleichgültig, ob Vornahme oder Unterlassung, die sich zum Nachteil der Gesellschaft auswirkt (vgl. hierüber im einzelnen zu § 311 Anm. 3). Der Beherrschungsvertrag setzt stets ein Abhängigkeitsverhältnis voraus oder begründet es. Wenn beides nicht der Fall ist, so liegt auch kein Beherr1592

Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Anm. 2

schungsvertrag vor. Das kommt insbesondere dann vor, wenn sidi von einander nicht abhängige Unternehmen durch Vertrag einer einheitlichen Leitung unterstellen, ohne daß dadurch eines von ihnen von einem anderen vertragschließenden Unternehmen abhängig wird. Es ergibt sich hieraus zwar auch eine Unternehmens Verbindung im Sinne des § 15 und auch ein Konzern, jedoch nicht ein Unterordnungskonzern, wie es beim Beherrschungsvertrag stets der Fall ist, sondern ein sogenannter Gleichordnungskcmzcrn nach § 18 II. Aus der rein negativen Formulierung des Gesetzes ergibt sich, daß ein solcher Vertrag überhaupt kein Unternehmensvertrag im Sinne der Bestimmungen des dritten Buches ist, dessen Bestimmungen infolgedessen, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Rechnungslegung im Konzern §§ 329 bis 338, keine Anwendung finden. Vielfach wird jedoch ein solcher Vertrag mit einer Gewinngemeinschaft nach § 292 I N r . 1 verbunden sein. Dann ist er deswegen Unternehmensvertrag und es finden auf ihn die Bestimmungen, die für einen Gewinngemeinschaftsvertrag gelten, Anwendung. Diese Verträge, durch die eine solche einheitliche Leitung mehrerer unabhängiger Unternehmen geschaffen wird, werden vielfach als Interessengemeinschaftsverträge bezeichnet (vgl. Rasch S. 79). Es gilt hier das weite Feld der Vertragsfreiheit, sie bedürfen nicht einmal einer bestimmten Form, wenn sie nicht einer der im Gesetz aufgeführten Vertragsarten zuzurechnen sind. Schon die vertragliche Einigung darauf, daß sich mehrere Unternehmensleitungen in gewissen Zeitabschnitten treffen, um die Grundzüge ihrer Geschäftspolitik zu erörtern, um eine einheitliche nunmehr zu suchen, würde, wenn sich daraus tatsächlich eine Leitungsmacht des Gremiums ergäbe, genügen, um einen Gleichordnungskonzern aufgrund eines Vertrages anzunehmen, ohne daß ein Unternehmensvertrag vorliegt (s. § 291 II). Es kann aber auch sein, daß sich die selbständigen Unternehmen ein besonderes Gemeinschaftsorgan schaffen. Auch hier kann es sich um eine denkbar lose Form handeln, etwa daß jedes der beteiligten Unternehmen einen seiner leitenden Herren in ein solches Organ abstellt, das dann berechtigt ist, die Grundsätze der Geschäftspolitik festzulegen oder mindestens den anderen zu empfehlen. Es kann aber auch ein Gemeinschaftsorgan mit eigener Rechtspersönlichkeit und eigenen Organen, die die Leitungsmacht ausüben, geschaffen werden. Dabei ist allerdings zu beachten, daß es sich nicht um ein selbständiges Unternehmen handeln darf, dem sich die einzelnen beteiligten Unternehmen unterwerfen; denn dann werden sie abhängig und es gilt Abs. 1. Es handelt sich dann um die Übertragung der Leitungsmacht aufgrund eines Beherrschungsvertrages. Auf der anderen Seite muß der auf Vertrag beruhende Gleichordnungskonzern abgegrenzt werden gegenüber dem faktischen Konzern, der nicht auf einer Vereinbarung beruht, sondern bei dem die einheitliche Leitung sich aus anderen Tatsachen, z. B. aus Personalunion, ergibt. 1593

§291 Anm. 3,4

Unternehmensverträge

III. Gewinnabführungsvertrag Anm. 3: Uber die Rechtsnatur vgl. Vorbem. zu § 291 Anm. 9. Auch der Gewinnabführungsvertrag kann nicht von Unternehmen beliebiger Rechtsform geschlossen werden. Vielmehr ist Voraussetzung, daß eine Aktiengesellschaft oder KGaA sich zur Abführung ihres ganzen Gewinns an ein anderes Unternehmen, dessen Rechtsform allerdings keiner Beschränkung unterliegt, entschließt. Insoweit gilt hier das gleiche wie oben in Anm. 2 ausgeführt. Es muß sich um den ganzen Gewinn der Gesellschaft handeln, nicht etwa nur um einen Teil des Gesamtgewinnes, oder um den Gewinn eines ihrer Betriebe. Dann würde es sich um einen Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 I Nr. 2 handeln. Ein Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 liegt auch dann nicht vor, wenn die Gesellschaft zwar ihren ganzen Gewinn abführt, einen Teil aber wieder zurückerhält aufgrund einer Gewinngemeinschaft im Sinne des § 292 I S. 1; denn nur, wenn die Gesellschaft sich verpflichtet, ihren ganzen Gewinn endgültig an ein anderes Unternehmen abzuführen und damit auf die Erzielung eines ihr verbleibenden eigenen Ergebnisses verzichtet, ist der Einschnitt in die Struktur der Gesellschaft so groß, daß es der besonderen scharfen Bestimmungen bedarf, die für einen solchen Vertrag vom Gesetz festgelegt sind. Es ist in der Tat schwer vorstellbar, daß ein solcher Vertrag abgeschlossen wird, ohne daß sich gleichzeitig das zur Abführung seines Gewinns verpflichtende Unternehmen auch der Leitung des herrschenden Unternehmens unterstellt, denn schließlich hat das herrschende Unternehmen allein den Vor- und Nachteil von dem Erfolg oder Mißerfolg der Leitung des abhängigen Unternehmens. Es wird deshalb einfach aus diesem wirtschaftlichen Zusammenhang heraus eine umfassende Leitungsmacht für sich beanspruchen. Mag diese unter der Herrschaft des AktG 37 auch noch ohne Abschluß eines ausdrücklichen Vertrages möglich gewesen sein im Rahmen eines faktischen Konzerns, so ist das jetzt nicht mehr möglich, da eine umfassende Leitungsmacht nach § 308 das Bestehen eines Beherrschungsvertrags voraussetzt. Besteht ein Beherrschunsgvertrag nicht, so liegt ein faktischer Konzern vor mit nach § 311 eingeschränkter Leitungsmacht, mit der Besonderheit, daß der recht lästige Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen nach § 312 beim Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages nach § 316 entfällt. Daneben ist auch ein Vertrag denkbar, nach dem der Gewinn nicht an die eine Vertragspartei, sondern an einen Dritten — etwa ein Konzernunternehmen — abzuführen ist (ebenso B.-H. Rn 8). IV. Gesdiäftsführungsvertrag Anm. 4: Über die Rechtsnatur vgl. Vorbem. zu § 291 Anm. 10. Wenn eine Gesellschaft es übernimmt, ihre Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen, so verzichtet sie genauso auf 1594

Beherrsdiungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag

§ 291

Anm. 4,5

die Erzielung eines eigenständigen Ertrages, wie wenn sie sich verpflichtet, den gesamten Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Da die Verpflichtung, den gesamten Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen, nach § 302 die gesetzliche Folgen hat, daß dieses Unternehmen einen etwaigen Verlust der zur Gewinnabführung verpflichteten Gesellschaft zu tragen hat, so laufen beide Vertragsarten wirtschaftlich auf dasselbe hinaus. Auch im Fall der Verpflichtung, den gesamten Gewinn abzuführen, wird praktisch die abführungspflichtige Gesellschaft „für Rechnung eines anderen Unternehmens" geführt. Es ist deshalb wichtig, daß beide Vertragsarten gleich behandelt werden. Allerdings ist hierbei die Voraussetzung, daß die Gesellschaft, die ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen führt, für ihre Geschäftsführung kein Entgelt erhält. Dies wäre theoretisch möglich. Nach den angestellten Feststellungen kommt es praktisch aber nicht vor, so daß das Gesetz darauf verzichtet hat, derartige Verträge zu regeln (vgl. Vorbem. vor § 291 Anm. 10). V. Zulässigkeit von Beherrsdiungs- und Gewinnabführungsverträgen Anm. 5: Nach § 76 hat der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. Er verstößt mithin eindeutig gegen diesen Grundsatz, wenn er einen Teil seiner Leitungsbefugnisse auf ein anderes Unternehmen überträgt. Es bestand in der bisherigen Rechtslehre und Rechtsprechung Einmütigkeit darüber, daß die ausschließliche Zuständigkeit des Vorstandes für die Leitungsbefugnisse zwingender Natur ist, und daß in dieser Beziehung der Grundsatz der Vertragsfreiheit keinen Raum haben kann. Eine Abgrenzung der Zuständigkeit und der Verantwortlichkeit des Vorstandes und der übrigen Verwaltungsträger kann nur insoweit, als das Gesetz es ausdrücklich zuläßt, erfolgen. So konnte nach bisherigem Recht bereits die Leitungsbefugnis des Vorstandes dadurch eingeschränkt werden, daß durch Satzung gewisse Geschäftsvorgänge an die Genehmigung des Aufsichtsrates gebunden wurden. Nicht möglich war es aber, daß eine außerhalb der Gesellschaft stehende Stelle Einwirkung auf die Leitungsbefugnis nehmen konnte. Trotz dieser eindeutigen Rechtslage hatte sich bereits unter dem alten Recht der Zustand entwickelt, daß die Spitze eines Konzerns, sei es durch die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern in die abhängige Gesellschaft, sei es unmittelbar durch Besetzung der Vorstandsposten in dieser, einen Einfluß auf die Leitung dadurch nahm, daß sie diesen Organen der Gesellschaft Weisungen erteilte, trotz des ausdrücklichen Verbotes des § 95 V AktG 37. Das neue Gesetz nimmt davon Abstand durch eine ausdrückliche Bestimmung, den jetzt in § 76 festgelegten Grundsatz über die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand einzuschränken. Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß im Gesetz diese Einschränkung in Form der Zulässigkeit des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages ausdrücklich aufgeführt wird. Einer 1595

§ § 291 / 292

Anm. 5

Unternehmensverträge

ausdrücklichen einschränkenden gesetzlidien Bestimmung bei § 76 bedurfte es also insoweit nicht. Durch die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge werden aber nicht nur die Funktionen der Verwaltungsträger der abhängigen Gesellschaft berührt, sondern auch die Rechte der Aktionäre. Zunächst einmal wird durch einen Gewinnabführungsvertrag das Recht der Aktionäre, nach § 58 über die Verwendung des Jahresüberschusses Beschluß zu fassen, beseitigt. Dies ist stets der Fall, gleichgültig, ob das Unternehmen, an das der Gewinn abzuführen ist, Aktionär ist oder nicht. Für den Fall, daß das Unternehmen Aktionär ist, bekommt es aufgrund des Gewinnabführungsvertrages unmittelbar und möglicherweise mittelbar infolge des Beherrschungsvertrages einen höheren Gewinnanteil, als ihm nach § 60 zusteht. Danach bestimmen sich die Anteile der Aktionäre am Gewinn nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge. Liegt ein Gewinnabführungsvertrag mit einem Aktionär vor, so erhält dieser den ganzen Gewinn, die anderen Aktionäre erhalten nichts. Weiterhin könnte durdi einen solchen Vertrag auch die Bestimmung des § 57 verletzt sein, die Rückgewähr von Einlagen an Aktionäre verbietet, denn in allen Fällen, in denen ein Aktionär mehr erhält als die ihm nach § 60 zustehende Dividende, liegt eine Rückgewähr der Einlage vor, es sei denn, daß es sich um Geschäfte handelt, die der Aktionär als Dritter mit der Gesellschaft abgeschlossen hat. D a in allen diesen Fällen es sich nicht zwingend aus der einfachen Tatsache, daß derartige Verträge zugelassen werden, ergibt, daß die Schutzbestimmungen nicht anzuwenden sind, ist in Abs. 3 ausdrücklich gesetzlich festgelegt, daß Leistungen der Gesellschaft aufgrund eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrages nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58, 60 gelten.

§ 292 Andere Unternehmensverträge (1) Unternehmensverträge sind ferner Verträge, durch die eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien 1. sidi verpflichtet, ihren Gewinn oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil mit dem Gewinn anderer Unternehmen oder einzelner Betriebe anderer Unternehmen zur Aufteilung eines gemeinschaftlichen Gewinns zusammenzulegen (Gewinngemeinschaft), 2. sich verpflichtet, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen (Teilgewinnabführungsvertrag), 3. den Betrieb ihres Unternehmens einem anderen verpachtet oder sonst überläßt (Betriebspachtvertrag, Betriebsüberlassungsvertrag). 1596

Andere Unternehmensverträge

§ 292

Anm. 1,2

(2) Ein Vertrag über eine Gewinnbeteiligung mit Mitgliedern von Vorstand und Aufsiditsrat oder mit einzelnen Arbeitnehmern der Gesellschaft sowie eine Abrede über eine Gewinnbeteiligung im Rahmen von Verträgen des laufenden Geschäftsverkehrs oder Lizenzverträgen ist kein Teilgewinnabführungsvertrag. (3) Ein Betriebspadit- oder Betriebsüberlassungsvertrag und der Beschluß, durdi den die Hauptversammlung dem Vertrag zugestimmt hat, sind nicht deshalb nichtig, weil der Vertrag gegen die §§ 57, 58 und 60 verstößt. Satz 1 schließt die Anfechtung des Beschlusses wegen dieses Verstoßes nidit aus. I. Übersicht (Anm. 1) II. Die Rechtsnatur der „anderen Unternehmensverträge" und ihre Abgrenzung zu denen des § 291 (Anm. 2) III. Die einzelnen Unternehmensverträge

1. Gewinngemeinschaft (Anm. 3) 2. Teilgewinnabführungsverträge (Anm. 4) 3. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die hier aufgeführten Vertragsarten waren im bisherigen § 256 AktG 37 ebenfalls enthalten, wenn auch in einer etwas anderen Ausgestaltung. Siehe im einzelnen § 291 Anm. 1. Übergangsbestimmungen s. Vorbem. zu § 291 Anm. 15. II. Die Reditsnatur der „anderen Unternehmensverträge" und ihre Abgrenzung zu denen des § 291 Anm. 2: Die hier aufgeführten Uncernehmensverträge unterscheiden sich von dem Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag des § 291 in ihrer Reditsnatur dadurch, daß der Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag Organisationsverträge sind, die die Funktionen der Organe des abhängigen Unternehmens beeinflussen, während bei den hier aufgeführten Verträgen der schuldrechtliche Charakter eindeutig im Vordergrund steht. Es handelt sich um Verträge, durch die die beteiligten Unternehmen — oder im Falle der Nr. 2 ein anderer — und eine AG oder KGaA gegenseitige Verpflichtungen eingehen. Die Gewinngemeinschaft nach Abs. 1 Nr. 1 wird im allgemeinen eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nach § 705 BGB sein, also ein schuldrechtlicher Zusammenschluß (ebenso Würdinger S. 302). Der schuldrechtliche Charakter eines Betriebspachtvertrages ist problemlos. Er ist ein Vertrag nach § 581 BGB. Schwieriger ist die Bestimmung schon für den Betriebsüberlassungsvertrag, weil unter diesem Begriff eine Fülle von verschiedenen Vertragsgestaltungen zu verstehen ist. Die Abgrenzung dessen, was man unter 1597

§292

Unternehmensverträge

Anm. 2 Betriebsüberlassungsvertrag versteht, ist in der Rechtslehre zum bisherigen § 256 AktG 37 umstritten gewesen. Während bei einem Betriebspachtvertrag der Pächter das Unternehmen auf eigene Rechnung führt und dem Verpächter einen Pachtzins als Entgelt zu entrichten hat, liegt ein Betriebsüberlassungsvertrag dann vor, wenn das den Betrieb führende Unternehmen nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der überlassenden Gesellschaft auftritt. Insoweit bestand im wesentlichen Einigkeit. Zweifelhaft ist schon, ob ein Betriebsüberlassungsvertrag auch dann vorliegt, wenn die übernehmende Gesellschaft den Betrieb für Rechnung der Eigentümergesellschaft, sei es im eigenen, sei es in deren Namen, führt. Die Frage ist zu bejahen, denn die gesetzliche Definition „oder sonst überläßt" ist so weit gefaßt, daß alle Verträge, deren Kern die Überlassung des Betriebes ist, unter den Begriff des Betriebsüberlassungsvertrages fallen (so auch Schilling in Großkomm. § 256 AktG 37 Anm. 18; Rasch S. 85). Ein solcher Vertrag wird vielfach als Betriebsführungsvertrag bezeichnet (vgl. Würdinger S. 308; Mestmäcker S. 320/321). Beim Teilgewinnabführungsvertrag ist aus dem Gesetzestext des Abs. 1 Nr. 2 allein nicht zu entnehmen, daß es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag mit Austausch von Leistung und Gegenleistung handeln muß. Grundsätzlich unterscheidet er sich vom Gewinnabführungsvertrag des § 291 zunächst einmal nur quantitativ, nicht qualitativ. Er muß also dieselbe Rechtsnatur wie dieser haben. Das ist auch insoweit zutreffend, als beide Verträge die daran beteiligten Unternehmen als solche binden und nicht etwa einen Einfluß auf die Funktion der Organe der einen Gesellschaft ausübt. Daraus ergibt sich aber noch nicht, daß ein Teilgewinnabführungsvertrag „im Gegensatz zu dem in § 291 behandelten Gewinnabführungsvertrag" einen Austausch von Leistung und Gegenleistung beinhalten muß und erst recht nicht, daß, wie es in der Regierungsbegründung heißt, es notwendig ist, daß die Gesellschaft eine angemessene Gegenleistung erhält. Wird ein Gewinnabführungsvertrag oder ein Teilgewinnabführungsvertrag mit einen Aktionär abgeschlossen, so ergibt sich allerdings ein sehr wesentlicher Unterschied, der darin besteht, daß beim Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages mit einem Aktionär nach § 291 III Leistungen der Gesellschaft aufgrund eines solchen Gewinnabführungsvertrages nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58, 60 angesehen werden, während eine ähnliche Bestimmung beim Teilgewinnabführungsvertrag fehlt. Die §§ 57, 58, 60 befassen sich mit dem Verbot, den Aktionären die Einlagen zurückzugewähren, mit der Verwendung des Jahresüberschusses und schließlich mit dem Grundsatz, daß die Anteile der Aktionäre am Gewinn sich nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge bestimmen. Bei einem Teilgewinnabführungsvertrag, der die Grundlage für die Abführung von Teilen des Gewinns an einen Aktionär bildet, können je nach der besonderen Lage des Falles, diese Bestimmungen verletzt werden, und dann ist der Vertrag nichtig. Das gleiche gilt für die Gewinngemeinschaft, 1598

Andere Unternehmensverträge

§292

Anm. 2

die für die Gesellschaft so ungünstig ist, daß eine Gewinnverteilung nach §§ 58 und 60 unter deren Aktionäre nicht mehr möglich ist, sondern die Bevorzugung eines Aktionärs eintritt. Anders ist die Regelung, wenn bei einem Betriebspachtvertrag oder Betriebsüberlassungsvertrag die Gegenleistung nicht angemessen ist. Hier tritt keine Nichtigkeit des Vertrages ein, wenn die Bestimmungen der §§ 57, 58, 60 verletzt sind. Allerdings kann jeder Aktionär wegen Verletzung der Bestimmungen den Beschluß der Hauptversammlung, mit dem dem Vertrag zugestimmt worden ist, anfechten. Andererseits werden die Gläubiger in diesem Fall durch § 302 II dadurch geschützt, daß, wenn eine abhängige Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens dem herrschenden Unternehmen verpachtet oder sonst überlassen hat, das herrschende Unternehmen während der Vertragsdauer einen etwa entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen hat. Dies gilt aber nur dann, wenn es sich um das Verhältnis eines herrschenden Unternehmens zu einer abhängigen Gesellschaft handelt, was beim Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag keineswegs der Fall zu sein braucht. Es ist durchaus denkbar, daß die verpachtende Gesellschaft oder die den Betrieb einer anderen Gesellschaft überlassende Gesellschaft durchaus eine selbständige Gesellschaft bleibt und kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Beim Pachtvertrag wird das bisherige Unternehmen zwar zu einer Rentengesellschaft, das bedeutet aber nicht ihre Abhängigkeit vom Pächter. Entsprechend ist es beim Betriebsüberlassungsvertrag. Wenn also für den Fall, daß bei der Gewinngemeinschaft und bei der Teilgewinnabführung auf der anderen Vertragsseite ein Aktionär steht, sich aus der Gesamtregelung aus dem Gesetz ergibt, daß derartige Verträge nur denkbar sind, wenn sie die Rechte der übrigen Aktionäre nicht beeinträchtigen und nicht zu einer Aushöhlung des Unternehmens führen, so ist das nicht ohne weiteres gegeben, wenn einmal — was gewiß nur ausnahmsweise vorkommen wird — der Vertragspartner kein Aktionär ist. Die §§ 57, 58, 60 bieten dann keinen Schutz, jedenfalls nicht für die Aktionäre. Das Gesetz selbst enthält aber im 3. Abschnitt Bestimmungen über die Sicherungen der Gesellschaft, d. h. also auch der Aktionäre und der Gläuhiger. Eine Aushöhlung der Gesellschaft wird in allen Fällen der Gewinnabführung durch zwei Bestimmungen verhindert. Nach § 301 gilt zwar für die Vereinbarung über die Berechnung des abzuführenden Gewinns grundsätzlich Vertragsfreiheit. Es kann aber niemals ein höherer Gewinn abgeführt werden, als der, der sich aus einem Jahresabschluß, der die Verpflichtung zur Gewinnabführung nicht berücksichtigt, ergeben würde, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist. Welcher Betrag in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, ergibt sich beim Gewinnabführungsvertrag aus § 300 Nr. 1, beim Teilgewinnabführungsvertrag aus § 300 Nr. 2. Diese Bestimmungen gelten, gleichgültig, ob sich aus der Gewinnabführung 1599

§ 292

Unternehmensverträge

Anm. 2,3 oder aus anderen Umständen ein Abhängigkeitsverhältnis ergibt. Liegt ein solches Abhängigkeitsverhältnis vor, so bestimmt § 302, daß bei einem Gewinnabführungsvertrag ein während der Vertragsdauer entstehender Jahresfehlbetrag auszugleichen ist. Diese Bestimmungen sind stets wirksam, gleichgültig, ob der Gewinnabführungsvertrag ihren Inhalt berücksichtigt oder ob er dies unterläßt. Das hat zur Folge, daß, wenn ein Gewinnabführungsvertraig derartige Bestimmungen nicht enthält oder bei der Berechnung des Gewinns von ganz anderen, ungünstigeren Bestimmungen ausgeht, nicht der ganze Vertrag nichtig wird, sondern nur die betreffenden Bestimmungen, an deren Stelle die gesetzlichen treten. Man wird deshalb nicht einmal mehr sagen können, daß ein Vertrag, der seinem Inhalt nadi zur Aushöhlung des einen Vertragspartners führen würde, deshalb nichtig wäre, wie bisher angenommen wurde. Nichtig werden nur die Bestimmungen, die gegen die ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen verstoßen. Ob damit der ganze Vertrag nichtig wird, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, also nach § 139 BGB. Durch den nach § 293 erforderlichen Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung zum Wirksamwerden des Vertrages kann eine Nichtigkeit nicht geheilt werden. Diese Frage ist allein aus dem Inhalt des Vertrages zu entscheiden. Vgl. auch Vorbem. vor § 291 Anm. 7, 9—13. III. Die einzelnen Unternehmensverträge 1. Gewinngemeitiscbafl Anm. 3: Eine Gewinngemeinschaft im Sinne des Gesetzes setzt voraus, daß einer der Beteiligten eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist. Die übrigen Beteiligten können Unternehmen in jeder beliebigen Rechtsform sein, d. h. also auch das Unternehmen eines Einzelkaufmanns (über den Begriff des Unternehmens vgl. im einzelnen § 15 Anm. 2). Das Objekt der Gewinngemeinschaft kann «ehr mannigfaltig sein. Alle beteiligten Unternehmen können sich verpflichten, ihren gesamten Gewinn in die Gewinngemeinschaft einzubringen, es kann auch sein, daß ein Unternehmen seinen ganzen Gewinn, das andere einen Bruchteil einbringt, und endlich kann es sein, daß alle oder einzelne Beteiligte nur den Gewinn eines bestimmten Betriebes ganz oder zum Teil einbringen. Gleichgültig ist es, wie hoch der Bruchteil ist, den die Gesellschaft von ihrem Gesamtgewinn in die Gewinngemeinschaft einzubringen hat. Nach bisherigem Recht (§ 256 AktG 37) setzte eine Gewinngemeinschaft im Sinne des Gesetzes voraus, daß mehr als 3 /t des gesamten Gewinnes abzuführen seien. Diese Grenze hat das Gesetz fallenlassen. Es kann also jetzt schon ein ganz geringer Prozentsatz des Gesamtgewinns die Grundlage einer Gewinngemeinschaft bilden. Andererseits kommt nur in Frage der Gewinn im Sinne eines periodischen Ertrages, sei es eines Gesamt1600

Andere Unternehmensverträge

§292

Anm. 3

Unternehmens, sei es eines einzelnen Betriebes, praktisch also das Jahresergebnis, nicht aber die Ergebnisse eines einzelnen Geschäfts oder auch nur einer Reihe von einzelnen Geschäften (vgl. Würdinger S. 302). Durch die Abführung des Gewinnes entsteht, wie das Gesetz es nennt, ein gemeinschaftlicher Gewinn. Damit kommt zum Ausdruck, daß an diesem durch die Abführung (gebildeten Gewinnbetrag die der Gemeinschaft angehörenden Unternehmen beteiligt sind. Eine weitere gesetzliche Voraussetzung ist, daß die Zusammenlegung des Gewinns „zur Aufteilung" geschieht. Darüber, wie diese Aufteilung zu erfolgen hat, sagt das Gesetz nichts. Damit erhebt sich zunächst die Frage, ob der gemeinsame Gewinn auch anders als zur Aufteilung vertraglich verwendet werden kann. Wenn eine Aktiengesellschaft sich verpflichtet, ihren gesamten Gewinn in eine Gewinngemeinschaft einzubringen, und nach diesem Vertrag dieser Gewinn voll zu anderen Zwecken, z. B. zur gemeinsamen Forschung, verwendet werden soll, so wäre dies keine Gewinngemeinschaft, denn es fände keine Aufteilung des gemeinsamen Gewinnes statt. Wie eine so]die Vereinbarung rechtlich zu bewerten wäre, hängt wesentlich davon ab, wer Träger des „gemeinsamen Gewinns" ist. Denkbar wäre eine besondere Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, aber auch die vertragliche Schaffung eines geschäftsführenden Gemeinschaftsorgans ohne eigene Rechtspersönlichkeit, lediglich zur Durchführung der gemeinsamen Aufgabe. Ein solcher Vertrag würde weder eine Gewinngemeinschaft noch etwa ein Gewinnabführungsvertrag sein; vielmehr handelt es sich bei einem solchen Vertrag um die Durchführung einer gemeinsamen Aufgabe, wobei das Besondere lediglich darin liegen würde, daß die Höhe der Beträge, die die beteiligten Unternehmen beizusteuern haben, sich aus dem Jahresüberschuß ergeben. Das wäre aber nur eine Berechnungsgrundlage. In Wirklichkeit handelt es sich um Aufwendungen, die die Gesellschaft macht und die als solche auch in der Gewinn- und Verlustrechnung zu behandeln wären. Für die Höhe der Beträge, die die einzelnen Unternehmen aufzubringen hätten, wäre lediglich ein fiktiver Jahresabschluß maßgebend. In Wahrheit vermindert sich das Jahresergebnis um die Beträge, die zu dem gemeinsamen Zweck bezahlt werden. Von einer Gewinngemeinschaft kann man nur sprechen, wenn der Zweck der Zusammenlegung des Gewinns in seiner Aufteilung an die Beteiligten besteht. Das schließt nicht aus, daß ein gewisser Teil auch zu anderen Zwecken verwendet wird, aber es muß doch immer der beherrschende Gedanke im Ergebnis durchgeführt werden, daß eben die Zusammenlegung des Gewinns zu einer Aufteilung des gemeinsamen Gewinns geschieht. Wie der Aufteilungsschlüssel sein muß, sagt das Gesetz nicht. Der vertraglichen Gestaltung wird damit ein Spielraum gelassen, der allerdings dadurch begrenzt wird, daß die vertragliche Form der Gewinngemeinschaft nicht zur 1601

§292

Anm.3,4

Unternehmensverträge

Umgehung eines Teilgewinnabführungsvertrages oder gar eines Gewinnabführungsvertrages geschaffen sein darf. Andererseits wird man nicht sagen können, daß der Aufteilungsschlüssel für die Beteiligten angemessen sein müßte. Es ist durchaus denkbar, daß er so gestaltet ist, daß er sich für längere Zeit für eines der beteiligten Unternehmen ungünstig auswirkt. Deshalb bedarf der Vertrag als Unternehmensvertrag zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit. 2. Die Teilgewinnabführungsverträge Anm. 4: Das Gesetz befaßt sich in Abs. 1 Nr. 2 mit dem Teilgewinnabführungsvertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft oder KGaA „einem anderen" verpflichtet. Vertragspartner braucht hier also nicht ein Unternehmen zu sein, sondern es kann auch eine Einzelperson sein. Dann findet §15 aber keine Anwendung, die Vertragsparteien werden keine „verbundenen Unternehmen" (siehe B.-H. Rn. 7). Allerdings werden fast alle die Fälle, bei denen praktisch eine Teilgewinnabführung mit einer bestimmten Person geschlossen wird, in Abs. 2 ausdrücklich ausgenommen. Die Verträge über eine Gewinnbeteiligung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder oder einzelner Arbeitnehmer gelten ebensowenig als Teilgewinnabführungsverträge wie Abreden über eine Gewinnbeteiligung im Rahmen von Verträgen des laufenden Geschäftsverkehrs oder Lizenzverträgen. Alle diese Verträge sind ihrem Inhalt nach Aufwendungen der Gesellschaft, wenn sie audi nicht alle als solche steuerlich anerkannt werden. Die Tantiemen der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sind Vergütungen für deren Tätigkeit. Dies gilt auch, wenn eine Gewinnbeteiligung mit einem einzelnen Arbeitnehmer der Gesellschaft abgeschlossen wurde, dagegen nidit, wenn eine Gewinnbeteiligung mit der gesamten Belegschaft vereinbart ist. Ein solcher Vertrag fällt jedenfalls nicht unter die Ausnahme des Abs. 2; es ist deshalb jeweils zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Teilgewinnabführungsvertrages nach der Definition der Nr. 2 vorliegen. Gegenstand eines Teilgewinnabführungsvertrages kann sein die Verpflichtung, einen Teil des Gesamtgewinnes der Gesellschaften abzuführen oder den ganzen Gewinn einzelner ihrer Betriebe, niemals aber den ganzen Gewinn der Gesellschaft, denn dann liegt ein Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 vor. Audi hier ist unter Gewinn nicht etwa der Gewinn einzelner Geschäfte zu verstehen, sondern stets der Gewinn im Sinne eines periodischen Unternehmensertrages, also des Jahresgewinns. Audi beim Teilgewinnabführungsvertrag gilt für die Berechnung des Gewinnes der sich aus § 301 ergebende Höchstbetrag in Verbindung mit der Sonderbestimmung des § 300 Nr. 2 für die Rücklagenbildung. 1602

Andere Unternehmensverträge 3. Betriebspacht-

und

§292 Anm. 5

Betriebsüberlassungsverträge

Anm. 5: Über ihre Rechtsnatur und ihre Abgrenzung zueinander vgl. oben Anm. 2. Die den Betrieb ihres Unternehmens verpachtende oder einem anderen überlassende Gesellschaft muß stets eine AG oder KGaA sein. Der Vertragspartner braucht kein Unternehmen zu sein, es kann auch eine Einzelperson sein. Während im allgemeinen bei einer Gewinngemeinschaft und bei einer Teilgewinnabführung ein Konzernverhältnis zwischen den Vertragsparteien bestehen wird, ist dies bei der Betriebsverpachtung und Betriebsüberlassung keineswegs immer der Fall. Zwar werden die beteiligten Unternehmen, soweit es sich um solche handelt, nach § 15 zwangsweise verbundene Unternehmen. Das gilt nicht, wenn Pächter oder Übernehmer eine Einzelperson ist. Es ist aber keineswegs notwendig, daß ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 oder gar ein Konzernverhältnis im Sinne des § 18 entsteht (B.-H. Rn 10; Würdinger, S. 306). Im allgemeinen wird der Pächter den Betrieb im eigenen Namen auf eigene Rechnung betreiben (B.-H. Rn 11; Würdinger, S. 305). Beauftragt er die Verpächterin, den Betrieb für seine Rechnung weiterzubetreiben, liegt möglicherweise ein Beherrschungsvertrag vor, der dann zur Wirksamkeit als solcher ins Handelsregister eingetragen werden müßte (vgl. Würdinger S. 306). Immer aber ändert sich der Charakter der Gesellschaft, die verpachtet oder ihren Betrieb überläßt. Die Gesellschaft verzichtet auf eine eigene Betätigung im Wirtschaftsleben und wird praktisch zu einer Rentengesellschaft, denn ein Vertrag im Sinne der Nr. 3 liegt nur vor, wenn der Gesamtbetrieb des Unternehmens verpachtet oder überlassen wird, nicht etwa, wenn es sich um einzelne Betriebe handelt und andere Betriebe nach wie vor von der Gesellschaft weiter betrieben werden (ebenso B.-H. Rn 11). Die im bisherigen Recht bestrittene Frage, ob diese wesentliche Änderung in der Zweckbestimmung der Gesellschaft eine Satzungsänderung darstellt, wird im neuen Gesetz dahin entschieden, daß auf den erforderlichen Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen nicht anzuwenden sind. Da andererseits der Beschluß mit einer 3/4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals gefaßt werden muß, sind die Interessen der Aktionäre hinreichend geschützt. Hinzu kommt, daß nach der ausdrücklichen Bestimmung des Abs. 3 S. 2 die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses auch mit der Begründung erfolgen kann, daß die Vorschriften über die Gewinnverteilung und die gleiche Behandlung der Aktionäre durch den Inhalt des Vertrages verletzt werden. Zwar wird, wie es in Satz 1 des Abs. 3 heißt, der Vertrag nicht dadurch nichtig, daß gegen die Bestimmungen der §§ 57, 58 und 60 verstoßen wird; die Anfechtung jedes einzelnen Aktionärs bleibt jedoch bestehen. 1603

§§ 292 / 293 Anm. 5

Unternehmensverträge

Wenn ein Betriebspadit- oder Betriebsüberlassungsvertrag von einer abhängigen Gesellschaft mit dem herrschenden Unternehmen abgeschlossen wird, besteht die besondere Gefahr, daß die Gegenleistung nicht angemessen ist. Deshalb gilt für diesen Fall die besondere Bestimmung des § 302 II, die besagt, daß das herrschende Unternehmen dann, wenn die Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht, während der Vertragsdauer den Jahresfehlbetrag auszugleichen hat. Damit wird eine Aushöhlung des Vermögens der Gesellschaft verhindert und werden in erster Linie die Gläubiger, aber audi indirekt die Aktionäre geschützt.

Zweiter Abschnitt Abschluß, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen § 293 Zustimmung der Hauptversammlung (1) Ein Unternehmensvertrag wird nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Auf den Beschluß sind die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen nicht anzuwenden. (2) Ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag wird, wenn der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, nur wirksam, wenn auch die Hauptversammlung dieser Gesellschaft zustimmt. Für den Beschluß gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 sinngemäß. (3) Der Vertrag bedarf der schriftlichen Form. Er ist von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung beschließen soll, in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift zu erteilen. In der Hauptversammlung ist der Vertrag auszulegen. Der Vorstand hat ihn zu Beginn der Verhandlung zu erläutern. Der Niederschrift ist er als Anlage beizufügen. (4) Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung, die über die Zustimmung zu einem Beherrschungs- oder einem Gewinnabführungsvertrag beschließt, Auskunft auch über alle für den Vertragsschluß wesentlichen Angelegenheiten des Unternehmens zu geben, mit dem der Vertrag geschlossen werden soll. 1604

Zustimmung der Hauptversammlung I. Übersicht (Anm. 1) II. Form (Anm. 2) III. Offenlegung des Vertrages (Anm. 3) IV. Auskunftsrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung (Anm. 4)

§ 293

Anm. 1,2

V. Zustimmung der Hauptversammlung 1. der sich verpflichtenden Gesellschaft (Anm. 5) 2. der anderen Gesellschaft (Anm. 6) 3. erforderliche Mehrheit (Anm. 7)

I. Übersidit Anm. 1: Im bisherigen Recht (§ 256 AktG 37) war eine besondere Form für den Unternehmensvertrag nicht vorgesehen, nunmehr wird die Schriftform vom Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben. Zur Wirksamkeit bedarf der Unternehmensvertrag der Zustimmung der Hauptversammlung. In dem besonderen Fall eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages ist auch ein Hauptversammlungsbeschluß des Vertragspartners, sofern dieser eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, zur Wirksamkeit erforderlich. Nach § 294 III wird der Vertrag erst wirksam, wenn sein Bestehen in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. Audi eine Änderung des Vertrages bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung (§ 295). Die Aufhebung und Kündigung bedarf eines zustimmenden Sonderbeschlusses derjenigen Aktionäre, die durch den Vertrag Rechte erlangt haben (§ 296, 297). Die Beendigung eines Unternehmensvertrages ist unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 298), jedoch wirkt diese Anmeldung nicht konstitutiv. Übergangsbestimmungen vgl. Vorbem. zu § 291 Anm. 15. II. Form Anm. 2: Nach Abs. 3 S. 1 bedarf jeder Unternehmensvertrag der schriftlichen Form. Ein Verstoß hat nach § 125 BGB Nichtigkeit zur Folge. Der Vertrag muß von den Vertragspartnern ordnungsgemäß unterzeichnet sein, d.h., bei einer AG von soviel Vorstandsmitgliedern oder Prokuristen als zur Vertretung der AG erforderlich sind. Stellvertretung und Bestellung eines Sonderbevollmächtigten ist möglich (B.-H. Rn 3). Mindestens die schriftliche Fixierung des Vertrages muß vor der Hauptversammlung, deren Zustimmung zur Wirksamkeit des Vertrages erforderlich ist, erfolgt sein, denn eine nur geringfügige Änderung bedürfte eines neuen Zustimmungsbeschlusses. In aller Regel wird der Vertrag in der Praxis vor Zuleitung an die Hauptversammlung abgeschlossen sein. Gesetzliches Erfordernis ist dies aber nicht. Es ist denkbar, daß der Zustimmungsbeschluß ergeht und der Vertrag erst nachträglich von dem Vorstand abgeschlossen wird (so auch B.-H. Rn 5 und für das bisherige Recht Schilling in Großkomm. § 256 AktG 37 Anm. 21). 1605

§ 293

Unternehmensverträge

Anm. 3

III. Offenlegung des Vertrages Anm. 3: Das Gesetz sorgt in mehrfacher Hinsicht dafür, daß die Aktionäre nicht über etwas abstimmen müssen, was ihnen nicht hinlänglich bekannt ist. Zunächst muß nach § 124 II S. 2 der wesentliche Inhalt des Vertrages bereits bei der Bekanntmachung der Tagesordnung gelegentlich der Einberufung der Hauptversammlung mitgeteilt werden. Alsdann ist der Vertrag von der Einberufung der Hauptversammlung an, die nach § 123 mindestens 1 Monat vor dem Tage der Versammlung erfolgen muß, in den Geschäftsräumen der Gesellschaft auszulegen zur Einsicht für die Aktionäre, darüber hinaus ist auf Verlangen jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift zu erteilen. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen des Vorstandes kann nach § 407 I durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. Audi in der Hauptversammlung ist der Vertrag auszulegen. Da außerdem der Vertrag als Anlage des Hauptversammlungsprotokolls diesem anzuheften ist und dieses wiederum dem Registergericht einzureichen ist, kann man im Ergebnis feststellen, daß der Inhalt des Unternehmensvertrages der Öffentlichkeit weitgehend zugänglich ist. Das dürfte einen Einfluß auf die Abfassung derartiger Verträge in Zukunft haben. Damit hat der Gesetzgeber auch gerechnet, denn in § 22 EG wird zwar der Vorstand verpflichtet, die Art der bisher abgeschlossenen Unternehmensverträge sowie den Namen des anderen Vertragsteils unverzüglich nach dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Es besteht aber keine Verpflichtung, diese alten Verträge vorzulegen, und zwar ist dies deshalb nicht verlangt worden, weil üblicherweise in solchen Unternehmensverträgen Dinge stehen, die geheimgehalten werden müssen. Es erhebt sich deshalb die Frage, ob in Zukunft neben dem Vertrag, der eingereicht wird, noch weitere Abmachungen wirksam getroffen werden können und in welchem Umfange. Sicherlich muß der Unternehmensvertrag selbst so vollständig sein, daß sich aus ihm die gegenseitige Verpflichtung oder die Unterordnung ergibt, kurz: alles, was für das sich verpflichtende Unternehmen von wirtschaftlicher Bedeutung ist, muß in dem Vertrag vollständig enthalten sein. Vorstellbar ist deshalb nur, daß gewisse Dinge wegbleiben, die zum Verständnis der wirtschaftlichen Bedeutung des Vertrages unerheblich sind, auf der anderen Seite deren Geheimhaltungsbedürfnis wesentlich ist; also z. B. könnte es genügen, daß in dem Vertrag zum Ausdruck kommt, daß von dem verpflichteten Unternehmen gewisse Leistungen zu vollbringen sind auf Weisung des beherrschenden Unternehmens, die ihrem Umfang nach von vornherein festgelegt werden. In einem solchen Fall könnte es ohne Interesse sein, an wen diese Leistungen zu erfolgen haben. Wenn hier also ein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis gegeben ist, könnte der Name des Empfängers der Lieferung in dem Vertrag wegbleiben, es sei denn, er hätte Bedeutung in bezug auf die Kreditfähigkeit. Fraglich ist, 1606

Zustimmung der Hauptversammlung

§293 Anm. 3

wieweit es zulässig ist, neben dem eigentlichen Unternehmensvertrag einen Zusatzvertrag mit Ausführungsbestimmungen abzuschließen. Sicherlich ist es nicht zulässig, wenn sich daraus eine Änderung des Vertrages ergibt. Eine solche Änderung braucht nidit etwa in einer Erweiterung des Vertrages zu liegen, sie könnte auch in einer Einschränkung liegen. Wenn z. B. ein abhängiges Unternehmen einen Beherrschungsvertrag abschließt und sich ganz allgemein den Weisungen des herrschenden Unternehmens unterstellt, daneben aber ein Vertrag abgeschlossen würde, aus dem sich ergibt, daß ein bestimmter Betrieb des Unternehmens überhaupt nicht unter den Vertrag fällt, sondern daß dieser unter alleiniger Verantwortung des Vorstandes weitergeführt werden soll, so wäre das nicht etwa eine Ausführungsbestimmung zum Vertrag, sondern es wäre eine Abänderung des Hauptvertrages Es ist ein Unterschied, ob ein allgemeines Weisungsrecht besteht oder ob dieses für einen bestimmten Teil des Unternehmens nicht besteht. Ein solcher Zusatzvertrag wäre also, wenn er etwa nur mündlich und nicht schriftlich abgeschlossen ist, nach § 125 BGB nichtig. Er wäre unwirksam, wenn er zwar schriftlich geschlossen ist, aber der Hauptversammlung nicht vorlag, und diese infolgedessen keinen ihn mitumfassenden Zustimmungsbeschluß gefaßt hat, denn der Zustimmungsbeschluß kann sich natürlich nur auf den Vertrag beziehen, der der Hauptversammlung vorlag. Das kann auch nicht dadurch anders sein, daß etwa im Hauptvertrag an einer bestimmten Stelle darauf verwiesen wird, daß die Einzelheiten durch einen besonderen Vertrag geregelt werden, wenn dann diese Regelung so ist, daß sie eine Abweichung vom Hauptvertrag beinhaltet. Wenn sie aber so gehalten ist, daß es sich in der Tat nur um eine Regelung von Einzelheiten handelt, die grundsätzlich im gleichen Sinne wie im Hauptvertrag geregelt sind, so bestehen keine Bedenken, eine solche Regelung zuzulassen. Der Fall liegt ähnlich wie beim Verkauf eines Grundstücks mit Zubehör, wobei es im Kaufvertrag heißt, daß über das, was als Zubehör im einzelnen anzusehen ist, eine besondere Einigung zwischen den Parteien erfolgt ist und diese in einer Zusatzvereinbarung niedergelegt ist. Wenn diese nicht in notarieller Form erfolgt ist, sondern nur die allgemeine Klausel im notariellen Vertrag enthalten ist, so würde die Zusatzvereinbarung über das, was als Zubehör anzusehen ist, dann gültig sein, wenn wirklich nur Gegenstände, die als Zubehör bezeichnet werden können, in dieser Liste aufgeführt werden oder Gegenstände, die ihrer Natur nach nicht dem notariellen Vertrag unterliegen. Wenn aber beispielsweise eine Höherbewertung der Zubehörteile erfolgt und sich damit eine Unterbewertung des Grundstücks im notariellen Vertrag ergibt, so würde sich das auf die Gütigkeit des notariellen Vertrages auswirken. Ähnlich ist es auch hier. Wenn eine solche Zusatzvereinbarung nichts anderes ist als eine echte Detaillierung einer im Hauptvertrag bereits ent1607

§ 293

Anm. 3,4

Unternehmensverträge

haltenen Bestimmung, so wäre gegen eine solche Zusatzvereinbarung nichts einzuwenden. Allerdings kann man sagen, daß sie dann auch ziemlich überflüssig ist, denn Gegenstand der Verpflichtung ist und bleibt allein der Hauptvertrag. Die Zusatzvereinbarung wäre dann allenfalls ein Anhaltspunkt für die Auslegung dieses Vertrages. Der Zustimmungsbeschluß in der Hauptversammlung kann erst gefaßt werden, wenn die Aktionäre über den Vertrag hinreichend unterrichtet sind oder jedenfalls die Möglichkeit hatten, sich hinreichend zu unterrichten. Im Regierungs-Entwurf war vorgesehen, daß deshalb der Vertag in der Hauptversammlung zu verlesen sei. Dies hat das Gesetz abgeändert, und zwar deshalb, weil das Verlesen eines möglicherweise schwierigen Vertrages nicht dazu angetan ist, ihn jedem Aktionär verständlich zu machen. Viel wichtiger ist die Erläuterung eines solchen Vertragswerkes durch den Vorstand. Dies ist deshalb gesetzlich ausdrücklich angeordnet. Jeder Aktionär kann sich jederzeit durch Einsichtnahme in den Vertrag ein klareres Bild verschaffen, denn auch in der Hauptversammlung muß der Vertrag ausgelegt werden. Wenn der Aktionär sich also nidit schon vorher durch die ihm zustehenden Rechte über den Inhalt des Vertrages Gewißheit verschafft hat, so kann er es immer noch in der Hauptversammlung selbst tun. IV. Das Auskunftsredit des Aktionärs in der Hauptversammlung Anm. 4: Das allgemeine Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 ist natürlich auch in der Hauptversammlung gegeben, die über die Zustimmung zu einem Unternehmensvertrag beschließen soll. Danach kann der Aktionär immer vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen. Zwar werden die Vertragspartner mit dem Abschluß eines Unternehmensvertrages nach § 15 verbundene Unternehmen, sie müssen es aber vorher nicht sein, so daß die Bestimmung des § 1311 S. 2 nicht immer Anwendung finden wird. In den meisten Fällen werden die beteiligten Unternehmen aber bereits vor Abschluß des Unternehmensvertrages aus anderen Gründen verbundene Unternehmen sein; dann findet zwar § 131 I S. 2 Anwendung, es ist aber zu beachten, daß sich die Auskunftspflicht des Vorstandes grundsätzlich auf Angelegenheiten der eigenen Gesellschaft und auf die Beziehungen der eigenen Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen, nicht auf die Angelegenheiten eines verbundenen Unternehmens selbst beziehen (beachte aber § 160 III Nr. 10). Diese spielen aber sicherlich bei jedem Unternehmensvertrag eine recht wesentliche Rolle. Wenn beispielsweise eine Gesellschaft ihr Unternehmen ver1608

Zustimmung der Hauptversammlung

§293

Anm. 4

pachtet oder einem anderen überläßt, so ist es nicht unwesentlich zu wissen, welche wirtschaftliche Bedeutung der andere Vertragspartner hat. Das allgemeine Auskunftsrecht aus § 131 I erweitert sich in einem solchen Fall aus der Sachlage heraus selbst, zum mindesten insoweit, als der Vorstand eine Auskunft darüber geben muß, ob die Beziehungen zum Vertragspartner wirtschaftlich gesichert erscheinen. Mehr kann allerdings nicht verlangt werden, denn in Abs. 4 wird ausdrücklich nur für die Verträge nach § 291, das sind der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, also die Organschaftsverträge, ein weitergehendes Auskunftsrecht geschaffen. Wenn es sich um einen solchen Vertrag handelt, sind alle wesentlichen Angelegenheiten des Unternehmens anzugeben, mit dem der Vertrag geschlossen werden soll. Daraus folgt, daß bei den Unternehmensverträgen nach § 292 eine so weitgehende Auskunft über den Vertragspartner nicht verlangt werden kann. Das ist auch verständlich, denn grundsätzlich handelt es sich bei den Verträgen des § 292 um schuldrechtliche Verträge mit Austausch von Leistung und Gegenleistung, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, daß eine angemessene Gegenleistung vereinbart sein muß. Die Auskunftspflicht hierüber ergibt sich aus allgemeinen Bestimmungen. Ein weitergehendes Interesse können aber die Aktionäre des sich verpflichtenden Unternehmens nicht haben, sie haben deshalb auch keinen Anspruch auf näheren Einblick in die Verhältnisse des anderen Vertragsteils. Anders ist es bei den Verträgen nach § 291. Hier ist nicht nur die Strukturveränderung bei der abhängigen Gesellschaft eine erhebliche, sondern auch die Übernahme der Pflichten durch die beherrschende Gesellschaft bringt eine erhebliche Veränderung in der Struktur der Gesellschaft insofern, als diese Verpflichtungen gegenüber den außenstehenden Aktionären eingehen und für etwaige Verluste einstehen muß. Es sind dieselben Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, bei diesen Verträgen auch einen Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung der herrschenden Gesellschaft für die Wirksamkeit der Verträge zu verlangen (s. Anm. 6). Dieses besondere Auskunftsrecht ist nur eine Erweiterung des allgemeinen Auskunftsrechtes des § 131. Daraus ergibt sich, daß die Auskunft stets vom Vorstand der Gesellschaft zu erteilen ist, um deren Hauptversammlung es sich handelt. Es müssen also die jeweiligen Vorstände der vertragsschließenden Gesellschaften vor der Hauptversammlung hinreichend über die Verhältnisse der anderen Gesellschaft unterrichtet sein. Das ist aber in der Regel auch der Fall, da keine Unternehmensverträge von der Bedeutung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages abgeschlossen werden, ohne daß genaue Kenntnisse über die Interna der beiderseitigen Gesellschaften bestehen. Auf das Recht des Vorstands, die Auskunft zu verweigern, sind die Bestimmungen des § 131 anzuwenden. Im einzelnen vgl. dort Anm. 8 bis 10. Folgerichtig gilt im Falle der Verweigerung der Auskunft im ganzen oder 1609

§ 293

Anm. 4,5

Unternehmensverträge

bez. einzelner Fragen auch hier der § 132. Durch das dort vorgesehene Verfahren kann gegebenenfalls die Auskunft erzwungen werden. Dem Aktionär bleibt das Recht der Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses. Dieses wird auch begründet sein, wenn überhaupt keine Auskunft erteilt wurde. Sind aber einzelne Fragen, die der Aktionär gestellt hat, nicht beantwortet worden, so müßte ein Anfechtungsprozeß so lange ausgesetzt werden, bis nach § 1 3 2 entschieden ist, ob die Frage hätte beantwortet werden müssen, wenn überhaupt ein Verfahren nach § 132 vorher anhängig gemacht worden ist (vgl. Anm. zu § 132). V. Zustimmung der Hauptversammlung 1. der sich verpflichtenden Gesellschaft Anm. 5: Jeder Untepiehmensvertrag wird erst mit der Zustimmung der Hauptversammlung der sich verpflichtenden Gesellschaft wirksam. Bei Verträgen nach § 291 bedarf es zusätzlich der Zustimmung der Hauptversammlung des Vertragspartners, wenn dieser eine Aktiengesellschaft oder KGaA ist (s. Anm. 6). Es war im bisherigen Recht umstritten, ob Unternehmensverträge mit weitgehender Strukturänderung der Gesellschaft als Satzungsänderungen behandelt werden müßten. Das Gesetz nimmt zu dieser Streitfrage nicht unmittelbar Stellung. Es stellt aber fest, daß auf den Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung die Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über Satzungsänderung nicht anzuwenden sind. Damit wird der bisherigen Streitfrage weitgehend die praktische Bedeutung genommen. Dennoch ist sie offenbar nidit ganz verschwunden. Kropff vertritt die Auffassung, daß ein Beherrsdiungsvertrag als Satzung der durch ihn zusammengeschlossenen Unternehmungsgruppe anzusehen sei und daher z. B. auch wie eine Satzung ausgelegt werden müsse (Kropff in BB 1965, 1287). Der Ausschluß der Bestimmungen des Gesetzes über Satzungsänderung konnte unbedenklich deshalb geschehen, weil die §§ 293 und 294 im wesentlichen die gleichen Erfordernisse aufstellen, die für eine Satzungsänderung gültig sind. Hier wie dort bedarf der Beschluß der Hauptversammlung einer Mehrheit, die mindestens s /i des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt, während für Satzungsänderungen die Satzung nach § 179 II eine andere Kapitalmehrheit bestimmen kann, es sei denn, es handelt sich um eine Änderung des Gegenstandes des Unternehmens, in welchem Fall nur eine größere Kapitalmehrheit festgelegt werden kann. Da praktisch der Abschluß eines Unternehmensvertrages entscheidenden Einfluß auf den Gegenstand des Unternehmens hat, denn meist ändert sich völlig der Zweck der Gesellschaft, so wird in § 293 bestimmt, daß stets die Satzung nur eine größere Kapitalmehrheit bestimmen kann. Insoweit deckt sich also sinngemäß auch die vor1610

Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293

Anm. 5,6

liegende Bestimmung mit derjenigen bei der Satzungsänderung. Dasselbe gilt auch für den in beiden Fällen vorgesehenen Fall, daß die Satzung weitere Erfordernisse bestimmen kann. So wie eine Satzungsänderung nadi § 181 III erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam wird, so wird auch ein Unternehmensvertrag erst wirksam, wenn sein Bestehen in das Handelsregister eingetragen ist (§ 294 II). 2. der anderen Gesellschaft. Anm. 6: Der andere Vertragsteil eines Unternehmensvertrages braucht nicht eine Aktiengesellschaft oder KGaA zu sein, es kann vielmehr, wie oben unter Anm. 3 ausgeführt, jedes Unternehmen sein. Eine Besonderheit gilt für den Fall, wenn der andere Vertragsteil eine Aktien- oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist und mit einer solchen ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag nach § 291 abgeschlossen wird (s. unten). Ein solcher Vertrag bedarf, um wirksam zu werden, nicht nur der Zustimmung der Hauptversammlung des sich verpflichtenden Unternehmens, sondern auch der Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaft, die Vertragspartner ist. Für alle anderen Unternehmensverträge, also die in § 292 aufgeführten, gilt dies nicht. Für sie ist immer nur, gleichgültig, ob es sich bei dem sich verpflichtenden Vertragspartner um eine Aktiengesellschaft oder KGaA oder irgendein Unternehmen in einer anderen Rechtsform handelt, der Hauptversammlungsbeschluß der sich verpflichtenden Gesellschaft: nach Abs. 1 notwendig. Die Sondervorschrift des Abs. 2 ist deshalb zweckmäßig, weil beim Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages auch die leitende Gesellschaft erhebliche Verpflichtungen übernimmt. Zunächst einmal muß sie sich schon in den Verträgen verpflichten, außenstehende Aktionäre abzufinden, und zwar grundsätzlich mit eigenen Aktien. Ferner hat sie die Verluste der Gesellschaft zu tragen (§ 302). Eine besondere Auflage gilt bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages oder eines Beherrschungsvertrages (§ 303). Den Gläubigern der anderen Gesellschaft ist bei Aufhebung des Vertrages Sicherheit zu leisten, den Aktionären, die in der Gesellschaft verbleiben, hat sie eine Ausgleichszahlung anzubieten, für die sie sich selbst verpflichten muß (§ 304). Die Bestimmung stellt gegenüber dem bisherigen Recht eine wesentliche Erweiterung dar. Die Situation des Vertragspartners ist grundsätzlich eine andere als die der sich verpflichtenden Gesellschaft. Bei der sich verpflichtenden Gesellschaft ändert sich durch den Abschluß eines Unternehmensvertrages ihre Struktur, insbesondere bei dem hier in Frage kommenden Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag. Die Befugnis ihrer Organe wird wesentlich eingeschränkt. Sie unterwirft sich bei dem Beherrsdiungsvertrag den Weisungen des herrschenden Unternehmens, beim Gewinnabführungsvertrag verzichtet sie auf die Durchführung des eigentlichen Zwecks, nämlidi sidi im 1611

§293

Anm. 6

Unternehmensverträge

Wirtschaftsleben gewinnbringend zu betätigen und diesen Gewinn selbst im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre zu verwenden. Es handelt sich hier um mehr als um eine Satzungsänderung, es ist eine Strukturänderung der Gesellschaft. D a ß diese nur mit qualifiziertem Mehrheitsbeschluß der Hauptversammlung zustande kommen kann, ist ohne weiteres verständlich. Ganz anders ist die Lage beim Vertragspartner. Dieser gliedert sich zwar bis zu einem gewissen Grade einer Gesellschaft an, sicherlich ist dies eine über die normale Geschäftsführung hinausgehende Maßnahme, aber sie muß nicht bedeutungsvoller sein als andere Maßnahmen, die ohne jede Zustimmung der Hauptversammlung durchgeführt werden können. Der Bau einer völlig neuen Fabrik kann auf die Geschicke der Gesellschaft einen sehr viel größeren Einfluß ausüben als die Eingliederung eines im Verhältnis zur leitenden Gesellschaft kleineren Unternehmens. Der Unterschied besteht allerdings darin, und das dürfte letztlich auch der Grund für die Bestimmung des § 293 I I sein, daß es sich hier, auch vom anderen Vertragsteil aus gesehen, letztlich nicht in erster Linie um eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt, wie sie normalerweise beim Abschluß von schuldrechtlichen Verträgen zum Ausdruck kommt, sondern um den Abschluß eines Organschafts- oder Organisationsvertrages, der in seinen Auswirkungen zumindest in der Erweiterung der gesellschaftsrechtlichen Befugnisse des Vorstandes durch die Möglichkeit der Einflußnahme auf ein anderes Unternehmen durch Erteilung von Weisungen oder Einvernahme seines Gewinnes auch vom Grundsätzlichen her — nicht nur quantitativ — von besonderer Bedeutung ist. Umstritten ist, ob und ggf. wie weit Abs. 2 Anwendung findet, wenn der andere Vertragsteil eine A G oder K G a A mit Sitz im Ausland ist. D a diese Bestimmung zum Schutz dieser Gesellschaft dient (siehe oben), sind wir der Auffassung, daß der Abs. 2 nur auf inländische Gesellschaften angewendet werden kann (ebenso Obermüller-Werner-Winden, S. 184; Meilicke in Festschrift für Prof. Hirsch S. 121; a. A. Barz in B B 66, 1168). Eventuell kann der Abschluß eines Unternehmensvertrages der Zustimmung des Aufsichtsrates unterliegen. Das ist immer dann der Fall, wenn eine allgemeine Klausel in den Satzungen oder Beschlüssen des Aufsichtsrates enthalten ist, wonach über den normalen Geschäftsablauf hinausgehende Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen. Besteht eine solche Bestimmung und verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand nach § 111 verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. D a für die Wirksamkeit eines Unternehmensvertrages zweier Aktiengesellschaften nach § 291 stets die Zustimmung der Hauptversammlungen beider Gesellschaften erforderlich ist, wird dann praktisch der Aufsichtsrat völlig ausgeschaltet. Wenn der Vorstand den Abschluß des Unternehmensvertrages wünscht, so muß er zwar, um Weiterungen zu vermeiden, seiner Berichts-

1612

Zustimmung der Hauptversammlung

§ 293 Anm. 6,7

pflicht dem Aufsichtsrat gegenüber genügen. Was dieser aber beschließt, kann ihm weitgehend gleichgültig sein, denn selbst ein ablehnender Beschluß hätte keinerlei Bedeutung, wenn die Hauptversammlung demnächst ihre Zustimmung erteilt (ebenso B.-H. Rn. 15). Dies gilt nicht, wenn bei Unternehmensverträgen nach § 292 der andere Vertragspartner eine Aktiengesellschaft oder KGaA ist, da insoweit ein Zustimmungsbeschluß dieser Hauptversammlung nicht erforderlich ist. 3. Erforderliche Mehrheit Anm. 7: Bereits nach dem bisherigen Recht (§ 256 AktG 37) bedurfte ein Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung einer Mehrheit von mindestens *U des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals. Jeder Aktionär ist stimmberechtigt, auch der oder die am Vertrag beteiligten Aktionäre. Es gibt keine allgemeine Bestimmung, die besagt, daß jeder, der durch eine Abstimmung irgendwelche Vorteile erzielt, an der Ausübung des Stimmrechtes verhindert sei. Nach § 136 I ist ein Aktionär an der Ausübung seines Stimmrechtes nur dann behindert, wenn darüber Beschluß gefaßt wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist, oder ob die Gesellschaft einen Anspruch gegen ihn geltend machen soll. Keiner dieser Fälle liegt beim Abschluß eines Unternehmensvertrages normalerweise vor. Da derartige Verträge nicht nur den gesetzlichen Inhalt haben, sondern mitunter sehr umfangreich sind und eine Reihe von Fragen regeln, die zwischen den Vertragspartnern bestehen, ist es denkbar, daß ein solcher Vertrag auch Bestimmungen enthält, die den Vertragspartner nach § 136 vom Stimmrecht ausschließen. Das würde bedeuten, daß wahrscheinlich der ganze Vertrag nicht zustande kommen kann. Man wird sich also hüten, Bestimmungen in einen solchen Vertrag hineinzuschreiben, die das Stimmrecht des Vertragspartners ausschließen würden. Es sind bei der Gestaltung des Gesetzes Stimmen laut geworden, die einen ausdrücklichen Ausschluß des Mehrheitsaktionärs bei der Abstimmung wünschten. Das Verlangen wurde damit begründet, daß nur, wenn man den am Vertragsabschluß interessierten Aktionär von der Abstimmung ausschließt, eine Vertragsregelung sichergestellt werden könnte, die für die außenstehenden Aktionäre angemessen sei. Dem wurde mit Recht entgegengehalten, daß durch die Ausschaltung eines Mehrheitsaktionärs noch keineswegs sichergestellt sei, daß ein angemessener Vertrag zustande komme, sondern es könne sich auch ein durchaus unangemessener im Sinne der außenstehenden Aktionäre dann ergeben, es könne vor allem aber die unternehmerische Entscheidung des Mchrheitsaktionärs zur Konzentration von einer Minderheit völlig vereitelt werden. Das Gesetz ist deshalb diesen Vorschlägen nicht gefolgt, sondern es hat einmal bei den besonders entscheidenden Organschaftsverträgen, d. h. dem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nach § 291, 1613

§§293/294 Anm. 7

Unternehmensverträge

besondere Schutzbestimmungen für die Aktionäre in dem Vertrag zwingend vorgeschrieben und zum anderen die Möglichkeit gegeben, die Angemessenheit der den außenstehenden Aktionären zu machenden Angebote durch gerichtliche Entscheidung nachzuprüfen (§§ 304, 305). Damit ist ein ausreichender Schutz der außenstehenden Aktionäre geschaffen, so daß es unangemessen gewesen wäre, dem Mehrheitsaktionär beim Zustimmungsbeschluß das Stimmrecht zu versagen und damit die unternehmerische Entscheidung des Mehrheitsaktionärs in der Durchführung unmöglich zu machen (im Ergebnis ebenso B.-H. Rn 13; Würdinger S.283; Rasch S. 131). Wie stets in ähnlichen Fällen ist die Mehrheit von mindestens 3/J auf das bei der Beschlußfassung vertretene Grundkapital zu berechnen, also nicht auf das gesamte Grundkapital, auch nicht auf die tatsächlich abgegebenen Stimmen. Sowohl Nein-Simmen wie ausdrückliche Enthaltungen und stillschweigende Enthaltungen, indem Aktionäre nicht an der Abstimmung teilnehmen, obwohl sie an der Hauptversammlung teilnehmen, zählen alle als Gegenstimmen. Die Zahl von mindestens SU muß ohne sie erreicht sein.

§ 294 Eintragung. Wirksamwerden (1) Der Vorstand der Gesellschaft hat das Bestehen und die Art des Unternehmensvertrags sowie den Namen des anderen Vertragsteils, bei Teilgewinnabführungsverträgen außerdem die Vereinbarung über die Höhe des abzuführenden Gewinns, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung sind der Vertrag sowie, wenn er nur mit Zustimmung der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils wirksam wird, die Niederschrift dieses Beschlusses und ihre Anlagen in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (2) Der Vertrag wird erst wirksam, wenn sein Bestehen in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Anmeldung zum Handelsregister 1. Pflicht zur Anmeldung (Anm. 2) 2. Inhalt (Anm. 3) 3. Beilagen der Anmeldung (Anm. 4)

III. Inhalt der Eintragung (Anm. 5) IV. Wirksamwerden des Vertrages (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift bestimmt die Pflicht des Vorstandes zur Anmeldung (Anm. 2), den Inhalt der Anmeldung (Anm. 3) und was der Anmeldung im einzelnen beizufügen ist (Anm. 4). Abs. 2 bestimmt den Zeit1614

Eintragung. Wirksamwerden

§ 294

Anm. 1,2

punkt des Wirksamwerdens des Vertrages (Anm. 6), dies ist die Eintragung seines Bestehens im Handelsregister der verpflichteten Gesellschaft. II. Anmeldung zum Handelsregister 1. Pflicht zur Anmeldung Anm. 2: Der Vorstand der Gesellschaft, die ihre Leitung einem anderen Unternehmen unterstellt (Beherrschungsvertrag) oder sich im Sinne des § 291 (Gewinnabführungsvertrag) oder § 292 N r . 1 und 2 (Gewinngemeinschaft, Teilgewinnabführungsvertrag) einem anderen Unternehmen gegenüber durch Vertrag verpflichtet, oder ihren Betrieb verpachtet oder einem anderen Unternehmen überläßt, hat diese Tatsache anzumelden, nicht etwa der Vorstand des anderen Vertragsteils, auch wenn dieser auch eine Aktiengesellschaft ist. Die alleinige Anmeldepflicht des Vorstandes der sich verpflichtenden Gesellschaft und demgemäß die spätere Eintragung im Handelsregister der Gesellschaft gilt auch dann, wenn zur Wirksamkeit des Unternehmensvertrages die Zustimmung der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils (§ 293 II) notwendig ist. Nur bei der sich verpflichtenden Gesellschaft tritt durch den Abschluß des Unternehmensvertrags eine Strukturänderung ein, die so wesentlich ist, daß sie nach außen hin im Handelsregister kenntlich gemacht werden muß. Die Anmeldung erfolgt durch den Vorstand, d. h. nicht durch alle Mitglieder, sondern, wenn auch nicht gleichzeitig, durch so viele, wie zur Vertretung der Gesellschaft erforderlich sind. Stellvertretende Vorstandsmitglieder stehen ordentlichen gleich. Es genügt auch, wenn ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen anmeldet, sofern die Satzung diese sogenannte unechte Gesamtvertretung als gesetzliche Vertretung zuläßt. Die Anmeldenden haben mit ihrem Namen, nicht etwa mit der Firma der Gesellschaft zu zeichnen. Eine Mitwirkung des Aufsichtsratsvorsitzenden ist hier nicht vorgesehen. Für die Anmeldung gelten die Ausführungen, die für die Anmeldung einer Satzungsänderung zu § 181 gemacht sind. Auch hier ist sie nach § 12 HGB persönlich, — das schließt Bevollmächtigung nicht aus — bei dem Gericht des Sitzes zu bewirken oder in öffentlich beglaubigter Form (Unterschriftsbeglaubigung) einzureichen. Nach § 407 II kann die Anmeldung zum Handelsregister nicht durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. Der Vorstand ist jedoch zur Anmeldung verpflichtet und macht sich u. U. schadenersatzpflichtig, wenn er die Anmeldung unterläßt (§ 93). Der Aufsichtsrat hat die Erfüllung der Pflicht zu überwachen und haftet hierfür u. U. nach § 116 (B.-H. Rn. 3). H a t der Vorstand Bedenken gegen die Wirksamkeit der Zustimmungsbeschlüsse, so kann er die Anmeldung allerdings auf seine Gefahr aus diesem Grunde unterlassen. Der Fall, daß er Bedenken gegen die Gültigkeit des Vertrages hat, kann praktisch nicht vorkom1615

§294

Anm. 2,3

Unternehmensverträge

men, da er selbst den Vertrag unterzeichnet hat. Es wäre also allenfalls bei einem Wechsel des Vorstands denkbar, daß aus diesem Grunde die Anmeldung von einem neuen Vorstand zurückgestellt würde. Auch hier geschieht das auf seine Gefahr. 2. Inhalt Anm. 3: Anzumelden ist das Bestehen des Vertrages, d. h., der Vertrag muß schriftlich und von den Vertretungsberechtigten beider Vertragsparteien unterzeichnet vorliegen. Die Hauptversammlung der sich verpflichtenden Gesellschaft muß die Zustimmung erteilt haben und, wenn es sich um Unternehmungsverträge im Sinne des § 291 (Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge) mit einer AG oder KGaA handelt, muß auch der Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils vorliegen. In welcher zeitlichen Folge Vertragsabschluß und Zustimmungsbeschlüsse zueinanderstehen, ist gleichgültig. Es kann, wie zu § 293 Anm. 2 bereits ausgeführt, der Vertragsabschluß erst nach den Zustimmungsbeschlüssen erfolgen, allerdings muß der Vertragstext in vollem Wortlaut vorliegen und es darf später keine Änderung mehr vorgenommen werden, weil jede Änderung eines besonderen Zustimmungsbeschlusses bedürfte (§ 295). Im Text der Anmeldung ist die Art des Unternehmensvertrages, und zwar nach der Terminologie des Gesetzes in den §§ 291 und 292 anzugeben, wobei es möglich ist, daß der Vertrag einen doppelten Charakter hat; insbesondere wird ein Beherrschungsvertrag und ein Gewinnabführungsvertrag häufig zusammen abgeschlossen. Denkbar ist auch jede andere Kombination zwischen einem Beherrschungsvertrag nach § 291 und den Verträgen nach § 292. Alsdann müssen beide Arten des Unternehmensvertrages in der Anmeldung genannt werden. Ferner muß der Name des anderen Vertragsteils angegeben werden. Hier ist der Name maßgebend, unter dem das Unternehmen im Geschäftsleben auftritt. Ist das Unternehmen dasjenige eines Einzelkaufmanns, so ist die Firma anzugeben, unter der der Einzelkaufmann das Unternehmen betreibt, nidit etwa sein möglicherweise davon abweichender Personenname. Das Gesetz schreibt nicht vor, daß der Wohnort bzw. der Sitz des anderen Vertragsteiles angegeben werden muß. Das ergibt sich aber von selbst aus der Verpflichtung, den Namen des anderen Vertragsteils zu nennen, denn dies soll nichts anderes bedeuten, als daß alles das anzugeben ist, was notwendig ist, um den anderen Vertragsteil zu identifizieren. Dazu wird in aller Regel die Anschrift gehören, bei Gesellschaften zumindest der Sitz. Ein zusätzliches Erfordernis ist dann gegeben, wenn es sich um einen Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 I Nr. 2 handelt. In diesem Fall muß die Anmeldung die Vereinbarung über die Höhe des abzuführenden Gewinns enthalten. Das bedeutet nicht, daß diese Vereinbarung wörtlich wiederzugeben ist, sie kann gekürzt werden, wenn dadurch nicht die Ver1616

Eintragung. Wirksamwerden

§294

Arno. 3,4

ständlichkeit leidet. Es muß sich zweierlei aus ihr ergeben, nämlich einmal, ob die Berechnung des abzuführenden Gewinnanteils sich auf den Gesamtgewinn oder auf einen Teilgewinn bezieht, in diesem Fall auf welchen, und zum anderen muß angegeben werden der Bruchteil des abzuführenden Gewinns. Dies ist dann schwierig, wenn die Verpflichtung sich nicht auf den ganzen Gewinn, sondern den Gewinn einzelner Betriebe der sich verpflichtenden Gesellschaft bezieht. Unter einem Betrieb ist hier nicht jede völlig unselbständige Abteilung eines größeren Unternehmens zu verstehen, vielmehr muß eine gewisse rein tatsächliche Verselbständigung vorliegen. So muß eine besondere Buchhaltung für diesen Betrieb eingerichtet sein, denn sonst kann man den Gewinn gar nicht berechnen. Es bedarf auch dann sehr umständlicher Vereinbarungen, z. B. über die Umlage der Gemeinkosten. Dies wird nicht alles Gegenstand des Vertrages sein können, sondern in besonderen Ausführunsgvereinbarungen niedergelegt werden können (§ 293 Anm. 3). 3. Beilagen der Anmeldung Anm. 4: Es sind beizufügen: a) der Vertrag in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift; sofern er als notarielle Verhandlung abgeschlossen wurde auch in Ausfertigung; b) die Niederschrift über die Hauptversammlung der sich verpflichtenden Gesellschaft, die dem Unternehmensvertrag zugestimmt hat, nebst Anlagen in öffentlich beglaubigter Abschrift; c) wenn es sich um den Abschluß eines Beherrsdiungs- oder Gewinnabführungsvertrages nach § 291 handelt, eine Ausfertigung oder öffentlich beglaubigte Abschrift der Niederschrift über die Hauptversammlung, in der der Zustimmungsbeschluß des anderen Vertragsteils enthalten ist, sofern der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder KGaA ist. Der ausdrücklichen Bestimmung, daß der Vertrag beizufügen ist, hätte es nicht bedurft, da nach § 130 V die Niederschrift jeder Hauptversammlung dem Handelsregister einzureichen ist, und zwar mit ihren Anlagen. Nach § 293 I I I ist aber der Niederschrift über die Hauptversammlung, in der die sich verpflichtende Gesellschaft dem Vertrag zustimmt, dieser als Anlage der Niederschrift beizufügen. Praktisch ist also die ausdrückliche Gesetzesbestimmung allenfalls für den Fall, daß der Vertrag erst nach dem Zustimmungsbeschluß unterzeichnet wird. Dann muß der Registerrichter prüfen, ob der Vertrag, dem die Zustimmung durch die Hauptversammlung erteilt wurde, mit dem tatsächlich abgeschlossenen Vertrag übereinstimmt. Nach § 407 kann die Anmeldung zum Handelsregister nicht durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. Der Vorstand ist jedoch zur Anmeldung 1617

§ 294

Anm. 4—6

Unternehmensverträge

verpflichtet und macht sich u. U. schadenersatzpflichtig, wenn er die Anmeldung unterläßt. III. Inhalt der Eintragung Anm. 5: Der Inhalt der Eintragung ergibt sich aus dem Inhalt der Anmeldung. Es würde also beispielsweise folgende Eintragung genügen: „Es besteht ein Gewinnabführungsvertrag mit der X GmbH in Y" unter Zusatz des Eintragungsdatums. Dagegen ist nicht erforderlich, etwa das Datum des Abschlusses des Unternehmensvertrages anzugeben, denn dieses ist rechtlich bedeutungslos. Wenn ein Teilgewinnabführungsvertrag abgeschlossen ist, müßte es heißen: „Es besteht ein Teilgewinnabführungsvertrag, nach dem 10°/o des Bilanzgewinns an die Firma Müller & Co. in X abzuführen sind". Der Inhalt der Eintragung ist nach § 10 HGB in den Blättern des Handelsregisters bekannt zu machen, hierbei ist der Tag der Eintragung anzugeben, da dieser von rechtlicher Bedeutung ist. Eine Bekanntmachungspflicht der Gesellschaft in ihren Blättern besteht nicht. IV. Wirksamwerden des Vertrages Anm. 6: Da für das Zustandekommen eines Unternehmensvertrages eine Reihe von rechtlichen Vorgängen notwendig ist, die in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge nicht abgestimmt sind, mußte der Gesetzgeber sich mit der Frage beschäftigen, wann der Vertrag wirksam wird. Es wurde vorgeschlagen, ihn dann wirksam werden zu lassen, wenn die letzte erforderliche Zustimmung erteilt und der Vertrag selbst rechtsverbindlich abgeschlossen sei. Hiergegen bestanden jedoch erhebliche Bedenken, da auf diese Weise der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Vertrages nicht absolut bestimmt werden könnte. Man ist deshalb insoweit dem Regierungs-Entwurf gefolgt, als nunmehr ausdrücklich bestimmt wird, daß der Vertrag wirksam wird mit der Eintragung seines Bestehens in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft, die durch den Vertrag sich verpflichtet. Dagegen ist man der weitergehenden Regierungsvorlage insoweit nicht gefolgt, als diese vorsah, daß der Vorstand die Anmeldung des Bestehens des Beschlusses erst vornehmen könne, wenn die Anfechtungsfrist abgelaufen oder eine Anfechtungsklage rechtskräftig zurückgewiesen sei. Diese Bestimmung war vorgesehen, weil es in der Tat zu einer schwierigen Lage führen kann, wenn ein Unternehmensvertrag durch Eintragung wirksam geworden ist und später durch erfolgreiche Anfechtung der Zustimmungsbeschlüsse seine Wirksamkeit wegfällt. Bei der engen Verflechtung der beteiligten Gesellschaften durch einen Unternehmensvertrag wird es außerordentlich schwierig sein, den früheren Zustand wieder herzustellen, ohne daß der eine oder andere Vertragsteil dabei Schaden er1618

Eintragung. Wirksamwerden

§ 294

Anm. 6

leidet. Insbesondere können die Aktionäre und Gläubiger der sich verpflichtenden Gesellschaft durch eine solche Wiederauflösung des möglicherweise schon jahrelang praktizierten Unternehmensvertrages sehr geschädigt werden. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß, wenn man die Anmeldung und damit auch die Eintragung von der rechtskräftigen Durchführung eines Anfeditungsprozesses abhängig gemacht hätte, die Möglichkeit geschaffen worden wäre, daß ein Querulant oder eine kleine Gruppe von Aktionären das Zustandekommen eines Unternehmensvertrages, der im Interesse der beteiligten Gesellschaften liegt, möglicherweise gegen eine überwältigende Mehrheit der Aktionäre verhindert. Das hätte der ganzen Tendenz des Gesetzes, Anfechtungsprozesse nach Möglichkeit zu vermeiden, widersprochen; man hätte eine Möglichkeit für Schikaneprozesse geschaffen. Deshalb kann jetzt die Anmeldung und die Eintragung auch dann erfolgen, wenn eine Anfechtungsklage schwebt. In diesem Fall hat der Registerrichter nach pflichtmäßiger Prüfung zu entscheiden, ob der Vertrag trotz der schwebenden Anfechtungsklage einzutragen ist. Dabei hat er sowohl die Erfolgsaussicht der Anfechtungsklage als auch die bei der Aussetzung der Eintragung drohenden Nachteile abzuwägen (Ausschußbericht zu Drucksache IV/3296). Die Tatsache, daß die Wirksamkeit des Vertrages erst mit seiner Eintragung im Handelsregister eintritt (Abs. 2), hat zur Folge, daß er bis dahin schwebend unwirksam ist. Das hat die Wirkung, daß zwar keiner der Vertragsschließenden Vertragserfüllung verlangen kann, wohl aber sind alle Beteiligten an den Vertrag gebunden. Es gelten die allgemeinen Grundsätze für schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte (vgl. z. B. Staudinger Einleitung vor § 104 Anm. 49). Die z^m Wirksamwerden des abgeschlossenen Vertrages erforderlichen Zustimmungen der Hauptversammlungen der beteiligten Gesellschaften sind nicht als Zustimmung im Sinne der §§ 182 ff. BGB anzusehen. Es handelt sich hier nicht um die Zustimmung eines Dritten, sondern um die Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme der Vertretungsberechtigten, also um einen internen Vorgang in den beteiligten Gesellschaften. Die Zustimmung der Hauptversammlung ist auch dem anderen Vertragsteil nicht mitzuteilen, jedenfalls hat eine solche Mitteilung keinerlei rechtliche Folge. Sie wirkt audi nicht etwa auf den Vertragsabschluß zurück, denn der Vertrag wird erst mit der Eintragung im Handelsregister wirksam. Es entstehen auch keinerlei Ansprüche des einen Vertragspartners gegenüber dem anderen, wenn etwa der Vorstand, der den Vertrag unterzeichnet hat, es böswillig unterläßt, die Zustimmung der Hauptversammlung herbeizuführen. Der Vertragspartner kann nichts in dieser Richtung unternehmen, er kann insbesondere nicht die Gesellschaft verklagen, die Zustimmung ihrer Hauptversammlung herbeizuführen. Auf der anderen Seite kann er nicht auf völlig unbestimmte Zeit an den Vertragsabschluß gebunden sein. Man wird ihm infolgedessen in Anlehnung an die Bestimmungen des BGB das Recht ein1619

§§294/295 Anm. 6

Unternehmensverträge

räumen müssen, eine Frist zur Herbeiführung des Zustimmungsbeschlusses zu setzen. Er wird dann von seiner Bindung frei, wenn die Frist angemessen war und erfolglos verstrichen ist (ebenso B.-H. Rn. 7). Welche Frist angemessen ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Ist bei der Gesellschaft, deren Hauptversammlung zustimmen muß, eine hinreichend qualifizierte Mehrheit in der Hand einer Aktionärsgruppe, so wird die Frist verhältnismäßig kurz sein können, denn diese Gruppe muß sich entscheiden und hat sidi in der Praxis bereits entschieden, bevor der Vertrag überhaupt vom Vorstand abgeschlossen wurde. Wenn aber eine solche qualifizierte Mehrheit nicht vorhanden ist und um die Zustimmung der fehlenden Aktionäre geworben werden muß, so wird die Frist, die man zubilligen muß, eine erheblich längere sein müssen. Irgendwelche Schadenersatzansprüche kann er gegenüber der Gesellschaft nicht geltend machen. Inwieweit er aus allgemeinen Gesichtspunkten Schadenersatzansprüche gegen die handelnden Vertreter der Gesellschaft erheben kann, ist eine im einzelnen nach allgemeinen Gesichtspunkten zu entscheidende Frage. Die Tatsache des Wirksamwerdens des Vertrages erst mit seiner Eintragung im Handelsregister schließt nicht aus, daß der Vertrag sich selbst rückwirkende Kraft beilegt (ebenso B.-H. Rn. 8; Würdinger S. 284). Ein nichtiger Vertrag (z. B. nach § 304 III) darf vom Registerrichter nicht eingetragen werden. Geschieht es doch, wird er dadurch nicht wirksam, vielmehr ist die Eintragung von Amts wegen zu lösdien (ebenso B.-H. § 304 Rn. 10). Da grundsätzlich für die Gestaltung der Unternehmensverträge Vertragsfreiheit herrscht, kann es schwierig sein zu bestimmen, unter welche gesetzliche Vertragsart der abgeschlossene Vertrag fällt. So kann z.B. in einem Betriebspaditvertrag die Pacht so bemessen sein, daß wirtschaftlich ein Gewinnabführungsvertrag vorliegt, oder es kann in einem nicht als Beherrschungsvertrag bezeichneten Vertrag ein Weisungsrecht vereinbart sein. Maßgebend ist in solchen Fällen die Eintragung (ebenso Geßler in BB 65, 1693; B.-H. Rn. 9; Würdinger S. 287; Möhring in N J W 67,6 u. 1457), das bedeutet, daß, wenn in einem nidit als Beherrschungsvertrag eingetragenen Vertrag Weisungsbefugnisse, die nur in einem Beherrschungsvertrag zulässig wären, eingeräumt sind, diese nichtig sind (Geßler a. a. O.). § 295 Änderung (1) Ein Unternehmensvertrag kann nur mit Zustimmung der Hauptversammlung geändert werden. §§ 293, 294 gelten sinngemäß. (2) Die Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaft zu einer Änderung der Bestimmungen des Vertrags, die zur Leistung eines Aus1620

Änderung

§ 295

Anm. 1,2 gleidis an die außenstehenden Aktionäre der Gesellschaft oder zum Erwerb ihrer Aktien verpflichten, bedarf, um wirksam zu werden, eines Sonderbesdilusses der außenstehenden Aktionäre. Für den Sonderbeschluß gilt § 293 Abs. 1 Satz 2 und 3. Jedem außenstehenden Aktionär ist auf Verlangen in der Versammlung, die über die Zustimmung beschließt, Auskunft auch über alle für die Änderung wesentlidien Angelegenheiten des anderen Vertragsteils zu geben. I. Übersicht (Anm. 1) II. Zustimmung der Hauptversammlung 1. der verpflichteten Gesellschaft (Anm. 2) 2. der anderen Gesellschaft (Anm. 3)

III. Sonderbeschluß der außenstehenden Aktionäre (Anm. 4) IV. Auskunftsredit (Anm. 5) V. Anmeldung und Eintragung der Änderung (Anm. 6) VI. Ausschluß des Weisungsrechtes (Anm. 7)

I. Übersicht Anm. 1: Alle Änderungen, auch die unwesentlichen, eines Unternehmensvertrages bedürfen der Zustimmung der Hauptversammlung der verpflichteten Gesellschaft. Aus der Verweisung auf § 293 ergibt sich, daß die Änderung der Schriftform bedarf. Sie ist ebenso wie der Vertrag selbst von den gesetzlichen Vertretern der Vertragschließenden vorzunehmen. Das kann vor oder nach der Zustimmung der Hauptversammlung erfolgen, jedenfalls muß aber der schriftliche Text bei dem Zustimmungsbeschluß vorliegen, da sonst nicht festgestellt werden kann, welcher Änderung eigentlich die Hauptversammlung zugestimmt hat. Den Erfordernissen des § 293 III S. 2 und 3 könnte sonst nicht Genüge geschehen. Im bisherigen Recht wurde zu § 256 AktG 37 bereits allgemein die Ansicht vertreten, daß eine Änderung des Vertrags der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf, wenn der Vertrag selbst dieser bedarf. Es wurde aber die Auffassung vertreten, daß die Aufhebung eines Teils der von der Gesellschaft übernommenen Verpflichtungen nicht als Änderung des Vertrages aufzufassen sei, sondern daß dies wie die Beendigung des ganzen Vertrages zustimmungsfrei sei (so Schilling in Großkomm. § 256 AktG 37 Anm. 25). Es mag dahingestellt bleiben, ob dies nach bisherigem Recht nicht schon insofern bedenklich war, als grundsätzlich ein Unternehmensvertrag ein einheitliches Ganzes bildet und die Aufhebung eines Teils eine Veränderung dieses einheitlichen Vertrages darstellt. II. Zustimmung der Hauptversammlung 1. der verpflichteten Gesellschaft Anm. 2: Nach dem jetzigen Gesetz ist auch in der Aufhebung eines Teils des Vertrages eine Änderung des Vertrages zu erblicken, die, um rechts1621

§295

Anm. 2

Unternehmensverträge

wirksam zu werden, der Vorschrift des § 295 genügen muß. Man wird damit rechnen müssen, daß — wenn beide Vertragspartner sich darüber einig sind — gewisse Vertragsbestimmungen gar nicht oder abweichend von ihrem Wortlaut in der Praxis angewandt werden. Wenn z. B. die Firma B einen Teilgewinnabführungsvertrag mit der Gesellschaft A abgeschlossen hat, nachdem sie 20 °/o ihres Bilanzgewinns an A abführen muß, und beide Gesellschaften kommen überein, daß nicht 20°/o, sondern 1 0 % abgeführt werden, so kann durch diese Übereinkunft, wenn sie nicht in der Form des § 295 in Verbindung mit § 293 und § 294 geschieht, eingetragen und bekanntgemacht wird, sicherlich die Rechtslage nicht geändert werden. Es bleibt der Anspruch von 20 o/o zugunsten der Gesellschaft A erhalten, auch wenn sie jahrelang nur 1 0 % verlangt und B nur 10°/o abführt (beachte jedoch die Möglichkeit einer Verwirkung). Das hat zunächst einmal zur Folge, daß ein Gläubiger der Gesellschaft A aufgrund eines Titels, den er gegen die Gesellschaft A hat, deren Anspruch gegen die Gesellschaft pfänden und sich überweisen lassen kann. Ist das Unternehmen A eine A G , so haften die Vorstandsmitglieder u. U. persönlich nach § 93 der Gesellschaft; das bedeutet in dem angegebenen Beispiel, daß die Vorstandsmitglieder damit rechnen müssen, alle Beträge, die der Gesellschaft A gegenüber der Gesellschaft B zustanden, aber nicht von dieser erhoben wurden, bei der Gesellschaft A einzuzahlen haben, womit indirekt deren Gläubiger und die Aktionäre geschützt werden. Aber selbst der Vorstand der Gesellschaft B könnte sich schadenersatzpflichtig machen, wenn er z. B. bei der Aufstellung des Jahresabschlusses die aus dem Unternehmensvertrag sich ergebende volle Verpflichtung nicht berücksichtigt und damit der Hauptversammlung seiner Gesellschaft die Ausschüttung des Gewinnes, der der Gesellschaft A zustand, an die Aktionäre der Gesellschaft B ermöglicht hat. Diese sind im Rahmen des § 62 zur Rückzahlung des Empfangenen verpflichtet. Auch die Prüfer beider Gesellschaften müssen den Prüfungsvermerk verweigern, wenn gegen Unternehmensverträge verstoßen wird. Man könnte hier einwenden, daß es nicht die Aufgabe der Prüfer sei, im einzelnen nachzuprüfen, ob die Gesellschaft die ihr zustehenden Rechte geltend macht und ob sie die abgeschlossenen Verträge erfüllt, bzw. auf Erfüllung besteht. Sicherlich ist das nicht der Fall, aber ein Unternehmensvertrag hat seiner Natur nach bestimmte Auswirkungen auf den Jahresabschluß der beteiligten Gesellschaften. Diese ergeben sich nicht etwa nur wie bei jedem Vertrag durch den Einfluß auf das Ertragsergebnis, sondern sie schlagen sich unmittelbar in einem Posten des Jahresabschlusses nieder, in dem hier gegebenen Beispiel in der Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung § 157 I Posten 7. Bei der Uberprüfung dieses Postens kann der Prüfer ohne weiteres feststellen, ob der dem Unternehmensvertrag entsprechende Betrag eingesetzt ist oder eine Abweichung vom Vertrag vorliegt. Ist letzteres der Fall, so muß 1622

Änderung

§295

Anm. 2—i

er den Prüfungsvermerk einschränken. Dasselbe gilt für den Prüfer der Gesellschaft B bei der Überprüfung des Postens 27 des § 157 I. Der Prüfer kann sich nicht darauf berufen, daß er nicht die Einhaltung von Verträgen zu prüfen hat. Unternehmensverträge sind keine gewöhnlichen Verträge, sie greifen in die Struktur der Gesellschaft so ein, daß sie Satzungsbestimmungen ähnlidi sind. Der Prüfer muß aber auch, wenn er sieht, daß die Satzungen verletzt sind und sich dies im Jahresabschluß auswirkt, dies in seinem Prüfungsvermerk zum Ausdruck bringen. Das gleiche gilt, wenn er sieht, daß Unternehmensverträge nicht ihrem Inhalt nach angewandt worden sind. Deren Auswirkungen ergeben sich stets aus dem Jahresabschluß. Der Vorstand selbst wäre verpflichtet, im Geschäftsbericht nadi § 160 III N r . 10 eine solche Abweichung von einem Unternehmensvertrag anzugeben, wenn sie überhaupt zulässig wäre. Er hat dort zu berichten über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen. Er würde also seine Berichtspflicht verletzen, wenn er eine solche Abweichung vom Unternehmensvertrag nicht ausdrücklich erwähnen würde. Aus alldem ergibt sich, daß hinreichend dafür gesorgt ist, daß kein Vorstand das Risiko auf sich nehmen kann, sich nicht genau an die Bestimmungen des Unternehmensvertrages zu halten. Er wird deshalb im eigenen Interesse für die Einhaltung der Bestimmung des § 295 sorgen. 2. der anderen Gesellschaft Anm. 3: Ist der andere Vertragsteil eine AG oder KGaA und handelt es sich um die Änderung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages im Sinne des § 291, so muß nach § 295 die Hauptversammlung des „anderen Vertragsteils" in der gleichen Weise der Änderung zustimmen, wie sie dem Vertrag selbst nach § 293 II zustimmen muß. Der Besdjluß bedarf der gleichen Mehrheit wie der Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung des sich verpflichtenden Unternehmens. Im einzelnen s. hierzu § 293 Anm. 7. III. Sonderbeschluß der außenstehenden Aktionäre Anm. 4: Zur Sicherung der außenstehenden Aktionäre müssen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge zwei Verpflichtungen zum Inhalt haben: a) den außenstehenden Aktionären, die in der Gesellschaft verbleiben wollen, muß eine angemessene Ausgleidiszahlung garantiert werden (§ 304); b) den Aktionären, die ausscheiden wollen, muß die Übernahme ihrer Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zugesichert werden (§ 305). Ein Vertrag, der überhaupt keinen Ausgleich vorsieht, ist nichtig. Ein Vertrag, der einen unangemessenen Ausgleich für die verbleibenden Aktionäre und keine oder nur eine unangemessene Abfindung für die ausscheiden1623

§295

Anm. 4

Unternehmensverträge

den Aktionäre vorsieht, kann durch gerichtliche Entscheidung abgeändert bzw. ergänzt werden (§ 304 III und § 305 V). Bei den anderen Unternehmensverträgen des § 292 sind solche Verpflichtungen zum Ausgleich und zur Abfindung gesetzlich nicht vorgeschrieben. Das schließt nicht aus, daß sie nicht auch bei solchen Verträgen vorkommen. Es handelt sich dann aber um die Übernahme einer freiwilligen Verpflichtung, die durchaus im Sinne des Gesetzes liegt. Sie kann dadurch bedingt sein, daß das herrschende Unternehmen damit rechnen muß, daß die Zustimmung zu seinem Vertrag verweigert wird, wenn er nicht die entsprechenden Verpflichtungen enthält. Diese Erwägung spielt stets dann eine Rolle, wenn das herrschende Unternehmen nicht mit Sicherheit über die notwendige qualifizierte Mehrheit in der Hauptversammlung verfügt. Aber auch wenn dies der Fall ist, könnte durch einen ungünstigen Unternehmensvertrag, ohne Abfindung oder Ausgleich der außenstehenden Aktionäre, die Anfechtung des notwendigen Zustimmungsbeschlusses herbeigeführt werden. Um diese zu vermeiden, könnte es im Einzelfall zweckmäßig sein, ein Angebot den außenstehenden Aktionären zu machen. In all den Fällen, in denen ein solches Angebot vorliegt, also nicht nur da, wo es gesetzlich vorgeschrieben ist, sondern auch da, wo es aus freien Stücken gewährt wurde, ist für eine Änderung des Unternehmensvertrages die Zustimmung der außenstehenden Aktionäre erforderlich, allerdings nicht wegen jeder Änderung, sondern nur, wenn es sich um eine Änderung der Bestimmung des Vertrages, die zur Leistung eines Ausgleichs oder einer Abfindung verpflichtet, handelt. Insoweit liegt ein Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB vor. Die Verpflichtung ist ja gerade zugunsten jedes einzelnen Aktionärs vom Gesetz angeordnet worden und auch, wenn sie freiwillig eingeräumt wird, zielt sie darauf, daß jedem einzelnen Aktionär ein Anspruch entsteht. Würde das Gesetz nicht etwas anderes bestimmen, so wäre die Zustimmung aller außenstehenden Aktionäre notwendig, wenn sich ihr Anspruch durch die Änderung verschlechtert. Da der im Unternehmensvertrag dem Aktionär eingeräumte Anspruch sich letztlich aus seinem Mitgliedschaftsrecht als Aktionär ergibt und dieses Mitgliedschaftsrecht ganz allgemein durch Mehrheitsbeschlüsse abgeändert werden kann, ist es auch als zulässig zu erachten, wenn hier ein an sich erworbener Anspruch im Wege eines Mehrheitsbeschlusses eingeschränkt oder entzogen werden kann. Allerdings kann das nicht in der Weise geschehen, daß, wie sonst, alle Träger sämtlicher Mitgliedschaftsrechte, also schlechthin die Aktionäre einer Gesellschaft, sei es mit einfacher, sei es mit qualifizierter Mehrheit, entscheiden könnten. Denn dann wäre es in sehr vielen Fällen, nämlich immer dann, wenn die herrschende Gesellschaft die nötige qualifizierte Mehrheit besitzt, möglich, praktisch die Bestimmungen des Gesetzes dadurch zu umgehen, daß man zunächst die Rechte den außenstehenden Aktionären einräumt, sie dann aber durch einen qualifizier1624

Änderung

§295 Anm. 4

ten Hauptversammlungsbeschluß wieder entzieht. Das darf nicht sein; deshalb kann hier nur ein Sonderbeschluß der betroffenen Aktionäre in Frage kommen. Das sind die außenstehenden Aktionäre. Für diesen Sonderbesdiluß sind die Bestimmungen des § 293 I S. 2 und 3 sinngemäß anzuwenden. Das bedeutet, daß der Beschluß einer Mehrheit bedarf, die mindestens 3 /< des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals der abstimmungsberechtigten Aktionäre umfaßt. Dabei kann nicht vom gesamten Grundkapital ausgegangen werden. Es ist zunächst einmal erforderlich festzustellen, wer abstimmungsberechtigt ist. Unter außenstehenden Aktionären sind grundsätzlich einmal alle Aktionäre zu verstehen, die nicht Vertragspartner des Unternehmensvertrages sind. Nach der Regierungsbegründung müssen dem anderen Vertragsteil alle diejenigen Aktionäre gleichgestellt werden, deren Vermögen wirtschaftlich mit dem Vermögen des anderen Vertragsteiles eine Einheit bildet oder deren Erträge dem anderen Vertragsteil zufließen. Das gleiche gilt — jedenfalls nach der Regierungsbegründung —, wenn die Gesellschaft ihre vertragliche Leistung statt an den anderen Vertragsteil an einen Dritten zu erbringen hat, f ü r den Dritten und die mit ihm in der erwähnten Weise verbundenen Aktionäre. Dieser Versuch der Eingrenzung des Kreises derjenigen, die nicht als „außenstehende Aktionäre" anzusehen sind, scheint uns zu eng zu sein (vgl. auch § 304 Anm. 4 und 7). Als Stimmberechtigte bei diesem Sonderbeschluß müssen alle diejenigen ausgeschlossen werden, auf die der andere Vertragsteil irgendeinen Einfluß bei der Ausübung des Stimmrechtes nehmen kann (vgl. im Einzelnen § 304 Anm. 7). N u r durch Einbeziehung dieser Unternehmen ist es möglich zu verhindern, daß der andere Vertragsteil, um eine Änderung durchzusetzen, die Aktien auf ihm nahestehende Unternehmen verteilt. Das läßt sich natürlich nicht ganz ausschalten, es muß aber so weit ausgeschaltet werden, wie eine rechtliche Verbindung zwischen den Unternehmen besteht. Der Gesetzgeber wollte grundsätzlich den einmal erworbenen Besitzstand schützen. Wenn er nicht die Zustimmung aller außenstehenden Aktionäre zu jeder Änderung verlangte, so deshalb nicht, weil erfahrungsgemäß aus dem Charakter der Inhaberaktie sich ergibt, daß nicht alle Aktionäre auffindbar sind. Es darf aber nicht durch eine Ausweitung des Begriffes der Kreis der außenstehenden Aktionäre so groß werden, daß die Änderung des Unternehmensvertrages zu sehr erleichtert wird. Der Gedanke, daß hier überhaupt ein Mehrheitsbeschluß möglich ist, ist etwa derselbe wie bei der Eingliederung der Gesellschaft, die auch entgegen dem Grundsatz des § 319 durch Mehrheitsbeschluß nach § 320 erfolgen kann; dort wird allerdings eine Mehrheit von 95°/o verlangt. Die 5 °/o, auf die keine Rücksicht genommen wird, sind praktisch der immer vorhandene Bodensatz von unbekannten Aktionären. An diesen ist auch hier gedacht, wenn man nicht die Zustimmung aller außenstehenden Aktionäre verlangt, sondern nur von einer qualifizierten Mehrheit. 1625

§ 295

Ann* 5, 6

Unternehmensverträge

IV. Auskunftsrecht Anm. 5: In der Hauptversammlung, die über die Zustimmung zur Änderung des Unternehmensvertrages beschließt, ist bereits nach Abs. 1 durch die Verweisung auf § 293 das Recht auf Auskunft über alle für die Änderung •wesentlichen Angelegenheiten des anderen Vertragsteiles gegeben worden. Hier ist die Bestimmung wiederholt, weil sie auch für die Versammlung gelten soll, in der der Sonderbeschluß der außenstehenden Aktionäre gefaßt wird. Es ist mangels entgegenstehender ausdrücklicher Bestimmung zulässig, daß dieser Sonderbeschluß im Rahmen der Hauptversammlung ergeht, die die Zustimmung zur Änderung erteilt. Es ist aber auch zulässig, daß eine besondere Versammlung einberufen wird. Auch in dieser Versammlung gilt das Auskunftsrecht des Aktionärs. V. Anmeldung und Eintragung der Änderung Anm. 6: Durch Verweisung auf § 294 wird festgelegt, daß die Anmeldung und die Eintragung der Änderung in der gleichen Weise zu geschehen hat, wie die des Vertrages selbst. Dabei sind die Bestimmungen des § 294 nur sinngemäß anzuwenden. Das bedeutet, daß nicht das Bestehen, sondern nur die Änderung anzumelden ist, und zwar die Tatsache, daß der Vertrag abgeändert ist. Inwieweit er abgeändert ist, braucht nur dann angegeben zu werden, wenn sich durch die Änderung die Art des Unternehmensvertrages geändert hat, oder wenn etwa weitere Vertragspartner dem Vertrag beigetreten sind. Endlich ist auch bei einem Teilgewinnabführungsvertrag anzumelden, wenn sich die Vereinbarung über die Höhe des abzuführenden Gewinnes geändert hat. Wenn der Vertrag aber sonstige Änderungen enthält, die bei der ursprünglichen Anmeldung nach § 294 nicht Inhalt der Anmeldung zu sein brauchten, so brauchen auch jetzt die Änderungen nicht besonders angemeldet zu werden. Wohl aber müssen die Beilagen zu der Anmeldung der Tatsache, daß eine Änderung des Unternehmensvertrages stattgefunden hat, wie nach § 294 beigefügt werden. Dazu gehört auch der Abänderungsvertrag selbst und die Niederschriften der Hauptversammlungen, in denen die Zustimmungen erteilt wurden. Daraus wird die Änderung im einzelnen der Öffentlichkeit zugänglich. Sie braucht aber nicht in ihrem sachlichen Bestand bekanntgemacht zu werden, weder durch das Registergericht noch durch die Gesellschaft selbst. Das Registergericht hat lediglich die Tatsache der Änderung und das Datum der Eintragung der Änderung bekanntzumachen, es sei denn, daß es sich um Änderungen handelt, die nach § 294 Gegenstand einer Anmeldung wären, wenn es sich um die Anmeldung des Bestehens eines Unternehmensvertrages handeln würde. Dies mag zunächst etwas seltsam anmuten, erklärt sich aber daraus, daß derartige Unternehmensverträge mitunter recht umfangreich sind, und daß eine Änderung der 1626

Aufhebung

§§295/296 Anm.6,7

Verträge meist nicht in der Grundsubstanz erfolgen wird, sondern in Bestimmungen, die zwar mehr oder weniger von Bedeutung sind, die aber nicht so entscheidend sind, daß ihre Eintragung und die damit sich ergebende Bekanntmachung erforderlich ist. VI. Ausschluß des Weisungsrechtes Anm. 7: Die verpflichtete Gesellschaft soll bei ihrer Entschließung, ob sie eine Änderung des Unternehmensvertrages wünscht, frei sein. Deshalb wird in § 299 ausdrücklich bestimmt, daß aufgrund eines Unternehmensvertrages der Gesellschaft nicht die Weisung erteilt werden kann, den Vertrag zu ändern, aufrechtzuerhalten oder zu beendigen. Auch die Hauptversammlung wird in aller Regel nicht in der Lage sein, dem Vorstand einen entsprechenden Auftrag zu erteilen, denn die Änderung eines Unternehmensvertrages wird in aller Regel eine Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstandes sein. Nach § 119 II kann über Fragen der Geschäftsführung die Hauptversammlung aber nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt. Eine herrschende Gesellschaft kann zwar durdi ihren Aktienbesitz die Zustimmung der H a u p t versammlung herbeiführen, wenn der Vorstand eine Änderung vorgenommen hat oder vornehmen will, sie kann aber nicht die Änderung selbst gegen den Willen des Vorstandes der verpflichteten Gesellschaft erzwingen. Wenn nach dem Inhalt der Satzung oder aufgrund eines Aufsichtsratsbesdilusses (§ 111 IV) der Vorstand zur Änderung eines Unternehmensvertrages der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf und dieser sie nicht erteilt, so könnte der Vorstand die Hauptversammlung anrufen, dann ist der Hauptversammlungsbesdiluß bindend. Praktisch wird dieser Weg kaum in Frage kommen, da im allgemeinen die Mehrheit des Aufsichtsrates von dem herrschenden Unternehmen gewählt wird, mithin das Kräfteverhältnis im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlung das gleiche ist.

§ 296 Aufhebung (1) Ein Unternehmensvertrag kann nur zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden. Eine rückwirkende Aufhebung ist unzulässig. Die Aufhebung bedarf der schriftlichen Form. (2) Ein Vertrag, der zur Leistung eines Ausgleichs an die außenstehenden Aktionäre oder zum Erwerb ihrer Aktien verpflichtet, kann nur aufgehoben werden, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen. Für den Sonderbeschluß gilt § 293 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 295 Abs. 2 Satz 3 sinngemäß. 1627

§ 296 Anm. 1,2

Unternehmensverträge

Anm. 1: Die Fälle der Beendigung des Unternehmensvertrages durch Aufhebung oder Kündigung werden in den zwei getrennten Vorschriften §§ 296 und 297 behandelt. § 296 behandelt die vertragliche Aufhebung und § 297 die Kündigung des Unternehmensvertrages aus wichtigem Grund; vgl. hierzu u. zur ordentl. Kündigung § 297 Anm. 1. Einen besonderen Fall der Beendigung des Vertrages regelt das Gesetz ausdrücklich in § 307 (vgl. i. e. dort). Da für Unternehmensverträge grundsätzlich Vertragsfreiheit besteht, können diese von vornherein auf eine gewisse Dauer abgeschlossen sein; sie können Kündigungsmöglichkeiten für die Vertragspartner enthalten und Verlängerungsklauseln für den Fall, daß eine Kündigung nicht ausgesprochen wird. Ist der Vertrag von vornherein für eine bestimmte Zeit abgeschlossen, so hat nach Ablauf dieser Zeit der Vorstand der Gesellschaft nach § 298 die Beendigung des Unternehmensvertrages dem Register anzumelden, es bedarf aber keiner weiteren Erklärung, auch keiner Zustimmung der außenstehenden Aktionäre, wenn damit auch der im Vertrag vorgesehene Ausgleich und die Abfindung mit der automatischen Beendigung des Vertrages wegfällt. Anm. 2: Es wäre denkbar, daß ein Vertrag wegen Anfechtung aus allgemeinen Gründen für nichtig erklärt wird und damit extunc in Wegfall kommt; auch hier wird man annehmen müssen, daß eine Anmeldung beim Registergericht zu erfolgen hat, obwohl das Gesetz diesen Fall nicht ausdrücklich vorsieht. Es ist aber eine allgemeine Verpflichtung des Vorstandes, dafür zu sorgen, daß das Handelsregister den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Wenn es sich also herausstellt, daß ein im Handelsregister eingetragener Unternehmensvertrag infolge Anfechtung von Anfang an als nichtig anzusehen ist, so muß die Eintragung des Bestehens dieses Unternehmensvertrages im Handelsregister zur Löschung gebracht werden. Das kann an sich auch ohne besondere Anmeldung geschehen, wenn der Registerrichter hiervon Kenntnis erlangt und ihm die nötigen Unterlagen, aus denen sich die Nichtigkeit des Vertrages ergibt, vorgelegt werden. Das Verfahren zur Löschung kann also praktisch jeder in Gang bringen. Dennoch wird man den Vorstand für verpflichtet erachten müssen, dies von sich aus zu tun. Daß jeder Vertrag durch die Vertragschließenden selbst ausdrücklich oder stillschweigend aufgehoben werden kann, ist unstreitig. Für den Unternehmensvertrag gelten allerdings mit Rücksicht auf seine Bedeutung, insbesondere für die verpflichtete Gesellschaft, eine Reihe von Formbestimmungen. Zwar ist grundsätzlich die Aufhebung ein Akt der Geschäftsführung, sie erfolgt also durch die Vertretungsberechtigten der beteiligten Unternehmen. Diese Erklärungen bedürfen für ihre Wirksamkeit keiner weiteren Erfordernisse, insbesondere nicht der Zustimmung der Hauptversammlung der beteiligten Ge1628

Aufhebung

§296

Anm. 2 , 3

sellschaften. Intern kann der Vorstand nadi § 111 IV an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden sein. Das hat aber keinen Einfluß auf seine Vertretungsmacht nach außen hin. Allgemein kann also die Aufhebung eines Unternehmensvertrages vom Vorstand allein bindend vorgenommen werden. Nur in einem Fall ist ein Besdiluß der außenstehenden Aktionäre notwendig, nämlich dann, wenn der Vertrag die Leistung eines Ausgleichs oder beim Erwerb der Aktien eine Abfindung an die außenstehenden Aktionäre vorsieht. Dann kann die Aufhebung nur erfolgen, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zugestimmt haben. Da hier eine Hauptversammlung nicht in Frage kommt, gilt für den Sonderbeschluß nach § 138, daß die außenstehenden Aktionäre nach den für die Einberufung einer Hauptversammlung geltenden gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen einzuberufen sind (vgl. im einzelnen Anm. zu § 138). Der Sonderbeschluß bedarf einer Mehrheit von mindestens 3U des bei der Beschlußfassung durch die außenstehenden Aktionäre vertretenen Grundkapitals. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Zu der Frage, was unter außenstehenden Aktionären zu verstehen ist, vgl. im einzelnen § 295 Anm. 4. Ebenso wie bei der Änderung eines Unternehmensvertrags nach § 295 I gebraucht auch hier bei dem Sonderbeschluß der außenstehenden Aktionäre das Gesetz eine von § 293 für die Zustimmung der Hauptversammlung abweichende Formulierung. Während nach § 293 ein Unternehmensvertrag nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird, heißt es hier, daß der Vertrag nur aufgehoben werden kann, wenn durch Sonderbeschluß die außenstehenden Aktionäre zustimmen. Da der Begriff der Zustimmung den der Einwilligung und der Genehmigung umfaßt, kann der Sonderbesdiluß vor und nach der vertraglichen Aufhebung erfolgen. Ein sachlicher Unterschied ergibt sich aus den verschiedenen Formulierungen mithin nicht. Anm. 3: Die Aufhebung ist nur möglich zum Ende des Geschäftsjahres oder dem vertraglich anderweitig bestimmten Abrechnungszeitraum. Erfolgt sie zu einem anderen Zeitpunkt, beispielsweise zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages, so ist sie schlechthin nichtig, denn sie verstößt gegen eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung. Ob der Vertrag nicht dahin ausgelegt werden kann, daß die Aufhebung zu dem im Gesetz vorgesehenen Abredinungszeitpunkt wirksam wird, richtet sich nach § 139 BGB. Kam es entscheidend auf den Zeitpunkt der Aufhebung an, so ist der ganze Vertrag nichtig. Ist das nicht der Fall, so endet er zum gesetzlich nädistzulässigen Termin (ebenso B.-H. Rn. 3; a. A. die Voraufl.). Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Aufhebung ist auch die Schriftform bestimmt. Es muß sich aus dem schriftlichen Aufhebungsvertrag der nach dem Gesetz zulässige Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages ergeben. Eine Aus1629

§§296/297 Anm. 3 / 1

Unternehmens vertrage

legung kommt mithin nicht in Frage. Es muß bei der Nichtigkeit bleiben, wenn ein falsches Datum der Beendigung des Vertrages in dem schriftlichen Vertrag angegeben wird. Durch eine besondere Bestimmung wird die rückwirkende Aufhebung für unzulässig erklärt. Es kann also beispielsweise, wenn der Abrechnungszeitraum mit dem Geschäftsjahr der Gesellschaft übereinstimmt und dieses am 31. 12. endet, nicht im folgenden Jahr ein Vertrag dahin abgeschlossen werden, daß der Unternehmensvertrag sein Ende am 31.12. des vorangegangenen Jahres erreicht hat. Zwar wäre dann die Bestimmung erfüllt, daß die Beendigung auf das Ende des Geschäftsjahres und damit auch auf den vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraum aufgehoben wird, deshalb bedurfte es auch der ausdrücklichen Bestimmung, daß eine Rückwirkung nicht zulässig ist. Durch diese Bestimmung soll, wie es in der Regierungsbegründung heißt, verhindert werden, daß die Ansprüche der Gesellschaft sowie die ihrer Aktionäre und Gläubiger aus einem Unternehmensvertrag durch Aufhebung des Vertrages rüdewirkend beseitigt werden.

§ 297 Kündigung (1) Ein Unternehmensvertrag kann aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt namentlich vor, wenn der andere Vertragsteil voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine auf Grund des Vertrags bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. (2) Der Vorstand der Gesellschaft kann einen Vertrag, der zur Leistung eines Ausgleichs an die außenstehenden Aktionäre der Gesellschaft oder zum Erwerb ihrer Aktien verpflichtet, ohne wichtigen Grund nur kündigen, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen. Für den Sonderbeschluß gilt § 293 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 295 Abs. 2 Satz 3 sinngemäß. (3) Die Kündigung bedarf der schriftlichen Form. I. Vertragliche Kündigung Anm. 1: Uber die verschiedenen Möglichkeiten der Beendigung eines Unternehmensvertrages vgl. Anm. 1 zu § 296. Wie dort bereits ausgeführt, kann im Vertrag seine Beendigung zeitlich bestimmt werden, es kann aber auch eine Kündigung des Vertrages durch einen oder beide Vertragsteile mit den verschiedenen denkbaren Kündigungsfristen, verbunden mit Verlängerung des Vertrages, wenn die Kündigung nicht erfolgt, aufgrund der bestehenden Vertragsfreiheit im Vertrag festgelegt werden. Aus der Rechtsnatur des 1630

Kündigung

§297

Anm. 1

Unternehmensvertrages können sich besondere Kündigungsvorschriften ergeben, so bei dem Betriebspachtvertrag die des § 595 BGB. Es wird in allen Fällen der vertraglichen Kündigung zu prüfen sein, ob die Vorschrift des § 296 I S. 1, wonach die Kündigung nur zum Ende des Geschäftsjahres oder dem sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraum vereinbart werden kann, anzuwenden ist und etwaigen besonderen Kündigungsvorschriften vorgeht. Das Gesetz sagt darüber nichts. Wir möchten dies aber annehmen, da die Kündigung nur ein besonderer Fall der Aufhebung des Vertrages ist, und zwar bei der hier behandelten, im Vertrag vorgesehenen Kündigung eben eine vertragliche Aufhebung des Vertrages. Für diese durch Kündigung wirksam werdende vertragliche Aufhebung des Vertrages müssen die gleichen Voraussetzungen gelten, wie bei einer vertraglichen Aufhebung, wenn im Vertrag eine Kündigung oder sonstige Art der Aufhebung des Vertrages nicht vorgesehen war. Wir sind deshalb der Meinung, daß eine vertragliche Kündigung nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraumes ausgesprochen werden kann. Wenn beispielsweise der Abrechnungszeitraum ein anderer ist als das Kalenderjahr und die Kündigung nur zum Schluß eines Kalenderjahres nach dem Vertrag zulässig ist, so müßte zwar die Kündigung nach den vertraglichen Bestimmungen ausgesprochen, würde aber erst wirksam werden mit der dem Wirksamwerden der Kündigung folgenden Beendigung des Abrechnungszeitraumes. Dies müßte in der Kündigung zum Ausdruck gebracht werden. Die Lösung scheint uns richtiger als die ebenfalls mögliche, in einem solchen Fall eine Kündigung überhaupt für unzulässig zu erklären. Wenn die Parteien bei Vertragsabschluß eine Kündigung vorgesehen haben, so sollte der Wille der Parteien respektiert werden und der Vertrag so ausgelegt werden, daß eine Ubereinstimmung zwischen den vertraglichen Kündigungsmöglichkeiten und der nach dem Gesetz aus § 296 sich ergebenden Notwendigkeit, die Beendigung des Vertrages auf das Ende des Abrechnungszeitraumes abzustellen, erreicht wird (im Ergebnis ebenso B.-H. Rn. 6). Enthält der Unternehmensvertrag eine Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung oder Abfindung an die außenstehenden Aktionäre, so kann er von der hierzu verpflichteten Gesellschaft nur dann gekündigt werden, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen. Für den Sonderbeschluß gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Änderung (§ 293) und der Aufhebung des Vertrages. Vgl. im einzelnen § 295 Anm. 4. Über die Einberufung der Versammlung der außenstehenden Aktionäre s. zu § 138. Auch die vertragliche Kündigung bedarf nach Abs. 3 der schriftlichen Form, nicht aber eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlungen der beteiligten Gesellschaften, sondern nur des obenerwähnten Sonderbe1631

§ 297 Anm. 1,2

Unternehmensverträge

schlusses der außenstehenden Aktionäre, wenn die besonderen Voraussetzungen im Unternehmensvertrag vorliegen. II. Kündigung aus wichtigem Grund Anm. 2: Ob ein Unternehmensvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit mit oder ohne Kündigung abgeschlossen ist, in allen Fällen kann er nach Abs. 1 aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist jederzeit gekündigt werden. Da es sich hier um ein Kündigungsrecht handelt, das sich nicht aus dem Vertrag ergibt, sondern auf Gesetz beruht, kommt eine Anwendung des § 296 I nicht in Frage. Hier soll jeder Vertragspartner die Möglichkeit haben, wenn die Voraussetzungen des wichtigen Grundes gegeben sind, das Vertragsverhältnis jederzeit, also auch mitten in einem Abrechnungszeitraum, zur Beendigung zu bringen. Die dadurch bei der Abrechnung entstehenden Schwierigkeiten werden bewußt in Kauf genommen. Was als wichtiger Grund anzusehen ist, kann im einzelnen nicht aufgeführt werden. Jedenfalls kann eine Vertragsverletzung einen wichtigen Grund darstellen. Denkbar ist auch, daß eine dem Vertrag entsprechende notwendige Zusammenarbeit zwischen den Organen der beteiligten Unternehmen unmöglich ist oder wird. Dazu gehört aber nicht, wenn etwa das unterstellte Unternehmen sidi gegen Weisungen wehrt, die ihm erteilt werden, ohne daß sich aus dem Unternehmensvertrag ein Recht hierzu herleiten läßt. Wie weit die Rechte des Vorstandes der unterstellten Gesellschaft gehen, ist aus dem Unternehmensvertrag selbst in erster Linie zu entnehmen. So darf beispielsweise dann, wenn ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen ist, der Vorstand des unterstellten Unternehmens sich nicht gegen Weisungen sperren, die Nachteile seiner Gesellschaft zur Folge haben. Er darf das auch dann nicht, wenn er erkennt, daß die Weisungen den Belangen des leitenden Unternehmens oder der mit diesem und der eigenen Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen nicht dienen, es sei denn, daß sie oifensichtlidi nicht diesen Belangen dienen (vgl. § 308 II). Liegt ein anderer Unternehmensvertrag vor, so darf der Vorstand keinem Einfluß der anderen Gesellschaft nachgeben, der sich für seine Gesellschaft nachteilig auswirken würde, es sei denn, daß die Nachteile ausgeglichen werden. Man wird also, wenn die Kündigung aus wichtigem Grunde deshalb erfolgt, weil ein gedeihliches Zusammenarbeiten für unmöglich erklärt wird, sehr sorgfältig zu prüfen haben, worauf diese Zwistigkeiten beruhen. Das Gesetz stellt ausdrücklich fest, daß ein wichtiger Grund dann gegeben ist, wenn der andere Teil voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine aufgrund des Vertrages bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. Das bezieht sich nicht nur auf die Verpflichtung, die die Vertragsteile gegeneinander haben, sondern auch auf die Pflichten, die sich aus den Unternehmensverträgen gegenüber Dritten ergeben, insbesondere gegenüber den außen1632

Kündigung

§297 Anna. 2,3

stehenden Aktionären. Wenn der eine Vertragsteil voraussichtlich nicht in der Lage ist, die Abfindung an die außenstehenden Aktionäre oder den Ausgleich zu gewähren, so ist dies ein wichtiger Grund zur Kündigung. Weiterhin enthält das Gesetz in § 304 V einen wichtigen Grund zur Kündigung insofern, als ein Unternehmensvertrag nach § 291 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, wenn das Gericht die Ausgleichszahlung für die in der Gesellschaft verbleibenden Aktionäre festsetzt. Ein weiterer wichtiger Grund ist in § 305 V enthalten, der die sinngemäße Anwendung des § 304 V für den Fall vorschreibt, daß das Gericht die Abfindung für die Aktionäre festsetzt. Auch die Kündigung aus wichtigem Grunde ist eine Geschäftsführungsmaßnahme, die von den Vertretungsbereditigten der beteiligten Unternehmen ausgesprochen wird. Sie bedarf nach Abs. 3 immer der schriftlichen Form. Eine Bindung an den Beschluß der Hauptversammlung der beteiligten Unternehmen gibt es ebensowenig wie eine Bindung an einen Sonderbeschluß, sofern ein solcher erforderlich war. Wenn die außenstehenden Aktionäre durch die Kündigung aus wichtigem Grund geschädigt werden, so haben sie allenfalls, wenn die Kündigung von dem Vorstand ihrer Gesellschaft ausgesprochen ist, gegen diesen Schadenersatzansprüche, wenn er seine Pflicht schuldhaft verletzt hat. Ist die Kündigung vom anderen Vertragsteil ausgesprochen worden, so könnte sich eine Ersatzpflicht gegen den eigenen Vorstand ergeben, wenn dieser sich nicht gegen die Kündigung aus wichtigem Grunde gewehrt hat. Einen Einfluß auf das Wirksamwerden der Kündigung können die außenstehenden Aktionäre aber nicht nehmen, ihre Lage ist also grundsätzlich eine andere als bei einer aufgrund des Vertrages ausgesprochenen Kündigung.

III. Rücktritt vom Vertrag Anm. 3: Die Konzernrechtskommission des Deutschen Juristentages hat vorgeschlagen, den Rücktritt vom Unternehmensvertrag gesetzlich auszuschließen. Diesem Vorschlag ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Die Frage, ob und in welchen Grenzen ein Rücktritt möglich ist, soll der Rechtsprechung überlassen bleiben (Ausschußbericht zu Drucksache IV/3296). Geht man davon aus, daß der Rücktritt sich von der Kündigung dadurch unterscheidet, daß er die Wirkungen des Rechtsverhältnisses auch für die Vergangenheit beseitigt, so kommen bei Unternehmensverträgen vertragliche Rücktrittsrechte wegen § 296 I S. 2 nicht in Frage (so B.-H. Rn. 10). Folgte man der herrschenden Lehre weiter darin, daß auch ein gesetzliches Rücktrittsrecht bei Dauerschuldverhältnissen ausgeschlossen ist, wenn mit der Dauerleistung begonnen wurde (B.-H. a. a. O.), so bleibt kaum Raum für einen Rücktritt bei Unternehmensverträgen. An Stelle des nicht mehr geltend 1633

§§ 297/298 Anm. 3

Unternehmensverträge

zu machenden gesetzlichen Rücktrittsrechtes steht jedoch den Berechtigten das Recht zu, den Vertrag aus wichtigem Grund nach § 297 zu kündigen (vgl. die eingehende Zusammenstellung bei B.-H. Rn. 10). § 298 Anmeldung und Eintragung Der Vorstand der Gesellschaft hat die Beendigung eines Unternehmensvertrags, den Grund und den Zeitpunkt der Beendigung unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Wie das Bestehen und jede Änderung, so ist auch die Beendigung eines Unternehmensvertrages vom Vorstand der Gesellschaft, bei der die Eintragung im Handelsregister erfolgt ist, unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Während die Eintragung des Bestehens und jede Änderung des Unternehmensvertrages konstitutiv wirkt, hat die Eintragung der Beendigung des Unternehmensvertrages nicht diese Bedeutung. Er endet vielmehr dann, wenn die Aufhebung, die Kündigung oder der Rücktritt wirksam werden. Unter Umständen kann sich auch ergeben, daß er rückwirkend nichtig ist, alsdann muß diese Tatsache angegeben werden (vgl. hierzu § 296 Anm. 2). Deshalb schreibt das Gesetz auch vor, daß der Vorstand nicht nur die Beendigung des Unternehmensvertrages, sondern auch den Zeitpunkt der Beendigung anzugeben hat. Außerdem ist der Grund anzugeben. Dieser aber nur ganz allgemein, es genügt also z. B., wenn im Falle einer Kündigung nur angegeben wird, aufgrund vertraglich ausgeübter Kündigung oder durch Kündigung aus wichtigem Grund. Es ist nicht etwa erforderlich, die wichtigen Gründe anzugeben. Der Registerrichter hat kein Nadiprüfungsrecht und keine Nachprüfungspflicht bezüglich der materiellen Rechtslage. N u r wenn sich aus der Anmeldung ergibt, daß dem Gesetz nicht entsprochen worden ist, kann er die Eintragung ablehnen, z. B. dann, wenn angemeldet wird, daß die Beendigung aufgrund vertraglicher Aufhebung zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, der nicht mit dem Ende des Geschäftsjahres oder dem sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraum übereinstimmt. Der Registerrichter kann nach § 14 H G B die Anmeldung der Beendigung des Vertrages durch Ordnungsstrafen erzwingen. Die durchgeführte Eintragung ist vom Registerrichter nach § 10 H B G bekanntzumachen. Eine Bekanntmachung durch die Gesellschaft erfolgt nicht. Die Bekanntmachung durch das Registergericht hat eine zweifache Bedeutung; einmal kann die Gesellschaft, die einen Anspruch auf Verlustübernahme aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages oder einen Anspruch auf angemessenes Entgelt bei Betriebsverpachtung oder -Überlassung hat, erst 3 Jahre nach dem Tage, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrages 1634

Ausschluß von Weisungen

§§

298/299

in das Handelsregister nach § 10 des HGB als bekanntgemacht gilt, verzichten oder sich über diese Ansprüche vergleichen (§ 302 III). Ferner können Gläubiger, deren Forderung vor der Eintragung der Beendigung des Vertrages begründet sind, nach § 303 Sicherheitsleistung verlangen. Der Vorstand ist anmeldepflichtig, und zwar von soviel Vorstandsmitgliedern, wie zur Vertretung der Gesellschaft notwendig sind. Vgl. im einzelnen § 294 Anm. 2.

§ 299 Ausschluß von Weisungen Auf Grund eines Unternehmensvertrags kann der Gesellschaft nicht die Weisung erteilt werden, den Vertrag zu ändern, aufrechtzuerhalten oder zu beendigen. Die Bestimmung ist in erster Linie notwendig geworden, weil beim Vorliegen eines Beherrschungsvertrages der Vorstand verpflichtet ist, Weisungen der leitenden Gesellschaft zu folgen (§ 308 II). Diese hätte es auf diese Weise in der Hand, den Vertrag zu ihren Gunsten zu ändern oder ihn zu beendigen, wann es ihr paßt oder gegen den Willen der unterstellten Gesellschaft aufrechtzuerhalten, wenn diese Grund zu seiner Beendigung hat. Die Bestimmung bezieht sich nur auf den Unternehmensvertrag, aus dem sich das Weisungsrecht ergibt (B.-H. Rn. 3). Es soll durch diese Bestimmung die unterstellte Gesellschaft trotz der Einschränkung der Leitungsmacht ihres Vorstandes in der Lage sein, in dieser entscheidenden Frage ihren eigenen Willen durchzusetzen. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, daß dies durch die vorliegende Bestimmung vollständig erreicht wird. Auch wenn keine ausdrückliche Weisung erteilt wird, so ist die Einflußmöglichkeit eines leitenden Unternehmens auf eine unterstellte Gesellschaft, mit der ein Unternehmensvertrag besteht, meist so groß, daß sich der Vorstand den Wünschen der Verwaltung des leitenden Unternehmens kaum entziehen kann. Jedenfalls aber hat die Bestimmung die Wirkung, daß der Vorstand der unterstellten Gesellschaft sich nicht darauf berufen kann, daß ihm Weisungen erteilt seien oder daß er auch nur einem unbestimmten Druck des leitenden Unternehmens nachgegeben habe. Die Bestimmung stellt über ihren Wortlaut hinaus den Grundsatz auf, daß der Vorstand der unterstellten Gesellschaft für die Änderung, Aufrechterhaltung und Beendigung des Vertrages verantwortlich ist. Handelt er hier gegen die Interessen der Gesellschaft, so haftet er nach § 93 und kann sich nicht darauf berufen, daß er sich den Wünschen des leitenden Unternehmens angepaßt habe. 1635

§ 2 9 9 / V o r b e m . § 300

Unternehmensverträge

Auch der Aufsichtsrat der unterstellten Gesellschaft ist verpflichtet, darauf zu achten, daß der Vorstand bei der Behandlung des Unternehmensvertrages die Interessen der Gesellschaft sorgfältig wahrt. Auch wenn er nicht nach § 111 I V seine Zustimmung zu einer Änderung oder Beendigung des Unternehmensvertrages zu geben hat, gehört es zu seinen allgemeinen Überwachungspflichten, einzuschreiten, wenn etwa in einer so wichtigen Frage der Vorstand gegen die Interessen der Gesellschaft handelt. Da meist der Aufsichtsrat einer unterstellten Gesellschaft, die durch Unternehmensvertrag mit einem anderen Unternehmen verbunden ist, aus Personen besteht, die dem leitenden Unternehmen sehr nahestehen, meist sogar seiner Verwaltung angehören, kann auf diesem Wege auch eine unmittelbare Haftung (§ 116) der leitenden Personen des leitenden Unternehmens entstehen. Eine besondere Frage ist, inwieweit durch die Hauptversammlung der unterstellten Gesellschaft ein Einfluß ausgeübt werden kann, und zwar im Sinne des leitenden Unternehmens und zuungunsten der unterstellten Gesellschaft. In der Mehrzahl aller Fälle wird das herrschende Unternehmen auch eine beherrschende Stellung in der Hauptversammlung haben. Es ist die Frage, ob die Hauptversammlung den Vorstand zwingen kann, eine Änderung oder eine Aufhebung des Vertrages zu veranlassen. Grundsätzlich ist das zu verneinen, denn die Änderung oder Aufhebung eines Unternehmensvertrages gehört zur Geschäftsführung des Vorstandes, auf die die Hauptversammlung nur dann Einfluß nehmen kann, wenn der Vorstand ihr die Frage vorlegt. Muß er nach den Mehrheitsverhältnissen damit rechnen, daß die Hauptversammlung einen Beschluß faßt, der die Interessen der Gesellschaft verletzt, so darf er nicht vorlegen (a. A. offenbar B . - H . Rn. 2, der den Vorstand zur Anfechtung des Beschlusses für verpflichtet hält, was sicherlich dann zutrifft, wenn ein solcher Beschluß nicht zu erwarten war).

Dritter Abschnitt Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger Vorbemerkungen zu § 300 Wenn das Gesetz im 3. Abschnitt von der Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger spricht, so meint es damit die Gesellschaften, in deren Register die Eintragung des Vertrages vorzunehmen ist, vgl. § 294. Wir bezeichnen im folgenden diese als verpflichtete Gesellschaft und das andere Unternehmen als Vertragspartner.

1636

Vorbemerkungen zu § 300

Vorbem. § 300

Eine Sicherung der Gläubiger hat in erster Linie in der Weise zu erfolgen, daß die Erhaltung des Vermögens der Vertragsgesellschaft gesichert wird. Insoweit ist die Sicherung der Gläubiger gleichbedeutend mit der Sicherung der verpflichteten Gesellschaft. Zur Erreichung dieser Sicherung muß in erster Linie dafür gesorgt werden, daß das Grundkapital der verpflichteten Gesellschaft erhalten bleibt. Dieses könnte beim Vorliegen eines Beherrschungsvertrages dadurch ausgehöhlt werden, daß der verpflichteten Gesellschaft Weisungen erteilt werden, die ihr schädlich sind. Dies ist nach § 308 möglich. Einspruchsrecht der Organe der verpflichteten Gesellschaft ist nach § 308 I I ausdrücklich unmöglich gemacht worden. Infolgedessen muß hier ein Ausgleich geschaffen werden. E r besteht darin, daß bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages der Vertragspartner jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen hat (§ 302). Ist eine verpflichtete Gesellschaft zur Gewinnabführung verpflichtet, so könnte eine Aushöhlung des Vermögens dieser Gesellschaft dadurch erfolgen, daß die Berechnung des abzuführenden Gewinnes in einer Weise erfolgt, daß letzten Endes ein Gewinn abzuführen ist, der höher ist, als der sich aus dem Jahresabschluß ergebende Jahresüberschuß. Deshalb gibt § 301 eine besondere Vorschrift über den Höchstbetrag der Gewinnabführung. Es darf höchstens der Gewinn abgeführt werden, der sich aus dem Jahresüberschuß ergibt, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist. Während diese Bestimmungen ganz allgemein die Aushöhlung des Vermögens der verpflichteten Gesellschaft verhindern sollen und damit auch der Erhaltung des Grundkapitals dieser Gesellschaft dienen, wird in § 300 eine besondere Regelung für die gesetzliche Rücklage geschaffen, die nach dem Grundkapital die wichtigste Sicherungsgarantie für die Gesellschaft selbst und ihre Gläubiger bildet. Mit diesen im 3. Abschnitt enthaltenen Vorschriften sind jedoch die Bestimmungen zur Sicherung der verpflichteten Gesellschaft und der Gläubiger nicht erschöpft, vielmehr liegt eine weitere Sicherung auch in den Bestimmungen, die mit der Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des Vertragspartners (§§ 309 und 317) und der verpflichteten Gesellschaft ( § § 3 1 0 und 318) festgelegt sind. Vor allem aber wird in allen Fällen, in denen kein Beherrschungsvertrag vorliegt, der Einfluß des Vertragspartners durch § 3 1 1 dahin eingeschränkt, daß kein nachteiliges Rechtsgeschäft der verpflichteten Gesellschaft zugemutet werden kann, wenn kein Ausgleich dafür geschaffen wird. Hierbei sind von besonderer Bedeutung die neuen Vorschriften für die Einhaltung dieses Grundsatzes, insbesondere der Bericht des Vorstandes über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen nach § 312, die Prüfung dieses Berichts (§§ 313 und 314 I I ) , die Einrichtung einer Sonderprüfung (§ 315) und endlich die Bekanntgabe des Ergebnisses dieses Berichtes in der Hauptversammlung (§ 314 I I ) . 1637

§300

Anm. 1

Unternehmensverträge § 300 Gesetzliche Rücklage

In die gesetzliche Rücklage sind an Stelle des in § 150 Abs. 2 Nr. 1 bestimmten Betrags einzustellen, 1. wenn ein Gewinnabführungsvertrag besteht, aus dem ohne die Gewinnabführung entstehenden, um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschuß der Betrag, der erforderlich ist, um die gesetzliche Rücklage innerhalb der ersten fünf Geschäftsjahre, die während des Bestehens des Vertrags oder nach Durchführung eine Kapitalerhöhung beginnen, gleichmäßig auf den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals aufzufüllen, mindestens aber der in Nummer 2 bestimmte Betrag; 2. wenn ein Teilgewinnabführungsvertrag besteht, der Betrag, der nach § 150 Abs. 2 N r . 1 aus dem ohne die Gewinnabführung entstehenden, um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschuß in die gesetzliche Rücklage einzustellen wäre; 3. wenn ein Beherrschungsvertrag besteht, ohne daß die Gesellschaft audi zur Abführung ihres ganzen Gewinns verpflichtet ist, der zur Auffüllung der gesetzlichen Rücklage nach Nummer 1 erforderliche Betrag, mindestens aber der in § 150 Abs. 2 N r . 1 oder, wenn die Gesellschaft verpflichtet ist, ihren Gewinn zum Teil abzuführen, der in Nummer 2 bestimmte Betrag. I. Übersicht (Anm. 1) II. Mindestrücklage und Teilgewinnabführungsvertrag (Anm. 2) III. Gewinnabführungsvertrag (Anm. 3)

IV. Gewinngemeinschaft (Anm. 4) V. Beherrschungsvertrag (Anm. 5) VI. Obergangsbestimmungen (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Wird von einer Gesellschaft ein Unternehniensvertrag abgeschlossen, durch den der Gewinn geschmälert oder ganz ausgeschlossen wird, so besteht die Gefahr, daß die nach Gesetz oder Satzung vorgeschriebene Höhe der Rücklage nicht erreicht wird. Liegt ein Gewinnabführungsvertrag nach § 2 9 1 vor, d. h., hat sich eine AG oder KGaA verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen oder es übernommen, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen, so wird im ersteren Fall der abzuführende Gewinn im Jahresabschluß regelmäßig als Verbindlichkeit behandelt, während im zweiten Fall ein Gewinn bei der Gesellschaft überhaupt nicht zur Entstehung gelangt, sondern bei dem Unternehmen, für dessen Rechnung die Gesellschaft ihr Unternehmen führt. 1638

Gesetzliche Rücklage

§300

Anm. 1,2 Liegt ein Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 I Nr. 2 vor, so wird der Gewinn zwar nicht ganz ausgeschlossen, aber so gemindert, daß der nach §150 sich errechnende Anteil, der in die gesetzliche Rücklage zu stellen ist, zu gering wäre. Deshalb besteht auch hier ein Bedürfnis für eine Sonderregelung. Das gleiche gilt für einen Beherrschungsvertrag, der nicht gleichzeitig eine Gewinnabführung beinhaltet. Hier kann aufgrund der Weisungsgebundenheit der Gesellschaft der Gewinn entfallen und praktisch von vornherein dem Vertragspartner oder anderen Konzerngesellschaften zugute kommen. In § 300 wird deshalb für alle drei Fälle bestimmt, daß bei der Zuweisung in die gesetzliche Rücklage nach § 150 II Nr. 1 zunächst einmal von einem bis zu einem gewissen Grade fiktiven Gewinn auszugehen ist. II. Mindestrücklage und Teilgewinnabführungsvertrag Anm. 2: Nach § 150 II Nr. 1 ist der zwanzigste Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderte Jahresüberschuß so lange in die Rücklage einzustellen, bis die Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht. Liegt ein Gewinnabführungsvertrag vor, so entsteht bei der verpflichteten Gesellschaft kein Bilanzgewinn, da der abzuführende Gewinn im Jahresabschluß regelmäßig als Verbindlichkeit behandelt wird. Immerhin läßt sich der Betrag noch ermitteln, weil er ja zunächst einmal entsteht und nach dem Jahresabschluß ausgewiesen wird, wenn auch in Form einer Verbindlichkeit. Nach der in § 157 vorgeschriebenen Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung ist unter Posten 27 der Betrag anzugeben, der aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder eines Teilgewinnabführungsvertrages abzuführen ist. Unter Posten 28 ergibt sich dann der Jahresüberschuß bzw. Jahresfehlbetrag. Zur Errechnung des Betrages, der in die gesetzliche Rücklage abzuführen ist, muß zunächst einmal der unter Posten 27 aufzuführende Betrag bei der Errechnung des Jahresüberschusses weggelassen werden. Dann ergibt sich ein Jahresüberschuß — den Fall des Jahresfehlbetrages kann man hier weglassen, da dann eine Gewinnabführung sowieso nicht in Frage kommt — wie er vorhanden wäre, wenn der Gewinnabführungsvertrag oder ein Teilgewinnabführungsvertrag nicht bestände. Von diesem Betrag ist zunächst einmal nach § 150 II, wenn ein Gewinnabführungsvertrag oder ein Teilgewinnabführungsvertrag vorliegt, der Betrag in die gesetzliche Rücklage einzustellen, der sich aus § 150 II Nr. 1 ergibt, das ist der zwanzigste Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses, bis die Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht. Insoweit wird also die Gesellschaft, die einen Gewinnabführungsvertrag oder einen Teil1639

§ 300 Anm. 2 , 3

Unternehmensverträge

gewinnabführungsvertrag abgeschlossen hat, genauso behandelt, als hätte sie dies nicht getan. Dieser Mindestbetrag ist auf alle Fälle in die gesetzliche Rücklage einzustellen. III. Gewinnabführungsvertrag Anm. 3: Handelt es sich um einen Gewinnabführungsvertrag nach § 291, d. h. also um einen Vertrag, nach dem der gesamte Gewinn abzuführen ist, sind zunächst die für den Teilgewinnabführungsvertrag geltenden Regeln zu erfüllen (siehe Anm. 2). Hier ist aber nicht nur der Betrag abzuführen, der nach § 150 II Nr. 1 abzuführen wäre, sondern u. U. ein höherer Betrag, nämlich derjenige, der erforderlich ist, um die gesetzliche Rücklage innerhalb der ersten 5 Geschäftsjahre, die nach dem Wirksamwerden des Gewinnabführungsvertrages beginnen, auf den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals aufzufüllen. Führt die Gesellschaft eine Kapitalerhöhung durch, so beginnt die Frist von neuem zu laufen. Die Höhe der Rücklage bemißt sich nach dem erhöhten Grundkapital. Nimmt man beispielsweise an, der Jahresüberschuß, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr, betrüge 1 0 % des Grundkapitals, so müßte nach § 1 5 0 1 1 Nr. 1 eine Zuweisung von V20 aus 10°/o gleich 0,5 °/o des Grundkapitals in die gesetzliche Rücklage erfolgen. Bestand bisher keine Rücklage, so würde bei gleichbleibendem Jahresergebnis in 20 Jahren die gesetzliche Rücklage 1 0 % des Grundkapitals betragen. Hat diese Gesellschaft einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, so muß sie die gesetzliche Rücklage von 10 °/o des Grundkapitals innerhalb von 5 Jahren bilden, sie muß also statt 0,5 °/o 2 % jedes Jahr der gesetzlichen Rücklage zuführen, um zu dem vom Gesetz verlangten Ergebnis zu kommen. Nimmt man an, daß bei einer Gesellschaft mit dem gleichen Ertragsergebnis bei Wirksamwerden eines Gewinnabführungsvertrages bereits eine gesetzliche Rücklage in Höhe von 8 % besteht und ergibt sich ein Jahresüberschuß von 10 °/o des Grundkapitals, so müssen dennoch nach § 150 I Nr. 1 jährlich 0,5 °/o des Grundkapitals der gesetzlichen Rücklage zugeführt werden, so daß die 10 % schon nach 4 Jahren erreicht werden, während sie an sich erst nach 5 Jahren erreicht sein müßten. Die Bestimmung des § 300 Nr. 2, auf die in Nr. 1 verwiesen ist, kann sich also dahin auswirken, daß nicht eine Verteilung des noch an der gesetzlichen Rücklage fehlenden Betrages auf Jahre sich ergibt, sondern es kann auch ein geringerer Zeitraum in Frage kommen. Die Sonderregelung in § 300 stellt mithin möglicherweise eine Verschärfung der Bestimmung des § 1 5 0 dar, jedenfalls niemals eine Erleichterung. Entsteht kein in Ziff. 2 bezeichneter Jahresüberschuß, so kann eine Einstellung in die gesetzliche Rücklage nicht erfolgen. Dies gilt auch für die Einstellungspflicht nach Ziff. 1, da auch diese einen entsprechenden Gewinn voraussetzt. Es ergibt sich dann aber für die von der Fünfjahresfrist ver1640

Gesetzliche Rücklage

§300

Anm. 3—5

bleibenden Jahre eine um die unterbliebene Zuweisung erhöhte Einstellungspflicht. Ist durch anhaltende Verlustjahre die Einhaltung der Fünfjahresfrist nicht möglich, so muß in den folgenden Geschäftsjahren so lange der gesamte Gewinn der gesetzlichen Rücklage zugeführt werden, bis der zehnte oder der in der Satzung bestimmte höhere Teil des Grundkapitals erreicht ist. Umgekehrt hat ein überdurchschnittliches Gewinnjahr keinen Einfluß auf die Höhe des in den folgenden Jahren der gesetzlichen Rücklage zuzuführenden Betrages. Nach dem Gesetzestext ist der der Rücklage zuzuführende Betrag eine feststehende Größe, die sich wie folgt ergibt: Die Differenz des zehnten oder des sich aus der Satzung ergebenden höheren Teils des Grundkapitals und der bei Vertragsabschluß bereits bestehenden gesetzlichen Rücklage ist durch fünf zu teilen. Hat z. B. die Gesellschaft bei Vertragsabschluß 5 °/o gesetzliche Rücklage, so hat sie fünf Jahre lang jährlich 1 °/o des Grundkapitals der gesetzlichen Rücklage zuzuführen. Ergibt sich in einem Jahr ein so hoher Gewinn, daß gemäß Ziff. 2 2 % der gesetzlichen Rücklage zuzuführen sind, so ist in dem folgenden Jahr gleichwohl mindestens 1 % in die gesetzliche Rücklage einzustellen mit der Folge, daß diese bereits nach vier Jahren aufgefüllt ist und damit die Verpflichtung aus Ziff. 1 naturgemäß endet. IV. Gewinngemeinschaft Anm. 4: Nicht unter die vorliegende Bestimmung fällt eine besondere Art der Gewinnabführung, nämlich die sogenannte Gewinngemeinschaft. Auch hier wird der von der einzelnen Gesellschaft erzielte Gewinn abgeführt, allerdings nicht in der Form, daß er einem anderen Unternehmen zugute kommt, sondern es wird mit einem anderen Unternehmen eine Gewinngemeinschaft in der Weise geschlossen, daß das Gewinnrisiko von beiden Unternehmen getragen wird. Es findet also ein Risikoausgleich statt und demgemäß auch eine Rücküberweisung eines bestimmten Teiles des gemeinschaftlichen Gewinnes. Hier handelt es sich wirtschaftlich gesehen nicht um eine Abführung, wie beim Gewi nnabführungsvertrag und Teilgewinnabführungsvertrag zu Lasten der verpflichteten Gesellschaft, sondern hier wird das Risiko der Gewinnerzielung gemeinsam getragen. Ob der Vertrag sich günstig oder ungünstig für das eine oder andere Unternehmen auswirkt, ist schließlich nicht anders zu beurteilen als jeder Vertrag, der darauf abzielt, das wirtschaftliche Risiko zu vermindern. Deshalb erschien es nicht notwendig, diese besondere Art der „Gewinnabführung" in den § 300 mit einzubeziehen. V. Beherrschungsvertrag Anm. 5: Dagegen ist der Fall, daß eine Gesellschaft ihre Leitung einem anderen Unternehmen unterstellt (Beherrschungsvertrag), hier mit aufgenom1641

§300

Anm. 5—6

Unternehmensverträge

men worden, und zwar auch der Fall, daß nach dem Beherrschungsvertrag die verpflichtete Gesellschaft nicht verpflichtet ist, ihren Gewinn ganz oder teilweise abzuführen. Erzielt sie einen sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung ergebenden Gewinn, so ist die Zuweisung zur gesetzlichen Rücklage nach den Vorschriften Nr. 1 und 2 vorzunehmen. Es kann also nicht etwa eine Weisung aufgrund des Beherrschungsvertrages nach § 308 dahin erteilt werden, daß, ohne daß es in diesem Vertrag vorgesehen ist, der Gewinn ganz oder zum Teil an den Vertragspartner abgeführt wird. Zumindest muß zunächst der Bestimmung des § 300 Nr. 3 zur Auffüllung der gesetzlichen Rücklage Genüge geschehen. Ob für den Restbetrag eine entsprechende Weisung erteilt werden kann, mag zweifelhaft sein (siehe im einzelnen zu § 308). Nicht geregelt ist beim Vorliegen eines Beherrschungsvertrages der viel wichtigere Fall, nämlich, daß die Gesellschaft überhaupt keinen Gewinn erzielt, weil sie nach § 308 von der beherrschenden Gesellschaft Weisungen erhält, die sich zu ihrem Nachteil auswirken. Dieser Fall wird gedeckt durch die Verpflichtung des Vertragspartners, für alle Schulden der Vertragsgesellschaft aufzukommen, nicht aber durch die hier gegebene Bestimmung zur Erhaltung bzw. Auffüllung der gesetzlichen Rücklage. Diese wird gerade bei einem Beherrschungsvertrag keine entscheidende Rolle spielen. VI. Übergangsbestimmungen Anm. 6: Besteht bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes ein Vertrag zwischen zwei Unternehmen, der dem heutigen Begriff der Unternehmensverträge entspricht, so hat die Frist von 5 Geschäftsjahren, innerhalb deren die gesetzliche Rücklage aufzufüllen ist, mit dem Geschäftsjahr begonnen, das nach dem 31. Dezember 1965 begann. Stimmt das Geschäftsjahr der Gesellschaft mit dem Kalenderjahr überein, so mußte bis zum 31. Dezember 1970 die Auffüllung der Rücklage erfolgt sein. Deckt sich das Geschäftsjahr nicht mit dem Kalenderjahr, so verlängert sich die Frist entsprechend. Also beispielsweise ist das Ende der Frist für eine Gesellschaft, deren Geschäftsjahr am 30. 9.1965 endet, erst der 30. 9.1971. Der § 22 EG enthält eine Sondervorschrift für den in der Energiewirtschaft vorkommenden Fall, daß der Vertragspartner seine Erträge für öffentliche Zwecke zu verwenden hat, z. B. zur Senkung der Tarife. Liegt ein solcher Fall vor, so gilt für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehenden Unternehmensverträge — nicht aber für die etwa später neu abgeschlossenen Unternehmensverträge — insofern eine Ausnahme von den Vorschriften des § 300, soweit sie sich auf Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge im Sinne des § 291 beziehen, daß diese Bestimmungen nicht anzuwenden sind. Dafür muß aber spätestens bei Beendigung des Unternehmensvertrages oder der Verpflichtung des Vertragspartners, seine Erträge für öffentliche Zwecke zu verwenden, der Betrag in die gesetzliche Rücklage 1642

Höchstbetrag der Gewinnabführung

§§300/301

Anm.6/1

eingestellt werden, der hätte eingestellt werden müssen, wenn die Bestimmung des § 300 Nr. 2 gegolten hätte, d. h., mindestens der Betrag, der in § 150 I I Nr. 1 für alle Gesellschaften vorgeschrieben ist. Hierzu können die freien Rücklagen der Gesellschaft herangezogen werden. Reichen diese nicht aus, so muß der Vertragspartner den Fehlbetrag ausgleichen.

§ 301 Hochstbetrag der Gewinnabführung Eine Gesellschaft kann, gleichgültig welche Vereinbarungen über die Berechnung des abzuführenden Gewinns getroffen worden sind, als ihren Gewinn höchstens den ohne die Gewinnabführung entstehenden Jahresüberschuß, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der nach § 300 in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, abführen. Sind während der Dauer des Vertrags Beträge in freie Rüdciagen eingestellt worden, so können diese Beträge den freien Rücklagen entnommen und als Gewinn abgeführt werden. I. Übersicht Anm. 1: Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt auch beim Gewinnabführungsvertrag oder Teilgewinnabführungsvertrag für die Art und Weise, wie der abzuführende Gewinn zu berechnen ist. Grundsätzlich soll die Möglichkeit offen bleiben, die Einzelheiten eines solchen Vertrages den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles anzupassen. So kann beispielsweise vereinbart werden, daß von einer bestimmten Abteilung der Gesamtgewinn abzuführen ist, der aufgrund einer gesonderten Buchführung für diese Abteilung ermittelt wird. Würden aber beispielsweise die übrigen Abteilungen des Unternehmens mit Verlust arbeiten, so wäre diese Bestimmung nicht in vollem Umfange gültig, denn das Gesetz schafft eine Obergrenze des abführbaren Gewinnes, die nicht überschritten werden darf. Diese Grenze wird nach den aktienrechtlichen Grundsätzen bestimmt, und zwar abgestellt auf die Gesellschaft im ganzen. Die Obergrenze soll verhindern, daß durch eine Gewinnabführungsvereinbarung das Grundkapital der Gesellschaft angegriffen wird und daß sie durch die Erfüllung der Gewinnabführungsverpflichtung in einen Verlust gerät bzw. einen Verlust ausweisen muß. Die Gesellschaft darf deshalb, mag die Gewinnberechnung sein wie sie will, niemals einen höheren Betrag abführen, als sie als Bilanzgewinn nach § 157 I Posten 32 ausweisen könnte. Es ist deshalb auch hier zunächst einmal ein Jahresüberschuß zu errechnen, der sich ergeben würde, wenn die Gewinnabführungsverpflichtung nicht vorhanden wäre. Nur wenn sich unter Weglassen der Gewinnabführungsverpflichtung ein Jahresüberschuß ergibt, kann 1643

§301

Anm. 1—3

Unternehmensverträge

überhaupt eine Gewinnabführung in Frage kommen. Von dem sich so ergebenden Jahresüberschuß ist zunächst ein etwaiger Verlustvortrag aus dem Vorjahr abzuziehen und ferner der Betrag, der nach § 300 in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, und zwar ist dies nicht in allen Fällen nur der in § 150 II Nr. 1 vorgeschriebene Teil des Gewinnes, sondern unter Umständen nach § 300 Ziff. 1 ein höherer Betrag, vgl. im einzelnen dort. II. Behandlung der freien Rücklagen Anm. 2: Die vorliegende Bestimmung geht nicht von dem ohne die Gewinnabführung sich ergebenden Bilanzgewinn aus, sondern vom Jahresüberschuß. Das bedeutet, daß der Gewinn nicht erhöht werden darf durch Entnahmen aus offenen Rücklagen, und zwar weder aus der gesetzlichen Rücklage, soweit diese überhöht ist und infolgedessen auflösungsfähig wäre, noch aus freien Rücklagen. Hier besteht jedoch eine Ausnahme. Wenn die freien Rücklagen während des Bestehens des Unternehmensvertrages gebildet werden, so stehen diese zur freien Disposition, d. h., sie können aufgelöst werden, um den Betrag des abzuführenden Gewinnes zu erhöhen. Ob dies im Einzelfall zu erfolgen hat, ergibt sich in erster Linie aus dem Vertrag. Wenn der Vertragspartner Wert darauf legt, über etwa gebildete freie Rücklagen später wieder zu verfügen, so müßte dies im Vertrag enthalten sein. Anderenfalls hat das Verfügungsrecht über die Gewinnanteile, die in den früheren Jahren den freien Rücklagen zugeführt worden sind, der Vorstand der verpflichteten Gesellschaft, nicht aber der Vertragspartner. Denkbar wäre, daß sich das Unternehmen, das Anspruch auf Abführung des ganzen Gewinnes hat, in einem Jahr, in dem es die Einstellung eines Teiles des abführbaren Gewinnes in freie Rücklage zuläßt, den Vorbehalt macht, daß es jederzeit berechtigt ist, die Auflösung dieser während der Zeit des Unternehmensvertrages gebildeten freien Rücklagen und damit ihre Abführung als Gewinn zu verlangen. III. Der Gewinnvortrag Anm. 3: Es fällt auf, daß das Gesetz von dem in § 1 5 7 1 Posten 28 festgestellten Jahresüberschuß ausgeht, alsdann aus Posten 29 den Verlustvortrag aus dem Vorjahr und aus Posten 30 die Entnahmen aus offenen Rücklagen behandelt, nicht aber aus Posten 29 den Gewinnvortrag erwähnt. In der Literatur besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, daß der Gewinnvortrag wie eine Rücklage zu behandeln ist. Tatsächlich ergibt sich auch diese Art der Behandlung, ohne daß der Gewinnvortrag ausdrücklich erwähnt ist, aus dem Gesetz. Das bedeutet, daß ein Gewinnvortrag, der vor dem Wirksamwerden eines Unternehmensvertrages, also aus dem letzten Geschäftsjahr stammt, nicht bei der Berechnung des abzuführenden Gewinnes berücksichtigt werden darf. Denn es heißt ausdrücklich, daß von dem 1644

Hödistbetrag der Gewinnabführung

§301

Anm. 3

Jahresüberschuß, abzüglich eines Verlustvortrages aus dem Vorjahr und des Betrages, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, ausgegangen werden muß. Ein etwaiger Gewinnvortrag kann also nicht die Obergrenze, die für die Abführung aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags zulässig ist, erhöhen. Es bestehen nur zwei Möglichkeiten. Entweder kann der Gewinnvortrag in eine freie Rücklage eingestellt werden, dann gilt dieser Betrag aber keinesfalls als freie Rücklage, die während der Dauer des Vertrages entstanden ist, denn der Betrag war schon seinem wirtschaftlichen Charakter nach eine freie Rücklage vor seiner Oberweisung vom Posten Gewinnvortrag in einen Posten offene Rücklage. Eine solche Überweisung verändert nicht die Rechtsnatur insoweit, als etwa dann der Betrag als während der Dauer des Vertrages zur Rücklage geworden, später bei der Gewinnberechnung berücksichtigt werden könnte. Man kann sich auf der anderen Seite auch entschließen, den Posten einfach stehen zu lassen. Dann wird er so lange unverändert als Gewinnvortrag in der Bilanz erscheinen, bis die Gesellschaft Verluste hat. Die Verluste zehren den Gewinnvortrag auf. Das würde bedeuten, daß die Verpflichtung des Vertragspartners zur Verlustübernahme nach § 302 Nr. 1 so lange nicht besteht, als ein vor dem Wirksamwerden des Unternehmensvertrages bestehender Gewinnvortrag bei der Vertragsgesellschaft noch nicht aufgebraucht ist durch eingetretene Verluste. Dieses Problem wird bei § 302 Anm. 3 behandelt. Hier spielt es keine Rolle, weil es sich nur um die Berechnung des abführbaren Gewinnes handelt. Bei dieser Berechnung hat ein Gewinnvortrag stets auszuscheiden, gleichgültig, ob er als solcher bestehenbleibt oder ob er zu irgendeinem Zeitpunkt in eine gesetzliche Rücklage überführt wird. Sollte sich während des Bestehens eines Unternehmensvertrages ein Gewinnvortrag bilden, was durch die besondere Berechnungsart des Gewinnes in dem Vertrag durchaus möglich ist, so könnte er trotzdem nicht bei der Berechnung der zulässigen Höchstgrenze der Gewinnabführung berücksichtigt werden, wenn man sich streng an den Gesetzeswortlaut hält. Das Gesetz spricht nur von Beträgen, die aus freien Rücklagen entnommen werden, die nach Bestehen des Unternehmensvertrages in freie Rücklagen eingestellt wurden. Unseres Erachtens ist jedoch ein während der Vertragsdauer entstandener Gewinnvortrag in einem späteren Jahr ohne weiteres zu berücksichtigen bei der Bildung der Obergrenze, weil nach aktienrechtlichen Grundsätzen der Gewinnvortrag nach § 157 zwangsläufig bei der Ermittlung des Bilanzgewinnes im folgenden Jahr zu berücksichtigen ist. Wenn das Gesetz vorschreibt, daß die Auflösung von Rücklagen möglich ist, um die Höchstgrenze des abzuführenden Gewinnes zu beeinflussen, so muß es auch, ohne daß das Gesetz dies ausdrücklich erwähnt, möglich sein, daß der während des Bestehens des Vertrages entstandene Gewinnvortrag ohne weiteres als echter Gewinn im aktienrechtlichen Sinn behandelt wird, mithin, soweit der Vertrag die Abführung an sich rechtfertigt, 1645

§ § 301 / 3 0 2 Anm. 3

Unternehmensverträge

auch eine Abführung möglich ist. Schließlich bedarf es zur Berücksichtigung der Beträge aus freien Rüdciagen, die nach Bestehen des Vertrages in diese eingestellt wurden, eines Beschlusses, der dahingeht, daß diese Beträge den freien Rücklagen entnommen werden. Da der Gewinnvortrag grundsätzlich nichts anderes als eine freie Rücklage ist, müssen die gleichen Grundsätze auch hierfür gelten. Es wäre ja auch ohne weiteres möglich, den Gewinnvortrag gar nicht entstehen zu lassen, sondern den entsprechenden Betrag den freien Rücklagen zuzuführen. Dann handelt es sich um Beträge, die während des Bestehens des Unternehmensvertrages den freien Rüdciagen zugeführt werden, und sie fallen dann ohne weiteres unter den ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes. Die von uns vorstehend vorgenommene ergänzende Auslegung des Gesetzes dürfte deshalb unbedenklich sein (im Ergebnis ebenso B.-H. Rn. 3). § 302 Verlustübernahme (1) Besteht ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den freien Rücklagen Beträge entnomenen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. (2) Hat eine abhängige Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens dem herrschenden Unternehmen verpachtet oder sonst überlassen, so hat das herrschende Unternehmen jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht. (3) Die Gesellschaft kann auf den Anspruch auf Ausgleich erst drei Jahre nach dem Tage, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs als bekanntgemadit gilt, verzichten oder sich über ihn vergleichen. Dies gilt nicht, wenn der Ausgleichspflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkursverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. Der Verzicht oder Vergleich wird nur wirksam, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbesdiluß zustimmen und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. I. Obersicht (Anm. 1) II. Rechtsgrundlage der Verlustübernahme (Anm. 2) III. Behandlung der Rüdciagen (Anm. 3)

1646

[V. Verlustübernahme bei Betriebspaditund Betriebsüberlassungsverträgen (Anm. 4) V. Erhaltung der Substanz (Anm. 5)

Verlustübernahme VI. Dauer der Verpflichtung (Anm. 6) VII. Verzicht und Vergleich (Anm. 7 u. 8)

§ 302

Anm. 1,2

VIII. Verjährung (Anm. 9)

I. Obersicht Anm. 1: Nicht bei allen Unternehmensverträgen ist der Vertragspartner verpflichtet, den bei der verpflichteten Gesellschaft entstehenden Verlust zu übernehmen. Die Bestimmung des Abs. 1 bezieht sich auf den Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag nach § 291, also auf die Organisations- oder Organschaftsverträge. Von den in § 292 aufgeführten „anderen Unternehmensverträgen" werden lediglich die des Abs. 1 Nr. 2 (Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge) erwähnt. Auf die anderen Unternehmensverträge findet die vorliegende Bestimmung keine Anwendung. Obwohl das bisherige Gesetz, insbesondere der § 256 AktG 37, keine besonderen Bestimmungen über den Gläubigersdiutz enthielt, wurde ein solcher bei Unternehmensverträgen, die zu einer weitgehenden Beherrschung der Vertragsgesellschaft führten, aus allgemeinen Grundsätzen hergeleitet (ebenso B.-H. Rn. 1). Nach dem auch im alten Aktiengesetz streng durchgeführten Prinzip der Kapitalerhaltung ging man auch bisher davon aus, daß, wenn durch einen Vertrag das Ergebnis der wirtschaftlichen Betätigung einer Aktiengesellschaft einem anderen Unternehmen zugute komme, die Konsequenz sein müsse, daß dieses andere Unternehmen für etwa entstehende Fehlbeträge aufzukommen habe. Der heute in § 301 festgelegte Grundsatz, daß als Gewinn höchstens ein Betrag abgeführt werden darf, der nach aktienrechtlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung eines etwa vorhandenen Verlustvortrages und der Zuweisung zur gesetzlichen Rücklage sich ergebende Betrag als Gewinn abgeführt werden darf, wie auch, daß ein entstehender Verlust ersetzt werden muß, garantiert die Erhaltung des Grundkapitals. Bisher war die Verlustübernahme des anderen Vertragsteiles vielfach im Vertrag ausdrücklich festgelegt, weil nur dann die steuerliche Begünstigung eines solchen Organschaftsvertrages eintrat (B.-H. Rn. 1). Das ist nach dem neuen Gesetz nicht mehr erforderlich. Auch wenn der Vertrag hierüber nichts enthält, gilt die Bestimmung über die Verlustübernahme. II. Rechtsgrundlage der Verlustübernahme Anm. 2: Nicht bei jedem Gewinnabführungsvertrag ergibt sich die gesetzliche Verlustübernahme, sondern nur dann, wenn die Abführung des gesamten Gewinnes im Sinne des § 291 vereinbart ist. Beim Beherrschungsvertrag ist die Verpflichtung zur Verlustübernahme auch dann gesetzlich begründet, wenn die Gesellschaft nicht zur Abführung ihres Gewinnes verpflichtet ist. Das ist deshalb geschehen, weil im Falle eines Beherrschungsvertrages der 1647

§302

Anm. 2,3

Unternehmensverträge

Vertragspartner der verpflichteten Gesellschaft Weisungen erteilen darf, die für diese nachteilig sind. Der Vorstand kann sich diesen Weisungen nicht widersetzen. Es wäre also, wenn nicht die Verlustübernahme gesetzlich festgelegt wäre, möglich, die verpflichtete Gesellschaft völlig auszuhöhlen. Sie kann so gesteuert werden, daß überhaupt kein Gewinn entsteht, so daß die Frage der Gewinnabführung gar nicht mehr praktisch wird. Die Bestimmung geht also sehr viel weiter, als die des § 300 Nr. 3, die beim Vorliegen eines Beherrsdiungsvertrages bestimmt, daß aus dem Gewinn die gesetzliche Rücklage aufzufüllen ist. Bei dieser Bestimmung ist immer noch vorausgesetzt, daß trotz eines Beherrschungsvertrages überhaupt ein Gewinn bei der beherrschten Gesellschaft entsteht. Wird dieser aber vorher durch ungünstige Geschäfte, zu denen die verpflichtete Gesellschaft aufgrund des Weisungsrechtes des Vertragspartners gezwungen wird, vorher schon abgeschöpft, bzw. kommt er gar nicht zur Entstehung, so kann nur die vorliegende Bestimmung verhindern, daß die Gesellschaft wirtschaftlich ausgehöhlt wird. III. Behandlung der Rücklagen Anm. 3: Über die Verlustübernahme hinaus geht die Bestimmung, daß während der Vertragsdauer aus den freien Rücklagen der Gesellschaft der Verlust nur ausgeglichen werden kann mit Beträgen, die während der Vertragsdauer in die freien Rücklagen eingestellt worden sind. Es wird also gewissermaßen der wirtschaftliche Status der Gesellschaft bei Wirksamwerden des Unternehmensvertrages fixiert. An sich kann jedes selbständige Unternehmen seinen Gewinn durch Auflösung freier Rücklagen manipulieren. Insofern steht sich also eine Gesellschaft, die einen Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrag abgeschlossen hat, schlechter als ein anderes Unternehmen. Der Schutz zur Erhaltung der Substanz der Gesellschaft ist stärker als in den Normalfällen. Enthält der letzte Jahresabschluß vor dem Wirksamwerden eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages einen Gewinnvortrag, so darf dieser nicht, wie sonst selbstverständlich, zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages oder zu seiner Verminderung benutzt werden; das würde gegen den Grundsatz verstoßen, daß freien Rücklagen nur solche Beträge entnommen werden können, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. Zwar ist der Gewinnvortrag nicht unbedingt gleichzusetzen mit einer freien Rücklage, in der Sache ist es aber das gleiche. Es würde dem Gedanken des Abs. 1 widersprechen, wenn ein vor dem Wirksamwerden des Unternehmensvertrages verdienter Gewinnvortrag zur Abdeckung eines Fehlbetrages verwandt werden könnte (ebenso B.-H. Rn. 3; Würdinger S. 297). Es ist deshalb auch nicht möglich, etwa den Gewinnvortrag in freie Rücklagen einzustellen, nachdem der Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag wirksam geworden ist, um dann mit der Begründung, die Einstellung 1648

Verlustübernahme

§302

Anm. 3

sei erst später erfolgt, aus der freien Rücklage diesen Betrag zur Verlustdeckung zu verwenden. Dies wäre eine Umgehung des Grundgedankens des Gesetzes. Ebenso wie bei der Errechnung des Höchstbetrages der Gewinnabführung nadi § 301 ein aus der Zeit vor dem Unternehmensvertrag stammender Gewinnvortrag nicht als Gewinn, der zur Abführung gelangen kann, hinzugerechnet werden darf, genausowenig darf er zur Verlustdeckung verwandt werden. Es ist an sich nichts dagegen zu sagen, wenn man, um nicht ständig den gleichen Gewinnvortrag zu haben, diesen Gewinn in freie Rücklagen einstellt. Nur muß dann beachtet werden, daß dieser Betrag während der Vertragsdauer nicht aufgelöst werden kann, sondern daß ein etwaiger Verlust ohne Heranziehung dieses Betrages von dem Vertragspartner getragen werden muß. Andererseits ist ein vor Abschluß des Unternehmensvertrages vorhandener Jahresfehlbetrag nicht abzudecken, sondern kann als Verlustvortrag bestehen bleiben, er mindert aber den nadi § 301 sich ergebenden Höchstbetrag des abführbaren Gewinnes (ebenso B.-H. Rn. 3; Würdinger S. 297). Der hier und in § 301 verwendete Begriff der freien Rücklagen umfaßt alle Rücklagen außer der gesetzlichen Rücklage. Es wird also kein Unterschied vom Gesetz gemacht zwischen den zweckgebundenen und den nicht zweckgebundenen Rücklagen. Beide werden in den Bestimmungen der §§ 301 und 302 als „freie Rücklagen" behandelt. In der Regierungsbegründung wird insbesondere auf solche zweckgebundene Rücklagen hingewiesen, deren bestimmungsgemäße Verwendung — etwa für Reklamezwecke — keinen Vermögenswert schafft, den die Gesellschaft in ihrer Bilanz aktivieren könnte. Die bestimmungsmäßige Verwendung einer solchen Rücklage kann daher zu einem Verlust führen, den der Vertragspartner ausgleichen muß. Aus Gründen der Rechtssicherheit muß jede freie Rücklage, gleichgültig, ob sie zweckgebunden ist und gleichgültig, für welchen Zweck sie gebunden ist, ebenso behandelt werden wie die freie nicht zweckgebundene Rücklage. In der Regierungsbegründung heißt es mit Recht, daß die Pflicht des Vertragspartners zur Verlustdeckung dadurch gerechtfertigt wird, daß ihm über den Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag in aller Regel auch der wirtschaftliche Erfolg aus der bestimmungsmäßigen Verwendung der Rücklagen zugute kommen wird. Nach unserer Ansicht darf die Rücklage auch dann nicht angegriffen werden, wenn sich für den Vertragspartner keinerlei Vorteil aus der Aufrechterhaltung der Rücklage ergibt. Es soll unter allen Umständen verhindert werden, daß eine Aushöhlung des Vermögens der Vertragsgesellschaft entsteht. Deshalb ist bewußt in Kauf genommen worden, daß sich einige Grenzfälle in wirtschaftlicher Beziehung zuungunsten des Vertragspartners der verpflichteten Gesellschaft auswirken könnten. Die Einführung eines allgemeinen Billigkeitsgesichtspunktes würde zu einer Rechtsunsicherheit führen, die an dieser Stelle nicht tragbar erscheint. 1649

§302

Unternehmensverträge

Anm. 4, 5

IV. Verlustübernahme bei Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträgen Anm. 4: Wenn eine AG oder KGaA ihre Leitung einem anderen Unternehmen durch Abschluß eines Beherrschungsvertrages unterstellt oder sich verpflichtet, ihr wirtschaftliches Ergebnis durch Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages einem anderen Unternehmen zukommen zu lassen, so ist sie stets eine abhängige Gesellschaft, der Vertragspartner das herrschende Unternehmen. Das ist aber nicht der Fall, wenn es sich um die Verpachtung oder Überlassung des Betriebes ihres Unternehmens handelt. Zwar ändert die Gesellschaft ihren Charakter, denn sie ist nicht mehr eine Gesellschaft, die unmittelbar am Wirtschaftsleben teilnimmt. Sie wird zu einer reinen Verwaltungsgesellschaft, die die Pachteinnahmen oder die Einnahmen aus dem Überlassungsvertrag verwaltet. Als Verwaltungsgesellschaft kann sie aber in völliger Unabhängigkeit von dem Unternehmen stehen, dem sie den Betrieb verpachtet oder überlassen hat. Ist das der Fall, so kommt eine Verlustübernahme durch den Vertragspartner auch dann nicht in Frage, wenn das Entgelt nicht angemessen ist. Nur wenn sie als abhängiges Unternehmen im Sinne des § 17 anzusehen ist, kommt eine Verlustübernahme in Frage. Dabei wird möglicherweise die Tatsache, daß ein ungünstiger Vertrag abgeschlossen ist, ohne angemessenes Entgelt, ein Indiz für eine Abhängigkeit sein, denn die Abhängigkeit braucht nicht auf einer Beteiligung des anderen Unternehmens zu beruhen — bestände eine Mehrheitsbeteiligung, so würde die Abhängigkeit vermutet (§ 17 II) —, sondern sie kann auf irgendwelchen anderen Ursachen, etwa einer personellen Beeinflussung, beruhen. Man wird also sicherlich sehr genau prüfen müssen, ob eine solche Abhängigkeit besteht, wenn ein ungünstiger Vertrag abgeschlossen wurde. Man kann aber nicht soweit gehen, daß etwa die Tatsache, daß das Entgelt nicht angemessen ist, eine Vermutung in der Richtung begründet, daß eine Abhängigkeit besteht. Es ist durchaus denkbar, daß ein Fehler des Vorstandes der Verpächterin vorliegt, für den dann möglicherweise der Vorstand der Gesellschaft haftet. Daraus würde sich aber noch keine Verpflichtung des Vertragspartners zur Verlustdeckung ergeben. Nur wenn festgestellt ist, daß die verpachtende oder ihren Betrieb überlassende Gesellschaft eine abhängige Gesellschaft im Sinne des § 17 ist, kommt Abs. 2 überhaupt zur Anwendung, d. h., es ist alsdann zu prüfen, ob die Gegenleistung ein angemessenes Entgelt darstellt. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn das Entgelt nicht die Erhaltung der Substanz deckt. Immer steht auch hier die Frage der Substanzerhaltung der abhängigen Gesellschaft im Vordergrund und ist das Hauptmotiv des gesetzlichen Schutzes. V. Erhaltung der Substanz Anm. 5: Träger des Anspruches auf Verlustausgleich ist die verpflichtete Gesellschaft. Sie wird jedoch nur insoweit geschützt, als sich ihre Substanz 1650

Verlustübernahme

§302

Anm» 5,6

nach Wirksamwerden der in § 302 genannten Unternehmensverträge nidit verschlechtern soll. Nicht geschützt wird der Dividendenanspruch der außenstehenden Aktionäre. Durch einen Gewinnabführungsvertrag wird dieser Dividendenanspruch sowieso beseitigt. Der Beherrschungsvertrag kann in der Weise zur Auswirkung kommen, daß gerade ein Verlust vermieden wird, aber keinerlei Gewinn bei der Gesellschaft erzielt wird, auch dann, wenn keine Gewinnabführung gleichzeitig vereinbart ist. Beim Pacht- oder Überlassungsvertrag kann der Gegenwert so bemessen sein, daß gerade die Unkosten der verpachtenden oder überlassenden Gesellschaft gedeckt werden, sich also kein Verlust ergibt. Es kann aber aufgrund des § 302 nichts unternommen werden, wenn das Entgelt zwar völlig unangemessen ist, aber ausreicht, um keinen Verlust herbeizuführen. Der Schutz der außenstehenden Aktionäre ist also nicht Gegenstand der vorliegenden Bestimmung. Letzten Endes werden nur die Gläubiger der Gesellschaft geschützt, und zwar zunächst einmal mittelbar durch die Erhaltung der Vermögenssubstanz der Gesellschaft. Sie können aber auch, wenn sie einen vollstreckbaren Titel gegen die Gesellschaft haben, aus diesem unmittelbar in den Anspruch auf Verlustübernahme gegen den anderen Vertragsteil vollstrecken (so Regierungsbegründung).

VI. Dauer der Verpflichtung Anm. 6: Die Verpflichtung, den Jahresfehlbetrag auszugleichen, besteht während der Vertragsdauer. Wird also während eines laufenden Geschäftsjahres einer der in § 302 erwähnten Unternehmensverträge wirksam. Ergibt sich am Ende dieses Geschäftsjahres ein Jahresfehlbetrag, so ist dieser vom Vertragspartner auszugleichen, selbst wenn der Vertrag erst ganz kurze Zeit vor Ende des Geschäftsjahres wirksam geworden ist. Auf der anderen Seite endet die Verpflichtung zum Ausgleich eines entstandenen Jahresfehlbetrages mit der Beendigung des Vertrages. Dabei ist aber zu beachten, daß Aufhebung des Vertrages sowie die Kündigung ohne wichtigen Grund jeweils nur möglich ist zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst bestimmten Abrechnungszeitraumes. Wenn der Unternehmensvertrag zum Ende des Geschäftsjahres aufgehoben wird, so muß ein sich aus der letzten Bilanz ergebender Fehlbetrag von dem Vertragspartner noch ausgeglichen werden. Ist aber der Abrechnungszeitraum ein anderer als das Geschäftsjahr, oder erfolgt die Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund nach § 297 II oder nach § 304 V, so haftet der Vertragspartner nicht für den Fehlbetrag des Geschäftsjahres, in das die Beendigung des Vertrages fällt. In einem solchen Fall stehen den Gläubigern nur die Rechte aus § 303 zu. 1651

§302 Anm. 7

Unternehmensverträge

VII. Verzidit und Vergleich Anm. 7: An mehreren Stellen des Gesetzes werden für einen Verzicht oder Vergleich auf einen Anspruch, der der Gesellschaft gegen Dritte zusteht, ähnliche Bestimmungen vorgeschrieben, wie die hier vorliegenden (§§ 50, 93 IV, §§ 116, 117 IV, § 309 I I I , § 310 IV bzw. § 317 und § 318). In allen diesen Fällen kann die Gesellschaft auf den ihr zustehenden Anspruch erst nadi einem gewissen Zeitablauf und nur mit Zustimmung der Hauptversammlung verzichten oder sich darüber vergleichen. In allen Fällen kann eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erreichen, dadurch, daß sie den Widerspruch zu Protokoll erklärt, den Verzicht oder Vergleich unmöglich machen. Auch hier kann auf den Anspruch auf Ausgleich des Verlustes erst nadi drei Jahren verzichtet werden oder über ihn ein Vergleich abgeschlossen werden. Die drei Jahre beginnen nicht mit der Entstehung des Anspruches, sondern mit dem Tage, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrages in das Handelsregister als bekanntgemacht gilt. Da in allen Fällen des § 302 ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das auf dem Unternehmensvertrag beruht, kann die Gesellschaft über den ihr zustehenden Anspruch erst dann frei verfügen, wenn der Vertrag nicht mehr besteht. Es ist keineswegs gesagt, daß mit der Beendigung des Vertrages die Gesellschaft wieder zu einer völlig selbständigen wird. Nadi wie vor kann durch eine Kapitalbeteiligung des bisherigen Vertragspartners oder aus anderen Gründen ein Abhängigkeitsverhältnis fortbestehen. Dennodi ist die Gesellschaft nunmehr nach Wegfall des Unternehmensvertrages, aus dem sich der Verlustausgleich ergibt, bezüglich dieses Anspruches freier gestellt, und die Verantwortlichkeit ihrer eigenen Verwaltungsorgane setzt wieder voll ein. Diese sind verpflichtet, den Anspruch geltend zu machen. Wenn sie auf den Anspruch verzichten oder sich über ihn vergleichen wollen, so soll eine gewisse Frist vergehen, in der man überblicken kann, wie sich die Verhältnisse der Gesellschaft nach Beendigung des Unternehmensvertrages entwickeln. Der Vorstand allein kann auch nidit mit Zustimmung des Aufsiditsrates einen Verzicht oder einen Vergleich abschließen. Diese bedürfen jedoch nicht, wie sonst üblich, der Zustimmung der Hauptversammlung, sondern der Zustimmung der außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß. Es hat eine gesonderte Versammlung der außenstehenden Aktionäre stattzufinden, auf deren Einberufung und Durchführung die Bestimmungen des § 138 zur Anwendung gelangen (vgl. die Anm. dort). Darüber, welche Aktionäre als außenstehende Aktionäre anzusehen sind, vgl. § 295 Anm. 4. Der Sonderbeschluß bedarf der einfachen Stimmenmehrheit der vertretenen und abstimmungsberechtigten Aktionäre, d. h. also solcher Aktionäre, die als außenstehende Aktionäre anzusehen sind. Andere Aktionäre haben kein Stimmrecht. Sie dürfen nicht einmal an der Versammlung, in der der Sonder1652

Verlustübernahme

§302

Anm. 7,8

beschluß zu fassen ist, teilnehmen, es sei denn, der Sonderbesdiluß findet im Rahmen einer Hauptversammlung statt, ohne daß nach § 138 die Einberufung einer gesonderten Versammlung verlangt wird. Durch die Zustimmung der außenstehenden Aktionäre wird der Verzicht oder Vergleich an sich wirksam, es sei denn, daß bei dem Sonderbeschluß eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen und teilnahmeberechtigten Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Es bedarf nicht etwa einer Anfechtung des Beschlusses, es genügt der Widerspruch, um den Eintritt der Wirksamkeit des Beschlusses trotz Zustimmung der Mehrheit der außenstehenden Aktionäre nicht eintreten zu lassen. Das Gesetz sieht also einen doppelten Schutz vor. Einmal geht es davon aus, daß nach wie vor das Unternehmen abhängig sein kann, und zwar durch das Bestehen einer wesentlichen Beteiligung seines Vertragspartners, also des Ausgleichspflichtigen. Dieser wird durch die Anordnung, daß nur die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zuzustimmen haben, von jeder Einwirkung ausgeschlossen, die er haben würde, wenn die Hauptversammlung als solche die Zustimmung erklären könnte. Die zweite Sicherung besteht darin, daß eine Minderheit den Beschluß durch Widerspruch zu Protokoll erfolgreich zu Fall bringen kann. Dabei ist zu beachten, daß sich die Minderheit auf das bei der Beschlußfassung vertretene Grundkapital bezieht. Das soll heißen, daß nur das Grundkapital in Frage kommt, das in den Händen der außenstehenden Aktionäre ist, also derjenigen, die teilnahmeberechtigt sind. Wenn also zum Beispiel der Sonderbeschluß im Rahmen einer Hauptversammlung stattfindet, so sind die 10 % des vertretenen Grundkapitals nicht nach dem Grundkapital zu berechnen, das in der Hauptversammlung vertreten ist, sondern nur von dem Teil des Grundkapitals, das sich im Besitz von außenstehenden Aktionären befindet, die am Sonderbesdiluß mitzuwirken berechtigt sind. Anm. 8: Wie in allen Fällen, in denen der Verzicht oder Vergleich über einen Ersatzanspruch an den Ablauf einer bestimmten Zeit gebunden ist, so gilt auch hier diese Bestimmung nur für den Fall, daß zwischen der Gesellschaft und dem Ausgleichsverpflichteten ein individueller Vertrag abgeschlossen ist, der zum Verzidit oder zum Vergleich über den Ausgleichsanspruch führt. Wenn der Ausgleichspflichtige zur Abwendung oder Beseitigung eines Konkursverfahrens allen seinen Gläubigern einen Vergleich anbietet, so kann sich an diesem Vergleich die Gesellschaft zu jedem Zeitpunkt beteiligen. Das heißt nicht nur vor Ablauf der 3 Jahre, geredinet von der Bekanntmachung der Beendigung des Vertrages an, sondern auch schon, wenn der Vertrag, auf den sich der Ausgleichsanspruch stützt, noch besteht. Diese Ausnahme besteht jedoch nur für die zeitliche Begrenzung, nicht für die übrigen Erfordernisse für das Wirksamwerden des Vergleiches. Auch wenn die Gesellschaft 1653

§§ 302/303

Anm. 8,9

Unternehmensverträge

einem allgemeinen Vergleich des Ausgleichspflichtigen beitritt, muß infolgedessen die Zustimmung der außenstehenden Aktionäre erfolgen und es darf keine Minderheit widersprechen. Der für das Vergleichs- oder Konkursverfahren zuständige Richter wird mithin bei der Berechnung der zustimmenden Gläubiger zu prüfen haben, ob bei Vorliegen der Zustimmung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft auch die Gewähr geboten ist, daß der Vergleich wirksam wird. Er muß also prüfen, ob ein Sonderbeschluß der außenstehenden Aktionäre, der dem Vergleichsbeitritt zustimmt, vorliegt und ob keine Minderheit Widerspruch zu Protokoll erklärt hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so nutzt die Erklärung des Vorstandes, die Gesellschaft trete dem Vergleich bei, nichts. Die Gesellschaft muß vielmehr als nicht zustimmende behandelt werden. VIII. Verjährung Anm. 9: Der Rechtsausschuß hat erörtert, ob statt der Regelung des Abs. 3 vorgesehen werden sollte, daß die Ansprüche drei Jahre nach Beendigung des Vertrages verjähren. Er hat eine so kurze Verjährungsfrist angesichts der Bedeutung der Ansprüche nicht für vertretbar gehalten. Es gelten deshalb für die Verjährung die allgemeinen Grundsätze. Der Anspruch verjährt nach § 195 BGB nach dreißig Jahren. Die Frist beginnt nach § 198 BGB mit der Feststellung des Jahresfehlbetrages.

§ 303 Gläubigerschutz (1) Endet ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil den Gläubigern der Gesellschaft, deren Forderungen begründet worden sind, bevor die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs als bekanntgemacht gilt, Sicherheit zu leisten, wenn sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung der Eintragung zu diesem Zweck bei ihm melden. Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung der Eintragung auf dieses Recht hinzuweisen. (2) Das Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, steht Gläubigern nicht zu, die im Fall des Konkurses ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichtet und staatlich überwacht ist. (3) Statt Sicherheit zu leisten, kann der andere Vertragsteil sich für die Forderung verbürgen. § 349 des Handelsgesetzbuchs über den Ausschluß der Einrede der Vorausklage ist nicht anzuwenden. 1654

Gläubigersdiutz

§303 Anm. 1,2

I. Übersicht Anm. 1: Da die Verpflichtung zur Verlustübernahme nach § 302 mit der Beendigung der dort aufgeführten Unternehmensverträge endet, ist die Verpflichtung des Vertragspartners, nach Beendigung der Verträge den Gläubigern Sicherheit zu leisten, wenn diese es verlangen, gewissermaßen die Ergänzung des durch die Bestimmung des § 302 hergestellten Schutzes der Gläubiger. Zu beachten ist jedoch, daß sie sich insofern nicht ganz mit den Bestimmungen des § 302 deckt, als nach § 302 I eine Verlustübernahme audi dann in Frage kommt, wenn eine abhängige Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens dem herrschenden Unternehmen verpachtet oder sonst überläßt. In diesem Falle greift der § 303 nicht ein. Nur wenn ein Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrag endet, hat der Vertragspartner die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung. Das ergibt sich daraus, daß bei der Beendigung eines Pacht- oder Überlassungsvertrages das abhängige Unternehmen seinen Betrieb wieder zurückerhält und damit über seine Vermögenssubstanz wieder verfügen kann, und zwar unter Umständen, die weniger gefährlich erscheinen, als bei einer Aufhebung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages. Bei den beiden Letztgenannten ist die Verbindung der Unternehmen in besonders starker Weise erfolgt. Es mag deshalb schwierig sein, das Unternehmen, wenn es wieder selbständig wird, überhaupt weiterzuführen. Beim Pacht- und Überlassungsvertrag ist dies leichter, weil der Betrieb schließlich, wenn auch nicht von den eigenen Organen der Gesellschaft, sondern vom Vertragsteil als solchem weitergeführt worden ist. II. Berechtigte Gläubiger Anm. 2: Nur diejenigen Gläubiger können Sicherheit verlangen, deren Forderung begründet war, bevor die Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Vertrages in das Handelsregister als erfolgt gilt. Nach § 10 HGB erfolgt die Bekanntmachung durch das Gericht im Bundesanzeiger und in mindestens einem anderen Blatt. Sie gilt als bekanntgemacht mit dem Ablauf des Tages, an welchem das letzte der bekanntmachenden Blätter erschienen ist. Die Sicherheit kann nur verlangt werden, wenn dieses Verlangen innerhalb von 6 Monaten nach diesem Zeitpunkt bei dem Unternehmen angemeldet wird, von dem die Sicherheit verlangt wird. Das ist der Vertragspartner der Gesellschaft, deren Gläubiger ihre Forderungen anmelden. Da nicht der Vorstand, sondern das Registergericht die Bekanntmachung der Eintragung durchzuführen hat, gehört es zu dessen Aufgaben, bei der Bekanntmachung die Gläubiger auf ihr Recht, Sicherheit zu verlangen, hinzuweisen. Unterlassen des Hinweises macht den Staat wegen Amtspflichtverletzung des Registerrichters schadenersatzpflichtig, hindert aber weder Beginn noch Lauf der Frist. 1655

§ 303 Anm. 2,3

Unternehmensverträge

Gläubiger, die im Konkursfalle ein Recht auf Befriedigung aus einer besonderen Deckungsmasse haben, steht das Recht auf Sicherheitsleistung nicht zu. Es sind dies die Pfandbriefgläubiger der Hypotheken- und Schiffspfandbriefbanken sowie die Versicherten der Versicherungsgesellschaften (§ 35 Hypothekenbankgesetz, § 36 Schiffsbankgesetz in der Fassung vom 8. 5.1963, §§ 77, 79 Versicherungs- und Bausparkassengesetz).

III. Sicherheit durch Bürgschaft Anm. 3: Während in den anderen Fällen der Sicherheitsleistung diese nur zu gewähren ist für Forderungen, deren Befriedigung nicht verlangt werden kann, fällt diese Voraussetzung hier weg, denn die Sicherheit ist nicht von dem Schuldner zu leisten, sondern von dessen Vertragspartner. Es kann also schlechthin für alle Forderungen, gleichgültig, ob sie fällig sind oder nicht, Sicherheit verlangt werden. Insbesondere kann grundsätzlich nicht der Vertragspartner verlangen, daß eine fällige Forderung zunächst von der Gesellschaft eingetrieben wird. Grundsätzlich ist die Sicherheit nach den Bestimmungen der §§ 232 ff. BGB zu leisten. In Abs. 3 wird dem zur Sicherheit verpflichteten Vertragspartner insoweit eine Erleichterung gestattet, als dieser die Wahl hat, ob er nach den Bestimmungen der §§ 232 ff. BGB oder durch einfache Bürgschaftsleistung Sicherheit stellen will. Auf die Bürgschaft finden die Bestimmungen der §§ 765 ff. BGB Anwendung. Ist der Vertragspartner Kaufmann, so finden die Formerleichterungsvorsdiriften des § 350 HGB Anwendung, d. h., die Bürgschaft braucht nicht schriftlich erklärt zu werden, sondern sie kann durch mündliche Erklärung abgegeben werden. Dagegen findet der § 349 HGB nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung keine Anwendung, d. h., wenn die Bürgschaft für den sich Verbürgenden ein Handelsgeschäft ist, hat er nicht die Einrede der Vorausklage. Gerade diese Bestimmung ist deshalb ausgeschlossen worden, weil im Grunde genommen der Gläubiger niemals einen unmittelbaren Anspruch gegen den Vertragspartner hat, auch wenn der Unternehmensvertrag besteht. Er hat lediglich den Anspruch, daß der Vertragspartner einen etwaigen Fehlbetrag abdeckt und er kann, wenn er einen Titel gegen die schuldnerische Gesellschaft hat, aus diesem Titel in den Anspruch der Gesellschaft gegen den Vertragspartner auf Verlustausgleich vollstrecken. Der Vertragspartner haftet ihm also immer nur auch während des Vertragsverhältnisses an zweiter Stelle. Deshalb ist es möglich, daß hier die Bürgschaft, auch wenn es sich um ein Handelsgeschäft handelt, ohne Verzicht auf die Vorausklage gegeben wird. Enthält die Bürgschaft hierüber nichts, so kann die Einrede der Vorausklage kraft Gesetzes geltend gemacht werden (B.-H. Rn. 7; die abweichende Auffassung in der Voraufl. wird nicht aufrechterhalten). 1656

Angemessener Ausgleich

§ 304

Anm. 4

IV. Obergangsbestimmungen Anm. 4: Nach § 22 E G sind auch Unternehmensverträge, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen sind, nach den neuen Vorschriften zu behandeln. Ihre Anmeldung hat unverzüglich nach dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes zur Eintragung in das Handelsregister zu erfolgen. Damit gelten automatisch die Bestimmungen des Gläubigerschutzes, also insbesondere die Bestimmungen der §§ 302 und 303 auch für diese Verträge.

V i e r t e r Abschnitt Sicherung der außenstehenden A k t i o n ä r e bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertragen § 304 Angemessener Ausgleich (1) Ein Gewinnabführungsvertrag muß einen angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre durdi eine auf die Aktiennennbeträge bezogene wiederkehrende Geldleistung (Ausgleidiszahlung) vorsehen. Ein Beherrschungsvertrag muß, wenn die Gesellschaft nicht auch zur Abführung ihres ganzen Gewinns verpflichtet ist, den außenstehenden Aktionären als angemessenen Ausgleich einen bestimmten jährlichen Gewinnanteil nach der für die Ausgleichszahlung bestimmten Höhe garantieren. Von der Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs kann nur abgesehen werden, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag keinen außenstehenden Aktionär hat. (2) Als Ausgleidiszahlung ist mindestens die jährliche Zahlung des Betrags zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten unter Berücksichtigung angemessener Abschreibungen und Wertberichtigungen, jedoch ohne Bildung freier Rücklagen, voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. Ist der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien, so kann als Ausgleichszahlung auch die Zahlung des Betrags zugesichert werden, der auf Aktien der anderen Gesellschaft mit mindestens dem entsprechenden Nennbetrag jeweils als Gewinnanteil entfällt. Der entsprechende Nennbetrag bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der anderen Gesellschaft zu gewähren wären. (3) Ein Vertrag, der entgegen Absatz 1 überhaupt keinen Ausgleich vorsieht, ist nichtig. Die Anfechtung des Beschlusses, durch den die Haupt1657

§ 304 Anm. 1 , 2

Unternehmensverträge

Versammlung der Gesellschaft dem Vertrag oder einer unter § 2 9 5 Abs. 2 fallenden Änderung des Vertrags zugestimmt hat, kann nicht auf § 243 Abs. 2 oder darauf gestützt werden, daß der im Vertrag bestimmte Ausgleich nidit angemessen ist. Ist der im Vertrag bestimmte Ausgleich nicht angemessen, so hat das in § 3 0 6 bestimmte Gericht auf Antrag den vertraglich geschuldeten Ausgleich zu bestimmen, wobei es, wenn der Vertrag einen nach Absatz 2 Satz 2 berechneten Ausgleich vorsieht, den Ausgleich nadi dieser Vorschrift zu bestimmen hat. (4) Antragsberechtigt ist jeder außenstehende Aktionär. Der Antrag kann nur binnen zwei Monaten seit dem Tage gestellt werden, an dem die Eintragung des Bestehens oder einer unter § 2 9 5 Abs. 2 fallenden Änderung des Vertrags im Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs als bekanntgemacht gilt. (5) Bestimmt das Gericht den Ausgleich, so kann der andere Vertragsteil den Vertrag binnen zwei Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Wesen und Rechtsnatur der Ausgleichszahlung 1. bei Gewinnabführungsvertrag mit oder ohne Beherrschungsvertrag (Anm. 2) 2. bei Beherrsdiungsvertrag ohne Gewinnabführungsvertrag (Anm. 3) 3. Ausgleichsberechtigte (Anm. 4) III. Höhe der Ausgleichszahlungen 1. Allgemeines (Anm. 5) 2. Vom Gewinn des anderen Vertragsteils abhängige Ausgleidiszahlung (Anm. 6)

IV. Fehlen des Ausgleichsanspruches 1. Allgemeines (Anm. 7) 2. Folgen (Anm. 8) V. Unangemessener Ausgleich 1. Allgemeines (Anm. 9) 2. Antragsrecht auf Bestimmung des Ausgleichs (Anm. 10) 3. Grenzen der gerichtlichen Entscheidung (Anm. 11) VI. Kündigungsrecht des anderen Vertragsteils (Anm. 12) VII. Übergangsbestimmungen (Anm. 13)

I. Übersicht Anm. 1: D e r vierte Abschnitt mit den §§ 3 0 4 bis 307 findet nur Anwendung, wenn es sich um einen der in § 291 aufgeführten Unternehmensverträge, d. h. um einen Beherrschungsvertrag oder Gewinnabführungsvertrag handelt. Bei allen „anderen Unternehmensverträgen" nach § 292 gelten die Bestimmungen nicht (wie hier B . - H . R n . 2 ; a. A. Brauksiepe in B B 66, 145 f., der die Bestimmung auch auf Teilgewinnabführungsverträge — § 2 9 1 1 N r . 2 — für anwendbar hält). N u r in den beiden weitestgehenden Vertragsarten hat der Gesetzgeber es für notwendig befunden, einen besonderen Schutz der außenstehenden Aktionäre gesetzlich festzulegen. N u r 1658

Angemessener Ausgleich

§304

Anm. 1

wenn ein Vertrag vorliegt, durch den sich die Gesellschaft verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen, liegt eine so wesentliche Änderung in der Zielbestimmung der Gesellschaft vor, die naturnotwendig auf Gewinnerzielung gerichtet sein muß, solange sie als selbständig wirtschaftende Gesellschaft im Wirtschaftsleben auftritt, daß ein besonderer Schutz der Aktionäre notwendig ist. Ferner muß, wenn eine Gesellschaft überhaupt darauf verzichtet, unter eigener Leitung tätig zu werden und ihre Leitung einem anderen Unternehmen unterstellt, eine Sicherung für die Aktionäre geschaffen werden. Die Sicherung ist in zweierlei Weise vorgesehen. Der Aktionär hat einmal die Möglichkeit, in der Gesellschaft zu bleiben; in diesem Fall muß dem außenstehenden Aktionär ein Ersatz dafür geboten werden, daß die Gesellschaft beim Gewinnabführungsvertrag überhaupt keinen Gewinn mehr macht und beim Beherrschungsvertrag möglicherweise die Gesellschaft so geführt wird, daß sie keinen angemessenen Gewinn erzielt. Infolgedessen muß der andere Vetrragsteil sich zu einem Ausgleich verpflichten, den das Gesetz Ausgleichszahlung nennt. Weiterhin hat aber jeder Aktionär die Möglichkeit, aus der Gesellschaft auszuscheiden. Deshalb sieht § 305 vor, daß in einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag der andere Vertragsteil sich verpflichten muß, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Anteile gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Ob der Ausgleich oder die Abfindung angemessen ist, entscheidet im Streitfall das Gericht, und zwar nicht etwa im Rahmen eines Anfechtungsprozesses, sondern in einem besonderen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 306). Da der vom Gesetz vorgeschriebene Vertragsinhalt über Ausgleich und Abfindung dann nicht erforderlich ist, wenn außenstehende Aktionäre nicht vorhanden sind, wird in einer besonderen Bestimmung (§ 307) bestimmt, daß ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag spätestens zum Ende des Geschäftsjahres endet, in dem ein außenstehender Aktionär beteiligt ist. Ein Vertrag, der überhaupt keinen Ausgleich vorsieht, ist nichtig. Sieht der Vertrag keine Abfindung vor, so ist er weder nichtig nodi etwa anfechtbar. Auch eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die Hauptversammlung der Gesellschaft dem Vertrag zugestimmt hat, kann nicht auf das Fehlen einer Abfindung gestützt werden. Es kann lediglich jeder Aktionär das Gericht anrufen, um eine Abfindung festsetzen zu lassen. Tut dies kein Aktionär, so bleibt der Vertrag gültig (vgl. im einzelnen § 305 Anm. 6). Enthält der Vertrag zwar einen Ausgleich, der aber nicht angemessen ist, so ist der Vertrag gültig. Auch hier kann der Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung nicht mit der Begründung angefochten werden, der Ausgleich sei unangemessen. Vielmehr kann auch hier nur das Verfahren nach 1659

§304

Anm. 1,2

Unternehmensverträge

§ 306 in Gang gesetzt werden, d. h., jeder einzelne Aktionär kann vom Gericht die Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs verlangen. Das gleiche gilt in dem Fall, daß zwar ein Abfindungsangebot im Vertrag enthalten ist, dieses aber als unangemessen anzusehen ist. Auch hier kann jeder Aktionär eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen (im einzelnen s. § 306 Anm. 4). II. Wesen und Rechtsnatur der Ausgleichszahlung 1. bei Gewinnabführungsvertrag mit oder ohne Beherrschungsvertrag Anm. 2: Wenn ein Gewinnabführungsvertrag nach § 291 vorliegt, also die Gesellschaft sich verpflichtet hat, ihren gesamten Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen oder wenn die Gesellschaft, ohne eine solche Verpflichtung übernommen zu haben, ihre Leitung einem anderen Unternehmen unterstellt hat, so ist damit unmittelbar der Anspruch des Aktionärs auf Gewinnbeteiligung im ersten Fall ausgeschlossen, weil überhaupt kein Gewinn entsteht, im zweiten Fall gefährdet. Demgemäß behandelt das Gesetz die beiden Fälle auch verschieden. Liegt ein Gewinnabführungsvertrag vor, sei es allein, sei es in Verbindung mit einem Beherrschungsvertrag, so muß der Vertrag eine auf die Aktiennennbeträge bezogene wiederkehrende Geldleistung vorsehen, die das Gesetz als Ausgleichszahlung bezeichnet. Liegt ein Beherrschungsvertrag vor, ohne daß ein Gewinnabführungsvertrag gleichzeitig vorliegt, so ist den außenstehenden Aktionären im Vertrag als angemessener Ausgleich ein bestimmter jährlicher Gewinnanteil zu garantieren. Das bedeutet, daß im ersten Fall bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages der Anspruch des Aktionärs auf Gewinnbeteiligung sich verwandelt in einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen, d. h., er hat eine gleichbleibende Forderung, die aus dem Unternehmensvertrag selbst sich ergibt. Sie ist unabhängig vom Jahresabschluß der Gesellschaft und unabhängig von einem Gewinnverwendungsbeschluß. Er bleibt aber verbunden mit dem Besitz der Aktie. Es wird sich deshalb für die Praxis empfehlen, die Ausgleichszahlung gegen Vorlage des jeweils aufzurufenden Dividendenscheines vertraglich vorzusehen. Damit kann die technische Abwicklung weitestgehend die gleiche sein, wie vor Abschluß des Gewinnabführungsvertrages. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß der Anspruch auf Ausgleichszahlung ein völlig anderer ist, als der bisherige Dividendenanspruch. Es ist zunächst zu prüfen, wer Schuldner des Anspruchs des einzelnen Aktionärs auf Ausgleichszahlung ist. Bleibt Schuldner die Gesellschaft, deren Aktien der ausgleichsberechtigte Aktionär im Besitz hat, oder wird Schuldner des Ausgleichsanspruches — neben der Gesellschaft oder allein — der andere Vertragsteil. Im Gegensatz zum Abfindungsanspruch § 305, wo es ausdrücklich heißt, daß ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag „die Verpflichtung des anderen Vertragsteils" enthalten muß, auf Verlangen eines 1660

Angemessener Ausgleich

§304

Anm. 2

außenstehenden Aktionärs, dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben, sagt das Gesetz beim Ausgleichsansprudi nichts dergleichen. Der Abfindungsanspruch auf Übernahme der Aktien kann sich nicht gegen die eigene Gesellschaft richten, da diese nur in sehr beschränktem Umfange in der Lage wäre, die Aktien zu übernehmen, mit Rücksicht auf § 71, der den Erwerb eigener Aktien einschränkt. Wenn auch dort unter N r . 3 als zulässiger Erwerb neu eingefügt wird der Erwerbsgrund, um Aktionäre nach § 305 II oder § 320 V abzufinden, so bleibt doch die Bestimmung bestehen, daß der Gesamtnennbetrag, der zu den Zwecken der N r . 1 bis 3 erworbenen Aktien zusammen mit etwa anderen eigenen Aktien der Gesellschaften 10°/o des Grundkapitals nicht übersteigen darf. Ein Abfindungsangebot kann also praktisch nur gemacht werden, wenn der andere Vertragsteil die Verpflichtung zur Abfindung übernimmt. Diese Verpflichtung ist auch grundsätzlich eine andere als die der Ausgleichszahlung. Hier tritt der andere Vertragsteil als der Großaktionär der Gesellschaft auf, der seinerseits nunmehr die Aktien der noch außenstehenden Aktionäre übernimmt. Die Ausgleichszahlung dagegen tritt an Stelle der Gewinnausschüttung, die normalerweise von der Gesellschaft selbst an die Aktionäre zu erfolgen hätte. Sie bewegt sich also auf der Ebene Aktionär/Gesellschaft und nicht auf der Ebene Aktionär zu anderem (auch Groß-)Aktionär. Man wird also annehmen müssen, daß, trotz der grundsätzlichen Änderung des Charakters des bisherigen Gewinnanspruchs in einen Anspruch auf Ausgleichszahlung, der Schuldner der gleiche bleibt, also die Gesellschaft. Wie der Vertrag im einzelnen zu gestalten ist, bleibt den Vertragschließenden überlassen. Ganz unbedenklich wäre beispielsweise ein Vertrag, der die Gesellschaft B zur Gewinnabführung an die Gesellschaft A verpflichtet, mit der Maßgabe, daß die Gesellschaft A sich verpflichtet, einen Ausgleichsbetrag an die Gesellschaft B zu zahlen, der für die außenstehenden Aktionäre bestimmt ist. Es bestünden auch keine Bedenken, wenn der Vertrag vorsehen würde, daß die Gesellschaft A unmittelbar den Ausgleichsbetrag an die Aktionäre zahlt. In diesem Falle würde sie die Schuld eines Dritten, nämlich der Gesellschaft, tilgen. Für unzulässig halten wir es aber, daß etwa in dem Vertrag vereinbart würde, daß die Gesellschaft B einerseits ihren Gewinn an A ganz abführt, andererseits sich verpflichtet, eine Ausgleichszahlung an die außenstehenden Aktionäre zu zahlen. Ein solcher Vertrag würde gegen den Grundsatz des § 57 I verstoßen, wonach Aktionären die Einlagen nidit zurückgewährt werden dürfen, evtl. auch gegen § 57 II, wonach den Aktionären Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden dürfen. Letzten Endes muß also die Ausgleichszahlung so gestaltet sein, daß sie aus den Mitteln des anderen Vertragsteils zu leisten ist, sei es aus dem ihm zufließenden Gewinn, wenn dieser genügend hoch ist, sei es ohne irgendwelchen Zusammenhang mit diesem Gewinn. Auf jeden Fall muß im Endergebnis die Vereinbarung so 1661

§304

Unternehmensverträge

Anm. 2

lauten, daß die Ausgleichszahlung nicht von dem Gewinnergebnis oder gar von etwaigen Gewinnverwendungsbeschlüssen, die es ja beim Gewinnabführungsvertrag nicht mehr geben kann, abhängig ist. Alles dies hat aber nicht zwingend zur Folge, daß sich der andere Vertragsteil unmittelbar verpflichten müßte. Eine weitere Frage ist, ob er dies tun kann und ob in diesem Fall die Gesellschaft von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung frei wird. Bedenken könnten sich daraus ergeben, daß ein Schuldnerwechsel nur mit Zustimmung des Gläubigers möglich ist. Andererseits unterliegt der Vertrag der Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaft. Es ist deshalb zu prüfen, ob nicht das allgemeine Gestaltungsrecht, das die Mitgliedschaft eines Gesellschafters in ihrem Wesen erheblich beeinflussen kann, durch Mehrheitsbeschlüsse, hier durch qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse, nicht dahin durchgreift, daß die Gesellschaft selbst ganz als Schuldner ausscheiden kann. Das ist u. E. zu verneinen. Die Gesellschaft selbst bleibt Schuldner. Sollte sie nicht in der Lage sein, ihrer Verpflichtung nachzukommen, bleibt es dem einzelnen Aktionär unbenommen, den Anspruch seiner Gesellschaft gegen den anderen Vertragsteil zu pfänden. Allerdings wird zu prüfen sein, ob, wenn der Aktionär den Anspruch seiner eigenen Gesellschaft pfändet, er auf diese Weise wieder Zahlungen erlangt unter Beeinträchtigung der Substanz der Gesellschaft, also wieder gegen den § 57 verstößt. Da der Anspruch auf Ausgleichszahlung ein Forderungsanspruch schlechthin ist, der weder an Gewinn noch an einen Gewinnverwendungsbeschluß gebunden ist, müßte an sich der Anspruch gegen die Gesellschaft trotz § 57 vollstreckbar sein. Auf diese Weise käme es zu einer Gefährdung der Substanz der Gesellschaft und damit auch des Substanzwerts der Aktie, die ja nach wie vor im Besitz des Aktionärs bleibt. Trotzdem ergibt sich aus der ganzen Konstruktion, daß der Aktionär nur über eine Geltendmachung der Ansprüche seiner Gesellschaft auf Ausgleichszahlung gegen den anderen Vertragsteil zum Ziele kommen kann. Die Gefährdung der Substanz wird jedoch dadurch weitestgehend kompensiert, daß die Gesellschaft einen Ersatzanspruch gegen den anderen Vertragsteil hat. Die sogenannte Dividendengarantie spielte schon im bisherigen Recht eine wesentliche Rolle, dabei auch die Frage, wer Schuldner einer solchen Garantie ist. Bereits nach bisherigem Recht hielt man eine sogenannte Dividendengarantie eines Dritten für zulässig. Derartiges kam aus verschiedenen Anlässen und in verschiedenen ihnen angepaßten Formen vor, gewöhnlich für die Dauer eines bestimmten Vertragsverhältnisses, aber auch unabhängig von einem solchen, zeitlich begrenzt anläßlich von Sacheinlagen, insbesondere von Erwerbsgeschäften, durch den Einleger, Interessengemeinschaften, auch anderen Konzernverhältnissen, sei es als Gegenleistung für die Überlassung des Betriebs eines Unternehmens, sei es durch den Mehrheitsaktionär, um da1662

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§304 Anm. 2

mit die Freiheit des Schaltens und Waltens zu erkaufen, gelegentlich auch anläßlich des Verkaufs eines Mehrheitspaketes auf Verlangen des bisherigen Besitzers (Emissionshaus) zum Schutz der Minderheitsaktionäre (z. B. R G 147, 42). In jedem einzelnen Fall ist der Umfang der Garantieverpflichtung Auslegungsfrage (s. R G a. a. O.). Gewöhnlich tritt die Garantie in zwei Formen auf, weitergehend als Rentabilitätsgarantie oder weniger weitgehend als Rentengarantie (Dividendengarantie im engeren Sinne). Eine sogenannte Rentabilitätsgarantie kann begriffsmäßig beim Vorliegen eines GewinnabführungsVertrages nach § 291 nicht in Frage kommen, wohl aber wäre sie denkbar bei einem Beherrschungs vertrag. Sie besteht darin, daß der Garant einem anderen Unternehmen einen bestimmten Gewinn nach Vornahme aller notwendigen Abschreibungen, deren Höhe gewöhnlich und zweckmäßigerweise vereinbart wird, Deckung aller Kosten einschließlich der Steuern und aller etwaigen Verluste gewährleistet. Ist damit die Zusage verbunden, daß der Gewinn auch zu bestimmten satzungsmäßigen Rücklagen oder bestimmten Dividendenausschüttungen ausreichen müsse, so ist noch weiter der zur vorgeschriebenen Abführung in die gesellschaftliche Rücklage ausreichende Betrag mit garantiert. Die Aktionäre erwerben bei diesem Garantieversprechen keinen eigenen Anspruch, weder gegen den Garanten noch gegen die AG. Letztere stellt vielmehr einen Jahresabschluß nach §§ 148 ff. auf. Hiernach bemißt sich der Dividendenanspruch des Aktionärs, der nach § 174 einen Gewinn Verwendungsbeschluß voraussetzt. Ein Konkurs der Garantieempfängerin kann, solange der Garant zahlungsfähig ist, nicht eintreten, scheidet also als Grund f ü r Beendigung der Garantie aus. Bei der Dividendengarantie im engeren Sinne oder Rentengarantie, wie sie früher genannt wurde und wie sie jetzt etwa dem Ausgleichsanspruch entspricht, beschränkt sich die Zusage auf die Zahlung einer fest bestimmten Dividende an die Aktionäre der Garantieempfängerin. Auch hier sind viele Abwandlungen möglich, insbesondere kann es eine Dividendenergänzungsgarantie sein, wenn ein Beherrschungsvertrag vorliegt. Für Unkosten, Verluste, Rüdilagen braucht hier der Garant nicht einzustehen. Die Garantie ist also ziffernmäßig begrenzt. Durch eine Kapitalerhöhung kann sie nicht erweitert werden, es sei denn, daß abweichende Vereinbarungen ausdrücklich getroffen sind oder durch Auslegung ermittelt werden können; die jungen Aktien nehmen an der Garantie nicht teil. Umgekehrt kommt eine Kapitalherabsetzung dem Garanten nicht zugute (s. R G 147, 42). In allen Fällen hat auch die Garantieempfängerin einen eigenen Erfüllungsanspruch gegen den Garanten (§ 335 BGB). Dieser kann Einwendungen und Einreden aus dem Garantievertrag auch den Aktionären entgegensetzen (§ 334 BGB). Für die Verjährung eines Anspruchs des Aktionärs aus der Garantie hat zu gelten, daß es sich nicht um einen Anspruch „aus dem" Dividendenschein handelt. 1663

§304

Unternehmensverträge

Anm. 2

Trotzdem ist § 801 BGB unbedenklich entsprechend anwendbar, anderenfalls wäre § 197 BGB einschlägig. Das Gesetz geht auch hier vom Grundsatz der Vertragsfreiheit aus. Es überläßt deshalb auch die Gestaltung des Ausgleichsanspruchs im einzelnen den Vertragsschließenden, insbesondere auch darüber, ob ein unmittelbarer Anspruch des Aktionärs gegen den anderen Vertragsteil zur Entstehung gelangen soll oder ob nur ein Anspruch des Aktionärs gegen seine Gesellschaft erwächst. Wir sind der Auffassung, daß die Vertragsfreiheit dahin begrenzt ist, daß die Ausgleichszahlung im Endergebnis nicht aus der Substanz der Gesellschaft geleistet werden darf, denn das ergibt sich aus der Tatsache, daß die Ausgleichszahlung ein Ersatz für die wegfallende Gewinnverteilung sein soll. Daraus wieder ergibt sich, daß die Substanz, die durch die Aktie verkörpert wird, nicht angegriffen werden kann. Es wäre sonst möglich, dem verbleibenden Aktionär über die Ausgleichszahlung zwar eine Dividende zu gewähren, aber zu Lasten der ihm selbst gehörenden Substanz. Die Frage ist, ob, wenn eine solche Vereinbarung vorliegt, man davon ausgehen muß, daß ein Vertrag vorliegt, der im Sinne des Abs. 3 überhaupt keinen Ausgleich vorsieht und damit nichtig ist oder ob es sich um einen Vertrag handelt, bei dem der Ausgleich unangemessen ist, der also gültig ist, wobei aber eine anderweitige Festsetzung des Ausgleichs durch das Gericht erfolgen kann. Wir sind der Auffassung, daß ein Ausgleich, der vollständig aus der Substanz der Gesellschaft entnommen werden soll, überhaupt kein Ausgleich im Sinne des Abs. 1 ist, so daß ein solcher Vertrag nichtig wäre. Ist er nur zum Teil von der Gesellschaft, zum anderen Teil von dem anderen Vertragspartner zu zahlen, so kommt nur der letztere Teil für die Beantwortung der Frage in Betracht, ob der Ausgleich angemessen ist. Im allgemeinen wird das nicht der Fall sein, so daß dann der Vertrag gültig ist, aber das Gericht nach Abs. 3 angerufen werden kann. Da sich der Anspruch auf Ausgleichszahlung nicht aus dem Mitgliedschaftsrecht als solchem ergibt, sondern ein Anspruch aufgrund des Unternehmensvertrages ist, der lediglich insofern mit der Aktie noch etwas zu tun hat, als er nur beansprucht werden kann von dem jeweiligen Inhaber der Aktie, kann eine Pfändung, die sich auf den Dividendenanspruch bezogen hat, nicht mehr zum Tragen kommen, wenn die Dividende wegfällt und durch Abschluß eines Unternehmensvertrages ein Ausgleichsanspruch entsteht. Es handelt sich, gleichgültig, ob der Garant unmittelbar Schuldner wird oder ob die Gesellschaft Alleinschuldnerin bleibt, immer um einen neuen Anspruch, der erneut ver- oder gepfändet werden muß. Das hat zur Folge, daß möglicherweise ein anderer Gläubiger des Aktionärs den Ausgleichsanspruch pfändet, bevor der alte Gläubiger ein neues Pfandrecht erhalten hat. In diesem Falle würde der neue Gläubiger, falls dem alten die Dividendenbogen übergeben worden sind, Anspruch auf Herausgabe der Dividendenbogen 1664

Angemessener Ausgleich

§304

Anm. 2,3

haben, wenn nach den getroffenen Vereinbarungen die Zahlung des Ausgleichsanspruches auf die Dividendenscheine erfolgt. 2. bei Bekerrschungsvertrag ohne Gewinnabführungsvertrag Anm. 3: In diesem Fall besteht der angemessene Ausgleich in der Garantierung eines „bestimmten jährlichen Gewinnanteils". Hier behält also der grundsätzliche Anspruch des Aktionärs aus seiner Mitgliedschaft auf Gewinn seinen bisherigen Charakter bei. Das bedeutet, daß die Gesellschaft einen entsprechenden Gewinn ausweisen muß und daß ein Gewinnverwendungsbeschluß zu erfolgen hat. Allerdings ist die Hauptversammlung der Gesellschaft in der Gewinnverwendung aus der Natur der Sadie heraus und mit Rücksicht auf den abgeschlossenen Unternehmensvertrag beschränkt. Der zu garantierende jährliche Gewinnanteil ist seiner Höhe nach so zu bemessen, daß er als angemessener Ausgleich anzusehen ist (vgl. unten Anm. 5 u. 6). Als Ausgleichszahlung ist nach Abs. 2 der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten anzunehmende Betrag anzusetzen. Dabei sind angemessene Abschreibungen und Wertberichtigungen zu berücksichtigen, nicht aber die Bildung freier Rücklagen, d. h. also, es muß, um die Angemessenheit des Betrages zu ermitteln, von dem Jahresüberschuß, wie er sich unter Anwendung des § 1571 Posten 1 bis 28 ergeben würde, ausgegangen werden. Dieser so ermittelte Durchsdinittsgewinn soll aber auch zur Verteilung kommen; das bedeutet, daß die Verwaltung der Gesellsdiaft nicht etwa über die Hälfte des ihr vom Garanten zugewiesenen Betrages dadurch verfügen kann, daß sie ihn in freie Rücklagen einstellt. Vielmehr ist die Gesellsdiaft verpflichtet, den Betrag, den sie zur Aufstockung des Gewinnanteils erhält, auch zur Ausschüttung zu verwenden. Es ist in der Praxis schon deshalb problemlos, weil durch den Beherrschungsvertrag dem Vorstand der abhängigen Gesellsdiaft jedenfalls schon unmittelbar eine Anweisung erteilt werden kann aufgrund der dem herrschenden Unternehmen nach § 308 zustehenden Leitungsmacht. Theoretisdi denkbar wäre ein Beschluß der Hauptversammlung, mit dem eine Zuweisung in die Rücklagen erfolgt. Ein solcher Beschluß könnte mit den Stimmen des herrschenden Unternehmens leicht zustande kommen, ist aber unzulässig, weil das herrschende Unternehmen sich im Beherrschungsvertrag verpflichtet hat, für die außenstehenden Aktionäre einen Gewinnanteil in der im Vertrag festgelegten Höhe sicherzustellen. Da es dieser Verpflichtung nachkommen muß, kann es vernünftigerweise nicht zu einem solchen Beschluß kommen. Würde er dennoch gefaßt, so müßte das die Dividende garantierende Unternehmen zusätzliche Zahlungen leisten. Da das Gesetz immer nur eine Mindestforderung aufstellt, wäre dies zulässig. Es wäre durdiaus denkbar, daß trotz Vorliegens eines Beherrschungsvertrages 1665

§304

Anm. 3—5

Unternehmensverträge

vereinbart wird, daß ein bestimmter Teil des tatsächlich erzielten Gewinnes in offene Rücklagen der Gesellschaft einzustellen ist, wie überhaupt der Anwendung des § 58, auch bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nichts entgegensteht; nur muß immer der auszuschüttende Betrag, und zwar nur der an die außenstehenden Aktionäre, nicht etwa an den Hauptaktionär, zur Ausschüttung zur Verfügung stehen. Was darüber hinaus etwa zur Erhaltung der Substanz des Mitgliedschaftsrechtes geschieht, geht zwar über das gesetzlich notwendige Maß hinaus, ist aber durchaus zulässig, ja im Sinne des Gesetzgebers durchaus erwünscht. Solche Verlagerung in eine abhängige Gesellschaft könnte aus steuerlichen oder aus allgemein wirtschaftlichen Gründen durchaus sinnvoll sein. Sie wird vom Gesetz deshalb nicht ausgeschlossen. 3.

Ausgleichsberechtigte

Anm. 4: Der angemessene Ausgleich ist für die außenstehenden Aktionäre vorzusehen. Der Begriff des außenstehenden Aktionärs ist im Gesetz nicht definiert. Grundsätzlich sind dies alle Aktionäre, die nicht Vertragsteil sind und deren Vermögen nicht mit dem Vermögen des anderen Vertragsteils eine wirtschaftliche Einheit bilden. Hat z. B. ein Aktionär 26 °/o der Aktien im Eigenbesitz und befinden sich 74 °/o der Aktien im Besitz des „anderen Vertragsteils", der vom gleichen Aktionär durch eine 100 %ige Beteiligung beherrscht wird, so ist dieser mit seinen 26 °/o nicht etwa „außenstehender Aktionär" (so Brauksiepe in BB 66, 146). Andererseits verliert ein Aktionär nicht dadurch seine Stellung als „außenstehender Aktionär", daß er bei beiden Vertragsteilen unmaßgeblich beteiligt ist und dadurch über seine Beteiligung am „anderen Vertragsteil" einen Teil des abgeführten Gewinns erhält. Maßgebend ist, ob durch den Gewinnabführungsvertrag den Aktionären wirtschaftlich Gewinn entzogen oder ob durdi den Beherrschungsvertrag eine wirtschaftliche Gefährdung des Gewinns eintritt (vgl. Anm. 4 zu § 295). III. Hohe der Ausgleichszahlungen 1. Allgemeines Anm. 5: Für die Art der Berechnung der Höhe eines angemessenen Ausgleichs muß unterschieden werden, ob die Ausgleichszahlung mit einem festen wiederkehrenden Betrag erfolgt oder ob der Ausgleich durch Koppelung mit der Dividende des anderen Vertragsteils vorgenommen wird. Letzteres ist nur denkbar, wenn der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien ist. Die Berechnungsgrundlage ist insofern unterschiedlich, als im ersten Fall von der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten ausgegangen werden muß. Was darunter im einzelnen zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht, ins1666

Angemessener Ausgleich

§304

Anm. 5

besondere wird kein fester Zeitraum genannt, weder für die zurückliegende noch für die bevorstehende Zeit. All dies bleibt der Rechtsprechung überlassen (vgl. hierzu Zartmann in die AktGes. 1964, 87 bis 91, 118 bis 120). Bei der Ermittlung, welche Ausgleichszahlung als angemessen anzusehen ist, kommt es ausschließlich auf die bisherige Ertragslage und die künftigen Ertragsaussichten der Gesellschaft an. Eine Ermittlung des Substanzwertes der Gesellschaft scheidet also aus. Über die bisherige Ertragslage der Gesellschaft liegen immer konkrete Unterlagen vor. Wie diese zu verwerten sind, sagt das Gesetz nicht. Es bestimmt also nicht etwa, daß die letzten 5 Jahre heranzuziehen sind und daraus ein Durdischnittsbetrag zu bilden wäre. Es ist in der Tat auch gar nidit möglich, weil der Ertrag eines jeden Jahres genau unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden muß, so, ob er im wesentlichen das Betriebsergebnis ist oder ob etwa durch außerordentliche Erträgnisse oder Belastungen der Jahresabschluß beeinflußt worden ist. Das Gesetz sagt hierzu, daß angemessene Abschreibungen und Wertberichtigungen zu berücksichtigen sind, dagegen nidit etwa die Beträge abzugsfähig sind, die zur Bildung freier Rüdciagen verwandt wurden. Diese gehören zum Ertrag. Neben den ausgeworfenen offenen Rücklagen sind hierbei auch die stillen Rücklagen zu berücksichtigen. Auch diese sind Ertrag. Sie für die Vergangenheit festzustellen, ist schon deswegen wichtig, weil sich erst nach einem berichtigten Ertragsergebnis für die Vergangenheit mit einiger Sicherheit die künftigen Ertragsaussichten bestimmen lassen. Die Anhaltspunkte, die das Gesetz gibt, sind nur geringfügig. Man wird aber mit Zartmann (a. a. O., S. 118) sagen können, daß die vom Gesetz gegebenen Normen jedem wirtschaftlichen Sachverständigen so geläufige, eindeutige Begriffe sind, daß er sie unschwer bei dem von ihm abzugebenden Votum verwerten kann. Dagegen kann Zartmann nidit gefolgt werden, wenn er ausführt, daß maßgebend ist, was die Gesellschaft als verteilbaren Gewinn erwirtschaften könnte, und zwar deswegen nicht, weil bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs die Bildung freier Rücklagen außer Betracht zu bleiben hat, während die Gesellschaft, wenn sie als freie Gesellschaft weiter tätig wäre, in aller Regel freie Rücklagen bilden müßte. Der Ausgleichsanspruch wird, wenn man einmal gleichbleibende Ertragsaussiditen der Gesellschaft unterstellt, höher sein als die bisherige Dividendenzahlung. In der Regierungsbegründung wird diese Regelung damit gerechtfertigt, daß bei Unternehmen, die ihren ganzen Gewinn abführen oder ihre Geschäfte nach den Weisungen eines anderen zu führen haben, häufig nicht mit der Bildung freier Rüdilagen gerechnet werden kann. Das ist durchaus zutreffend; man muß sich aber darüber klar sein, daß in der Ausgleichszahlung insoweit nicht nur ein Entgelt für die sonst zu erwartende Dividende steckt, sondern auch eine Ausgleichszahlung dafür, daß der Substanzwert des Unternehmens gefährdet oder sogar herabgesetzt wird, denn die Bildung 1667

§304

Anm. 5,6

Unternehmensveriräge

von Rücklagen gehört nun einmal zur ordnungsgemäßen Erhaltung des Substanzwertes. Wenn das Gesetz davon ausgeht, daß diese Rüdciagen nicht mehr bei derartigen Organschaftsverträgen gebildet werden, dann erhält der Aktionär mit der Auszahlung des Ausgleichsanspruches in der Tat eine gewisse Entschädigung für diesen Substanzverlust seiner Gesellschaft. Auch hier entsteht die Frage, ob nicht ein Verstoß gegen § 57 vorliegt. Das ist zu verneinen, denn § 304 geht als Sondervorschrift vor. Sie ist insoweit aber in der Tat eine Ausnahme vom Grundsatz des § 57. Die Bestimmung des Abs. 2 S. 1 über die Errechnung der angemessenen Ausgleichszahlung bezieht sich auf beide Arten des Ausgleiches, sowohl auf die beim Gewinnabführungsvertrag vorgeschriebene Ausgleichszahlung, als auch auf die beim Beherrschungsvertrag ohne Verpflichtung zur Gewinnabführung vorgeschriebene Dividendengarantie. Im ersten Fall ist festzulegen, welcher Betrag auf jede Aktie entfällt. Im zweiten Fall muß zunächst dies auch festgestellt werden, alsdann wird jedoch die Dividendengarantie in der Regel wie üblich in einem Prozentsatz zum Aktiennennbetrag ausgedrückt. Dieser muß dann jeweils in der absoluten Zahl wieder mindestens den Betrag ergeben, der sich aus Abs. 2 S. 1 errechnet. 2. Vom Gewinn des anderen Vertragsteils abhängige Ausgleichszahlung Anm. 6: Wenn der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, so kann die Ausgleidiszahlung vom Gewinn dieser Gesellschaft abhängig gemacht werden. Die Berechnung der Höhe der Ausgleichszahlung ist dann jedoch eine andere als in Abs. 2 S. 1. Es kommt nicht allein auf die bisherige Ertragslage und die künftigen Ertragsaussichten der Gesellschaft an, sondern hier ist maßgebend der Wert der Aktien beider Gesellschaften. Im Gesetz wird das in der Weise ausgedrückt, daß zunächst bestimmt wird, als Ausgleichszahlung könne die Zahlung des Betrages zugesichert werden, der auf Aktien der anderen Gesellschaft mit mindestens dem entsprechenden Nennbetrag jeweils als Gewinnanteil entfällt. Der entsprechende Nennbetrag bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der anderen Gesellschaft zu gewähren wären. Da die Bestimmungen über die Verschmelzung nichts Besonderes über die Art, wie die Bewertung der Aktien bei der Gesellschaft zu erfolgen hat, enthalten, gelten die bisher von der Rechtsprechung und Rechtslehre herausgearbeiteten Grundsätze. Diese laufen darauf hinaus, daß die Vermögens- und die Ertragslage beider Gesellschaften miteinander verglichen und danach das Umtauschverhältnis festzusetzen ist. Die gleiche Bewertungsvorschrift befindet sich bei der Abfindung nach § 305 dort in Abs. 3, (siehe dort Anm. 3 u. 4). Wenn sich beispielsweise ergibt, daß das Umtauschverhältnis der Aktien der herrschenden Gesellschaft zur abhängigen Gesellschaft 2 : 1 betragen 1668

Angemessener Ausgleich

§304

Anm. 6 , 7

würde, so könnte die Bestimmung über die Ausgleichszahlung dahin lauten, daß die Ausgleichszahlung auf jede Aktie die Hälfte von dem Betrag beträgt, die auf eine Aktie der herrschenden Gesellschaft gezahlt wird. Diese Bestimmung gilt sowohl für Gewinnabführungsverträge als auch für Beherrschungsverträge. Handelt es sich um einen Gewinnabführungsvertrag, so bleibt die Ausgleichszahlung das, was sie auch sonst ist, nämlich eine Forderung auf Zahlung einer Summe, die allerdings nicht wie sonst ein für allemal festliegt, sondern deren Höhe sich nach den Ausschüttungen der herrschenden Gesellschaft richtet. Es bleibt aber dabei, daß es sich nicht um einen Gewinnanspruch des Aktionärs handelt, sondern um eine gewöhnliche Forderung, deren Grundlage der Unternehmensvertrag ist, und deren Höhe sich lediglich nach den Beschlüssen einer anderen Gesellschaft, nicht der Gesellschaft des Aktionärs richtet. Liegt ein Beherrsdiungsvertrag vor, ohne daß die Abführung des ganzen Gewinnes vereinbart ist, so behält der Anspruch auf Ausgleich seinen Charakter als Dividendengarantie. Der Aktionär hat gegen seine Gesellschaft den Anspruch auf Auszahlung einer Dividende, wobei sich die Höhe des Anspruches nach dem zugesicherten Teil der Dividende der herrschenden Gesellschaft richtet. Da es sich bei der Ausgleidiszahlung immer nur um einen Mindestbetrag handelt, könnte es theoretisch vorkommen, daß der Gewinnanspruch gegen die eigene Gesellschaft höher ist als der Betrag, der sich aus der Zusicherung des bestimmten Teils der auf jede Aktie der herrschenden Gesellschaft entfallenden Dividende ergibt. Wenn das vorkommen sollte, hätte der Aktionär Ansprudi auf den ihm nach dem Jahresabschluß seiner Gesellschaft und dem Gewinnverwendungsbeschluß zustehenden Betrag. Praktisch bleibt es aber reine Theorie, denn bei einem Beherrschungsvertrag bestimmt die herrschende Gesellschaft, welcher Betrag zur Ausschüttung gelangt, sie kann spätestens in der Hauptversammlung jeden Betrag in die Rücklage einstellen und so der Ausschüttung entziehen. In einem solchen Fall würde sie das aller Voraussidit nach tun. IV. Fehlen des Ausgleichsanspruches

1. Allgemeines Anm. 7: Da die Festsetzung der Ausgleichszahlung im Unternehmensvertrag dem Schutz der außenstehenden Aktionäre dient, bedarf es einer solchen Festsetzung nidit, wenn außenstehende Aktionäre nicht vorhanden sind. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt der Beschlußfassung der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft über den Vertrag (vgl. § 307). Sind außenstehende Aktionäre zu diesem Zeitpunkt vorhanden, so ist ein Vertrag, der keinen Ausgleich vorsieht, nichtig. Er würde auch dann nicht geheilt, wenn z.B. zwischen dem im Gesetz vorgeschriebenen Zeitpunkt der Hauptver1669

§304

Anm. 7

Unternehmensverträge

Sammlung, die über den Vertrag Beschluß faßt, und der Anmeldung zum Registergericht die letzten Aktien außenstehender Aktionäre in den Besitz des anderen Vertragsteils kämen. Unter außenstehenden Aktionären sind grundsätzlich alle diejenigen zu verstehen, die nicht Partner des Unternehmensvertrages sind. Der Kreis muß jedoch enger gezogen werden. Dabei kommt es darauf an, in welchen Beziehungen der Aktionär zum Vertragspartner der Gesellschaft steht. Sicherlich wird man eine Gesellschaft, die sich selbst dem Vertragspartner in ihrer Leitung durch einen Beherrschungsvertrag unterstellt hat, nicht als außenstehenden Aktionär bezeidinen können. Aber auch weitergehend wird man annehmen müssen, daß alle zum Konzern des Vertragspartners gehörigen Gesellschaften nicht als außenstehende Aktionäre im Sinne der Vorschriften des 3. Buches angesehen werden können. D a das Wesen des Konzerns die einheitliche Leitung ausmadit, sind alle zu einem Konzern zusammengefaßten Unternehmen zum mindesten indirekt am Abschluß eines Unternehmensvertrages einer Konzerngesellschaft beteiligt. Im Unterordnungskonzern ist das besonders deutlich, wenn die herrschende Gesellschaft den Unternehmensvertrag mit einem bisher nicht zum Konzern gehörigen Unternehmen abschließt. D a s kann aber auch nicht anders sein, wenn eine von dieser Gesellschaft abhängige Gesellschaft den Unternehmensvertrag im eigenen N a m e n abschließt, denn dieser Abschluß kann aufgrund der von der herrschenden Gesellschaft ausgehenden Leitung mit deren Zustimmung erfolgt sein. Der Abschluß eines so wichtigen Geschäftes, wie es der Abschluß eines Unternehmensvertrages ist, gehört zu den typischen Konzernleitungsmaßnahmen, die von der jeweiligen Konzernleitung ausgehen, selbst wenn der unmittelbare Vertragspartner nur eine zum Konzern gehörige Gesellschaft ist. Deshalb scheint uns auch beim Gleidiordnungskonzern ( § 1 8 I I ) das gleiche zu gelten. Keines der im Konzern verbundenen Unternehmen ist als außenstehender Aktionär im Sinne der vorliegenden Vorschriften anzusehen. Ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (§ 16) ist ein außenstehender Aktionär, wenn das an ihm mit Mehrheit beteiligte Unternehmen einen Unternehmensvertrag schließt, denn § 16 setzt gerade voraus, daß kein beherrschender Einfluß des mit Mehrheit beteiligten Unternehmens auf das im Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen ausgeübt werden kann. Die nach § 17 I I in dieser Richtung bestehende Vermutung muß widerlegt sein, andernfalls fallen die beiden Unternehmen unter die Begriffe herrschendes und abhängiges Unternehmen. Auch wenn das im Mehrheitsbesitz befindliche Unternehmen Vertragspartner eines Unternehmensvertrages mit einer anderen Gesellschaft ist, gehört das mit Mehrheit an ihm beteiligte Unternehmen zu den außenstehenden Aktionären. Dies alles dürfte kaum streitig werden. Die Zweifel beginnen, wenn ein herrschendes und ein abhängiges Unternehmen einen Unternehmensvertrag mit einer anderen Gesellschaft 1670

Angemessener Ausgleich

§ 304 Anm. 7,8

schließen. Es ist kaum denkbar, daß ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluß dahin ausübt, daß eine von ihm abhängige Gesellschaft einen Unternehmensvertrag nach § 291 mit einer anderen Gesellschaft abschließt, denn damit würde diese Gesellschaft aus dem bisherigen Herrschaftsverhältnis entlassen. Dagegen wäre es denkbar, daß, wenn das herrschende Unternehmen durdi Abschluß eines Unternehmensvertrages einen Konzern mit einer anderen Gesellschaft bildet und die abhängige Gesellschaft nicht Mitglied dieses Konzerns wird, sondern ihre bisherige losere Verbindung mit der herrschenden Gesellschaft bestehenbleibt, diese also nicht irgendwelche Leitungsbefugnisse gegenüber der abhängigen Gesellschaft ausübt. Dennoch sind wir der Auffassung, daß auch eine nur abhängige Gesellschaft nicht als außenstehender Aktionär im Sinne dieser Bestimmungen zu behandeln ist, denn aus ihrer Abhängigkeit ergibt sich die Möglichkeit der Einflußnahme des herrschenden Unternehmens im Einzelfall. Ob ein solcher Einfluß tatsächlich ausgeübt wird, läßt sich schwer nachweisen, so daß im Interesse der Rechtssicherheit Gesellschaften, die von einem Konzernunternehmen abhängig sind, nicht als außenstehende Aktionäre angesehen werden können. 2. Folgen Anm. 8: Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, daß der Unternehmensvertrag nichtig ist, der überhaupt keinen Ausgleich vorsieht. Das Registergericht darf ihn infolgedessen nach § 294 nicht eintragen. Geschieht es doch, muß die Eintragung von Amts wegen gelöscht werden (vgl. auch § 294 Anm. 6; ebenso B.-H. Rn 10). Dabei muß es sich um einen Ausgleich im Sinne des Abs. 1 handeln. Es ist denkbar, daß ein Vertrag einen Ausgleich zwar formell vorsieht, dieser Ausgleich aber dem Wesen des in Abs. 1 bestimmten Ausgleiches widerspricht. Bereits oben in der Anm. 2 ist ausgeführt worden, daß ein Vertrag, der beispielsweise bei völliger Gewinnabführungsverpflichtung vorsieht, daß die Gesellschaft aus der Substanz einer Ausgleichszahlung an die Aktionäre zu leisten hat, nichtig wäre, weil er gegen § 57 verstoßen würde. Der Sinn der Ausgleichszahlung ist der, daß diese an Stelle einer Gewinnverteilung an die Aktionäre tritt. Wird der gesamte Gewinn der Gesellschaft an den anderen Vertragsteil abgeführt, so muß dieser wirtschaftlich die Ausgleichszahlung tragen, gleichgültig, ob er sich unmittelbar den Aktionären verpflichtet oder nur gegenüber der Gesellschaft. Geschieht das nicht, so ist ein Ausgleich im Sinne des Abs. 1 überhaupt nicht vorhanden und unserer Auffassung nach die Bestimmung des Abs. 3 S. 1 anzuwenden. Es handelt sich hierbei nicht um die Frage, ob der Ausgleich angemessen ist. Das kann zwar durchaus der Fall sein, aber es handelt sich hier darum, ob eine Ausgleichszahlung zu Lasten der gewinnabführungsverpflichteten Gesellschaft grundsätzlich zulässig ist. Dies möchten wir verneinen. 1671

§304

Anm. 9,10

Unternehmensverträge

V. Unangemessener Ausgleich 1. Allgemeines Anm. 9: Dagegen ist, wenn ein an sich möglicher Ausgleich im Sinne des Abs. 1 im Vertrag vorgesehen ist, dieser aber unangemessen ist, der Vertrag weder nichtig noch anfechtbar. Insbesondere kann auch der Beschluß, durch den die Hauptversammlung der Gesellschaft dem Vertrag selbst oder einer späteren Änderung zustimmt, nicht mit der Begründung angefochten werden, daß der im Vertrag bestimmte Ausgleich nicht angemessen sei. Hier wird also der Fall behandelt, daß der Ausgleich in der Art, wie er vereinbart ist, zulässig, aber der Höhe nach nicht angemessen ist. Der Einschränkung des Anfechtungsrechtes des Aktionärs gegen den Hauptversammlungsbeschluß, mit dem die Zustimmung zum Unternehmensvertrag mit mangelndem Ausgleich erteilt wird, steht gegenüber das Recht jedes Aktionärs, bei dem Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, den Antrag zu stellen, den vertraglich geschuldeten Ausgleich zu bestimmen. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß weder mit der Berufung auf die Bestimmungen des § 134 BGB für den Fall, daß der Ausgleich nicht angemessen ist, noch mit einer Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung gedient sein könne, weil in beiden Fällen der gesamte Vertrag und damit der Zusammenschluß der Unternehmen rückwirkend vernichtet würden. Das Interesse der außenstehenden Aktionäre liegt, wenn die Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit an sich den Unternehmensvertrag genehmigt hat, entscheidend darin, daß der Ausgleichsanspruch, ebenso wie die Abfindung nach § 305 in angemessener Höhe festgesetzt und insbesondere in ihrem rechtlichen Bestand nicht gefährdet werden. 2. Antragsrecht auf Bestimmung des Ausgleichs Anm. 10: Antragsberechtigt ist jeder außenstehende Aktionär, gleichgültig, ob er in der Hauptversammlung dem Unternehmensvertrag zugestimmt oder ob er ihn abgelehnt hat. Er braucht auch nicht wie sonst beim Anfechtungsrecht etwa Widerspruch zu Protokoll zu erklären. Daß auch der dem Unternehmensvertrag zustimmende Aktionär das Antragsrecht auf Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs hat, ergibt sich daraus, daß es nicht darum geht, den Unternehmensvertrag zu Fall zu bringen, sondern ihn evtl. in der Höhe der Ausgleichszahlung zu verändern. Es ist also kein Widerspruch in der Zustimmung zum Unternehmensvertrag einerseits und zum Antrag auf Festsetzung eines höheren Ausgleiches andererseits. Ähnlich wie die Anfechtung kann auch der Antrag nur innerhalb einer gewissen Frist, und zwar von 2 Monaten seit dem Tage gestellt werden, an dem die Eintragung des Bestehens des Vertrags im Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuches als bekanntgemacht gilt. Die Frist beginnt also nicht 1672

Angemessener Ausgleich

§304

Anm. 10,11

mit dem Wirksamwerden des Vertrages, das ist der Zeitpunkt, in dem sein Bestehen in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. Maßgebend ist vielmehr die Bekanntmachung der Eintragung. Diese gilt als erfolgt mit dem Ablauf des Tages, an welchem das letzte der die Bekanntmachung enthaltenden Blätter erschienen ist. Die Bekanntmachung erfolgt nach § 10 HGB durch das Gericht in den für seine Bekanntmachung bestimmten Blättern, nicht etwa in den Blättern, in denen die Bekanntmachung der Gesellschaft zu erfolgen hat. Das gleiche gilt, wenn eine Änderung des Vertrages, und zwar der Bestimmungen, die zur Leistung eines Ausgleiches an die außenstehenden Aktionäre der Gesellschaft oder zum Erwerb der Aktien verpflichten, vorgenommen wird (§ 292 II). Bezieht sich eine solche Änderung ausschließlich auf die Ausgleichszahlung, so könnte es zweifelhaft erscheinen, ob ein Aktionär, der in der Hauptversammlung der Änderung zugestimmt hat, den Antrag beim Gericht auf Bestimmung des Ausgleiches noch stellen kann. Anders als bei der Zustimmung zum gesamten Vertrag würde hier ein offener Widerspruch zwischen seinem Verhalten in der Hauptversammlung und dem darauffolgenden Antrag bestehen. Trotzdem sind wir der Auffassung, daß nach den gesetzlichen Bestimmungen auch in diesem Fall das Antragsrecht gegeben bleibt. 3. Grenzen der gerichtlichen Entscheidung Anm. 11: Nur dann, wenn der im Vertrag bestimmte Ausgleich nicht angemessen ist, hat das Gericht den vertraglich geschuldeten Ausgleich zu bestimmen. Kommt es zu dem Ergebnis, daß der im Vertrag angebotene Ausgleich angemessen ist, so hat es den Antrag zurückzuweisen. Das gilt insbesondere dann, wenn es zu der Auffassung gelangt ist, daß der angebotene Ausgleich höher ist, als er nach dem Gesetz sein müßte. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, daß dies ein in anderer Richtung hin unangemessener Ausgleich sei, und daß deshalb die Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs vom Gesetz erfolgen müßte. Das ist aber nicht der Sinn der gesetzlichen Bestimmung, die zum Schutz der außenstehenden Aktionäre geschaffen ist (ebenso B.-H. Rn 13). Wenn der andere Vertragsteil einen besonders günstigen Ausgleichsanspruch den außenstehenden Aktionären zubilligt, so kann es sein, daß sich die Geschäftsleitung dieses Unternehmens ihren Gesellschaftern verantwortlich macht. Das ist aber keine Frage, die hier von dem anzurufenden Gericht entschieden werden soll. Unter angemessenem Ausgleich ist ein Ausgleich zu verstehen, der mindestens der Höhe nach den Bestimmungen des Abs. 2 entspricht. Es kann aber sein, daß ein höher liegender Betrag nach den besonderen Umständen des Falles „angemessen" ist (so B.-H. R n l l ) . Praktisch läuft dies darauf hinaus, daß eine Änderung des angebotenen Ausgleiches zuungunsten der Aktionäre durch die Anrufung des Gerichtes niemals erfolgen kann. 1673

§ 304 Anm. 11,12

Unternehmensverträge

Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß der im Vertrag angebotene Ausgleich nicht angemessen ist, so hat es selbst unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Abs. 2 den angemessenen Ausgleich zu bestimmen. Dabei ist es an die im Vertrag vorgesehene Bemessungsform gebunden. Sieht der Vertrag nach Abs. 2 S. 1 eine feste Ausgleichszahlung vor, so muß auch das Gericht eine solche bestimmen. Bestimmt sich die Ausgleichszahlung nach der vom anderen Vertragsteil auszuschüttenden Dividende (Abs. 2 S. 2), dann muß sich das Gericht bei der Bestimmung des angemessenen Ausgleichs daran halten. Es kann nicht auf die andere Art, in diesem Fall auf eine Ausgleichszahlung gleichbleibender fester Beträge, übergehen. Vgl. im übrigen § 306 und die dortigen Anmerkungen. VI. Kündigungsrecht des anderen Vertragsteils Anm. 12: Nach Abs. 5 wird dem anderen Vertragsteil die Möglichkeit zur Kündigung des Vertrages ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist binnen 2 Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung zugebilligt, wenn das Gericht den Ausgleich bestimmt. Aus der Fassung dieser Bestimmung kann man bereits ersehen, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß die Bestimmungen eines niedrigeren Ausgleichs, als im Vertrag angeboten, überhaupt nicht möglich ist, denn sonst hätte logischerweise das Kündigungsrecht des anderen Vertragsteils nur dann gegeben werden dürfen, wenn die Bestimmung des angemessenen Ausgleichs höher ausfällt als der angebotene. Nach dem vorstehend unter Anm. 11 Ausgeführten erfolgt überhaupt eine Bestimmung der Ausgleichszahlung durch das Gericht nur, wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, daß diese höher sein muß als im Vertrag angeboten. Deshalb bedurfte es hier also auch keines besonderen Hinweises. Vielmehr muß in allen Fällen, in denen es überhaupt zu einer durch das Gericht erfolgten Bestimmung des Ausgleichs kommt, der andere Vertragsteil erwägen können, ob er unter diesen Umständen mit Rücksicht auf die durch die Festsetzung des Gerichtes für ihn entstehende Mehrbelastung den Vertrag fortsetzen will. Er muß sein Kündigungsrecht innerhalb von 2 Monaten ausüben, damit die Feststellung, ob der Vertrag endgültig wirksam bleibt, nicht über Gebühr hinausgezogen wird. Über die Auswirkungen der Kündigung sagt das Gesetz nichts. Die Kündigung wirkt ex nunc und es besteht nach der Kündigung keine Übernahmeverpflichtung mehr, da diese in dem Beherrschungsvertrag begründet und dieser mit der Kündigung weggefallen ist. Hinsichtlich einer ausgesprochenen Dividendengarantie hat dies zur Folge, daß bis zur Kündigung die Dividenden auszuzahlen sind, und zwar in der vom Gericht festgesetzten Höhe. Schwierigkeiten treten jedoch auf im Falle der Abfindung nach § 305, soweit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Abfindung und ins1674

Abfindung

§§304/305

Anm* 12,13

besondere ein Umtausch bereits erfolgt sind. Diese sind nach den im Beherrschungsvertrag angegebenen Bedingungen durchgeführt worden, während durch die gerichtliche Entscheidung diese Bedingungen als von Anfang an unangemessen angesehen worden sind und die vom Gericht festzusetzenden Bedingungen als von Anfang an gültig anzusehen sind (siehe im einzelnen zu dieser Problematik Flume in D B 1969,1047 ff.). VII. Übergangsbestimmungen Anm. 13: Nach § 22 E G finden auf vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ( 1 . 1 . 66) abgeschlossene Unternehmensverträge die Bestimmungen über den Schutz der Gesellschaft und ihrer Gläubiger Anwendung (§§ 300 bis 303), so daß diese auch dann gelten, wenn der Vertrag keine oder abweichende Bestimmungen enthält. Keine Anwendung finden die Bestimmungen über den notwendigen Inhalt von Unternehmensverträgen zum Schutz der außenstehenden Aktionäre (§§ 304 bis 307), so daß deren Fehlen die Unwirksamkeit dieser Verträge nicht zur Folge haben kann (s. im einzelnen Vorbem. zu §§ 291—328 Anm. 15).

§ 305 Abfindung (1) Außer der Verpflichtung zum Ausgleich nach § 304 muß ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. (2) Als Abfindung muß der Vertrag, 1. wenn der andere Vertragsteil eine nidit abhängige und nicht in Mehrheitsbesitz stehende Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Sitz im Inland ist, die Gewährung eigener Aktien dieser Gesellschaft, 2. wenn der andere Vertragsteil eine abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien und das herrschende Unternehmen eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Sitz im Inland ist, entweder die Gewährung von Aktien der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft oder eine Barabfindung, 3. in allen anderen Fällen eine Barabfindung vorsehen. (3) Werden als Abfindung Aktien einer anderen Gesellschaft gewährt, so ist die Abfindung als angemessen anzusehen, wenn die Aktien in dem 1675

§305

Anm. 1

Unternehmensverträge

Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der anderen Gesellschaft zu gewähren wären, wobei Spitzenbeträge durch bare Zuzahlungen ausgeglichen werden können. Die angemessene Barabfindung muß die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen. (4) Die Verpflichtung zum Erwerb der Aktien kann befristet werden. Die Frist endet frühestens zwei Monate nach dem Tage, an dem die Eintragung des Bestehens des Vertrags im Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs als bekanntgemacht gilt. Ist ein Antrag auf Bestimmung des Ausgleichs oder der Abfindung durch das in § 306 bestimmte Gericht gestellt worden, so endet die Frist frühestens zwei Monate nach dem Tage, an dem die Entscheidung über den zuletzt beschiedenen Antrag im Bundesanzeiger bekanntgemacht worden ist. (5) Die Anfechtung des Beschlusses, durch den die Hauptversammlung der Gesellschaft dem Vertrag oder einer unter § 295 Abs. 2 fallenden Änderung des Vertrags zugestimmt hat, kann nicht darauf gestützt werden, daß der Vertrag keine angemessene Abfindung vorsieht. Sieht der Vertrag überhaupt keine oder eine den Absätzen 1 bis 3 nicht entsprechende Abfindung vor, so hat das in § 306 bestimmte Gericht auf Antrag die vertraglich zu gewährende Abfindung zu bestimmen. Dabei hat es in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Vertrag die Gewährung von Aktien der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft vorsieht, das Verhältnis, in dem diese Aktien zu gewähren sind, wenn der Vertrag nicht die Gewährung von Aktien der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft vorsieht, die angemessene Barabfindung zu bestimmen. § 304 Abs. 4 und 5 gilt sinngemäß. I. Übersicht (Anm. 1) II. Arten der Abfindung (Anm. 2) III. Berechnung der angemessenen Abfindung

1. bei Angebot von Aktien (Anm. 3) 2. bei Barabfindung (Anm. 4) IV. Befristung des Angebots (Anm. 5) V. Einschränkung der Anfechtung (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Nicht bei allen Unternehmensverträgen, aber bei denen, die die stärkste Strukturwandlung für die Gesellschaft mit sich bringen, den Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, muß der Vertrag dem Aktionär die Möglichkeit geben, aus der Gesellschaft auszuscheiden. Das kann nur geschehen, indem der andere Vertragsteil die Verpflichtung übernimmt, die Aktien der außenstehenden Aktionäre, die dies verlangen, zu übernehmen. 1676

Abfindung

§305

Anm. 1,2

Das Gesetz verlangt deshalb zwingend, daß bei diesen beiden Arten der Unternehmensverträge zum Inhalt der Verträge eine solche Verpflichtung gehören muß und weiterhin, daß gleichzeitig dabei die Gegenleistung festgelegt sein muß, die das Gesetz mit Abfindung bezeichnet. Diese muß angemessen sein. Anders als beim Ausgleich (§ 304) legt das Gesetz fest, daß die Verpflichtung zur Übernahme der Aktien und zur Leistung einer angemessenen Abfindung den anderen Vertragsteil trifft. Das ergibt sich daraus, daß der Aktionär, wenn er von seinem Recht auf Übernahme der Aktien Gebrauch macht, gerade den Willen hat, aus der alten Gesellschaft auszuscheiden. Es ist deshalb das Natürliche, daß ihm die Aktien von dem anderen Interessenten des Vertrages abgenommen werden müssen und damit ein neues Schuldverhältnis zwischen ihm und dem anderen Vertragsteil entsteht. Die Übernahme der Aktien durch die Gesellschaft selbst ist zwar nach der neuen Bestimmung in § 7 1 1 zulässig, wenn der Erwerb erfolgt, um Aktionäre nach § 305 I I abzufinden, es darf aber beim Besitz eigener Aktien die Grenze von 10 °/o des Grundkapitals nicht überschritten werden. Es wäre infolgedessen der Gesellschaft in vielen Fällen gar nicht möglich, von sich aus ein solches Angebot auf Übernahme der Aktien zu machen. II. Arten der Abfindung Anm. 2: Der dem Aktionär nach § 304 zustehende Ausgleich soll ihn in angemessener Weise dafür entschädigen, daß durch den Abschluß des Unternehmensvertrages sein Anspruch auf Gewinn gefährdet ist. In gewissem Umfange muß der Ausgleichsbetrag auch so gestaltet werden, daß ein Substanzverlust nicht eintritt. In dieser Richtung wirken auch die Gläubigerschutzbestimmungen der §§ 300 bis 303. Keine Entschädigung wird ihm aber für den Verlust seiner Herrschaftsmöglichkeiten auf die Gesellschaft gewährt. Mögen diese auch im Einzelfall beschränkt sein, so ist es doch, auch wirtschaftlich gesehen, ein Unterschied, ob man Aktionär einer frei im Wirtschaftsleben tätigen Gesellschaft ist oder nur noch Aktionär einer Gesellschaft, deren Gewinn abgeführt wird oder die sich mit ihrer Leitung einem anderen Unternehmen unterstellt. Der Aktionär wird in beiden Fällen, auch wenn er den Anspruch auf Ausgleich hat, zum Rentenempfänger. Wer das nicht will, soll grundsätzlich einen Anspruch darauf haben, ohne Verlust, d. h. gegen angemessene Abfindung, aus der Gesellschaft aussteigen zu können. Dabei soll ihm in erster Linie Gelegenheit geboten werden, in ein ähnliches, selbständiges Unternehmen überzuwechseln. Deshalb bestimmt das Gesetz, daß grundsätzlich Aktien des anderen Vertragsteils angeboten werden müssen. Das hat zunächst einmal zur Voraussetzung, daß der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien ist. Diese Einschränkung liegt in der Natur der Sache und war unvermeidlich. 1677

§305

Anm. 2

Unternehmensverträge

Es gibt aber noch zwei weitere Einschränkungen: auch wenn der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, so kommt ein Angebot in Aktien dieser Gesellschaft nicht in Frage, wenn die Gesellschaft ihren Sitz nicht im Inland hat. In diesem Fall ist eine Barabfindung anzubieten. Der Aktionär soll nicht gezwungen werden, Aktien einer Gesellschaft, die nicht den Bestimmungen des Aktiengesetzes unterliegt, zu übernehmen. Ferner sind eigene Aktien des anderen Vertragsteils dann nicht anzubieten, wenn der andere Vertragsteil eine abhängige oder im Mehrheitsbesitz stehende inländische Aktiengesellschaft oder K G auf Aktien ist. Es soll dem Aktionär nicht zugemutet werden, aus der Gesellschaft, die durch Abschluß des Unternehmensvertrages zu einer unselbständigen wird, in eine andere unselbständige Gesellschaft umsteigen zu müssen. Deshalb ist ihm in diesem Fall entweder eine Barabfindung oder wenn das herrschende oder mit Mehrheit beteiligte Unternehmen eine inländische Aktiengesellschaft oder K G a A ist, eine Abfindung in Aktien dieser Gesellschaft anzubieten. Zwischen diesen Möglichkeiten haben die Vertragschließenden die Wahl (ebenso B . - H . R n 3 ; Bernhard in B B 66, 259; J . H . Geßler Anm. 3; Obermüller-Werner-Winden, S. 190; die von H . Wilhelmi in Die AktGes. 65, 279 vertretene Auffassung, daß ein Doppelangebot in Aktien und Barabfindung gesetzlich vorgeschrieben sei, kann nicht aufrechterhalten werden). In den Ausschußberatungen ist darauf hingewiesen worden, daß die Bestimmung über die Anbletungspflicht von Aktien zu Schwierigkeiten führen kann. Zunächst einmal kann durch die Abgabe von Aktien des anderen Vertragsteiles bei diesem eine völlige Veränderung der Mehrheitsverhältnisse entstehen, die die Durchführung der geplanten Maßnahme erschweren, ja unmöglich machen können. Dieser Schwierigkeit kann bis zu einem gewissen Grade dadurch begegnet werden, daß ein relativ günstiges Barabfindungsangebot neben dem Angebot auf Aktien zusätzlich freiwillig gemacht wird, was zulässig ist. Dieses setzt allerdings voraus, daß die Abfindung doppelt bereitgestellt werden muß, was zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen kann. Diese werden allerdings dadurch abgemindert, daß nach Abs. 4 die Verpflichtung zum Erwerb der Aktien befristet werden kann. Die Bereitstellung der Abfindung, sei es in Aktien, sei es in bar, ist deshalb nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum, 2 Monate nach dem Tage, an dem die Eintragung des Bestehens des Vertrages im Handelsregister als bekanntgemacht gilt, notwendig. Die Konzernrechtskommission des Deutschen Juristentages hatte vorgeschlagen, als gesetzliche Abfindung stets eine Barabfindung vorzusehen. Die Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Wenn das Gesetz trotzdem die Regelung des RegierungsEntwurfs übernommen hat, so waren hierfür eigentumspolitische Gründe 1678

Abfindung

§305

Anm. 2,3

maßgebend. Den Bemühungen, den Kreis der an Aktien Interessierten zu erweitern, würde es widersprechen, wenn man bei einer Konzernbildung Aktionäre wieder aus dieser Stellung verdrängen könnte, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, sich an einem anderen Unternehmen in ähnlicher Weise zu beteiligen. Nur wenn sich dieser Gedanke auch in den beteiligten Wirtschaftskreisen durchsetzt, werden die Bestimmungen genügen, um das vom Gesetzgeber gewünschte Ziel zu erreichen, nämlich stets dann, wenn es irgend möglich ist, den ausscheidenden Aktionären als Abfindung entsprechende Aktien anzubieten. Stößt dies auf wirtschaftlich erhebliche Schwierigkeiten, so kann die Bestimmung des Abs. 2 Nr. 1 sehr leicht dadurch umgangen werden, daß man den Unternehmensvertrag in einem größeren Konzern nicht von einer Aktiengesellschaft, sondern von einem Konzernunternehmen mit anderer Rechtsform abschließen läßt oder eine solche Gesellschaft neu gründet, denn dann ist nach Abs. 2 Nr. 3 nur eine Barabfindung anzubieten. In den Fällen, in denen das Gesetz das Angebot einer Barabfindung zwingend vorschreibt, kann neben der Barabfindung eine anderweitige Abfindung, etwa durch Aktien einer ausländischen oder abhängigen Gesellschaft oder GmbH-Anteilen, auch durch Wandelschuldverschreibungen angeboten werden. Insoweit besteht Freiheit in der Gestaltung des Vertrages (so B.-H. Rn 4). Auch kann ein „Substanzkoppelungsvertrag" angeboten werden, der die Vermögensrechte der außenstehenden Aktionäre nach denen der herrschenden Gesellschaft ausrichtet (vgl. Rasch, S. 137). III. Berechnung der angemessenen Abfindung 1. bei Angebot von Aktien Anm. 3: Das Gesetz sagt dazu unmittelbar überhaupt nichts, sondern es verweist auf den Vorgang der Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften und erklärt an dieser Stelle lediglich, daß die Abfindung in Aktien als angemessen anzusehen ist, wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der anderen Gesellschaft zu gewähren wären. Wie das Umtauschverhältnis festzusetzen ist, sagt das Gesetz an dieser Stelle nicht. Wohl aber bestimmt es, daß, wenn die Abfindung in Aktien erfolgt, die ganze Abfindung, soweit wie irgend möglich, durch Aktien erfolgen muß, nur Spitzenbeträge können durch bare Zuzahlungen ausgeglichen werden. Es ist also nicht etwa denkbar, daß man eine gemischte Abfindung anbietet, zur Hälfte in Aktien, zur Hälfte als Barabfindung (ebenso B.-H. Rn 5). Wohl aber kann man neben der angebotenen Abfindung in Aktien eine volle Barabfindung anbieten mit Wahlrecht des Aktionärs. Durch die Verweisung des Gesetzes auf die Verschmelzung kommt man in bezug auf die Frage, wie das Umtauschverhältnis zu gestalten ist, auch 1679

§305

Anm. 3

Unternehmensverträge

nicht weiter, da sich auch bei den Bestimmungen der §§ 339 bis 358 hierüber keine gesetzlichen Bestimmungen finden. Da diese Bestimmungen gegenüber dem bisher geltenden Recht nicht geändert sind, kann die zu der Frage entstandene Rechtsprechung und Rechtslehre in vollem Umfang weiter herangezogen werden. Bei der Verschmelzung wird das Vermögen der übertragenden Gesellschaft als Ganzes auf die übernehmende Gesellschaft übertragen. Damit erlöschen auch die Aktienrechte an der übertragenden Gesellschaft. An deren Stelle treten Aktienrechte der übernehmenden Gesellschaft (Schilling in Großkomm. § 235 AktG 37 Anm. 2). Es kommt damit zwingend zum Umtausch der alten Aktienrechte in Aktienrechte der übernehmenden Gesellschaft. Ähnlich ist es bei dem Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabf ührungsvertrages. Zwar ergibt sich hier nicht aus dem Vorgang selbst zwingend die Notwendigkeit, die Aktien der nunmehr beherrschten oder zur Gewinnabführung verpflichteten Gesellschaft in solche der Obergesellschaft auszutauschen wie bei der Verschmelzung, sondern lediglich aus der durch ausdrückliche gesetzliche Anordnung vorgeschriebenen vertraglichen Bestimmung. Praktisch läuft das aber auf das gleiche hinaus. Es muß deshalb in beiden Fällen ein angemessenes Umtauschverhältnis gefunden werden. Dennoch wäre es ohne die ausdrückliche gesetzliche Bestimmung nicht ohne weiteres klar, daß hier dieselben Grundsätze wie im Falle einer Verschmelzung für die Berechnung des angemessenen Umtauschverhältnisses anzuwenden seien. Denn Bei der Verschmelzung geht das Vermögen der einen Gesellschaft in das Vermögen der anderen über. Die Aktienrechte erlöschen. Infolgedessen kommt es, wenn man den Gesichtspunkt von Leistungen und Gegenleistungen als den maßgebenden betrachtet (so Boettdier-Meilicke 254), auf den inneren Wert beider Gesellschaften an. Im vorliegenden Fall, in dem zwar die Struktur der Gesellschaft durch den Abschluß des Unternehmensvertrags wesentlich verändert wird, diese aber doch weiter selbständig besteht und keineswegs das Aktienrecht an ihr kraft Gesetzes untergeht, muß man darauf abstellen, welchen Wert die einzelne Aktie im Augenblick des Abschlusses des Unternehmensvertrages hat. Ist die Aktie an der Börse zugelassen, so wäre dies der Börsenwert. Es kann nicht bestritten werden, daß, wenn man einmal von der Frage des Paketzuschlags oder -absdilags absieht, der jeweilige Börsenwert den Wert, den eine Aktie für den Aktionär hat, zutreffend wiedergibt. Wenn der Gesetzgeber hier andere Vorschriften ausdrücklich erlassen hat, so deshalb, weil der Börsenwert ein außerordentlich zufälliger Wert ist (BGH in DB 67, 854 und BB 67, 559). Zwar stellt er den echten Verkaufswert der Aktie im jeweiligen Augenblick fest, aber eben nur in diesem Augenblick. Der Wert kann, insbesondere, wenn ein bestimmter Tag, etwa der Abschluß des Vertrages, als Wertfixierung genommen würde, gerade durch den Abschluß des Beherrschungsvertrages oder das Bekannt1680

Abfindung

§305

Anm. 3,4

werden von Verhandlungen über den Abschluß solcher Verträge beeinflußt sein. Auch durch Zukauf von Aktien durch die herrschende Gesellschaft könnte der Börsenkurs in unbilliger Weise beeinflußt worden sein. Deshalb erscheint er nicht der richtige Wertmaßstab, wenn das Gesetz von sich aus eine Abfindung vorschreibt. Um das richtige Umtauschverhältnis zu finden, muß der innere Wert beider Gesellschaften festgestellt werden. Das kann nur geschehen durch eine Bewertung der Unternehmen durch Sachverständige. Dabei ist der Substanz- und der Ertragswert zu berücksichtigen. Beim Substanzwert ist nicht etwa von den Bilanzwerten auszugehen, vielmehr von den tatsächlichen Werten, die die einzelnen Vermögensgegenstände für das lebende Unternehmen darstellen. Deshalb ist auch der Firmenwert zu berücksichtigen. Ob hier, so wie bei der Verschmelzung, ein steuerlicher Verlustvortrag, obwohl er durch die Verschmelzung verlorengeht, ebenfalls anzusetzen ist, wenn Aussicht auf seine fristgemäße Ausnutzung nach der Ertragslage besteht (so Boettcher-Meilicke a. a. O.), erscheint fraglich, weil hier im allgemeinen eine Ausnutzung nicht in Frage kommen wird. Es ist somit auf der einen Seite für beide Unternehmen ein Vermögensstatus aufzustellen, der audi Zeitwertbilanz genannt wird (so Boettcher-Meilicke a. a. O.). Völlig selbständig und losgelöst von den bisherigen Jahresbilanzen ist daneben eine Ertragsschätzung zu erstellen. Alsdann ist das Umtauschverhältnis nach diesen Werten zu ermitteln. Das Grundkapital beider Gesellschaften spielt dabei nur insoweit eine Rolle, als es den Nennbetrag aller Aktien angibt und damit als Berechnungsgrundlage dient, wenn der Umtausch der Aktien erfolgt. Bei der Aufstellung des Vermögensstatus ist nicht nur der Verkaufswert der einzelnen Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, sondern es ist davon auszugehen, daß die Gegenstände Teile eines lebenden Unternehmens sind (RG 167, 262). Inwieweit bei der Gesamtbewertung der ermittelte Vermögenswert oder der geschätzte Ertragswert im Vordergrund steht, ist im einzelnen umstritten. Der vielfach vertretenen Auffassung, daß es in erster Linie auf den sogenannten nachhaltigen künftigen Ertrag ankomme, steht das Bedenken gegenüber, daß es sich hier immer nur um eine auf die Zukunft gerichtete Schätzung handelt, die durch unvorhergesehene Ereignisse erheblich beeinflußt werden kann, während der Substanzwert zum gegenwärtigen Zeitpunkt ermittelt wird. Allerdings stecken auch darin Schätzungen, die aber im allgemeinen eine sichere Grundlage haben. Vgl. aus der Rechtsprechung zum Umwandlungsgesetz OLG Düsseldorf in Die AktGes. 1963, 159; OLG Hamm in Die AktGes. 1963, 218; OLG Hamm inDieAktGes. 1964,41. 2. bei Barabfindung Anm. 4: Hier gibt das Gesetz eine klare Anweisung. Maßgebend ist die 1681

§ 305

Unternehmensverträge

Anm. 4,5

Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft, die ihre Leitung oder ihren gesamten Gewinn durch Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages an eine andere Gesellschaft überträgt. Hier kommt es auf den anderen Vertragspartner nicht an. Nur die Gesellschaft ist zu bewerten, deren Aktionäre Anspruch auf Barabfindung haben. Diese Bewertung hat nach den gleichen Grundsätzen zu erfolgen wie bei der Abfindung durch Aktien. Nur ist die Gefahr der fehlerhaften Schätzung hier wesentlich verkleinert, weil eben nur eine Gesellschaft in ihrem Werte abzuschätzen ist und nicht zwei. Auch hier ist ein Vermögensstatus aufzustellen nach den gleichen Grundsätzen wie oben Anm. 3. Die Ertragslage ist zu schätzen. Für die Abwägung beider Werte gilt das oben Gesagte. IV. Befristung des Angebots Anm. 5: Die Verpflichtung gegenüber den außenstehenden Aktionären, deren Aktien zu erwerben, kann eine erhebliche Belastung des anderen Vertragsteils ergeben, zumal wenn neben der gesetzlich zwangsweise vorgeschriebenen Abfindung durch Aktien des anderen Vertragsteils eine Barabfindung deshalb aus praktischen Erwägungen notwendig ist, weil sich sonst die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft zu sehr verschieben würden. Deshalb hat der Gesetzgeber eine Befristung vorgesehen, damit die Bereitstellung der für die Abfindung erforderlichen Mittel nicht allzu kostspielig wird, gleichgültig, ob die Abfindung in Aktien oder in bar erfolgt (B.-H. Rn. 7; a. A. J. H. Geßler Anm. 5). Die Frist muß in dem Unternehmensvertrag ausdrücklich enthalten sein. Sie kann nicht nachträglich festgesetzt werden. Wird eine zu kurze Frist etwa dadurch festgesetzt, daß ein bestimmter Kalendertermin für den Ablauf der Verpflichtung vereinbart wird, so wird damit die Fristsetzung nicht ungültig, sie verlängert sich nur auf die gesetzliche Mindestfrist. Sie endet gegebenenfalls nicht mit dem zu früh liegenden kalendermäßigen Datum, sondern erst zwei Monate nach dem Tage, an dem das letzte der Blätter erschienen ist, in denen die Bekanntmachung über die Eintragung des Unternehmensvertrages enthalten ist. Hat ein Aktionär von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Angemessenheit der Abfindung nachprüfen zu lassen, so kann die Frist nicht enden, bevor nicht die Nachprüfung durchgeführt ist. Das ist fast selbstverständlich. Wichtiger ist, daß auch dann, wenn ein Aktionär Antrag auf Bestimmung des Ausgleichs gestellt hat, die Frist zur Verpflichtung zum Erwerb der Aktien nicht ablaufen kann. Der Grundgedanke ist der, daß der Aktionär nur dann, wenn er weiß, wie hoch endgültig der ihm gebotene Ausgleich ist, für den Fall, daß er in der Gesellschaft bleibt, sich entscheiden kann, ob er dies tun will oder ob er von dem Abfindungsangebot Gebrauch machen will. Es muß also sowohl das Ausgleichsangebot als audi das Angebot auf Ober1682

Abfindung

§305

Anm. 5,6

nähme der Aktien feststehen. Erst dann kann die Frist zur Aktienübernahme ablaufen, und zwar endet die Frist frühestens zwei Monate nach dem Tage, an dem die Entscheidung über den zuletzt beschiedenen Antrag im Bundesanzeiger bekanntgemacht worden ist. Es soll dem Aktionär hinreichend Frist bleiben, sich zu entscheiden, ob er in der Gesellschaft bleiben oder seine Aktien abgeben will. Ist im Vertrag eine längere Frist — z. B. 4 Monate — bestimmt, so beginnt diese nicht etwa nach der Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung von neuem, vielmehr hängt es davon ab, wieviel von dieser Frist bis zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Ist die Entscheidung etwa nach 1 Monat bekanntgemacht, so verbleiben noch 3 Monate. Erfolgt die Bekanntmachung erst 3 Monate nach Fristbeginn, so tritt an die Stelle der vertraglichen Frist — diese würde nach einem Monat ablaufen — die gesetzliche Frist (Abs. 4 S. 3) von 2 Monaten, da der Aktionär mindestens diese Zeit zur Verfügung haben soll, sidi für die eine oder andere Möglichkeit zu entscheiden (ebenso B.-H. Rn. 8). In diesem Fall die Vertragsfrist von 4 Monaten erneut beginnen zu lassen, wäre unzumutbar, da der Vertragspartner durch die doppelte Bereitstellung mit zu hohen Kosten belastet werden würde. V. Einschränkung der Anfechtung Anm. 6: Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung der Gesellschaft dem Unternehmensvertrag selbst oder Änderungen zugestimmt hat, kann, wie jeder Hauptversammlungsbeschluß, angefochten werden, wenn durch ihn das Gesetz oder die Satzung verletzt wird. Das erstere ist der Fall, wenn ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag kein Angebot des Ausgleichs oder der Übernahme der Aktien gegen angemessene Abfindung enthält. Wenn das Angebot eines Ausgleichs fehlt, so ist nach § 304 III der Vertrag nichtig und der Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung wirkungslos. Fehlt das Angebot auf Übernahme der Aktien gegen angemessene Abfindung, so ist der Vertrag gültig. Der Zustimmungsbeschluß könnte an sich trotzdem wegen Verletzung des Gesetzes angefochten werden. Gerade dieser Grund zur Anfechtung wird in der vorliegenden Bestimmung aber ausgeschlossen. Obwohl eine Verletzung des Gesetzes vorliegt, kann der Vertrag nicht mit der Begründung angefochten werden, daß er keine Übernahme der Aktien gegen angemessene Abfindung vorsieht oder daß die angebotene Abfindung unangemessen ist. Wohl aber kann er nach § 243 II (Sondervorteile) angefochten werden, denn in § 305 ist im Gegensatz zu § 304 die Anfechtung aus dieser Bestimmung nicht ausgeschlossen (ebenso B.-H. Rn. 9; a. A. J. H. Geßler Anm. 4). Auch im Falle des Angebots eines unangemessenen Ausgleichs kann der Zustimmungsbeschluß nicht mit dieser Begründung angefochten werden. 1683

§§305/306 Anm. 6

Unternehmensverträge

Durch den Wegfall des Anfechtungsrechtes, obwohl eine Gesetzesverletzung vorliegt, würde der Aktionär in unangemessener Weise geschädigt, wenn ihm nicht dafür ein Ersatz gegeben würde. Das geschieht, wenn ein Vertrag überhaupt keine Verpflichtung zur Übernahme von Aktien gegen angemessene Abfindung oder keinen angemessenen Ausgleich vorsieht, dadurch, daß von jedem Aktionär das in § 306 bestimmte Gericht angerufen werden kann, mit dem Antrag, die vertraglich zu gewährende Abfindung zu bestimmen. Besteht die Abfindung in Aktien, so hat das Gericht das Umtauschverhältnis festzulegen. Es hat also die Ermittlungen anzustellen und Sachverständige zu hören, die alsdann nach Anm. 3 zu verfahren haben. Besteht die Abfindung in einer Barabfindung, so ist diese nach den oben behandelten Grundsätzen vom Gericht zu errechnen. Wenn die Art der Abfindung, Aktien oder Barabfindung, den Vorschriften des Abs. 2 entspricht, so muß das Gericht sich an die im Vertrag vorgesehene Abfindungsart halten. Es kann nicht auf die andere Abfindungsart übergehen. Entspricht aber die vorgeschlagene Abfindungsart nicht der Bestimmung des Abs. 2 oder ist überhaupt keine Abfindung vorgesehen, so ist der Vertrag dadurch nicht nichtig, während ein Vertrag, der keinen Ausgleich vorsieht, nichtig ist. Infolgedessen ist das Gericht in diesen Fällen gezwungen, unter Berücksichtigung des Abs. 2 die Abfindung auch der Art nach — Aktien oder Barabfindung — festzusetzen. Im Falle des Abs. 2 Nr. 2 kommt in diesem Falle wohl nur eine Barabfindung in Frage. Hinsichtlich der Kündigung des Vertrages aufgrund anderweitiger Festsetzung der Abfindung durch das Gericht gilt § 304 Abs. 5 (vgl. die dortigen Anmerkungen).

§ 306 Verfahren (1) Zuständig ist das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft, deren außenstehende Aktionäre antragsberechtigt sind, ihren Sitz hat. § 132 Abs. 1 Satz 2 bis 4 ist anzuwenden. (2) § 99 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 2, 4 bis 9, Abs. 5 gilt sinngemäß. (3) Das Landgericht hat den Antrag in den Gesellschaftsblättern der Gesellschaft, deren außenstehende Aktionäre antragsberechtigt sind, bekanntzumachen. Außenstehende Aktionäre können noch binnen einer Frist von zwei Monaten nach dieser Bekanntmachung eigene Anträge stellen. Auf dieses Recht ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. (4) Das Landgericht hat die Vertragsteile des Unternehmensvertrags zu hören. Es hat den außenstehenden Aktionären, die nicht Antragsteller nach § 304 Abs. 4 oder § 305 Abs. 5 sind oder eigene Anträge nach Absatz 3 1684

Verfahren

§306

Anm. 1

Satz 2 gestellt haben, zur Wahrung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, der die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat. Werden die Festsetzung des angemessenen Ausgleichs und die Festsetzung der angemessenen Abfindung beantragt, so hat es für jeden Antrag einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Die Bestellung kann unterbleiben, wenn die Wahrung der Rechte dieser außenstehenden Aktionäre auf andere Weise sichergestellt ist. Die Bestellung des gemeinsamen Vertreters hat das Landgericht in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Der Vertreter kann von der Gesellschaft den Ersatz angemessener barer Auslagen und eine Vergütung für seine Tätigkeit verlangen. Die Auslagen und die Vergütung setzt das Landgericht fest. Es kann der Gesellschaft auf Verlangen des Vertreters die Zahlung von Vorschüssen aufgeben. Aus der Festsetzung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. (5) Das Landgeridit hat seine Entscheidung den Vertragsteilen des Unternehmensvertrags sowie den Antragstellern nach § 304 Abs. 4, § 305 Abs. 5, den außenstehenden Aktionären, die eigene Anträge nach Absatz 3 Satz 2 gestellt haben, und, wenn ein gemeinsamer Vertreter bestellt ist, diesem zuzustellen. (6) Der Vorstand der Gesellschaft hat die rechtskräftige Entscheidung ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. (7) Für die Kosten des Verfahrens gilt die Kostenordnung. Für das Verfahren des ersten Rechtszugs wird das Doppelte der vollen Gebühr erhoben. Für den zweiten Rechtszug wird die gleiche Gebühr erhoben; dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde Erfolg hat. Wird der Antrag oder die Beschwerde zurückgenommen, bevor es zu einer Entscheidung kommt, so ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte. Der Geschäftswert ist von Amts wegen festzusetzen. Er bestimmt sich nach § 30 Abs. 1 der Kostenordnung. Kostenvorschüsse werden nidit erhoben. Schuldner der Kosten sind die Vertragsteile des Unternehmensvertrags. Die Kosten können jedoch ganz oder zum Teil einem anderen Beteiligten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. I. Übersicht (Anm. 1) II. Art des Verfahrens (Anm. 2) III. öffentliche Bekanntmachung (Anm. 3) IV. Beteiligte (Anm. 4)

V. Vergütungsansprudi des gemeinsamen Vertreters (Anm. 5) VI. Inhalt der Entscheidung (Anm. 6) VII. Wirkung der Entscheidung und Bekanntmachung (Anm. 7) V I I I . Kosten des Verfahrens (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Der Beschluß, mit dem die Hauptversammlung einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag oder einer Änderung solcher Ver1685

§306

Anm. 1

Unternehmensverträge

träge ihre Zustimmung erteilt, kann nicht mit der Begründung angefochten werden, der darin enthaltene Ausgleich sei unangemessen, oder es wäre keine oder zu geringe Abfindung für die Übernahme der Aktien angeboten worden. An Stelle dieser Anfechtungsmöglichkeit tritt das Verfahren nach der vorliegenden Bestimmung. Jeder Aktionär kann bei dem Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, den Antrag stellen, einen im Unternehmensvertrag nach § 291 vorgesehenen Ausgleich vom Gericht her zu bestimmen oder, wenn ein Angebot zur Übernahme von Aktien der außenstehenden Aktionäre gegen angemessene Abfindung nicht vorgesehen ist, den Vertrag insoweit durch gerichtliche Entscheidung zu ergänzen und endlich, wenn zwar eine Abfindung vorgesehen ist, an Stelle dieser Abfindung durch das Gericht die Abfindung bestimmen zu lassen. Dagegen kann, wenn in einem der genannten Unternehmensverträge der Ausgleich fehlt, eine gerichtliche Ergänzung des Vertrages nicht verlangt werden. Vielmehr ist in diesem Fall der Vertrag nach § 304 III S. 1 nichtig. Diese Nichtigkeit wird auch nicht durch einen Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung geheilt, so daß dieser an der Rechtslage nichts ändert, es besteht kein gültiger Unternehmensvertrag. Auch die Eintragung im Handelsregister würde daran nichts ändern. Antragsberechtigt ist jeder außenstehende Aktionär, d. h. jeder Aktionär, der nicht zu dem Konzern gehört, dem sich die Gesellschaft durch Abschluß der Unternehmensverträge anschließt oder der durch den Abschluß dieser Verträge zur Entstehung gelangt (vgl. im einzelnen § 295 Anm. 4; § 304 Anm. 6). Besteht bei dem zuständigen Landgericht eine Kammer für Handelssachen, so ist diese an Stelle der Zivilkammer zuständig (§ 132 I S. 2). Wie im Falle der gerichtlichen Entscheidung über das Auskunftsrecht (§ 132) kann auch hier die Landesregierung und mit deren Ermächtigung die Landesjustizverwaltung die Entscheidung durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte einem der Landgerichte übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Die Rechtsverordnung muß das hier in Rede stehende Verfahren einbeziehen; es genügt nicht, wenn etwa eine solche Verordnung für das Verfahren über die gerichtliche Entscheidung über das Auskunftsrecht nach § 132 ergangen ist, ohne daß gleichzeitig das Verfahren nach § 306 einbezogen ist. Es empfiehlt sich deshalb für die Landesregierungen und Landesjustizverwaltungen, alle in Frage kommenden Verfahren, die sich aus dem Aktiengesetz ergeben, in dieser Beziehung gleichmäßig zu behandeln. Es ist dies zunächst das Verfahren über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates (§§ 98, 99), das Verfahren über das Auskunftsrecht (§ 132), das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten zwischen AG und Abschlußprüfer (§ 169) und das hier vorgesehene Verfahren über die Bestimmung des Ausgleichs und der Abfindung bei Aktienübernahme, das auch im Fall der Eingliederung gilt (§ 320 VI). 1686

Verfahren

§ 306

Anm. 2

II. Art des Verfahrens Anm. 2: Das Verfahren ist dem des § 99 über die Feststellung der Zusammensetzung des Aufsichtsrates nachgebildet. Auch hier handelt es sich um ein Verfahren, auf das das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden ist, soweit sich nicht aus den Bestimmungen des § 99, die in Abs. 2 zitiert sind, und den Bestimmungen des § 306 III bis VII etwas anderes ergibt. In einigen Punkten weicht das Verfahren jedoch von dem in § 99 ab, zunächst schon in der Zuständigkeit; während in dem hier vorliegenden Verfahren die Kammer für Handelssachen zuständig ist, wenn eine solche an dem zuständigen Landgericht besteht, so ist dies nach § 98, der die Zuständigkeit für das Verfahren nach § 99 regelt, nicht der Fall. Dort ist ausdrücklich bestimmt, daß die Zivilkammer zuständig sein soll (vgl. § 98 Anm. 5). Ein weiterer Unterschied zum Verfahren nach § 99 besteht darin, daß aus dem Abs. 3 der Satz 3 für nicht anwendbar erklärt wird. Dieser besagt, daß die Beschwerde nur auf Verletzung des Gesetzes gestützt werden kann. Diese Einschränkung war hier nicht zweckmäßig. Die Feststellung, ob ein Ausgleich angemessen ist oder ob das Abfindungsangebot für zu übernehmende Aktien den gesetzlichen Vorschriften entspricht und der Höhe nach angemessen ist, setzt im allgemeinen eine umfangreiche, tatsächliche Ermittlung durch das Gericht voraus. Es müssen Sachverständige gehört werden, es muß aber auch der genaue Sachverhalt festgestellt werden. Es erschien deshalb richtig, auch die Ergänzung des Tatbestandes oder die Neueinreichung von Sachverständigengutachten in der Beschwerdeinstanz zuzulassen. Nach dem Grundsatz des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit soll auch die Beschwerdeinstanz die Möglichkeit haben, von sich aus weitere tatsächliche Vorgänge zu ermitteln oder neue Gutachten anzufordern. Wie in dem Verfahren nach § 99 kann der Antragsteller in der I. Instanz sich selbst vertreten. Die Beschwerde kann jedoch nur durch Einreidiung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift eingelegt werden. Uber sie entscheidet das nach FGG zuständige Oberlandesgericht. Auch hier kann die Landesregierung oder die von ihr ermächtigte Landesjustizverwaltung eine Zusammenziehung in der Zuständigkeit vornehmen. Es kann für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte ein Oberlandesgericht für zuständig erklärt werden. Der Rechtsanwalt, der die Beschwerde einreicht, braucht nicht an dem zuständigen Oberlandesgericht zugelassen zu sein, vielmehr kann jeder Rechtsanwalt eine solche Beschwerde einreichen. Nach § 21 FGG kann die Beschwerde bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden. Da es sich hier um eine sofortige Beschwerde handelt, ist sie nach § 22 FGG an eine Frist von 2 Wochen gebunden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Entscheidung dem Beschwerdeführer bekanntgemacht worden ist. Eine 1687

§306

Anm. 2—1

Unternehmensverträge

weitere Beschwerde ist ausgeschlossen (§ 99 III S. 7). Da über die Beschwerde das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, sind die Bestimmungen des § 28 II und III FGG ausdrücklich für anwendbar erklärt. Sie betreffen den Fall, daß das Oberlandesgericht von einer bereits vorliegenden Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichtes abweichen will. In diesem Fall hat es die Beschwerde unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen, der alsdann über die Beschwerde entscheidet. III. öffentliche Bekanntmachung Anm. 3: Das Landgericht hat den Antrag in den Gesellschaftsblättern, also nicht etwa in den vom Registergericht bestimmten Blättern, bekanntzumachen und dabei die außenstehenden Aktionäre darauf hinzuweisen, daß sie das Recht haben, binnen einer Frist von 2 Monaten nach Bekanntmachung eigene Anträge zu stellen. Fehlt der Hinweis, so verlängert sich die Frist nicht (vgl. B.-H. Rn. 4). Maßgebend für den Beginn der Frist ist § 10 HGB. Sie beginnt danach mit dem Ablauf des Tages, an welchem das letzte der die Bekanntmachung enthaltenen Blätter erschienen ist. Zu veröffentlichen ist der gestellte Antrag. Das darf nicht so wörtlich genommen werden, daß nicht das Gericht berechtigt wäre, einen unsachgemäßen Antrag, der aber das Anliegen des Antragstellers erkennen läßt, in eine sachgerechte Form zu bringen. Im Grunde kann der Antrag nur drei verschiedene Formen haben: a) das Gericht möge den vorgeschlagenen Ausgleich anderweitig bestimmen; b) das Gericht möge bestimmen, daß auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs, dessen Aktien gegen eine vom Gericht zu bestimmende angemessene Abfindung erworben werden müssen; c) das Gericht möge die im Vertrag vorgesehene Abfindung bei der Übernahme der Aktien außenstehender Aktionäre von sich aus bestimmen. In letzterem Fall sind noch Varianten möglich. Es wäre denkbar, daß eine Barabfindung vorgeschlagen ist, während eine Abfindung in Aktien nach dem Gesetz vorzuschlagen war. Hier müßte also der Antrag auf Feststellung einer andersartigen Abfindung gerichtet sein. IV. Beteiligte Anm. 4: Am Verfahren beteiligt sind zunächst der oder die Antragsteller, d.h. außenstehende Aktionäre (vgl. zum Begriff § 295 Anm. 4; §304 Anm. 6). Der Anspruch, den sie mit ihrem Antrag zur Geltung bringen wollen, ist auf eine Abänderung des abgeschlossenen Unternehmensvertrages gerichtet. Entweder soll die Ausgleichszahlung geändert oder die Abfindung bei der Übernahme von Aktien neu eingefügt, gegebenenfalls die Abfindungshöhe geändert werden. Es ist deshalb folgerichtig, daß das Landgericht die 1688

Verfahren

§306

Anm. 4 Vertragsteile des Unternehmensvertrages zu hören hat. Antragsgegner ist nicht nur die eigene Gesellschaft, der der Aktionär angehört, sondern es sind beide Partner des Unternehmensvertrages, weil sich aus diesem der Anspruch, dessen Änderung der Aktionär wünscht, ergibt. Die Verpflichtung zur Erfüllung dieses Anspruches liegt auch meist nicht bei seiner Gesellschaft, sondern gerade bei dem Vertragspartner. Weiterhin sind als Beteiligte anzusehen die Aktionäre, die sich aufgrund der Bekanntmachung entschließen, eigene Anträge zu stellen. Diese treten neben den ursprünglichen Antragstellern als solche auf. Darüber hinaus hat das Gericht grundsätzlich für diejenigen außenstehenden Aktionäre, die nicht Antragsteller sind, seien es ursprüngliche, seien es neu hinzugetretene, zur Wahrung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Es kann hiervon Abstand nehmen, wenn die Wahrung der Rechte dieser außenstehenden Aktionäre auf andere Weise sichergestellt ist. Das wird immer dann der Fall sein, wenn die Entscheidung des Gerichtes ihrer Natur nach alle übrigen Aktionäre in gleicher Weise berührt, also dann, wenn es keine unterschiedlichen Gattungen gibt oder wenn der Ausgleich für alle Aktionäre nach den gleichen Grundsätzen berechnet werden soll. Es wird nicht selten vorkommen, daß sowohl die Angemessenheit des Ausgleiches, als auch die der Abfindung in Zweifel gestellt wird, so daß sowohl ein Antrag gestellt wird, den Ausgleich gerichtlich zu bestimmen als auch die Abfindung gerichtlich festzusetzen. Das kann von verschiedenen Aktionären geltend gemacht werden, es kann aber sogar auch von demselben Aktionär geltend gemadit werden, denn schließlich soll der Aktionär, und zwar jeder einzelne, ein echtes Wahlrecht haben. Er hat diese Wahlmöglichkeit erst dann, wenn er sowohl den Ausgleich als auch die Abfindung als unangemessen ansieht, wenn vom Gericht sowohl der angemessene Ausgleich als auch die angemessene Abfindung festgestellt sind. Erst dann braucht er sich zu entscheiden. Es besteht deshalb kein innerer Widerspruch, wenn ein Aktionär beide Anträge stellt. Ob das Gericht verpflichtet ist, gleichmäßig über die Anträge zu entscheiden und sie auch nur in einem einheitlichen Verfahren zu behandeln, mag zweifelhaft sein, denn das Gericht hat in einem Verfahren der FGG weitestgehend freie Hand. Es ist jedoch zweckmäßig, die Entscheidungen über beide Anträge mit Rücksicht auf das Recht jedes einzelnen Aktionärs zu verbinden, sich zwischen den beiden für ihn bestehenden Möglichkeiten zu entscheiden: einmal, ob er in der Gesellschaft gegen einen ihm nunmehr günstig erscheinenden Ausgleich, den das Gericht bestimmt hat, verbleibt, zum anderen, ob er ausscheidet, weil er den Abfindungsanspruch, den das Gericht festgesetzt hat, für günstiger hält. Daraus sollte ganz allgemein der Schluß gezogen werden, daß, wenn beide Anträge gestellt werden, sie in einem einheitlichen Verfahren erledigt werden sollten. Davon geht der Gesetzgeber auch erkenntlich aus, denn er sieht dies insoweit 1689

§306

Anm. 4,5

Unternehmensverträge

vor, als nach Abs. 4 S. 3 in diesem Fall für jeden Antrag ein verschiedener Vertreter für die nichtbeteiligten Aktionäre bestellt werden soll, es sei denn, daß die Bestellung aus den oben erörterten Gründen nicht erforderlich erscheint. Diese Bestimmung scheint dem zu widersprechen, daß nach unserer Ansicht ein einzelner außenstehender Aktionär beide Anträge stellen kann. Wir sind der Auffassung, daß dieses jedoch nicht der Fall ist. Es gibt Aktionäre, die entschlossen sind, in der Gesellschaft zu bleiben, gleichgültig, ob der Ausgleich etwas günstiger oder ungünstiger ist. Diese haben ein erhebliches Interesse daran, den Ausgleich so günstig wie möglich zu gestalten, sie sind völlig uninteressiert an der Höhe der Abfindung für diejenigen Aktionäre, die ausscheiden wollen. Das gleiche gilt im umgekehrten Fall. Es ist also vernünftig für diejenigen außenstehenden Aktionäre, die sich selbst nicht äußern, je einen Vertreter für die verschiedenen Anträge zu bestellen, damit keine Interessenkollision unter den Vertretern selbst auftreten kann. Wird ein gemeinsamer Vertreter bestellt, so hat das Landgericht auch diesen in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. V. Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters Anm. 5: Das Gesetz bestimmt auf der einen Seite, daß der von ihm bestellte gemeinsame Vertreter die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat, auf der anderen Seite, daß er einen Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und eine Vergütung für seine Tätigkeit habe. Ersteres bedeutet, daß er ohne Vollmacht mit Wirkung für diejenigen, für die er bestellt ist, auftreten kann. Auf seinen Vergütungsanspruch dürfte dies keinen Einfluß haben. Handelt es sich um einen Rechtsanwalt, so hat er Anspruch auf Vergütung nach der BRAGO; ist es kein Rechtsanwalt, so dürften jedenfalls die Sätze der BRAGO nicht überschritten werden. An sich handelt es sich um eine typische Tätigkeit, die von einem Rechtsanwalt wahrzunehmen ist. Wenn diesem durch die BRAGO Gebühren verbindlich vorgeschrieben sind, dürfte niemand anderes mit der Begründung, er wäre besser qualifiziert, höhere Gebühren beanspruchen können. Das Gericht dürfte jedoch frei sein, die Gebühren niedriger festzusetzen, wenn der Vertreter kein Anwalt ist. Dagegen dürfte es an die BRAGO gebunden sein, wenn es einen Anwalt bestellt. Ein Regulativ ist dem Gericht insoweit in die Hand gegeben, als der Geschäftswert von Amts wegen festzusetzen ist. Das Gesetz verweist insoweit auf § 30 KostO, der besagt, daß, soweit in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Wert sich aus den Vorschriften der Kostenordnung nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, er nach freiem Ermessen zu bestimmen ist. Hier mag es zwar im einzelnen fraglich sein, ob nicht der Wert bestimmbar ist, etwa in der Differenz zwischen dem ursprünglich gebotenen Ausgleich und dem vom Gericht als angemessen bestimmten. Die Verweisung soll aber bedeuten, daß der Geschäftswert nach freiem Ermessen bestimmt werden soll. 1690

Verfahren

§306

Anm. 5,6

Der Beschluß, durdi den das Gericht die Auslagen und die Vergütung festsetzt, ist ein vollstreckbarer Titel, aus dem unmittelbar nach den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung die Vollstreckung erfolgt. Der Festsetzungsbeschluß muß infolgedessen einen Schuldner bezeichnen. In der Regel sind dies die Vertragspartner des Unternehmensvertrages. Nur im Ausnahmefall, nämlich wenn die Kosten ganz oder z. T. einem anderen Beteiligten auferlegt werden, müssen die Kosten, auch die des gemeinsamen Vertreters, verteilt werden. Wie die Verteilung zu erfolgen hat, bleibt dem Gericht überlassen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß ganz oder zum Teil die Antragsteller die Kosten zu tragen haben, so kann selbstverständlich nicht der vom Gericht bestellte gemeinsame Vertreter um die Erstattung seiner Kosten kommen. Es ist auch nicht möglich, daß er einen Titel gegen die am Verfahren selbst nicht beteiligten außenstehenden Aktionäre bekommt, die er vertreten hat, sondern es müßte sich in diesem Fall der vollstreckbare Titel gegen die im Verfahren als Antragsteller aufgetretenen außenstehenden Aktionäre richten. VI. Inhalt der Entscheidung Anm. 6: Bei der Entscheidung ist das Gericht nicht völlig frei. Es ist zunächst gebunden an die im Vertrag vorgesehene Bemessungsform des Ausgleiches. Es kann also z. B. einen Ausgleich, der an der Dividende der Obergesellschaft ausgerichtet ist, nur nach dieser Methode festsetzen, und kann umgekehrt in einem Fall, in dem der Ausgleich nach anderen Grundsätzen bestimmt ist, keine Verbindung mit der Dividende der Obergesellschaft vornehmen. Ferner gilt für das Gericht das Verbot der Schlechterstellung der Antragsteller (ebenso B.-H. Rn. 7). Das Gesetz enthält darüber zwar keine ausdrückliche Bestimmung, es ergibt sich aber daraus, daß der Unternehmensvertrag der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Wenn durch die gerichtliche Abänderung des Inhaltes des Unternehmensvertrages sich die Bedingungen für die außenstehenden Aktionäre verschlechtern würden, so kann nicht unterstellt werden, daß der Zustimmungsbeschluß zu den abgeänderten, ungünstigeren Bedingungen zustande gekommen wäre. Auch die Tatsache, daß der Gesetzgeber nur dem außenstehenden Aktionär ein Antragsrecht für das Verfahren nach § 306 gegeben hat, deutet darauf hin, daß nur ein Beschluß, durch den die Rechte der außenstehenden Aktionäre verbessert werden, ohne weiteres den Inhalt des Unternehmensvertrages ändert. Der andere Vertragsteil hat mit Rücksicht auf diese mögliche Wirkung des Gerichtsbeschlusses nach § 304 V die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung des Vertrages innerhalb von 2 Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung. Auch das weist darauf hin, daß nur eine Verbesserung der Ausgleichs- oder Abfindungsbeträge möglich ist, andernfalls hätte das Gesetz vorsehen müssen, daß erneut die Hauptver1691

§ 306

Anm. 6—8

Unternehmensverträge

Sammlung über die Änderung des Unternehmensvertrages beschließt (im Ergebnis ebenso Obermüller-Werner-Winden S. 192). VII. Wirkung der Entscheidung und Bekanntmachung Anm. 7: Die gerichtliche Entscheidung wirkt für und gegen alle. Das ergibt sich aus der in Abs. 2 enthaltenen Verweisung auf § 99 V. Das Gericht kann durch seine Entscheidung von diesem Grundsatz nicht abweichen, es sei denn, daß verschiedene Aktiengattungen vorliegen. Dann ist es denkbar, daß der Ausgleich oder die Abfindung je nach der Gattung verschieden festgesetzt wird. Sie gilt dann aber für alle Aktien der betreffenden Gattung, also auch „für und gegen alle". Insoweit weicht die hier vorgesehene Regelung von der des bisherigen § 35 des Umwandlungsgesetzes ab. Dort konnte die Entscheidung selbst etwas anderes bestimmen. Durch § 39 I Nr. 9 EG sind die § 33, 35 Umwandlungsgesetz an die Regelung des § 306 angeglichen. Das Landgericht hat seine Entscheidung den unmittelbar am Verfahren Beteiligten zuzustellen, das sind auf der einen Seite die beiden Vertragsteile des Unternehmensvertrages, auf der anderen Seite die außenstehenden Aktionäre, die Anträge nach § 304 IV oder § 305 V gestellt haben, außerdem ein etwa vom Gericht bestellter gemeinsamer Vertreter für die übrigen außenstehenden Aktionäre. Die Zustellung muß deshalb erfolgen, weil durch sie die Frist für die sofortige Beschwerde in Gang gesetzt wird. Die Zustellung erfolgt nicht durch die Beteiligten, sondern von Amts wegen durch das Gericht selbst. Eine darüber hinausgehende Bekanntmachung der Entscheidung des Landgerichtes kommt nur dann in Frage, wenn diese Entscheidung rechtskräftig wird. Wenn sofortige Beschwerde eingelegt wird, erfolgt eine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern nicht. Wird aber die landgerichtliche Entscheidung rechtskräftig oder ergeht die Entscheidung des Oberlandesgerichtes auf die sofortige Beschwerde, die nicht mehr anfechtbar ist und damit eine rechtskräftige Entscheidung darstellt, so muß der Vorstand die Entscheidung ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekanntmachen. Auch hier sind nicht etwa maßgebend die Blätter des Registergerichtes, sondern die von der Gesellschaft und deren Satzung bestimmten Blätter. VIII. Kosten des Verfahrens Anm. 8: Die Regelung des Abs. 7 bezieht sich auf die Gerichtskosten. Für sie gilt die Kostenordnung, jedoch wird eine Reihe von Sonderbestimmungen für dieses Verfahren festgesetzt. Entsprechend der Bestimmung des § 121 KostO wird hier nochmals ausdrücklich bestimmt, daß das Doppelte der vollen Gebühr im ersten Rechtszug erhoben wird. Dies gilt auch für den 2. Rechtszug, und zwar auch dann, wenn die Beschwerde Erfolg hat. Es gibt also hier keine Niederschlagung der Kosten. Wird der Antrag oder die Be1692

Verfahren

§306

Anm. 8

schwerde zurückgenommen, so ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte, es ist also eine einfädle Gebühr zu erheben. Der Gesdiäftswert ist von Amts wegen festzusetzen, und zwar nach § 30 I KostO. Das hat zur Folge, daß hier unterstellt wird, es handele sich um eine Angelegenheit ohne bestimmten Gesdiäftswert. Durch die ausdrückliche Verweisung auf § 30 I hat das Gericht die Bestimmung des Geschäftswertes völlig in der Hand und kann damit einen erheblichen Einfluß auf die Kostenhöhe ausüben und damit auf das Risiko, derartige Anträge zu stellen. Schuldner der bei Gericht entstehenden Kosten sind grundsätzlich die Vertragsteile des Unternehmensvertrages, und zwar dem Gericht gegenüber als Gesamtschuldner. Über die Verteilung im Innenverhältnis sagt das Gesetz nichts; da beide Vertragspartner sidi letztlich auf die umstrittene Ausgleichs* oder Abfindungsleistung geeinigt haben, scheint es uns der Interessenlage zu entsprechen, wenn die Kosten zwischen den beiden Vertragspartnern hälftig geteilt werden, es sei denn, daß besondere Umstände eine andere Regelung als angemessen erscheinen lassen. Man kann u. E. ebensowenig die Gesellschaft, deren Aktionäre die Antragsteller sind, mit dieser Begründung allein für die Kosten in Anspruch nehmen, noch den anderen Vertragsteil, der den Ausgleich bzw. die Abfindung angeboten hat, also gegen den sich materiell der Anspruch in aller Regel richtet. Tatsächlich handelt es sich bei dem ganzen Verfahren um eine Abänderung des Vertrages, für den beide Vertragspartner gleichmäßig verantwortlich sind. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß im allgemeinen die Kosten von den Vertragsparteien zu tragen sind, auch dann, wenn der Antrag auf Änderung des Ausgleichs oder der Abfindung abgewiesen wird. Nur wenn dieses Ergebnis unbillig wäre, also z. B. dann, wenn sich in dem Verfahren herausgestellt hat, daß der angegriffene Ausgleich oder die Abfindung reichlich bemessen war und wenn dies für einen verständig Denkenden von vornherein erkenntlich war, so wäre es unbillig, die Kosten ganz den Vertragsparteien aufzuerlegen. Es entspricht dann der Billigkeit, sie ganz oder teilweise demjenigen aufzuerlegen, der trotzdem das Gericht angerufen hat. Dabei wird es vielfach eine Rolle spielen, wie in Fachkreisen der angebotene Ausgleich über die Abfindung beurteilt wurde. Die den Beteiligten in dem Verfahren entstandenen Kosten durch Vorlage von Gutachten, Hinzuziehung von Prozeßbevollmächtigten u. dgl., werden nach den Grundsätzen des FGG erstattet. Nach § 13 a kann das Gericht die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, allen Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen. Das geschieht durch Kostenfestsetzungsbeschluß, der vollstreckbar ist. Hinzuweisen ist endlich darauf, daß auch das Armenrecht einem Beteiligten bewilligt werden kann. 1693

§307

Unternehmensverträge

§ 307 Vertragsbeendigung zur Sidierung außenstehender Aktionäre Hat die Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung über einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag keinen außenstehenden Aktionär, so endet der Vertrag spätestens zum Ende des Geschäftsjahrs, in dem ein außenstehender Aktionär beteiligt ist. Die Bestimmung gehört eng zu der des § 304 I S. 3. Danach kann von der Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs abgesehen werden, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag keinen außenstehenden Aktionär hat. Dies ist der einzige Fall, in dem ein Unternehmensvertrag, der keinen Ausgleich enthält, wirksam ist. Ist ein außenstehender Aktionär vorhanden und fehlt der Ausgleich, so ist der Vertrag nichtig. Für das Angebot, die Aktien außenstehender Aktionäre gegen eine angemessene Abfindung zu erwerben, ergibt sich aus der Sache selbst, daß ein solches Angebot entfällt, wenn keine außenstehenden Aktionäre vorhanden sind. Außerdem würde, selbst wenn außenstehende Aktionäre vorhanden sind und ein Abfindungsangebot fehlt, die Gültigkeit des Vertrages nicht berührt. Es wäre aber niemand da, der nach § 306 ein Verfahren in Gang setzen könnte. Deshalb endet der Vertrag auch dann, wenn er einen Ausgleich und eine Abfindung enthalten hat (ebenso B.-H. Rn. 2). Praktische Bedeutung hat die Vorschrift kaum. Ihre Streichung wurde deshalb von Kreisen der Wirtschaft und durch Empfehlung der Konzernrechtskommission des Deutschen Juristentages vorgeschlagen. Der Gesetzgeber hat sich dennoch entschlossen, die Vorschrift beizubehalten, um damit im Falle des Eintritts außenstehender Aktionäre, was immerhin bei einer Kapitalerhöhung der Gesellschaft denkbar wäre, auf alle Fälle sicherzustellen, daß ein neuer Vertrag abgeschlossen wird, der dann nach § 304 einen Ausgleich gewähren muß, um gültig zu sein. Der Vertrag endet kraft Gesetzes spätestens zum Ende des Geschäftsjahres, in dem ein außenstehender Aktionär beteiligt ist. Das schließt nicht aus, daß inzwischen ein neuer gleichlautender Unternehmensvertrag abgeschlossen werden kann, der dann aber den Ausgleichs- und Abfindungsanspruch enthalten (ebenso B.-H. Rn. 3) und von den Hauptversammlungen der Gesellschaften erneut genehmigt werden muß. Die Bestimmung findet nach § 22 E G auch Anwendung auf Verträge, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen wurden.

1694

Vorbemerkungen zu §§ 308—310

V o r b e m . ZU §§ 308—310

ZWEITER TEIL

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Erster Abschnitt Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags Vorbemerkung zu §§ 308—310 Unter Leitungsmadit versteht das Gesetz die Möglichkeit, daß ein herrschendes Unternehmen einer abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen erteilen kann. Danadi, worauf die Leitungsmacht rechtlich beruht, wird vom Gesetz unterschieden: 1. Leitungsmacht aufgrund eines Vertrages. Hier gilt allein der Beherrschungsvertrag, alle anderen Unternehmensverträge sind nicht geeignet, die „Leitungsmacht aufgrund eines Vertrages" nach § 308 zu begründen, auch nicht der Gewinnabführungs vertrag nach § 291, obwohl dieser im ganzen ersten Teil des dritten Buches im wesentlichen gleich behandelt wird wie der Beherrschungsvertrag, d. h. in den Vorschriften über Gläubigerschutz und Schutz der außenstehenden Aktionäre. 2. Leitungsmacht bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages, gleichgültig, ob andere Unternehmensverträge oder ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Hier handelt es sich um praktisch bestehende Einflußmöglichkeiten. Das Gesetz regelt in § 311 deren Schranken. 3. Leitungsmacht aufgrund eines gesellschaftsrechtlichen Vorganges, der Eingliederung einer Gesellschaft in eine Hauptgesellschaft. Hier gibt § 323 der Hauptgesellschaft die weitestgehende Leitungsmadit, die noch über die durch den Beherrschungsvertrag vermittelte hinausgeht. Eine Zwischenstellung nehmen Gesellschaften ein, die durch einen Gewinnabführungsvertrag verbunden sind, ohne daß gleichzeitig, wie das meist der Fall ist, ein Beherrschungsvertrag besteht. Hier besteht nicht die weitgehende Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens nach § 308, vielmehr gelten die Schranken des Einflusses des herrschenden Unternehmens nach § 311. Dies bedeutet, daß das abhängige Unternehmen zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen nur veranlaßt werden kann, wenn diese Nachteile ausgeglichen werden. Es fehlt aber, wenn ein Gewinnabführungsvertrag besteht, an der Kontrolle, ob dies auch wirklich geschieht, denn nach § 316 ist in diesem Fall kein Bericht über Beziehungen der verbundenen Unternehmen zu 1695

§ 308

Anm. 1

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

erstatten. Darauf konnte verzichtet werden, weil bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages nach § 291 das herrschende Unternehmen letztlich selbst der Geschädigte ist, denn es mindert sich durch ungünstige Rechtsgeschäfte bei der abhängigen Gesellschaft der abzuführende Gewinn, oder es entsteht sogar ein Verlust, den das herrschende Unternehmen auszugleichen hat (§ 302).

§ 308 Leitungsmacht (1) Besteht ein Beherrsdiungsvertrag, so ist das herrschende Unternehmen berechtigt, dem Vorstand der Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Bestimmt der Vertrag nichts anderes, so können auch Weisungen erteilt werden, die für die Gesellschaft nachteilig sind, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. (2) Der Vorstand ist verpflichtet, die Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen. Er ist nidit berechtigt, die Befolgung einer Weisung zu verweigern, weil sie nach seiner Ansicht nicht den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dient, es sei denn, daß sie offensichtlich nicht diesen Belangen dient. (3) Wird der Vorstand angewiesen, ein Geschäft vorzunehmen, das nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats der Gesellschaft vorgenommen werden darf, und wird diese Zustimmung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erteilt, so hat der Vorstand dies dem herrschenden Unternehmen mitzuteilen. Wiederholt das herrschende Unternehmen nach dieser Mitteilung die Weisung, so ist die Zustimmung des Aufsichtsrats nicht mehr erforderlich; die Weisung darf, wenn das herrschende Unternehmen einen Aufsichtsrat hat, nur mit dessen Zustimmung wiederholt werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Das Weisungsrecht (Anm. 2)

I I I . Zustimmung des Aufsichtsrates (Anm. 3) IV. Ausschluß des Weisungsrechts (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Es gehört zum Begriff des Beherrschungsvertrages (§ 291), daß eine AG oder KGaA ihre Gesellschaft unter die Leitung eines anderen Unternehmens stellt. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß der Vorstand dieser Gesellschaft in seinen Entscheidungen nicht mehr frei ist; diese liegt vielmehr bei dem Vertragspartner, dem herrschenden Unternehmen. Allerdings ist es 1696

Leitungsmacht

§308 Anm.1,2

nicht so, daß die Befugnisse des Vorstandes der Gesellschaft, die spätestens mit Abschluß des BeherrschungsVertrages zu einer abhängigen geworden ist, ohne weiteres auf den Vorstand des herrschenden Unternehmens übergehen. Die Leitungsmacht wird vielmehr in gewissem Umfang gespalten. Nach § 308 ist das herrschende Unternehmen berechtigt, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Diese Weisungen sind vom Vorstand auszuführen, daneben bleibt ihm aber die Leitung der Gesellschaft, er behält auch seine Entscheidungsbefugnis, soweit diese nicht durch Weisungen eingeschränkt ist. II. Das Weisungsrecht Anm. 2: Das Weisungsrecht besteht gegenüber dem Vorstand der Gesellschaft, es kann also nicht gegenüber einzelnen Angestellten der Gesellschaft angewandt werden. Wohl aber kann der Vorstand die Angestellten anweisen, unmittelbar Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen (so Regierungbegründung). Das Weisungsrecht besteht also nicht gegenüber der Gesellschaft und demgemäß auch nicht gegenüber dem Aufsichtsrat. Es kann der Aufsichtsrat daher nicht angewiesen werden, ein bestimmtes Vorstandsmitglied zu wählen (Würdinger S. 289). Es besteht auch nicht gegenüber der Hauptversammlung, so daß Weisungen hinsichtlich der Fassung von Hauptversammlungsbeschlüsssen nicht erteilt werden können. Ebenso können Weisungen hinsichtlich des Abschlusses von Verträgen, die der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen, nur unter der Bedingung dieser Zustimmung erteilt werden (ebenso B.-H. Rn. 2). Das Weisungsrecht bezieht sich auf alles, was unter den Begriff der Leitung der Gesellschaft fällt, mithin auf alles das, wozu der Vorstand nach § 76 I berechtigt und verpflichtet ist. Das sind nicht nur Geschäftsführungsmaßnahmen, es kann vielmehr z . B . die Weisung erteilt werden, die Organe der Gesellschaft zur Vornahme einer Kapitalerhöhung einzuberufen und ähnliches. Insoweit ist das alles nichts Besonderes. Bei jedem abhängigen Unternehmen kann das herrschende Unternehmen weitgehend einen Einfluß geltend machen. Die entscheidende Abgrenzung der Leitungsmacht liegt an der Grenze, bei deren Überschreitung dem abhängigen Unternehmen ein Nachteil zugefügt wird. Bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags wird ausdrücklich angeordnet, daß, wenn der Vertrag nichts anderes bestimmt, auch Weisungen erteilt werden können, die für die Gesellschaft nachteilig sind. Im allgemeinen werden Beherrschungsverträge über diesen Punkt nichts Besonderes sagen. Es ist aber denkbar, daß das unbeschränkte Weisungsrecht eingeschränkt wird, weil sonst die Gesellschaft sich nicht zum Abschluß des Beherrschungsvertrages bereitfinden würde. Es herrscht hier also grundsätzlich völlige Vertragsfreiheit. Das Weisungsrecht kann im einzelnen genau eingegrenzt werden, es darf 1697

§ 308

Leitungsmadit und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 2,3 nur nicht erweitert werden über die gesetzliche Bestimmung hinaus, d. h., die Einschränkung, daß eine für die Gesellschaft ungünstige Weisung nur erteilt werden kann, wenn sie im Konzerninteresse liegt, kann nicht vertraglich ausgeschlossen werden (ebenso B.-H. Rn. 3). Sie ist in ihrer praktischen Wirkung dadurch bereits wesentlich eingeschränkt, daß der Vorstand nicht berechtigt ist, die Befolgung einer Weisung zu verweigern, weil sie nadi seiner Ansicht nicht den Belangen des herrschenden Unternehmens oder einem Konzernunternehmen dient; nur wenn es offensichtlich ist, daß die Weisung nicht solchen Belangen dient, darf er die Ausführung verweigern. In diesem Fall muß er es auch tun, wenn er sich seiner nach wie vor bestehenden Verantwortlichkeit gegenüber seiner Gesellschaft bewußt ist. Ist streitig, ob die Weisung solchen Belangen offensichtlich nicht dient, so trifft die Beweislast den die Befolgung einer Weisung verweigernden Vorstand (ebenso B.-H. Rn. 5). Es ist jedoch zulässig, daß derartige Weisungen aufgrund des Vertrages ausgeschlossen werden, wie z. B. Produktionsumstellung, Stillegung des Betriebes oder einer Filiale (vgl. Würdinger S. 288; B.-H. Rn. 3). Um die Verantwortung eindeutig klarzustellen, betont das Gesetz ausdrücklich, daß der Vorstand verpflichtet ist, die Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen. Soweit das herrschende Unternehmen Weisungen erteilt, geht die Verantwortung auf dieses und dessen Organe über, sie haben für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der abhängigen Gesellschaft gegenüber einzustehen (s. im einzelnen § 309). Natürliche Grenzen des Weisungsrechtes und der Gehorsamspflicht ergeben sich daraus, daß die Grundsätze der guten Sitten und die zwingenden gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden müssen (vgl. Würdinger S. 290; B.-H. Rn. 6). Hier kommen insbesondere unter pari Emission, Unterlassung von Einstellungen in die gesetzliche Rücklage nach § 300, Verletzung zwingender BewertungsVorschriften in der Bilanz usw. in Betracht. Ebenso kann der Vorstand nicht dazu gezwungen werden, seinen öffentlich-rechtlichen Pflichten nachzukommen, wie z.B. die rechtzeitige Aufstellung der Bilanz, die vorgeschriebenen Anmeldungen zum Handelsregister usw. (vgl. B.-H. Rn. 6). Allerdings sind Weisungen, die gegen §§ 57, 58 und 60 verstoßen, zulässig, da gemäß § 291 III Leistungen aufgrund eines Beherrschungsvertrages nicht als Verstoß gegen die genannten Vorschriften gilt. Eine Schädigung der Gesellschaft und Gläubiger tritt jedoch nicht ein, da diese durch die §§ 300 bis 303 geschützt sind. III. Zustimmung des Aufsichtsrates Anm. 3: Wenn nach der Satzung der abhängigen Gesellschaft oder einer bestehenden Geschäftsordnung der Vorstand verpflichtet ist, die Zustimmung des Aufsichtsrates zur Vornahme gewisser Geschäfte einzuholen, so entsteht für ihre Durchführung eine Schwierigkeit, wenn das herrschende Unterneh1698

Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter

§§ 308/309 Anm.3,4

men eine entsprechende Weisung erteilt. Wie oben ausgeführt, kann die Weisung nur dem Vorstand erteilt werden, der Aufsichtsrat kann nicht Empfänger einer solchen Weisung sein. Im Regierungs-Entwurf war vorgesehen, daß der Aufsichtsrat in diesem Fall verpflichtet sein sollte, seine Zustimmung zu geben. Das Gesetz ist dem nicht gefolgt, da eine solche Regelung der Stellung des Aufsichtsrates nicht gerecht wird. Wenn der Vorstand der abhängigen Gesellschaft die Weisung zur Vornahme eines Geschäftes erhält, das nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden darf, so hat er sidi zunächst an die Satzung seiner Gesellschaft oder die Geschäftsordnimg zu halten und die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Wird diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist erteilt, so hat der Vorstand dies dem herrschenden Unternehmen mitzuteilen. Diesem soll noch einmal Gelegenheit gegeben werden zu prüfen, ob die Weisung aufrechterhalten wird. Dabei muß, wenn das herrschende Unternehmen einen Aufsichtsrat hat, dessen Zustimmung zur Aufrechterhaltung der Weisung eingeholt werden. Ist ein Aufsichtsrat nicht vorhanden oder stimmt der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens zu, so kann das herrschende Unternehmen die Weisung wiederholen. Alsdann ist der Vorstand des abhängigen Unternehmens verpflichtet, der Weisung Folge zu leisten, obwohl die Satzungsbestimmung seiner eigenen Gesellschaft oder Bestimmung der Geschäftsordnung nicht eingehalten wird. Praktisch tritt in einem solchen Fall die Ausschaltung des Aufsichtsrates der abhängigen Gesellschaft ein. Dies erschien aber erträglicher als eine Verpflichtung zur Zustimmung zu normieren, die der grundsätzlichen Stellung eines Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand nicht entsprochen hätte. IV. Ausschluß des Weisungsrechts Antn. 4: Nach § 299 darf aufgrund eines Unternehmensvertrages der Gesellschaft nicht die Weisung erteilt werden, den Vertrag zu ändern, aufrechtzuerhalten oder zu beendigen. Insoweit ist das Weisungsrecht unabdingbar eingeschränkt. § 309 Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens (1) Besteht ein Beherrschungsvertrag, so haben die gesetzlichen Vertreter (beim Einzelkaufmann der Inhaber) des herrschenden Unternehmens gegenüber der Gesellschaft bei der Erteilung von Weisungen an diese die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. (2) Verletzen sie ihre Pflichten, so sind sie der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Gesdiäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. 1699

§ 309

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 1,2

(3) Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbesdiluß zustimmen und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkursverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. (4) Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann audi von jedem Aktionär geltend gemacht werden. Der Aktionär kann jedoch nur Leistung an die Gesellschaft fordern. Der Ersatzanspruch kann ferner von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft nicht ausgeschlossen. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Aktionäre und Gläubiger, den Ersatzanspruch der Gesellschaft geltend zu machen, aus. (5) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Haftung des herrschenden Unternehmens (Anm. 2)

III. Haftung der gesetzlichen Vertreter (Anm. 3) IV. Haftung anderer Organe (Anm. 4) V. Einschränkung der Verantwortlichkeit (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift regelt die Verantwortlichkeit für einen der Gesellschaft entstandenen Schaden, der durch Weisungen des herrschenden Unternehmens entstanden ist. Die Haftung des herrschenden Unternehmens ist nicht besonders geregelt (s. Anm. 2). Ein unmittelbarer Anspruch wird der Gesellschaft, ihren Aktionären und ihren Gläubigern gegen die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens gegeben (s. Anm. 3). Über die Ansprüche gegen die eigenen Verwaltungsmitglieder vgl. § 310 mit Anm. II. Haftung des herrschenden Unternehmens Anm. 2: Werden Weisungen erteilt, die nach dem Gesetz oder dem Beherrschungsvertrag nicht zulässig sind, und entsteht dadurch der Gesellschaft ein Schaden, so ist in erster Linie das herrschende Unternehmen hierfür verantwortlich, denn dieses gibt als solches die Weisungen durch seine gesetzlichen Vertreter oder gegebenenfalls beim Einzelkaufmann durch den Inhaber und ist deshalb der Schädiger. Diese primäre Haftung des herrschenden Unternehmens ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, sie ergibt sich 1700

Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter

§ 309

Anm. 2,3

nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unmittelbar aus dem Beherrschungsvertrag und den Bestimmungen des BGB. Handelt es sich bei dem herrschenden Unternehmen um eine AG, so haften deren Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nach §93 und § 116 dieser, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten verletzen. Das herrschende Unternehmen kann auch nicht subsidiär in Anspruch genommen werden, wenn die Haftung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter wertlos ist (vgl. Rasch S. 141, entgegen Zartmann, der in Die AktGes. 1965, 890 eine solche subsidiäre Haftung fordert). III. Haftung der gesetzlichen Vertreter Anm. 3: Neben dem Anspruch gegen das herrschende Unternehmen aus allgemeinen Gesichtspunkten gibt die hier vorliegende Vorschrift einen besonderen unmittelbaren Anspruch gegen die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens oder gegenüber einem Einzelkaufmann, wenn dieser Inhaber des Unternehmens ist. Die Genannten sind verpflichtet, bei der Erteilung von Weisungen an die abhängige Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Das entspricht der Sorgfaltspflicht, die für Vorstandsmitglieder nach § 93 für ihre gesamte Geschäftsführung gilt. Hier ist die Sorgfaltspflidit beschränkt auf die von ihnen gegebenen Weisungen. Verletzen sie ihre Pflichten, so hat die abhängige Gesellschaft einen Anspruch auf Ersatz des ihr durch die Weisung entstandenen Schadens. Der Anspruch ist weitgehend dem aus § 93 nachgebildet. Er kann ebenso wie in § 93 von den Gläubigern der Gesellschaft unmittelbar geltend gemacht werden. Darüber hinaus kann ihn aber auch jeder Aktionär geltend machen, allerdings nur in der Weise, daß er Leistung an die Gesellschaft fordert. Auch die Verjährungsfrist von 5 Jahren entspricht der des § 93. Ebenso wie dort kann die Gesellschaft erst 3 Jahre nach der Entstehung des Anspruches auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen. Während hierfür nach § 93 ein Hauptversammlungsbeschluß erforderlich ist, müssen hier die außenstehenden Aktionäre (vgl. zum Begriff § 295 Anm. 4; § 304 Anm. 6) durch Sonderbeschluß zustimmen, der mit einfacher Mehrheit gefaßt werden kann. Auch hier kann eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erreichen, den Beschluß verhindern. Die Minderheit bezieht sich nur auf die außenstehenden Aktionäre, die an der Teilnahme am Sonderbeschluß berechtigt sind. Ein etwa teilnehmender, nicht außenstehender Aktionär wird mit seinem Aktienbesitz nicht mitgerechnet. Neben diesem Sonderbeschluß der außenstehenden Aktionäre ist ein Hauptversammlungsbeschluß nach § 93 nicht erforderlich, denn die Bestimmung des § 309 III verweist nicht auf § 93, sondern sie trifft nur diesem angepaßte Bestimmungen. Auch aus der 1701

§ 309

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 3—5 Bezeichnung „Sonderbeschluß" kann man nicht schließen, daß daneben ein Hauptversammlungsbeschluß erforderlich wäre. Jeder Beschluß, an dem sich nur ein Teil der Aktionäre beteiligen kann, ist kein Hauptversammlungsbesdiluß, sondern ein Sonderbeschluß. IV. Haftung anderer Organe Anm. 4: Ist das herrschende Unternehmen ein solches, das einen Aufsichtsrat hat, so ergibt sich keine besondere Haftung der Aufsichtsratsmitglieder. Selbst wenn sie die Weisungen, die durch den gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens erteilt wurden, ausdrücklich genehmigt haben, wie dies für den Fall des § 308 III ausdrücklich vorgesehen ist, haften sie nicht etwa der abhängigen Gesellschaft unmittelbar für einen Schaden, den diese durch eine vom Aufsichtsrat genehmigte Weisung erlitten hat. Das schließt nicht aus, daß sie ihrer eigenen Gesellschaft aus § 116 verantwortlich sind.

V. Einschränkung der Verantwortlichkeit Anm. 5: Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bei der Erteilung von Weisungen ist nicht schon dann verletzt, wenn etwa die Weisungen nachteilige Folgen für die abhängige Gesellschaft haben. Dies ist ausdrücklich erlaubt, jedenfalls wenn der Vertrag nichts anderes vorsieht und wenn die Weisung im Gesamtkonzern sinnvoll erscheint. Wenn dies nicht der Fall ist, könnte eine Pflichtwidrigkeit angenommen werden. Bei der Abgrenzung ist die Tatsache von besonderer Bedeutung, daß die gesetzlichen Vertreter die Beweislast dafür haben, daß sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben. Mehrere gesetzliche Vertreter haften nach außen hin als Gesamtschuldner. Über die Haftung im Innenverhältnis sagt das Gesetz nichts; sie richtet sich wie immer nach den Umständen des Einzelfalles. Dagegen ist zu berücksichtigen, daß ein Mitverschulden nach § 254 BGB des Vorstandes der abhängigen Gesellschaft zu berücksichtigen ist, wenn die Weisung offensichtlich nicht den Interessen des Gesamtkonzerns entspricht und demgemäß vom Vorstand der abhängigen Gesellschaft hätte erkannt werden müssen (vgl. B.-H. Rn. 1). Eine Verantwortlichkeit tritt nur für Schäden ein, die aufgrund der Erteilung von Weisungen aufgetreten sind, nicht auch bei Schäden, die ihre Verursachung in der Einflußnahme mittels des Stimmrechtes haben (ebenso B.-H. Rn. 6; a. A. Würdinger S. 291). 1702

Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft

§ 310

Anm. 1,2 § 310 Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft (1) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Gesellschaft haften neben dem Ersatzpflichtigen nach § 309 als Gesamtschuldner, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. (2) Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. (3) Eine Ersatzpflicht der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft besteht nicht, wenn die schädigende Handlung auf einer Weisung beruht, die nach § 308 Abs. 2 zu befolgen war. (4) § 309 Abs. 3 bis 5 ist anzuwenden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Umfang (Anm. 2) III. Mitwirkung des Aufsiditsrats (Anm. 3)

IV. Bedeutung der Weisung (Anm. 4) V. Ausschluß der Haftung (Anm. 5) VI. Verzicht, Vergleich, Verjährung (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Neben der Haftung des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter treten als dritte Gruppe die Verwaltungsmitglieder der abhängigen Gesellschaft. Diese haften zunächst einmal nach §§ 93 und 116 nach den allgemeinen Bestimmungen. Danach haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Verletzen sie ihre Pflichten, so sind sie der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Das gleiche gilt entsprechend nach § 116 für die Aufsichtsratsmitglieder. II. Umfang Anm. 2: Abs. 1 sagt das gleiche, was sich bereits aus §§ 93 und 116 ergibt, er fügt nur hinzu, daß die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft als Gesamtschuldner mit den gesetzlichen Vertretern des herrschenden Unternehmens nach § 309 haften. Ebenso wie in § 93 haben sie im Streit, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, die Beweislast. Das Besondere an der vorliegenden Bestimmung ist, daß sie dann eingreift, wenn die freie Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft durch den Beherrschungsvertrag eingeengt ist. Insofern steht die Bestimmung in Konkurrenz mit der des § 117 II. Dort handelt es sich um die Schadenersatz1703

§310

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 2—i pflidit der Verwaltungsmitglieder neben demjenigen, der unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft dieser Schaden zugefügt hat. Hier treten an Stelle desjenigen, der der Gesellschaft durch Benutzung seines Einflusses Schaden zugefügt hat, gewissermaßen die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens nach § 309. Die besondere Haftung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft ist hier weitgehend so geregelt wie in §11711, weil das Problem das gleiche ist. In einer Beziehung ist die Haftung aus § 310 jedoch verschärft; während nach §11711 eine Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft und deren Aktionären gegenüber nicht eintritt, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht, wird hier die Haftung durch einen Hauptversammlungsbeschluß deshalb nicht ausgeschlossen, weil im allgemeinen in der Hauptversammlung das herrschende Unternehmen gerade dort einen beherrschenden Einfluß ausüben kann, also in zweifelhaften Fällen die Haftung der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft dadurch ausschließen könnte, daß es einen Hauptversammlungsbeschluß herbeiführt. Auf der anderen Seite wird die Haftung dadurch begrenzt, daß die Verwaltungsmitglieder der abhängigen Gesellschaft nach § 308 II verpflichtet sind, gewissen Weisungen der herrschenden Gesellschaft zu folgen. Infolgedessen kann eine Ersatzpflicht der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft dann nicht bestehen, wenn die schädigende Handlung auf einer solchen zulässigen Weisung beruht. III. Mitwirkung des Aufsichtsrats Anm. 3: Wie in § 93 IV S. 2 und § 117 II S. 4 wird auch hier ausdrücklich bestimmt, daß die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen wird, wenn der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat. Ist dies geschehen, so wird in aller Regel auch die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegeben sein. Diese wird aber u. U. auch ohne ausdrückliche Billigung der schädigenden Handlung gegeben sein, denn die allgemeine Aufsichtspflicht des Aufsichtsrates der abhängigen Gesellschaft wird durch die Tatsache des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages nicht beeinträchtigt. Er haftet nach allgemeinen Gesichtspunkten, wenn er hätte eingreifen müssen. IV. Bedeutung der Weisung Anm. 4: Im Grunde ändert die Vorschrift des § 310 nichts an der grundsätzlichen Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nach §§93 und 116. Es wird aber festgestellt, daß, wenn eine Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens gegeben ist, die Haftung der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft in der Weise neben diese Haftung tritt, daß alle Beteiligten als Gesamtschuldner haften. 1704

§ 310/Vorbem. §§ 311—318 Anm. 4—6 Die Abgrenzung des Begriffs der „Weisung" ist hier von erheblicher Bedeutung. Er ist hier nicht so eng auszulegen, daß die Weisung gerade auf die Vornahme eines schädlichen Geschäfts gerichtet sein muß. Vielmehr kann eine Weisung auch dadurch erteilt werden, daß eine bestimmte Geschäftspolitik für das abhängige Unternehmen festgelegt wird. Bei der Befolgung einer solchen Gesdiäftspolitik könnte es durchaus vorkommen, daß sie im großen und ganzen gesehen für das abhängige Unternehmen vorteilhaft ist, es kann aber auch passieren, daß gerade durch die besondere Art, wie die Durchführung der Geschäftspolitik vom herrschenden Unternehmen festgelegt wird, sich Schadensfälle ereignen. Dann wird im Einzelfall zu prüfen sein, inwieweit die Festlegung der Geschäftspolitik als Weisung anzusehen und kausal für das schädigende Ereignis gewesen ist. Wenn die Kausalität nicht vorliegt, haften die Verwaltungsmitglieder der abhängigen Gesellschaft dieser allein (s. auch Anm. 4), liegt sie vor, wird man die gesamtschuldnerische Haftung bejahen müssen, im Innenverhältnis kann sie aber völlig entfallen. Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft ist verpflichtet zu prüfen, ob er die Weisung zu befolgen hat. Er hat sie zu befolgen, wenn sie nach dem Inhalt des Beherrschungsvertrages und dem Gesetz (§ 308 II) zulässig ist. Vorbemerkungen zu §§ 3 1 1 - 3 1 8

V. Ausschluß der Haftung Anm. 5: Eine Ersatzpflicht tritt dann nicht ein, wenn der Schaden auf einer vom Vorstand zu befolgenden Weisung beruht. Diese Regelung ist ebenfalls gerechtfertigt, weil in diesem Fall der Vorstand keine Möglichkeit hat, die Befolgung der Weisung abzulehnen und er darum den Schaden nicht verursacht hat. Seine Sorgfaltspflicht beschränkt sich insoweit auf die Prüfung, ob er die Befolgung der Weisung ablehnen kann. Dies kann sich aus dem Vertrag oder aus § 308 II ergeben. VI. Verzieht, Vergleich, Verjährung Anm. 6: Für den Verzicht oder Vergleich über die Ersatzansprüche und über seine Geltendmachung durch Aktionäre und Gläubiger sowie über seine Verjährung gelten die gleichen Grundsätze wie für den Anspruch gegen die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens (vgl. § 309 Anm. 3). Zweiter Abschnitt Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrags Vorbemerkungen zu §§ 311—318 Wenn eine Aktiengesellschaft oder KGaA die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen durch Vertrag unterstellt, also einen Beherr1705

Vorbem. §§ 311—318

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit

schungsvertrag im Sinne des § 291 abgeschlossen hat, spricht man vom Vorliegen eines Vertragskonzerns. Hiervon zu unterscheiden ist der sogenannte faktische Konzern. Audi hier gibt es eine einheitliche Leitung eines herrschenden Unternehmens, unter die sich ein oder mehrere abhängige Unternehmen stellen, denn dies ist die Definition des sogenannten Unterordnungskonzerns nach § 18 I. N u r auf diesen und nidit auf den Gleichordnungskonzern beziehen sich die Bestimmungen der §§ 311 bis 318. In allen diesen Bestimmungen spricht das Gesetz auf der einen Seite von einem herrschenden Unternehmen, auf der anderen Seite von einer abhängigen Gesellschaft, d. h. also von einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. Grundsätzlich besteht auch bei einem solchen faktischen Konzern eine Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens gegenüber dem oder den abhängigen Unternehmen. Diese ist jedoch dadurch entscheidend eingeschränkt, daß sie nicht zum Nachteil des oder der abhängigen Unternehmen angewandt werden darf. Diese Einschränkung war notwendig, weil dann, wenn kein Beherrschungsvertrag vor'iegt, es an den für einen solchen Vertrag vorgeschriebenen Sicherungen für die Gesellschaft, deren Gläubiger und der außenstehenden Aktionäre fehlt. Es ergibt sich daraus, daß die Stellung des abhängigen Unternehmens in einem faktischen Konzern eine unabhängigere ist als in einem Vertragskonzern. Die Bestimmungen bezwecken daher die Wahrung der Interessen der Gesellschaft und deren Gläubiger (vgl. hierzu Kronstein in BB 1967, 641 f.; Adler-Düring-Schmaltz Vorbem. zu §§311 bis 313 Tz 64). Die Vorschriften sind dementsprechend auch im Sinne von Gläubigerschutzvorschriften anzuwenden und auszulegen (so Adler-DüringSchmaltz a. a. O.). Der Grundsatz, daß der Einfluß des herrschenden Unternehmens nicht dazu benutzt werden kann, einer abhängigen AG oder KGaA Nachteile zuzufügen, wird allerdings insoweit eingeschränkt, als dies dann zulässig ist, wenn die Nachteile ausgeglichen werden. Das Verbot, der abhängigen Gesellschaft Nachteile zuzufügen, wäre für die daran Interessierten, das sind die Gläubiger und die außenstehenden Aktionäre der Gesellschaft, nicht ausreichend, wenn nicht durch eine Kontrolle die Einhaltung des Verbots gesichert wäre. Das Gesetz sieht daher in §312 vor, daß der Vorstand der abhängigen Gesellschaft einen Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erstatten hat. In den Bericht sind alle Rechtsgeschäfte und Maßnahmen aufzunehmen, die das herrschende Unternehmen oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen veranlaßt hat oder die im Interesse dieser Unternehmen durchgeführt werden. Nach § 312 ist der Bericht gleichzeitig mit dem Jahresabschluß und dem Geschäftsbericht den Abschlußprüfern der Gesellschaft vorzulegen. Diese haben zu prüfen, ob die tatsächlichen Angaben des Berichts richtig und vollständig sind, ob der Gesellschaft durch den auf sie ausgeübten Einfluß Nach1706

Vorbemerkungen vor §§ 311—318

Vorbem. §§ 311—318

teile entstanden sind, und, wenn dies geschehen ist, ob die Nachteile ausgeglichen worden sind oder der Gesellschaft spätestens bis zum Ende des Geschäftsjahres ein Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich des entstandenen Nachteils bestimmter Vorteil gewährt wurde. Die Prüfer haben den Bericht mit einem besonderen Prüfungsvermerk zu versehen, der im Gesetz im einzelnen vorgeschrieben ist (§ 313 III). Alsdann hat der Vorstand seinen Bericht, verbunden mit dem Prüfungsbericht der Abschlußprüfer, dem Aufsichtsrat vorzulegen, der seinerseits den Bericht des Vorstands zu prüfen hat. Das Ergebnis dieser Prüfung ist in seinem allgemeinen Prüfungsbericht, den er der Hauptversammlung vorzulegen hat, aufzunehmen. Ferner hat der Aufsichtsrat zum Prüfungsbericht der Abschlußprüfer Stellung zu nehmen und den von diesen erteilten Bestätigungsvermerk in seinen eigenen Bericht aufzunehmen. Ist der Bestätigungsvermerk versagt worden, so muß er auch diese Tatsache mitteilen (§ 314). Nach § 315 hat jeder Aktionär das Recht, bei Gericht den Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern zu stellen, wenn sich aus den Erklärungen über den Prüfungsbericht ergibt, daß die gesetzlichen Bestimmungen nicht oder nicht vollständig gewahrt wurden, d. h., wenn aus ihnen zu entnehmen ist, daß dem abhängigen Unternehmen Nachteile entstanden sind, die nicht ausgeglichen wurden, oder für deren Ausgleich kein Rechtsanspruch gewährt wurde. Überschreitet das herrschende Unternehmen die ihm in §311 gesetzten Schranken seines Einflusses und entsteht dadurch ein Schaden bei der abhängigen Gesellschaft, so haftet in erster Lienie das herrschende Unternehmen selbst (§3171). Daneben tritt aber ein unmittelbarer Anspruch der abhängigen Gesellschaft gegen die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens, die die Gesellschaft zu dem Rechtsgeschäft oder der Maßnahme veranlaßt haben. Ist das herrschende Unternehmen eine Aktiengesellschaft, so ergibt sich hieraus eine Haftung der handelnden Vorstandsmitglieder, nicht aber der Aufsichtsratsmitglieder der herrschenden Gesellschaft. Auch hier kann der Ersatzanspruch der Gesellschaft von jedem Aktionär oder Gläubiger geltend gemacht werden. Darüber hinaus kann jeder Aktionär noch Ersatz des ihm unmittelbar entstandenen Schadens verlangen, soweit er über denjenigen hinausgeht, der ihm durch die Schädigung der Gesellschaft mittelbar zugefügt worden ist. Neben der Haftung des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter haften als dritte Gruppe nach § 318 die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft selbst. Uber die allgemeine Haftung aus den §§ 93 und 116 hinaus bestimmt §318, daß die Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft als Gesamtschuldner neben der herrschenden Gesellschaft und deren gesetzlichen Vertretern haften. Daraus ergibt sich zunächst eine Erweiterung der Haftung aus § 93 insoweit, als sie sich auch auf den Schaden der Aktionäre, der diesen über die Schädi1707

Vorbein. §§311 —318 / § 311 Leitungsmacht u. Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit gung der Gesellschaft hinaus entstanden ist, erstreckt. Andererseits ist diese erweiterte Haftung nur dann gegeben, wenn die Verwaltungsmitglieder ihre Pflichten, die sie in bezug auf den Bericht des Vorstandes über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen haben, verletzen. Im übrigen ist die Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft hier ähnlich geregelt wie in § 310 für den Vertragskonzern mit einer Ausnahme: während dort ein die Handlung der Verwaltungsmitglieder deckender Hauptversammlungsbeschluß ohne jede Bedeutung ist, entfällt hier die Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Hier findet der Gedanke seinen Niederschlag, daß eine Gesellschaft, die lediglich einem faktischen Konzern angehört, also nicht durch Vertrag ihre gesamte Leitung einem anderen Unternehmen unterstellt hat, eine größere Selbständigkeit besitzt, und daß es deshalb mit der Stellung der Hauptversammlung einer soldien Gesellschaft nicht zu vereinbaren ist, die Verwaltungsmitglieder haften zu lassen, obwohl ein gesetzmäßiger Beschluß der Hauptversammlung den Schaden ausgelöst hat. Die Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft wird allerdings durch einen solchen Hauptversammlungsbeschluß nicht beseitigt.

§ 311 Schränken des Einflusses (1) Besteht kein Beherrschungsvertrag, so darf ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluß nicht dazu benutzen, eine abhängige Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen, es sei denn, daß die Nachteile ausgeglichen werden. (2) Ist der Ausgleich nicht während des Geschäftsjahrs tatsächlich erfolgt, so muß spätestens am Ende des Geschäftsjahrs, in dem der abhängigen Gesellschaft der Nachteil zugefügt worden ist, bestimmt werden, wann und durch welche Vorteile der Nachteil ausgeglichen werden soll. Auf die zum Ausgleich bestimmten Vorteile ist der abhängigen Gesellschaft ein Rechtsanspruch zu gewähren. I. Übersicht (Anm. 1) II. Grenzen der Leitungsmadit (Anm. 2) III. Nachteil (Anm. 3) 1708

IV. Ausgleich 1. Voraussetzung (Anm. 4) 2. Art (Anm. 5 u. 6)

Schranken des Einflusses

§ 311 A r n 1,2

I. Übersicht Anm. 1: Im Gegensatz zu § 308 spricht das Gesetz nicht von „Weisungen", vielmehr geht es sehr viel allgemeiner davon aus, welchen Einfluß ein herrschendes Unternehmen auf eine abhängige Gesellschaft ausüben kann. Das ist viel weitergehend als Weisungen (siehe auch Adler-Düring-Sdimaltz Tz 34). Jede Beeinflussung der Geschäftspolitik der abhängigen Gesellschaft fällt unter diesen Begriff. Es kann hier — im Gegensatz zu § 308 — kein Zweifel sein, daß jede gemeinsame Ausrichtung auf eine Geschäftspolitik unter die hier angesprochene Einflußnahme fällt. Dennoch muß auch hier eine Kausalität zwischen der Einflußnahme und der nachteiligen Wirkung des Rechtsgeschäftes oder der Maßnahme bestehen. Es ist denkbar, daß das herrschende Unternehmen auf einen bestimmten Tätigkeitsbereich der abhängigen Gesellschaft überhaupt keinen Einfluß nimmt, dann würden Schäden, die dort auftreten, sicherlich nicht unter die vorliegende Bestimmung fallen. Durch die Bestimmung des § 311 werden nicht etwa nachteilige Einflußnahmen verboten, es wird nur bestimmt, daß eintretende Nachteile ausgeglichen werden müssen, wie dies schon zum Aktiengesetz 1937 weitgehend gefordert worden ist (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 2; Geßler in BB 1965, 1730; Möhring in N J W 1967, 7). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes (a. A. Mathern in Die AktGes. 1966, 380, der ein Verbot annimmt). II. Grenzen der Leitungsmacht Anm. 2: Zu beachten ist, daß die Bestimmungen der §§311 ff. sich nicht lediglich auf Konzerngesellschaften beziehen (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 4; Kronstein in BB 1967, 639; Würdinger S. 309). Es ist mithin nicht erforderlich, daß eine einheitliche Leitung ausgeübt wird. Es kommt auch nicht auf die Rechtsform des herrschenden Unternehmens an, es muß sich lediglich um ein Unternehmen im aktienrechtlichen Sinne handeln (vgl. hierzu § 15 Anm. 2). Das herrschende Unternehmen kann seinen Sitz auch im Ausland haben (Goerdeler in WP 1966, 123; Adler-Düring-Schmaltz Tz 4). Die Bestimmungen gelten schlechthin für jedes Abhängigkeitsverhältnis, d. h., wenn eine Abhängigkeit im Sinne des § 17 besteht. Es ist demnach nicht einmal erforderlich, daß das herrschende Unternehmen einen beherrschenden Einfluß ganz allgemein ausübt, es genügt, wenn es ihn ausüben kann und vielleicht in einem einzigen Sonderfall dies zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft tut. Bereits dann treten die Folgen des §311 ein. Andererseits kann nicht gefolgert werden, daß, wenn eine einheitliche Leitung besteht, die von dem herrschenden Unternehmen ausgeht, also ein Unterordnungskonzern im Sinne des § 1 8 1 vorliegt, bereits alle nachteili1709

§ 311 Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Anm. 2

gen Geschäfte bei der abhängigen Gesellschaft unter §311 fielen. Sie müssen sich zum mindesten aus einer Einflußnahme direkt oder indirekt ergeben (vgl. auch Mathern in Die AktGes. 1966, 381; Adler-Düring-Schmaltz Tz 33). Nach § 18 I wird, wenn ein herrschendes und ein abhängiges Unternehmen verbunden sind, vermutet, daß sie unter einheitlicher Leitung des herrschenden Unternehmens stehen. An die Widerlegung dieser Vermutung muß man strenge Anforderungen stellen. Wenn Leo in Die AktGes. 1965, 355 die Auffassung vertritt, es dürfe für die Annahme einer einheitlichen Leitung kaum genügen, wenn das herrschende Unternehmen der Tochtergesellschaft nur die allgemeinen Richtlinien der Geschäftspolitik vorzeichnet und es in das Ermessen des Vorstandes der abhängigen Gesellschaft stellt, von ihnen abzuweichen, so kann dem nicht zugestimmt werden. Es ist immer davon auszugehen, daß der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft, eben aus der Abhängigkeit heraus, bestrebt sein muß, den Wünschen der herrschenden Gesellschaft zu folgen. Wenn diese die Richtlinien der Geschäftspolitik vorzeichnet, so genügt dies schon zur Feststellung, daß sie ihren Einfluß benutzt; wenn sie auch im Einzelfall Abweichungen von diesen allgemeinen Richtlinien zuläßt, so muß sie doch erwarten, daß im allgemeinen diese Richtlinien befolgt werden. Ergibt sich aus der Befolgung ein Nachteil für die Gesellschaft, so liegen die Voraussetzungen des § 311 vor (wie hier Geßler in NB 1966, 201; Adler-Düring-Schmaltz Tz 32). Von einem „Veranlassen" wird man allerdings nur dann sprechen können, wenn die allgemeinen Geschäftsanweisungen so ins einzelne gegeben sind, daß gerade die Durchführung des nachteiligen Geschäftes oder die Durchführung oder Unterlassung der nachteiligen Maßnahme sich aus den Geschäftsanweisungen für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft nach vernünftiger Auslegung der Richtlinien der herrschenden Gesellschaft ergeben haben. Andererseits kann man nicht so weit gehen, daß unter Veranlassung nur zu verstehen ist, wenn die Einflußnahme der herrschenden Gesellschaft sich speziell auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft oder eine Maßnahme erstreckt hat. Würde man das tun, so käme man praktisch darauf hinaus, auch hier eine Weisung als das allein Maßgebliche anzusehen, was sicherlich nicht gewollt ist, denn gerade dieser Ausdruck ist hier im Gegensatz zu § 308 vermieden worden. Die Bestimmung des § 311 geht also in dieser Beziehung jedenfalls weiter als der Begriff der Weisung in § 308. Daß auch dieser nicht so eng ausgelegt werden darf, daß die Weisung sich auf das konkrete Geschäft beziehen müßte, ist in § 310 Anm. 4 ausgeführt. Im Einzelfall wird man stets prüfen müssen, ob der Vorstand einer nicht abhängigen Gesellschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters das nachteilige Rechtsgeschäft abgeschlossen oder die nachteiligen Maßnahmen getroffen oder unterlassen hätte. Kommt man zu dem Ergebnis, daß das nicht der Fall ist, so kann man noch nicht 1710

Schranken des Einflusses

§311 Anm. 2,3

unmittelbar daraus schließen, daß die Abweichung in der Entscheidung des Vorstandes auf seiner Abhängigkeit beruht. Es muß alsdann geprüft werden, ob die herrschende Gesellschaft irgendwelchen Einfluß ausgeübt hat, der den Vorstand veranlaßte, von der Norm abzuweichen. Wenn das festgestellt ist, kommt es auf die Intensität, mit der die herrschende Gesellschaft ihren Willen kundgetan oder gar durchzusetzen versuchte, nicht an. Die Streitfrage zum bisherigen § 101 III AktG 37, ob die nach dieser Bestimmung zulässige Berufung darauf, der Einfluß sei benutzt worden, um einen Vorteil zu erlangen, den schutzwürdigen Belangen dient, dahin auszulegen ist, daß es sich um einen Vorteil für den Konzern bzw. einzelner Mitglieder des Konzerns handeln könnte, ist durch die Formulierung des § 311 entsprechend der herrschenden Lehre dahin entschieden worden, daß eine solche Berufung auf ein Konzerninteresse nicht erlaubt ist. III. Nachteil Anm. 3: Bei der Feststellung, ob der abhängigen Gesellschaft ein Nachteil entstanden ist, kommt es allein auf den objektiven Sachverhalt an. Einen Anhaltspunkt gibt dafür die Bestimmung des § 312 I. Danach sind bei den Rechtsgeschäften Leistung und Gegenleistung, bei den Maßnahmen die Gründe der Maßnahme und deren Vorteile und Nachteile für die Gesellschaft anzugeben. Daraus ergibt sich, daß ein Nachteil im Sinne der Bestimmung des § 311 vorliegt, wenn für die Leistung der Gesellschaft bei einem Rechtsgeschäft keine angemessene Gegenleistung erfolgt ist. Bei den Maßnahmen sind die Vorteile und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Uberwiegen die Vorteile oder sind sie jedenfalls nicht kleiner als die Nachteile, so ist die Maßnahme keine nachteilige. Hier ist noch nicht an den Ausgleich eines Nachteils gedacht, sondern hier kommt es zunächst einmal darauf an festzustellen, ob die Maßnahme überhaupt nachteilig war. Viele Maßnahmen haben zwei Seiten. Sie bringen gleichzeitig Vorteile und Nachteile mit sich, um deren Abwägung es hier geht. Kommt man dabei zu dem Ergebnis, daß die Nachteile nicht überwiegen, so ist die Maßnahme oder ihre Unterlassung nicht zu beanstanden (abweichend Adler-Düring-Schmaltz Tz 27). Wird auf diese Weise objektiv ein Nachteil der abhängigen Gesellschaft festgestellt, so kommt es nicht darauf an, ob der Nachteil deshalb veranlaßt wurde, weil die herrschende Gesellschaft oder eine Konzerngesellschaft aus dem veranlaßten Verhalten der abhängigen Gesellschaft Nutzen ziehen sollte. Selbst wenn sie sich für den gesamten Konzern ebenso nachteilig auswirkt wie für die abhängige Gesellschaft, bleibt sie ein Nachteil der abhängigen Gesellschaft im Sinne des § 311, der ausgeglichen werden muß. Ein Nachteil wird audi nicht dadurch beseitigt, daß nachgewiesen werden kann, daß der Vorstand einer nicht abhängigen Gesellschaft das Rechts1711

§ 311

Anm. 3

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

geschäft oder die Maßnahme vorgenommen bzw. letztere unterlassen hätte. Das spielt eine Rolle bei der Schadenersatzpflicht der Organe der abhängigen Gesellschaft, nidit aber bei der Feststellung, ob objektiv ein Nachteil vorliegt. Ebensowenig kommt es darauf an, ob im Konzern etwa Vorteile entstanden sind, auch dann nicht, wenn diese Vorteile sich letztlich zugunsten der in Frage stehenden abhängigen Gesellschaft auswirken, denn das ist eine Frage des Ausgleichs einmal entstandenen Nachteils und keine Frage bei der Feststellung, ob überhaupt ein Nachteil entstanden ist. Bei den konzerninternen Rechtsgeschäften wird am häufigsten ein Nachteil für eine abhängige Gesellschaft entstehen, und zwar einmal in der Richtung, daß sie keine angemessene Gegenleistung erhält oder auch in der Form, daß sie einen Oberpreis für die Leistung einer anderen Konzerngesellschaft zahlt. Die Frage, ob die Gegenleistung angemessen ist, mag im Einzelfall nicht leicht zu entscheiden sein. Maßgebend ist stets, ob die gleiche Gegenleistung auf dem Markt erzielbar gewesen wäre und, wenn etwa gegenüber dem Marktpreis gewisse Vergünstigungen an ein verbundenes Unternehmen gewährt wurden, ob diese Vergünstigungen auch einem völlig außerhalb des Konzerns Stehenden gewährt worden wären. Das ist z. B. denkbar, wenn sich eine Konzerngesellsdiaft verpflichtet, die gesamte Produktion des in Rede stehenden abhängigen Unternehmens zu übernehmen; dann ist es nicht zu beanstanden, wenn ein unter dem Marktpreis liegender Preis vereinbart wird, denn dieser wäre voraussichtlich auch einem völlig Fernstehenden genehmigt worden. Es wird also hier ein kaufmännisch zu rechtfertigender Preis zugrunde gelegt. Es entsteht kein Nachteil für die Gesellschaft. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar, daß die abhängige Gesellschaft einen höheren Einkaufspreis zahlt, weil ihr von einem Konzernunternehmen die vorzugsweise Belieferung sichergestellt wird, auch hier nur, soweit ein solcher Vertrag auch mit einer außenstehenden Gesellschaft möglich wäre (vgl. Leo in Die AktGes. 1965, 357/58; soweit dort ausgeführt wird, daß der steuerliche Begriff einer verdeckten Gewinnausschüttung zum Vergleich der Angemessenheit heranzuziehen wäre, kann dem nicht gefolgt werden). Die Veranlassung zu einem nachteiligen Geschäft setzt kein Verschulden voraus (so Geßler in DB 1965, 1730; Adler-Düring-Schmaltz Tz 35; a . A . Leo in Die AktGes. 1965, 358, der Vorsatz voraussetzt). Auch wenn ein Nachteil nicht voraussehbar wäre, würde nach § 3 1 7 1 allein wegen der Veranlassung zu dem sich später als nachteilig erwiesenen Geschäft eine Ersatzpflicht bestehen. Auch in einem solchen Falle würde also der abhängigen Gesellschaft ein Nachteil im Sinne des § 3 1 1 zugefügt sein. Daß die Haftung in § 317 II abgemildert wird, spielt in diesem Zusammenhang, ob objektiv ein Nachteil vorliegt, keine Rolle. 1712

Schranken des Einflusses

§311

Anm. 3—5

Das Verbot, der abhängigen Gesellschaft einen Naditeil zuzufügen, ohne ihn auszugleichen, ist umfassend. Es geht weiter als die Vorschrift des § 117, die nur wegen der Beeinflussung bestimmter Personen, die ihrerseits die Geschicke der Gesellschaft beeinflussen können, eine Haftung bestimmt, wenn dies zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre geschieht. Vor allem gilt §311 auch für die Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung, das bei § 117 nach Abs. 7 Nr. 1 ausdrücklich ausgeschlossen ist. Hier mußte diese Art der Einflußnahme mit einbegriffen werden, weil gerade ein herrschendes Unternehmen, das vielfach auch die Mehrheit in der Hauptversammlung besitzt, über die Hauptversammlung einen Einfluß ausüben könnte, der ihm durch unmittelbare Einwirkung auf die Verwaltungsorgane nicht erlaubt wäre. Auf diese Weise könnte die Bestimmung umgangen werden. IV. Ausgleich 1. Voraussetzung Anm. 4: Ist der Nachteil durch eine Einflußnahme des herrschenden Unternehmens verursacht worden, so ist dieser auszugleichen. Wenn durch die unter dem Einfluß des herrschenden Unternehmens vorgenommene oder unterlassene Maßnahme oder das eingegangene Rechtsgeschäft ein Nachteil entstanden ist, so ist die Einflußnahme oder das „Veranlassen" noch keineswegs an sich unzulässig. Das wird vielfach verkannt, wenn behauptet wird, durch die Bestimmung des § 311 sei die Leitung eines faktischen Konzerns zu stark eingeschränkt. Das herrschende Unternehmen kann den Vorstand des abhängigen Unternehmens durchaus zu Geschäftsführungsmaßnahmen veranlassen, die sich nachteilig für die abhängige Gesellschaft auswirken und dieser kann diese Geschäftsführungsmaßnahmen audi durchführen, selbst wenn er erkennt, daß sie sich zum Nachteil der Gesellschaft auswirken. Allerdings muß er dann, um seine allgemeinen Sorgfaltspflichten aus § 93 zu erfüllen, sidi vergewissern, daß die den Einfluß ausübende herrschende Gesellschaft sich bewußt ist, daß es sich um nachteilige Geschäfte für die abhängige Gesellschaft handelt, die nach der vorliegenden Bestimmung des Ausgleichs durch andere Vorteile bedarf. Alsdann kann der Vorstand der abhängigen Gesellschaft, ohne eine Haftung befürchten zu müssen, die Gesdiäftsführungsmaßnahme, die ihm zugemutet wird, durchführen, anderenfalls wird er sie ablehnen müssen, wenn er sich nicht einer Haftung aussetzen will (vgl. hierzu § 318 und die Anm. dort). 2. Art Anm. 5: Der Regierungs-Entwurf ließ Nachteile nur zu, wenn sie durch Vorteile aus einem Vertrag ausgeglichen werden, der mit dem nachteiligen 1713

§311 Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Anm. 5

Rechtsgeschäft oder der nachteiligen Maßnahme so eng zusammenhängt, daß beide wirtschaftlich als ein einheitliches Geschäft anzusehen sind. Dem ist das Gesetz nicht gefolgt. Wenn ein so enger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, daß beide Geschäfte als ein einheitliches Geschäft anzusehen sind, so ist die Konsequenz daraus, daß überhaupt kein Nachteil entstanden ist; aus dem „einheitlichen Geschäft" würde gerade dies das Endergebnis sein. In Abs. 1 wird nicht mehr gesagt, daß die Nachteile durch Vorteile ausgeglichen werden müssen. Darin liegt keine Veränderung in der Sache, denn jeder Nachteil kann nur durch irgendwelche Vorteile ausgeglichen werden. Es ist aber nicht mehr notwendig, die Vorteile besonders einzugrenzen, so daß die Veränderung des Abs. 2 gegenüber dem Regierungs-Entwurf, die eine wesentliche und grundsätzliche ist, die ausdrückliche Erwähnung der Vorteile im Abs. 1 überflüssig machte. Die Regelung im Abs. 2 enthält ein gewisses Entgegenkommen gegenüber der in der gewerblichen Wirtschaft vertretenen Auffassung, eine abhängige Gesellschaft müsse dann Nachteile hinnehmen, wenn sich in absehbarer Zeit aus ihrer Verbindung mit dem herrschenden Unternehmen bzw. dem Konzern ein Ausgleich ergäbe. Auf eine so weit gefaßte Ausgleichsmöglichkeit konnte der Gesetzgeber nicht eingehen, weil praktisch keine Nachprüfbarkeit möglich gewesen wäre. Der Betreffende, den man damit beauftragt hätte, müßte den Gesamterfolg eines Konzerns bewerten, und zwar bezogen jeweils auf die abhängige Gesellschaft. Dazu wäre ein Wirtschaftsprüfer nicht in der Lage, und nur solche wären überhaupt für die Nachprüfung in Frage gekommen. Deshalb ging man davon aus, daß Vorgänge innerhalb des zu prüfenden Zeitraumes, also eines Geschäftsjahres, gleichgültig, ob sie im rechtlichen Zusammenhang mit den Geschäftsführungsmaßnahmen stehen, die der abhängigen Gesellschaft Nachteile brachten, zum Nachteilsausgleich herangezogen werden könnten. Hier kann der Abschlußprüfer bei der Prüfung des Rechnungslegungszeitraums feststellen, ob ein echter Ausgleich vorliegt. Wann ein solcher Vorteil bei der Gesellschaft entstanden ist, mag im einzelnen Fall nicht ganz leicht festzustellen sein. Jedenfalls wird man sagen können, daß der Vorteil für die Gesellschaft bereits eingetreten ist, wenn dieser sich in der Bilanz auswirkt. Wenn also beispielsweise eine Forderung aktiviert werden kann, so ist der Ausgleich im betreffenden Geschäftsjahr eingetreten, selbst wenn die Forderung erst später eingeht. Es braucht also der Vorteil noch nicht während des Abrechnungszeitraums der Gesellschaft unmittelbar realisiert zugeflossen zu sein, andererseits genügt nicht eine bloße Aussicht auf Vorteilsausgleich. So könnte beispielsweise ein langfristiger Vertrag mit einer Konzerngesellschaft dann nicht als Vorteilsausgleich angesehen werden, wenn die Vertragsbedingungen zwar zunächst für die abhängige Gesellschaft ungünstig erscheinen, sich aber als vorteilhaft für den späteren Verlauf abzeichnen. In einem solchen Fall läge überhaupt kein Nachteil der Gesellschaft vor, weil innerhalb des gesamten 1714

Schranken des Einflusses

§311

Anm. 5

Rechtsgeschäfts der Ausgleich sich vollzieht. Es würde aber die Aussicht auf Vorteile aus einem solchen Vertrag, wenn sie nicht von vornherein so sind, daß der Vertrag mit jedem Dritten abgeschlossen worden wäre, nicht als Vorteilsausgleich gewertet werden können. Die Feststellung, ob der Ausgleich bereits während des Geschäftsjahres tatsächlich erfolgt ist, verliert an praktischer Bedeutung dadurch, daß der Nachteil auch dann als ausgeglichen angesehen wird, wenn dem abhängigen Unternehmen zum Ausgleich bestimmte Vorteile durch Einräumung eines Rechtsanspruchs gewährt werden. Diese Bestimmung gibt die Möglichkeit, auch über einen größeren Zeitraum als das jeweilige Geschäftsjahr hinaus einen Ausgleich zu finden. Voraussetzung ist allerdings, daß dieser Ausgleich ausdrücklich vertraglich festgelegt ist. Dagegen ist es gleichgültig, wann der Ausgleich tatsächlich eintritt. Er kann auf eine längere Zeitdauer erstreckt werden. Die Grenze dürfte da liegen, wo nach vernünftiger, wirtschaftlicher Beurteilung nicht mehr voraussehbar ist, ob der rechtlich zugesicherte Vorteil sich noch als solcher auswirken kann. Eine Aufrechnung von Nachteilen mit Vorteilen, die dem Unternehmen in der Vergangenheit gewährt sind, ist nicht zulässig. Wohl aber könnte, wenn einem abhängigen Unternehmen Vorteile besonderer Art gewährt werden, von vornherein vereinbart werden, daß diese Vorteile mit etwa später auftretenden Nachteilen verrechnet werden können (so Leo in Die AktGes. 1965, 358; Goerdeler in WP 1966, 126; Kropff in BB 1965, 1288; Adler-Düring-Schmaltz Tz 45). Die Möglichkeit, durch spätere Zubilligung eines Rechtsanspruchs einen entstandenen Nachteil ausgleichen zu können, ist auch deshalb von erheblicher Bedeutung, weil nicht immer gleich bei der Durchführung einer veranlaßten Geschäftsmaßnahme erkennbar ist, ob diese zu Nachteilen führt. Ergibt sich dies noch während des laufenden Geschäftsjahres, so kann durch die Zubilligung eines Vorteils, der in der Zukunft liegt, der notwendige Ausgleich noch geschaffen werden. Ergibt sich der Nachteil noch nicht, so liegt kein Bedürfnis zum Ausgleich vor. Tritt der Nachteil erst im folgenden Geschäftsjahr in Erscheinung, so wird innerhalb dieses Geschäftsjahres der Ausgleich durch Zusicherung eines Rechtsanspruches erfolgen können. In der Praxis könnten insoweit Schwierigkeiten entstehen, als vielfach durch die Aufstellung des Jahresabschlusses erst Nachteile bekannt werden oder mindestens bereits zur Auswirkung im Jahresabschluß kommen könnten. Es ist z. B. denkbar, daß man auf einer außenstehenden Forderung besondere Abschreibungen für notwendig hält. Wirkt sich der später vielleicht erst tatsächlich eintretende Nachteil für die abhängige Gesellschaft bereits im Jahresabschluß aus, so muß bereits in dem Geschäftsjahr, auf das sich der Jahresabschluß bezieht, noch ein Ausgleich durch Einräumung eines Rechtsanspruchs gewährt werden. Ein Antrag, dies über das Geschäftsjahr hinaus noch möglich zu mächen, wurde ausdrücklich abgelehnt, mit der Begründung, es müsse 1715

§ 311

Anm. 5

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

die vertragliche Zusicherung des Vorteils in dem Abrechnungszeitraum erfolgen, damit er der Prüfung des Abschlußprüfers unterliegt. Es besteht damit praktisch nicht die Möglichkeit, derartige Nachteile, die sich erst bei Aufstellung des Jahresabschlusses herausstellen, noch zu korrigieren. Deshalb wird sowohl die Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens, als auch vor allem der Vorstand der abhängigen Gesellschaft, weil dieser den besseren Uberblick haben muß, sorgfältig darauf achten, ob aus irgendeiner von dem herrschenden Unternehmen beeinflußten Geschäftsführungsmaßnahme ein Nachteil entstehen kann. Besteht eine solche Gefahr, so sollte die Zubilligung eines Vorteilsausgleichs durch Rechtsanspruch erfolgen. Dabei erhebt sich die Frage, ob ein solcher Anspruch dadurch bedingt werden kann, daß der Nachteil, den man vielleicht in diesem Augenblick nur befürchtet, tatsächlich auch eintritt. Hiergegen dürften Bedenken nicht bestehen, denn es ist der Sinn der Gewährung des Rechtsanspruches auf den Vorteil, daß ein entstandener Nachteil ausgeglichen wird. Es können deshalb keine Bedenken bestehen, wenn der Vorteil nur unter der Bedingung gewährt wird, daß der Nachteil auch tatsächlich eintritt. Folgt man dieser Auffassung, so kommt man zu dem Ergebnis, daß ein riskantes Geschäft, zu dem ein abhängiges Unternehmen veranlaßt wird, von vornherein dadurch abgedeckt werden könnte, daß das spezielle Risiko von dem herrschenden Unternehmen übernommen wird. Ob damit von vornherein ein Nachteil für die abhängige Gesellschaft abgewendet ist, oder ob es sich um einen Vorteilsausgleich handelt, daß die Übernahme des Risikos zugesichert ist, wird vom Einzelfall abhängen, nämlich in welcher Form die Risikoübernahme erfolgt. Geschieht dies in der Weise, daß der Nachteil, sobald er erkenntlich wird, auszugleichen ist, so entsteht er nicht oder er wird im gleichen Geschäftsjahr ausgeglichen, so daß er nicht als Nachteil in Erscheinung tritt. Es ist aber auch denkbar, daß die Übernahme des Risikos in der Form erfolgt, daß auf längere Zeit gesehen, ein Risikoausgleich vorgesehen ist. Dann handelt es sich um einen echten Nachteilsausgleich. Ob es zulässig ist, daß sich die herrschende Gesellschaft verpflichtet, den Nachteil durch Barzahlung binnen einer bestimmten Zeit auszugleichen, sich aber vorbehält, den Betrag durch andere Vorteile innerhalb der Frist auszugleichen, ist streitig. Geßler (DB 65, 1731) bejaht dies und vertritt die Auffassung, die abhängige Gesellschaft könne in ihre Bilanz zum Jahresende den Betrag einstellen und dadurch den bilanzmäßigen Jahresausgleich herstellen. Diese Auffassung geht auf der einen Seite sehr weit, denn wenn der gewährte Rechtsanspruch so gestaltet ist, daß ein entsprechender Aktivposten in die Bilanz aufgenommen werden kann, ist überhaupt kein Nachteil entstanden, da damit der Ausgleich bereits in dem laufenden Geschäftsjahr erfolgt ist. Das erscheint uns bedenklich. Zwar ist es zutreffend, daß ein Ausgleich innerhalb des Abrechnungszeitraumes, also des Geschäftsjahres, auch 1716

Schranken des Einflusses

§311

Anm. 5

dann als angenommen gelten kann, wenn ein entsprechender Vorteil, der zum Ausgleich geeignet ist, bei der Gesellschaft schon entstanden ist, das Ergebnis dieses Vorteiles der Gesellschaft aber noch nicht zugeflossen ist. Bedenklich scheint es aber gerade in dem vorliegenden Beispiel, wenn noch gar nicht feststeht, in welcher Weise der Vorteil der Gesellschaft zufließen wird. In dem von Geßler angegebenen Beispiel wird zwar ein Ausgleich in Geld zugesagt, aber die herrschende Gesellschaft läßt offen, ob sie den Betrag nicht durch andere Vorteile innerhalb einer bestimmten Frist ausgleichen will. Es erscheint mehr als fraglich, ob ein solcher Anspruch schon im Jahresabschluß des Abrechnungszeitraumes aktiviert werden kann. Jedenfalls scheint uns aber der Anspruch auf den Vorteil zu unbestimmt, um damit den Nachteil schon im laufenden Geschäftsjahr als ausgeglichen anzusehen. Andererseits darf aus den Ausführungen Geßlers nicht etwa entnommen werden, daß ein ausgleichsfähiger Vorteil stets ein Vorteil sein muß, der bilanzierungsfähig ist. Die bevorzugte Belieferung mit Erzeugnissen von Konzernunternehmen kann nicht aktiviert werden. Sie kann aber einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil bedeuten, der auch vermögensmäßig bewertet werden kann (vgl. Goerdeler in WP 1966, 113 ff.; Adler-DüringSdimaltz Tz 46). Es dürfte angeraten sein, diesen bilanzierungsmäßig nicht auftretenden Vorteil im Geschäftsbericht näher zu erläutern. Die Gewährung eines Rechtsanspruchs auf einen bestimmten Vorteil wird in aller Regel durch Vertrag zwischen dem herrschenden und dem abhängigen Unternehmen erfolgen (Adler-Düring-Schmaltz Tz 17b). Denkbar wäre auch eine andere Lösung, etwa ein Vertrag zugunsten Dritter, wobei der Dritte die abhängige Gesellschaft ist. Immer aber muß bei der abhängigen Gesellschaft ein Rechtsanspruch entstehen, der sich nicht etwa gegen die herrschende Gesellschaft zu richten braucht. Es ist denkbar, daß eine andere Konzerngesellschaft oder überhaupt ein Dritter sich der abhängigen Gesellschaft gegenüber zu einem bestimmten Vorteil verpflichtet, der als Ausgleich zu dem eingetretenen Nachteil gewährt wird. Insoweit kann also auch ohne jede Mitwirkung der herrschenden Gesellschaft der abhängigen Gesellschaft ein Rechtsanspruch auf Vorteilsausgleich gewährt werden (ebenso Würdinger S. 311; Adler-Düring-Schmaltz Tz 17b). Es kann auch eine mehrfache Abhängigkeit bestehen, bei der Ausgleichsansprüche nach § 311 gegen jedes der herrschenden Unternehmen in Betracht kommen können (vgl. ausführlich Kronstein in BB 1967, 637 ff.; AdlerDüring-Schmaltz Tz 4; B.-H. Rn 2). Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob die §§ 57 ff. gegenüber §§ 311 ff. subsidiär sind oder in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Soweit im Schrifttum hierzu Stellung genommen wurde, wird darauf verwiesen, daß bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen gemäß § 291 Abs. 3 ein Verstoß gegen § 57 nicht angenommen wird, da in den Fällen des § 311 1717

§§ 311 /312

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit

Anm. 5,6 durch den Nachteilsausgleich ein gewisser Schutz gewährt wird; im Zusammenhang mit der diesen Anspruch sichernden Pflicht zur Berichterstattung gemäß den §§ 312 ff. wird die Ansicht vertreten, daß eine weitere Prüfung der abhängigen Gesellschaft durch den Abschlußprüfer unter dem Gesichtspunkt der §§ 57 ff. unterbleiben kann, wenn ein Ausgleich nach § 311 erfolgt (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 49; Kropff in BB 1967, 2147 ff.; Doellerer in BB 1967, 1437 ff.). Anm. 6: Das Gesetz enthält keine Bestimmung darüber, welcher Art der Vorteil sein muß, der zum Ausgleich eines Nachteils gewährt wird. Maßgeblich kann hier nur eine wirtschaftliche Abwägung sein. Wenn durch den Abschlußprüfer festgestellt werden kann, daß ein abhängiges Unternehmen durch seine Verbundenheit mit dem herrschenden Unternehmen oder dem Gesamtkonzern in einem Geschäftsjahr so viel berechenbare Vorteile hat, die geeignet sind, die im gleichen Geschäftsjahr eingetretenen Nachteile auszugleichen, so können auch solche ganz allgemeinen, sich aus dem Konzernverhältnis ergebenden Vorteile einen ausreichenden Ausgleich schaffen. Dabei können vorteilhafte Geschäfte und vorteilhafte Maßnahmen herangezogen werden. Notwendig ist nur, daß der Vorteil im einzelnen festgestellt und vermögensmäßig bewertet werden kann (so Geßler in DB 65,1730).

§ 312 Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (1) Besteht kein Beherrschungsvertrag, so hat der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs einen Bericht über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen aufzustellen. In dem Bericht sind alle Rechtsgeschäfte, welche die Gesellschaft im vergangenen Geschäftsjahr mit dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen oder auf Veranlassung oder im Interesse dieser Unternehmen vorgenommen hat, und alle anderen Maßnahmen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse dieser Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr getroffen oder unterlassen hat, aufzuführen. Bei den Rechtsgeschäften sind Leistung und Gegenleistung, bei den Maßnahmen die Gründe der Maßnahmen und deren Vorteile und Nachteile für die Gesellschaft anzugeben. Bei einem Ausgleich von Nachteilen ist im einzelnen anzugeben, wie der Ausgleich während des Geschäftsjahres tatsächlich erfolgt ist oder auf welche Vorteile der Gesellschaft ein Rechtsanspruch gewährt worden ist. (2) Der Bericht hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. 1718

Beridit des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen

§ 312

Anm. 1

(3) Am Sdiluß des Berichts hat der Vorstand zu erklären, ob die Gesellschaft nach den Umständen, die ihm in dem Zeitpunkt bekannt waren, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder Unterlassen wurde, bei jedem Rechtsgeschäft eine angemessene Gegenleistung erhielt und dadurch, daß die Maßnahme getroffen oder unterlassen wurde, nicht benaditeiligt wurde. Wurde die Gesellschaft benachteiligt, so hat er außerdem zu erklären, ob die Nachteile ausgeglichen worden sind. Die Erklärung ist auch in den Geschäftsbericht aufzunehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Voraussetzungen (Anm. 2) III. Einzubeziehende Unternehmen (Anm. 3) IV. Gegenstand (Anm. 4)

V. Zu berichtende Tatsachen (Anm. 5) VI. Inhalt der Erklärung des Vorstandes (Anm. 6) VII. Verstoß (Anm. 7) VIII. Übergangsbestimmungen (Anm. 8)

I. Übersicht Anm.l: Die Bestimmung des §311, die dem Einfluß eines herrschenden Unternehmens auf eine abhängige Gesellschaft Schranken setzen soll, wäre bedeutungslos, wenn ihre Durchführung nicht sichergestellt wäre. Das setzt voraus, daß die Beziehungen zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen offengelegt werden. Das könnte durch eine erweiterte Berichterstattung im Geschäftsbericht geschehen. Nach § 160 III Nr. 10 sind dort über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen mit Sitz im Inland Angaben zu machen. Ferner ist zu berichten über die geschäftlichen Vorgänge bei diesen Unternehmen, soweit sie auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können. Diese Einschränkung ist insofern von Bedeutung, als sie einen Bericht über die Einzelheiten der geschäftlichen Beziehungen ausschließt, aus denen man erkennen könnte, ob die Grenzen des § 311 eingehalten sind. Eine Erweiterung an dieser Stelle wäre auch schon aus rein praktischen Gründen nicht möglich gewesen. Der Geschäftsbericht würde viel zu lang. Außerdem ist der Geschäftsbericht für die Öffentlichkeit bestimmt, während die Einzelheiten der Beziehung zwischen einem herrschenden und einem abhängigen Unternehmen nicht insoweit der Öffentlichkeit ausgesetzt werden können, wie das notwendig wäre, um zu prüfen, ob die Grenzen des § 311 eingehalten sind. Hinzu kommt, daß nach § 160 IV S. 2 bei der Berichterstattung im Geschäftsbericht nach § 160 III Nr. 10 Einzelheiten insoweit nicht angegeben zu werden brauchen, als nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit gerechnet werden muß, daß durch die Angabe der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen. Danach brauchte also gerade das nicht im Geschäftsbericht angegeben zu werden, worauf es ankommt, nämlich, daß durch 1719

§ 312

Leitungsmadit und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 1

den Einfluß eines herrschenden Unternehmens dem abhängigen Unternehmen Nachteile entstanden sind. Aus dem gleichen Grunde war es auch nicht möglich, die erforderliche Publizität etwa dadurch zu erreichen, daß das Auskunftsrecht nach § 131 in der Hauptversammlung erweitert worden wäre. Ganz abgesehen davon, daß es dann zu Erörterungen in einem Umfange gekommen wäre, die den Rahmen der Hauptversammlung gesprengt hätten. Es ist deshalb ein grundsätzlich anderer Weg beschritten worden. Jeder Vorstand einer abhängigen Gesellschaft, die nicht durch einen Beherrschungsvertrag mit einem herrschenden Unternehmen verbunden ist, muß einen besonderen Bericht vorlegen, in dem praktisch alle Geschäfte und Maßnahmen, die wegen der Abhängigkeit des Unternehmens leicht zu Nachteilen f ü r das Unternehmen führen könnten, aufgeführt sein müssen. Aufgrund dieses Tatsachenberichts hat zunächst der Vorstand dazu Stellung zu nehmen, ob der Gesellschaft Nachteile entstanden sind, und ob diese etwa wieder ausgeglichen sind. Alsdann hat der Abschlußprüfer den Bericht auf diese Frage hin zu prüfen. Sein Prüfungsergebnis ist dem Aufsichtsrat vorzulegen, der seinerseits eine Prüfung vorzunehmen und zum Prüfungsergebnis der Abschlußprüfer Stellung zu nehmen hat. Die Stellungnahme des Vorstandes im Bericht und das abschließende Ergebnis der Überprüfung des Berichtes, sowohl durch die Abschlußprüfer als auch durch den Aufsichtsrat, muß in den Geschäftsbericht des Aufsichtsrates aufgenommen werden, so daß auf diese Weise die Hauptversammlung Kenntnis erlangt. Ergeben sich aus dem Prüfungsergebnis Anstände, so kann jeder Aktionär eine Sonderprüfung verlangen. Auf diese Weise ist auf der einen Seite gesichert, daß die Einzelheiten der Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen nicht der breiten Öffentlichkeit dargelegt werden, auch nicht den Aktionären, was praktisch einer allgemeinen Veröffentlichung gleichkäme, sondern daß der Inhalt des Berichtes, soweit es sich um die Darstellung der Geschäfte und Maßnahmen handelt, eine interne Angelegenheit der Verwaltung bleibt, die überprüft wird von dem Abschlußprüfer und dem Aufsichtsrat, und deren Ergebnis lediglich so weit bekanntzumachen ist, daß die Aktionäre in der Lage sind, nunmehr durch eine Sonderprüfung weitere Aufklärung herbeizuführen. Der hiernach abzufassende Abhängigkeitsbericht unterscheidet sich daher wesentlich von dem Geschäftsbericht und insbesondere von den nach § 160 I I I N r . 10 zu machenden Angaben. Trotz der gleichlautenden gesetzlichen Formulierung „Beziehungen zu verbundenen Unternehmen" wird der Vorstand durch die Abfassung eines Abhängigkeitsberichtes nach § 312 nidit etwa frei, gemäß § 160 I I I N r . 10 über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen im Geschäftsbericht zu berichten. Die gleiche gesetzliche Formulierung rührt nur daher, daß diese Formulierung in § 312 an die Stelle des im Regierungs-Entwurf verwendeten Ausdrucks „Abhängigkeitsbericht" 1720

Beridit des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen

§ 312

Anm. 1—3

getreten ist (ebenso Adler-Düring-Sdimaltz Tz 4; Geßler in NB 1966,199; Goerdeler in WP 1966, 123). Der Beridit ist jeweils in den ersten 3 Monaten des Geschäftsjahres aufzustellen und gleichzeitig mit dem Jahresabschluß und dem Geschäftsbericht den Abschlußprüfern der Gesellschaft vorzulegen (§313 I). Dem Aufsichtsrat ist er zusammen mit dem Prüfungsbericht der Abschlußprüfer durch den Vorstand vorzulegen (§314). II. Voraussetzungen Anm. 2: Der Bericht ist nur zu erstatten von einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien (vgl. ausführlich Geßler in NB 1966, 199; a.A. hinsichtlich einer KGaA offenbar Geil in WP 1966, 429). Eine andere Kapitalgesellschaft (z.B. GmbH) oder ein Unternehmen in anderer Rechtsform ist nicht verpflichtet, einen solchen Beridit zu erstatten. Dagegen kommt es nidit darauf an, ob das herrschende Unternehmen seinen Sitz im Inland oder im Ausland hat. Audi in letzterem Fall besteht die Berichtspflicht. Sie ist eine innerorganisatorische Angelegenheit der abhängigen Gesellschaft. Diese muß dem Aktiengesetz unterliegen, also ihren Sitz im Inland haben. Das Gesetz nennt zwei Voraussetzungen. Es muß sich einmal um eine abhängige Gesellschaft handeln, zum anderen darf die Abhängigkeit nicht durch einen Beherrschungsvertrag, Gewinnabführungsvertrag (§316) oder durch Eingliederung (§ 328 I, II) begründet sein. Ob die abhängige Gesellschaft mit der sie beherrschenden in einem Konzernverhältnis im Sinne des § 18 steht, ist gleichgültig. Zwar wird nach § 18 I vermutet, daß zwischen einer herrschenden und einer abhängigen Gesellschaft ein Konzernverhältnis besteht; die Vermutung ist aber widerlegbar, denn Voraussetzung eines Konzerns ist, daß das abhängige Unternehmen unter der Leitung des herrschenden Unternehmens steht. Es muß also eine solche Leitung tatsächlich ausgeübt werden, während es für den Begriff der Abhängigkeit genügt, daß das herrschende Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf das abhängige Unternehmen ausüben kann. Es braucht also nicht diesen Einfluß tatsächlich auszuüben, erst recht nicht, das Unternehmen zu leiten. III. Einzubeziehende Unternehmen Anm. 3: Inhaltlich erstreckt sidi der Beridit auf die Beziehung zum herrrsdienden und mit diesem verbundenen Unternehmen. Es ist also vom herrschenden Unternehmen auszugehen, so daß die mit der berichtspflichtigen Gesellschaft, nicht aber mit dem sie beherrschenden Unternehmen verbundenen Unternehmen, nicht unter diese Bestimmung fallen. Alle mit den herrschenden 1721

§312 Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Anm. 3 Unternehmen verbundenen Unternehmen fallen hierunter. Maßgebend ist der Begriff des § 15 und die sich daraus ergebenden Formen der verbundenen Unternehmen nach §§ 16 bis 19, bzw. der Vertragsteile eines Unternehmensvertrages nach §§ 291/292. Der Bericht beschränkt sich also nicht etwa auf die Beziehungen zwischen dem abhängigen Unternehmen und das es beherrschende Unternehmen. Damit wird er aber noch nicht zu einem Konzernbericht, denn es ist durchaus nicht notwendig, daß die Verbindung der Unternehmen eine konzernrechtliche ist, sie also unter einheitlicher Leitung stehen. Es genügt auch die loseste Form der Verbindung im Sinne der §§ 15 ff. Es braucht insoweit keinerlei Verbindung zwischen der berichtspflichtigen Gesellschaft und dem Unternehmen, mit dem das Geschäft abgeschlossen ist, zu bestehen. In vielen Fällen wird das der Fall sein, nämlich immer dann, wenn die abhängige Gesellschaft eine Konzerngesellschaft ist, d. h. also, wenn eine einheitliche Leitung besteht, von der sie mit anderen Unternehmen abhängig ist, dann besteht über die gemeinschaftlich ausgeübte Leitungsmacht nadi § 18 ohne weiteres eine Verbindung auch zwischen den einzelnen Konzernunternehmen. Das wird die Regel sein. Es braucht aber nicht der Fall zu sein. Dennoch ändert sich nichts am Rahmen des Inhalts des Berichtes. Die Berichtspflicht entfällt, wenn das abhängige Unternehmen durch einen Beherrschungsvertrag mit dem herrschenden Unternehmen verbunden ist. Damit wird erneut die grundsätzliche Unterscheidung zwischen einem Vertragskonzern und einem faktischen Konzern deutlich. Wenn ein Unternehmen sich durch einen Beherrschungsvertrag der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt, so muß in diesem Beherrschungsvertrag dafür Sorge getragen werden, daß sowohl die Rechte der außenstehenden Aktionäre als auch die der Gläubiger gewahrt werden. Sind diese gewahrt, so besteht kein Bedürfnis zur Einschränkung des Einflusses des herrschenden Unternehmens, wie dies im § 311 für den faktischen Konzern bestimmt ist. Wenn die Sicherstellung der außenstehenden Aktionäre und der Gläubiger nicht durch einen Beherrschungsvertrag gegeben ist, so muß dafür Sorge getragen werden, daß die Substanz des Unternehmens, sowohl im Interesse der außenstehenden Aktionäre als auch der Gläubiger, nicht angegriffen und der Gewinn nicht geschmälert wird. Schwierigkeiten können auftreten bei mehrstufig verbundenen Unternehmen, wenn in einem Zwischenglied ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wurde. U. E. kommt es bei der Frage, ob ein Abhängigkeitsbericht zu erstellen ist, alleine darauf an, ob die Gesellschaft mit dem sie beherrschenden Unternehmen einen Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen hat. Ist dies der Fall, so entfällt die Pflicht zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichtes. Dies trifft auch dann zu, wenn das herrschende Unternehmen von einem anderen Unternehmen ebenfalls beherrscht wird, mit dem die abhängige Gesell1722

Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen

§ 312

Anm.3,4 Schaft keinen Vertrag abgeschlossen hat, so daß die „Großmutter" durch die Tochter die Enkelin beherrschen kann (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 16; a. A. Kronstein in BB 1967, 637 ff). Das Abhängigkeitsverhältnis muß zum Bilanzstichtag der abhängigen Gesellschaft bestehen. Ist im Laufe des Geschäftsjahres das Abhängigkeitsverhältnis aufgehoben worden, so entfällt eine Berichtspflicht (ebenso AdlerDüring-Schmaltz Tz 19). Das Gleiche gilt, wenn im Laufe des Geschäftsjahres ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen worden ist, da auch dann die Voraussetzungen zum Bilanzstichtag nicht mehr vorliegen. IV. Gegenstand Anm. 4: Es wäre denkbar gewesen, nur diejenigen Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen zum Gegenstand des Berichtes zu machen, die sich nachteilig für die Gesellschaft ausgewirkt haben. Dann wäre es weitgehend dem Vorstand überlassen geblieben, welche Geschäfte er in den Bericht aufnehmen will. Die Versuchung, gerade zweifelhafte Geschäfte nicht zu erwähnen, wäre groß gewesen. Deshalb ist man diesen Weg nicht gegangen, sondern man hat verlangt, daß zunächst einmal alle Geschäfte, bei denen die Möglichkeit einer Benachteiligung der abhängigen Gesellschaft naheliegt, aufgeführt werden müssen. Das sind: a) alle Rechtsgeschäfte, die mit dem herrschenden Unternehmen oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen abgeschlossen wurden; b) alle Rechtsgeschäfte, die auf Verlangen oder im Interesse der unter a) genannten Unternehmen abgeschlossen wurden, gleichgültig mit wem. Bei den unter a) aufgeführten Rechtsgeschäften kommt es nicht darauf an, ob das herrschende Unternehmen unmittelbar oder mittelbar durch ein mit ihr verbundenes Unternehmen einen Einfluß ausgeübt hat. Auch wenn das einwandfrei nicht geschehen ist, müssen diese Geschäfte im Bericht aufgeführt werden. Da alle Geschäfte aufzuführen sind, finden sich bereits in dieser Aufstellung die Geschäfte, die mit der herrschenden Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen auf Veranlassung, bzw. aufgrund des von der herrschenden Gesellschaft ausgehenden Einflusses vorgenommen wurden. Darüber hinaus sind alle Geschäfte aufzuführen, die auf Veranlassung oder im Interesse der herrschenden Gesellschaft oder der mit ihr verbundenen Unternehmen vorgenommen wurden. Auch hier kommt es nicht darauf an, ob die Geschäfte nachteilig für die berichtspflichtige Gesellschaft waren oder nicht. Die Tatsache, daß sie auf Veranlassung der herrschenden Gesellschaft oder eines ihr verbundenen Unternehmens ausgeführt wurden, macht die Geschäfte gewissermaßen verdächtig. Sie sollen offengelegt werden und der Prüfung unterliegen. Neben den Rechtsgeschäften spielen nach § 311 Maßnahmen, die auf Veranlassung oder im Interesse des herrschenden Unternehmens getroffen oder 1723

§312 Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Anm. 4 unterlassen wurden, die gleiche R o l l e wie die Vornahme von Rechtsgeschäften nach der obigen Ziffer b). D e n Begriff „ M a ß n a h m e n " hat das Gesetz nicht definiert. Es fällt alles darunter, was wirtschaftliche Folgen für das abhängige Unternehmen haben kann (ähnlich Goerdeler in W p 6 6 , 1 2 5 ) . Sind solche Maßnahmen von dem herrschenden Unternehmen veranlaßt, so ist über sie zu berichten. Aber nicht nur unmittelbare Veranlassung durch das herrschende Unternehmen ist hier maßgebend, sondern der Bericht hat sich auch auf solche Maßnahmen zu erstrecken, die von einem Unternehmen, das mit dem herrschenden Unternehmen verbunden ist, veranlaßt wurde. Darüber hinaus wird nicht allein auf die Veranlassung abgestellt, sondern, wenn eine Maßnahme im Interesse des herrschenden Unternehmens oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens erfolgt ist oder unterlassen wurde, so ist auch hierüber zu berichten. Es kommt nicht darauf an, wer der unmittelbare Veranlasser ist. Selbst wenn der Veranlasser mit dem herrschenden Unternehmen oder mit einem mit diesem verbundenen Unternehmen nicht verbunden ist, ist über diese Maßnahme zu berichten, denn letztlich kausal ist das Veranlassen oder das Interesse des herrschenden oder des mit diesem verbundenen Unternehmens, auch wenn ein völlig Außenstehender — etwa um die Bestimmung zu umgehen — zwischengeschaltet ist. Es kommt auch nicht darauf an, wie sich die Maßnahme oder ihre Unterlassung ausgewirkt hat. Auch über solche Vorgänge ist zu berichten, die sich durchaus positiv für die abhängige Gesellschaft ausgewirkt haben. Die B e richtspflicht beruht auch hier auf dem Gedanken, daß alle Maßnahmen auf ihre Wirkung geprüft werden sollen, die, weil sie Bezug haben auf das herrschende Unternehmen und die mit ihm verbundenen Unternehmen, als »verdächtig" erscheinen. Es ist nicht zu verkennen, daß ein solcher Bericht einen erheblichen U m fang annehmen kann. Es w a r deshalb zu prüfen, ob die Berichtspflicht auf die wesentlichen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen beschränkt werden sollte. D e r Gesetzgeber ist diesen Anregungen nidit gefolgt, weil der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft nicht in die Versuchung gebracht werden sollte, Einwirkungen des herrschenden Unternehmens in bezug auf die Ausgestaltung des Berichtes zu unterliegen. Die Frage, ob ein Rechtsgeschäft oder eine Maßnahme wesentlich ist, kann nicht immer eindeutig abgegrenzt werden. Goerdeler ( W p 66, 124) hält es für zulässig, kleine und unbedeutende G e schäfte wegzulassen. M a n wird dabei sehr vorsichtig sein müssen; uns scheint die Formulierung von Obermüller-Werner-Winden (S. 2 0 1 ) , die von kleinsten und unbedeutendsten Rechtsgeschäften und Maßnahmen sprechen, zutreffender zu sein (ebenso B . - H . R n 7 ; Rasner in B B 6 6 , 1 0 4 4 ) . Dagegen wird man unbedenklich immer wiederkehrende, gleichwertige Geschäfte und M a ß nahmen zusammenfassen können (ebenso Würdinger S. 3 1 2 ; B . - H . R n . 7). 1724

Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen § 312 Anm. 5 V. Zu berichtende Tatsachen Anm. 5: Der Sinn eines so umfassenden Berichtes ist der, dem Vorstand und später den Prüfungsorganen, also dem Abschlußprüfer und dem Aufsichtsrat, die Möglichkeit zu geben, aus den im Bericht vorgetragenen Unterlagen festzustellen, ob ein Nachteil der Gesellschaft entstanden ist. Deshalb muß bei Rechtsgeschäften Leistung und Gegenleistung gegenübergestellt werden. Dies besagt jedoch nicht, daß unter Rechtsgeschäften nur zweiseitige Verträge zu verstehen sind (so Rasner in BB 1966,1043 ff.). Es sind sämtliche Rechtsgeschäfte in diesen Bericht einzubeziehen, sowohl einseitige als auch zweiseitige und auch solche, die eine Leistung als solche nicht zum Inhalt haben, wie zum Beispiel eine Kündigung (ebenso Adler-DüringSchmaltz Tz 34; im Ergebnis ebenso Geßler in NB 1966, 200). Bei Maßnahmen sind die Gründe der Maßnahme und deren Vorteile und Nachteile für die Gesellschaft anzugeben. Unter Maßnahmen im Sinne des § 312 sind alle durch den Begriff Rechtsgeschäfte nicht gedeckten Rechtshandlungen und tatsächlichen Handlungen der Gesellschaft und ihrer Organe zu verstehen. Ebenso gehören hierzu die Unterlassung von Rechtsgeschäften und Handlungen (vgl. im einzelnen Adler-Düring-Schmaltz Tz 35; Rasner in BB 1966,1045). Dabei wird es sich bei den Angaben von Leistung und Gegenleistung praktisch um eine Gegenüberstellung handeln, die ohne weiteres nachprüfbar ist. Bei den Maßnahmen wird vielfach eine ausführliche Erörterung notwendig sein. Aus diesen Angaben muß sich ergeben, ob die Leistungen und Gegenleistungen angemessen waren und ob die Maßnahmen Vorteile oder Nachteile für die Gesellschaft gebracht haben. Sind der Gesellschaft Nachteile entstanden, so ist in dem Bericht im einzelnen anzugeben, wie der Ausgleich während des Geschäftsjahres tatsächlich erfolgt ist, wenn der für den Bericht verantwortliche Vorstand der Ansicht ist, daß dies geschehen ist. Kommt er zum Ergebnis, daß der Vorteilsausgleich im Abrechnungszeitraum nicht erfolgt ist, so muß er dafür Sorge tragen, daß der Gesellschaft ein Rechtsanspruch auf einen entsprechenden Vorteil gewährt wird. Ist dies geschehen, so hat er im Bericht darauf hinzuweisen und den Vorteil im einzelnen darzulegen. Sind im Berichtsjahr keine Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen vorgenommen oder Handlungen unterlassen worden, die nach § 312 zu berichten sind, so ist dennoch vom Vorstand der Abhängigkeitsbericht zu erstellen. Die Notwendigkeit ergibt sich aus §313 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit §312 Abs. 1 Satz 1. Im Negativbericht ist festzustellen, daß berichtspflichtige Vorgänge nicht vorliegen. Der nach § 313 abzugebende Bestätigungsvermerk des Abschlußprüfers hat daher lediglich zu lauten, daß die tatsächlichen Angaben des Berichts richtig sind (§313 Abs. 3 Ziff. 1) und daß bei den im 1725

§312

Leitungsmadit und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 5,6

Bericht aufgeführten Rechtsgeschäften die Leistung der Gesellschaft nicht unangemessen hoch war (§313 Abs. 3 Ziff. 2 eingeschränkt gem. Satz 2). Insoweit ist der Bericht im wesentlichen eine Aufzählung von Tatsachen, die für die Prüfung notwendig sind, ob die Bestimmungen des § 311 eingehalten sind. Deshalb bestimmt Abs. 2, daß der Bericht nach den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu erstellen ist. Aus diesem Rechenschaftsbericht hat der Vorstand am Schluß des Berichtes von sich aus das Ergebnis festzustellen. Er muß eine Erklärung darüber abgeben, ob die Gesellschaft benachteiligt ist und, wenn er dies bejaht, ob die Nachteile ausgeglichen worden sind. Diese Erklärung des Vorstandes ist in den Geschäftsbericht aufzunehmen (Abs. 3) und kommt damit zur Kenntnis der Aktionäre und der Öffentlichkeit, da der Geschäftsbericht beim Handelsregister eingesehen werden kann. In der Regierungsbegründung wird darauf hingewiesen, daß dadurch audi die leitenden Angestellten der Gesellschaft, die selbst die Geschäfte kennen und deren Angemessenheit beurteilen können, Kenntnis von der Beurteilung dieser Geschäfte durch den Vorstand erhalten und dadurch die Bereitschaft des Vorstandes zur getreuen und gewissenhaften Rechenschaftslegung verstärkt werde. VI. Inhalt der Erklärung des Vorstandes Anm. 6: Die Erklärung des Vorstandes hat nicht schlechthin dahin zu lauten, ob Nachteile bei diesem oder jenem Geschäft oder dieser oder jener Maßnahme bei der abhängigen Gesellschaft entstanden sind. Es kommt überhaupt nicht darauf an, wie sich im Endergebnis das Rechtsgeschäft oder die Maßnahmen ausgewirkt haben, sondern die Erklärung des Vorstandes bezieht sich darauf, ob das Geschäft nach den Umständen, die ihm in dem Zeitpunkt bekannt waren, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wurde, eine angemessene Gegenleistung der abhängigen Gesellschaft gewährt wurde, oder ob in dem Zeitpunkt, in dem die Maßnahme getroffen oder auch unterlassen wurde, nadi den ihm in diesem Zeitpunkt bekannten Umständen keine Benachteiligung der abhängigen Gesellschaft erfolgte. So wie man einer Geschäftsleitung keine Haftung für den Erfolg ihrer Geschäftsführungsmaßnahme auferlegen kann, so soll hier bei der Erklärung des Vorstandes einer anhängigen Gesellschaft zum tatsächlichen Inhalt des Berichtes deutlich werden, daß vom Vorstand nicht verlangt wird, nur solche Geschäftsführungsmaßnahmen zu treffen, deren Ergebnis bis in alle Einzelheiten im voraus berechnet werden kann. Das würde der unternehmerischen Aufgabe, die der Vorstand hat, nicht entsprechen. Er kann nicht in die Zukunft sehen. Er muß deshalb bei seiner Erklärung nur die Umstände berücksichtigen, die ihm zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäftes oder im Zeitpunkt der Entscheidung für die zu treffende oder zu unterlassende Maßnahme bekannt waren. Wenn er diese Umstände, ohne gegen die Sorgfalt eines ordentlichen 1726

Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen § 312 Anm. 6—8 und gewissenhaften Geschäftsleiters zu verstoßen, falsch beurteilt hat und sich dies vor der Abgabe seiner Erklärung herausgestellt hat, so muß dies im Bericht nicht berücksichtigt werden. Ein vorsichtiger Vorstand wird allerdings sehr genau die Umstände, die ihn seinerzeit bei seiner Entscheidung beeinflußt haben, darlegen. Dabei dürfte es auch durchaus zweckmäßig sein, die spätere Entwicklung des Geschäftes oder die Auswirkung der Maßnahme zu erörtern. In der Praxis wird dies kaum voneinander zu trennen sein; denn letztlich muß ja für den Prüfer erkenntlich sein, auf welchen veränderten Umständen etwa die nachteilige Wirkung nach Ansicht des Vorstandes beruht. Derartige Erläuterungen können aber auch außerhalb des Berichtes abgegeben werden. Der Abschlußprüfer seinerseits wird in diesem Zusammenhang nur zu prüfen haben, ob wirklich eine Veränderung der Umstände vorlag, und somit die Erklärung des Vorstandes berechtigt ist. Über die Schwierigkeit festzustellen, ob sich ein Rechtsgeschäft oder eine Maßnahme ungünstig ausgewirkt hat, vgl. Schubert, Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis 66, Heft 4 S. 223 ff. Kommt der Vorstand bei Abgabe seiner Erklärung zu dem Ergebnis, daß die Gesellschaft benachteiligt ist, so hat er dies zu erklären und weiterhin, ob die Nachteile ausgeglichen sind. Er kann dabei auf den ersten Teil des Berichtes Bezug nehmen. Aus ihm muß sich bereits ergeben, ob der Ausgleich während des Geschäftsjahres erfolgt ist, oder ob der Ausgleich in der Zukunft erfolgen soll und ob der Gesellschaft hierauf ein Rechtsanspruch gewährt worden ist. Diese Gewährung eines Rechtsanspruches muß innerhalb des Abrechnungszeitraumes bereits erfolgt sein. Es kann nicht auf einen Vertrag Bezug genommen werden, der nach Ablauf des Abrechnungszeitraumes, also des Geschäftsjahres, abgeschlossen ist. VII. Verstoß Anm. 7: Kommt der Vorstand seiner Verpflichtung, den Bericht zu erstellen und ihn dem Abschlußprüfer und dem Aufsichtsrat zur Prüfung vorzulegen, nicht nach, so kann er vom Gericht hierzu durch Ordnungsstrafen angehalten werden (§ 407 I). Letzteres setzt die Kenntnis des Gerichts davon voraus, daß es sich um eine abhängige Gesellschaft handelt. Das kann sich durch vorangegangene Berichte ergeben. Wenn diese ausbleiben, so wird sich das Gericht vergewissern müssen, ob etwa die Abhängigkeit beseitigt ist oder ob trotz weiteren Vorliegens eines Abhängigkeitsverhältnisses die Berichte nicht eingereicht werden. VIII. Übergangsbestimmungen Anm. 8: Während im allgemeinen die Bestimmungen über die Rechnungslegung im Konzern erst auf den Jahresabschluß anzuwenden sind, der für 1727

§§312/313

Anm. 8

Leitungsmacht u. Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

das nach dem 31. 12. 1966 beginnende Geschäftsjahr aufgestellt wird (§ 23 EG), ist der Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen bereits für das Geschäftsjahr aufzustellen, das nach dem 31.12.1965 beginnt (§ 23 II EG).

§ 313 Prüfung durdi die AbsdilußprQfer (1) Der Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen ist gleichzeitig mit dem Jahresabschluß und dem Geschäftsbericht den Abschlußprüfern der Gesellschaft vorzulegen. Diese haben zu prüfen, ob 1. die tatsächlichen Angaben des Berichts richtig sind, 2. bei den im Bericht aufgeführten Rechtsgeschäften nadi den Umständen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme bekannt waren, die Leistung der Gesellschaft nicht unangemessen hodhi war; soweit sie dies war, ob die Nachteile ausgeglichen worden sind, 3. bei den im Bericht aufgeführten Maßnahmen keine Umstände für eine wesentlich andere Beurteilung als die durdi den Vorstand sprechen. § 1 6 5 gilt sinngemäß. (2) Die Abschlußprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Stellen sie bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach Absatz 1 und § 162 fest, daß der Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen unvollständig ist, so haben sie auch hierüber zu berichten. Die Abschlußprüfer haben ihren Bericht zu unterzeichnen und dem Vorstand vorzulegen. (3) Sind nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben, so haben die Abschlußprüfer dies durch folgenden Vermerk zum Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu bestätigen: Nach meiner/unserer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung bestätige ich/bestätigen wir, daß 1. die tatsächlichen Angaben des Berichts richtig sind, 2. bei den im Bericht aufgeführten Rechtsgeschäften die Leistung der Gesellschaft nicht unangemessen hoch war oder Nachteile ausgeglichen worden sind, 3. bei den im Bericht aufgeführten Maßnahmen keine Umstände für eine wesentlich andere Beurteilung als die durch den Vorstand sprechen. Führt der Bericht kein Rechtsgeschäft auf, so ist Nummer 2, führt er keine Maßnahme auf, so ist Nummer 3 des Vermerks fortzulassen. Haben die Abschlußprüfer bei keinem im Bericht aufgeführten Rechtsgeschäft fest1728

Prüfung durch die Abschlußprüfer

§ 313

Anm. 1

gestellt daß die Leistung der Gesellschaft unangemessen hoch war, so ist Nummer 2 des Vermerks auf diese Bestätigung zu beschränken. (4) Sind Einwendungen zu erheben oder haben die Abschlußprüfer festgestellt, daß der Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen unvollständig ist, so haben sie die Bestätigung einzuschränken oder zu versagen. Hat der Vorstand selbst erklärt, daß die Gesellschaft durch bestimmte Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen benachteiligt worden ist, ohne daß die Nachteile ausgeglichen worden sind, so ist dies in dem Vermerk anzugeben und der Vermerk auf die übrigen Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen zu beschränken. (5) Die Abschlußprüfer haben den Bestätigungsvermerk mit Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen. Der Bestätigungsvermerk ist audi in den Prüfungsbericht aufzunehmen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Vorlage- und Auskunftspflicht des Vorstandes (Anm. 2) III. Prüfung des Berichts 1. Person des Prüfers (Anm. 3) 2. Prüfung der tatsächlichen Angaben (Anm. 4) 3. Prüfung der Rechtsgeschäfte (Anm. 5) 4. Prüfung der Maßnahmen (Anm. 6)

IV. Bericht des Abschlußprüfers (Anm. 7) V. Bestätigungsvermerk 1. Uneingeschränkte Erteilung (Anm. 8) 2. Einschränkung und Versagung (Anm. 9) VI. Stellung und Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer (Anm. 10) VII. Prüfung nach Auflösung der Gesellschaft (Anm. 11)

J. Übersicht Anm. 1: Der vom Vorstand zu erstellende Bericht über die Beziehung zu verbundenen Unternehmen ist den Abschlußprüfern vorzulegen und von diesen zu prüfen. Vorab ist aber die Frage zu erörtern, was geschieht, wenn ein solcher Bericht nicht vorgelegt wird. Dies läuft darauf hinaus, ob die Abschlußprüfer verpflichtet sind, die Frage zu prüfen, ob es sich um eine abhängige Gesellschaft handelt. Bejahen sie diese Frage, so ergibt sich die Pflicht zur Vorlage eines Berichtes. Kommt der Vorstand dem nicht nach, so kann der Bestätigungsvermerk über die Prüfung des Jahresabschlusses der Gesellschaft nicht uneingeschränkt erteilt werden, wenn der Abschlußprüfer zu dem Ergebnis kommt, daß es sich um eine abhängige Gesellschaft handelt. Die Frage wird eingehend behandelt von Geßler, DB 65, 1695. Er vertritt die Auffassung, daß die Abschlußprüfer nicht, wie dies teilweise behauptet wird, sich mit der Erklärung des Vorstandes begnügen können, er sei zur Vorlage eines Berichtes nicht verpflichtet, weil kein Abhängigkeitsverhältnis seiner Gesellschaft besteht. Geßler weist mit Recht darauf hin, daß sich die 1729

§ 313

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 1,2

Prüfungspflicht des Abschlußprüfers nach § 162 I auch auf den Geschäftsbericht bezieht und damit darauf, ob im Geschäftsbericht die nach § 160 III Nr. 10 und 11 erforderlichen Angaben über die rechtlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen und über das Bestehen einer mitgeteilten Beteiligung gemacht worden sind. Um die Richtigkeit dieser Angaben zu prüfen, muß der Abschlußprüfer sich darüber vergewissert haben, ob Abhängigkeitsoder Konzernverhältnisse bestehen. Diese Prüfungspflicht ist dem Abschlußprüfer durch eine Reihe von neuen Bestimmungen des Gesetzes erleichtert. Zunächst einmal ist eine bestehende Mehrheitsbeteiligung durch die Mitteilungspflicht des § 20 bekannt. Aus ihr folgt die Vermutung der Abhängigkeit (§17 II) und der Konzernbildung nach § 18 I S. 3. Wenn der Vorstand behauptet, diese Vermutung widerlegen zu können, so muß der Abschlußprüfer dies im einzelnen prüfen. Kann der Vorstand die Vermutung nicht widerlegen, so muß der Abschlußprüfer die Vorlage des Berichtes nach § 312 fordern. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Vorstand und dem Abschlußprüfer über diese Frage kann dieser nach § 169 das Gericht anrufen (ebenso Geßler a. a. O.; Adler-Düring-Schmaltz Tz 26), obwohl im allgemeinen das Gericht nidit wegen Meinungsverschiedenheiten angerufen werden kann, die sich aus dem Bericht und seiner Prüfung ergeben (vgl. Anm. 10).

II. Vorlage- und Auskunftspflidit des Vorstandes Anm. 2: Der Vorstand hat den Bericht nach §312 gleichzeitig mit dem Jahresabschluß und dem Geschäftsbericht den Abschlußprüfern vorzulegen. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß die Prüfung des Jahresabschlusses und des Berichtes nach § 312 gleichzeitig erfolgen muß. Beide sind in gewissem Umfange auch voneinander abhängig. Die Bestimmungen des § 165 finden sinngemäß Anwendung; das bedeutet, daß einmal die Abschlußprüfer vom Vorstand die Einsichtnahme in die Bücher und Schriften der abhängigen Gesellschaft, die sie prüfen, verlangen können. Der Vorstand ist verpflichtet, ihnen alle Aufklärungen und Nachweise zu geben, welche für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind. Von wesentlicher Bedeutung ist hier aber § 165 IV, der den Abschlußprüfern die Möglichkeit gibt, soweit es für eine sorgfältige Prüfung notwendig ist, die Rechte nach § 165 II und III auch gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber dem herrschenden Unternehmen geltend zu machen, d. h., die Abschlußprüfer können vom Vorstand des herrschenden Unternehmens oder gegebenenfalls von jedem Konzernunternehmen alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind (ebenso AdlerDüring-Schmaltz Tz 24 und 25). Dagegen haben sie nicht das Recht, von sich aus in die Bücher und Schriften der herrschenden Gesellschaft oder einer Konzerngesellschaft Einsicht zu nehmen oder deren Vermögensgegenstände, 1730

Prüfung durdi die Abschlußprüfer

§ 313 Anm. 2 , 3

namentlich die Geschäftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren zu prüfen. (Im einzelnen vgl. § 165 Anm. 3.) Unter sinngemäßer Anwendung ist zu verstehen, daß sich das Auskunftsrecht des § 165 nicht nur auf die dort in Abs. 4 aufgeführten Unternehmen, sondern auf alle die bezieht, die den Inhalt des Berichts des Vorstandes nach § 312 beeinflussen (vgl. § 312 Anm. 3). III. Prüfung des Berichts 1. Person des Prüfers Anm. 3: Da der Bericht nach § 312 im Grunde ein interner Vorgang bei der Gesellschaft ist und sich schon wegen seines notwendigen Umfanges und Eingehens auf Einzelheiten nicht zur Veröffentlichung eignet, hätte es nahegelegen, die Überprüfung dieses Berichtes einem Gesellschaftsorgan, d.h. praktisch dem Aufsichtsrat, zu überlassen. Man hat davon aus zwei Gründen abgesehen; einmal mag es zweifelhaft sein, ob in der Regel hinreichende Möglichkeit zur Prüfung eines solchen Berichtes durch die Aufsichtsratsmitglieder besteht, vor allem aber war zu bedenken, daß das herrschende Unternehmen gerade auf die Besetzung des Aufsichtsrates in aller Regel einen erheblichen Einfluß ausübt, so daß der Aufsichtsrat in bezug auf die Überprüfung dieses Berichtes, der ja gerade das Verhältnis zwischen herrschender Gesellschaft und abhängiger Gesellschaft zum Inhalt hat, nicht als geeignete, objektive Instanz erscheinen konnte. Deshalb hat man sich entschlossen, den Bericht durch Außenstehende, nämlich durch die Abschlußprüfer, prüfen zu lassen. Damit tauchte die Frage auf, ob man den Abschlußprüfern nicht eine Aufgabe zuweist, die ihrem eigentlichen Arbeitsgebiet fernliegt (kritisch hierzu Meyer in Wirtschaftsprüfung im neuen Aktienrecht, Bericht über die Fachtagung 1966, S. 83 ff.; Rasch, S. 145 ff.). In der Tat ist es die Aufgabe der Abschlußprüfer, die Ordnungsmäßigkeit und die Gesetzmäßigkeit der Rechnungslegung zu kontrollieren, während sie als Abschlußprüfer im allgemeinen kein Urteil über die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung bei einzelnen Geschäften oder über die Zweckmäßigkeit einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen abzugeben haben. Dennoch schien es möglich, diese neuen Aufgaben den Abschlußprüfern anzuvertrauen, da die Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die allein nach § 164 I Abschlußprüfer sein können, auch sonst sich mit der Prüfung der Geschäftsführung zu befassen haben; so schon nach bisherigem Aktienrecht (§§ 118 ff. AktG 37) bei der aktienrechtlichen Sonderprüfung. Audi in anderen Fällen sind den Wirtschaftsprüfern die gleichen Aufgaben zugewiesen, die sie hier zu erfüllen haben; so schon bei der Überprüfung der Angaben im Geschäfts1731

§313

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 3,4

bericht (§ 160 III Nr. 10) und der Angemessenheit von Leistungen bei Sacheinlage und Sachübernahme (§ 34 I Nr. 2). 2. Prüfung der tatsächlichen Angaben Anm. 4: Der Abschlußprüfer kann sich zunächst darauf verlassen, daß der Bericht vollständig ist, d. h., daß alle Rechtsgeschäfte und Maßnahmen darin enthalten sind, die nach § 312 I aufzunehmen sind. Denn nur, wenn sich bei der Prüfung des Berichtes oder bei der Prüfung des Jahresabschlusses, die ja gleichzeitig mit der Prüfung des Berichtes vorgenommen wird oder mindestens in unmittelbarer Folge, ergibt, daß der Bericht unvollständig ist, haben sie auch hierüber zu berichten. Man wird davon ausgehen müssen, daß, wenn erhebliche Verdachtsmomente auf eine Unvollständigkeit des Berichtes bestehen, es zur Wahrnehmung der Aufgaben der Abschlußprüfer gehört, die Unklarheit aufzuklären. Wenn es z. B. fraglich erscheint, ob ein Unternehmen, mit dem Geschäftsbeziehungen bestehen, zu den mit dem herrschenden Unternehmen verbundenen Unternehmen gehört, so müssen in dieser Richtung unter Umständen auch Ermittlungen bei dem herrschenden Unternehmen nach § 165 IV angestellt werden. Fehlt es jedoch an irgendwelchen Hinweisen, daß der Bericht unvollständig sein könnte, so haben die Abschlußprüfer sich nicht mit der Prüfung der Vollständigkeit zu befassen (ebenso Adler-Düring-Sdimaltz Tz 22; a. A. B.-H. Rn. 6). Das ergibt sich schon aus dem im Gesetz vorgeschriebenen Prüfungsvermerk, in dem nicht davon die Rede ist, daß die Vollständigkeit des Berichtes bescheinigt wird. Eine weitere Frage ist, inwieweit die Prüfung der Angaben des Berichtes zu erfolgen hat. Nach der Begründung des Regierungs-Entwurfs können sich die Prüfer, wie bei der Prüfung der Inventur im Rahmen der Abschlußprüfung, in gewissem Umfange auf Stichproben beschränken (Adler-DüringSchmaltz Tz 21). Wie diese zu erfolgen haben, hängt im wesentlichen von der Größe des Unternehmens und des Geschäftszweiges und von ihrem Rechnungswesen ab. Bei einem sehr umfangreichen Bericht wird das in der Tat gar nicht anders möglich sein. Die Stichproben müssen jedoch Gewähr dafür bieten, daß die Richtigkeit der tatsächlichen Angaben über alle Arten von Rechtsgeschäften und besonderen Maßnahmen geprüft ist. Wenn, wie es wahrscheinlich häufig vorkommen wird, bestimmte gleichartige Rechtsgeschäfte zusammengefaßt werden, so muß sich die Prüfung darauf erstrecken, ob diese Zusammenfassung zulässig ist, d. h., es darf durch sie nidit die Nachprüfung erschwert werden, ob bei den einzelnen Rechtsgeschäften Leistung und Gegenleistung in angemessenem Verhältnis standen. Im Grunde genommen ist dieser Teil der Prüfung des Berichtes nichts anderes als die Prüfung einer Rechnungslegung, wie sie auch bei der Prüfung des Jahresabschlusses zu erfolgen hat. 1732

Prüfung durch die Abschlußprüfer 3. Prüfung der

§313 Anm.5

Rechtsgeschäfte

Anm. 5: Zu überprüfen sind nur die im Bericht aufgeführten Rechtsgeschäfte. Das schließt nicht aus, daß u. U. zum Vergleich auch solche Rechtsgeschäfte zu überprüfen sind, die mit anderen Unternehmen abgeschlossen sind, als denjenigen, die im Bericht aufzuführen waren. Audi insoweit müssen dem Abschlußprüfer die von ihm verlangten Unterlagen vorgelegt und Auskünfte erteilt werden. Sachlich hat der Abschlußprüfer nicht festzustellen, ob die Leistung der Gesellschaft angemessen war, vielmehr hat er nur dazu Stellung zu nehmen, ob sie „nicht unangemessen hoch war". Damit bleibt ihm ein Spielraum für die Beurteilung des Geschäftes. Wie weit dieser geht, muß nach der Bestimmung des § 312 abgegrenzt werden. Der Sinn der Bestimmung ist der, daß durch den Bericht nachprüfbar gemacht werden soll, ob der Gesellschaft durch eine Einflußnahme der herrschenden Gesellschaft ein Nachteil entstanden ist. Wenn der Prüfer zu der Überzeugung kommt, daß das Geschäft auch mit jedem Dritten unter den gleichen Bedingungen möglich gewesen wäre, so kann er unbedenklich zu dem Ergebnis kommen, daß die Leistung der Gesellschaft nicht unangemessen hoch war. Audi hier ist die Frage, ob die Leistung der Gesellschaft nicht unangemessen hodi war, nicht etwa nach den Umständen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der Prüfung bekannt sind, sondern nach den Umständen, die im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes bekannt waren. Letzten Endes läuft die Prüfung darauf hinaus, daß der Abschlußprüfer feststellen muß, ob der Vorstand bei Vornahme des Geschäftes seine Sorgfaltspflicht nadi § 93 eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer unabhängigen Gesellschaft nicht verletzt hat, allerdings mit der Besonderheit, daß es hier nidit auf die subjektive Entscheidung des Vorstandes ankommt, sondern, daß es auf die objektive Beurteilung der damals bekannten Umständen ankommt, ob die Leistung der Gesellschaft als nicht unangemessen hodi erscheint. Zur Prüfung dieser Frage kann sich der Abschlußprüfer ggf. eines Sachverständigen bedienen (ebenso Adler-Düring-Sdimaltz Tz 12). Kommt der Abschlußprüfer zu dem Ergebnis, daß die Leistung der Gesellschaft unangemessen hoch war, so stellt er damit gleichzeitig fest, daß dieser ein Nachteil zugefügt wurde (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 13). Er hat infolgedessen zu prüfen, ob der Nachteil ausgeglichen worden ist. Diese Nachprüfung hat sich auf beide Ausgleichsmöglichkeiten, die in § 311 II genannt sind, zu beziehen, d. h., es muß zunächst überprüft werden, ob sich im Abrechnungszeitraum, also in dem zu prüfenden Geschäftsjahr, der Nachteil durch einen Vorteil ausgeglichen hat, oder ob, wenn dies nicht geschehen ist, der Gesellschaft ein Rechtsanspruch auf einen bestimmten Vorteil eingeräumt wurde, der den Nachteil ausgleicht. Dieser Rechtsanspruch muß „spätestens am Ende des Geschäftsjahres" (§ 311 II) begründet worden sein. Ein im Ausschuß gestellter Antrag, die Einräumung des Rechtsanspruchs 1733

§313

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 5,6 „bis zur Erteilung des Abschlußprüferberichtes mit Wirkung zum Ende des Geschäftsjahres zuzulassen", wurde ausdrücklich abgelehnt. Kommt also der Abschlußprüfer, abweichend von der Meinung des Vorstandes, zu dem Ergebnis, daß ein Nachteil entstanden ist, der des Ausgleichs bedarf, so kann nicht durch nachträgliche Einräumung eines Rechtsanspruchs auf einen entsprechenden Vorteil die Angelegenheit im Sinne der Auffassung des Abschlußprüfers bereinigt werden. Vielmehr muß alsdann der eingeschränkte Bestätigungsvermerk erteilt werden (s. Abs. 4 S. 2). Es bleibt dem Vorstand gegebenenfalls nichts anderes übrig, als im Geschäftsbericht auszuführen, daß er mit Rücksicht auf die Beanstandungen des Wirtschaftsprüfers mit der herrschenden Gesellschaft einen Vertrag abgeschlossen hat, durch den der abhängigen Gesellschaft wirtschaftlich ein Ausgleich gewährt wird. Dies ist aber nicht mehr ein Ausgleich im Sinne des § 311 II, er ist nicht mehr geeignet, die Beanstandungen des Wirtschaftsprüfers zu beseitigen, wohl aber kann dadurch der Öffentlichkeit mitgeteilt werden, daß die Beanstandungen praktisch zwischenzeitlich erledigt sind. Der Bestätigungsvermerk ist gemäß § 313 Abs. 4 Satz 2 alsdann auf die übrigen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen zu beschränken (ebenso wohl Adler-Düring-Schmaltz Tz 13, die unsere hier vertretene Ansicht allerdings als über ihre Meinung hinausgehende Ansicht ansehen, was u. E. nicht der Fall ist). 4. Prüfung der Maßnahmen Anm. 6: Nach § 312 I sind alle Maßnahmen, die auf Veranlassung oder im Interesse des herrschenden oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens getroffen oder unterlassen wurden, im Bericht aufzuführen. Hier ist die Nachprüfung, ob die Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstandes des abhängigen Unternehmens diesem Nachteile gebracht hat, besonders schwierig, denn hier scheidet ein Vergleich von Leistung und Gegenleistung aus. Letzten Endes käme es hier auf eine Nachprüfung der unternehmerischen Entscheidung des Vorstandes durch den Abschlußprüfer an. Dies hat der Gesetzgeber nicht gewollt, da darin eine Uberforderung des Abschlußprüfers liegen würde. Deshalb bezieht sich die Prüfung auch nicht darauf, ob die Vornahme der Unterlassung einer Maßnahme für die Gesellschaft Nachteile gebracht hat, sondern nur darauf, ob keine Umstände für eine wesentlich andere Beurteilung als die durch den Vorstand sprechen. Da der Vorstand nach § 312 I S. 3 bei dem Bericht über die Maßnahmen die Gründe der Maßnahme und deren Vorteile und Nachteile für die Gesellschaft anzugeben hat, hat der Abschlußprüfer nur zu prüfen, ob die vom Vorstand angegebenen Gründe die Vornahme oder Unterlassung der Maßnahme rechtfertigen. Nach der Regierungsbegründung sollen die Prüfer aufgrund ihrer allgemeinen Sachkunde als Wirtschaftsprüfer und ihrer besonderen Vertrautheit mit den Verhältnissen der Gesellschaft ein Urteil darüber abgeben, „ob der Vorstand bei 1734

Prüfung durch die Abschlußprüfer

§313

Anm. 6,7

seiner Maßnahme alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob diese Gesichtspunkte die Beurteilung der Maßnahme durch den Vorstand vertretbar erscheinen lassen". Das bedeutet auch, daß die Prüfer sich in die Situation des Vorstandes, und zwar zum Zeitpunkt, in dem dieser seine Entscheidungen zu fällen hatte, hineinversetzen müssen. Letzten Endes kommt es auch hier darauf an zu prüfen, ob der Vorstand bei seiner Entscheidung so gehandelt hat, wie der Vorstand einer unabhängigen Gesellschaft gehandelt hätte. Ganz läßt sich die Überprüfung der „unternehmerischen Entscheidung" nicht vermeiden, wenn man überhaupt eine Prüfung durchführen will. Es darf nur nicht so weit gehen, daß der Prüfer bereits seine Beanstandung geltend macht, wenn er zum Ergebnis kommt, daß er persönlich vielleicht eine andere Entscheidung getroffen hätte. Er muß vielmehr feststellen, daß die vom Vorstand tatsächlich getroffene Entscheidung aus dem Rahmen des Zulässigen hinausfiel, also eine Fehlentscheidung war. Auch hier ist zu beachten, daß er niemals nach den tatsächlichen Auswirkungen der Maßnahme urteilen darf, sondern nur unter Zugrundelegung der Umstände, die zum Zeitpunkt der Vornahme der Maßnahme oder ihrer Unterlassung bekannt waren, d. h., es kommt auf das damals für einen sorgfältigen Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft voraussehbare Ergebnis der Maßnahme an (vgl. auch Adler-Düring-Sdimaltz Tz 15). Ist bereits der Vorstand in seinem Bericht zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Maßnahme zum Nachteil der Gesellschaft geführt hat, so muß er in dem Bericht auch dazu Stellung nehmen, ob der Nachteil ausgeglichen wurde. Infolgedessen hat der Prüfer hierzu Stellung zu nehmen. Kommt der Prüfer im Gegensatz zum Vorstand zu dem Ergebnis, daß der Gesellschaft ein Nachteil entstanden ist, so wäre es denkbar, daß bei der Erörterung dieser Auffassung des Prüfers mit dem Vorstand, dieser auf Vorteile hinweist, die im Abredinungszeitraum den Nachteil ausgeglichen haben. Das würde bedeuten, daß der Vorstand seinen Bericht in diesem Punkt ergänzt und alsdann der Prüfer in der Lage ist, auch diese ergänzenden Angaben im Bericht zu überprüfen und dazu Stellung zu nehmen. Auch hier sei hervorgehoben, daß der Prüfer nicht seine Zustimmung zu dem Bericht des Vorstandes zu geben hat, sondern daß er nur festzustellen hat, daß keine Umstände für eine wesentlich andere Beurteilung als die durch den Vorstand sprechen. Unwesentliche Unterschiede zu seiner eigenen Beurteilung sind also unerheblich. Hinsichtlich eines Negativberichtes und der Prüfung durch den Abschlußprüfer und den Bestätigungsvermerk vgl. § 312 Anm. 5. IV. Bericht des Abschlußprüfers Anm. 7: So wie der Abschlußprüfer über das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses schriftlich nach § 166 I I S. 1 zu berichten hat, haben hier 1735

§ 313 Leitungsmadit und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Anm. 7—9 die Abschlußprüfer über das Ergebnis ihrer Prüfung in gleicher Weise zu berichten (vgl. hierzu § 166 Anm. 2). Stellen sie bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben bei dieser Prüfung des Berichtes nach § 312 oder bei der Prüfung des Jahresabschlusses fest, daß der Bericht nach § 312 unvollständig ist, so haben sie auch hierüber zu berichten (vgl. hierzu oben Anm. 4). Wie der Prüfungsbericht über den Jahresabschluß, § 166 III, ist auch hier der Bericht zu unterzeichnen und dem Vorstand vorzulegen (vgl. § 166 Anm. 4). V . Bestätigungsvermerk 1. Uneingeschränkte Erteilung Anm. 8: So wie bei der Jahresabsdilußprüfung nach § 167 die Abschlußprüfer einen Bestätigungsvermerk zu erteilen haben, wenn nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben sind, so haben hier die Prüfer unter der gleichen Voraussetzung einen im Gesetz genau formulierten Bestätigungsvermerk abzugeben. Der Wortlaut lehnt sich aufs engste an die Formulierung des Prüfungsauftrages in Abs. 1 an. N r . 1 und 3 decken sich völlig mit N r . 1 und 3 in Abs. 1. In der N r . 2 ist lediglich weggelassen worden, daß die Prüfung der Leistung der Gesellschaft nach den Umständen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme bekannt waren, zu erfolgen hat. Das ist eine bestimmte Anweisung f ü r den Prüfer, die im Abs. 1 berechtigt ist, deren Wiederholung im Bestätigungsvermerk aber nicht erforderlich ist. Bei einer so ins einzelne gehenden Festlegung des Wortlautes durch das Gesetz erschien es notwendig, auch im Gesetz ausdrücklich zu bestimmen, daß, wenn im Bericht eine Angabe entfällt, auch im Bestätigungsvermerk die entsprechende Angabe zu entfallen hat. In den Prüfungsbericht aufzunehmen ist der Bestätigungsvermerk oder die Tatsache, daß die Bestätigung versagt ist. Der Bestätigungsvermerk ist mit Angabe von O r t und Tag zu unterzeichnen. Da er sich im allgemeinen am Schluß des Prüfungsberichtes befindet, gilt dies praktisch auch f ü r den ganzen Prüfungsbericht. Die Vorschrift entspricht dem § 167 Abs. 3 (s. Anm. dort). 2. Einschränkung und Versagung Anm. 9: Darüber, ob der Bestätigungsvermerk einzuschränken oder zu versagen ist, haben die Prüfer nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden. Maßgebend f ü r sie wird sein, ob sie zu dem Ergebnis kommen, daß der Bericht solche Mängel enthält, daß durch ihn der Zweck nicht mehr erreicht werden kann. Das würde z. B. der Fall sein, wenn er in größerem Umfange unvollständig ist und der Vorstand eine Ergänzung abgelehnt hat. Es ist aber auch denkbar, daß bei der Nachprüfung, ob die tatsächlichen Angaben des Berichtes richtig sind, sich ergeben hat, daß ganz allgemein so schwere Verstöße vorliegen, daß der Bericht nicht mehr als ordnungsgemäß 1736

Prüfung durch die Abschlußprüfer

§313

Anm. 9 , 1 0

angesehen werden kann. Von diesen groben Verstößen abgesehen, wird man im allgemeinen davon ausgehen können, daß nicht die Versagung, sondern die Einschränkung des Bestätigungsvermerkes angemessen sein wird, und zwar in größerem Umfang als bei der Frage, ob der Bestätigungsvermerk eines Jahresabschlusses verweigert oder eingeschränkt werden soll. Dort kommt es entscheidend darauf an, ob durdi die aufgedeckten Mängel die Richtigkeit des Jahresabschlusses in Frage gestellt wird, während es hier darauf ankommt, die Gesellschaft vor Naditeilen zu schützen. Dieser Zweck wird weitestgehend erreicht, wenn die Nachteile durch Einschränkung des Bestätigungsvermerks zutage gebracht werden, insbesondere deshalb, weil schon bei einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks jeder Aktionär nach § 3 1 5 eine Sonderprüfung verlangen kann. Wenn der Abschlußprüfer die Überzeugung gewinnt, daß durch eine Einschränkung des Berichtes eine Behebung der von ihm festgestellten Mängel möglich ist, wird er sich damit begnügen und sich nicht zu dem schärferen Mittel der Versagung des Bestäti' gungsvermerks entschließen. Hat der Vorstand bereits in seinem Bericht erklärt, daß die Gesellschaft durch bestimmte Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen benachteiligt worden ist, ohne daß die Nachteile ausgeglichen worden sind, so braucht sich der Prüfer hiermit nicht weiter zu befassen, er hat jedoch die Tatsache in dem Bestätigungsvermerk anzugeben und den Vermerk auf die übrigen Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen zu beschränken. Die Angabe der Erklärung des Vorstandes im Bestätigungsvermerk der Prüfer ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung nach § 171 II einen von den Abschlußprüfern erteilten Bestätigungsvermerk in den Bericht aufzunehmen hat. Ebenso hat er eine Versagung des Bestätigungsvermerks ausdrücklich mitzuteilen. Auf diese Weise kommt also das Ergebnis der Prüfung des Berichtes des Vorstandes zur Kenntnis der Aktionäre und der Öffentlichkeit. VI. Stellung und Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer Anm. 10: Das Gesetz hat davon abgesehen, für die Stellung der Abschlußprüfer, soweit sie sich mit der Prüfung des Berichts nach § 312 befassen, besondere Bestimmungen zu erlassen oder auch nur auf die allgemeinen Bestimmungen zu verweisen. Dies schien auch nicht erforderlich, weil in § 313 nicht schlechthin von Prüfern die Rede ist, sondern ausdrücklich angeordnet wird, daß die Prüfung durch die Abschlußprüfer zu erfolgen hat. Daraus ergibt sich, daß alle Bestimmungen des Gesetzes, die für die Abschlußprüfer, die den Jahresabschluß zu prüfen haben, auch für die Abschlußprüfer gelten, wenn sie den Bericht nach § 312 zu prüfen haben. Grundsätzlich finden deshalb alle Bestimmungen, die für den Abschlußprüfer, soweit er den Jahresabschluß zu prüfen hat, gelten, auch hier Anwendung; lediglich die Bestim1737

§§313/314

Leitungsmadit u. Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm.10—11 mung des § 169 findet keine Anwendung, wonach Meinungsverschiedenheiten zwischen Gesellschaft und Abschlußprüfern vor dem Gericht ausgetragen werden können. Dies deshalb, weil in Abs. 1 genau bestimmt ist, worauf sich die Meinungsverschiedenheiten, deretwegen das Gericht angerufen werden kann, beziehen. Es heißt dort, daß nur bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Bestimmungen über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht das Gericht zu entscheiden hat. Derartige Streitfragen kommen bei der Überprüfung des Berichtes nach § 312 nicht vor. Es ist auch die entsprechende Anwendung der Vorschrift vom Gesetzgeber nicht angeordnet worden. In der Regierungsbegründung wird zutreffend darauf hingewiesen, daß eine soldie Verweisung nicht zweckmäßig erschien, da für die Prüfung des Berichtes nach § 312 die Schwierigkeiten weniger auf rechtlichem, als vielmehr auf wirtschaftlichem Gebiet liegen und somit eine gerichtliche Entscheidung nicht zweckmäßig erschien. Für die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer gilt auch der § 168 und für ihre Bestrafung bei einer Verletzung der Berichts- und Verschwiegenheitspflicht die §§ 403, 405 I Nr. 2 (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 48). VII. Prüfung nach Auflösung der Gesellschaft Antn. 11: Ist die Gesellschaft aufgelöst (§§ 262 ff.) muß von den Abwicklern weiterhin ein Abhängigkeitsbericht erstellt werden (ebenso AdlerDüring-Schmaltz Tz 4 a). Sie bleibt Aktiengesellschaft, lediglich der Zweck des Unternehmens ist ein anderer geworden (vgl. § 262 Anm. 2). Damit sind die Voraussetzungen zur Abgabe eines Abhängigkeitsberichtes nach wie vor gegeben. Fraglich ist jedoch geworden, ob audi eine Prüfung dieses Abhängigkeitsberichtes nach Auflösung der Gesellschaft noch erforderlich ist. Nach § 270 Abs. 3 ist eine Prüfung des Jahresabschlusses nicht erforderlich, es sei denn, das Gericht hat eine derartige Prüfung angeordnet. Es ergibt sich u.E. allein schon aus der Tatsache, daß §313 in §270 Abs. 3 nicht aufgeführt worden ist, daß eine Prüfung des Abhängigkeitsberichtes auch bei Auflösung der Gesellsdiaft durchgeführt werden muß. Auch die materielle Bedeutung der Prüfung des Abhängigkeitsberichtes ist eine andere als die Prüfung des Jahresabschlusses. Auch dieser Unterschied bedingt eine weitere Prüfung des Abhängigkeitsberichtes auch im Liquidationsstadium (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 4 a; a. A. Geßler in NB 1966,198). § 314 Prüfung durch den Aufsichtsrat (1) Der Vorstand hat den Bericht Aber die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen und den Prüfungsbericht der Abschlußprüfer zusammen mit den in § 170 angegebenen Vorlagen dem Aufsiditsrat vorzulegen. Jedes 1738

Prüfung durdi den Aufsichtsrat

§314 Anm. 1

Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, von den Berichten Kenntnis zu nehmen. Die Berichte sind auch jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen auszuhändigen, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. (2) Der Aufsichtsrat hat den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu prüfen und in seinem Bericht an die Hauptversammlung (§ 171 Abs. 2) über das Ergebnis der Prüfung zu berichten. Er hat in diesem Bericht ferner zu dem Ergebnis der Prüfung des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen durch die Abschlußprüfer Stellung zu nehmen. Ein von den Abschlußprüfern erteilter Bestätigungsvermerk ist in den Bericht aufzunehmen, eine Versagung des Bestätigungsvermerks ausdrücklich mitzuteilen. (3) Am Schluß des Berichts hat der Aufsiditsrat zu erklären, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen gegen die Erklärung des Vorstands am Schluß des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erheben sind. (4) An der Verhandlung des Aufsichtsrats über den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen haben die Abschlußprüfer auf Verlangen teilzunehmen. Anm. 1: Die Abschlußprüfer des Berichtes haben, ebenso wie die Abschlußprüfer des Jahresabschlusses, den Bericht der Gesellschaft, d. h., also deren Vorstand zu erstatten, mithin dem Vorstand abzuliefern. Dieser ist verpflichtet, den Prüfungsbericht zusammen mit seinem eigenen Bericht nach § 312 und mit dem Jahresabschluß, dem Geschäftsbericht und dem Prüfungsbericht der Abschlußprüfer über den Jahresabschluß dem Aufsichtsrat vorzulegen. Wann dies zu geschehen hat, richtet sich nach dem Eingang des Prüfungsberichtes der Abschlußprüfer über den Jahresabschluß, denn dieser ist nach § 170 I unverzüglich dem Aufsichtsrat vorzulegen. Da die hier genannten Berichte und Prüfungsberichte zusammen mit dem Jahresabschluß vorzulegen sind, ist damit der Zeitpunkt der Vorlage klargestellt. Nach § 407 kann der Vorstand zur Vorlage vom Registergeridit durch Ordnungsstrafen angehalten werden. Von der Vorlage der Berichte gegenüber dem Aufsichtsrat ist zu unterscheiden die Aushändigung der Berichte an jedes Aufsichtsratsmitglied. Letzteres erfolgt nicht gleichzeitig mit der Vorlage an den Aufsichtsrat, sondern nur auf Verlangen eines Aufsichtsratsmitgliedes. Die Aushändigung ist nur zulässig, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. Ob dies geschehen ist, muß der Vorstand sich vergewissern, am zweckmäßigsten durch Nachfrage bei dem Aufsichtsratsvorsitzenden. Diesem muß das Recht zugebilligt werden, einen Aufsichtsratsbeschluß über die Frage der Aushändigung der Berichte an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder herbeizuführen. 1739

§ 314

Leitungsmadit und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 1,2 Man wird ihm also zubilligen können, daß er zunächst dem Vorstand die Aushändigung der Berichte an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder für eine angemessene Zeit untersagt, bis er in der Lage ist, den Beschluß des Aufsichtsrates herbeizuführen, was allerdings in angemessener Zeit zu geschehen hat. Der Beschluß des Aufsichtsrates erfolgt, wie jeder Beschluß, mit einfacher Mehrheit der Anwesenden. Ist in der Satzung oder der Geschäftsordnung eine andere Art der Beschlußfassung, insbesondere die schriftliche Beschlußfassung zugelassen, so erfolgt die Abstimmung in dieser Form. Die Bestimmung entspricht der gleichartigen in den § 163 V S. 8 und 9, § 170 III und § 3371 S. 2 und 3. Die Bestimmung stellt eine vermittelnde Lösung dar zwischen dem Regierungs-Entwurf, der kein Recht auf Aushändigung vorsah, und einem in den Ausschußberatungen zunächst gestellten Antrag, der jedem Aufsichtsratsmitglied ein auch durch Mehrheitsbeschluß nicht entziehbares Recht einräumen wollte. Der Gesetzgeber hat sich entschlossen, die Frage, ob der Bericht jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied auszuhändigen ist, von einer Mehrheitsentscheidung des Aufsichtsrates abhängig zu machen. Es erscheint deshalb nicht zulässig, etwa in einer Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat oder in der Satzung eine qualifizierte Mehrheit für diesen Beschluß zu verlangen. Etwas anderes ist es, wenn grundsätzlich eine qualifizierte Mehrheit im Aufsichtsrat verlangt würde. Hierzu vgl. im einzelnen § 108 Anm. 2. Anm. 2: Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, daß der Aufsichtsrat den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen von sich aus zu prüfen hat. Das bedeutet, daß er sich nicht einfach auf den Prüfungsbericht der Abschlußprüfer oder gar auf deren im Bestätigungsvermerk niedergelegten Ergebnis verlassen darf. Andererseits ist er nidit daran gehindert, bei seiner eigenen Prüfung des Berichtes des Vorstandes den Prüfungsbericht der Abschlußprüfer mit zu berücksichtigen. In seinem Bericht an die Hauptversammlung nach § 171 II hat der Aufsichtsrat in mehrfacher Hinsicht Stellung zu nehmen. Zunächst hat er über das Ergebnis seiner eigenen Prüfung des Berichtes des Vorstandes zu berichten. Ferner hat er gesondert zu dem Ergebnis der Prüfung des Berichtes durch die Abschlußprüfer Stellung zu nehmen. Und zum dritten hat er den von den Abschlußprüfern erteilten Bestätigungsvermerk wörtlich in seinen Bericht aufzunehmen. Liegt ein Bestätigungsvermerk nicht vor, d. h., ist der Bestätigungsvermerk versagt worden, so hat er diese Tatsache in seinem Bericht nach § 171 II ausdrücklich mitzuteilen. Endlich bestimmt das Gesetz ausdrücklich, daß am Schluß des Berichtes der Aufsichtsrat zu erklären hat, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen gegen die Erklärung des Vorstandes zu erheben sind. Diese besondere Hervorhebung der Schlußerklärung hängt mit dem Recht des einzelnen Aktionärs, eine Sonderprüfung zu beantragen, unmittelbar zusam1740

Sonderprüfung

§§314/315 Anm. 2

men. Dieses Recht ist nur unter besonderen Voraussetzungen gegeben. Diese müssen fest umrissen vorliegen. Soweit die Sonderprüfung auf den Bericht des Aufsichtsrates gestützt wird, soll nicht der ganze Bericht maßgebend sein, der vielleicht gewisse Erörterungen enthalten mag, die aber noch keine endgültige Stellungnahme des Aufsichtsrates darüber enthalten, ob der Bericht zu beanstanden ist. Deshalb soll der Aufsichtsrat noch einmal gesondert zu der nach § 312 I I I vorgesehenen Erklärung des Vorstandes Stellung nehmen, ob die Gesellschaft benachteiligt wurde. Ebenso wie diese Erklärung des Vorstandes am Schluß seines Berichtes stehen soll, so soll eine entsprechende Erklärung, die unmittelbar an die des Vorstandes anknüpft und auf sie zugeschnitten ist, am Schluß des Berichtes des Aufsichtsrates stehen. Das Gesetz schreibt hier eine ähnliche Erklärung vor wie bei dem Bestätigungsvermerk der Prüfer. Es wird notwendig sein, auch den Wortlaut des Gesetzes bei der Abgabe dieser Erklärung eindeutig zu wiederholen, eben mit Rücksicht darauf, daß nur dann eindeutig geprüft werden kann, ob der einzelne Aktionär ein Recht auf Sonderprüfung nach § 315 hat. Die eingehende gesetzliche Regelung läßt erkennen, daß der Prüfung des Aufsichtsrates eine besondere Bedeutung zukommt. Deshalb wird auch in Abs. 4 den Abschlußprüfern die Verpflichtung auferlegt, auf Verlangen des Aufsichtsrates an dessen Verhandlungen über den Bericht nach § 312 teilzunehmen. Es soll im Aufsichtsrat der Bericht erörtert werden, und zwar nicht nur der Bericht des Vorstandes, der sowieso verpflichtet ist, an den Sitzungen des Aufsichtsrates, wenn dieser es wünscht, teilzunehmen, sondern auch der Bericht des Prüfers; deshalb ist im Gesetz die Verpflichtung für diesen ausgesprochen, auf Verlangen an der Sitzung teilzunehmen. Es handelt sich hier um eine der typischen Überwachungspflichten des Aufsichtsrates. § 315 Sonderprüfung Auf Antrag eines Aktionärs hat das Gericht Sonderprüfer zur Prüfung der geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen zu bestellen, wenn 1. die Abschlußprüfer den Bestätigungsvermerk zum Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen eingeschränkt oder versagt haben, 2. der Aufsichtsrat erklärt hat, daß Einwendungen gegen die Erklärung des Vorstands am Schluß des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erheben sind, 3. der Vorstand selbst erklärt hat, daß die Gesellschaft durch bestimmte Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen benachteiligt worden ist, ohne daß die Nachteile ausgeglichen worden sind. 1741

§315

Leitungsmadit und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 1,2

Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Hat die Hauptversammlung zur Prüfung derselben Vorgänge Sonderprüfer bestellt, so kann jeder Aktionär den Antrag nach § 142 Abs. 4 stellen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Zulässigkeit (Anm. 2) III. Auswahl der Sonderprüfer und Durchführung der Prüfung (Anm. 3)

IV. Gegenstand (Anm. 4) V. Das gerichtliche Verfahren (Anm. 5) VI. Sonderprüfung aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Der Sinn der Erstattung des Berichtes nach § 312, seiner Prüfung durch Abschlußprüfer und Aufsichtsrat ist letztlich der, dem Aktionär zu ermöglichen, sich gegen Schäden zu schützen, die ihm dadurch, daß seine Gesellschaft infolge des Abhängigkeitsverhältnisses, in dem sie sich zu einem anderen Unternehmen befindet, entstehen könnten. Da er geschützt werden soll, muß er auch die Möglichkeit haben, sein Recht zu wahren. Er hat keinen eigenen Einblick in den Prüfungsbericht der Abschlußprüfer, so daß ihm die Möglichkeit gegeben werden muß, eine Prüfung zu veranlassen, die völlig losgelöst von den Organen der Gesellschaft eine Prüfung der geschäftlichen Beziehungen seiner Gesellschaft zu dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen durchführt. Es kann deshalb jeder einzelne Aktionär bei Gericht den Antrag stellen, einen Sonderprüfer für diese Prüfung zu bestellen (also weitergehend als in § 142 II, wonach eine Minderheit antragsberechtigt ist). Dieser Sonderprüfer kann nicht vom Vorstand bestellt werden, das Gericht soll gerade einen Prüfer bestellen, der in keiner Verbindung mit dem Unternehmen steht. II. Zulässigkeit Anm. 2: Die Sonderprüfung kann nicht auf einen vagen Verdacht hin eingeleitet werden, vielmehr müssen ganz bestimmte Voraussetzungen vorliegen, die unter den Nr. 1 bis 3 im Gesetz aufgeführt sind. Sie knüpfen an den Inhalt des Berichtes selbst, an den Bestätigungsvermerk der Abschlußprüfer und an die Schlußerklärung im Bericht des Aufsichtsrates an. Dabei handelt es sich in allen drei Fällen letztlich um das gleiche. Es muß entweder klar sein, daß der Gesellschaft ein Nachteil zugefügt wurde, oder es müssen erhebliche Bedenken in dieser Richtung bestehen. Deshalb ist eine Sonderprüfung zuzulassen, wenn der Vorstand selbst im Bericht erklärt, daß Nachteile entstanden sind, die nicht ausgeglichen worden sind. In diesem Fall steht die Benachteiligung der Gesellschaft fest. Ist der Bestätigungsvermerk der Abschlußprüfer eingeschränkt oder gar versagt, so steht jedenfalls fest, daß 1742

Sonderprüfung

§315 Anm. 2—4

der Bericht des Vorstandes nicht in Ordnung ist. Die Sonderprüfung ist deshalb gerechtfertigt, um Klarheit darüber zu erbringen, ob die Gründe, die zur Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks geführt haben, wesentlich sind. Das gleiche gilt, wenn der Aufsichtsrat erklärt, daß Einwendungen gegen die Erklärungen des Vorstandes zu erheben sind. Hier müssen die Einwendungen überprüft werden. III. Auswahl der SonderprGfer und Durchführung der Prüfung Anm. 3: Auf die Auswahl der Sonderprüfer und die Durchführung der Sonderprüfung finden die Bestimmungen der §§143 bis 146 Anwendung. Bei der Auswahl der Sonderprüfer ist nach § 143 I insbesondere zu beachten, daß nur solche Personen herangezogen werden sollen, die ausreichende Kenntnis gerade für den Gegenstand der Sonderprüfung besitzen. Es wird also nicht ausreichen, Personen heranzuziehen, die nur in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sind. Hier kommt es darauf an, festzustellen, ob Leistung und Gegenleistung bei den einzelnen Geschäften im richtigen Verhältnis stehen. Das wird im allgemeinen nur bei Wirtschaftsprüfern vorausgesetzt werden können (vgl. hierzu § 3 1 3 Anm. 3). Für die Rechte der Sonderprüfer gilt § 145. Von besonderer Bedeutung ist dort Abs. 4. Danach haben die Sonderprüfer auch Tatsachen in ihrem Bericht aufzuführen, die geeignet sind, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblidien Nachteil zuzufügen, wenn die Kenntnis dieser Tatsachen zur Beurteilung des zu prüfenden Vorganges erforderlich ist. Der Prüfungsbericht hat weitgehende Publizität, da er nicht nur dem Vorstand, sondern auch zum Handelsregister einzureichen ist und der Vorstand verpflichtet ist, auf Verlangen jedem Aktionär eine Abschrift des Prüfungsberichtes zu erteilen. Er hat außerdem den Bericht dem Aufsichtsrat vorzulegen und ihn bei der Einberufung der nächsten Hauptversammlung als Gegenstand der Tagesordnung bekanntzumachen (vgl. § 145 Anm. 6). Vorstehendes gilt nur für den Beridit der Sonderprüfer, nicht für den der Abschlußprüfer über die Prüfung des Vorstandsberichtes nadi § 312. IV. Gegenstand Anm. 4: Gegenstand der Prüfung ist nach § 315 S. 1 „Prüfung der geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen." Die Sonderprüfung ist also nicht etwa auf die Vorgänge beschränkt, die im Bericht des Vorstandes, der Abschlußprüfer oder des Aufsichtsrates erwähnt werden, sondern erstredet sich schlechthin auf die gesamten geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft mit dem herrschenden Unternehmen oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen. Infolgedessen muß die Sonderprüfung sich im Gegensatz zur 1743

§315 Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Anm. 4 , 5

Prüfung durdi die Abschlußprüfer nach § 313 auch darauf erstrecken, ob der Bericht des Vorstandes nach § 312 vollständig ist. Die Einschränkung, die sich aus § 313 II für den Abschlußprüfer insoweit ergibt, gilt für den Sonderprüfer nicht. Er hat sehr viel weitergehende Freiheit, denn seine Aufgabe ist es nicht, den Bericht des Vorstandes auf seine Richtigkeit zu überprüfen, sondern schlechthin die Beziehungen der Gesellschaft zu den im Gesetz genannten Unternehmen. Die Vorstände abhängiger Gesellschaften haben daraus den Schluß zu ziehen, mit welch besonderer Sorgfalt sie an die Aufstellung des Berichtes nach § 312 gehen müssen. Ist dieser Bericht einmal als nicht einwandfrei gekennzeichnet, so ergeben sich daraus sehr weitgehende Folgen. Das verstärkt auch die Stellung der Abschlußprüfer gegenüber dem Vorstand. Dieser muß gerade mit Rücksicht auf eine sonst drohende Sonderprüfung darauf bedacht sein, daß er seinen Bericht so erstellt, daß die Abschlußprüfer unbedenklich den Bestätigungsvermerk erteilen können. Es empfiehlt sich deshalb für den Vorstand, bei etwaigen Beanstandungen durch den Prüfer, den Bericht zu ergänzen. Dabei bleibt ein Streitpunkt offen, der nicht mehr beseitigt werden kann, nämlich was zu geschehen hat, wenn sich erst aus der Prüfung der Abschlußprüfer ergibt, daß der Gesellschaft Nachteile entstanden sind, die weder im Abrechnungszeitraum ausgeglichen wurden, noch vor Ablauf des Geschäftsjahres durch Einräumung eines Rechtsanspruchs auf einen Vorteil als ausgeglichen anzusehen sind. Dieser Ausgleich mag zwar später noch erfolgen, der Bestätigungsvermerk kann aber dieses Rechtsgeschäft nicht miteinbeziehen ( § 3 1 3 IV S. 2). Das kann eine Sonderprüfung nach Ziff. 3 auslösen mit ihren weitgehenden Folgen, obwohl der Vorstand nach Aufdeckung des Sachverhalts den Ausgleich des Nachteils durdi die herrschende Gesellschaft oder eine Konzerngesellschaft erreicht hat, da der Ausgleich erst nach Ablauf des Geschäftsjahres erlangt wurde.

V. Das gerichtliche Verfahren Anm. 5: Der Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers ist beim Registergericht zu stellen. Gegen dessen Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie steht sowohl dem Antragsteller wie der Gesellschaft zu. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des FGG. Im Regierungs-Entwurf hieß es, auf Antrag eines Aktionärs kann das Gericht Sonderprüfer bestellen. Dies ist in Anlehnung an die Bestimmung des § 142 II S. 1 dahin geändert worden, daß das Gericht die Bestellung vorzunehmen hat. Infolgedessen kann das Gericht nur prüfen, ob die in Nr. 1 bis 3 gegebenen Voraussetzungen gegeben sind. Liegen sie nicht vor, so muß der Antrag abgelehnt werden, liegen sie vor, so ist eine Ablehnung aus Ermessenserwägungen des Gerichtes nicht zulässig. Der Spielraum der gerichtlichen Entscheidung ist mithin ein außerordentlich geringer. 1744

Kein Bericht über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen

§§ 315/316 Anm. 5,6

Für die Kosten gilt § 146. Danach trägt die Gesellschaft — unbeschadet eines ihr nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zustehenden Ersatzanspruchs — die Gerichtskosten und die Kosten der Prüfung. VI. Sonderprüfung aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses Anm. 6: Dadurch, daß jedem einzelnen Aktionär hier das Recht eingeräumt wird, einen Antrag auf Sonderprüfung bei Gericht zu stellen, wird das Recht der Hauptversammlung, eine Sonderprüfung nach § 142 zu beschließen, nicht berührt. Ein solcher Beschluß wird allerdings selten vorkommen, da im allgemeinen die Hauptversammlung einer abhängigen Gesellschaft weitestgehend von dem herrschenden Unternehmen beherrscht wird. Es könnte aber denkbar sein, daß ein Hauptversammlungsbeschluß ergeht, um den Sonderprüfer bestellen zu können. Das soll verhindert werden. Deshalb bestimmt das Gesetz, daß, wenn die Hauptversammlung zur Prüfung derselben Vorgänge Sonderprüfer bestellt, nach § 142IV bei Gericht der Antrag gestellt werden kann, einen anderen Sonderprüfer zu bestellen, u. a. dann, wenn Besorgnis der Befangenheit besteht. Geboten erscheint dies insbesondere, wenn der bestellte Sonderprüfer nicht für den Gegenstand der Prüfung geeignet erscheint. Im Gegensatz zu § 142 IV ist hier jedoch — entsprechend Satz 1 — jeder einzelne Aktionär antragsberechtigt und nicht nur eine Minderheit. Die Besorgnis der Befangenheit wird dann bereits zu bejahen sein, wenn die Bestellung des Sonderprüfers etwa mit der Mehrheit des herrschenden Unternehmens und der mit ihm verbundenen Unternehmen in der Hauptversammlung erreicht wird. Das Gericht wird zu prüfen haben, ob trotz der Auswahl des Sonderprüfers durch die interessierte Gruppe, gegen die sich gewissermaßen die Sonderprüfung richtet, die Unabhängigkeit des Prüfers gewährleistet ist. § 316 Kein Bericht über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen bei Gewinnabführungsvertrag §§ 312 bis 315 gelten nicht, wenn zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Beherrsdiungs- und Gewinnabführungsverträge werden von dem Gesetz weitgehend gleich behandelt. Schon bei der gesetzlichen Definition der Unternehmensverträge werden sie gemeinschaftlich in § 291 aufgeführt, während die „anderen Unternehmens Verträge" in § 292 als solche aufgeführt werden. Der ganze 4. Abschnitt (§§ 304 bis 307) über die Sicherung der außenstehen1745

§ § 316/317

Leitungsmadit u. Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

den Aktionäre bezieht sich auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge und auch in den Bestimmungen des 3. Abschnitts über die Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger werden die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge weitgehend gleichmäßig behandelt. In dem entscheidenden Punkt werden sie jedoch verschieden behandelt. Das ist die Frage, ob durch den Abschluß des einen oder des anderen Vertrages ein Vertragskonzern mit der entsprechend weitgehenden Weisungsmöglichkeit oder nur ein faktischer Konzern begründet wird. Zwar wird die Unterscheidung in der Praxis nicht allzuoft auftreten, weil im allgemeinen Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag zusammen abgeschlossen werden. Sie sind die üblichen Bestandteile eines Organschaftsvertrages. Das Gesetz versteht jedoch unter einem Vertragskonzern im Sinne des § 308 nur eine Unternehmensverbindung, die auf einem Beherrsdiungsvertrag beruht. Tritt daneben ein Gewinnabführungsvertrag, so gelten für diese Verbindung die Bestimmungen der §§ 308 ff. Beruht aber die Unternehmensverbindung nur auf einem Gewinnabführungsvertrag, ohne daß gleichzeitig ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen ist, so sind die Bestimmungen der §§ 311 ff. für den faktischen Konzern maßgebend. Die Folge davon wäre, daß auch bei einem Gewinnabführungsvertrag ein Bericht nach § 312 vom Vorstand zu erstatten und dieser Bericht entsprechend den Vorschriften der §§313 bis 315 zu prüfen wäre. Gerade dies wird durch die vorstehende Bestimmung ausgeschlossen. Da für den Gewinnabführungsvertrag für die Sicherung sowohl der außenstehenden Aktionäre als auch der Gläubiger die gleichen Vorschriften gelten wie für den Beherrschungsvertrag, so ist es nicht notwendig, die Sicherungen, die beim faktischen Konzern dazu dienen sollen, eine Benachteiligung der abhängigen Gesellschaft offenzulegen und dem Aktionär die Möglichkeit zu geben, diese Benachteiligung anzugreifen und gegebenenfalls Schadenersatz zu fordern, hier ebenfalls gelten zu lassen. Es kommt hinzu, daß, wenn bei einem Gewinnabführungsvertrag das herrschende Unternehmen dem abhängigen einen Nachteil zufügen würde, sich dies letztlich beim herrschenden Unternehmen auswirken würde, denn der Nachteil schmälert den abzuführenden Gewinn oder verursacht sogar einen Verlust. Die außenstehenden Aktionäre würden dadurch nicht berührt, denn sie haben Anspruch nach § 304 auf eine angemessene Ausgleichszahlung. Sie sind von dem Ertrag ihrer Gesellschaft nicht mehr abhängig. § 317 Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter (1) Veranlaßt ein herrschendes Unternehmen eine abhängige Gesellschaft, mit der kein Beherrsdiungsvertrag besteht, ein für sie nachteiliges 1746

Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens

§ 317

Anm. 1 Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen, ohne daß es den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahrs tatsächlich ausgleicht oder der abhängigen Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich bestimmten Vorteil gewährt, so ist es der Gesellschaft zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Es ist auch den Aktionären zum Ersatz des ihnen daraus entstehenden Schadens verpflichtet, soweit sie, abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt worden sind. (2) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen hätte. (3) Neben dem herrschenden Unternehmen haften als Gesamtschuldner die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, die die Gesellschaft zu dem Rechtsgeschäft oder der Maßnahme veranlaßt haben. (4) § 309 Abs. 3 bis 5 gilt sinngemäß. I. Übersicht (Anm. 1) II. Haftungstatbestand (Anm. 2) III. Geltendmachung des Anspruchs (Anm. 3)

IV. Exkulpation (Anm. 4) V. Anspruch gegen den handelnden gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Die Bestimmung regelt die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter, wenn die Schranken des Einflusses, die durch die Bestimmung des § 311 gesetzt sind, überschritten werden. Anders als im § 309, der die Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens beim Vorliegen eines Beherrschungsvertrages regelt, geht der § 317 von der Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens aus, während im § 309 die Verantwortung des herrschenden Unternehmens überhaupt nicht erwähnt ist. Diese folgt aus dem Beherrschungsvertrag, der zwischen beiden Unternehmen geschlossen ist. Da der §311 sich auf das Verhältnis des herrschenden Unternehmens zu einer abhängigen Gesellschaft schlechthin bezieht, also nicht nur auf Konzerngesellschaften eines faktischen Konzerns, sondern darüber hinaus auch auf Abhängigkeitsverhältnisse, die überhaupt keinen Konzern darstellen, besteht hier keine vertragliche Bindung der beteiligten Unternehmen, so daß zunächst die Grundlage für die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens im Falle eines Verstoßes gegen die Vorschriften des § 311 geschaffen werden 1747

§ 317

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 1,2 mußte. Dies geschieht in der Weise, daß der Tatbestand des § 311 nunmehr als Haftungstatbestand wiederholt wird. Das bedeutet, daß die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens dann gegeben ist, wenn dem abhängigen Unternehmen ein Nachteil zugefügt wird, ohne daß ein Ausgleich erfolgt. Im bisherigen Recht wurde dieser Tatbestand im wesentlichen durch den § 101 AktG37 erfaßt. Danach haftete derjenige, der unter Ausnutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied der Verwaltung bestimmte, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln, für den daraus entstehenden Schaden. Grundlage für diese Bestimmung war die Möglichkeit der Geltendmachung eines Einflusses eines Außenstehenden auf die Gesellschaft und die Ausnutzung dieses Einflusses zur Schädigung der Gesellschaft über deren Verwaltungsmitglieder. Mit einigen Veränderungen ist diese Bestimmung auch im neuen Recht als § 117 wieder aufgenommen worden. Die vorliegende Bestimmung des § 317 und die des § 117 stehen selbständig nebeneinander. Sie ergänzen sich einerseits, andererseits gibt es auch gewisse Überschneidungen (vgl. auch Geßler in DB 1965, 1729; B.-H. Rn. 1).

II. Haftungstatbestand Anm. 2: Voraussetzung einer Haftung ist, daß das herrschende Unternehmen eine abhängige Gesellschaft zu einem Tun oder Unterlassen veranlaßt. Das kann in jeder nur denkbaren Weise geschehen. Die Veranlassung ist sehr viel weitergehend als die Erteilung von Weisungen. Auch durch die Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung kann etwas „veranlaßt" werden (ebenso Rasch S. 146). Deshalb gilt hier auch nicht die Einschränkung des Anspruches im § 117 VII. Dort findet die Vorschrift keine Anwendung, wenn der bestimmende Einfluß, der den Schaden ausgelöst hat, durch Abstimmung in der Hauptversammlung erfolgt. Das „Veranlassen" braucht auch nicht, wie im § 117, darin zu bestehen, daß bestimmte Personen, dort Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrates, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte, angesprochen werden müßten. Vielmehr kann sich hier die Einwirkung auf jeden Angestellten der Gesellschaft beziehen (Rasch a. a. O.). Es kommt nur darauf an, daß im Endergebnis etwas veranlaßt wird. Es ist auch nicht notwendig, daß die Veranlassung sich auf das konkrete, sich als nachteilig erweisende Geschäft bezieht. Vielmehr kann in allgemeinen Anweisungen für die Geschäftspolitik die Veranlassung zu einem nachteiligen Geschäft oder einer nachteiligen Maßnahme liegen, ohne daß diese konkret angesprochen ist. Im ganzen ist der Begriff der Veranlassung praktisch gleichzusetzen mit dem Begriff in § 311 „Einfluß benutzen". Siehe deshalb auch dort Anm. 2. Veranlassen muß das herrschende Unternehmen. Der Tatbestand ist also nicht erfüllt, wenn etwa ein Verwaltungsmitglied oder ein Angestellter des herrschenden Unternehmens gewissermaßen auf eigene Faust das abhängige 1748

Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens

§ 317

Anm. 2,3

Unternehmen zu nachteiligen Geschäftsführungsmaßnahmen veranlaßt. Dann kommt § 117 in Frage. Der auch nach § 117 erforderliche Einfluß könnte gerade aus der Stellung des Betreffenden in dem herrschenden Unternehmen hergeleitet werden. Man will ihm eine Gefälligkeit erweisen. Damit könnte der Tatbestand des § 117 durchaus erfüllt sein. Tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Haftung ist ferner, daß durch Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder durch Vornahme oder Unterlassung einer Maßnahme der abhängigen Gesellschaft ein Schaden entstanden ist, der nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres tatsächlich ausgeglichen oder für den nicht ein Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich bestimmten Vorteil gewährt ist. Der Haftungsanspruch entsteht also nicht wie sonst im allgemeinen mit dem Eintritt des Schadens, sondern er gelangt erst zur Entstehung, wenn feststeht, daß der Schaden nicht durch andere Vorteile innerhalb des Geschäftsjahres ausgeglichen wird oder wenn der Ausgleich nicht in der Weise erfolgt, daß innerhalb des Geschäftsjahres ein Rechtsanspruch auf in der Zukunft liegende Vorteile gewährt wird. Geschieht letzteres, wird aber der Rechtsanspruch nicht erfüllt, so ergibt sich alsdann keine Haftung aus § 317, wohl aber eine Haftung aus dem eingeräumten Rechtsanspruch, denn dieser muß so gestaltet sein, daß der Anspruch einklagbar ist. Darüber, was unter nachteiligem Rechtsgeschäft und unter Maßnahmen zu verstehen ist, vgl. Anm. 3 zu §311; für die Art des Ausgleiches des Schadens vgl. Anm. 5 und 6 zu § 311. Die Begriffe decken sich hier mit den dortigen. Die Ersatzpflicht besteht zunächst gegenüber der Gesellschaft, der der Schaden entstanden ist. Darüber hinaus besteht eine Ersatzpflicht gegenüber den Aktionären für den Schaden, der ihnen über den Schaden, den die Gesellschaft erlitten hat, weiter entstanden ist, also für den unmittelbaren Schaden der Aktionäre. Dies entspricht der Regelung in § 117 (vgl. im einzelnen dort Anm. 3). III. Geltendmachung des Anspruchs Anm. 3: Die Geltendmachung des Anspruchs der abhängigen Gesellschaft erfolgt durch deren Vorstand. Unterläßt er die Geltendmachung, etwa mit Rücksicht auf die Abhängigkeit, in der er sich mit dem herrschenden Unternehmen befindet, so macht er sich über § 93 schadensersatzpflichtig. Dasselbe gilt für den Aufsichtsrat, der es etwa aus den gleichen Gründen zuläßt, daß der Vorstand die Ansprüche nicht geltend macht. Durch Verweisung auf § 309 III bis V ist (§ 309 IV S. 1 und 2) neben dem Vorstand jeder Aktionär berechtigt, den Ersatzanspruch der Gesellschaft geltend zu machen, und zwar in der Weise, daß er Leistung an die Gesellschaft fordert. Diese Bestimmung ist wichtig, weil die Konfliktslage, in der sich der Vorstand und Aufsichtsrat des abhängigen Unternehmens bei einer Klage gegen das herrschende Unternehmen befinden mögen, dadurch gelöst 1749

§317

Leitungsmadit und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 3—5

werden kann, daß ein interessierter Aktionär die Klage erhebt. Hier handelt es sich nicht nur um die Geltendmachung des Anspruches, der dem Aktionär zusteht. Dieser ist der unmittelbare Schaden des Aktionärs, der über den mittelbaren, der in der Schädigung der Gesellschaft liegt, hinausgeht. Diesen Anspruch kann der Aktionär und nur er geltend machen. Hier handelt es sich um die Geltendmachung eines fremden Schadens durch den Aktionär, nämlich des Schadens der Gesellschaft. Endlich können die Gläubiger der Gesellschaft den Ersatzanspruch geltend machen, aber nur dann, wenn sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können. Soweit die Gläubiger den Ersatzanspruch geltend machen können, kann ihnen kein Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft entgegengehalten werden (§ 309 IV S. 4). Im übrigen gelten weitestgehend die gleichen Vorschriften, wie im § 93, d. h., unter gewissen Voraussetzungen kann die Gesellschaft auf den Anspruch verzichten oder sich darüber vergleichen. Die Verjährung tritt nach 5 Jahren ein. IV. Exkulpation Anm. 4: Der Gesetzgeber hat dem herrschenden Unternehmen nicht etwa eine Erfolgshaftung für alle von ihm veranlaßten Geschäftsführungsmaßnahmen der abhängigen Gesellschaft auferlegt. Die Haftung des herrschenden Unternehmens tritt nicht ein, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen hätte, die das herrschende Unternehmen veranlaßt hat. Damit wird dem herrschenden Unternehmen für das abhängige Unternehmen nur die Sorgfaltspflicht auferlegt, die jede Geschäftsleitung eines unabhängigen Unternehmens gegenüber ihrem eigenen Unternehmen hat (ebenso B.-H. Rn 6). Eine wirtschaftliche Fehlentscheidung wird mithin auch im Falle des § 317 nur dann zu einer Haftung führen, wenn die Sorgfaltspflicht verletzt wurde. Zur Prüfung der Frage, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft gehandelt hätte, kommt es darauf an, welche Umstände im Zeitpunkt der Handlung bekannt waren (vgl. hierzu § 3 1 3 1 N r . 2 und §312 Anm. 6). Hinsichtlich einer Maßnahme ist die Vorhersehbarkeit ihrer nachteiligen Auswirkung zum Zeitpunkt der Einflußnahme von Bedeutung (siehe auch Geßler in BB 1965, 1730; Werner in Die AktGes 1967,125). V. Anspruch gegen den handelnden gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens Anm. 5: Neben dem herrschenden Unternehmen haften als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff. BGB die gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft, die die Gesellschaft zu dem Rechtsgeschäft oder der Maßnahme 1750

Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft

§§ 317/318

Anm. 5

veranlaßt haben. Hier handelt es sich also nicht um die Haftung der gesetzlichen Vertreter ihrem eigenen Unternehmen gegenüber, die möglicherweise dadurch begründet sein kann, daß das Unternehmen zum Schadenersatz herangezogen wird, ohne daß es bei dem Nachteil, der bei der Maßnahme oder dem Rechtsgeschäft der abhängigen Gesellschaft entstanden ist, selbst einen Vorteil gehabt hätte. Diese innere Haftung gegenüber der eigenen Gesellschaft ist hier nicht gemeint. Vielmehr haftet der handelnde gesetzliche Vertreter des herrschenden Unternehmens persönlich dem abhängigen Unternehmen. Die Haftung trifft nur den Handelnden, nicht etwa die übrigen gesetzlichen Vertreter, die möglicherweise ihre Überwadiungspflicht verletzt haben könnten. Diese persönliche Haftung des Handelnden hat den ausgesprochenen Zweck, die Durchsetzung der Ziele der Vorschrift des § 311 verschärft zu gewährleisten. Sie richtet sich nur gegen gesetzliche Vertreter, nicht etwa gegen andere Angestellte des herrschenden Unternehmens. Für diese kann eine Haftung aus § 117 in Frage kommen. Auch mehrere gesetzliche Vertreter des herrschenden Unternehmens können Handelnde sein, unter Umständen alle gesetzlichen Vertreter, wenn etwa das herrschende Unternehmen eine Aktiengesellschaft ist und die abhängige Gesellschaft aufgrund eines Vorstandsbeschlusses des Gesamtvorstandes der herrschenden Gesellschaft zum Abschluß des Rechtsgeschäfte oder Vornahme bzw. Unterlassung der Maßnahme veranlaßt wurde. In diesem Fall haften alle Vorstandsmitglieder, nicht etwa nur der, der den Vorstandsbeschluß ausgeführt hat.

§ 318 Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft (1) Die Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft haften neben den nach § 3 1 7 Ersatzpflichtigen als Gesamtschuldner, wenn sie es unter Verletzung ihrer Pflichten unterlassen haben, das nachteilige Rechtsgeschäft oder die nachteilige Maßnahme in dem Bericht über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen aufzuführen oder anzugeben, daß die Gesellschaft durch das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme benachteiligt wurde und der Nachteil nicht ausgeglichen worden war. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. (2) Die Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft haften neben den nach § 317 Ersatzpflichtigen als Gesamtschuldner, wenn sie hinsichtlich des nachteiligen Rechtsgeschäfts oder der nachteiligen Maßnahme ihre Pflicht, den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu prüfen 1751

§ 318 Leitungsmacht und Verantwortlidikeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Anm. 1

und über das Ergebnis der Prüfung an die Hauptversammlung zu berichten (§ 314), verletzt haben; Absatz 1 Satz 2 gilt sinngemäß. (3) Der Gesellschaft und auch den Aktionären gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. (4) § 309 Abs. 3 bis 5 gilt sinngemäß. I. Obersicht (Anm. 1) II. Tatbestand der Haftung (Anm. 2) III. Gesamtschuldnerisdie Haftung (Anm. 3)

IV. Ausschluß der Haftung (Anm. 4) V. Aufhebung der Ersatzpflicht, Verjährung (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Im Ausschußbericht wird dazu ausgeführt, die Vorschrift sei an die Neufassung des § 311 angepaßt. Nach dieser Neufassung des § 311 darf die abhängige Gesellschaft nachteilige Rechtsgeschäfte vornehmen und Maßnahmen zu ihrem Nachteil treffen oder unterlassen, auch wenn die Nachteile nicht im gleichen Geschäft ausgeglichen werden. Daher mußte die Haftung ihrer Verwaltungsmitglieder auf den Fall beschränkt werden, daß der Vorstand seine Pflicht, über das Rechtsgeschäft bzw. die Maßnahme zu berichten (§ 312), der Aufsichtsrat seine Pflicht, den Bericht zu prüfen (§ 314), verletzt. Diese Überlegungen mögen zur Begründung der Schaffung eines speziellen Haftungstatbestandes ausreichend sein. Sie beantworten aber nicht die Frage, ob sich die Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder einer abhängigen Gesellschaft, von der eine nachteilige Geschäftsführungsmaßnahme verlangt wird, darin erschöpft, diese später im Bericht nach § 312 niederzulegen. Das ist u. E. zu verneinen. Es besteht auch für den Vorstand einer abhängigen Gesellschaft die Verpflichtung, jeden Nachteil von der Gesellschaft abzuwenden. Wenn ihr eine Geschäftsführungsmaßnahme zugemutet wird, die sie als nachteilig für die Gesellschaft erkennt, so kann sie nicht einfach diese Geschäftsführungsmaßnehme ausführen, sondern sie hat zumindest das herrschende Unternehmen darauf aufmerksam zu machen, daß nach Ansicht des Vorstandes Nachteile der Gesellschaft erwachsen können. Das ist schon deshalb notwendig, weil der Vorstand der abhängigen Gesellschaft vielfach besser die Auswirkung der Geschäftsführungsmaßnahme überblicken kann, als die Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens. Darüber hinaus wird in einem solchen Fall der Vorstand auch mit dem herrschenden Unternehmen zu erörtern haben, wie der Ausgleich des zu erwartenden Nachteils erfolgen soll. Verletzt er diese Verpflichtungen, so verstößt er damit gegen die Sorgfaltspflicht, die ihm nach § 93 obliegt und er haftet aus dieser Bestimmung (ebenso B.-H. Rn. 7, die unsere Ansicht — offenbar 1752

Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft

§318

Anm. 1,2

ausschließlich aus dem ersten Absatz dieser Anmerkung heraus — anders interpretieren). Wenn der Vorstand der Gesellschaft unter Verletzung seiner Pflichten es unterläßt, den Bericht nach den Bestimmungen des § 312 aufzustellen, so würden die Mitglieder auch wegen Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht bereits nach § 93 haften. Das gleiche gilt für die Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft, wenn sie ihre ihnen nach § 314 in bezug auf den Bericht auferlegten Pflichten nicht nachkommen würden. Audi sie würden alsdann nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 116 und 93) haften, ohne daß es einer besonderen Bestimmung bedurft hätte (ebenso Neuhaus S. 70). II. Tatbestand der Haftung Anm. 2; Nicht jede Verletzung der Berichtspflicht löst eine Haftung aus §318 aus. Ist der Bericht nach § 3 1 2 1 unvollständig, sind also nicht alle Rechtsgeschäfte, welche die Gesellschaft im Geschäftsjahr mit dem herrschenden Unternehmen oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen oder auf Veranlassung oder im Interesse dieser Unternehmen vorgenommen hat und alle anderen Maßnahmen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse dieser Unternehmen getroffen oder unterlassen hat, nicht vollständig aufgeführt, so hat das nur dann Haftungsfolgen aus § 318, wenn sidi die Unvollständigkeit auf nachteilige Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen bezieht. Das gleiche gilt, wenn entgegen der Verpflichtung aus § 312 I bei den Rechtsgeschäften die Leistung und Gegenleistung, bei den Maßnahmen die Gründe der Maßnahme und deren Vorteile und Nachteile nicht angegeben sind. Eine Haftung aus § 318 wird nicht ausgelöst, wenn bei einem Ausgleich von Nachteilen nicht im einzelnen angegeben wird, wie der Ausgleich während des Geschäftsjahres tatsächlich erfolgt ist oder auf welche Vorteile der Gesellschaft ein Rechtsanspruch gewährt worden ist. Sind die Erklärungen, die der Vorstand am Schluß des Berichtes nach § 312 III abzugeben hat, unrichtig, kommt eine Haftung nach §318 in Frage. Nach dieser Bestimmung hat er zu erklären, ob bei jedem Rechtsgeschäft eine angemessene Gegenleistung gewährt wurde und ob die getroffene oder unterlassene Maßnahme sich nachteilig ausgewirkt hat. Nach § 318 haftet er demnach, wenn er das nachteilige Rechtsgeschäft oder die nachteilige Maßnahme in dem Bericht nicht aufgeführt hat, oder wenn er es unterlassen hat anzugeben, daß die Gesellschaft durch das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme benachteiligt wurde. Auch hier ist Voraussetzung für die Entstehung der Haftung, daß der Nachteil nicht ausgeglichen worden war, wobei es gleichgültig ist, ob der Ausgleich tatsächlich durch Vorteile, die im Geschäftsjahr gewährt wurden, ausgeglichen ist oder ob ein Ausgleich in der Weise erfolgte, daß während des Geschäftsjahres ein Rechtsanspruch auf 1753

§318 Leitungsmadit und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Anm. 2

einen späteren Vorteil der abhängigen Gesellschaft gewährt wurde (vgl. Neuhaus S. 70). Ist dieser Ausgleich erfolgt, so schadet es auch nichts, wenn der Vorstand das nachteilige Geschäft oder die nachteilige Maßnahme im Bericht nicht erwähnt hat. Es muß also immer zu dem pflichtwidrigen Unterlassen noch hinzukommen, daß tatsächlich ein Naditeilsausgleich nicht stattgefunden hat (vgl. Schubert in ZFuP 66, 223 f.). Nur dann ist der Tatbestand des § 318, soweit eine Haftung des Vorstandes in Frage kommt, gegeben. Die Haftung setzt eine Pflichtverletzung voraus. Diese liegt grundsätzlich bereits in dem Unterlassen. Es ist aber denkbar, daß das Unterlassen deshalb nicht schuldhaft ist, weil das Rechtsgeschäft nicht als nachteilig erkannt war oder irrtümlich ein Naditeilsausgleich angenommen wurde. Dann hat der Vorstand nachzuweisen, daß er bei der Beurteilung dieser Fragen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat. Audi hier gilt der Grundsatz, daß für die Nachprüfung, ob dies geschehen ist, untersucht werden muß, welche Umstände zum Zeitpunkt der Berichterstattung bekannt waren, denn es kommt darauf an, ob bei der Erstattung des Berichts die sich später als unrichtig herausstellende Beurteilung des Vorstandes nach den damals bekannten Umständen sich rechtfertigen ließ. Auch die Mitglieder des Aufsichtsrats haften nicht für alle Obliegenheiten, die ihnen in bezug auf den Bericht nach § 314 auferlegt sind. Nach § 314 II hat der Aufsichtsrat den Beridit über die Beziehungen zu den verbundenen Unternehmen schlechthin zu prüfen. Nach § 318 II haften die Mitglieder nur, wenn sie hinsichtlich des nachteiligen Rechtsgeschäfts oder der nachteiligen Maßnahme ihre Pflicht, den Beridit zu prüfen, verletzt haben. Haben sie beispielsweise erkannt, daß im Bericht nidit alle Rechtsgeschäfte, die darin hätten enthalten sein müssen, aufgeführt waren, so haften sie nicht dafür, wenn sie diesen Mangel nicht behoben haben oder daß sie ihn in ihrem Bericht nicht erwähnt haben. Nach §31411 hat der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung das Ergebnis der Prüfung des ganzen Berichts aufzunehmen. Nach § 318 II tritt eine Haftpflicht nur ein, wenn er das Ergebnis der Prüfung hinsichtlich der nachteiligen Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen nicht in der Hauptversammlung berichtet. Nach § 314 II hat der Aufsichtsrat weiterhin einen von den Abschlußprüfern erteilten Bestätigungsvermerk aufzunehmen. Eine Versagung des Bestätigungsvermerks ist ausdrücklich mitzuteilen. Ein Unterlassen dieser Verpflichtung steht ebenfalls unter der Haftung des § 318. Die gegenteilige Ansicht der Vorauflage kann nicht aufrechterhalten werden. Die besondere Mitteilung ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (§ 314 II S. 3) zwingend Inhalt des Berichts des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung. Verletzt der Aufsichtsrat diese Pflicht, so verletzt er damit auch seine Pflicht, über das Ergebnis seiner Prüfung der Hauptversammlung zu berichten. 1754

Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft

§318

Anm. 2—1

Daneben ist eine Haftung unter allgemeinen Gesichtspunkten aus §§ 93, 116 möglich. III. Gesamtschuldnerisdie Haftung Anm. 3: Ist die Haftung gegeben, so haften die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Gesellschaft neben den nach § 317 Ersatzpfliditigen als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff. BGB. Das hat zur Folge, daß sie nicht nur für den der Gesellschaft entstandenen Schaden haften, sondern auch für den den Aktionären darüber hinaus entstandenen, sogenannten unmittelbaren Schaden (vgl. hierzu §317 Anm. 2). Diese sich aus dem in § 318 festgelegten Gesamtschuldverhältnis ergebende Erweiterung der Anspruchsberechtigten durch Einbeziehung des unmittelbaren Schadens der Aktionäre, ist die Hauptbedeutung, die der § 318 praktisch hat. IV. Ausschluß der Haftung Anm. 4: Der Gesellschaft und den Aktionären gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Es ist aber schwer ersichtlich, wie eigentlich der Tatbestand der Abs. 1 und 2 auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruhen könnte. Der Ausschluß der Haftung für den Fall, daß die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht, entspricht der Bestimmung des §117 I I S . 3. Beim Bestehen eines Beherrschungsvertrages ist ein solcher Haftungsausschluß nicht vorgesehen. Der Grund liegt dort darin, daß durch einen Beherrschungsvertrag die Gesamtstruktur der Gesellschaft so verändert wird, daß auch die gesellschaftsrechtliche Stellung der Hauptversammlung nicht mehr die gleiche bleibt. Ob das weitgehende Weisungsrecht, das der Beherrschungsvertrag vermittelt, unmittelbar oder durch einen Hauptversammlungsbeschluß ausgeübt wird, macht keinen sachlichen Unterschied. Wenn jedoch kein Beherrschungsvertrag besteht, so ist die innere Struktur der abhängigen Gesellschaft unverändert. Die Leitungsmacht der herrschenden Gesellschaft ist stark beschränkt. Der abhängigen Gesellschaft darf grundsätzlich kein Nachteil entstehen und wenn er entsteht, muß er ausgeglichen werden. Das hat zur Folge, daß auch das innere Gefüge der Gesellschaft unangetastet bleibt. Die Stellung der Hauptversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan bleibt insoweit bestehen. Es wäre unbillig, die Verwaltungsmitglieder gegenüber der Gesellschaft und ihren Aktionären für Handlungen haften zu lassen, die auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruhen. Die Bestimmung stimmt ferner mit der des § 93 IV S. 1 überein und erweitert sie dahingehend, daß in diesem Fall auch den Aktionären gegenüber 1755

3

Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen

Anm. 4,5

die Ersatzpflicht entfällt. Im einzelnen, insbesondere darüber, wann ein gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschluß vorliegt vgl. § 93 Anm. 22 und 23. V. Aufhebung der Ersatzpflicht, Verjährung Anm. 5: Durch Bezugnahme auf § 309 III bis V wird insbesondere sichergestellt, daß der Ersatzanspruch der Gesellschaft von jedem Aktionär geltend gemacht werden kann, indem er Leistung an die Gesellschaft fordert. Auch die Gläubiger können einen Ersatzanspruch geltend machen, sofern sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können. Ihnen kann ein Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft nicht entgegengehalten werden. Für einen solchen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft gilt insbesondere die Bestimmung, daß die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen müssen und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen und zur Abstimmung berechtigten Grundkapitals, zur Niederschrift Widerspruch erheben. (Im einzelnen vgl. hierzu § 309 Anm. 3).

1756

Eingliederung

Vorbem. §§ 319—327/319

DRITTER TEIL

Eingegliederte Gesellschaften Vorbemerkung zu §§ 319—327 Die eingegliederten Gesellschaften gehören zu den verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15, und zwar zu den dort aufgeführten Konzernunternehmen. In § 18 wird ausdrücklich bestimmt, daß Unternehmen, von denen das eine in das andere eingegliedert ist (§ 319), als unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt anzusehen sind. In der Tat ist die Verbindung zwischen der sogenannten Hauptgesellschaft (§ 319 I) und der eingegliederten Gesellschaft die engste überhaupt denkbare Verbindung rechtlich selbständiger Unternehmen. Sie geht noch über die Verbindung hinaus, die durch einen Beherrschungsvertrag geschaffen wird und kommt der Verschmelzung nahe. Bei dieser gibt aber das sich verschmelzende Unternehmen seine rechtliche Selbständigkeit auf. Die Eingliederung ist nur in eine Aktiengesellschaft, nicht in ein Unternehmen anderer Rechtsform möglich. Da das Gesetz hier ausdrücklich nur von Aktiengesellschaften spricht, kommt eine Kommanditgesellschaft auf Aktien weder als einzugliedernde Gesellschaft noch als künftige Hauptgesellschaft in Frage (ebenso Obermüller-Werner-Winden S. 206; B.-H. Uberbl. vor §§319 Rn. 3). Auch muß die Hauptgesellschaft ihren Sitz im Inland haben. Eine weitere Besonderheit ist die, daß eine eingegliederte Gesellschaft keine außenstehenden Aktionäre haben kann. Diese scheiden spätestens mit der Eingliederung aus der Gesellschaft aus (§ 320 IV). Andererseits endet die Eingliederung, wenn sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, d. h. also, wenn aus irgendwelchen Gründen neue Aktionäre hinzugetreten sind (§ 327 I Nr. 3). Das Fehlen außenstehender Aktionäre hat zur Folge, daß die Bestimmungen, die bei der Verbindung zweier Gesellschaften durch Beherrschungsvertrag für die Sicherung der außenstehenden Aktionäre getroffen sind, hier überflüssig werden. Auch die Schutzbestimmungen für die Gläubiger können wesentlich einfacher gestaltet werden. Das ist der Grund, warum die Eingliederung einer Gesellschaft in einem besonderen Teil des dritten Buches behandelt wird. § 319 Eingliederung (1) Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft kann die Eingliederung der Gesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland (Hauptgesellsdiaft) beschließen, wenn sidi alle Aktien der Gesellschaft in der Hand der zukünftigen Hauptgesellsdiaft befinden. Auf den Beschluß 1757

§319 Anm. 1

Eingegliederte Gesellschaften

sind die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen nicht anzuwenden. (2) Der Beschluß über die Eingliederung wird nur wirksam, wenn die Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellsdiaft zustimmt. Der Beschluß über die Zustimmung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Absatz 1 Satz 2 ist anzuwenden. Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung, die über die Zustimmung beschließt, Auskunft auch über alle im Zusammenhang mit der Eingliederung wesentlichen Angelegenheiten der einzugliedernden Gesellschaft zu geben. (3) Der Vorstand der einzugliedernden Gesellschaft hat die Eingliederung und die Firma der Hauptgesellsdiaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Bei der Anmeldung hat der Vorstand zu erklären, daß die Hauptversammlungsbeschlüsse innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten worden sind oder daß die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. Der Anmeldung sind die Niederschriften der Hauptversammlungsbeschlüsse und ihre Anlagen in Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (4) Mit der Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft wird die Gesellschaft in die Hauptgesellsdiaft eingegliedert. I. Übersicht (Anm. 1) II. Form der Eingliederung (Anm. 2) III. Hauptversammlungsbeschluß der einzugliedernden Gesellschaft (Anm. 3)

IV. Hauptversammlungsbeschluß der zukünftigen Hauptgesellsdiaft (Anm. 4) V. Anmeldung beim Registergeridit (Anm. 5) VI. Wirkung der Eintragung, Bekanntmachung (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Zur Eingliederung bedarf es zunächst eines Beschlusses der Hauptversammlung der einzugliedernden Gesellschaft (Abs. 1). Der Beschluß der Hauptversammlung über die Eingliederung wird erst wirksam, wenn ihm die Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellsdiaft zugestimmt hat (Abs. 2). Der Vorstand der einzugliedernden Gesellschaft hat die Eingliederung und die Firma der Hauptgesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (Abs. 3). 1758

Eingliederung

§319

Anm. 1,2

Mit der Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister des Sitzes der einzugliedernden Gesellschaft wird die Gesellschaft in die Hauptgesellschaft eingegliedert. Die Eintragung hat konstitutive Wirkung (Abs. 4). II. Form der Eingliederung Anm. 2: Die rechtliche Grundlage der Eingliederung ist der Hauptversammlungsbeschluß der einzugliedernden Gesellschaft. Er bedarf zu seinem Wirksamwerden der Zustimmung der Hauptgesellschaft und der Eintragung. Dem Beschluß gehen die wirtschaftlichen Verhandlungen über die Eingliederung voraus. Es ist gesetzlich nicht notwendig, daß ein Eingliederungsvertrag etwa zwischen den Vorständen der einzugliedernden Gesellschaft und der späteren Hauptgesellschaft abgeschlossen wird. Andererseits ist dies durchaus denkbar. In § 324 II werden ausdrücklich Gewinnabführungsverträge und eine Gewinngemeinschaft sowie ein Teilgewinnabführungsvertrag erwähnt. Es bestehen auch keinerlei Bedenken, das bisher bei hundertprozentigen Töchtern vielfach angewandte Verfahren vertraglich festzulegen, inwieweit die Organe der Töchter wirtschaftliche Selbständigkeit behalten, auch bei eingegliederten Gesellschaften künftig anzuwenden (vgl. hierzu Anm. zu § 323). Während Unternehmensverträge, insbesondere auch der Beherrschungsvertrag, der der Eingliederung sachlich am nächsten steht, grundsätzlich mit jedem Unternehmen, gleichgültig in welcher Rechtsform es geführt wird, abgeschlossen werden können, ist eine Eingliederung nur möglich in eine andere Aktiengesellschaft mit dem Sitz im Inland. Der Grund für diese Einschränkung liegt darin, daß ein Unternehmen in anderer Rechtsform nicht die gleichen Sicherheiten für die Gläubiger der eingegliederten Gesellschaften bietet wie eine Aktiengesellschaft. Da es sich aber um Gläubiger einer — der eingegliederten — Aktiengesellschaft handelt, müssen diese auch nach der Eingliederung in der gleichen Weise sichergestellt werden, wie sie bisher sichergestellt waren. Da der Gläubigerschutz im wesentlichen darin besteht, daß von der Eingliederung an die Hauptgesellschaft für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft haftet, ist es für die Gläubiger wichtig, daß die Hauptgesellschaft die gleiche Rechtsform hat wie die eingegliederte. Auch die Bestimmung, daß die Hauptgesellschaft ihren Sitz im Inland haben muß, hängt mit dem Gläubigerschutz zusammen (vgl. Anm. zu § 322). Die vorliegende Bestimmung geht davon aus, daß die Eingliederung nur stattfinden kann, wenn sich alle Aktien der Gesellschaft in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden. Dieser Grundsatz wird zwar in § 320 durchbrochen. Das Gesetz geht aber zunächst einmal von diesem Tatbestand aus. Dabei ist der Ausdruck „in der Hand befinden" dahin zu verstehen, daß die zukünftige Hauptgesellschaft rechtlich Eigentümerin dieser 1759

§319

Anm. 2,3

Eingegliederte Gesellschaften

Anteile sein muß. Es genügt nicht, daß ihr alle Aktien der einzugliedernden Gesellschaft im Sinne des § 16 „gehören". Diese Frage war in den Ausschüssen insofern außerordentlich umstritten, als dort der Antrag gestellt wurde, man möge auch den Besitz abhängiger Gesellschaften, wenn diese hundertprozentige Tochtergesellschaften der späteren Hauptgesellschaft seien, mitrechnen. Diesen Anträgen wurde nicht stattgegeben, weil nicht von der Hand zu weisen ist, daß die Hauptgesellschaft sich des hundertprozentigen Besitzes der Töchter, die Aktien der einzugliedernden Gesellschaft besitzt, entledigen kann und daß alsdann auf diesem Wege außenstehende Aktionäre bei der inzwischen eingegliederten Gesellschaft auftreten würden. Auf diesen Fall hätte man vielleicht noch die Bestimmungen des § 327 I Nr. 3, wonach die Eingliederung endet, wenn sich nicht alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, sinngemäß anwenden können. Aber auch ohne daß der hundertprozentige Besitz der Tochtergesellschaft von der Hauptgesellschaft aufgegeben worden wäre, hätte diese Tochtergesellschaft neben der Hauptgesellschaft als rechtliche Eigentümerin von Aktien der einzugliedernden Gesellschaft erhebliche Schwierigkeiten gemacht, insbesondere auch in bezug auf die Gläubigerhaftung einerseits und die weitgehende Leitungsmacht der Hauptgesellschaft andererseits. Man hat deshalb an dem Grundsatz, daß die Hauptgesellschaft im Besitz aller Aktien der eingegliederten Gesellschaft sein muß, festgehalten. Auch der § 320 bildet insofern keine Ausnahme, als nach dessen Abs. 4 mit der Eintragung der Eingliederung alle Aktien, die sich nicht in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, auf diese übergehen. Es gibt also keine Eingliederung, bei der sich nicht spätestens mit ihrem Wirksamwerden alle Aktien in der Hand der Hauptgesellschaft befinden. III. Hauptversammlungsbeschluß der einzugliedernden Gesellschaft Anm. 3: Das Gesetz konnte darauf verzichten, eine qualifizierte Mehrheit für den Hauptversammlungsbeschluß der einzugliedernden Gesellschaft festzulegen, da es davon ausgeht, daß sich alle Aktien in dem Besitz der Hauptgesellschaft befinden. Auch die Ausnahme des § 320, die die Eingliederung zuläßt, wenn sich Aktien im Gesamtnennbetrag von 95 % des Grundkapitals in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden, macht eine solche Bestimmung nicht notwendig, da diese Mehrheit weit über der für den Zustimmungsbeschluß zum Abschluß oder Änderung von Unternehmensverträgen vorgeschriebenen Mehrheit von 8 A des bei Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals liegt (§ 293 I). Bei der Eingliederung nach § 319, d. h., wenn sich alle Aktien in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden, kann auf eine Reihe von Vorschriften für den Hauptversammlungsbeschluß verzichtet werden, die im Falle der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß nach § 320 notwendig sind. 1760

Eingliederung

§319

Anm. 3,4 Diese zusätzlichen Bestimmungen befinden sich dort in den Abs. 2 bis 7. Sie sind weitestgehend die gleichen, die für den Zustimmungsbeschluß bei Abschluß oder Änderung oder Beendigung von Unternehmensverträgen gelten. Für die Hauptversammlung, die die Eingliederung nach § 319 beschließen soll, fehlt es sogar an besonderen Bestimmungen über die Bekanntmachung der Tagesordnung. Das ist auch überflüssig, denn es handelt sich immer um eine Vollversammlung, die nach allgemeinen Gesichtspunkten in der Lage ist, auf alle gesetzlich oder satzungsmäßig vorgeschriebenen Formalien für die Einberufung zu verzichten. Es bestehen mithin keinerlei Hinderungsgründe, den Eingliederungsbeschluß durch eine Vollversammlung fassen zu lassen, die ad hoc ohne ordnungsgemäße Einladung zusammentritt. IV. Hauptversammlungsbeschluß der zukünftigen Hauptgesellschaft Anm. 4: Der Eingliederungsbeschluß der einzugliedernden Gesellschaft wird nur wirksam, wenn die Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellschaft diesem Beschluß zustimmt. Für diesen Zustimmungsbeschluß gilt grundsätzlich das, was für den Zustimmungsbeschluß zu einem Unternehmensvertrag in § 293 I vorgeschrieben ist. Die Situation ist eine ähnliche wie beim Abschluß eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrages nach § 293 I I . In einem solchen Fall muß nidit nur die Hauptversammlung der Gesellschaft, die den Vertrag mit einer anderen Gesellschaft abschließt, sondern auch der andere Vertragsteil, der stets auch eine Aktiengesellschaft ist, durch einen Hauptversammlungsbeschluß dem Vertrag zustimmen. Sinn dieser Vorschrift ist, daß den Aktionären bei der weitgehenden Haftung, die ihre Gesellschaft im Falle der Eingliederung eines anderen Unternehmens übernimmt, ein Mitspracherecht eingeräumt werden soll. Die Bestimmungen über die erforderliche Mehrheit sind die gleichen wie bei Satzungsänderung, obwohl auch hier auf Abs. 1 S. 2 verwiesen wird, wonach auf den Beschluß Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderung nicht anzuwenden sind. Die Satzung kann dennoch speziell für diesen Beschluß eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. Nur allgemeine Bestimmungen, die sich etwa auf Satzungsänderungen und ähnliche Beschlüsse beziehen, wären nicht wirksam. Auch hier ist, wie in § 293 IV, ein Recht auf besondere Auskunft eingeräumt worden, es bezieht sich hier auf alle im Zusammenhang mit der Eingliederung wesentlichen Angelegenheiten der einzugliedernden Gesellschaft. Da es sich bei der Zustimmung praktisch darum handelt, daß der Übernahme der Schulden der eingegliederten Gesellschaft zugestimmt wird und das Risiko, das sich aus der Fortführung der eingegliederten Gesellschaft ergibt, von der Hauptgesellschaft zu tragen ist, muß die Auskunft, auf die der Aktionär Anspruch hat, eine recht weitgehende sein. Der Aktionär hat Anspruch 1761

§319

Eingegliederte Gesellschaften

Anm. 4—6 darauf, daß ihm jedenfalls in großen Zügen der Status der einzugliedernden Gesellschaft und ihre Ertragsaussichten dargelegt werden. Audi für die Zukunft steht jedem Aktionär der Hauptgesellschaft ein erweitertes Auskunftsrecht in den Hauptversammlungen in bezug auf die eingegliederte Gesellschaft zu. Nach § 326 ist über Angelegenheiten der eingegliederten Gesellschaft ebenso Auskunft zu erteilen wie über Angelegenheiten der Hauptgesellschaft. V. Anmeldung beim Registergericht Anm. 5: Der Vorstand der einzugliedernden Gesellschaft — und zwar so viele Mitglieder, wie zur Vertretung notwendig sind, also evtl. auch ein Mitglied zusammen mit einem Prokuristen — hat die Eingliederung bei dem Registergericht der einzugliedernden Gesellschaft anzumelden, sobald feststeht, daß die Hauptversammlungsbeschlüsse innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten worden sind oder eine etwaige Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. Bei der Anmeldung hat er hierüber eine entsprechende Erklärung abzugeben. Dadurch soll sichergestellt werden, daß die Eingliederung erst wirksam wird, wenn die Rechtsbeständigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse jedenfalls nicht mehr durch Anfechtung gefährdet werden kann. Eine Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses nach Abs. 1, also der einzugliedernden Gesellschaft, wird bei der Eingliederung nach § 319, also wenn alle Aktien sich im Besitz der Hauptgesellschaft befinden, selten vorkommen. Von einem Aktionär könnte sie nicht ausgehen, wohl aber wäre die Anfechtung vom Vorstand theoretisch denkbar. Neben der Tatsache der Eingliederung hat der Vorstand bei der Anmeldung die Firma der Hauptgesellschaft anzugeben. Mit der Anmeldung sind die notariellen Protokolle über die Hauptversammlung der einzugliedernden Gesellschaft und der zukünftigen Hauptgesellschaft mit Anlagen in Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift einzureichen. Die Bestimmung entspricht der des § 294 für die Anmeldung und Eintragung von Unternehmensverträgen. Während dort der Unternehmensvertrag eine Anlage zu dem Protokoll über die Hauptversammlung, die die Zustimmung erteilt, bildet, muß im Falle der Eingliederung keine Anlage vorhanden sein. Im übrigen ist es selbstverständlich, daß Anlagen zum Protokoll in der Ausfertigung enthalten sind. Nur öffentlich beglaubigte Abschriften könnten, wenn dies kenntlich gemacht wird, auszugsweise, in diesem Falle ohne Anlagen, erteilt werden. VI. Wirkung der Eintragung, Bekanntmachung Anm. 6: Die Eintragung im Handelsregister des Sitzes der einzugliedernden Gesellschaft hat konstitutive Wirkung. Mit der Eintragung ist die Ge1762

Eingliederung dur Mehrheitsbeschluß

§§ 319/320 Anm. 6

sellsdiaft in die Hauptgesellschaft eingegliedert. Die Eintragung ist nicht von den beteiligten Gesellschaften, sondern nur vom Registergericht in dessen Blättern bekanntzumachen. Bei der Bekanntmachung sind die Gläubiger nach § 321 darauf hinzuweisen, daß sie das Recht haben, für ihre vor der Bekanntmachung der Eingliederung begründeten Forderungen Sicherheit zu verlangen, wenn sie sich binnen 6 Monaten nach der Bekanntmachung zu diesem Zweck melden (vgl. im einzelnen Anm. zu § 321).

§ 320 Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß (1) Die Hauptversammlung einer Aktiengesellsdiaft kann die Eingliederung der Gesellschaft in eine andere Aktiengesellsdiaft mit Sitz im Inland auch dann beschließen, wenn sich Aktien der Gesellschaft im Gesamtnennbetrag von fünfundneunzig vom Hundert des Grundkapitals in der Hand der zukünftigen Hauptgesellsdiaft befinden. Eigene Aktien und Aktien, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören, sind vom Grundkapital abzusetzen. Für die Eingliederung gelten außer § 319 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 4 die Absätze 2 bis 7. (2) Die Bekanntmachung der Eingliederung als Gegenstand der Tagesordnung ist nur ordnungsgemäß, wenn 1. sie die Firma und den Sitz der zukünftigen Hauptgesellsdiaft enthält, 2. ihr eine Erklärung der zukünftigen Hauptgesellsdiaft beigefügt ist, in der diese den ausscheidenden Aktionären als Abfindung für ihre Aktien eigene Aktien, im Falle des Absatzes 5 Satz 3 außerdem eine Barabfindung anbietet. Satz 1 N r . 2 gilt auch für die Bekanntmachung der zukünftigen Hauptgesellsdiaft. (3) Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung, die über die Eingliederung beschließt, Auskunft auch über alle im Zusammenhang mit der Eingliederung wesentlichen Angelegenheiten der zukünftigen Hauptgesellsdiaft zu geben. (4) Mit der Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister gehen alle Aktien, die sich nicht in der Hand der Hauptgesellsdiaft befinden, auf diese über. Sind über diese Aktien Aktienurkunden ausgegeben, so verbriefen sie bis zu ihrer Aushändigung an die Hauptgesellsdiaft nur den Anspruch auf Abfindung. (5) Die ausgeschiedenen Aktionäre haben Anspruch auf angemessene Abfindung. Als Abfindung sind ihnen eigene Aktien der Hauptgesellsdiaft zu gewähren. Ist die Hauptgesellsdiaft eine abhängige Gesellschaft, so sind 1763

§320

Eingegliederte Gesellschaften

Anm. 1

den ausgeschiedenen Aktionären nach deren Wahl eigene Aktien der Hauptgesellschaft oder eine angemessene Barabfindung zu gewähren. Werden als Abfindung Aktien der Hauptgesellschaft gewährt, so ist die Abfindung als angemessen anzusehen, wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der Hauptgesellschaft zu gewähren wären, wobei Spitzenbeträge durch bare Zuzahlungen ausgeglichen werden können. Die angemessene Barabfindung muß die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung über die Eingliederung berücksichtigen. Die Barabfindung sowie bare Zuzahlungen sind von der Bekanntmachung der Eintragung der Eingliederung an mit fünf vom Hundert jährlich zu verzinsen; die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. (6) Die Anfechtung des Beschlusses, durch den die Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft die Eingliederung der Gesellschaft beschlossen hat, kann nicht auf § 243 Abs. 2 oder darauf gestützt werden, daß die von der Hauptgesellschaft nach Absatz 2 Nr. 2 angebotene Abfindung nicht angemessen ist. Ist die angebotene Abfindung nidit angemessen, so hat das in § 306 bestimmte Gericht auf Antrag die angemessene Abfindung zu bestimmen. Das gleiche gilt, wenn die Hauptgesellschaft eine Abfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten hat und eine hierauf gestützte Anfechtungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist nicht erhoben oder zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen worden ist. (7) Antragsberechtigt ist jeder ausgeschiedene Aktionär. Der Antrag kann nur binnen zwei Monaten nach dem Tage gestellt werden, an dem die Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister nadi § 10 des Handelsgesetzbuchs als bekanntgemacht gilt. Für das Verfahren gilt § 306 sinngemäß. I. Übersicht (Anm. 1) II. Voraussetzungen f ü r die Eingliederung (Anm. 2) III. Der Hauptversammlungsbeschluß der einzugliedernden Gesellschaft (Anm. 3) IV. Der Haupt Versammlungsbeschluß der zukünftigen Hauptgesellschaft (Anm. 4)

V. Eintragung der Eingliederung (Anm. 5) VI. Wirkung der Eintragung (Anm. 6) VII. Die Abfindung für die ausgeschiedenen Aktionäre (Anm. 7) VIII. Anfechtung des Eingliederungsbeschlusses (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Für die Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß gelten zunächst dieselben Voraussetzungen wie für die Eingliederung, wenn sich alle Aktien 1764

Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß

§320 Anm. 1—3

im Besitz der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden, d. h., auch hier kommt ein Zusammenschluß nur zwischen zwei Aktiengesellschaften in Frage. Audi hier ist eine Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht zur Eingliederung oder als Hauptgesellschaft; geeignet. Der Sitz der späteren Hauptgesellschaft muß sich im Inland befinden (vgl. hierzu § 319 Anm. 2). II. Voraussetzungen für die Eingliederung Anm. 2: Die besondere Voraussetzung der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß ist die, daß sich Aktien der Gesellschaft im Gesamtnennbetrag von nur 95 % des Grundkapitals in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden müssen. Für die Errechnung der 95 % vom Grundkapital sind eigene Aktien der einzugliedernden Gesellschaft und Aktien, die einem anderen für Rechnung der einzugliedernden Gesellschaft gehören, vom Grundkapital abzusetzen. Da nach § 71 VI aus eigenen Aktien und solchen Aktien, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören, dieser keine Rechte zustehen, läßt es berechtigt erscheinen, diese Aktien bei der Berechnung der 95 % nicht mitzuzählen. Es werden also die 95 % u. U. nicht von dem echten Grundkapital, sondern von einem um diese Aktiennennbeträge vermindertes Grundkapital berechnet. Damit wird der Zweck der ganzen Vorschrift, eine Eingliederung nicht daran scheitern zu lassen, daß die Inhaber von einem geringfügigen Betrag aller Aktien — 5 % — nicht zu ermitteln sind, meist erreicht werden. Mit einem gewissen Bodensatz an nicht feststellbaren Aktien muß bei vielen Gesellschaften gerechnet werden. III. Der Hauptversammlungsbeschluß der einzugliedernden Gesellschaft Anm. 3: Wie im Falle des § 319, so ist auch hier Grundlage der Eingliederung der Hauptversammlungsbeschluß der einzugliedernden Gesellschaft. Auch hier ist vom Gesetz keine qualifizierte Mehrheit für den Beschluß vorgesehen, weil sich diese von selbst aus dem Erfordernis ergibt, daß sich Aktien in Höhe von 95 °/o des stimmberechtigten Grundkapitals in der Hand der Gesellschaft befinden müssen. Auch hier bedeutet dies, daß die künftige Hauptgesellschaft selbst und nicht etwa zusammen mit ihren Tochtergesellschaften die Aktien im eigenen rechtlichen Eigentum haben muß (vgl. hierzu Anm. 2 zu § 319; B.-H. Rn. 2; Würdinger S. 318). Da hier die Hauptversammlung, die den Eingliederungsbeschluß fassen soll, keine Vollversammlung sein kann, muß sie, wie jede Hauptversammlung, ordnungs- und fristgemäß eingeladen werden. Bei der Bekanntmachung der Tagesordnung ist die Eingliederung als Punkt der Tagesordnung aufzuführen. Dabei ist nach der Bestimmung des Abs. 2 die Firma und der Sitz der zukünftigen Hauptgesellschaft anzugeben, und zwar vollständig, entsprechend der Eintragung dieser Gesellschaft im Handelsregister. Weiter1765

§ 320

Anm. 3

Eingegliederte Gesellschaften

hin muß in der. Bekanntmachung die Erklärung der zukünftigen Hauptgesellschaft im Wortlaut veröffentlicht werden, die das Abfindungsangebot der zukünftigen Hauptgesellschaft für die ausscheidenden Aktionäre enthält. Die Abfindung hat stets im Angebot von Aktien der Hauptgesellschaft zu bestehen. Sollte diese eine abhängige Gesellschaft sein, so sind den Aktionären nach deren Wahl eigene Aktien der Hauptgesellschaft oder eine angemessene Barabfindung zu gewähren. Die Bekanntmadiungspflicht bereits bei der Einberufung der Hauptversammlung hat den Zweck, daß der Aktionär sich Gedanken darüber machen kann, von welcher Gesellschaft er Aktien als Abfindung bekommt. Er muß selbstverständlich auch wissen, in welchem Verhältnis seine eigenen Aktien in Aktien der Hauptgesellschaft umgetauscht werden. Dies gehört mithin zum zwingenden Inhalt der Erklärung der zukünftigen Hauptgesellschaft, die zu veröffentlichen ist. Sollte sich ergeben, daß sie als abhängige Gesellschaft daneben noch ein Barabfindungsangebot machen muß, so muß auch dieses in der Erklärung enthalten sein. Weiterhin muß in der Erklärung zum Ausdrude kommen, daß es sich um ein rechtsverbindliches Angebot handelt. Sind die Angaben in der Erklärung unvollständig oder wird die Firma und der Sitz der zukünftigen Hauptgesellschaft nicht angegeben, so ist die Bekanntmachung nicht ordnungsgemäß. Eine Beschlußfassung über die Eingliederung ist nach § 124 IV alsdann nicht zulässig. Ein etwa doch zustande gekommener Beschluß ist nach § 243 I anfechtbar. In der Hauptversammlung ist jedem Aktionär auf Verlangen eine besondere Auskunft zu erteilen, ihm sind alle wesentlichen Angelegenheiten der zukünftigen Hauptgesellschaft, soweit sie im Zusammenhang mit der Eingliederung stehen, mitzuteilen. Da er im Falle der Eingliederung Aktionär der zukünftigen Hauptgesellschaft wird, ist das ihm zustehende Auskunftsrecht ein weltgehendes. Er kann sowohl über die Vermögens- wie auch über die Ertragslage der Hauptgesellschaft Auskunft verlangen, und zwar im gleichen Umfange wie ein Aktionär der Hauptgesellschaft in der Hauptversammlung seiner eigenen Gesellschaft. Auskunftspflichtig ist der Vorstand der einzugliedernden Gesellschaft. Man kann davon ausgehen, daß dieser hinreichend über die Angelegenheiten der späteren Hauptgesellschaft unterrichtet ist, so daß er aus dieser Kenntnis heraus seiner Auskunftspflicht genügen kann. Sollte das ausnahmsweise nicht der Fall sein, so gehört es zu seinen Pflichten, sich vor der Hauptversammlung hinreichend zu informieren. Ob die Auskunft, wie Obermüller-Werner-Winden (S. 208) annehmen, auch von einem in der Hauptversammlung anwesenden Vertreter der Hauptgesellschaft erteilt werden kann, mag zweifelhaft erscheinen. Der Aktionär hat Anspruch darauf, daß der Vorstand seiner Gesellschaft unter seiner Verantwortung ihm die Auskunft erteilt. Mit Recht weisen Obermüller-WernerWinden darauf hin, daß jedenfalls der anwesende Vertreter der Haupt1766

Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß

§320

Anm. 3—6

gesellschaft nicht verpflichtet ist, eine Auskunft zu erteilen. Ebensowenig ist aber der Aktionär verpflichtet, sie entgegenzunehmen, wenn sie nicht mindestens der Vorstand seiner Gesellschaft bestätigt und damit unter seine Verantwortung nimmt. Für den Hauptversammlungsbeschluß selbst wird auf § 3 1 9 1 S. 2 verwiesen, das bedeutet, daß die Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über Satzungsänderungen nicht anzuwenden sind. IV. Der Hauptversammlungsbesdiluß der zukünftigen Hauptgesellschaft Anm. 4: Für ihn gelten zunächst die Bestimmungen des § 319 II. Es wird dort auf die Anm. 4 verwiesen. Zusätzlich ist zu beachten, daß bei der Bekanntmachung des Gegenstandes der Tagesordnung, hier also Zustimmung zum Eingliederungsbeschluß, die Erklärung über die Abfindung an die ausscheidenden Aktionäre in der gleichen Form bekanntgemacht werden muß, wie bei der Bekanntmachung der Tagesordnung für die Hauptversammlung der einzugliedernden Gesellschaft. Der Aktionär der zukünftigen Hauptgesellschaft soll sich schon im Zusammenhang mit der Einladung zur Hauptversammlung darüber Gedanken machen können, wie hoch die Abfindung für ausscheidende Aktionäre sein wird. Zwar steht die Höhe in diesem Augenblick noch nicht endgültig fest, denn es kann eine gerichtliche Entscheidung beantragt werden, außerdem ist es, wenn ein Doppelangebot in Aktien und Barabfindung zu erfolgen hat, für den Aktionär der Hauptgesellschaft nicht unwichtig zu wissen, von welchem Angebot Gebrauch gemacht wird. Alles das steht in diesem Augenblick noch nicht fest. Immerhin weiß er, was seine Gesellschaft mindestens bereitstellen muß, um die ausscheidenden Aktionäre abzufinden. Audi hier ist jedem Aktionär auf Verlangen Auskunft über die wesentlichen Angelegenheiten der einzugliedernden Gesellschaft zu geben, wie sich aus der Verweisung auf § 319 Abs. 2 S. 4 ergibt; ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht nicht (ebenso Würdinger S. 319). V. Eintragung der Eingliederung Anm. 5: Für die Anmeldung der Eingliederung wird auf die Bestimmungen des § 319 II verwiesen. Sie ist vom Vorstand der einzugliedernden Gesellschaft bei deren Handelsregister anzumelden (im einzelnen vgl. Anm. 5 zu §319). VI. Wirkung der Eintragung Anm. 6: Auch hier hat zunächst die Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister der eingegliederten Gesellschaft konstitutive Wirkung. Von diesem Zeitpunkt an ist die Gesellschaft in die Hauptgesellschaft eingelie1767

§ 320

Eingegliederte Gesellschaften

Anm. 6,7 dert. Daneben hat die Eintragung aber eine ebenso konstitutive Wirkung auf die Rechte der außenstehenden Aktionäre. Nach Abs. 4 gehen mit der Eintragung der Eingliederung alle Aktien, die sich nicht in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, auf diese über. Die Hauptgesellschaft wird mithin Alleinaktionärin. Es gehen auch die Aktien der einzugliedernden Gesellschaft auf die Hauptgesellschaft über, die bei der Berechnung des Mehrheitsbesitzes von 95 °/o nach Abs. 1 nicht mitzuzählen sind (ebenso B.-H. Rn. 6; wohl auch Würdinger S. 319). Gemeint ist hiermit das Aktienrecht, nicht die dieses Recht verkörpernden Aktienurkunden. Sind solche Urkunden vorhanden, so verbriefen sie vom Augenblick der Eintragung an bis zu ihrer Aushändigung an die Hauptgesellschaft nur den Anspruch auf Abfindung. Der Übergang des Aktienrechtes vollzieht sich hier kraft Gesetzes. Die sonst notwendige Übergabe der Aktienurkunde entfällt. Vom Augenblick der Eintragung an ist alleiniger Aktionär die Hauptgesellschaft. Für die auf die Hauptgesellschaft übergegangenen Aktienrechte kann, sofern die Aktienurkunde nicht mitübergeben wird, eine neue Urkunde ausgestellt werden, wenn dafür, was sicherlich nur selten der Fall sein wird, ein Bedürfnis bestehen sollte. VII. Die Abfindung für die ausgeschiedenen Aktionäre Anm. 7: Wenn die Eingliederung audi dann zugelassen wurde, wenn noch außenstehende Aktionäre vorhanden sind, mußte dafür Sorge getragen werden, daß sie eine Abfindung erhalten, da sie mit der Eingliederung ihr Aktienrecht verlieren. Die Art der Abfindung ist ähnlich gestaltet wie diejenige bei Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 305). Beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ist die Abfindung ein vom Gesetz vorgeschriebener Teil des Vertragsinhaltes. Bei der Eingliederung ist ein besonderer Vertrag zwischen den Gesellschaften gesetzlich nicht vorgeschrieben. Infolgedessen muß die Abfindung, und zwar als einseitige, aber rechtsverbindliche Erklärung von der zukünftigen Hauptgesellsdiaft abgegeben werden, und zwar vor dem Eingliederungsbeschluß der einzugliedernden Gesellschaft. Ihre Veröffentlichung erfolgt bei der Einladung zur Hauptversammlung, die über die Eingliederung beschließt, im Rahmen der Bekanntmachung des Gegenstandes der Tagesordnung (vgl. oben Anm. 3). Ähnlich wie im § 305 werden auch hier zwei Fälle unterschieden. Es kommt darauf an, ob die zukünftige Hauptgesellschaft eine nicht abhängige Gesellschaft oder ob sie eine abhängige Gesellschaft ist. Im ersteren Fall besteht die Abfindung ausschließlich aus Aktien der zukünftigen Hauptgesellschaft, im zweiten Fall muß sie ebenfalls aus Aktien der zukünftigen Hauptgesellschaft bestehen, daneben muß jedoch zur Wahl der Aktionäre auch ein Barabfindungsangebot gemacht werden. Es soll der Aktionär die Wahl haben, ob er die Aktien einer abhängigen Gesellschaft als hinreichenden Ausgleich 1768

Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß

§320

Anra.7

für seine bisherige Stellung ansieht, oder ob er lieber ganz ausscheiden will. Im allgemeinen wird sich der Aktionär einer einzugliedernden Gesellschaft immer besser stehen als bisher, denn selbst wenn die zukünftige Hauptgesellschaft eine abhängige ist, so ist immerhin anzunehmen, daß eine gewisse Zahl von außenstehenden Aktionären vorhanden ist, die größer ist als bei der einzugliedernden Gesellschaft. Da bisher die außenstehenden Aktionäre in der einzugliedernden Gesellschaft eine so kleine Gruppe waren, daß irgendeine Einflußnahme überhaupt nicht in Frage kam, so steht sich ein solcher Aktionär auch dann nicht schlechter, wenn er Aktionär einer abhängigen Gesellschaft wird. Dennoch ist es verständlich, daß der Gesetzgeber ihm die Möglichkeit des völligen Ausscheidens gegeben hat. Wenn er schon einmal seine bisherige Gesellschaft verlassen muß, sollte man ihn nicht zwingen, erneut in eine abhängige Gesellschaft einzutreten. In § 305 ist dieses Problem dadurch gelöst, daß eine abhängige Gesellschaft Aktien der sie beherrschenden Gesellschaft oder eine Barabfindung anzubieten hat. Hier sieht das Gesetz das Angebot von Aktien der herrschenden Gesellschaft nicht vor. Es müssen vielmehr auch in diesem Fall eigene Aktien der abhängigen Hauptgesellschaft neben einer Barabfindung zur Wahl dem Aktionär angeboten werden. Sind alle Aktien der Hauptgesellschaft im Besitz des sie beherrschenden Unternehmens, führt dies dazu, daß dadurch die Vollbeteiligung verlorengehen kann. Dies kann in der Praxis durch eine besonders günstige Ausgestaltung des neben dem Aktienangebot zu machenden Barangebots vermieden werden (ebenso Obermüller-WernerWinden S. 209). Anders ist es, wenn die zukünftige Hauptgesellschaft eine nicht abhängige Gesellschaft ist. Dann steht sich der Aktionär durch den Übertritt in diese Gesellschaft, aktienrechtlich gesehen jedenfalls, sehr viel besser als bisher. Er wird dort in aller Regel nicht mehr einer tatsächlich nahezu bedeutungslosen Minderheit angehören wie bisher in der einzugliedernden Gesellschaft. Die dem ausscheidenden Aktionär durch die Bestimmungen der Abs. 5 bis 7 eingeräumte Rechtsstellung rechtfertigt es, daß der Aktionär kraft Gesetzes seine Stellung als Aktionär verliert (ebenso Würdinger S. 320; B.-H. Rn. 1). Dieses gesetzliche Ausscheiden verstößt daher weder gegen rechtsstaatlichc Grundsätze noch gegen die wirtschaftspolitischen Ziele des Gesetzes. Für die Berechnung des Verhältnisses, in dem Aktien der zukünftigen Hauptgesellschaft gegen Aktien der eingegliederten Gesellschaft umzutauschen sind, gelten dieselben Bestimmungen wie bei der Abfindung nach § 305. Auf die Ausführungen dort in Anm. 3 wird verwiesen. Zu beachten ist nur, daß es sich hier nicht um einen Umtausch von Aktien im eigentlichen Sinne handelt; vielmehr geht das Aktienrecht der bisherigen Aktionäre der einzugliedernden Gesellschaft kraft Gesetzes auf die Hauptgesellschaft über. Bei der Berechnung der Abfindung treten aber die gleichen Probleme auf, wie bei einem 1769

§ 320

Eingegliederte Gesellschaften

Anm. 7,8 Umtausch von Aktien. Das gleiche gilt für die Barabfindung, auch für deren Berechnung gelten die gleichen Bestimmungen wie im § 305, vgl. dort Anm. 4. Das Angebot eigener Aktien wird dadurch erleichtert, daß die Hauptgesellschaft nach der neu eingeführten Bestimmung des § 711 Nr. 3 das Recht hat, zu dem Zweck der Abfindung eigene Aktien innerhalb der 10°/o-Grenze zu erwerben. Das Gesetz geht davon aus, daß die Abfindung mit der Bekanntmachung der Eintragung der Eingliederung fällig wird. Von diesem Zeitpunkt ab ist eine Barabfindung und evtl. bare Zuzahlungen mit 5 °/o zu verzinsen. Die Geltendmachung eines weiteren Verzugsschadens ist nicht ausgeschlossen. VIII. Anfechtung des Eingliederungsbeschlusses Anm. 8: Der Beschluß der Hauptversammlung der einzugliedernden Gesellschaft, mit dem die Eingliederung beschlossen wird, ist grundsätzlich wie jeder Beschluß der Hauptversammlung mit dem in § 243 enthaltenen Gründen anfechtbar, insbesondere gilt dies für den Fall, daß die Bekanntmachung der Tagesordnung nicht in der in Abs. 2 dieser Vorschrift vorgeschriebenen Form erfolgt ist. Ausgenommen von den Anfechtungsgründen des § 243 sind die des Abs. 2. Die Anfechtung kann nicht darauf gestützt werden, daß ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechtes für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen sucht und der Beschluß geeignet ist, diesem Zweck zu dienen. Es liegt im Wesen des Eingliederungsbeschlusses, daß der Hauptaktionär, die zukünftige Hauptgesellschaft, den Beschluß in seinem Interesse faßt, es wäre also stets ein solcher Beschluß nach § 243 II anfechtbar, wenn nicht ausdrücklich die Anfechtung mit dieser Begründung gesetzlich ausgeschlossen wäre. Weiterhin kann der Hauptversammlungsbeschluß nicht mit der Begründung angefochten werden, die angebotene Abfindung sei unangemessen. Für die Nachprüfung, ob eine Abfindung angemessen ist, werden die Aktionäre auf ein besonderes gerichtliches Verfahren, was im einzelnen in § 306 geregelt ist, verwiesen. Wird jedoch eine Abfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten, so haben die Aktionäre zwei Möglichkeiten: sie können einmal den Beschluß nach § 243 I wegen Verletzung des Gesetzes anfechten, sie können aber auch von der Anfechtung Abstand nehmen und nach Ablauf der Anfechtungsfrist den Antrag auf Festsetzung einer ordnungsgemäßen und angemessenen Abfindung nach § 306 bei Gericht stellen. Das gleiche gilt, wenn ein oder einige Aktionäre einen Anfechtungsprozeß angestrengt haben und die Klage zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen ist. Antragsberechtigt ist jeder ausgeschiedene Aktionär. Er hat die gleiche Stellung wie der außenstehende Aktionär im § 304 II. Auch im übrigen ist 1770

Gläubigerschutz

§§320/321 Anm. 8

die vorliegende Bestimmung der dortigen angepaßt. Der Antrag kann nur binnen 2 Monaten nach dem Erscheinen der letzten Bekanntmachung über die Eintragung gemäß § 10 des Handelsgesetzbuches gestellt werden. Durch diese Ausschlußfrist wird gewährleistet, daß — von einem Anfechtungsprozeß abgesehen — nach verhältnismäßig kurzer Zeit Gewißheit über die Höhe des Abfindungsangebotes besteht. Abweichend von der Bestimmung des § 305 ist hier jedoch eine Befristung des Abfindungsangebotes als solches nicht möglich. Solche Befristung ist nach der ganzen Rechtskonstruktion nicht denkbar. Es wird häufig vorkommen, daß sich Aktionäre zunächst nicht melden, weil sie von der ganzen Angelegenheit nichts erfahren. Würden sie ihren Anspruch auf Abfindung durch eine Ausschlußfrist verlieren, so liefe das praktisch auf eine entschädigungslose Enteignung hinaus, die verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Auf der anderen Seite kann es sich allenfalls um 5 % des Grundkapitals der eingegliederten Gesellschaft handeln. Es ist zumutbar und von außerordentlichen Ausnahmefällen abgesehen, rechtlich auch möglich, daß die Hauptgesellsdiaft soviele eigene Aktien behält, um einen etwa auftauchenden Aktionär entsprechend dem Abfindungsangebot abfinden zu können. Der für eine Barabfindung notwendige Barbetrag braucht selbstverständlich nicht stets zur Verfügung gehalten zu werden. Mit der allgemeinen Verjährung, das sind hier 30 Jahre, erlischt auch der vorliegende Abfindungsanspruch. Bis dahin muß allerdings die Gesellschaft die sich daraus ergebende Verpflichtung in ihren Jahresabschlüssen berücksichtigen, was zwar lästig, aber nicht vermeidbar ist.

§ 321 Gläubigerschutz (1) Den Gläubigern der eingegliederten Gesellschaft, deren Forderungen begründet worden sind, bevor die Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister bekanntgemacht worden ist, ist, wenn sie sidi binnen sechs Monaten nadi der Bekanntmachung zu diesem Zweck melden, Sicherheit zu leisten, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können. Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung der Eintragung auf dieses Recht hinzuweisen. (2) Das Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, steht Gläubigern nicht zu, die im Falle des Konkurses ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichtet und staatlich überwacht ist. Die Bestimmung ist auf Vorschlag des Bundesrats eingefügt worden. Sie entspricht der Bestimmung des § 347 bei der Verschmelzung. Da die Eingliederung zwischen der Verbindung zweier Gesellschaften durch den Be1771

§321

Eingegliederte Gesellschaften

herrschungsvertrag und durch die Verschmelzung steht und vielleicht in der Tat wirtschaftlich der Verschmelzung näher liegt, erschien es angemessen, die besondere Gläubigerschutzbestimmung für die Verschmelzung auch im Falle der Eingliederung zu gewähren. Die Bestimmung entspricht im übrigen inhaltlich der Gläubigerschutzbestimmung im Falle der Kapitalherabsetzung (§ 225 I). Es kann daher im einzelnen auf das dort Ausgeführte Bezug genommen werden. Auch hier können nicht alle Gläubiger, sondern nur jene, die es im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Eintragung schon waren — wenn nicht ihre Forderungen fällig sind, so daß sie deren Erfüllung verlangen können —, Sicherstellung verlangen, auch wenn ihre Forderung bedingt oder von einer Gegenleistung abhängig ist. Nur diejenigen, die sich innerhalb der 6-Monats-Frist zu diesem Zweck melden, können die Sicherheit verlangen. Ob eine einfache Anmeldung der Forderung genügt, muß von Fall zu Fall entschieden werden. Die Sicherheit ist nach den Bestimmungen der §§ 232 ff. BGB zu leisten. Das Registergericht hat bei der Bekanntmachung der Eintragung in den Blättern des Registergerichts die Gläubiger auf ihr Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, hinzuweisen. Zu den Gläubigern, die im Falle des Konkurses ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse und deshalb keinen Anspruch auf Sicherheitsleistung nach der vorliegenden Bestimmung haben, gehören z. B. die Pfandbriefgläubiger der Hypotheken- und Schiffspfandbriefbanken sowie die Versicherten der Versicherungsgesellschaften (§ 35 Hypothekenbankgesetz, § 36 Schiffsbankgesetz in der Fassung vom 8. 5. 1963, §§ 77, 79 Versicherungs- und Bausparkassengesetz). Der Gläubigerschutz besteht nur für die Gläubiger der eingegliederten Gesellschaft, nicht für die Gläubiger der Hauptgesellschaft. Der im Zusammenhang mit der Verschmelzung aufgekommene Gedanke, daß audi die Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft Anspruch auf Schutz haben, da die Aufnahme eines ungesunden Unternehmens zu Schwierigkeiten bei der übernehmenden Gesellschaft führen kann, ist der Gesetzgeber nidit gefolgt, weil die Rechtslage für die Gläubiger der Hauptgesellschaft grundsätzlich eine andere ist als die für die Gläubiger der eingegliederten Gesellschaft. Letztere sind nunmehr Gläubiger einer Gesellschaft, die dem Weisungsrecht der Hauptgesellschaft unterworfen ist. Dieses Weisungsrecht kann, ohne daß dadurch irgend jemand haftet, zum Nachteil der eingegliederten Gesellschaft benutzt werden. Es besteht also die Gefahr, daß die bisherige Substanz der Gesellschaft ausgehöhlt und damit die Forderung der Gläubiger gefährdet wird. Das ist insofern bei der Hauptgesellschaft anders, als deren Vorstand, wie bei jedem anderen Vorgang seiner Geschäftsführung, dazu verpflichtet ist, jeden Schaden von der eigenen Gesellschaft abzuhalten. Er haftet seiner Gesellschaft gegenüber im Rahmen des § 93. Erweist sich die Eingliederung 1772

Haftung der Hauptgesellschaft

§§

321/322

als Schädigung der Hauptgesellschaft und trifft den Vorstand ein Verschulden, so haben die Gläubiger die Möglichkeit, den Anspruch der Gesellschaft gegen den Vorstand geltend zu machen. Trifft ihn kein Verschulden, so ist die L a g e für die Gläubiger nicht anders als bei jeder anderen sich ungünstig auswirkenden Geschäftsführung des Vorstandes der Gesellschaft, deren Gläubiger sie sind. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß die Gläubiger bei jeder größeren Geschäftsführungsmaßnahme, die vielleicht erhebliche Risiken enthält, einen Anspruch auf Sicherheitsleistung hätten. Es liegt deshalb kein Grund vor, hier einen besonderen Gläubigerschutz auch den Gläubigern der Hauptgesellschaft zu geben. Die Sicherheit ist nicht von der Hauptgesellschaft, sondern von der eingegliederten Gesellschaft zu leisten. Die Hauptgesellschaft haftet den Gläubigern, und z w a r auch denen, deren Forderung bereits vor Eintragung der Eingliederung entstanden ist, nach § 322 neben der eingegliederten Gesellschaft als Gesamtschuldner. Die von der eingegliederten Gesellschaft zu leistende Sicherheit kann hier nicht etwa durch eine Bürgschaft der Hauptgesellschaft ersetzt werden. Der in § 303 I I I zum Ausdruck gekommene Gedanke ist hier nicht anwendbar, da die Hauptgesellschaft ohnehin nach § 322 haftet. Eine von ihr abgegebene Bürgschaft wäre also bedeutungslos. Hier soll neben der H a f t u n g der Hauptgesellschaft die Sicherstellung durch eine Sicherheitsleistung der eingegliederten Gesellschaft stehen. D a s schließt nicht aus, daß nach § 232 II B G B als Sicherheit die Stellung eines anderen geeigneten Bürgen zulässig ist (ebenso Obermüller-Werner-Winden S. 211).

§ 322 H a f t u n g der Hauptgesellsdiaft (1) V o n der Eingliederung an haftet die Hauptgesellschaft f ü r die v o r diesem Zeitpunkt begründeten Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft den Gläubigern dieser Gesellschaft als Gesamtschuldner. Die gleiche H a f t u n g trifft sie f ü r alle Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft, die nach der Eingliederung begründet werden. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam. (2) Wird die Hauptgesellsdiaft wegen einer Verbindlichkeit der eingegliederten Gesellschaft in Anspruch genommen, so kann sie Einwendungen, die nicht in ihrer Person begründet sind, nur insoweit geltend machen, als sie v o n der eingegliederten Gesellschaft erhoben werden können. (3) D i e Hauptgesellsdiaft kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange der eingegliederten Gesellschaft das Recht zusteht, das ihrer Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten. Die 1773

§322

Eingegliederte Gesellschaften

Anm. 1

gleiche Befugnis hat die Hauptgesellschaft, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung der eingegliederten Gesellschaft befriedigen kann. (4) Aus einem gegen die eingegliederte Gesellschaft gerichteten vollstreckbaren Schuldtitel findet die Zwangsvollstreckung gegen die Hauptgesellschaft nicht statt. I. Grundsatz der Haftung (Anm. 1) II. Die Haftung im einzelnen (Anm. 2) Hauptgesellschaft (Anm. 3) III. Zwangsvollstreckung gegen die

IV. Bilanzierung des Ansprudis aus der Mithaft (Anm. 4)

I. Grundsatz der Haftung Anm. 1: Da mit der Eingliederung die eingegliederte Gesellschaft ihre rechtliche Selbständigkeit nicht verliert, bleibt sie nach wie vor Träger ihres Vermögens und Schuldner ihrer Verbindlichkeiten. Sie hat also in erster Linie nach wie vor ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Neben ihr haftet die Hauptgesellschaft für alle Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft den Gläubigern gegenüber als Gesamtschuldner. Das gilt nach Satz 1 für die vor der Eingliederung begründeten Verbindlichkeiten, nach Satz 2 für alle, die nach der Eingliederung begründet wurden. Diese Haftung ist gesetzlich vorgeschrieben und vertraglich nicht mit Wirkung gegenüber Dritten ausschließbar. Die weitgehende Haftung ist das Gegenstück zu der unbeschränkten Leitungsmacht, zu der die Hauptgesellschaft nach § 323 berechtigt ist. Gleichzeitig hat sie die Wirkung, daß der Gesetzgeber auf alle die gesetzlichen Bestimmungen verzichten konnte, die beim Abschluß von Unternehmensverträgen vorgesehen sind, um eine Aushöhlung des Vermögens der Gesellschaften durch die Wirkung der Unternehmensverträge zu verhindern. Die Bestimmungen des 3. Abschnitts über die Sicherungen der Gesellschaft und der Gläubiger (§§ 300 bis 303) finden deshalb bei der Eingliederung keine Anwendung. Das gilt auch dann, wenn neben der Eingliederung ein Unternehmensvertrag abgeschlossen ist (vgl. hierzu § 324). Ebenso konnten bei der Eingliederung alle Bestimmungen des 4. Abschnitts zur Sicherung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§§ 304 bis 307) entfallen, weil es außenstehende Aktionäre nicht gibt. Selbst wenn die Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß erfolgt, gibt es in der Folge auch keine außenstehenden Aktionäre mehr, da diese Aktionäre mit dem Eingliederungsbeschluß ausscheiden und ihr Recht auf die Hauptgesellschaft übergeht. Sie erhalten eine Abfindung, die besonders geregelt ist, sich allerdings weitestgehend an die Abfindungsvorschriften in § 305 anlehnt (vgl. hierzu die Ausführung zu § 320). 1774

Haftung der Hauptgesellschaft

§322

Anm. 2

II. Die Haftung im einzelnen Anm. 2: Wird die Hauptgesellschaft in Anspruch genommen, so kann sie zwei Gruppen von Einwendungen geltend machen: 1. die in ihrer Person begründeten Einwendungen, 2. die Einwendungen, die die eingegliederte Gesellschaft geltend machen könnte, gleichgültig, ob dies bereits geschehen ist. Weiterhin kann sie die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange die eingegliederte Gesellschaft das Recht hat, das der Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten oder wenn der Gläubiger sich durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung der eingegliederten Gesellschaft befriedigen kann. Insoweit ist die Stellung der Hauptgesellschaft die des Bürgen nach § 770 BGB. Im übrigen ist die Ausgestaltung der Mithaftung an die gesetzliche Regelung vergleichbarer Gesamtschuldverhältnisse, namentlich an die §§ 128 und 129 HGB angepaßt worden (vgl. Reg.-Begr.). Damit sollte erreicht werden, daß die Rechtslehre und Rechtsprechung zu diesen Bestimmungen herangezogen werden kann. Hieraus ergibt sich, daß die Hauptgesellschaft für alle Ansprüche haftet, die als solche gegen die eingegliederte Gesellschaft geltend gemacht werden können. Hierunter fallen auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung und auch Strafen, die gegen die Gesellschaft verhängt werden können (z. B. Steuerstrafen), nicht aber solche, die gegen die Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates verhängt werden können (z.B. § § 3 9 9 f f . ) ; vgl. RGR-Komm. zu § 128 HGB Anm. 3. Ferner fallen Ansprüche auf Einhaltung eines Unterlassens hierunter, d. h., die Hauptgesellschaft haftet für die sich aus einem Verstoß der eingegliederten Gesellschaft gegen das Unterlassen sich ergehenden Ansprüche. Jedoch kann die Hauptgesellschaft nicht als verpflichtet angesehen werden, ihrerseits für sich selbst einer der eingegliederten Gesellschaft obliegenden Unterlassungspflicht nachzukommen. Fällt die eingegliederte Gesellschaft in Konkurs, so bleibt die Haftung der Hauptgesellschaft als solche bestehen und beschränkt sich nicht etwa auf den Ausfall (RGR-Komm. zu § 128 HGB Anm. 24). Einwendungen, die der eingegliederten Gesellschaft zustehen, kann die Hauptgesellschaft nur so weit geltend machen, als sie von ersterer noch vorgebracht werden können. Hat daher diese ihr Recht verloren — z. B. durch Verzicht auf Geltendmachung der Einrede der Verjährung oder des nicht erfüllten Vertrages, durch Verwirkung (§ 242 BGB) oder durch selbständiges Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) —, so hat auch die Hauptgesellschaft nicht mehr die Möglichkeit, die Einwendungen zu erheben. 1775

§322

Anm. 2—4

Eingegliederte Gesellschaften

Die Aufrechnung einer der eingegliederten Gesellschaft zustehenden Forderung kann von der Hauptgesellschaft ebensowenig erklärt werden, wie vom Gesellschafter einer o H G nach § 129 H G B , da hierin eine Verfügung über eine Forderung der eingegliederten Gesellschaft liegen würde, wozu die Hauptgesellschaft nicht berechtigt ist. Allerdings kann sie aufgrund des ihr nach § 323 zustehenden Weisungsrechts die Aufrechnungserklärung seitens der eingegliederten Gesellschaft leicht herbeiführen. Nach ausdrücklicher Bestimmung des Abs. 3 S. 2 kann die Hauptgesellschaft den Gläubiger aber darauf verweisen, seinerseits die Aufrechnung gegenüber der eingegliederten Gesellschaft zu erklären und damit den gegen sie erhobenen Anspruch zu Fall bringen. Die Hauptgesellschaft kann ein der eingegliederten Gesellschaft zustehendes Recht auf Anfechtung nicht selbst ausüben. Einwendungen könnten auch insoweit erst erhoben werden, wenn die Anfechtung erklärt worden ist, und zwar von der eingegliederten Gesellschaft, da erst dadurch dieser selbst die Einwendungen erwachsen. Darum gibt Abs. 3 S. 1 der Hauptgesellschaft die Möglichkeit, die Befriedigung des Gläubigers zu verweigern, solange der eingegliederten Gesellschaft ein Recht auf Anfechtung zusteht. Übt diese ihr Recht aus, so entstehen damit die Einwendungen, die dann auch von der Hauptgesellschaft nach Abs. 2 vorgebracht werden können. III. Zwangsvollstreckung gegen die Hauptgesellschaft Anm. 3: D a die Hauptgesellschaft Einwendungen, die in ihrer Person begründet sind, vortragen kann, mithin auch solche, die von der eingegliederten Gesellschaft nicht vorgetragen werden können, ist ein vollstreckbarer Sdiuldtitel gegen die eingegliederte Gesellschaft nicht geeignet zur Zwangsvollstreckung gegen die Hauptgesellschaft. Abs. 4 stellt dies ausdrücklich fest IV. Bilanzierung des Anspruchs aus der Mithaft Anm. 4: Bei der Beratung des Gesetzes wurde geprüft, ob es notwendig ist, den Ausweis der Mithaftung in der Bilanz der Hauptgesellschaft zu regeln. Man war der Auffassung, die Hauptgesellschaft sollte nicht gezwungen sein, ihre Bilanz dadurch aufzublähen, daß in jedem Fall die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft, für die sie gesamtschuldnerisch mithaftet, passiviert, die entsprechenden Ausgleichsansprüche aktiviert werden, vielmehr sollte dieser Mithaftung für den Ausweis in der Jahresbilanz der Hauptgesellschaft eine Eventualverbindlichkeit nach § 1 5 1 V gleichstehen. Sie sollte also nur in besonderen Fällen, namentlich wenn eine Inanspruchnahme droht, auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen werden müssen. Soweit sie nicht auf der Passivseite auszuweisen ist, sollte sie in voller Höhe gesondert als „Mithaftung für Verbindlichkeiten einer eingegliederten Gesellschaft" vermerkt werden. 1776

Leitungsmacht der Hauptgesellschaft und Verantwortlichkeit

322/323 Anm. 4 / 1

§§

Der Gesetzgeber hat eine ausdrückliche Regelung nicht für notwendig gehalten (vgl. zu Bundestagsdrucksache IV/3296).

§ 323 Leitungsmacht der Hauptgesellsdiaft und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder (1) Die Hauptgesellsdiaft ist berechtigt, dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. § 308 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, §§ 309, 310 gelten sinngemäß. §§ 311 bis 318 sind nicht anzuwenden. (2) Leistungen der eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft gelten nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58 und 60. I. Übersicht (Anm. 1) II. Leitungsmacht (Anm. 2)

III. Haftung (Anm. 3) IV. Begünstigung der Hauptgesellsdiaft (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Das Gesetz unterscheidet in seinen Bestimmungen über Leitungsmacht und Verantwortlichkeit grundsätzlich zwischen Unternehmensverbindungen, die auf einem Beherrschungsvertrag beruhen und allen anderen Unternehmensverbindungen. Im ersteren Fall spricht man von einem Vertragskonzern, da nach § 18 I S. 2 derartige Unternehmen als unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt anzusehen sind. Bei anderen Unternehmensverbindungen spricht man von einem faktischen Konzern, wenn die Voraussetzung einer einheitlichen Leitung gegeben ist. Auf das Verhältnis zwischen Hauptgesellschaft und eingegliederter Gesellschaft passen beide Gruppen nicht. Unter die erste Gruppe fällt es deshalb nicht, weil kein Beherrschungsvertrag vorliegt, unter die zweite Gruppe nicht, weil die Bindung zwischen Hauptgesellschaft und eingegliederter Gesellschaft sehr viel enger ist als die in einem faktischen Konzern, sogar noch wesentlich enger als bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages. Da im Falle der Eingliederung ein Beherrschungsvertrag nicht vorliegt, könnte man auf den Gedanken kommen, daß die §§311 bis 318 zur Anwendung zu gelangen hätten, obwohl sie zur Struktur dieser Unternehmensverbindung nicht passen. Das Gesetz bestimmt deshalb ausdrücklich in Abs. 1 S. 3, daß die Bestimmungen nicht anzuwenden sind. Damit ist klargestellt, daß in bezug auf Leitungsmacht und Verantwortlichkeit die Eingliederung nicht als Unternehmensverbindung ohne Beherrschungsvertrag im Sinne dieser Bestimmungen aufzufassen ist. 1777

§ 323

Eingegliederte Gesellschaften

Anm. 1,2 Trotz der Aufrechterhaltung der rechtlichen Selbständigkeit ist die Stellung der eingegliederten Gesellschaft zur Hauptgesellschaft wirtschaftlich die einer Betriebsabteilung. Das ergibt sich einmal aus der weitgehenden Leitungsmacht, die der Hauptgesellschaft zugebilligt wird, vor allem aber aus der Bestimmung des § 324, nach der die gesetzlichen Vorschriften über die Bildung einer gesetzlichen Rücklage, ihre Verwendung und über die Einstellung von Beträgen in die gesetzliche Rücklage auf eingegliederte Gesellschaften nicht anzuwenden sind. II. Leitungsmacht Anm. 2: Die Leitung der eingegliederten Gesellschaft obliegt nach wie vor deren Vorstand. Die Hauptgesellschaft ist jedoch berechtigt, dem Vorstand Weisungen zu erteilen und der Vorstand ist verpflichtet, diesen Weisungen Folge zu leisten (§ 308 II S. 1). Die Leitungsmadit ist also gewissermaßen gespalten. Soweit die Hauptgesellschaft keine Weisungen erteilt, liegt sie in voller Verantwortung des Vorstandes der eingegliederten Gesellschaft, soweit Weisungen erteilt werden, trägt die Verantwortung weitestgehend die Hauptgesellschaft. Das Weisungsrecht geht hier über das in § 308 gegebene Weisungsrecht bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages insofern noch hinaus, als dort für die Gesellschaft nachteilige Weisungen nur erteilt werden dürfen, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Diese Einschränkung fällt hier weg. Es ist deshalb auch nicht mehr davon die Rede, daß die Weisungen sich auch nachteilig für die eingegliederte Gesellschaft auswirken dürfen. Das ist selbstverständlich; alle Weisungen sind zulässig mit einer Ausnahme, die sich zwar nicht aus der vorliegenden Bestimmung, wohl aber aus § 324 I ergibt. An sich könnte die Hauptgesellschaft dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft die Weisung erteilen, den erzielten Gewinn an die Hauptgesellschaft abzuführen. Einer solchen Weisung könnten grundsätzliche Bedenken kaum entgegenstehen, denn die Hauptgesellschaft ist einziger Aktionär. Sie könnte sich also audi durch einen Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung den Gewinn zuweisen. Will sie diesen Weg nicht beschreiten, weil sie auf eine unmittelbare Abführung des Gewinnes Wert legt, so wird sie durch die Bestimmungen des § 324 II auf den Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages verwiesen. Zwar wird der Abschluß eines solchen Vertrages wesentlich erleichtert. Es ist aber gerade deshalb aus § 324 II zu entnehmen, daß der Gewinnabführungsvertrag nidit durch eine einfache Weisung ersetzt werden kann (ebenso Baiser S. 200). Die Hauptgesellschaft kann Weisungen grundsätzlich nur dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft erteilen; zur Erteilung von Weisungen an 1778

Leitungsmadit der Hauptgesellsdiaft und Verantwortlichkeit

§ 323

Anm. 2,3

Angestellte der Gesellschaft ist sie nur dann berechtigt, wenn der Vorstand hierzu ausdrücklich die Genehmigung erteilt hat. Bezieht sich die dem Vorstand erteilte Weisung auf ein Geschäft, das nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates der eingegliederten Gesellschaft vorgenommen werden darf, so gelten auch hier die Bestimmungen des § 308 III, wonach dem Aufsichtsrat vom Vorstand der eingegliederten Gesellschaft eine angemessene Frist zur Zustimmung gesetzt werden kann. Läßt er diese Frist verstreichen oder lehnt er die Zustimmung ab, so hat der Vorstand dies der Hauptgesellschaft mitzuteilen. Wiederholt die Hauptgesellschaft mit Zustimmung ihres Aufsichtsrates die Weisung, so ist die Zustimmung des Aufsichtsrates der eingegliederten Gesellschaft nicht mehr erforderlich (im einzelnen s. hierzu § 308 Anm. 3). III. Haftung Anm. 3: Während bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages die Haftung des herrschenden Unternehmens für Weisungen, die sich nachteilig für das abhängige Unternehmen auswirken, ihren Rechtsgrund im Beherrschungsvertrag haben, scheidet hier eine solche Haftung aus Vertrag aus, da die Eingliederung ein körperschaftsrechtlicher Akt ist und daher keine vertraglichen Beziehungen zur Grundlage hat. Es kommt aber auch keine besondere Haftung für nachteilige Folgen von Weisungen, die die Hauptgesellschaft erteilt hat, in Frage, weil nach § 322 die Hauptgesellschaft schlechthin als Gesamtschuldner für alle Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft haftet, ohne jede Rücksicht darauf, ob sie für die Entstehung dieser Verbindlichkeiten durch Erteilung von Weisungen oder durch Aufstellung allgemeiner Richtlinien für die Geschäftspolitik verantwortlich ist. Auf die Ausführungen zu § 322 wird im einzelnen Bezug genommen. Hier tritt neben dieser allgemeinen Haftung der Hauptgesellschaft durch Verweisung auf die §§ 309 und 310 die Haftung der gesetzlichen Vertreter der Hauptgesellschaft, das ist also stets der Vorstand, da die Hauptgesellschaft nur eine Aktiengesellschaft sein kann, und die Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder, d. h. die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates der eingegliederten Gesellschaft. Die Verantwortlichkeit des Vorstandes der Hauptgesellschaft bezieht sich lediglich auf die Erteilung von Weisungen und besagt, daß hierbei die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden ist. An die Verletzung dieser Pflicht wird die Haftung für den dadurch entstehenden Schaden der Gesellschaft geknüpft. Im einzelnen vgl. die Anm. zu § 309. Eine besondere Haftung des Aufsichtsrates der Hauptgesellschaft bestimmt das Gesetz nicht. Hier gelten die allgemeinen Bestimmungen der 1779

§ 323

Anm. 3,4

Eingegliederte Gesellschaften

§§ 116 und 93, die aber nur eine Haftung gegenüber der Hauptgesellschaft für den ihr entstehenden Schaden begründen. Einen unmittelbaren Schadenersatzanspruch der eingegliederten Gesellschaft gegen die Mitglieder des Aufsichtsrates der Hauptgesellschaft gibt es nicht. Als Gesamtschuldner neben dem Vorstand der Hauptgesellschaft haften die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates der eingegliederten Gesellschaft als Gesamtschuldner, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben (§ 310 I). Da diese Haftung nach § 310 III nicht besteht, wenn die schädigende Handlung auf einer Weisung beruht, die von den Verwaltungsmitgliedern zu befolgen war, wird eine Haftung aus § 310 bei der eingegliederten Gesellschaft kaum vorkommen, denn im Gegensatz zu einer Gesellschaft, die durch einen Beherrschungsvertrag gebunden ist, muß der Vorstand einer eingegliederten Gesellschaft jeder Weisung Folge leisten bis zur allgemeinen Grenze, wonach er nicht durch eine Weisung berechtigt wird, etwas gesetzlich Unerlaubtes zu tun. Da andererseits die nach § 309 Ersatzpflichtigen nur für die Verletzung der Sorgfalt bei der Erteilung von Weisungen haften, könnte eine Anwendung der Bestimmungen des § 310 nur in ganz extremen Fällen in Frage kommen. Es wird also praktisch in den meisten Fällen nur die allgemeine Haftung für die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates aus den §§ 93 und 116 übrigbleiben, und zwar auch diese eingeschränkt durch § 310 III. Sie entfällt, wenn die schädigende Handlung auf einer Weisung der Hauptgesellschaft beruht. Im Ergebnis haften die Verwaltungsmitglieder nur für Geschäftsführungsmaßnahmen, die sie aufgrund der ihnen verbliebenen Leitungsmacht ausgeführt haben. Dabei ist zu beachten, daß eine Weisung nicht nur dann vorliegt, wenn für ein bestimmtes Rechtsgeschäft eine Anweisung erteilt wird, sondern vielmehr auch dann, wenn bestimmte Richtlinien für den Vorstand der eingegliederten Gesellschaft zwingend angeordnet sind, aus denen sich die Vornahme des schädigenden Rechtsgeschäftes ergibt. Inwieweit es zu den Pflichten des Vorstandes der eingegliederten Gesellschaft gehört, in einem solchen Fall, wenn der schädigende Erfolg erkannt wird, den Vorstand der Hauptgesellschaft darauf aufmerksam zu machen, ist eine Frage des Einzelfalles. IV. Begünstigung der Hauptgesellschaft Anm. 4: Die der Hauptgesellschaft eingeräumte weitgehende Leitungsmacht kann zur Folge haben, daß die Bestimmungen, die die Erhaltung des Grundkapitals sichern sollen, verletzt werden. Es ist dies einmal der § 57, der bestimmt, daß den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden dürfen, ferner aber auch die Bestimmung des § 58 über die Verwendung des Jahresüberschusses. Nicht recht einzusehen ist allerdings, wie im Falle der Eingliederung ein Verstoß gegen § 60, der die Gleichmäßigkeit der Gewinnverteilung auf die Aktionäre sicherstellen soll und etwa § 58 IV, der 1780

Gesetzliche Rücklage. Gewinnabführung. Verlustübernahme

§§323/324 Anm. 4 / 1

den Anspruch der Aktionäre auf den Bilanzgewinn festlegt, verletzt werden könnte, denn hier gibt es keine außenstehenden Aktionäre. Jede Weisung, die sich auf den Gewinn bezieht — soweit sie überhaupt zulässig ist — kann nicht den Gleichbereditigungsanspruch irgendwelcher anderen Aktionäre berühren. Um alle Zweifel auszuschließen, bestimmt das Gesetz in Abs. 2, daß Leistungen der eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58, 60 angesehen werden kann. Diese Bestimmung schließt sich an die des § 291 I I I , die das gleiche für Leistungen der Gesellschaft aufgrund eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrages feststellt (vgl. dort Anm. 5).

§ 324 Gesetzliche Rücklage. Gewinnabführung. Verlustübernahme (1) Die gesetzlichen Vorschriften über die Bildung einer gesetzlichen Rücklage, über ihre Verwendung und über die Einstellung von Beträgen in die gesetzliche Rücklage sind auf eingegliederte Gesellschaften nicht anzuwenden. (2) Auf einen Gewinnabführungsvertrag, eine Gewinngemeinschaft oder einen Teilgewinnabführungsvertrag zwischen der eingegliederten Gesellschaft und der Hauptgesellschaft sind die §§ 293 bis 296, 298 bis 303 nicht anzuwenden. Der Vertrag, seine Änderung und seine Aufhebung bedürfen der schriftlichen Form. Als Gewinn kann höchstens der ohne die Gewinnabführung entstehende Bilanzgewinn abgeführt werden. Der Vertrag endet spätestens zum Ende des Geschäftsjahrs, in dem die Eingliederung endet. (3) Die Hauptgesellschaft ist verpflichtet, jeden bei der eingegliederten Gesellschaft sonst entstehenden Bilanzverlust auszugleichen, soweit dieser den Betrag der offenen Rücklagen übersteigt. I. Gesetzliche Rücklagen Anm. 1: Mit der Eingliederung einer Gesellschaft, die über eine gesetzliche Rücklage verfügt, wird diese frei, d. h., es kann über sie verfügt werden wie über eine freie Rücklage. Ist keine gesetzliche Rücklage vorhanden, so entfällt die Pflicht zur Bildung. Besteht auch weiterhin eine gesetzlidie Rücklage, so entfällt die Verpflichtung zur Einstellung von Beträgen, soweit dies anderweitig im Gesetz vorgesehen ist, in diese gesetzliche Rücklage (s. aber unten wegen evtl. Satzungsbestimmungen). Diese Bestimmung zeigt am deutlichsten, wieweit der Gesetzgeber sich mit der wirtschaftlichen Eingliederung in die Hauptgesellschaft einverstanden erklärt. Er verzichtet damit auf eine der wichtigsten Bestimmungen zur Sicherung der Gläubiger. Ein 1781

§ 324

Anm. 1,2

Eingegliederte Gesellschaften

solcher Verzicht ist nur möglich durch die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschaft für alle Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft. Es ist nicht ohne weiteres sicher, daß die Haftung der Hauptgesellschaft wirtschaftlich ein Äquivalent oder gar eine Besserstellung der Gläubiger gibt, wenn die Hauptgesellschaft aufgrund der ihr zustehenden Leitungsmacht die Weisung erteilt, bei Aufstellung des nächsten Jahresabschlusses die gesetzliche Rücklage aufzulösen und dem auszuschüttenden Gewinn zuzuführen. Es kann durchaus sein, daß die Gläubiger durch diese Auflösung der Rücklage eine Einbuße erleiden, nämlich dann, wenn die Hauptgesellschaft geringere Sicherheiten bietet als die eingegliederte Gesellschaft, was theoretisch jedenfalls, aber auch in der Praxis nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Es ist auch, worauf Obermüller-Werner-Winden (S. 213) mit Recht hinweisen, die Möglichkeit der Auflösung der gesetzlichen Rücklage insofern bedenklich, als die Gesellschaft bei Beendigung der Eingliederung ohne gesetzliche Rücklage als selbständige Gesellschaft sich betätigen muß. Eine unmittelbare Schädigung der Gläubiger kommt allerdings deshalb nicht in Frage, weil nach Beendigung der Eingliederung die Hauptgesellschaft für die vor diesem Zeitpunkt entstandenen Verbindlichkeiten 5 Jahre lang haftet. Es verbleibt, daß die früher eingegliederte Gesellschaft nunmehr verpflichtet ist, neu eine gesetzliche Rücklage zu bilden. Das muß in Kauf genommen werden, wie es überhaupt wirtschaftlich schwierig sein wird, für eine eingegliedert gewesene Gesellschaft bei Beendigung der Eingliederung ihre wirtschaftliche Selbständigkeit wieder zu erlangen. Zu beachten ist, daß in § 324 nur die gesetzlichen Vorschriften über die gesetzliche Rücklage für nicht anwendbar erklärt werden. Soweit die Satzung über die Bildung einer gesetzlichen Rücklage, über ihre Verwendung und über die Einstellung von Beträgen in die gesetzliche Rücklage vorsieht, bleiben diese Bestimmungen auch nach der Eingliederung in vollem Umfange wirksam. Praktisch ist dies allerdings nur von geringer Bedeutung, denn die Hauptgesellschaft kann jederzeit die Satzung ändern und damit die ihr etwa lästig fallenden Satzungsbestimmungen beseitigen. II. Unternehmensverträge Anm. 2: Die in Abs. 2 aufgeführten Unternehmens V e r t r ä g e : Gewinnabführungsvertrag (§ 291), Gewinngemeinschaft (§ 292 I Nr. 1) und Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 I Nr. 2) sind praktisch alle Unternehmensverträge, die zwischen einer Hauptgesellschaft und einer eingegliederten Gesellschaft abgeschlossen werden können. Ein Beherrschungsvertrag (§291) kommt nicht in Frage, da die Leitungsmacht, die der Beherrschungsvertrag vermittelt, bei der Eingliederung gesetzlich in noch umfassenderem Umfang gewährt wird. Ebensowenig kommen die nach § 292 I Nr. 3 noch übriggebliebenen Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge in Frage, 1782

Gesetzliche Rücklage. Gewinnabführung. Verlustübernahme

§ 324 Anm. 2

da die Eingliederung in der Sache eine viel weitergehende „Betriebsüberlassung" darstellt, als diese Verträge vermitteln können. Es bleiben praktisch nur diejenigen Unternehmensverträge übrig, die mit dem Gewinn etwas zu tun haben, wobei es durchaus zweifelhaft sein kann, ob die Leitungsmacht der Hauptgesellschaft ohne die Bestimmungen des § 324 II nicht dahin auszulegen wäre, daß sie auch die Abführung des ganzen oder eines Teiles des Gewinnes und die Beteiligungen an einer Gewinngemeinschaft aufgrund ihres Weisungsrechtes erreichen könnte. Da das Gesetz diese den Gewinn manipulierenden Verträge ausdrücklich in der vorliegenden Bestimmung anspricht, muß insoweit eine Einschränkung des Weisungsrechtes angenommen werden (vgl. Anm. 2 zu § 323). Aus der Erkenntnis, daß mit Rücksicht auf die gesamtschuldnerische Haftung der Hauptgesellschaft für alle Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft eine Gefährdung der Gläubiger durch einen, den Gewinn manipulierenden Vertrag nicht in Frage kommen kann und es außenstehende Aktionäre der eingegliederten Gesellschaft nidit gibt, konnten zunächst einmal alle Bestimmungen, die zur Sicherheit der Gläubiger beim Abschluß solcher Verträge im allgemeinen gelten (§§ 300 bis 303), für nicht anwendbar erklärt werden. Darüber hinaus sind aber mit Ausnahme der Bestimmungen des § 297 I alle Bestimmungen, die sich aus dem Abschluß, der Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen (§§ 293 bis 299) ergeben, ebenfalls für nicht anwendbar erklärt worden. Der Abschluß, die Änderung und die Aufhebung der zwischen Hauptgesellschaft und eingegliederten Gesellschaft getroffenen Verträge bedürfen der schriftlichen Form. Der Vertrag kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt namentlich dann vor, wenn die Hauptgesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, ihre aufgrund des Vertrages bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen (§ 297, vgl. dort im einzelnen die Anm.). Auch hier wird, dem Grundsatz des nicht anwendbar erklärten § 301 folgend, ein Höchstbetrag der Gewinnabführung festgesetzt. Maßgebend ist hier wie dort der ohne die Gewinnabführung entstehende Bilanzgewinn. Während aber hier dieser Betrag ohne jede Einschränkung den Höchstbetrag darstellt, enthält der § 301 zwei Einschränkungen. Er vermindert den Betrag um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist. Letzteres erübrigt sich schon nach der Bestimmung des § 324, da gesetzlich keine Verpflichtung zur Einstellung in die gesetzliche Rücklage besteht. Es taucht allerdings die Frage auf, ob nicht eine Satzungsbestimmung, die die Einstellung in die gesetzliche Rücklage verlangt, auch hier den vertraglich abgeführten Gewinn mindert. Wir sind der Auffassung, daß dies der Fall ist. Darüber, daß die Satzung leicht geändert werden kann, vgl. oben Anm. 1. 1783

§ 324 Anm. 2

Eingegliederte Gesellschaften

Daß ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr nicht bei der Errechnung des zulässigen Höchstbetrages der Gewinnabführung zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus der besonderen Regelung des Abs. 3. Danach ist die Hauptgesellschaft verpflichtet, jeden bei der eingegliederten Gesellschaft sonst entstehenden Bilanzverlust auszugleichen. Diese Verpflichtung ist aber gegenüber des nicht für anwendbar erklärten § 302 wesentlich eingeschränkt, da der Ausgleich nur so weit zu erfolgen hat, wie er den Betrag der offenen Rücklage übersteigt. Das hat zur Folge, daß ein Jahresfehlbetrag der eingegliederten Gesellschaft einmal durch Auflösung von Rücklagen, und zwar auch der gesetzlichen Rücklage, gleichgültig, ob diese Rücklagen vor oder nach der Eingliederung gebildet wurden, ausgeglichen werden kann. Ferner kann aber auch der Verlust vorgetragen werden, solange er nicht den Betrag der noch verbleibenden offenen Rücklagen übersteigt. Das läuft im Endergebnis darauf hinaus, daß eine Ausgleichspflicht der Hauptgesellschaft erst eintritt, wenn sämtliche für den Ausgleich eines Verlustes bilanzmäßig zur Verfügung stehenden Beträge erschöpft sind. Die Ausgleichspflicht hat also nicht zur Folge, daß das ursprünglich bei der Eingliederung vorhandene Vermögen der Gesellschaft erhalten wird, wie das durch die Bestimmung des § 302 dadurch erreicht wird, daß die gesetzliche Rücklage überhaupt nicht und die freien Rücklagen nur insoweit in Anspruch genommen werden können, als sie während der Vertragsdauer geschaffen wurden. Vielmehr wird durch die Ausgleichspflicht hier nur erreicht, daß die Gesellschaft nicht ein Grundkapital ausweist, das durch das Reinvermögen nicht mehr gedeckt wird. Es bleibt aber auch die Möglichkeit, statt eines Verlustausgleiches das Grundkapital der Gesellschaft herabzusetzen, um dadurch entweder unmittelbar den Verlust auszugleichen, oder neue Rücklagen zu schaffen, die den Vortrag des Verlustes in das nächste Geschäftsjahr wieder gestatten würden, weil sie höher sind als dieser Verlustvortrag. Obwohl das Gesetz es nicht ausdrücklich bestimmt, gelten für die Unternehmensverträge zwischen Hauptgesellschaft und eingegliederter Gesellschaft auch nicht die zum Schutz der außenstehenden Aktionäre gegebenen Bestimmungen des 4. Abschnittes, §§ 304 bis 307, da es keine außenstehenden Aktionäre bei der eingegliederten Gesellschaft gibt. Da die Formen für den Abschluß, die Änderung und Beendigung der Unternehmensverträge entgegen den allgemeinen Bestimmungen geregelt sind, kommt auch keine Eintragung der Verträge im Handelsregister in Frage. Der Vertrag wird wirksam mit dem Abschluß zwischen den Vorständen der Hauptgesellschaft und der eingeliederten Gesellschaft. Er bedarf auch keiner Zustimmungsbeschlüsse, weder durch die Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft noch der Hauptgesellschaft. Für die Aufhebung eines Unternehmensvertrages zwischen Hauptgesellschaft und eingegliederter Gesellschaft ist der § 296 nicht für anwendbar 1784

Keine Einreidiung und Bekanntmachung des Jahresabschlusses

§§ 324 / 325

Anm. 2

erklärt. Sie ist jederzeit möglidi, nicht nur etwa zum Ende eines Geschäftsjahres. Auch eine rückwirkende Aufhebung ist zulässig, sie würde niemandem schaden, da die Gläubiger gesichert sind und es außenstehende Aktionäre nicht gibt. Fernerhin ist die Aufhebung durch Kündigung nach § 297 (s. oben) möglich und endet der Vertrag spätestens zum Ende des Geschäftsjahres, in dem die Eingliederung endet. Diese auf Gesetz beruhende Beendigung des Unternehmensvertrages ist deshalb notwendig, weil die Zulassung eines sehr viel weitergehenden Höchstbetrages bei der Gewinnabführung nur mit Rücksicht auf die Tatsache der Eingliederung und die sich daraus ergebenden Haftungsverhältnisse zugebilligt werden konnte. Fällt diese Voraussetzung weg, so muß der Vertrag sein Ende finden. Soll ein ähnlicher Vertrag fortgesetzt werden, so muß er nunmehr mit der ehemaligen Hauptgesellschaft und der zu neuer Selbständigkeit gelangten ehemaligen eingegliederten Gesellschaft nach den Grundsätzen der §§ 293 ff. neu geschlossen werden. Es müssen dann auch die Gläubigerschutzvorschriften und, sofern außenstehende Aktionäre vorhanden sind, die Sicherungsvorschriften für diese gelten. Sowohl die Aufhebung des Vertrages als auch seine Kündigung bedürfen der schriftlichen Form.

§ 325 Keine Einreichung und Bekanntmachung des Jahresabschlusses (1) § 177 über die Pflicht, den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht zum Handelsregister einzureichen sowie den Jahresabschluß bekanntzumachen, gilt nicht, wenn die eingegliederte Gesellschaft in einen auf den Stichtag ihres Jahresabschlusses von der Hauptgesellschaft aufgestellten Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß einbezogen ist. (2) Werden der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht nicht zum Handelsregister eingereicht oder wird der Jahresabschluß nicht bekanntgemacht, so hat der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft unverzüglich nach der Hauptversammlung der Hauptgesellschaft über den Jahresabschluß (§ 337 Abs. 2) den Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß mit Bestätigungsvermerk und den Konzerngeschäftsbericht oder Teilkonzerngeschäftsbericht zum Handelsregister einzureichen. § 338 Abs. 1 Satz 2 und 3 ist anzuwenden. Der Vorstand hat ferner die Bekanntmachung des Konzernabschlusses oder Teilkonzernabschlusses zum Handelsregister einzureichen. (3) Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der eingereichte Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß § 338 Abs. 1 Satz 2 und 3 entspricht und ob die Gesellschaft nach dem Konzerngeschäftsbericht oder Teilkonzerngeschäftsbericht in ihn einbezogen ist. 1785

§325 Anm. 1,2

Eingegliederte Gesellschaften

I. Übersicht (Anm. 1) II. Voraussetzung für die Befreiung (Anm. 2) III. Folgen, wenn die Gesellschaft von

der Befreiung Gebrauch macht (Anm. 3) IV. Prüfungspflidit des Registerrichters (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Die eingegliederte Gesellschaft behält trotz der Eingliederung ihre rechtliche Selbständigkeit. Infolgedessen muß sie nach den §§ 148 bis 161 einen Jahresabschluß aufstellen und einen Geschäftsbericht erstatten. Die Prüfung des Jahresabschlusses hat nach den Bestimmungen der §§ 162 bis 171 und seine Feststellung nach §§ 172, 173 zu erfolgen. Dabei sind die besonderen Bestimmungen des § 324 bzgl. der gesetzlichen Rücklagen zu beachten. Auch ein Gewinnverwendungsbeschluß nach § 174 kann in Frage kommen, wenn nicht ein Gewinnabführungsvertrag zwischen der Hauptgesellschaft und der eingegliederten Gesellschaft im Sinne des § 324 II besteht, durch den sich ein Gewinnverwendungsbeschluß erübrigt. Lediglich von der Einreichung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes zum Handelsregister und der Bekanntmachung des Jahresabschlusses wird die eingegliederte Gesellschaft unter gewissen Voraussetzungen nach der vorliegenden Bestimmung befreit. IL Voraussetzung für die Befreiung Anm. 2: Die Pflicht, den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht dem Registergericht einzureichen, gilt nicht, wenn: 1. die eingegliederte Gesellschaft in einen von der Hauptgesellschaft aufgestellten Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß einbezogen ist, der Stichtag für den Jahresabschluß der eingegliederten Gesellschaft der gleiche ist, wie der für den Konzernabschluß oder den Teilkonzernabschluß, d.h. also praktisch derselbe wie für die Hauptgesellschaft, denn nach deren Jahresabschluß hat sich der Stichtag des Konzernabschlusses zu richten (vgl. § 329 I). Durch die Eingliederung einer Gesellschaft entsteht nach § 18 I stets ein Konzern, weil beide Unternehmen als unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt anzusehen sind. In allen Fällen, in denen die Hauptgesellschaft eine nicht abhängige Gesellschaft ist oder wenn die Hauptgesellschaft eine Obergesellsdiaft des Konzerns im Sinne des § 329 ist, hat die Hauptgesellschaft eine Konzernbilanz aufzustellen; damit wäre die erste Vorbedingung erfüllt. Ist aber die Hauptgesellschaft abhängig und Mitglied eines Konzerns, ohne dessen Obergesellschaft zu sein, so ist der Konzernabschluß von einer anderen Gesellschaft, nämlich der Obergesellschaft des Konzerns, aufzustellen. 1786

Keine Einreidiung und Bekanntmachung des Jahresabschlusses

§ 325

Anm. 2

Alsdann ist die Bedingung nidit erfüllt, denn nur wenn die Hauptgesellschaft den Konzernabschluß nach § 329 oder den Teilkonzernabsdxluß nach § 330 aufstellt, kann die vorliegende Bestimmung zum Zuge kommen. Es ist erforderlich, daß die Gläubiger der eingegliederten Gesellschaft durch den Konzernabschluß, der an Stelle des Jahresabschlusses der eingegliederten Gesellschaft tritt, erfahren, welches Vermögen ihnen haftet. Das ist nur dann gegeben, wenn der Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß, in den die eingegliederte Gesellschaft einbezogen ist, von der Hauptgesellsthaft aufgestellt ist, nicht aber, wenn eine andere Gesellschaft in ihrem Konzern- oder Teilkonzernabschluß sowohl die Hauptgesellschaft als auch die eingegliederte Gesellschaft als Konzerngesellschaften aufführt. 2. das Geschäftsjahr der Hauptgesellschaft mit dem Geschäftsjahr der eingegliederten Gesellschaft nicht übereinstimmt, sondern die Hauptgesellschaft es in der Hand hat, durdi Satzungsänderung die Obereinstimmung herbeizuführen. Auf diese Weise kann also die zweite Bedingung praktisch herbeigeführt werden. Ist die Verpflichtung zur Einreichung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes zum Handelsregister entfallen, so bedarf es auch keiner Bekanntmachung des Jahresabschlusses. Beides geht Hand in Hand. Bereits die Einreichung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes zum Handelsregister bedeutet seine Offenlegung, denn jedermann kann das Handelsregister einsehen. Wenn diese Art der Offenlegung wegfallen soll; so ist es nur folgerichtig, wenn auch die zweite Art der Offenlegung, die Bekanntmachung des Jahresabschlusses in den Gesellschaftsblättern, unterbleiben darf. Der Entschluß, hier so weitgehend auf die Publizität zu verzichten, ist dem Gesetzgeber nicht leichtgefallen, da die ganze Reform im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Verstärkung der Publizitätspflichten stand. In der Reg.-Begr. zu § 325 wird deshalb sehr eingehend dargelegt, warum man hier glaubte, von den sonst bestehenden Publizitätsverpflichtungen Abstand nehmen zu können. Es werden mit Recht die drei Gesichtspunkte erörtert, die zur Begründung der Publizität überhaupt geltend gemacht werden. Im Vordergrund steht stets das Interesse der Aktionäre. Dieses scheidet hier aus, denn es gibt weder außenstehende Aktionäre, noch ist es denkbar, daß die Aktien einer eingegliederten Gesellschaft an der Börse gehandelt werden. Es gibt also auch keine präsumptiven Aktionäre. Sollten neue Aktionäre der eingegliederten Gesellschaft auftauchen, etwa indem die Hauptgesellschaft Aktien verkauft, so endet damit die Eingliederung nach § 3 2 7 1 Nr. 3. Die Rechtslage ist also von diesem Augenblick an eine andere; die eingegliederte Gesellschaft ist wieder selbständig geworden und ist wie eine selbständige Gesellschaft zu behandeln. Sie hat damit selbstverständlich ihren Jahresabschluß und den Geschäftsbericht wieder dem Registergericht einzureichen 1787

§ 325

Anm. 2,3

Eingegliederte Gesellschaften

und den Jahresabschluß wie jede Aktiengesellschaft in ihren Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Ein weiterer Grund für die Publizität ist der Schutz der Gläubiger. Auch dieser Gesichtspunkt kann hier wegfallen; soweit es sich um den Schutz der Gläubiger der eingegliederten Gesellschaft handelt, ist dieser durch die gesamtschuldnerische Haftung der Hauptgesellschaft für alle Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft gesichert. So, wie auf die Erhaltung des Vermögens der eingegliederten Gesellschaft verzichtet wurde, kann erst recht auf die Bekanntmachung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichtes im Interesse der Gläubiger verzichtet werden. Es bleibt schließlich die Frage, ob nicht ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an einer Bekanntmachung des Jahresabschlusses gegeben ist. Dabei soll hier nicht erörtert werden, ob es ein solches „berechtigtes" Interesse der Öffentlichkeit überhaupt gibt, das der Gesetzgeber anzuerkennen hätte. Selbst wenn man dies, wie die Reg.-Begr. es tut, einmal unterstellt, so ist doch zu beachten, daß die eingegliederte Gesellschaft, wirtschaftlich gesehen, nichts anderes als eine Betriebsabteilung der Hauptgesellschaft ist. Da aber niemals ein Anspruch der Öffentlichkeit besteht, das Ergebnis bestimmter Betriebsabteilungen einer Gesellschaft zu erfahren, so kann man auch unbedenklich feststellen, daß ein berechtigtes öffentliches Interesse an dem Abschluß der eingegliederten Gesellschaft nicht bestehen kann. Sie ist nicht anders zu behandeln als eine Betriebsabteilung. Im übrigen weist die Reg.Begr. mit Recht darauf hin, daß, wenn eingegliederte Gesellschaften zur Bekanntmachung ihres Jahresabschlusses verpflichtet würden, in vielen Fällen mit ihrer Umwandlung in rechtlich unselbständige Betriebsabteilungen der Hauptgesellschaft gerechnet werden müßte. III. Folgen, wenn die Gesellschaft von der Befreiung Gebrauch macht Anm. 3: Wenn die eingegliederte Gesellschaft von der Möglichkeit Gebrauch macht, ihren Jahresabschluß und Geschäftsbericht nicht einzureichen und den Jahresabschluß nicht bekanntzumachen, so muß ihr Vorstand an Stelle des eigenen Jahresabschlusses den Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß mit Bestätigungsvermerk und den Konzerngeschäftsbericht oder Teilkonzerngeschäftsbericht zum Handelsregister einreichen. Das kann er erst, wenn die Hauptgesellschaft den Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß festgestellt hat. Da es nach § 329 I Nr. 2 denkbar ist, daß der Stichtag des Jahresabschlusses der Hauptgesellschaft vom Stichtag des Konzernabschlusses, in dem die eingegliederte Gesellschaft einbezogen ist, voneinander abweichen und nach § 337 II in diesem Fall der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht der Hauptversammlung vorzulegen ist, die den nächsten auf den Stichtag des Konzernabschlusses folgen1788

Keine Einreidiung und Bekanntmachung des Jahresabschlusses

§ 325

Anm.3,4 den Jahresabschluß der Obergesellschaft entgegennimmt oder festzustellen hat, kann sich dies erheblich hinauszögern. Eine Höchstfrist sieht das Gesetz nicht vor. In formeller Beziehung wird durch die Verweisung auf § 338 I S. 2 und 3 bestimmt, daß der dem Konzernabschluß beigefügte Bestätigungsvermerk von den Konzernabschlußprüfern unterschrieben sein muß. Haben die Konzernabschlußprüfer die Bestätigung des Konzernabschlusses versagt, so muß auf dem eingereichten Konzernabschlußvermerk der Vermerk von den Konzernabschlußprüfern unterschrieben sein. Es genügt also nicht die Einreichung einfacher, auch etwa beglaubigter Abschriften, sondern es müssen sidi die Originalunterschriften der Abschlußprüfer auf den dem Registergericht einzureichenden Exemplaren befinden. Außerdem hat der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft die Bekanntmachung des Konzernabschlusses oder Teilkonzernabschlusses zum Handelsregister einzureichen. Hier sind die entsprechenden Belegstücke der Bekanntmachungsblätter vorzulegen. Wenn das Gesetz bestimmt, daß die Pflicht, den Jahresabschluß einzureichen, nicht gilt, so läßt es für die eingegliederte Gesellschaft die Möglichkeit offen, trotz Wegfalls dieser Pflicht, den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht zum Handelsregister einzureichen und den Jahresabschluß bekanntzumachen. Praktisch wird hierüber allerdings kaum der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft entscheiden können, vielmehr wird hier in aller Regel eine Weisung der Hauptgesellschaft erfolgen. Diese ist frei, wie sie die Weisung erteilen will, natürlich mit der Einschränkung, daß sie dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft nicht die Weisung erteilen kann, die Einreichung nicht vorzunehmen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 325 nicht gegeben sind. Wenn diese aber vorliegen, kann sie, obwohl eine Pflicht zur Einreichung des Jahresabschlusses nicht besteht, die Einreidiung anordnen. Das hat dann zur Folge, daß der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft nicht verpflichtet ist, den von der Hauptgesellschaft aufgestellten Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß vorzulegen (ebenso Obermüller-Werner-Winden S. 215). Dies befreit die Hauptgesellschaft aber nicht davon, ihrerseits den Konzernabschluß, den sie mindestens in bezug auf die eingegliederte Gesellschaft, wenn dies die einzige Konzerngesellschaft ist, aufzustellen hat, ihrem Registergericht einzureichen, wie überhaupt die Einreichungsverpfliditung der Hauptgesellschaft ihrem Registergericht gegenüber nicht durch den Abs. 2 der vorliegenden Bestimmung irgendwie eingeschränkt wird.

IV. Prüfungspflidit des Registerriditers Anm. 4: Reicht die eingegliederte Gesellschaft einen Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß ein, so hat das Gericht nur zweierlei zu prüfen: 1789

§ § 325 / 326 Anm. 4

Eingegliederte Gesellschaften

1. ob dem Konzernabschluß ein von den Konzernabschlußprüfern unterschriebener Bestätigungsvermerk beigefügt ist und, wenn die Bestätigung des Konzernabschlusses versagt ist, ob auf dem eingereichten Konzernabschluß dies vermerkt und der Vermerk von den Konzernabschlußprüfern unterschrieben ist (§ 338 I S . 2 u. 3); 2. ob die eingegliederte Gesellschaft in den Konzerngeschäftsbericht oder Teilkonzerngeschäftsberidit einbezogen ist. Bei dieser Prüfung muß das Gericht, obwohl es im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt ist, nachprüfen, ob der Konzerngeschäftsbericht oder Teilkonzerngeschäftsbericht von der Hauptgesellschaft aufgestellt ist. Die Nachprüfung, ob die eingegliederte Gesellschaft im Konzemabschluß oder Teilkonzernabschluß einbezogen ist, wird dem Gericht dadurch erleichtert, daß nach § 334 im Konzerngeschäftsbericht oder Teilkonzerngeschäftsbericht alle in den Abschluß einbezogenen Konzernunternehmen anzugeben sind. Diese Angabe hat der Konzernabschlußprüfer nach § 336 II nadizuprüfen, so daß das Gericht nur zu prüfen braucht, ob die eingegliederte Gesellschaft nach dem Konzerngeschäftsbericht oder Teilkonzerngeschäftsbericht in den Abschluß einbezogen ist.

§ 326

Auskunftsrecht der Aktionäre der Hauptgesellsdiaft Jedem Aktionär der Hauptgesellschaft ist Ober Angelegenheiten der eingegliederten Gesellschaft ebenso Auskunft zu erteilen wie über Angelegenheiten der Hauptgesellsdiaft. Der Aktionär der Hauptgesellschaft hat bereits nach der allgemeinen Bestimmung des § 313 I S. 2 ein Auskunftsrecht über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen seiner Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen. Da die eingegliederte Gesellschaft ein verbundenes Unternehmen ist, könnte der Aktionär also bereits aufgrund dieser Bestimmung eine gewisse Auskunft verlangen. Hier wird sein Recht aber wesentlich erweitert. Die eingegliederte Gesellschaft wird wie ein Teil, wie eine Betriebsabteilung der Hauptgesellschaft behandelt. Er kann mithin auch in bezug auf die eingegliederte Gesellschaft Auskunft über alle Angelegenheiten verlangen, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich sind. Gegenüber diesem erweiterten Auskunftsrecht gilt auch die Bestimmung des § 131 III über das Recht des Vorstandes, die Auskunft zu verweigern. Wenn schon dem Aktionär der Hauptgesellschaft gegenüber die eingegliederte Gesellschaft wie eine Betriebsabteilung der Hauptgesellschaft behandelt wird, so muß das auch gegenüber den Organen der Hauptgesell1790

Ende der Eingliederung

§§326/327

schaft gelten. Der Gesetzgeber hielt das f ü r selbstverständlich, so daß er davon Abstand genommen hat, durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmung zum Ausdruck zu bringen, daß der Vorstand der Hauptgesellschaft seinem Aufsichtsrat über die eingegliederte Gesellschaft genauso nach § 90 zu berichten hat wie über andere Betriebsabteilungen der Gesellschaft. Die eingegliederte Gesellschaft wird deshalb dort nicht besonders erwähnt. Das gleiche gilt f ü r den Geschäftsbericht, den der Vorstand nach § 160 zu erstatten hat. Hier fällt die eingegliederte Gesellschaft gewiß formal unter § 160 N r . 10, verbundene Unternehmen. Aber auch hier muß man auf die besondere Stellung der eingegliederten Gesellschaft sehen. Im Vordergrund steht hier die wirtschaftliche Stellung der eingegliederten Gesellschaft und nicht ihre formale rechtliche Selbständigkeit. Über sie ist deshalb auch im Geschäftsbericht so zu berichten, als sei sie eine Betriebsabteilung der Gesellschaft (vgl. Reg.-Begr.).

§ 327 Ende der Eingliederung (1) Die Eingliederung endet 1. durch Beschluß der Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft, 2. wenn die Hauptgesellschaft nicht mehr eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ist, 3. wenn sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, 4. durch Auflosung der Hauptgesellschaft. (2) Befinden sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft, so hat die Hauptgesellschaft dies der eingegliederten Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (3) Der Vorstand der bisher eingegliederten Gesellschaft hat das Ende der Eingliederung, seinen Grund und seinen Zeitpunkt unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft anzumelden. (4) Die Ansprüche gegen die frühere Hauptgesellschaft aus Verbindlichkeiten der bisher eingegliederten Gesellschaft verjähren in fünf Jahren seit dem Tage, an dem die Eintragung des Endes der Eingliederung in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs als bekanntgemacht gilt, sofern nicht der Anspruch gegen die bisher eingegliederte Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Wird der Anspruch des Gläubigers erst nach dem Tage, an dem die Eintragung des Endes der Eingliederung in das Handelsregister als bekanntgemacht gilt, fällig, so beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit. 1791

§ 327

Anm. 1,2

Eingegliederte Gesellschaften

I. Übersicht (Anm. 1) II. Beendigung durch Beschluß der Hauptversammlung (Anm. 2) III. Beendigung, weil die Hauptgesellschaft nicht mehr den an sie gestellten

Erfordernissen genügt (Anm. 3) IV. Anmeldung, Eintragung und Bekanntmachung (Anm. 4) V. Ende der Haftung (Anm. 5) VI. Verjährung (Anm. 6)

I. Übersidit Anm. 1: Da die Verbindung zweier Gesellschaften durch Eingliederung der einen in die andere nicht durdi Vertrag, sondern durch einen körperschaftsrechtlichen Akt erfolgt, kommt auch eine vertragliche Beendigung der Eingliederung nicht in Frage. Das Ende der Eingliederung kann deshalb audi nur durch einen körpersdiaftsrechtlidien Akt, d. h. durch einen Beschluß der Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft herbeigeführt werden. Daneben tritt das Ende der Eingliederung kraft Gesetzes ein, wenn die Hauptgesellschaft nicht mehr die Bedingungen erfüllt, die sie zur Eingliederung einer Gesellschaft geeignet erscheinen lassen. Nach § 319 ist die Eingliederung nur möglich in eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland. Infolgedessen endet die Eingliederung kraft Gesetzes, wenn eine Aktiengesellschaft mit dem Sitz im Inland ihre Gesellschaftsform ändert, beispielsweise sich in eine GmbH umwandelt. Ebenso endet die Eingliederung, wenn die Hauptgesellschaft ihren Sitz ins Ausland verlegt. Eine weitere gesetzliche Voraussetzung für die Eingliederung ist, daß sich alle Aktien der einzugliedernden Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden oder nach § 320 im Augenblick der Eingliederung auf sie übergehen. Infolgedessen endet die Eingliederung, wenn sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, d. h. z. B. schon dann, wenn die Hauptgesellschaft einen Teil der Aktien der eingegliederten Gesellschaft an eine andere Konzerngesellschaft abgibt, sei es auch eine solche, die im hundertprozentigen Besitz der Hauptgesellschaft ist (ebenso B.-H. Rn. 4; vgl. hierzu § 319 Anm. 2). Schließlich endet die Eingliederung auch durch Auflösung der Hauptgesellschaft. II. Beendigung durch Beschluß der Hauptversammlung Anm. 2: Der einzige Weg, aufgrund einer Willensentscheidung das Ende der Eingliederung herbeizuführen, ist der durdi Beschlußfassung der Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft. Hier handelt es sich rein formell um einen inneren Vorgang in der eingegliederten Gesellschaft, in Wahrheit beruht dieser Vorgang aber nicht auf dem Entschluß der eingegliederten Gesellschaft, sondern auf dem Entschluß der Hauptgesellschaft; denn diese beherrscht die Hauptversammlung. Sie kann als alleiniger Aktionär ohne besondere Einladung und Bekanntmachung eine Vollversammlung 1792

Ende der Eingliederung

§327 Anm. 2,3

abhalten und in dieser, vertreten durch ihren Vorstand oder einen Bevollmächtigten, als einziger Aktionär die Beendigung der Eingliederung beschließen. Dieser Beschluß bedarf, um wirksam zu werden, nicht etwa eines Beschlusses der Hauptversammlung der Hauptgesellschaft. Die Eingliederung endet mit dem Beschluß der Hauptversammlung, die nach Abs. 3 vorzunehmende Eintragung in das Handelsregister hat hier keine konstitutive Wirkung. III. Beendigung, weil die Hauptgesellschaft nicht mehr den an sie gestellten Erfordernissen genügt Anm. 3: a) Wenn die Hauptgesellschaft nicht mehr eine Aktiengesellschaft ist, oder sie b) keinen Sitz im Inland mehr hat, muß die Eingliederung ihr Ende finden, weil dann nicht mehr sichergestellt ist, daß die gesamtschuldnerische Haftung der Hauptgesellschaft eine volle Sicherung für die Gläubiger der eingegliederten Gesellschaft darstellt. N u r bei der Rechtsform der Aktiengesellschaft sind besondere Sicherungen für die Gläubiger gegeben, wie sie bei den anderen Kapitalgesellschaften oder sonstigen Unternehmensformen nicht gegeben sind. H a t die Hauptgesellschaft nicht mehr einen Sitz im Inland, so unterliegt sie nicht mehr der deutschen Gesetzgebung. Damit fehlt jede Kontrolle über die Einhaltung der Vorschriften zur Erhaltung der Vermögenssubstanz und damit jede Sicherung für die gesamtschuldnerische Haftung zugunsten der Gläubiger der eingegliederten Gesellschaft. c) Ferner endigt die Eingliederung, wenn sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden. Zwar ist eine Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß nach § 320 ausnahmsweise zulässig, so hat diese doch zur Folge, daß das Recht der „außenstehenden Aktionäre" auf die Hauptgesellschaft übergeht, so daß mit vollzogener Eingliederung jedenfalls keine außenstehenden Aktionäre mehr vorhanden sind. Diese wesentliche Voraussetzung wird dann gestört, wenn sich im weiteren Verlauf nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden. Infolgedessen muß hier die Veränderung dieser Grundlage gleichzeitig das Ende der Eingliederung herbeiführen. Da dies der einzige Fall der in Abs. 1 aufgeführten 4 Fälle ist, die das Ende der Eingliederung herbeiführen, von dem der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft nicht zwangsläufig Kenntnis erhält, wird in Abs. 2 eine besondere Mitteilungspflicht angeordnet, die dahin geht, daß die Hauptgesellschaft der eingegliederten Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen hat, wenn sie nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand hat. Uber den Begriff des „in der Hand haben" vgl. § 319 Anm. 3. 1793

§ 327 Anm. 3,4

Eingegliederte Gesellschaften

d) Schließlich endet die Eingliederung mit der Auflösung der Hauptgesellschaft, sei es, daß diese aus den Gründen des § 262 I oder durch gerichtliche Entscheidung nach § 396 erfolgt. Das ist an sich nicht selbstverständlich, denn durch die Auflösung verschwindet die Gesellschaft nicht, sie tritt in das Stadium der Abwicklung. Es erscheint aber in der Tat nicht angängig, daß eine in Abwicklung befindliche Gesellschaft Hauptgesellschaft einer eingegliederten Gesellschaft ist, die sich nicht im Stadium der Liquidation befindet, sondern nach wie vor ihre Geschäfte betreibt. Es wäre an sich denkbar, eine in Abwicklung befindliche Hauptgesellschaft zu verpflichten, die Abwicklung darauf zu erstrecken, daß das Ende der Eingliederung durch Beschluß der Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft herbeizuführen sei. Diesen Weg hat der Gesetzgeber nicht beschritten. Der besondere Beendigungsgrund führt zum gleichen Ergebnis und verwickelt die eingegliederte Gesellschaft überhaupt nicht in die Liquidation. Es kommt hinzu, daß über den Gesetzeswortlaut hinaus die Eingliederung auch dann endet, wenn die Hauptgesellschaft ohne Abwicklung aufgelöst wird oder sogar erlischt, weil ihr Vermögen als Ganzes auf eine andere Gesellschaft übergeht (§ 346 IV; § 5 S. 2 des Umwandlungsgesetzes vom 6. 11. 1969 Bundesgesetzblatt I S. 2081). Auch in diesen Fällen endet die Eingliederung. Genügt die übernehmende Gesellschaft den Voraussetzungen des § 319 I, so kann eine erneute Eingliederung der bisher eingegliederten Gesellschaft in die übernehmende Gesellschaft erfolgen. Es muß dies aber auch im Interesse der Rechtsklarheit verlangt werden. Eine Weiterführung der alten Eingliederung durch die übernehmende Gesellschaft erschien kaum tragbar (so Reg.-Begr.; ebenso B.-H. Rn. 5). IV. Anmeldung, Eintragung und Bekanntmachung Anm. 4: So wie die Eingliederung nur in das Handelsregister des Sitzes der eingegliederten Gesellschaft eingetragen wird, so ist auch vom Vorstand der bisher eingegliederten Gesellschaft das Ende der Eingliederung, sein Grund und sein Zeitpunkt unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister der bisher eingegliederten Gesellschaft anzumelden. Als Grund ist einer der 4 in Abs. 1 angegebenen zu bezeichnen, denn nur diese können die Eingliederung beenden. Die Aufführung in Abs. 1 ist erschöpfend. Zeitpunkt der Beendigung der Eingliederung ist nicht etwa die Eintragung. Sie hat keine konstitutive Wirkung. Vielmehr kommt es jeweils auf das Ereignis an, das für die Auflösung nach Abs. 1 Nr. 1 bis 4 entscheidend ist. Das ist zu Nr. 1 der Tag, an dem der Beschluß der Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft gefaßt wird, zu Nr. 2 der Tag, an dem die Umwandlung der Hauptgesellschaft in eine Gesellschaft anderer Rechtsform wirksam wird, bzw. der Tag, an dem die Hauptgesellschaft wirksam ihren 1794

Ende der Eingliederung

§327 Anm. 4,5

Sitz im Inland aufgibt, zu Nr. 4 der Tag, an dem die Auflösung der Hauptgesellschaft rechtswirksam wird. In diesen 3 Fällen ist die Feststellung des Zeitpunktes unproblematisch. Schwieriger ist es im Fall der Nr. 3. Zwar steht auch hier der Zeitpunkt fest: der Augenblick, in dem die Hauptgesellschaft das rechtliche Eigentum an auch nur der ersten Aktie der eingegliederten Gesellschaft verliert, ist der für das Ende der Eingliederung maßgebende Zeitpunkt. Es ist aber nicht sichergestellt, daß der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft diesen Zeitpunkt zuverlässig erfährt. In Abs. 2 wird nicht ausdrücklich bestimmt, daß die Hauptgesellschaft diesen Zeitpunkt der eingegliederten Gesellschaft mitzuteilen hat. Sie hat nur die Tatsache selbst unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Dennoch ist nicht etwa der Eingang dieser Mitteilung der Zeitpunkt, der als Ende der Eingliederung angesehen werden könnte, vielmehr muß die Verpflichtung der Hauptgesellschaft nach Abs. 2 dahin ausgedehnt werden, daß sie nicht nur die Tatsache, sondern auch den Zeitpunkt, wann die Tatsache eingetreten ist, dem Vorstand der bisher eingegliederten Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen hat, anderenfalls könnte dieser seiner Verpflichtung nach Abs. 3 nicht ordnungsgemäß nachkommen, wonach ausdrücklich der Zeitpunkt der Beendigung der Eingliederung in der Anmeldung angegeben sein muß (vgl. auch B.-H. Rn. 7). Die Anmeldung hat durch den Vorstand der eingegliedert gewesenen Gesellschaft in einer zur Vertretung der Gesellschaft ausreichenden Anzahl von Mitgliedern (also auch evtl. unter Mitwirkung eines Prokuristen) zu erfolgen. Sie ist nach § 14 HGB durch Ordnungsstrafen erzwingbar. Eine Mitwirkung des Aufsichtsratsvorsitzenden ist nicht erforderlich. Das Registergericht hat das einzutragen, was anzumelden ist und dafür zu sorgen, daß die Anmeldung vollständig ist. Von besonderer Bedeutung ist die Eintragung des Zeitpunkts der Beendigung der Eingliederung. Die Eintragung ist vom Registergericht in dessen Blättern bekanntzumachen (§10 HGB). V. Ende der Haftung Anm. 5: Nach § 322 haftet die Hauptgesellschaft von der Eingliederung an sowohl für die vor diesem Zeitpunkt begründeten Verpflichtungen wie für alle nach diesem Zeitpunkt eingegangenen Verbindlichkeiten. Sie bleibt in der Gesamtschuld für alle vor der Beendigung entstandenen Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft. Mit Rücksicht auf diese Haftung wurde davon abgesehen, hier den Gläubigern einen ähnlichen Anspruch auf Sicherheitsleistung zu geben, wie er in § 303 gewährt wurde. Zu den unter die Haftung fallenden Verpflichtungen gehören insbesondere auch Dauerschuldverhältnisse, bei denen die Einzelleistungen erst nach 1795

§ 327

Anm. 5,6

Eingegliederte Gesellschaften

Beendigung der Eingliederung fällig werden, wie z.B. Mietverträge oder Sukzessivlieferungsverträge. Sie haftet auch für Kredite, die noch während des Bestehens der Eingliederung vertraglich zugesichert, aber erst nach ihrer Beendigung in Anspruch genommen worden sind. Für erst nach Beendigung der Eingliederung entstehende Verbindlichkeiten haftet die Hauptgesellschaft grundsätzlich nicht. Zu beachten ist aber §15 HGB, wonach sie für Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden kann, die zwar nach Beendigung der Eingliederung, aber vor deren Eintragung und Bekanntmachung entstanden sind, sofern dem Dritten die Beendigung nicht bekannt war. Obwohl es sich hier nicht um eine Eintragung im Register der Hauptgesellschaft handelt, ist der Fall ähnlich dem des Ausscheidens eines Gesellschafters einer oHG. Auch dieser haftet wie oben dargelegt (vgl. RGR-Komm. zu § 128 HGB Anm. 29 mit der dort angegebenen Literatur). VI. Verjährung Anm. 6: Die Ansprüche aus der Haftung der Hauptgesellschaft verjähren längstens nach 5 Jahren. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das letzte der die Bekanntmachung enthaltenden Blätter — des Registergerichts, nicht etwa der Gesellschaft — erschienen ist. Wird eine Forderung erst später fällig, so ist der Fälligkeitstag der Tag des Beginns der Verjährungsfrist. Etwa bestehende kürzere Verjährungsfristen (z. B. § 196 BGB) bleiben unberührt und werden nicht etwa auf 5 Jahre verlängert.

1796

Beschränkung der Redite

§328

Anm. 1 VIERTER TEIL

Wechselseitig beteiligte Unternehmen § 328 Beschränkung der Rechte (1) Sind eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien und ein anderes Unternehmen wechselseitig beteiligte Unternehmen, so können, sobald dem einen Unternehmen das Bestehen der wechselseitigen Beteiligung bekannt geworden ist oder ihm das andere Unternehmen eine Mitteilung nach § 20 Abs. 3 oder § 21 Abs. 1 gemacht hat, Rechte aus den Anteilen, die ihm an dem anderen Unternehmen gehören, nur für höchstens den vierten Teil aller Anteile des anderen Unternehmens ausgeübt werden. Dies gilt nicht für das Redit auf neue Aktien bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. § 16 Abs. 4 ist anzuwenden. (2) Die Beschränkung des Absatzes 1 gilt nidit, wenn das Unternehmen seinerseits dem anderen Unternehmen eine Mitteilung nadi § 20 Abs. 3 oder § 21 Abs. 1 gemacht hatte, bevor es von dem anderen Unternehmen eine solche Mitteilung erhalten hat und bevor ihm das Bestehen der wechselseitigen Beteiligung bekannt geworden ist. (3) Sind eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien und ein anderes Unternehmen wechselseitig beteiligte Unternehmen, so haben die Unternehmen einander unverzüglich die Höhe ihrer Beteiligung und jede Änderung schriftlich mitzuteilen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Beteiligung und deren Folgen (Anm. 2)

III. Folgen eines Verstoßes (Anm. 3) IV. Besondere Mitteilungspflicht (Anm. 4) V. Übergangsbestimmung (Anm. 5)

I. Übersicht Anm. 1: Wechselseitig beteiligte Unternehmen sind nach der gesetzlichen Definition des § 19 Unternehmen mit Sitz im Inland in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft, die dadurch verbunden sind, daß jedem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört, ohne daß ein Unternehmen von dem anderen oder beide wechselseitig voneinander abhängig sind. Eine Abhängigkeit wird gesetzlich fingiert, wenn ein Unternehmen die Mehrheitsbeteiligung des anderen besitzt oder beide Unternehmen wechselseitig eine Mehrheitsbeteiligung besitzen (§ 19 IV). Die Bestimmungen des § 328 finden nur dann Anwendung, wenn eines der wechselseitig beteiligten Unternehmen eine AG oder KGaA ist. 1797

§ 328

Anm. 1,2

Wechselseitig beteiligte Unternehmen

Eine wechselseitige Beteiligung derartiger Unternehmen kann, wenn sie eine gewisse Höhe erreicht, für die Aufbringung und die Erhaltung des Grundkapitals gefährlich werden (vgl. auch Mestmäker S. 114 ff.; Rasch S. 55; B.-H. Rn. 3; Zöllner S. 133 f.). Wenn z.B. beide wechselseitig beteiligten Unternehmen eine gleichmäßige Kapitalerhöhung vornehmen, die sie gegenseitig zeichnen, so wird im Grunde genommen an dem Vermögen beider Gesellschaften nichts verändert. In der sogenannten IDUNA-Entscheidung des Reichsgerichts (RG 149, 305 ff.) bestand eine gegenseitige Beteiligung von 90 % ; damit war praktisch die Funktion des Grundkapitals für beide Gesellschaften auf 10 o/o herabgesunken. Von wann ab eine wechselseitige Beteiligung gefährlich wird, darüber läßt sich streiten. Es wurden Anträge gestellt, bereits eine Beteiligung von 10 °/o genügen zu lassen. Im Referentenentwurf war eine Beteiligung von 20 °/o vorgesehen. Man hat sich im Gesetz schließlich für mehr als 25 % entschieden, weil dies die Sperrminorität für Satzungsänderungen ist und auf der anderen Seite die Möglichkeit schafft, das steuerliche Schachtelprivileg von 25 % noch auszunutzen, ohne daß eine Mitteilungspflicht nach §§ 20, 21 entsteht. II. Beteiligung und deren Folgen Anm. 2: Um die Gefahr der wechselseitigen Beteiligung einzuschränken, wird der Grundsatz aufgestellt, daß ein Unternehmen, das mit einem anderen wechselseitig beteiligt ist, Rechte aus den Anteilen, die ihm an dem anderen Unternehmen gehören, nur bis zu 25 °/o aller Anteile des anderen Unternehmens ausüben kann. Dieser Grundsatz wird dadurch eingeschränkt, daß er nicht für das Unternehmen gilt, das als erstes dem anderen Unternehmen davon Mitteilung macht, daß es mehr als 25 °/o der Anteile besitzt, sofern es bei dieser Mitteilung gutgläubig war, d. h., soweit es nicht wußte, daß das andere Unternehmen seinerseits bereits mit mehr als 25 %> an ihm beteiligt ist. Nur das gutgläubige Unternehmen, das zuerst dem anderen die Anzeige macht, wird geschützt. Eine wechselseitige Beteiligung liegt nur vor, wenn beiden Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehören. Hat das eine Unternehmen einen geringeren Teil der Anteile des anderen, so ist zwar dasjenige, das mehr als 25 °/o besitzt, wenn der andere Teil eine Aktiengesellschaft ist, nach § 20 oder, wenn es selbst eine Aktiengesellschaft ist und der andere Teil eine andere Kapitalgesellschaft oder bergreditliche Gewerkschaft, nach § 21 zur Mitteilung verpflichtet. Damit sind aber die beiden Unternehmen keine wechselseitig beteiligten Unternehmen im Sinne der §§ 19 und 328. Die Erfüllung der Mitteilungspflicht hat zur Folge, daß das Unternehmen, das die Mitteilung dem anderen gemacht hat, ohne eine Beschränkung seiner Rechte nach § 328 befürchten zu müssen, auch weiterhin Anteile des 1798

Beschränkung der Rechte

§328

Anm. 2

anderen Unternehmens erwerben kann. Auch das andere Unternehmen kann seinerseits Anteile des die Mitteilung machenden Unternehmens erwerben, bis es die Grenze von 25 %> überschreitet, dann ist es mitteilungspflichtig. Es kann aber durch diese Mitteilung nicht verhindern, daß die Rechte aus den Anteilen, die es über 25 %> erlangt, nach § 328 beschränkt werden. Der Erwerb weiterer Anteile ist dem Unternehmen nicht verboten. Es ist aber die Frage, inwieweit die Geschäftsleitung einen solchen Erwerb verantworten kann. Dabei ist zu beachten, daß die Bestimmung des § 328 nur für wechselseitig beteiligte Unternehmen im Sinne des § 19 I gilt. Die Bestimmung gilt nicht, wenn eines der bisher wechselseitig beteiligten Unternehmen zum abhängigen Unternehmen wird. D a eine solche Abhängigkeit durch Mehrheitsbeteiligung entsteht, wäre es denkbar, daß das Unternehmen, das vielleicht zunächst den geringeren Anteilsbesitz am anderen Unternehmen hatte, sich durch einen Paketkauf zu einem mit Mehrheit beteiligten Unternehmen macht. Dann fallen die Beschränkungen des § 328 weg. Das nunmehr herrschende Unternehmen kann alle Rechte aus seinen Anteilen gegenüber dem abhängigen Unternehmen voll geltend machen. Das nunmehr in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen kann nach § 7 1 I V nur noch in beschränktem Umfang Aktien der herrschenden Gesellschaft erwerben. Ein Stimmrecht kann es aus den in seinem Besitz befindlichen Anteilen überhaupt nicht mehr geltend machen (§ 136 II), auch nicht bis zu 2 5 % . Erwirbt nunmehr auch dieses Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung, so gelten beide Unternehmen als herrschend und als abhängig, sie können also keinerlei Stimmrechte mehr in der Hauptversammlung des anderen Unternehmens ausüben und sind an die Erwerbsverbote des § 7 1 I V gebunden. Das gleiche gilt, wenn die bisher wechselseitig beteiligten Unternehmen nicht durch Anteilserwerb und Mehrheitsbeteiligung, sondern auf andere Weise das eine vom anderen oder beide gegenseitig abhängig werden. Auch dann gelten für sie die verschärften Bestimmungen, die zwischen herrschenden und abhängigen Unternehmen gelten und nicht die mildere Bestimmung des § 328, der ja immerhin bis zu 25 % die Rechte aus den Anteilen voll beläßt, also insbesondere auch das Stimmrecht, das einem abhängigen Unternehmen im Verhältnis zum herrschenden Unternehmen nicht zusteht. Auf der anderen Seite hat das abhängige Unternehmen Anspruch auf die auf die Anteile entfallende Dividende, ohne Rücksicht auf die Höhe seines Besitzes, während nach § 328 dieser Anspruch entfällt, wenn die Grenze von 25 % überschritten ist, in Kenntnis der wechselseitigen Beteiligung. Die Höhe der Beteiligung berechnet sich nach § 16 IV, d. h., es sind außer den Anteilen, die dem Unternehmen selbst zu Eigentum gehören, diejenigen hinzuzurechnen, die einem abhängigen Unternehmen gehören oder die von einem anderen für Rechnung des Unternehmens oder eines von die1799

§ 328

Wediselseitig beteiligte Unternehmen

Anm. 2,3 sem abhängigen Unternehmen gehalten werden; im einzelnen vgl. § 16 Anm. 4 und 5. III. Folgen eines Verstoßes Anm. 3: Hat das Unternehmen, obwohl ihm keine Rechte aus den Anteilen zustehen, vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht, ist ihm beispielsweise die Dividende zugeflossen, so ist außer Frage, daß es insoweit ungerechtfertigt bereichert und zur Herausgabe des Betrages nach dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet ist. Aus den Umständen im Einzelfall kann sich ergeben, daß in der Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Gesellschaft ein strafrechtlicher Verstoß liegt, so daß sich eine Haftung aus §§ 823 ff. BGB ergibt. Eine Haftung aus Vertrag kommt nicht in Frage, da ein Vertragsverhältnis zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft: nicht besteht. Es kann sich allenfalls die Frage ergeben, ob sich aus aktienrechtlichen Vorschriften eine besondere Haftung ergibt, und zwar ob nicht der § 62 auch hier anzuwenden ist. Bei der Neufassung dieser Bestimmung gegenüber dem § 56 AktG 37 bestand zwar an sich nidit die Absicht, den Inhalt grundsätzlich zu ändern. Dennoch bedarf es der Nachprüfung, ob die bisher zu dieser Bestimmung vertretene Auffassung auf die neue Bestimmung ohne weiteres angewandt werden kann. Nach fast allgemein herrschender Ansicht verstand man unter Zahlungen, die Aktionäre „entgegen den Vorschriften des Gesetzes" empfangen hatten, nur solche, die gegen zwingende gesetzlidie Vorschriften, die zum Schutz der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, verstoßen (so Fischer in Großkomm. § 56 AktG 37 Anm. 4). Nach dieser Ansicht fielen Zahlungen aus dem Reingewinn, die nur insofern das Gesetz verletzten, weil der Verteilungsschlüssel nicht beachtet wurde, nicht unter diese Vorschrift. Audi bei der Neufassung des § 62 ist der Begriff „entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes" unverändert aufgenommen worden. Trotzdem sind wir der Ansidit, daß der § 62 hier Anwendung zu finden hat. Dabei wird nicht verkannt, daß die Formulierung des § 328 nicht von der Gesellschaft ausgeht und dieser verbietet, Zahlungen an den Aktionär zu leisten, sondern umgekehrt vom Aktionär ausgeht und diesem verbietet, Rechte aus seinen Anteilen geltend zu machen, wenn die Voraussetzungen des § 328 vorliegen. Dennoch handelt es sich bei der vorliegenden Bestimmung letztlich darum, daß die sich aus dem Aktienrecht ergebenden Einzelrechte eingeschränkt werden. Der Aktionär verliert nicht seine Beteiligung. Er kann aber einzelne Rechte, die sich aus der Beteiligung gesetzlich ergeben, nicht geltend machen; so kann er beispielsweise keine Dividende für den Zeitraum beziehen, in dem die Voraussetzungen des § 328 für die Nichtgeltendmachung der Rechte aus 1800

Beschränkung der Redite

§328 Anm. 3,4

Anteilen vorliegen. Dieses Recht auf Dividendenzahlung lebt audi nicht wieder auf. Es ist untergegangen. Hat er dennoch Dividende erhalten, so hat er eine Leistung empfangen entgegen der Bestimmung des § 328. Gerade weil es sich hier um einen Anspruch aus der Beteiligung handelt, kann es keinen Unterschied machen, ob das Gesetz dem Aktionär verbietet, den Anspruch geltend zu machen oder der Aktiengesellschaft verbietet, den Anspruch zu erfüllen. Zu beachten ist, daß § 62 nur gelten kann, wenn das Unternehmen eine Aktiengesellschaft ist. Obermüller-Werner-Winden (S. 234) machen mit Recht darauf aufmerksam, daß aus dem Gesetz nicht zu erkennen ist, ob für die Geltendmachung der Dividende der Zeitpunkt der Dividendenzahlung oder die Zeit, für die die Dividende gezahlt wird, maßgebend ist. Unseres Erachtens ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Anspruch entstanden und geltend gemacht werden könnte. Ist dies nach § 328 ausgeschlossen, so ist der Anspruch auf Zahlung von Dividende schlechthin weggefallen, er lebt nicht wieder auf, wenn danadi der Mitteilungspflicht Genüge getan wird, selbst dann nicht, wenn die Mitteilung zur Folge hat, daß nach der Mitteilung das Unternehmen und damit hier der Aktionär in vollem Umfang die Rechte aus den Anteilen geltend machen kann, weil es zuerst die Mitteilung, ohne Kenntnis von der wechselseitigen Beteiligung zu haben, gemacht hat. Ähnlich ist es mit einem Bezugsrecht. Auch hier ist der Anspruch aus einem solchen spätestens dann endgültig erloschen, wenn das Bezugsrecht nach den ihm zugrunde gelegten Bedingungen von keinem Aktionär mehr geltend gemacht werden kann. Wir sind der Meinung, daß in den beiden Fällen — Dividende und Bezugsrecht — keine Bedenken bestehen, § 62 zur Anwendung zu bringen, wenn die Ansprüche aufgrund des § 328 endgültig erloschen sind und der Aktionär zu Unrecht die Ansprüche auf Dividende oder Bezugsrecht der Gesellschaft gegenüber geltend gemacht hat. Uber die Einzelheiten der Haftung aus § 62 vgl. die Anm. dort. Das Gesetz weist ausdrücklich darauf hin, daß das Recht auf neue Aktien bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bestehen bleibt, was sich an sich von selbst versteht, da es sich nur um ein „Splitting" der alten Aktien handelt. IV. Besondere Mitteilungspflicht Anm. 4: Während sich der Inhalt der Mitteilung nach §§ 20 und 21 nur darauf zu erstrecken hat, daß die Beteiligung über 2 5 % — bzw. über 50 °/o— beträgt, ohne daß das mitteilende Unternehmen verpflichtet wäre, die genaue Höhe der Beteiligung anzugeben, sind bei wechselseitig beteiligten Unternehmen beide verpflichtet, einander unverzüglich die Höhe ihrer Beteiligung und jede Änderung schriftlich mitzuteilen. Dadurch wird erreicht, daß die wechselseitig beteiligten Unternehmen stets über den Stand und die Ent1801

§ 328 Anm. 4,5

Wechselseitig beteiligte Unternehmen

wicklung der wechselseitigen Beteiligung unterrichtet sind und damit die Möglichkeit haben, den mit einer wechselseitigen Beteiligung verbundenen Gefahren zu begegnen und auf den Abbau der Beteiligung hinzuwirken. V. Übergangsbestimmung Anm. 5: Der § 6 EG gilt nur für die wechselseitig beteiligten Unternehmen im engeren Sinne, das sind die des § 19 I, auf die allein die Bestimmungen des § 328 Anwendung finden (vgl. oben Anm. 1). Auch wechselseitig beteiligte Unternehmen im engeren Sinne des § 19 I haben, da es sich um eine Beteiligung von über 25 °/o handelt, ihrer Mitteilungspflicht nach den §§ 20, 21, 328 I I I Genüge zu tun. Für sie gilt § 7 EG. Die Mitteilung hatte bis zum 1. 2.1966 zu erfolgen. Haben beide wechselseitig beteiligte Unternehmen fristgemäß diese Pflicht erfüllt, so gilt die Bestimmung des § 328 für sie nicht. Beide Unternehmen können unbeschränkt ihre Rechte auch aus den Anteilen geltend machen, die über 25 °/o hinausgehen. Hat nur eines der wechselseitig beteiligten Unternehmen die Mitteilung nach den §§ 20, 21, 328 I I I in Verbindung mit § 7 EG gemadit, so wird nur dieses Unternehmen berechtigt, auch in Zukunft alle Rechte aus den Anteilen geltend zu machen, die es vor dem 1 . 1 . 1 9 6 6 besaß, nicht aber das andere Unternehmen, das die Mitteilung unterlassen hat. Dies gilt vom Inkrafttreten des Gesetzes ab, also vom 1 . 1 . 1 9 6 6 und nicht etwa erst vom 1. 2.1966, denn zu diesem Zeitpunkt hat sich lediglich ergeben, daß die Mitteilung nicht erfolgt, die Bestimmung des § 328 gilt in vollem Umfang. Dies ergibt sich aus § 6 I I I EG, da dort die Bestimmung des § 328 nur für das wechselseitig beteiligte Unternehmen ausgeschlossen wird, das fristgemäß die Mitteilung macht. Aus dieser Bestimmung ergibt sich über ihren Wortlaut hinaus, daß, wenn beide wechselseitig beteiligten Unternehmen die Mitteilung versäumt haben, für beide die Bestimmungen des § 328 in vollem Umfang gelten. Denn nur soweit in § 6 E G eine Ausnahme von der Geltung des § 328 gemacht wird, gilt dieser nicht ab 1 . 1 . 1 9 6 6 . Soweit danach § 328 keine Anwendung findet, gilt dies allerdings nur für Anteile, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erworben wurden, denn nur insoweit sind sie als „bereits bei Inkrafttreten des Aktiengesetzes wechselseitig beteiligte Unternehmen" anzusehen. Besaß also eines der beiden wechselseitig beteiligten Unternehmen am 1 . 1 . 1 9 6 6 30 °/o und hat es im Januar 1966 10 % hinzuerworben, um nunmehr vor dem 1. 2 . 1 9 6 6 anzumelden, daß es 40 % der Anteile besitzt, kann es dennoch nur aus 30 °/o der Anteile Rechte geltend machen. Es muß deshalb in diesem Fall dartun, daß es 30 % bereits vor dem 1 . 1 . 1 9 6 6 besessen und 10 % nachträglich erworben hat. Dies ist notwendig, damit das andere Unternehmen weiß, aus welchen Anteilen 1802

Beschränkung der Rechte

§328

Anm. 5 Redite hergeleitet werden können. Die genaue Angabe der Beteiligung ist nur für wechselseitig beteiligte Unternehmen nach § 328 III erforderlich. Während somit wechselseitig beteiligte Unternehmen, die ihren vor dem 1.1.1966 vorhandenen Anteilsbesitz fristgemäß angemeldet haben, alle Rechte auch aus den Anteilen geltend machen können, die über 25 °/o hinausgehen, sind sie bezüglich aller Anteile, die sie nach dem 1.1.1966 erwerben, den Beschränkungen des § 328 unterworfen, denn durch die Anmeldung war ihnen die wechselseitige Beteiligung bekannt, so daß sie die Folgen des § 328 beide nicht mehr durch eine Mitteilung abwenden können. Durch diese Regelung soll, wie in der Regierungsbegründung zu § 6 EG ausgeführt wird, verhindert werden, daß die bei Inkrafttreten des Aktiengesetzes bestehenden wechselseitigen Beteiligungen später erhöht werden. Im Regierungs-Entwurf war nur eine Ausnahme vorgesehen, nämlidi wenn die neuen Anteile im Falle der Kapitalerhöhung ^us Gesellschaftsmitteln erworben wurden. Diese Ausnahme verstand sich von selbst, denn hier handelt es sich nicht um den Erwerb neuer Aktienrechte, vielmehr wird das bisherige Aktienrecht gespalten und es entsteht nur eine Vermehrung der Anteile, nidit aber ein neues Recht. Der Gesetzgeber war der Auffassung, daß außerdem eine Ausnahme bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen gemacht werden müsse, da es bedenklich erscheinen müsse, die Ausnutzung eines Bezugsrechts aus Anteilen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes einem wechselseitig beteiligten Unternehmen als Aktionär gehörten, durch ein Verbot der Ausnutzung des in der Aktie eminent steckenden Bezugsrechts wirtschaftlich zu entwerten. Hierfür bestand auch kein zwingendes Bedürfnis, da durch die Ausübung eines Bezugsrechts auf alte Aktien der Prozentsatz der Beteiligung nicht erhöht wird. Hinzu kam, daß die vorgesehene Regelung des Regierungs-Entwurfs zur Folge haben könnte, daß wechselseitig beteiligte Unternehmen eine wirtschaftlich gebotene Kapitalerhöhung nicht beschließen. Denn das andere wediselseitig beteiligte Unternehmen wird an einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen, an der es sich nicht selbst beteiligen kann, u. U. nicht interessiert sein und sie mit seiner Sperrminorität verhindern. Nach der nunmehr getroffenen Regelung können alle Rechte aus den Aktien, die aufgrund einer Kapitalerhöhung aus dem Bezugsrecht aus Aktien, die vor dem 1.1.1966 im Besitz des Unternehmens waren, geltend gemacht werden, soweit es sich um vermögensrechtliche Ansprüche handelt. Dagegen hielt der Gesetzgeber den Entzug des Stimmrechts für zulässig. Dadurdi soll erreicht werden, daß der Einfluß der Verwaltung der wechselseitig beteiligten Unternehmen in der Hauptversammlung auf die Dauer zurückgeht. Ein Antrag, der darauf abzielte, den gegen Einlagen übernommenen Aktien auch das Stimmrecht zu gewähren, ist im Rechtsausschuß abgelehnt worden (vgl. Ausschußbericht zu Bundestagsdrudksache IV/3296). 1803

§ 326

Anm. 5

Wechselseitig beteiligte Unternehmen

Eine Ausdehnung der Vorschrift des § 6 II Ziff. 2 EG auf Erwerbsfälle, bei denen der Erwerber von sich aus nicht tätig wird (z. B. durch Erbfall) ist u. E. nidit möglich. Schwierigkeiten können bei einer Verschmelzung durch Aufnahme entstehen. Ist die X AG an der Y AG mit 26°/o beteiligt, ebenso umgekehrt und die X AG an der Z AG wiederum mit 26 °/o und wird eine Verschmelzung der Y AG mit der Z AG auf der Grundlage eines Aktienumtausches von 1 : 1 vorgenommen, dann würde die Beteiligung der X AG an der Y AG zunächst durch die Kapitalerhöhung bei der Y AG von 26°/o auf 13°/o sinken, sich gleichzeitig aber wieder durch die Zuweisung von 13 °/o Aktien infolge der Fusion mit der Z AG auf den bisherigen Stand von 26°/o erhöhen. Bei wortgetreuer Auslegung des § 6 EG würden die aufgrund der Verschmelzung zufließenden 13 %>-Anteile „anderer Anteile" sein, so daß die X AG nur nodi aus 1 3 % — nämlich den alten Aktien, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in seinem Besitz waren — die vollen Rechte herleiten könnte. Dies ist ein unbefriedigendes Ergebnis. Es ist notwendig, bei der Auslegung des § 6 EG den Grundgedanken der Bestimmung herauszuarbeiten, der dahin geht, daß wechselseitig beteiligte Unternehmen, die dies z. Zt. des Inkrafttretens des Gesetzes waren, Vorteile haben sollen gegenüber wechselseitigen Beteiligungen, die erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes entstehen. Das muß aber zur Folge haben, daß eine Gesellschaft mindestens nadi § 328 I behandelt werden muß und nicht durch die Versdimelzung sdilediter gestellt wird als sie nach § 328 stehen würde. Das hat zur Folge, daß im vorliegenden Fall die X AG alle Redite aus 25 °/o der Aktien, gerechnet auf das neue Grundkapital der Y AG, ausüben kann, nicht aber aus den darüber hinausgehenden Aktien. Die Y AG kann, da sich bei ihr nichts geändert hat, ihre Rechte aus dem gesamten Anteilsbesitz herleiten. Auch dies Ergebnis ist unbefriedigend, da die eine Gesellschaft hinsichtlich ihrer Beteiligung den Bestimmungen des § 328 I, die andere aber denen des § 6 EG unterliegt. Dadurch werden auch die Einflußmöglichkeiten verschoben, weil die X AG nicht mehr aus allen Anteilen Rechte herleiten kann. Dieses Ergebnis kann durch die X AG jedoch dadurch verhindert werden, daß sie, gestützt auf ihre Sperrminorität, die Verschmelzung durch Aufnahme ablehnen kann und sich nur zu einer Verschmelzung durch Neubildung bereiterklärt. Hier gehen die beiden alten Gesellschaften unter, so daß für beide Gesellschaften § 328 zur Anwendung kommt, da die wechselseitige Beteiligung jeweils bekannt gewesen ist.

1804

Vorbemerkungen zu §§ 329—338

V o r b e m . §§ 329—338

FÜNFTER TEIL

Rechnungslegung im Konzern Vorbemerkungen zu §§ 329—338 Nach § 18 I liegt ein Konzern vor, wenn ein herrschendes oder ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter einheitlicher Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sind. Nach § 1 7 1 sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen. Diese rechtliche Unabhängigkeit jedes Konzernunternehmens wird bereits dadurch eingeschränkt, daß in jedem Konzern begrifflich eine einheitliche Leitung vorhanden sein muß, und zwar ist dies in dem hier allein in Frage kommenden Unterordnungskonzern die herrschende Gesellschaft oder wie das Gesetz (§ 329) sagt, die „Obergesellschaft". Die Tatsache, daß der rechtlichen Selbständigkeit die wirtschaftliche Einheit gegenübersteht, macht es unmöglich, aus den Einzeljahresabschlüssen der Konzernunternehmen, selbst wenn man sie alle nebeneinander betraditet, einen zuverlässigen Einblick über die Lage des Konzerns als wirtschaftliche Einheit zu erhalten. Ganz abgesehen davon, daß zu einem Konzern Unternehmen gehören können, die ihrer Rechtsform nach zur Veröffentlichung eines Jahresabschlusses nidit verpflichtet sind. Die Konzernzugehörigkeit beeinträchtigt mitunter auch die Aussagekraft des Einzeljahresabschlusses des Unternehmens, denn dieses arbeitet nicht wie ein freies Unternehmen unter der Leitung der eigenen Verwaltung nur f ü r seine Interessen, sondern unter der einheitlichen Leitung der Obergesellsdiaft f ü r die Konzerninteressen. Die geschäftlichen Beziehungen zwisdien den einzelnen Konzernunternehmen, namentlich der Lieferungs- und Leistungsverkehr, sind, da sie von der Konzernleitung gesteuert werden können, wirtschaftlich anders zu beurteilen als die geschäftlichen Beziehungen zwischen nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich selbständigen Unternehmen. So ist es z. B. möglich, innerhalb des Konzerns liquide Mittel auszuleihen, wodurch beim Empfänger eine in Wahrheit bei ihm nicht vorhandene Liquidität ausgewiesen wird. Ferner können durch Lieferungen und Leistungen zwischen den Konzernunternehmen in den Einzelabschlüssen Gewinne entstehen, die vom Standpunkt der wirtschaftlichen Einheit jedes Konzerns noch nicht realisiert sind, da ihnen die Bestätigung durch den Markt fehlt (ebenso die Reg.-Begr.). Ein Konzernabschluß soll nicht etwa die Einzelabschlüsse ersetzen. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil für die Gewinnansprüdie der Gesellschafter jeder rechtlich selbständig bleibenden Gesellschaft allein der Einzeljahresabschluß f ü r diese Gesellschaft maßgebend ist. Auch den Gläubigern haftet grundsätzlich nur das Vermögen der Einzelgesellschaft, die ihr Schuldner ist. Dennoch ist f ü r beide die Lage des gesamten Konzerns von erheb1805

V o r b e m . § § 329—338

Rechnungslegung im Konzern

licher Bedeutung, denn diese kann sowohl für die Gewinnausschüttung der einzelnen Gesellschaft als auch für die Sicherung der Gläubiger eine maßgebende Rolle spielen. Da der Gesetzgeber mit den Vorschriften über Konzernabschluß Neuland betritt, „erschien es angebracht, vorsichtig und schrittweise vorzugehen, um es der Wirtschaft zu ermöglichen, reibungslos in die neuen Vorschriften hineinzuwachsen" (so Reg.-Begr.). Die §§ 329 und 330 befassen sich mit der Frage, wann ein Konzernabsdiluß aufzustellen ist und welche Gesellschaften einzubeziehen sind. Die letzte Frage wird dahin entschieden, daß alle diejenigen konzernabhängigen Unternehmen einzubeziehen sind, die finanziell miteinander verbunden sind (Finanzeinheitsbasis). Eine gleichartige oder nahezu gleichartige Tätigkeit (Branchenzusammenhang) wird nicht gefordert. Damit befindet sich das Gesetz in Übereinstimmung mit den Vorschlägen der Studienkommission des Deutschen Juristentages von 1963 (TZ 1021). Aufzustellen ist der Konzernabschluß grundsätzlich von der Obergesellschaft, sofern diese eine Kapitalgesellschaft oder bergrechtliche Gewerkschaft mit dem Sitz im Inland ist, sofern eine der Konzerngesellschaften eine AG oder KGaA ist (§ 329 und § 28 EG). In den Konzernabschluß ist jedes Konzernunternehmen — gleichgültig welcher Rechtsform — mit Sitz im Inland einzubeziehen, dessen Anteile zu mehr als der Hälfte Konzernunternehmen — nicht etwa nur der Obergesellschaft — gehören. Ausnahmen sind zulässig. Es kann von der Einbeziehung abgesehen werden, wenn die Aussage des Konzernabschlusses wegen der geringen Bedeutung des Unternehmens nicht beeinträchtigt wird. Es ist von der Einbeziehung abzusehen, wenn dadurch der Aussagewert des Konzernabschlusses beeinträchtigt würde. Andere Konzernunternehmen können einbezogen werden. Sie müssen es, wenn ihre Einbeziehung zu einer anderen Beurteilung der Vermögens- und Ertragslage des Konzerns führt. Maßgebend ist also immer der für jede Rechnungslegung geltende Grundsatz des § 149, daß ein Abschluß so klar und übersichtlich aufzustellen ist, daß er einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage gewährt. H a t die Obergesellschaft ihren Sitz im Ausland oder ist sie eine Personengesellschaft, so hat die der Konzernleitung am nächsten stehende Kapitalgesellschaft mit dem Sitz im Inland einen Teilkonzernabschluß zu erstellen, sofern die Konzernleitung über sie ein oder mehrere zum Konzern gehörende Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien mit Sitz im Inland beherrscht. Die Konzernbilanz (§ 331) hat zur Voraussetzung, daß die Bilanzen der Obergesellschaft und der übrigen einbezogenen Unternehmen auf denselben Stichtag aufgestellt sind. Grundsätzlich ist dies der Stichtag der Obergesellschaft (§ 331 III S. 1). Das Gesetz läßt Ausnahmen (z. B. Saisonbetriebe) zu. 1806

Vorbemerkungen zu §§ 329—338

V o r b e m . § § 329—338

Dann muß neben dem Jahresabschluß auf den Stichtag des Konzernabschlusses ein weiterer Abschluß erstellt werden. Das Aufstellen eines Konzernabschlusses macht es erforderlich, daß die Obergesellschaft im einzelnen darauf achtet, daß ein einheitlicher Kontenplan, einheitliche Kontierungs- und Konsulitierungsrichtlinien bestehen, ein einheitliches Formularwesen benutzt wird und einheitliche Bewertungsrichtlinien in den einzelnen in den Konzernabschluß einzubeziehenden Unternehmen gelten (vgl. im einzelnen Adler-Düring-Schmaltz Vorbem. zu §§ 329 bis 338 T z 38 ff.; Heine in W P 67, 113 ff.). Das wesentliche in der Konzernbilanz ist, daß in der Bilanz der Obergesellschaft an Stelle der Anteile an den übrigen einbezogenen Unternehmen die Aktiva und Passiva aus den Bilanzen dieser Unternehmen mit Ausnahme der Posten des Eigenkapitals treten. Dabei sind Zwischengewinne auszuschalten (§ 3 3 1 1 Nr. 1). Sind an den einbezogenen Konzernunternehmen auch konzernfremde Gesellschafter beteiligt, so sind sie auch an deren Aktiven beteiligt. Es muß infolgedessen ein „Ausgleichsposten für Anteile im Fremdbesitz" gesondert ausgewiesen werden (§ 331 I I Nr. 2). Aus dem Grundsatz der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns folgt, daß Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen wegzulassen sind (§ 3 3 1 1 Nr. 4). Für die Konzerngewinn- und Verlustrechnung bietet das Gesetz zwei Formen an. Aus dem Gedanken der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns würde an sich zu folgern sein, daß Posten aus Lieferungen und Leistungen zwischen einbezogenen Unternehmen, die bei dem liefernden Unternehmen Erträge und beim empfangenden Unternehmen Aufwendungen sind, wie gegenseitige Forderungen und Verbindlichkeiten miteinander verrechnet werden müßten. Ebenso müßten Erträge aus Lieferungen und Leistungen zwischen einbezogenen Unternehmen, die im Rahmen des Konzerns als Eigenleistungen anzusehen sind, in der für die Bestandsvermehrung und für andere Eigenleistungen geschaffene Posten umgegliedert werden. Von sachverständiger Seite wurde jedoch erklärt, daß die Verrechnung und Umgliederung der Innenumsatzerlöse bei einer ausführlichen Gliederung der Konzerngewinn- und Verlustrechnung praktisch so schwierig sein können, daß sie nicht allgemein gefordert werden könne so Reg.-Begr.). § 332 geht deshalb von dem Fall aus, daß die Innenumsatzerlöse nicht verrechnet werden. Danach sind bei den Umsatzerlösen die Erlöse aus Lieferungen und Leistungen zwischen den in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen, die sogenannten Innenumsatzerlöse, getrennt von den Außenumsatzerlösen auszuweisen (§ 332 I I Nr. 1). In der Bestimmung des § 333 bietet das Gesetz eine Konzerngewinn- und Verlustrechnung in vereinfachter Form für den erwünschten Fall an, daß die Erträge aus Lieferungen und Leistungen zwischen den in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen mit den auf sie entfallenden Aufwen1807

Vorbem. §§ 329—338

Rechnungslegung im Konzern

düngen der Empfänger der Lieferungen und Leistungen verrechnet oder als Bestandsänderungen oder als andere aktivierte Eigenleistung ausgewiesen werden. In allen Fällen, in denen ein Konzernabschluß, bestehend aus Konzernbilanz und Konzerngewinn- und Verlustrechnung, oder ein Teilkonzernabschluß zu erstatten ist, muß auch ein Konzerngesdiäftsbericht erstattet werden, in dem sämtliche zum Konzern gehörenden Unternehmen mit Sitz im Inland einzeln aufzuführen sind, nicht etwa nur die, die in den Konzernabschluß einbezogen sind. Diese sind jedoch besonders zu bezeichnen. Sind ausnahmsweise Unternehmen mit Sitz im Inland, deren Anteile zu mehr als der Hälfte Konzernunternehmen gehören, nicht in den Konzernabschluß einbezogen worden, so ist dies zunächst zu begründen. Außerdem sind dem Geschäftsbericht auf den Stichtag des Konzernabschlusses aufgestellte Abschlüsse dieser Unternehmen beizufügen, sofern es sich um Aktiengesellsdiaften oder Kommanditgesellschaften a. A. handelt. Im übrigen gelten für den Konzerngesdiäftsbericht im wesentlichen die Bestimmungen, die für jeden Geschäftsbericht gelten. Im ersten Teil ist über den Geschäftsverlauf und die Lage des Konzerns zu berichten, im zweiten Teil ist der Konzernabschluß zu erläutern. Um der Obergesellschaft die Möglichkeit zur Erstellung des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichts zu schaffen, bestimmt § 335, daß alle Konzernunternehmen ihre Jahresabschlüsse und Geschäftsberichte einzureichen haben. Der Konzernabschluß ist unter Einbeziehung des Konzerngeschäftsberichts von Konzernabschlußprüfern zu prüfen und mit einem Bestätigungsvermerk zu versehen (§ 336). Konzernabschluß, Konzerngeschäftsbericht und Prüfungsbericht der Abschlußprüfer sind dem Aufsichtsrat der Obergesellschaft vorzulegen. Dieser hat seinerseits jedoch keine Prüfung vorzunehmen, sondern er nimmt lediglich die Unterlagen zur Kenntnis. Eine Feststellung des Konzernabsdilusses gibt es nicht. Festzustellen sind lediglich die Jahresabschlüsse der Konzernunternehmen und damit auch der der Obergesellschaft. Hierfür gelten die Bestimmungen der § § 1 7 2 und 173. Der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht ist der ordentlichen Hauptversammlung der Obergesellschaft vorzulegen (§ 337 II), der der Vorstand der Obergesellschaft auch über die Lage des Konzerns und der in den Konzernabsdiluß einbezogenen Unternehmen Auskunft zu erteilen hat. Die Bekanntmachung des Konzernabschlusses erfolgt durch den Vorstand der Obergesellschaft unverzüglich nach der Hauptversammlung, der der Konzernabschluß vorlag, zusammen mit dem Jahresabschluß der Obergesellschaft in deren Gesellschaftsblättern. Ebenso hat die Einreichung zusammen 1808

Konzernabschlüsse und Konzerngeschäftsberichte

Vorbem. §§ 329—338/§ 329

mit dem Jahresabschluß der Obergesellschaft an das Registergericht zu erfolgen (§ 338). Nach § 23 E G sind Konzernabschlüsse und Konzerngeschäftsberichte sowie Teilkonzernabschlüsse und Teilkonzerngeschäftsberichte erstmals auf den Stiditag des Jahresabschlusses aufzustellen, der für das Geschäftsjahr aufgestellt wird, das nach dem 3 1 . 1 2 . 1 9 6 6 beginnt. Das bedeutet eine Anpassung an § 14 E G , wonach die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Rechnungslegung erstmals für das nach dem 3 1 . 1 2 . 1 9 6 6 beginnende Geschäftsjahr gelten. Weichen die Geschäftsjahre der in den Konzernabschluß einzubeziehenden Unternehmen voneinander ab, so ist das Geschäftsjahr maßgebend, dessen Ende nach § 329 I S. 2 als Stichtag für den Konzernabsdiluß gewählt werden soll. Zu beaditen ist, daß die Bestimmung nicht gilt für den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen nach § 312. Dieser ist nach § 23 I I E G erstmals für das Geschäftsjahr aufzustellen, das nadi dem 3 1 . 1 2 . 1 9 6 6 beginnt, also für das Geschäftsjahr, für das erstmals für seine ganze Dauer die neuen Bestimmungen des Konzernrechts anwendbar sind.

§ 329 Aufstellung von Konzernabschlüssen und Konzerngescfaäftsberiditen (1) Stehen in einem Konzern die Konzernunternehmen unter der einheitlichen Leitung einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Sitz im Inland (Obergesellschaft), so hat der Vorstand der Obergesellsdiaft auf den Stichtag des Jahresabschlusses der Obergesellschaft eine Konzernbilanz und eine Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung (Konzernabschluß) sowie einen Konzerngeschäftsbericht aufzustellen. Weichen die Stichtage der Jahresabschlüsse der in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen voneinander ab, so kann der Konzernabschluß auch auf einen der anderen Stichtage aufgestellt werden, wenn dies der Klarheit und der Übersichtlichkeit des Konzernabschlusses dient. Der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht sind in den ersten fünf Monaten nach dem Stichtag des Konzernabschlusses aufzustellen. (2) In den Konzernabsdiluß ist jedes Konzernunternehmen mit Sitz im Inland einzubeziehen, dessen Anteile zu mehr als der Hälfte Konzernunternehmen gehören. Von der Einbeziehung kann abgesehen werden, wenn die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage des Konzerns wegen der geringen Bedeutung des Konzernunternehmens dadurch nicht beeinträchtigt wird. Von ihr ist abzusehen, wenn sie den Aussagewert des Konzernabschlusses beeinträchtigen würde. Andere Konzernunternehmen können in den Konzernabschluß einbezogen werden; sie müssen einbezogen 1809

§329

Rechnungslegung im Konzern

Anm. 1,2 werden, wenn sie ihren Sitz im Inland haben und wenn ihre Einbeziehung zu einer anderen Beurteilung der Vermögens- oder Ertragslage des Konzerns führt. I. Ubersicht (Anm. 1) II. Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses 1. Begriff der Obergesellschaft (Anm. 2) 2. Stichtag und Fristen (Anm. 3)

III. Einzubeziehende Unternehmen (Anm. 4) 1. Grundsatz der Finanzeinheitsbasis (Anm. 5) 2. Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (Anm. 6)

I. Übersicht Anm.l: Über die rechtlichen und wirtschaftlichen Erwägungen, die dazu geführt haben, die Aufstellung eines Konzernabschlusses zwingend vorzuschreiben, vgl. im einzelnen Vorbem. zu §§ 329 bis 338. Ein Konzernabsdiluß ist immer nur neben den Jahresabschlüssen der beteiligten Gesellschaften aufzustellen. Er kann niemals die Jahresabschlüsse der einzelnen Gesellschaften ersetzen. Selbst bei der engsten Verbindung von zwei rechtlich selbständig bleibenden Gesellschaften, nämlich im Falle der Eingliederung, muß die eingegliederte Gesellschaft einen eigenen Jahresabschluß aufstellen. Sie ist nur nach § 325 von der Einreichung und Bekanntmachung befreit, wenn sie in einen auf den Stichtag ihres Jahresabschlusses von der Hauptversammlung aufgestellten Konzernabschluß oder Teilkonzernabschluß einbezogen ist. Audi die Konzerngesellsdiaft, die den Konzernabschluß zu erstellen hat, muß einen eigenen Jahresabschluß aufstellen. N u r dieser letztere wird festgestellt und bildet, wenn diese Gesellschaft eine Aktiengesellschaft ist, die Grundlage für den Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung. Der Konzernabschluß und Konzerngeschäftsbericht wird der Hauptversammlung dieser Gesellschaft — wie übrigens vorher dem Aufsichtsrat — nur zur Kenntnis vorgelegt. Er dient allerdings als sehr wichtiges Orientierungsmittel über die Lage der Gesellschaft insoweit, als diese von der Gesamtlage des Konzerns mehr oder weniger stark beeinflußt wird. Gerade die Gewinnverwendung der eigenen Gesellschaft wird von der Gesamtlage beeinflußt werden können.

II. Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses 1. Begriff der Obergesellscbafl Anm. 2: Zur Aufstellung des Konzernabschlusses ist nach dem Wortlaut des Gesetzes der Vorstand der Obergesellschaft verpflichtet. Unter Obergesellschaft versteht das Gesetz eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Sitz im Inland in einem Konzern, die die einheitliche 1810

Konzernabschlüsse und Konzerngesdiäftsberidite

§ 329 Anm.2

Leitung über Konzernunternehmen ausübt. Danach kämen als Obergesellschaften nur Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien in Frage. Deshalb ist auch die Verpflichtung dem Vorstand der Obergesellschaft auferlegt. Durch § 28 E G wird jedoch der Kreis der als Obergesellschaft in Frage kommenden Gesellschaften dadurch erweitert, daß auch Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g und bergrechtliche Gewerkschaften Obergesellschaften sein können. D a m i t sind folgende Gesellschaften von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses ausgeschlossen: a) Personengesellschaft b) Gesellschaften mit Sitz im Ausland Die Bezeichnung Vorstand paßt nicht mehr für alle Fälle. Wenn eine G m b H oder bergreditliche Gewerkschaft Obergesellschaft ist, so treten an Stelle des Vorstandes deren gesetzliche Vertreter. Die Vorschrift des § 28 E G war mit Recht sehr umstritten. Auf der anderen Seite wurde beantragt, die Bestimmung überhaupt zu streichen, da sie ein Vorgriff auf die in Aussicht stehende Reform des GmbH-Rechts darstelle und nicht bei Gelegenheit einer Aktienrechtsreform erlassen werden könne. Auf der anderen Seite wurde beantragt, schlechthin alle Unternehmen mit Sitz im Inland als Obergesellschaft zur Rechnungslegung nach § 329 zu verpflichten. Dem wurde entgegengehalten, daß dadurch die Grenzen dessen, was im Zusammenhang mit einem Aktiengesetz zu regeln sei, überschritten würden. D a s gleiche wurde der Stellungnahme des Bundesrates entgegengehalten, die dahin ging, die in § 28 I E G enthaltene Eingrenzung zu streidien, wonach die Bestimmung nur dann Gültigkeit hat, wenn ein Konzernunternehmen, das nach § 329 I I in den Konzernabschluß einzubeziehen wäre, die Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien hat. Im Ergebnis ist der Reg.-Entwurf, der eine Mittellinie einhielt, Gesetz geworden. Die dadurch vorgenommene Ausdehnung hat zur Folge, daß weitere Bestimmungen getroffen werden mußten über die Bilanzierung der Gesellschaften mit beschränkter H a f t u n g und der bergrechtlichen Gewerkschaften. § 28 I I E G schreibt vor, daß diese, wenn sie als Obergesellschaften einen Konzernabschluß aufstellen müssen, dies wie eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien unter Berücksichtigung des § 330 tun müssen. Weiterhin war es notwendig, dem Registergericht das Recht einzuräumen, die gesetzlichen Vertreter oder Abwickler einer G m b H oder bergrechtlichen Gewerkschaft durch Ordnungsstrafe zur Erfüllung der sich aus §§ 329 ff. ergebenden Pfliditen anzuhalten (§ 28 I I I E G ) . Der Begriff der einheitlichen Leitung ist der gleiche wie in § 18. Hieraus folgt, daß die unwiderlegliche Vermutung des § 18 I S. 2 und die widerleglidie des § 18 I S. 3 auch hinsichtlich der Aufstellung von Konzernabsdilüssen und Konzerngeschäftsberichten Gültigkeit hat (ebenso B.-H. Rn. 1). Allgemein 1811

§329

Rechnungslegung im Konzern

Anm. 2

wird die Ansicht vertreten, d a ß bei Gleichordnungskonzernen eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nicht besteht (so B.-H. Rn. 1; Würdinger S. 323; Klein in N B 1966 S. 63). Zu Recht weisen Adler-DüringSchmaltz (Tz 43) darauf hin, daß die einheitliche Leitung auch im Gleichordnungskonzern von einem Unternehmen ausgeübt werden kann, so daß — sofern die übrigen Voraussetzungen des § 329 erfüllt sind — die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses bestehen kann. In der Begründung zum Reg.-Entwurf wird der Fall behandelt, was zu geschehen hat, wenn an einem Unternehmen zwei Obergesellschaften verschiedener Konzerne beteiligt sind, richtiger ist wohl zu sagen, wenn ein Unternehmen zu zwei Konzernen gehört, denn es ist keineswegs erforderlich, daß die Obergesellschaften selbst an dem Unternehmen beteiligt sind. Wenn es auch, wie die Reg.-Begr. mit Recht ausführt, verhältnismäßig selten vorkommen wird, so ist es doch denkbar, d a ß zwei Konzerne sich an einer beide Gebiete der Konzerne berührenden Gesellschaft beteiligen, ja sogar, daß sie sie gründen. Das kommt immerhin vor, dann hat z w a r im allgemeinen keine der Gesellschaften mehr als 50 °la der Anteile. D a es aber nicht unbedingt Voraussetzung ist, daß das Unternehmen in den Konzernabschluß beider Konzerne aufgenommen werden muß, wenn keiner mehr als 50 % der Anteile hat, sondern, daß es auch durchaus denkbar ist, d a ß das Konzernunternehmen an sich in beiden Konzernen aufzuführen wäre, weil seine Einbeziehung zu einer anderen Beurteilung der Vermögens- und Ertragslage der Konzerne führt, so m u ß es in beide Konzernabschlüsse einbezogen werden, wobei jeweils die Beteiligung des anderen Konzerns in der Konzernbilanz in dem „Ausgleichsposten f ü r Anteile im Fremdbesitz" und in der Gewinn- und Verlustrechnung in dem Posten „konzernfremden Gesellschaftern zustehender Gewinn" Berücksichtigung findet. Außerdem empfiehlt sich in solchen Fällen ein Hinweis im Konzerngeschäftsbericht darauf, d a ß das Unternehmen auch in den Konzernabschluß eines anderen Konzerns einbezogen ist. Diese Ansicht darf als herrschend bezeichnet werden (vgl. im einzelnen Obermüller-Werner-Winden S. 220; B.-H. Rn. 11; Würdinger S. 325; Busse von Cölbe in D i e A k t G e s 1966,274; Schulze in W P 1968, 86; Geßler in BB 1969,235; unter Verweis auf die amtliche Begründung auch Adler-DüringSchmaltz T z 21). Zu Recht weisen jedoch Adler-Düring-Schmaltz (Tz 22) darauf hin, daß die einheitliche Leitung eine tatsächliche Einflußnahme voraussetzt und bei der Ausführung der einheitlichen Leitung durch zwei Obergesellschaften diese fehlt, so d a ß insoweit kein Konzernverhältnis zu den einzelnen Gesellschaften vorliegen kann. Man wird vielmehr (vgl. Adler-Düring-Schmaltz T z 21; in N B 1966,64) davon ausgehen müssen, d a ß hier die einheitliche Leitung von einer von beiden Obergesellschaften gebildeten BGB-Gesellschaft ausgeübt wird. 1812

Konzernabsdilüsse und Konzerngesdiäftsberichce

§ 329 Anm. 3

2. Stichtag und Fristen Anm. 3: Der Konzernabschluß ist grundsätzlich auf den Stichtag des Jahresabschlusses der Obergesellschaften aufzustellen (§ 329 I S. 1). Die in den Konzernabsdiluß einbezogenen Unternehmen sollen denselben AbschlußStichtag haben (§ 331 S. 1). Von beiden Grundsätzen läßt das Gesetz Ausnahmen zu. Weichen die Stichtage der Jahresabschlüsse der einbezogenen Unternehmen voneinander ab, so kann als Stichtag f ü r den Konzernabsdiluß auch einer der anderen Stichtage genommen werden. Das kann zweckmäßig sein, wenn die meisten oder sehr wichtige Konzernunternehmen einen anderen Abschluß-Stichtag haben als die Obergesellschaft. Es ist auch denkbar, daß in einem Konzern Unternehmen sind, die ein Saisongewerbe betreiben, so daß es unzweckmäßig wäre, einen diesem Gewerbe nicht angepaßten Stiditag der Obergesellschaft zu nehmen. Ferner soll auch darauf Rücksicht genommen werden, daß Obergesellschaften deshalb einen späteren Abschluß-Stichtag wählen, um zu ermöglichen, daß die Gewinne der Untergesellschaften demnächst, nicht erst 1 Jahr später, bei der Obergesellschaft vereinnahmt werden können. Auch hier zeigt sich die Grundhaltung f ü r alle Bestimmungen der Rechnungslegung im Konzern, daß man keine allzu festen Grenzen setzen wollte, um der Wirtschaft Spielraum zu lassen, sich an die neuen Bestimmungen zu gewöhnen. Hinsichtlich der Besonderheiten in der Versicherungswirtschaft, insbesondere wenn eine RückVersicherungsgesellschaft in den Konzernabschluß einzubeziehen ist, vgl. Weihmüller in W P 67, 29 ff. N u r wenn die oben gezeigten Ausnahmen vorliegen, kann ein anderer Stichtag gewählt werden. Wenn das Geschäftsjahr sämtlicher einzubeziehender Unternehmen am 31.12. endet, so ist der 31.12. auch als Abschlußstichtag des Konzerns zu wählen (vgl. Adler-Düring-Schmaltz Tz 51). Eine Voraussetzung ist aber erforderlich. Es darf durch die Auswahl des Stichtages f ü r den Konzernabsdiluß nicht die Klarheit und Übersichtlichkeit des Konzernabschlusses leiden (§ 149). Der Konzernabsdiluß und der Konzerngeschäftsbericht sind in den ersten 5 Monaten nach dem Stichtag des Konzernabschlusses aufzustellen; wenn dieser Stichtag mit dem Bilanzstichtag der Obergesellschaft zusammenfällt, so würde das bedeuten, daß zwei Monate nach Aufstellung des Jahresabschlusses der Obergesellschaft der Konzernabschluß aufzustellen ist. Es ist eingewandt worden, daß diese Frist zu kurz sei. Das ist zuzugeben; andererseits würde sich durch eine zu lange Frist auch die Vorlage des Jahresabschlusses der Obergesellschaft ungebührlich verzögern, denn der Konzernabsdiluß ist, wenn die Obergesellschaft eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, in deren Hauptversammlung, die den Jahresabschluß entgegennimmt, vorzulegen. Außerdem gilt f ü r den Konzernabsdiluß das, was f ü r den Jahresabschluß gilt: er muß möglichst zeitnahe sein. Zur Einhaltung der vorge1813

§ 329

Anm. 3,4

Rechnungslegung im Konzern

schriebenen Frist dient die Bestimmung des § 335, wonach die Konzernunternehmen der Obergesellschaft ihre Jahresabschlüsse nach Abschluß der Prüfung unverzüglich einzureichen haben (§ 335 I). Außerdem wird in § 335 II noch einmal ausdrücklich festgelegt, daß der Vorstand der Obergesellsdiaft von jedem Konzernunternehmen alle Aufklärungen und Nachweise verlangen kann, welche die Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichtes erfordert. Im allgemeinen wird er das schon ohne weiteres aus der Tatsache tun können, daß die Konzernunternehmen unter seiner Leitung stehen. Aus dieser Leitungsmacht heraus wird er auch die Möglichkeit haben, die Konzernunternehmen zu veranlassen, ihrerseits pünktlich die ihnen gesetzten Fristen einzuhalten. Soweit es sich um Aktiengesellschaften handelt, sind es 3 Monate, zuzüglich der Zeit, die der Abschlußprüfer zur Prüfung braucht. Da die Prüfungsarbeiten des Abschlußprüfers vor der Aufstellung des Jahresabschlusses beginnen (vgl. hierzu § 165 Anm. 3), dürfte es möglich sein, die Frist einzuhalten. Die zur Aufstellung Verpflichteten können nach § 407 durch Ordnungsstrafen durch das Registergericht zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen angehalten werden. Wie allgemein Unternehmen so ist auch der Konzern nicht an das einmal gewählte Geschäftsjahr gebunden. Es sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, warum es für einen Konzern notwendig werden kann, das Geschäftsjahr zu ändern. Zunächst einmal kann sich das Geschäftsjahr der Obergesellschaft oder verschiedener Konzernunternehmen ändern, so daß deswegen bereits auch eine Änderung des Geschäftsjahres des Konzerns erforderlich werden kann. Darüber hinaus können aber auch die einzubeziehenden Unternehmen wechseln und insbesondere in ihrer Wichtigkeit Verschiebungen eintreten, die es notwendig werden lassen, das Geschäftsjahr des Konzerns zu ändern. Da das Geschäftsjahr zwölf Monate nicht überschreiten darf, ist in diesem Falle jeweils auch ein Rumpfkonzerngeschäftsjahr gegeben (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 54, 55). III. Einzubeziehende Unternehmen Anm. 4: In den Konzernabsdiluß einzubeziehen sind Konzernunternehmen im Sinne des § 18 I, d. h. die abhängigen Unternehmen, die unter der einheitlichen Leitung der Obergesellschaft zusammengefaßt sind. Welche Rechtsform die Unternehmen haben, ist gleichgültig. Keine Verpflichtung besteht für Konzernunternehmen mit dem Sitz im Ausland (nach § 329 II S. 1). Diese können aber in den Konzernabschluß einbezogen werden (Abs. 2 S. 4). Es muß sich jedoch um Konzernunternehmen handeln. Eine freiwillige Einbeziehung von nur in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen (§ 16) ist nicht möglich (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 61; a. A. Flume in DB 1968, 1011 ff.). 1814

Konzernabsdilüsse und Konzerngesdiäftsberichte

§ 329

Anm. 5,6

1. Grundsatz der Finanzeinheitsbasis Anm. 5: Alle diejenigen konzernabhängigen Unternehmen sollen in den Konzernabsdiluß einbezogen 'werden, die finanziell miteinander verbunden sind. Es kommt also hier ausschließlich auf die Kapitalbeteiligung an und nicht etwa lediglich auf die Mehrheit der Stimmrechte. Die Berechnung der Hälfte der Anteile bestimmt sich bei Kapitalgesellschaften nach §16 Abs. 2 Satz 1, also nach dem Verhältnis des Gesamtnennbetrages der dem Konzernunternehmen gehörenden Anteile zum Nennkapital, bei bergrechtlichen Gewerkschaften nach der Zahl der Kuxe. Bei Personengesellschaften ist zu unterscheiden, ob feste Kapitalkonten im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sind. Ist dies der Fall, so tritt das dort verbuchte Eigenkapital an die Stelle des Nennkapitals. Ist es nicht der Fall, so muß jeweils zum Stichtag festgestellt werden, wie hoch der Anteil am ausgewiesenen Vermögen ist (vgl. WP Handbuch 1968, S. 104). Die finanzielle Verbindung muß nicht unbedingt zwischen der Obergesellschaft und jedem einzelnen Konzernunternehmen bestehen, es genügt, wenn mehr als die Hälfte der Anteile eines Unternehmens anderen Konzernunternehmen gehört. Das ist z. B. der Fall, wenn der Obergesellschaft 20 °/o und zwei Töchtern je weitere 20 °/o gehören oder wenn der Obergesellsdiaft überhaupt keine Anteile gehören, einer ihrer Töchter aber 60 °/o, und zwar auch dann, wenn die Obergesellsdiaft weniger als die Hälfte der Anteile der Tochtergesellschaft hat, auch wenn alle Anteile dieser Tochter einem anderen Unternehmen gehören, das zum Konzern gehört, ist die Voraussetzung erfüllt. Nicht Voraussetzung ist, daß alle Anteile des Unternehmens Konzernunternehmen gehören. Es ist möglich und auch in den Bestimmungen über die Konzernbilanz darauf Rücksicht genommen, daß Gesellschafter verbleiben, die nichts mit dem Konzern oder einem seiner Unternehmen zu tun haben. Auch hier läßt das Gesetz einen Spielraum. Es können bzw. müssen Unternehmen, die zu mehr als 50 %> Konzernunternehmen gehören, nicht in den Konzernabsdiluß einbezogen werden und es können, bzw. müssen Unternehmen einbezogen werden, die weniger als 50 °/o Konzernunternehmen gehören. Maßgebend ist hierfür: 2. Der Grundsatz der Klarheit und Ü her sichtlichkeit Anm. 6: Wenn die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage des Konzerns wegen der geringen Bedeutung eines Konzernunternehmens durch seine Nichteinbeziehung in den Konzernabsdiluß nicht beeinträchtigt wird, so kann die Einbeziehung unterbleiben. Sie muß unterbleiben, wenn sie den Aussagewert des Konzernabschlusses beeinträchtigen würde. Als Beispiel für den ersteren Fall kommen in Frage Kantinengesellschaften, rechtlich selbständige Erholungsheime und ähnliches; für den zweiten Fall selbständige Pensionseinrichtungen, obwohl diese mit Rücksicht auf ihre finanzielle Bedeu1815

§ § 329/330 Anm. 6

Rechnungslegung im Konzern

tung u. U. mit in den Konzernabschluß gehören. Das kann nur im Einzelfall entschieden werden. Irgendwelche allgemeingültige Abgrenzungen können nicht gegeben werden (ebenso Adler-Düring-Schmaltz Tz 79 ff.; a. A. teilweise Busse von Cölbe in Die AktGes. 1966, 274). Diese Entscheidung bedarf aber einer gewissen Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Deshalb muß im Konzerngeschäftsbericht nach § 334 I S. 4 in diesem Falle begründet werden, warum das Konzernunternehmen nicht in den Konzernabschluß einbezogen ist, außerdem sind nadi § 334 I S. 5 dem Konzerngeschäftsbericht die Abschlüsse dieser Unternehmen beizufügen, sofern es sich um Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien handelt. Auf der anderen Seite können Konzernunternehmen in den Konzernabschluß einbezogen werden, deren Anteile unter 50 °/o Konzernunternehmen gehören oder wenn es sich um Konzernunternehmen mit Sitz im Ausland handelt. Sie müssen einbezogen werden, wenn ihre Einbeziehung zu einer anderen Beurteilung der Vermögens- oder Ertragslage des Konzerns führt, allerdings mit einer Einschränkung, nämlich nur, wenn sie ihren Sitz im Inland haben. Ausländische Konzernunternehmen müssen niemals, sie können nur in den Konzernabschluß einbezogen werden.

§ 330 Aufstellung von Teilkonzernabschlüssen und Teilkonzerngeschäftsberichten (1) Stehen in einem Konzern die Konzernunternehmen unter der einheitlichen Leitung eines Unternehmens mit Sitz (Hauptniederlassung) im Inland, das nicht nach § 329 oder nach dem Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen einen Konzernabschluß aufzustellen hat, beherrsdit aber die Konzernleitung über eine oder mehrere zum Konzern gehörende Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellsdiaften auf Aktien mit Sitz im Inland andere Konzernunternehmen, so haben die Vorstände der Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien mit Sitz im Inland, die der Konzernleitung am nächsten stehen, je einen Teilkonzernabschluß und einen Teilkonzerngeschäftsbericht aufzustellen; dies gilt nicht, wenn diese Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellsdiaften auf Aktien in einen Telkonzernabsdiluß nach dem Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen einzubeziehen sind. Für den Teilkonzernabschluß und den Teilkonzerngesdiäftsbericht gelten §§ 329, 331 bis 338 sinngemäß. Die Aufstellung von TeilkonzernabschlQssen und Teilkonzerngesdiäftsberichten kann unterbleiben, wenn die Konzernleitung so Rechnung legt, wie eine Obergesellschaft nadi §§ 329, 331 bis 338 Rechnung zu legen hat. 1816

Teilkonzernabschlüsse und Teilkonzerngesdiäftsberichte

§ 330

Anm. 1

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt entsprechend, wenn die Konzernleitung ihren Sitz (Hauptniederlassung) im Ausland hat. Die Aufstellung von Teilkonzernabsdilüssen und Teilkonzerngesdiäftsberichten kann unterbleiben, wenn die Konzernleitung einen Konzernabschluß im Bundesanzeiger bekanntmacht, der nadi den Grundsätzen der §§ 331 bis 333 aufgestellt und von Wirtschaftsprüfern geprüft worden ist. I. Verpflichtung zur Aufstellung (Anm. 1)

II. Mehrere Teilkonzernabschlüsse (Anm. 2) III. Ausnahmen (Anm. 3)

I. Verpflichtung zur Aufstellung Anm. 1: Die Regelung in § 329, wonach dann, wenn die Konzernspitze eine ausländische Gesellschaft ist oder wenn sie eine Personengesellschaft ist, nicht verpflichtet ist, einen Konzernabschluß aufzustellen, wird teilweise durch die vorliegende Bestimmung ergänzt. Danach ist ein Teilkonzernabschluß und ein Teilkonzerngeschäftsbericht zu erstellen, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: 1. die Obergesellschaft darf nicht nach § 329 oder § 28 EG oder nach dem Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (sog. Publizitätsgesetz) verpflichtet sein, einen Konzernabsdiluß aufzustellen; 2. ein Konzernunternehmen müßte, wenn die Abhängigkeit zur Konzernleitung (oben Ziffer 1) nicht bestehen würde, eine Obergesellschaft nach § 329 oder § 28 EG sein können, und es darf nicht nach dem Publizitätsgesetz in einen Teilkonzernabschluß einbezogen sein; 3. die Konzernleitung (oben Ziffer 1) muß über die zu Ziffer 2 genannten Gesellschaften ein oder mehrere Unternehmen beherrschen. Das hat zur Folge, daß, wenn die Konzernleitung mehrere Konzernunternehmen, verschiedene Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien beherrscht, mehrere Teilkonzernabschlüsse aufgestellt werden müssen, und zwar jeweils von der Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gesellschaft, die der Konzernspitze am nächsten steht. Aus dem Wortlaut des § 330 ist nur zu entnehmen, daß die Bestimmung für Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien gilt. Aus § 28 EG ergibt sich jedoch weiterhin, daß sie auch dann gilt, wenn die Konzernspitze ihre Leitungsmacht über GmbH oder bergrechtliche Gewerkschaften als Konzernunternehmen auf Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien im Konzern ausübt (§ 28 II EG). In diesem Fall haben die zur Erstellung eines Konzernabschlusses verpflichteten GmbH oder bergrechtlichen Gewerkschaften wie eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft a. A. Rechnung zu legen unter Berücksichtigung des § 330. § 11 des Publizitäts1817

§ 330

Anm. 1,2

Rechnungslegung im Konzern

gesetzes hat für Großkonzerne die Pflicht zur Rechnungslegung auf leitende Konzernunternehmen ausgedehnt, die nicht die Rechtsform einer AG oder KGaA haben. Die gesetzlichen Vertreter dieser Gesellschaften können, wenn sie ihre Pflicht verletzen, aufgrund besonderer Bestimmungen des § 28 III EG vom Registergericht durch Ordnungsstrafen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen angehalten werden. Der Teilkonzernabschluß ist den Grundsätzen der §§ 331 bis 333 nach aufzustellen, der Teilkonzerngeschäftsbericht nach § 334 zu erstatten. Im übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 329 und 335 bis 338. II. Mehrere Teilkonzernabschlüsse Anm. 2: Das Gesetz geht davon aus, daß mehrere Teilkonzernabschlüsse u. U. erstellt werden müssen. Es spricht ausdrücklich davon, daß die Konzernleitung über eine oder mehrere zum Konzern gehörende Gesellschaften die Beherrschung ausüben und spricht davon, daß die der Konzernspitze am nächsten stehenden Gesellschaften je einen Teilkonzernabschluß aufzustellen haben. Das kann zu praktischen Schwierigkeiten führen. Es ist nicht immer klar, ob die Konzernleitung über das eine oder über das andere Unternehmen den beherrschenden Einfluß ausübt, endlich kann sie ihn auch unmittelbar ausüben. Es erhebt sich die Frage, welche Unternehmen in diesen Fällen in den Teilkonzernabschluß jeweils einzubeziehen sind. Der Fall liegt einfach, wenn eine Konzernleitung, die ihren Sitz z. B. im Ausland hat, über eine Aktiengesellschaft im Inland auf alle Konzernunternehmen im Inland, gleichgültig welcher Rechtsform, die Beherrschung ausübt. Wenn aber eine Holding im Ausland ihren Sitz hat und über die Aktiengesellschaft A mit Sitz im Inland einen Teil, über die Gesellschaft B mit Sitz im Inland einen weiteren Teil und eine Anzahl Unternehmen, von denen keines in der Form einer Kapitalgesellschaft oder bergrechtlichen Gewerkschaft betrieben wird, unmittelbar beherrscht, so ist zunächst einmal die Frage, ob diese zuletzt genannte Gruppe in den Konzernabschluß einzubeziehen ist. Zweck der Bestimmung des § 330 ist, die sich aus § 329 I ergebende Lücke auszufüllen. Das hat zur Folge, daß das nach § 330 zur Erstellung eines Teilkonzernabschlusses verpflichtete Unternehmen die Unternehmen miteinzubeziehen hat, die mit dem den Abschluß aufstellenden Unternehmen konzernverbunden sind, nicht aber daß dieses Unternehmen an Stelle der Konzernleitung tritt und demgemäß einen Konzernabschluß über den gesamten Konzern aufzustellen hätte. Insoweit wird die in der Vorauflage vertretene Ansicht aufgehoben und der herrschenden Ansicht gefolgt (vgl. B.-H. Rn. 7; Adler-Düring-Schmaltz § 329 Tz 75). Das Unternehmen A, bei dem unterstellt wird, daß es eine Aktiengesellschaft ist, hat in einen Teilkonzernabschluß die Unternehmen einzubeziehen, die die Konzernleitung 1818

Teilkonzernabsdilüsse und Teilkonzerngeschäftsberichte

§ 330

Anm. 2,3

über die Aktiengesellschaft A beherrscht. Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz. Es kann hier vorkommen, daß die Konzernspitze nicht nur über das Unternehmen A, sondern audi über das Unternehmen B Einfluß auf ein Konzernunternehmen nimmt. Dann kommt es zunächst einmal darauf an, welche der beiden Unternehmen der Konzernspitze am nächsten steht, im vorliegenden Beispiel stehen sie gleich nahe. Hier müßte dann das betreffende Unternehmen in beide Teilkonzernabschlüsse aufgenommen werden mit entsprechendem „Ausgleichsposten für Anteile im Fremdbesitz" in der Konzernbilanz und mit einem Posten „konzernfremden Gesellschaftern zustehende Gewinne" in der Gewinn- und Verlustrechnung. Ob die Bezeichnung dann noch richtig ist, wenn das Unternehmen zu 50 °/o im Besitz der Gesellschaft A, zu 50 % im Besitz der Gesellschaft B ist, ist eine andere Frage. Man müßte dann wohl eine andere Bezeichnung wählen, denn es handelt sich nidit um „Fremdbesitz" im Sinne des Konzerns, sondern nur um einen notwendigen Ausgleichsposten in den beiden Teilkonzernbilanzen bzw. Gewinn- und Verlustrechnungen. Unternehmen, die von der zur Erstellung eines Konzernabschlusses nicht verpflichteten Konzernspitze unmittelbar beherrscht werden und wegen NichtVorliegens der Voraussetzungen des § 330 auch nicht zur Erstellung eines Teilkonzernabschlusses verpflichtet sind, müssen weder in dem Teilkonzernabschluß der Aktiengesellschaft A nodi in dem des Unternehmens B aufgenommen werden. Es ist auch nidit erforderlich, daß in den jeweiligen Teilkonzerngeschäftsberichten in irgendeiner Form auf diese Unternehmen eingegangen wird (abweichend die Vorauflage). III. Ausnahmen Anm. 3: Die Aufstellung von Teilkonzernabschlüssen kann dann unterbleiben, wenn die Konzernspitze freiwillig einen Konzernabsdiluß aufstellt. Handelt es sich um eine Personengesellschaft im Inland, so muß sie einen Abschluß aufstellen, wie dies für eine Aktiengesellschaft vorgeschrieben ist und dabei die §§ 331 bis 333 berücksichtigen. Sie hat einen Konzerngeschäftsbericht nach § 334 zu erstellen. Im übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 329, 331 bis 338. Ist die Konzernleitung eine Gesellschaft mit dem Sitz im Ausland, so gelten die vorstehenden Bestimmungen entsprechend, mit der wichtigen Abweichung, daß ein Konzerngeschäftsbericht in diesem Falle nidit gefordert wird, denn es heißt, daß die Aufstellung von Teilkonzernabschlüssen unterbleiben kann, wenn die Konzernleitung einen Konzernabschluß im Bundesanzeiger bekanntmacht. Von einem Konzerngeschäftsbericht ist deshalb nicht die Rede, weil dieser hauptsächlich zur Unterrichtung der Aktionäre der 1819

§§ 330/331

Anm. 3

Rechnungslegung im Konzern

ausländischen Obergesellschaft bestimmt wäre (so Regierungsbegründung). Weitere Voraussetzung ist, daß der Konzernabschluß nach den Grundsätzen der §§ 331 bis 33 aufgestellt und von einem Wirtschaftsprüfer geprüft worden ist. Unter Wirtschaftsprüfer versteht das Gesetz hier nicht nur deutsche Wirtschaftsprüfer, sondern auch ihnen gleichstehende ausländische Wirtschaftsprüfer (so Regierungsbegründung).

§ 331 Konzernbilanz (1) In der Konzernbilanz sind die auf den Stichtag des Konzernabschlusses aufgestellten Bilanzen der Obergesellschaft und der übrigen einbezogenen Unternehmen nach folgenden Grundsätzen zusammenzufassen: 1. An die Stelle der Anteile an den übrigen einbezogenen Unternehmen treten die Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die Sonderposten mit Rücklageanteil, Rückstellungen, Wertberichtigungen und Rechnungsabgrenzungsposten aus den Bilanzen dieser Unternehmen, und zwar, soweit nicht nach Absatz 2 ein niedrigerer Wert einzusetzen ist, mit den in diesen Bilanzen eingesetzten Werten; 2. für Anteile konzernfremder Gesellschafter an den übrigen einbezogenen Unternehmen ist in Höhe ihres Anteils an Kapital, offenen Rücklagen, Gewinn und Verlust ein „Ausgleichsposten für Anteile in Fremdbesitz" gesondert auszuweisen; der auf Gewinn und der auf Verlust entfallende Betrag ist gesondert anzugeben; 3. sind die Wertansätze der Anteile an den übrigen einbezogenen Unternehmen höher oder niedriger als der auf die Anteile entfallende Betrag des Kapitals und der offenen Rüdklagen der Unternehmen, so ist der Untersdiiedsbetrag gesondert auszuweisen; 4. Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen sind wegzulassen. (2) Am Stichtag des Konzernabsdilusses bei einem einbezogenen Unternehmen vorhandene Vermögensgegenstände, die ganz oder teilweise Lieferungen oder Leistungen anderer einbezogener Unternehmen darstellen, dürfen, wenn sie 1. ohne oder nach Bearbeitung oder Verarbeitung zur Weiterveräußerung bestimmt sind oder 2. außerhalb des üblichen Lieferungs- und Leistungsverkehrs erworben wurden, in der Konzernbilanz höchstens zu dem Wert angesetzt werden, zu dem sie, wenn die einbezogenen Unternehmen auch rechtlich ein einziges Unter1820

Konzernbilanz

§331

Anm. 1

nehmen bilden würden, in der auf den gleichen Stichtag aufgestellten Jahresbilanz dieses Unternehmens höchstens angesetzt werden dürften. (3) Die in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen sollen denselben Abschlußstichtag haben. Weicht der Stichtag des Jahresabschlusses eines einbezogenen Unternehmens von dem Stichtag des Konzernabschlusses ab, so ist ein Abschluß zugrunde zu legen, der auf den Stichtag des Konzernabsdilusses für den Zeitraum aufgestellt ist, auf den sich der Konzernabschluß erstreckt. Der Abschluß bedarf, wenn ein Aufsichtsrat vorgesehen ist, seiner Billigung. (4) Auf die Konzernbilanz sind, soweit ihre Eigenart keine Abweichung bedingt, §§ 149,151 Abs. 1 bis 3, 5, § 152 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 3, 5, 7 bis 9 anzuwenden. Die Vorräte können in einem Posten ausgewiesen werden. I. Übersicht (Anm. 1) II. Die Aufstellung der Konzernbilanz 1. Aufnahme der Aktiven und Passiven (Anm. 2) 2 Ausgleichsposten für Anteile in Fremdbesitz (Anm. 3) 3. Unterschied zwischen Buchwert und Bilanzwert (Anm. 4)

4. Forderungen und Verbindlichkeiten (Anm. 5) III. Ausschaltung der Zwisdiengewinne (Anm. 6) IV. Stichtag (Anm. 7) V. Anzuwendende Vorschriften (Anm. 8)

I. Übersicht Anm. 1: Ausgangspunkt der gesetzlichen Bestimmungen ist der Jahresabschluß der Obergesellsdiaft. Er ist grundsätzlich audi der Stichtag des Konzernabschlusses (vgl. im einzelnen § 329 Anm. 3). Die Konzernbilanz ist eine sogenannte konsolidierte Bilanz, in der die Bilanzen der Obergesellsdiaft und der übrigen einbezogenen Unternehmen zusammengefaßt sind. Die Unternehmen werden also so behandelt, als ob sie rechtlich ein einheitliches Unternehmen bilden würden (vgl. Peupelmann in DB 65, 1751). Die Konzernbilanz enthält zunächst einmal alle Aktiven und Passiven der Obergesellschaft, wie dies für jeden Jahresabschluß einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien zu gelten hat. Wenn nach § 28 EG die Obergesellschaft eine GmbH oder eine bergrechtliche Gewerkschaft ist, die eine Konzernbilanz aufzustellen hat, so gilt für sie der § 331 sinngemäß, was nicht bedeutet, daß alle Bestimmungen über die Rechnungslegung einer Aktiengesellschaft nunmehr auf eine solche GmbH oder bergrechtliche Gewerkschaft zur Anwendung zu gelangen hätten. Immerhin müssen sie insoweit auf den eigenen Jahresabschluß angewandt werden, als die Möglichkeit geschaffen werden muß, den Bestimmungen des § 331 zu entsprechen. 1821

§331

Anm. 2

Rechnungslegung im Konzern

II. Die Aufstellung der Konzernbilanz 1. Aufnahme der Aktiven und Passiven Anm. 2: Abs. 1 Nr. 1 schreibt zunächst vor, daß an Stelle der Beteiligungen an den übrigen einbezogenen Unternehmen deren Aktiva und Passiva zu setzen sind. Ist die Obergesellschaft eine Aktiengesellschaft, so hat sie in ihrem Jahresabschluß nach den Gliederungsvorschriften des § 151 I auf der Aktivseite unter II B Posten 1 den Posten „Beteiligungen" auszuweisen. Das können Beteiligungen an einbezogenen und nicht einbezogenen Unternehmen sein. Soweit es sich um nicht einbezogene Unternehmen handelt, bleibt es bei den Wertansätzen. Soweit es sich um einbezogene handelt, fallen die Beträge hier weg, an ihre Stelle treten die aufzuführenden Aktiven und Passiven des einbezogenen Unternehmens. Das ist verhältnismäßig einfach, wenn die Obergesellschaft unmittelbar an dem einbezogenen Unternehmen beteiligt ist. Das braucht aber nicht zu sein, vielmehr sind auch solche Unternehmen einzubeziehen, an denen die Obergesellschaft überhaupt nicht unmittelbar beteiligt ist, denn nach § 329 I I kommt es darauf an, daß mehr als die Hälfte der Anteile Konzernunternehmen und nicht etwa der Obergesellschaft gehören. Die sogenannten Enkel sind ebenso einzubeziehen, wie die Töchter (ebenso B.-H. Rn. 5; Busse von Cölbe in Die AktGes. 1966, 315). Das kann aber auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen. Verhältnismäßig einfach liegen die Dinge, wenn die Obergesellschaft A 60 °/o der Anteile des Unternehmens B und hat dieses wiederum 6 0 % von C. Dann ist in die Konzernbilanz an Stelle der im Jahresabschluß der Gesellschaft A unter Beteiligungen stehenden Unternehmens B dessen Aktiva und Passiva aufzunehmen. Im Jahresabschluß von B steht unter Beteiligungen die an dem Unternehmen C. Auch hier ist an Stelle des entsprechenden Betrages der Beteiligungen das Vermögen der Gesellschaft C mit Aktiven und Passiven aufzuführen und damit in die konsolidierte Konzernbilanz zu übernehmen. Sehr viel schwieriger wird es aber, wenn A unverändert an B mit 60 % , aber mit 20 o/o an C und B mit 40 % an C beteiligt ist. Auch dann ist das Unternehmen C in die Konzernbilanz einzubeziehen und mit seinen Aktiven und Passiven auszuweisen. Man kann sich noch sehr viel kompliziertere Formen der Kapitalverflechtung vorstellen. In einem stark verschachtelten Konzern vollzieht sich die Konsolidierung deshalb möglicherweise in mehreren Stufen. Der endgültigen Konsolidierung durch die Obergesellschaft geht eine Vorkonsolidierung einzelner Gruppen von Konzernunternehmen voraus. Dabei beginnt man mit den Konzernmitgliedern, die kapitalmäßig am weitesten von der Obergesellsdiaft entfernt liegen (Mellerowicz in Beiträgen zur Aktienrechtsreform 1959, S. 235). Einzusetzen sind alle Aktiven und Passiven aus den Einzelbilanzen, und zwar grundsätzlich mit den dort angesetzten Werten. Das Gesetz zählt be1822

Konzernbilanz

§331

Anm. 2,3 sonders auf: den Sonderposten mit Rücklageanteil (vgl. § 152 Anm. 5; vgl. auch Busse von Cölbe in Die AktGes. 66, 308; Heine in WP 1967, 147), Rückstellungen (vgl. § 151 Anm. 36), Wertberichtigungen (vgl. § 151 Anm. 35) und Rechnungsabgrenzungsposten (vgl. §151 Anm. 44). Das gilt für die Gegenstände des Anlagevermögens uneingeschränkt, für die des Umlaufvermögens mit der Maßgabe, daß nadi der Bestimmung des Abs. 2 die sogenannten Zwischengewinne, die durch Lieferungen und Leistungen zwischen Konzernunternehmen bestehen, auszuschalten sind. Eine besondere Behandlung erfahren eigene Aktien der einbezogenen Unternehmen. Solche der Obergesellschaft werden in der Konzernbilanz unverändert als eigene Aktien ausgewiesen. Auch Beteiligungen der übrigen einbezogenen Unternehmen an der Obergesellschaft sind, da der Konzern rechtlich als ein einheitliches Unternehmen dargestellt werden soll, als eigene Aktien auszuweisen (ebenso von Wysocki in WP 66, 285; B.-H. Rn. 7; Busse von Cölbe in Die AktGes. 66, 312; a . A . Peupelmann in DB 1965, 1786). Eigene Aktien der einbezogenen Unternehmen sind mit ihrem Buchwert den Beteiligungen zuzurechnen, die die Obergesellschaft an den einbezogenen Unternehmen hat, und sind nach I Nr. 3 bei der Ermittlung des Kapitalaufrechnungsbetrages zu berücksichtigen (ebenso Heine in WP 1967, 147; a. A. von Wysocki in WP 1966, 284). Die in Abs. 1 Nr. 1 aufgeführten Bilanzposten sind mit den Werten anzusetzen, mit denen sie in den einzelnen Bilanzen enthalten sind, auch wenn diese zulässigerweise nicht den Vorschriften der §§ 153 ff. entsprechen, insbesondere, wenn es sich nicht um eine AG handelt (vgl. Peupelmann in DB 65, 1786). Daraus folgt, daß eine GmbH oder bergrechtliche Gewerkschaft, einen Jahresabschluß nicht nach aktienrechtlichen Bewertungsvorschriften erstellen muß, auch wenn sie gemäß § 28 I oder II EG einen Konzernabschluß aufstellen muß (ebenso B.-H. Rn. 4; a. A. Gutbrod in GmbHR 66, 87). 2. Ausgleichsposten für Anteile in Fremdbesitz Anm. 3: Durch die Aufnahme der gesamten Aktiven und Passiven eines einbezogenen Unternehmens in die Konzernbilanz würde dann ein falsches Bild entstehen, wenn das Unternehmen nicht voll Konzernunternehmen gehört, denn es würde dann mehr ausgewiesen als tatsächlich im Konzern bisher an zusammengerechneten Beteiligungswerten überhaupt vorhanden war. Es muß deshalb ein Gegenposten geschaffen werden, in dem die Beteiligung von konzernfremden Gesellschaftern zum Ausdrude kommt. Diese haben Anspruch auf den Teil des Gesamtvermögens des einbezogenen Konzernunternehmens, der der Höhe ihrer Anteile entspricht. Die Berechnung des Betrages, der als Gegenposten einzusetzen ist, hat in der Weise zu erfolgen, daß die von den in der Jahresbilanz der betroffenen Unternehmen ausgewiesenen Beträge für Kapital und offene Rüdciagen — darunter sind sowohl die 1823

§ 331 Anm. 3 , 4

Rechnungslegung im Konzern

gesetzlichen Rücklagen wie freie Rücklagen zu verstehen — zusammenzuzählen sind. Ein etwaiger Gewinn ist dazuzuzählen, ein etwaiger Verlust abzuziehen. Alsdann ist der Prozentsatz aller Anteile konzernfremder Gesellschafter am Gesamtunternehmen festzustellen, und der sich ergebende Prozentsatz ist von dem errechneten Betrag zu nehmen und als Ausgleichsposten einzustellen. Hat ein Unternehmen mit einem Kapital von 1 Million DM eine gesetzliche Rücklage von 100 000,— DM und eine freie Rücklage von 200 000,— DM und weist es in seinem Jahresabschluß einen Gewinn von 100 000,— DM aus und sind 20 % der Gesellschafter konzernfremd, so ist in dem Ausgleichsposten ein Betrag von nur 280 000,— DM einzustellen. Dabei ist anzugeben, daß ein Betrag von 20 000,— DM auf den Gewinn entfällt, denn das Gesetz bestimmt ausdrücklich, daß der auf dem Gewinn oder Verlust entfallende Betrag gesondert anzugeben ist, da der Anteil kon zernfremder Gesellschafter am Gewinn für die Beurteilung der Liquidität von Bedeutung sein kann. 3. Unterschied zwischen Buchwert und Bilanzwert Anm. 4: Da bei der Konzernbilanz die Aktiven und Passiven des einbezogenen Unternehmens nach dem Wert des Jahresabschlusses dieses Unternehmens an Stelle des Buchwertes des Postens Beteiligung in der Obergesellschaft treten, kann sich eine Differenz ergeben, die nicht über die Gewinnund Verlustredinung ausgeglichen werden darf. Sie ist vielmehr bei einem gesondert auszuweisenden Untersdiiedsbetrag entweder in die Aktiv- oder in die Passivseite der Konzernbilanz einzustellen (B.-H. Rn. 11; Busse von Cölbe in Die AktGes. 1966, 312 ff.). In der Regierungsbegründung wird darauf hingewiesen, daß dieser Posten verschiedene Ursachen haben kann, die seinen jeweiligen bilanzmäßigen Charakter bestimmen. Wir halten die sich anschließende Erörterung über diese Frage, die teilweise auch schon in der Literatur ihren Niederschlag gefunden hat (so teilweise kritisch zu den Ausführungen in der Regierungsbegründung Mellerowicz in Großkomm. § 134 AktG. 37 Anm. 16), deshalb für die Praxis von geringer Bedeutung, da es sidi im Grunde bei diesem Betrag lediglich um einen Ausgleichsposten handelt, zumal da mangels eines ausdrücklichen Aufrechnungsverbots die verschiedenen Unterschiedsbeträge, die bei der Einbeziehung verschiedener Konzernunternehmen auf der Aktivseite und der Passivseite entstehen können, auch nach der Regierungsbegründung nicht nur jeweils auf der Aktiv- und der Passivseite in einem Posten zusammengefaßt, sondern auch eine Verrechnung zwischen den Unterschiedsbeträauf der Aktiv- und Passivseite zulässig ist. Dadurch kommt diesen Posten irgendein Aussagewert in bezug auf die Konzernbilanz überhaupt nicht zu, sie verhindern nur, daß der Unterschiedsbetrag in die Gewinn- und Verlustrechnung eingeht. 1824

Konzernbilanz

§331 Anm. 4,5

Wichtiger erscheint uns, daß die Bezeichnung des Postens, der nach Zusammenziehung und Aufrechnung übrigbleibt, erkennen läßt, um was es sich handelt. Soweit er auf der Passivseite auftritt, ist er bisher vielfach als Konsolidierungsrücklage bezeichnet worden. Dagegen wird nichts einzuwenden sein. Tritt er auf der Aktivseite auf, ist diese Bezeichnung nicht möglich. Uns scheint eine Bezeichnung wie „Ausgleichsbetrag für Beteiligungen" geeignet, weil er auf der einen Seite das bezeichnet, um was es sich handelt, und andererseits so allgemein gefaßt ist, daß er sowohl, wenn er auf der Aktivseite auftritt, wie auch dann, wenn er auf der Passivseite einzusetzen ist, gebraucht werden kann. Busse von Cölbe (in Die AktGes. 1966, 308) bezeichnet den Posten als „Kapitalaufredinungsbetrag". Die Konzernabschlußprüfer werden darauf zu achten haben, daß keine irreführenden Bezeichnungen verwendet werden. Im übrigen wird dadurch etwas Licht in die an sich dunkle Sache gebracht werden, daß nach § 334 III Nr. 1 die Ursachen und der bilanzmäßige Charakter eines ausgewiesenen Unterschiedsbetrages anzugeben sind. 4. Forderungen und Verbindlichkeiten Anm. 5: Forderungen und Verbindlichkeiten, die zwischen Unternehmen bestehen, die in den Konzernabschluß einbezogen sind, dürfen nicht in der Konzernbilanz aufgeführt werden; das ergibt sich aus dem Grundsatz der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns. Das Gesetz sagt nichts darüber, wie die sich bei einer derartigen Aufrechnung möglicherweise ergebenden Differenzen zwischen den entsprechenden Aktiv- und Passivposten behandelt werden sollen. Unterschiede können entstehen bei Forderungen, deren Rückzahlungsbetrag höher ist als der Ausgabebetrag. Der Konzerngewinn wird gegenüber den Gewinnen der Einzelbilanzen durdi diesen Unterschied in vollem Umfange erhöht (ebenso B.-H. Rn. 13; Schulze in DB 67, 1577; a. A. Busse von Cölbe in Die AktGes. 66, 315 f.). Ferner entsteht eine Differenz, wenn Forderungen gegen einbezogene Konzernunternehmen zu einem niedrigeren Betrag als dem Rückzahlungsbetrag erworben werden. Die Differenz zwischen den Anschaffungskosten und dem Rückzahlungsbetrag ist so lange gewinnerhöhend zu berücksichtigen, wie sie besteht (ebenso B.-H. Rn. 14; Schulze in DB 67, 1577; a. A. Busse von Cölbe in die AktGes. 66, 316). Ferner entstehen Differenzen aus der Bildung einer Pauschalwertberichtigung zu Forderungen. Diese sind sowohl im Jahr ihrer Entstehung als auch in späteren Jahren gewinnerhöhend aufzulösen, da sie die Bilanzgewinne dieser Jahresabschlüsse mindern (ebenso B.-H. Rn. 15; Schulze in DB 1967, 1577; a. A. von Wysocki in WP 1966, 287). 1825

§331

Rechnungslegung im Konzern

Anm. 6

III. Ausschaltung der Zwischengewinne Anm. 6: Wenn die Konzernbilanz etwas anderes sein soll als die Addition der Bilanzposten der einbezogenen Unternehmen, so muß sie neben dem Weglassen von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den im Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen vor allem die Zwischengewinne ausschalten, die aus Leistungen und Lieferungen zwischen Konzernunternehmen entstanden sind. Das geschieht dadurch, daß die Vermögensgegenstände, die ganz oder teilweise durch Lieferung oder Leistung eines einbezogenen Unternehmens entstanden sind, höchstens zum Herstellungswert angesetzt werden dürfen (§ 153 I und § 155 I). Gehören die Gegenstände zum Umlaufvermögen, so ist das Niederstwertprinzip § 155 II zu beachten. Es fällt auf, daß hier von einer Höchstbewertung die Rede ist, obwohl in den neuen Bewertungsvorschriften der §§ 153 bis 156 dieses Prinzip insofern aufgegeben ist, als es zwar eine Höchstgrenze nach wie vor gibt, aber der Wertansatz nicht beliebig tief erfolgen darf, sondern vielmehr nach den ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen in Verbindung mit den gewählten Bewertungs- und Abschreibungsmethoden, die einer ordnungsgemäßen Buchhaltung entsprechen müssen. Das ist hier jedoch deshalb unerheblich, weil der Konzernabschluß keine Unterlage für irgendeinen Gewinnverwendungsbeschluß ist. Die in die Konzernbilanz einzusetzenden Werte müssen nicht identisch sein mit denen, die in dem Jahresabschluß der Obergesellschaft einzusetzen sind. Insoweit wird die bisherige Praxis, den gleichen Gewinn beim Jahresabschluß der Obergesellschaft wie im Konzernabschluß auszuweisen, sich dem neuen Recht anpassen müssen (vgl. Rasch S. 170). Für den Jahresabschluß der Obergesellschaft gelten die Bewertungsvorschriften der §§ 153 bis 156. Für die Bewertung in der Konzernbilanz kommt es auf die Ausschaltung eines Zwischengewinnes an; hier genügt also die Festsetzung eines Höchstwertes. Gegen die Ausschaltung der Zwischengewinne ist neben einer Reihe von grundsätzlichen Einwendungen, die in der Regierungsbegründung eingehend behandelt werden, die aber jetzt, nachdem die Entscheidung im Sinne der Ausschaltung der Zwischengewinne gefallen ist, nicht mehr interessieren, hervorgehoben worden, daß es praktisch zu schwierig sei, die Zwischengewinne herauszunehmen. Aus diesem Grunde hat man dem bis zu einem gewissen Grade Rechnung getragen, indem man zwei Ausnahmen zugelassen hat. Wenn die Zwisdiengewinne aus Lieferungen und Leistungen entstanden sind, die für Gegenstände des Anlagevermögens eines anderen einbezogenen Unternehmens gemacht wurden und innerhalb des üblichen Lieferungs- und Leistungsverkehrs erfolgten, brauchen sie nicht ausgeschaltet zu werden, vielmehr kann das Unternehmen diese Gegenstände zum Anschaffungswert in seine Bilanz einsetzen. Dieser Anschaffungswert enthält den Gewinn, den das liefernde Unternehmen gemacht hat. Diese Ausnahme ist vor allem deshalb 1826

Konzernbilanz

§331

Anm. 6,7

gemacht worden, weil nach dem Urteil der Sachverständigen die Ausschaltung der Zwischengewinne aus dem Anlagevermögen mit besonders großen praktischen Schwierigkeiten verbunden wäre. Die Ausnahme ist audi tragbar, weil sie. keinen besonders großen Teil der Zwischengewinne ausmachen wird und weil der in Betracht kommende Vorgang noch am ehesten als marktentsprechend angesehen werden kann, da unübliche Lieferungen und Leistungen nach ausdrücklicher Vorschrift nicht unter die Ausnahme fallen (s. Abs. 2 Nr. 2). Dagegen kann auf die Ausschaltung des Zwischengewinnes dann nicht verzichtet werden, wenn es sich um Gegenstände des Umlaufvermögens handelt (Abs. 2 N r . 1), die ganz oder teilweise Lieferungen oder Leistungen anderer einbezogener Unternehmen darstellen, weil sich diese Geschäftsvorgänge nach anderen wirtschaftlichen Grundsätzen innerhalb eines Konzerns vollziehen, als zwischen wirtschaftlich selbständigen Unternehmen. Insbesondere bestimmt sich der Preis nicht nach Angebot und Nachfrage auf dem freien Markt, sondern er ergibt sich aus den Bedürfnissen des Konzerns selbst und wird vielfach von der Konzernspitze bestimmt. Es ist gegen die Ausschaltung der Zwischengewinne geltend gemacht worden, daß dadurch die in den Einzelbilanzen ausgewiesenen Gewinne der Konzernunternehmen aufgezehrt würden. Daran ist richtig, daß bei Ausschaltung der Gewinne aus der Konzernbilanz sich ein im Vergleich zu den Einzelgewinnen niedrigerer Konzerngewinn ergeben kann. Es ist aber gerade der Sinn einer Rechnungslegung innerhalb des Konzerns festzustellen, wie dessen Gesamtlage ist, und es ist durchaus gesund, wenn daraus im Einzelfall der Schluß gezogen werden kann, daß mit der Ausschüttung der bei den Einzelunternehmen erzielten Gewinne Vorsicht geübt werden muß. Entscheidend ist, daß rechtlich für die Gesellschaft oder Einzelunternehmen immer nur der Jahresabschluß der Einzelunternehmen maßgebend ist, auch für die Obergesellschaft. Der den Gesellschaftern der einzelnen Gesellschaft zur Verfügung gestellte Bilanzgewinn wird durch den Konzernabschluß rechtlich nicht berührt, es bleibt den Gesellschaftern der einzelnen Gesellschaften überlassen, über den Gewinn ihrer Gesellschaft zu verfügen. IV. Stichtag Anm. 7: Das Gesetz spricht von der Obergesellschaft und den übrigen einbezogenen Unternehmen. Auch deren Bilanzen sind für die Konzernbilanz maßgebend; die vom Gesetz vorgeschriebene Zusammenfassung aller Bilanzen ist nur möglich, wenn sie den gleichen Stichtag haben. Deshalb sollen die im Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen denselben Abschlußstichtag haben. Weicht der Stichtag des Jahresabschlusses eines einbezogenen Unternehmens von dem des Konzernabschlusses ab, so 1827

§ 331

Anm. 7,8

Rechnungslegung im Konzern

muß es einen weiteren Abschluß zum Stichtag des Konzernabschlusses aufstellen. Anstelle des Jahresabschlusses wird alsdann dieser Abschluß zur Grundlage des Konzernabschlusses. Da es sich hier von dem betreffenden Konzernunternehmen aus gesehen nicht um einen Jahresabschluß handelt, finden, wenn es sich um eine Aktiengesellschaft handelt, auf ihn die Bestimmungen über einen Jahresabschluß keine Anwendung. Er ist nicht durdi Abschlußprüfer zu prüfen, wohl aber haben nach § 336 I I I die Konzernabschlußprüfer die Verpflichtung, einen solchen Abschluß darauf zu prüfen, ob er den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entspricht. Ist er von einer Gesellschaft aufgestellt, die einen Aufsichtsrat hat, so bedarf er der Billigung des Aufsichtsrats (Abs. 3). Zur Frage, warum man davon abgesehen hat, gesetzlich vorzuschreiben, daß alle in einen Konzernabschluß einzubeziehenden Konzernunternehmen am gleichen Stichtag zu bilanzieren haben, vgl. Vorbem. zu §§ 329 bis 338. V. Anzuwendende Vorschriften Anm. 8: Obwohl es sich im Grunde genommen schon daraus ergibt, daß sich die Konzernbilanz auf die Grundlage der Jahresbilanz der Obergesellsdiaft aufbaut, wird in Abs. 4 ausdrücklich hervorgehoben, daß auf die Konzernbilanz die Bestimmungen des Aktiengesetzes für die Jahresbilanz im wesentlichen anzuwenden sind, insbesondere auch die Gliederungsvorschrift des § 151 I. Dies allerdings mit einer wichtigen Ausnahme: die Vorräte braudien nicht aufgegliedert zu werden. Sie können in einer Zahl ausgewiesen werden, weil die in den Einzelbilanzen vorgenommene Gliederung der Vorräte für den Konzern als wirtschaftliche Einheit meist nicht zutreffend sein wird. Anzuwenden sind ferner § 151 Abs. 2 und 3, wonadi Posten der Gliederung nicht aufzuführen sind, wenn keine Gegenstände vorhanden sind, die darunterfallen, und daß, wenn Gegenstände unter mehrere Posten fallen, bei dem Posten, unter dem sie ausgewiesen werden, die Mitzugehörigkeit zu einem anderen Posten zu vermerken ist. Unter Abs. 3 fällt auch die Bestimmung der Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen, die in der Regel als solche auszuweisen sind. Ferner wird § 151 V für anwendbar erklärt; das sind die sogenannten Bilanzvermerke (vgl. hierzu § 151 Anm. 48). Bei diesen muß bei Aufstellung der Konzernbilanz beaditet werden, daß auch hier nicht einfach die Haftungsvermerke der einzelnen in den Konzernabschluß aufgenommenen Gesellschaften zusammengerechnet werden können. Das würde dem Gedanken der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns widersprechen. Es müssen deshalb alle Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnisse, die ausschließlich zwischen dem in die Konzernbilanz aufgenommenen Unternehmen bestehen, herausgenommen werden. Das sind nicht unbedingt die Verbindlichkeiten oder die Haftungen gegenüber verbundenen Unternehmen, die schon nach 182S

Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung

§ § 331 / 3 3 2 Anm. 8

§ 1 5 1 V besonders zu vermerken sind, sondern nur diejenigen zwischen Unternehmen, die in die Konzernbilanz aufgenommen sind. Das müssen alle verbundenen Unternehmen sein. Es sind mithin nur Bilanzvermerke in die Konzernbilanz aufzunehmen, die sich aus Rechtsverhältnissen zu Unternehmen ergeben, die nicht in die Konzernbilanz eingeschlossen sind (siehe im einzelnen Haegert in WP 1966, 501 ff.). Nicht in Bezug genommen sind die Vorschriften des § 151 IV, § 152 I S. 2, IV und VI. Diese Vorschriften befassen sich mit den Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rückstellungen und offenen Rücklagen. Für sie enthält § 331 Sonderbestimmungen. Für die anzuwendenden Bestimmungen gilt die allgemeine Einschränkung, daß sie auf die Konzernbilanzen nur so weit anzuwenden sind, als ihre Eigenart keine Abweichung bedingt. Daneben bleiben die sich aus den für anwendbar erklärten Bestimmungen selbst ergebenden Einschränkungen wirksam, so die des § 151 III, nach der die gesetzliche Gliederung nur so weit gilt, wie der Geschäftszweig keine abweichende Gliederung bedingt. Das bedeutet hier, daß der Geschäftszweig vom einbezogenen Unternehmen eine abweichende Gliederung bedingen kann. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Konzernunternehmen ihren Jahresabschluß nach bestimmten Formblättern aufzustellen haben. Zwar wird nicht ausdrücklich vorgeschrieben, daß alsdann die Konzernbilanz unter Zugrundelegung dieser Formblätter aufzustellen ist. Praktisch wird es dennoch meist darauf hinauslaufen, insbesondere, wenn die Obergesellschaft verpflichtet ist, ihren Jahresabschluß nach einem Formblatt aufzustellen. Dabei ist § 161 II sinngemäß anzuwenden. Das bedeutet hier, daß, wenn einbezogene Gesellschaften nach verschiedenen Vorschriften ihre Bilanz zu gliedern haben, die Konzernbilanz so aufzustellen ist, daß alle Gliederungsvorschriften beachtet sind (über die vorhandenen Bestimmungen über Formblätter, ihre Fortgeltung nach § 17 II E G vgl. § 161 und Anmerkungen dort). Auch für die Konzernbilanz gilt als oberster Grundsatz der des § 149, daß sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu entsprechen hat und so klar und übersichtlich aufzustellen ist, daß sie einen möglichst sicheren Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft gewährt.

§ 332 Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung (1) In der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung sind die auf den Stichtag des Konzernabschlusses aufgestellten Gewinn- und Verlustrechnungen der Obergesellsdiaft und der übrigen einbezogenen Unternehmen nach folgenden Grundsätzen zusammenzufassen: 1829

§332 Anm. 1

Rechnungslegung im Konzern

1. Bei den Umsatzerlösen sind die Erlöse aus Lieferungen und Leistungen zwischen den in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen (Innenumsatzerlöse) getrennt von den Außenumsatzerlösen auszuweisen, wenn sie nicht mit den auf sie entfallenden Aufwendungen der Empfänger der Lieferungen und Leistungen verrechnet oder als Bestandsänderungen oder als andere aktivierte Eigenleistungen ausgewiesen werden; 2. andere Erträge aus Leistungen zwischen den in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen sind mit den auf sie entfallenden Aufwendungen der Empfänger der Leistungen zu verrechnen. (2) § 331 Abs. 3 Satz 2 und 3 gilt sinngemäß. (3) Auf die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung sind, soweit ihre Eigenart keine Abweichung bedingt, §§ 149,157 Abs. 1 und 2, § 158 Abs. 1 bis 4 anzuwenden. Die Entnahmen aus offenen Rücklagen und die Einstellungen in offene Rücklagen können je in einem Posten ausgewiesen werden. Der konzernfremden Gesellschaftern zustehende Gewinn und der auf sie entfallende Verlust sind vor dem Posten „Konzerngewinn/Konzernverlust" gesondert auszuweisen. I. Die Aufstellung der Konzern-Gewinnund Verlustrechnung (Anin. 1) II. Außen- und Innenumsatzerlöse (Anm. 2)

III. Gewinn und Verlust der konzernfremden Gesellschafter (Anm. 3)

I. Die Aufstellung der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung Anm. 1: Auch die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung hat als Grundlage die Gewinn- und Verltistrechnung der einbezogenen einzelnen Unternehmen. Das bedingt einen einheitlichen Stichtag, zu dem die Gewinn- und Verlustrechnung aller in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen aufgestellt sein muß. Es gilt hier das zu § 331 Anm. 7 Gesagte. Das Gesetz verweist in Abs. 2 ausdrücklich auf die entsprechenden Bestimmungen des §331111 S. 2 und 3. Für die Aufstellung der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung wie für die Konzernbilanz gilt der allgemeine Grundsatz des § 149. Danach hat sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen und ist so aufzustellen, daß ein möglichst sicherer Einblick in die Vermögens- und Ertragslage des Konzerns gegeben ist. Es gelten ferner die Vorschriften des § 157 I und II mit der Ausnahme, daß die Entnahmen und die Einstellungen aus und in offene Rücklagen in einem Posten ausgewiesen werden können. Es bedarf also nicht der Aufgliederung in gesetzliche und freie Rücklagen. Anwendbar sind die Vorschriften des § 158 I bis IV, nicht dagegen 1830

Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung

§ 332

Anm. 1,2 § 158 V und VI, weil sich ihr Inhalt durch die Übernahme der Posten aus den einzelnen Gewinn- und Verlustrechnungen der Unternehmen erledigt. Wie bei der Konzernbilanz gilt auch hier die allgemeine Einschränkung, daß diese Bestimmungen nur so weit auf die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung anzuwenden sind, als ihre Eigenart keine Abweichungen bedingt. Endlich gilt auch die allgemeine Einschränkung des § 157 I, wonach die gesetzliche Gliederung nur dann gilt, wenn der Geschäftszweig des Konzerns keine abweichende Gliederung bedingt (vgl. hierzu im einzelnen Anm. 8 zu § 331, über Formblätter § 161 und Anm. dort). II. Außen- und Innenumsatzerlöse Anm. 2: Das Problem der Ausschaltung der Zwischengewinne tritt bei der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung ebenso auf, wie bei der Konzernbilanz (vgl. § 331 Anm. 6). An sich müßten alle Erträge auf der einen Seite und Aufwendungen auf der anderen Seite bei einbezogenen Unternehmen, die sich aus Lieferungen und Leistungen innerhalb des Konzerns ergeben (Innenumsatz), miteinander verrechnet werden. Das strebt der Gesetzgeber auch an; deshalb hat er neben der vorliegenden Vorschrift eine KonzernGewinn- und Verlustrechnung in vereinfachter Form zur Wahl zur Verfügung gestellt. Diese kann aber nur dann angewandt werden, wenn tatsächlich alle Innenumsätze miteinander verrechnet werden. Die hier vorliegende Vorschrift nimmt Rücksicht auf die Darlegungen von Sachverständigen, daß die Verrechnung einer Umgliederung der Innenumsätze bei einer ausführlichen Gliederung einer Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung praktisch so schwierig sein könne, daß sie nicht allgemein gefordert werden dürfe. Das Gesetz begnügt sich deshalb in Abs. 1 Nr. 1 zu verlangen, daß neben den Umsatzerlösen die Erlöse aus Lieferungen und Leistungen zwischen in dem Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen in einer Zahl gesondert auszuweisen sind. Das ist in zwei Fällen nicht notwendig, nämlich zunächst einmal dann, wenn das geschieht, was der Gesetzgeber wünscht, nämlich, wenn sie mit den auf sie entfallenden Aufwendungen des Empfängers der Lieferungen und Leistungen verrechnet werden, und ferner dann nicht, wenn es sich um Leistungen und Lieferungen handelt, die als Bestandsveränderung oder andere aktivierte Eigenleistungen bei einem Konzernunternehmen ausgewiesen werden. Da das nur bei Leistungen und Lieferungen für das Anlagevermögen zulässig ist (vgl. § 331 II und dort Anm. 6), bezieht sich auch hier die Bestimmung auf Erträge aus Leistungen und Lieferungen für das Anlagevermögen eines anderen einbezogenen Unternehmens. Das Gesetz unterscheidet zwischen den Erlösen aus Lieferungen und Leistungen zwischen in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen, 1831

§ § 332 / 3 3 3

Rechnungslegung im Konzern

Anm. 2,3 die bei dem Einzelunternehmen in dessen Jahresabschluß als Umsatzerlöse anzusehen sind, und den anderen Erträgen aus Leistungen zwischen einbezogenen Konzernunternehmen, wie z. B. Zinsen oder Mieteinnahmen. Bei diesen bestehen die praktischen Schwierigkeiten nicht, mit den auf sie entfallenden Aufwendungen beim Empfänger der Leistung zu verrechnen, deshalb ist hier zwingend die Verrechnung vorzunehmen. Dadurch wird wenigstens insoweit die Konsequenz der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns gezogen. Vgl. hierzu ausführlich Busse von Cölbe in Die AktGes. 1966, 352; Weirich in WP 1966, 311. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, daß alle diese Innenumsatzerlöse getrennt von den sogenannten Außenumsatzerlösen auszuweisen sind.

III. Gewinn und Verlust der konzernfremden Gesellschafter Anm. 3: Da in der Konzernbilanz nach §331 I Nr. 2 „ein Ausgleichsposten für Anteile im Fremdbesitz", in den auch der Anteil konzernfremder Gesellschafter am Gewinn und Verlust einzubeziehen ist, enthalten sein muß, muß auch in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung der Gewinn oder Verlust der konzernfremden Gesellschafter ersdieinen, weil sonst das Ergebnis der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung nicht mit dem in der Konzernbilanz ausgewiesenen Gewinn oder Verlust übereinstimmen würde. Deshalb ist dieser Posten gesondert, und zwar vor dem Posten „Konzerngewinn/ Konzernverlust" auszuweisen (B.-H. Rn. 14). Entfällt bei einigen in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen mit konzernfremden Gesellschaftern ein Gewinn, bei anderen ein Verlust, so soll der Gewinn und der Verlust je gesondert (also nicht verrechnet) ausgewiesen werden (vgl. Ausschußbericht zu Drucksache IV/3296). Die Posten sind, wie sich aus § 333 II Nr. 18 und 19 ergibt, zu bezeichnen: „konzernfremden Gesellschaftern zustehender Gewinn" bzw. „auf konzernfremde Gesellschafter entfallender Verlust".

§ 333 Konzern-Gewinn- und Verlustredinung in vereinfaditer Form (1) Für die Konzern-Gewinn- und Verlustredinung kann eine vereinfadite Form verwandt werden, wenn die Erträge aus Lieferungen und Leistungen zwischen den in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen mit den auf sie entfallenden Aufwendungen der Empfänger der Lieferungen und Leistungen verrechnet oder als Bestandsänderungen oder als andere aktivierte Eigenleistungen ausgewiesen werden. (2) Bei Verwendung der vereinfachten Form sind, wenn der wirtschaftliche Zweck des Konzerns keine abweidiende Gliederung bedingt, die 1832

Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung in vereinfachter Form

§ 333

gleichwertig sein muß, unbeschadet einer weiteren Gliederung folgende Posten in Staffelform gesondert auszuweisen: 1. Außenumsatzerlöse 2. nicht gesondert auszuweisende Aufwendungen nach Verrechnung mit Bestandsanderungen und Eigenleistungen 3. Erträge aus Beteiligungen an nicht in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen 4. Erträge aus den anderen Finanzanlagen 5. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge 6. Erträge aus Zusdireibungen 7. Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen 8. sonstige Erträge 9. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte 10. Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Finanzanlagen 11. Zinsen und ähnliche Aufwendungen 12. Steuern a) vom Einkommen, vom Ertrag und vom Vermögen b) sonstige 13. Aufwendungen aus der Übernahme des Verlustes eines nicht in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmens 14. Jahresübersdiuß/Jahresfehlbetrag 15. Gewinnvortrag/Verlustvortrag aus dem Vorjahr 16. Entnahmen aus offenen Rücklagen 17. Einstellungen in offene Rücklagen 1833

§333

Rechnungslegung im Konzern

Anm. 1

18. konzernfremden Gesellschaftern zustehender Gewinn 19. auf konzernfremde Gesellschafter entfallender Verlust 20. Konzerngewinn/Konzernverlust (3) In einem Teilkonzernabschluß sind Gewinne, die auf Grund eines Gewinnabführungs- und eines Teilgewinnabführungsvertrags an nidit in den Teilkonzernabschluß einbezogene Unternehmen abzuführen sind, vor dem Posten „Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag", und Verluste, die von einem nicht in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen zu übernehmen sind, nadi dem Posten „sonstige Erträge" gesondert auszuweisen. (4) § 331 Abs. 3 Satz 2 und 3 gilt sinngemäß. § 157 Abs. 2, § 158 Abs. 1 bis 4 ist anzuwenden. I. Aufstellung (Anm. 1) Ii. Gliederungsvorschriften (Anm. 2)

III. Sonderbestimmung für einen Teilkonzernabschluß (Anm. 3)

I. Aufstellung Anm. 1: Für den Fall, daß eine Verrechnung der Innenumsätze (vgl. § 332 Anm. 1) erfolgt und die Lieferungen und Leistungen eines einbezogenen Unternehmens, die nicht als zum Innenumsatz gehörend als Bestandsänderungen oder als andere aktivierte Eigenleistungen ausgewiesen werden, darf eine Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung in vereinfachter Form aufgestellt werden. Für sie gelten die allgemeinen Gliederungsvorschriften des § 1511 nicht. Die Vereinfachung besteht darin, daß Verrechnungen erlaubt sind, die nach § 157 nicht zulässig sind. Der Sinn der Bestimmungen ist der, den Konzernen, die an sich bereit wären, auch die Innenumsatzerlöse zu verrechnen oder umzugliedern, dies zu ermöglichen. Die Vereinfachung besteht im wesentlichen darin, daß als Umsatzerlöse nur die Erlöse des Außenumsatzes anzugeben sind. Dieser Betrag ergibt sich auch bei Anwendung des § 332 durch Abzug der Innenumsatzerlöse, die gesondert auszuweisen sind, vom gesamten Umsatzerlös. Hiervon ist ein Betrag „nicht gesondert auszuweisende Aufwendungen nach Verrechnung mit Bestandsänderung und Eigenleistungen" abzusetzen. Damit werden die nach § 157 vorgeschriebenen Einzelpositionen Nr. 2, 3, 5, 14, 16, 17, 18, 21, 22, 26 in einen Betrag zusammengezogen. Das ist nicht nur deshalb geschehen, um einen Anreiz zu bieten, die Innenumsätze zu verrechnen, sondern auch deshalb, weil bei dieser Vereinfachung des Gewinn- und Verlustrechnungs-Schemas die Verrechnung und Umgliederung der Innenumsatzerlöse sehr viel einfacher und damit möglich wird. 1834

Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung in vereinfachter Form

§ 333

Anm. 1,2

Für diese vereinfachte Gewinn- und Verlustrechnung gelten auch die mit dem Stichtag zusammenhängenden Vorschriften des § 331 I S. 2 und 3 sinngemäß, von § 157 nur der Abs. 2, der bestimmt, daß Leerposten nicht aufzuführen sind, während die Bestimmungen des § 158 in gleicher Weise gelten wie in einer nach § 332 aufgestellten Konzerngewinn- und Verlustrechnung. II. Gliederungsvorschriften Anm. 2: Die für die Verwendung der vereinfachten Form der KonzernGewinn- und Verlustrechnung vorgeschriebenen Gliederungsvorschriften gelten nur dann, wenn der wirtschaftliche Zweck des Konzerns keine abweichende Gliederung bedingt, die gleichwertig sein muß. Dieser allgemeine Vorbehalt entspricht wörtlich dem des § 157 (vgl. dort Anm. 2; für Formblätter vgl. § 161 und Anm. dort). Die Vorschriften des Abs. 2 stellen nur Mindestvorschriften dar. Es ist zulässig, eine eingehendere Gliederung vorzunehmen. Anders als in § 332 stellt der erste Posten, der die Umsatzerlöse betrifft, nicht die Summe der Umsatzerlöse der Bilanzen der einzelnen in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen dar, vielmehr ist von dem Gesamtumsatzerlös abgezogen der sogenannte Innenumsatzerlös. Das ist die Voraussetzung, um überhaupt eine Gewinn- und Verlustrechnung in vereinfachter Form aufstellen zu dürfen. Unter Posten 2 sind in einem Betrag alle Aufwendungen, die für die Erzielung des Umsatzes notwendig waren, abzuziehen, und zwar nachdem eine Verrechnung mit Bestandsänderungen und Eigenleistungen stattgefunden hat. Bei dieser Verrechnung sind die Beträge zu berücksichtigen, die nach § 1 5 7 auszuweisen sind unter Posten: Nr. 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen Nr. 3. Andere aktivierte Eigenleistungen Nr. 5. Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für bezogene Waren Nr. 21. Verluste aus Wertminderungen oder dem Abgang von Gegenständen des Umlaufsvermögens außer Vorräten und Einstellungen in die Pausdialwertberiditigung zu Forderungen Nr. 22. Verluste aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens. Nach Verrechnung dieser Posten sind als Aufwendungen abzusetzen die Posten des § 157 I unter: Nr. 16. Löhne und Gehälter Nr. 17. Soziale Abgaben Nr. 18. Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung Nr. 26. Sonstige Aufwendungen. 1835

§333

Anm. 2

Rechnungslegung im Konzern

Was sidi aus dem Abzug des Bccrages unter Posten 2 von dem Betrag des Postens 1 ergibt, ist als Zwischenergebnis auszuweisen. Es trägt keine besondere Bezeichnung. Die Bezeichnung „Rohertrag — Rohaufwand" (§ 157 I Posten 6) kommt nicht in Frage, da die Aufwendungen der Posten 16 und 18 dann nicht erfaßt wären. An sich kommt das Zwischenergebnis dem „Betriebsergebnis" gleich, da es in der Hauptsache die Umsatzaufwendungen sind, die den Außenumsatzerlösen gegenübergestellt werden. Aber auch diese Bezeichnung ist letztlich nicht treffend, da die Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Sachanlagen (Posten 9) zu den betrieblichen Aufwendungen zu rechnen sind. Es läßt sich eine die Sache wirklich treffende Bezeichnung dieses Zwischenergebnisses nicht finden. Aus der Gliederung des § 157 fallen folgende Posten weg: N r . 7. Erträge aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsverträgen N r . 15. Erträge aus Verlustübernahme Nr. 27. Aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungsund eines Teilgewinnabführungsvertrages abgeführte Gewinne. Diese haben in einer Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung deshalb keinen Platz, weil diese in sich diese Vorgänge zwischen den in den Jahresabschluß einbezogenen Konzerngesellsdiaften ausgleicht. Unter Posten 3 sind die Erträge aus Beteiligungen an nicht in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen einzusetzen. Die Beteiligungen an einbezogenen Unternehmen können als solche im Konzernabschluß nicht mehr in Erscheinung treten, weil die Unternehmen, an denen sie bestehen, mit ihren Aktiven und Passiven in der Konzernbilanz aufzuführen sind und sich auch ihre Gewinnergebnisse in der Gewinn- und Verlustrechnung des Konzerns unmittelbar auswirken. Die Posten 4 bis 8 stimmen überein mit den Posten 9 bis 11, 13 und 14 des § 157 I (vgl. dort Anm. 11 bis 13 u. 15) mit der Maßgabe, daß bei dem Posten 6 hier weggefallen sind die „Erträge aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens", die unter den Sammelposten 2 fallen. Die Posten 9 und 10 entsprechen den Posten 19 und 20 des § 157 I (vgl. dort Anm. 21 u. 22) mit der Maßgabe, daß die Pausdialwertberichtigungen zu Forderungen hier wegfallen, und zwar gibt es hier auch keinen unter Posten 12 — Erträge aus der Herabsetzung der Pauschalwertberichtigung zu Forderungen — entsprechenden Posten. Die Posten 11 bis 13 entsprechen den Posten 23 bis 25 des § 157 I mit der Maßgabe, daß hier Aufwendungen aus der Übernahme von Verlusten nur für nicht in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen in Frage kommen können. Einen Posten für sonstige Aufwendungen (Posten 26 in § 157) gibt es hier nicht, da alle sonstigen Aufwendungen in den Sammel1836

Konzerngesdiäfisberidit

§§ 333/334

Anm. 2,3

posten unter 2 fallen (ebenso B.-H. Rn. 39; Peupelmann in DB 65, 1789; a. A. Weirich in WP 1966, 318). Die Posten 14 bis 17 entsprechen den Posten 28 bis 31 des § 157 I (vgl. dort Anm. 31 bis 34), mit der Maßgabe, daß bei den Entnahmen aus und der Einstellung in offene Rücklagen nicht zu unterscheiden ist zwischen gesetzlichen Rücklagen und freien Rücklagen. Neu sind die Posten 18 und 19. Sie ergeben sich als notwendige Verrechnungsposten daraus, daß unter dem „Ausgleichsposten für Anteile in Fremdbesitz" (§331 I Nr. 2) der auf den Gewinn und auf den Verlust entfallende Betrag gesondert anzugeben ist (vgl. hierzu Anm. 3 zu § 332). III. Sonderbestimmung für einen Teilkonzernabschluß

Anm. 3: Wird eine Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung für den ganzen Konzern aufgestellt, so kann man davon ausgehen, daß die Gesellschaften, mit denen ein Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrag abgeschlossen ist, in diesen Konzernabschluß einbezogen sind. Aus diesem Grunde ist es nicht notwendig, in der Gliederung für die Konzern-Gewinnund Verlustrechnung für den Gesamtkonzern diese Posten aufzuführen. Anders ist dies, wenn es sidi nur um einen Teilkonzernabschluß handelt. Es wird häufig vorkommen, daß die Gesellschaft, die den Teilkonzernabschluß aufzustellen hat, ihren Gewinn an die Konzernleitung abführen muß, und zwar aufgrund eines solchen Vertrages. Andererseits wird sie einen Anspruch auf Verlustausgleich haben. Da das Unternehmen, bei dem die Konzernleitung liegt, nicht in den Teilkonzernabschluß einbezogen ist, müssen diese Posten im Teilkonzernabschluß in Erscheinung treten. Außerdem ist es denkbar, daß, wenn mehrere Teilkonzernabschlüsse aufgestellt werden, Gewinnabführung und Verlustübernahme zwischen Unternehmen bestehen, die in verschiedene Teilkonzernabschlüsse einbezogen sind. Deshalb muß in Teilkonzernabschlüssen nach dem Posten 8 — sonstige Erträge — ein Posten „Erträge aus Verlustübernahme" (§ 157 I Posten 15) und vor dem Posten 14 Jahresüberschuß / Jahresfehlbetrag ein Posten unter die Bezeichnung: „Aufgrund eines Gewinnabführungs- und eines Teilgewinnabführungsvertrages abgeführte Gewinne" (§ 157 I Posten 27) eingesetzt werden. § 334 Konzerngeschäftsbericht (1) Im Konzerngesdiäftsberidit sind die zum Konzern gehörenden Unternehmen mit Sitz im Inland einzeln aufzuführen. Die in den Konzernabsdiluß einbezogenen Unternehmen mit Sitz im Inland sind zu bezeichnen. Die Einbeziehung von Unternehmen mit Sitz im Ausland ist anzugeben. Werden Unternehmen mit Sitz im Inland, deren Anteile zu mehr

1837

§334

Rechnungslegung im Konzern

als der Hälfte Konzernunternehmen gehören, nicht in den Konzernabschluß einbezogen, so ist dies näher zu begründen. Dem Konzerngeschäftsbericht sind auf den Stichtag des Konzernabschlusses aufgestellte Abschlüsse dieser Unternehmen beizufügen, sofern sie Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien sind. (2) Im Konzerngeschäftsbericht sind der Geschäftsverlauf und die Lage des Konzerns und der in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen darzulegen. Zu berichten ist auch über Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Stichtag des Konzernabschlusses eingetreten sind. Sind bei Konzernunternehmen, die nicht in den Konzernabschluß einbezogen sind, größere Verluste entstanden oder zu erwarten, so ist dies anzugeben. (3) Im Konzerngeschäftsberidit ist ferner der Konzernabschluß zu erläutern. Dabei sind auch wesentliche Abweichungen von dem letzten Konzernabschluß zu erörtern. In jedem Konzerngeschäftsbericht sind Angaben zu machen über 1. die Ursachen und den bilanzmäßigen Charakter eines nach § 331 Abs. 1 Nr. 3 ausgewiesenen Unterschiedsbetrags; 2. aus dem Konzernabschluß nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse einschließlich der Bestellung von Sicherheiten für Verbindlichkeiten der in den Konzernabsdiluß einbezogenen Unternehmen; 3. die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu Unternehmen mit Sitz im Inland, die nicht zum Konzern gehören, aber mit einem Konzernunternehmen verbunden sind, ferner über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage des Konzerns von erheblichem Einfluß sein können. (4) Der Bericht hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Die Berichterstattung hat insoweit zu unterbleiben, wie es für das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder erforderlich ist. Bei der Berichterstattung nach Absatz 3 Nr. 2 und 3 brauchen Einzelheiten insoweit nicht angegeben zu werden, als nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung damit gerechnet werden muß, daß durch die Angaben der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen. Werden auf Grund von Satz 3 Angaben nicht gemacht, so ist im Geschäftsbericht unter Anführung der Nummer, nach der sie erforderlich sind, anzugeben, daß für Angaben nach dieser Nummer von der Schutzklausel nach Satz 3 Gebrauch gemacht worden ist. I. Die anzugebenden Unternehmen (Anm. 1) II. Beridit über den Gesdiäftsverlauf und die Lage des Konzerns (Anm. 2) 1838

III. Erläuterung des Konzernabsdilusses (Anm. 3) IV. Schutzklausel (Anm. 4)

Konzerngeschäftsberidit

§334

Amn. 1

I. Die anzugebenden Unternehmen Anm. 1: Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzerngeschäftsberichtes ergibt sich aus § 329. Wenn die Voraussetzungen vorliegen, ist ein Teilkonzerngeschäftsbericht nach § 330 zu erstellen. Auch auf ihn finden die Bestimmungen des § 334 Anwendung. Aufzuzählen sind mit genauer Firmenangabe die zum Konzern gehörenden Unternehmen, gleichgültig, ob sie in den Konzernabschluß einbezogen sind oder nicht, jedoch nur diejenigen, die ihren Sitz im Inland haben. Ausländische Konzernunternehmen brauchen unter keinen Umständen angegeben zu werden, selbst dann nicht, wenn sie in den Konzernabschluß einbezogen sind. Ferner sind die im Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen als solche zu bezeichnen. Das kann in der ersten Liste geschehen, in der man die einbezogenen Unternehmen vorwegnimmt und einen entsprechenden Vermerk macht, jedoch auch auf jede andere Weise. Auch hier ist zu beachten, daß nur die Unternehmen mit Sitz im Inland zu bezeichnen sind. Sind Unternehmen mit dem Sitz im Ausland in den Konzernabschluß einbezogen worden, so ist nur diese Tatsache nach Abs. 1 S. 3 anzugeben, nicht um wieviel oder gar um welche Unternehmen es sich handelt. Nach §§ 329 und 330 sind in den Konzernabschluß bzw. Teilkonzernabschluß alle Konzernunternehmen mit dem Sitz im Inland, deren Anteile zu mehr als der Hälfte Konzernunternehmen gehören, in den Konzernabsdiluß aufzunehmen. Es gibt aber zwei Ausnahmen: einmal kann die Einbeziehung unterbleiben, wenn dadurch die Aussagefähigkeit des Konzernabschlusses wegen der geringen Bedeutung des Konzernunternehmens nidit beeinträchtigt wird, und zum anderen muß sie unterbleiben, wenn der Aussagewert des Konzernabschlusses durch die Einbeziehung beeinträchtigt würde. Ob einer dieser Gründe vorliegt, soll gewissermaßen die interessierte Öffentlichkeit nachprüfen können. Deshalb muß in einem solchen Fall näher begründet werden, warum diese Unternehmen nicht in den Konzernabschluß einbezogen wurden. Dabei genügt es nicht einfach, die gesetzlichen Ausnahmegründe zu wiederholen, sondern es muß erörtert werden, warum diese im konkreten Fall als vorliegend erachtet werden. Ferner ist vorgeschrieben, daß dem Konzerngeschäftsbericht die auf den Stichtag des Konzernabschlusses aufgestellten Abschlüsse dieser Unternehmen beizufügen sind, allerdings mit der Einschränkung, daß das nur dann zu erfolgen hat, wenn es sich um Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien handelt. Diese Einschränkung ist deshalb erfolgt, um nicht auf diesem Wege die Publizität auf Gesellschaften auszudehnen, die an sich ihrer Rechtsform nach zur Veröffentlichung eines Jahresabschlusses nicht verpflichtet sind (so auch Regierungsbegründung). Die Erörterung der Gründe, aus denen ein Unternehmen nicht in den Konzernabschluß einbezogen wurde, hat aber ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in der das Unternehmen betrieben wird, zu 1839

§ 334

Anm. 1,2

Rechnungslegung im Konzern

erfolgen, d. h. also stets, wenn das Unternehmen seinen Sitz im Inland hat — auch hier sind ausländische Unternehmen nicht zu nennen — und von dem mehr als die Hälfte seiner Anteile Konzernunternehmen gehören. Dabei muß es sich immer um ein Konzernunternehmen im Sinne des § 18 handeln, gleichgültig, ob es dies deshalb ist, weil es mit dem herrschenden Unternehmen unter einer Leitung zusammengefaßt ist (§ 18 I S. 1), oder weil es als abhängiges Unternehmen (§ 17) die Vermutung des § 18 I S. 3 nidit widerlegen kann (Geßler in DB 66, 334; Veith in DB 66, 253).

II. Bericht über den Geschäftsverlauf und die Lage des Konzerns Anm. 2: Der Geschäftsbericht soll einen Uberblick über den Konzern geben, seine wirtschaftliche Betätigung und seine Stellung zu anderen Unternehmensgruppen (vgl. Goerdeler in WP 1966, 121). Wie jeder Geschäftsbericht, so zerfällt auch der Konzerngeschäftsberidit in zwei Teile, einmal in den Teil, in dem über den Geschäftsverlauf und die Lage des Konzerns zu berichten ist und zum anderen in den Teil, der den Konzernabschluß erläutert. Satz 1 und 2 des Abs. 1 entsprechen wörtlich dem § 160 I, vgl. dort Anm. 2. Hinzu kommt als weitere Bestimmung Satz 3; danach ist zusätzlich anzugeben, wenn bei Konzernunternehmen, die nicht in den Konzernabschluß einbezogen sind, größere Verluste entstanden oder zu erwarten sind. Die Vorschrift hat hauptsächlich für die ausländischen Konzernunternehmen Bedeutung, da diese ganz generell in den Konzernabschluß nicht einbezogen zu werden brauchen. Selbstverständlich haben sie aber auch für inländische Konzernunternehmen Bedeutung, die deshalb nicht einzubeziehen sind, weil die Beteiligung von Konzernunternehmen nicht über 50 % liegt. Auch hier sind die Unternehmen nicht zu nennen, insbesondere brauchen ausländische Konzernunternehmen nidit namentlich genannt zu werden, es genügt die Angabe der Tatsache, daß größere Verluste entstanden oder zu erwarten sind (B.-H. Rn. 7), wobei es sich wohl empfiehlt, deren Größenordnung anzugeben, denn spätestens in der Hauptversammlung der Obergesellschaft würde danach gefragt. Aber auch die Öffentlichkeit — die Wirtschaftspresse — würde die Frage aufgreifen, wenn das wichtigste, nämlich die Größenordnung der entstandenen oder zu erwartenden Verluste, weggelassen würde. Ob dabei eine Zahl zu nennen ist oder nur die voraussichtlichen Wirkungen auf den Konzern im allgemeinen anzugeben ist, bleibt dem Einzelfall überlassen. Der Gesetzgeber hat hier keine Vorschriften erlassen. Es kann hinsichtlich des Lageberichts auf den Geschäftsbericht der Obergesellschaft Bezug genommen werden, sofern in diesem die notwendigen Angaben enthalten sind (vgl. Goerdeler in WP 1966, 121; B.-H. Rn. 6). 1840

Konzerngesdiäftsberidit

§334

Anm. 3

III. Erläuterung des Konzernabschlusses Anm. 3: Wie der Geschäftsbericht, so hat auch der Konzerngesdiäftsberidit die Aufgabe, den Konzernabsdiluß zu erläutern und dabei vor allem wesentliche Abweichungen von dem letzten Konzernabschluß zu erörtern. Dazu gehört in erster Linie eine Änderung der in den Konzernabsdiluß einbezogenen Unternehmen. Auf diese Weise soll die Vergleichbarkeit der Abschlüsse erleichtert werden. Für den Konzerngesdiäftsberidit fallen die meist nach § 160 II und III für den Geschäftsbericht der Einzelgesellsdiaft notwendigen Angaben fort, insbesondere bedarf es nicht der eingehenden Erörterung der Bewertungs- und Abschreibungsmethoden, da der Konzernabschluß nicht Unterlage für irgendeinen Gewinnverwendungsbeschluß ist; vielmehr beruht auch der Gewinnverwendungsbeschluß bei der Obergesellschaft nicht auf dem Konzernabschluß, sondern auf dem für sie festgestellten Jahresabschluß. Unverändert übernommen ist aus § 160 III nur die Nr. 7; danach sind die aus dem Konzernabschluß nicht ersichtlichen Haftungsverhältnisse einschließlich der Bestellung von Sicherheiten für Verbindlichkeiten der in dem Konzernabsdiluß einbezogenen Unternehmen anzugeben (vgl. im einzelnen § 160 Anm. 11). Dem Sinne nach übernommen ist § 160 III Nr. 10. Im Konzerngesdiäftsberidit sind Angaben zu machen über die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu Unternehmen mit Sitz im Inland, die nicht zum Konzern gehören, aber mit einem Konzernunternehmen verbunden sind. Konzernunternehmen mit dem Sitz im Inland, die nicht in den Konzernabschluß einbezogen wurden, sind nach Abs. 1 S. 1 zu Beginn des Geschäftsberichtes namentlich aufzuführen. Ferner sind nach Abs. 2 S. 3 bei ihnen entstandene oder zu erwartende größere Verluste im Geschäftsbericht anzugeben; es sind aber nicht die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen wie nach Abs. 3 Nr. 3 zu erörtern, denn in der vorliegenden Bestimmung ist ausdrücklich nur von Unternehmen mit Sitz im Inland die Rede, die nicht zum Konzern gehören. Dieser Unterschied ist im Grunde nicht recht einzusehen, denn letztlich sind alle nicht im Konzernabschluß einbezogene Unternehmen, die in irgendeiner Weise mit dem Konzern verbunden sind, sei es nun als Mitglieder, sei es als Unternehmen, die, weil sie nicht unter einheitlicher Leitung stehen, nicht als Konzernunternehmen anzusehen sind, Dritte im Sinne des einheitlichen Konzernabschlusses. Die wichtigste vorgeschriebene Angabe im Konzerngesdiäftsberidit ist die über die Ursache und den bilanzmäßigen Charakter eines nach § 331 I Nr. 3 ausgewiesenen Unterschiedsbetrages (Abs. 3 Nr. 1). Uber dessen Zustandekommen und Bedeutung vgl. Anm. 4 zu §331. Da sich der auszuweisende Unterschiedsbetrag aus mehreren Beträgen zusammensetzt und sogar verrechnet werden kann, wenn sich Unterschiedsbeträge auf der Aktivund auf der Passivseite der Bilanz ergeben, so wird man hier eine Angabe 1841

§ § 334/335

Rechnungslegung im Konzern

Anm. 3,4 darüber verlangen müssen, wie sich der Betrag zusammensetzt und wieweit eine Verrechnung von Beträgen, die auf der Aktivseite oder auf der Passivseite einzusetzen gewesen wären, erfolgt ist. Mehr kann man unter „bilanzmäßigem Charakter" nur schwerlich erwarten. Es erscheint uns auch nicht notwendig, da es sich im Grunde nur um einen buchhalterischen Ausgleichsposten handelt, der für die Aussagekraft des Konzernabschlusses kaum von Bedeutung sein kann (a. A. B.-H. Rn. 13). IV. Schutzklausel Anm. 4: Wie jeder Geschäftsbericht, so hat auch der Konzerngeschäftsbericht den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft: zu entsprechen, d. h. in erster Linie, er muß vollständig sein und alles das bringen, was das Gesetz vorschreibt. Hiervon wird im Gesetz durch die Einfügung von zwei Schutzklauseln eine Ausnahme gemacht, von denen die erste, die sich auf den Schutz allgemeiner Interessen der Bundesrepublik Deutschlands und ihrer Länder bezieht, überflüssig ist und die zweite keine praktische Bedeutung hat. Die Bestimmung, daß in den Fällen des Abs. 3 Nr. 2 und 3 keine Einzelheiten angegeben zu werden brauchen, wenn dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen könnten, ist deshalb überflüssig, weil auch ohne diese Klausel das Gesetz nicht verlangt, daß Einzelheiten zu erörtern sind. Die Bestimmungen entsprechen so wörtlich denen des § 160 IV, daß hier nicht, wie es doch wohl hätte sein sollen, vom Konzern, sondern von der Gesellschaft die Rede ist (B.-H. Rn. 16). Es kann deshalb auf die Anm. 16 zu § 160 Bezug genommen werden. Audi hier gibt es einen Schutz vor der Schutzklausel, der darin besteht, daß der Leser des Geschäftsberichtes ausdrücklich darauf hingewiesen wird, an welcher Stelle von der Schutzklausel Gebrauch gemacht wird.

§ 335 Einreichung von Unterlagen (1) Alle Konzernunternehmen haben der Obergesellsdiaft ihre Jahresabschlüsse, Geschäftsberichte und, wenn eine Prüfung des Jahresabschlusses stattgefunden hat, ihre Prüfungsberichte sowie, wenn der Stichtag des Jahresabschlusses von dem Stichtag des Konzernabschlusses abweicht, einen auf den Stichtag des Konzernabschlusses aufgestellten Abschluß unverzüglich einzureichen. (2) Der Vorstand der Obergesellsdiaft kann von jedem Konzernunternehmen alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche die Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichts fordert. 1842

Prüfung des Konzernabschlusses

§§335/336

Dem Konzernabschluß liegen die Jahresabschlüsse der einzelnen in ihm einbezogenen Konzernunternehmen zugrunde. Infolgedessen muß die zur Aufstellung des Konzernabschlusses verpflichtete Obergesellschaft so schnell wie irgend möglich diese Einzeljahresabschlüsse mit Geschäftsberichten und, wenn eine Prüfung des Jahresabschlusses nach der Rechtsform des Unternehmens vorgeschrieben ist oder, ohne daß es vorgeschrieben wäre, stattgefunden hat, audi die Prüfungsberichte erhalten. Alle Konzernunternehmen werden daher im Abs. 1 verpflichtet, diese Unterlagen unverzüglich der Obergesellschaft einzureichen. Da der Stichtag für alle einbezogenen Unternehmen der gleiche sein muß, sind, wenn bei einer Konzerngesellschaft der Stichtag der Konzernbilanz mit dem Stichtag ihres Jahresabschlusses nicht übereinstimmt, besondere Abschlüsse auf den Stichtag herzustellen und diese unverzüglich einzureichen (vgl. hierzu im einzelnen § 329 Anm. 3). Abs. 2 räumt dem Vorstand der Obergesellschaft — ist dies eine GmbH oder bergrechtliche Gewerkschaft: der Geschäftsleitung — ein besonderes Auskunftsrecht ein. Er kann von jedem Konzernunternehmen alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, die er zur Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichtes braucht. Da es sich um Konzerngesellschaften handelt, die nach § 18 I „unter der einheitlichen Leitung" der Obergesellschaft zusammengefaßt sind, können keinerlei rechtliche Bedenken gegen dieses Auskunftsrecht bestehen. In den allermeisten Fällen würde es sich schon aus der Leitungsbefugnis der Obergesellschaft gegenüber den übrigen Konzerngesellschaften ergeben. Das gilt insbesondere für die in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen, weil diese in der Regel zu mehr als 50 % Konzernunternehmen gehören müssen. Das Auskunftsrecht des Vorstandes der Obergesellschaft geht über den Kreis der in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen hinaus, und zwar deshalb, weil in dem Konzerngeschäftsbericht Angaben zu machen sind, die sich auch auf Konzernunternehmen beziehen, die nicht einbezogen sind; so insbesondere auch über ausländische Unternehmen, vgl. hierzu § 334 Anm. 1 u. 3. Über die Organisation und Vorbereitung des Konzernabschlusses vgl. im einzelnen Heine in WP 1967, 113 ff. und 146 ff.

§ 336 Prüfung des Konzernabschlusses (1) Der Konzernabschluß ist unter Einbeziehung des Konzerngeschäftsberichts durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Konzernabsdilußprüfer) zu prüfen. Als Konzernabschlußprüfer gelten, wenn keine anderen Prüfer bestellt werden, die Prüfer als bestellt, die für die Prüfung des Jahresabschlusses der Obergesellschaft bestellt worden sind, auf dessen 1843

§336

Rechnungslegung im Konzern

Stichtag der Konzernabsdiluß aufgestellt wird. Weicht der Stichtag des Konzernabschlusses von dem Stichtag des Jahresabschlusses der Obergesellschaft ab, so gelten, wenn keine anderen Prüfer bestellt werden, die Prüfer als bestellt, die für die Prüfung des nächsten auf den Stichtag des Konzernabschlusses folgenden Jahresabschlusses der Obergesellschaft bestellt worden sind. Für die Bestellung der anderen Prüfer gelten §§ 163, 164. (2) Die Prüfung des Konzernabschlusses hat sich darauf zu erstrecken, ob die Vorschriften über den Konzernabsdiluß beachtet sind. Der Konzerngeschäftsbericht ist darauf zu prüfen, ob § 334 Abs. 1, 3 und 4 beachtet ist und ob die sonstigen Angaben im Bericht nicht eine falsche Vorstellung von der Lage des Konzerns und der Konzernunternehmen erwecken. § 169 gilt sinngemäß. (3) Die Konzernabschlußprüfer haben auch die dem Konzernabschluß zugrunde gelegten Abschlüsse der in den Konzernabsdiluß einbezogenen Unternehmen darauf zu prüfen, ob sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. Dies gilt nicht für Abschlüsse, die nach §§ 162 bis 168 oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder die ohne gesetzliche Verpflichtung nach den Grundsätzen der §§ 162, 164 bis 167 geprüft worden sind. (4) Der Vorstand der Obergesellschaft hat den Konzernabschlußprüfern den Konzernabsdiluß und den Konzerngeschäftsbericht, die Jahresabschlüsse, Geschäftsberichte und Prüfungsberichte aller Konzernunternehmen sowie die ihm nach § 335 Abs. 1 eingereichten Abschlüsse vorzulegen. Die Konzernabschlußprüfer haben die Rechte nach § 165 bei allen Konzernunternehmen, die Rechte nach § 165 Abs. 2 bis 4 auch gegenüber den Abschlußprüfern der Konzernunternehmen. (5) Die Konzernabsdilußprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten und den Bericht zu unterzeichnen. Der Bericht ist dem Vorstand der Obergesellschaft vorzulegen. (6) Sind nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben, so haben die Konzernabsdilußprüfer dies durch folgenden Vermerk zum Konzernabsdiluß zu bestätigen: Der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht entsprechen nach meiner (unserer) pflichtmäßigen Prüfung den gesetzlichen Vorschriften. Sind Einwendungen zu erheben, so haben die Konzernabsdilußprüfer die Bestätigung einzuschränken oder zu versagen. Die Konzernabsdilußprüfer haben den Bestätigungsvermerk mit Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen. Der Bestätigungsvermerk ist auch in den Prüfungsbericht aufzunehmen. (7) Ändert der Vorstand der Obergesellschaft den Konzernabschluß oder den Konzerngesdiäftsberidit, nachdem ihm der Prüfungsbericht vor1844

Prüfung des Konzernabschlusses

§336

Anm. 1

gelegt worden ist, so haben die Konzernabsdilußprüfer den Konzernabschluß und den Konzerngesdiäfbberidit erneut zu prüfen, soweit es die Änderung fordert. Ein bereits erteilter Bestätigungsvermerk ist unwirksam. (8) § 168 über die Verantwortlichkeit der Abschlußprüfer gilt sinngemäß. I. Konzernabschlußprüfer (Anm. 1) II. Gegenstand der Prüfung (Anm. 2)

III. Prüfungsbericht, Bestätigungsvermerk und Nachtragsprüfung (Anm. 3)

I. Konzernabschlußprüfer

Anm. 1: Der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht sind durch Konzernabsdilußprüfer ebenso zu prüfen, wie der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht einer Aktiengesellschaft. Das gilt nicht nur dann, wenn eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien die Obergesellsdiaft ist, die den Konzernabsdiluß aufzustellen hat, sondern auch wenn eine GmbH oder bergrechtlidie Gewerkschaft zur Aufstellung verpflichtet ist. Zu Konzernabschlußprüfern können nach § 164 nur Wirtschaftsprüfer und Wirtsdiaftsprüfungsgesellschaften bestellt werden. Wird der Konzernabschluß ausnahmsweise von einer ausländischen Obergesellschaft aufgestellt, so kann die Prüfung des Konzernabsdilusses auch durch ausländische Prüfer erfolgen, die mit den deutschen Wirtschaftsprüfern als gleichstehend zu betrachten sind. Die Bestellung der Prüfer hat in Anwendung des § 163 durch die Hauptversammlung der Obergesellschaft zu erfolgen. Das Gesetz geht davon aus, daß es praktisch ist, die Abschlußprüfer, die den Jahresabschluß der Obergesellschaft zu prüfen haben, auch zum Konzernabschlußprüfer zu bestellen. Es vereinfacht die Form der Bestellung durch die Bestimmung, daß, wenn kein anderer Konzernabschlußprüfer bestellt wird, die Prüfer als Konzernabsdilußprüfer bestellt gelten, die für die Prüfung des Jahresabschlusses der Obergesellschaft bestellt worden sind, auf dessen Stichtag der Konzernabsdiluß aufgestellt wird. Da nadi § 329 der Stichtag des Konzernabsdilusses von dem Stichtag des Jahresabschlusses der Obergesellschaft abweichen kann (vgl. § 329 Anm. 3), muß auch hier für diesen Fall eine besondere Bestimmung getroffen werden. Es gelten dann die für die Prüfung des nächsten auf den Stichtag des Konzernabsdilusses folgenden Jahresabschluß der Obergesellschaft bestellten Abschlußprüfer als Konzernabsdilußprüfer. Die Konzernabsdilußprüfer haben die Auskunftsrechte des § 165 gegenüber allen Konzerngesellschaften. Das bedeutet, daß ihnen auch die Einsichtnahme in die Bücher und Schriften aller Konzernunternehmen zu gestatten ist (§ 165 I). Da sie als Konzernabsdilußprüfer von der Obergesellschaft aus prüfen, taucht das bei § 165 behandelte Problem, daß nicht einem Prüfer 1845

§ 336

Anm. 1,2

Rechnungslegung im Konzern

der Untergesellschaft Einsicht in die Bücher und Schriften der Obergesellschaft gestattet werden kann, hier nicht auf. Um den Konzernabschlußprüfern ihre an sich schon recht umfangreiche und schwierige Aufgabe zu erleichtern, wird das Auskunftsrecht, das sie gegenüber dem Vorstand der Konzernunternehmen haben, auf die Abschlußprüfer der Konzernunternehmen ausgedehnt (§ 165, I, auf den hier nicht verwiesen ist, kommt nicht in Frage, da die Abschlußprüfer nicht die Einsichtnahme gestatten können). Der Vorstand — die Geschäftsführer und Geschäftsleitung bei der GmbH und bergrechtlichen Gewerkschaft — der Obergesellschaft hat den Konzernabschlußprüfern neben dem Konzernabschluß selbst und dem Konzerngeschäftsbericht auch die Jahresabschlüsse, Geschäftsberichte und Prüfungsberichte aller Konzernunternehmen sowie die Abschlüsse, die gesondert aufzustellen sind, wenn der Stichtag für den Jahresabschluß der Einzelgesellschaft nicht mit dem Stichtag für die Aufstellung des Konzernabschlusses zusammenfällt, vorzulegen. Hierzu kann er vom Registerrichter durch Ordnungsstrafen nach § 407 angehalten werden. Für die Konzernabschlußprüfer und ihre Gehilfen gelten die Bestimmungen des § 168 über ihre Verpflichtung zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und Verschwiegenheit sowie die sich daraus ergebende Haftung (Abs. 8). Auch für sie gelten die Strafbestimmungen des § 403 bei Verletzung der Berichtspflicht und des § 404 bei Verletzung der Geheimhaltungspflicht. Ebenso gilt sinngemäß § 169, d. h., bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Konzernabschlußprüfern und der Obergesellschaft über die Auslegung der Bestimmungen des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichtes können beide Teile das Landgericht (§ 132) zur Entscheidung anrufen. II. Gegenstand der Prüfung Anm. 2: Gegenstand der Prüfung ist, wie sich aus Abs. 1 ergibt, der Konzernabschluß unter Einbeziehung des Konzerngeschäftsberichtes. Mit der Prüfung der Buchführung, die in § 163 I S. 1 zusätzlich angeführt wird, hat der Konzernabschlußprüfer nichts zu tun (B.-H. Rn. 8). Wenn man bei dem Konzernabschluß von einer solchen überhaupt sprechen will, so handelt es sich dabei um die Entwicklung des Konzernabschlusses aus den Jahresabschlüssen der einzelnen Gesellschaften. Das muß der Konzernabschlußprüfer mitprüfen, es gehört zwangsweise dazu, sonst ist er gar nicht in der Lage festzustellen, ob der Konzernabschluß ordnungsgemäß aufgestellt ist. Da der Konzernabschluß nicht, wie der Jahresabschluß, festgestellt wird, fehlt es hier an einer dem § 162 I S. 2 entsprechenden Bestimmung. 1846

Prüfung des Konzernabsdilusses

§336

Anm. 2

Der Konzernabsdiluß ist darauf zu prüfen, „ob die Vorschriften über den Konzernabschluß beachtet sind". In der entsprechenden Bestimmung des § 162 I I S. 1 ist beim Jahresabschluß zu prüfen, „ob die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über den Jahresabschluß beachtet sind". Satzungsbestimmungen über die Erstellung des Konzernabschlusses gibt es im allgemeinen nicht. Begrifflich unmöglich ist es nicht. Man könnte sich vorstellen, daß eine neu zu gründende Holding-Gesellschaft in ihren Satzungen entsprechende Bestimmungen enthält. Man kann auch nicht sagen, daß das Gesetz die Rechnungslegung im Konzern abschließend regelt. Im Gegenteil, es ergibt sich aus dem Gesetz selbst und wird in der Regierungsbegründung immer wieder betont, daß nur allgemeine Richtlinien gegeben sind. Es wäre denkbar, daß diese im Einzelfall durch besondere Bestimmungen, die für den Konzern verbindlich in der Satzung der Obergesellschaft festgelegt werden, eine Ergänzung erfahren. Wenn das so ist, so würden auch diese Satzungsbestimmungen unter „Vorschriften über den Konzernabschluß" fallen. Die Bestimmungen für die Prüfung des Geschäftsberichtes stimmen mit denen des § 162 I I S. 2 sinngemäß überein (vgl. dort Anm. 3). Hier ist zunächst zu prüfen, ob die Aufzählung der zum Konzern gehörenden Unternehmen unter Bezeichnung der einbezogenen Unternehmen nach § 334 I ordnungsgemäß und vollständig erfolgt ist. Das ist ihnen durch die Mitteilungspflicht nach §§ 20, 21 und durch die Vermutung der Konzerneigenschaft nach § 18 I S. 3 in Verbindung mit § 17 I I leicht möglich. Weiterhin ist der Konzerngeschäftsbericht dahin zu prüfen, ob er den Konzernabschluß ordnungsgemäß erläutert, d. h., ob die Bestimmungen des § 334 I I I und I V beachtet sind; das bedeutet, daß einmal die besonderen Formalien, die für den Geschäftsbericht nach § 334 I gelten und, wie auch beim Geschäftsbericht für die Einzelgesellschaft, der den Jahresabschluß erläuternde Teil, so hier der den Konzernabschluß erläuternde Teil, vollständig und zutreffend im Bericht enthalten sind. Dagegen ist der Teil des Konzerngeschäftsberichtes, der sich nach § 334 I I mit dem Geschäftsverlauf und der Lage des Konzerns und der im Konzcrnabschluß einbezogenen Unternehmens zu befassen hat, nur daraufhin zu untersuchen, ob diese Angaben nicht eine falsche Vorstellung von der Lage des Konzernunternehmens erwecken (vgl. Anm. 3 zu § 162). Vgl. auch Forster in W P 1965, 602. Über den Konzernabschluß hinaus haben die Konzernabschlußprüfer auch die Abschlüsse der in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen zu prüfen, soweit diese nicht einer Prüfung nach §§ 162 bis 168 oder einer gleichwertigen Prüfung unterliegen, wobei es keine Rolle spielt, ob eine solche Prüfung gesetzlich vorgeschrieben oder freiwillig veranlaßt worden ist. Das ist deshalb notwendig, weil sich der Konzernabschluß auf den einzelnen Abschlüssen der einbezogenen Unternehmen aufbaut. Soweit es 1847

§ 336

Rechnungslegung im Konzern

Anm. 2,3 sich um Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien handelt, deren Stichtag für die Aufstellung des Jahresabschlusses dem für die Aufstellung des Konzernabschlusses entspricht, können diese zugrunde gelegt werden, ohne daß es einer weiteren Prüfung der Konzernabsdilußprüfer bedarf. Anders ist es bereits, wenn es sich um solche Gesellschaften handelt, deren eigener Jahresabschluß zu einem anderen Stichtag aufgestellt ist als der Konzernabschluß. Dann muß nach § 331 III ein Abschluß auf den Stichtag des Konzernabschlusses zusätzlich aufgestellt werden. Dieser Abschluß bedarf nicht der Abschlußprüfung, sondern nur der Billigung durch den Aufsichtsrat, sofern ein solcher vorhanden ist. Eine Prüfung durch den Konzernabsdilußprüfer kann also nur unterbleiben, wenn der Abschluß des einbezogenen Unternehmens 1. nach den Vorschriften des §§ 162 bis 168 2. nach anderen gesetzlichen Vorschriften, z. B. gemeinnützige Wohnungsunternehmen nach dem Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 29. Februar 1940 (RGBl. I S. 438), 3. ohne gesetzliche Verpflichtungen nach den Grundsätzen der §§ 162, 164 bis 167, geprüft worden und der Stichtag des geprüften Abschlusses auch der des Konzernabschlusses ist. III. Prüfungsbericht, Bestätigungsvermerk und Nachtragsprüfung Anm. 3: Die Konzernabschlußprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung einen schriftlichen Bericht zu erstatten und dem Vorstand der Obergesellschaft vorzulegen. Über den Inhalt des Berichtes wird im Gegensatz zu § 166 nichts Besonderes gesagt. Das ist deshalb nicht notwendig, weil der Konzernjahresa'bschluß nicht annähernd die Bedeutung hat, wie der Jahresabschluß einer einzelnen Gesellschaft. Es kann deshalb dem Abschlußprüfer freiere Hand gelassen werden, was er in den Bericht hineinschreibt. Im allgemeinen werden sich die Konzernabsdilußprüfer an die Bestimmung des § 166 I sinngemäß halten, d. h., sie werden nicht ausdrücklich hineinsdhreiben, daß der Vorstand der Obergesellschaft die verlangten Aufklärungen und Nachweise erbracht hat, wenn dies ordnungsgemäß geschehen ist. Sie werden aber hineinschreiben, daß es nicht oder nicht ordnungsgemäß geschehen ist, wenn sie Grund zu Beanstandungen in dieser Richtung haben. Daß an dieser Stelle nicht auf § 166 verwiesen wurde, kann nur insoweit von praktischer Bedeutung sein, als der § 166 II hier nicht zur Anwendung gelangt, d. h., wenn die Konzernabschlußprüfer bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben Tatsachen feststellen, die geeignet sind, den Bestand des Konzerns zu gefährden oder seine Entwicklung wesentlich zu beeinträchtigen oder wenn sich schwerwiegende Verstöße des Vorstandes gegen Gesetz oder 1848

Vorlage des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichts

§§

336/337

Anm. 3

Satzung erkennen lassen, sind sie nicht verpflichtet, diese von ihnen festgestellten Tatsachen in den Prüfungsbericht aufzunehmen. Sie können also nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie dies unterlassen. Eine andere Frage ist es, ob sie nicht ihrem Auftraggeber aufgrund des ihnen erteilten Prüfungsauftrages ganz generell verpflichtet sind, auf derartige Wahrnehmungen aufmerksam zu machen. Da für die Bestellung der Konzernabschlußprüfer der § 163 Anwendung findet, ist ihr Auftraggeber genauso die Obergesellschaft, wie es sonst die Gesellschaft ist. Wenn es in § 329 heißt, daß der Vorstand der Obergesellschaft zur Aufstellung des Konzernabsdilusses verpflichtet ist, so wird er damit nicht etwa zum Auftraggeber der Prüfer, sondern er hat genauso, wie er den Abschlußprüfern des Jahresabschlusses den von der Hauptversammlung bestellten Prüfern den Prüfungsauftrag zu erteilen hat, so auch hier im Namen der Obergesellschaft den Auftrag zu erteilen. Wir sind deshalb der Ansicht, daß, wenn der Abschlußprüfer auf solche bedenkliche Dinge stößt, wie sie in § 166 II aufgeführt sind, er diese zwar nicht in den Bericht aufnehmen muß, er muß aber dafür Sorge tragen, daß diejenigen Organe der Gesellschaft, die die Verantwortung tragen, darauf aufmerksam gemacht werden, das sind der Vorstand, aber auch der Aufsichtsrat. Handelt es sich um Ereignisse, die das abschließende Ergebnis der Prüfung dahin beeinflussen, daß Einwendungen zu erheben sind, so haben nach Abs. 6 die Konzernabschlußprüfer die Bestätigung einzuschränken oder zu versagen. Dies bedarf der Begründung im Prüfungsbericht. Auf diese Weise sind also die Tatsachen alsdann im Prüfungsbericht zu erwähnen, trotz des fehlenden Hinweises auf § 166 II. Bei all diesen Überlegungen wird nicht verkannt, daß es verhältnismäßig selten vorkommen wird, daß Konzernabschlußprüfer auf Tatsachen im Sinne des § 166 II stoßen, wenn solche Tatsachen vorliegen, müßten bereits die Abschlußprüfer sie bemerkt haben (weitergehend B.-H. Rn. 22). Die Vorschrift des Abs. 6 über den Prüfungsvermerk entspricht unverändert der des § 167; auf die Anmerkung dort kann verwiesen werden. Die Vorschrift des Abs. 7 über die Nachtragsprüfung entspricht wörtlich der des § 162 III, auch hier kann auf die Anmerkung dort verwiesen werden. § 337 Vorlage des Konzernabsdilusses und des Konzerngesdiäftsberidits (1) Unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts der Konzernabschlußprüfer hat der Vorstand der Obergesellschaft den Konzernabschluß, den Konzerngesdiäftsbericht und den Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat der Obergesellschaft zur Kenntnisnahme vorzulegen. Jedes Aufsiditsratsmitglied hat das Recht, von den Vorlagen Kenntnis zu nehmen. Die Vorlagen 1849

§337

Anm. 1

Rechnungslegung im Konzern

sind auch jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen auszuhändigen, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. (2) Ist der Konzernabschluß auf den Stichtag des Jahresabschlusses der Obergesellschaft aufgestellt, so sind der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht der Hauptversammlung vorzulegen, die diesen Jahresabschluß entgegennimmt oder festzustellen hat. Weicht der Stichtag des Konzernabschlusses vom Stichtag des Jahresabschlusses der Obergesellschaft ab, so sind der Konzernabsdiluß und der Konzerngeschäftsbericht der Hauptversammlung vorzulegen, die den nächsten auf den Stichtag des Konzernabschlusses folgenden Jahresabschluß entgegennimmt oder festzustellen hat. (3) Fßr die Auslegung des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichts und für die Erteilung von Abschriften gilt § 175 Abs. 2, für die Vorlage an die Hauptversammlung und für die Berichterstattung des Vorstands § 176 Abs. 1. (4) Die Auskunftspflicht des Vorstands der Obergesellschaft in der Hauptversammlung, der der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht vorgelegt werden, erstreckt sich auch auf die Lage des Konzerns und der in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen. I. Vorlage an den Aufsiditsrat (Anm. 1 u. 2)

II. Vorlage der Hauptversammlung (Anm. 3)

I. Vorlage an den Aufsichtsrat Anm. 1: So wie nach § 170 unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichtes der Abschlußprüfer der Vorstand den Jahresabschluß, Geschäftsbericht und den Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat vorzulegen hat, so hat hier der Vorstand der Obergesellschaft unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichtes der Konzernabschlußprüfer die entsprechenden Unterlagen mit diesem Bericht dem Aufsichtsrat der Obergesellschaft vorzulegen. Damit hört die Parallele zwischen Jahresabschluß der Einzelgesellschaft und dem Konzernabschluß auf. Während der Jahresabschluß mit dem Geschäftsbericht und dem Prüfungsbericht der Abschlußprüfer vom Aufsichtsrat selbst zu prüfen und das Ergebnis dieser Prüfung in den schriftlichen Bericht an die Hauptversammlung nach § 171 I I aufzunehmen ist, hat hier der Aufsichtsrat nur von den Vorlagen Kenntnis zu nehmen. Der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht üben keine unmittelbare rechtliche Wirkung aus, da der Konzernabsdiluß nicht festgestellt wird und nicht etwa an Stelle des festzustellenden Jahresabschlusses der Obergesellschaft tritt. Er bildet aber eine wichtige Unterlage für die Beurteilung, nicht nur der Lage des Gesamtkonzerns, sondern damit auch ins1850

Vorlage des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichts

§ 337

Anm. 1—3

besondere der Lage der Obergesellschaft, aber letztlich auch der Lage aller Konzernunternehmen. Deshalb muß der Aufsichtsrat der Obergesellschaft jedenfalls Kenntnis von diesen Unterlagen erhalten. Auch die Aufsiditsräte aller anderen Konzernunternehmen müssen sich mit dem Konzernabschluß und dem Konzerngeschäftsbericht befassen. Das können sie auch, da nach § 338 beide zum Handelsregister der Obergesellschaft einzureichen sind. Außerdem ist der Konzernabschluß nach § 338 II in den Gesellsdiaftsblättern der Obergesellschaft bekanntzumachen. Der Aufsichtsrat der Obergesellschaft hat insofern eine Sonderstellung, als er der einzige ist, dem der Prüfungsbericht der Konzernabschlußprüfer vorgelegt wird, dessen Ergebnis in Form des Bestätigungsvermekes sich allerdings auch aus dem Konzernabschluß selbst ergibt. Anm. 2: Der Aufsichtsrat der Obergesellschaft erhält früher Kenntnis vom Konzernabsdiluß als die Aufsichtsräte der übrigen Konzerngesellschaften. Wenigstens ist dies so nach den gesetzlichen Bestimmungen; in der Praxis dürfte es so sein, daß der Konzernabschluß mit dem Konzerngesdiäftsberidit den Geschäftsleitungen der übrigen Konzernunternehmen spätestens dann zugeht, wenn der Aufsichtsrat der Obergesellschaft davon Kenntnis genommen hat. Für den Aufsichtsrat der Obergesellschaft gilt die gleiche Bestimmung wie § 170 III. Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Vorlagen sind sie jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen auszuhändigen, jedoch kann der Aufsichtsrat etwas anderes beschließen, und zwar sowohl im Einzelfall wie auch generell (vgl. § 170 Anm. 4). Das Recht auf Einsichtnahme, insbesondere auch in den Prüfungsbericht, hat jedes einzelne Mitglied des Aufsichtsrates. Es kann ihm auch nicht durch Mehrheitsbeschluß entzogen werden. Soweit die Konzernunternehmen einen Aufsichtsrat haben, sind die Geschäftsleitungen verpflichtet, den Konzernabschluß und Konzernbericht diesem vorzulegen. Audi die gesetzlichen Vertreter einer GmbH oder bergrechtlichen Gewerkschaft sind zur Vorlage verpflichtet, sofern ein Aufsichtsrat vorhanden ist, gleichgültig, ob nach gesetzlichen oder satzungsmäßigen Bestimmungen (Gutbrod in GmbHR 1966, 87; B.-H. Rn. 4). Die Verpflichtung kann durch das Registergericht durch Ordnungsstrafen erzwungen werden (§ 4071). II. Vorlage der Hauptversammlung Anm. 3: Da der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht besondere Bedeutung für die Obergesellschaft haben, ist er der Hauptversammlung vorzulegen, und zwar, wenn der Stichtag des Konzernabschlusses mit 1851

§§ 337/338

Anm. 3

Rechnungslegung im Konzern

dem Stichtag des Jahresabschlusses der Obergesellschaft zusammenfällt, zusammen mit dem Jahresabschluß der Obergesellschaft. Weicht der Stichtag des Konzernabschlusses ab, so ist er der Hauptversammlung vorzulegen, die den nächsten auf den Stichtag des Konzernabschlusses folgenden Jahresabschluß entgegennimmt oder festzustellen hat. Das hat deshalb zu geschehen, weil sich die Aktionäre aus dem Konzernabschluß und dem Konzerngeschäftsbericht ein Bild von der Lage des Konzerns machen sollen, bevor sie, sei es durch einen Beschluß, der den Jahresabschluß der Obergesellschaft feststellt, sei es durch einen Gewinnverwendungsbeschluß, ihrerseits die Entscheidungen treffen. Das kann praktisch allerdings nur dann geschehen, wenn der Stichtag des Jahresabschlusses der Obergesellschaft mit dem des Konzernabschlusses zusammenfällt, denn sonst ist es kaum möglich, Jahresabschluß und Konzernabschluß miteinander zu vergleichen und daraus gültige Schlüsse zu ziehen. Wenn man davon ausgeht, daß der Konzernabschluß und der Konzerngeschäftsbericht für die Willensbildung der Aktionäre der Hauptversammlung von Bedeutung sind, so muß auch die Möglichkeit geschaffen werden, daß diese vor der Hauptversammlung Kenntnis über den Inhalt bekommen; deshalb gelten für die Auslegung des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberich tes die Vorschriften der §§ 175 I I für die Vorlage an die Hauptversammlung und für die Berichterstattung des Vorstandes § 176 I ; auf die Anmerkungen dort wird verwiesen. Eine weitere Konsequenz ist die Erweiterung des Auskunftsrechts der Aktionäre der Obergesellschaft in der Hauptversammlung. Das geschieht durch die Vorschrift des Abs. 4, wonach der Vorstand der Obergesellschaft in deren Hauptversammlung, der der Konzernabschluß- und der Konzerngeschäftsbericht vorgelegt wird, auch solche Fragen zu beantworten hat, die sich auf die Lage des Konzerns und der in den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen beziehen. Die Bestimmungen der §§ 131 und 132 finden Anwendung.

§ 338 Bekanntmachung des Konzernabschlusses (1) Der Vorstand der Obergesellsdiaft hat unverzüglich nadi der Hauptversammlung über den Jahresabschluß (§ 337 Abs. 2) den Konzernabschluß mit Bestätigungsvermerk und den Konzerngeschäftsbericht zum Handelsregister des Sitzes der Obergesellschaft einzureichen. Der dem eingereichten Konzernabschluß beigefügte Bestätigungsvermerk muß von den Konzernabschlußprüfern unterschrieben sein. Haben die Konzernabschlußprüfer die Bestätigung des Konzernabschlusses versagt, so muß dies auf dem ein1852

Bekanntmachung des Konzernabschlusses

§338

gereichten Konzernabschluß vermerkt, der Vermerk von den Konzernabschlußprüfern unterschrieben sein. (2) Der Vorstand der Obergesellschaft hat den Konzernabschluß zusammen mit dem Jahresabschluß in den Gesellschaftsblättern der Obergesellschaft bekanntzumachen und die Bekanntmachung zum Handelsregister des Sitzes der Obergesellschaft einzureichen. (3) Das Gericht hat zu prüfen, ob der eingereichte Konzernabschluß dem Absatz 1 entspricht, ob er nach Absatz 2 bekanntgemacht worden ist und ob die Bekanntmachung dem Absatz 4 entspricht. Ob der Konzernabsdiluß und der Konzerngeschäftsberidit den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, braucht es nicht zu prüfen. (4) Für die Veröffentlichungen und Vervielfältigungen des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichts gilt § 178 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 und 3 sinngemäß. Der Konzernabsdiluß mit Bestätigungsvermerk und der Konzerngeschäftsberidit — nicht der Prüfungsbericht — sind in der gleidien Weise bekanntzumachen, wie der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht einer Aktiengesellschaft. Für die Bekanntmachung ist der Vorstand der Obergesellschaft verantwortlich. Er hat unverzüglich nach der ordentlichen Hauptversammlung der Obergesellschaft, der nach § 337 II der Konzernabschluß und Konzerngeschäftsbericht vorlag und die gleichzeitig ihren eigenen Jahresabschluß entgegengenommen oder festgestellt hat, diese zum Handelsregister der Obergesellschaft einzureichen. Hierzu kann er nach § 14 HGB durch Ordnungsstrafen angehalten werden. Weiterhin hat er den Konzernabschluß zusammen mit dem Jahresabschluß der Obergesellschaft in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen und die Bekanntmachung zum Handelsregister der Obergesellschaft einzureichen. Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 3 decken sich mit denen des § 177; für die Veröffentlichung und Vervielfältigung des Konzernabschlusses und des Konzerngeschäftsberichtes gelten die Vorschriften des § 178 I Nr. 1, d.h., der Konzernabschluß ist vollständig und richtig mit dem vollen Wortlaut des Bestätigungsvermerkes wiederzugeben, bzw. mit dem Hinweis, daß die Bestätigung versagt sei.

1853

VIERTES BUCH

Verschmelzung. Vermögensübertragung. Umwandlung ERSTER TEIL

Verschmelzung Erster Abschnitt Verschmelzung von Aktiengesellschaften § 339 Wesen der Verschmelzung (1) Aktiengesellschaften können ohne Abwicklung vereinigt (verschmolzen) werden. Die Verschmelzung kann erfolgen 1. durch Übertragung des Vermögens der Gesellschaft (ubertragende Gesellschaft) als Ganzes auf eine andere Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Aktien dieser Gesellschaft (Verschmelzung durch Aufnahme); 2. durch Bildung einer neuen Aktiengesellschaft, auf die das Vermögen jeder der sich vereinigenden Gesellschaften als Ganzes gegen Gewährung von Aktien der neuen Gesellschaft übergeht (Verschmelzung durch Neubildung). (2) Die Verschmelzung ist auch zulässig, wenn die übertragende Gesellschaft oder eine der sich vereinigenden Gesellschaften aufgelöst ist und die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen werden könnte. I. Übersicht (Anm. 1) II. Wesen der Verschmelzung (Anm. 2 u. 3) I I I . Geltungsbereich. (Anm. 4) IV. Übertragung des Vermögens (Anm. 5 u. 6) V. Beteiligung der Aktionäre 1. Allgemeines (Anm. 7) 2. Gestaltung der Mitgliedsrechte (Anm. 8)

1854

3. Gewährung neuer Aktien (Anm. 9 u. 10) 4. Nicht voll eingezahlte Aktien (Anm. 11) 5. Entstehung des neuen Aktienrechts (Anm. 12 u. 13) VI. Gründung der neuen Gesellschaft (Anm. 14) V I I . In Abwicklung befindliche Gesellschaften (Anm. 15)

Wesen der Verschmelzung

§339

Anm. 1,2

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt in Abs. 1 die Bestimmungen des bisherigen § 233 AktG 37 und regelt in Abs. 2 neu die Frage, inwieweit bei einer aufgelösten Gesellschaft die Verschmelzung zulässig ist (siehe Anm. 15). Das Gesetz ordnet in den §§ 339 und 353 die Verschmelzung der Aktiengesellschaften, denen es Bestimmungen folgen läßt: in § 354 über die Verschmelzung von Kommanditgesellschaften auf Aktien und von solchen und Aktiengesellschaften, in § 355 und § 356 über die Verschmelzung einer GmbH mit einer AG oder einer KGaA, in § 357 und 358 über die Verschmelzung einer bergrechtlichen Gewerkschaft mit einer AG. Durch die Verschmelzung erhöht die übernehmende Gesellschaft ihre Kapitalmacht oder die neugegründete Gesellschaft stellt eine größere Macht in der Wirtschaft dar, als es die verschmolzenen Gesellschaften vorher einzeln taten. Die Verschmelzung ist daher für den Fall, daß die übernehnehmende oder die neugegründete Gesellschaft einen Marktanteil von 20 °/o besitzt, ein nach § 23 GBW anzeigepflichtiger Zusammensdiluß. Hierbei kommt es auf den Eintritt der Wirkung an, so daß die Verschmelzung einer Muttergesellschaft mit einer ihr zu 100 °/o gehörenden Tochtergesellschaft nicht anzeigepflichtig ist, da es sich lediglich um eine Verschiebung von Marktanteilen im Rahmen einer Wirtschaftseinheit handelt (vgl. Krause, S. 56). Die Verschmelzung hatte nach bisherigem Recht an Bedeutung verloren, da insbesondere aus steuerlichen Gründen die konzernmäßige Beherrschung durch Mehrheitsbeteiligung der Verschmelzung vorgezogen wurde. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies nach den neuen §§ 291 ff. ändern wird. IL Wesen der Verschmelzung Anm. 2: Die Überschrift des § 339 verspricht eine Wesensbestimmung der Verschmelzung, doch bleibt die Vorschrift selbst die Erfüllung dieses Versprechens schuldig, es ist ihr aber zu entnehmen: a) daß die Verschmelzung in einer Vereinigung besteht, und zwar nach Nr. 1 und 2 S. 2 in einer Vereinigung der Vermögen — die Vereinigung der Mitglieder ist weniger wesentlich, weil der AG die Versachlichung des Mitgliedsrechts und Indifferentismus gegenüber den Subjekten der Mitgliedsredite eigentümlich ist — ; b) daß nach dem Wesen der Verschmelzung keine der beteiligten Gesellschaften ihr Vermögen durch Verkauf an die andere versilbert und in bar an ihre Aktionäre ausschüttet, vielmehr die alten Beteiligungen insofern erhalten bleiben, als an die Stelle der Aktien der alten (übertragenden) Gesellschaft die Aktien der übernehmenden Gesellschaft bei der Verschmelzung 1855

§339 Anm. 2,3

Verschmelzung

durch Aufnahme oder die Aktien der neugebildeten Gesellschaft bei der Verschmelzung durch Neubildung treten. Alles andere, was nadi Gesetzesnorm sonst der Verschmelzung und den einzelnen Formen der Verschmelzung eigentümlich ist, ist juristische Technik, mittels deren der vorbezeichnete Erfolg herbeigeführt werden soll. Hierzu gehört auch zu a) insbesondere, daß der Vermögensübergang nicht durch Einzelübertragung der einzelnen Vermögensgegenstände, sondern nach § 346 III durch Gesamtrechtsnachfolge stattfindet, wobei, wie auch sonst das Wesen der Gesamtrechtsnachfolge nicht so sehr in der Nachfolge in die gesamten Rechte (und Pflichten), als eben in der Rechtsnachfolge durch einen einheitlichen Gesamtakt zu erblicken ist. Diese beruht auf gesetzlichem Recht und ist begrifflich der Verschmelzung nicht eigentümlich. Ebenso ist es zu b) wenigstens nach der vorliegenden gesetzlichen Regelung nur juristische Technik, wie die bisherigen Aktienrechte in Rechte an dem zustande gekommenen Gesamtunternehmen übergeleitet werden: nämlich Gewährung neu geschaffener Aktien der einen AG an die Aktionäre der anderen oder einer neugebildeten AG an die Aktionäre beider — formaljuristisch verschieden, aber sehr ähnlich — oder — formaljuristisch ein großer Unterschied — Gewährung vorhandener Aktien der einen AG an die Aktionäre der anderen. Ebensogut hätte bestimmt werden können, daß die Aktien der einen AG ohne weiteres durch Eintragung in das Handelsregister Aktien der anderen oder daß die Aktien beider AG solcher einer einheitlichen AG werden, verbunden mit einem nachfolgenden Verfahren zum Umtausch der Aktien und, wenn das sogenannte Umtauschverhältnis dies notwendig macht, zur Beseitigung überzähliger Aktien. Streben die verschiedenen vom Gesetz zugelassenen Wege auch demselben Ziele zu, so ist es gleichwohl nicht zulässig, ihre Verschiedenheit zu übersehen, um so weniger, als naturgemäß der beschrittene Weg in seiner Eigentümlichkeit jeweils eine besondere Sachlage zum Ausgangspunkt hat, deren Besonderheit nicht unbeachtet bleiben kann. Anm. 3: Auch die wirtschaftliche Betrachtung führt nicht zu grundsätzlichen, allgemein gültigen Erkenntnissen, auch nicht zu einzelnen. Ein solcher Versuch ist gemacht worden, um nachzuweisen, daß die Aktien, welche der Aktionär der übertragenden AG aus einer Kapitalerhöhung der aufnehmenden AG erhält, keine „neue" Aktie sei, obwohl sie durch die Kapitalerhöhung als Aktie der aufnehmenden AG neu geschaffen worden ist, sondern auch rechtlich eine Fortsetzung der Aktie der ehemaligen, durch die Verschmelzung erloschenen AG, welche nur eine inhaltliche Änderung erfahre, nämlich wie eine Forderung bei der Abtretung oder Schuldübernahme (Flechtheim in JW 33, 1012). Daraus sind rechtliche Ergebnisse gewonnen worden, die z. T. unbestreitbar Forderungen der Vernunft und in der Rechtsprechung anerkannt sind und sich schwer anders begründen lassen. 1856

Wesen der Verschmelzung

§339 Anm. 3—6

Der wirtschaftliche Ausgangspunkt der Beweisführung aber, daß es für den Aktionär z. B. der „Direktion der Disconto-Gesellschaft" keinen Unterschied bedeutet habe, wenn er Aktionär der „Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft" wurde, ist nur für jenen Fall und ähnliche Fälle, aber nicht allgemein gültig. Bei der Vielgestaltigkeit des wirtschaftlichen und des technischen juristischen Vorganges ist daher im einzelnen Falle die befriedigende Ordnung meist nicht aus einem für die Verschmelzung aufstellbaren Begriff, sondern nur aus der gegebenen Interessenlage und aus Folgerungen abzuleiten, die sich aus dem im einzelnen Fall eingeschlagenen juristisch-technischen Wege ergeben. III. Geltungsbereich Anm. 4: Die Vorschriften über die Verschmelzung gelten nur für inländische Gesellschaften, da die Bestimmungen des deutschen Rechts für ausländische Gesellschaften nicht gelten und auch nicht angewendet werden können (zum Teil a. A. das Obergericht Danzig in LZ 1929, 64, wonach ausländische Gesellschaften dann an einer Verschmelzung beteiligt sein können, wenn die gesetzlichen Bestimmungen den hiesigen entsprechen). Soll das gesamte Vermögen einer inländischen Gesellschaft auf eine ausländische Gesellschaft übertragen werden, so müssen die einzelnen Vermögensstücke in der Form des § 361 unter Beachtung der Vorschriften über die Übertragung von Vermögen an Ausländer übertragen werden (vgl. im einzelnen Krause, S. 9 ff.). IV. Übertragung des Vermögens Anm. 5: Gemeinsames Merkmal aller Verschmelzungen ist, daß eine Abwicklung nicht erfolgt, weder die Abwicklung im technischen Sinne (§ 268), nämlidi der Versilberung des Vermögens — die ja regelmäßig den Zweck der Verschmelzung unmöglich machen würde, wenngleich es Verschmelzungen gibt, bei denen das Vermögen der übertragenden AG nach der Verschmelzung ganz oder teilweise versilbert wird — noch die Einzelübertragung der Vermögensgegenstände, wie außerdem noch in Abs. II Nr. 1 und 2 (Vermögen als ganzes) und in § 346 gesagt wird. Obwohl es Merkmal der Verschmelzung ist, daß eine Abwicklung nicht stattfindet, ist eine Verschmelzung nicht möglich, wo die übertragende AG sich schon in Abwicklung befindet (Abs. 2; s. Anm. 15). Anm. 6: Die Vermögen als Ganze werden zusammengeworfen, d. h. nicht nur ohne Einzelübertragung der Vermögensgegenstände, sondern auch ohne Ausnahme einzelner Vermögensgegenstände von der Übertragung. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichtes zum HGB war es möglich, einzelne Vermögensstücke von der Übertragung auszuschließen (RG 124, 294). Nadi 1857

§ 339 Anm. 6—8

Verschmelzung

Einführung der Gesamtrechtsnachfolge (§ 346, bisher § 240 A k t G 37) ist dies ausgeschlossen. V. Beteiligung der Aktionäre 1. Allgemeines Anm. 7: Für die weitere Beteiligung der Aktionäre der übertragenden AG an dem Gesamtunternehmen stellt das Gesetz zwei Wege zur Verfügung: die Verschmelzung durch Aufnahme und die Verschmelzung durch Neubildung. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme übernimmt die eine A G das Vermögen der anderen und entschädigt deren Aktionäre durch ihre eigenen Aktien; sie kann zu diesem Zweck neue durch Kapitalerhöhung schaffen (§ 343) oder schon vorhandene verwenden (§ 344). Bei der Verschmelzung durch Neubildung rufen die an der Verschmelzung beteiligten Aktiengesellschaften ein formal neues juristisches Wesen in Gestalt einer neuen AG ins Leben, um auf diese ihr Vermögen zu übertragen und ihr zuliebe sich selbst zu zerstören. Die Aktionäre der beteiligten AG bleiben in Gestalt von Aktien der neuen A G an dem Gesamtunternehmen beteiligt. 2. Gestaltung der Mitgliedsrechte Anm. 8: Die Vermögen werden gegen Gewährung der Aktien der übernehmenden oder der neugebildeten Gesellschaft übertragen; das bedeutet, daß keine andere Gegenleistung als Aktien zulässig ist; hinsichtlich Barzahlungen sind Ausnahmen insofern gemacht, als sie nach § 344 zwar zulässig sind, aber den zehnten Teil des Gesamtnennbetrages der gewährten Aktien nicht übersteigen dürfen. Die neuen Aktien müssen im Vermögenswert und nach ihren Mitgliedsrechten den Aktien entsprechen, die die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft bisher hatten. Soweit durdi Mehrheitsbeschluß ein Mitgliedsrecht geändert werden kann, ist dies auch bei der Verschmelzung möglich — so Namensaktien anstelle von Inhaberaktien —. Andere Änderungen bedürfen jedodi der Zustimmung der Betroffenen (z. B. § 141). Ohne eine Verschmelzung könnten derartige Änderungen ohne die gesonderte Zustimmung nicht vorgenommen werden und es ist kein Grund ersichtlich, es im Rahmen der Verschmelzung zuzulassen, ohne daß das Gesetz es ausdrücklich tut. Durch die Notwendigkeit, den Aktionären der übertragenden Gesellschaft die gleichen Mitgliedsrechte zu gewähren, wie sie sie bisher hatten, kann sich die Notwendigkeit ergeben, neue Aktiengattungen bei der übernehmenden Gesellschaft zu schaffen. Dies kann bei einer Kapitalerhöhung in beliebiger Form geschehen (so auch Würdinger, S. 215). 1858

Wesen der Verschmelzung

§339

Anm. 9—11

3. Gewährung neuer Aktien Anm. 9: Die Übertragung des Vermögens und Gewährung neuer Aktien bedeutet nicht, daß es sich um eine Zug-um-Zug-Leistung, vielmehr, sowohl bei der Verschmelzung durch Aufnahme als auch durch Neubildung, um einen körperschaftlichen Akt handelt, und zwar nach herrschender Meinung um einen Erwerb von Mitgliedsrechten durch Sacheinlage, wobei jedoch die Sacheinlage von der übertragenden AG, der Erwerb der Mitgliedsredite aber von deren Aktionären gemacht wird, ohne daß diese zu einer Einlage verpfliditet wären. RG 124, 288 nennt es „einen, wenn auch eigenartigen Fall des Sacheinbringens, bei dem der Fusionsvertrag die Stelle des Zeichnungssdieines vertritt" und drückt es auf Seite 306 audi so aus, daß die „Sachgrundlage der neuen Rechte in dem Einbringen des Vermögens der übertragenden AG bestehe". Dies gilt audi bei Verschmelzung durch Übertragung des Vermögens gegen bereits vorhandene Aktien, da audi noch interne Änderungen — z. B. das Entstehen von Verpflichtungen zum Ausgleich von Spitzen in bar — durch die Verschmelzung eintreten können (so audi Würdinger, S. 220). Anm. 10: „Gegen Gewährung von Aktien" bedeutet nicht, daß jedem Aktionär der übertragenden AG für je eine Akcie der letzteren eine der aufnehmenden oder neugebildeten AG gewährt werden muß. Unter Umständen, so wenn der Wert des übertragenen Vermögens hinter der Grundkapitalsziffer der übertragenden AG zurückbleibt, ist dies nicht einmal statthaft, audi dann nicht, wenn dasselbe auf die aufnehmende AG zutrifft, weil dann eine Ausgabe unter Nennwert vorläge. Wenn das Vermögen beider Gesellschaften unter Nennwert ist, bleibt vorbehaltlich § 344 nur die Möglichkeit, die Verschmelzung durch Neubildung vorzunehmen, womit eine Zusammenlegung verbunden werden kann. Wenn aber die Aktien der aufnehmenden AG pari oder mehr wert sind und jene der übertragenden einen geringeren Wert haben als die der aufnehmenden, kann auch die Verschmelzung durch Aufnahme mit Hilfe einer Zusammenlegung stattfinden. Das Gesetz geht von deren Zulässigkeit in § 346 VII ohne weiteres aus. Eine soldie Zusammenlegung ist, um den erforderlichen Wertausgleich herbeizuführen, unter Umständen selbst dann notwendig, wenn auch die Aktien der übertragenen AG über Nennwert stehen (z. B. Kurs der Aktien der übertragenden AG 120 °/o, der aufnehmenden 180 °/o, Umtauschverhältnis 3:2), wobei von einer gleichen Grundkapitalsziffer der beiden Gesellschaften ausgegangen worden ist. 4. Nicht voll eingezahlte Aktien Anm. 11: Waren die Aktien der übertragenden AG noch nicht voll eingezahlt, so sind es auch die neuen nicht, da eine Befreiung der Einlagepflicht ausgeschlossen ist (§ 66). Die Verpflichtung muß aber die gleiche bleiben. 1859

§339

Anm. 11—15

Verschmelzung

Erhält der Aktionär nadi obigem Beispiel für drei alte Aktien zwei neue, so ist die Einlagepflicht, die er auf drei alte Aktien zu leisten hatte, nunmehr für die zwei neuen zu leisten. Waren auf eine alte Aktie nodi 50,— DM zu leisten, so sind für eine neue Aktie nunmehr 75,— DM zu zahlen. 5. Entstehung des neuen Aktienrechts Anm. 12: Hinsichtlich der Frage, wie und wann die Aktionäre die Aktien der übernehmenden Gesellschaft gewährt erhalten, sagt das Gesetz im § 339 lediglich: „durdi Übertragung des Vermögens . . . gegen Gewährung von Aktien". Die Aktionäre erwerben die neuen Aktienrechte von Rechts wegen durch Eintragung der Verschmelzung (so die herrschende Lehre: s. Sdiilling in Großkomm. § 240 AktG 37 Anm. 13; Baumbach-Hueck Rn. 1; Gierke S. 387; Würdinger S. 220). Die Ausgabe der Urkunden erfolgt erst mit der Ausgabe an die Aktionäre, die vom Treuhänder vorgenommen wird (s. auch § 346 Anm. 11). Anm. 13: Mit der Entstehung des neuen Aktienrechts gehen auch die Rechte an der alten — übertragenen — AG unter. Die Urkunden, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in den Händen der Aktionäre befinden, werden leer und dienen nur nodi zu dem einen Zweck, sich für den Empfang der neuen Aktien zu legitimieren. Fraglich ist jedoch, was mit den Rechten geschieht, die an der alten Aktie bestanden — Nießbrauch, Pfandrechte und dgl. —; diese gehen über als Rechte an der neuen Aktie. Die alte Aktie war eine Urkunde über die Rechte des Inhabers an dem Vermögen der Gesellschaft; dieses ist auf eine andere Gesellschaft übergegangen. Die Rechte des Aktionärs resultieren aus seinen an der übertragenen Gesellschaft bestandenen Rechten. Er ist zwar nunmehr an einer anderen Gesellschaft beteiligt, die Beteiligung ist aber ein Ergebnis seiner bisherigen Beteiligung. VI. Gründung der neuen Gesellschaft Anm. 14: Im Falle der Verschmelzung durch Bildung einer neuen AG gehen sämtliche bisherigen Rechtsträger unter. Es entsteht eine neue Rechtspersönlichkeit. Es handelt sidi um eine Neugründung, jedoch sind die Bestimmungen über die Gründung einer Aktiengesellschaft nicht ohne weiteres anzuwenden, sondern nur insoweit, als dies im § 353 ausdrücklich bestimmt ist. Es fallen insbesondere weg die Bestimmungen über die Gründungsprüfung und über die Festsetzung von Sacheinlagen und Sachübernahmen gemäß § 27. Im einzelnen vergl. zu § 353. VII. In Abwicklung befindliche Gesellschaften Anm. 15: Durch die neue Bestimmung des Abs. 2 wird eine bisherige Streitfrage im Sinne der herrschenden Lehre geklärt. Danach ist eine Ver1860

Beschlüsse der Hauptversammlungen

§§ 339/340

Anm. 15

Schmelzung auch möglich, w e n n die übertragende Gesellschaft bei der V e r -

schmelzung durch Aufnahme oder eine der beiden sich vereinigenden Gesellschaften bei der Verschmelzung durch Neubildung aufgelöst ist und die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen werden könnte. Daraus ergibt sich, daß niemals beide vertragsschließenden Gesellschaften aufgelöst sein dürfen. Das Gesetz geht offenbar davon aus, daß immer nur zwei Gesellschaften bei der Verschmelzung beteiligt sein können, denn es ist kein Grund ersichtlich, warum in dem Falle der Verschmelzung durdi Neubildung, bei der beispielsweise vier Gesellschaften beteiligt sein können, nicht zwei oder drei Gesellschaften aufgelöst sein können. Grundgedanke des Gesetzes kann unseres Erachtens nur sein, daß eine der beteiligten Gesellschaften nicht aufgelöst sein darf; ist sie es dennoch, so muß vorher die Fortsetzung nach § 274 beschlossen werden. Das gleiche gilt bei der Verschmelzung durch Aufnahme, wenn die aufnehmende Gesellschaft aufgelöst sein sollte. Diese darf begriffsnotwendig niemals aufgelöst sein, jede übertragende immer, auch wenn mehrere Gesellschaften auf eine übertragen. Voraussetzung ist aber, daß sie die Fortsetzung noch beschließen könnten, d. h., daß die Voraussetzungen des § 274 vorliegen. Die Versilberung des Vermögens darf demnach bereits vorgenommen worden sein, die Verteilung an die Aktionäre aber noch nicht begonnen haben.

Erster Unterabschnitt Verschmelzung durch Aufnahme § 340 BesdilGsse der Hauptversammlungen (1) Der Verschmelzungsvertrag wird nur wirksam, wenn die Hauptversammlung jeder Gesellschaft ihm zustimmt. (2) Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (3) Der Verschmelzungsvertrag ist von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung beschließen soll, in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift zu erteilen. In der Hauptversammlung ist der Vertrag auszulegen. Der Vorstand hat ihn zu Beginn der Verhandlung zu erläutern. Der Niederschrift ist er als Anlage beizufügen. 1861

§340 Arno. 1,2

Verschmelzung

(4) Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung, die über die Verschmelzung beschließt, Auskunft auch über alle für die Verschmelzung wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, mit welcher der Verschmelzungsvertrag geschlossen werden soll. I. Obersicht (Anm. 1) II. Verschmelzung durch Aufnahme 1. Gang (Anm. 2) 2. Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung (Anm. 3—5)

3. Eintragung (Anm. 6) 4. Folgen des Beschlusses (Anm. 7) III. Mitwirkung des Aufsiditsrates (Anm. 8) IV. Auslegung (Anm. 9) V. Auskunftsrecht (Anm. 10)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt von dem bisherigen § 234 AktG 37 lediglich Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 mit sprachlichen Änderungen. Damit entfällt die Ausnahme, daß die Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft dann nicht zuzustimmen braucht, wenn der Gesamtbetrag der zu gewährenden Aktien den zehnten Teil des Grundkapitals dieser Gesellschaft nicht übersteigt. Immer, also auch in diesem Fall, ist die Zustimmung der Hauptversammlung jeder Gesellschaft erforderlich. Ferner ist die Erleichterung weggefallen (bisher § 234 II S. 2 AktG 37), wonach die Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft die Verschmelzung nach den Satzungsbestimmungen hinsichtlich der Kapitalerhöhung — also evtl. nicht mit der qualifizierten Kapitalmehrheit — beschließen konnte. Die Bestimmung des Abs. 2 ist zwingend und eine geringere Kapitalmehrheit ist in keinem Fall mehr zulässig. Neu sind die Bestimmungen in Abs. 3 hinsichtlich der Auslegungspflicht des Verschmelzungsvertrages (s. Anm. 9) und des Abs. 4 über das besondere Auskunftsrecht der Aktionäre (s. Anm. 10). II. Verschmelzung durch Aufnahme 1. Gang Anm. 2: Der Gang der Verschmelzung durch Aufnahme ist folgender: a) zuerst wird zwedkmäßigerweise der Versdimelzungsvertrag in notarieller Form geschlossen (§341), praktisch schon deshalb vor den Hauptversammlungsbeschlüssen, weil man sich scheut, die Verhandlungen vor Abschluß zu stören, in dem man sie laut werden läßt; b) sodann wird der Beschluß der aufnehmenden Gesellschaft gefaßt; dieser hat zum Inhalt: aa) Die Genehmigung des Verschmelzungsvertrages; die nach § 241 erforderliche Genehmigung ist auch für den Hauptversammlungsbeschluß der aufnehmenden AG vorgängig einzuholen. 1862

Beschlüsse der Hauptversammlungen

§340

Anm. 2

bb) Die Schaffung der neuen Aktien, sei es durch gewöhnlichen Kapitalerhöhungsbeschluß (§ 182) oder durch Kapitalerhöhung mittels Ermächtigung des Vorstandes (§ 202), siehe hierüber ausführlich zu § 343. Eine Kapitalerhöhung ist aber dann nicht nötig, wenn bereits Aktien vorhanden sind (§ 344). Im Falle einer notwendigen Kapitalerhöhung ist zunächst diese und ihre Durchführung zur Eintragung beim Handelsregister anzumelden (§ 346 I S. 2). Der Anmeldung sind beizufügen: der Verschmelzungsvertrag, die Ausfertigung der Verschmelzungsbeschlüsse der beiden Hauptversammlungen, die Berechnung der Kosten, die durch die Ausgabe der neuen Aktien entstehen, sowie — sofern erforderlich — eine staatliche Genehmigung (vgl. §§ 343 II, 188 I I I N r . 2 bis 4). c) Es folgt der Beschluß der übertragenden A G , der die Verschmelzung und den Ausschluß der Abwicklung enthalten muß. d) Während die Eintragung der Verschmelzung erst erfolgen darf, nachdem die Aktien an den Treuhänder ausgegeben worden sind, muß die Eintragung der Kapitalerhöhung und der durchgeführten Kapitalerhöhung abgewartet werden, bevor die Aktien an den Treuhänder ausgegeben werden können. Es kann aber inzwischen die Bestellung des Treuhänders der übernehmenden A G durch deren Vorstand erfolgen — in öffentlich beglaubigter Form, weil seine Sachbefugnis dem Registergericht nachgewiesen werden muß. e) Nach der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung kann und muß die Ausgabe der zur Ausreichung an die Aktionäre der übertragenden A G bestimmten Aktien der aufnehmenden A G an den Treuhänder stattfinden. f) Darauf hat dieser Anzeige von deren Empfang an die beiden Registerrichter in öffentlich beglaubigter Form zu machen. g) Daran reihen sich die Anmeldungen beider Gesellschaften an das Handelsregister an. Der Anmeldung sind beizufügen: Der Verschmelzungsvertrag, die Verschmelzungsbeschlüsse, die Schlußbilanz der übertragenden Gesellschaft, die Anzeige des Treuhänders über die Inbesitznahme der neuen Aktien, evtl. der Nachweis der Eintragung der Kapitalerhöhung und ihrer Durchführung, sowie — evtl. — eine staatliche Genehmigung. Die Anmeldung und Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung ist auch notwendig, wenn die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses schon früher gefaßt und eingetragen war, wie namentlich bei der Ausgabe von Aktien durch den Vorstand aus genehmigtem Kapital. Bei der Anmeldung handelt der Vorstand durch diejenigen und durch soviel Personen, wie zur ordnungsmäßigen Vertretung der A G erforderlich sind (unter Umständen auch ein Mitglied und ein Prokurist); bei allen Anmeldungen ist § 43 I zu beachten. 1863

§340

Anm. 2—4

Verschmelzung

h) Es erfolgt die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister, und zwar zuerst der übertragenden AG, dann der aufnehmenden AG, wenn dem Registergericht der letzteren die Eintragung im Handelsregister der ersteren nachgewiesen ist (vgl. § 346 I S . 1). Durch die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der übertragenden AG vollzieht sich die Verschmelzung und der Vermögensübergang. Es schließt sich das Umtauschverfahren an. 2. Zustimmungsbeschluß der Hauptversammlung Anm. 3: Die Zustimmung der Hauptversammlungen muß zum Verschmelzungsvertrag hinzukommen, anderenfalls bleibt dieser unwirksam; die gesetzliche Vertretungsmacht des Vorstandes ist beschränkt, vorausgesetzt ist ein gültiger Beschluß. Uber die Folgen seiner Nichtigkeit, wenn diese nicht von vornherein ersichtlich ist und zur Ablehnung der Eintragung führt und seine erfolgreiche Anfechtung siehe zu § 352. Aus der Voraussetzung der Zustimmung der Hauptversammlung ergibt sich, daß der Vorstand einen anderen als den beschlossenen Vertrag nicht abschließen kann. Der Vorstand ist auch an den Beschluß der Hauptversammlung gebunden, er muß, wenn die Hauptversammlung es beschlossen hat, den Vertrag abschließen (so Schilling in Großkomm. § 234 AktG 37 Anm. 8; Schl.-Qu. Anm. 2). Er kann aber, ohne die Hauptversammlung zu befragen, den Vertrag wegen Willensmängel anfechten, von ihm zurücktreten oder ihn nach § 341 kündigen. Anm. 4: Formelles Erfordernis der Beschlußfassung ist für die Hauptversammlung beider Gesellschaften eine einfache Mehrheit der Stimmen (die Mehrstimmrechte mehrfach gerechnet — bestehen solche für den Fall der Auflösung, so kommen sie bei der übertragenden AG zum Zuge —), welche zugleich 'A des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Besitzt die aufnehmende AG selbst Aktien der übertragenden, so ist sie nach §136 nicht gehindert, das Stimmrecht auszuüben; ihre Stimmen sind mitzuzählen. Sind verschiedene Gattungen Aktien der übertragenden AG vorhanden, so ist streitig, ob eine gesonderte Abstimmung zu erfolgen hat. Das Gesetz hat an verschiedenen Stellen (§§ 182, 193 I S. 3, 202 II S. 4, 207 II; 222 II; 229 III) das Erfordernis einer gesonderten Beschlußfassung besonderer Gattungen vorgeschrieben. Weiterhin ist die Verschmelzung erschöpfend geregelt, ohne daß eine gesonderte Abstimmung bestimmt ist. Es ist daher kein Grund einzusehen, warum für die Verschmelzung als solche eine gesonderte Abstimmung erforderlich sein sollte (B.-H. Rn 5), insbesondere auch deshalb nicht, da das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen untereinander nicht geändert wird. Es kann sich im Rahmen der Verschmelzung ein anderer Grund ergeben, der eine gesonderte Abstimmung erfordert — 1864

Beschlüsse der Hauptversammlungen

§ 340

Anm. 4—8

z. B. Satzungsänderung, insbesondere Kapitalerhöhung —, dann ist sie aber deswegen und nidit hinsichtlich der Versdimelzung durchzuführen. Anm. 5: Gegenstand des Beschlusses ist der Verschmelzungsvertrag, er muß seinem Inhalt nach der Hauptversammlung vorgelegt werden. Dabei ist es zwar nicht notwendig, daß der Vertrag bereits abgeschlossen ist. Er muß aber jedenfalls in allen wesentlichen Bestandteilen (Vertragsgegner und Bedingungen) bereits feststehen. Ein nur programmatischer Beschluß würde die Notwendigkeit nicht beseitigen, über den abzuschließenden Vertrag zu seiner Genehmigung nochmals zu beschließen, dies ergibt sich bereits aus dem neu eingefügten Abs. 3, wonach der Vertrag vor der Hauptversammlung auszulegen ist; dies erhellt, daß ein „Vertrag" bei der Hauptversammlung bereits vorhanden sein muß, zumindest in seinem wesentlichen Bestandteil. 3. Eintragung Anm. 6: Einzutragen sind die Beschlüsse über die Versdimelzung nicht. Der Eintragung bedarf zu seiner Wirksamkeit nur der Kapitalerhöhungsbeschluß der aufnehmenden AG und die durchgeführte Kapitalerhöhung, ferner die Verschmelzung selbst (§ 345). 4. Folgen des Beschlusses Anm. 7: Die Folge des Beschlusses ist die Bindung der beteiligten AG an den Versdimelzungsvertrag, wenn ein solcher vorliegt und sobald er abgeschlossen wird, nidit aber etwa die Auflösung der übertragenden AG. Eine solche tritt bei der Versdimelzung überhaupt nicht ein, vielmehr geht die AG durch Eintragung der Verschmelzung unter, aber erst in einem viel späteren Zeitpunkt (§ 346). III. Mitwirkung des Aufsiditsrates Anm. 8: Vom Aufsiditsrat hat nur der Vorsitzende bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung der aufnehmenden AG mitzuwirken, ferner ist deren Aufsiditsrat nach §§ 202, 205 zur Mitwirkung berufen, wenn die neuen Aktien vom Vorstand aus genehmigtem Kapital ausgegeben werden; dagegen ist zur Verschmelzung als solcher Genehmigung des Aufsichtsrates nidit vorgeschrieben, so daß der Aufsichtsrat der übertragenden AG niemals, jener der aufnehmenden nur dann zu Worte kommen soll, wenn die Aktien von ihrem Vorstand aus genehmigtem Kapital gegeben werden (§§ 202, 205) oder § 52 eingreift; jedoch kann das Erfordernis der Aufsichtsratsgenehmigung durch Satzung oder eigene Vorschrift des Aufsichtsrats (§111 IV) geschaffen sein. Aber es ist auch dann die Verweigerung der Genehmigung gegenstandslos, wenn die Hauptversammlung zustimmt. Nach § 90 ist dem Aufsichtsrat vor Abschluß des Vertrages zu berichten. 1865

§§340/341 Anm. 9,10/1

Versdimelzung

IV. Auslegung Anm. 9: Neu ist Abs. 3, wonach der Vertrag von der Einberufung ab und während der Hauptversammlung selbst zur Einsichtnahme auszulegen ist. Die Vorschrift entspricht genau dem § 52 I I S. 2 bis 5, vgl. daher im einzelnen dort Anm. 5. V. Auskunftsrecht Anm. 10: Abs. 4 erweitert das Auskunftsrecht der Aktionäre, da das Auskunftsrecht des § 131 für die Versdimelzung als unzureichend anzusehen ist. Es kann Auskunft verlangt werden über alle für die Versdimelzung wesentlichen Angelegenheiten der anderen am Vertrag beteiligten Gesellschaften. Audi für dieses Auskunftsredit gelten die §§ 131 II bis IV, 132. Es gilt also insbesondere das Recht, die Auskunft zu verweigern, sowie die Bestimmung, daß ausschließlich das Landgericht darüber zu entscheiden hat, ob die Auskunft zu geben ist, vgl. im einzelnen §§ 131,132 mit Erläuterungen. § 341 Verschmelzungsvertrag (1) Der Verschmelzungsvertrag bedarf der notariellen Beurkundung. § 310 des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt für ihn nicht. (2) Soll die Wirkung des Verschmelzungsvertrags erst nadi mehr als zehn Jahren eintreten, so können beide Teile den Vertrag nach zehn Jahren mit halbjähriger Frist kündigen. Gleiches gilt, wenn der Vertrag unter einer Bedingung geschlossen und diese binnen zehn Jahren nidit eingetreten ist. Die Kündigung ist stets nur zulässig für den Schluß des Geschäftsjahrs der Gesellschaft, der gegenüber die Kündigung erklärt wird. I. Übersicht (Anm. 1) II. Der betagte oder bedingte Vertrag (Anm. 2 u. 3)

III. Eintritt der Bindung (Anm. 4)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt den bisherigen § 235 I und II AktG 37 mit nur geringfügigen sprachlichen Änderungen. Abs. 3 des bisherigen § 235 AktG 37 ist nicht übernommen worden, da sich sein Inhalt von selbst versteht (s. Anm. 4). Eine Änderung ist durch das Beurkundungsgesetz vom 28. 8.1969 insofern erfolgt, als lediglich die notarielle Beurkundung des Verschmelzungsvertrages möglich ist und nicht mehr die gerichtliche. Die Vorschrift trifft einige Bestimmungen über den Verschmelzungsvertrag. Seine Natur ist einzigartig. Es ist ein körperschaftsrechtlicher Vertrag, 1866

Verschmelzungsvertrag

§341 Anm. 1,2

der zunächst nur obligatorische, dann in Verbindung mit der Eintragung der Verschmelzung auch dingliche Wirkungen in vermögensrechtlidier und gesellschaftsrechtlicher Beziehung erzeugt. Im Rahmen des § 340 bedarf er der Zustimmung der Hauptversammlung, ist aber bis dahin kein nullum, doch (schwebend) unwirksam, also auch noch für keine Gesellschaft bindend. Er wird von den zur Vertretung der AG berufenen Personen, also dem Vorstand, geschlossen. Auch gewillkürte Vertretung durch einen General- oder Spezialbevollmächtigten ist statthaft. Die Prokura wird nicht ausreichen, wohl aber kann der Vertrag durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen geschlossen werden, wenn die gesetzliche Vertretung nach der Satzung in dieser Zusammenstellung gegeben ist. Zwei übereinstimmende Hauptversammlungsbeschlüsse können den Vertragsabschluß nicht ersetzen. Sein notwendiger Inhalt, der also durch die Einigung und die vorgeschriebene Form gedeckt, mindestens durch Auslegung aus der Vertragsurkunde entnehmbar sein muß, ist Ubergang des Vermögens der einen AG auf die andere als Ganzes ohne Abwicklung, Gewährung von Aktien der letzteren (evtl. mit Zuzahlung) in bestimmtem Verhältnis oder in bestimmter Zahl und Nennbetrag. Vorgeschrieben wird notarielle Form. Der Mangel wird nach § 346 V durch die Eintragung der Verschmelzung geheilt. Einheitlichkeit der Verhandlung ist auch dann nicht vorgeschrieben, wenn sich in dem veräußerten Vermögen Grundstücke befinden; zu einer Auflassung kommt es nicht, da das Vermögen kraft Gesetzes im ganzen übergeht; demnach kann auch ein befristetes Angebot zu einem Verschmelzungsvertrag gemacht werden (s. Anm. 2). Natürlich muß nach allgemeinem Grundsatz die gesetzlich vorgeschriebene Form auch alle über den notwendigen Inhalt hinausgehenden Vereinbarungen decken, z. B. Interessengemeinschaften, die während einer Zwischenzeit gelten sollen, wenn etwa der Vertrag betagt ist u. a. II. Der betagte oder bedingte Vertrag Anm. 2: Das Gesetz gestattet aber auch und regelt mit besonderer Ausführlichkeit den betagten Verschmelzungsvertrag. Da bei der Verschmelzung das gesamte Vermögen, bei einem betagten Versdimelzungsvertrag demnach das Vermögen in seinem künftigen Bestände veräußert wird, könnten Bedenken gegen die Zulässigkeit des betagten Verschmelzungsvertrages aus § 310 BGB hergeleitet werden, wo Veräußerungsverträge über ein künftiges Vermögen als nichtig erklärt werden. Das Gesetz bestimmt demnach ausdrücklich, daß diese Vorschrift unanwendbar sei. Die Betagung mit sofort einsetzender Zusammenarbeit kann zweckmäßig sein, weil sie die Möglichkeit bietet, den Vertrag noch vor Eintritt des Termins und Eintragung der Verschmelzung anzufechten, wenn Anfechtungsgründe gegeben sind. Es werden dann die Verwicklungen vermieden, deren zu § 352 gedacht ist. Der Vertrag kann auch bedingt (auch unter der Bedingung: si voluero) geschlossen werden. 1867

§341 Anm. 2,3

Verschmelzung

Das Gesetz denkt jedoch offenbar nur an den aufschiebend betagten oder bedingten Verschmelzungsvertrag. In der Tat ist an den auflösend betagten oder bedingten nicht zu denken, denn die Verschmelzung tritt ja nur durch Eintragung ein. Ist aber eingetragen und die Verschmelzung eingetreten, so würde zwar der Eintritt des auflösenden Termins oder der auflösenden Bedingung bewirken, daß der Verschmelzungsvertrag wegfällt und daß, da damit eine wesentliche Voraussetzung der Verschmelzung fortfiele, auch der Vermögensübergang und die Verschmelzung ungeschehen wäre; davon wäre aber eine heillose Verwirrung die Folge (s. zu § 352). Im Fall eines auflösend bedingten Verschmelzungsvertrages müßte also wenigstens die Eintragung unterbleiben, bis feststeht, ob die Bedingung eintritt. Eine auflösende Betagung mit Unterlassung der Eintragung dagegen ist überhaupt sinnlos. Ist der Verschmelzungsvertrag aufschiebend bedingt, muß bei der Anmeldung der Verschmelzung der Eintritt der Bedingung dem Registergericht nachgewiesen werden. Natürlich ist auch ein bloßer Vertragsantrag möglich, der aber, um bindend zu sein, von der Hauptversammlung der antragenden AG beschlossen sein muß. Einen lange befristeten Vertragsantrag wird man entsprechend der Kündbarkeit eines lange betagten Vertrages (s. Anm. 3) für widerruflich ansehen müssen; denn mit dem Grundsatz allein, daß die Annahme nicht gegen Treu und Glauben verstoßen darf, wird man nicht zu einem billigen Ergebnis kommen. Fraglich könnte sein, ob nach der Annahme des Angebots ein erneuter Hauptversammlungsbesdiluß der anbietenden Aktiengesellschaft nach § 340 erforderlich ist. Dies hängt davon ab, ob ein genau ausgearbeiteter Vertrag angeboten und ob dieser ohne Änderungen angenommen worden ist, dann ist ein neuer Beschluß nicht erforderlich. Wurden aber Änderungen vorgenommen oder war das Angebot nur die Aufnahme von Vertragsgesprächen überhaupt, so ist ein neuer Hauptversammlungsbeschluß nach § 340 erforderlich. Anm. 3: Ist die Bindung länger als 10 Jahre oder tritt die Bedingung innerhalb von 10 Jahren nicht ein, so kann jeder Teil nach Ablauf der 10 Jahre, gerechnet vom Tage der Bindung ab (wohl meist zweite Hauptversammlung), den Vertrag mit halbjähriger Frist zum Ablauf des Geschäftsjahres des anderen Teils kündigen. Die Vorschrift ist insofern zwingend, als die Kündbarkeit nicht ausgeschlossen und die Kündigungsfrist nicht verlängert werden kann. Dagegen kann frühere Kündbarkeit mit kürzerer Kündigungsfrist vereinbart werden. Vorausgesetzt ist natürlich, daß der Vertrag voll wirksam, d. h. von beiden Hauptversammlungen genehmigt ist, denn anderenfalls ist er ohnedies nicht bindend. Die Kündigung wird durch den Vorstand erklärt, der dabei in der Zusammensetzung handelt, in der er nach der Satzung vertretungsberechtigt ist. Der Zustimmung der 1868

Versdimelzungsvertrag

§341 Anm. 3,4

Hauptversammlung bedarf der Vorstand zur Kündigung nicht (Godin in J W 38, 1146; Baumbach-Hueck Rn 7; a. A. Schl.-Qua. § 235 Anm. 10). Fraglich ist, ob Abs. 2 die Möglichkeit, sich von einem Verschmelzungsvertrag mit lange dauernder Bindung loszusagen, erschöpfend regeln will, ob also neben der Kündigung wegen Zeitablaufs auch eine Kündigung aus allgemeinen Grundsätzen zulässig ist oder nicht; z. B. aus wichtigem Grunde unter entsprechender Anwendung des § 723 BGB, die das Reichsgericht bei lange dauernden Verträgen, welche besonderes Vertrauen voraussetzen, in ständiger Rechtsprechung gestattet; Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die herrschende Meinung (Schl.-Qu. § 235 Anm. 12; Baumbach-Hueck Rn. 8; Schilling in Großkomm. § 235 AktG 37 Anm. 15) läßt die Kündigung aus weiteren Gründen zu; dem ist zuzustimmen, denn es erscheint uns zugleich unerträglich und sinnlos, daß eine Vertragspartei erst noch jahrelang an den Vertrag gebunden bleiben soll, obwohl ein wichtiger Grund eingetreten ist, der nach Ablauf der 10jährigen Bindungsfrist doch zur Kündigung führt. Freilich geht das Kündigungsrecht aus entsprechender Anwendung des § 723 BGB weiter als das des Abs. 2 insofern, als es nicht gerade eine zehnjährige, immerhin aber eine lange Vertragsdauer voraussetzt. Die Kündigung eines zwischenzeitlich eingegangenen Interessengemeinschaftsvertrages dürfte unabhängig von der Kündbarkeit des betagten Versdimelzungsvertrages möglich sein und folgt ohnedies den Regeln des BGB über die Kündigung einer Gesellschaft; einerseits wird für die Zulässigkeit der Kündigung (die Zulänglichkeit des Grundes) der Verschmelzungsvertrag nicht außer acht bleiben dürfen; andererseits wird die Kündigung des Interessengemeinschaftsvertrages nicht ihrerseits ein Grund für die Kündigung des Verschmelzungsvertrages sein. Angesichts der Kündbarkeit dürfte — außer bei kurzfristigen Verträgen — die Möglichkeit eines Rücktritts (wegen positiver Vertragsverletzung) ausscheiden. Unmöglichkeit der Leistung des einen Teils dürfte für jeden Teil ein Kündigungsgrund sein. m . Eintritt der Bindung Anm. 4: Über den Eintritt der Bindung gilt folgendes: Da bei Vertragsabschluß regelmäßig keine Partei auch nur vorübergehend einseitig gebunden wird sein wollen, kann keine vor der anderen gebunden sein, auch nicht, wenn ihre Hauptversammlung schon zugestimmt hat, solange die Zustimmung der anderen nicht beschlossen ist. Eine Bindung kann daher erst eintreten, wenn beide Hauptversammlungsbeschlüsse nach § 340 und ein evtl. Kapitalerhöhungsbeschluß der übernehmenden AG gefaßt sind. Nichtsdestoweniger ist es trotz der mangelnden Bindung angebracht, einen Termin zu vereinbaren, nach welchem vom Vertrag zurückgetreten werden kann, 1869

§§341/342 Anm. 4/1

Verschmelzung

wenn nicht vorher alle erforderlichen Beschlüsse gefaßt sind; der Rücktritt hat zur Folge, daß fortan der Vertrag nicht mehr wirksam gemacht werden kann. Vor allem empfiehlt es sich, um eine unerträgliche Ungewißheit auszuschließen, jeder Partei einen Rüdetritt für den Fall vorzubehalten, daß gegen einen Beschluß Widerspruch zur Niederschrift erklärt oder Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erhoben wird. Eine einseitige Aufhebung des Vertrages ist, von der ausdrücklich zugelassenen Kündigung nach 10 Jahren abgesehen, selbstverständlich nicht möglich, wenn der Vertrag für die Gesellschaft wirksam geworden ist. Dies war bisher ausdrücklich geregelt. Die Unwirksamkeit eines dahingehenden Hauptversammlungsbeschlusses ergibt sich jedoch bereits aus allgemeinen Erwägungen. Zur Aufhebung ist eine Erklärung des Vorstandes erforderlich. Auch wenn beide Hauptversammlungen übereinstimmend die Aufhebung beschließen, hat dies allein nur innere Wirkung. Zur Aufhebung erforderlich ist, daß sich die beiden Vorstände formlos über die Aufhebung einigen. Zur Aufhebung ist jedoch die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlidi (vgl. Schl.-Qu. § 235 Anm. 13). Der Vorstand kann aber ohne Hauptversammlungsbeschluß ein vertragliches oder (s. Anm. 3) gesetzliches Rücktrittsrecht ausüben und den Vertrag nach bürgerlichen Rechtsgrundsätzen anfechten. Änderungen der beschlossenen Vertragsbedingungen können die Vorstände angesichts § 340 I S. 1 nicht wirksam vereinbaren, da alle Bestimmungen nur wirksam werden können, wenn sie von beiden (allen) Hauptversammlungen beschlossen sind; die Vorstände können daher aus eigener Machtvollkommenheit auch den Termin des Inkrafttretens nidit ändern, etwa hinaus- oder vorverschieben, auch nicht eine Bedingungen ändern, etwa von ihr absehen oder sie durch eine andere ersetzen oder eine andere hin» zufügen. § 342 Anwendung der Vorschriften über die Nadigriindung Wird der Verschmelzungsvertrag in den ersten zwei Jahren seit Eintragung der übernehmenden Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so gilt § 52 Abs. 3, 4, 7 bis 9 über die Nadigründung sinngemäß. Dies gilt nicht, wenn der Gesamtnennbetrag der zu gewährenden Aktien den zehnten Teil des Grundkapitals dieser Gesellschaft nicht übersteigt. Wird zur Durchführung der Verschmelzung das Grundkapital erhöht, so ist der Berechnung das erhöhte Grundkapital zugrunde zu legen. Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt wörtlich die Bestimmungen des bisherigen § 236 AktG 37. Der Gesetzgeber ist besorgt, es könnte bei der auf1870

Anwendung der Vorschriften über die Nadigründung

§ 342

Anm. 1—3

nehmenden AG eine schon bei ihrer Gründung beabsichtigte Sacheinlage unter Umgehung der für sie bestehenden Vorschriften durch eine Verschmelzung gemacht werden. Er sieht deshalb die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Nadigründung vor, wenn der Verschmelzungsvertrag innerhalb von zwei Jahren seit der Eintragung der aufnehmenden AG in das Handelsregister geschlossen wird. Stichtag ist also der Tag des Verschmelzungsvertrages, nicht des Hauptversammlungsbeschlusses und nicht der Eintragung der Kapitalerhöhung oder der durchgeführten Kapitalerhöhung oder der Verschmelzung. Aber nicht für jede Verschmelzung gilt das, sondern nur, wenn der Betrag der zu gewährenden Aktien mehr als den zehnten Teil des Grundkapitals unter Einberechnung einer etwa notwendigen Kapitalerhöhung beträgt. Ob schon vorhandene oder neu geschaffene Aktien gewährt werden, ist für das Erfordernis, die Nadigründungsvorsdiriften zu beachten, belanglos. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut ist es auch belanglos, wenn daneben im Rahmen des § 344 II bare Zuzahlungen geleistet werden, auch wenn dadurch die gesamte Gegenleistung für das übernommene Vermögen mehr als 1 0 % des Nennbetrages des Grundkapitals der aufnehmenden AG ausmacht. Anm. 2: Vorgeschrieben ist der Nachgründungsbericht durch den Aufsichtsrat (§ 52 III) — über seinen Inhalt siehe § 32 und Anm. — und die ihm vorangehende Nadigründungsprüfung durch vom Gericht — und zwar das für die aufnehmenden AG zuständige — bestellte Gründungsprüfer (über deren Gegenstand s. § 33 Anm. § 34). Nachgründungsbericht und Nadigründungsprüfung sind nach § 52 III und IV vor der Beschlußfassung durch die Hauptversammlung der aufnehmenden AG zu erstatten. Im Falle der Nachgründung durch Verschmelzung wird diese die Beschlußfassung über den Verschmelzungsvertrag sein. Das Registergericht der aufnehmenden AG hat nidit nur die formelle Ordnungsmäßigkeit des Verschmelzungsvorganges zu prüfen, sondern im Falle der Nachgründung durch Verschmelzung auch die materielle in dem Umfang, wie es bei der Nachgründung nach § 52 VII geschieht und mit der Befugnis und der Amtspflicht, unter den dortigen Voraussetzungen die Eintragung der beschlossenen oder durchgeführten Kapitalerhöhung (§ 184 III, § 188 IV) abzulehnen (s. Anm. zu § 52). Anm. 3: Die Bekanntmachung der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung und der Verschmelzung wird zweckmäßigerweise in einer einzigen Bekanntmachung erfolgen. In dieser sind nach § 52 VIII aufzunehmen der Tag des Verschmelzungsvertrages und, da zu dessen Wirksamkeit die Zustimmung beider Hauptversammlungen gehört, der Tag der beiden Hauptversammlungen, ferner die übertragende. AG und der Betrag der für ihr Vermögen gewährten Aktien der aufzunehmenden AG und einer etwai1871

§ § 342/343 Anm. 3,4/1

Verschmelzung

gen Barzuzahlung nach § 344; es genügt nicht, daß sich die Eintragungen auf die beim Gericht eingereichten Urkunden, wie bei der Kapitalerhöhung mit Sacheinlage (§ 190), bezieht. Die Eintragung des Verschmelzungsvertrages ist auch hier nicht Voraussetzung seiner Wirksamkeit, weil § 52 I nicht als anwendbar erklärt ist. Die Eintragung richtet sich vielmehr nach § 52 VIII. Einzutragen ist ferner die Verschmelzung. Anm. 4: Wird gegen § 342 verstoßen, so ist der Verschmelzungsbeschluß der aufzunehmenden AG nichtig, der Verschmelzungsvertrag dagegen nur schwebend unwirksam, weil es am Hauptversammlungsbeschluß fehlt. Wird die Verschmelzung nichtsdestoweniger eingetragen, so kann die Nichtigkeit nach drei Jahren nicht mehr geltend gemacht werden (§ 242). Im übrigen vgl. § 362, siehe Anm. dort. § 343 Erhöhung des Grundkapitals zur Durchführung der Verschmelzung (1) Erhöht die übernehmende Gesellschaft zur Durchführung der Verschmelzung das Grundkapital, so sind § 182 Abs. 4, § 184 Abs. 2, §§ 185, 186, 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 und 3 Nr. 1 nicht anzuwenden. Dies gilt audi dann, wenn das Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien auf Grund der Ermächtigung nach § 202 erhöht wird. In diesem Fall ist außerdem § 203 Abs. 3 nicht anzuwenden. (2) Der Anmeldung sind für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft außer den Schriftstücken in § 188 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 der Verschmelzungsvertrag und die Niederschriften der Verschmelzungsbesdilüsse in Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. I. Übersicht (Anm. 1) II. Anzuwendende Vorschriften 1. Kapitalerhöhung gegen Einlagen (Anm. 2)

2. Genehmigtes Kapital (Anm. 3 u. 4) III. Nicht anzuwendende Vorschriften (Anm. 5) IV. Anmeldung (Anm. 6)

I. Übersicht Anm. 1: Die Vorschrift übernimmt mit wenigen sprachlichen Änderungen die Bestimmungen des bisherigen § 237 AktG 37. Neu ist in Abs. 1 der Satz 3 (s. Anm. 5). Abs. 2 ist an den allgemeinen Sprachgebrauch des Gesetzes angepaßt worden, das zwischen „Einreichung" und „Beifügung" einen Unterschied macht. Im allgemeinen wird die übernehmende Gesellschaft die Verschmelzung nicht ohne Erhöhung des Grundkapitals durchführen können, denn dies wäre nach § 344 I nur möglich, wenn sie genügend Aktien der übertragenden 1872

Erhöhung des Grundkapitals zur Durchführung der Verschmelzung

§ 343

Anm. 1,2

Gesellschaft oder eigene Aktien besäße. Durch Barzahlung kann sie die Gesellschaft nicht übernehmen, dann läge keine Verschmelzung im Sinne des § 339, sondern eine Übernahme des Vermögens einer anderen AG im Sinne des § 361 vor. Inhalt der vorliegenden Vorschrift ist positiv, daß die Vorschriften über die Kapitalerhöhung für die aufnehmende AG anzuwenden sind, wenn zur Verschmelzung eine Kapitalerhöhung erforderlich ist, negativ, daß davon einige Bestimmungen ausgenommen sind. II. Anzuwendende Vorschriften 1. Kapitalerhöhung gegen Einlagen Anm. 2: Anzuwenden sind bei der Verschmelzung mit Kapitalerhöhung gegen Einlagen: a) §§ 179, 182 I bis III über die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, der nur entbehrlich ist, wenn infolge eines älteren Ermächtigungsbeschlusses der Vorstand ermächtigt ist, das Kapital durch Ausgabe von Aktien gegen Sacheinlage zu erhöhen (§§ 202 und 205). b) § 124 über die Ankündigung. Die Kapitalerhöhung, ihr Umfang, sowie die Bestimmung der neuen Aktien zur Begebung an die Aktionäre der übertragenden AG zwecks Erwerbs des Vermögens der letzteren in dem vorgesehenen Umtauschverhältnis unter Angaben etwaiger Barzuzahlung, muß bei der Einberufung der Hauptversammlung als Gegenstand der Beschlußfassung angekündigt werden (zweckmäßigerweise wird dieser Punkt als zweiter der Tagesordnung und als erster Punkt die Genehmigung des Verschmelzungsvertrages angekündigt, wenn dieser nach § 340 zu seiner Gültigkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung bedarf). Anzukündigen ist ferner die Sonderbeschlußfassung der Aktionäre jeder Gattung in getrennter Abstimmung, wenn verschiedene Aktiengattungen vorhanden sind, aber nur hinsichtlich der Kapitalerhöhung. c) § 182 I. Zur Gültigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses ist eine Mehrheit der Stimmen erforderlich, die etwaigen Mehrstimmrechtsaktien mehrfach gezählt, welche zugleich ZU des vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine geringere oder größere Kapitalmehrheit oder noch andere Erfordernisse vorsehen. d) § 182 II. Die zusätzlich ordnungsmäßig anzukündigenden, in gesonderter Abstimmung zu fassenden Beschlüsse der Aktionäre der verschiedenen Gattungen sind mit der gleichen Mehrheit zu fassen. e) § 182 III. Im Kapitalerhöhungsbeschluß ist, wenn die Aktien über Nennwert ausgegeben werden sollen, der Mindestausgabebetrag anzugeben, d. h. jedoch nicht mehr, als daß das Umtauschverhältnis festzusetzen ist (herrschende Meinung) und daß etwaige Barzuzahlungen mitzubeschließen 1873

§343

Anra. 2

Verschmelzung

sind. Beides im Anschluß an die nachstehend unter f) genannten Festsetzungen, allerdings hat § 348 II einen Kurs in Prozenten mit festgesetztem Ausgabebetrag im Auge, wenn dort der „Gesamtausgabebetrag" mit dem niedrigeren Gesamtnennbetrag und dem niedrigeren schlußbilanzmäßigen Reinvermögen der übertragenden AG verglichen wird. f) § 183. In dem Kapitalerhöhungsbeschluß ist festzusetzen, in welcher Höhe die neuen Aktien zum Erwerb des Vermögens der übertragenden AG im ganzen unter Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre ausgegeben und an die Aktionäre der übertragenden Aktiengesellschaft nach dem vereinbarten Umtauschverhältnis unter Gewährung etwaiger Barzuzahlungen zu begeben sind. Ohne diese Festsetzung sind die Vereinbarungen, also der Verschmelzungsvertrag, unwirksam. In der Praxis ist dieser Teil des Beschlusses natürlich identisch mit dem Beschluß über