Aktenbeiziehung und Anfangsverdacht im Insolvenzstrafverfahren: Zugleich ein Beitrag zum "Doppeltürmodell" des BVerfG [1 ed.] 9783161593819, 9783161593826, 3161593812

Der Schutz des Einzelnen vor anlassloser strafrechtlicher Verfolgung gehört zu den Grundfesten unseres Rechtsstaates. Be

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German Pages [263] Year 2020

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Übermittlung personenbezogener Daten aus Insolvenzverfahren
A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt
I. Anfänge des Datenschutzes
II. Die Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Literatur
1. Ausgangspunkt der Entwicklung
2. Soziologische Erkenntnisse und juristische Schlussfolgerungen
3. Die Lehre vom Informationseingriff
4. Die Relativität der Privatsphäre
5. Zusammenfassung
III. Das Volkszählungsurteil des BVerfG: Etablierung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung
1. Der Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung
2. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beschränkung: Das Erfordernis bereichsspezifischer Regelungen
3. Schlussfolgerungen
IV. Rezeption des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung
V. Eigene Stellungnahme
B. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Übermittlung personenbezogener Daten durch Insolvenzgerichte an Staatsanwaltschaften
I. Systematik: Datenübermittlung von Amts wegen – auf Ersuchen
II. Die Übermittlung personenbezogener Daten aus dem Insolvenzverfahren als Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
1. Eingriff in den sachlichen Schutzbereich
a) Die Mitteilungen der Insolvenzgerichte von Amts wegen
b) Die Beiziehung der Insolvenzakten
aa) Das Ersuchen der Staatsanwaltschaft um Akteneinsicht
bb) Die Gewährung von Akteneinsicht seitens des Insolvenzgerichts
2. Eingriff in den persönlichen Schutzbereich
a) Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person
b) Insolvenzverfahren über das Vermögen juristischer Personen
3. Zwischenfazit
III. Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung
1. Grundsätzliche Einschränkbarkeit des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bei strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen
2. Das Erfordernis bereichsspezifischer Regelungen auf beiden Seiten der Datenübermittlung: Das Doppeltürmodell des BVerfG
3. Zwischenfazit
2. Kapitel : Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften durch die Mitteilungen in Zivilsachen (Datenübermittlung von Amts wegen)
A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage der Datenübermittlung
I. Die Auswirkungen des Volkszählungsurteils auf Mitteilungen im Insolvenzverfahren
II. Begründung von Mitteilungsermächtigungen
1. Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich
2. Systematik
3. Mitteilungsermächtigungen ohne Abwägungserfordernis (§ 13 Abs. 1 EGGVG)
a) Öffentliche Bekanntmachung (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 EGGVG)
b) Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 Var. 3 EGGVG)
c) Eintragung in öffentliches Register (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 Var. 2 EGGVG)
d) Keine weiteren Voraussetzungen
4. Mitteilungsermächtigungen nach Abwägung (§ 13 Abs. 2 i. V. m. §§ 14–17 EGGVG)
5. Ausgestaltung durch Verwaltungsvorschriften
6. Verfassungsrechtliche Bedenken
a) Die Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes
aa) Adressatenkreis
bb) Übermittlungstatbestände
cc) Rechtsfolge
b) Die Wahrung des Parlamentsvorbehaltes
c) Zwischenfazit
III. Übermittlungsverbote
1. Übermittlungsverbot gemäß § 12 Abs. 3 EGGVG
2. Übermittlungsverbot wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
IV. Fazit
B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen
I. Allgemeine Vorschriften
II. Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft
1. Mitteilung bei Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse (IX/2 MiZi)
a) Inhalt und Adressat der Mitteilung
b) Zeitpunkt der Mitteilung
c) Exkurs: Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse
2. Mitteilung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (IX/3 MiZi)
a) Inhalt und Adressat der Mitteilung
b) Zeitpunkt der Mitteilung
c) Exkurs: Eröffnung des Insolvenzverfahrens
aa) Allgemeines
bb) Eigenverwaltung
cc) Restschuldbefreiung
3. Mitteilung bei Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (VI/2 MiZi)
4. Mitteilung in sonstigen Fällen (Allg/1 Abs. 4 MiZi)
III. Mitteilungen des Insolvenzgerichtes an andere Stellen (IX/4 MiZi)
IV. Bewertung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift
1. Mitteilung in Eröffnungsfällen
2. Mitteilung bei Abweisung mangels Masse
3. Verzicht auf Ausnahmeregelungen
V. Fazit
3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung („Erste Tür“ i. S. d. Doppeltürmodells)
A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage
I. Eingrenzung der in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen
1. GG
2. ZPO
3. EGGVG
4. Datenschutzgesetze
5. GVG
6. StPO
7. Zwischenfazit: § 161 StPO als einzige taugliche Ermächtigungsgrundlage
II. Zugriffsmöglichkeit auf die Insolvenzakten im Rahmen der allgemeinen Ermittlungsbefugnisse?
1. § 161 Abs. 1 S. 1 StPO als hinreichend spezifische Ermächtigungsgrundlage
2. Theoretische Grundlagen: Der strafprozessuale Anfangsverdacht
a) Allgemeine verfassungsrechtliche/strafprozessuale Anforderungen
b) Die Berücksichtigung kriminalistischer Erfahrungen, Hypothesen und Vermutungen
aa) Das Erfordernis konkreter Anhaltspunkte
(1) Kenntnis von einer konkreten Rechtsgutsverletzung
(2) Möglicherweise legales Verhalten
bb) Verdachtsbegründung aufgrund statistischer Häufigkeit?
(1) Tatbezogener Verdacht
(2) Täterbezogener Verdacht
c) Konkretisierungsanforderungen an das in Rede stehende Delikt
3. Exkurs: Die Insolvenzdelikte im Überblick
a) Insolvenzdelikte im weiteren Sinne
b) Insolvenzdelikte im engeren Sinne
aa) Insolvenzverschleppung, § 15a Abs. 4 InsO
bb) Bankrott, § 283 StGB
cc) Besonders schwerer Fall des Bankrotts, § 283a StGB
dd) Verletzung der Buchführungspflicht, § 283b StGB
ee) Gläubigerbegünstigung, § 283c StGB
ff) Schuldnerbegünstigung, § 283d StGB
c) Zusammenfassende Übersicht
4. Konkrete Anwendung: Begründung eines Anfangsverdachts aufgrund der MiZi-Mitteilung?
a) Anforderungen an die Qualität der Anhaltspunkte
b) Telos der MiZi-Mitteilung
c) Wirtschaftskriminologische Begründung eines Anfangsverdachts
aa) In den Fällen der MiZi-Mitteilung gem. IX/2
bb) In den Fällen der MiZi-Mitteilung gem. IX/3
cc) Zwischenfazit
d) Kriminalistische Begründung eines Anfangsverdachts
aa) Die Ausführungen von Kirstein
bb) Die Beobachtungen von Richter
cc) Statistische Erhebungen zu Insolvenzen und Insolvenzdelikten
(1) Insolvenzfälle
(2) Insolvenzdelikte
e) Einzelfallbezogene Begründung eines Anfangsverdachts
aa) In den Fällen der MiZi-Mitteilung gem. Allg/1 Abs. 4 S. 1
bb) Durch Gläubigerantrag veranlasste Insolvenzverfahren
f) Zwischenfazit
B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?
I. Bestehende Lösungsansätze
II. Begriff
III. In Betracht kommende gesetzliche Befugnisnormen
1. Keine Ermächtigung zu Vorermittlungen in §§ 160, 161 Abs. 1 StPO
2. Keine Ermächtigung aus § 152 Abs. 2 StPO
3. Keine allgemeine Anerkennung von Vorermittlungen in § 159 StPO
4. Keine Befugnis aus § 108 StPO
5. Keine Befugnis aus § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO
6. Keine Ermächtigung durch MiZi selbst
7. Zwischenergebnis
IV. Ermächtigung zu Vorermittlungen durch die Anerkennung informatorischer Befragungen?
1. Keine gesetzliche Regelung informatorischer Befragungen
2. Keine Anerkennung grundrechtsbeschränkender Befragungen
a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit bei nicht bestehender Auskunftspflicht
b) Keine Auskunftspflicht bei informatischen Befragungen
aa) Grundsatz: Keine zeugenähnliche Stellung des informatorisch Befragten
bb) Ausnahme angesichts der Judikatur zu den informatorischen Befragungen?
(1) Der informatorisch Befragte als späterer Zeuge
(2) Der informatorisch Befragte als späterer Beschuldigter
3. Zwischenfazit
V. Zulässigkeit von Vorermittlungen als milderes Mittel zu Maßnahmen im Ermittlungsverfahren?
1. Keine reduzierte Stigmatisierung
2. Umgehung der Beschuldigtenrechte
3. Exkurs: Verwendungsverbot für Auskünfte des Insolvenzschuldners, § 97 Abs. 1 S. 3 InsO
4. Zwischenfazit
VI. Fazit
C. Entwicklung eines eigenen Ansatzes für das zulässige Ersuchen um Aktenbeiziehung
I. Die Heranziehung zusätzlicher Erkenntnisquellen
1. Zulässige Erkenntnisquellen
a) Allgemein zugängliche Erkenntnisquellen
b) Jahresabschlüsse, Bilanzen, Lageberichte
c) Interne Abklärungen
d) Gewerbezentralregister
e) Schuldnerverzeichnis
2. Unzulässige Erkenntnisquellen
a) Grundbuch
b) Andere bei der Justiz vorhandene Akten
c) Anfragen bei Krankenkassen und sonstigen Sozialversicherungsträgern
d) Vermögensverzeichnisse
II. Entwicklung von Fallgruppen für das zulässige Ersuchen um Aktenübersendung
1. Der Anfangsverdacht ausschließlich aufgrund der MiZi-Mitteilung
a) Gläubigerantrag
b) Anlassbezogene MiZi-Mitteilungen
2. Der Anfangsverdacht nur bei Hinzutreten konkreter Anhaltspunkte
a) Geschäftsführerwechsel, Firmensitzverlegung etc
b) Unvollständige Bilanzen, „Krisenbilanzen“
c) Systematische Täter
d) Unzuverlässigkeit, Ungeeignetheit
e) Fehlgeschlagene Vollstreckungsversuche
4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte („Zweite Tür“ i. S. d. Doppeltürmodells)
A. Status quo
I. § 299 Abs. 2 ZPO
II. Datenschutzgesetze
III. Informationshilfe
IV. § 156 GVG
V. Fazit
B. Lösungsansätze de lege lata?
I. „Annexermächtigung“ gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 StPO
II. §§ 12 ff. EGGVG analog
1. Analogiefähigkeit
2. Vergleichbarkeit der Sachverhalte
3. Planwidrige Regelungslücke
4. Rechtsfolge: Gewährung von Akteneinsicht?
III. Fazit
C. Überlegungen de lege ferenda: Erfordernis einer Übermittlungsbefugnis der Insolvenzgerichte – Eigener Normierungsvorschlag
I. Einleitung
II. Gesetzgebungskompetenz
III. Regelungsstandort
IV. Formulierungsvorschlag
V. Erläuterungen
1. Regelungsinhalt (Abs. 1)
a) Auskünfte und Akteneinsicht
b) Auskunftsberechtigte Stelle
c) Zur Durchführung eines Strafverfahrens
2. Form der Akteneinsicht (Abs. 2)
3. Erteilung von Auskünften (Abs. 3)
4. Beachtung von Verwendungsregelungen (Abs. 4)
a) § 97 Abs. 1 S. 3 InsO
b) Bundes- und landesrechtliche Verwendungsregelungen
5. Verantwortlichkeit der ersuchenden Stelle (Abs. 5)
VI. Fazit
Zusammenfassende Thesen
Literaturverzeichnis
Register
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Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 174 herausgegeben von

Rolf Stürner

Christina Schreiner

Aktenbeiziehung und Anfangsverdacht im Insolvenzstrafverfahren Zugleich ein Beitrag zur Umsetzung des „Doppeltürmodells“ des BVerfG

Mohr Siebeck

Christina Schreiner, geboren 1990; Studium der VWL (B. Sc.) an der LMU München; Studium der Rechtswissenschaften an der LMU München und der Universität zu Köln; 2019 Promotion; Referendarin am OLG Köln (mit Stationen bei der Deutschen Botschaft in Hanoi und am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag). orcid.org/0000-0003-4772-8632

ISBN  978-3-16-159381-9 / eISBN  978-3-16-159382-6 DOI  10.1628/978-3-16-159382-6 ISSN  0722-7574 / eISSN  2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Meinem Doktorvater, Professor Dr. Dr. hc. Martin Waßmer, möchte ich für die engagierte Betreuung dieser Arbeit herzlich danken. Herrn Professor Dr. Ulrich Sommer gebührt mein Dank für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Professor Dr. Rolf Stürner für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht“. Danken möchte ich auch Christof Püschel, der mir die entscheidende An­ regung zu der vorliegenden Thematik gegeben hat. Darüber hinaus gilt mein besonderer Dank OStA a. D. Folker Bittmann, mit dem ich meine Thesen stets lebhaft diskutieren konnte. Gerne zurückerinnern werde ich mich an die zahlreichen Gespräche mit meinen „Mitstreiterinnen“ Katharina Reisch und Matina Jozi, denen ich dankbar bin für ihre immer hilfreichen Denkanstöße. Vor allem aber danke ich von Herzen meinen Eltern, Rita und Dr. Wolfgang Schreiner, die mir stets jede erdenkliche Unterstützung haben zukommen lassen sowie meinem Lebensgefährten Bengt Brosthaus für seine unendliche Geduld und seinen Rückhalt über die gesamten Jahre meiner Ausbildung. Köln, im Juni 2020

Christina Schreiner

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Übermittlung personenbezogener Daten aus Insolvenzverfahren

7

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . I. Anfänge des Datenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Soziologische Erkenntnisse und juristische Schlussfolgerungen 3. Die Lehre vom Informationseingriff . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Relativität der Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Volkszählungsurteil des BVerfG: Etablierung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beschränkung: Das Erfordernis bereichsspezifischer Regelungen . . . . . . . 3. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rezeption des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung V. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Übermittlung ­personenbezogener Daten durch Insolvenzgerichte an Staatsanwaltschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematik: Datenübermittlung von Amts wegen – auf Ersuchen

7 7 10 10 12 13 14 14 16 17 19 20 23 26 29 29

VIII

Inhaltsverzeichnis

II. Die Übermittlung personenbezogener Daten aus dem Insolvenzverfahren als Eingriff in das Grundrecht auf ­informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eingriff in den sachlichen Schutzbereich . . . . . . . . . . . a) Die Mitteilungen der Insolvenzgerichte von Amts wegen . b) Die Beiziehung der Insolvenzakten . . . . . . . . . . . . . aa) Das Ersuchen der Staatsanwaltschaft um Akteneinsicht bb) Die Gewährung von Akteneinsicht seitens des Insolvenzgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff in den persönlichen Schutzbereich . . . . . . . . . . a) Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzverfahren über das Vermögen juristischer Personen 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung 1. Grundsätzliche Einschränkbarkeit des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bei strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Erfordernis bereichsspezifischer Regelungen auf beiden Seiten der Datenübermittlung: Das Doppeltürmodell des BVerfG 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Kapitel : Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften durch die Mitteilungen in Zivilsachen (Datenübermittlung von Amts wegen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage der Datenübermittlung . . . . . . . . . . . I. Die Auswirkungen des Volkszählungsurteils auf Mitteilungen im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begründung von Mitteilungsermächtigungen . . . . . . . . . . 1. Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitteilungsermächtigungen ohne Abwägungserfordernis (§  13 Abs.  1 EGGVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentliche Bekanntmachung (§  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  1 EGGVG) b) Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse (§  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  3 EGGVG) . . . . . . . . . . . . . c) Eintragung in öffentliches Register (§  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  2 EGGVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 30 31 31 32 32 32 33 34 34 35 35 36

37 37 38 39 39 41 41 41 42 42

Inhaltsverzeichnis

d) Keine weiteren Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitteilungsermächtigungen nach Abwägung (§  13 Abs.  2 i. V. m. §§  14–17 EGGVG) . . . . . . . . . . . . 5. Ausgestaltung durch Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . 6. Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes . . . . . . . . . aa) Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übermittlungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Wahrung des Parlamentsvorbehaltes . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übermittlungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übermittlungsverbot gemäß §  12 Abs.  3 EGGVG . . . . . . . 2. Übermittlungsverbot wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen . . . . I. Allgemeine Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . 1. Mitteilung bei Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse (IX/2 MiZi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Adressat der Mitteilung . . . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt der Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Exkurs: Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse 2. Mitteilung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (IX/3 MiZi) a) Inhalt und Adressat der Mitteilung . . . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt der Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Exkurs: Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitteilung bei Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (VI/2 MiZi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitteilung in sonstigen Fällen (Allg/1 Abs.  4 MiZi) . . . . . III. Mitteilungen des Insolvenzgerichtes an andere Stellen (IX/4 MiZi) IV. Bewertung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift . . . . 1. Mitteilung in Eröffnungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitteilung bei Abweisung mangels Masse . . . . . . . . . . 3. Verzicht auf Ausnahmeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX 43 45 47 47 48 48 50 51 52 54 55 55 57 59 60 61 62 62 62 63 63 64 64 66 66 66 67 68 70 70 71 71 72 74 75 77

X

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung („Erste Tür“ i. S. d. Doppeltürmodells) . . A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . I. Eingrenzung der in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen 1. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. EGGVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Datenschutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenfazit: §  161 StPO als einzige taugliche ­Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.Zugriffsmöglichkeit auf die Insolvenzakten im Rahmen der allgemeinen Ermittlungsbefugnisse? . . . . . . . . . . . . . . . 1. §  161 Abs.  1 S.  1 StPO als hinreichend spezifische ­Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theoretische Grundlagen: Der strafprozessuale Anfangsverdacht a) Allgemeine verfassungsrechtliche/strafprozessuale Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Berücksichtigung kriminalistischer Erfahrungen, Hypothesen und Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Erfordernis konkreter Anhaltspunkte . . . . . . . (1) Kenntnis von einer konkreten Rechtsgutsverletzung (2) Möglicherweise legales Verhalten . . . . . . . . . bb) Verdachtsbegründung aufgrund statistischer Häufigkeit? (1) Tatbezogener Verdacht . . . . . . . . . . . . . . . (2) Täterbezogener Verdacht . . . . . . . . . . . . . . c) Konkretisierungsanforderungen an das in Rede stehende Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Die Insolvenzdelikte im Überblick . . . . . . . . . . a) Insolvenzdelikte im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzdelikte im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . aa) Insolvenzverschleppung, §  15a Abs.  4 InsO . . . . . . bb) Bankrott, §  283 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besonders schwerer Fall des Bankrotts, §  283a StGB . dd) Verletzung der Buchführungspflicht, §  283b StGB . . . ee) Gläubigerbegünstigung, §  283c StGB . . . . . . . . . ff) Schuldnerbegünstigung, §  283d StGB . . . . . . . . .

81 82 82 82 86 87 88 91 92 96 97 97 99 99 101 101 102 103 107 108 111 114 116 116 117 117 118 120 120 121 121

Inhaltsverzeichnis

c) Zusammenfassende Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konkrete Anwendung: Begründung eines Anfangsverdachts aufgrund der MiZi-Mitteilung? . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an die Qualität der Anhaltspunkte . . . . . b) Telos der MiZi-Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirtschaftskriminologische Begründung eines Anfangsverdachts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) In den Fällen der MiZi-Mitteilung gem. IX/2 . . . . . bb) In den Fällen der MiZi-Mitteilung gem. IX/3 . . . . . cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kriminalistische Begründung eines Anfangsverdachts . . . aa) Die Ausführungen von Kirstein . . . . . . . . . . . . . bb) Die Beobachtungen von Richter . . . . . . . . . . . . cc) Statistische Erhebungen zu Insolvenzen und Insolvenzdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Insolvenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Insolvenzdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einzelfallbezogene Begründung eines Anfangsverdachts . aa) In den Fällen der MiZi-Mitteilung gem. Allg/1 Abs.  4 S.  1 bb) Durch Gläubigerantrag veranlasste Insolvenzverfahren f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestehende Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. In Betracht kommende gesetzliche Befugnisnormen . . . . . . . 1. Keine Ermächtigung zu Vorermittlungen in §§  160, 161 Abs.  1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Ermächtigung aus §  152 Abs.  2 StPO . . . . . . . . . . 3. Keine allgemeine Anerkennung von Vorermittlungen in §  159 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Befugnis aus §  108 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Befugnis aus §  208 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 AO . . . . . . . . 6. Keine Ermächtigung durch MiZi selbst . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ermächtigung zu Vorermittlungen durch die Anerkennung ­informatorischer Befragungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine gesetzliche Regelung informatorischer Befragungen . . 2. Keine Anerkennung grundrechtsbeschränkender Befragungen

XI 122 123 124 125 127 128 130 131 131 132 134 136 137 141 147 147 147 148 149 149 153 154 154 156 159 163 165 166 167 168 169 169

XII

Inhaltsverzeichnis

a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit bei nicht bestehender ­Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Auskunftspflicht bei informatischen Befragungen . . aa) Grundsatz: Keine zeugenähnliche Stellung des informatorisch Befragten . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahme angesichts der Judikatur zu den informatorischen Befragungen? . . . . . . . . . . . . (1) Der informatorisch Befragte als späterer Zeuge . . (2) Der informatorisch Befragte als späterer Beschuldigter 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zulässigkeit von Vorermittlungen als milderes Mittel zu Maßnahmen im Ermittlungsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine reduzierte Stigmatisierung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umgehung der Beschuldigtenrechte . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Verwendungsverbot für Auskünfte des Insolvenzschuldners, §  97 Abs.  1 S.  3 InsO . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Entwicklung eines eigenen Ansatzes für das zulässige Ersuchen um Aktenbeiziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Heranziehung zusätzlicher Erkenntnisquellen . . . . . . . . 1. Zulässige Erkenntnisquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein zugängliche Erkenntnisquellen . . . . . . . . . b) Jahresabschlüsse, Bilanzen, Lageberichte . . . . . . . . . c) Interne Abklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewerbezentralregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schuldnerverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unzulässige Erkenntnisquellen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Andere bei der Justiz vorhandene Akten . . . . . . . . . . c) Anfragen bei Krankenkassen und sonstigen ­Sozialversicherungsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vermögensverzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwicklung von Fallgruppen für das zulässige Ersuchen um Aktenübersendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Anfangsverdacht ausschließlich aufgrund der MiZi-Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gläubigerantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anlassbezogene MiZi-Mitteilungen . . . . . . . . . . . .

170 171 171 172 172 174 176 176 176 177 180 182 183 186 186 186 186 187 188 189 190 191 191 192 192 193 194 195 195 195

Inhaltsverzeichnis

2. Der Anfangsverdacht nur bei Hinzutreten konkreter Anhaltspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsführerwechsel, Firmensitzverlegung etc. . . . . . b) Unvollständige Bilanzen, „Krisenbilanzen“ . . . . . . . . c) Systematische Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unzuverlässigkeit, Ungeeignetheit . . . . . . . . . . . . . e) Fehlgeschlagene Vollstreckungsversuche . . . . . . . . . .

XIII 195 196 196 197 197 197

4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte („Zweite Tür“ i. S. d. Doppeltürmodells) 199 A. Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. §  299 Abs.  2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Datenschutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Informationshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. §  156 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Lösungsansätze de lege lata? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Annexermächtigung“ gemäß §  161 Abs.  1 S.  1 StPO . . . . . . II. §§  12 ff. EGGVG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Analogiefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleichbarkeit der Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . 3. Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge: Gewährung von Akteneinsicht? . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Überlegungen de lege ferenda: Erfordernis einer Übermittlungsbefugnis der Insolvenzgerichte – Eigener Normierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungsstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Formulierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsinhalt (Abs.  1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auskünfte und Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auskunftsberechtigte Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Durchführung eines Strafverfahrens . . . . . . . . . . 2. Form der Akteneinsicht (Abs.  2) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erteilung von Auskünften (Abs.  3) . . . . . . . . . . . . . . 4. Beachtung von Verwendungsregelungen (Abs.  4) . . . . . . .

200 200 201 204 205 206 206 207 208 208 209 210 210 212 212 212 213 214 214 215 215 215 216 216 217 217 218

XIV

Inhaltsverzeichnis

a) §  97 Abs.  1 S.  3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bundes- und landesrechtliche Verwendungsregelungen . . 5. Verantwortlichkeit der ersuchenden Stelle (Abs.  5) . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218 219 219 220

Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:  Entwicklung der Insolvenzen in Deutschland . . . . . . . 137 Abbildung 2:  Häufigkeiten verschiedener Rechtsformen . . . . . . . . 141

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. abl. Abs. AG Anm. AO Art. Beschl. BFH BGB BGBl I, II BGH BGHSt BR-Drs BT-Drs BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BZRG bzw. d. h. DS-GVO DSRL-JI EGGVG f./ff. Fn FS GG GmbH GmbH & Co. KG GS GVG Hrsg. HS.

anderer Ansicht alter Fassung ablehnend Absatz Amtsgericht Anmerkung Abgabenordnung Artikel Beschluss Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil  I, II Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundesrats-Drucksache Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundeszentralregistergesetz beziehungsweise das heißt Datenschutz-Grundverordnung Richtlinie zur Datenverarbeitung im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz folgende/fortfolgende (Seite/Seiten) Fußnote Festschrift Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz Herausgeber Halbsatz

XVIII i. d. F. i. d. R. i. S. v. i. V. m. insb. InsO IRG JuMiG Kap. KG KO LG m. w. N. m. W. v. MiStra MiZi-Mitteilungen n. F. OHG OLG PKS RG RGSt Rn S. SGB std. Rspr. StGB StPO u. a. u. U. UG vgl. VwVfG ZPO

Abkürzungsverzeichnis in der Fassung in der Regel im Sinne von in Verbindung mit insbesondere Insolvenzordnung Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen Justizmitteilungsgesetz und Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze Kapitel Kommanditgesellschaft Konkursordnung Landgericht mit weiteren Nachweisen mit Wirkung von Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen neuer Fassung Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Polizeiliche Kriminalstatistik Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer Satz; Seite Sozialgesetzbuch ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung unter anderem unter Umständen Unternehmergesellschaft vergleiche Verwaltungsverfahrensgesetz Zivilprozessordnung

Einführung „Liberty dies by inches“ – „Die Freiheit stirbt zentimeterweise“ soll Thomas Jefferson, einer der amerikanischen Gründerväter, gesagt haben.1 Fallen Begriffe wie „Rechtsstaatlichkeit“ oder „Grundrechteschutz“, assoziieren wir instinktiv Themen wie Pressefreiheit, Vorratsdatenspeicherung oder das Verbot der Anwen­ dung von Foltermethoden bei der Vernehmung eines Beschuldigten. Jefferson erkannte jedoch bereits im 18.  Jahrhundert, dass es nicht nur bei staatstragenden Fragestellungen gilt, die verfassungsrechtlichen Grundsätze von Rechtsstaatlich­ keit und Grundrechteschutz hochzuhalten. Die Beschneidung von Grund- und Freiheitsrechten kann sich in einem graduellen Prozess vollziehen. Auch die we­ niger prominenten staatlichen Verfahrenshandlungen erfordern daher ein unab­ hängiges Korrektiv durch beständige Kontrolle von außen. Dies gilt in besonde­ rem Maße für das Strafverfahren, dessen Akteure intensiv in die Freiheitsrechte des betroffenen Bürgers eingreifen können. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Frage, unter welchen Vorausset­ zungen die Strafverfolgungsbehörden befugt sind, Einsicht in die von den Insol­ venzgerichten für die Zwecke des Insolvenzverfahrens zusammengetragenen Informationen zu nehmen und diese zur Grundlage ihrer Ermittlungsarbeit zu machen. Spiegelbildlich behandelt diese Arbeit die Fragestellung, wann Insol­ venzgerichte ihre Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaften weitergeben dürfen oder gar müssen. Insolvenzdelikte fallen in das klassische Feld der sog. „Holkriminalität“.2 Die Mehrzahl der Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzdelikten kommt demnach nicht aufgrund von Strafanzeigen, sondern von Amts wegen in Gang.3 Die Staats­ anwaltschaften werden aufgrund der Anordnung über Mitteilungen in Zivil­ sachen4 (sog. MiZi-Mitteilungen) der Insolvenzgerichte über eingetretene Insol­ venzfälle informiert. Bei einem Großteil der Staatsanwaltschaften hat sich die Praxis herausgebildet, auf sämtliche der eingegangenen MiZi-Mitteilungen mit der Anforderung und Auswertung der zugrundeliegenden Insolvenzakten zu re­ 1 

Zitiert nach Bull Informationelle Selbstbestimmung, 7. Diversy ZInsO 2005, 180, 180. 3  Diversy ZInsO 2005, 180, 180. 4  Neufassung vom 1.6.1998 zuletzt in der Fassung vom 23.11.2018 (BAnz AT 24.12.2018 B2). 2 

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Einführung

agieren. Die darin enthaltenen Informationen sind aufgrund der im Insolvenz­ verfahren geltenden Verpflichtung des Insolvenzschuldners zur umfassenden Aufdeckung seiner Vermögensverhältnisse besonders sensibel. Denn diese um­ fasst auch solche Tatsachen, die geeignet sind, eine strafrechtliche Ahndung nach sich zu ziehen. Die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht im Insolvenzverfahren steht somit im direkten Spannungsverhältnis zum nemo-tenetur-Grundsatz des Strafverfahrens. Aus diesem Grund ist ein extensiv praktizierter Zugriff auf die Verfahrensakten des Insolvenzverfahrens rechtsstaatlich bedenklich. Es ist daher zwingend erforderlich, die Zugriffsmöglichkeit der Staatsanwaltschaften auf die Angaben des Schuldners im Insolvenzverfahren an eindeutige Voraussetzungen zu knüpfen. Dabei wird die Notwendigkeit einer informationellen Zusammenarbeit zwi­ schen Strafverfolgungsbehörden und Insolvenzgerichten in dieser Arbeit nicht angezweifelt. Nur durch behördliche Interaktion kann dem vom BVerfG aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gebot der wirksamen Durchsetzung des staat­ lichen Strafverfolgungsanspruchs zur Geltung verholfen werden.5 Es wird nicht verkannt, dass eine effektive Verfolgung des straffällig gewordenen Täters mög­ lich sein muss und schon unter generalpräventiven Gesichtspunkten erforderlich ist. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass die Strafverfolgung beschrän­ kende Vorschriften, wie sie etwa die Regelungen der Strafprozessordnung dar­ stellen, nicht dazu dienen, den Täter, sondern in erster Linie die Freiheit aller Bürger zu schützen, die nicht gegen das Strafgesetz verstoßen haben.6 Vor die­ sem Hintergrund kann die Strafprozessordnung, die das Kernstück dieser Frei­ heitssicherung bildet, auch als „Ausführungsgesetz unserer Verfassung“ bezeich­ net werden.7 Spätestens seit dem Volkszählungsurteil des BVerfG8 aus dem Jahre 1985 steht fest, dass die zweckentfremdende Weitergabe personenbezogener Daten zwischen verschiedenen öffentlichen Stellen in das Grundrecht auf infor­ mationelle Selbstbestimmung i. S. v. Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG ein­ greift. Dieses Grundrecht zu wahren gilt es auch für Strafverfolgungsbehörden im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit sowie für Insolvenzgerichte bei der Frage, ob von ihnen erhobene Erkenntnisse zum Schuldner weitergegeben werden dür­ fen. Erkennt der Gesetzgeber einerseits durch das in der Insolvenzordnung nie­ dergelegte Verfahren an, dass wirtschaftliches Scheitern zulässiger Bestandteil der geltenden Marktwirtschaft ist und akzeptiert dieses als natürlichen Effekt von Wettbewerb und unternehmerischem Risiko, dürfen Staatsanwaltschaften ihre bestehenden gesetzlichen Befugnisse nicht derart weit interpretieren, dass durch 5 

BVerfGE 33, 367, 383; 53, 152, 160; 77, 65, 76. Geerds SchlHA 1964, 57, 57. 7  Eb. Schmidt Lehrkommentar StPO Teil  I, 190 Nr.  333. 8  BVerfGE 65, 1. 6 

Einführung

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eine nahezu vollständige Überprüfung sämtlicher Insolvenzfälle faktisch jeder Bürger, der in eine wirtschaftliche Krise gerät, unter Generalverdacht gestellt wird. Dass eine differenzierte Handhabung möglich ist, zeigt das Beispiel der­ jenigen Staatsanwaltschaften, die sich darauf beschränken, nur dann weitere ­Aktivitäten zu entfalten, wenn sich aus dem Inhalt der Mitteilung selbst ein An­ fangsverdacht ergibt.9 Obwohl das Thema Datenschutz insbesondere im vorangegangen Jahr 2018 durch das Inkrafttreten neuer, weitreichender Regelungen10 abermals in den Fo­ kus der öffentlichen Diskussion geraten ist, wurden hieraus bislang keine Konse­ quenzen für die vorliegende Problematik gezogen. Behördliche Zurückhaltung im Zusammenhang mit der Weitergabe personenbezogener Daten steht bis dato nicht auf der Agenda der Datenschutzdebatte. Gesetzliche Regelungen zur zwischenbehördlichen Datenübermittlung finden sich zum einen im Zweiten Abschnitt des EGGVG, in der Strafprozessordnung und in den verschiedenen Datenschutzgesetzen, zum anderen aber auch verein­ zelt in der Zivilprozessordnung sowie dem Gerichtsverfassungsgesetz. Inwiefern bzw. unter welchen Voraussetzungen die darin enthaltenen Übermittlungspflich­ ten bzw. Übermittlungsbefugnisse für die vorliegende Fragestellung fruchtbar gemacht werden können, bildet einen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Eine eingehende Untersuchung der staatsanwaltschaftlichen und insolvenzgerichtli­ chen Befugnisse aufgrund der bestehenden gesetzlichen Übermittlungsvorschrif­ ten existiert im wissenschaftlichen Schrifttum bislang nicht. Die Einsichtnahme der Strafverfolgungsbehörden in die Insolvenzakten wird bisher hauptsächlich im Kontext von Vorermittlungen diskutiert oder wird ohne nähere Ausführungen unter die Ermittlungsgeneralklausel subsumiert. Die Frage nach der Erforder­ lichkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Informationsübermittlung seitens der Insolvenzgerichte, die sich aufgrund der Grundsätze des Doppeltürmodells des BVerfG11 stellt, wurde in der Literatur bislang noch gar nicht aufgeworfen.

9 

Bittmann/Bittmann Insolvenzstrafrecht §  1 Rn  13. Im Mai 2018 traten die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbe­ zogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Daten­ schutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119/1, ber. ABl. Nr. L 314/72 und ABl. 2018 Nr. L 127/2 sowie die Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfol­ gung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Auf­ hebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (DSRL-JI), ABl. Nr. L 119/89, ber. ABl. 2018 Nr. L 127/9 in Kraft. 11  BVerfGE 130, 151, 184. 10 

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Ziel dieser Arbeit ist es, das bestehende Spannungsfeld zwischen dem Bedürf­ nis nach effektiver Strafverfolgung einerseits und der möglichst weitgehenden Gewährleistung der Freiheit des einzelnen Bürgers andererseits durch die Heraus­ bildung von Fallgruppen aufzulösen und somit einen differenzierten Umgang mit der Strafverfolgung von Insolvenzdelikten ermöglichen. De lege ferenda sollen zudem Überlegungen angestellt werden, wie eine gesetzliche Ausgestaltung für eine Übermittlungsbefugnis der Insolvenzgerichte an die Staatsanwaltschaften aussehen könnte. Die Arbeit ist in vier Kapitel unterteilt: Im 1. Kapitel werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Übermitt­ lung personenbezogener Daten aus Insolvenzverfahren dargestellt. Die Darstel­ lung erfolgt insbesondere im Lichte des Grundrechts auf informationelle Selbst­ bestimmung. Aufgrund der für die Thematik hohen Bedeutung des Grundrechts wird zunächst ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Rechts in der da­ tenschutzrechtlichen Literatur gegeben, bevor die bundesverfassungsgericht­ liche Ausgestaltung im Volkszählungsurteil12 dargelegt wird. Als Ausgangspunkt für die weiteren Ausführungen in dieser Arbeit werden die abstrakten Feststel­ lungen sodann konkret auf die vorliegende Frage der Übermittlung personenbe­ zogener Daten zwischen Insolvenzgerichten und Staatsanwaltschaften angewen­ det und so die verfassungsrechtlichen Anforderungen herausgearbeitet. Im 2. Kapitel wird ein Überblick darüber gegeben, in welchen Fällen die Staatsanwaltschaften durch die MiZi-Mitteilungen aus Insolvenzverfahren be­ nachrichtigt werden. Hierzu werden zunächst die Regelungen der §§  12 ff. EGGVG, die aufgrund der Vorgaben des Volkszählungsurteils im Rahmen des Justizmitteilungsgesetzes erlassen wurden, kurz erläutert. Diese bilden die ge­ setzliche Grundlage der MiZi-Mitteilungen. Die Verwaltungsanordnung der Mi­ Zi-Mitteilungen wird im Anschluss einer kritischen Analyse, insbesondere unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten, unterzogen. Das 3. Kapitel, welches eines der beiden Hauptkapitel darstellt, widmet sich der Zulässigkeit des staatsanwaltschaftlichen Ersuchens um Aktenbeiziehung. Aufgrund des im Volkszählungsurteil vorgegebenen Erfordernisses einer ein­ fach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung werden die bestehenden Übermittlungsvor­ schriften in den einzelnen Gesetzen auf ihre Tauglichkeit überprüft. Die Ermitt­ lungsgeneralklausel des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO stellt hierbei den Schwerpunkt der Untersuchung dar. Das Tätigwerden auf Grundlage dieser Vorschrift setzt 12 

BVerfGE 65, 1.

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insbesondere das Vorliegen eines strafprozessualen Anfangsverdachts voraus. Im Fokus der Bearbeitung steht in diesem Teil die Identifizierung der Vorausset­ zungen, unter denen in den Fällen der MiZi-Mitteilung ein solcher Anfangsver­ dacht gegeben ist. Angesichts einer in der einschlägigen Literatur stark vertre­ tenen Auffassung, die Beiziehung der Insolvenzakten diene den Staatsanwalt­ schaften zur Verdachtsschöpfung im Rahmen sog. Vorermittlungen, wird der Überprüfung dieser Ansicht im Anschluss Raum gewährt. Basierend auf den er­ arbeiteten Ergebnissen wird sodann ein eigener Lösungsansatz entwickelt. Die­ ser besteht zum einen aus der Herausarbeitung zulässiger Informationsquellen, deren Zugriff nicht mit einem Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden ist. Zum anderen werden Fallgruppen entwickelt, in denen – entweder bereits aufgrund der MiZi-Mitteilung oder aufgrund weite­ rer hinzutretender Anhaltspunkte – ein Anfangsverdacht begründet wird. Im 4. Kapitel, dem zweiten Hauptkapitel, wird die spiegelbildliche Übermitt­ lungsrichtung betrachtet und nach der gesetzlichen Grundlage der Akteneinsichts­ gewährung durch die Insolvenzgerichte gefragt. Die bestehenden Übermittlungs­ vorschriften werden daraufhin untersucht, ob sie – gegebenenfalls analog – auf diese Fragestellung anwendbar sind. Ausgehend von den dort erarbeiteten Ergeb­ nissen werden Überlegungen zur gesetzlichen Gestaltung einer Übermittlungs­ befugnis angestellt. Diese münden in einem konkreten Gesetzesvorschlag. Abschließend soll darauf hingewiesen sein, dass Kenntnisse der insolvenz­ rechtlichen Grundlagen in dieser Arbeit weitgehend vorausgesetzt werden. Le­ diglich, wo es zum Verständnis der Argumentation erforderlich ist, nähere Aus­ führungen zum Insolvenzverfahren oder zum materiellen Insolvenzrecht zu ma­ chen, geschieht dies in Form eines knappen Exkurses.

1. Kapitel

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Übermittlung personenbezogener Daten aus Insolvenzverfahren A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt I. Anfänge des Datenschutzes Versteht man den Datenschutz richtigerweise als den angemessenen Umgang mit Informationen, so beginnt seine Geschichte nicht erst mit der Mikrozensus-Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 19691 oder dem Hessischen Datenschutz­ gesetz von 1970. Vielmehr ist Datenschutz schon lange Gegenstand einer positiv­ rechtlichen Regelung.2 Zwar durften staatliche Institutionen vor der Erfindung des Computers im Grundsatz frei über die Daten des Bürgers verfügen.3 Jedoch gab es zu jeder Zeit Bestimmungen, die den staatlichen Zugriff auf Informatio­ nen des Bürgers begrenzten.4 Beispielhaft zu nennen sind etwa die gesetzliche Ausgestaltung der besonderen Geheimnisse bestimmter Amtsträger sowie das Steuer- und Fernmeldegeheimnis.5 Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik, die zum ersten Male Daten im heutigen Begriffsverständnis hervorbrachte, verhalf der Problematik ab den sechziger Jahren des 20.  Jahrhunderts zu einer prominen­ ten Stellung in der öffentlichen Diskussion. Begrifflich war nun erstmals von „Datenschutz“ die Rede.6 Angestoßen und beeinflusst wurde die juristische De­ batte in Deutschland vor allem durch die US-amerikanische Pionierarbeit auf 1 

BVerfGE 27, 1. Bull Informationelle Selbstbestimmung, 22. 3  Ehmann AcP 188 (1988), 230, 237 bezeichnet dies als „Informationsfreiheit“. 4  Für Nachweise bis zum Jahre 1600 vgl. Lewinski, in: Arndt et al., 48. Assistententagung Öfftl. Recht, 196 ff. 5  Lewinski, in: Arndt et al., 48. Assistententagung Öfftl. Recht, 196, 208. Hierzu eingehend auch Rienen Frühformen des Datenschutzes. 6  Lewinski, in: Arndt et al., 48. Assistententagung Öfftl. Recht, 196, 197. 2 

8

1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

diesem Gebiet. Die von Ruprecht Kamlah7 angestellte Analyse des amerikani­ schen Diskurses führte die Gefahren und Rechtsprobleme der elektronischen ­Datenverarbeitung auch der deutschen Öffentlichkeit vor Augen.8 Die automa­ tische Datenverarbeitung versprach aufgrund der ihr innewohnenden Schnellig­ keit der Weitergabe von Informationen eine qualitative Veränderung und Stei­ gerung der behördlichen Effizienz bei der Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung.9 Die Möglichkeit, auf Daten unabhängig von ihrem Aufbewahrungsort direkt zugreifen zu können, potenzierte die Dimension der Weitergabegeschwindig­ keit.10 Gepaart mit der Fähigkeit von Computersystemen, mit großer Genauig­ keit zu arbeiten und potentiell unbegrenzte Speicherungs- und Kombinations­ möglichkeiten zu bieten, unterschied sich die Informationsverarbeitung der Ver­ waltung nunmehr grundlegend von derjenigen vor Einführung der EDV-Systeme.11 Diese Entwicklung wurde als „Revolution des staatlichen Handelns“12 wahrge­ nommen. In Reaktion auf eine solche „Revolution“ konstituierte das BVerfG in den Fol­ gejahren in einer Reihe von Entscheidungen einen Schutzanspruch des einzelnen Bürgers gegen die stetig anwachsende staatliche Datenerhebung. Bereits seit dem Elfes-Urteil13 des BVerfG war anerkannt, dass Art.  2 Abs.  1 GG das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Sinne einer allgemeinen Handlungs­ freiheit gewährleistet.14 Art.  2 Abs.  1 GG sichert somit vorbehaltlich vorrangiger Spezialgrundrechte in einer umfassenden, subjektiv-rechtlichen Freiheitsgaran­ tie den Schutz jeglichen Handelns und Unterlassens.15 Darüber hinaus unterstell­ te das BVerfG einen Teilbereich dieses Grundrechts einem besonderen Schutz: Es entwickelte unter Einbeziehung der Menschenwürdegarantie aus Art.  1 Abs.  1 GG das Allgemeine Persönlichkeitsrecht.16 Hiervon umfasst werden seither Ver­ haltensweisen, die in besonderem Zusammenhang mit der Würde des Menschen stehen und daher eines verstärkten Schutzes bedürfen.17 Das BVerfG wandte das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch auf die staat­ liche Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten an, die nicht vom 7 

Kamlah Right of Privacy. Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 37. 9  Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 38. 10  Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 38. 11  Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 38. 12  Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 38. 13  BVerfGE 6, 32. 14  Jarass NJW 1989, 857. 15  BVerfGE 80, 137, 152 ff.; 91, 338; Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art.  2 Rn  12. 16  Explizit in BVerfGE 54, 148. 17  Jarass NJW 1989, 857. 8 

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

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Konsens des Bürgers gedeckt sind.18 In seiner Mikozensus-Entscheidung19 rekur­ rierte es auf die Menschenwürdegarantie aus Art.  1 Abs.  1 GG, mit der es nicht zu vereinbaren wäre, wenn der Staat den Bürger zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit registrieren und katalogisieren dürfte. 20 Nur wenige Monate spä­ ter entschied das BVerfG, dass die Übersendung von Ehescheidungsakten an ver­ fahrensunbeteiligte Dritte das Persönlichkeitsrecht der Ehegatten aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG berühre und deshalb nur bei Einhaltung des Ver­ hältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt sei.21 Auch stellte es fest, dass sich der verfassungsrechtliche Schutz des Grundrechts bei im Rahmen einer ärztli­ chen Behandlung gesammelten Informationen auch auf ärztliche Notizen über den Gesundheitszustand des Patienten erstrecke. Deshalb sei das allgemeine Per­ sönlichkeitsrecht auch im Rahmen einer strafprozessualen Beschlagnahme der ärztlichen Krankenakten zu beachten.22 Eine strenge Beachtung des Übermaß­ verbotes ordnete das BVerfG auch hinsichtlich der Beschlagnahme von Klien­ tenakten einer Drogenberatungsstelle an, durch die ebenfalls in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Patienten eingegriffen werde.23 Aus den angeführten Entscheidungen kristallisierte sich die Überzeugung des BVerfG heraus, dass staatliche Stellen persönliche Daten zulässigerweise nur erheben und verwenden dürfen, sofern im Rahmen einer strengen Abwägung das Interesse des Staates an diesen Daten das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen überwiegt und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten wird.24 Mit der Einführung des Bundesdatenschutzgesetzes im Jahre 1977 brach auch der Gesetzgeber schließlich endgültig mit der Tradition des staatlichen Allzu­ gangs zu Informationen und machte einen ersten großen Schritt in Richtung In­ formationsverbot.25 Erstmals ordnete eine bundesweite gesetzliche Regelung an, dass personenbezogene Daten vor Missbrauch bei ihrer Speicherung, Übermitt­ lung, Veränderung und Löschung zu schützen sind, um der Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des Betroffenen entgegenzuwirken (§  1 BDSG26). Je­ doch führte die Dynamik der technischen Entwicklung der Datenverarbeitungsund Kommunikationstechnologie schon bald dazu, dass die Regelungen des BDSG 1977 im Hinblick auf den aktuellen Stand der Technik überholt waren und 18 

Golembiewski Mitteilungen durch die Justiz, 28. BVerfGE 27, 1. 20  BVerfGE 27, 1, 6. 21  BVerfGE 27, 344, 352. 22  BVerfGE 32, 373, 380. 23  BVerfGE 44, 353, 372 f. 24  Golembiewski Mitteilungen durch die Justiz, 29. 25  Sutschet RDV 2000, 107, 108. 26  In der Fassung von 1977. 19 

10

1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

damit den Schutz personenbezogener Daten nicht mehr effektiv gewährleisten konnten.27

II. Die Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Literatur In den 1970er Jahren nahmen einige Bundesländer, wie beispielsweise Nordrhein-­ Westfalen, ein Grundrecht auf Datenschutz als neues Grundrecht in ihre Landes­ verfassungen auf.28 Ein solches Vorgehen wurde auch für das Grundgesetz disku­ tiert. Parallel fand jedoch eine über ein Jahrzehnt andauernde, zunächst wenig beachtete wissenschaftliche Diskussion einiger Datenschutzrechtler statt. Diese präferierten eine Verankerung des Datenschutzes im bereits bestehenden Grund­ rechtekatalog. Im Jahre 1983 schlug schließlich das BVerfG im sog. Volkszählungsurteil29 den von ihnen vorgezeichneten Weg ein und entwickelte das Grund­ recht auf informationelle Selbstbestimmungsfreiheit aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG. Der Entscheidung wohnte aufgrund der fehlenden Prominenz der bis dato geführten Diskussion durchaus ein Überraschungsmoment inne.30 So stellte der damalige Präsident des BVerfG und Vorsitzender des zuständigen Ersten Senats, Ernst Benda, das in diesem „Jahrhunderturteil“31 neu geschaffene Grundrecht denn auch später als kreative dogmatische Neuentwicklung der Karls­ruher Verfassungsrichter dar.32 Tatsächlich aber basierten die Urteilserwä­ gungen in weiten Teilen auf den Erkenntnissen der langjährigen Datenschutz­ diskussion. 1. Ausgangspunkt der Entwicklung Bereits im Gesetzgebungsprozess zum BDSG war eine verfassungsrechtliche Verankerung des Rechts auf Datenschutz thematisiert worden. Im Vorfeld des Gesetzesentwurfes vergab die Bundesregierung an die von Wilhelm Steinmüller gebildete „Arbeitsgemeinschaft Datenschutz“ den Auftrag, ein Gutachten über die Grundfragen des Datenschutzes zu erstellen, in dem auch Stellung zu einer 27 

Kloepfer, in: Verhandlungen des 62. DJT, Bd I D 66. Abs.  2 LV NW wurde durch Änderungsgesetz vom 19.12.1978 (GV NW Nr.  75 vom 22.12.1978, 632) mit folgendem Wortlaut eingefügt: „Jeder hat Anspruch auf Schutz sei­ ner personenbezogenen Daten. Eingriffe sind nur im überwiegenden Interesse der Allgemein­ heit auf Grund eines Gesetzes zulässig.“ 29  BVerfGE 65, 1. 30  Rogall GA 1985, 1, 11 bezeichnet die Wirkung der Entscheidung als „mittleres Erdbeben“. 31  Steinmüller RDV 2007, 158, 161. 32  Benda DuD 1984, 86, 87. 28  Art.  4

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

11

möglichen Datenschutzgesetzgebung des Bundes genommen werden sollte.33 Ausgangspunkt des Gutachtens war, dass das deutsche Recht kein umfassendes Normsystem aufweise, das den Faktor Information in seiner Bedeutung für Staat und Gesellschaft erfasse.34 Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass zwar eini­ ge spezielle Freiheitsgrundrechte Aspekte beinhalteten, die sich auf den Umgang mit Informationen bezögen – namentlich Art.  4 Abs.  1, Art.  5 Abs.  1, Art.  6 Abs.  1, Art.  8 und Art.  10 GG.35 Diese speziellen Grundrechte gäben einen Prü­ fungsmaßstab für den Umgang mit Informationen vor, soweit diese ihrem jewei­ ligen spezifischen Kontext entstammten.36 Hieraus könne aber nicht gefolgert werden, dass andere Lebensbereiche der Persönlichkeit nicht schutzwürdig ge­ genüber dem Staat seien. Vielmehr spiegele sich in der verfassungsrechtlichen Normierung einiger Bereiche lediglich die historische Genese des Grundrechte­ katalogs wider, in dem hauptsächlich Rechte aufgenommen worden seien, deren Ausübung gegenüber dem Staat traditionell am meisten gefährdet war.37 Den Schutz der Lebensbereiche, die von den speziellen Grundrechten nur teil­ weise erfasst werden, garantiert Art.  2 Abs.  1 GG in seiner Funktion als Auffang­ grundrecht.38 Die zur Zeit des Gutachtens vorherrschende Auffassung verstand unter der von Art.  2 Abs.  1 GG geschützten Handlung ausschließlich Tätigkeiten mit einer zeitlich begrenzten Auswirkung auf die Umwelt.39 Naturgemäß war es angesichts einer solchen Interpretation nicht möglich, eine Einschränkung der Handlungsfreiheit durch den bloßen Besitz von personenbezogenen Informatio­ nen in den Händen der Verwaltung festzustellen. 40 Denn erst die Beschränkung der Tätigkeit selbst wurde als Grundrechtseingriff gewertet. Nach Auffassung der Gutachter zeigte das Beispiel des Verbleibs von Individualinformationen in den Händen des Staates jedoch, dass eine solche Auslegung zu kurz griff: Der Besitz von Informationen über den Einzelnen versetze die Verwaltung in die Position, den Betroffenen am Handeln zu hindern oder ihn in seinem Handlungsspielraum entscheidend einzuschränken. Die traditionelle Auslegung des Art.  2 Abs.  1 GG übersehe demnach die potentielle Einschränkbarkeit des Persönlichkeitsrechts 33 

BT-Drs VI/3826, S.  2. Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 36. 35  Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 83. 36  Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 84. 37  Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 84. 38  BVerfGE 6, 32, 37. 39  BVerfGE 6, 32, 36; Hamann GG Art.  2 B 3 a. 40  Vor dem Elfes-Urteil hatte das OLG Köln NJW 1953, 1846, 1846 für das Steuergeheim­ nis sogar noch explizit festgestellt: „Die freie Persönlichkeit entfaltet sich im Handeln, im freien Auswirken eigenen Denkens und Handelns. Die Angabe steuerlich relevanter Tatsachen und Ergebnisse hindert aber niemanden daran, zu denken und zu handeln, wie es seiner Über­ zeugung entspricht.“ 34 

12

1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

durch die staatliche Verfügungsmöglichkeit über die Informationen des Einzel­ nen. 41 Deshalb habe sich die Erkenntnis herauszubilden begonnen, dass sich ein „Handeln“ im Sinne von Art.  2 Abs.  1 GG nicht in einem äußerlichen Tätigwer­ den erschöpft.42 2. Soziologische Erkenntnisse und juristische Schlussfolgerungen Die Wissenschaft versuchte, die Persönlichkeitsentfaltung nicht mehr nur als ak­ tives Handeln zu betrachten, sondern vielmehr zu bestimmen, wovon sie beein­ flusst wird. Unter Rekurs auf die sozialwissenschaftlichen Arbeiten Westins43 und Luhmanns44 wurden die Wechselwirkungen zwischen Individualinformatio­ nen, ihrer Rezeption in der Gesellschaft und der sich daran orientierenden Per­ sönlichkeitsentfaltung herausgearbeitet: „Der Handelnde gibt Individualinforma­ tionen ab, die in der veränderten Form des Umwelturteils wieder zu ihm zurück­ fließen und der Maßstab für seine Selbstdarstellung sind.“45 Aus den Prämissen der soziologischen Interaktionslehre und der Rollentheorie leitete man somit die Annahme her, dass sich die Bildung der menschlichen Persönlichkeit in einem Wechselspiel von Handlung und gesellschaftlichem Feedback vollzieht.46 Die Erkenntnis, dass die Folgen einer Handlung ebenso Einfluss auf die Ent­ faltung der Persönlichkeit nehmen wie die Handlung selbst, führte zu der Forde­ rung, auch diese Handlungsfolgen dem Schutz des Art.  2 Abs.  1 GG zu unterstel­ len. Eine unzulässige Beschränkung der Persönlichkeitsentfaltung durch den Staat dürfe nicht dadurch erfolgen, dass dem Bürger das Bestimmungsrecht über die Folgen seiner Handlungen entzogen werde.47 Diese erweiternde Auslegung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art.  2 Abs.  1 GG mündete in den Begriff des „informationellen Selbstbestimmungsrechts“.48 Dieser umfasste auch das Recht auf Selbstdarstellung. Letzteres sprach dem Einzelnen das Recht zu, über die Abgabe von Individualinformationen selbst bestimmen zu können – sowohl hin­ sichtlich des Inhalts der Informationen als auch in Bezug auf den Empfänger.49

41  42 

110.

43 

Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 85. Vertreten etwa von Brinkmann/Brinkmann GG Art.  2 I 1 b 2 α; Redeker DÖV 1954, 109,

Westin Privacy and Freedom. Luhmann Grundrechte als Institution. 45  Mallmann Datenschutz in Verwaltungsinformationssystemen, 55. 46  Rogall Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 39. 47  Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 87. 48  So erstmals bei Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 93 und Mallmann Datenschutz in Verwaltungsinformationssystemen, 47. 49  Mallmann Datenschutz in Verwaltungsinformationssystemen, 56. 44 

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

13

Insofern konstituierte Art.  2 Abs.  1 GG den Garant des Selbstbestimmungsrechts des Bürgers über sein informationelles Personenmodell.50 3. Die Lehre vom Informationseingriff Auf Basis dieser Überlegungen eines anfänglich „noch sehr kleinen Kreises von Datenschutzexperten“ 51 entwickelte Schwan die Lehre vom Informationsein­ griff. Diese qualifiziert jeden staatlichen Akt der Beschaffung und Weitergabe personenbezogener Informationen als Eingriff in die verfassungsrechtlich ver­ bürgten Freiheitsgrundrechte.52 Schwan unterscheidet den sogenannten Informa­ tionseingriff von anderen, mit ihm zumeist einhergehenden Eingriffen – den sog. Begleit- und Folgeeingriffen –, um dadurch seine Wesensart und die Zweckbe­ ziehung zu den anderen Eingriffen bestimmen zu können. Dieser Beziehung komme eine besondere Bedeutung zu, da Informationsbeschaffung des Staates niemals Selbstzweck sein dürfe, sondern stets dazu bestimmt sein müsse, einem darüber hinaus gehenden Zweck zu dienen.53 Bis dahin war die Problematik der Beschaffung und Weitergabe persönlicher Informationen bei der Diskussion um die Anforderungen an gesetzliche Ermäch­ tigungsgrundlagen für staatliches Handeln vernachlässigt worden. Dies geschah, obwohl sich das BVerfG seit Mitte der 1960er Jahre vermehrt dem Schutz der Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation zugewandt hatte.54 Die Lehre vom Informationseingriff forderte nun für jeden staatlichen Informationseingriff, der sich auf personenbezogene Daten bezog und nicht durch die Einwilligung des Betroffenen gedeckt war, eine formell-gesetzliche Ermächtigung. Bestehen­ de Geheimhaltungsvorschriften seien irreführend, da nicht die Geheimhaltung personenbezogener Daten regelungsbedürftig sei, sondern umgekehrt die Weiter­ gabe solcher Daten einer einfach-gesetzlichen Regelung bedürfe.55 Wenn dem Bürger die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung nicht ausreichend ge­ währleistet werde, sinke die Bereitschaft des Einzelnen, sich politisch oder so­zial nonkonformistisch zu verhalten – mit für die Gesellschaft gefährlichen Konse­ quenzen.56 Angesichts der Forderung nach einer gesetzlichen Ermächtigungs­ grundlage für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstdarstellung konnte das Recht der Amts- bzw. Informationshilfe nicht mehr als ausreichend 50 

Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 88. Vgl. Schwan VerwArch 1975, 120, 128 (Fn  29). 52  Schwan VerwArch 1975, 120, 127 f. ohne Präzisierung der betroffenen Freiheitsrechte. 53  Schwan VerwArch 1975, 120, 128 f. 54  Insbesondere BVerfGE 18, 146 (Tagebuch-Beschluss); AK1/Podlech GG Art.  2 Abs.  1 Rn  17 ff., 41 ff. 55  Schwan VerwArch 1975, 120, 135. 56  Podlech, in: Krauch, Erfassungsschutz, 72, 73. 51 

14

1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

angesehen werden, um den Schutz von Art.  2 Abs.  1 GG zu gewährleisten.57 Mit der Informationsübermittlung sei regelmäßig eine Zweckänderung gegenüber der ursprünglichen Erhebung verbunden, sodass der Austausch von personen­ bezogenen Informationen zwischen verschiedenen Behörden oder zwischen Ge­ richt und Behörde nicht durch das Amtshilferecht legitimiert werden könne.58 4. Die Relativität der Privatsphäre Traditionell wird bei Art.  2 Abs.  1 GG danach unterschieden, ob ein Eingriff in die Intim-, Privat- oder die Sozialsphäre vorliegt.59 Ein wesentlicher Aspekt des in der Wissenschaft herausgearbeiteten Rechts auf informationelle Selbstbestim­ mung war seine Anerkennung ungeachtet der Natur der betroffenen personen­ bezogenen Daten. Aus welcher Sphäre das betroffene Datum stammte, spielte keine Rolle mehr. Dies entsprach der Theorie der Relativität der Privatsphäre. Dieser zufolge gibt es keinen objektiv geschützten Persönlichkeitsbereich. Die Qualifizierung einer Mitteilung als Geheimnis ist vielmehr abhängig von der Person des Ge­ heimhaltenden sowie von den möglichen Adressaten des Mitteilungsinhalts. 60 Hiermit einher ging die Ablehnung einer Differenzierung des individuellen Selbst­darstellungsrechts nach unterschiedlichen Sphären. Sowohl die staatliche Erstellung von Persönlichkeitsprofilen als auch die Verdinglichung sozialrele­ vanter Informationen des Bürgers wurden deshalb als unzulässige Eingriffe in Art.  2 Abs.  1 GG qualifiziert.61 5. Zusammenfassung In der Datenschutzliteratur der 1970er und 80er Jahre wurde die Problematik der Speicherung und Verwendung personenbezogener Daten intensiv diskutiert. In zunehmendem Maße wurde problematisiert, dass der Staat durch den Besitz und die Weitergabe personenbezogener Daten Einfluss auf den betroffenen Bürger nehmen kann. Zunächst blieb auch die fortschrittliche Datenschutzliteratur der Verankerung ihrer Thesen beim Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art.  2 Abs.  1 GG verhaftet. Es vollzog sich jedoch ein Wandel hinsichtlich der als rich­ 57 

Steinmüller et al. BT-Drs VI/3826, 114. GG Art.  2 Abs.  1 Rn  81. 59  Sachs/Murswiek/Rixen GG Art.  2 Rn  104; zur Intimsphäre BVerfGE 6, 32, 41; 27, 1, 6; 34, 238, 245; 38, 312, 320; zur Privat- oder Geheimsphäre BVerfGE 27, 344, 350; 34, 238, 245; zur Sozialsphäre BVerfGE 35, 35, 39; 35, 202, 220; 80, 367, 373. 60  Podlech DVR 1972, 149, 156 (Fn  30). 61  Podlech, in: Krauch, Erfassungsschutz, 72, 73. 58  AK1/Podlech

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

15

tig empfundenen Grenzen seines Schutzbereichs. Insbesondere sozialwissen­ schaftliche Erkenntnisse legten nahe, dass der Prozess der Persönlichkeitsent­ faltung in starkem Maße von der Reaktion der Umwelt auf die eigene Handlung beeinflusst wird. Obschon die Sequenzen der Rechtsprechung des BVerfG, die sich mit informationellen Sachverhalten auseinandersetzten, regelmäßig einen Rückgriff auf die Gewährleistung der menschlichen Würde und damit auf Art.  1 Abs.  1 GG enthielten,62 wurde das informationelle Selbstbestimmungsrecht noch nicht dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zugeordnet. Im Gegensatz zur sons­ tigen verfassungsrechtlichen Literatur, welche die Sphärentheorie weitgehend befürwortete, mahnte die damalige Datenschutzdiskussion bereits an, den Schutz der Persönlichkeit universeller und die Privatsphäre als relative Größe zu verste­ hen. Dies vermochte die Sphärentheorie nicht zu leisten, die das Schutzniveau in Abhängigkeit von der jeweils betroffenen Sphäre bestimmte. Als Eingriff des Staates in Art.  2 Abs.  1 GG erfordert die Speicherung und Verwendung personenbezogener Daten eine gesetzliche Ermächtigungsgrundla­ ge. Ebenfalls wurde die Forderung nach einer gesetzgeberischen Legitimierung der Weitergabe entsprechender Daten im Wege der Amtshilfe laut, für die Art.  35 Abs.  1 GG keine ausreichende Grundlage mehr lieferte. Für die Überlegungen fiel die Wahl auf den Begriff des informationellen Selbstbestimmungsrechts.63 Weitestgehender Konsens bestand zwar dahingehend, dass die Erhebung, Spei­ cherung und Verwendung personenbezogener Daten grundrechtsrelevant sind.64 Die Diskussion zur Schaffung eines eigenen Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung innerhalb des Art.  2 Abs.  1 GG unterstützten in der verfas­ sungsrechtlichen Literatur jedoch lediglich vereinzelte Autoren. Überwiegend bestand die Auffassung, die bestehenden Grundrechte gewährleisteten einen aus­ reichenden Schutz.65 Nur wenige Monate vor Ergehen des Volkszählungsurteils befand denn auch Christoph Gusy: „Im öffentlichen Recht [ist] das ‚Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung‘ keineswegs Gemeingut.“66 Mit der ersten Auflage des Alternativkommentars zum Grundgesetz, die nur kurz nach dem Volkszählungsurteil erschien, fand das informationelle Selbst­ bestimmungsrecht erstmals Eingang in die Kommentarliteratur zu Art.  2 Abs.  1 GG. Die Druckfahnen lagen den Verfassungsrichtern bei ihrem Urteil zum Volks­ zählungsgesetz vor.67 Die das Urteil maßgeblich prägenden Persönlichkeiten 62  AK1/Podlech

GG Art.  2 Abs.  1 Rn  45. Die Namensbildung entsprang wohl eher einem spontanen Einfall, vgl. Steinmüller RDV 2007, 158, 159. 64  Bull DÖV 1979, 689, 691. 65  Beispielhaft etwa Gusy VerwArch 1983, 91; Bull DÖV 1979, 689. 66  Gusy VerwArch 1983, 91, 91. 67  Steinmüller RDV 2007, 158, 160. 63 

16

1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

Hermann Heußner und Ernst Benda schenkten den Ausführungen besondere Be­ achtung, da sie selbst bereits im Vorfeld an der wissenschaftlichen Entwicklung des Datenschutzes mitgewirkt hatten.68 Dass das Bundesverfassungsgericht sei­ ne Entscheidung im Geiste der datenschutzrechtlichen Überlegungen fällte, zeigt schon die Tatsache, dass eine der wesentlichen Kernaussagen der Urteilsbegrün­ dung nahezu wörtlich aus Podlechs Kommentierung zu Art.  2 Abs.  1 GG über­ nommen wurde: „Mit Art.  2 Abs.  1 wäre also eine tatsächliche Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.“69

III. Das Volkszählungsurteil des BVerfG: Etablierung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung Bereits in den Jahren 1950, 1961 und 1970 wurden bundesweite Volkszählungen durchgeführt. Das Volkszählungsgesetz 1983 legte eine erneute Zählung für den 27. April 1983 fest. Das Gesetz sah vor, aktuelle Informationen über den Bevöl­ kerungsstand, die räumliche Verteilung der Bevölkerung, ihre soziale und demo­ grafische Zusammensetzung sowie ihre wirtschaftliche Betätigung zu ermit­ teln.70 Hierzu sollten alle Einwohner (West-)Deutschlands im Rahmen einer so­ genannten Totalerhebung statistisch erfasst werden.71 Nach der Veröffentlichung des hierzu vorgesehenen Fragenkatalogs wurde in der Bevölkerung Kritik an der Absicht geübt, Volkszählungsdaten zum Abgleich für die Melderegister zu ver­ wenden.72 Zudem nahmen viele Bürger Anstoß am Umfang der Fragen, die Rückschlüsse auf die Identität des Befragten ermöglichten. Gegen das neue Ge­ setz wurden zahlreiche Verfassungsbeschwerden erhoben. Der Erste Senat des BVerfG setzte die Volkszählung knapp zwei Wochen vor ihrer Durchführung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung73 bis zur Entscheidung über die Ver­ fassungsbeschwerden aus.

68 

Heußner VSSR 1979, 293; Benda FS-Geiger, 23. GG Art.  2 Abs.  1 Rn  45; vgl. BVerfGE 65, 1, 43. 70  BT-Drs 9/451, 1. 71  Deutscher Bundestag (zuletzt abgerufen am 29.1.2019). 72  Deutscher Bundestag (zuletzt abgerufen am 29.1.2019). 73  BVerfGE 64, 67. 69  AK1/Podlech

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

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1. Der Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung In seinem Urteil zum Volkszählungsgesetz74 vom 15. Dezember 1983 etablierte der Erste Senat des BVerfG das Grundrecht der informationellen Selbstbestim­ mungsfreiheit als Ausprägung des durch Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Damit schloss sich das Gericht trotz im Vorfeld vielgeäußerter Kritik an der Konstruktion eines speziellen Grundrechtes den Datenschutzüberlegungen an. Unter den Bedingungen der mo­ dernen Datenverarbeitung setze die freie Entfaltung der Persönlichkeit den Schutz des Einzelnen gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwen­ dung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus.75 Grundsätzlich werde somit die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, über die Preisgabe und Verwen­ dung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.76 Der Anerkennung eines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung müsse die Rechtsordnung Tribut zollen. Dieses Grundrecht könne nicht gewährleistet werden in einer Gesellschafts- und Rechtsordnung, in der die Bürger „nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß“.77 Der Senat betrachtete insbesondere die drohenden Folgen eines gesetzlich nicht geregelten Umgangs mit persönlichen Daten. Für den Rechtsstaat komme ein Zustand, in dem der Einzelne nicht wisse, wer zu welchem Zweck und unter welchen Voraussetzungen auf seine Daten zugreift, einem Todesurteil gleich, da die Gefahr bestehe, der Bürger werde langfristig von der Wahrnehmung seiner Grundrechte wie beispielsweise der Meinungs-, Demonstrations-, Koalitionsund Vereinsfreiheit absehen.78 Das Gericht demonstrierte hiermit seine Befürch­ tung, dass eine bestehende Unsicherheit über die Verwendung der persönlichen Daten dazu zu führen vermag, dass der Einzelne seine Freiheit nicht mehr auszu­ üben wagt.79 Es schloss sich den Erwägungen Podlechs an, der vor genau dieser Gefahr gewarnt hatte.80 Dem Datenschutz wurde somit Verfassungsrang zuge­ sprochen. Hierbei folgte das BVerfG nicht dem Vorbild des nordrhein-westfäli­ schen Verfassungsgebers, der in Art.  4 Abs.  2 LV NRW ein eigenes Grundrecht auf Datenschutz konstituierte.81 Anstatt an den Bundesgesetzgeber zu appellie­ ren, Änderungen am Grundrechtskatalog vorzunehmen, führte der Senat seine 74 

BVerfGE 65, 1. BVerfGE 65, 1, 43. 76  BVerfGE 65, 1, 43. 77  BVerfGE 65, 1, 43. 78  Simitis NJW 1986, 2795, 2796. 79  Nitsch ZRP 1995, 361, 361. 80  Podlech, in: Krauch, Erfassungsschutz, 72, 73. 81  Art.  4 geändert durch Gesetz v. 19.12.1978 (GV. NW. S.  632); in Kraft getreten am 23. De­ zember 1978. 75 

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1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht fort. Hierbei leitete er je­ doch den Datenschutz nicht lediglich aus den Grundrechten ab, sondern veranker­ te ihn unmittelbar in Art.  2 Abs.  1 GG und räumte dadurch dem Schutz der per­ sonenbezogenen Daten den Stellenwert als Teil der persönlichen Identität ein.82 Anders als in den vorangegangenen Entscheidungen zum allgemeinen Persön­ lichkeitsrecht rekurrierte das BVerfG nicht mehr auf die vom staatlichen Eingriff betroffenen Sphären. Entscheidend hinsichtlich der Grundrechtsbeeinträchti­ gung seien die Nutzbarkeit und Verwendbarkeit der personenbezogenen Daten, nicht allein die Art der Angaben.83 Durch die der Informationstechnologie inne­ wohnenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten gebe es unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung kein „belangloses“ Datum mehr.84 Denn auch bei für sich genommen unerheblichen Informationen bestehe das Potential, dass sie in Verknüpfung mit weiteren Daten Rückschlüsse auf den Betroffenen, seinen Lebensweg und seine Persönlichkeit zuließen.85 Bemerkens­ wert ist dies, da noch in der Entwurfsbegründung zum Bundesdatenschutzgesetz, welches am 1. Januar 1978 in Kraft trat,86 der Datenschutz ausschließlich als Schutz der Privatsphäre vor Missbräuchen bei der Datenverarbeitung verstanden wurde.87 Der Begriff der Privatsphäre dominierte auch die Literatur zur Sphären­ theorie.88 Im Volkszählungsurteil löste sich das BVerfG von dieser Differenzie­ rung, die „der Geburtsstunde der gesetzlichen Verankerung des Datenschut­ zes“89 entstammte und erweiterte hierdurch gegenüber dem BDSG den Anwen­ dungsbereich des Datenschutzes. Seither unterfallen sämtliche personenbezogenen Daten dem Schutz des Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG, das Grundrecht wirkt also über den Schutz der Privatsphäre hinaus.90 Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährte personen­ bezogenen Daten auch insofern einen weitergehenden Schutz als die damaligen Datenschutzgesetze, als es sich nicht auf Fälle des Missbrauchs bei der Speiche­ rung, Übermittlung, Veränderung und Löschung von Daten beschränkte.91 Nicht nur der gesetzeswidrige Umgang mit Daten wurde erfasst: Bereits der Umstand 82 

Steinmüller DuD 1984, 91, 92 spricht insofern von „Partialidentität“. BVerfGE 65, 1, 45. 84  BVerfGE 65, 1, 45. 85  Dreier/Dreier GG Art.  2 I Rn  81. 86  BGBl 1977 I S.  201 ff. 87  BT-Drs 07/1027, S.  14. 88  Gusy VerwArch 1983, 91, 92 und Benda FS-Geiger, 23, 29 bestreiten, dass das BVerfG selbst den Begriff jemals verwendet hat. Dies ist jedoch unzutreffend, vgl. etwa BVerfGE 32, 373, 380. 89  Hoffmann-Riem AöR 123 (1998), 513, 514. 90  BeckOK/Lang GG Art.  2 Rn  45. 91  vgl. §  1 BDSG 1977; Vogelsang Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, 54. 83 

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

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der elektronischen Datenverarbeitung an sich begründet eine „verfahrensseitig entstehend[e] und auch nur dort zu begrenzend[e] Gefährdungssituation“.92 Auch wenn die Entscheidung des BVerfG im Kontext automatischer Daten­ verarbeitung erging, erschöpft sich der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmungsfreiheit mitnichten hierin. Vielmehr schützt das Grundrecht umfassend jede Form der Verwendung personenbezogener Daten – auch im Fal­ le manueller Verarbeitung.93 Während sich das zur Zeit des Volkszählungsurteils geltende Datenschutzrecht in §  2 BDSG noch ausschließlich auf den Schutz von in Dateien gespeicherten Daten bezog, differenzierte das BVerfG nicht mehr da­ nach, ob die Daten in Dateien oder Akten gespeichert wurden.94 Damit berück­ sichtigte es, dass zum Zeitpunkt der Datenerhebung die Modalität der Daten­ speicherung vielfach noch unklar sein kann.95 2. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beschränkung: Das Erfordernis bereichsspezifischer Regelungen Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung billigt dem Einzelnen jedoch keine absolute, unbeschränkbare Herrschaft über seine Daten zu. Anhand per­ sonenbezogener Daten übermittelte Informationen können als Abbild sozialer Realität nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden.96 So­ ziale Beziehungen sind unausweichlich mit der gewollten wie ungewollten Preisgabe persönlicher Informationen verbunden.97 Aufgrund dieses Sozialbe­ zugs sind Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen.98 Der Senat bekräftigt aber die Bedeutung des Grundrechts, indem er konstatiert, dass ein solches überwiegen­ des Allgemeininteresse regelmäßig überhaupt nur an Daten mit Sozialbezug be­ stehe, keinesfalls aber an intimen Angaben und Selbstbezichtigungen.99 Beschränkungen dürfen einzig durch bzw. aufgrund einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage erfolgen.100 Dies erschließt sich insbesondere vor dem Hintergrund der Forderung des Senats, der Bürger müsse stets wissen, wer was

92  93 

55 f.

94 

Scholz/Pitschas Informationelle Selbstbestimmung, 83. Geiger DWSR 1984, 43, 46; Vogelsang Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung,

Vogelsang Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, 56. Baumann DVBl 1984, 612, 613. 96  BVerfGE 65, 1, 43 f. 97  Nitsch ZRP 1995, 361, 362. 98  BVerfGE 65, 1, 44. 99  BVerfGE 65, 1, 46. 100  BVerfGE 65, 1, 44. 95 

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1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß.101 Nur eine gesetzliche Re­ gelung zwingt den Gesetzgeber offenzulegen, welche Ziele er mit der Verarbei­ tung verfolgt und in welchem Umfang diese stattfinden soll. Dies befähigt den Bürger, die Tragweite der Einschränkung seines Rechts über die eigenen Daten zu erkennen.102 Die vom BVerfG an die Ermächtigungsgrundlage und ihre Anwendung ge­ stellten Anforderungen sind hoch.103 Dies resultiert daraus, dass sich das infor­ mationelle Selbstbestimmungsrecht in Verbindung mit Art.  1 Abs.  1 GG her­ leitet.104 Die Ermächtigungsgrundlage muss insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten und darf den Wesensgehalt des Grundrechts nur soweit beschränken, wie es zum Schutz öffentlicher Interessen unbedingt erfor­ derlich ist.105 Der Bürger kann zur Angabe seiner personenbezogenen Daten zu­ lässigerweise nur gezwungen werden, sofern der Gesetzgeber den Verwendungs­ zweck bereichsspezifisch und präzise bestimmt. Die Angaben müssen für diesen Zweck geeignet und erforderlich sein.106 Die Verwendung der Daten ist an den seitens des Gesetzgebers bestimmten Zweck gebunden. Da die Weitergabe bzw. Verwertung im Wege der Amtshilfe stets mit einer Zweckentfremdung verbun­ den ist, fordert das BVerfG angesichts der Gefahren der automatischen Daten­ verarbeitung einen amtshilfefesten Schutz in Form von Weitergabe- und Verwer­ tungsverboten sowie Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten.107 3. Schlussfolgerungen Im Volkzählungsurteil reagierte das BVerfG auf die in allen Teilen der Bevölke­ rung aufgekommene Beunruhigung angesichts der im Volkszählungsgesetz 1983 angeordneten Datenerhebung. Ihr war aufgrund eines veränderten allgemeinen Bewusstseins gegenüber der automatisierten Datenverarbeitung starke Skepsis entgegengeschlagen.108 Die Schärfe des Konflikts und die Grundsätzlichkeit der Ausführungen des BVerfG in diesem Urteil sind nur verständlich, berücksichtigt man die in der Bevölkerung empfundene Übermacht der zunehmenden Daten­ verarbeitung, in der die Datenzentralen den Wandel zum gläsernen, restlos aus­ 101 

BVerfGE 65, 1, 43. Simitis NJW 1984, 398, 400. 103  Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art.  2 Rn  181. 104  Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke GG Art.  2 Rn  16. 105  BVerfGE 65, 1, 44. 106  BVerfGE 65, 1, 46. 107  BVerfGE 65, 1, 46. 108  Diesen Hinweis stellte der Senat in einer Art Vorbemerkung dem Urteil voraus, ­BVerfGE 65, 1, 3 f. 102 

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

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geleuchteten Bürger symbolisierten.109 Im kollektiven Protest drückten sich die Ängste vor einer undurchschaubaren und von der Bürokratie instrumentalisier­ ten Technologie aus.110 Angesichts der kollektiven Ablehnungshaltung, die sich durch sämtliche Bevölkerungsschichten zog, stellt sich die Äußerung des dama­ ligen Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann, der die Gegner der geplan­ ten Totalerhebung als eine „Minderheit von Staatsfeinden“111 bezeichnete, als eklatante Fehleinschätzung dar. Bereits seit Beginn der Beratungen des Regie­ rungsentwurfs für das Volkszählungsgesetz 1983 gab es anhaltende Auseinan­ dersetzungen, denen erst das Volkzählungsurteil ein Ende setzte. Die politische Problematik des Gesetzes lag zudem darin, dass es den Behörden der Inneren Sicherheit erlaubte, Aufgaben der Statistik mit denen der Inneren Sicherheit sys­ temwidrig zu verknüpfen.112 Das BVerfG stellte unmissverständlich heraus, welche Bedeutung dem Schutz personenbezogener Daten in der modernen Datenverarbeitung zukommt. Es machte deutlich, dass mit der Erhebung, Verwendung und Weitergabe von Daten restriktiv umzugehen ist. Staatliches Handeln darf in diesem Zusammenhang nicht allein aufgrund von „schlichten“ Allgemeininteressen erfolgen.113 Erfor­ derlich ist vielmehr eine sorgfältige Abwägung der jeweils anzugebenden Verar­ beitungsinteressen der Allgemeinheit und der potenziellen Verarbeitungskonse­ quenzen für den Betroffenen.114 Möglich ist eine solche konkrete Abwägung nur, wenn sie für einen exakt umrissenen Lebensbereich vorgenommen wird. Des­ halb forderte das BVerfG für den Eingriff in das informationelle Selbstbestim­ mungsrecht bereichsspezifische Regelungen. Diese gelten für einen präzise defi­ nierten Anwendungsbereich und bieten daher den Vorteil, dass sie konsequent auf die dortigen Besonderheiten eingehen können.115 Die Nähe derartiger gesetz­ licher Bestimmungen zum Regelungsgegenstand erhöht ihre Wirksamkeit für den Datenschutz.116 Nur in Kenntnis der Eigenart der jeweiligen Verarbeitungs­ prozesse können die möglichen Konsequenzen, die sich aus der Datenverarbei­ tung ergeben, gezielt gezogen werden.117 Eine bereichsspezifische Präzisierung des Verwendungszwecks kann ihre Wirkung nicht entfalten, wenn die erhobenen Daten anschließend unreguliert weitergegeben werden. Deshalb hat das BVerfG 109 

Simitis KritV 83 (2000), 359, 361. Simitis KritV 83 (2000), 359, 361. 111  Fischer, in: DIE ZEIT v. 23.12.1983 „Der Staat darf nicht alles wissen“. 112  Podlech Leviathan 1984, 85, 87. 113  Simitis/Simitis BDSG Einleitung Rn  44. 114  Simitis/Simitis BDSG Einleitung Rn  44. 115  Simitis KritV 83 (2000), 359, 372. 116  Simitis CR 1987, 602, 603. 117  Simitis CR 1987, 602, 603. 110 

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1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

die Verwendung der Daten auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt.118 Eine hinreichende Bestimmung des legitimierenden Zwecks im Gesetz ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unabdingbar.119 Nur ein ex­ akt definierter Anknüpfungspunkt führt zu einer Disziplinierung der datenverar­ beitenden Stellen. Denn er erlaubt die Überprüfung, ob sich der Zugriff auf die wirklich erforderlichen Daten beschränkt.120 Eine bereichsspezifische Regelung entspricht somit dem Gebot der Normenklarheit.121 Allgemeine Regelungen wie die Datenschutzgesetze der Länder und des Bun­ des verloren infolge der Entscheidung des BVerfG an Bedeutung.122 Sie wurden jedoch keineswegs überflüssig, sondern finden weiterhin dort Anwendung, wo es keine bereichsspezifischen Regelungen gibt und es ihrer auch nicht bedarf.123 Gemäß §  1 Abs.  2 S.  1 BDSG n. F.124 gehen andere Rechtsvorschriften des Bun­ des über den Datenschutz dem Bundesdatenschutzgesetz vor. Dem BDSG kommt somit der Charakter eines subsidiären Auffanggesetzes zu, das durch eine gestufte Regelungstechnik mit allgemeinen Grundregeln und bereichsspezifi­ schem Sonderrecht geprägt wird.125 Indem der Senat mit dem Ziel eines amtshilfefesten Schutzes gegen Zweck­ entfremdung Weitergabeverbote forderte,126 wandte er sich gegen die traditionel­ le Sicht der öffentlichen Verwaltung als Informationseinheit und entwarf an ihrer Stelle das Konzept einer „informationellen Gewaltenteilung“127.128 Nach alldem brach das BVerfG im Volkszählungsurteil mit der Tradition, zwischenbehörd­ liche Mitteilungen auf den Amtshilfegrundsatz aus Art.  35 GG zu stützen. Die Anerkennung eines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung veran­ kerte den Datenschutz in der Verfassung. Der Aufruf des Senats an den Gesetz­ geber, mithilfe gezielter, „amtshilfefester“ Regelungen eine Zweckentfremdung personenbezogener Daten zu unterbinden, setzte ein deutliches Signal, dass der Datentransfer hinter verschlossenen Behördentüren mit modernem Datenschutz nicht vereinbar ist.

118 

BVerfGE 65, 1, 46. BeckOK/Brink DatenSR VerfR Rn  96. 120  Simitis NJW 1984, 398, 400. 121  Vogelsang Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, 69. 122  Simitis/Simitis BDSG Einleitung Rn  48. 123  Simitis CR 1987, 602, 603. 124  Die bis zum 24.5.2018 gültige alte Fassung des BDSG sprach in §  1 Abs.  3 Nr.  1 von an­ deren Rechtsvorschriften des Bundes, soweit sie auf personenbezogene Daten anzuwenden sind. 125  BeckOK/Gusy DatenSR BDSG §  1 Rn  78. 126  BVerfGE 65, 1, 46. 127  BVerfGE 65, 1, 69. 128  Simitis KritV 83 (2000), 359, 366. 119 

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

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IV. Rezeption des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung Die Reaktionen auf das Volkszählungsurteil fielen sehr unterschiedlich aus. Steinmüller befand nach dem Urteil, dass sich „[m]anches […] fast [lese] wie ein Destillat aus 15 Jahren zunächst unbeachteter Vorarbeiten.“129 Einige lobten es als „Magna Charta der Entwicklung des Datenschutzrechtes“130, andere wiede­ rum schalten es als „bedauerliche Fehlleistung“131. Kritik fand hauptsächlich die Reichweite des informationellen Selbstbestim­ mungsrechts, welches das Potenzial in sich trage, den Einzelnen zum „Mini­ diktator“ 132 über die ihn betreffenden Informationen zu machen. Der Senat habe sich übermäßig dem Zeitgeist unterworfen und dem Bürger mit der Zubilligung eines Entscheidungsrechts über seine Darstellung in der Öffentlichkeit ein zu weit getriebenes Maß an Autonomie zugesprochen.133 Fehle es an einer objekti­ ven Eingrenzung des Grundrechts, werde jeder zum großen Bruder über seinen Nächsten.134 Ursache dieser Kritik ist vornehmlich die Abwendung von der Sphärentheorie auf dem Gebiet des Datenschutzes. Das BVerfG gestand nun­ mehr dem Einzelnen zu, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwen­ dung seiner Daten zu bestimmen. Auch wenn die dem Urteil zugrundeliegenden Erkenntnisse der soziologischen Forschung über die Persönlichkeitsentfaltung größtenteils akzeptiert wurden, lehnten einige Autoren die hieraus gezogenen juristischen Folgerungen ab. 135 Die Warnung vor einer unbesehenen Verrecht­ lichung der Einsichten der Rollentheorie und der Interaktionenlehre136 erfolgte jedoch ohne Erklärung, warum sich das Recht vor soziologischen bzw. psycho­ logischen Erkenntnissen verschließen sollte. Dass nicht mehr der Inhalt der betroffenen Information maßgeblich den infor­ mationellen Schutzbereich von Art.  2 Abs.  1 GG begrenzt, bedeutet aber nicht, dass er grenzenlos ist. Andere Kriterien zur Abgrenzung sind denkbar.137 Vorge­ schlagen wird, danach zu differenzieren, ob im Einzelfall eher das Menschen­ würdeprinzip des Art.  1 Abs.  1 GG oder die Handlungsfreiheit des Art.  2 Abs.  1 GG betroffen ist. Unter der Prämisse, dass die Menschenwürde die jederzeitige Möglichkeit einer Person, sich ihr eigenes Verhalten als eigene Handlung selbst 129 

Steinmüller DuD 1984, 91, 92. Hoffmann-Riem AöR 123 (1998), 513. 515. 131  Rogall GA 1985, 1, 12. 132  Ehmann AcP 188 (1988), 230, 235. 133  Ehmann AcP 188 (1988), 230, 329. 134  Ehmann AcP 188 (1988), 230, 235 in Anspielung auf George Orwells Dystopie „1984“, in der der Staat als „großer Bruder“ seine Bürger überwacht. 135  So etwa Ehmann AcP 188 (1988), 230, 330, 335. 136  Ehmann AcP 188 (1988), 230, 330 ff. 137  Podlech Leviathan 1984, 85, 92. 130 

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1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

zurechnen zu können, gewährleiste, sei das Wissen des Bürgers über den Ver­ bleib seiner Daten dem Grundrechtsschutz von Art.  1 Abs.  1 GG zuzuordnen.138 Denn eine diesbezügliche Unwissenheit resultiere darin, dass der Einzelne nicht im Stande ist, das mögliche Wissen seiner Kommunikationspartner abzuschät­ zen.139 Derartige Informationsasymmetrien führten im Extremfall dazu, dass sich der Bürger zur Selbstzensur gezwungen sehe und verletzten ihn deshalb in seiner Menschenwürde. Sie entstünden durch die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten.140 Dementgegen sei das Recht, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, Ausprägung der allgemeinen Handlungs­ freiheit.141 Während nach diesem Ansatz der Schutz vor einer unbegrenzten Ver­ wendung persönlicher Daten schrankenlos gewährleistet ist, also keine Ein­ schränkungsmöglichkeit durch den Gesetzgeber besteht, gilt hinsichtlich der Selbstbestimmung über personenbezogene Daten die Schrankentrias des Art.  2 Abs.  1 GG.142 Ein weiterer Versuch zur Eingrenzung des Informationseingriffs besteht darin, die jeweils betroffene Grundrechtsposition aus dem bestehenden Grundrechteka­ talog zu bestimmen anstatt auf ein gesondertes Recht der informationellen Selbstbestimmung abzustellen. Für das betreffende Grundrecht soll eine konkre­ te Gefahrenprognose erstellt werden, an der der Persönlichkeitsschutz ausgerich­ tet werden kann.143 Hierdurch soll insbesondere die Lehre vom Informationsein­ griff relativiert werden, die Rogall als „Lehre vom informationellen Totalvorbe­ halt“ bezeichnet.144 Dagegen wurde das vom BVerfG aufgestellte Erfordernis von bereichsspezifi­ schen Regelungen als Voraussetzung eines zulässigen Eingriffs größtenteils po­ sitiv in der Literatur aufgenommen. Der Vorteil liege darin, dass die jeweiligen Verarbeitungsvorgänge genau definiert werden könnten, indem etwa Aufgaben klar und spezifisch zugewiesen werden könnten und eine eindeutige Zweckbin­ dung erfolgen könne.145 Gleichwohl begründeten bereichsspezifische Regelun­ gen die Gefahr, die Anforderungen an den Umgang mit personenbezogenen Da­ ten zu zerfasern und Widersprüchlichkeiten zu kreieren.146 Eine Vielzahl teil­ 138 

Tiedemann DÖV 2003, 74, 77. Tiedemann DÖV 2003, 74, 77. 140  Tiedemann DÖV 2003, 74, 77. 141  Tiedemann DÖV 2003, 74, 77. 142  Tiedemann DÖV 2003, 74, 77. 143  Rogall Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 56 ff. 144  Rogall GA 1985, 1, 8 f.; Rogall Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 30 f. 145  Simitis NJW 1989, 21, 21. 146  Simitis KritV 83 (2000), 359, 372. 139 

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

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weise gegenläufiger Regelungen bedrohe die Durchsetzungsfähigkeit der Idee des Datenschutzes. Hoffmann-Riem drückte dies wie folgt aus: „Der Erfolg der Datenschutzidee im Recht droht zum Keim des Misserfolges des Datenschutzes durch Recht zu werden“.147 Eine Überforderung der datenschutzrechtlichen Ak­ teure durch eine Normenflut erreiche letztlich das Gegenteil des erwünschten Ziels, nämlich ein Weniger an Datenschutz.148 Angesichts des angewachsenen Vorschriftendschungels wurden in der Folgezeit des Urteils vermehrt Rufe nach einer grundlegenden Reform des deutschen Datenschutzrechtes laut, welche das Subsidiaritätsverhältnis zugunsten eines Vorrangs des BDSG umkehren sollte.149 Andererseits müssten jedoch auch die Herausforderungen berücksichtigt wer­ den, die eine umfassende gesetzliche Datenschutzregelung stellen würde. Wollte man für alle einschlägigen Bereiche den jeweiligen Bedürfnissen in vollem Um­ fang und abschließend gerecht werden, so könne dies in einer impraktikabel um­ fangreichen und unübersichtlichen allgemeinen Regelung münden.150 Datenschutzrechtler äußerten schließlich die Befürchtung, im Rahmen der Ab­ wägung bestehe ein Einfallstor für verfassungswidrige Einschnitte in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aufgrund der hohen Unbestimmtheit des Begriffs des Allgemeininteresses. So notwendig die Verwendung eines unbe­ stimmten Rechtsbegriffs im Rahmen der Abwägung sei, so groß sei dennoch die sich aus der Spannweite eines solchen Begriffes ergebende Gefahr, dass das All­ gemeininteresse zu einer Art „Über-Generalklausel“ mutiere, die öffentlichen Stellen unter Berufung auf die Rationalität und Effizienz ihrer Tätigkeit stets den Zugriff auf die erwünschten personenbezogenen Daten ermögliche.151 Die Allge­ meininteressen drohten schnell zur Leerformel zu werden, wenn ein Staat sich stets hierauf berufe, um seine Interessen durchzusetzen.152 Zwar dürfe die Erfül­ lung staatlicher Aufgaben nicht verhindert werden, sie dürfe jedoch gleichsam nicht zur Blankovollmacht für den Zugriff auf personenbezogene Informationen werden, der ganz durch die Vorstellungen der öffentlichen Verwaltung diktiert werde.153 Einsicht in die Notwendigkeit der Information dürfe nicht gleichge­ setzt werden mit dem Schluss auf die Legalität von Verarbeitungsverfahren, die den Betroffenen zum reinen Informationsobjekt mache.154

147 

Hoffmann-Riem AöR 123 (1998), 513, 517. Nitsch ZRP 1995, 361, 364. 149  Simitis/Dix BDSG §  1 Rn  159. 150  BeckOK/Gusy DatenSR BDSG §  1 Rn  78. 151  Simitis/Simitis BDSG Einleitung Rn  45. 152  Benda DuD 1984, 86, 89. 153  Simitis KritV 83 (2000), 359, 364. 154  Simitis KritV 83 (2000), 359, 366. 148 

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1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

V. Eigene Stellungnahme Zu Recht wird in der Literatur angemerkt, dass nicht jede Erhebung, Speiche­ rung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten eine Verletzung der Men­ schenwürde mit sich bringt. Deshalb ist es sachgerecht, mit Tiedemann eine Ab­ grenzung des jeweils betroffenen Grundrechtsbereichs vorzunehmen. Sofern je­ doch angenommen wird, nur die unbegrenzte Datenverarbeitung verletze den Gewährleistungsbereich des Art.  1 Abs.  1 GG, verkennt dies, dass im Bereich der personenbezogenen Informationen keine schablonenartige Linienziehung mög­ lich ist. Schon die begrenzte, aber extensive Verwendung von Daten des Bürgers hat das Potenzial, diesen zum „bloßen Objekt im Staate“155 zu degradieren. Die Forderung an den Gesetzgeber, eine unbegrenzte Datenverarbeitung durch die Schaffung von Schutznormen zu verhindern156 ist daher folgerichtig. Soll in der Konsequenz der Differenzierung Tiedemanns die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Recht, selbst über die Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte zu ent­ scheiden, jedoch lediglich an der Schrankentrias des Art.  2 Abs.  1 GG gemessen werden, führt dies im Ergebnis zu allzu geringen Anforderungen an eine solche gesetzliche Regelung. Wäre eine gesetzliche Verkürzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung zugunsten jedes subjektiven Rechts möglich, so stünde es zur Disposition des Gesetzgebers, weitreichende Regelungen zur Verarbeitung per­ sönlicher Daten zu schaffen, solange er eben unter der besagten Schwelle der „unbegrenzten“ Datenverarbeitung bliebe. Mit jeder zusätzlichen ermächtigen­ den Regelung nimmt aber die Degradierung des Bürgers zum reinen Objekt zu. Der Einzelne muss eine solche deshalb nur hinnehmen, wenn ein „überwiegen­ des Allgemeininteresse“157 dies erfordert. Die in der Literatur oftmals vorgenommene Dramatisierung der Reichweite des informationellen Selbstbestimmungsrechts erscheint überzeichnet. Der Ge­ setzgeber hat die Möglichkeit, im Falle eines überwiegenden Allgemeininteres­ ses dem Bürger die Verfügungsbefugnis über seine personenbezogenen Daten zu entziehen. Eine Eingrenzung auf der Ebene des Schutzbereiches ist nicht erfor­ derlich, da die unterschiedliche Relevanz verschiedener Informationen für die Persönlichkeitsentfaltung im Rahmen der Grundrechtsschranken berücksichtigt werden kann. Wenn kritisiert wird, die Befugnis des Einzelnen, über den Infor­ mationsverkehr eigenmächtig zu bestimmen, setze alle anderen der Willkür aus,158 verkennt dies, dass die Grundrechtsausübung stets von der Person des 155  Die sog. Objektformel ist in std. Rspr. des BVerfG anerkannt BVerfGE 45, 187, 228; 57, 250, 274 f.; 115, 118, 153; 144, 20, 207; BVerfG NJW 2015, 1083, 1083. 156  Tiedemann DÖV 2003, 74, 77. 157  BVerfGE 65, 1, 44. 158  Ehmann AcP 188 (1988), 230, 337.

A. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

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Grundrechtsträgers abhängig ist. Sie wird jedenfalls von den verfassungsimma­ nenten Schranken begrenzt. Die Verunsicherung des Bürgers, der nicht weiß, was mit seinen Daten geschieht, wird von einer solchen Auffassung hingegen unterschätzt. In der heutigen Gesellschaft ist keine Diktatur des Einzelnen durch Selbstbestimmung der ihn betreffenden Informationen zu befürchten. Vielmehr sind die Überwachungsmöglichkeiten des Staates zu begrenzen, wenn einer um­ fassenden staatlichen Kontrolle des Bürgers, die auf anlasslosem Misstrauen staatlicher Stellen gegenüber der Bevölkerung basiert, wirksam entgegengewirkt werden soll. Die Verteufelung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen beruht auf der irrigen Annahme, dass dem Staat hierdurch jegli­ cher Zugriff auf die Daten seiner Bürger versagt werden soll. In Wirklichkeit besteht das Ziel des Datenschutzes jedoch darin, derartige Zugriffe für den Bür­ ger transparent zu machen. Wie Mallmann bereits 1971 konstatierte, bedeutet das für den Staat nicht mehr und nicht weniger, als „dass er weitgehend entweder nur mit Einwilligung des Betroffenen oder nur mit einer konkreten Rechtsgrund­ lage individualisierbare Daten ermitteln und verarbeiten darf.“159 Insofern ist auch einer Einschränkung der von Schwan begründeten Lehre des Informationseingriffs zu widersprechen. Ihre Kategorisierung als „Lehre vom informationellen Totalvorbehalt“ ist unzutreffend. Sie stiftet insoweit Verwir­ rung, als der Begriff der aus der Historie des Gesetzesvorbehaltes bekannten An­ sicht der „Lehre vom Totalvorbehalt“ ähnelt. Diese im wesentlichen von Jesch160 und Rupp161 argumentativ untermauerte Auffassung verlangt für jegliche Form bürgergerichteten Staatshandelns – sei es belastender, begünstigender oder ande­ rer Natur – eine formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.162 Hiermit steht sie der klassischen Vorbehaltslehre des 19.  Jahrhunderts gegenüber, nach der eine gesetzliche Grundlage lediglich für belastende Eingriffe erforderlich war. In den 1960er Jahren setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Beschränkung auf belastende Eingriffe des Staates den geänderten Gegebenheiten in einer parla­ mentarischen Demokratie nicht mehr entsprach.163 Aus diesem gewandelten Ver­ ständnis heraus entstand die Forderung, den Anwendungsbereich des Gesetzes­ vorbehalts auf der Seite des staatlichen Handelns von belastenden Eingriffen auch auf die Leistungsverwaltung zu erweitern. Das Novum der Lehre vom To­ talvorbehalt gegenüber der Vorbehaltslehre war somit nicht etwa eine Auswei­ tung der geschützten Grundrechtspositionen. Zwar galt die klassische Vorbe­ 159 

Mallmann, in: Schneider, Datenschutz – Datensicherung, 19, 26. Jesch Gesetz und Verwaltung, insb. 171 ff. 161  Rupp Grundfragen der Verwaltungsrechtslehre, insb. 113 ff. 162  Frohn ZG 1990, 117, 124. 163  Jesch Gesetz und Verwaltung, 171 ff; Rupp Grundfragen der Verwaltungsrechtslehre, 113 ff. 160 

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1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

haltslehre zunächst nur für belastende Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger,164 der Begriff der Freiheit wurde jedoch zum Anknüpfungspunkt einer einheitlichen Individualsphäre:165 Der status negativus wurde als „einheitlicher und nicht etwa aus einer gesonderten Anzahl von Rechten“ bestehend verstan­ den.166 Das Neue an der Lehre vom Totalvorbehalt war daher die Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf andere Qualitäten von staatlichem Handeln. Inso­ fern behauptet wird, bei der Lehre vom informationellen Totalvorbehalt handele es sich um eine konsequente Umsetzung der allgemeinen Totalvorbehaltsleh­ re,167 wird verkannt, dass Schwan den Vorbehalt des Gesetzes keineswegs auf einen bürgerbegünstigenden Umgang mit personenbezogenen Informationen des Staates ausweitet. Der von ihm definierte Informationseingriff ist ebenfalls be­ lastender Natur. Er unterscheidet sich in seiner Richtung nicht vom herkömmli­ chen Eingriff und entspringt folglich nicht einem gegenüber dem herkömmlichen Verständnis erweiterten Eingriffsdenken.168 Vielmehr steht die Lehre vom Infor­ mationseingriff im Einklang mit der herrschenden Wesentlichkeitstheorie169, nach der jedenfalls unmittelbare Grundrechtseingriffe des Staates einer gesetz­ lichen Ermächtigung bedürfen. Soweit also versucht wird, geringfügigere Ein­ griffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung im Wege einer Abwägung auf der Ebene des Schutzbereichs dem Gesetzesvorbehalt zu entzie­ hen, ist dem zu widersprechen. Sofern vereinzelt Kritik an der Anerkennung des Grundrechts auf informatio­ nelle Selbstbestimmungsfreiheit für den Bereich der manuellen Datenverarbei­ tung geübt wird,170 so verkennt dies, dass angesichts einer zunehmenden elektro­ nischen Vernetzung der „herkömmliche Informationsverkehr“ rasant zurückge­ hen wird. Auch für auf herkömmlichem Weg erhaltene Informationen besteht die Möglichkeit der Eingabe in ein System der automatisierten Datenverarbeitung. 164  Frohn ZG 1990, 117, 124; Titel VII §  2 der Bayerischen Verfassung von 1818 formulier­ te (abgedruckt in Binding Deutsche Staatsgrundgesetze, Heft V, 28): „Ohne den Beyrath und die Zustimmung der Stände des Königreichs kann kein allgemeines neues Gesetz, welches die Freyheit der Personen oder das Eigenthum der Staatsangehörigen betrifft, erlassen, noch ein schon bestehendes abgeändert, authentisch erläutert oder aufgehoben werden.“ 165  Jesch Gesetz und Verwaltung, 126. 166  Jellinek System der subjektiven öffentlichen Rechte, 113. 167  Rogall Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 31. 168  So aber Rogall GA 1985, 1, 15. 169  BVerfG NJW 1991, 1471, 1472: „Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesent­ lichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekuti­ ve zu überlassen. Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich maßgeblichen Leitlinien selbst bestimmen muss, richtet sich maßgeblich nach dessen Grundrechtsbezug.“ 170  Etwa Ehmann AcP 188 (1988), 230, 372.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung

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Es ist absehbar, dass diese Möglichkeit in Zukunft immer häufiger genutzt wer­ den wird. Auch bei der manuellen Datenverarbeitung sind Verwendung und Ver­ bleib seiner personenbezogenen Daten für den Bürger daher zunehmend un­ durchsichtig. Dies hat das BVerfG zutreffend erkannt und den Schutz personen­ bezogener Daten deshalb nicht von der Art ihrer Speicherung und Verarbeitung abhängig gemacht.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Übermittlung personenbezogener Daten durch Insolvenzgerichte an Staatsanwaltschaften Nachdem die verfassungsrechtlichen Grundlagen des staatlichen Umgangs mit personenbezogenen Daten der Bürger dargelegt wurden, sind diese im Folgen­ den für den Bereich des zwischenbehördlichen Datenaustauschs zu konkretisie­ ren. Es gilt zu bestimmen, ob die Weitergabe von Informationen aus Insolvenz­ verfahren an die Staatsanwaltschaften in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Im Zusammenhang mit insolvenzrechtlichen Ver­ fahren spielen dabei zwei Arten der Datenübermittlung eine Rolle: Die Übermitt­ lung von Amts wegen sowie die Weitergabe von Daten auf Ersuchen einer öffent­ lichen Stelle. Diese werden nachstehend unterschieden.

I. Systematik: Datenübermittlung von Amts wegen – auf Ersuchen Behörden kommen auf zweierlei Wegen mit der Übermittlung personenbezoge­ ner Daten in Berührung. Zum einen können öffentliche Stellen gesetzlich ver­ pflichtet sein, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen anderen Behörden die personenbezogenen Daten eines Betroffenen mitzuteilen. Die Übermittlung liegt in solchen Fällen in der Verantwortung derjenigen Stelle, welche die Daten erho­ ben hat. Dies wird als Übermittlung von Amts wegen bezeichnet. Entsprechende Regelungen finden sich beispielsweise in den §§  12 ff. EGGVG und §  479 StPO. Zum anderen können öffentliche Stellen aus bestimmten Gründen ein Interesse an der Kenntnisnahme der Daten eines Bürgers haben. In diesem Fall richten sie ein Ersuchen an die datenerhebende Stelle. Diese übermittelt sodann die ange­ fragten Informationen. Auch im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten des Insolvenzschuld­ ners, die anlässlich des Insolvenzverfahrens erhoben werden, existieren diese bei­ den Arten der Datenübermittlung. Um die Voraussetzungen und Grenzen dieses Vorgehens im weiteren Teil dieser Arbeit bestimmen zu können, ist zunächst die Grundrechtsrelevanz des jeweiligen behördlichen Handelns herauszuarbeiten.

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1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

II. Die Übermittlung personenbezogener Daten aus dem Insolvenzverfahren als Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung 1. Eingriff in den sachlichen Schutzbereich Spätestens seit dem Volkszählungsurteil171 des BVerfG im Jahre 1983 steht fest: Die freie Entfaltung der Persönlichkeit bedarf des Schutzes des Einzelnen vor unbegrenzter Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner per­ sönlichen Daten.172 Für den Einzelnen muss daher grundsätzlich gewährleistet sein, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen zu können.173 a) Die Mitteilungen der Insolvenzgerichte von Amts wegen Um die Durchführung des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen, muss der Insol­ venzschuldner im Laufe des (Eröffnungs-)Verfahrens zahlreiche Angaben ma­ chen. Hierzu zählt auch die Erteilung umfassender Informationen zu seiner wirtschaft­lichen Lage. Zu einem beträchtlichen Teil dieser Auskünfte ist der In­ solvenzschuldner aufgrund der §§  20 Abs.  1, 97 InsO verpflichtet. Aber auch wo die Angaben freiwillig erfolgen, geschieht dies im Hinblick auf das laufende In­ solvenzverfahren. Die Verwendung der personenbezogenen Angaben für Zwe­ cke außerhalb des Insolvenzverfahrens ist vom Willen des Insolvenzschuldners in der Regel nicht, jedenfalls aber nicht zwangsläufig umfasst. Die im Rahmen von MiZi-Mitteilungen erfolgende Informationsweitergabe an die Strafverfol­ gungsbehörden beschränkt ihn deshalb in seinem informationellen Selbstbestim­ mungsrecht. Auch die Tatsache, dass die Insolvenzgerichte von Amts wegen le­ diglich vereinzelte Daten übermitteln, ändert nichts daran, dass dies einen Ein­ griff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Denn unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung gibt es kein „be­ langloses“ Datum mehr.174 Aufgrund seiner persön­lichkeitsrechtlichen Grundla­ ge schützt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung die Betroffenen generell vor der staatlichen Erhebung und Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten.175 Angesichts dieser Erwägungen hat auch der Gesetzgeber die von Amts wegen erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten zwischen verschiede­

171 

BVerfGE 65, 1. BVerfGE 65, 1, 43. 173  BVerfGE 65, 1, 43. 174  BVerfGE 65, 1, 45. 175  BVerfG NJW 1988, 2013, 2013. 172 

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung

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nen öffentlichen Stellen, sofern sie mit einer Zweckumwandlung verbunden ist, folgerichtig als grundrechtsrelevant eingeordnet.176 b) Die Beiziehung der Insolvenzakten Beabsichtigen die Staatsanwaltschaften nach Erhalt einer MiZi-Mitteilung, Ein­ sicht in die Insolvenzakten zu nehmen, so wird gemeinhin von der „Beiziehung“ der Verfahrensakten gesprochen. Dieser Begriff suggeriert, dass es sich um eine einseitige Maßnahme der Ermittlungsbehörden handelt, die auf eigenes Betrei­ ben Zugriff auf verfahrensfremde Akten nehmen können. Dies entspricht jedoch nicht der Wirklichkeit der behördlichen Aktenführung und -verwaltung. Einzig die jeweils zuständige Stelle, bei der die Akten im Laufe eines Verfahrens ange­ legt und geführt wurden, kann über die Herausgabe verfügen. Möchte eine ande­ re Stelle Einblick in diese Akten nehmen, so muss sie deshalb ein Ersuchen an die datenerhebende Stelle richten. Sodann übermittelt die ersuchte Behörde die angefragten Daten. An diese Zuständigkeitsverteilung sind auch die Strafverfol­ gungsbehörden gebunden.177 aa) Das Ersuchen der Staatsanwaltschaft um Akteneinsicht Die Staatsanwaltschaften ersuchen um die Übersendung von Verfahrensakten, da diese weitere ermittlungsrelevante Informationen enthalten könnten. Dem Ersu­ chen kann deshalb nicht per se eine Grundrechtsrelevanz abgesprochen werden mit dem Argument, dass hierdurch noch keine Übermittlung von Daten erfolge. Bereits die Bitte um Akteneinsicht gegenüber einer anderen öffentlichen Stelle erfolgt in der Absicht, die erbetenen Informationen anschließend für die jeweili­ gen Verfahrenszwecke zu verwenden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfor­ dert, dass eine Behörde um Informationen nur ersuchen darf, soweit sie auch zur anschließenden Verwendung befugt ist.178 Trifft die ersuchte Behörde eine Aus­ kunftspflicht, so kommt dem Ersuchen um Datenübermittlung Eingriffscharakter zu.179 Denn das Ersuchen mündet in diesen Fällen stets in der anschließenden Verwendung für die in der Zuständigkeit der auskunftsersuchenden Stelle liegen­ den Aufgaben. Bezogen auf staatsanwaltschaftliche Auskunftsersuchen bedeutet dies, dass die in den Insolvenzakten enthaltenen Informationen – jedenfalls in 176  Auf

dieser Einsicht beruht das „Justizmitteilungsgesetz und Gesetz zur Änderung kos­ tenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze“ (JuMiG) vom 18. Juni 1997, BGBl I S.  1430. 177  Zur sprachlichen Vereinfachung wird der Begriff der Beiziehung als Überbegriff für das staatsanwaltschaftliche Ersuchen sowie die anschließende gerichtliche Übermittlung im Fol­ genden trotzdem dort genutzt, wo es auf die Unterscheidung nicht ankommt. 178  In diese Richtung ging auch das Sondervotum Heußners in BVerfGE 56, 37, 53 (Gemein­ schuldnerbeschluss). 179  Ähnlich Wilde BayVBl 1986, 230, 232.

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1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

den Grenzen des durch §  97 Abs.  1 S.  3 InsO vorgegebenen Verwendungsverbo­ tes – zur Grundlage der Ermittlungen wegen Insolvenzdelikten gemacht werden. Da die Insolvenzgerichte verpflichtet sind, staatsanwaltschaftlichen Anfragen Folge zu leisten, stellt bereits das Ersuchen um Akteneinsicht einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar.180 bb) Die Gewährung von Akteneinsicht seitens des Insolvenzgerichts Gewähren die ersuchten Insolvenzgerichte Akteneinsicht, indem sie Ablichtun­ gen der Akten zur Verfügung stellen oder die Originalakten übersenden, so geben sie die hierin enthaltenen personenbezogenen Daten an eine verfahrensfremde Stelle weiter. Hiermit ist eine Zweckumwandlung verbunden, da die Empfänger­ behörde die Informationen zur Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben nutzt.181 Hierin liegt unzweifelhaft ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbst­ bestimmung.182 Denn die Gewährung von Akteneinsicht stellt ein Plus gegen­ über der Übermittlung einzelner personenbezogener Daten dar, wie sie im Rah­ men der MiZi-Mitteilungen erfolgt. Wenn bereits der Eingriffscharakter der au­ tomatisierten Mitteilungen in Zivilsachen bejaht wird, so gilt dies umso mehr für die Zurverfügungstellung der gesamten Verfahrensakten. Denn hierdurch wird das vom Schutzbereich des Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG geschützte Ver­ halten wesentlich stärker beschränkt. 2. Eingriff in den persönlichen Schutzbereich Es könnte im Hinblick auf den persönlichen Schutzbereich zu unterscheiden sein zwischen der Einsicht in Verfahrensakten aus Insolvenzverfahren, die über das Vermögen von natürlichen Personen und solchen, die über das Vermögen juristi­ scher Personen geführt werden. a) Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens werden umfangreiche Daten über die fi­ nanzielle Situation des Schuldners zusammengetragen. In den Fällen des vom Schuldner gestellten Eröffnungsantrags bereitet er selbst alle Informationen über seine Verschuldenssituation auf. Nach Gläubigeranträgen finden sich detaillierte Angaben über die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Gutachten des Sach­ verständigen. Dieses zeichnet in der Regel ein umfassendes Bild in Bezug auf die 180  So auch Kammann Anfangsverdacht, 166; Lange Vorermittlungen, 140; KK/Griesbaum StPO §  161 Rn  1a. 181  Paeffgen FG-Hilger, 153, 155. 182  BVerfG NJW 2015, 610, 612.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung

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wirtschaftliche Lage des Insolvenzschuldners. Die Angaben über die Verschul­ dung sind deshalb vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbst­ bestimmung umfasst.183 Hieran ändert sich auch nichts, wenn die Angaben aus dem Bereich gewerb­ licher Betätigung stammen.184 Denn auch die gewerbliche Betätigung des Insol­ venzschuldners bedingt die Offenlegung vielfältiger personenbezogener Daten, die sein Persönlichkeitsbild im Geschäftsverkehr prägen.185 Gewerbetreibende unterstehen damit demselben grundrechtlichen Schutz.186 Somit sind auch die Informationen über die wirtschaftliche Lage von selbständigen Schuldnern, die dem Regelinsolvenzverfahren unterfallen, vom Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt.187 b) Insolvenzverfahren über das Vermögen juristischer Personen Ebenso wie bei Verfahren über das Vermögen einer natürlichen Person finden sich in den Insolvenzakten zu juristischen Personen umfassende Informationen über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Dem grundrechtlichen Schutz unterfallen diese jedoch nur, soweit gemäß Art.  19 Abs.  3 GG die Grund­ rechte ihrem Wesen nach auch auf juristische Personen anwendbar sind.188 Dies wird beim Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mitunter in Frage gestellt, da sich dieses erst aus der Verbindung zur Menschenwürdegarantie des Art.  1 Abs.  1 GG herleitet.189 Nach überwiegender Ansicht wird das Grundrecht aber auch auf juristische Personen angewendet, soweit es auf Art.  2 Abs.  1 GG gestützt ist.190 Diese Problematik muss an dieser Stelle jedoch nicht weiter ver­ tieft werden, da sie für die hier vorliegende Fragestellung nur von untergeordne­ ter Relevanz ist. Denn bei der Frage, ob der Datenaustausch zwischen Insolvenz­ gericht und Staatsanwaltschaft zulässig ist, geht es nicht zwingend darum, ob das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Insolvenzschuldners selbst betrof­ fen ist. Die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden richten sich in Fällen von Unternehmensinsolvenzen nicht gegen die juristische Person als solche, son­ dern stets gegen die verantwortlich handelnden natürlichen Personen – in der Regel die Geschäftsführer oder Gesellschafter. 183 

Rein FS-Vallender, 471, 480. BVerfG NJW 1988, 3009, 3009. 185  BVerfG NJW 1988, 3009, 3009. 186  BVerfG NJW 1988, 3009, 3009. 187  Rein FS-Vallender, 471, 480; Zipperer NZI 2002, 244, 246. 188  Maunz/Dürig/Remmert GG Art.  19 Abs.  3 Rn  1. 189  Jarass NJW 1989, 857, 860. 190  BVerfGE 118, 168, 203; BVerfG, Beschl. v. 27.6.2018 – 2 BvR 1405/17, juris Rn  61; OLG Brandenburg NZI 1999, 503; Maunz/Dürig/Di Fabio GG Art.  2 Abs.  1 Rn  224. 184 

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1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

Die Insolvenzakten enthalten zum einen zahlreiche Informationen über diese natürlichen Personen. Diese stellen personenbezogene Daten dar. Die Erkennt­ nisse aus den durchgesehenen Insolvenzakten werden durch Einführung in ein gegen die Unternehmensverantwortlichen durchgeführtes Ermittlungsverfahren wegen der Begehung von Insolvenzdelikten zu Lasten der natürlichen Personen verwendet. Sämtliche der in den Akten enthaltenen Angaben über die wirtschaft­ lichen Entscheidungen stammen von eben diesen verantwortlich handelnden ­natürlichen Personen. Die von ihnen pflichtgemäß gemachten Angaben dürfen ihnen daher nicht ohne ihre Zustimmung strafprozessual vorgehalten werden. Die Darstellung der Verschuldungssituation des Unternehmens wird zur Grund­ lage der Beurteilung der Handlungen der wegen Insolvenzdelikten Beschuldig­ ten gemacht. Auch wenn die juristische Person und die Mitglieder ihres Vertre­ tungsorgans im rechtlichen Sinne nicht deckungsgleich sind, werden die Unter­ nehmensdaten zur Grundlage der Bewertung einer möglichen Strafbarkeit im Strafverfahren gegen die natürlichen Personen gemacht. Im vorliegenden Kon­ text handelt es sich bei den in den Insolvenzakten enthaltenen Informationen daher um personenbezogene Daten, die dem Schutz des Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG unterfallen. Darüber hinaus betreffen sie häufig Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.191 Diese unterfallen dem Schutzbereich der Eigentums­ freiheit nach Art.  14 Abs.  1 GG und der Berufsfreiheit nach Art.  12 GG.192 3. Zwischenfazit Sowohl die von Amts wegen erfolgende Benachrichtigung der Staatsanwalt­ schaften durch die Insolvenzgerichte als auch das staatsanwaltschaftliche Ersu­ chen um Akteneinsicht und die Gewährung dieser durch die Insolvenzgerichte greifen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Verfahrensakten handelt, die aus einem Verfah­ ren über das Vermögen einer natürlichen oder einer juristischen Person stammen.

III. Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung Da das Grundrecht aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG nicht schrankenlos gewährleistet ist, gilt es die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen die mit der Übermittlung von Informationen aus dem Insolvenzverfahren verbundenen Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind. 191 

Zipperer NZI 2002, 244, 246. Kloepfer/Greve NVwZ 2011, 577, 578 f.; nur ein Eingriff in Art.  12 GG wird thematisiert von BVerfG NJW 2014, 1581. 192 

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung

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1. Grundsätzliche Einschränkbarkeit des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bei strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen Wie jedes Grundrecht muss auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht in Ausgleich zu entgegenstehenden grundrechtlichen Interessen gebracht werden. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist insbesondere durch eine starke Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit gekenn­ zeichnet.193 Der Einzelne muss Beschränkungen soweit hinnehmen, als dies im überwiegenden Allgemeininteresse liegt.194 Daten aus dem Bereich der privaten Lebensgestaltung sind dabei stärker geschützt als jene, die das soziale Verhalten des Einzelnen insgesamt betreffen.195 Im Hinblick auf strafrechtlich relevante Verhaltensweisen ist deshalb in Ansatz zu bringen, dass diese nicht nur den pri­ vaten Lebensbereich des Einzelnen betreffen, sondern auch Belange der Allge­ meinheit berühren.196 Eine Einschränkung ist daher grundsätzlich möglich. Nach den Vorgaben des BVerfG bedarf sowohl die Erhebung, Speicherung, Verwen­ dung als auch die Weitergabe personenbezogener Daten einer gesetzlichen Er­ mächtigung, die bereichsspezifisch und präzise den Verwendungszweck der je­ weiligen Datennutzung bestimmt.197 2. Das Erfordernis bereichsspezifischer Regelungen auf beiden Seiten der Datenübermittlung: Das Doppeltürmodell des BVerfG Konkret bedeutet dies, dass bei einem Datenaustausch zwischen mehreren öf­ fentlichen Stellen auf den jeweiligen Seiten unterschiedliche Vorschriften zu be­ achten sind. Dies bekräftigte das BVerfG durch das sog. „Doppeltürmodell“.198 Sofern die Datenübermittlung nicht von Amts wegen erfolgt, ist demnach zu unterscheiden zwischen der auskunftsersuchenden Stelle, die den Datenabruf vollzieht, und der auskunftserteilenden Behörde, welche die Daten übermittelt.199 Die korrespondierenden Eingriffe erfordern jeweils eine eigene Rechtsgrund­ lage.200 Die für das Modell gewählte Begrifflichkeit der Doppeltür soll bildlich verdeutlichen, dass nicht nur für die Datenübermittlung eine Tür geöffnet werden muss, sondern auch für die vorgelagerte Abfrage: „Erst beide Rechtsgrundlagen gemeinsam, die wie eine Doppeltür zusammenwirken müssen, berechtigen zu 193 

BVerfGE 65, 1, 44. BVerfGE 65, 1, 44.; 78, 77, 85; 80, 367, 373; BVerwGE 84, 375, 379. 195  BVerwG NJW 1990, 2765, 2766. 196  BVerwG NJW 1990, 2765, 2766. 197  BVerfGE 65, 1, 46. 198  BVerfGE 130, 151, 184. 199  BVerfGE 130, 151, 184. 200  BVerfGE 130, 151, 184. 194 

36

1. Kapitel: Verfassungsrechtliche Anforderungen

einem Austausch personenbezogener Daten.“201 Die Grundsätze des Doppeltür­ modells finden immer dann Anwendung, wenn die Datenübermittlung mit Grundrechtseingriffen verbunden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung oder in Art.  12 bzw. 14 GG handelt. Im vorliegenden Fall sind sie anzuwenden. Für die spiegelbildliche Konstella­ tion der Einsichtnahme der Zivilgerichte in Ermittlungsakten der Staatsanwalt­ schaften wurde dies bereits ausdrücklich vom BVerfG entschieden:202 „Dies ent­ spricht dem ‚Doppeltürmodell‘ […]. Die Vorschriften der StPO sind Grundlage für die Übermittlung, die ZPO bietet die Grundlage für das Ersuchen und die weitere Verwendung im Zivilprozess.“203 Nichts anderes kann gelten, wenn es um den Austausch von Daten aus dem Zivil- bzw. Insolvenzverfahren an die Staatsanwaltschaft geht. Die hiermit verbundene Zweckänderung, also die Ver­ wendung der Daten zu einem anderen Zweck, bedarf als neuerliche Beeinträch­ tigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung einer bereichs­ spezifischen Rechtsgrundlage, für die vergleichbare Anforderungen gelten wie für die Erhebungsbefugnis.204 Daher muss dem Ersuchen der Strafverfolgungs­ behörde eine eigene gesetzliche Regelung zugrunde liegen, während sich die Übermittlung selbst seitens des Insolvenzgerichts nach den Vorschriften der ZPO bzw. der InsO richtet. 3. Zwischenfazit Das Erfordernis einer bereichsspezifischen Rechtsgrundlage für die von Amts wegen erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten ist allgemein aner­ kannt. Vor diesem Hintergrund entstanden insbesondere die Vorschriften der §§  12 ff. EGGVG, die im 2. Kapitel dieser Arbeit eingehend thematisiert werden. Weniger prominent wurden bislang die Vorgaben hinsichtlich der Datenübermitt­ lungen auf Ersuchen aus Zivilverfahren behandelt. Ob bzw. in welchen Grenzen die Staatsanwaltschaften befugt sind, Akteneinsichtsgesuche an die Insolvenzge­ richte zu richten und unter welchen Voraussetzungen die Gerichte diese Akten­ einsicht gewähren dürfen, wird in den Kapiteln 3 und 4 untersucht.

201 

BVerfGE 130, 151, 184. BVerfG NJW 2014, 1581. 203  BVerfG NJW 2014, 1581, 1582. 204  BVerfGE 100, 313, 359; 109, 279, 375 f.; 110, 33, 68 f. 202 

2. Kapitel

Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften durch die Mitteilungen in Zivilsachen (Datenübermittlung von Amts wegen) A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage der Datenübermittlung Täglich ergehen sowohl in Straf- als auch in Zivilsachen von Amts wegen zahl­ reiche Mitteilungen an öffentliche Stellen, wie etwa Gerichte, Behörden oder öffentlich-rechtliche Körperschaften, um diese zur Erfüllung der in ihrer Zustän­ digkeit liegenden Aufgaben zu befähigen. Inhalt, Zeitpunkt und Empfänger die­ ser Mitteilungen sind seit langem weitgehend in Verwaltungsanordnungen gere­ gelt, die zwischen den Justizministern und –senatoren der Länder und dem Bun­ desminister der Justiz bundeseinheitlich vereinbart wurden.1 Für die Zivil- und freiwillige Gerichtsbarkeit galt ursprünglich die „Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen“ vom 1. Oktober 1967.2 Diese Verwaltungsanordnung konnte sich nur in geringem Umfang auf eine gesetzliche Grundlage stützen. Hieran wurde lange Jahre wenig Anstoß genommen, da allgemein als Rechtsgrundlage für Mit­ teilungen zwischen Gerichten und anderen öffentlichen Stellen der Amtshilfe­ grundsatz des Art.  35 Abs.  1 GG angesehen wurde.3 Auf eine gesetzliche Veran­ kerung wurde bewusst verzichtet, um durch die rasch anpassbaren Verwaltungs­ vorschriften mehr Flexibilität zu erreichen.4 Im Zuge der in den 1960er-­Jahren einsetzenden Datenschutzdiskussion wurde die Rechtsstaatlichkeit dieser Praxis hinterfragt und ein grundlegendes Umdenken hinsichtlich der Voraussetzungen der zwischenbehördlichen Informationsweitergabe bewirkt.

1 

BT-Drs 13/4709, 16. Zuletzt in der Fassung vom 31.1.1993 (BAnz Nr.  28/1993). 3  So etwa OLG Frankfurt NJW 1975, 2028 f. für die MiStra. 4  Simitis NJW 1986, 2795, 2800. 2 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

I. Die Auswirkungen des Volkszählungsurteils auf Mitteilungen im Insolvenzverfahren Für die Schuldner der in Deutschland täglich auftretenden Insolvenzen5 galt bis zum Volkszählungsurteil6: Wurde ein Eröffnungsantrag beim Insolvenzgericht gestellt, so blieb für den Insolvenzschuldner aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung unklar, was mit den im Rahmen des Verfahrens erfassten Daten ge­ schah. Diesen Rechtszustand erklärte das BVerfG für verfassungswidrig. Es qua­ lifizierte die Übermittlung personenbezogener Daten als Eingriff in das Grund­ recht auf informationelle Selbstbestimmungsfreiheit, der einer Ermächtigung durch den Gesetzgeber bedarf. Die Weitergabe der im Rahmen eines Eröffnungs­ antrags bzw. Insolvenzverfahrens gemachten Angaben an andere Behörden, wie etwa die Strafverfolgungsbehörden, ist seitdem nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung zulässig. In einer Gesellschaft, die die soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung anerkennt, ist diese Entscheidung schon aus ökonomischen Gründen zwingend. Unternehmertum setzt notwendigerweise die Eingehung von Risiken voraus. Nicht allein verantwortungslose unternehmerische Entscheidun­ gen können einen Betrieb in die Insolvenz führen – auch bei einer gemäßigten und umsichtigen Geschäftsleitung ist der Insolvenzfall durch die Verkettung von unglücklichen Umständen (vor allem für die Betroffenen) tragischer Alltag. Gleiches gilt für Privatpersonen, die schnell am Rande ihrer Existenz stehen. In den Regelungen der Insolvenzordnung zeigt sich der erklärte Wille des Gesetz­ gebers, wirtschaftliches Scheitern durch ein geregeltes Insolvenzverfahren auf­ zufangen. Hierbei war er darum bemüht, einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und der Gläubiger herzustellen. Parallel dazu dient ein Katalog von Straftatbeständen, den sog. Insolvenzdelikten, dazu, gläubigerschä­ digendem Verhalten in der wirtschaftlichen Krise vorzubeugen und es gegebe­ nenfalls zu ahnden. Dies darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Gesetzgeber wirtschaftliches Scheitern an sich unter Strafe stellt. Viel­ mehr kommt in der Insolvenzordnung zum Ausdruck, dass die Rechtsordnung Insolvenzen und damit verbundene Forderungsausfälle gerade vorsieht. Vor die­ sem Hintergrund kann es durchaus kritisch betrachtet werden, wenn Strafverfol­ gungsbehörden allzu extensiv über Insolvenzfälle benachrichtigt werden. Die in der Zeit vor dem Volkszählungsurteil vorherrschende Praxis ließ den Schuldner darüber im Dunkeln, was mit seinen persönlichen Daten geschah. Wenn es aber etwa für Unternehmer nicht transparent ist, welche Behörden im Fall der Insol­ 5  Im Jahr 2000 gab es 42.259 Insolvenzen in Deutschland, 2010 wurde ein vorläufiger Höchstwert von 168.458 Insolvenzen erreicht; seitdem sind sie wieder rückläufig, zuletzt 115.632 im Jahr 2017 (Statistisches Bundesamt Insolvenzen Deutschland, 3). 6  BVerfGE 65, 1.

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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venz zu welchem Zweck Kenntnis von ihren personenbezogenen Daten erhalten, hemmt dies einerseits ihre Bereitschaft unternehmerisch tätig zu werden und senkt zum anderen die Anreize, den Insolvenzantrag pflichtgemäß zu stellen. Das Volkszählungsurteil der Karlsruher Verfassungsrichter enthielt eine klare Absage an die bis dahin übliche Praxis, die Übermittlung personenbezogener Daten durch einfache Verwaltungsvorschriften zu legitimieren. Indem der Senat einen amtshilfefesten Schutz gegen die Zweckentfremdung persönlicher Daten des Bürgers herleitete, forderte er den Gesetzgeber zur Schaffung einer verfas­ sungsgemäßen gesetzlichen Grundlage auf. Davon betroffen waren auch die Mit­ teilungen der Insolvenzgerichte an andere öffentliche Stellen. Dieser Aufgabe kam der Gesetzgeber mit dem „Justizmitteilungsgesetz und Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze“ (JuMiG) vom 18. Juni 1997 nach, das am 1. Juni 1998 in Kraft trat.7 Im Fokus lag hierbei die konkrete Ab­ wägung der verschiedenen, mitunter gegenläufigen Interessen der Betroffenen. Denn die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmungsfreiheit ist abhängig vom Vorliegen „überwiegender Allge­ meininteressen“. Diese galt es zu berücksichtigen. Soll der öffentlichen Verwal­ tung die Befugnis zugesprochen werden, personenbezogene Daten des Bürgers zu verwenden, so muss dies auf einer bewussten Entscheidung über das Zurück­ treten des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung beruhen.

II. Begründung von Mitteilungsermächtigungen Das JuMiG sieht vor, dass das Gesetz durch Verwaltungsvorschriften – nämlich Neufassungen der MiStra und der MiZi – umgesetzt wird. Das bedeutet, dass nicht ergänzende gesetzliche Grundlagen, sondern Anordnungen der Exekutive die genauen Vorgaben zur Datenübermittlung enthalten sollen. Entsprechend dieser Systematik beschränkt sich das JuMiG auf allgemein gefasste Ermächti­ gungen zu Datenübermittlungen. 1. Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich Das JuMiG enthält insgesamt 37 Artikel, die der Anpassung verschiedener Ge­ setze an die Anforderungen der bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben dienen. Für die vorliegende Arbeit ist ausschließlich Art.  1 relevant, der die Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz enthält. Durch diesen Artikel des Gesetzes wurde der Zweite Abschnitt in das EGGVG eingefügt, in 7  BGBl I S.  1430. Angesichts der sehr langen Entstehungsdauer wurde wiederholt kriti­ siert, der sog. Übergangsbonus sei überstrapaziert worden, vgl. etwa Simitis NJW 1989, 21, 21.

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

dem seither in den §§  12–22 die verfahrensübergreifenden Mitteilungen von Amts wegen geregelt sind. Die Vorschriften der §§  12–22 EGGVG gelten ausschließlich für die Über­ mittlung personenbezogener Daten von Gerichten der ordentlichen Gerichtsbar­ keit bzw. Staatsanwaltschaften an öffentliche Stellen des Bundes oder Landes (§  12 Abs.  1 S.  1 EGGVG), nicht hingegen für die Datenübermittlung durch die öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit oder an Privatpersonen.8 Die Regelungen schaffen eine gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Amts wegen. Die Weitergabe von Daten auf Ersuchen einer Behörde unterfällt hingegen nicht dem Regelungsbereich, sondern ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers Gegen­ stand der einzelnen Verfahrensordnungen.9 Gemäß §  3 Abs.  1 BDSG a. F. unter­ fielen dem Begriff der „personenbezogenen Daten“ alle Einzelangaben über per­ sönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natür­ lichen Person (Betroffener).10 Dieses Begriffsverständnis liegt auch den Vorschriften des EGGVG zugrunde.11 In den §§  12 ff. EGGVG wird nur die Datenübermittlung geregelt, die für andere Zwecke als die des Verfahrens er­ folgt, für das die Daten erhoben wurden. Übermittlungen an im Verfahren mit­ wirkende Stellen oder an Gerichte über- oder untergeordneter Instanzen betreffen hingegen die mit dem Verfahren verfolgten identischen Zwecke, sodass hierfür ebenfalls die Verfahrensordnungen maßgebend sind.12 Den Vorgaben des BVerfG entsprechend, das im Volkszählungsurteil den Vor­ rang bereichsspezifischer Regelungen forderte,13 gelten die Vorschriften des Zwei­ ten Abschnitts des EGGVG gemäß §  12 Abs.  1 S.  2 EGGVG besonderen Rechts­ vorschriften gegenüber lediglich subsidiär. Übermittlungsregelungen finden sich beispielsweise in den §§  308–311 FamFG für Betreuungssachen, in §  338 ­FamFG für Unterbringungssachen sowie in den §  183 GVG, §  22a FamFG, §  116 AO.14 Jedoch gehen die §§  12–22 EGGVG als Spezialvorschrift hinsichtlich ­ihres Regelungsgehalts den Normen des BDSG vor.15 Dieser Vorrang besteht unabhängig von dem in den Spezialregelungen gewährten Datenschutzniveau.16 8 

BT-Drs 13/4709, 20. BT-Drs 13/4709, 19. 10  Nunmehr findet sich eine Legaldefinition des Begriffs in Art.  4 Nr.  1 DS-GVO. Dort bezeichnet er etwas allgemeiner alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identi­ fizierbare natürliche Person beziehen. 11  KK/Mayer StPO §  12 EGGVG Rn  4. 12  BT-Drs 13/4709, 20. 13  BVerfGE 65, 1, 46. 14  MüKo/Pabst ZPO §  12 EGGVG Rn  11. 15  Dies ergibt sich aus der Regelung des §  1 Abs.  2 S.  1 BDSG n. F. 16  Simitis/Dix BDSG §  1 Rn  170. 9 

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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2. Systematik In den §§  13–17 EGGVG werden die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Über­ mittlung personenbezogener Daten für die unterschiedlichen Verfahren geregelt. Unter Übermittlung ist jede Form der Weitergabe zu fassen (Aktenübersendung, Telefon, Fax, Brief, E-Mail u.s.w.).17 Grundlegende Voraussetzung ist hierbei in allen Fällen, dass die Übermittlung zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Empfängers liegenden Aufgabe erfolgt.18 §  13 EGGVG enthält als zentrale Norm des Abschnitts in Abs.  1 fünf Übermittlungstatbestände: Die Vorschrift lässt Da­ tenübermittlungen zu, wenn eine besondere Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt (Nr.  1), der Betroffene eingewilligt hat (Nr.  2), es offen­ sichtlich ist, dass die Übermittlung im Interesse des Betroffenen liegt (Nr.  3), die Daten auf Grund einer Rechtsvorschrift von Amts wegen öffentlich bekannt­ zumachen sind oder in ein von einem Gericht geführtes, für jedermann unbe­ schränkt einsehbares öffentliches Register einzutragen sind oder es sich um die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse handelt (Nr.  4) oder auf Grund einer Entscheidung bestimmte Rechtsfolgen ein­ getreten sind und die Kenntnis der Daten aus Sicht der übermittelnden Stelle für die Verwirklichung der Rechtsfolgen erforderlich ist (Nr.  5). In anderen als den in Abs.  1 genannten Fällen ist darüber hinaus die Übermitt­ lung nach §  13 Abs.  2 EGGVG zulässig, wenn einer der Übermittlungsgründe der §§  14–17 EGGVG vorliegt. Jedoch dürfen in diesen Fällen nicht offensicht­ lich überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung vorliegen. Hierbei handelt es sich um eine Auffangregelung.19 3. Mitteilungsermächtigungen ohne Abwägungserfordernis (§  13 Abs.  1 EGGVG) Für die Übermittlung personenbezogener Daten des Insolvenzschuldners durch das Insolvenzgericht anlässlich eines Insolvenzverfahrens spielt §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG die zentrale Rolle. a) Öffentliche Bekanntmachung (§  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  1 EGGVG) Die Vorschrift des §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG knüpft in ihrer 1. Modalität an die Publizität durch die von Amts wegen erfolgende öffentliche Bekanntmachung an.20 Aus Gründen des Gläubigerschutzes unterliegen gerichtliche Entscheidun­ gen im Insolvenzverfahren weitgehend der Pflicht zur öffentlichen Bekanntma­ 17 

KK/Mayer StPO §  12 EGGVG Rn  4. BT-Drs 13/4709, 21. 19  BT-Drs 13/4709, 21. 20  MüKo/Pabst ZPO §  12 EGGVG Rn  6. 18 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

chung. So hat die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts den Eröffnungsbeschluss gemäß §  30 Abs.  1 InsO sofort öffentlich bekanntzumachen. Dieser enthält nach §  27 Abs.  2 InsO umfangreiche Informationen über den Schuldner, wie etwa Fir­ ma bzw. Name, Geburtsdatum, Geschäftszweig oder Beschäftigung, gewerb­ liche Niederlassung oder Wohnung. Ordnet das Gericht bei Eröffnung des Ver­ fahrens die Eigenverwaltung an, ist auch dies als Teil des Eröffnungsbeschlusses öffentlich bekannt zu machen.21 Auch die Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse unterliegt gemäß §  26 Abs.  1 S.  3 InsO der Pflicht zur sofortigen öffentlichen Bekanntmachung. b) Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse (§  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  3 EGGVG) Eine Übermittlungsbefugnis für personenbezogene Daten des Schuldners besteht auch auf Grundlage des §  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  3 EGGVG, wenn der Eröffnungs­ antrag über sein Vermögen mangels Masse abgewiesen wurde. Diese Regelung wurde mit dem „Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens“22 an sich überflüssig, da §  26 Abs.  1 S.  3 InsO nun die sofortige öffentliche Bekanntma­ chung des Abweisungsbeschlusses anordnet. Bei einer Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ergibt sich die Übermitt­ lungsbefugnis seitdem grundsätzlich bereits aus §  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  1 EGGVG.23 Für Mitteilungen aufgrund einer Abweisung mangels Masse dürfte §  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  3 EGGVG aber als speziellere Regelung anzusehen sein und findet deshalb dennoch Anwendung. c) Eintragung in öffentliches Register (§  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  2 EGGVG) Gemäß §  26 Abs.  2 S.  1 InsO ist bei der Abweisung mangels Masse zudem die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis (§  882b ZPO) anzuord­ nen.24 Es könnte zu erwägen sein, ob die Eintragungsanordung der Mitteilungs­ befugnis an die Staatsanwaltschaften gemäß §  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  2 EGGVG unterfällt. Die Vorschrift lässt die Übermittlung personenbezogener Daten in Fäl­ len zu, in denen diese in ein von einem Gericht geführtes, für jedermann unbe­ schränkt einsehbares öffentliches Register einzutragen sind. Am Merkmal der unbeschränkten Einsehbarkeit fehlt es jedoch beim Schuldnverzeichnis i. S. d. 21 

BT-Drs 12/2443, 224. Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007, BGBl I S.  509. 23  Nach der Amtlichen Begründung wurde die Übermittlungsbefugnis bei einer Abweisung mangels Masse gesondert aufgenommen, da diese nach der damaligen Rechtslage noch nicht öffentlich bekanntzumachen war, BT-Drs 13/4709, 25. 24  Bork/Hölzle/Zimmer HdB Insolvenzrecht, Kap 5 Rn  338. 22 

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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§  882b ZPO. Gemäß §  882f ZPO wird dem Auskunftsbegehrenden nämlich nur für einen der dort abschließend aufgeführten Zwecke Auskunft gewährt. Das Schuldnerverzeichnis stellt somit kein öffentliches Register i. S. d. §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG dar. Soll die Staatsanwaltschaft von einer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis in Kenntnis gesetzt werden, kann dies nicht auf §  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  2 EGGVG gestützt werden.25 d) Keine weiteren Voraussetzungen Für die Konstellationen des §  13 Abs.  1 EGGVG ist die Befugnis zur Übermitt­ lung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig. Der Gesetzgeber hat im Ge­ setzgebungsverfahren eine Abwägung zwischen den Interessen des Betroffenen und den Allgemeininteressen vorgenommen und für die in Abs.  1 geregelten Fäl­ le die Allgemeininteressen für schutzwürdiger befunden. Zwar ist auch die Wei­ tergabe von Daten, die bereits öffentlich bekannt gemacht oder in ein unbe­ schränkt einsehbares öffentliches Register eingetragen sind, grundrechtsrele­ vant.26 Da die Staatsanwaltschaften hiervon jedoch auch durch Einsichtnahme ohne Weiteres Kenntnis erlangen können, fällt die Schutzwürdigkeit des Betrof­ fenen geringer aus. Zulässig ist die Übermittlung „zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Empfängers liegenden Aufgaben“. Dies ist in den Fällen der Übermittlung an die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung. Ursprünglich war im Gesetzesentwurf der Bundesregierung in §  15 Nr.  3 EGGVG vorgesehen worden, die Übermitt­ lung für diese Fälle restriktiv daran zu knüpfen, dass die Kenntnis der Daten aus Sicht der übermittelnden Stelle „erforderlich“ ist.27 In seiner Gegenäußerung forderte der Bundesrat jedoch, in §  13 Abs.  1 EGGVG die Befugnis zur Über­ mittlung personenbezogener Daten für den Fall zu ergänzen, dass die Daten auf Grund einer Rechtsvorschrift öffentlich bekanntzumachen, in das Grundbuch oder in ein von einem Gericht geführtes, durch Rechtsvorschrift eingerichtetes Register oder Verzeichnis einzutragen sind und dem Empfänger ein Recht auf Einsicht oder Auskunft zusteht.28 Für die Übermittlung personenbezogener Da­ ten, die in einem Verfahren nach der Konkursordnung, der Vergleichsordnung, der Gesamtvollstreckungsordnung, dem Gesamtvollstreckungs- und Unterbre­ chungsgesetz bzw. der Insolvenzordnung öffentlich bekanntzumachen sind, müsse als Voraussetzung genügen, dass die Übermittlung zur Erfüllung der in der 25  Als taugliche Ermächtigungsgrundlage könnte aber §  17 i. V. m. §  13 Abs.  2 EGGVG in Betracht kommen. 26  BVerfGE 78, 77, 85. 27  BR-Drs 889/95, 8. 28  BT-Drs 13/4709, 40.

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

Zuständigkeit des Empfängers liegenden Aufgaben erfolgt.29 Es handele sich dabei um Daten, die im Sinne des damals gültigen §  14 Abs.  2 Nr.  5 BDSG a. F. aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können.30 Der Bundes­ rat forderte außerdem, die Regelung auf Daten zu erstrecken, die in das Grund­ buch oder ein von einem Gericht geführtes, durch Rechtsvorschrift eingerichte­ tes Verzeichnis einzutragen sind, wenn der Empfänger berechtigt sei, das Ver­ zeichnis einzusehen oder daraus Auskunft zu erhalten.31 Hierdurch werde der empfangenden Behörde letztlich lediglich die Einsichtnahme in das Register abgenommen.32 Explizit sei hiervon die Übermittlung personenbezogener Da­ ten umfasst, die bei der Abweisung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenz­ verfahrens mangels Masse gemäß §  26 Abs.  2 InsO in das Schuldnerverzeichnis einzutragen sind.33 In ihrer Gegenäußerung stimmte die Bundesregierung diesen Änderungen in­ sofern zu, als die Übermittlung öffentlich bekanntzumachender oder in ein von einem Gericht geführtes, für jedermann einsehbares öffentliches Register einzu­ tragender Daten nur mehr an die Voraussetzung gebunden werden sollte, dass sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Empfängers liegenden Aufgabe er­ folgt.34 Bei Daten aus dem Grundbuch oder aus solchen Registern oder Verzeich­ nissen, die zwar nicht für jedermann unbeschränkt zugänglich sind, in die der Empfänger aber ein Recht auf Einsicht hat, wandte sie dagegen ein, dass es kei­ nen ersichtlichen Grund gebe, weshalb diese Daten weniger schutzwürdig sein sollten als Daten in Akten, in die der Empfänger ein Recht auf Einsicht hat.35 Folgerichtig übernahm die Bundesregierung die Übermittlung von Daten aus dem Grundbuch nicht in die Regelung des §  13 Abs.  1 EGGVG. Entgegen ihrer eigenen Argumentation fügte sie jedoch die Übermittlung von Daten wegen der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse in den §  13 Abs.  1 EGGVG ein. Hierdurch ließ sie die Weitergabe personenbezo­ gener Daten im Falle der Abweisung mangels Masse unter der kaum begrenzen­ den Voraussetzung zu, dass die Übermittlung zur Erfüllung der in der Zuständig­ keit des Empfängers liegenden Aufgabe erfolgt. Eine schlüssige Erklärung ließ sie hierfür ausstehen. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Übermittlungsbefugnis aus Gründen des Schutzes der Gläubiger und des Rechtsverkehrs im Allgemei­ nen aufgenommen wurde. Andere Behörden sollen darüber in Kennt­nis gesetzt 29 

BT-Drs 13/4709, 40. BT-Drs 13/4709, 40. 31  BT-Drs 13/4709, 40. 32  BT-Drs 13/4709, 40. 33  BT-Drs 13/4709, 40. 34  BT-Drs 13/4709, 54. 35  BT-Drs 13/4709, 54. 30 

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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werden, dass nicht genügend Masse zur Deckung der Verfahrenskosten zur Ver­ fügung steht, da hiermit weitreichende Konsequenzen einhergehen, wie etwa die Auflösung der Gesellschaft oder das Wiederaufleben der Einzelvollstreckung.36 Seit der Einführung des §  26 Abs.  1 S.  3 InsO, der die öffentliche Bekanntma­ chung des Abweisungsbeschlusses anordnet, ist der Schuld­ner entsprechend der Regelungen des §  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  1 EGGVG ohnehin als weniger schutzwür­ dig anzusehen. 4. Mitteilungsermächtigungen nach Abwägung (§  13 Abs.  2 i. V. m. §§  14–17 EGGVG) Ist die Übermittlung personenbezogener Daten nicht bereits nach §  13 Abs.  1 EGGVG zulässig, kann sie dennoch gemäß §  13 Abs.  2 EGGVG gestattet sein. Die Vorschrift erlaubt eine Datenübermittlung in den in §§  14–17 EGGVG gere­ gelten Fällen. Für den in der vorliegenden Arbeit interessierenden Bereich kann lediglich §  17 EGGVG Relevanz erlangen. §  14 EGGVG, der die gesetzliche Grundlage für die Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) bildet, ist ebenso wenig wie die §§  15–16a EGGVG für Mitteilungen des Insolvenzgerichts an die Staatsanwaltschaft einschlägig. §  15 Nr.  1 EGGVG erfasst zwar von seinem Wortlaut her Daten, die in einem von einem Gericht geführten Register oder Verzeichnis enthalten sind. Hierunter könnte etwa das Schuldnerverzeichnis i. S. v. §  882b ZPO fallen. Jedoch gestattet die Vorschrift eine Übermittlung von Daten nur für Fälle der Berichtigung oder Ergänzung des Registers bzw. Ver­ zeichnisses. Nicht erfasst sind somit Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft, da­ mit diese gegebenenfalls Ermittlungen gegen den Betroffenen einleitet. Gemäß §  17 Nr.  1 EGGVG ist die Übermittlung personenbezogener Daten zu­ lässig, wenn die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erforderlich ist. Anders als bei §  13 Abs.  1 EGGVG kommt es für eine Übermittlung somit auf die Erfor­ derlichkeit der Kenntnis der Daten für die Empfängerbehörde an. Dies entspricht der Vorschrift des §  14 Abs.  2 Nr.  7 Alt 1 BDSG a. F.37 Bei der Beurteilung hat die übermittelnde Behörde einen objektiv vernünftigen Maßstab zu Grunde zu legen, ist dabei aber weder berechtigt noch verpflichtet, weitere Ermittlungen 36 

Mit der Rechtskraft des Ablehnungsbeschlusses tritt bei juristischen Personen und Ge­ sellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen keine natürliche Person haftet, die Auflösung der Gesellschaft ein. Für die GmbH ergibt sich dies aus §  60 Abs.  1 Nr.  5 GmbHG, für die AG aus §  262 Abs.  1 Nr.  4 AktG, für die GmbH & Co. KG aus §§  161 Abs.  2, 131 Abs.  2 Nr.  1 HGB, für die KGaA aus §  289 Abs.  2 Nr.  1 AktG. 37  KK/Mayer StPO §  17 EGGVG Rn  2.

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

anzustellen.38 Ausreichend ist, dass die übermittelten Daten dem Empfänger Anlass bieten, die Notwendigkeit des Tätigwerdens zu überprüfen.39 In einem Zivilverfahren könnte eine Mitteilung beispielsweise bei einem begangenen Pro­ zessbetrug, einem Meineid oder einer bekannt gewordenen Steuerstraftat erfol­ gen.40 Werden während des Insolvenzverfahrens Umstände bekannt, die den Verdacht einer Straftat des Schuldners begründen, kann das Insolvenzgericht demnach die Staatsanwaltschaft hierüber in Kenntnis setzen.41 Als einschränkendes Kriterium verlangt §  13 Abs.  2 S.  1 EGGVG, dass keine für die übermittelnde Stelle offensichtlichen, überwiegenden schutzwürdigen In­ teressen des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung bestehen. Diese Abwägung ist von der übermittelnden Stelle aufgrund ihres Kenntnisstandes ohne weitere Ermittlungen vorzunehmen.42 Aus datenschutzrechtlicher Sicht bleibt die Regelung des §  13 Abs.  2 S.  1 EGGVG deutlich hinter den Forderun­ gen im Volkszählungsurteil zurück.43 Dort wurde die Einschränkbarkeit des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmungsfreiheit vom Vorliegen über­ wiegender Allgemeininteressen abhängig gemacht.44 Dieser Maßstab wird um­ gekehrt, wenn nach dem Gesetzestext aber ein Überwiegen der schutzwürdigen Individualinteressen des Betroffenen erforderlich ist.45 Hiernach fällt ein Gleich­ gewicht der entgegenstehenden Interessen stets zu Lasten des Betroffenen aus. Zusätzlich wird die Belastung des Trägers der personenbezogenen Daten da­ durch verstärkt, dass die auf seiner Seite in die Abwägung einzubringenden In­ teressen von vornherein auf schutzwürdige und offensichtliche Interessen be­ schränkt sind.46 Statt den zufälligen Kenntnisstand der übermittelnden Behörde zur Grundlage der Übermittlungsentscheidung zu machen, wäre der Schutz des Betroffenen besser gewährleistet durch Anwendung eines objektiven Maßstabs, indem auf die Erkennbarkeit überwiegender schutzwürdiger Interessen abge­ stellt würde.47 Die getroffene gesetzliche Ausformung konterkariert den vom BVerfG angestrebten Schutz des Betroffenen. Angesichts der Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung kann hierin lediglich ein Mi­ nimalschutz gesehen werden.48 38 

Zöller/Lückemann ZPO §  13 EGGVG Rn  2. Zöller/Lückemann ZPO §  13 EGGVG Rn  2. 40  MüKo/Pabst ZPO §  17 EGGVG Rn  3. 41  Pelz Strafrecht in Krise und Insolvenz Rn  684. 42  BT-Drs 13/4709, 21. 43  Wollweber NJW 1997, 2488, 2488. 44  BVerfGE 65, 1, 44. 45  Wullweber SchlHA 1999, 69, 70. 46  MüKo/Pabst ZPO §  13 EGGVG Rn  21. 47  Wullweber SchlHA 1999, 69, 71. 48  MüKo/Pabst ZPO §  13 EGGVG Rn  21. 39 

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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5. Ausgestaltung durch Verwaltungsvorschriften Um eine Ausweitung der Mitteilungsfälle zu verhindern, beschränkt sich das ­JuMiG in den §§  12 ff. EGGVG auf die Statuierung von Mitteilungsermächti­ gungen. Von der Begründung von Mitteilungspflichten sah der Gesetzgeber be­ wusst ab.49 Mit dem Verzicht auf eine gesetzliche Normierung von Mitteilungs­ pflichten verfolgte er den Zweck, die Zulässigkeit der Mitteilungen auf den ­unbedingt erforderlichen Umfang zu beschränken.50 Die Begründung von Mit­ teilungspflichten sollte auch weiterhin Verwaltungsvorschriften vorbehalten bleiben. Etwas anderes galt nur, soweit Mitteilungspflichten bereits in spezialge­ setzlichen Regelungen enthalten bzw. solche geplant waren.51 In der Amtlichen Begründung legte der Gesetzgeber seine Auffassung dar, dass sich eine solche Konzeption im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben halte, solange sich die Verwaltungs­vorschriften darauf beschränkten, im Wege der Normenkonkre­ tisierung und Ermessensbindung die Fälle festzulegen, in denen bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismä­ ßigkeit zweifelsfrei eine Mitteilung geboten sei.52 Im Übrigen müsse es bei der Ermessensausübung im Einzelfall bleiben.53 6. Verfassungsrechtliche Bedenken Angesichts der mit der Beschränkung auf Mitteilungsermächtigungen verbunde­ nen Freiheit, die der übermittelnden Stelle gewährt wird, stellt sich aus rechts­ staatlicher Sicht die Frage, ob eine solche Regelung verfassungsrechtlich zuläs­ sig ist.54 Dies soll im Folgenden untersucht werden. Hierbei wird die Betrach­ tung auf die Normen begrenzt, die für die Mitteilungen der Insolvenzgerichte an 49 

BT-Drs 13/4709, 18. BT-Drs 13/4709, 18. 51  BT-Drs 13/4709, 18. 52  BT-Drs 13/4709, 18. 53  BT-Drs 13/4709, 18. 54  Dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmungsfreiheit ist auch durch organisa­ torische Vorkehrungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 65, 1, 44). Vor diesem Hintergrund wird daneben auch Kritik daran geübt, dass ein im ersten Regierungsentwurf noch enthaltener, für bestimmte Fälle bestehender Richtervorbehalt im Gesetzgebungsverfahren fallengelassen wur­ de (statt vieler: BfD 16. TB 1995–1996, S.  114). In §  18 Reg-E wurde in den Fällen des Abs.  4 die Anordnungskompetenz für die Mitteilung ausdrücklich dem Richter, dem Staatsanwalt oder dem Rechtspfleger vorbehalten (BR-Drs 206/92, 10). Die Entscheidung über die Mitteilung setzt im Einzelfall schwierige Abwägungsvorgänge voraus, die besonders qualifizierten Be­ diensteten übertragen werden sollten, hierzu näher (abl.) Golembiewski Mitteilungen durch die Justiz, 143 ff. Kritisiert wird zudem die Erschwerung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Be­ troffenen aufgrund der fehlenden Unterrichtungspflicht ihm gegenüber bezüglich der Übermitt­ lung seiner Daten (etwa Wollweber NJW 1997, 2488, 2489). 50 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

die Staatsanwaltschaften von Bedeutung sind: §  13 Abs.  1 Nr.  4 sowie §  13 Abs.  2 i. V. m. §  17 Nr.  1 EGGVG. a) Die Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes Bedenken könnten hinsichtlich der Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes beste­ hen. Das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit ergibt sich aus dem in Art.  20 Abs.  3 GG und Art.  28 Abs.  1 S.  1 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip.55 Es gebietet dem Normgeber, Vorschriften in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so klar zu fassen, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten danach einrichten kann.56 Das ermächtigende Gesetz muss das zulässige Verwaltungshandeln nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmen und begrenzen, sodass Eingriffe messbar und in gewis­ sem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden.57 Auch aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folgt, dass das Gesetz die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren muss und sich nicht lediglich darauf beschränken darf, allgemein gehaltene Grundsätze aufzustellen.58 Zudem schreibt auch das Prinzip der Gewaltenteilung vor, dass die Befugnisse der Exe­ kutive hinreichend zu bestimmen sind, da die Verwaltungsbehörde sonst nicht das Gesetz ausführt und nach den Richtlinien des Gesetzgebers handelt, sondern an dessen Stelle entscheidet.59 Im Volkszählungsurteil spezifizierte das BVerfG für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungsfreiheit zudem, dass die Bürger dem Gesetz entnehmen können müssen, „wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß“.60 Entscheidend ist mithin, ob die hier relevanten Regelungen in den §§  13 ff. EGGVG, durch welche die Insolvenzgerichte in Insolvenzfällen zu Mitteilungen an die Staatsanwaltschaften ermächtigt werden, das zulässige Verwaltungshan­ deln inhaltlich sowie nach Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestim­ men. aa) Adressatenkreis §  12 EGGVG dient der Bestimmung des sachlichen und persönlichen Geltungs­ bereichs der Vorschriften.61 Ihr Regelungszweck ergibt sich zwar nicht unmittel­ 55 

BVerfGE 49, 168, 181; 59, 104, 114; 78, 205, 212; 103, 332, 384; 108, 186, 234 f. BVerfGE 21, 73, 79; 52, 1, 41; 108, 186, 235. 57  BVerfGE 8, 274, 325. 58  BVerfGE 8, 274, 325. 59  BVerfGE 8, 274, 325. 60  BVerfGE 65, 1, 42. 61  Zu diesem bereits 2. Kap. A.II.1. 56 

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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bar aus der Norm selbst, indes wird er aus der Gesetzesbegründung deutlich: Die Mitteilungen, die in Straf- und Zivilsachen einschließlich der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Laufe eines Verfahrens von Amts wegen an öffentliche Stellen zu machen sind, sollten nach den Vorgaben des Volkszählungsurteils des BVerfG auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden, um so eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu verhindern.62 Für Vorschriften, die nicht in bereichsspezifischen Regelungen enthalten waren, wurde als Regelungs­ ort für die verfahrensübergreifenden Mitteilungen das EGGVG gewählt.63 Be­ reichsspezifische Regelungen sollten besonders sensiblen oder für eine abstra­ hierende tatbestandsmäßige Umschreibung ungeeigneten Verwendungsarten und Daten vorbehalten bleiben.64 Diese restriktive Statuierung von bereichsspezifi­ schen Vorschriften erscheint im Hinblick auf die grundgesetzlichen Anforderun­ gen fragwürdig. Auch das BVerfG hatte eine bereichsspezifische und präzise Bestimmung des Verwendungszwecks gefordert.65 Der Verwendungszweck lässt sich jedoch nur im Hinblick auf den jeweiligen Adressaten der Mitteilung über die personenbezogenen Daten bestimmen. Durch die allgemeinen Regelungen in den §§  12 ff. EGGVG bleibt der Kreis der möglichen Mitteilungsempfänger aber in hohem Maße unbestimmt. Die Vorschriften erlauben die Übermittlung perso­ nenbezogener Daten an jede „öffentliche Stelle“ des Bundes oder eines Landes. Zwar ist die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe verfassungsrechtlich zu­ lässig, sofern diese mit den üblichen juristischen Auslegungsmethoden konkre­ tisiert werden können.66 Eine solche Konkretisierung ist bei dem Begriff der „öf­ fentlichen Stelle“, der in §  2 Abs.  1 S.  1 BDSG definiert ist, auch möglich.67 Den­ noch kommt der Gesetzgeber mit der allgemein gehaltenen Regelung, Gerichten und Staatsanwaltschaften Mitteilungsermächtigungen gegenüber öffentlichen Stellen einzuräumen, nicht seiner verfassungsrechtlichen Aufgabe nach, die Tä­ tigkeit der Verwaltung inhaltlich zu normieren. Unter die Vorschriften ist eine Vielzahl von Varianten subsumierbar, deren Ausfüllung durch den hohen Grad an gesetzlicher Abstraktion nahezu vollständig in die Hände der Justizverwaltung gelegt wird. Dadurch wird die Entscheidung, bei welchem Adressaten die Über­ mittlung des jeweiligen Gerichts oder der Staatsanwaltschaft als erforderlich an­ 62 

BT-Drs 13/7489, 2; BT-Drs 13/4709, 16. BT-Drs 13/4709, 17. 64  BT-Drs 13/4709, 17. 65  BVerfGE 65, 1, 46. 66  Sodan/Ziekow GK ÖffR §  68 Rn  4. 67  Hinsichtlich des Begriffs der „öffentlichen Stelle“ ist auf die Definition in §  2 BDSG zu­ rückzugreifen, MüKo/Pabst ZPO §  12 EGGVG Rn  3. Danach sind öffentliche Stellen des Bun­ des die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform. 63 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

zusehen ist, der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Die Verfahren der or­ dentlichen Gerichtsbarkeiten unterscheiden sich stark hinsichtlich ihrer Inhalte.68 Dementsprechend variieren auch die Stellen, die nach Abwägung der widerstrei­ tenden Interessen aufgrund von Verfahrenshandlungen über personenbezogene Daten der Betroffenen zwingend in Kenntnis gesetzt werden müssen. Diese Ab­ wägung, die mit der Auswahl der Mitteilungsempfänger verbunden ist, wird nach der gesetzlichen Konstruktion jedoch gänzlich der Verwaltung überlassen. Die Entscheidung gegen gesonderte bereichsspezifische Regelungen für die ein­ zelnen Wege der Übermittlung personenbezogener Daten schlägt sich an dieser Stelle in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise nieder. bb) Übermittlungstatbestände Inhaltlich legt §  13 Abs.  1 EGGVG die Voraussetzungen fest, unter denen die Übermittlung personenbezogener Daten von Amts wegen zulässig ist, ohne dass es auf eine weitere Abwägung ankommt. Zum einen werden die tauglichen Mit­ teilungsabsender, nämlich Gerichte und Staatsanwaltschaften festgelegt. Zudem darf eine Übermittlung nur zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Empfän­ gers liegenden Aufgaben erfolgen. Diese enge Zweckbindung wird durch §  19 Abs.  1 S.  1 EGGVG verstärkt, der bestimmt, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dessen Erfüllung sie übermittelt wor­ den sind. In seinem Wortlaut legt §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG abstrakt die drei Konstellationen fest, in denen eine Übermittlung erfolgen darf. §  13 Abs.  2 S.  1 EGGVG entspricht in seinen Grundvoraussetzungen dem Abs.  1. Die Übermittlungsbefugnis ist abhängig von der Zulässigkeit der Über­ mittlung nach §  17 EGGVG sowie davon, ob offensichtlich überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. §  17 EGGVG wiede­ rum stellt darauf ab, dass die Kenntnis der Daten aus Sicht der übermittelnden Stelle „erforderlich“ ist. Beide Vorschriften enthalten somit unbestimmte Rechts­ begriffe. Deren Verwendung ist jedoch unproblematisch, da sie mit den üblichen juristischen Auslegungsmethoden konkretisiert werden können.69 Zudem ent­ hält §  17 Nr.  1 EGGVG die zusätzliche Einschränkung, dass eine Übermittlung der Daten des Betroffenen nur in Frage kommt, wenn es um die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten geht.

68  Die ordentliche Gerichtsbarkeit umfasst alle Angelegenheiten, die den in §  12 GVG auf­ geführten Gerichten ausdrücklich zugewiesen ist, Kissel/Mayer GVG §  12 Rn  1. Hierzu gehö­ ren gemäß §  13 GVG die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Ange­ legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen). 69  Vgl. zu den Begriffen bereits die Ausführungen in 2. Kap. A.II.4.

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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cc) Rechtsfolge Hinsichtlich der zu wählenden Rechtsfolge wird der übermittelnden Stelle so­ wohl bei §  13 Abs.  1 EGGVG als auch bei Abs.  2 ein Spielraum überlassen. So kann sie nach dem Wortlaut der Vorschrift die personenbezogenen Daten des Betroffenen übermitteln oder alternativ hiervon absehen. Kritisiert wird hieran, dass es einen Akt der Normsetzung der Verwaltung darstelle, wenn dieser die typisierende Festlegung des tatsächlichen Übermittlungsbedarfes überlassen werde.70 Es handele sich in diesen Fällen nicht mehr lediglich um Gesetzesvoll­ zug im Einzelfall.71 Hiergegen ist einzuwenden, dass es dem Gesetzgeber trotz der soeben genannten Grundsätze nicht verwehrt sein darf, den Verwaltungs­ behörden gewisse Freiräume durch die Gewährung von Ermessen einzuräumen. Denn klar umrissene Begriffe vermögen nicht immer die Vielheit der Verwal­ tungsaufgaben einzufangen.72 Sofern Parlamentsgesetze den betreffenden Be­ reich zumindest in den Grundzügen regeln, und geeignete Aufsichts- und Kon­ trollinstrumente die sachliche Einbindung in die höhere Legitimationsebene ­sicherstellen, dürfen der Verwaltung Ermessensentscheidungen übertragen wer­ den.73 Ist aus Gründen der Regelungstechnik eine weitere Präzisierung nicht möglich, können auch pauschale oder generelle Ermächtigungen dem Bestimmt­ heitsgebot genügen, wenn auf der Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung si­ chergestellt ist, dass die gesetzliche Ermächtigung trägt.74 Denn es würde nicht zu einer Stärkung, sondern zu einer Schwächung der Demokratie führen, wenn sich die Leitungsorgane auf oberster Ebene mit allen Details der Ausführung befassen müssten, da hierdurch die Qualität des Handelns der Leitungsorgane gemindert würde.75 Die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des EGGVG räu­ men den Justizorganen ein Entschließungsermessen ein. Danach steht es der Be­ hörde zur Wahl, ob sie überhaupt tätig wird.76 Aber auch in solchen Fällen ist sie in ihrer Entscheidung nicht völlig frei. Denn nach §  40 VwVfG ist sie verpflich­ tet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die rechtlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die Voraussetzungen der Er­ messensausübung sind somit hinreichend bestimmt ausgestaltet, um es dem Be­ troffenen zu ermöglichen, die Rechtslage so zu erkennen, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann. 70 

Wollweber NJW 1997, 2488, 2489. Wollweber NJW 1997, 2488, 2489. 72  BVerfGE 8, 274, 326. 73  Mangoldt/Klein/Starck/Sommermann GG/II Art.  20 Rn  189. 74  BeckOK/Brink DatenSR, Grundlagen Syst. C Rn  99. 75  Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, §  107 Rn  33. 76  Detterbeck Allg VerwR, Rn  314. 71 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

b) Die Wahrung des Parlamentsvorbehaltes Kritik an der Verfassungsmäßigkeit des JuMiG wurde während des Gesetzge­ bungsverfahrens auch im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Geset­ zes geübt, da dieses weitgehend der vorherigen Praxis der Datenweitergabe ent­ sprach. Es wurde gemahnt, dass es nicht ausreichen könne, die gegenwärtige Mitteilungspraxis gesetzlich festzuschreiben.77 Der Gesetzgeber werde dem Ver­ fassungsauftrag nicht gerecht, wenn er sich lediglich auf die Legitimierung einer bereits bestehenden Verwaltungspraxis beschränke.78 Ein Festhalten an oder gar eine Erweiterung von lieb gewonnenen Praktiken ohne sorgfältige Abwägung verfehle das Ziel und demonstriere die Kapitulation des Gesetzgebers vor der Exekutive.79 Das BVerfG habe im Volkszählungsurteil nicht nur die fehlende ge­ setzliche Regelung bemängelt, sondern darüber hinaus eine Änderung des Rege­ lungsinhalts gefordert.80 Somit bestehe ein Regelungsbedarf in materieller Hin­ sicht, den es zu befriedigen gelte.81 Wird Verwaltungsusus mehr oder weniger unverändert in Gesetzesform ge­ gossen, wirft dies Bedenken im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt auf. Das Konzept des Parlamentsvorbehaltes leitet sich aus dem in Art.  20 Abs.  1 und 2 GG niedergelegten Demokratieprinzip her.82 Es verpflichtet den Gesetzgeber, die grundlegenden,83 wesentlichen Entscheidungen84 selbst zu treffen.85 Ent­ scheidungen von substantiellem Gewicht für das Gemeinwesen dürfen somit nicht ohne Beteiligung des Parlamentes gefällt werden.86 Dieser Grundsatz er­ wächst aus der Einsicht, dass Parlamentsgesetze gegenüber dem bloßen Verwal­ tungshandeln unmittelbar demokratisch legitimiert sind und das parlamentari­ sche Verfahren darüber hinaus ein höheres Maß an Öffentlichkeit der Auseinan­ dersetzung und Entscheidungssuche gewährleistet.87 Insbesondere eröffnet das

77 

Parlamentarischer Staatssekretär Funke BR-PlPr 642, Sitzung vom 15. Mai 1992, 263C. Simitis CR 1987, 602, 603. 79  Riegel GS-Meyer, 345, 364. 80  Simitis CR 1987, 602, 603. 81  Riegel GS-Meyer, 345, 364; DIE ZEIT v. 23.12.1983: „Die Abgeordneten aller Parteien – auch die Journalisten – erkannten damals einfach nicht, dass die Verwaltung sich eine Pau­ schalermächtigung zum Schnüffeln erschlichen hatte. Eine Randbemerkung im Karlsruher Ur­ teil zeigt, dass die Richter dies inzwischen begriffen haben: Auch der ‚Gewaltenteilung‘ (zwi­ schen Gesetzgeber und Verwaltung) solle wieder zu ihrem Recht verhelfen werden.“ 82  BVerfGE 86, 90, 106; Mangoldt/Klein/Starck/Sommermann GG/II Art.  20 Rn  273. 83  BVerfGE 33, 303, 346. 84  BVerfGE 45, 400, 417. 85  Sodan/Ziekow GK ÖffR §  24 Rn  27. 86  Detterbeck Allg VerwR §  7 Rn  275. 87  BVerfGE 40, 237, 249. 78 

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit, widerstreitende Interessen zur Spra­ che zu bringen und diese einem Ausgleich zuzuführen.88 Werden die von der Exekutive geschaffenen Voraussetzungen ohne erneute Abwägung vom Gesetzgeber übernommen, besteht die Gefahr, dass der Zweck des Parlamentsvorbehalts untergraben wird. Angesichts der Tendenz eines steti­ gen Ausbaus der staatlichen Administration droht eine Verselbständigung der behördlichen Organisation.89 Erhebt sich die geübte Verwaltungspraxis jedoch einmal zur – jedenfalls empfundenen – Prämisse staatlicher Tätigkeit, stellt sich die Schwierigkeit, dass eine Erneuerung der Verwaltungspraxis nur mehr inner­ halb des selbst gesteckten, gewohnten organisatorischen Rahmens akzeptiert wird.90 Wo sich die Legislative an diesen vorgegebenen Rahmen gebunden fühlt, und sich außer Stande sieht, bei der Fassung des Gesetzes von diesem ab­ zuweichen, droht der von Verfassung wegen gebotene Grundsatz des Vorbehalt des Parlaments zur bloßen Hülle zu werden. So fundamental die Bedeutung des Parlamentsvorbehalts auch ist, steht er als Grundsatz dennoch nicht isoliert. Er wird durch die Funktionenordnung des Grundgesetzes begrenzt, denn das in Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG niedergelegte Ver­ fassungsgebot der Gewaltenteilung soll in gleichem Maße die Eigenständigkeit der Verwaltung gewährleisten.91 Damit staatliche Entscheidungen möglichst richtig getroffen werden können, müssen die jeweiligen Organe hieran beteiligt sein, „die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Ver­ fahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen.“92 Ein Gewaltmonis­ mus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts würde dieses Ziel unter­ laufen.93 Deshalb darf kein Vorrang des Parlaments und seiner Entscheidungen gegenüber den anderen Gewalten als ein alle konkreten Kompetenzzuordnungen überspielender Auslegungsgrundsatz hergeleitet werden.94 Dass der Gesetzgeber sich von bereits bestehenden Verwaltungsvorschriften leiten lässt, schließt die Verfassungsmäßigkeit des daraus resultierenden Geset­ zes daher nicht aus. Die Administrativbehörden verfügen als sachnächste Or­ ganisation über die Möglichkeit, die Mitteilungsbedarfe der öffentlichen Verwal­ tung zu erkennen und zu systematisieren. Es steht dem Gesetzgeber frei, sich im Gesetzgebungsverfahren den Erwägungen der Exekutive anzuschließen. Hierin ist noch keine Aushöhlung parlamentarischer Kompetenzen zu sehen. Jedoch 88 

BVerfGE 40, 237, 249. Simitis NJW 1986, 2795, 2796. 90  Simitis NJW 1986, 2795, 2796. 91  Mangoldt/Klein/Stark/Sommermann GG/II Art.  20 Rn  187. 92  BVerfGE 68, 1, 86; 95, 1, 15; 98; 218, 252. 93  BVerfGE 49, 89, 125; 68, 1, 86 f., 98, 218, 252. 94  BVerfGE 49, 89, 125 f. 89 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

wird dem Parlamentsvorbehalt nur Genüge getan, wenn dem eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorausgeht. Dem Vorwurf einer ober­ flächlichen Adaption bestehender Verwaltungspraktiken muss sich das JuMiG aber nicht aussetzen. Das Ergebnis des überaus langwierigen Gesetzgebungsver­ fahrens wird großteils als „wohl einmaliges perfektionistisches Regelungs­ werk“95 bezeichnet. Der Parlamentsvorbehalt, dem die Funktion zukommt, die öffentliche politische Konsenssicherung oder –bildung zu gewährleisten, wird durch eine parlamentarische Beschlussfassung regelmäßig gewahrt.96 Dies gilt auch für das Justizmitteilungsgesetz: Die Konstituierung von Übermittlungsver­ boten (§  12 Abs.  3 EGGVG), die Statuierung eines engen Zweckbindungsgrund­ satzes (§  19 Abs.  1 EGGVG) und eines klar begrenzten Tatbestandkatalogs in den §§  13 ff. EGGVG resultieren aus einer eigenständigen Abwägung der Inter­ essen des Betroffenen mit den Allgemeininteressen an einer Übermittlung der personenbezogenen Daten. c) Zwischenfazit Die Regelungen genügen weitestgehend dem allgemeinen Bestimmtheitsgebot. Zwar kann der Betroffene mangels einer Statuierung gesetzlicher Mitteilungs­ pflichten nicht bereits unmittelbar dem Gesetzeswortlaut entnehmen, ob seine Daten übermittelt werden. Auch weisen die gesetzlichen Regelungen der verfah­ rensübergreifenden Mitteilungen von Amts wegen nicht die Regelungsdichte auf, die sie hätten, wenn alle Einzelregelungen oder eng umschriebene Fallgrup­ pen abschließend bereits im Gesetz selbst enthalten wären. Jedoch ist transpa­ rent, in welchen Fällen eine Datenübermittlung zulässigerweise erfolgen darf und somit eine Mitteilung in Betracht kommt. Anhand der in §§  13 Abs.  1 Nr.  4, Abs.  2, 17 Nr.  1 EGGVG genannten Tatbestandsmerkmale können die hierdurch geregelten Fälle eindeutig bestimmt werden. Es ist zu berücksichtigen, dass der Verzicht auf gesetzliche Mitteilungsgebote auf dem Bestreben beruht, eine Aus­ weitung der Mitteilungsfälle möglichst zu begrenzen und somit Grundrechtsein­ griffe für die Betroffenen zu reduzieren. Bei der Fassung des JuMiG hat sich der Gesetzgeber inhaltlich weitgehend von den bereits bestehenden Verwaltungsvorschriften leiten lassen. Im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt wäre dies nach dem oben Gesagten problematisch, wenn er sich auf eine reine Übernahme beschränkt hätte, ohne dass auf parlamentari­ scher Ebene eine sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Interessen stattge­ funden hätte. Das JuMiG ist jedoch das Ergebnis eines wohlüberlegten parlamen­ tarischen Austausches. Auch wenn im Vergleich zur vorherigen Verwaltungsrege­ 95  96 

Statt vieler: MüKo/Pabst ZPO §  12 EGGVG Rn  1. Kloepfer JZ 1984, 685, 694.

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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lung kein juristisches Neuland betreten wurde, ging der Verabschiedung des Gesetzes eine intensive Diskussion im Gesetzgebungsverfahren voraus. Nach dem soeben Gesagten ist die Ausgestaltung der Befugnis zur Übermitt­ lung personenbezogener Daten von Amts wegen durch Gerichte oder Staatsan­ waltschaften nach §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG in Fällen, in denen die Daten öffent­ lich bekannt zu machen sind oder in ein von jedermann unbeschränkt einsehbares öffentliches Register einzutragen sind oder es sich um die Abweisung eines An­ trags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse geht, als verfas­ sungsrechtlich zulässig zu bewerten.97 Dasselbe gilt für die Übermittlungsbefug­ nis aus §  13 Abs.  2 i. V. m. §  17 Nr.  1 EGGVG in Fällen, in denen die Kenntnis der Daten zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erforderlich ist. Bedenken bestehen einzig im Hinblick auf den kaum eingrenzbaren Kreis der möglichen Mitteilungsempfänger. Der Gesetzgeber hat es der Verwaltung über­ lassen, selbständig für zahlreiche Verfahrensarten festzulegen, an welche Stellen personenbezogene Daten übermittelt werden können. Da die Abwägung zwi­ schen den Allgemeininteressen und den Interessen des Betroffenen sowie die Bestimmung, an welche Empfänger eine Mitteilung zwingend erforderlich ist, somit nicht bereichsspezifisch vorgenommen wurde, sind insofern Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der §§  12 ff. EGGVG angebracht.

III. Übermittlungsverbote Die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des EGGVG sehen jedoch nicht nur die Erteilung von Übermittlungsbefugnissen vor, sondern enthalten auch Vorgaben für Fälle, in denen die Weitergabe personenbezogener Daten zu unterlassen ist. §  12 Abs.  3 EGGVG normiert explizit ein Übermittlungsverbot. Ein Absehen von der Datenübermittlung kann in bestimmten Fällen zudem aufgrund des Ver­ fassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit angezeigt sein. 1. Übermittlungsverbot gemäß §  12 Abs.  3 EGGVG §  12 Abs.  3 EGGVG ordnet an, dass die Übermittlung unterbleibt, wenn eine besondere bundes- oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelung der Übermittlung entgegensteht. Hierdurch wird der Schutz besonderer Amtsund Berufsgeheimnisse sowie die Beachtung sonstiger Regelungen beabsichtigt, die einen gesteigerten Schutz personenbezogener Daten bewirken sollen.98 In der Insolvenzordnung wird mit §  97 Abs.  1 S.  3 InsO ein spezielles Verwen­ dungsverbot für Auskünfte des Insolvenzschuldners postuliert. Im Insolvenzver­ 97  98 

So auch Golembiewski Mitteilungen durch die Justiz, 142. BT-Drs 13/4709, 20.

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

fahren trifft den Schuldner gemäß §  97 Abs.  1 S.  1 InsO eine uneingeschränkte Aussageverpflichtung. Die Aussage kann gemäß der §§  5, 20, 97 Abs.  1 S.  1 und §  98 Abs.  2 InsO erzwungen werden.99 Nach §  97 Abs.  1 S.  2 InsO gilt dies auch für Tatsachen, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder Ord­ nungswidrigkeit herbeizuführen. §  97 Abs.  1 S.  3 InsO ordnet jedoch an, dass eine solche Auskunft in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen Angehöri­ gen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden darf. Es gilt zu untersuchen, ob das Verwendungsverbot des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO eine bundesgesetzliche Verwendungsregelung i. S. d. §  12 Abs.  3 EGGVG darstellt, die der Übermittlung personenbezogener Daten entgegensteht.100 In der Gesetzesbegründung genannt werden als Verwendungsregelungen bei­ spielhaft das Steuergeheimnis nach §  30 Abs.  1, 4 AO, das Sozialgeheimnis ge­ mäß §  35 SGB I i. V. m. §§  67 ff. SGB X, die Verwertungsverbote für im Bundes­ zentralregister getilgte Eintragungen nach den §§  51, 52 und 63 Abs.  4 BZRG sowie datenschutzrechtlich geprägte landesgesetzliche Verwendungsregelungen, wie die in den Landesstatistikgesetzen oder Kommunalabgabenordnungen statu­ ierten Geheimhaltungspflichten, die dem bundesgesetzlichen Statistik- bzw. Steu­ ergeheimnis entsprechen.101 All diesen Vorschriften ist gemein, dass sie die Ver­ wendung bestimmter Daten, die als Objekt der Übermittlung gemäß des Zweiten Abschnitts des EGGVG in Frage kommen, für verschiedene Bereiche untersagen. Über Daten, die beispielsweise gemäß §  51 Abs.  1 BZRG nicht mehr zum Nach­ teil der betroffenen Person verwertet werden dürfen, da die Eintragung im Bun­ deszentralregister getilgt wurde, sollen andere Behörden nach der Regelung des §  12 Abs.  3 EGGVG gar nicht erst in Kenntnis gesetzt werden. Hierdurch soll die Effektivität der jeweiligen Verwendungsregelung sichergestellt werden. Die Übermittlungsbefugnisse in den §§  12 ff. EGGVG beziehen sich auf die „personenbezogenen Daten“ des Schuldners, d. h. auf alle Informationen des Be­ troffenen (Art.  4 Nr.  1 DS-GVO). Hiervon erfasst werden alle Informationen, die eine Aussage über die Bezugsperson beinhalten, unabhängig davon, welcher Le­ bensbereich angesprochen ist.102 Bestandteil einer Übermittlung können grund­ sätzlich somit auch Informationen sein, von denen die übermittelnde Stelle auf­ grund der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Schuldners gemäß §  97 Abs.  1, 2 InsO Kenntnis erlangt hat. Im Rahmen dieser Pflicht muss der Schuldner sämt­ liche Vorgänge offenbaren, die in irgendeinem Bezug zum Insolvenzverfahren 99 

Beck/Depré/Köhler Praxis Insolvenz §  37 Rn  185. Bejahend etwa Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1788. 101  BT-Drs 13/4709, 20. 102  Simitis/Dammann BDSG §  3 Rn  7 zur Vorgängerdefinition in §  3 BDSG a. F. 100 

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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stehen.103 Hierunter fällt beispielsweise die Angabe der Gründe, die zur Insolvenz geführt haben sowie von Umständen, die zur Feststellung der Insolvenzmasse notwendig sind.104 All diese Informationen sind jedoch vom Verwendungsverbot des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO umfasst. Dieses trägt dem Umstand Rechnung, dass ohne entsprechende Verwendungsregelung die Auskunftspflicht des Insolvenz­ schuldners, die sich auch auf strafrechtlich relevante Informationen erstreckt, ei­ nen Verstoß gegen den Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare darstellen wür­ de.105 Deshalb wird die Verwendung der Auskünfte des Schuldners von seiner Zustimmung abhängig gemacht. Die Vorschrift ist somit als Verwendungsrege­ lung im Sinne des §  12 Abs.  3 EGGVG zu qualifizieren. Bezüglich all der An­ gaben, die der Schuldner in Erfüllung seiner Pflicht nach §  97 Abs.  1 S.  1, 2 InsO macht, greift deshalb das Übermittlungsverbot des §  12 Abs.  3 EGGVG.106 Zu beachten ist allerdings, dass die genaue Bezeichnung der Parteien des In­ solvenzverfahrens gemäß §  4 InsO, §§  253 Abs.  2 Nr.  1, 130 Nr.  1 ZPO bereits zwingender Bestandteil eines ordnungsgemäßen Insolvenzantrages ist.107 Von diesen Informationen erfährt das Insolvenzgericht daher nicht im Wege von ge­ mäß §  97 Abs.  1 S.  1, 2 InsO gemachten Angaben. Auch die Tatsache, dass das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgewiesen wurde, ist nicht Bestandteil der Auskunftspflicht. Hierauf kann sich das Verwendungsverbot des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO deshalb nicht beziehen. Es steht demnach im Einklang mit §  12 Abs.  3 EGGVG, wenn das Insolvenzgericht Informationen, wie etwa den Namen und die Anschrift des Schuldners oder den Sitz der Firma sowie den An­ lass der Übermittlung mitteilt.108 Hingegen darf es keine umfassenden Angaben über den Schuldner übermitteln, die dieser während des Insolvenzverfahrens ge­ macht hat. 2. Übermittlungsverbot wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz An ein Gebot, von der Übermittlung der Daten des Insolvenzschuldners abzu­ sehen, ist auch insofern zu denken, als dies in bestimmten Fällen gegen den ver­ 103 

Uhlenbruck/Zipperer InsO §  97 Rn  7. FK/Wimmer-Amend InsO §  97 Rn  9. 105  BVerfGE 56, 37, 51 zur Vorgängervorschrift §  100 KO. 106  Zu unterscheiden ist dies von der in der Literatur geführten Diskussion, ob sich bereits aus §  97 Abs.  1 S.  3 InsO selbst ein Übermittlungsverbot an die Staatsanwaltschaften ergibt. Hierauf wird unter 2. eingegangen. Entscheidende Relevanz erlangt die Frage, wenn es darum geht, ob es den Insolvenzgerichten aufgrund eines solchen Offenbarungsverbotes untersagt ist, den Staatsanwaltschaften die entsprechenden Aktenteile zu übergeben (hierzu im 4. Kap. C.V.4.a)). 107  LG Hamburg NZI 2010, 865. 108  So auch BeckOK/Ebner StPO MiZi IX/2 Rn  3.1. 104 

58

2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

fassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen könnte. Dieser ergibt sich einerseits aus dem Rechtsstaatsprinzip, andererseits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die Ausdruck des allgemeinen Freiheits­ anspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat sind und als solche von der öffent­ lichen Gewalt nur so weit beschränkt werden dürfen, wie es zum Schutz öffent­ licher Interessen unerlässlich ist.109 Werden nach §  13 Abs.  1 Nr.  4 oder §§  13 Abs.  2, 17 Nr.  1 EGGVG Daten übermittelt, die aufgrund der Regelung des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO im anschließen­ den Strafverfahren nicht verwendet werden dürfen, könnte die Übermittlung an die Staatsanwaltschaften das Verhältnismäßigkeitsprinzip verletzen. Der Wort­ laut der uneingeschränkten Aussageverpflichtung aus §  97 Abs.  1 S.  1 und 2 InsO beruht auf der bis zum Jahre 1998 geltenden Vorgängervorschrift des §  100 KO, nach der „der Gemeinschuldner […] verpflichtet [war], dem Verwalter, dem Gläubigerausschusse und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversamm­ lung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben.“ Im sog. Gemeinschuldnerbeschluss vom 13.01.1981110 entschied der Erste Senat des BVerfG, dass die Aussageverpflichtung und ihre zwangsweise Durchsetzung den Gemeinschuldner nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzten. Als einem der wichtigsten Informationsträger im Konkursverfahren seien die Gläu­ biger auf die Auskünfte des Schuldners angewiesen.111 Der Senat formulierte jedoch ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Auskünfte des Schuldners für das Strafverfahren, das sich zwingend aus dem Verbot des Zwangs zur Selbstbezich­ tigung ergebe (nemo tenetur se ipsum accusare).112 Das Schweigerecht des Be­ schuldigten im Strafverfahren wurde bereits in Art.  14 IIIg des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 ausdrücklich ge­ währleistet.113 Der nemo-tenetur-Grundsatz ist auf Verfassungsebene im Persön­ lichkeitsrecht des Art.  2 Abs.  1 GG verankert.114 Der Einordnung als Verfas­ sungsgebot liegt die Einsicht zugrunde, dass der Einzelne, dem gegenüber der Zwang zur Selbstbezichtigung auferlegt wird, zum Objekt degradiert werde, wenn seine Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird.115 Ein solcher Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen,

109 

BVerfGE 19, 342, 348. BVerfGE 56, 37. 111  BVerfGE 56, 37, 48. 112  BVerfGE 56, 37, 43, 51. 113  BVerfG NStZ 1995, 555, 555. 114  BVerfGE 56, 37, 41 f. 115  BVerfGE 56, 37, 42. 110 

A. Das Justizmitteilungsgesetz als einfach-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage

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sei unzumutbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar.116 Im Gemeinschuldnerbeschluss forderte der Bundesverfassungsrichter Heußner in einem Sondervotum ein über das Verwertungsverbot hinausgehendes Offenbarungsver­ bot der gemachten Auskünfte gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Bereits in der Weitergabe der Informationen des Schuldners liege eine Verletzung von Art.  2 Abs.  1 GG, da sie angesichts des bestehenden Verwertungsverbots der Aussage im strafrechtlichen Verfahren nicht erforderlich sei.117 Die Übermitt­ lung von Informationen, welche nicht für das Strafverfahren erforderlich seien, verletze das Verhältnismäßigkeitsprinzip und sei daher unzulässig.118 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, die Grundrechtsausübung des Einzelnen nicht weiter zu beschränken, als es zum Schutz öffentlicher Inter­ essen unerlässlich ist. Insofern scheint es überzeugend, die Weitergabe von In­ formationen, die einem Verwertungsverbot unterliegen, als unverhältnismäßig einzuordnen. Im Volkszählungsurteil schloss das BVerfG sogar kategorisch aus, dass an der Übermittlung von Selbstbezichtigungen ein überwiegendes Allge­ meininteresse bestehen kann.119 Da die von §  97 Abs.  1 S.  3 InsO erfassten Anga­ ben des Schuldners in einem Strafverfahren nicht gegen ihn verwendet werden dürfen, besteht ein Übermittlungsverbot auch im Hinblick auf den verfassungs­ rechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

IV. Fazit Mit dem JuMiG wurde eine gesetzliche Ermächtigung für verfahrensübergrei­ fende Mitteilungen von Amts wegen durch Gerichte und Staatsanwaltschaften geschaffen. Hierdurch sollte den Vorgaben des BVerfG entsprochen werden, das im Volkszählungsurteil eine gesetzliche Grundlage für Übermittlungen dieser Art gefordert hatte. Um für die Betroffenen Klarheit und Erkennbarkeit zu schaf­ fen,120 wurden grundsätzlich bereichsspezifische Regelungen angestrebt. Da sich für verfahrensübergreifende Mitteilungen eine solche Regelung in den jeweili­ gen Verfahrensordnungen nicht anbot, wurden entsprechende Vorschriften im Zweiten Abschnitt des EGGVG eingeführt. Diese gelten gemäß §  12 Abs.  1 S.  2 EGGVG gegenüber abweichenden Regelungen subsidiär. Für den Bereich der Übermittlung personenbezogener Daten aus dem Insol­ venzverfahren an die Staatsanwaltschaften bilden §  13 Abs.  1 Nr.  4 sowie §  13 Abs.  2 i. V. m. §  17 Nr.  1 EGGVG die gesetzliche Grundlage. §  13 Abs.  1 Nr.  4 116 

BVerfGE 56, 37, 49. BVerfGE 56, 37, 53. 118  BVerfGE 56, 37, 53. 119  BVerfGE 65, 1, 46. 120  BVerfGE 65, 1, 44. 117 

60

2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

EGGVG sieht die Zulässigkeit der Datenweitergabe vor, wenn die Daten auf Grund einer Rechtsvorschrift öffentlich bekanntzumachen sind, in ein von einem Gericht geführtes, für jedermann unbeschränkt einsehbares öffentliches Register einzutragen sind oder es sich um die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse handelt. Nach der verwendeten Regelungs­ technik begründet §  13 Abs.  1 EGGVG Übermittlungsbefugnisse an sämtliche öffentliche Stellen. Die Aufnahme der Übermittlungstatbestände, insbesondere wegen Abweisung mangels Masse darf von den Strafverfolgungsbehörden des­ halb nicht in dem Sinne interpretiert werden, dass der Gesetzgeber hierin einen strafrechtlichen Generalverdacht gegenüber dem insolventen Schuldner zum Ausdruck bringen wollte. Die Befugnisse aus §§  13 Abs.  2, 17 Nr.  1 EGGVG berechtigen die Gerichte zur Übermittlung personenbezogener Daten in Fällen, in denen dies zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erfor­ derlich ist. Die gesetzlichen Vorschriften beschränken sich auf die Statuierung von Mit­ teilungsermächtigungen. Die Auferlegung von Mitteilungspflichten wurde dage­ gen Verwaltungsvorschriften vorbehalten. Die Übermittlungstatbestände legen hierfür mit der notwendigen Klarheit die Tatbestandsmerkmale fest, bei deren Vorliegen eine Übermittlung der personenbezogenen Daten des Betroffenen er­ folgen darf. Hinsichtlich der Rechtsfolge wird der Justizbehörde ein Ermessens­ spielraum eingeräumt. Hierin kann jedoch kein Verstoß gegen den Bestimmt­ heitsgrundsatz gesehen werden. Obwohl die eingeführten Regelungen weitge­ hend an der bis dahin geltenden Verwaltungspraxis orientiert sind, ist auch der Parlamentsvorbehalt als gewahrt zu sehen. Aufgrund der Regelung des §  12 Abs.  3 EGGVG sowie unter Verhältnismä­ ßigkeitsgesichtspunkten ist es den Insolvenzgerichten untersagt, den Staatsan­ waltschaften Informationen des Insolvenzschuldners zu übermitteln, die dieser in Erfüllung seiner Auskunftspflichten im Sinne von §  97 Abs.  1 S.  1 u. 2 InsO gemacht hat. Dies betrifft insbesondere die Angabe der Gründe für den Insol­ venzfall sowie Informationen, die der Feststellung der Insolvenzmasse dienen.

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen Angesichts der neuen gesetzlichen Vorschriften bedurfte es einer Neuregelung der verwaltungsrechtlichen Praxis. Durch allgemeine Verfügung vom 29. April 1998 wurde die bis dahin gültige „Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen“121

121 

Vom 1.10.1967 zuletzt in der Fassung vom 31.1.1993 (BAnz Nr.  28 /1993, S.  945).

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen

61

durch eine gleichnamige Neufassung122 mit Geltung ab dem 1. Juni 1998 ersetzt. Seitdem bildet diese Verwaltungsvorschrift die Maßgabe für die verfahrensüber­ greifende Übermittlung personenbezogener Daten an öffentliche Stellen in Verfah­ ren der streitigen Zivilgerichtsbarkeit und der freiwilligen Gerichtsbarkeit.123 Die Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen ist in zwei Teile aufgebaut, von denen der Erste Teil  Allgemeine Vorschriften und der Zweite Teil  Regelun­ gen über die einzelnen Mitteilungen enthält. Der Zweite Teil untergliedert sich wiederum nach den jeweiligen Verfahren in fünf Abschnitte. Im Dritten Ab­ schnitt („Mitteilungen in Vollstreckungsverfahren“) findet sich unter Ziffer IX die Regelung über die Mitteilungen in Insolvenzverfahren.124

I. Allgemeine Vorschriften Gemäß Allg/1 Abs.  1 MiZi regeln die Vorschriften die Befugnis der Gerichte zur Mitteilung personenbezogener Daten von Amts wegen an öffentliche Stellen für verfahrensfremde Zwecke in Verfahren der streitigen Zivilgerichtsbarkeit und der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Gerichte sind nach Allg/1 Abs.  1 S.  2 MiZi zu einer entsprechenden Mitteilung verpflichtet, wenn dies in den nachstehenden Vorschriften angeordnet oder in besonderen Vorschriften bestimmt ist. Mittei­ lungspflichtige Stelle ist gemäß Allg/3 Abs.  1 S.  1 MiZi das mit dem Verfahren befasste Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Allg/2 Abs.  1 S.  1 MiZi ist ein dem §  12 Abs.  3 EGGVG entsprechendes Übermittlungsverbot verankert für Fälle, in denen der Mitteilung eine besondere bundesrechtliche oder entsprechende landesrechtliche Verwendungsregelung entgegensteht. Dies betrifft u. a. Angaben, die der Schuldner zur Erfüllung seiner Auskunftspflicht gemäß §  97 Abs.  1 S.  1, 2 InsO gemacht hat. Das strafprozes­ suale Verwendungsverbot in §  97 Abs.  1 S.  3 InsO begründet ein Übermittlungs­ verbot i. S. v. Allg/2 Abs.  1 S.  1 MiZi.125 Darüber hinaus wird die Regelung des §  13 Abs.  2 S.  1 EGGVG aufgegriffen und die Unterlassung einer Mitteilung an­ geordnet, wenn im Einzelfall offensichtlich ist, dass schutzwürdige Interessen Betroffener an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen. 122  Abgedruckt

in NJW-Beilage 1998, Heft 38 (BAnz Nr.  138a vom 29.7.1998, S.  4 ff.). Zuletzt in der Fassung vom 23.11.2018 (BAnz AT 24.12.2018 B2). 124  Die MiZi-Mitteilungen sind anders als die MiStra-Vorschriften nicht durchgehend num­ meriert. Dies schafft einige Probleme bei der Bezeichnung. Im Folgenden wird die Bezeich­ nung „Allg/Normziffer“ für die Allgemeinen Vorschriften des Ersten Teils verwendet sowie „IX/Normziffer“ für die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Zweiten Teils. Diese Vorge­ hensweise wird auch bei BeckOK/Ebner StPO MiZi Allg/5 Rn  3.2 als praktikabelste Benen­ nung gewählt. 125  Ausführlich hierzu bereits unter 2. Kap. A.III.1. 123 

62

2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

Inhalt, Form und Zeitpunkt der Mitteilungen richten sich vorbehaltlich beson­ derer Vorschriften nach den Regelungen in Allg/5 MiZi. Gemäß §  18 Abs.  2 S.  1 EGGVG wird die Bestimmung der Form der Übermittlung der übermittelnden Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen überlassen. Ihr obliegt es somit beispiels­ weise festzulegen, ob eine gerichtliche Entscheidung komplett oder nur in Aus­ zügen zu übersenden ist.126 Die Verwaltungsanordnung legt in Allg/5 Abs.  2 Nr.  1 MiZi fest, dass gerichtliche Entscheidungen durch Übersendung einer abgekürz­ ten Ausfertigung mitzuteilen sind, die keinen Tatbestand und keine Entschei­ dungsgründe enthält. Soweit nichts anderes bestimmt ist, kann die Richterin oder der Richter im Einzelfall anordnen, dass auch Tatbestand und Entscheidungsgrün­ de zu übermitteln sind, soweit dies zur Erfüllung des Zwecks der Mitteilung er­ forderlich ist. Die richterliche Anordnung ist einzelfallbezogen und in geeigneter Form zu dokumentieren. Die abgekürzte Ausfertigung ist mit einem Rechtskraft­ vermerk zu versehen, wenn gegen die Entscheidung ein befristeter Rechtsbehelf statthaft war. Allg/5 Abs.  3 S.  1 MiZi ordnet an, dass gerichtliche Entscheidungen erst nach Rechtskraft mitzuteilen sind.127 Wenn gegen sie ein Rechtsbehelf un­ zweifelhaft nicht eingelegt werden kann oder nur ein unbefristeter Rechtsbehelf stattfindet, sind sie hingegen alsbald nach ihrem Erlass mitzuteilen.

II. Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft Die für die vorliegende Untersuchung gegenständlichen Mitteilungen des Insol­ venzgerichts an die Staatsanwaltschaften richten sich nach Ziffer IX/2 und 3 der MiZi. Während in IX/2 die Mitteilungen bei Ablehnung der Eröffnung des Insol­ venzverfahrens mangels Masse geregelt sind, behandelt IX/3 die Mitteilungen im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Unter bestimmten Voraussetzun­ gen sind zudem auch die Vollstreckungsgerichte gemäß VI/2 zur Mitteilung an die Staatsanwaltschaften verpflichtet, wenn ein Insolvenzschuldner nach Abwei­ sung des Verfahrens mangels Masse nach §  882b ZPO in das Schuldnerverzeich­ nis einzutragen ist. 1. Mitteilung bei Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse (IX/2 MiZi) a) Inhalt und Adressat der Mitteilung Ziffer IX/2 S.  1 normiert eine Mitteilungspflicht des Insolvenzgerichts, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wur­ 126 

Bär CR1998, 767, 771. Dies gilt gemäß Allg/5 Abs.  1 S.  2 MiZi vorbehaltlich abweichender Regelungen. Eine solche findet sich beispielsweise IX/3 Abs.  2, welche die Mitteilung unmittelbar nach Erlass des Beschlusses anordnet. 127 

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen

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de. Als Rechtsgrundlage verweist die Vorschrift auf §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG.128 Der Beschluss des Insolvenzgerichts ist nach IX/2 Abs.  2 S.  1 Nr.  1 neben ande­ ren Adressaten auch der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Dies gilt ausweislich des Wortlauts jedoch nur, soweit es sich nicht um Verfahren gegen Privatpersonen ohne Bezug zu einer gewerblichen Tätigkeit des Schuldners handelt. Eine Mittei­ lungspflicht besteht somit hinsichtlich Schuldnern, die dem Verbraucherinsol­ venzverfahren unterfallen, nur, sofern sie ehemals selbstständig wirtschaftlich tätig waren. Bei Nachlassinsolvenzverfahren entfällt gemäß IX/2 Abs.  1 S.  2 die Mitteilung an die Staatsanwaltschaft. b) Zeitpunkt der Mitteilung Gegen den Beschluss auf Abweisung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ist gemäß §  34 Abs.  1 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Be­ schwerde i. S. v. §  567 ZPO129 statthaft. Die abgekürzte Ausfertigung, die der Staatsanwaltschaft übersandt wird, ist deshalb nach Allg/5 Abs.  2 Nr.  1 MiZi mit einem Rechtskraftvermerk zu versehen. Die Mitteilung darf erst nach Rechts­ kraft, d. h. nach Verstreichen der Rechtsmittelfrist ergehen. Für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gilt für den Schuldner nach §  4 InsO i. V. m. §  569 Abs.  1 ZPO eine Notfrist von zwei Wochen.130 c) Exkurs: Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens verursacht Kosten, etwa für Ge­ richtsgebühren oder für die Vergütung des Insolvenzverwalters sowie der Mit­ glieder des Gläubigerausschusses.131 Diese Posten werden in §  54 InsO als „Kos­ ten des Verfahrens“ zusammengefasst. Auch bei Vorliegen eines Eröffnungs­ grundes132 wird ein Insolvenzverfahren nur eröffnet, wenn diese Verfahrenskosten gedeckt werden können.133 Grund hierfür ist, dass Insolvenzverfahren nicht im öffentlichen Interesse, sondern im Interesse der Gläubiger durchgeführt wer­ den.134 Gemäß §  26 Abs.  1 S.  1 InsO muss das Insolvenzgericht den Insolvenz­ antrag abweisen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht aus­ 128  129 

ist.

130 

Hierzu bereits oben, 2. Kap. A.II.3.b). §  4 InsO erklärt die Vorschriften der ZPO für anwendbar, soweit nichts anderes bestimmt

BeckOK/Farian InsO §  34 Rn  4. Bork Einführung Insolvenzrecht Rn  117. 132  Eröffnungsgründe sind die Zahlungsunfähigkeit (§  17 InsO), die drohende Zahlungsun­ fähigkeit (§  18 InsO) sowie die Überschuldung (§  19 InsO). Für eine überblickartige Darstel­ lung vgl. etwa Bork/Hölzle/Beck HdB Insolvenzrecht Kap.  2. 133  Foerste Insolvenzrecht §  12 Rn  120. 134  Braun/Herzig InsO §  26 Rn  1. 131 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

reichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Der Beschluss ist nach §  26 Abs.  1 S.  3 InsO unverzüglich öffentlich bekannt zu machen. Die Quote der Verfahren, die mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse abgewiesen werden, variiert stark zwischen den Insolvenzgerichten.135 Mit der Rechtskraft des Ablehnungsbeschlusses tritt bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen keine natürliche Per­ son haftet, die Auflösung der Gesellschaft ein.136 Findet keine Abwicklung im Wege des Insolvenzverfahrens statt, hat dies für die Gläubiger den Nachteil, dass die Ermittlung und Geltendmachung ihrer Ansprüche oftmals nur schwer mög­ lich ist.137 Eine Ausschöpfung der bestehenden Haftungsressourcen scheitert des­ halb unter Umständen.138 Aus diesem Grund gewährt ihnen die InsO in §  26 Abs.  1 S.  2 die Möglichkeit, einen ausreichenden Geldbetrag vorzuschießen, um so die Durchführung des Insolvenzverfahrens herbeizuführen. 2. Mitteilung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (IX/3 MiZi) a) Inhalt und Adressat der Mitteilung Auch wenn das Gericht das Insolvenzverfahren eröffnet, ist es nach IX/3 Abs.  1 MiZi verpflichtet, dies mitzuteilen. Als gesetzliche Grundlage verweisen die Vorschriften ebenfalls auf §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG. Eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren, so hat es den Eröffnungsbeschluss gemäß §  30 Abs.  1 InsO öffentlich bekanntzumachen.139 Entsprechend wurde die Eröffnung des Regelin­ solvenzverfahrens unter IX/3 Abs.  1 Nr.  1 in den Katalog der Mitteilungen des Insolvenzgerichtes aufgenommen. Ziffer IX/3 Abs.  1 Nr.  2 MiZi ordnet die Mitteilung durch das Insolvenzgericht für die Eröffnung mit der Anordnung der Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters an. Auch die Anordnung der Eigenverwaltung ist Gegenstand der

135  Haarmeyer/Beck ZInsO 2007, 1065 ff. haben für die Jahre 2005/2006 die Eröffnungs­ quoten bei deutschen Insolvenzgerichten untersucht. Bei gesetzlich zur Stellung eines Insol­ venzantrages verpflichteten Schuldnern betrug die ermittelte Eröffnungsquote im Jahre 2006 durchschnittlich 54,24  %. Hierbei ergaben sich für die einzelnen Insolvenzgerichte Spann­ breiten von 12  % am AG Leer und 92, 31  % am AG Niebüll (2005) bzw. von 19,57  % am AG Meppen und 92,31  % am AG Husum (2006). Die Autoren führen diese Unterschiede nicht auf externe Faktoren zurück, sondern sehen die Ursachen des starken Auseinanderfallens in der gerichtlichen Praxis. Eröffnungsquoten von deutlich unter 60  % seien auf Mängel in der Sach­ verhalts- und Anspruchsermittlung zurückzuführen. 136  Vgl. 2. Kapitel, Fn  36. 137  Uhlenbruck ZIP 1996, 1641, 1641. 138  Uhlenbruck ZIP 1996, 1641, 1641. 139  Vgl. bereits unter 2. Kap. A.II.3.a).

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen

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öffentlichen Bekanntmachung nach §  30 Abs.  1 InsO.140 Beschließt das Insol­ venzgericht hingegen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Eigen­ verwaltung anzuordnen, so ergibt sich die Pflicht zur öffentlichen Bekanntma­ chung aus §  273 InsO. Für diesen Fall sieht die Verwaltungsanordnung jedoch keine Mitteilungspflicht vor. Eine Mitteilungspflicht wird in IX/3 Abs.  1 Nr.  3 MiZi zudem grundsätzlich für die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nach den §§  304 ff. InsO konstituiert. Mangels entgegenstehender Regelungen in den Vorschriften über die Verbraucherinsolvenz gilt auch hier das Erfordernis der öffentlichen Be­ kanntmachung gemäß §  30 InsO.141 Jedoch sind gemäß Abs.  3 S.  1 Nr.  3 der Staatsanwaltschaft solche Fälle nicht zu melden, in denen es sich um Verfahren gegen Privatpersonen ohne Bezug zu einer gewerblichen Tätigkeit des Schuld­ ners handelt. Dies betrifft den überwiegenden Teil der Verbraucherinsolvenzen, sodass die Mitteilungspflicht nur die Konstellation umfasst, in der es sich bei dem Verbraucher um einen ehemals wirtschaftlich selbständigen Schuldner mit überschaubaren Vermögensverhältnissen handelt. Schließlich besteht eine Mitteilungspflicht auch hinsichtlich der Entscheidung über die Zulässigkeit der Restschuldbefreiung (IX/3 Abs.  1 Nr.  4). In diesen Fäl­ len ist zusätzlich zum Eröffnungsbeschluss der Beschluss über die Zulässigkeit der Restschuldbefreiung an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln.142 Auch hier bildet §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG die Rechtsgrundlage. Zwar bezieht sich der Verweis dem Wortlaut nach nur auf Nr.  1–3 der Verwaltungsvorschrift. Dies be­ ruht jedoch vermutlich auf einem Redaktionsversehen, da Nr.  4 erst nachträglich in die Vorschrift von IX/3 eingefügt wurde.143 Durch die Neuregelung des §  287a Abs.  1 S.  2 InsO ist der Beschluss des Insolvenzgerichtes über die Zulässigkeit der Restschuldbefreiung öffentlich bekanntzumachen.144 Für alle genannten Fälle gilt einschränkend nach Abs.  3 S.  1 Nr.  3, dass die Mitteilung an die Staatsanwaltschaft nur verpflichtend ist, soweit es sich nicht um Verfahren gegen Privatpersonen ohne Bezug zu einer gewerblichen Tätigkeit des Schuldners handelt. Die Mitteilungspflicht gilt darüber hinaus auch nicht für Nachlassinsolvenzverfahren.145

140 

BT-Drs 12/2443, 224. Schmidt/Keller InsO §  30 Rn  3. 142  BeckOK/Ebner StPO MiZi IX/3 Rn  4. 143  Durch Allgemeine Verfügung vom 23.12.2016 (BAnz AT 24.5.2017 B1) m. W. v. 1.10.­ 2016. 144  Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläu­ bigerrechte vom 15. Juli 2013, BGBl I S.  2379. 145  BeckOK/Ebner StPO MiZi IX/3 Rn  3. 141 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

b) Zeitpunkt der Mitteilung Gegen den Beschluss auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist gemäß §  34 Abs.  2 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde binnen einer Notfrist von zwei Wochen statthaft. IX/3 Abs.  2 MiZi ordnet jedoch an, dass die Mittei­ lung bereits nach Erlass des entsprechenden Beschlusses zu bewirken ist. Somit ist hinsichtlich der an die Staatsanwaltschaft zu übersendenden abgekürzten Aus­ fertigung, die unter Bezeichnung des Insolvenzverwalters, Treuhänders oder Sachwalters zu erfolgen hat,146 nicht die Rechtskraft abzuwarten. c) Exkurs: Eröffnung des Insolvenzverfahrens aa) Allgemeines Das Insolvenzverfahren dient dazu, die in §  1 InsO formulierten Ziele zu ver­ wirklichen: Die Gläubiger des Schuldners sollen gemeinschaftlich befriedigt werden, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird bzw. in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Ist der Eröffnungsantrag des Schuldners oder Gläubigers zulässig und begrün­ det, so eröffnet das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren durch Eröffnungs­ beschluss gemäß §  27 InsO.147 Der Inhalt des Eröffnungsbeschlusses ergibt sich aus §  27 Abs.  2 InsO. Danach sind unter anderem der Schuldner, der Insolvenz­ verwalter sowie die Stunde der Eröffnung genau zu bezeichnen. Der Beschluss ist nach §  30 Abs.  1 InsO unverzüglich öffentlich bekannt zu machen. Hierdurch soll der Verfahrensbeschleunigung und der Publizität des Inhalts des Eröffnungs­ beschlusses gedient werden.148 Gegen den Beschluss ist die sofortige Beschwer­ de statthaft. Hierzu ist, wie sich aus §  34 Abs.  2 InsO ergibt, einzig der Schuldner berechtigt.149 Die Verfahrenseröffnung hat zahlreiche Auswirkungen auf den Rechtskreis des Schuldners. Bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtsper­ sönlichkeit führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Auflösung.150 Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners geht nach §  80 Abs.  1 InsO mit der Beschlussunter­ 146  Abschnitt

IX/4 Abs.  1 MiZi. Hess Insolvenzrecht Rn  371. 148  Nerlich/Römermann/Mönning/Schweizer InsO §  30 Rn  6. 149  Uhlenbruck/Zipperer InsO §  27 Rn  19. 150  Die Auflösung ergibt sich für die GmbH aus §  60 Abs.  1 Nr.  4 GmbHG, für die AG aus §  262 Abs.  1 Nr.  3 AktG, für die GmbH & Co. KG aus §§  161 Abs.  2, 131 Abs.  1 Nr.  3 HGB, für die GbR aus §  728 Abs.  1 S.  1 BGB und für die KGaA aus §  289 Abs.  1 AktG i. V. m. §§  161 Abs.  2, 131 Abs.  1 Nr.  3 HGB. 147 

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen

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zeichnung auf den Insolvenzverwalter über.151 Im Übrigen bleibt die Rechtsstel­ lung des Schuldners unberührt, d. h. er bleibt sachenrechtlicher Eigentümer über das Vermögen und Inhaber der in die Masse fallenden Rechte und Forderun­ gen.152 Die Insolvenzmasse ist vom Insolvenzverwalter gemäß §  148 Abs.  1 InsO sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen, um sie für die Gläubiger zu verwer­ ten.153 Er muss zügig nach erfolgtem Berichtstermin bestehende Forderungen einziehen und die übrigen Vermögensgegenstände veräußern.154 Nachdem die am Erlös berechtigten Insolvenzgläubiger festgestellt wurden, können die errun­ genen Erlöse gemäß §  187 InsO verteilt werden.155 bb) Eigenverwaltung Nicht in jedem Fall ist es für die Gläubiger erstrebenswerter, dass ein Insolvenz­ verwalter in das Verfahren eingebunden wird. Bisweilen kann es von Vorteil sein, dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu belassen, etwa wenn seine Kenntnisse und Erfahrungen für die Geschäftsführung des Unternehmens unentbehrlich sind.156 Vor allem in größe­ ren Insolvenzverfahren wird beispielsweise bereits in einem frühen Stadium der Krise der Vorstand gegen eine sanierungserfahrene Person ausgewechselt.157 Durch Eigenverwaltung kann somit eine erhebliche Verfahrensbeschleunigung erreicht werden, die auch unter ökonomischen Gesichtspunkten für die Gläubi­ ger sinnvoll ist.158 Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass erklärtes Ziel der Ei­ genverwaltung häufig die Fortsetzung des Unternehmensträgers ist.159 Regelmä­ ßig können sich die Gläubiger von einem Verfahren, in dem das insolvente Un­ ternehmen saniert wird, eine höhere Befriedigung ihrer Forderungen erhoffen.160 Kümmert sich nicht ein Insolvenzverwalter, sondern der Schuldner selbst um die Verwertung des Vermögens, ist dies jedoch auch mit Risiken verbunden. Gegen das Verfahren der Eigenverwaltung wird häufig eingewandt, dass „der Bock zum 151 

Schmidt/Sternal InsO §  80 Rn  2. MüKo/Ott/Vuia InsO §  80 Rn  6. 153  Bork Einführung Insolvenzrecht Rn  151. 154  MüKo/Görk/Janssen InsO §  159 Rn  5 ff. 155  MüKo/Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer InsO §  187 Rn  7. 156  Westrick NZI 2003, 65, 69. 157  Foerste Insolvenzrecht §  37 Rn  607. 158  Westrick NZI 2003, 65, 67. 159  Uhlenbruck Beilage BB 2004, 2, 6. Als Liquidationsgesellschaft besteht die juristische Person während des Insolvenzverfahrens fort. Sie kann bei erfolgeriecher Sanierung werbend fortgesetzt werden. Insofern ist zwischen Auflösung und Beendigung der Gesellschaft zu unter­ scheiden. Alle Gesellschaften werden nach den für sie gültigen Vorschriften mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst (vgl. 2. Kapitel, Fn  150). 160  BGH NJW 1997, 524, 525. 152 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

Gärtner gemacht“ werde.161 Gläubiger fürchten unter Umständen, dass der wei­ terhin verfügungsbefugte Schuldner Schäden anrichten könnte, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.162 Grundsätzlich kann in jedem Verfahren, das kein Verbraucherinsolvenzverfah­ ren ist, Eigenverwaltung angeordnet werden. Es dürfen jedoch gemäß §  270 Abs.  2 Nr.  2 InsO keine Umstände bekannt sein, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen durch die Gläubiger führen wird. Dies hat das Gericht sorgfältig zu prüfen.163 Gegen die Anordnung der Eigenverwaltung kann unter anderem sprechen, dass der Schuldner den Eröffnungsantrag verzögert hat.164 Insbesondere steht eine deutlich verspätete Antragsstellung des Schuldners bezo­ gen auf den Insolvenzstichtag, die eine offensichtliche Insolvenzverschleppung erkennen lässt, einer Anordnung der Eigenverwaltung entgegen.165 Über den Antrag entscheidet das Gericht im Eröffnungsbeschluss.166 Nach §  270 Abs.  3 S.  1 InsO ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss – sofern ein sol­ cher eingesetzt wurde – vor der Entscheidung über den Antrag Gelegenheit zur Äußerung zu geben.167 Hierdurch sollen die Gläubiger, um deren Vermögenswer­ te es schließlich geht, als Gesamtheit stärker einbezogen werden.168 Sind den Gläubigern in Bezug auf den Schuldner Umstände bekannt, die sie zu einer Straf­ anzeige wegen eines Insolvenzdeliktes veranlassen könnten, besteht für den vor­ läufigen Gläubigerausschuss die Möglichkeit, der Eigenverwaltung zu wider­ sprechen. Wenn sich die Hinweise nach gerichtlicher Prüfung erhärten, muss das Insolvenzgericht die Anordnung der Eigenverwaltung nach §  270 Abs.  2 Nr.  2 InsO ablehnen. cc) Restschuldbefreiung Nach der Vorgängerregelung des modernen Insolvenzrechts, der Konkursord­ nung, stand den Konkursgläubigern ein freies Nachforderungsrecht zu.169 Die Konkursgläubiger waren berechtigt, nach Aufhebung des Verfahrens Vollstre­ ckungsmaßnahmen zu ergreifen.170 Für einen redlichen Schuldner bestand des­ 161  AG

Duisburg NZI 2002, 556, 558. BT-Drs 12/2443, 224. 163  Bork Einführung Insolvenzrecht Rn  467. 164  BGH NZI 2006, 34. 165  AG Potsdam, Beschl. v. 1.4.1999 – 35 IN 271/99. 166  MüKo/Tetzlaff InsO §  270 Rn  109. 167  Nerlich/Römermann/Riggert InsO §  270 Rn  22. 168  BT-Drs 17/5712, 19. Die Blockademöglichkeit eines einzelnen Gläubigers des §  270 Abs.  2 Nr.  2 InsO a. F. wurde hingegen abgeschafft, BT-Drs 17/5712, 38. 169  Hess/Obermüller Restschuldbefreiung Rn  820. 170  Balz ZRP 1986, 12, 14. 162 

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen

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halb meist keine Hoffnung, dass die Durchführung des Konkursverfahrens seine Zukunftsperspektive verbesserte. Vielmehr blickte er auf „ein Leben an der Grenze zur Unpfändbarkeit“.171 Die als ungerecht empfundene Ungleichbehand­ lung gegenüber juristischen Personen, die mit Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst werden, veranlasste den Gesetzgeber dazu, nach dem Vorbild anderer Rechtsordnungen in der Insolvenzordnung ein Restschuldbefreiungsverfahren für natürliche Personen zu verankern.172 Dem redlichen Schuldner sollte die Möglichkeit gegeben werden, nach Durchführung des Insolvenzverfahrens zu einer endgültigen Schuldenbereinigung zu gelangen.173 Die Regelungen zur Restschuldbefreiung finden sich in den §§  286 ff. InsO. Auch nach der geltenden Insolvenzordnung besteht der Grundsatz, dass die Gläubiger gemäß §  201 Abs.  1 InsO ihre verbleibenden Forderungen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiter geltend machen können.174 Die unbeschränkte Nachhaftung wird für na­ türliche Personen durch die Möglichkeit der Restschuldbefreiung in ihrer Bedeu­ tung jedoch stark eingeschränkt.175 Gemäß §  1 S.  2 InsO soll lediglich dem redlichen Schuldner Gelegenheit ge­ geben werden, sich von seinen verbleibenden Verbindlichkeiten zu befreien. Der Begriff der Redlichkeit wird in §  290 Abs.  1 InsO definiert.176 Danach hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung zu versagen bei einer vorangegangen Insolvenzstraftat (Nr.  1), in Fällen von Kredit und Leistungserschleichung (Nr.  2), bei Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (Nr.  4), wegen der Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten (Nr.  5), auf­ grund von fehlerhaften Erklärungen und Verzeichnissen (Nr.  6) oder weil der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit verletzt hat (Nr.  7). Vor der Entscheidung über die Gewährung der Restschuldbefreiung sind gemäß §  287 Abs.  4 InsO die Insolvenzgläubiger anzuhören.177 Die Gläubiger werden auch insofern berück­ sichtigt, als eine Versagung nur auf Antrag eines Gläubigers, nicht jedoch von Amts wegen erfolgen kann.178 Einen solchen Antrag kann der Gläubiger gemäß §  290 Abs.  2 S.  1 InsO jederzeit bis zum Schlusstermin oder bis zur Entschei­ dung nach §  211 Abs.  1 InsO schriftlich stellen.

171 

Pape ZRP 1993, 285, 285. Schmidt-Räntsch, in: AK Insolvenzrecht, KS InsO, 1177, 1178 Rn  4 ff. 173  BT-Drs 12/2443, 81. 174  Nerlich/Römermann/Westphal InsO §  201 Rn  2 f. 175  Uhlenbruck/Wegener InsO §  201 Rn  1. 176  Bork Einführung Insolvenzrecht Rn  448. 177  MüKo/Stephan InsO §  290 Rn  12. 178  OLG Celle NZI 2001, 596, 597. 172 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

3. Mitteilung bei Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (VI/2 MiZi) Wird ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß §  26 Abs.  1 InsO mangels Masse abgewiesen, so ordnet das Insolvenzgericht nach §  26 Abs.  2 S.  1 InsO die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis i. S. v. §  882b ZPO an. Hiervon hat das zentrale Vollstreckungsgericht i. S. v. §  882h ZPO179 ge­ mäß VI/2 S.  1 MiZi die Staatsanwaltschaft in Kenntnis zu setzen, wenn das Ver­ fahren eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, eine Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung oder eine Genossenschaft betrifft. Dasselbe gilt gemäß S.  2 bei Verfahren, die eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kom­ manditgesellschaft betreffen, bei der keiner der Gesellschafter eine natürliche Per­ son ist. Voraussetzung für eine verpflichtende Mitteilung ist gemäß VI/2 Abs.  2 S.  3 MiZi, dass die die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis anordnende Stelle das zentrale Vollstreckungsgericht zur Mitteilung eigens anhält. Über diesen Filter wird daher verhindert, dass jede Eintragung in das Schuldnerverzeichnis automa­ tisch der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden muss. Da Mitteilungen wegen Ein­ tragungen in das Schuldnerverzeichnis nicht auf §  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  2 EGGVG gestützt werden können,180 nennt die Vorschrift §  17 Nr.  1 EGGVG als Ermächti­ gungsgrundlage. Die Verfasser der Verwaltungsvorschrift gingen somit davon aus, dass in den genannten Fällen die Kenntnisnahme der Staatsanwaltschaft zum Zweck der Strafverfolgung erforderlich ist. Gemäß Allg/2 Abs.  1 S.  2 MiZi hat die Mitteilung aber zu unterbleiben, wenn im Einzelfall offensichtlich ist, dass über­ wiegende schutzwürdige Interessen Betroffener eine Übermittlung verbieten. 4. Mitteilung in sonstigen Fällen (Allg/1 Abs.  4 MiZi) Nach Allg/1 Abs.  4 S.  1 ist darüber hinaus eine Mitteilung im Einzelfall auch ohne besondere Anordnung zu machen, soweit die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle zu den in §§  13, 15 und 17 EGGVG genannten Zwecken erforderlich und die Mitteilung wegen eines besonderen öffentlichen Interesses unerlässlich ist sowie besondere bundes- oder landesgesetzliche Ver­ wendungsregelungen nicht entgegenstehen. Auf Grundlage des §§  13 Abs.  2 i. V. m. 17 Nr.  1 EGGVG kommt eine Mitteilung daher in Betracht, wenn aus Sicht der ermittelnden Stelle die Kenntnis der Daten zur Verfolgung einer Straf­ tat unerlässlich ist. Die Entscheidung über eine solche Mitteilung ist gemäß Allg/1 Abs.  4 S.  1 MiZi Richterinnen und Richtern vorbehalten. Hierbei ist die Regelung des Allg/2 Abs.  1 S.  1 MiZi zu berücksichtigen, nach der eine Mittei­ 179 

BeckOK/Ebner StPO MiZi VI/2 Rn  8. Bei dem Schuldnerverzeichnis handelt es sich nicht um ein für jedermann unbeschränkt einsehbares Register, s. oben unter 2. Kap. A.II.3.c). 180 

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lung unterbleiben muss, wenn im Einzelfall offensichtlich ist, dass schutzwürdi­ ge Interessen Betroffener an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen.181

III. Mitteilungen des Insolvenzgerichtes an andere Stellen (IX/4 MiZi) In IX/4 Abs.  1 MiZi sind darüber hinausgehende Mitteilungspflichten für weitere Entscheidungen im Insolvenzverfahren statuiert, die ebenfalls auf §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG beruhen. Grundlage der dort geregelten Übermittlungspflicht ist, dass alle angeführten Entscheidungen öffentlich bekanntzumachen sind i. S. d. §  13 Abs.  1 Nr.  4 Var.  1 EGGVG. Sämtliche der aufgeführten Verfahrenshand­ lungen setzen ein bereits eröffnetes Insolvenzverfahren voraus. Es handelt sich hauptsächlich um verfahrensbeendende Entscheidungen.182 Im Gegensatz zu den Regelungen in IX/2 und IX/3 MiZi sind für die Konstellationen in IX/4 jedoch keine Mitteilungen an die Staatsanwaltschaften vorgesehen.

IV. Bewertung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift Die Vorschriften der §§  12 ff. EGGVG überlassen es dem Ermessen der Verwal­ tung, in welchen Fällen sie die Mitteilungsermächtigungen zu Pflichten konkre­ tisiert. Grundsätzlich ergibt sich aus dem Wesen des Ermessens, dass die Gren­ zen, die den Verwaltungsbehörden beim Erlass von Verwaltungsvorschriften vorgegeben sind, flexibel sind.183 Das Ermessen darf deshalb von der weisungs­ befugten Behörde auch in der Weise ausgeübt werden, dass die gesetzliche Er­ messensvorschrift auf spezifische Handlungspflichten verengt wird. Hierbei ist die Exekutive jedoch gemäß Art.  20 Abs.  3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Angesichts der durchaus weitgehenden Mitteilungspflichten der Gerichte in In­ solvenzbelangen stellt sich die Frage, ob diese gegen den Verhältnismäßigkeits­ grundsatz verstoßen.184 Das Gebot der Verhältnismäßigkeit zählt zu den unabdingbaren verfassungs­ rechtlichen Grundsätzen.185 Es ist aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten, ergibt sich aber auch bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat vor einem Eingriff der öffentlichen Gewalt jeweils so weit geschützt sind, als dieser nicht zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist.186 Der Grundsatz der Verhält­ 181 

Damit trägt die Regelung dem Wortlaut des §  13 Abs.  2 S.  1 EGGVG Rechnung. Eine Ausnahme bilden lediglich IX/4 Abs.  1 Nr.  7, 8, 10. 183  Ossenbühl Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 327. 184  So etwa Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1788. 185  BVerfGE 113, 154, 162. 186  BVerfGE 19, 342, 348; 61, 126, 134; 76, 1, 50 f. 182 

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

nismäßigkeit bindet „als übergreifende Leitregel allen staatlichen Handelns“187 alle Gewalten. Inhaltlich gibt er vor, dass Grundrechtseingriffe geeignet und er­ forderlich sein müssen, ihren Zweck zu erreichen.188 Sie müssen dem Betroffe­ nen zudem zumutbar sein, dürfen ihn also nicht übermäßig belasten.189 Demnach sind die widerstreitenden Interessen der Allgemeinheit und die In­ teressen des von der Datenübermittlung Betroffenen einem angemessenen Aus­ gleich zuzuführen. Im Sinne des Betroffenen ist die Datenübermittlung auf das zwingend erforderliche Maß zu begrenzen. Diese Vorgabe gilt nicht nur für den Gesetzgeber bei der Schaffung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Auch die einzelnen Vorschriften der MiZi müssen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Hierbei ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Begründung von Mitteilungspflichten weitaus stärker in die Grundrechtsposition des Betroffenen einwirkt als eine reine Übermitt­ lungsbefugnis. Somit bedarf die Pflicht zur Weitergabe von Daten des Insolvenz­ schuldners der Rechtfertigung durch ein entsprechend gewichtigeres Allgemein­ interesse an der Übermittlung. Ob dieses Gebot für die Regelungen der MiZi eingehalten wurde, ist im Folgenden einzeln zu prüfen. 1. Mitteilung in Eröffnungsfällen Es wurde bereits festgestellt, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der gesetzlichen Befugnis zur Weitergabe von öffentlich bekannt gemachten Daten die Allgemeininteressen für schwerwiegender erachtete als die Interessen des Betroffenen.190 Da der Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts gemäß §  30 Abs.  1 InsO sofort öffentlich bekanntzumachen ist, besteht zumindest die theore­ tische Möglichkeit, dass staatliche Behörden – wie etwa die zuständigen Staats­ anwaltschaften – hiervon Kenntnis erlangen. Aus diesem Grund stuft der Gesetz­ geber den Betroffenen in diesem Fall als weniger schutzwürdig ein als bei Daten, die nicht der öffentlichen Bekanntmachung unterliegen.191 Ein solches Abwä­ gungsergebnis kann jedoch nicht ohne Weiteres auf die Situation der Mittei­ lungspflicht an die Staatsanwaltschaft übertragen werden. Zu beachten ist, dass eine Übermittlung stets nur „zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Empfän­ gers liegenden Aufgaben“ i. S. d. §  13 Abs.  1 EGGVG erfolgen darf. In die Zu­ ständigkeit der Staatsanwaltschaft fällt die Aufgabe der Strafverfolgung.192 187 

BVerfGE 76, 1, 50 f. BVerfGE 113, 154, 162. 189  BVerfGE 113, 154, 162. 190  Vgl. hierzu bereits 2. Kap. A. II.3.a). 191  BT-Drs 13/4709, 40. 192  Gemäß Nr.  1 RiStBV ist die Staatsanwaltschaft Organ der Rechtspflege. Sie verfolgt im 188 

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen

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Es soll bereits an dieser Stelle angezweifelt werden, dass sich (allein) aus der Tatsache, dass gegen einen Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ein Schluss auf die Notwendigkeit von strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen zie­ hen lässt.193 Hierauf kommt es jedoch bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift nicht an. Denn die Übermittlungsgrundlage soll nur diejenigen Konstellationen erfassen, die prima facie – abstrakt – geeignet sind, ein Bedürfnis nach staatsanwaltschaftlicher Kenntnisnahme zu begründen. Ob im konkreten Einzelfall die Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen erforderlich ist, kann aber nur von den Strafverfolgungsbehörden entschieden werden. Es wäre deshalb falsch, die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift mit Hinweis darauf abzulehnen, dass nicht in sämtlichen erfassten Fällen ein strafrechtlicher Anfangsverdacht gegeben ist.194 Hinsichtlich einer von den MiZi-Mitteilungen erfassten Fallgruppe ist ein hö­ heres Interesse der Allgemeinheit hinsichtlich der Datenübermittlung jedoch zu bezweifeln: Die Mitteilung in Fällen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unter Anordnung der Eigenverwaltung nach IX/3 Abs.  1 Nr.  2 MiZi.195 Eigenver­ waltung wird nach §  270 Abs.  2 Nr.  2 InsO nur gewährt, wenn keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften – auch gegen Strafvorschriften – wird als Indiz für einen zu erwartenden Nachteil der Gläubi­ ger gewertet.196 Bei offensichtlichen Anhaltspunkten für eine Insolvenzver­ schleppung durch den Schuldner scheidet die Anordnung der Eigenverwaltung ebenfalls aus.197 In solchen Fällen ist zu erwarten, dass sich auch der vorläufige Gläubigerausschuss, der gemäß §  270 Abs.  3 S.  1 InsO vor der Entscheidung über den Antrag anzuhören ist, gegen ein Eigenverwaltungsverfahren ausspre­ chen würde. Damit das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung anordnet, muss es sich somit bereits davon überzeugt haben, dass keine Umstände vorliegen, die gegen eine gewissenhafte Ausübung der Eigenverwaltung seitens des Insolvenz­ schuldners sprechen. Widersprüchlich wäre es, in einem solchen Fall dennoch Anhaltspunkte für einen strafrechtlichen Verdacht annehmen zu wollen. Einzig die Erforderlichkeit der Informationen zur Aufgabenerfüllung der empfangenden Stelle kann aber die Datenübermittlung rechtfertigen. Zudem läuft es dem Zweck Rahmen der Gesetze Straftaten und leitet verantwortlich die Ermittlungen der sonst mit der Strafverfolgung befassten Stellen. 193  Dazu ausführlich im 3. Kapitel. 194  A. A. Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1788, welche die MiZi-Mitteilungen als „rechtswidrig“ bezeichnen. 195  Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1788. 196  MüKo/Tetzlaff InsO §  270 Rn  52. 197  AG Potsdam, Beschl. v. 1.4.1999 – 35 IN 271/99.

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

des Insolvenzverfahrens zuwider, wenn die Sanierungsbemühungen durch staats­ anwaltschaftliche Ermittlungen gestört werden, die auf der Basis einer kaum mehr als theoretischen Annahme von Straftaten erfolgen. 2. Mitteilung bei Abweisung mangels Masse Ebenso wie in den Fällen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt für die Mi­ Zi-Mitteilungen wegen Abweisung mangels Masse, dass es für die Rechtmäßig­ keit der Verwaltungsvorschrift nicht darauf ankommt, ob im konkreten Fall Straf­ verfolgungsmaßnahmen erforderlich sind. Vielmehr kommt es auch hier lediglich darauf an, ob die der Regelung zugrunde liegende Konstellation abstrakt geeignet ist, eine Erforderlichkeit der Mitteilung zu begründen. Im Regierungsentwurf war die Mitteilungsbefugnis wegen Abweisung mangels Masse ursprünglich noch an erhöhte Voraussetzungen gebunden.198 Der Gesetzgeber machte seine Erwägun­ gen für die Vereinfachung der Übermittlung im Gesetzgebungsverfahren nicht deutlich.199 Leitende Motive waren aber wohl der Gläubigerschutz sowie der Schutz des Rechtsverkehrs im Allgemeinen.200 Ob aber angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber mit der Absenkung der Anforderungen an die Über­ mittlungsbefugnis ausdrücken wollte, dass er eine abstrakte Erforderlichkeit der Kenntnisnahme der Staatsanwaltschaften begründet sah, ist fraglich. Dafür, dass auch der Verwaltungsgeber eine Mitteilungspflicht an die Staats­ anwaltschaften bei Abweisung des Verfahrens mangels Masse nicht für zweifels­ frei geboten sieht, spricht die Vorschrift des VI/2 MiZi. Diese statuiert eine Mit­ teilungspflicht an die Staatsanwaltschaft in Fällen der Eintragung ins Schuldner­ verzeichnis i. S. v. §  882b ZPO, sofern das Vollstreckungsgericht hierzu vom zuständigen Insolvenzgericht gesondert angehalten wird. In Insolvenzfällen ei­ nes Schuldners, der in einer der in VI/2 MiZi aufgeführten Gesellschaftsformen organisiert ist,201 erfolgt demnach bisweilen eine zweifache Übermittlung, sofern der Antrag auf Verfahrenseröffnung mangels Masse abgewiesen wurde: durch das Insolvenzgericht gemäß IX/2 MiZi und durch das zentrale Vollstreckungs­ gericht202 nach VI/2 MiZi. Damit ergibt sich aber aktuell ein Widerspruch der 198  Ursprünglich war in §  15 Nr.  3 EGGVG-E vorgesehen worden, die Übermittlung für diese Fälle restriktiv an die – aus Sicht der übermittelnden Stellen zu beurteilende – Erforder­ lichkeit der Kenntnis der Daten zu knüpfen, vgl. BT-Drs 12/3199, 6. 199  Vgl. BT-Drs 13/4709, 54. Zum damaligen Zeitpunkt war der Abweisungsbeschluss noch nicht öffentlich bekanntzumachen. Dies wurde erst durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007, BGBl I S.  509, eingeführt. 200  Hierzu bereits unter 2. Kap. A.II.3.d). 201  Dazu zählen die AG, die KGaA, die GmbH und die Genossenschaft sowie die OHG und die KG, bei denen kein Gesellschafter eine natürliche Person ist. 202  Dies ergibt sich aus VI/2 Abs.  3 S.  1 MiZi.

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen

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Regelungen in VI/2 und IX/2 MiZi: Im Rahmen einer Abwägung wurde eine Kenntnisnahme der Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Strafverfolgung i. S. v. §  17 Nr.  1 EGGVG offenbar nur für die ausgewählte Gruppe von Schuldnern als erforderlich angesehen, die in VI/2 aufgeführt ist. Hierbei handelt es sich um Schuldner, die aufgrund ihrer Gesellschaftsform nach §  15a Abs.  1 InsO ver­ pflichtet sind, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich einen Eröffnungsantrag zu stellen.203 Bei der Formulierung des VI/2 MiZi wurde das Erfordernis einer Mitteilung an die Staatsanwaltschaft für alle anderen Schuldner augenscheinlich verneint. Denn eine Eintragung ins Schuldnerverzeichnis er­ folgt bei Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse gemäß §  26 Abs.  2 S.  1 InsO stets, eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft hingegen nur in den genannten Fällen. Dies lässt den Rückschluss zu, dass bei der Interessensabwä­ gung i. R. d. VI/2 MiZi hinsichtlich natürlicher Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit mit natürlichem Vollhafter der Datenschutz der Be­ troffenen überwog. Hierzu passt nicht, dass in IX/2 MiZi die Übermittlung der personenbezoge­ nen Daten des Schuldners an die Staatsanwaltschaft auch für Fälle verpflichtend angeordnet wird, in denen es um die Verfahrensabweisung gegen Personenge­ sellschaften und ehemals selbstständig tätige Personen geht. Es muss daher an­ genommen werden, dass der Verwaltungsgeber diese Diskrepanz beim Erlass der MiZi übersehen hat. Die Regelung des IV/2 MiZi zeigt, dass der Verwaltungsge­ ber selbst nicht davon ausging, dass die Staatsanwaltschaften über alle Fälle der Abweisung mangels Masse in Kenntnis zu setzen sind. Unter strenger Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sind daher ausschließlich die in VI/2 normierten Mitteilungspflichten geboten. 3. Verzicht auf Ausnahmeregelungen Von einer Statuierung von Ausnahmeregelungen wurde abgesehen. Dem von der Anordnung der MiZi verpflichteten Amtswalter wird kein Spielraum gewährt, in Einzelfällen abweichende Entscheidungen zu treffen. Lediglich in Allg/2 Abs.  1 S.  2 MiZi wird das Unterbleiben einer Mitteilung angeordnet für Fälle, in denen im Einzelfall offensichtlich ist, dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen. Dies gilt ausweislich der Vor­ schrift jedoch nur für Übermittlungen, die nach §  13 Abs.  2 EGGVG erfolgen. Explizit ausgenommen werden hingegen Mitteilungen nach §  13 Abs.  1 ­EGGVG. Auch sonst finden sich in der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen keine einzelfallbezogenen Ausnahmen. Dagegen beschränkt sich die gesetzliche Er­ 203  Auflistung der von §  15a InsO betroffenen Gesellschaftsformen in Momsen/Grützner/ Rinjes WiStR Kap.  8 Rn  273.

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

mächtigungsgrundlage des §  13 Abs.  1 EGGVG selbst auf die Gewährung von Übermittlungsbefugnissen und setzt das Erteilen einer Mitteilung in das Ermes­ sen der Verwaltung. Zwar sind Verwaltungsvorschriften naturgemäß auf die Re­ gelung typischer Sachverhalte beschränkt und können nur diese Konstellationen in eine Verhältnismäßigkeitsprüfung einbeziehen.204 Jedoch müssen sie Raum für abweichende Entscheidungen in Einzelfällen gewähren, in denen die schutz­ würdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse überwiegen.205 An­ dernfalls ist in der Ausgestaltung der Verwaltungsvorschrift ein Verstoß gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu sehen.206 Grundsätzlich unterliegt der einzelne Amtswalter einer Gehorsamspflicht, d. h. er ist an die Weisungen der vorgesetzten Behörde gebunden.207 Bei ermessens­ lenkenden Vorschriften kann eine Abweichung von den behördlichen Vorschrif­ ten unter Umständen jedoch sogar geboten sein, da die gesetzliche Eröffnung von Ermessen die Verwaltung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die „in das Gesetz nicht einfüllbare Gerechtigkeit des Einzelfalls“ herbeizuführen.208 Nach der Rechtsprechung des BVerwG entbinden ermessenslenkende Verwal­ tungsvorschriften die Behörde deshalb nicht von der Verpflichtung, im Einzelfall abweichend von den Vorgaben zu entscheiden.209 Für den einzelnen Amtswalter ist beim Blick auf die Verwaltungsvorschrift jedoch gar nicht erst ersichtlich, dass die gesetzliche Regelung eine Ermessensentscheidung vorsieht. Dies dürfte ihn in der Praxis davon abhalten, jemals eine abweichende Entscheidung zu tref­ fen. Denn das oftmals abstrakte und unbestimmte Gesetz dürfte vom Amtswalter beinahe nie zu Rate gezogen werden.210 Vielmehr hält er sich nahezu ausschließ­ lich an die Verwaltungsvorschriften, die ihm von seinem Vorgesetzten zur Verfü­ gung gestellt werden.211 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der die Ent­ scheidung tragende Amtswalter in den Fällen der MiZi der Justizverwaltung an­ 204 

Kollmer/Klindt/Schucht/Kunz ArbSchG §  22 Rn  90. Für das Bayerische Feiertagsgesetz (FTG) entschied das BVerfG (NVwZ 2017, 461, 467), dass der in Art.  5 HS 2 FTG enthaltene strikte Ausschluss von einer Befreiungsmöglich­ keit vom Karfreitagsschutz sich als unverhältnismäßig erweist. Hierin liege kein angemessener Ausgleich der verfassungsrechtlichen Positionen. 206  Golembiewski (Mitteilungen durch die Justiz, 140) und Wollweber (NJW 1997, 2488, 2489) bewerten die Zulässigkeit der Begründung von Mitteilungspflichten (mit abweichendem Ergebnis) dagegen unter dem Aspekt der Zulässigkeit der Normsetzung durch die Verwaltung. Vgl. zu dieser Problematik auch die obigen Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Be­ denken gegenüber dem JuMiG, 2. Kap. A.II.6. 207  Loschelder, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, §  107 Rn  93. 208  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, §  104 Rn  61. 209  BVerwG, Beschl. v. 25.9.1998 – 5 B 24/98, juris; Beschl. v. 22.5.2008 – 5 B 36/08, juris. 210  Arndt/Fetzer Öffentliches Recht Rn  291. 211  Bull/Mehde Allg VerwR §  6 Rn  226. 205 

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen

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gehört. Zwar sind gemäß Allg/3 Abs.  3 S.  1 MiZi Richterinnen oder Richter in den Fällen für die Mitteilungsanordnung funktionell zuständig, in denen dies ausdrücklich bestimmt ist oder in denen sie sich die Anordnung vorbehalten ha­ ben. Jedoch gilt für alle übrigen Fälle, dass die Veranlassung und Durchführung der Mitteilung von Urkundsbeamten vorgenommen wird (Allg/3 Abs.  2 MiZi). Für die Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft nach IX/2 und 3 besteht kein Anordnungsvorbehalt für den Richter, sodass in diesen Fällen Urkundsbeamte die Mitteilung anordnen. Von diesen können keine weitgehenderen juristischen Kenntnisse erwartet werden als von sonstigen behördlichen Amtswaltern.

V. Fazit Die Vorschriften der §§  12 ff. EGGVG gewähren der Verwaltung einen weiten Spielraum. Zwar verfolgte der Gesetzgeber mit der Konstituierung von Mittei­ lungsermächtigungen die Absicht, einer Ausweitung von Datenübermittlungen entgegenzuwirken. Laut Entwurfsbegründung sollte die Begrenzung der zulässi­ gen Mitteilungen auf unbedingt erforderliche Fälle dem Grundsatz der Verhält­ nismäßigkeit Rechnung tragen.212 Dadurch, dass jedoch nicht gesetzlich festge­ schrieben wurde, zwischen welchen Behörden Mitteilungen vorzunehmen sind, wurde die Festlegung wesentlicher Entscheidungen weitgehend der Verwaltung überlassen. Die Mitteilung personenbezogener Daten zwischen verschiedenen Behörden ist ohne Zweifel grundsätzlich sinnvoll und notwendig – etwa um einen unver­ tretbaren Mehraufwand der Verwaltung zu verhindern. Eine Untersuchung der einzelnen Vorschriften der MiZi ergibt, dass die Verwaltungsvorschrift die Mit­ teilungspflichten der Justizverwaltung im Großen und Ganzen rechtmäßig aus­ gestaltet. Zwar muss im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung kritisch hinterfragt werden, ob die Staatsanwaltschaften von der Eröffnung eines Insol­ venzverfahrens ohne das Hinzutreten weiterer Umstände zwingend Kenntnis er­ langen müssen. Da für das Verwaltungshandeln jedoch eine abstrakte Geeignet­ heit der Information für die Zwecke der Empfangsbehörde ausreicht, führt dies noch nicht zur Rechtswidrigkeit der entsprechenden MiZi-Mitteilungspflicht. Anders sieht es hingegen bei Verfahren aus, in denen dem Schuldner die Verwer­ tung seines Vermögens in Eigenverwaltung gewährt wird. In diesem Fall stellt sich die Mitteilungspflicht als unverhältnismäßig dar. Denn hier kommt das In­ solvenzgericht nach einigen Nachforschungen zu dem Schluss, dass sich der Schuldner weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft etwas zu Schulden kommen gelassen hat. In einem solchen Fall ist aber eine behördliche Fiktion 212 

BT-Drs 13/4709, 18.

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2. Kapitel: Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaften

unzulässig, der zufolge die Strafverfolgungsbehörden von diesem Umstand Kenntnis erlangen müssen. Von einer Mitteilungspflicht müsste in den Fällen der Eigenverwaltung daher abgesehen werden. Ähnliches gilt für den Fall der Abweisung mangels Masse. Auch hier hat die Verwaltung die gesetzliche Ermächtigung in teilweise unverhältnismäßiger Wei­ se ausgefüllt. Dies zeigt ein Vergleich mit der in VI/2 normierten Pflicht des Vollstreckungsgerichts, der Staatsanwaltschaft bei bestimmten Schuldnergrup­ pen eine Mitteilung bei einer Eintragung ins Schuldnerverzeichnis zu machen. Die auf die restriktiver formulierten Vorschriften der §§  13 Abs.  2, 17 Nr.  1 ­EGGVG gestützte Regelung belegt, dass die Mitteilung der Verfahrensabwei­ sung nicht zwingend erforderlich ist, wenn sie Personengesellschaften mit natür­ lichem Vollhafter sowie ehemals selbstständig tätige Personen betrifft. Die Belastung des Betroffenen wird zusätzlich dadurch intensiviert, dass an­ dere – für den Schuldner günstige – Verfahrenshandlungen den Staatsanwalt­ schaften nicht mitgeteilt werden. So werden in IX/4 MiZi Übermittlungen hin­ sichtlich „weiterer Entscheidungen im Insolvenzverfahren“ angeordnet. Adres­ sat dieser Mitteilungen sind jedoch nicht die Staatsanwaltschaften. Gemeinsam ist den dort genannten Verfahrenshandlungen, dass sie ein bereits eröffnetes In­ solvenzverfahren voraussetzen. In allen erfassten Fällen ist somit bereits bei Er­ öffnung des Insolvenzverfahrens eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft ge­ mäß der Pflicht nach IX/3 Abs.  1, 3 S.  1 Nr.  3 MiZi erfolgt. Beschließt das Insol­ venzgericht, das Verfahren im Anschluss doch zu beenden – beispielsweise, weil der Eröffnungsgrund weggefallen ist i. S. v. §  212 InsO213 oder der Eröffnungsbe­ schluss gemäß §  34 Abs.  3 InsO aufgehoben wurde214 –, so wird die Staatsanwalt­ schaft hierüber nicht in Kenntnis gesetzt. Insbesondere im letztgenannten Fall wirft die Anordnung der Verwaltung Bedenken auf. Stellt ein Gläubiger einen Eröffnungsantrag gemäß §  13 Abs.  1 InsO und beschließt das Insolvenzgericht daraufhin, das Verfahren zu eröffnen, so kann der Schuldner nach §  34 Abs.  2 InsO sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss einlegen. 215 Dies kann beispielsweise dazu dienen, das fehlende Vorliegen eines Eröffnungsgrun­ des feststellen zu lassen.216 Entscheidet das Insolvenzgericht, den fehlerhaften 213  Abschnitt

IX/4 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 MiZi. IX/4 Abs.  1 S.  1 Nr.  9 MiZi. 215  MüKo/Schmahl/Busch InsO §  34 Rn  71. Hat der Schuldner hingegen selbst den Insol­ venzantrag gestellt kann er jedenfalls die Beschwerde nicht damit begründen, die Eröffnung hätte mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse unterbleiben müssen. Insofern ist er durch die gerichtliche Entscheidung nicht beschwert (BGH NZI 2008, 557). Macht der Schuldner hingegen geltend, dass sich die Sach- und Rechtslage nachträglich verändert hat, etwa weil der Eröffnungsgrund nach dem Antrag weggefallen ist, ist eine Beschwer zu bejahen (OLG Koblenz ZIP 1991, 1604, 1605). 216  BGH NJW 2006, 3553, 3554 f. 214  Abschnitt

B. Anordnung der Verwaltung: Die Mitteilungen in Zivilsachen

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Eröffnungsbeschluss aufzuheben, so hat die Aufhebung rückwirkende Kraft.217 Deshalb ist der Schuldner so zu stellen, als sei niemals ein Verfahren gegen ihn eröffnet worden.218 Das muss auch bedeuten, dass die Staatsanwaltschaft über die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses – und somit über das Entfallen der Strafbarkeitsbedingung gemäß §  283 Abs.  6 StGB – informiert wird, denn nur so kann diese Vorgabe verwirklicht werden.219 Im Sinne des actus-contrarius-Gedanken220 ist zu verlangen, dass die den Eröffnungsbeschluss aufhebende Ent­ scheidung ebenso zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden gelangt wie der ursprüngliche Beschluss. Hierfür bestünde auch die notwendige gesetzliche Grundlage. Denn die rechtskräftige Aufhebungsentscheidung ist gemäß §  34 Abs.  3 S.  1 InsO öffentlich bekanntzumachen, sodass auch eine entsprechende Mitteilung an die Staatsanwaltschaft auf der Ermächtigungsgrundlage des §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG ergehen könnte. Der Umstand, dass als belastend aufge­ fasste Verfahrenshandlungen an die Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden, an­ schließende Korrekturen, die das Strafverfolgungsbedürfnis entfallen lassen könnten, hingegen nicht, stellt eine unverhältnismäßige Ausgestaltung der ge­ setzlichen Ermächtigungsnorm dar.

217 

Baur FS-Weber, 41, 49. Braun/Herzig InsO §  34 Rn  30. 219  So gefordert auch von Braun/Herzig InsO §  34 Rn  29: „Besonders über die Aufhebung in Kenntnis zu setzen sind nach IX. 3. MiZi alle Stellen, die auch von der Eröffnung zu infor­ mieren waren […].“ Ebenso MüKo/Schmahl/Busch InsO §  34 Rn  103: „Die Einschränkung des Adressatenkreises durch Abschnitt XIIa §  4 Abs.  1 Nr.  9, Abs.  3 MiZi (Anm. d. Verf.: a. F., ent­ spricht IX/4 Abs.  1 Nr.  9, Abs.  3) erscheint nicht sachgerecht.“ 220  „Der actus contrarius ist ein Rechtsgeschäft, das das Gegenteil eines früher abgeschlos­ senen bezweckt, i. d. R. dessen Aufhebung.“ (Creifelds Rechtswörterbuch, 23). 218 

3. Kapitel

Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung („Erste Tür“ i. S. d. Doppeltürmodells) Die Ermittlungen wegen Insolvenzdelikten werden im Unterschied zu vielen an­ deren Kriminalitätsfeldern primär von den zuständigen Staatsanwaltschaften ge­ führt und nicht von den Polizeibehörden.1 Grund hierfür sind vor allem die MiZi-Mitteilungen, die unmittelbar bei den Staatsanwaltschaften eingehen. Im Umgang mit den Mitteilungen der Insolvenzgerichte sind regionale Unterschie­ de zu beobachten. So ist es bei einigen Staatsanwaltschaften üblich, zunächst sog. Vorprüfungsverfahren einzuleiten, während andernorts umgehend Js-Ver­ fahren eingetragen werden.2 Die Überprüfung der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für das staats­ anwaltschaftliche Ersuchen erfolgte bis dato wenig diskursiv. Die zu diesem The­ ma dargelegten Ansätze scheinen vor allem von dem Ziel motiviert, die bestehen­ de Ermittlungspraxis zu rechtfertigen. Die konsequente Umsetzung der verfas­ sungsrechtlichen Vorgaben stand bislang weniger im Fokus. Ziel dieser Arbeit ist es, eine rechtsdogmatische Bewertung der Beiziehung und Auswertung der Akten aus dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Betroffenen vorzunehmen. Hieraus sollen allgemeingültige Voraussetzungen entwickelt werden, deren Vor­ liegen Bedingung eines zulässigen Aktenbeiziehungsersuchens ist. Mangels einschlägiger Rechtsprechung wird hierzu auf den in der Literatur vertretenen Ansätzen aufgebaut. Dort findet sich zum einen die Ansicht, Beizie­ hungsersuchen seien als allgemeine Ermittlungsmaßnahmen zulässig bzw. Aus­ druck der zwischenbehördlichen Amtshilfe. Auf Grundlage der Ergebnisse aus dem 1. Kapitel wird herausgearbeitet, welche Vorschrift als taugliche Ermächti­ gungsgrundlage in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen sie ein­ schlägig ist. In der Praxis werden die staatsanwaltschaftlichen Ersuchen hinge­ gen vor allem als sog. Vorermittlungsmaßnahmen qualifiziert, die der Prüfung dienen sollen, ob ein strafprozessualer Anfangsverdacht vorliegt. Die Vornahme von Vorermittlungen kann angesichts der im 1. Kapitel erarbeiteten Grundsätze nur zulässig sein, sofern sich im Gesetz eine Grundlage für solche Maßnahmen 1  2 

Bork/Hölzle/Bittmann HdB Insolvenzrecht Kap.  24 Rn  244. Richter GmbHR 1984, 113, 114.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

findet oder sie im Vergleich zu Ermittlungsmaßnahmen ein milderes Mittel dar­ stellen. Auf Grundlage der in diesem Rahmen erarbeiteten Ergebnisse soll ein eigener Ansatz entwickelt werden. Hierbei wird auf die im 1. und 2. Kapitel zusammen­ getragenen Erkenntnisse zurückgegriffen.

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage I. Eingrenzung der in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen Nicht nur die erstmalige Datenerhebung stellt einen Eingriff in das grundrecht­ lich gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung3 dar, sondern auch die Verwendung von bereits erhobenen Daten für verfahrensfremde Zwe­ cke ist grundrechtsrelevant und damit rechtfertigungsbedürftig.4 Für die Über­ mittlung personenbezogener Daten ist somit der Gesetzesvorbehalt zu beachten.5 Nach dem sog. „Doppeltürmodell“6 des BVerfG gilt das Erfordernis einer Er­ mächtigungsgrundlage sowohl auf der Seite der auskunftserteilenden Stelle (Da­ tenübermittlung) als auch der auskunftsersuchenden Stelle (Datenabruf). Wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Aktenübersendung an das Insol­ venzgericht, so tritt sie als auskunftsersuchende Stelle auf. Im Folgenden ist zu­ nächst einzugrenzen, welche Gesetzesnormen als Ermächtigungsgrundlage für das Ersuchen in Betracht kommen. 1. GG Gemäß Art.  35 GG leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegen­ seitig Rechts- und Amtshilfe. Hierunter wird der Beistand verstanden, den eine staatliche Einrichtung gegenüber einer anderen auf deren Ersuchen hin leistet und durch welche der ersuchenden Behörde die Durchführung ihrer Aufgabe ermöglicht oder erleichtert wird.7 Terminologisch wird hierbei zwischen Rechtsund Amtshilfe unterschieden, abhängig davon, ob es sich bei der ersuchten Handlung um eine richterliche oder um eine nichtrichterliche Tätigkeit handelt.8 Ist eine Handlung dem Richter als rechtsprechende Tätigkeit vorbehalten, ist 3  Art.  2 Abs.  1

i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG; Vgl. die Ausführungen im 1. Kapitel. BVerfGE 65, 1, 46. 5  Vgl. unter 1. Kap. B.III. 6  BVerfGE 130, 151, 184. 7  Hömig/Wolff GG Art.  35 Rn  2. 8  Dreher Amtshilfe, 15 f. 4 

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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deshalb der Begriff der Rechtshilfe zu verwenden, unabhängig davon, ob sie gegenüber einer Behörde oder einem anderen Gericht erbracht wird.9 Nichtrich­ terliche Handlungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden werden dagegen als Amtshilfe bezeichnet.10 Die Erteilung von Auskünften sowie die Aktenbei­ ziehung werden im Allgemeinen als Verwaltungstätigkeit qualifiziert.11 Deshalb wird im Folgenden einheitlich der Begriff der Amtshilfe verwendet.12 Jahrzehntelang wurde die zwischenbehördliche Datenübermittlung ganz über­ wiegend auf die Grundsätze der Amtshilfe gestützt. Vom Gegenstand der Amts­ hilfe sah man auch die Übermittlung von Akten und die Gewährung von Akten­ einsicht umfasst.13 Traditionell wurde die öffentliche Verwaltung als informa­ tionelle Einheit betrachtet, innerhalb derer der Austausch personenbezogener Daten unbegrenzt zulässig war.14 Bedenken gegen diese Praxis gab es nur ver­ einzelt.15 Dies änderte sich mit den Ausführungen des BVerfG im Urteil zum Volkszäh­ lungsgesetz 1983.16 Darin machte der Erste Senat deutlich, dass in der Weiter­ gabe personenbezogener Daten, die anderen Zwecken als dem Erhebungszweck dient, eine Zweckentfremdung liege, vor der ein amtshilfefester Schutz gewährt werden müsse.17 Voraussetzung für mit der Datenübermittlung verbundene Ein­ griffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmungsfreiheit ist dem­ nach das Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Bei Art.  35 Abs.  1 GG handelt es sich lediglich um eine Rahmenvorschrift, die keine Rege­ lungen über die Voraussetzungen oder den Umfang der Amtshilfe enthält und deshalb nicht als Anspruchsgrundlage herangezogen werden kann.18 Erforder­ lich ist deshalb eine Ausgestaltung der konkreten Voraussetzungen und Grenzen durch den einfachen Gesetzgeber.19 9 

Maunz/Dürig GG Art.  35 Rn  3. Maunz/Dürig GG Art.  35 Rn  3. 11  BGH NJW 2015, 610, 611. 12  Streng genommen ist die Amtshilfetätigkeit die Übermittlung der personenbezogenen Daten. Ob auch bereits das Ersuchen um die Übermittlung als Verwaltungstätigkeit und damit als Amtshilfehandlung eingeordnet werden kann, gilt es im Folgenden zu untersuchen. 13  Düwel Amtsgeheimnis, 92 („die Erteilung von Auskünften, die Vorlegung von Urkunden und die Gestattung der Akteneinsicht [sind] die klassischen Anwendungsfälle der Amtshilfe“); Dreher Amtshilfe, 17; BGH NJW 1952, 305, 305 f.; BAG JZ 1961, 121, 122 m. Anm. Schnorr; auch noch Reiß StV 1988, 31, 36. 14  Simitis KritV 83 (2000), 359, 366. 15  So etwa Schwan VerwArch 1975, 120. 16  BVerfGE 65, 1. 17  BVerfGE 65, 1, 46. 18  Zipperer NZI 2002, 244, 245. 19  BeckOK/Epping GG Art.  35 Rn  7. 10 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Für Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft, die eine Einsichtnahme in Akten bzw. die Aktenbeiziehung umfassen, findet sich eine bereichsspezifische Regelung etwa in §§  474 ff. StPO. Diese normieren jedoch lediglich die Voraus­ setzungen der verfahrensübergreifenden Datenübermittlung aus Strafakten. So­ fern eine Strafverfolgungsbehörde Einsicht in Ermittlungsakten nehmen möchte, die eine andere prozessuale Tat betreffen als jene, die ihrem Verfahren zugrunde liegt, so richtet sich dies nach den Vorschriften der §§  474 ff. StPO.20 Für Akten­ einsichtsgesuche in andere Verfahrensakten gilt hingegen die Ermittlungsgene­ ralklausel gemäß §  161 Abs.  1 S.  1 StPO.21 Das Verhältnis zwischen dem Aus­ kunftsverlangen nach §  161 StPO und dem Amtshilfegrundsatz ist umstritten.22 Teilweise wird der Auskunftsanspruch als Konkretisierung der Amtshilfe ver­ standen.23 Jedoch erwachsen aus ihm weitergehende behördliche Pflichten als im Rahmen der Amtshilfe. Auch kann er im Gegensatz zur Amtshilfe Grund­ rechtseingriffe gegen den Bürger rechtfertigen. Dies vermögen Amtshilferege­ lungen als sog. „Innenrecht“ nicht zu leisten. Überwiegend wird §  161 StPO da­ her als selbständige Regelung gesehen, auch wenn diese mit dem allgemeinen Amtshilfegrundsatz in Verbindung stehen soll.24 Nur die letztere Ansicht wird dem Amtsaufklärungsgrundsatz der Strafverfolgungsbehörden gerecht. Sie ist daher vorzugswürdig.25 Die Behandlung des §  161 StPO als taugliche Ermäch­ tigungsgrundlage erfolgt deshalb gesondert im 3. Kapitel. Mitunter wird trotz des soeben Gesagten eine Herleitung eines Aktenaus­ kunftsanspruchs der Staatsanwaltschaft unter Heranziehung der Amtshilfegrund­ sätze erwogen. Hierfür werden die §§  4 ff. VwVfG, §§  3 ff. SGB X, §§  111 ff. AO herangezogen.26 Diese Vorschriften ordnen die Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe für die jeweiligen Verfahren an.27 Insbesondere in den §§  4 ff. ­VwVfG sieht ein Teil des Schrifttums auch die Grundlage des Ersuchens um Einsichtsgewährung in die Insolvenzakten.28 Grundsätzlich gewähren diese ei­

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LR/Hilger Vor §  474 Rn  7. KK/Gieg StPO §  474 Rn  1; KK/Griesbaum StPO §  161 Rn  2; a. A. Reiß StV 1988, 31, 36, der dies der Amtshilfe zuordnet. 22  Eb. Schmidt Lehrkommentar StPO II §  161 Rn  3; Schulz GA 1958, 264, 268. 23  Ostendorf DRiZ 1981, 4, 6; Meyer-Teschendorf JuS 1981, 187, 187 f.; Reiß StV 1988, 31, 35. 24  BVerfGE 57, 250, 282 f.; BGHSt 29, 109, 112; 30, 34, 35; KK/Griesbaum StPO §  161 Rn  2; LR/Erb StPO §  161 Rn  5. 25  Unter 3. Kap. A.I.6. 26  Wilde BayVBl 1986, 230, 230. 27  Rein FS-Vallender, 471, 477. 28  Aufgeworfen, jedoch umgehend abgelehnt von Rein FS-Vallender, 471, 484 f.; Allgemein BeckOK/Epping GG Art.  35 Rn  7. Die Vorschriften des SGB sowie der AO sind für den Um­ gang der Daten aus dem Insolvenzverfahren dagegen bereits inhaltlich nicht einschlägig. 21 

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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nen Anspruch auf Informations- und Datenweitergabe.29 Bei dem VwVfG han­ delt es sich jedoch um ein Querschnittsgesetz, das die verfassungsrechtlichen Anforderungen, namentlich die bereichsspezifische Regelung, für eine Zweck­ entfremdung von Daten nicht erfüllt.30 Die Weitergabe personenbezogener Daten auf Basis der §§  4 ff. VwVfG darf deshalb nur für den Zweck erfolgen, für den die Daten ursprünglich erhoben wurden. Die Regelungen sind hingegen nicht geeignet, die sachliche Zuständigkeit der ersuchenden Behörde zu überwinden.31 Eine Berechtigung der Behörde zum Ersuchen besteht nur im Hinblick auf ihre örtliche Unzuständigkeit.32 Zudem gelten die Vorschriften wegen §  1 Abs.  3 ­VwVfG nur für das Verhältnis verschiedener Bundesbehörden, nicht jedoch für Landesbehörden.33 Insbesondere gelten sie nicht für Auskunftsersuchen der Straf­gerichte und der Staatsanwaltschaften, da diese in der StPO bundeseinheit­ lich geregelt sind.34 Sind die Befugnisse einer Behörde aber klar geregelt, so darf sie diese nicht im Wege der Amtshilfe durch Inanspruchnahme einer anderen Behörde umgehen.35 Schließlich bestimmt §  7 Abs.  1 VwVfG lediglich, dass sich die Zulässigkeit der Maßnahme, die durch die Amtshilfe verwirklicht werden soll, nach dem für die ersuchende Behörde, sowie dass sich die Durchführung der Amtshilfe nach dem für die ersuchte Behörde geltenden Recht richtet. Eine eigenständige Grundlage für die Durchführung der Amtshilfe ergibt sich hieraus jedoch nicht.36 Wiederum andere wollen zur Konturierung der Amtshilfe auf „allgemeine Grundsätze“ zurückgreifen.37 Amtshilfe müsse gesetzmäßig sein, d. h. Voraus­ setzung des Aktenübermittlungsgesuchs sei es, dass die ersuchten Informationen zu dem verfolgten Zweck eingesetzt werden dürften.38 Das Ersuchen müsse dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, also geeignet, erforderlich und angemessen sein.39 Dieser Ansatz ist angesichts der strengen Vorgaben des BVerfG zur Weitergabe personenbezogener Daten jedoch nicht haltbar. Er miss­ achtet die spätestens seit dem Volkszählungsurteil feststehenden Grundsätze der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für Grundrechtseingriffe gegen den 29 

Schlink NVwZ 1986, 249, 254. Schlink NVwZ 1986, 249, 254. 31  Schlink NVwZ 1986, 249, 254; Obermayer/Funke-Kaiser/Hoffmann/Hug VwVfG §  5 Rn  9; Knack/Henneke/Schliesky VwVfG Vor §  4 Rn  1. 32  Schlink NVwZ 1986, 249, 254. 33  HK-VerwR/Kastner §  4 VwVfG Rn  10. 34  BGH NJW 1981, 1052, 1052. 35  BeckOK/Epping GG Art.  35 Rn  8. 36  OLG Düsseldorf, Beschluss v. 6.10.2015 – I-3 VA 2/09. 37  Andres/Leithaus InsO §  4 Rn  16; Zipperer NZI 2002, 244, 245. 38  Zipperer NZI 2002, 244, 245. 39  Andres/Leithaus InsO §  4 Rn  16. 30 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Bürger. Hierbei muss es sich um eine bereichsspezifische Norm mit einem präzi­ se bestimmten Verwendungszweck handeln. Die Staatsanwaltschaften können sich bei Ersuchen gegenüber den Insolvenz­ gerichten um Übersendung der Verfahrensakten folglich nicht auf den Grundsatz der Amtshilfe berufen. Eine bereichsspezifische Ausgestaltung dieses Grundsat­ zes findet sich lediglich für die Einsichtnahme in Strafakten aus anderen Straf­ verfahren (§§  474 ff. StPO). Eine entsprechende Regelung für Zivilverfahrens­ akten existiert hingegen nicht. Die Staatsanwaltschaften sind gemäß §  31 Abs.  1 BVerfGG an die Vorgaben des BVerfG im Volkszählungsurteil gebunden. Ohne eine entsprechende bereichsspezifische Regelung dürfen die Staatsanwaltschaf­ ten deshalb im Wege der Amtshilfe keine Grundrechtseingriffe vornehmen. 2. ZPO Ein Aspekt, der im Volkszählungsurteil des BVerfG besonders hervorgehoben wurde, ist das Erfordernis bereichsspezifischer Regelungen für die Übermittlung personenbezogener Daten.40 Nur diese gewährleisten eine konsequente Beach­ tung der Besonderheiten des jeweiligen Anwendungsbereiches.41 Die Nähe be­ reichsspezifischer Regelungen zu ihrem Regelungsgegenstand erhöht die Wirk­ samkeit für den Datenschutz.42 Sofern es um die Einsicht in Akten aus einem Strafverfahren geht, finden sich deshalb detaillierte Regelungen in den §§  474 ff. StPO. Bei diesen handelt es sich teilweise – so etwa in §§  474 Abs.  2 S.  1 Nr.  2, 479 StPO – um Vorgaben für die Übermittlung von Amts wegen. Insofern stellen sie eine Ergänzung zu den §§  12 ff. EGGVG dar.43 Größtenteils regeln die Vor­ schriften jedoch die Mitteilung personenbezogener Daten auf Ersuchen.44 Sie bestimmen somit, ob Gerichte, Staatsanwaltschaften oder andere Justizbehörden Einblick in die Akten der für das jeweilige Verfahren zuständigen Staatsanwalt­ schaft nehmen dürfen. Richtet sich die Einsichtnahme in Strafakten nach den Vorschriften der StPO, so wäre zu erwarten, dass sich parallele Regelungen für Zivilakten in der ZPO oder in den speziellen Verfahrensordnungen finden. Die Insolvenzordnung selbst enthält keine vergleichbaren Bestimmungen über Ak­ ten­einsichtsrechte. Gemäß §  4 InsO finden im Insolvenzverfahren, vorbehaltlich abweichender Regelungen, die Vorschriften der ZPO entsprechende Anwen­ dung. Die einzige Vorschrift, die dort eine Regelung zum Zugriff auf Prozess­ akten enthält, ist §  299 ZPO. Diese gewährt in Abs.  1 den Prozessparteien ein 40 

BVerfGE 65, 1, 46; Vgl. hierzu bereits 1. Kap. A.III.2. Simitis KritV 83 (2000), 359, 372. 42  Simitis CR 1987, 602, 603. 43  KK/Gieg StPO §  474 Rn  1. 44  SK/Weßlau StPO §  474 Rn  5. 41 

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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umfassendes Informationsrecht. Das Akteneinsichtsrecht nicht am Prozess betei­ ligter Personen wird in Abs.  2 geregelt. Dieser bindet die Einsichtnahme an die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses. Fraglich ist, ob die Staatsanwaltschaft ein entsprechendes rechtliches Interesse geltend machen kann, um über §  299 Abs.  2 ZPO Einsicht in die Insolvenzakten zu nehmen. Dies würde voraussetzen, dass die Vorschrift auch gegenüber Behör­ den Anwendung findet. Dagegen spricht zunächst der Wortlaut der Norm, der von „dritten Personen“ spricht und daher nahelegt, dass ein entsprechendes Ak­ teneinsichtsrecht nur für Naturalpersonen gewährt wird. Denn der Begriff der „Person“ passt nicht auf hoheitlich auftretende Behörden, die vielmehr als „Stel­ len“ die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§  1 Abs.  4 ­VwVfG).45 Zudem geht §  299 Abs.  2 ZPO von einem Unterordnungsverhältnis zwischen dem ersuchtem Gericht und der Einsicht erbittenden Person aus. Dieses passt nicht zu dem gegenüber Behörden bestehenden Gleichrangigkeitsverhältnis.46 §  299 Abs.  2 ZPO kann daher keine Anwendung finden auf nicht am Verfahren beteiligte Behörden, sondern regelt ausschließlich die Akteneinsicht privater Dritter.47 3. EGGVG In der Folge des Volkszählungsurteils48 des BVerfG vom 15. Dezember 1983 musste die Praxis der behördlichen Mitteilungen von Amts wegen auf eine ge­ setzliche Grundlage gestellt werden. Dies führte zur Neueinführung der §§  12 ff. EGGVG im Rahmen des Justizmitteilungsgesetzes.49 Diese bilden seitdem den gesetzlichen Rahmen für die durch die „Anordnung über Mitteilungen in Zivil­ sachen“ ausgestalteten MiZi-Mitteilungen der Insolvenzgerichte an die zuständi­ gen Staatsanwaltschaften.50 Obwohl die Vorschriften gemäß §  12 Abs.  1 S.  1 EGGVG ausdrücklich nur für die Übermittlung personenbezogener Daten von Amts wegen gelten, wird hierin vereinzelt die Ermächtigungsgrundlage der Staatsanwaltschaft für das Beizie­ hungsersuchen und die anschließende Auswertung der Insolvenzakten gese­ hen.51 Die §§  12 ff. EGGVG sollen danach analoge Anwendung finden auf Fälle, in denen es um eine Datenübermittlung auf Ersuchen geht. Dagegen ist einzu­ 45 

Holch ZZP 87 (1974), 14, 17. Holch ZZP 87 (1974), 14, 17; Rein FS-Vallender, 471, 474; Dörner NZA 1989, 950, 952. 47  BVerfG NJW 2015, 610, 611; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 6.10.2015 – I-3 VA 2/09; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1871, 1872; Rein NJW-Spezial 2012, 213, 213. 48  BVerfGE 65, 1. 49  Ausführlich bereits unter 2. Kap. A. 50  Zu diesen vgl. 2. Kap. B. 51  Bittmann/Bittmann Insolvenzstrafrecht §  1 Rn  11. 46 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

wenden, dass sauber zu trennen ist zwischen der Ermächtigungsgrundlage für die Akteneinsichtsersuchen der Staatsanwaltschaften einerseits und der gesetzlichen Grundlage für die Datenübermittlung seitens der Insolvenzgerichte andererseits. Die Regelungen des EGGVG betreffen die Sphäre der übermittelnden Stelle als Primärnutzerin der Daten, im vorliegenden Fall also die Insolvenzgerichte. Selbst einer analogen Anwendung der Übermittlungsvorschriften des EGGVG ließe sich daher keine Befugnis der Staatsanwaltschaften entnehmen, gegenüber (Insolvenz)gerichten ein Ersuchen um Akteneinsicht zu stellen. An anderer Stelle wird vorgeschlagen, die Anfrage seitens einer Behörde als Anregung gegenüber der ersuchten Stelle auszulegen.52 Die anschließende Über­ mittlung erfolge dann wiederum von Amts wegen auf der Grundlage der §§  12 ff. EGGVG.53 Welche rechtliche Qualität eine solche „Anregung“ haben soll, wird jedoch nicht näher spezifiziert. Diese Konstruktion verkennt, dass bereits das Ersuchen um Akteneinsicht einer einfach-gesetzlichen Grundlage bedarf.54 Eine – rechtlich nicht fassbare – behördliche „Anregung“ erfüllt dieses Kriterium nicht. Eine solche Lösung passt zudem bereits aus systematischer Sicht nicht zu dem detaillierten Regelwerk der §§  12 ff. EGGVG. Der Gesetzgeber hat genaue Voraussetzungen formuliert, bei deren Vorliegen die Übermittlung personenbe­ zogener Daten von Amts wegen zulässig ist. Würde man anerkennen, dass eine bloße Anregung seitens einer Behörde den Anwendungsbereich der §§  12 ff. ­EGGVG eröffnen könnte, so würde man das System dieser Vorgaben aushebeln. 4. Datenschutzgesetze Im Frühjahr 2018 gab es zahlreiche Neuerungen auf dem Gebiet des Datenschut­ zes. So trat zum 25. Mai 2018 die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) in Kraft55 und löste damit die über 20 Jahre alte Datenschutzrichtlinie (DSRL) 95/46/EG ab.56 Kern der DS-GVO ist die Gewährleistung des Schutzes natürli­ cher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten.57 Sie findet Anwendung, sofern es um die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung sowie um die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten geht, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen (Art.  2 Abs.  1 DS-GVO). Vom Anwendungsbereich der DS-GVO hingegen explizit aus­ genommen ist gemäß Art.  2 Abs.  2 lit.  d DS-GVO die Verarbeitung personen­ 52 

Kissel/Mayer GVG §  12 EGGVG Rn  18. Kissel/Mayer GVG §  12 EGGVG Rn  18. 54  Vgl. 1. Kap. B.II.1.b)aa), III.2. 55  Verordnung (EU) 2016/679, ABl. Nr. L 119/1, ber. ABl. Nr. L 314/72 und ABl. 2018 Nr. L 127/2. 56  Kühling/Buchner/Raab DS-GVO BDSG Einf Rn  1. 57  Verordnung (EU) 2016/679, EWG 1. 53 

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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bezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten. Der Schutz bei Daten­ verarbeitungen zu diesen Zwecken wird in der Richtlinie zur Datenverarbeitung im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit (DSRL-JI)58 ge­ regelt.59 Bei Behörden, die für die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Ver­ folgung von Straftaten zuständig sind, ist eine Abgrenzung der DS-GVO zur DSRL-­JI daher nach dem Zweck der Datenverarbeitung vorzunehmen.60 Der Anwendungsbereich der DS-GVO ist bei Datenverarbeitungen durch die Polizei oder andere Strafverfolgungsbehörden eröffnet, sofern sie auf andere Zwecke als die in der DSRL-JI geregelten abzielt.61 In einigen Landesdatenschutzgesetzen62 wurde diese Abgrenzung dadurch vorgenommen, dass die ausführenden Bestim­ mungen zur DS-GVO für die Behörden der Staatsanwaltschaften nur gelten, so­ weit diese Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.63 Bei dem Ersuchen um Übersendung der Insolvenzakten handelt es sich mate­ riell um staatsanwaltschaftliche Ermittlungstätigkeit. Dies stellt daher eine Ver­ arbeitung personenbezogener Daten dar, die in den Anwendungsbereich der DSRL-­JI fällt. Als europäische Richtlinie hat diese keine unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten, sondern bedarf einer Umsetzung durch den nationalen Ge­ setzgeber.64 Da es sich bei den Staatsanwaltschaften um öffentliche Stellen des Landes handelt, ist der Landesgesetzgeber zuständig. Eine Ermächtigung für das staatsanwaltschaftliche Ersuchen müsste somit den jeweiligen Landesdaten­ schutzgesetzen entnommen werden. Mit Ausnahme von Baden-Württemberg, Hamburg, dem Saarland und Sachsen-Anhalt haben die Bundesländer die DSRL-­ JI bereits umgesetzt. Die Umsetzung erfolgte überwiegend zusammen mit den Anpassungen an die DS-GVO im Rahmen neu erlassener Datenschutzgesetze.65 58 

Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. Nr. L 119/89, ber. ABl. 2018 Nr. L 127/9. 59  Kühling/Buchner/Raab DS-GVO BDSG Art.  2 DS-GVO Rn  29. 60  Richtlinie (EU) 2016/680, EWG 11. 61  Richtlinie (EU) 2016/680, EWG 12. 62  Auf die Vorschriften des BDSG kann für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder nicht zurückgegriffen werden, da alle Länder eigene Da­ tenschutzgesetze erlassen haben. 63  §  2 Abs.  1 S.  3 Nr.  3 LDSG BW; §  2 Abs.  4 BlnDSG; §  2 Abs.  1 S.  2 HS 1 BbgDSG; §  2 Abs.  3 DSG M-V; §  1 Abs.  2 NDSG; §  5 Abs.  4 DSG NRW; §  2 Abs.  2 i. V. m. §  26 Abs.  1 LDSG RLP; §  2 Abs.  1 S.  4 SDSG; §  2 Abs.  1 S.  1 SächsDSDG i. V. m. Art.  2 Abs.  2 lit.  d ­DS-GVO; §  2 Abs.  2 S.  1 LDSG SH; §  2 Abs.  10 ThürDSG. 64  Streinz/Schroeder EUV/AEUV Art.  288 AEUV Rn  53. 65  Dagegen sollen in Bremen entsprechende Vorschriften in den Fachgesetzen verankert

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Der Großteil der landesrechtlichen Regelungen enthält im Anwendungsbereich der DSRL-JI jedoch keine eigene Ermächtigungsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Eine solche findet sich ausschließlich in Niedersach­ sen (§  25 Abs.  1 NDSG), Rheinland-Pfalz (§  28 Abs.  1 LDSG RLP), Sachsen (§§  4 Abs.  1, 13 Abs.  1 SächsDSG), Schleswig-Holstein (§  23 Abs.  1 LDSG SH) und Thüringen (§  33 Abs.  1 ThürDSG). In den anderen Bundesländern kann das Ersuchen um Akteneinsichtsgewährung gegenüber den Insolvenzgerichten be­ reits aus diesem Grund nicht auf die Landesdatenschutzgesetze gestützt werden. Zwar enthalten beinahe alle Datenschutzgesetze der Länder Vorschriften, die eine Verarbeitung „zu anderen Zwecken als zu demjenigen, zu dem sie erhoben wurden“ regeln.66 Diese bilden jedoch keine Ermächtigung für das Ersuchen um Daten, die in Insolvenzverfahren erhoben wurden. Denn sie erfassen lediglich Konstellationen, in denen bereits die Erhebung zum Zwecke der Verhütung, Er­ mittlung, Aufdeckung, Verfolgung oder Ahndung von Straftaten erfolgt ist. „Zu einem anderen Zweck“ meint ausschließlich die Konstellation, dass die Verarbei­ tung zu einer anderen Variante der fünf genannten Zwecke als die Erhebung er­ folgen soll.67 Es bleibt damit zu untersuchen, ob die Staatsanwaltschaften in den fünf ge­ nannten Bundesländern ihre Ersuchen um Übermittlung der Insolvenzakten auf die jeweils für sie geltenden Datenschutzgesetze stützen können. Der Zweck der Verarbeitung i. S. d. DSRL-JI bestünde in diesem Fall in der „Ermittlung“ bzw. „Aufdeckung von Straftaten“. Es ist Aufgabe der Länder, den Schutz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch ihre öffentlichen Stellen zu ge­ währleisten.68 Die Normierung von Verarbeitungsregeln steht den Ländern in diesem Bereich deshalb grundsätzlich zu. Davon zu unterscheiden ist es jedoch, wenn durch datenschutzrechtliche Vorschriften zusätzliche Befugnisse der Staatsanwaltschaften zur Datenverarbeitung begründet würden. Denn es ist zu beachten, dass die Staatsanwaltschaften bei ihrer Tätigkeit – obwohl sie öffent­ liche Stellen der Länder sind – Bundesrecht anwenden. Ihre Ermittlungsbefug­ nisse sind in den Vorschriften der StPO geregelt. Dort sind auch die Vorausset­ zungen normiert, unter denen Daten aus anderen Verfahren (§  161 Abs.  1 S.  1 werden. Sachsen erließ ein Datenschutzgesetz, das rein der Umsetzung der Richtlinie dient, während die Anpassungen an die DS-GVO in einem Durchführungsgesetz vorgenommen wur­ den (SächsDSDG). 66  §  3 Abs.  1 LDSG BW i. V. m. §  49 BDSG, Art.  29 Abs.  1 BayDSG, §  34 BlnDSG, §  44 HDSG, §  25 Abs.  4 NDSG, §  39 DSG NRW, §  30 Abs.  1 LDSG RLP, §  13 Abs.  2 SächsDSG, §  25 LDSG SH, §  33 Abs.  2 ThürDSG. 67  Zur entsprechenden bundesgesetzlichen Regelung Kühling/Buchner/Schwichtenberg DS-GVO BDSG §  49 BDSG Rn  2. 68  BeckOK/Wagner DatenSR BDSG 2003 [aK] Landesdatenschutz Rn  57.

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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StPO für Zivilverfahren, §§  474 ff. StPO für Strafverfahren) angefordert werden dürfen. Sofern durch ein Landesdatenschutzgesetz die Befugnis der Staatsan­ waltschaft zur Verarbeitung personenbezogener Daten erweitert würde, würde es sich hierbei nicht um eine rein datenschutzrechtliche, sondern – schwerpunkt­ mäßig – um eine strafverfahrensrechtliche Regelung handeln.69 Auf dem Gebiet des Strafverfahrensrechts besteht eine konkurrierende Gesetzgebungszuständig­ keit des Bundes i. S. v. Art.  74 Abs.  1 Nr.  1 GG.70 In diesem Bereich haben die Länder gemäß Art.  72 Abs.  1 GG eine Befugnis zur Gesetzgebung nur, sofern und solange der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Ge­ setz Gebrauch gemacht hat. Dies hat der Bundesgesetzgeber durch die Vorschrif­ ten der StPO und des GVG jedoch getan.71 Die landesdatenschutzrechtlichen Regelungen können deshalb allenfalls subsidiär angewendet werden. Aufgrund der bestehenden strafprozessualen Regelungen kann ihnen keine eigenständige Ermächtigungsgrundlage für das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenein­ sicht entnommen werden. Im Geltungsbereich der StPO besteht für die Landes­ gesetzgeber kein Raum, durch landesgesetzliche Datenschutzregelungen die Befugnisse ihrer Staatsanwaltschaften zur Verarbeitung personenbezogener Da­ ten zu erweitern. 5. GVG Es könnte erwogen werden, die Beiziehung der Insolvenzakten durch die Staats­ anwaltschaft als Rechtshilfe i. S. d. §  156 GVG auszulegen. Danach haben sich die Gerichte in Zivil- und Strafsachen gegenseitig Rechtshilfe zu leisten. Für das Verhältnis der Staatsanwaltschaft zu den Insolvenzgerichten passen die Vor­ schriften über die Rechtshilfe jedoch nicht. Strafverfolgungsbehörden lassen sich nicht unter den Begriff des „Gerichts“ im Sinne der Norm subsumieren.72 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Staatsanwaltschaften eine maßgebliche Funktion auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Straf­ sachen innehaben. Ihre Zuständigkeit auf diesem Bereich ergibt sich nicht aus den Vorschriften des GVG, sondern aus dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG). Dieses überträgt den Staatsanwaltschaften etwa in §§  13, 50 IRG die sachliche Zuständigkeit für die Vorbereitung bzw. Durchführung bestimmter Rechtshilfehandlungen. Dies lässt jedoch nicht den Rückschluss zu, dass Staatsanwaltschaften unter den Begriff des „Gerichts“ i. S. v. §  156 GVG fallen. 69 

Ähnlich auch Riegel GS-Meyer, 351, 362. Hömig/Wolff/Schnapauff GG Art.  74 Rn  2. 71  LR/Kühne StPO Einl. Abschn. C. Rn  3. 72  Kissel/Mayer GVG §  156 Rn  48. 70 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

6. StPO Damit die Strafverfolgungsbehörden nach Erhalt einer MiZi-Mitteilung im Rahmen ihrer Ermittlungsbefugnisse die Insolvenzgerichte um Übersendung der Akten des Insolvenzverfahrens ersuchen dürften, müsste sich diese Maßnahme auf eine der Ermächtigungsnormen der StPO stützen lassen. Intensive Grundrechtseingriffe set­ zen dabei eine spezielle Eingriffsermächtigung voraus.73 Ermittlungsmaßnahmen von geringerer Eingriffsqualität finden ihre Ermächtigung hingegen in der „Ermitt­ lungsgeneralklausel“74 des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO.75 Hiernach wird der Staatsan­ waltschaft die Befugnis verliehen, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse gesondert regeln. Ermittlungen auf Grundlage des §  161 Abs.  1 StPO sind somit auch zulässig, wenn mit ihnen ein geringer Grund­ rechtseingriff einhergeht.76 Der in §  161 StPO geregelte Auskunftsanspruch umfasst auch das Recht der Staatsanwaltschaft, Akteneinsicht sowie Aktenvorlage zu ver­ langen.77 Dies folgt daraus, dass die Staatsanwaltschaften befugt sind, Informatio­ nen anderer öffentlicher Stellen einzuholen. Sofern diese in Akten enthalten sind, ist mit diesem Recht notwendig der Zugriff auf den jeweiligen Akteninhalt verbun­ den.78 Die Beiziehung von Akten lässt sich zudem unter die Modalität der „Ermitt­ lungen jeder Art“ subsumieren.79 Unter der Voraussetzung, dass das Insolvenzge­ richt als Behörde im Sinne der Vorschrift eingeordnet werden kann, wäre die Staats­ anwaltschaft bei Vorliegen der Voraussetzungen des §  161 StPO – insbesondere des Anfangsverdachtes80 – demnach zur Beiziehung der Insolvenzakten befugt. Eine Legaldefinition des Begriffs der „Behörde“ findet sich in der StPO nicht. Gemeint sind alle deutschen Behörden i. S. v. §  1 Abs.  4 VwVfG.81 Auskunft kann demnach von allen Organen der inländischen Staatsgewalt verlangt wer­ den, die dazu berufen sind, unter öffentlicher Autorität für die Zwecke des Staa­ tes tätig zu werden.82 Hierzu zählen auch die Gerichte.83 Dies ergibt sich aus dem 73 

BGH NStZ 2007, 279, 281. Hilger NStZ 2000, 561, 563. 75  Nicht einschlägig sind hingegen die §§  474 ff. StPO, da in diesen nur die Befugnis zur Weitergabe von Informationen aus Strafakten geregelt ist, vgl. SK/Weßlau StPO Vor §  474 Rn  1. 76  Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  161 Rn  1. 77  LR/Erb StPO §  161 Rn  6. 78  LR/Erb StPO §  161 Rn  6. 79  LR/Erb StPO §  161 Rn  35. 80  MüKo/Kölbel StPO §  161 Rn  2. 81  MüKo/Kölbel StPO §  161 Rn  24. 82  SK/Wohlers/Greco StPO §  96 Rn  8. 83  SK/Wohlers/Greco StPO §  96 Rn  8. 74 

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Zweck der Vorschrift und gilt selbst bei Ausübung rechtsprechender Tätigkeit.84 Die Erteilung von Auskünften – auch aus laufenden Verfahren – gegenüber Drit­ ten ist jedoch nicht dem traditionellen Kern der Rechtsprechung zuzurechnen, sondern stellt Verwaltungstätigkeit dar.85 Insolvenzgerichte sind demnach taug­ liche Adressaten des staatsanwaltschaftlichen Auskunftsanspruchs. Diese Befugnis besteht jedoch nur, sofern bereits ein Anfangsverdacht i. S. d. §  152 Abs.  2 StPO begründet ist.86 Der Begriff des Anfangsverdachtes ist nicht gesetzlich definiert. Er wird allgemein als gegeben betrachtet, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der zu untersuchende Lebens­ sachverhalt eine Straftat enthält.87 Zur Bejahung des Anfangsverdachts muss die Möglichkeit einer späteren Verurteilung bestehen, wobei insbesondere der Nach­ weis der Tatbegehung mit prozessual zulässigen Beweismitteln möglich sein muss und keine Verfahrenshindernisse vorliegen dürfen.88 Der Anfangsverdacht bildet somit eine Größe von erheblicher Verfahrensrelevanz. Zum einen ist an diese initiale Verdachtsstufe das Legalitätsprinzip gebunden, welches die Staats­ anwaltschaft zum Einschreiten verpflichtet.89 Zum anderen kommt dem An­ fangsverdacht eine Begrenzungsfunktion zu.90 Durch das Erfordernis einer ge­ wissen Verdachtsschwelle soll der Bürger vor unnötigen, unbegründeten oder unangemessenen – mithin willkürlichen – Übergriffen geschützt werden.91 Im insolvenzstrafrechtlichen Schrifttum finden sich wirtschaftskriminologi­ sche Begründungsansätze, nach denen jedenfalls Insolvenzfälle bei juristischen Personen in der Regel von Straftaten begleitet würden. Kriminologische Ansätze stützen sich auf empirische Beobachtungen strafrechtlich beurteilter bzw. zu be­ urteilender Geschehensabläufe sowie auf die Bedingungen und Prozesse der strafrechtlichen Beurteilung.92 Sie stellen dabei u. a. darauf ab, die Gründe und Wirkungszusammenhänge einer Straftatbegehung zu erforschen. Begründet wird die These im Hinblick auf die gemäß §  15a Abs.  1 InsO bestehende Pflicht zur Stellung eines Eröffnungsantrages spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zah­ lungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens. In Fällen, in denen das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag des antragspflichtigen Schuldners man­ gels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse ablehne, sei stets der Anfangs­ 84 

LR/Erb StPO §  161 Rn  11. BVerfG NJW 2015, 610, 610 f. 86  MüKo/Kölbel StPO §  161 Rn  1. 87  BGH NStZ 1994, 499, 500. 88  MüKo/Peters StPO §  152 Rn  35. 89  Fincke ZStW 95 (1983), 918, 924. 90  Wölfl JuS 2001, 478, 479. 91  MüKo/Peters StPO §  152 Rn  34. 92  Eisenberg/Kölbel Kriminologie §  1 Rn  13. 85 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

verdacht einer Insolvenzverschleppung gegeben.93 Es sei nahezu ausgeschlos­ sen, dass ein gesundes Unternehmen innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Drei-Wochen-Frist zu völliger Masselosigkeit gelangen könne.94 Darüber hinaus wird – ohne nähere Begründung – teilweise ein entsprechender Anfangs­verdacht auch für Konstellationen konstatiert, in denen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Von einer verspäteten Insolvenzanmeldung sei bei Insolvenzen juristi­ scher Personen ganz allgemein auszugehen.95 Daneben werden kriminalistische Erfahrungssätze herangezogen, um das Be­ stehen eines Anfangsverdachts zu begründen.96 Im Gegensatz zu kriminologi­ schen Erklärungen betrachtet dieser Ansatz die Begehung von Straftaten nicht „von innen“ heraus, sondern nimmt die Methoden der Aufklärung, Beweissiche­ rung und Täterermittlung in den Blick.97 Sie berücksichtigt dabei die Ermitt­ lungserfahrungen von Polizei und Staatsanwaltschaften. Die Methoden können danach abgegrenzt werden, dass die Kriminologie eine generelle Erklärung in den Blick nimmt, wohingegen die Kriminalistik auf die fallkonkrete Aufklärung abzielt.98 Auch unabhängig vom Bestehen einer gesetzlichen Antragsverpflich­ tung setzen sich Unternehmen nach vereinzelt vertretener Auffassung dem Ver­ dacht einer Straftat aus. Weyand/Diversy attestieren Firmeninsolvenzen ohne Straftaten Ausnahmecharakter.99 Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat sollen demnach auch bei Insolvenzen von Personengesellschaften und Einzelkaufleuten vorliegen. Folgte man einer solchen Argumentation, würde demnach die bei der Staatsanwaltschaft eingehende Mitteilung des Insolvenzge­ richts über die Eröffnung bzw. Abweisung eines Eröffnungsverfahrens genügen, um einen Anfangsverdacht zu bejahen. Diese Auffassung ist jedoch mitnichten unbestritten. Gegen sie wird eingewandt, dass nicht allein aufgrund des der Staatsanwaltschaft bekannt gewordenen Umstan­ des, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet bzw. nicht eröffnet wurde, der Anfangs­ verdacht eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts begründet werden könne.100 93  Richter wistra 2000, 1, 5; Weyand ZInsO 2001, 108, 109; Bittmann/Bittmann Insolvenz­ strafrecht §  1 Rn  12; Haas Vorermittlungen und Anfangsverdacht, 55; im konkreten Fall einer GmbH-Insolvenz auch LG Stuttgart wistra 2000, 439, 439. 94  Richter wistra 2000, 1, 5; Weyand ZInsO 2001, 108, 109. 95  Richter wistra 2000, 440, 440; Weyand ZInsO 2001, 108, 109; Haarmeyer FS-Carl-Hey­ manns, 303, 304. 96  LG Stuttgart wistra 2000. 439, 439; Richter wistra 2000, 1, 5; 440, 440; Weyand ZInsO 2001, 108, 109; Weyand ZInsO 2016, 441, 443. 97  Ackermann et al. Kriminalistik 2000, 595, 596. 98  Eisenberg/Kölbel Kriminologie §  1 Rn  26. 99  Weyand/Diversy Insolvenzdelikte Rn  3. 100  Senge FS-Hamm, 701, 709; Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417; BeckOK/Ebner StPO MiZi Allg/5 Rn  5.

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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Zwar sei die Schwelle des Anfangsverdachts äußerst niedrig anzulegen, sie müsse aber gleichsam auf dem Boden liegen, um allein aufgrund des Erhalts der MiZi-­ Mitteilung des Insolvenzgerichts den Verdacht strafbaren Verhaltens anzuneh­ men.101 In den betreffenden Situationen bestehe lediglich die konkrete Möglichkeit eines Verdachts. Dies erfülle jedoch nicht die Voraussetzungen des §  161 StPO.102 Die MiZi-Mitteilung gebe nur Auskunft darüber, dass ein Eröffnungsantrag gestellt wurde und ein Eröffnungsgrund gegeben ist.103 Das Vorliegen eines Eröffnungs­ grundes sei jedoch nicht per se strafbar.104 Jedenfalls wenn das Insolvenz­gericht die Eröffnung des Verfahrens beschließe, könne nicht bereits aus der Meldung auf den Anfangsverdacht einer Insolvenzverschleppung geschlossen werden.105 Dies sei allenfalls zulässig, wenn sich der Mitteilung konkrete Hinweise des Insolvenz­ gerichts auf möglicherweise begangene Straftaten entnehmen ließen.106 Nament­ lich könne dies in den Fällen des §  13 Abs.  2 i. V. m. §  17 Nr.  1 EGGVG angenom­ men werden, in denen das Insolvenzgericht durch die MiZi-Mitteilung zum Aus­ druck bringt, dass es die Kenntnis der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten für erforderlich hält.107 Zudem wird Kritik an der Zugrundelegung „kriminalistischer Erfahrungssätze“ geübt. Kriminalistische Hypothesen könnten für die Annahme eines Anfangs­ verdachtes nicht ausreichen.108 Zu unklar sei die Abgrenzung zu bloßen Vermu­ tungen. Auf diese kann anerkanntermaßen die Begründung zureichender tatsäch­ licher Anhaltspunkte nicht gestützt werden.109 Neben der begrifflichen Unbe­ stimmtheit seien solche Erfahrungssätze mit Blick auf §  152 Abs.  2 StPO nicht geeignet, da sie lediglich Aussagen über eine statistische Wahrscheinlichkeits­ prognose machten.110 Dies erfülle nicht das Kriterium der „konkreten Tatsachen“. Die Vorschrift des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO gewährt den Strafverfolgungsbehör­ den – insbesondere den Staatsanwaltschaften, bei denen die MiZi-Mitteilungen eingehen – demnach die Befugnis, die Insolvenzgerichte um Übersendung der Insolvenzakten zu ersuchen und diese auszuwerten. Das Vorgehen nach der Er­ mittlungsgeneralklausel setzt jedoch insbesondere das Vorliegen eines strafpro­ 101 

Groß FS-Dahs, 249, 260. Groß FS-Dahs, 249, 260. 103  Diversy ZInsO 2005, 180, 182. 104  Diversy ZInsO 2005, 180, 182. 105  Diversy ZInsO 2005, 180, 182. 106  Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1787; weniger restriktiv Haas Vorermittlungen und Anfangsverdacht, 54 f. 107  Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1787. 108  Diversy ZInsO 2005, 180, 181; Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1787; Putzke/ Scheinfeld1 Strafprozessrecht, 24; KK5/Schoreit StPO §  152 Rn  31. 109  BVerfGE 115, 166, 197; NJW 2014, 3085, 3087; Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  152 Rn  4. 110  Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1787. 102 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

zessualen Anfangsverdachts voraus. Ob sich bereits aus der MiZi-Mitteilung ein solcher Anfangsverdacht wegen (bestimmter?) Insolvenzdelikte ergibt, wird im Folgenden zu klären sein. Dafür ist eine Beschäftigung mit den Voraussetzungen des strafprozessualen Anfangsverdachts, insbesondere im Zusammenhang mit kriminalistischen Erfahrungssätzen, erforderlich. Die in der Literatur angeführ­ ten Argumente betreffen grundlegend unterschiedliche – nämlich einerseits sta­ tistische, andererseits betriebswirtschaftliche – Begründungsansätze. Diese sind zunächst zu ordnen und sodann auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. An­ hand herauszubildender Kriterien sind anschließend die verschiedenen Fallkon­ stellationen der MiZi-Mitteilungen daraufhin zu untersuchen, ob sie hinreichen­ de tatsächliche Anhaltspunkte i. S. d. §  152 Abs.  2 StPO darstellen. 7. Zwischenfazit: §  161 StPO als einzige taugliche Ermächtigungsgrundlage Die Befugnis der Staatsanwaltschaft zum Ersuchen um Aktenbeiziehung sowie zur Auswertung der Insolvenzakten kann sich einzig nach den Vorschriften der StPO richten.111 In §  161 Abs.  1 S.  1 StPO wird ihr ein Auskunftsanspruch gegen­ über den Gerichten gewährt, der auch die Einsichtnahme in Akten umfasst. Die Berufung auf die Grundsätze der Amtshilfe scheitert hingegen am Fehlen einer bereichsspezifischen Regelung. Auch regeln weder die §§  156 ff. GVG noch die Vorschriften des VwVfG das Verhältnis der Staatsanwaltschaften zu den Gerich­ ten.112 Ebenfalls nicht anwendbar auf staatsanwaltschaftliche Ersuche gegenüber den Gerichten um die Übermittlung personenbezogener Daten sind die §§  12 ff. EGGVG und die Regelungen des BDSG. Die wesentlichen Grundfragen zur Zulässigkeit der Beiziehung und Auswer­ tung der Insolvenzakten durch die Staatsanwaltschaft lassen sich wie folgt zu­ sammenfassen: – Stellen die MiZi „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ i. S. v. §  152 Abs.  2 StPO dar? – Gebietet die „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ in einer der Begrün­ dung eines Anfangsverdachts vorgelagerten Phase die Zugriffsmöglichkeit der Staatsanwaltschaft auf die Insolvenzakten? – Auf welche zusätzlichen Quellen darf die Staatsanwaltschaft zugreifen, um den Anfangsverdacht einer Insolvenzstraftat zu plausibilisieren? Diese Fragen sollen im weiteren Verlauf der Arbeit beantwortet werden. Ziel ist es, den Entwurf einer verfassungsrechtlich zulässigen Handhabung zu formulieren. 111 

So für die Datenverarbeitung der Staatsanwaltschaften generell auch Riegel GS-Meyer, 352, 362. 112  Kissel/Mayer GVG §  156 GVG Rn  50.

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II. Zugriffsmöglichkeit auf die Insolvenzakten im Rahmen der allgemeinen Ermittlungsbefugnisse? 1. §  161 Abs.  1 S.  1 StPO als hinreichend spezifische Ermächtigungsgrundlage Die Strafprozessordnung verleiht den Strafverfolgungsbehörden Ermittlungs­ befugnisse nach einem abgestuften System. Maßnahmen, die mit einer Zwangs­ ausübung oder mit tiefgreifenderen Grundrechtseingriffen verbunden sind, be­ dürfen einer speziellen Ermächtigungsgrundlage. Diese besonders geregelten Ermittlungshandlungen mit Eingriffscharakter sind nur zulässig, soweit die je­ weiligen speziellen Voraussetzungen vorliegen.113 Für Ermittlungsmaßnahmen mit weniger intensiver Eingriffswirkung gilt die Ermittlungsgeneralklausel ge­ mäß §  161 Abs.  1 S.  1 StPO.114 Grundlegende Voraussetzung dafür, dass §  161 Abs.  1 S.  1 StPO eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Beizie­ hung der Insolvenzakten darstellt, ist, dass die Vorschrift hinreichend spezifisch ist. Dies wäre zu verneinen, wenn der Ermittlungshandlung neben der eigentli­ chen Informationserhebung noch eine weitere, besonders zu normierende Grund­ rechtsrelevanz innewohnte.115 Dies kommt in Betracht bei Maßnahmen, die in die rechtlich geschützte Privatsphäre eindringen oder bei Ermittlungshandlungen von einiger Nachhaltigkeit, welche sich aus ihrer Dauer oder dem Einsatz tech­ nischer Mittel ergeben kann.116 Bedenken wegen der hinreichenden Bestimmt­ heit der Norm könnten sich dabei mit Blick auf ihren generalklauselartigen Cha­ rakter bzw. ihren offenen Verwendungszweck ergeben.117 Die tatbestandliche Weite wird dadurch verstärkt, dass Verhältnismäßigkeitserwägungen keinen Ein­ zug in den Wortlaut der Vorschrift gefunden haben.118 Schließlich könnte auch eine zu befürchtende Bloßstellung des Betroffenen bei Maßnahmen mit Öffent­ lichkeitsbezug zum Erfordernis einer speziellen Eingriffsermächtigung führen.119 Jedoch führt nicht allein der Umstand, dass das Ersuchen um die Weitergabe von nicht allgemein zugänglichen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, dazu, dass eine über §  161 StPO hinausgehende Spezialermächtigung erforderlich ist.120 „Leichte“ Eingriffe in das Grundrecht, 113 

LR/Erb StPO §  161 Rn  3b. MüKo/Kölbel StPO §  161 Rn  7. 115  MüKo/Kölbel StPO §  161 Rn  9. 116  LR/Erb StPO §  161 Rn  3c. 117  Riegel GS-Meyer, 345, 352; Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 875. 118  Gazeas Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehör­ den, 500. 119  LR/Erb StPO §  161 Rn  3c. 120  KK/Griesbaum StPO §  161 Rn  1a; Groß FS-Dahs, 249, 257 f. 114 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

wie sie beispielsweise mit der Abfrage von Kreditkartendaten bei dem Karten­ unternehmen verbunden sind, dürfen auf die Generalklausel des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO gestützt werden.121 Diese stellt eine ausreichende Rechtsgrundlage für die allgemeine Erhebung personenbezogener Daten dar.122 Dies gilt jedenfalls, sofern es sich nicht um besonders sensible Daten handelt, die der Privatsphäre entstammen.123 Möglicherweise ist eine spezielle Eingriffsermächtigung für das Aktenein­ sichtsersuchen an die Insolvenzgerichte im Hinblick auf das Verwendungsverbot des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO erforderlich. Danach dürfen die Auskünfte des Insol­ venzschuldners, die er im Insolvenz(eröffnungs)verfahren gemäß §  97 Abs.  1 S.  1, 2 InsO erteilt hat, in einem Strafverfahren gegen ihn nur mit seiner Zustim­ mung verwendet werden. Stützt man das Beiziehungsersuchen auf die General­ klausel, so findet das Verwendungsverbot keine explizite Berücksichtigung. Denn generelle Ermächtigungen gestatten prinzipiell keine Abwägung mit Ge­ geninteressen und berücksichtigen die Besonderheiten von Einzelfällen sowie individuelle Schutzerfordernisse nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprü­ fung.124 Einer Spezialermächtigung bedürfte es hierbei jedoch nur, wenn die Be­ achtung des Verwendungsverbotes bereits im Rahmen des Ersuchens der Staats­ anwaltschaft um Aktenübersendung angezeigt ist. Im Hinblick auf die Schaffung von Verwendungsregelungen ist umstritten, wem die Gesetzgebungskompetenz zukommt: dem für die Primärerhebung zuständigen Gesetzgeber oder demjeni­ gen, der die Kompetenz für den neuen Verwendungszweck innehat.125 Richtiger­ weise kann dies nur Ersterer sein. Denn legt dieser für die Erhebungszwecke die Zulässigkeit der Datenerhebung fest, so trifft ihn auch die Verantwortlichkeit, die erhobenen Daten vor unzulässigen Zweckentfremdungen zu schützen. Andern­ falls könnte ein anderer Gesetzgeber mittelbar die Erhebungsbefugnisse der da­ tenerhebenden Stelle vertiefen.126 Mit der Aufforderung an das Insolvenzgericht, Einblick in die Insolvenzakten zu gewähren, verstößt die Strafverfolgungsbehör­ de daher noch nicht gegen die Schutzvorschrift des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO. Denn diese betrifft die Frage des Umfangs der Akteneinsicht bzw. -übersendung. Es ist Aufgabe der Insolvenzgerichte, dafür Sorge zu tragen, dass die nach §  97 Abs.  1 S.  3 InsO geschützten Schuldnerauskünfte nicht an die Staatsanwaltschaften ge­ 121  122 

668.

BVerfG NJW 2009, 1405, 1407. LR/Erb StPO §  161 Rn  3b; Lange Vorermittlungen, 140 f.; a. A. Diemer NStZ 2005, 666,

123  A. A.

Hefendehl GA 2011, 209, 228. Rogall Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 74. 125  Schenke FG-Hilger, 211, 212 f.; Wolter FG-Hilger, 275, 283 ff; SK/Weßlau StPO Vor §  474 Rn  14. 126  Singelnstein ZStW 120 (2008), 854, 863. 124 

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langen. Richtiger Regelungsstandort für Schutzvorkehrungen ist daher die Insol­ venzordnung. Dort sind sie im Rahmen der – noch zu erlassenden – Vorschriften über den Umgang mit Akteneinsichtsgesuchen in die Insolvenzakten zu lozieren. Demnach hängt die Zulässigkeit der Stützung des strafverfolgungsbehörd­ lichen Ersuchens um Einsichtnahme in die Insolvenzakten davon ab, ob die Vor­ aussetzungen nach §  161 Abs.  1 S.  1 StPO gegeben sind. Dies betrifft insbeson­ dere die Frage, ob das Ergehen einer MiZi-Mitteilung des Insolvenzgerichts es vermag, einen Anfangsverdacht i. S. v. §  152 Abs.  2 StPO zu begründen. Eine Beurteilung dieser Frage erfordert zunächst, die theoretischen Grundlagen des strafprozessualen Anfangsverdachtes zu betrachten. Anschließend sind diese auf die konkrete Situation der Insolvenzmitteilungen zu übertragen. 2. Theoretische Grundlagen: Der strafprozessuale Anfangsverdacht Der Entscheidung, den Anfangsverdacht einer Straftat zu bejahen, kommt nicht unerhebliche Bedeutung zu. Sie bildet den Ausgangspunkt des Ermittlungsver­ fahrens. Die Begründung des Anfangsverdachts unterliegt deshalb einigen Vor­ aussetzungen. a) Allgemeine verfassungsrechtliche/strafprozessuale Anforderungen Die Ermittlungsgeneralklausel des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO gewährt den Ermitt­ lungsbehörden die dort umfassten Befugnisse nur, sofern der Anfangsverdacht einer Straftat gegeben ist.127 Dies ergibt sich aus dem Verweis auf §  160 Abs.  1 StPO.128 Dort findet sich die Formulierung des „Verdachts einer Straftat“. Maß­ gebend für den Begriff des Verdachts ist die Regelung in §  152 Abs.  2 StPO, in der dieser Verdacht als das Vorliegen „zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte“ beschrieben wird.129 Den Anfangsverdacht kennzeichnet im Vergleich zu anderen Verdachtsgraden – etwa dem dringenden Tatverdacht (§  112 Abs.  1 S.  1 StPO) oder dem hinrei­ chenden Tatverdacht (§  203 StPO) – eine verhältnismäßig geringe Intensität.130 Für die Begründung eines einfachen Tatverdachts reicht es aus, dass eine Verur­ teilung des Betroffenen als möglich erscheint.131 Das Bestehen einer gewissen, wenn auch geringen Wahrscheinlichkeit genügt.132 Auch dürfen Zweifel an der 127 

Dahs NJW 1985, 1113, 1114. MüKo/Kölbel StPO §  161 Rn  2. Zur Gegenansicht, die bereits im Vorfeld des Anfangs­ verdachtes der Staatsanwaltschaft die entsprechenden Ermittlungsbefugnisse gewähren möch­ te, vgl. 3. Kap. B.I. zu den Vorermittlungen. 129  LR/Erb StPO §  152 Rn  21. 130  OLG München NStZ 1985, 549, 550. 131  Geerds GA 1965, 321, 327. 132  Geerds GS-Schröder, 389, 391. 128 

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Richtigkeit des Verdachts noch überwiegen.133 Konkrete Tatsachen – auch in Form entfernterer Verdachtsgründe134 – müssen nahelegen, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde.135 Umstände, die schon ein Strafverfahren per se oder zumindest eine Bestrafung als sicher unmöglich erscheinen lassen, dürfen hin­ gegen nicht vorliegen.136 Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verdacht „zureichend“ i. S. v. §  152 Abs.  2 StPO ist, steht der Staatsanwaltschaft ein gewisser Beurteilungsspielraum zu.137 Die Bewertung des vorliegenden Verdachtsgrades variiert dabei zwangs­ läufig abhängig von der Person des Ermittelnden.138 Eine Möglichkeit der geson­ derten gerichtlichen Überprüfung der Eröffnungsentscheidung besteht nicht.139 Der Rechtsweg des §  23 EGGVG ist nicht eröffnet, da es sich bei der Einzelmaß­ nahme der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens nicht um typisches Handeln der Justiz im Verwaltungsbereich handelt.140 Gemeinsam mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Anklageerhebung bildet die Verfahrenseinleitung eine Einheit, die im Falle der Anklage im Ganzen der gerichtlichen Kontrolle zugeführt wird.141 Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens soll deshalb ledig­ lich einer Vertretbarkeitsprüfung zu unterwerfen sein, einzig begrenzt durch das allgemeine Willkürverbot.142 Auch aus diesem Grund sind die Voraussetzungen des Anfangsverdachts wenig präzisiert.143 Als Anfangspunkt eines Ermittlungsverfahrens kommt dem Anfangsverdacht eine doppelte Funktion zu. Zum einen enthält er ein begrenzendes Element. ­Hoheitliche Verfolgungshandlungen, die nicht auf zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen, sollen unterbunden werden.144 Es gilt, den Bürger vor unnötigen, unbegründeten und unangemessenen Übergriffen der staatlichen Strafbehörden zu schützen.145 Zum anderen setzt nach dem Legalitätsprinzip auch die Verfolgungspflicht der Strafverfolgungsbehörden das Vorliegen des An­

133 

Kühne NJW 1979, 617, 622. BVerfG NJW 1994, 738, 738; OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791, 1791. 135  Roxin/Schünemann Strafverfahrensrecht §  39 Rn  15. 136  Geerds GA 1965, 321, 327. 137  BVerfG NJW 1984, 1451, 1452; BGH NJW 1989, 96, 97. 138  BVerfG NJW 1984, 1451, 1452. 139  Eisenberg/Conen NJW 1998, 2241, 2244. 140  BVerfG NJW 1984, 1451, 1452. 141  BVerfG NJW 1984, 1451, 1452. 142  BGH NJW 1989, 96, 97; BVerfG NStZ 1984, 228, 229; 2004, 447, 447; Heinrich NStZ 1996, 110, 112 f. 143  Eisenberg/Conen NJW 1998, 2241, 2244. 144  Zabel ZIS 2014, 340, 341. 145  MüKo/Peters StPO §  152 Rn  34. 134 

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fangsverdachtes voraus.146 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass sich die Staats­ anwaltschaft nicht dem Risiko der Strafvereitelung aussetzt, sofern keine zu­ reichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen.147 b) Die Berücksichtigung kriminalistischer Erfahrungen, Hypothesen und Vermutungen aa) Das Erfordernis konkreter Anhaltspunkte So niedrig die Schwelle des Anfangsverdachts auch ist, so entfällt doch nicht das Erfordernis des Vorliegens zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte. Subjektive Überzeugungen und Vorstellungen der Strafverfolgungsorgane vermögen des­ halb keinen Anfangsverdacht zu begründen.148 Zwar werden dem zuständigen Staatsanwalt durch Zubilligung eines Beurteilungsspielraums gewisse Freiheiten gewährt, er bleibt bei seiner Entscheidung jedoch an die durch die Verfassung gesetzten Grenzen sowie an allgemeine Denkgesetze gebunden.149 Es ist nicht legitim, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf eine Verdächtigung zu stützen, die lediglich auf allgemeinen Erfahrungen basiert und nicht durch Um­ stände des konkreten Sachverhalts zu belegen ist.150 Wo die Grenze zu „allgemeinen Erfahrungen“ verläuft, ist weitgehend unge­ klärt. Zur Verdachtsbegründung soll es genügen, wenn es nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde.151 Nicht ausreichen sollen dagegen kriminalistische Hypothesen sowie bloße Ver­ mutungen.152 Wie unscharf die Abgrenzung dieser Materien ist, zeigt eine Defi­ nition des Begriffs der „Vermutung“: „Als Vermutung bezeichnet man die aus der Lebens- und Berufserfahrung heraus geschöpfte Annahme, es könne strafba­ res Handeln vorliegen, ohne jedoch diese Annahme durch konkrete Beweise stüt­

146 

BVerfGE 16, 194, 202; 46, 214, 223; BVerfG NStZ 1982, 430, 430. HK/Gercke StPO §  152 Rn  3. 148  Geerds GA 1965, 321, 328. 149  Hoven NStZ 2014, 361, 364. 150  OLG Hamburg NJW 1984, 1635, 1636; Geerds GA 1965, 321, 328. 151  BVerfG NStZ-RR 2004, 206, 207; BVerfG NStZ 1982, 430, 430; BGH NJW 1989, 96, 97; OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791, 1791; LG Offenburg StV 1997, 626, 627; Hund ZRP 1991, 463, 464; MüKo/Peters StPO §  152 Rn  35; LR/Beulke StPO §  152 Rn  25; SK/Weßlau/ Deiters StPO §  152 Rn  12; Bruns GS-Kaufmann, 863, 866. 152  BVerfG NJW 2014, 1650, 1651; BGH NStZ 1994, 499, 500; OLG Hamburg NJW 1984, 1635, 1636; LG Offenburg StV 1997, 626, 627; Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  152 Rn  4; LR/ Beulke StPO §  152 Rn  22; Diversy ZInsO 2005, 180, 181; Hund ZRP 1991, 463, 464; Geerds GA 1965, 321, 328; ders. SchlHA 1965, 57, 60; Arndt NJW 1962, 2000, 2001; krit. Eisenberg/ Conen NJW 1998, 2241, 2242. 147 

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zen zu können.“153 Nichts anderes ist jedoch unter kriminalistischen Erfahrungen zu verstehen. Auch diese Begrifflichkeit rekurriert auf berufliche Erfahrungs­ werte einer Ermittlungsperson, aus denen diese ein gewisses Verhaltensmuster ableitet, das sie zur Annahme führt, es könne ein strafbares Handeln vorliegen. Somit dürfte es wohl kaum einen Unterschied geben zwischen einer „aus der Berufs­erfahrung heraus geschöpften Annahme“ und einer Annahme, die auf krimina­listischer Erfahrung beruht. Die Gegenüberstellung dieser Begriffe er­ scheint zur inhaltlichen Konkretisierung der erforderlichen Voraussetzungen ­daher unbrauchbar. Legen beispielsweise der Fund einer Leiche oder eine Strafanzeige eine Rechts­gutsverletzung nahe, gelten hinsichtlich der Bestimmung der Anforderun­ gen an den Anfangsverdacht andere Maßstäbe als wenn noch gänzlich ungeklärt ist, ob überhaupt ein geschütztes Rechtsgut geschädigt wurde. Im Folgenden sol­ len diese Konstellationen deshalb getrennt voneinander untersucht werden. (1) Kenntnis von einer konkreten Rechtsgutsverletzung Erfahren die Ermittlungsbehörden von einer eingetretenen Rechtsgutsverlet­ zung, so verringert sich die Gleichung der Ausgangsposition um eine Unbekann­ te. Es muss in dieser Konstellation nicht auf kriminalistische Erfahrungssätze zurückgegriffen werden hinsichtlich der Frage, ob überhaupt der Verdacht eines tatbestandsmäßigen Verhaltens im Raum steht. Dennoch spielt die Zulässigkeit der Einbeziehung kriminalistischer Erfahrungen auch hier eine Rolle. Denn auch bei der Klärung des Tatverdächtigen rekurrieren die Strafverfolgungsbehörden oft auf entsprechende Einsichten. Der Verdacht kann etwa aufgrund der Strafanzeige eines Tatopfers, eines Zeu­ gen oder eines Dritten begründet werden.154 Die angeführten Tatsachen müssen nicht zwingend bereits einen Verdacht hinsichtlich einer bestimmten Person in­ dizieren.155 Ist der Anzeigeerstatter als Querulant amtsbekannt oder handelt es sich um eine anonyme Anzeige, so sind die dargelegten Informationen mit Vor­ sicht zu behandeln und können nicht ohne Weiteres einen Anfangsverdacht be­ gründen.156 Dasselbe gilt für dürftige, noch ungeprüfte Angaben, Gerüchte sowie einseitige Behauptungen.157 Die Verdachtsbegründung wird jedoch dadurch ver­ einfacht, dass in der Regel feststeht, welcher Tatvorwurf im Raum steht. In die­ 153 

Bauer Verbrechensbekämpfung, Bd.  2, 37. MüKo/Peters StPO §  152 Rn  42, der anführt, dass etwa 90  % der verdachtsbegründen­ den Tatsachen durch Anzeige zur Kenntnis gebracht werden. 155  MüKo/Peters StPO §  152 Rn  43. 156  KK/Griesbaum StPO §  158 Rn  7. 157  Senge FS-Hamm, 701, 703. 154 

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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sen Fällen kann beispielsweise die Ermittlung von die Tatbegehung indizieren­ den Begleitumständen ausreichen, selbst wenn diese kein strafbares Verhalten beinhalten.158 (2) Möglicherweise legales Verhalten Nicht in allen Fällen erfahren die Ermittlungsbehörden jedoch durch eine Straf­ anzeige des Tatopfers oder etwa durch das Auffinden einer Leiche von einer ein­ getretenen Rechtsgutsverletzung. Oftmals haben sie lediglich Kenntnis von straflosen bzw. möglicherweise legalen Handlungen, vermuten aufgrund be­ stimmter Gründe jedoch ein strafbares Verhalten. In diesen Konstellationen stellt sich die Frage, ob auch unter diesen Umständen der Anfangsverdacht einer Straf­ tat bejaht werden darf. Eine Strafverfolgungsbehörde könnte beispielsweise er­ fahren, dass einige deutsche Bankkunden geheime Konten in Luxemburg eröff­ net haben, auf die sie unter Angabe einer Referenznummer ohne Namens­nennung Einzahlungen tätigen.159 Ist es zulässig, aufgrund dieser Information ein Ermitt­ lungsverfahren wegen Steuerhinterziehung einzuleiten? In Konstellationen, in denen die Strafverfolger zu Beginn nicht mit Sicherheit wissen, dass ein Rechtsgut verletzt wurde, dient das beobachtete Verhalten nicht als Verbindung zu einer konkret umrissenen Straftat. Vielmehr wird es von der Ermittlungsbehörde als Grund und Legitimation dafür in Anspruch genommen, dass überhaupt eine Deliktsbegehung angenommen werden kann.160 Es stellt zu­ nächst den einzigen Anknüpfungspunkt des Verdachtes dar und zwar sowohl im Hinblick auf die Tat als auch auf den Täter.161 Die Voraussetzungen für die Ein­ leitung eines Ermittlungsverfahrens müssen deshalb zwingend strenger sein als wenn bereits bekannt ist, dass bzw. welches Rechtsgut verletzt wurde. Angesichts der beschriebenen Unklarheiten kann es nicht darauf ankommen, ob es sich um kriminalistische Erfahrungssätze, Vermutungen oder Hypothesen handelt, auf die sich die Staatsanwaltschaft bei der Begründung des Anfangsver­ dachts stützt.162 Als tatsächlich relevantes Abgrenzungskriterium ist zwingend, dass in jedem Fall konkrete Tatsachen hinzutreten, die Anlass zur Verdachtserwe­ ckung bieten.163 Dies bestätigt eine Lektüre der einschlägigen höchstrichter­ lichen Rechtsprechung. Obwohl diese auch Begrifflichkeiten wie „Vermutung“ 158 

Hoven NStZ 2014, 361, 365. Beispielsweise wenn der verfeindete Bruder des erstoche­ nen Opfers am Tattag ein Messer gekauft hat. 159  Hoven NStZ 2014, 361, 365, angelehnt an BVerfG NJW 1994, 2079. 160  Hoven NStZ 2014, 361, 365. 161  Hoven NStZ 2014, 361, 365. 162  So auch Eisenberg/Singelnstein GA 2006, 168, 172. 163  OLG Hamburg NJW 1984, 1635; Walder ZStW 95 (1983), 862, 867; Geerds GA 1965, 321, 327; Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  152 Rn  4a.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

und „kriminalistische Erfahrung“ verwendet, geht es letztlich immer um die Fra­ ge, ob der Entscheidung der Staatsanwaltschaft konkrete, einen Anfangsverdacht rechtfertigende Anhaltspunkte zu Grunde lagen. So bemängelte das BVerfG die Annahme eines Anfangsverdachts gegen den Prokuristen einer GmbH wegen Beteiligung an einer gemeinschaftlichen Amtsträgerbestechung.164 Die Entschei­ dung beruhe nicht auf konkreten Tatsachen, sondern auf allenfalls vagen An­ haltspunkten oder bloßen Vermutungen.165 Ein Tatverdacht ergebe sich nicht ohne Weiteres daraus, dass sich der Leiter einer Rechtsabteilung zur Aufarbei­ tung des Sachverhalts und zur Vorbereitung des Verteidigungsvorbringens des Unternehmens veranlasst sah, nachdem staatsanwaltliche Ermittlungen im Um­ feld des Unternehmens durch einen Presseartikel bekannt geworden waren.166 Auch in einer früheren Entscheidung sah das BVerfG einen Anfangsverdacht wegen Vorteilsgewährung nach §  333 StGB gegen einen Rechtsanwalt als nicht gegeben. Der Rechtsanwalt, der für eine Stadt anwaltlich tätig war, war gleich­ zeitig Gesellschafter einer GmbH, mit der die Stadt zum Zwecke der Erschlie­ ßung und des Vertriebs eines im gemeindlichen Eigentum stehenden Baugebiets Verträge geschlossen hatte.167 Nachdem das Gemeindeprüfungsamt im Rahmen einer überörtlichen Prüfung unter anderem zu dem Ergebnis kam, dass einige an die Erschließungsträger gewährte Leistungen unangemessen gewesen seien und einer Korrektur bedürften, leitete die zuständige Staatsanwaltschaft ein Ermitt­ lungsverfahren gegen den Rechtsanwalt wegen Verdachts der Vorteilsgewährung i. S. v. §  333 StGB ein. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das zuständige Amtsgericht die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Rechtsan­ walts an und begründete dies u. a. damit, dass „davon auszugehen sein [dürfte], dass über die F-GmbH lediglich Kosten zu Lasten der Stadt S ‚produziert‘ wor­ den sind.“168 Die Beschwerde des Rechtsanwalts zum Landgericht gegen die Durchsuchungsbeschlüsse verlief erfolglos. Das BVerfG urteilte – nachdem es einleitend formelhaft auf die Möglichkeit der Berücksichtigung kriminalistischer Erfahrung Bezug genommen hatte,169 dass die Umschreibung des Tatvorwurfs in den Gründen des amtsgerichtlichen Beschlusses den Tatverdacht der Vorteils­ gewährung unter keinen Umständen rechtfertige.170 Zudem seien keine Anhalts­ 164 

BVerfG NStZ 2014, 1650. BVerfG NStZ 2014, 1650, 1651. 166  BVerfG NStZ 2014, 1650, 1651. 167  BVerfG NStZ-RR 2004, 206, 206. 168  BVerfG NStZ-RR 2004, 206, 206 f. 169  „Ein auf konkreten Tatsachen beruhender Anfangsverdacht als Voraussetzung für die strafprozessualen Maßnahmen liegt dann vor, wenn nach kriminalistischer Erfahrung die Mög­ lichkeit einer verfolgbaren Straftat gegeben ist.“, BVerfG NStZ-RR 2004, 206, 207 f. 170  BVerfG NStZ-RR 2004, 206, 208. 165 

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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punkte für das Vorliegen anderer Straftaten erkennbar.171 Die Formulierung im amtsgerichtlichen Beschluss umschreibe kein strafrechtlich relevantes Gesche­ hen, sondern beinhalte lediglich eine für die strafprozessuale Maßnahme belang­ lose Vermutung.172 Es ist täglicher Inhalt der Strafverfolgungspraxis, zu ermitteln, ob ein sich äußerlich als legal darstellendes Verhalten in Wirklichkeit – zumindest teilweise – illegalen Zwecken dient bzw. es von Straftaten begleitet wird. Hierbei kann insbesondere darauf abzustellen sein, ob der Eindruck einer bewussten Ver­ deckung von Begleitumständen erweckt wird.173 So darf etwa aus der Inhaber­ schaft von Tafelpapieren und ihrer Einlieferung zur Verwaltung in ein Depot al­ lein noch nicht auf einen Anfangsverdacht geschlossen werden.174 Sofern jedoch Hinweise auf eine gezielte Anonymisierung durch den Bankkunden vorliegen, kann dies die Aufnahme von Ermittlungen rechtfertigen.175 In einem vom Bun­ desfinanzhof zu entscheidenden Fall hatten die Bankkunden den An- und Ver­ kauf der über die Bank bestellten Tafelpapiere anonymisiert, indem sie diese nicht über ihre bei derselben Bank geführten Konten und Depots vornahmen, sondern Barabhebungen bzw. -einzahlungen von und auf diese Konten tätig­ ten.176 In einem anderen Fall billigte das BVerfG die Begründung eines Anfangs­ verdachts wegen Steuerhinterziehung bei Kunden, die zusätzliche Bankkonten in Luxemburg führen.177 Dies stützte der entscheidende Senat jedoch nicht auf die bloße Existenz der Konten. Vielmehr kam es ihm auf die Verschleierungsbemü­ hungen der Bankkunden an, die Ein- und Auszahlungen nicht unter ihrem Na­ men, sondern allein unter Angabe einer fünfstelligen Kontonummer vorgenom­ men hatten.178 Die Auffassung der Ermittler, dass der Geheimhaltungswunsch des Kunden nur der Absicht entspringen könne, die Unrichtigkeit seiner Steuer­ erklärung zu verschleiern, sei nachvollziehbar und keinesfalls willkürlich.179 Das Erfordernis des Hinzutretens konkreter Tatsachen, die Anlass zur Ver­ dachtserweckung bieten, gilt umso mehr, wenn sich die bisherigen Beobachtun­ gen auf ein legales Verhalten beschränken. Die Ergreifung rechtlich gewährter Möglichkeiten kann niemals ohne Weiteres für die Begründung eines Anfangs­ 171 

BVerfG NStZ-RR 2004, 206, 208. BVerfG NStZ-RR 2004, 206, 208. 173  BVerfG NJW 2002, 1940, 1941; Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  152 Rn  4a. 174  BVerfG NJW 2002, 1940, 1940 f.; BFH NJW 2001, 2997, 2999; NJW 2000, 3157, 3160. 175  BVerfG NJW 2002, 1940, 1941; BFH NJW 2001, 2997, 2999. 176  BFH NJW 2001, 2997, 2999. 177  BVerfG NJW 1994, 2079. Genauer gesagt ging es in dem Beschluss um den Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch systematische Verschleierung der Geldüberweisun­ gen durch die Bankmitarbeiter. 178  BVerfG NJW 1994, 2079, 2079. 179  BVerfG NJW 1994, 2079, 2079. 172 

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verdachts ausreichen. Sind bestimmte Verhaltensweisen gesetzlich erlaubt, „wäre [es] widersinnig und mit einer rechtsstaatlichen Ordnung nicht zu verein­ baren, wenn an die bloße Existenz eines vom Gesetz für erlaubt erklärten Tat­ bestandes automatisch die Rechtsfolge eines strafrechtlichen Anfangsverdachts zu knüpfen wäre.“180 Rechtstreues Verhalten darf nicht unter Generalverdacht gestellt werden.181 Ist das beobachtete Verhalten nachweislich straflos, so ist es deshalb unzulässig, allein auf Basis einer empirisch-kriminalistischen Hypothese tatsächliche Anhaltspunkte dafür abzuleiten, dass überhaupt eine Straftat began­ gen wurde.182 Hiergegen spricht auch nicht die Rechtsprechung des BVerfG im Fall Edathy.183 Der ehemalige SPD-Politiker Edathy war im Rahmen eines Ver­ fahrens gegen die Verantwortlichen einer in Kanada ansässigen Internetplatt­ form, über die weltweit Bild- und Videomaterial mit teilweise kinder- oder ju­ gendpornographischem Inhalt vertrieben wurde, in den Fokus der deutschen Strafverfolgungsbehörden geraten. Ihm konnten zahlreiche Bestellungen von dieser Plattform zugeordnet werden, die das Bundeskriminalamt allerdings als strafrechtlich nicht relevant einstufte.184 Er wandte in der Beschwerde gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss ein, der erforderliche Anfangs­ verdacht einer Straftat habe nicht bestanden, weil nicht von einem straflosen Ver­ halten auf ein strafbares Handeln geschlossen werden könne.185 Das nach erfolg­ loser Beschwerde angerufene BVerfG hielt die Annahme eines Anfangsverdachts durch das Landgericht beim Erlass des Durchsuchungsbeschlusses jedoch für verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da das Gericht gerade nicht davon ausgegangen sei, dass es sich um strafrechtlich unbedenkliches Material handele, sondern es dieses „bereits für strafrechtlich relevant gehalten oder es jedenfalls in einen von tatsächlichen Wertungen abhängigen Grenzbereich zwischen straf­ rechtlich relevantem und irrelevantem Material eingeordnet“ habe.186 Das BVerfG billigte somit nicht den Schluss von straflosem auf strafbares Verhalten allein aufgrund des Vorliegens kriminalistischer Erfahrungen. Entgegenstehen­ des lässt sich auch nicht daraus folgern, dass das zuständige Amtsgericht den für den Durchsuchungsbeschluss erforderlichen Anfangsverdacht unter anderem da­ rauf stützte, dass die – strafrechtlich irrelevante – Bestellung der in Rede stehen­ den Produkte für eine pädophile Neigung und, aufgrund krimineller Erfahrung 180 

BFH NJW 2001, 2997, 2999. Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  152 Rn  4a. 182  Hoven NStZ 2014, 361, 367. 183  BVerfG NJW 2014, 3085. 184  BVerfG NJW 2014, 3085, 3085 f. 185  Vgl. die Wiedergabe des Beschwerdevorbringens bei BverfG, Beschl. v. 15.8.2014 – 2 BvR 969/14, Tz.  6. 186  BVerfG NJW 2014, 3085, 3088. 181 

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aus einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle, für den Besitz strafrechtlich relevanten Materials spreche.187 Denn das Landgericht griff diese Argumentation in seiner Beschwerdeentscheidung nicht auf. Grundlage der Entscheidung des BVerfG waren jedoch einzig die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts in der Form der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts.188 Vor dem Hintergrund der rechtsstaatlich gebotenen Begrenzung staatsanwalt­ schaftlicher Ermittlungstätigkeit, kann die Berufung auf kriminalistische Erfah­ rungen, Hypothesen oder Vermutungen allein nicht ausreichen, um auf das Vor­ liegen strafbaren Verhaltens zu schließen. Der insofern von der Rechtsprechung streng angelegte Maßstab ist richtig. Es ist nicht zulässig, auf der Grundlage äu­ ßerst unklarer Begrifflichkeiten weite Teile des sozialen Lebens des Betroffenen zu durchleuchten, nur weil die Möglichkeit besteht, dass dabei Straftaten zu Tage treten.189 Konkrete Anhaltspunkte müssen hinzutreten, damit der Eingriff in die Grundrechtspositionen des vom Ermittlungsverfahren Betroffenen gerechtfertigt werden kann.190 bb) Verdachtsbegründung aufgrund statistischer Häufigkeit? „In nahezu allen Fällen von Unternehmensinsolvenzen wurden Insolvenzstrafta­ ten begangen“. Diese oder ähnliche Aussagen lassen sich häufig im Hinblick auf das Thema der vorliegenden Arbeit lesen.191 Statistische Häufigkeiten werden angeführt, um die Begründung eines Anfangsverdachts zu rechtfertigen. Anhand zurückliegender Erfahrungen werden Hypothesen über als allgemeingültig emp­ fundene Geschehensabläufe gebildet. Können solche „kriminalistischen Erfah­ rungen“ aber einen Anfangsverdacht begründen? Im vorangehenden Abschnitt wurde festgestellt, dass für die Verdachtsbegründung konkrete Tatsachen vorlie­ gen müssen. Fällt das Ergebnis möglicherweise anders aus, wenn Statistiken eine signifikante Häufigkeit bestimmter Delikte nahelegen? Zur Beantwortung dieser Frage ist zu klären, ob es sich bei der statistischen Häufigkeit um eine Größe handelt, der verdachtsbegründende Wirkung zukommen kann. Kann es zulässig sein, den Einzelnen einem Ermittlungsverfahren zu unterziehen, ohne dass er hierzu Anlass in seiner Person gegeben hat? Kann es ausreichen, dass äußere 187  Vgl. die Wiedergabe des Durchsuchungsbeschlusses v. 10.2.2014 bei BverfG, Beschl. v. 15.8.2014 – 2 BvR 969/14, Tz.  3. 188  BVerfG NStZ-RR 2005, 207, 207. 189  So auch LR/Erb StPO §  152 Rn  22. 190  Anders Rudolph Antizipierte Strafverfolgung, 203, der jegliche Tatsachen als „konkret“ einordnet und konkrete Anhaltspunkte deshalb nicht als Abgrenzungskriterium anerkennen will. 191  Etwa bei Haarmeyer FS-Carl-Heymanns, 303, 304; Richter wistra 2000, 440, 440; Richter wistra 2000, 1, 5; Weyand ZInsO 2001, 108, 109; hierzu auch bereits unter 3. Kap. A.I.6.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Umstände vorliegen, die in einer Vielzahl anderer Fälle auf die Begehung einer Straftat hindeuten? Sofern man dies positiv beantwortet, müsste man die Folge­ frage stellen, ab welchem Schwellenwert eine Verfahrenseinleitung als tunlich zu erachten wäre. Den Strafverfolgungsbehörden steht bei der Begründung eines Anfangsver­ dachts ein Beurteilungsspielraum zu.192 Eine Grenze bildet das allgemeine Will­ kürverbot.193 Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist unzulässig, wenn dies aus schlechthin unhaltbaren oder sachfremden Erwägungen geschieht oder sonstige verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.194 Prima facie mag es nicht auf der Hand liegen, bei der Bezugnahme auf erhöhte statistische Häufigkeiten im Rahmen der Annahme eines Anfangsverdachts auf das Willkürverbot zu re­ kurrieren. Lassen sich in bestimmten Situationen verstärkt Verhaltensweisen be­ obachten, die als strafbar einzuordnen sind, so erscheint es zunächst einmal nicht willkürlich, die dort handelnden Personen einer strafrechtlichen Untersuchung zu unterziehen. Für eine differenzierende Betrachtung muss der Blick auf die verschiedenen Dimensionen des Anfangsverdachts gerichtet werden. Der Verdacht umfasst eine personenbezogene sowie eine tatbezogene Kompo­ nente.195 Während der tatbezogene Verdacht nahelegt, dass sich eine Straftat er­ eignet haben könnte, ist der täterbezogene Verdacht immer dann gegeben, wenn es Anhaltspunkte gibt, die den Verdacht auf eine konkrete Person lenken.196 Der tatbezogene Verdacht ist dabei zwingendes Element.197 Hingegen können sich verdachtsbegründende Elemente gegen eine bestimmte Person unter Umständen auch erst im Laufe des Ermittlungsverfahrens ergeben, wie die Existenz der UJs-Verfahren, der sog. Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt, belegt. Die Be­ urteilung der Zulässigkeit der Stützung des Anfangsverdachts auf statistische Erkenntnisse ist davon abhängig, ob man den tatbezogenen oder den täterbezo­ genen Verdacht betrachtet. (1) Tatbezogener Verdacht Liegen Statistiken vor, die belegen, dass in der überwiegenden Zahl bestimmter Fälle gewisse Straftaten begangen werden, so kann schwerlich von Willkür ge­ sprochen werden, wenn Strafverfolgungsbehörden auf diese kriminalistische Er­ fahrung die Begründung eines Anfangsverdachts stützen. Es stellt sich jedoch die 192 

Vgl. 3. Kap. A.II.2.a). BVerfG NStZ 1984, 228, 229; 2004, 447, 447; OLG Karlsruhe NStZ 1982, 434, 436 m. Anm. Rieß. 194  BVerfG NStZ 2004, 447, 447; 1984, 228, 229; 1982, 430, 430. 195  Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 172 ff. 196  Satzger FS-Beulke, 1009, 1018. 197  Lohner Tatverdacht, 65. 193 

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Frage, ob eine entsprechend hohe statistische Häufigkeit das Erfordernis konkre­ ter Anhaltspunkte entfallen lässt bzw. selbst eine ausreichend konkrete Tatsache darstellt. Das Verlangen konkreter Anhaltspunkte gewährleistet, dass ein An­ fangsverdacht nicht losgelöst von den konkreten Umständen des Sachverhalts angenommen wird. Die Verdachtsfindung muss von der Tat ausgehen.198 Die Annahme des Verdachts, jemand habe sich strafbar gemacht, ist nicht möglich, sofern das in Rede stehende Delikt nicht wenigstens in groben Zügen umrissen werden kann.199 Auf dieses Erfordernis kann grundsätzlich auch nicht verzichtet werden, wenn der Verdacht darauf gestützt werden soll, dass in gleichgelagerten Situationen vermehrt strafbare Handlungen zu beobachten sind. Würde jedoch beispielsweise eine statistische Häufigkeit von über 95  % belegen, dass es sich bei der Straftatbegehung um die Regel, und nicht die Ausnahme handelt, könnten an diese Voraussetzung geringere Anforderungen gestellt werden. Es wäre un­ verständlich, den Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungshypothese zu ver­ wehren, dass auch im betreffenden Fall das Vorliegen einer strafbaren Handlung in Betracht kommt. Eine Absenkung der Anforderungen an die Tatsachen, die dem Anfangsver­ dacht zugrunde zu legen sind, wird allgemein akzeptiert, wenn es um die Verlet­ zung eines besonders wichtigen Rechtsgutes geht: „Je gewichtiger das Rechtsgut ist und je weitreichender es durch die jeweiligen Handlungen beeinträchtigt wür­ de oder worden ist, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung geschlossen werden kann, und desto we­ niger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die dem Verdacht zugrunde liegen.“200 Hier ergibt sich die niedrigere Schwelle für den Eingriff in die Rechte des Beschuldigten aus einer Rechtsgüterabwägung. Im Rahmen einer solchen Abwägung sind jedoch nicht allein die möglicherweise verletzten Rechtsgüter, sondern darüber hinaus auch die Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung201 sowie das Interesse einer funktionstüchtigen Strafrechtspfle­ ge202 zu berücksichtigen. Werden unter bestimmten Bedingungen belegbar in einer Überzahl der Fälle Straftaten begangen, so kann es den Ermittlungsbehör­ den im Hinblick auf diese Interessen nicht verwehrt sein, geringere Anforderun­ gen bei den verdachtsbegründenden Tatsachen gelten zu lassen. Mit Blick auf die prozessualen Grundsätze des Strafverfahrens könnte dem Gesagten entgegenstehen, dass die Regeln über den sog. prima-facie-Beweis im 198 

Lohner Tatverdacht, 65. Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 174. 200  BVerfGE 100, 313, 392. 201  BVerfGE 19, 342, 347. 202  BVerfG NStZ 1984, 228, 228; NJW 1980, 1448, 1449; BVerfGE 20, 162, 213 199 

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Strafprozess nicht anwendbar sind.203 Diese auch als Anscheinsbeweis bezeich­ nete Beweisart verlangt nicht das Erbringen von absoluter Gewissheit, sondern lässt die durch einen typischen Geschehensablauf verbürgte Wahrscheinlichkeit ausreichen.204 Anders als im Zivilprozess, wo Anscheinsbeweise vor allem bei der Frage von Kausalität und Fahrlässigkeit eine Rolle spielen, dürfen Strafrich­ ter ihre Entscheidung nicht auf Wahrscheinlichkeitsgrade stützen, die – obgleich sie eine Überzufälligkeit indizieren mögen – fernab statistischer Gewissheit lie­ gen.205 Die Unzulässigkeit des Anscheinsbeweises gilt jedoch nicht für alle Pha­ sen des Strafverfahrens, sondern lediglich für die freie richterliche Beweiswürdi­ gung in der Hauptverhandlung.206 Denn der Strafprozess ist so aufgebaut, dass sich die Überzeugungsbildung des Richters erst aus dem Inbegriff der Hauptver­ handlung schöpft.207 Erst im Rahmen der Urteilsfindung befindet der Richter da­ her darüber, ob er von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist. In früheren Verfahrensstadien richten sich die prozessualen Entscheidungen hingegen da­ rauf, ob der – einfache, dringende, hinreichende – Verdacht einer Straftatbege­ hung besteht.208 An den Begriff des „Verdachts“ ist aber ein geringeres Wahr­ scheinlichkeitserfordernis zu knüpfen als an den der „richterlichen Überzeu­ gung“ i. S. v. §  261 StPO.209 Deshalb schadet die mit dem prima-facie-Beweis verbundene Ungewissheit in diesem Stadium nicht.210 Sofern es, wie bei der vorliegenden Fragestellung, nicht um eine richterliche Entscheidung, sondern um die Bejahung eines Anfangsverdachts durch die Staatsanwaltschaft geht, kann die Berücksichtigung von Anscheinsbeweisen im Hinblick auf den tatbezo­ genen Verdacht deshalb erst recht nicht unzulässig sein. Soll die Begründung eines tatbezogenen Anfangsverdacht auf statistische Häufigkeiten gestützt werden, ist jedoch zwingende Voraussetzung, dass tatsäch­ lich statistisch belastbare Erkenntnisse zum betreffenden Sachverhalt vorliegen. Hier besteht die Gefahr, dass subjektiv empfundene „Häufigkeiten“ zur Grund­ lage der Entscheidung gemacht werden. Es besteht daher immer dann, wenn sich die Strafverfolgungsbehörden auf einem Kriminalitätsfeld regelmäßig auf krimi­ nalistische Erfahrungen berufen, Anlass zu statistischen Erhebungen. Es ist zu 203 

BGH NJW 1974, 2295, 2295; Louven MDR 1970, 295, 295 f.; Roxin/Schünemann Straf­ verfahrensrecht §  45 Rn  43 (Fn  31). 204  Kollhosser AcP 165 (1965), 46, 56. 205  Volk GA 1973, 161, 163. Näher zu den Gründen Henkel FS-Schmidt, 578, 589 f. 206  Kühne NJW 1979, 617, 620. 207  MüKo/Mierbach StPO §  261 Rn  1. 208  Etwa bei der Entscheidung über die Anordnung eines Durchsuchungsbeschlusses (§§  102 ff. StPO), über Maßnahmen der §§  100a – c StPO, über die Eröffnung des Hauptverfah­ rens (§  203 StPO). 209  Bruns GS-Kaufmann, 863, 867. 210  Kühne NJW 1979, 617, 620.

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verlangen, dass die Signifikanz der Beobachtung anhand statistischer Methoden belegbar ist. Eine solche Statistik muss sich an wissenschaftlichen Maßstäben messen lassen. Dies setzt insbesondere eine gewisse Mindestanzahl von Ver­ gleichsfällen sowie die Berücksichtigung sämtlicher relevanter Variablen voraus. Es muss ausgeschlossen werden können, dass externe Effekte das Ergebnis der Statistik beeinflussen. Andernfalls ließe sich die Darstellung allzu leicht dahin­ gehend manipulieren, dass sie das gewünschte Ergebnis präsentiert. Eine Berufung der Ermittlungsbehörden auf „allgemein bekannte Grundsätze“ erfüllt diese Anforderungen nicht. So entschied auch das OLG Hamburg, dass nicht gegen jeden selbständig Tätigen bereits ein Anfangsverdacht wegen Steuer­ hinterziehung begründet ist, wenn denn nur seine Tätigkeit bekannt wird.211 Nichts anderes könne für die Tätigkeit einer Prostituierten gelten, denn es exis­ tiere kein allgemeiner Grundsatz, dass Prostituierte ihre Einkünfte nicht ver­ steuern.212 (2) Täterbezogener Verdacht Auch ohne Anfangsverdacht gegen eine bestimmte Person kann zunächst ein Ermittlungsverfahren „gegen Unbekannt“ geführt werden.213 Das Element des täterbezogenen Verdachts ist insofern nicht notwendige Bedingung für die Ein­ leitung eines Ermittlungsverfahrens. Es gilt jedoch: Sehen die Strafverfolgungs­ behörden bereits einen Anfangsverdacht gegen eine bestimmte Person begrün­ det, so muss sich diese Entscheidung an den rechtsstaatlichen Vorgaben messen lassen. Das Verbot willkürlicher staatlicher Maßnahmen gegen den Betroffenen steht in engem Einklang mit der Menschenwürdegarantie sowie dem Recht auf ein faires Verfahren. Die Garantie der Menschenwürde aus Art.  1 Abs.  1 GG si­ chert dem Einzelnen zu, Rechtssubjekt – nicht Objekt – zu sein.214 Mit dieser Subjektqualität des Menschen ist ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch ver­ bunden.215 Niemand darf ohne Anlass zum Objekt staatlicher Verfolgung ge­ macht werden.216 Im Hinblick auf das Willkürverbot muss dieser Ausdruck so verstanden wer­ den, dass niemand „ohne individuell begründeten Anlass“ zum Objekt staatlicher Verfolgung gemacht werden darf. Ein Verfahren, in dem der Einzelne zum Ziel von Strafverfolgung wird, ohne dass ihm aufgrund eines individuellen Umstan­ 211 

OLG Hamburg NJW 1984, 1635, 1636. OLG Hamburg NJW 1984, 1635, 1636. 213  Burhoff Handbuch für das EV Rn  460. 214  Enders Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 491 ff. 215  BVerfG NJW 2017, 611, 619. 216  BVerfGE 57, 250, 275. 212 

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des in seiner Person oder in seinem Verhalten ein Vorwurf gemacht wird, ist ein willkürliches. Wird die Begründung eines Anfangsverdachts an schematisch festgelegte Kriterien geknüpft, bei deren Erfüllung gegen den Betroffenen stets ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, so wird der Einzelne nicht als Rechts­ subjekt behandelt. Lässt sich für gewisse Delikte eine Szene erhöhter Kriminali­ tät beobachten („Haschwiese“,217 Versicherungsbetrug im Zusammenhang mit Reparaturen an Kraftfahrzeugen,218 Insolvenzstraftaten im Rahmen von Unter­ nehmensinsolvenzen,219 Steuerhinterziehung durch Prostituierte220), so sind dort fraglos auch Straftäter bzw. potenzielle Straftäter anzutreffen.221 Eine verallge­ meinernde Unterstellung, dass jeder Einzelne zum Täter einer Straftat geworden sein könnte, ist jedoch unzulässig. Eine generelle Wahrscheinlichkeitsprognose ist nicht ausreichend, um die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu begrün­ den.222 Zwar kann eine statistische Häufigkeit, die einen (welchen?) bestimmten Schwellenwert überschreitet, Indiz dafür sein, dass das Risiko einer Tatbegehung abstrakt erhöht war. Ohne das Hinzutreten weiterer konkreter Anhaltspunkte lässt sich dem jedoch keine Aussage dazu entnehmen, dass sich dieses Risiko auch im Einzelfall tatsächlich realisiert hat.223 Das Vorliegen einer statistischen Wahrscheinlichkeit der Straftatbegehung kann deshalb nur genügen, wenn Um­ stände hinzutreten, die auf eine bestimmte Person hinweisen und gegen diese einen durch Tatsachen konkretisierten individuellen Verdacht begründen.224 Denn sonst würde das Verhalten dritter Personen zum ausreichenden Anlass strafverfolgungsbehördlicher Maßnahmen gegen den Betroffenen gemacht. Zwar lässt es die Strafprozessordnung zu, dass eine Person ohne eigenes Zu­ tun für Zwecke der Strafverfolgung in Anspruch genommen wird. Dies ist etwa der Fall bei Zeugen oder Sachverständigen.225 Diese Situation unterscheidet sich jedoch grundlegend von der des Beschuldigten, der im Fokus der Ermittlungen steht. Eine solche Strafverfolgung aufgrund genereller Wahrscheinlichkeitsprog­ nosen wäre leicht instrumentalisierbar. Die Gefahr einer diskriminierenden Be­ handlung gegenüber bestimmten Bevölkerungs- oder Berufsgruppen wäre offen­ kundig. Bei Vorliegen entsprechender Kriminalstatistiken könnten die Ermitt­ lungsbehörden beispielsweise Strafverfahren gegen Personen aufgrund ihrer 217 

Kniesel ZRP 1987, 377, 380; Walder ZStW 95 (1983), 862, 867. 219  Richter wistra 2017, 329, 332. 220  Hoven NStZ 2014, 361, 367. 221  Kniesel ZRP 1987, 377, 380. 222  SK/Weßlau/Deiters StPO §  152 Rn  14; Putzke/Scheinfeld1 Strafprozessrecht, 24; Kniesel ZRP 1987, 377, 380; Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1787; Richter wistra 2017, 329, 332. 223  Singelnstein NStZ 2018, 1, 8 f. 224  AG Saalfeld NJW 2001, 3642, 3642 f. 225  Geerds SchlHA 1964, 57, 58. 218 

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Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit anstrengen.226 Auch wenn diskriminie­ rende oder gar rassistische Tendenzen in der Strafverfolgung den absoluten Aus­ nahmefall darstellen,227 kann die Gefahr einer solchen Entwicklung nicht geleug­ net werden. Ließe man statistische Häufigkeiten zur Verdachtsbegründung aus­ reichen, würden letztlich auch erlaubte Verhaltensweisen inkriminiert, wie zum Beispiel der Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet, etwa in Hauptbahnhofnähe oder in öffentlichen Parks. Ein solches Ergebnis ist aus rechtsstaatlicher Sicht nicht hinnehmbar. Dementsprechend kann etwa kein Anfangsverdacht gegen sämtliche Autofahrer an einem bestimmten Ort angenommen werden lediglich aufgrund der Tatsache, dass dort eine hohe statistische Häufigkeit von Trunken­ heitsfahrten beobachtet werden kann.228 Reparaturen an Kraftfahrzeugen werden häufig zum Anlass für einen Versicherungsbetrug genommen. Die Staatsanwalt­ schaft darf dennoch aufgrund dieser allgemeinen Erkenntnis nicht Ermittlungs­ verfahren gegen sämtliche Kunden einer Werkstatt einleiten, die ihr Fahrzeug nach einem Unfall dort reparieren lassen.229 Ein Anfangsverdacht gegen eine Person darf zulässigerweise nur begründet werden, wenn ihr individuelle Um­ stände vorgeworfen werden können. Es könnte nun argumentiert werden, dass es der Staatsanwaltschaft in derart gelagerten Fällen offen stünde, ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt we­ gen des Anfangsverdachts der in Rede stehenden Straftat einzuleiten. Dies böte ihr die Möglichkeit, weitere Anhaltspunkte zur Verdachtsgewinnung gegen den möglichen Täter zu sammeln. Hierin läge jedoch eine Umgehung des Systems der strafprozessualen Befugnisse. In Konstellationen, in denen der Anfangsver­ dacht in tatbezogener Hinsicht auf die signifikante statistische Häufigkeit einer Deliktbegehung gestützt wird, kann der Verdacht nicht von der Person getrennt werden, bei der das Verhalten beobachtet wurde. Eine als potenzieller Täter in Frage kommende Person steht damit typischerweise immer bereits fest. So rich­ tet sich das Verfahren wegen Steuerhinterziehung selbstverständlich zunächst gegen den Inhaber des ausländischen Kontos oder der Tafelpapiere, nimmt das 226  Hierbei soll nicht vereinfachend darüber hinweggegangen werden, dass es sich bei den Delikten, die der „Gruppe“ der Insolvenzschuldner vorgeworfen werden, um Straftaten han­ delt, die im Zusammenhang mit der Insolvenzsituation stehen. Jedoch handelt es sich um ein Prinzip. Erkennt man im Grundsatz an, dass zu beobachtende statistische Häufigkeiten ausrei­ chen, um einen Anfangsverdacht gegen bestimmte Personen zu begründen, so gibt man aus der Hand, welche Arten von Gruppen definiert werden. 227  Payandeh DRiZ 2017, 322, 324. 228  Freund GA 1995, 4, 15. Zu unterscheiden ist dies von der Frage, ob an einem solchen Ort Fahrzeugkontrollen durchgeführt werden dürfen, um die Fahrtauglichkeit des Fahrzeugführers zu überprüfen. Denn hierbei liegt der Schwerpunkt der Maßnahme in der Prävention. Die Kon­ trolle erfolgt daher auf Grundlage des Polizeirechts und bedarf keines Anfangsverdachts. 229  Walder ZStW 95 (1983), 862, 867.

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Verfahren wegen Versicherungsbetrugs den Fahrzeugeigentümer in den Blick, wenden sich die Ermittlungen wegen Trunkenheit am Steuer gegen den Fahr­ zeugführer. Denn es geht in diesen Konstellationen gerade darum, aus einem beobachteten Verhalten, das einer Statistik zufolge besonders häufig mit der Be­ gehung von Straftaten verbunden ist, auf den Anfangsverdacht zu schließen. Es kommt folglich regelmäßig nur eine einzige Person als möglicher Täter der – aufgrund kriminalistischer Erfahrungen vermuteten – Tat in Frage. Angesichts dieser Sachlage ist die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gegen Unbe­ kannt unzulässig, wenn damit die Unzulänglichkeit der verdachtsbegründenden tatsächlichen Anhaltspunkte umgangen werden soll. Denn andernfalls würden auf diesem Wege Ermittlungen gegen die betroffene Person ermöglicht, obwohl aufgrund des Willkürverbots kein Verdacht gegen sie gefasst werden darf.230 c) Konkretisierungsanforderungen an das in Rede stehende Delikt Schließlich verlangt die Vorschrift des §  152 Abs.  2 StPO eine „verfolgbare Straftat“. Es stellt sich die Frage, ob die verdächtigte Handlung schon auf einen bestimmten Tatbestand konkretisiert sein muss oder ob noch offen sein darf, un­ ter welche Strafbarkeitsnorm sie zu fassen ist. Das Ermittlungsverfahren ist kein Selbstzweck. Es dient dazu, die Tatsachen­ basis zu schaffen, auf deren Grundlage die Staatsanwaltschaft eine Entscheidung über die Erhebung der öffentlichen Klage treffen kann.231 Aus diesem Grund kann der strafprozessuale Anfangsverdacht sich nur auf Straftaten beziehen und ihrer Verfolgbarkeit dürfen keine Verfahrenshindernisse entgegenstehen. Er muss sich demnach auf eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung richten.232 Verzichtete man auf einen konkreten Normbezug des An­ fangsverdachts, so liefe man Gefahr, seine begrenzende Funktion auszuhöhlen. Nur wenn der Anfangsverdacht eines bestimmten Tatbestandes gegeben ist, darf die Staatsanwaltschaft davon ausgehen, dass eine Entscheidung über die Erhe­ bung der öffentlichen Klage zu treffen sein wird. Für die Praxis der Ermittlungs­ behörden ist relevant, zu welchem Zeitpunkt diese Konkretisierung auf den Ver­ dacht einer oder mehrerer Straftaten vorliegen muss. Es gilt: Der Einzelne muss einen Eingriff in seine Grundrechte nur dulden, wenn dieser durch das Entgegen­ stehen eines anderen Grundrechts oder verfassungsrechtlich geschützten Rechts­ guts gerechtfertigt ist, d. h. insbesondere in verhältnismäßiger Weise erfolgt.233 230 

Ähnlich auch Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 173 f. SK/Wohlers/Deiters StPO §  160 Rn  16. 232  KK/Diemer StPO §  152 Rn  12. 233  BVerfGE 28, 243, 260 f.; 30, 173, 193; 100, 214, 223 f.; 124, 25, 36 f.; 142, 74, 101 f.; Sachs/Sachs GG Vor Art.  1 Rn  120 ff., 135. 231 

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Für das Strafverfahren bedeutet dies, dass der Beschuldigte eine Beschränkung seiner Grundrechtspositionen nur hinnehmen muss, soweit dies für die Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege unentbehrlich ist.234 Die Anforderun­ gen an den Anfangsverdacht können dabei unterschiedlich ausfallen je nach In­ tensität der jeweiligen Ermittlungsmaßnahme. Der Verhältnismäßigkeitsgrund­ satz gebietet, dass der mit einer Maßnahme verbundene Eingriff nicht außer Ver­ hältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts steht.235 So geht etwa mit einer Durchsuchung i. S. d. §§  102, 103 StPO ein starker Eingriff in Art.  13 Abs.  1 GG sowie Art.  2 Abs.  1 GG einher.236 Daher ist an dieser Stelle zu verlangen, dass die Stärke des Anfangsverdachts bereits eine höhere Stufe erreicht haben muss und mehr als nur vage Anhaltspunkte vorliegen müssen.237 Bei Durchsuchungsbe­ schlüssen ist deshalb erforderlich, dass sich ein konkret zu beschreibender Tat­ vorwurf gegen den Verdächtigen richtet.238 Am Ausgangspunkt der Ermittlungen können jedoch noch keine überzogenen Anforderungen an die Konkretisierung der in Betracht kommenden Tat gestellt wer­ den. Der Lebenssachverhalt muss nicht zwingend bereits einem konkreten Delikt zuzuordnen sein, da das Ermittlungsverfahren gerade dazu dient, den genauen Sachverhalt aufzuklären.239 Eine genaue Tatkonkretisierung muss sich daher aus den verdachtsbegründenden Umständen nicht ergeben.240 Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei Aufnahme der Ermittlungen völlig offengelassen werden darf, wel­ che strafrechtlichen Tatbestände verletzt sein könnten. Eine grobe Vorstellung der Ermittlungsbehörden von dem in Frage kommenden Delikt muss bereits zu diesem Zeitpunkt verlangt werden. Diese steht naturgemäß unter dem Vorbehalt kontinuier­ licher Kontrolle sowie eventueller Korrektur.241 Zu Beginn der Ermittlungen dürfen demnach etwa noch Tatbestände in Betracht gezogen werden, die ausschließlich alternativ begangen werden können.242 Unzulässig wäre es hingegen, ganz allge­ mein zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein „Vermögensdelikt“ zu be­ jahen. Dies würde die Grenze der zulässigen Generalisierung überschreiten. Das Prüfprogramm muss insofern schon so weit vorgegeben sein, dass die Ermittler die bekannten Tatsachen zielgerichtet auf ihre Strafbarkeit hin überprüfen können. 234 

BVerfG NJW 2012, 907, 909. BVerfGE 20, 162, 186 f.; 30, 1, 22; 42, 212, 219 f.; 44, 353, 373; 59, 95, 97. 236  Maunz/Dürig/Papier GG Art.  13 Rn  26. 237  BVerfG NJW 2006, 976, 982. 238  BVerfGE 44, 353, 371 f.; BVerfG NJW 2006, 976, 982. 239  KMR/Plöd StPO §  152 Rn  19. 240  BVerfG, Beschl. v. 28.9.2008 – 2 BvR 1800/07, juris Rn  19; Beschl. v. 29.10.2013 – 2 BvR 389/13, juris Rn  16; Fincke ZStW 95 (1983), 918, 922 f. 241  Bruns GS-Kaufmann, 863, 869 f. 242  Fincke ZStW 95 (1983), 918, 923. Beispielsweise die Einleitung eines Ermittlungsver­ fahrens wegen Hehlerei oder Diebstahl. 235 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

3. Exkurs: Die Insolvenzdelikte im Überblick Ist die Rede von Insolvenzdelikten, so werden hierunter grundsätzlich alle straf­ rechtlichen Tatbestände verstanden, die eine Sicherung des Insolvenzverfahrens im Blick haben.243 Sie zielen auf die Gewährleistung der Gesamtvollstreckung aller Gläubiger gegen einen Schuldner im Interesse der gleichzeitigen quotenmä­ ßigen Befriedigung der Gläubiger ab.244 Jedoch gehören zum Insolvenzstrafrecht auch über diesen Bereich hinausgehende Normen, die sog. Insolvenzdelikte im weiteren Sinne. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die relevanten Vor­ schriften gegeben werden.245 a) Insolvenzdelikte im weiteren Sinne Zum Insolvenzstrafrecht im weiteren Sinne zählen alle Straftatbestände, die typi­ scherweise in den Kontext insolvenzrechtlicher Problematiken fallen.246 Insol­ venzdelikte sind demnach auch solche, die im Zusammenhang mit einer Insolvenz zum Nachteil von Gläubigern, Staat und Dritten begangen werden.247 Hierunter fallen der einfache Betrug (§  263 StGB) und der Kreditbetrug (§§  263, 265b StGB), insbesondere als Geld- oder Warenkreditbetrug gegenüber Banken und Lieferanten.248 Auch die Ausgabe von Finanzwechseln oder ungedeckten Schecks sowie die Veräußerung von sicherungsübereigneten Gegenständen oder das Selbst­inkasso bereits abgetretener Forderungen zählen hierzu.249 Unter die Insol­ venzdelikte im weiteren Sinne sind zudem Subventionsbetrug (§§  263, 264 StGB), Versicherungsbetrug (§§  263, 265 StGB), Untreue (§  266 StGB) und falsche Ver­ sicherung an Eides Statt (§  156 StGB) zu fassen.250 Das Vorenthalten und Verun­ treuen von Arbeitsentgelt (§  266a StGB), etwa durch Nichtabführung von Arbeit­ nehmeranteilen zur Sozialversicherung sowie die Steuerhinterziehung (§  370 AO) – vor allem im Bereich der Umsatz- und Lohnsteuer – können ebenfalls im Zu­ sammenhang mit der bereits eingetretenen oder drohenden Insolvenz stehen.251 Schließlich wird auch das Unterlassen der Einberufung der Gesellschafterver­ 243 

Leitner/Rosenau/Pfordte/Sering WSS Vor §§  283 ff. Rn  11. NK/Kindhäuser StGB Vor §  283 Rn  1. 245  Eine detaillierte Darstellung der Tatbestände ist nicht Teil der vorliegenden Arbeit. Inso­ fern wird auf die umfassende Kommentar- und Handbuchliteratur verwiesen. 246  Leitner/Rosenau/Pfordte/Sering WSS Vor §§  283 ff. Rn  13. 247  LK/Tiedemann StGB Vor §  283 Rn  2. 248  LK/Tiedemann StGB Vor §  283 Rn  27; Richter GmbHR 1984, 137, 148 f. 249  LK/Tiedemann StGB Vor §  283 Rn  27. 250  Dannecker/Knierim/Dannecker/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  15. 251  LK/Tiedemann StGB Vor §  283 Rn  27 mit dem Hinweis, dass diese Delikte besonders wahrscheinlich sind, wenn ein Sozialversicherungsträger Antrag auf Eröffnung des Insolvenz­ verfahrens stellt. 244 

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sammlung bei Verlusten in Höhe der Hälfte des Grund- oder Stammkapitals ge­ mäß §  401 Abs.  1 Nr.  1 AktG, §  84 Abs.  1 Nr.  1 GmbHG, §  148 Abs.  1 Nr.  1 GenG als Insolvenzdelikt im weiteren Sinne eingeordnet.252 Zu einem Insolvenzdelikt werden diese Tatbestände durch ihre Begehung in der Krise eines Unternehmens, in der sie typischerweise dem Bestreben nach Verschleierung der tatsächlichen finanziellen Situation und nach Fortführung der Geschäfte dienen.253 b) Insolvenzdelikte im engeren Sinne Insolvenzstraftaten im engeren Sinne sind zum einen die so im 24. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches bezeichneten Tatbestände der §§  283 bis 283d StGB.254 Zum anderen fällt hierunter die Verletzung der Pflicht zur Stellung eines Eröffnungsantrages gemäß §  15a Abs.  4 InsO.255 aa) Insolvenzverschleppung, §  15a Abs.  4 InsO Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die ihm gemäß §  15a Abs.  1 InsO obliegende Pflicht zur rechtzeitigen Stellung des Eröffnungsantrages verletzt. Hierbei ist es unerheblich, ob der Antrag nicht bzw. nicht rechtzeitig (Nr.  1) oder nicht richtig (Nr.  2) gestellt wurde. Verpflichtend ist die Stellung des Eröffnungsantrags nur für Kapitalgesellschaften und Gesell­ schaften, für deren Schulden keine natürliche Person persönlich haftet.256 Wer­ den diese zahlungsunfähig oder sind sie überschuldet, haben die gesetzlichen Organe gemäß §  15a Abs.  1 InsO ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröff­ nungsantrag zu stellen. Natürliche Personen genießen dahingegen das Vertrauen des Gesetzgebers in ihre persönliche Tüchtigkeit und die Fähigkeit, ihre Vermö­ gensverhältnisse selbst zu ordnen.257 Die Norm zielt auf den Schutz des Gläubigervermögens ab, indem Altgläubi­ ger vor einer weiteren Verringerung der zur Verfügung stehenden Haftungsmasse geschützt werden sollen und Neugläubiger vor der Aufnahme von Vertragsbezie­ hungen – ohne insolvenzrechtlichen Schutz258 – zu einer notleidenden Gesell­ schaft bewahrt werden sollen.259 Bei der Vorschrift handelt es sich um ein echtes 252 

Wabnitz/Janovsky/Pelz HdB WSS 9. Kap. Rn  3. LK/Tiedemann StGB Vor §  283 Rn  27. 254  Wabnitz/Janovsky/Pelz HdB WSS 9. Kap. Rn  3. 255  Wabnitz/Janovsky/Pelz HdB WSS 9. Kap. Rn  3. 256  Graf-Schlicker/Bremen InsO §  15a Rn  3. 257  Jauernig/Berger Insolvenzrecht §  54 Rn  3. 258  MüKo/Klöhn InsO §  15a Rn  22. 259  BT-Drs 16/6140, 55. 253 

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Unterlassungsdelikt.260 Demnach genügt bloßes Untätigbleiben, um den Tatbe­ stand zu verwirklichen. Auch die Begehungsvariante des unrichtig gestellten An­ trags ist als Unterlassungsdelikt einzuordnen, da der Schwerpunkt der Vorwerf­ barkeit auf dem Nichtstellen des richtigen Antrags liegt.261 Gemäß Abs.  5 ist auch die fahrlässige Begehung strafbewehrt. bb) Bankrott, §  283 StGB Der Bankrotttatbestand sanktioniert in Abs.  1 die Vornahme einer der in den Nrn.  1 bis 8 abschließend aufgeführten Tathandlungen, sofern der Schuldner überschuldet oder zahlungsunfähig ist bzw. ihm die Zahlungsunfähigkeit droht. Wird die Krise erst durch eine der in Abs.  1 bezeichneten Handlungen herbeige­ führt, so richtet sich die Strafbarkeit nach Abs.  2. Die Strafbarkeit nach beiden Tatbeständen setzt den Eintritt der in §  283 Abs.  6 StGB niedergelegten objekti­ ven Strafbarkeitsbedingung262 voraus: Danach ist die Tat nur strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenz­ verfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen ist. Bei der Vorschrift des §  283 Abs.  1 StGB handelt es sich um ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt, da sie keinen tatbestandlichen Erfolg vorsieht, die Vornahme von Bankrotthandlungen jedoch nur im Stadium der Krise bestraft.263 Der Tatbe­ stand des Abs.  2 stellt hingegen ein Erfolgsdelikt dar.264 §  283 Abs.  1 StGB sanktioniert in den Nrn.  1 bis 4 solche Tathandlungen, durch die der Schuldner die Insolvenzmasse schmälert.265 Gemäß Nr.  1 ist dies der Fall, sofern der Schuldner Teile des Vermögens unmittelbar beeinträchtigt.266 Die Nrn.  2 und 3 bestrafen den (partiellen) Vermögensverlust durch unwirt­ schaftliche Geschäfte. Schließlich stellt Nr.  4 auf das Behaupten nicht bestehen­ der Rechte anderer an Teilen der Masse ab.267 In den §  283 Abs.  1 Nr.  5 bis 7 StGB verändert oder unterlässt der Schuldner Aufzeichnungen, die ihm nach dem Handelsrecht obliegen. Es handelt sich um Buchführungs- bzw. Bilanzdelikte.268 Sie finden sich nahezu identisch auch in 260 

BGH NJW 1980, 406, 408 für die Vorgängervorschrift des §  84 GmbHG a. F. Bittmann NStZ 2009, 113, 116 für §  15a Abs.  4 InsO a. F., der jedoch weitestgehend der aktuellen Fassung entspricht. 262  BGHSt 1, 186, 191; RGSt 66, 268, 269; LK/Tiedemann StGB Vor §  283 Rn  89; a. A. noch RGSt 27, 316, 318, das noch von einem Tatbestandsmerkmal ausging. 263  Bittmann/Brand Insolvenzstrafrecht §  12 Rn  4. 264  G/J/W/Reinhart WSS §  283 StGB Rn  2. 265  Dannecker/Knierim/Dannecker/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  880. 266  Dannecker/Knierim/Dannecker/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  880. 267  Dannecker/Knierim/Dannecker/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  880. 268  Dannecker/Knierim/Dannecker/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  929. 261 

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den §  283b Abs.  1 Nr.  1 bis 3 StGB, sind dort jedoch nicht an den Zustand der Krise gebunden.269 Um tauglicher Täter der Buchführungsdelikte zu sein, muss der Schuldner zur Führung von Handelsbüchern gesetzlich verpflichtet sein.270 Die handelsrechtliche Buchführungspflicht271 ergibt sich aus §  238 Abs.  1 HGB und verpflichtet jeden Kaufmann, also jeden Betreiber eines Handelsgewerbes i. S. d. §  1 Abs.  1 HGB.272 Gemäß §  1 Abs.  2 HGB ist Handelsgewerbe jeder Ge­ werbebetrieb, es sei denn, das Unternehmen erfordert nach Art oder Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb. Einzelkauf­ leute sind seit den Änderungen durch das BilMoG273 gemäß §§  241a, 242 Abs.  4 HGB von dieser Pflicht ausgenommen, sofern sie in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als 500.000 Euro Umsatzerlöse und nicht mehr als 50.000 Euro Gewinn erwirtschaftet haben.274 Als letzte Variante des ersten Absatzes stellt §  283 Abs.  1 Nr.  8 StGB sonstige Veränderungen in der Krise unter Strafe.275 Danach macht sich auch derjenige wegen Bankrotts strafbar, der in einer anderen, den Anforderungen einer ord­ nungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert. Die Vorschrift fungiert als Auffangtatbestand gegenüber den übri­ gen Handlungsvarianten des ersten Absatzes.276 Schließlich besteht eine Strafbarkeit gemäß §  283 Abs.  2 StGB, wenn der Schuldner seine Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit durch eine der in Abs.  1 aufgeführten Tathandlungen kausal und objektiv zurechenbar herbei­ führt.277 Die Krise muss folglich nicht bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der Bankrotthandlungen vorliegen.278 Sämtliche Tatbestandsalternativen sind gemäß §  283 Abs.  4, 5 StGB auch dann strafbewehrt, wenn der Täter des Abs.  1 die Überschuldung oder die dro­ hende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt bzw. in den Fällen des Abs.  2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig ver­ ursacht. 269 

Bittmann/Brand Insolvenzstrafrecht §  12 Rn  97. MüKo/Petermann StGB §  283 Rn  43. 271  Nicht relevant ist hingegen die steuer- oder gewerberechtliche Buchführungspflicht, Park/Sorgenfrei/Deiters Kapitalmarktstrafrecht Kap.  7 §  283b StGB Rn  15. 272  G/J/W/Reinhart WSS §  283 StGB Rn  43. 273  Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) v. 26.5.2009, BGBl I S.  1102. 274  MüKo/Petermann StGB §  283 Rn  43. 275  Dannecker/Knierim/Dannecker/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  957. 276  BGH NStZ 2009, 635, 636. 277  Bittmann/Brand Insolvenzstrafrecht §  12 Rn  217; AnwK/Püschel StGB §  283 Rn  29. 278  MüKo/Petermann StGB §  283 Rn  69. 270 

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cc) Besonders schwerer Fall des Bankrotts, §  283a StGB Die Vorschrift des §  283a StGB normiert besonders schwere Fälle des Bankrotts. Diese sind als Regelbeispiele formuliert und gestatten es, den Täter mit Frei­ heitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu bestrafen, wenn er aus Ge­ winnsucht gehandelt hat (Nr.  1) oder wissentlich viele Personen in die Gefahr des Verlustes ihrer ihm anvertrauen Vermögenswerte oder in wirtschaftliche Not bringt (Nr.  2).279 dd) Verletzung der Buchführungspflicht, §  283b StGB Nahezu identisch zu den §  283 Abs.  1 Nr.  5–7 StGB normiert §  283b StGB eine Strafbarkeit für die Verletzung von Buchführungs- und Bilanzierungspflich­ ten.280 Im Gegensatz zum Bankrotttatbestand greift §  283b StGB jedoch auch dann ein, wenn eine Krise im Zeitpunkt der Tathandlung nicht vorliegt bzw. im Nachhinein nicht mehr nachweisbar ist oder der Schuldner sie schuldlos ver­ kannte.281 Somit handelt es sich bei der Verletzung der Buchführungspflicht um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.282 Jedoch ist die Strafbarkeit auch bei §  283b StGB über den Verweis in Abs.  3 auf §  283 Abs.  6 StGB an den Eintritt der ob­ jektiven Strafbarkeitsbedingung – die Einstellung der Zahlungen oder die Eröff­ nung des Insolvenzverfahrens bzw. die Abweisung des Eröffnungsantrags man­ gels Masse – gebunden. Die bloße Verletzung von Buchführungspflichten außer­ halb einer wirtschaftlichen Krise ist, sofern hierauf keine Insolvenz folgt, nicht als strafbedürftig anzusehen.283 Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es für den erforderlichen äußeren Zusammenhang zwischen Tathandlung und Strafbar­ keitsbedingung aus, dass ein Teil der zur Zeit der Tathandlung bereits bestehen­ den Gläubigerforderungen zum Zeitpunkt des Eintritts der objektiven Strafbar­ keitsbedingung noch nicht getilgt sind oder Mängel der Buchführung noch fort­ wirken.284 Als taugliche Täter des Delikts kommen einzig Kaufleute in Betracht.285 Auch hier gelten für Einzelkaufleute die durch das BilMoG eingeführten Be­ schränkungen der Buchführungspflichten.286 Die Vorschrift des §  283b StGB dient zum einen der Gewährleistung der Selbstinformation des Kaufmannes über seine Geschäfte, zum anderen nimmt sie den Gläubigerschutz in den Blick.287 279 

Bittmann/Brand Insolvenzstrafrecht §  12 Rn  270. Lackner/Kühl StGB §  283b Rn  1. 281  MüKo/Petermann StGB §  283b Rn  3. 282  OLG Hamburg NJW 1987, 1342, 1343; Fischer StGB §  283b Rn  2. 283  Schönke/Schröder/Heine/Schuster StGB §  283b Rn  1. 284  BGH NStZ 2008, 401, 402. 285  Park/Sorgenfrei/Deiters Kapitalmarktstrafrecht 7. Kap. §  283b Rn  8. 286  Vgl. 3. Kap. A.II.3.a)bb). 287  Bittmann/Brand Insolvenzstrafrecht §  12 Rn  99. 280 

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Denn nur der Kaufmann, der umfassend über seine Vermögenssituation infor­ miert ist, kann die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens seriös beurteilen und eventuell erforderliche Maßnahmen zur Abwendung einer Insolvenz ergrei­ fen.288 ee) Gläubigerbegünstigung, §  283c StGB Gemäß §  283c Abs.  1 StGB macht sich derjenige strafbar, der in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung ge­ währt, die dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspru­ chen hat, und ihn dadurch absichtlich oder wissentlich gegenüber den übrigen Gläubigern begünstigt. Die Vorschrift normiert somit einen speziellen Fall des Beiseiteschaffens von Vermögensbestandteilen i. S. d. §  283 Abs.  1 Nr.  1 StGB, wenn bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist.289 Gegenüber §  283 StGB ist der Strafrahmen der Gläubigerbegünstigung mit einer Höchststrafe von bis zu zwei Jahren deutlich geringer, da das Vermögen insgesamt durch die Zuwendun­ gen an den Gläubiger nicht gemindert wird.290 Der Schuldner verstößt in diesem Fall lediglich gegen den Grundsatz „par conditio creditorum“.291 Die von der Norm strafbewehrte Vornahme „inkongruenter“ Leistungen kann beispielsweise in der Zahlung vor Fälligkeit, die den üblichen Rahmen übersteigt, der Einräu­ mung eines Pfandrechts oder der Vornahme einer Sicherungsübereignung ohne schuldrechtlich bestehende Verpflichtung bestehen.292 ff) Schuldnerbegünstigung, §  283d StGB Die Vorschrift des §  283d StGB erweitert den Tatbestand des §  283 Abs.  1 Nr.  1 StGB auf Dritte und sanktioniert den Zugriff Außenstehender auf das Schuldner­ vermögen.293 Mit Ausnahme des Schuldners ist jedermann tauglicher Täter des Delikts.294 Da einen Außenstehenden nicht dieselbe Verantwortung für das Schuldnervermögen trifft wie den Schuldner selbst, sind die Strafbarkeitsvoraus­ setzungen des §  283d StGB restriktiver formuliert als beim Bankrotttatbestand.295 Aus demselben Grund ist auch die sichere Kenntnis des Täters von der drohen­ den Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder die Vornahme der Begünstigungs­ 288 

Bittmann/Brand Insolvenzstrafrecht §  12 Rn  99. Dannecker/Knierim/Dannecker/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  980. 290  AnwK/Püschel StGB §  283c Rn  1. 291  BGH NStZ 1996, 543, 544; Bittmann/Brand Insolvenzstrafrecht §  14 Rn  2. 292  Dannecker/Knierim/Dannecker/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  981. 293  Bittmann/Sperling Insolvenzstrafrecht §  23 Rn  1. 294  AnwK/Püschel StGB §  283d Rn  1. 295  BT-Drs 7/3441, 39; Brand/Sperling ZStW 121 (2009), 281, 282. 289 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

handlung erst nach Beginn eines Insolvenzverfahrens erforderlich.296 Für die Strafbarkeit wegen Schuldnerbegünstigung gilt gemäß §  283d Abs.  4 StGB ebenfalls das Erfordernis des Eintritts der objektiven Strafbarkeitsbedingung in Bezug auf die wirtschaftliche Situation des Schuldners. Auch bei §  283d StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, sodass es nicht erforderlich ist, dass Vermögensbestandteile, die zur Insolvenzmasse gehören, den Gläubi­ gern tatsächlich entzogen werden oder eine konkrete Gefährdung der Masse be­ steht.297 c) Zusammenfassende Übersicht Der voranstehende Überblick zeigt, dass nicht alle Delikte gleichermaßen für jeden Schuldner strafbarkeitsbegründend sind, sondern dies beispielsweise da­ von abhängt, ob es sich bei dem Schuldner um eine juristische oder natürliche Person handelt oder ob er die Kaufmannseigenschaft erfüllt. Im Folgenden soll deshalb für die verschiedenen „Schuldnergruppen“ eine kurze zusammenfassen­ de Übersicht gegeben werden, hinsichtlich welcher Insolvenzdelikte im engeren Sinne sie als Täter in Betracht kommen. Die Strafbarkeitsnorm des §  283d StGB wird hierbei ausgeklammert, da sich diese nicht an den Insolvenzschuldner rich­ tet und deshalb im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit nicht relevant ist. – Handelt es sich bei dem Schuldner um einen Verbraucher, so ist er tauglicher Täter des §  283 Abs.  1 Nr.  1–4 StGB, §  283 Abs.  2 StGB sowie des §  283c StGB. Betrachtet man den Oberbegriff der „Unternehmensinsolvenzen“, so können die­ se danach unterteilt werden, ob der Schuldner eine natürliche oder eine juristi­ sche Person ist. Bei natürlichen Schuldnern ist wiederum zu trennen nach Einzel­ kaufleuten und Personengesellschaften: – Ist der Schuldner Einzelkaufmann, so können die gleichen Strafbarkeitsnor­ men auf ihn angewendet werden wie auf den Verbraucher. Zusätzlich kann der Einzelkaufmann unter bestimmten Umständen – sofern er nämlich nicht von seiner Buchführungspflicht gemäß §  241a und §  242 Abs.  4 HGB befreit ist und keinen kleinen Betrieb führt – tauglicher Täter i. S. v. §  283 Abs.  1 Nr.  5–7 und §  283b StGB sein. – Haftet in der Personengesellschaft mindestens eine natürliche Person, so kommt eine Strafbarkeit gemäß §§  283 Abs.  1, 283 Abs.  2, §  283b sowie §  283c StGB in Betracht. 296  297 

BT-Drs 7/3441, 39. Bittmann/Sperling Insolvenzstrafrecht §  23 Rn  3.

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– Ist nicht mindestens einer der persönlich haftenden Gesellschafter eine natür­ liche Person, so tritt eine mögliche Strafbarkeit nach §  15a Abs.  4 InsO hinzu. Ist das Unternehmen als juristische Person ausgestaltet, so kommen sämtliche Strafbarkeitsnormen der Insolvenzdelikte in Betracht. – Neben der möglichen Täterschaft nach §§  283–283c StGB sind die Mitglieder des Vertretungsorgans der juristischen Personen auch taugliche Täter des §  15a Abs.  4 InsO. 4. Konkrete Anwendung: Begründung eines Anfangsverdachts aufgrund der MiZi-Mitteilung? Die Staatsanwaltschaft erhält durch die sog. MiZi-Mitteilungen Kenntnis vom Vorliegen eines Insolvenzfalles. Gemäß IX/2 und 3 MiZi erfährt sie von der Er­ öffnung des Insolvenzverfahrens bzw. seiner Ablehnung mangels Masse, sofern es sich nicht um ein Verfahren gegen eine Privatperson ohne Bezug zu ihrer ge­ werblichen Tätigkeit handelt. Der Staatsanwaltschaft ist in bestimmten Fällen zudem die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis mitzuteilen, VI/2 MiZi. Außerhalb dieser normierten Meldepflichten kann der Staatsanwalt­ schaft darüber hinaus gemäß Allg/1 Abs.  4 MiZi eine Mitteilung gemacht wer­ den, wenn die Kenntnis der Schuldnerdaten aus Sicht der übermittelnden Stelle zur Verfolgung einer Straftat unerlässlich ist.298 Sofern das in der strafbehördlichen Praxis auf eine solche Mitteilung folgende Beiziehungsersuchen auf die Ermittlungsgeneralklausel des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO gestützt wird, setzt dies voraus, dass schon aufgrund einer mitteilungs­ pflichtigen Insolvenzentscheidung ein Anfangsverdacht indiziert ist. Hierfür ist das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte erforderlich. Diese können sich zum ei­ nen aus wirtschaftskriminologischer Sicht ergeben. Zum anderen kann auch die signifikant hohe statistische Häufigkeit eines Delikts die Entscheidung rechtfer­ tigen, einen Anfangsverdacht anzunehmen, sofern zusätzliche konkrete Tatsa­ chen gegen die verdächtigte Person vorliegen.299 Um zu bestimmen, ob die Stützung des Beiziehungsersuchens der Insolvenz­ akten auf die Vorschrift des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO zulässig ist, ist deshalb im Folgenden zu untersuchen, ob wirtschaftskriminologische oder statistische Grün­de die Annahme des Anfangsverdachts einzelner Insolvenzdelikte nach Er­ halt einer MiZi-Mitteilung indizieren.

298  299 

Vgl. hierzu 2. Kap. B.II.4. Vgl. 3. Kap. A.2.b)bb).

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a) Anforderungen an die Qualität der Anhaltspunkte Anhand der oben300 abstrakt formulierten Kriterien, nach denen sich die Begrün­ dung des Anfangsverdachts richtet, sollen nun die Anforderungen im konkreten Anwendungsfall präzisiert werden. Ein Anfangsverdacht kann dabei stets nur in Bezug auf ein konkret zu benen­ nendes Delikt gegeben sein. Zwar sind am Ausgangspunkt eines möglichen Er­ mittlungsverfahrens keine überzogenen Anforderungen an die Konkretisierung der in Betracht kommenden Tat zu stellen, jedoch bezieht sich dies nur auf die Fakten- und nicht die Rechtslage.301 Auch wenn der Sachverhalt im Einzelnen noch ermittelt werden muss, ist zu verlangen, dass die Ermittlungsbehörde die in Betracht kommenden Delikte konkretisiert. Der pauschale Hinweis auf das Vor­ liegen eines Anfangsverdachts „wegen Insolvenzdelikten“ kann deshalb nicht ausreichen.302 Dies gilt umso mehr, als sich diese Bezeichnung nicht nur auf die Straftatbestände nach §§  283, 283a–d StGB, §  15a Abs.  4, 5 InsO bezieht, son­ dern der Begriff der Insolvenzdelikte im weiteren Sinne zahlreiche weitere Tat­ bestände umfasst, die teilweise abweichende Rechtsgüter schützen. Es könnte erwogen werden, einen niedrigeren Anforderungsmaßstab anzuset­ zen, sofern die Begehung von Insolvenzdelikten hohe wirtschaftliche Schäden verursachte.303 Die mittlere Schadenssumme je Insolvenzfall beläuft sich bei Un­ ternehmensinsolvenzen auf knapp 950.000 Euro.304 Bei dieser Betrachtung darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Insolvenzordnung bei der Regelung des Insolvenzverfahrens einen gewissen Forderungsausfall vorausgesetzt hat. Es verbietet sich daher, die Höhe der Insolvenzschäden pauschal als Argument für die Intensität der durch Insolvenzdelikte hervorgerufenen Rechtsgutsverletzung anzuführen. Genauere Schätzungen zur Höhe der auf Insolvenzstraftaten entfal­ lenden Schäden gibt es, soweit ersichtlich, nicht. Es wird aber davon ausgegan­ gen, dass ein beträchtlicher Anteil der Ausfallquote durch Insolvenzdelikte be­ dingt ist.305 Ebensowenig wie bei der Frage nach dem Anfangsverdacht jedoch auf die Gesamtheit der Insolvenzdelikte abgestellt werden kann, dürfen „die In­ solvenzdelikte“ zur Grundlage der Beurteilung der qualitativen Anforderungen der tatsächlichen Anhaltspunkte gemacht werden. Wenn vorgebracht wird, ange­ sichts des großen Schadensausmaßes der Insolvenzstraftaten wiege die Rechts­ gutsverletzung besonders schwer, wird das Erfordernis einer solchen Präzisie­ 300 

Vgl. 3. Kap. A.II.2. Vgl. hierzu 3. Kap. A.II.2.c). 302  So auch Richter wistra 2017, 329, 332. 303  Weyand ZInsO 2016, 441, 443. 304  Creditreform Insolvenzen 2017, 3. 305  Creditreform Insolvenzen 2017, 4. 301 

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rung verkannt.306 Solange sich die entstandenen Schäden nicht wenigstens an­ näherungsweise nach den einzelnen Insolvenzdelikten aufschlüsseln lassen, ist eine Herabsenkung des Anforderungsniveaus an die tatsächlichen Anhaltspunk­te nicht unter Berufung auf eine besonders intensive Rechtsgutsverletzung zu rechtfertigen. b) Telos der MiZi-Mitteilung Möglicherweise enthalten die MiZi-Mitteilungen die Anordnung der Justiz­ minister der Länder und des Bundes an die Staatsanwaltschaft, in allen mitgeteil­ ten Fällen von der Begründung eines Anfangsverdachts wegen Insolvenzstraf­ taten auszugehen. Die Zulässigkeit einer solchen Weisung vorausgesetzt, könnte der Erhalt der entsprechenden MiZi-Mitteilung in diesem Fall unter Umständen als zureichender tatsächlicher Anhaltspunkt i. S. v. §  152 Abs.  2 StPO ausreichen. Die Staatsanwaltschaft wäre dann befugt, die Insolvenzakten auf der Grundlage der strafprozessualen Ermittlungsgeneralklausel beizuziehen und auszuwerten. Dies würde voraussetzen, dass im Rahmen des Erlasses des MiZi-Katalogs bereits eine Abwägung stattgefunden hat, die zu dem Ergebnis führte, dass in den geregelten Fällen stets der Anfangsverdacht eines Insolvenzdelikts gegeben ist. Bei der „Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen“ handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift, die der behördlichen Ermessenslenkung und Norminter­ pretation der gesetzlichen Mitteilungsermächtigungen dient.307 Materialien, die Einblick in den Entstehungsprozess der MiZi-Anordnung gewähren, sind leider nicht mehr verfügbar. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass die Verfas­ ser der Verwaltungsanordnung die Mitteilungspflichten gegenüber der Staats­ anwaltschaft in den geregelten Fällen als für die Zwecke der Strafverfolgung geboten gewertet haben.308 Die Gefahr strafbaren Handelns sahen sie somit so­ wohl in Konstellationen, in denen das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wurde als auch bei Verfahren, die mangels Masse abge­ wiesen wurden.309 Ausnahmen bilden lediglich Insolvenzen von Privatpersonen ohne Bezug zu einer gewerblichen Tätigkeit sowie Nachlassinsolvenzen. Fraglich ist aber, ob durch diese Verwaltungsvorschrift das typisierte Vorlie­ gen eines Anfangsverdachts geregelt ist bzw. überhaupt geregelt werden kann. 306 

So aber Weyand ZInsO 2016, 441, 443. Zwar spricht die Gesetzesbegründung in BT-Drs 13/4709, 18 von Ermessensbindung und Normenkonkretisierung. Diese Begriffe wurden jedoch offenbar im untechnischen Sinne gebraucht, Golembiewski Mitteilungen durch die Justiz, 139. 308  BeckOK/Ebner StPO MiZi IX/2 Rn  3; IX/3 Rn  3. 309  Zur Vermutung, dass ihnen angesichts der Diskrepanz der Regelungen in XI/2 und VI/2 im Hinblick auf die Verfahrensabweisung mangels Masse hierbei ein Fehler unterlaufen ist, vgl. 2. Kap. B.IV.2. 307 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass die MiZi-Mitteilungen gerade dazu dienen, die Staatsanwaltschaften über das Vorliegen eines Anfangsverdach­ tes in Kenntnis zu setzen, um ihnen die Aufnahme von Ermittlungen zu ermögli­ chen.310 Dazu müsste es aber überhaupt in den Zuständigkeitsbereich des Anord­ nungsgebers, nämlich der Justizministerien und -senatoren der Länder und des Bundes fallen, das Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts zu beurtei­ len. Zwar sind die Landesjustizminister den jeweiligen Strafverfolgungsbehör­ den hierarchisch übergeordnet.311 Die Entscheidung, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht vorliegen, kann jedoch einzig die sachlich und örtlich zuständige Staatsanwaltschaft treffen. Denn sie ist „Herrin des Ermittlungsverfahrens“.312 Zudem wurde bereits festgestellt, dass die pau­ schale Annahme eines Anfangsverdachts in Bezug auf den täterbezogenen Ver­ dacht unzulässig ist.313 Es würde somit die Zulässigkeitsgrenzen einer Verwal­ tungsvorschrift überschreiten, sofern sie regelte, dass in bestimmten Situationen per se der Anfangsverdacht strafbaren Handelns begründet sein soll. Betrachtet man die hier relevanten MiZi-Mitteilungen, so wurde dies unzweifelhaft auch nicht beabsichtigt. Denn es wurden keine gesonderten Konstellationen für die Mitteilungen an die Staatsanwaltschaften geregelt. Vielmehr wurden für die Fäl­ le der Abweisung mangels Masse bzw. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Mitteilungspflichten an eine Vielzahl von Adressaten konstituiert.314 Im Gegen­ satz zu einigen öffentlichen Stellen – so etwa bei Trägern der gesetzlichen Kran­ kenversicherungen, Berufsgenossenschaften, den zuständigen Industrie- und Handelskammern oder der Agentur für Arbeit315 – wird die Mitteilungspflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft zudem nicht davon abhängig gemacht, ob die Mitteilung aus Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich erscheint. Die den Mitteilungspflichten zugrundeliegenden Konstellationen wurden somit gegen­ über einer Mehrzahl von Adressaten allgemein für mitteilungswürdig befunden. Übertragen auf die Terminologie des Verwaltungsrechtes könnte dies mit dem Begriff der „abstrakten Gefahr“ beschrieben werden. Der Begegnung dieser abs­ trakten Gefahr dienen die MiZi-Mitteilungen. Bleibt man in dieser Systematik, so setzte das strafverfolgungsbehördliche Einschreiten hingegen eine „konkrete Gefahr“ voraus.316 Diese beurteilt sich zwingend nach dem Einzelfall. Sie ist ei­ 310 

So etwa Bork/Hölzle/Bittmann HdB Insolvenzrecht Kap.  24 Rn  244. §  143 Nr.  2 GVG. 312  LR/Erb Vor §  158 Rn  21 f. 313  Vgl. hierzu unter 3. Kap. A.II.2.b)bb)(2). 314  So nennen die IX/2 und 3 als Empfänger u. a. die Registergerichte, Vollstreckungsge­ richte, Arbeitsgerichte, Finanzämter. 315  IX/3 Abs.  3 S.  1 Nr.  12, 13; IX/2 Abs.  2 S.  1 Nr.  3, 4. 316  Der Begriff der „Gefahr“ stammt aus dem präventiven Polizeirecht und passt deshalb 311 

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ner Regelung durch Verwaltungsvorschrift entzogen. Für die Strafverfolgung bedeutet der Erhalt einer MiZi-Mitteilung gemäß IX/2 bzw. 3 somit zunächst einmal nichts anderes, als dass die objektive Strafbarkeitsbedingung des §  283 Abs.  6 StGB eingetreten ist, welche Voraussetzung für die Verfolgbarkeit der Bankrottdelikte i. S. v. §§  283, 283a–d StGB ist. Die MiZi-Mitteilungen des 3. Abschnitts enthalten somit keine bindende An­ ordnung an die Staatsanwaltschaft, in den ihnen zugrundeliegenden Insolvenz­ fällen einen Anfangsverdacht wegen Insolvenzstraftaten anzunehmen. Weder läge eine solche Vorgabe in der kompetenziellen Zuständigkeit der Justizminister der Länder und des Bundes noch entsprach es dem Willen der Anordnungsgeber, durch die Verwaltungsvorschrift hinsichtlich der einzelnen Insolvenzfälle eine solche Regelung zu treffen. c) Wirtschaftskriminologische Begründung eines Anfangsverdachts Wirtschaftskriminologische Ansätze versuchen den Anfangsverdacht einer In­ solvenzstraftat vor allem dadurch zu erklären, dass sie die Prozesse bis zum Ein­ tritt eines Insolvenzfalles beleuchten. Hierbei beziehen sich die in der Literatur diskutierten Argumente vor allem auf die Fälle der Unternehmensinsolvenzen, noch genauer auf die haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaften. Gerate ein Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage, so versuchten die Verantwortlichen in der Regel zu retten, was noch zu retten sei.317 Dabei komme es zur Verschie­ bung von Vermögenswerten und Geschäftspartner würden zu Lieferungen veran­ lasst, die später nicht mehr bezahlt würden.318 Bei haftungsbeschränkten Gesell­ schaften wie der GmbH oder der GmbH & Co. KG seien die Gesellschafter, die einen sich realisierenden Verlust nur bis zur Höhe der von ihnen geleisteten Ein­ lage tragen, daran interessiert, bei Eintritt der Krise eine Strategie des maximalen Risikos zu fahren.319 Diese Risikoneigung steige mit zunehmender Wahrschein­ lichkeit des wirtschaftlichen Scheiterns.320 Aus diesem Grund werde die Ge­ schäftstätigkeit häufig erst eingestellt, wenn das gesamte Gesellschaftsvermögen verbraucht sei.321 Viele Gesellschaftergeschäftsführer änderten zudem selbst in der Krise ihre bisherige persönliche Lebensführung nicht, sondern gewährten sich unzulässige Entnahmen bzw. Darlehen.322 nicht im Kontext von repressiver Strafverfolgungstätigkeit. Er soll hier dennoch im untechni­ schen Sinne zur besseren Anschaulichkeit verwendet werden. 317  Weyand ZInsO 2008, 242, 244. 318  Weyand ZInsO 2008, 242, 244. 319  Hollinderbäumer BB 2013, 1223, 1223. 320  Hollinderbäumer BB 2013, 1223, 1223. 321  Hollinderbäumer BB 2013, 1223, 1223. 322  Molitor ZInsO 2004, 789, 789 f.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

aa) In den Fällen der MiZi-Mitteilung gem. IX/2 Insbesondere die Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse wird als eindeutiger Anhaltspunkt für den Anfangsverdacht (zumindest) einer Insolvenz­ verschleppung ausgemacht. Bei Einhaltung der Antragsfrist sei es geradezu un­ möglich, sogar die Masse zu verlieren, die für die Deckung der Verfahrenskosten benötigt wird.323 Es sei nicht denkbar, dass ein auch nur halbwegs gesundes Un­ ternehmen innerhalb des dreiwöchigen Zeitraumes des §  15a Abs.  1 S.  1 InsO in völlige Masselosigkeit gerate.324 Drastisch ausgedrückt begründe ein „Verfahren über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft, das mangels Masse nicht eröffnet werden kann, […] einen ebenso starken Verdacht auf insolvenzspezifische An­ sprüche wie das Auffinden einer Leiche mit einem Messer im Herzen den Ver­ dacht auf Mord“.325 Unter die sog. insolvenzspezifischen Ansprüche fallen insbe­ sondere Schadensersatzansprüche wegen verspäteter Insolvenzantragstellung gem. §  15a InsO i. V. m. §  823 Abs.  2 BGB.326 Mangels Masse abgewiesene An­ träge stellen nach dieser Auffassung somit ausnahmslos ein Indiz für die Be­ gehung einer Insolvenzverschleppung dar. Diese Ansicht ist jedoch keinesfalls unbestritten. Der Umstand, dass ein Eröff­ nungsantrag mangels Masse abgewiesen wird, bedeutet keineswegs zwingend, dass das insolvente Unternehmen tatsächlich nicht mehr über ausreichend Mittel verfügt, um die Verfahrenskosten zu tragen. Vielmehr handelt es sich in einer Vielzahl der Fälle lediglich um eine scheinbare Masselosigkeit, nämlich ein blo­ ßeses Fehlen liquiden Schuldnervermögens.327 Diese Erkenntnis ist vor allem auf Haarmeyer zurückzuführen, der in den Jahren 2006/2007 mehrere Erhebungen zur Eröffnungspraxis der deutschen Insolvenzgerichte durchführte. Ausgehend von der Beobachtung, dass die Eröffnungsquote des Insolvenzgerichts Charlot­ tenburg bei Unternehmensinsolvenzen deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt lag,328 untersuchte Haarmeyer in umfassenden Feldstudien die Er­ öffnungsquoten zahlreicher Insolvenzgerichte.329 Hierbei stellte sich heraus, dass die Quote der mangels Masse abgewiesenen Verfahren zwischen den verschiede­ nen Bundesländern deutlich variierte.330 Während in Hamburg lediglich 30  % aller Unternehmensinsolvenzen mangels Masse abgewiesen wurden, lag dieser 323 

Kirstein ZInsO 2006, 966, 967. Richter wistra 2000, 1, 5; Weyand ZInsO 2001, 108, 109. 325  Kirstein zitiert nach Haarmeyer/Beck ZInsO 2007, 1065, 1078. 326  Pape ZInsO 2007, 1080, 1085 f. 327  Schmidt NJW 2011, 1255, 1256. 328  Haarmeyer ZInsO 2006, 449 mit Erwiderung Buse ZInsO 2006, 617. 329  Zunächst regional begrenzt Haarmeyer/Suvacarevic ZInsO 2006, 953, anschließend bundesweit Haarmeyer/Beck ZInsO 2007, 1065. 330  Haarmeyer/Suvacarevic ZInsO 2006, 953, 953. 324 

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Anteil in Berlin zur gleichen Zeit bei rund 70  %.331 Haarmeyer befand deshalb, dass die Abweisung mangels Masse bei vielen Insolvenzgerichten entgegen dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers – zum Schaden der Gläubiger – die Re­ gel, nicht die Ausnahme darstelle.332 Als Ursache dieser Divergenzen machte er vor allem Unterschiede in der Qualität der gerichtlich bestellten Sachverständi­ gen aus. Mangels qualifzierter Sachverständiger werde es in vielen Verfahren versäumt, weniger offensichtliche Ansprüche der Masse, etwa aus Anfechtungs­ tatbeständen oder aus Ansprüchen gegen die Organe der Gesellschaft, festzustel­ len.333 Teilweise werde sogar vollständig auf die Bestellung eines Sachverständi­ gen verzichtet und das Insolvenzgericht fälle die Eröffnungsentscheidung einzig aufgrund der Erklärungen des Geschäftsführers sowie der eigenen Menschen­ kenntnis und Erfahrungen.334 Ein wesentlicher Faktor für die Eröffnungsquote sei zudem der Zeitpunkt der Gutachterbeauftragung. Gerichte mit überdurch­ schnittlich hohen Eröffnungsquoten bestellten einen Sachverständigen in der Re­ gel bereits innerhalb der ersten drei Tage nach Eingang des Eröffnungsantra­ ges.335 Bei Gerichten mit niedrigen Eröffnungsquoten erfolge die Beauftragung zum Teil erst nach 24, 63 oder sogar erst nach 78 Tagen.336 Die Qualität des Gutachtens sowie die Intensität, mit der die Insolvenzgerichte bei ihrer Prüfung vorgingen, beeinflussten daher maßgeblich die jeweilige Eröffnungsentschei­ dung.337 Schon die Einheit der Rechtsordnung spricht dagegen, jede Verfahrensabwei­ sung mangels Masse als Anhaltspunkt für kriminelles Handeln zu sehen. Die Unmöglichkeit der vollständigen Befriedigung aller Gläubiger wird von der In­ solvenzordnung ebenso vorausgesetzt wie der Umstand, dass die Mittel zur Wei­ terführung des Betriebes nicht mehr ausreichen.338 Der Forderungsverlust an sich darf deshalb nicht kriminalisiert werden.339 Er entsteht zu einem gewissen Anteil dadurch, dass bei Unternehmensinsolvenzen Aktiva von Buchwerten oder Fort­ führungswerten auf Liquidationswerte bzw. Zerschlagungswerte umbewertet werden müssen.340 Dies führt zu einer plötzlich eintretenden Quotenverschlech­ terung. Aber auch in Fällen tatsächlicher Massearmut, in denen eine Deckung der Verfahrenskosten unmöglich ist, gibt es vielfach legale Erklärungen. Dieses 331 

Haarmeyer/Suvacarevic ZInsO 2006, 953, 953. Haarmeyer/Beck ZInsO 2007, 1065, 1065. 333  Haarmeyer/Beck ZInsO 2007, 1065, 1076. 334  Haarmeyer/Beck ZInsO 2007, 1065, 1076. 335  Haarmeyer/Beck ZInsO 2007, 1065, 1077. 336  Haarmeyer/Beck ZInsO 2007, 1065, 1077. 337  Haarmeyer/Suvacarevic ZInsO 2006, 953, 953. 338  Liebl Geplante Konkurse, 6. 339  Liebl Geplante Konkurse, 6. 340  Kirstein ZInsO 2006, 966, 967. 332 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Risiko besteht etwa bei kleineren Zulieferern, die in finanzieller Abhängigkeit von einem einzigen großen Unternehmen stehen. Der Zusammenbruch des Großunternehmens zieht beinahe zwangsläufig auch die Insolvenz des Zuliefe­ rers nach sich, da überhaupt keine Masse mehr vorhanden ist.341 bb) In den Fällen der MiZi-Mitteilung gem. IX/3 Im Gegensatz zu den Unternehmensinsolvenzen, die mangels Masse abgewiesen wurden, werden zu den Fällen der eröffneten Insolvenzverfahren nur wenige Ar­ gumente vorgetragen, die für die Begründung eines Anfangsverdachts wegen Insolvenzstraftaten streiten. Soweit ersichtlich gibt es keine Veröffentlichung, die über die allgemeine Aussage, praktisch jede Unternehmensinsolvenzen wer­ de von einer Straftat begleitet, hinausgeht.342 Wurde die standardisierte Annahme eines Anfangsverdachts für die Begehung eines Insolvenzdelikts bereits bei Ver­ fahren abgelehnt, die mangels Masse abgewiesen wurden, gilt dies umso stärker bei eröffneten Verfahren. Eine solche Praxis hat zur Folge, dass ein rechtlich zulässiges Verhalten unter Generalverdacht gestellt wird. Bereits deshalb kann allein aus der Tatsache, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, kein An­ fangsverdacht gegen die Verantwortlichen eines Unternehmens343 bzw. gegen eine ehemals selbständig tätige Person344 angenommen werden. Das gegenüber haftungsbeschränkten Gesellschaften angeführte Argument, aufgrund der Haf­ tungsbeschränkung bestehe eine erhöhte Risikobereitschaft, klingt zunächst schlüssig. Es wird jedoch dadurch widerlegt, dass empirischen Forschungen zu­ folge in 70  % der GmbH-Insolvenzen die Unternehmensgesellschafter auch per­ sönlich haften.345 Zusätzliche Anhaltspunkte, die gegen eine routinemäßige Verdächtigung des Insolvenzschuldners sprechen, ergeben sich bei Verfahren, in denen die Eigen­ verwaltung angeordnet oder Restschuldbefreiung beschlossen wurde. Wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Anordnung der Eigenverwaltung ver­ bunden, so wurde im Eröffnungsverfahren bereits sorgfältig geprüft, dass keine Umstände bekannt sind, die hierdurch bedingte Nachteile für die Gläubiger be­ fürchten lassen, §  270 Abs.  2 Nr.  2 InsO. Von einer Anordnung der Eigenverwal­ tung sieht das Gericht insbesondere bei Anhaltspunkten für eine verspätete Stel­ lung des Eröffnungsantrages ab. Sofern ein Gläubigerausschuss eingesetzt wur­ 341 

Liebl Geplante Konkurse, 6. So etwa Richter wistra 2000, 440, 440; Weyand ZInsO 2001, 108, 109; Haarmeyer FSCarl-Heymanns, 303, 304. 343  MiZi IX/3 Nr.  1. 344  MiZi IX/3 Nr.  1 bei Regelinsolvenzverfahren; IX/3 Nr.  3 bei Verbraucherinsolvenzver­ fahren. 345  Meyer GmbHR 2002, 242, 250. 342 

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de, wird diesem vor der Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung gegeben.346 Beschließt das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung anzuordnen, hat es somit bereits Untersuchungen vorgenommen, in deren Rahmen der Insolvenzfall auf Anhaltspunkte für strafbares Verhalten des Insolvenzschuldners überprüft wur­ de. In diesen Fällen kann deshalb nicht vom Anfangsverdacht einer Insolvenz­ straftat ausgegangen werden. Ähnliches gilt auch für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Restschuld­ befreiung. Die Möglichkeit, sich von einer Nachhaftung zu befreien, wird nur dem redlichen Schuldner gewährt. Die Redlichkeit des Insolvenzschuldners prüft das Insolvenzgericht. Auch hier erhalten die Insolvenzgläubiger Gelegen­ heit zur Stellungnahme.347 In Fällen der Gewährung der Restschuldbefreiung kann deshalb ebenfalls nicht ohne Weiteres vom Vorliegen eines Anfangsver­ dachts wegen Insolvenzstraftaten ausgegangen werden. Wird dem Schuldner die Restschuldbefreiung hingegen verwehrt, so können sich hieraus etwa bei einer Ablehnung gemäß §  290 Abs.  1 Nr.  6 InsO durchaus Anhaltspunkte für eine ­Bankrottstrafbarkeit ergeben.348 cc) Zwischenfazit Gute Argumente sprechen folglich gegen die pauschale Annahme eines Anfangs­ verdachts im Zusammenhang mit Unternehmensinsolvenzen.349 Dies gilt auch für Verfahren, die mangels Masse abgewiesen werden. Die dort vorgetragenen wirt­ schaftskriminologischen Argumente stellen sich bei näherer Betrachtung keines­ wegs als zwingende Anhaltspunkte für einen strafrechtlichen Anfangsverdacht dar. d) Kriminalistische Begründung eines Anfangsverdachts Wie bereits festgestellt wurde, ist das empirisch belegbare, signifikant hohe sta­ tistische Vorkommen eines Delikts in einer bestimmten Situation geeignet, einen tatbezogenen Anfangsverdacht zu begründen.350 Zwar befreit dies die Ermitt­ lungsbehörde nicht von der Aufgabe, Feststellungen zu den konkreten Anhalts­ punkten für den täterbezogenen Anfangsverdacht gegen die individuelle Person zu treffen.351 Die diesbezüglichen Anforderungen sind in einem solchen Fall je­ 346 

Vgl. 2. Kap. B.II.2.c)bb). Vgl. hierzu 2. Kap. B.I.2.c)cc). 348  BeckOK/Ebner StPO MiZi IX/3 Rn  4, der einen Anfangsverdacht wegen §  283 Abs.  1 Nr.  1 oder 8 StGB begründet sieht. 349  So auch Groß FS-Dahs, 249, 260; Senge FS-Hamm, 701, 709; Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417; Richter wistra 2017, 329, 332; noch anders Richter GmbHR 1984, 113, 114 f. 350  Vgl. hierzu 3. Kap. A.II.2.b)bb)(1). 351  Vgl. hierzu 3. Kap. A.II.2.b)bb)(2). 347 

132

3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

doch abgesenkt. Es gilt deshalb zu bestimmen, ob in den Fällen mitteilungs­ pflichtiger Insolvenzentscheidungen signifikante statistische Häufigkeiten be­ züglich der Erfüllung von Insolvenzdelikten (im engeren Sinne) festgestellt wer­ den können, die eine generelle Annahme eines Anfangsverdachts rechtfertigen. aa) Die Ausführungen von Kirstein Eine der wenigen statistisch belegten Darstellungen zum Thema der insolvenz­ strafrechtlichen Diskussion stammt von Hans-Joachim Kirstein aus dem Jahre 2006 und beschäftigt sich aus betriebswirtschaftlicher Perspektive mit der Situa­ tion bei Eröffnungs- und Befriedigungsquoten im Insolvenzverfahren.352 Schwer­ punktmäßig behandelt Kirstein die Möglichkeiten zur Verbesserung der Eröff­ nungssituation sowie der Massemehrung im eröffneten Verfahren. An den An­ fang stellt er jedoch eine Analyse des Antragsverhaltens der Insolvenzschuldner sowie dessen Auswirkungen auf die Eröffnungssituation. In diesem Zusammen­ hang finden sich einige Ausführungen, die für die vorliegende Frage relevant sind. Kirstein beschränkt sich hierbei ausdrücklich auf Insolvenzen haftungs­ beschränkter Gesellschaften. Ausgangspunkt seiner Ausführungen ist die These, dass bis auf wenige Aus­ nahmen theoretisch alle Anträge die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Fol­ ge haben müssten.353 Aufgrund der insolvenzrechtlichen Ausgestaltung, nach der bei juristischen Personen bereits die Überschuldung i. S. v. §  19 InsO die An­ tragspflicht gemäß §  15a Abs.  1 InsO auslöst, sei es bei pflichtgemäßer Antrag­ stellung kaum möglich, dass keine die Verfahrenskosten deckende Masse mehr vorhanden sei. Die materielle Insolvenz trete bei haftungsbeschränkten Gesell­ schaften der Erfahrung nach im Großteil der Fälle zuerst wegen Überschuldung ein. Nur in absoluten Ausnahmefällen sei die objektive Zahlungsunfähigkeit der Auslöser der materiellen Insolvenz.354 Basierend auf diesen Überlegungen wertete Kirstein 326 Verfahren aus, in denen er für die KDLB GmbH im Auftrag von Insolvenzverwaltern mit der Er­ mittlung und Aufbereitung insolvenzspezifischer Ansprüche tätig wurde.355 Hier­ bei kam er zu dem Ergebnis, dass die materielle Insolvenz (und damit die An­ tragspflicht) in den untersuchten Fällen durchschnittlich 10,28 Monate vor der

352 

Kirstein ZInsO 2006, 966. Kirstein ZInsO 2006, 966, 966. 354  Kirstein ZInsO 2006, 966, 966 f. 355  Insgesamt hat die KDLB Kaufmännische Dienstleistungsgesellschaft mbH nach den An­ gaben Kirsteins in einem Zeitraum von 10 Jahren in ca. 800 Regelinsolvenzverfahren Ermitt­ lungen durchgeführt. 353 

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

133

tatsächlichen Antragstellung eintrat.356 Im Einzelnen stellte er im Hinblick auf den Eintritt der materiellen Insolvenz fest:357 Anzahl

Prozentsatz

Länger als 2 Jahre vor Antragstellung

Zeitraum

76

23,31

Länger als 1 Jahr vor Antragstellung

65

19,94

Länger als 6 Monate vor Antragstellung

87

26,69

Länger als 3 Monate vor Antragstellung

63

19,33

Weniger als 3 Monate vor Antragstellung

35

10,74

Mit Blick auf die statistische Häufigkeit von Insolvenzdelikten würde dieses Er­ gebnis die folgenden Schlüsse nahelegen: In mindestens 89,3  % der untersuchten Fälle wurde die Drei-Wochen-Frist zur Antragstellung überschritten. Dies ergibt sich aus der Anzahl von Verfahren, in denen die materielle Insolvenz länger als 3 Monate vor Antragstellung eintrat.358 Somit wäre bei Unternehmensinsolvenzen von haftungsbeschränkten Gesellschaften statistisch zu beobachten, dass in bei­ nahe 90  % der Fälle der objektive Tatbestand der Insolvenzverschleppung durch fehlende oder nicht rechtzeitige Antragstellung359 erfüllt ist. Rückschlüsse auf die Begehung weiterer Insolvenzstraftaten können aus dieser Statistik nicht ge­ zogen werden, da sie keine Angaben zum übrigen Schuldnerverhalten enthält. Dies wäre aber für die Indizierung einer etwaigen Strafbarkeit nach §§  283, 283a–c StGB erforderlich. Der von Kirstein ermittelte Wert einer verspäteten Antragstellung in 89,3  % der Fälle erscheint auf den ersten Blick eindeutig. Es ist jedoch zu beachten, dass die Ausführungen Kirsteins nach eigener Aussage nicht wissenschaftlichen Grundsätzen genügen, sondern eine Analyse aus der Sicht des Praktikers darstel­ len.360 Bei einer rein deskriptiven Untersuchung wie der vorliegenden ist die umfängliche Beschreibung der Dateneigenschaften entscheidend für die Aus­ sagekraft. Hier stellt der Verfasser jedoch nicht die notwendigen Informationen 356 

Kirstein ZInsO 2006, 966, 967. Tabellarische Darstellung nach Kirstein ZInsO 2006, 966, 967. 358  Die 35 Fälle, in denen von Kirstein der Eintritt der materiellen Insolvenz im Dreimonats­ zeitraum vor Antragstellung ermittelt wurde, können bei dieser Berechnung nicht berücksich­ tigt werden, da in der Statistik nicht danach differenziert wurde, ob der Eintritt vor oder nach Ende der Antragsfrist stattfand. 359  Die Vorsatzstrafbarkeit bei Unterlassen der Antragsstellung ergab sich damals aus §§  64 Abs.  1, 84 Abs.  1 Nr.  2 GmbHG a. F. und ist nunmehr in §  15a Abs.  4 Nr.  1 Var.  1 InsO geregelt, die fahrlässige Begehung wurde in §  84 Abs.  2 GmbHG (jetzt: §  15a Abs.  5 InsO) unter Strafe gestellt. Auch die nicht rechtzeitige Antragstellung ist heute strafbewehrt, §  15a Abs.  4 Nr.  1 Var.  2 InsO. 360  Kirstein ZInsO 2006, 966, 966. 357 

134

3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

zusammen, die eine Einordnung der Ergebnisse erlauben. Damit der von Kirstein erstellten Statistik fundierte Aussagen entnommen werden könnten, müsste ins­ besondere gewährleistet sein, dass es sich bei den 326 untersuchten Fällen um eine repräsentative Stichprobe von Unternehmensinsolvenzen haftungsbeschränk­ ter Gesellschaften im Bundesgebiet handelt. Eine Beurteilung dieser Frage ist angesichts der mangelnden Transparenz der verwendeten Stichprobe nicht ab­ schließend möglich. Starkes Indiz gegen eine wissenschaftliche Belastbarkeit ist aber die Tatsache, dass sämtliche der untersuchten Insolvenzverfahren aus der beruflichen Befassung Kirsteins für die KDLB GmbH stammen. Dies könnte zum einen für eine räumliche Konzentration der Stichprobe sprechen, sofern die Beauftragung durch einen festen Kreis von Insolvenzverwaltern erfolgte. Vor allem aber steht zu vermuten, dass die Repräsentanz der Stichprobe auch deshalb eingeschränkt ist, da nur bestimmte Verfahren der Anspruchsermittlung eines externen Dienstleisters zugeleitet werden. Dies würde für eine strukturelle Ähn­ lichkeit der jeweils zugrundeliegenden Problematiken sprechen. Unklar bleibt auch, ob sich die 326 betrachteten Verfahren gleichmäßig auf den Zeitraum der Jahre 1996 bis 2006 verteilen. Angesichts einer Gesamtzahl von über 350.000 Unternehmensinsolvenzen im betrachteten Zeitraum361 sind unabhängig davon Bedenken im Hinblick auf die Stichprobengröße angebracht. Zudem äußert Kirstein selbst die Vermutung, dass der Zeitabstand zwischen dem Eintritt der Insolvenzreife und der Stellung des Eröffnungsantrags von der individuellen Fir­ menausgestaltung beeinflusst sein könnte.362 Besonders ausgeprägt sei die sehr späte Antragstellung bei Personenidentität zwischen Gesellschafter und Ge­ schäftsführer.363 Im Rahmen der Statistik differenziert Kirstein jedoch nicht zwi­ schen Gesellschaften mit klarer Trennung zwischen Gesellschafter und Ge­ schäftsführer und solchen mit einer engen Verflechtung.364 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von Kirstein vorgelegte Statistik die kriminologischen Beobachtungen365 zum Antragsverhalten bei Gesellschaf­ ten mit beschränkter Haftung bestätigt. Sie ist jedoch methodisch nicht belastbar, da sie nicht wissenschaftlichen Grundsätzen genügt. bb) Die Beobachtungen von Richter Erfahrungswerte zu Insolvenzverfahren bereitete im Jahr 2017 auch Oberstaats­ anwalt a. D. Hans Richter auf.366 Die von ihm angeführten statistischen Werte 361 

Statistisches Bundesamt Insolvenzen Deutschland. Kirstein ZInsO 2006, 966, 967. 363  Kirstein ZInsO 2006, 966, 967. 364  Kirstein ZInsO 2006, 966, 966. 365  Vgl. hierzu 3. Kap. A.II.4.c). 366  Richter wistra 2017, 329. 362 

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

135

beziehen sich auf Unternehmensinsolvenzen, die in den Zuständigkeitsbereich der von ihm geleiteten Abteilung der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stuttgart fielen. Anders als Kirstein beschränkt Richter seine Ausführungen nicht auf Ge­ sellschaften mit beschränkter Haftung, sondern betrachtet sämtliche Unterneh­ mensinsolvenzen. Aufgrund der Ermittlungspraxis der Schwerpunktstaatsanwalt­ schaft Stuttgart, den Erhalt von MiZi-Mitteilungen zum Anlass für Vorermittlun­ gen367 zu nehmen, erfolgt dort eine strafrechtliche Überprüfung sämtlicher Unternehmensinsolvenzen, d. h. zwischen 300 und 600 Prüfverfahren jährlich.368 Richters Beobachtungen zufolge ergibt sich in nahezu 100  % der überprüften Unternehmensinsolvenzen ein Anfangsverdacht wegen eines – meist sogar meh­ rerer – einschlägiger Delikte.369 Welche Delikte hiermit genau gemeint sind, spe­ zifiziert er nicht. Der Gesamtkontext des Beitrags legt jedoch die Vermutung nahe, dass Insolvenzdelikte im engeren Sinne gemeint sind. In wenigen dieser Fälle komme es zu einer Einstellung gemäß §  170 Abs.  2 StPO oder zu einem Freispruch.370 Nahezu alle Ermittlungen würden entweder durch Einstellung nach §  153 StPO, durch rechtskräftigen Strafbefehl oder durch Anklagen zum Schöffengericht bzw. zur Wirtschaftsstrafkammer beendet.371 Die von Richter durchgeführte Auswertung des Ermittlungsalltags der Schwerpunktstaatsanwalt­ schaft Stuttgart malt ein drastisches Bild der Kriminalitätsrate im Zusammen­ hang mit Unternehmensinsolvenzen. Hiernach sind Krisen von Personen- und Kapitalgesellschaften in annähernd sämtlichen Fällen mit der Begehung von In­ solvenzdelikten im engeren Sinne verbunden. Jedoch beachtet auch Richter bei seiner Auswertung nicht die statistischen Grundsätze, die Voraussetzung für die Belastbarkeit einer solchen Aussage sind. Die gefundenen Ergebnisse können keine verallgemeinernde Geltung beanspru­ chen, da ihnen keine repräsentative Stichprobe zu Grunde lag. Die Zuständigkeit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stuttgart beschränkt sich auf den erweiterten Raum Stuttgart, in dem es insgesamt drei Insolvenzgerichte gibt. Von diesen In­ solvenzgerichten erhält die Ermittlungsbehörde die MiZi-Mitteilungen, aufgrund derer sie tätig wird. In örtlicher Hinsicht ist die Stichprobe deshalb stark konzen­ triert. Zudem vermitteln die berichteten Werte eher den Eindruck überschlags­ weiser Schätzungen als konkret belegter Daten. Genau bezifferte Zahlen für Ver­ 367 

Zum Aspekt der Vorermittlungen sogleich ausführlich unter 3. Kap. B. Richter wistra 2017, 329, 332. 369  Richter wistra 2017, 329, 332. 370  Richter wistra 2017, 329, 332. Auch schon Müller-Gugenberger/Richter Wirtschafts­ strafrecht §  76 Rn  19. 371  Richter wistra 2017, 329, 332. Einstellungen aus Opportunitätsgründen machen dabei zwischen 10 und 20  % aus, ca. 75  % der Verfahren werden durch Strafbefehlsanträge abge­ schlossen, vgl. Müller-Gugenberger/Richter Wirtschaftsstrafrecht §  76 Rn  19. 368 

136

3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

fahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart finden sich zwar nicht bei Richter, aber in einem öffentlich zugänglichen Vortragsmanuskript eines seiner Mitarbeiter aus dem Jahr 1999.372 Diese belegen noch eine deutlich niedrigere Anfangsverdachts­ quote bei Prüfverfahren nach Erhalt von MiZi-Mitteilungen. Demnach ergab sich im Jahr 1998 aus 669 MiZi-Mitteilungen in 452 Fällen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.373 Dies entspricht einer Quote von 67,6  %. Die Ursache für den Anstieg dieser Quote auf beinahe 100  % innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren ist nicht bekannt. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass tatsäch­ lich rund ein Drittel häufiger Insolvenzstraftaten verübt werden. Dies könnte der fortschreitenden Verschärfung374 des Insolvenzstrafrechts geschuldet sein. Dane­ ben wurde auch das Insolvenzrecht angezogen: Seit der Einführung der InsO im Jahr 2009 stellt bereits die drohende Zahlungsunfähigkeit einen Eröffnungsgrund dar.375 Gleichzeitig wurde der Begriff der Zahlungsunfähigkeit deutlich ver­ schärft. Denkbar wäre daneben jedoch auch, dass die Ermittlungspraxis in Stutt­ gart sich dahingehend geändert hat, dass ein Anfangsverdacht bereitwilliger be­ jaht wird. cc) Statistische Erhebungen zu Insolvenzen und Insolvenzdelikten Aufschlussreiche Erkenntnisse können möglicherweise durch die Betrachtung deutschlandweit erhobener Statistiken zur Anzahl von Insolvenzverfahren und -straftaten gewonnen werden. Das Statistische Bundesamt sowie Creditreform veröffentlichen jährlich detaillierte Informationen zur Entwicklung und Struktur der Insolvenzfälle in Deutschland. Der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ sowie dem im Jahresrhythmus erscheinenden „Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität“ des Bundeskriminalamtes lassen sich Daten zur Häufigkeit von Insolvenzstraf­ taten entnehmen.376 Auch in der Strafverfolgungsstatistik finden sich Abgeurteil­ ten- und Verurteiltenzahlen zu den einzelnen Insolvenzdelikten.377 Die staatsan­ waltschaftliche Statistik des Statistischen Bundesamtes378 enthält hingegen keine auswertbaren Daten zu dieser Thematik. Hier stellen die „Wirtschaftsstrafsachen 372  Gruhl Ermittlungsgruppe WESP zu Insolvenzstraftaten, Vortrag v. 27.10.1999 bei der ADV-Stelle StA anlässlich des 9. COWISTRA-Workshops in Bayreuth. 373  Gruhl Ermittlungsgruppe WESP zu Insolvenzstraftaten, 4. Wegen welcher Delikte im Einzelnen diese Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, wird nicht näher spezifiziert. 374  Rönnau NStZ 2003, 525, 526; Dannecker/Knierim/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  24. 375  Schmidt/Schmidt InsO §  18 Rn  1. 376  Für die Jahre 1974 bis 1981 wurden detaillierte Informationen durch Liebl nach einheitlichen Gesichtspunkten zusammen­ getragen, 155 ff., 235, 254 ff., 340, 521 f., 585 f., 616. Von einer Auswertung dieser Daten wird aufgrund der fehlenden Aktualität in der vorliegenden Arbeit verzichtet. 377  Statistisches Bundesamt Rechtspflege – Strafverfolgung 2017. 378  Statistisches Bundesamt Rechtspflege – Staatsanwaltschaften 2017.

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

137

i. S. d. §  74c GVG“ die tiefste Gliederungsebene dar, sodass keine spezifischen Aussagen zu Verfahren wegen Insolvenzdelikten getroffen werden können.379 (1) Insolvenzfälle Im Jahr 2017 wurden in Deutschland 115.632 Insolvenzfälle verzeichnet.380 Damit wurde der vorläufige Tiefpunkt eines bereits seit 2010 anhaltenden Abwärtstrends erreicht.381 Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Rückgang von 5,6  %. Dies ist hauptsächlich den günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der positiven Entwicklung des Arbeitsmarktes geschuldet.382 Der Großteil der In­ solvenzen entfällt auf die Gruppe der Verbraucherinsolvenzen. In 2017 machten diese mit 71.896 Fällen einen Anteil von rund 62  % an den Gesamtinsolvenzen aus.383 Es gab 20.093 Fälle von Unternehmensinsolvenzen.384 Dies entspricht ei­ nem Anteil von 17,4  %. Im Vergleich zum bisherigen Höchstwert der Unterneh­ mensinsolvenzen im Jahr 2003 (39.470) hat sich ihre Häufigkeit beinahe halbiert.385

23101

21518

20093

80146

77238

24191

23758

23643

2015

2016

2017

Sonstige Insolvenzen

Verbraucher

71896

Unternehmen

Abb. 1: Entwicklung der Insolvenzen in Deutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt Bean­ tragte Verfahren (Übrige Schuldner) Statistisches Bundesamt Rechtspflege – Staatsanwaltschaften 2017, 22 ff (Ziffer 22). Statistisches Bundesamt Insolvenzen Deutschland. 381 Insolvenzfälle seit 2010: 168.458 (2010); 159.418 (2011); 150.298 (2012); 141.332 (2013); 134.871 (2014); 127.438 (2015); 122.514 (2016), Statistisches Bundesamt Insolvenzen. 382 Creditreform Insolvenzen in Deutschland 2017, 1 f. 383 Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Unternehmen und übrige Schuldner. 384 Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Unternehmen und übrige Schuldner. 385 Creditreform Insolvenzen in Deutschland 2017, 2. 379 380

138

3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Die 23.643 „sonstigen Insolvenzen“ im Jahr 2017 teilen sich wie folgt auf: Na­ türliche Personen als Gesellschafter und Ähnliches – 514;386 Ehemals selbstän­ dig Tätige, die ein Regelinsolvenzverfahren durchlaufen bzw. deren Vermögens­ verhältnisse nicht überschaubar sind – 13.501;387 Ehemals selbständig Tätige, die ein vereinfachtes Verfahren oder Verbraucherinsolvenzverfahren durchlaufen bzw. deren Vermögensverhältnisse überschaubar sind – 6.380;388 Nachlässe und Gesamtgut – 3.248389.390 Somit gab es im Jahr 2017 40.488 Fälle391 von Insol­ venzen, die grundsätzlich dem Regelungsbereich der MiZi-Mitteilungspflichten an die Staatsanwaltschaft unterlagen. In der deutlichen Überzahl der Insolvenzfälle in Deutschland kommt es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens: 2017 wurden 104.287 Verfahren eröffnet (90,2  %), hingegen wurde lediglich in 9.456 Fällen (8,2  %) die Eröffnung des Verfahrens mangels Masse abgelehnt.392 Von den eröffneten Verfahren entfielen 14.397 Fälle auf Unternehmensinsolvenzen sowie 89.890 auf die übrigen Schuld­ ner.393 Innerhalb der Unternehmensinsolvenzen nahmen hierbei die Gesellschaf­ ten mit beschränkter Haftung den größten Anteil ein (6.673 Fälle bzw. 6.754 mit GmbH & Co. KG), danach folgte die Gruppe der Einzelunternehmen, Kleinge­ werbe und freien Berufe (6.230 Fälle).394 Bei den übrigen Schuldnern stellen die Verbraucherinsolvenzen die größte Gruppe dar (69.960 Fälle), sodann folgen die ehemals Selbständigen mit Regelinsolvenzverfahren (11.689 Fälle) und die ehe­ mals Selbständigen mit vereinfachtem Verfahren (6.095 Fälle).395 Wegen der Möglichkeit, im Rahmen von Verbraucherinsolvenzen eine Stundung der Verfahrenskosten beantragen zu können, spielt diese Gruppe bei den mangels Masse abgewiesenen Verfahren nur eine untergeordnete Rolle. Dementsprechend überwiegt hier die Zahl der Unternehmensinsolvenzen (5.696 Fälle) die der Insol­ 386  Diese Insolvenzfälle unterfallen den MiZi-Mitteilungspflichten an die Staatsanwaltschaft gemäß IX/3 Abs.  1 Nr.  1 und IX/2. 387  Diese Insolvenzfälle unterfallen den MiZi-Mitteilungspflichten an die Staatsanwaltschaft gemäß IX/3 Abs.  1 Nr.  1 und IX/2. 388  Diese Insolvenzfälle unterfallen den MiZi-Mitteilungspflichten an die Staatsanwaltschaft gemäß IX/3 Abs.  1 Nr.  3 und IX/2. 389  Diese Fälle müssen nicht an die Staatsanwaltschaft gemeldet werden, vgl. IX/3 Abs.  1 Nr.  3 S.  2 und IX/2 Abs.  1 S.  2. 390  Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Unternehmen und übrige Schuldner. 391  Diese Zahl setzt sich zusammen aus den 20.093 Unternehmensinsolvenzen sowie den 20.395 Fällen der sonstigen Insolvenzen, bei denen Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft vorgesehen sind. 392  Statistisches Bundesamt Insolvenzen Deutschland. 393  Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren. 394  Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren (Unternehmen). 395  Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren (Übrige Schuldner).

139

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

venzen von übrigen Schuldnern (3.760 Fälle).396 Auch hier sind wiederum die Ge­ sellschaften mit beschränkter Haftung zahlenmäßig am stärksten vertreten (3.766 Fälle).397 Danach folgt die Gruppe der Einzelunternehmen, Kleingewerbe und ­freien Berufe (1.360 Fälle) sowie die der Personengesellschaften (375 Fälle).398 Bei den übrigen Schuldnern wurden die Insolvenzverfahren am häufigsten bei den ehemals Selbständigen mit Regelinsolvenzverfahren abgelehnt (1.812 Fälle) so­ wie bei den Nachlass- bzw. Gesamtgutinsolvenzen (1.529 Fälle).399 Die im Jahr 2017 ergangenen MiZis lassen sich demnach entsprechend der fol­ genden tabellarischen Übersicht den verschiedenen Insolvenzschuldnern zuordnen: Tab. 1: MiZi-Mitteilungen der Insolvenzgerichte an die Staatsanwaltschaft 2017 anhand der Insolvenzzahlen 2017

IX/2

IX/3 Nr.  1 und 21

Nr.  3

Nr.  42

6230



k. A.

Unternehmensinsolvenzen Einzelunt., freie Berufe, Kleingewerbe u. Ä.

1360

Personengesellschaften

375

1155



k. A.

GmbH

2502

5687



k. A.

UG

1264

986



k. A.

AG/KGaA

32

124



k. A.

Ltd

59

61



k. A.

Sonst. Rechtsformen

104

154



k. A.

87

427



k. A.

1812

11689



k. A.

Ehemals selbständig Tätige mit Verbraucher­ insolvenzverfahren

76



6095

k. A.

Verbraucher





k. A.

Nachlässe und Gesamtgut







k. A.

7671

26513

6095

k. A.

Übrige Insolvenzen Natürliche Personen als Gesellschafter u. ä. Ehemals selbständig Tätige mit Regelinsolvenz­ verfahren

Gesamt





Anm.: Zusammenfassende Darstellung aus den Datensätzen Statistisches Bundesamt Insolven­ zen – Beantragte Verfahren (Unternehmen), Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren (Übrige Schuldner). 1   Zusammenfassende Darstellung, da keine Differenzierung anhand der Daten möglich. 2  Keine Angabe möglich 396 

Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren. Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren (Unternehmen). 398  Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren (Unternehmen). 399  Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren (Übrige Schuldner). 397 

140

3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Wirtschaftskriminologische Ansätze nehmen insbesondere die Gruppe der haf­ tungsbeschränkten Gesellschaften in den Fokus. Tatsächlich haben diese den größten Anteil an den Unternehmensinsolvenzen: Mit 52  % machten sie im Jahr 2017 knapp über die Hälfte der Krisen aller Personen- und Kapitalgesellschaften aus. Hierbei ist zu differenzieren zwischen der GmbH, auf die 8.189 Verfahren entfielen (40,8  %) sowie den Unternehmergesellschaften (UG), bei denen es in 2.250 Fällen zur Insolvenz kam (11,2  %). Im Vergleich hierzu macht die GmbH jedoch lediglich rund 16  % aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Deutschland aus, bei der UG sind es knapp 1  %.400 Dies legt auf den ersten Blick nahe, dass sich Unternehmen der Rechtsformen GmbH und UG überdurch­ schnittlich oft in die Insolvenz begeben. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die größte Gruppe unter den Unternehmensinsolvenzen junge Unternehmen darstellen. Unternehmen mit einem Alter von unter 10 Jahren machten im Jahr 2017 über 55 Prozent aller registrierten Insolvenzen aus, obwohl sie lediglich einen Anteil von 33 Prozent am Gesamtunternehmensbestand einnahmen.401 Ge­ rade innerhalb dieser Gruppe liegt der Anteil der Gesellschaften mit beschränkter Haftung und der Unternehmergesellschaften jedoch deutlich über dem Gesamt­ durchschnitt: Für das Jahr 2014 wurde bei der Eintragung von Betriebsgründun­ gen mit 39,9  % am häufigsten die Rechtsform der GmbH gewählt, bei der UG waren es 8,8  %.402 Dies entspricht in etwa den angeführten Quoten an den Unter­ nehmensinsolvenzen. Die hohe Insolvenzrate bei den haftungsbeschränkten Ge­ sellschaften lässt sich folglich mit ihrem hohen Anteil an relativ jungen Unter­ nehmen erklären, die statistisch gesehen am krisenanfälligsten sind. Betrachtet man die eröffneten Verfahren, so sind hier die Anteile sogar nahezu identisch. GmbH-Insolvenzen machen 39,5  %, UG-Insolvenzen 6,8  % der eröffneten Un­ ternehmensinsolvenzen aus.403 Im Hinblick auf Verfahren, die im Jahr 2017 man­ gels Masse abgewiesen wurden, sind die beiden Rechtsformen hingegen leicht (GmbH) bzw. stark (UG) überdurchschnittlich vertreten: Der Anteil der GmbH lag hier bei 43,9  %, der der UG bei 22,2  %.404 Hier muss jedoch wiederum be­ rücksichtigt werden, dass der Anteil junger Unternehmen an Verfahren, die man­ gels Masse abgewiesen werden, gegenüber den Gesamtunternehmensinsolven­ zen leicht erhöht ist. Er betrug 2017 58 Prozent.405 400 

Statistisches Bundesamt Umsatzsteuerpflichtige Unternehmen nach Rechtsformen. Die­ se Zahl bezieht sich auf Unternehmen mit Lieferungen und Leistungen ab 17.500 EUR. 401  Creditreform Insolvenzen in Deutschland 2017, 7. 402  Statista Infografik, abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 29.1.­2019). 403  Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren (Unternehmen). 404  Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren (Unternehmen). 405  Statistisches Bundesamt Insolvenzverfahren – Unternehmen und Arbeitsstätten, 4.

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

141

Unternehmen gesamt

Rechtsform bei Gründung

0% GmbH

20% UG

40%

Einzelunternehmen

60%

80%

100%

Sonstige

Abb. 2: Häufigkeiten verschiedener Rechtsformen. Quelle: Erstellt auf Basis der Datensätze Statistisches Bundesamt Umsatzsteuerpflichtige Unternehmen nach Rechtsformen, Statista In­ fografik Rechtsform bei Neugründung 2014.

(2) Insolvenzdelikte Im Jahr 2017 wurden insgesamt 3.503 Insolvenzschuldner wegen Insolvenzdelik­ ten abgeurteilt bzw. 2.730 verurteilt.406 Setzt man diese Zahl in Relation zu den Insolvenzfällen im gleichen Jahr, so bedeutet dies, dass 2,4  % aller Insolvenzen mit der Begehung von Insolvenzdelikten verbunden sind.407 Nach den Grundsät­ zen, die im theoretischen Abschnitt über die Begründung des Anfangsverdachts hergeleitet wurden, ist es für die Heranziehung statistischer Häufigkeiten erfor­ derlich, diese auf die einzelnen Insolvenzstraftaten zu konkretisieren.408 Die Strafverfolgungsstatistik409 differenziert hinsichtlich der im Jahr 2017 erfolgten Ab­ und Verurteilungen nach den einzelnen Insolvenzstraftaten.410 Am häufigsten Die Aburteilungszahlen setzen sich zusammen aus 1.605 Abgeurteilten wegen Straftaten nach den §§  283, 283a­c StGB sowie 1.898 Abgeurteilten wegen Insolvenzverschleppung, vgl. Statistisches Bundesamt Rechtspflege – Strafverfolgung 2017, Tabelle 2.1 (S.  38, 40, 54). Die Zahl der wegen den §§  283, 283a­c StGB Verurteilten betrug 1.332, wegen §  15a InsO wurden 1.398 Personen verurteilt, vgl. Statistisches Bundesamt Rechtspflege – Strafverfolgung 2017, Tabelle 2.1 (S.  39, 41, 55). 407 Bei Zugrundelegung der Verurteilungszahlen und 115.632 Insolvenzen im Jahr 2017. 408 Vgl. 3. Kap. A.II.2.c). 409 Statistisches Bundesamt Rechtspflege – Strafverfolgung 2017. 410 Unter den Begriff der Abgeurteilten werden hierbei Angeklagte erfasst, gegen die Straf­ befehle erlassen wurden bzw. Strafverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens durch Urteil 406

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

waren demnach Fälle der Insolvenzverschleppung gem. §  15a InsO (1.398 Verur­ teilungen bzw. 1.898 Aburteilungen) und des Bankrotts i. S. v. §  283 StGB (1.043 Ver- bzw. 1.263 Aburteilungen).411 Zudem gab es 276 Verurteilungen (bzw. 327 Aburteilungen) wegen Verletzung der Buchführungspflicht (§  283b StGB), 9 (bzw. 11) Fälle von Gläubigerbegünstigung (§  283c StGB) sowie 4 Fälle des be­ sonders schweren Bankrotts (§  283a StGB).412 Um die einzelnen Insolvenzdelikte ins Verhältnis zur Zahl der Insolvenzfälle setzen und so eine Aussage über ihre statistische Häufigkeit treffen zu können, sind Datensätze erforderlich, die eine Zuordnung der verzeichneten Insolvenzdelikte auf die verschiedenen Insolvenz­ schuldner ermöglichen. Soweit ersichtlich gibt es derzeit kein entsprechendes Datenmaterial. Die Strafverfolgungsstatistik enthält zwar eine zahlenmäßige Auf­ listung der erfassten Deliktsfälle, differenziert jedoch bei den Tätern nicht nach den verschiedenen Gruppen von Insolvenzschuldnern. Die Statistik enthält keine Angaben darüber, wie hoch der Anteil der Verbraucherinsolvenzen an den rechts­ kräftig festgestellten Straftaten nach §§  283, 283a-c StGB ist. Daher stehen keine Informationen darüber zur Verfügung, ob die Delikte im Rahmen einer Unterneh­ mens- oder Verbraucherinsolvenz begangen wurden. Verbraucherinsolvenzen sind nicht Bestandteil der MiZi-Mitteilungspflichten des Insolvenzgerichts an die Staatsanwaltschaft, sodass die Strafverfolgungsbehörden nicht auf diesem Wege Kenntnis vom Vorliegen eines solchen Insolvenzfalles erlangen. Eine Überprü­ fung erfolgt daher fast ausschließlich aufgrund der Strafanzeige eines Gläubigers. Bei allen anderen Insolvenzschuldnern413 ergehen hingegen verpflichtende Mit­ teilungen, die in der Regel zu Ermittlungen von Amts wegen führen. Aufgrund dieser Disparität kann zwar angenommen werden, dass der überwiegende Anteil der vor Gericht gelangten Insolvenzdelikte aus dem Kontext von Unternehmens­ insolvenzen stammt. Ohne präziseres Datenmaterial lässt sich diese Vermutung jedoch nicht statistisch bestätigen. Die Anzahl der wegen Insolvenzdelikten geführten Ermittlungsverfahren ist ebenfalls schwer zu bestimmen. Denn diese werden, anders als in den meisten Deliktsbereichen, schwerpunktmäßig von den Staatsanwaltschaften selbst bear­ beitet. In der staatsanwaltschaftlichen Statistik414 werden die Insolvenzdelikte oder Einstellungsbeschluss rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Als Verurteilte werden in der Statistik dagegen Angeklagte bezeichnet, gegen die nach allgemeinem Strafrecht Freiheits­ strafe, Strafarrest oder Geldstrafte verhängt worden ist, vgl. Statistisches Bundesamt Rechts­ pflege – Strafverfolgung 2017, Begriffsbestimmungen, S.  13 ff. 411  Statistisches Bundesamt Rechtspflege – Strafverfolgung 2017, Tabelle 2.1 (S.  38 f., 54 f.). 412  Statistisches Bundesamt Rechtspflege – Strafverfolgung 2017, Tabelle 2.1 (S.  38 ff.). 413  Einzige weitere Ausnahme sind die Nachlassinsolvenzen, die ebenfalls nicht an die Staats­anwaltschaft gemeldet werden müssen. 414  Statistisches Bundesamt Rechtspflege – Staatsanwaltschaften 2017, 22 ff. (Ziffer 22).

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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jedoch nicht gesondert ausgewiesen. Der Polizeilichen Kriminalstatistik lässt sich entnehmen, dass im Jahr 2017 insgesamt 10.613 Fälle von Insolvenzstraf­ taten von Insolvenzschuldnern erfasst wurden.415 Dies betrifft somit rund ein Zehntel aller Insolvenzen.416 Teilweise wird in der Literatur suggeriert, bei den in der PKS aufgelisteten Fallzahlen handele es sich um rechtskräftig festgestellte Insolvenzstraftaten.417 Die Zahlen werden hierbei angeführt, um eine vermeint­ lich besonders hohe kriminelle Intensität auf dem Gebiet der Insolvenzdelikte zu belegen. Tatsächlich wird in der Statistik jedoch die Zahl der polizeilichen Er­ mittlungsvorgänge erfasst.418 Vergleicht man die Zahl der in der PKS erfassten Fälle (10.613) mit der Anzahl der Verfahren gegen Insolvenzschuldner, die mit einer Verurteilung wegen eines Insolvenzdelikts enden (2.730), so wird deutlich, dass letztere nur knapp ein Viertel der Fälle ausmachen. Vor diesem Hintergrund ist die häufig zu lesende Aussage, Schätzungen zufol­ ge würden etwa 50–80  % aller Unternehmenszusammenbrüche von Insolvenz­ straftaten begleitet,419 unhaltbar. Denn die deutlich niedrigeren Verurteilungszah­ len legen nahe, dass der Umstand, dass wegen Insolvenzdelikten eine große Menge von Ermittlungsverfahren geführt wird, nicht auf einer außergewöhnlich hohen Kriminalität beruht. Vielmehr ist er Ausfluss der durch die MiZi-Mittei­ lungen etablierten Praxis, nahezu sämtliche Insolvenzen strafrechtlich zu über­ prüfen. Naturgemäß fällt die Anzahl der Ermittlungsverfahren in einem solchen Feld der „Holkriminalität“ ungemein höher aus als in anderen Bereichen. Die These lässt sich auch nicht anhand der Daten der Strafverfolgungsstatistik oder der PKS bestätigen. Zwar wäre es rechnerisch möglich, die Zahl der gesam­ ten rechtskräftig festgestellten Insolvenzstraftaten ins Verhältnis zu den Fällen der Unternehmensinsolvenzen zu setzen. Der als Prozentzahl ausgedrückte Quo­ tient dieser Berechnung betrüge 13,6  % für das Jahr 2017.420 Schränkte man die Unternehmensinsolvenzen weiter auf die Insolvenzen antragspflichtiger Unter­ nehmen ein, so stiege dieser Wert auf 23,0  %.421 Eine solche Berechnung ent­ behrt ohne Kenntnis der Täterstruktur der Insolvenzdelikte jedoch jeglichen Aus­ 415  BKA Polizeiliche Kriminalstatistik 2017 – Wirtschaftskriminalität. Der PKS-Summen­ schlüssel 893200 (Insolvenzstraftaten gem. StGB und Nebenstrafrecht) setzt sich aus den PKS-­ Schlüsseln 560000 (Insolvenzstraftaten §§  283, 283a-d StGB) und 712200 (Insolvenzverschlep­ pung §  15a InsO) zusammen. Die 27 erfassten Fälle nach §  283d StGB wurden abgezogen. 416  Bei 115.632 Insolvenzen beträgt die Quote 9,2  %. 417  So etwa bei Wabnitz/Janovsky/Beck HdB WSS 8. Kap. Rn  82; Weyand ZInsO 2008, 242, 244. 418  BKA Richtlinien für die Führung der PKS, 5. 419  So etwa Rönnau NStZ 2003, 525, 525; Hammerl Bankrottdelikte, 47; LK/Tiedemann StGB Vor §  283 Rn  24; NK/Kindhäuser StGB Vor §§  283 ff. Rn  4; Dannecker/Knierim/Hagemeier Insolvenzstrafrecht Rn  16. 420  Bei 2.730 Verurteilungen und 20.093 Unternehmensinsolvenzen. 421  Im Jahr 2017 gab es 11.866 Insolvenzen antragspflichtiger Unternehmen.

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sagewertes. Die berechneten Werte sagen nichts darüber aus, ob tatsächlich in einem Sechstel bzw. einem Viertel der Unternehmensinsolvenzen Straftaten be­ gangen werden. Denn die Statistiken weisen die Täterstrukturen nicht aus, sodass die Verurteilungszahlen möglicherweise Insolvenzschuldner aus Verbraucherin­ solvenzverfahren enthalten. Eine Quotenbildung, der eine Aussage über die Häu­ figkeit von Unternehmensinsolvenzstraftaten entnommen werden soll, kann aber nur dann vorgenommen werden, sofern sichergestellt ist, dass sämtliche Verur­ teiltenzahlen aus dem Bereich der gewerblichen Insolvenzen stammen. Aus die­ sem Grund verbietet sich auch eine Umlegung der Verurteilungen auf die Zahl der Zusammenbrüche antragspflichtiger Unternehmen. Einzig im Fall des §  15a InsO lässt sich den statistisch erfassten Insolvenzdelikten entnehmen, welche Schuldnerqualität der jeweilige Täter hatte. Denn hier kommen als taugliche Tä­ ter nur Verantwortliche von antragspflichtigen Unternehmen in Betracht. Dies gilt jedoch nicht für die übrigen Insolvenzdelikte. Vielmehr lassen sich aus der Zusammenschau von Insolvenzdelikten und In­ solvenzfällen422 lediglich drei valide Erkenntnisse gewinnen: 1.) Im Jahr 2017 fanden in 9,2  % aller Insolvenzen Ermittlungsverfahren statt. Dies ergibt sich daraus, dass in der PKS im Jahr 2017 10.613 Fälle von In­ solvenzdelikten erfasst wurden. Gleichzeitig wurden 115.632 Insolvenzfälle verzeichnet.423 2.) In 11,8  % der Insolvenzen von antragspflichtigen Insolvenzschuldnern er­ folgten Verurteilungen wegen Verstoßes gegen §  15a InsO.424 Diese Berech­ nung ist auch ohne weitere Informationen der Strafverfolgungsstatistik zu­ lässig, da ausschließlich die Verantwortlichen antragspflichtiger Unterneh­ men taugliche Täter i. S. d. §  15a InsO sind. 3.) In 1,4  % aller Unternehmensinsolvenzen kam es zu Verurteilungen wegen Verletzung der Buchführungspflichten i. S. v. §  283b StGB. Der Täterkreis des Verstoßes gegen §  283b StGB ist auf Unternehmensverantwortliche be­ schränkt. Die zu dem Delikt erfassten Fälle lassen sich somit eindeutig der Gruppe „Unternehmensinsolvenz“ zuordnen, sodass die Bildung des ent­ sprechenden Quotienten an dieser Stelle zulässig ist. Im Bereich der Insolvenzdelikte wird vielfach ein großes Dunkelfeld425 vermu­ tet. Bis zu 90  % der Insolvenzen sollen mit der Begehung von Wirtschaftsstraf­ 422 

Zahlen zu den Insolvenzfällen entnommen aus Statistisches Bundesamt Insolvenzen – Beantragte Verfahren. 423  Statistisches Bundesamt Insolvenzen Deutschland. 424  Bei 1.398 Verurteilungen sowie 11.866 Insolvenzen antragspflichtiger Unternehmen. 425  Das Dunkelfeld gibt die Differenz tatsächlich begangener Straftaten zu den bekannt ge­ wordenen wieder, von Hentig Zur Psychologie der Einzeldelikte I, 18.

A. Aktenersuchen aufgrund einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage

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taten verbunden sein.426 Obwohl die Staatsanwaltschaften durch die MiZi-Mit­ teilungen über nahezu sämtliche Eröffnungs- bzw. Abweisungsentscheidungen der Insolvenzgerichte – einzige Ausnahme bilden die Privatinsolvenzen ohne gewerblichen Bezug und die Nachlassinsolvenzen – in Kenntnis gesetzt werden, sollen viele Straftaten nie zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden gelan­ gen.427 Denn nicht bei jedem Unternehmenszusammenbruch komme es tatsäch­ lich zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. zur Verfahrensabweisung mangels Masse.428 Tatsächlich kann die Durchführung eines Insolvenzverfahrens etwa ausbleiben, wenn der Insolvenzschuldner es gänzlich unterlässt, einen Er­ öffnungsantrag zu stellen.429 Jedoch wird in einem solchen Fall vielfach ein Gläubiger den erforderlichen Antrag stellen, sodass die Tatenlosigkeit des Schuldners nicht zwangsläufig bedeutet, dass es nicht zum Insolvenzverfahren kommt. Als weiterer Grund für das Ausbleiben einer mitteilungspflichtigen Ent­ scheidung des Insolvenzgerichts wird mitunter angeführt, dass nicht alle Eröff­ nungsanträge abschließend beschieden würden.430 So werde etwa das Nichter­ scheinen des Insolvenzschuldners zum Anhörungstermin von den Insolvenzge­ richten vielfach als konkludente Rücknahme des bei Eintritts der Krise gestellten Eigenantrages ausgelegt.431 Da eine solche Rücknahme nicht der MiZi-Mittei­ lungspflicht an die Staatsanwaltschaften unterliegt, werden diese in einem sol­ chen Fall nicht informiert. Die letztgenannte Fallkonstellation kann zwar unter Strafwürdigkeitsaspekten durchaus bedenklich sein, ein Dunkelfeld der Insol­ venzdelikte betrifft sie hingegen nicht. Denn der Eröffnungsantrag wurde recht­ zeitig gestellt, sodass eine Strafbarkeit nach §  15a InsO nicht in Rede steht.432 Im Hinblick auf die Bankrottdelikte mangelt es am Eintritt der objektiven Strafbar­ keitsbedingung i. S. v. §  283 Abs.  6 Var.  2 und 3 StGB, sodass diese selbst bei gegebener Tatbestandlichkeit nicht strafrechtlich verfolgt werden könnten. Ab­ weichendes gilt einzig, wenn der Schuldner seine Zahlungen i. S. v. §  283 Abs.  6 Var.  1 StGB eingestellt hat. Insgesamt liegen deshalb keine Anhaltspunkte vor, die für ein ungewöhnlich hohes Dunkelfeld sprechen. Im Gegenteil: Das Insol­ venzstrafverfahren ist generell von einer hohen Aufklärungsquote geprägt. In 426 

Wabnitz/Janovsky/Beck HdB WSS 8. Kap. Rn  83; Haarmeyer/Suvacarevic ZInsO 2006, 953, 957; Weyand ZInsO 2008, 242, 244 f., der sogar davon spricht, dass etwa 90  % dieser Taten unentdeckt bleiben. 427  Weyand ZInsO 2008, 242, 244; LK/Tiedemann StGB Vor §  283 Rn  25; a. A. Püschel/ Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1786, die aufgrund der MiZi-Mitteilungen von einer weitgehen­ den Kongruenz von Hell- und Dunkelfeld ausgehen. 428  Baumgarte wistra 1991, 171, 172 f. 429  Baumgarte wistra 1991, 171, 172. 430  Baumgarte wistra 1991, 171, 173. 431  Baumgarte wistra 1991, 171, 173. 432  U. U. kann das Weiterwirtschaften jedoch eine neue Antragspflicht begründen.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

den Strafverfolgungsbehörden bekannt gewordenen Verdachtsfällen ist die Auf­ klärungsquote mit 99,7–100  % überdurchschnittlich hoch.433 Dies liegt vor allem darin begründet, dass der Täter in der Regel bekannt ist.434 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass belastbare statistische Aussagen über die Begehung von Insolvenzdelikten nur in sehr eingeschränktem Umfang mög­ lich sind. Dies ist hauptsächlich dem nur spärlich zur Thematik verfügbaren Da­ tenmaterial geschuldet. Um die bestehenden wirtschaftskriminalistischen Theo­ rien insbesondere zur Kriminalität im Rahmen von Unternehmensinsolvenzen überprüfen zu können, ist vor allem eine genauere Kenntnis erforderlich, um welche Kategorie von Insolvenzschuldnern es sich bei den Tätern der statistisch erfassten Fälle handelt. Auch eine Differenzierung dahingehend, ob die Ermitt­ lungsverfahren im Zusammenhang mit eröffneten oder mangels Masse abge­ wiesenen Insolvenzverfahren registriert wurden, wäre unter statistischen Ge­ sichtspunkten notwendig. Für eine seriöse Beurteilung müssten darüber hinaus staatsanwaltschaftliche Statistiken zur Häufigkeit der Verfahren wegen Insol­ venzdelikten mit einbezogen werden. Die polizeilichen Statistiken haben auf diesem Gebiet nur einen geringen Aussagegehalt. In der polizeilichen Statistik werden keine Straftaten erfasst, die unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft ange­ zeigt und ausschließlich von ihr bearbeitet werden.435 Leitet die zuständige Staatsanwaltschaft aufgrund einer MiZi-Mitteilung ein Ermittlungsverfahren ein und führt dies – etwa per Anhörungsbogen oder Vernehmung – selbst zur Ab­ schlussreife, so findet dieses Verfahren keinen Eingang in die polizeiliche Statis­ tik. Dies geschieht lediglich in Fällen, in denen das Verfahren zur Ermittlungs­ zwecken an die polizeiliche Ermittlungsbehörde übergeben wird. Abschließend muss jedoch festgestellt werden, dass sich Thesen, die Unterneh­ mensinsolvenzen mit einer nahezu 100  %-igen Straffälligkeit assoziieren,436 durch die Auswertung des Datenmaterials nicht bestätigt haben. Im Jahr 2017 wurden knapp 40.500 Insolvenzen – darunter etwa 20.000 Unternehmensinsolvenzen – routinemäßig auf die Begehung von Insolvenzstraftaten überprüft. Gegen die Ver­ hältnismäßigkeit einer solchen Praxis kommen angesichts von lediglich ca. 2.700 Verurteilungen starke Bedenken auf. Die derzeitige Praxis der automatisierten Einsichtnahme in Insolvenzakten ist Ausdruck eines Generalverdachts gegenüber gewerblichen Insolvenzschuldnern, der keine statistische Grundlage findet. 433  BKA Polizeiliche Kriminalstatistik 2017 – Wirtschaftskriminalität (Spalte 15 zu Schlüs­ sel 560000-565000, 712200). 434  Hammerl Bankrottdelikte, 45. 435  BMI Bericht zur PKS, 7. 436  Richter, in: KStA v. 2.11.2016 „Insolvenzen: Kriminelle Manager haben selten etwas zu fürchten“; Weyand ZInsO 2016, 441, 443; Wabnitz/Janovksy/Beck HdB WSS 8. Kap. Rn  82; Haarmeyer/Beck ZInsO 2007, 1065, 1065.

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e) Einzelfallbezogene Begründung eines Anfangsverdachts Es existieren (typisierte) Einzelfälle, in denen die Begründung eines Anfangs­ verdachts in Betracht kommt. Dies betrifft zum einen die anlassbezogenen MiZi-­ Mitteilungen i. S. v. Allg/1 Abs.  4 S.  1 sowie bestimmte Verfahren, die auf die Antragstellung eines Gläubigers zurückgehen. aa) In den Fällen der MiZi-Mitteilung gem. Allg/1 Abs.  4 S.  1 Die Insolvenzgerichte haben gemäß Allg/1 Abs.  4 S.  1 im Einzelfall auch ohne besondere Anordnung eine Mitteilung zu machen, soweit die Kenntnis der Daten aus ihrer Sicht zu dem in §  13 Abs.  2 i. V. m. §  17 Nr.  1 EGGVG genannten Zweck der Strafverfolgung erforderlich ist. Anders als bei den automatisierten MiZi-Mitteilungen nach IX/2 und 3, die von Urkundsbeamten veranlasst wer­ den, bedarf es gemäß Allg/1 Abs.  4 S.  2 für die anlassbezogene Datenübermitt­ lung einer richterlichen Entscheidung. Ergeben sich im Insolvenzverfahren Anhaltspunkte, die den Verdacht einer In­ solvenzstraftat begründen, so sind die zuständigen Insolvenzrichter somit ver­ pflichtet, die Staatsanwaltschaft hierüber in Kenntnis zu setzen. Stellt der (vorläufi­ ge) Insolvenzverwalter beispielsweise fest, dass die Insolvenzreife bereits deutlich vor der Stellung des Eröffnungsantrags eingetreten ist, so könnte das Insolvenz­ gericht dies zum Anlass für eine MiZi-Mitteilung gemäß Allg/1 Abs.  4 nehmen. Der Mitteilung geht eine Abwägung des Insolvenzrichters zwischen dem öffentlichen Interesse an der Übermittlung und etwaigen entgegenstehenden offenkundigen, schutzwürdigen Interessen des Betroffenen voraus, §  13 Abs.  2 EGGVG. In der Praxis dürften Mitteilungen nach dieser Vorschrift den Ausnahmefall darstellen und sich auf evidente Gesetzesverstöße beschränken. Da diese Art der MiZi-Mitteilung anlassbezogen ergeht, hat sie eine andere Qualität als die auto­ matisierten Mitteilungen nach Abschnitt IX der MiZi. Die Staatsanwaltschaften dürfen den Erhalt einer solchen Mitteilung daher als zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkt i. S. v. §  152 Abs.  2 StPO werten. Hierbei sind sie freilich nicht an die Einschätzung des Insolvenzgerichts gebunden. Sie können daher auch in den Fällen der anlassbezogenen MiZi-Mitteilungen die Annahme eines Anfangsver­ dachts ablehnen. bb) Durch Gläubigerantrag veranlasste Insolvenzverfahren Dem zivilrechtlichen Dispositionsgrundsatz entsprechend kommt ein Insolvenz­ verfahren nur auf schriftlichen Antrag, nie hingegen von Amts wegen zustande.437 437 

Bork Einführung Insolvenzrecht Rn  94.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Der Antrag kann sowohl vom künftigen Insolvenzschuldner als auch von jedem Gläubiger gestellt werden (§  13 Abs.  1 S.  2 InsO).438 In letzterem Fall kann bereits der Umstand, dass der Gläubiger sich zur Stel­ lung des Eröffnungsantrags entschieden hat, unter bestimmten Umständen einen Anfangsverdacht nahelegen. Handelt es sich bei dem Gläubiger einer Gesell­ schaft oder eines Einzelkaufmannes etwa um einen Sozialversicherungsträger,439 so kann sein Antrag den Anfangsverdacht wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß §  266a StGB begründen.440 Bei Gläubigern, die erfolg­ los die Vollstreckung einer ausstehenden Werkvertrags- oder Kaufpreiszahlung versucht haben und deshalb den Eröffnungsantrag stellen, kann dies etwa einen Anhaltspunkt für eine Strafbarkeit nach §  283 StGB darstellen.441 Diese Informa­ tionen kann die Staatsanwaltschaft in aller Regel unmittelbar dem mit der Mi­ Zi-Mitteilung übersandten Beschluss entnehmen, sodass sie hierfür nicht Ein­ blick die Insolvenzakte nehmen muss. f) Zwischenfazit Die bestehenden wirtschaftskriminologischen Ansätze zur Begründung eines Anfangsverdachts bei Insolvenzfällen juristischer Personen vermögen nicht zu überzeugen. Bereits die von Haarmeyer festgestellte signifikante Divergenz der Eröffnungsquoten der verschiedenen Insolvenzgerichte verbietet Rückschlüsse auf ein angeblich offenkundig strafbares Schuldnerverhalten in Fällen, in denen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird. Aber auch sofern bei eröffneten Verfahren versucht wird, unter kriminologischen Ge­ sichtspunkten einen Anfangsverdacht von Insolvenzdelikten zu begründen, muss dies daran scheitern, dass die pauschale Annahme eines Anfangsverdachts in sys­ tematischem Widerspruch zum Rechtsgedanken der Insolvenzordnung steht. Kriminalistische Vermutungen, also die aus der Lebens- und Berufserfahrung heraus geschöpfte Annahme, es könne strafbares Handeln vorliegen, sind nach allgemeiner Ansicht für die Begründung eines Anfangsverdachts nicht ausrei­ chend. Eine Überprüfung der zur Strafbarkeit in den Fällen der Insolvenzverfah­ renseröffnung bzw. -abweisung vorgebrachten Argumente zeigt jedoch, dass die Annahme des Anfangsverdachts wegen einer Insolvenzstraftat häufig nur auf 438 

Uhlenbruck/Wegener InsO §  13 Rn  2. Beispielsweise um eine gesetzliche Krankenkasse als Einzugsstelle der Sozialversiche­ rungsbeiträge. 440  Weyand ZInsO 2008, 242, 243; Bittmann/Bittmann Insolvenzstrafrecht §  1 Rn  3, 12. 441  Die Aufnahme von Ermittlungen kann zudem aufgrund einer Strafanzeige – etwa eines Gläubigers – in Gang gesetzt werden. Da es vorliegend jedoch nur um die Frage geht, ob allein aufgrund einer MiZi-Mitteilung ein Anfangsverdacht angenommen werden kann, wird hierauf an dieser Stelle nicht eingegangen. 439 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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Vermutungen basiert. Die Analyse des vorhandenen Datenmaterials zu Insol­ venzfällen in Deutschland belegt, dass die oft beschworene hohe statistische Häufigkeit von Insolvenzdelikten bei Unternehmensinsolvenzen derzeit metho­ disch nicht belastbar ist. Die hohe Überprüfungsdichte von gewerblichen Insol­ venzen wird vor allem damit begründet, dass hier Fälle ohne strafbares Verhalten i. S. v. §  15a Abs.  4, 5 InsO die absolute Ausnahme darstellen sollen. Tatsächlich belegt werden kann jedoch lediglich, dass in etwa einem Zehntel der Insolvenzen antragspflichtiger Unternehmen Verurteilungen wegen Insolvenzverschleppung i. S. v. §  15a InsO zu verzeichnen sind. Eine Rechtfertigung für eine quasi-auto­ matisierte Annahme eines Anfangsverdachts gegenüber allen (antragspflichti­ gen) Insolvenzschuldnern bietet dies nicht. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht eines – zu spezifizierenden – Insolvenzdelikts liefern die MiZi-Mitteilungen demnach le­ diglich in zwei Fällen: Zum einen sind dies die Mitteilungen nach Allg/1 Abs.  4. Diese werden anlassbezogenen durch die Insolvenzrichter vorgenommen, wenn sich im Rahmen des Insolvenz(eröffnungs)verfahrens Anhaltspunkte für mögli­ cherweise strafbares Verhalten ergeben. Die Staatsanwaltschaften dürfen diese Mitteilungen deshalb zum Anlass nehmen, ein Ermittlungsverfahren gegen den betreffenden Insolvenzschuldner einzuleiten. Zum anderen handelt es sich um die Fälle, in denen das Insolvenzverfahren durch den Eröffnungsantrag eines Gläubigers in Gang gesetzt wurde. In Abhängigkeit vom beantragenden Gläubi­ ger kann sich hier der Anfangsverdacht verschiedener Delikte ergeben.

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen? I. Bestehende Lösungsansätze Zahlreiche Vertreter in der Literatur möchten das Ersuchen um Aktenbeiziehung nicht als Maßnahme des Ermittlungsverfahrens i. S. v. §  161 Abs.  1 S.  1 StPO qua­ lifiziert sehen, sondern vertreten die Ansicht, die Ermittlungsbehörden seien zu sog. „Vorermittlungen“ befugt.442 Die Frage: „Dürfte die Staatsanwaltschaft die Insolvenzakten beiziehen und systematisch auf den Verdacht von Insolvenzstraf­

442  Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  152 Rn  4b; KK/Fischer StPO Einl Rn  174; KK/Diemer StPO §  152 Rn  10; Hefendehl wistra 2003, 1, 5; Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417; Bitt­ mann/Bittmann Insolvenzstrafrecht §  1 Rn  12; auch LG Stuttgart wistra 2000, 439, 439; Richter wistra 2017, 329, 332 zufolge entspricht dies auch der Rechtsauffassung der meisten Staats­ anwaltschaften.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

taten durchsehen?“443 wird von den Vertretern dieser Ansicht dementsprechend affirmativ beantwortet. Im Rahmen von Vorermittlungen müsse die Beiziehung und Auswertung der Insolvenzakten des Betroffenen erlaubt sein, um der Staats­ anwaltschaft die Möglichkeit zu verschaffen, über das (Nicht)Vorliegen eines An­ fangsverdachtes zu entscheiden.444 Dies gebiete die der Staatsanwaltschaft oblie­ gende Aufklärungspflicht.445 Die in §  13 Abs.  1 Nr.  4 EGGVG gewährte Erlaubnis zur Übermittlung von personenbezogenen Daten aus dem Insolvenzverfahren bezwecke gerade die strafverfolgungsbehördliche Überprüfung des Vorliegens eines Anfangsverdachts wegen insolvenzstrafrechtlicher Taten.446 Der Bürger werde auch nicht „ohne Anlass zum Objekt staatlicher Ausforschung“447 gemacht, da in den Fällen der MiZi-Mitteilungen ein solcher Anlass gegeben sei.448 Die Anerkennung eines solchen Vorverfahrens komme dem Betroffenen zugute, da sich in vielen Fällen auf diese Weise ein möglicher Verdacht bereits frühzeitig ausräumen ließe.449 Sofern bei der Auswertung der Insolvenzakten dagegen An­ haltspunkte für einen Anfangsverdacht zu Tage träten, komme es in einem zwei­ ten Schritt zur Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens.450 Thematisiert wird die Frage der Zulässigkeit der Durchsicht von Insolvenzak­ ten im Rahmen von Vorermittlungen auch in der angrenzenden insolvenzstraf­ rechtlichen Diskussion zur Reichweite des Verwendungsverbotes des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO.451 Der dort geführte Streit dreht sich vor allem um die Frage, innerhalb welcher Grenzen die Strafverfolgungsbehörden in den Insolvenzakten enthaltene Informationen auswerten dürfen. Denklogisch setzt dies die Einsichtnahme in die Insolvenzakten voraus. Eine solche Diskussion steht somit ersichtlich unter der Prämisse, dass die Staatsanwaltschaft – rechtmäßig – in den Besitz der Insol­ venzakte gelangt ist. Für die hier zu erörternde Frage interessiert, dass somit of­ fenbar sämtliche Vertreter davon ausgehen, dass die Beiziehung der Insolvenz­ akten durch die Staatsanwaltschaft bereits vor der Begründung eines Anfangs­ 443 

Groß FS-Dahs, 249, 260. Pelz Strafrecht in Krise und Insolvenz Rn  685; Groß FS-Dahs, 249, 264; Richter wistra 2017, 329, 332. 445  Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417. 446  Rudolph Antizipierte Strafverfolgung, 183. 447  Hund ZRP 1991, 463, 463. 448  Groß FS-Dahs, 249, 261. 449  Richter GmbHR 1984, 113, 114. 450  Pelz Strafrecht in Krise und Insolvenz Rn  685. 451  Im Hinblick auf das Verwendungsverbot des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO wird die Frage disku­ tiert, ob vom Schuldner erteilte Auskünfte, die in Erfüllung der Informationspflicht des §  97 Abs.  1 S.  1, 2 InsO Teil der Insolvenzakte geworden sind, herangezogen werden dürfen, um einen Anfangsverdacht in Bezug auf eine Insolvenzstraftat gegenüber dem Schuldner zu be­ gründen. Auf den Streitstand kommt es freilich inhaltlich an dieser Stelle nicht an. 444 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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verdachts zulässig ist.452 Denn andernfalls käme es auf die Frage gar nicht an, welche Aktenbestandteile als tatsächliche Anhaltspunkte i. S. v. §  152 Abs.  2 StPO herangezogen werden dürfen. Soweit ersichtlich, geschieht dies im still­ schweigenden Einvernehmen über die Zulässigkeit des Ersuchens um Akten­ beiziehung im Rahmen sog. Vorermittlungen.453 Im Gegensatz hierzu ist in der strafprozessualen Literatur die Dogmatik sog. Vorermittlungen nach wie vor stark umstritten. Dort werden grundrechtsrelevan­ te Vorermittlungen überwiegend als unzulässig abgelehnt.454 Rechtsprechung, die sich mit der Zulässigkeit von Vorermittlungen beschäf­ tigt, existiert hingegen kaum.455 Hauptsächlich kommt die Frage nach der Zuläs­ sigkeit von Vorermittlungen in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit sog. informatorischen Befragungen zur Sprache, die auf die Klärung abzielen, ob eine Anfangsverdachtslage besteht.456 Diese werden von den Gerichten allgemein als 452 

So beschränkt sich Bömelburg Selbstbelastungszwang, 119f etwa auf die Schilderung: „Ein Insolvenzgericht übersendet der zuständigen Staatsanwaltschaft gemäß Abschnitt XI/3 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 i. V. m. Abs.  3 Nr.  1 MiZi eine Mitteilung, nach der das Amtsgericht über das Vermögen einer GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu einem bestimmten Zeitpunkt das Insolvenzverfahren eröffnet hat. Die Staatsanwaltschaft fordert die Akten des Insolvenzgerichtes an.“ Ähnlich Diversy ZinsO 2005, 180, 180: „Auf der Grundlage dieser Mitteilungen fordert die Staatsanwaltschaft die entsprechende Insolvenzakte an und prüft, ob ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Begehung von Insolvenzdelikten einzulei­ ten ist.“; Richter wistra 2000, 1, 1: „[…] und die Praxis der Strafverfolgungsbehörden bekannt war (und ist), nach erfolgter Mitteilung die Konkursakten anzufordern und unter strafrechtli­ chen Gesichtspunkten auszuwerten.“; Bader NZI 2009, 416, 420: „Die Staatsanwaltschaft kann zur Gewinnung des Anfangsverdachts uneingeschränkt auf die Angaben des Schuldners im Insolvenzverfahren zurückgreifen.“; Weyand ZInsO 2001, 108, 109: „Regelmäßig erhalten die Staatsanwaltschaften schon auf der Grundlage der angesprochenen MiZi-Mitteilungen Kennt­ nis von Insolvenzverfahren. Die Ermittlungsbehörden untersuchen ebenso regelmäßig danach die Akten der Insolvenzgerichte.“ 453  Ausdrücklich die Zulässigkeit bejahend Hefendehl wistra 2003, 1, 5; Bömelburg Selbst­ belastungszwang, 63. 454  Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  152 Rn  4b; Richter wistra 2017, 329, 332; Rogall Infor­ mationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 88; Rogall ZStW 103 (1991), 907, 945 f.; Senge FSHamm, 701, 709 f.; Lohner Tatverdacht, 143; Wölfl JuS 2001, 478, 481; Pfordte StraFo 2016, 53, 57; Hilger FG-Hilger, 11, 14. 455  So ergibt eine Auswertung des Suchbegriffs „Vorermittlungen“ bei Beck Online zwar über 1000 Treffer, wenn die Suche auf den Publikationstyp „Rechtsprechung“ und auf das Rechts­ gebiet „Strafrecht und Strafprozessrecht“ eingegrenzt wird. Jedoch handelt es sich nahezu aus­ schließlich um Fundstellen zu Vorermittlungen im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren oder im Steuer(straf)verfahren. Gleiches gilt für eine Stichwortsuche mit den gleichen Para­ metern auf Juris (331 Treffer). 456  BGHSt 38, 214, 217; BGH NStZ 1983, 86; NJW 1968, 1388, 1390; BayObLG NStZ-RR 2003, 343. BayObLG VRS 58, 422, 423; VRS 44, 62; OLG Stuttgart MDR 1977, 70; OLG Hamm VRS 41, 384 f.;

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

zulässig betrachtet. Abgesehen hiervon, haben sich die Gerichte in der Vergan­ genheit lediglich vereinzelt mit der vorliegenden Fragestellung befasst. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1985 ließ das Bayerische Oberste Landesgericht auf die Revision eines Angeklagten gegen seine Verurteilung wegen falscher Ver­ dächtigung durch Erstattung einer Strafanzeige erkennen, dass es die Vornahme von Vorermittlungen für zulässig erachtet:457 „Auch auf Strafanzeigen hin, die noch keinen konkreten Anfangsverdacht begründen, kommt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht in Betracht. Es kann in diesen Fällen allenfalls, wenn sich bereits Ansätze für weitere Nachforschungen bieten, die Klärung in einem AR-Verfahren versucht werden.“458 Eindeutig – aber ohne dogmatische Begründung – äußerte sich auch das LG Offenburg zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vor Begründung eines Anfangsverdachts.459 Für die Staatsanwalt­ schaft könne es Anhaltspunkte geben, „die sie vor Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens berechtigen oder gar verpflichten können, Ermittlungen anzustellen, um zu überprüfen, ob die Einleitung eines förmlichen Ermittlungs­ verfahrens in Betracht kommt.“460 Das LG Offenburg ging bei seiner Entschei­ dung sogar soweit, der Staatsanwaltschaft das Recht einzuräumen, im Rahmen von Vorermittlungen richterliche Untersuchungshandlungen gemäß §  162 StPO zu beantragen.461 Eine dogmatische Untersuchung der Zulässigkeit des sog. „Vorermittlungsver­ fahrens“ ist erforderlich, um zu bewerten, ob die staatsanwaltschaftliche Praxis der Beiziehung und Auswertung der Akten aus dem Insolvenzverfahren auf dieses umstrittene Institut gestützt werden kann. Problematisch erscheint hier insbeson­ dere, dass bereits das Eintreten eines Insolvenzfalles ausreichen soll, um den Bür­ ger zum Ziel von Strafverfolgungsaktivitäten zu machen. Eine solches restrikti­ ves Verständnis des Verbotes anlassloser Strafverfolgung ist vor dem Hintergrund der rechtsstaatlich bedeutsamen Funktion des Anfangsverdachtes462 kritisch zu überprüfen. Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG bedürfen einer bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage. Diese Voraussetzung gilt gleichsam für das Ersuchen um eine Beiziehung von Akten, die personenbezogene Daten enthalten.463 457 

BayObLG NJW 1986, 441, 442. BayObLG NJW 1986, 441, 442. Bei Vorermittlungen wird bisweilen die Eintragung in ein Allgemeines Register (AR) vorgenommen, vgl. Hilger FG-Hilger 11, 13. 459  LG Offenburg NStZ 1993, 506. 460  LG Offenburg NStZ 1993, 506, 506. 461  LG Offenburg NStZ 1993, 506, 506. 462  Hund ZRP 1991, 463, 463. 463  Senge FS-Hamm, 701, 709; Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1787 f.; Püschel FS-Wessing, 753, 754 (in Fn  13); vgl. bereits 1. Kap. B.III.2. 458 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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II. Begriff Eine Erörterung der Zulässigkeit von Vorermittlungen erfordert es, zunächst zu definieren, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Für einen solchen Verfah­ rensbereich, in dem die Staatsanwaltschaft prüft, ob zureichende tatsächliche An­ haltspunkte i. S. d. §  152 Abs.  2 StPO gegeben sind, werden in der Literatur zahl­ reiche Bezeichnungen vorgeschlagen: So wird von „Informationsverfahren“,464 „Sondierungsverfahren“,465 „Erkundigungen“466 oder „Vorprüfungen“467 gespro­ chen. Am häufigsten ist in der juristischen Literatur aber die Bezeichnung der „Vorermittlungen“ zu finden.468 Während das Ermittlungsverfahren in den §§  151–177 StPO geregelt ist, besteht für die Phase der Sammlung zusätzlicher Hinweise zur Begründung eines Anfangsverdachtes keine gesetzliche Normie­ rung.469 Eine explizite Regelung der Vorermittlungen findet sich aber beispiels­ weise in den AStBV470, in denen Anweisungen für die Verfolgung von Steuer­ straftaten und -ordnungswidrigkeiten enthalten sind. In Nr.  121 Abs.  1 AStBV wird folgendes Begriffsverständnis zugrunde gelegt: „Liegen Anhaltspunkte für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit […] vor, reichen die Erkenntnisse jedoch nicht aus, um den erforderlichen Verdacht zu begründen, sind gegebenenfalls Vor­ ermittlungen durchzuführen. Vorermittlungen sind allgemeine und informatori­ sche Maßnahmen zur Gewinnung von Erkenntnissen, ob ein Verdacht gegeben und ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist.“ Diese Definition deckt sich mit dem allgemeinen Verständnis des Begriffs. Vorermittlungen bezeichnen danach Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, die vor der Begründung eines Anfangsverdachtes und damit vor Beginn des Ermittlungsverfahrens vorge­ nommen werden. Sie dienen dazu, zu klären, ob hinreichende tatsächliche An­ haltspunkte i. S. v. §  152 Abs.  2 StPO vorliegen.471 Abzugrenzen sind sie gegen­ über den sog. „Initiativermittlungen“472 oder „Vorfeldermittlungen“473, die haupt­ sächlich im Bereich der Organisierten Kriminalität diskutiert werden und bei denen es darum geht, überhaupt erst Anhaltspunkte für unbekannte Straftaten zu finden. Im Gegensatz dazu sind bei Vorermittlungen bereits tatsächliche Hinweise 464 

Kerner Verbrechenswirklichkeit und Strafverfolgung, 53. Marxen Straftatsystem und Strafprozess, 185. 466  So in §  91 Abs.  2 S.  3 der österreichischen Strafprozessordnung. 467  Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417. 468  Lange Vorermittlungen, 21 m. zahlreichen weiteren Nachweisen in Fn  15. 469  Lange Vorermittlungen, 21 f. 470  Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) v. 23.12.2009 (BStBl I, S.  1532). 471  Wölfl JuS 2001, 478, 479. 472  Wolter ZStW 107 (1995), 793, 824 f. 473  Statt Vieler Lohner Tatverdacht, 126. 465 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

vorhanden.474 Die Verdachtsprognose ist hierbei in die Vergangenheit gerichtet und zielt darauf ab, eine bereits begangene Straftat aufzuklären.475 Der in der Literatur geführte Streit um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Vorermittlungen wird oftmals dadurch verzerrt, dass nicht alle Autoren bei ihrer Argumentation das gleiche Begriffsverständnis zugrunde legen. Das Urteil über die (Un)Zulässigkeit polizeilicher bzw. staatsanwaltschaftlicher Vorermitt­ lungen hängt in der Regel maßgeblich davon ab, welche Befugnisse der jeweili­ ge Verfasser hiervon umfasst sieht. Für die folgende Diskussion soll der Begriff der Vorermittlungen deshalb ausschließlich Maßnahmen mit Ermittlungscharak­ ter meinen, d. h. solche, die in Grundrechtspositionen des Bürgers eingreifen. Ist von der Unzulässigkeit von Vorermittlungen die Rede, ist somit gemeint, dass die Durchführung von Maßnahmen abgelehnt wird, die den Betroffenen in sei­ nen Grundrechten einschränken.

III. In Betracht kommende gesetzliche Befugnisnormen Die Strafprozessordnung sieht Ermittlungsmaßnahmen vor Begründung eines Anfangsverdachtes grundsätzlich nicht vor.476 Dennoch finden sich in der Litera­ tur zahlreiche Versuche, die Legitimierung strafprozessualer Vorermittlungs­ maßnahmen auf Normen der StPO zu stützen. Im Folgenden wird hergeleitet, dass eine gesetzliche Anerkennung von grundrechtsrelevanten Ermittlungshand­ lungen im Vorfeld des Anfangsverdacht nicht existiert. 1. Keine Ermächtigung zu Vorermittlungen in §§  160, 161 Abs.  1 StPO Obwohl die Strafprozessordnung den Begriff der Vorermittlungsmaßnahmen nicht verwendet, wird mitunter vertreten, dass sich die Befugnis zu Vorermittlun­ gen aus der Regelung des §  161 Abs.  1 StPO (gegebenenfalls i. V. m. §  163 StPO) ergebe. Die Vorschrift erfasse auch den Bereich, der dem konkreten Anfangsver­ dacht vorgelagert ist.477 Die sog. „Ermittlungsgeneralklausel“478 des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO ermächtigt die Staatsanwaltschaft, vorbehaltlich besonderer Regelungen, von allen Behör­ 474 

Burhoff Handbuch für das EV Rn  3278. Senge FS-Hamm, 701, 704. 476  Krause FS-BRAK, 351, 352; Senge FS-Hamm, 701, 709; HK/Gercke StPO §  152 Rn  5; Kramer Grundlagen des Strafverfahrensrechts Rn  172; KK/Fischer StPO Einl Rn  174; LR/ Beulke StPO §  152 Rn  33. 477  Lohner Tatverdacht, 143; Rogall Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 88; Rogall ZStW 103 (1991), 907, 945; Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417; Lilie ZStW 111 (1999), 807, 824. 478  Hilger NStZ 2000, 561, 563. 475 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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den Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzu­ nehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen. Diese Befugnis ist durch den Verweis auf §  160 Abs.  1 bis 3 StPO an den dort bestimmten Zweck der Sachverhaltsaufklärung gebunden. Nach dem Wortlaut des §  160 Abs.  1 StPO hat die Staatsanwaltschaft, sobald sie von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, den Sachverhalt zu erforschen. Zur Be­ gründung einer Vorermittlungsermächtigung wird die Kenntniserlangung eines solchen „Verdachts“ bisweilen weit ausgelegt. Nach teilweise vertretener Auffas­ sung soll es bereits ausreichen, wenn der Staatsanwaltschaft ein bestimmter Sachverhalt bekannt werde. Von §  160 StPO sei auch die – im Hinblick auf ­Dauer und Intensität variable – Überprüfung umfasst, ob überhaupt ein Anfangsver­ dacht vorliege.479 Mit dem Begriff des „Zwecks“ in §  161 Abs.  1 S.  1 StPO könne nur die Strafverfolgung in ihrem weitesten Sinne gemeint sein.480 Deshalb um­ fasse der Verweis in §  161 Abs.  1 StPO die Berechtigung zu Vorermittlungen.481 Mitunter wird diese Ansicht in Abgrenzung zu richtungslosen Vorfeldbeobach­ tungen auf Sachverhalte beschränkt, in denen die Entstehung des Tatverdachts immerhin möglich erscheint.482 Ziel einer solchen Auslegung ist es, der Staatsanwaltschaft möglichst weit­ reichende Befugnisse zuzuerkennen. Sie führt dazu, dass der vom Gesetzgeber geschaffenen Begrenzung des ermittlungsbehördlichen Handlungsspielraums contra legem der Boden entzogen wird. Die Bezugnahme in §  161 Abs.  1 S.  1 StPO auf den in „§  160 Abs.  1–3 bezeichneten Zweck“ stellt unmissverständlich die Verdachtsabhängigkeit der strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen klar.483 Unter den Begriff des „Zwecks“ kann daher nicht die Strafverfolgung in einem weiten Sinne subsumiert werden, sondern lediglich die in §  160 StPO ausgestal­ teten Pflichten zur Sachverhaltsaufklärung. Diese Pflichten bestehen gemäß §  160 Abs.  1 StPO nur, wenn die Staatsanwaltschaft von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält. Maßnahmen, die auf §  161 Abs.  1 S.  1 StPO beruhen, setzen deshalb unzweifelhaft einen Anfangsverdacht voraus.484 Eine Auslegung, die Vorermittlungsmaßnahmen auf die Ermittlungsgeneralklausel stützt, ist nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar.485 479 

Lilie ZStW 111 (1999), 807, 824. Lilie ZStW 111 (1999), 807, 824. 481  Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417. 482  Rogall Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 88; Rogall ZStW 103 (1991), 907, 945. 483  MüKo/Kölbel StPO §  161 Rn  2. 484  Zöller Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen, 130; MüKo/Kölbel StPO §  161 Rn  2. 485  Ebenso Krause FS-BRAK, 351, 352; Senge FS-Hamm, 701, 710; Kramer Grundlagen des Strafverfahrensrechts Rn  172; Diemer NStZ 2005, 666, 668; Kammann Anfangsverdacht, 166; Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 198; Lange Vorermittlungen, 142; Lange DRiZ 2002, 264, 271. 480 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Gegen die Heranziehung von §  161 Abs.  1 S.  1 StPO als Ermächtigungsgrund­ lage für Vorermittlungen spricht zudem die gesetzliche Systematik. Die Ermitt­ lungsbefugnis ist nicht im Allgemeinen Teil geregelt, sondern bezieht sich auf das eingeleitete Ermittlungsverfahren.486 Erst nach Überschreiten der rechts­ staatlich notwendigen Schwelle des Anfangsverdachts ist ein grundrechtsrele­ vantes Tätigwerden der Strafverfolgungsorgane zulässig.487 Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Vorermittlungen und Ermittlungsverfahren kann nicht dazu herangezogen werden, um die Ermächtigungsgrundlage des §  161 StPO im Sinne einer Regelung „kraft Sachzusammenhangs“ weit auszulegen und so Grundrechtseingriffe bereits in der Vorstufe zu legitimieren.488 Eine Erweiterung des Anwendungsbereiches des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO auf Vorermittlungsmaßnahmen ist deshalb nicht zulässig. Die Ermittlungsgeneral­ klausel kann nicht als Ermächtigungsgrundlage für Grundrechtseingriffe heran­ gezogen werden, die dazu dienen sollen, das Vorliegen zureichender tatsächli­ cher Anhaltspunkte i. S. d. §  152 Abs.  2 StPO zu überprüfen. 2. Keine Ermächtigung aus §  152 Abs.  2 StPO Auch unter Heranziehung des §  152 Abs.  2 StPO wird mitunter versucht, die Zulässigkeit von Vorermittlungen zu belegen. Bisweilen wird das Legalitätsprin­ zip gar bemüht, um eine Pflicht der Ermittlungsbehörden zu Vorermittlungen herzuleiten. Insbesondere Lange unterzieht die Vorschrift des §  152 Abs.  2 StPO einer eingehenden Analyse, aus der sie das Bedürfnis einer „Neuinterpretation des Legalitätsprinzips“489 schlussfolgert. Dieses beinhalte neben der Einschrei­ tenspflicht der Staatsanwaltschaft in Situationen, in denen zureichende tatsächli­ che Anhaltspunkte vorliegen, zudem eine Prüfungs- und Ermittlungspflicht hin­ sichtlich der Voraussetzungen des Anfangsverdachts.490 Auch Burhoff sieht eine solche Pflicht als erforderlich an, um zu gewährleisten, dass weitere Erkenntnis­ se für die Klärung des Vorliegens eines Anfangsverdachts gewonnen werden können.491 Andernfalls sei zu befürchten, dass strafrechtliche Sachverhalte nur ungenügend aufgeklärt würden.492 Dem Anspruch einer gleichmäßigen Straf­ rechtspflege sei nur zu genügen, wenn man eine Pflicht zu (Vor)Ermittlungen auch für Fälle anerkenne, in denen ein Anfangsverdacht durch weitere Aufklä­ 486 

Diemer NStZ 2005, 666, 668. Kramer Grundlagen des Strafverfahrensrechts Rn  172. 488  Lange Vorermittlungen, 142. 489  Lange Vorermittlungen, 70. 490  Lange Vorermittlungen, 70; auch Lange DRiZ 2002, 264, 265 f. 491  Burhoff Handbuch für das EV Rn  3279. 492  Burhoff Handbuch für das EV Rn  3279. 487 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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rungen bejaht oder ausgeschlossen werden kann.493 Andernfalls werde die Auf­ klärung vom Zufall abhängig gemacht. Diese Argumentation ist jedoch in mehrfacher Hinsicht problematisch. Dass sich eine aus §  152 Abs.  2 StPO keine solche Pflicht ergeben kann, ergibt sich schon unter logischen Gesichtspunkten:494 Die Ermittlungspflicht nach §  152 Abs.  2 StPO besteht nur, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei Nicht­ vorliegen eines Anfangsverdachtes keine Ermittlungspflicht existiert.495 Überdies setzte eine Vorermittlungspflicht zunächst einmal ein Vorermitt­ lungsrecht voraus. Auch ein solches wird mancherorts auf die Vorschrift des §  152 Abs.  2 StPO gestützt. Diese sei nach Wortlaut, Systematik und Telos der Norm einer entsprechenden Interpretation zugänglich.496 Bei der im Legalitäts­ prinzip verankerten Ermittlungspflicht handele es sich um eine Ermessensredu­ zierung bei der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung über die Aufnahme von Ermittlungen. Liege kein Anfangsverdacht vor, so entfalle die Ermessensredu­ zierung und das Ermessen lebe wieder auf.497 Vorermittlungen seien nach Aus­ übung pflichtgemäßen Ermessens deshalb erlaubt.498 Dies sei das Spiegelbild zur Verpflichtung aus dem Legalitätsprinzip. Ohne Befugnis zur aktiven Ausschöp­ fung aller verfügbaren Erkenntnisquellen könne der Ermittlungspflicht nicht um­ fassend Genüge getan werden.499 Einer solchen Argumentation kann nicht gefolgt werden. Durch die Ableh­ nung einer Vorermittlungsbefugnis entsteht keine unzulässige Beschränkung des Legalitätsprinzips. Das Prinzip muss vielmehr seinerseits im Licht der Ver­ fassung ausgelegt werden. Die Geltung des nach Art.  1 Abs.  3 GG garantierten, umfassenden Grundrechtsschutzes kann nicht auf einzelne Phasen des Strafver­ fahrens, etwa auf das Ermittlungsverfahren, limitiert sein.500 Es liegt neben der Sache, das Legalitätsprinzip als Ratio für Eingriffe in einem Verfahrensabschnitt heranzuziehen, in dem es mangels Anfangsverdacht noch gar keine Gültigkeit hat. 493 

Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417. Groß FS-Dahs, 249, 252. 495  Groß FS-Dahs, 249, 252: „Nur beim Vorliegen zureichender Anhaltspunkte besteht eine Verfolgungspflicht, oder: ‚Nur wenn A, dann EP‘. Ein Umkehrschluss aus dieser Vorschrift ist also zulässig. Dieser Umkehrschluss lautet: ‚Wenn nicht A, dann nicht EP‘, deutlicher: ‚Wenn keine Anhaltspunkte, so keine Verfolgungspflicht.‘.“ 496  Lange Vorermittlungen, 41 ff. 497  Rudolph Antizipierte Strafverfolgung, 174. 498  Rudolph Antizipierte Strafverfolgung, 174. 499  Diemer NStZ 2005, 666, 667; Zöller RDV 1997, 163, 164. 500  Knauth NJW 1978, 741, 743. 494 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Zwar kann nicht von einer fehlenden Vorermittlungspflicht unmittelbar auf die Unzulässigkeit von Vorermittlungen geschlossen werden.501 §  152 Abs.  2 StPO trifft jedoch keine Aussage über die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden unterhalb der Schwelle des Anfangsverdachts.502 Damit die Vorschrift als Er­ mächtigung zu Vorermittlungen herangezogen werden könnte, wäre ein solcher Aussagegehalt jedoch im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes nach Art.  20 Abs.  3 GG entscheidend. Mangels entsprechender Regelung der Ermittlungs­ befugnisse der Staatsanwaltschaft kann die Vorschrift daher nicht als Ermächti­ gungsgrundlage zu Vorermittlungen dienen.503 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass §  160 Abs.  1 StPO der Staatsanwaltschaft die Verpflichtung zu Ermittlungen auferlegt, wenn sie „auf anderem Wege“ Kenntnis vom Verdacht einer Straftat erlangt.504 Bisweilen wird vertreten, hierunter sei die Kenntniserlangung durch Vorermittlungen subsumier­ bar.505 Eine solche Auslegung überspannt jedoch den Wortlaut der Vorschrift. Kommt die Staatsanwaltschaft aufgrund eigener Vorermittlungen zu der Beurtei­ lung, dass ein Anfangsverdacht gegeben ist, so „erlangt“ sie nach dem Sprachge­ brauch nicht „Kenntnis“. Vielmehr „erreicht“ die Behörde in diesem Fall die Erkenntnis oder sie „kommt zu der Erkenntnis“. Die ausschlaggebende Informa­ tion wird der Ermittlungsbehörde in einem solchen Fall nicht von außen mitge­ teilt, sondern sie erarbeitet sich diese durch eigene Aktivitäten. Schließlich wird vereinzelt angestrengt, zumindest die Befugnis der Staats­ anwaltschaft auf §  152 Abs.  2 StPO zu stützen, andere Behörden um die Über­ mittlung personenbezogener Informationen zu ersuchen.506 Die Zulässigkeit der Übermittlung selbst richte sich sodann nach den Spezialnormen, die die ersuch­ ten Behörden hierzu ermächtigen und verpflichten.507 Eine solche Auslegung führt jedoch zu einer Umgehung der rechtsstaatlichen Vorgaben zum Grund­ 501  Groß FS-Dahs, 249, 252; aA Fincke ZStW 95 (1983), 918, 924; Walder ZStW 95 (1983), 862, 867 unter Berufung auf den Grundsatz der Justizförmigkeit des Verfahrens, der es gebiete, die Schwelle des Verfolgungszwanges als Voraussetzung und Grenze legalen Eingreifens zu begreifen. 502  So auch Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 197. 503  Groß FS-Dahs, 249, 258: „Hier ist nun folgende Überlegung logisch zwingend: Nur bei Verdacht besteht die Erforschungspflicht. Besteht kein Verdacht, besteht auch keine Erfor­ schungspflicht. Besteht keine Erforschungspflicht, besteht auch kein „in §  160 bezeichneter Zweck“. Besteht kein solcher Zweck, besteht keine Befugnis zu allgemeinen Ermittlungen. Besteht keine solche Befugnis, dann sind solche allgemeinen Ermittlungen wegen des Grund­ satzes des Gesetzesvorbehalts nicht zulässig.“ 504  Wolter EG-Brauneck, 501, 531 (Fn  45). 505  Sieber/Bögel Logistik der Organisierten Kriminalität, 353 Fn  100; Dölling Polizeiliche Ermittlungstätigkeit und Legalitätsprinzip, 275 f. 506  So etwa Diemer NStZ 2005, 666, 667. 507  Diemer NStZ 2005, 666, 667.

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rechtsschutz des Bürgers. Sie ist angesichts der klaren Vorgaben des BVerfG zum Doppeltürmodell nicht vertretbar.508 Folglich lässt sich §  152 Abs.  2 StPO weder eine Pflicht noch ein Recht zu Vorermittlungen entnehmen. Das Legalitätsprinzip kann nicht bemüht werden, um ein Tätigwerden der Ermittlungsbehörden unterhalb der Schwelle des An­ fangsverdachts zu legitimieren. 3. Keine allgemeine Anerkennung von Vorermittlungen in §  159 StPO Gemäß §  159 Abs.  1 StPO sind die Polizei- und Gemeindebehörden bei Anhalts­ punkten, die gegen einen natürlichen Tod sprechen, oder beim Fund eines unbe­ kannten Leichnams zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder das Amtsgericht verpflichtet. Aus dieser Regelung wird vielfach auf eine grundsätz­ liche gesetzliche Anerkennung von Vorermittlungen geschlossen.509 Die Vorschrift zeige, dass die Strafprozessordnung auch vor der Begründung eines Anfangsver­ dachts das Recht und die Pflicht zu strafprozessualen Aktivitäten kenne.510 Denn die sogenannten „Leichensachen“ stellten selbst noch kein Ermittlungsverfahren i. S. d. §  160 StPO dar.511 Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vor­ schrift, da bloße „Anhaltspunkte“ nicht die Stärke eines Anfangsverdachts er­ reichten.512 Allein die Möglichkeit eines unnatürlichen Todes vermöge noch kei­ nen Anfangsverdacht zu begründen, da beispielsweise ein eigenverantwortlicher Suizid vorliegen könnte.513 Die Vorschrift ziele somit darauf ab, der Staatsan­ waltschaft eine möglichst frühzeitige Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten sei.514 Der hierin liegende allgemeingültige Gedanke der Befugnis der Staatsanwaltschaft zu Vorermittlungen sei weder nach 508 

Für die Übermittlung der Insolvenzakten des Schuldners scheitert eine solche Konstruk­ tion freilich schon daran, dass es keine gesetzliche Norm gibt, welche die Übermittlung auf Ersuchen regelt. Sowohl die §§  12 ff. EGGVG als auch die MiZi gelten ausschließlich für Mit­ teilungen von Amts wegen. §  474 StPO ist keine geeignete Rechtsgrundlage, da die Vorschrift das Bestehen eines Anfangsverdachtes voraussetzt, Senge FS-Hamm, 701, 710. 509  Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417; Lilie ZStW 111 (1999), 807, 822; Lange DRiZ 2002, 264, 266; Lange Vorermittlungen, 55 ff.; MüKo/Peters StPO §  152 Rn  64; Rogall Infor­ mationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 87; Rogall ZStW 103 (1991), 907, 945; Zöller RDV 1997, 163, 164; Zöller Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen, 129; Für Senge FSHamm, 701, 708 ergibt sich zwar nicht die generelle Zulässigkeit von Vorermittlungen, aber die StPO verbiete solche zumindest nicht grundsätzlich. 510  Lilie ZStW 111 (1999), 807, 822. 511  BGHSt 49, 29, 32; Maiwald NJW 1978, 561, 562; Rudolph Antizipierte Strafverfolgung, 179; KK/Griesbaum StPO §  159 Rn  1. 512  Artzt Bedeutung polizeilicher Vorfeldermittlungen, 147. 513  LR/Erb StPO §  159 Rn  1; a. A. Hellmann FS-Kühne, 235, 246 f. 514  Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417.

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dem Wortlaut noch nach dem Zweck der Norm auf den Anwendungsbereich der „Leichensachen“ beschränkt.515 Dem Zusammenwirken von §§  152 Abs.  2, 159 Abs.  1 und 160 Abs.  1 StPO sei zu entnehmen, dass die Durchführung von Vor­ ermittlungen generell möglich sei.516 Bisweilen wird unter Berufung auf das Le­ galitätsprinzip sogar eine Vorermittlungspflicht angenommen, die zur Sicher­ stellung einer lückenlosen Ahndung strafbaren Verhaltens und damit der Ver­ wirklichung der Grundsätze der Gleichheit vor dem Gesetz und der Gerechtigkeit im Rahmen des Möglichen erforderlich sei.517 Deshalb sei eine Beschränkung der Ermächtigung zur Vornahme von Vorermittlungen auf den Bereich des un­ mittelbaren Wortlauts des §  159 StPO nicht angezeigt.518 Die Vorschrift des §  159 Abs.  1 StPO ist für die Untersuchung der vorliegen­ den Arbeit insofern relevant, als auch hier eine behördliche Verpflichtung zur Mitteilung bestimmter Informationen an die Staatsanwaltschaft normiert wird.519 Insofern bestehen Berührungspunkte zu den MiZi, die gegenüber den Insolvenz­ gerichten genau definierte Mitteilungspflichten statuieren.520 Eine – über den An­ wendungsbereich der „Leichensachen“ hinausgehende – umfassende Ermächti­ gung zu grundrechtstangierenden Vorermittlungen kann dem §  159 Abs.  1 StPO jedoch nicht entnommen werden.521 Die soeben angeführte, extensive Auslegung der Vorschrift ist nicht sachgerecht. Dies folgt zum einen aus einer systemati­ schen Betrachtung. Die Anordnung einer Meldepflicht für unnatürliche Todesfäl­ le in §  159 Abs.  1 StPO hat den Charakter einer Spezialregelung.522 Sie ermäch­ tigt keinesfalls zu Vorermittlungen jeglicher Art, sondern modifiziert – nur!523 – 515 

Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417; Lange Vorermittlungen, 56. Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417. 517  Lange Vorermittlungen, 57; Lange DRiZ 2002, 264, 266. 518  Lange DRiZ 2002, 264, 266; auch Marxen Straftatsystem und Strafprozess, 186 f., der die Erweiterungsfähigkeit der Norm jedoch auf Sachverhalte mit Anhaltspunkten für schwer schädigende Ereignisse, die auf einen unnatürlichen Verlauf zurückzuführen sind, begrenzen will. 519  Eine Parallele will auch Marxen Straftatsystem und Strafprozess, 187 zwischen Lei­ chensachen und Fällen des „wirtschaftlichen Todes“, den Insolvenzfällen sehen, in denen Poli­ zei und Staatsanwaltschaften einiger Länder dazu übergegangen seien, stets routinemäßig zu sondieren. 520  Freilich bestehen trotz alledem entscheidende Unterschiede – so handelt es sich bei §  159 StPO um eine gesetzliche Regelung, die zudem in der StPO verankert ist, bei den MiZi hingegen lediglich um Anordnungen der Verwaltung. 521  So auch Schulz Normiertes Misstrauen, 540; Forkert-Hosser Vorermittlungen im Straf­ prozessrecht, 195; Zabel ZIS 2014, 340, 343; Wölfl JuS 2001, 478, 480; Kramer Grundlagen des Strafverfahrensrechts Rn  172; Groß FS-Dahs, 249, 262. 522  Lohner Tatverdacht, 147; Zabel ZIS 2014, 340, 343; Pfordte StraFO 2016, 53, 57. 523  Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 77 f.; Auch ersichtlich aus der Regelung in Nr.  33 RiStBV, die sich nur auf die Leichenschau und Leichenöffnung bezieht. 516 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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in Bezug auf die Untersuchungsmaßnahmen der Leichenöffnung und der Leichenschau (§§  87 ff. StPO), dass diese zur Beweissicherung auch schon unter­ halb der Schwelle des Anfangsverdachts vorgenommen werden dürfen.524 Ande­ re Maßnahmen sind hingegen nicht umfasst. Der Schluss von der Regelung in §  159 Abs.  1 StPO auf eine generelle Zulässigkeit von Vorermittlungen wäre zu­ dem nur statthaft, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthielte und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem ge­ setzlich geregelten Tatbestand vergleichbar wäre, dass angenommen werden könnte, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezo­ genen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen.525 Zwar gilt das Analogieverbot des Art.  103 Abs.  2 GG bzw. des §  1 StGB nicht für das Strafprozessrecht.526 Ein Analogieschluss verbietet sich hier dennoch: Be­ reits von einer planwidrigen Regelungslücke kann nicht ausgegangen werden, da §  161 Abs.  1 i. V. m. §  152 Abs.  2 StPO die Vornahme von Ermittlungsmaßnah­ men an das Vorliegen eines Anfangsverdachts knüpft. Hiermit bringt der Gesetz­ geber den von ihm beabsichtigten Grundsatz zum Ausdruck. Einzig für Todesfäl­ le traf er mit §  159 StPO eine besondere Regelung. Somit hat er die ihm offenste­ hende Möglichkeit, weitere Fälle in diese Regelung aufzunehmen, bewusst nicht ergriffen. Auch die Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Sachverhalte ist zu verneinen. Die Vorschrift des §  159 StPO ist vor dem Hintergrund der besonde­ ren Bedeutung von Tötungsdelikten zu betrachten.527 Sie dient der Absicherung einer möglichst lückenlosen Aufdeckung und Aufklärung von Straftaten gegen das höchste Rechtsgut „Leben“.528 Der Zweck der Norm besteht in der Beweis­ sicherung.529 Im Unterschied zu anderen Delikten ist „Leichensachen“ aufgrund der natürlichen Verwesungsprozesse die besonders hohe Gefahr eines zeitabhän­ gigen Beweismittelverlustes immanent.530 Hierin liegt ein entscheidender Unter­ 524 

MüKo/Trück StPO §  87 Rn  1. Die Ansicht, dass aus §  159 StPO die Befugnis zur Vor­ nahme von Maßnahmen nach §§  87 ff. StPO auch ohne Vorliegen eines Anfangsverdachts folgt, ist keineswegs unbestritten. Kramer Grundlagen des Strafverfahrensrechts Rn  172 kritisiert die Unvereinbarkeit der Klärung der Todesursache außerhalb eines Ermittlungsverfahrens mit der Systematik der StPO; HK/Zöller StPO §  159 Rn  9 will die Befugnisse auf Maßnahmen unter­ halb der Schwelle von Grundrechtseingriffen wie etwa die Anforderung von Gutachten oder technischen Erkenntnissen, behördeninterne Abklärungen oder die Nutzung offen zugänglicher Informationsquellen beschränken. 525  BGH NJW 2003, 1932, 1933 m. w. N. 526  BGH MMR 2007, 174, 175. 527  MüKo/Kölbel StPO §  159 Rn  1. 528  Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 195. 529  KMR/Plöd StPO §  159 Rn  1. 530  MüKo/Kölbel StPO §  159 Rn  1.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

schied zur Ausrichtung der „Vorermittlungen“ im hier diskutierten Sinne. Bei den Leichensachen dient die Vorschrift der Sicherstellung von Beweismitteln, die auch nach Begründung eines Anfangsverdachts noch zur Verfügung stehen sollen. Von den vorliegend besprochenen Vorermittlungen verspricht man sich jedoch vor allem das Auffinden weiterer Anhaltspunkte für einen Anfangsver­ dacht. Als Ausnahmeregelung ist §  159 Abs.  1 StPO einer Analogie für andere Bereiche somit nicht zugänglich.531 Gegen eine allgemeine Anerkennung der Ermächtigung zu Vorermittlungen spricht zudem ein dogmatisches Argument. §  159 StPO ist keine Ermächtigungs­ grundlage für Grundrechtseingriffe, sondern lediglich eine Regelung der Anzei­ gepflicht für unnatürliche Todesfälle.532 Zwar kann nicht bestritten werden, dass eine solche Regelung nur sinnhaft ist, wenn es der Ermittlungsbehörde nicht ver­ wehrt ist, aufgrund dieser Mitteilung weitere Maßnahmen zur Erforschung der Todesursache zu veranlassen.533 Eingriffe in Grundrechtspositionen können auf die Vorschrift jedoch nicht gestützt werden, da sie hierzu viel zu unbestimmt wäre.534 Die Berechtigung zum Eingriff in Rechtspositionen – etwa das Totensor­ gerecht der Angehörigen nach Art.  2 Abs.  1 GG oder das postmortale Persönlich­ keitsrecht des Verstorbenen gemäß Art.  1 Abs.  1 GG535 – ergibt sich vielmehr erst in Verbindung mit den §§  87 ff. StPO. Dies folgt auch daraus, dass für die Anzei­ ge des §  159 StPO der Verdacht einer Straftat nicht erforderlich ist. Die Anzeige selbst ist somit kein Bestandteil des Strafverfahrens.536 Auch deshalb taugt §  159 Abs.  1 StPO nicht als verallgemeinerungsfähige Ermächtigungsgrundlage für strafprozessuale Vorermittlungen. Die Herleitung einer der StPO zugrundeliegenden allgemeinen Anerkennung von strafbehördlichen Vorermittlungsmaßnahmen hat folglich keinen Bestand. Der Unterordnung rechtsstaatlicher Grundsätze unter Gesichtspunkte der Effek­ tivität ist im Hinblick auf die in der StPO angelegte freiheitliche Begrenzung staatlicher Machtausübung zu widersprechen.

531  So auch Schulz Normiertes Misstrauen, 540; Forkert-Hosser Vorermittlungen im Straf­ prozessrecht, 195; Krause FS-BRAK, 351, 352; Groß FS Dahs, 249, 262. 532  Artzt Bedeutung polizeilicher Vorfeldermittlungen, 5; Schrimm Kriminalistik 1996, 203, 204. 533  So auch Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 77. 534  Wölfl JuS 2001, 478, 480. 535  LR/Krause StPO §  87 Rn  7. 536  Marxen Straftatsystem und Strafprozess, 372, der deshalb eine Entfernung der Anzeige­ pflicht der Polizei- und Gemeinbehörden aus der StPO vorschlägt und eine Regelung in den Polizeigesetzen der Länder bzw. des Bundes anregt.

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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4. Keine Befugnis aus §  108 StPO Als weiteres Argument für eine grundsätzliche gesetzliche Anerkennung strafpro­ zessualer Vorermittlungen wird vereinzelt §  108 StPO herangezogen.537 Die Vor­ schrift regelt in Abs.  1 die Befugnis zur einstweiligen Beschlagnahme von Gegen­ ständen, die bei Gelegenheit einer Durchsuchung gefunden werden und auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten. Hierin wird von manchen eine Ermäch­ tigung zu Maßnahmen gesehen, die dazu dienen sollen, das Vorliegen eines An­ fangsverdachts zu prüfen. Durch die Regelung der sog. „Zufallsfunde“ werde es der Staatsanwaltschaft erlaubt, zu prüfen, ob gegen den von der Durchsuchung Betroffenen oder einen Dritten ein neues Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.538 Im Hinblick auf eine wirksame Verbrechensbekämpfung sei es unzumutbar, wenn die Durchsuchungsbeamten verpflichtet seien, die Augen vor Beweismitteln zu verschließen, nur weil diese nicht vom Zweck der Durchsuchung umfasst seien.539 Über den Anwendungsbereich der Vorschrift hinaus könne dem §  108 StPO der allgemeingültige Gedanke entnommen werden, dass es den Strafverfolgungsbe­ hörden gestattet sein müsse, bei Anhaltspunkten für eine Straftat das Vorliegen ei­ nes Anfangsverdachts zu überprüfen.540 Es könne nicht danach unterschieden wer­ den, ob die behördliche Kenntnis dieser Anhaltspunkte von einem Zufallsfund, einer Anzeigeerstattung oder sonstigen Erkenntnisquellen herrühre.541 Diese Argu­ mentation wurzelt darin, dass nach häufig vertretener Ansicht für die einstweilige Beschlagnahme von Gegenständen i. S. v. §  108 Abs.  1 StPO nicht erforderlich ist, dass diese bereits das Vorliegen eines Anfangsverdachts hinsichtlich einer Straftat begründen.542 Bereits der ungewisse Verdacht einer Straftat oder ein mutmaßlicher Zusammenhang mit einer bereits bekannten Tat sei insofern ausreichend.543 Dies ergebe sich aus dem Wortlaut von §  108 Abs.  1 S.  1 StPO, wonach die aufgefunde­ nen Gegenstände auf die Verübung einer anderen Straftat „hindeuten“ müssen.544 Dem lassen sich im Hinblick auf die Anforderungen des Grundgesetzes für Grundrechtseingriffe Bedenken entgegenbringen.545 Gerade der Schutz der Woh­ 537 

Lange Vorermittlungen, 58, 158. HK/Gercke StPO §  108 Rn  3. 539  LR/Tsambikakis StPO §  108 Rn  1. 540  Lange Vorermittlungen, 158. 541  Lange Vorermittlungen, 158 f. 542  LR/Tsambikakis StPO §  108 Rn  8; Eisenberg Beweisrecht StPO Rn  2444b; SK/Wohlers/ Jäger StPO §  108 Rn  11; BeckOK/Hegmann StPO §  108 Rn  1; Dölling/Duttge/König/Rössner/ Hartmann StrafR §  108 StPO Rn  3; MüKo/Hauschild StPO §  108 Rn  6; HK/Gercke StPO §  108 Rn  10. 543  Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  108 Rn  2. 544  Lange Vorermittlungen, 58. 545  Ebenso Joecks/Jäger/Randt SteuerStR §  399 AO Rn  85. 538 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

nung in Art.  13 Abs.  1 und 2 GG sowie die darauf beruhenden strengen Vorgaben für Durchsuchungen der Strafverfolgungsbehörden in den §§  102 ff. StPO spre­ chen dafür, Gegenstände der einstweiligen Beschlagnahme i. S. v. §  108 Abs.  1 StPO nur zu unterwerfen, wenn diese den Anfangsverdacht einer Straftat begrün­ den. Es wäre rechtsstaatlich bedenklich, – bildlich gesprochen – mit Übertreten der Türschwelle wichtige strafprozessuale Schutzvorschriften zugunsten des Be­ schuldigten außer Kraft zu setzen. In der einstweiligen Beschlagnahme eines Zufallsfundes ist deshalb richterweise die Einleitung eines neuen Ermittlungs­ verfahrens – mitsamt der damit einhergehenden Rechte für den Beschuldigten – zu sehen.546 Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage kann §  108 StPO richtiger­ weise keine allgemeine Anerkennung des Gesetzgebers von strafprozessualen Vor­ ermittlungen entnommen werden. Selbst wenn man davon ausginge, dass der un­ gewisse Verdacht einer Straftat ausreichte und eine einstweilige Beschlagnahme von Zufallsfunden demnach auch unterhalb der Schwelle des Anfangsverdachts zulässig sei, ließe sich der Vorschrift dennoch keine Ermächtigung der Ermitt­ lungsbehörden zu weiteren grundrechtsrelevanten Vorermittlungsmaßnahmen ent­ nehmen. Die Regelung des §  108 Abs.  1 StPO verhält sich ausschließlich zu dem mit der einstweiligen Beschlagnahme einhergehenden Grundrechtseingriff.547 Eine Ermächtigungsgrundlage für weitere Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen im Rahmen von Vorermittlungen enthält die Norm hingegen nicht. Hierfür wäre eine spezifische Regelung erforderlich, die den verfassungsrecht­ lichen Bestimmtheitsanforderungen für Grundrechtseingriffe genügt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber gerade bei dieser Vorschrift die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden ins Vorfeld des Anfangsverdachts erstrecken wollte.548 Somit kann §  108 Abs.  1 StPO nicht zur Beantwortung der Frage herangezo­ gen werden, ob grundrechtsrelevante Vorermittlungsmaßnahmen zulässig sind. Geht man von der Zulässigkeit der einstweiligen Beschlagnahme von Gegen­ ständen aus, die keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte zu begründen 546  So auch BGHSt 19, 374, 376: „§  108 lässt nur eine einstweilige Beschlagnahme zu. Ob sie gerechtfertigt und aufrechtzuerhalten ist, kann nur und muss daher in dem auf Grund des neuen Tatverdachts einzuleitenden neuen Verfahren geprüft und entschieden werden.“; Im Er­ gebnis ebenso Haas Vorermittlungen und Anfangsverdacht, 49, der jedoch beim Auffinden von Gegenständen, die auf eine andere Straftat hindeuten, stets das Vorliegen eines Anfangsver­ dachts bejahen will. 547  In Betracht kommen etwa ein Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum (Art.  14 Abs.  1 S.  2 GG), in das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art.  10 Abs.  1 GG), die Unverletzlichkeit der Woh­ nung (Art.  13 GG), die Berufsfreiheit (Art.  12 GG), die Presse- oder Kunstfreiheit (Art.  5 Abs.  1 bzw. 3 GG) oder in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei der Beschlagnahme von Datenträgern (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG), MüKo/Hauschild StPO §  94 Rn  1. 548  Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 80.

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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vermögen, wirft die Vorschrift vielmehr – parallel zur hier zu untersuchenden Problematik – die Frage auf, zu welchen Maßnahmen die Staatsanwaltschaft bei der Überprüfung des Anfangsverdachts befugt ist. Die Regelung des §  108 Abs.  1 StPO stellt hierauf keine Antwort bereit, sondern verdeutlicht vielmehr das Be­ dürfnis nach einer Klärung der ermittlungsbehördlichen Befugnisse im Vorsta­ dium des strafprozessualen Anfangsverdachts. Eine generelle gesetzliche Aner­ kennung von grundrechtstangierenden Vorermittlungen lässt sich der Vorschrift jedenfalls nicht entnehmen.549 5. Keine Befugnis aus §  208 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 AO Teilweise wird auch in der Regelung des §  208 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 AO eine gesetz­ liche Anerkennung von Vorermittlungen gesehen.550 Die Vorschrift gibt den Steuerfahndungs- und Zollbehörden neben der Erforschung von Steuerstraftaten auch die Aufdeckung und Erforschung unbekannter Steuerfälle auf. Zwar gilt auch für das Steuerstrafverfahren der Grundsatz, dass ein solches nur bei Vorlie­ gen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts eingeleitet werden darf.551 Für den Regelungsbereich der „Aufdeckung unbekannter Steuerfälle“ ist jedoch natur­ gemäß auf dieses Erfordernis zu verzichten.552 Die Vorschrift wurde gerade im Hinblick auf solche Fälle geschaffen, in denen noch keine hinreichenden tatsäch­ lichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerstraftat vorliegen, ein dahin­ gehender Verdacht nach den gegebenen Umständen jedoch naheliegt.553 Dies bedeutet jedoch nicht, dass Ermittlungen „ins Blaue hinein“ oder eine Informa­ tionserhebung auf Vorrat bzw. zu noch nicht bestimmten Zwecken zulässig sind.554 Vielmehr bedarf es eines hinlänglich begründeten Anlasses für das Tätig­ werden.555 Dieser kann sich etwa aus der Besonderheit des Objektes, der Höhe des Wertes oder aufgrund konkreter Erfahrungen für bestimmte Gebiete erge­ ben.556 Voraussetzung ist, dass eine Abwägung im Einzelfall das Tätigwerden gegen den Betroffenen im Hinblick auf die Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen als geboten er­ scheinen lässt.557 Aus diesen Grundsätzen wird geschlossen, dass die Steuerfahn­ 549 

So auch Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 80 (Fn  337). Lange Vorermittlungen, 58 ff; Haas Vorermittlungen und Anfangsverdacht, 41; Forkert-­ Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 82 (Fn  352). 551  Klein/Rüsken AO §  208 Rn  23. 552  BVerfG NJW 1990, 701, 701. 553  BT-Drs 7/4292, 36. 554  BVerfG NJW 1990, 701, 702. 555  BVerfG NJW 1990, 701, 701. 556  BFHE 148, 108, juris Rn  24. 557  BFHE 148, 108, juris Rn  23. Zuweilen werden auch die finanzielle Sicherheit des Staa­ 550 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

dungsbehörden systematisch nach Anhaltspunkten für die konkrete Vermutung einer Steuerstraftat forschen dürfen.558 In Verbindung mit §  404 AO seien sie bereits im Vorfeld des Anfangsverdachtes zu grundrechtsrelevanten Ermittlungs­ handlungen ermächtigt.559 Dieser Schluss von der Befugnisnorm des §  404 AO auf eine Regelungswirkung für Ermittlungen außerhalb des Steuerstrafverfah­ rens ist jedoch unzulässig. Denn §  404 AO findet nur Anwendung, soweit die Finanzbehörde zur Strafverfolgung tätig wird.560 Ermittlungen der Finanzbehör­ den im Rahmen von §  208 Abs.  1 Nr.  3 AO sind anerkanntermaßen jedoch nicht dem Bereich der Strafverfolgung, sondern dem Besteuerungsverfahren zuzuord­ nen.561 Die in §  404 AO gewährten Befugnisse gelten dort deshalb nicht. Auch in Steuerstrafsachen existiert demnach keine Ermächtigung zu grundrechtsrelevan­ ten Eingriffen unterhalb der Schwelle des strafrechtlichen Anfangsverdachts.562 Aber selbst wenn man mit einigen Autoren das Bestehen einer solchen Er­ mächtigung annähme, ließe sich dieser keine generelle gesetzliche Anerkennung von Vorermittlungen entnehmen. Denn die Vorschrift ist vor dem Hintergrund der Doppelzuständigkeit der Steuerfahndung zu sehen.563 Die sog. „Vorfeld­ ermittlungen“ nach §  208 Abs.  1 Nr.  3 AO erfolgen zu einem Zeitpunkt, zu dem noch offen ist, ob ein steuerverfahrensrechtliches oder ein steuerstrafrechtliches Verfahren – oder eventuell beides – zu eröffnen sein wird.564 Hierbei handelt es sich um eine Besonderheit des Steuerrechtes, die sich nicht für das „allgemeine“ Strafverfahren generalisieren lässt.565 Für dieses hat der Gesetzgeber von der Schaffung einer entsprechenden Regelung abgesehen. §  208 Abs.  1 Nr.  3 AO be­ trifft einen spezifischen Sachverhalt, der einer Analogie nicht zugänglich ist.566 6. Keine Ermächtigung durch MiZi selbst Schließlich wird auch die Anordnung über Zivilsachen als Argument angeführt. Senge567 und Hefendehl568 stützen die Zulässigkeit von Vorermittlungen auf die tes sowie die Gleichmäßigkeit der Besteuerung angeführt. Bei Anerkennung eines derart wei­ ten Maßstabes drohte jedoch in Zeiten knapper Kassen eine übermäßige Absenkung der Ver­ dachtsschwelle, Schulz Normiertes Misstrauen, 542. 558  Hübschmann/Hepp/Spitaler/Schick AO §  208 Rn  135; Lange Vorermittlungen, 59. 559  Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 82 f.; Lange Vorermittlungen, 60. 560  Klein/Jäger AO §  404 Rn  2. 561  BFH wistra 1998, 110, 111. 562  Ebenso Gehm Kompendium Steuerstrafrecht, 344. 563  Wenzel Das Verhältnis von Steuerstraf- und Besteuerungsverfahren, 145 f. 564  Klein/Rüsken AO §  208 Rn  6. 565  So auch Zabel ZIS 2014, 340, 343. 566  Zu den Anforderungen für die Zulässigkeit des Analogieschlusses s. bereits 3. Kap. B.III.2. 567  Senge FS-Hamm, 701. 568  Hefendehl wistra 2003, 1.

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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Verwaltungsvorschrift. Die dem Insolvenzgericht auferlegte Pflicht, bei be­ stimmten Ereignissen im Insolvenzverfahren die Staatsanwaltschaft in Kenntnis zu setzen, spreche für die Anerkennung von Vorermittlungen.569 Diese erfolgten deshalb nicht im rechtsfreien Raum.570 Eine solche Argumentation ist freilich zirkelschlüssig. Auf Verwaltungsvorschriften kann die Zulässigkeit von Grund­ rechtseingriffen nicht gestützt werden. Es gilt vielmehr, den Rahmen abzu­ stecken, innerhalb dessen sich die Verwaltungsanordnungen bewegen dürfen. Die MiZi sind aufgrund ihrer Rechtsnatur als behördliche Verwaltungsvorschrift nicht geeignet, die strafverfolgungsbehördlichen Befugnisse zu bestimmen.571 Von daher kann nicht argumentiert werden, die Regelungen der MiZi seien nur vor dem Hintergrund sinnvoll und verständlich, dass die Ermittlungsbehörden zu Vorermittlungen befugt seien. Bei der Bestimmung der Befugnisse der Staats­ anwaltschaft nach Erhalt einer MiZi kann eine Ermächtigung zu Vorermittlungen nicht auf den Umstand gestützt werden, dass die Staatsanwaltschaft eine solche Mitteilung erhalten hat. Zwar ist für Ermittlungshandlungen, die mit einem we­ niger intensiven Grundrechtseingriff verbunden sind, mitunter keine spezielle Eingriffsermächtigung erforderlich, jedoch bedürfen auch diese einer gesetzli­ chen Ermächtigungsgrundlage.572 7. Zwischenergebnis Somit ist festzuhalten, dass sich der StPO keine allgemeine Anerkennung eines Vorermittlungsverfahrens entnehmen lässt. Vorermittlungen sind der StPO fremd.573 Sofern für einzelne Bereiche besondere Vorschriften existieren, die eine Ermächtigung der Staatsanwaltschaft zu Vorermittlungen nahelegen, so handelt es sich um spezielle Regelungen, die nicht verallgemeinerungsfähig sind.

569 

Senge FS-Hamm, 701, 708. Hefendehl wistra 2003, 1, 5. 571  Aus dem gleichen Grund können nicht die „Gemeinsamen Richtlinien der Justiz-/ und Innenminister/-senatoren über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei“ heran­ gezogen werden. In Anlage E Nr.  6.2 RiStBV ist dort u. a. niedergelegt: „Bleibt nach Prüfung der vorhandenen Anhaltspunkte unklar, ob ein Anfangsverdacht besteht, und sind Ansätze für weitere Nachforschungen vorhanden, so können die Strafverfolgungsbehörden diesen nachge­ hen. In solchen Fällen besteht keine gesetzliche Verfolgungspflicht. Ziel ist allein die Klärung, ob ein Anfangsverdacht besteht. Strafprozessuale Zwangs- und Eingriffsbefugnisse stehen den Strafverfolgungsbehörden in diesem Stadium nicht zu.“ 572  Vgl. hierzu auch die Erwägungen zur Einführung des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO i. R. d. StVÄG 1999, BT-Drs 14/1484, 23. 573  LR/Beulke StPO §  152 Rn  33; KMR/Eschelbach StPO Vor §  213 Rn  35; Schäfer Die Praxis des Strafverfahrens Rn  253; Wölfl JuS 2001, 478, 479; Püschel/Paradissis ZInsO 2015, 1786, 1787; Beulke Strafprozessrecht Rn  311. 570 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

IV. Ermächtigung zu Vorermittlungen durch die Anerkennung informatorischer Befragungen? In direktem Zusammenhang mit Vorermittlungen werden oftmals die sog. infor­ matorischen Befragungen angeführt.574 Trotz fehlender gesetzlicher Regelung herrscht in Rechtsprechung575 und Literatur576 weitestgehend Einigkeit darüber, dass die Ermittlungsbehörden sich im Wege informatorischer Befragungen einen Überblick darüber verschaffen dürfen, ob hinreichende tatsächliche Anhalts­ punkte für eine Straftat sprechen bzw. wer als Beschuldigter oder Zeuge in Be­ tracht kommt. Dies ist für die vorliegende Fragestellung relevant, da somit ein verdachtsunabhängiges Tätigwerden der Ermittlungsbehörden in einem gewis­ sen Umfang zugelassen wird. Entscheidend ist die Klärung der Rechtsnatur sol­ cher Befragungen. Würden angesichts der Anerkennung von Befragungen im Vorfeld eines Anfangsverdachts auch Eingriffe in Grundrechtspositionen des Be­ troffenen legitimiert, so stünde die Dogmatik der informatorischen Befragungen im Widerspruch zu dem bisherigen Ergebnis. Vorermittlungen würden dann auch ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zugelassen. Wesen und Reichweite der informatorischen Befragungen sind deshalb im Folgenden näher zu unter­ suchen.577 Die nachstehenden Erwägungen beziehen sich dabei primär auf das aktive Tätigwerden der Strafverfolgungsbehörden. Unberücksichtigt bleiben in diesem Rahmen sog. informatorische Anhörungen, die in der Entgegennahme von Spontanäußerungen ohne Zutun der Ermittler bestehen.578 Diese sind zwar 574  Nur beispielshaft etwa Hellmann FS-Kühne, 235, 247; SK/Rogall StPO Vor §  133 Rn  42; LR/Beulke StPO §  152 Rn  33. 575  BGHSt 38, 214, 227 f.; BGH NStZ 1983, 86, 86; NJW 1968, 1388, 1390; BayObLG NStZ-RR 2003, 343, 343; KG JR 1992, 437, 437; OLG Stuttgart MDR 1977, 70, 70; BayObLG VRS 44, 62, 62; OLG Hamm VRS 41, 384, 385; OLG Düsseldorf NJW 1968, 1840, 1840; LG München StV 1999, 143, 143; AG Tiergarten StV 1983, 277, 278. 576  Rogall Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 88; ter Veen StV 1983, 293, Artzt Bedeutung polizeilicher Vorfeldermittlungen, 21; SK/Rogall StPO Vor §  133 Rn  44; MüKo/ Schuhr StPO Vor §  133 Rn  43; KK/Diemer StPO §  136 Rn  4; Graf/von Häfen StPO §  163a Rn  6; S/S/W/Eschelbach §  136 Rn  15; AnwK/Walther StPO §  163a Rn  4; Krause/Nehring Strafverfahrensrecht in der Polizeipraxis Rn  170; Moormann Die informatorische Anhörung im Ermittlungsverfahren, 58; Kohlhaas NJW 1965, 1254, 1255; Geppert FS-Schroeder, 675, 676; a. A. Wulf Strafprozessuale und kriminalpraktische Fragen der polizeilichen Beschuldigtenver­ nehmung, 152. 577  Inhalt dieses Abschnitts kann und soll es hingegen nicht sein, die Zulässigkeit der Durchführung informatorischer Befragungen abschließend zu bewerten. Dem widmen sich be­ reits zahlreiche Autoren, vgl. etwa Moormann Die informatorische Anhörung im Ermittlungs­ verfahren; Gerling Informatorische Befragung und Auskunftsverweigerungsrecht; Grosjean Beginn der Beschuldigteneigenschaft, 79 ff.; Geppert FS-Oehler, 323; ter Veen StV 1983, 293. 578  So auch die Abgrenzung des Begriffs bei SK/Rogall StPO Vor §  133 Rn  42; Beulke StV 1990, 180, 181. Die Verwendung der Begrifflichkeit ist nicht ganz einheitlich. Geppert FS-Oeh­

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im Hinblick auf ihre strafprozessuale Verwertbarkeit problematisch, gewähren aber keine Aufschlüsse im Hinblick auf die Frage, ob Ermittlungstätigkeiten auch im Vorfeld des Anfangsverdachts aufgenommen werden dürfen. 1. Keine gesetzliche Regelung informatorischer Befragungen Liegen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vor, ergibt sich die Befugnis der Ermittlungsbehörde zur Vernehmung (potentiell) verfahrens­ relevanter Personen aus den Vorschriften der StPO. Die Vernehmung des Be­ schuldigten ist für Ermittlungspersonen der Polizei und Staatsanwaltschaft in §  163a StPO geregelt, während sich die Ermächtigung zur Zeugenvernehmung aus der Regelung des §  161a bzw. §  163 StPO ergibt. Ferner dürfen auf Grund­ lage der Ermittlungsgeneralklausel in §  161 Abs.  1 S.  1 StPO freiwillige Aus­ künfte erbeten werden.579 Diese Ermächtigungen sind jedoch an das Vorliegen eines Anfangsverdachts gebunden und gelten daher nicht, sofern noch unklar ist, ob ein Ermittlungs­ verfahren einzuleiten ist.580 Befugnisnormen, die eine Befragung Betroffener au­ ßerhalb eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erlauben würden, lassen sich der Strafprozessordnung nicht entnehmen.581 Sofern die StPO überhaupt Maß­ nahmen gegen nicht verdächtige Personen zulässt, bindet das Gesetz diese stets an das Erfordernis, dass es um die Aufklärung bzw. die Suche nach Spuren oder Folgen einer Straftat geht.582 Der Verdacht einer Straftat muss demnach bereits begründet sein. 2. Keine Anerkennung grundrechtsbeschränkender Befragungen Entscheidend für die Bestimmung der strafverfolgungsbehördlichen Befugnisse im Zusammenhang mit Befragungen im Vorfeld eines Anfangsverdachts ist die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Befragung einen Eingriff in Grundrechtspositionen des Betroffenen darstellt. Nur unter der Prämisse, dass die Befragung eines Betroffenen Eingriffsqualität hat und dies auch von den Für­ sprechern der informatorischen Befragungen so gewertet wird, stellt die diesbe­ züglich entwickelte Dogmatik eine Abweichung vom hier erarbeiteten Ergebnis ler, 323, 323 verwendet die „informatorische Befragung“ als Oberbegriff, während im Aus­ druck der „informatorischen Anhörung“ sog. Spontanäußerungen ausgenommen sein sollen. 579  MüKo/Kölbel StPO §  161 Rn  27. 580  KK/Griesbaum StPO §  161 Rn  13. 581  So auch Geppert FS-Oehler, 323, 323 f.; Moormann Die informatorische Anhörung im Ermittlungsverfahren, 38; im Grunde auch Krause FS-BRAK, 351, 357. 582  Etwa in §§  81c Abs.  1, 103 Abs.  1 S.  1, 163b Abs.  2 StPO, Benfer Rechtseingriffe von Polizei und Staatsanwaltschaft Rn  105.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

zu den Vorermittlungen dar. Lässt sich Lehre und Rechtsprechung hingegen nicht entnehmen, dass sie Befragungen mit Eingriffscharakter ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage anerkennen, kann die Anerkennung der informatori­ schen Befragungen nicht als Argument für die Zulässigkeit von Vorermittlungen herangezogen werden. a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit bei nicht bestehender Auskunftspflicht Die Konfrontation mit einer Befragung durch Ermittlungspersonen ist geeignet, bei dem Befragten eine psychische Drucksituation zu erzeugen, dadurch dass ihm das Gefühl vermittelt wird, antworten zu müssen.583 Ein subjektiv empfun­ dener Druck allein begründet indes noch keinen Grundrechtseingriff. Die Litera­ tur macht das Übertreten der Schwelle zum Eingriff überwiegend daran fest, ob den Betroffenen Äußerungs- oder Auskunftspflichten treffen.584 Besteht eine ent­ sprechende Pflicht, werde die durch Art.  2 Abs.  1 GG gewährleistete Handlungsund Entschließungsfreiheit berührt.585 Angesichts einer bestehenden Auskunfts­ pflicht könne die Auskunftsperson in die Konfliktlage geraten, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen, durch eine Falschaussage gege­ benenfalls ein neues Delikt zu begehen oder aber wegen ihres Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden.586 Beruht die Beantwortung hingegen auf Freiwilligkeit, erfährt das Grundrecht keine Einschränkung.587 Ein Eingriffs­ charakter ist bei der Partizipation an einer freiwilligen Befragung deshalb zu verneinen.588 Freiwilligkeit ist hierbei im Sinne des Fehlens einer Auskunfts­ pflicht zu verstehen, nicht etwa als Vorliegen einer Einwilligung in einen – ange­ sichts einer Aussageverpflichtung bestehenden – Grundrechtseingriff.

583 

Moormann Die informatorische Anhörung im Ermittlungsverfahren, 45. Weßlau Vorfeldermittlungen, 201; Artzt Bedeutung polizeilicher Vorfeldermittlungen, 16. 585  BVerfGE 56, 37, 41 f.; Artzt Bedeutung polizeilicher Vorfeldermittlungen, 16. Weßlau Vorfeldermittlungen, 201 bejaht darüber hinaus einen Eingriff in Art.  12 Abs.  1 GG, wenn die Befragung auf die Erforschung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen abzielt. Wird die Gewinnung eines umfassenden Persönlichkeitsbildes beabsichtigt, liege zudem ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG vor. Dass im Rahmen informatorischer Befragungen an den Betroffenen derart umfangreiche Fragenkatalo­ ge gerichtet werden, die geeignet sind, Eingriffe dieser Art zu begründen, dürfte jedoch in der Praxis selten vorkommen. 586  BVerfGE 56, 37, 41. 587  Moormann Die informatorische Anhörung im Ermittlungsverfahren, 45. 588  Moormann Die informatorische Anhörung im Ermittlungsverfahren, 56; weitergehend Bruns FS-Schmidt-Leichner, 1, 3, der das Vorliegen eines Eingriffs in Freiheitsrechte des Be­ troffenen generell verneint; Artzt Bedeutung polizeilicher Vorfeldermittlungen, 20. 584 

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b) Keine Auskunftspflicht bei informatischen Befragungen Somit kommt es darauf an, ob den informatorisch Befragten eine Aussagepflicht gegenüber den Verhörspersonen trifft. aa) Grundsatz: Keine zeugenähnliche Stellung des informatorisch Befragten Eine Pflicht zur Beantwortung von Fragen der Ermittlungsbehörden besteht im Bereich repressiver Maßnahmen, sofern ein Betroffener als Zeuge geführt wird. Dies ergibt sich aus §  161a Abs.  1 S.  1, §  163 Abs.  3 S.  1 bzw. §  48 Abs.  1 S.  2 StPO. Da die Zeugenstellung jedoch an die Durchführung eines Ermittlungsver­ fahrens gebunden ist, entfalten diese Vorschriften keine Gültigkeit für Personen, die im Vorfeld eines Anfangsverdachts befragt werden.589 Liegt noch kein An­ fangsverdacht vor, ist niemand verpflichtet, Ermittlungspersonen gegenüber Auskünfte zu geben.590 Informatorische Befragungen dürfen somit nur auf frei­ williger Basis erfolgen.591 Sie greifen damit nicht in die Allgemeine Handlungsund Entschließungsfreiheit des Befragten ein.592

589 

Senge FS-Hamm, 701, 711; Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  161a Rn  2. Senge FS-Hamm, 701, 711; passim LR25/Rieß §  163a Rn  19. 591  Senge FS-Hamm, 701, 711; Krause FS-BRAK, 351, 357; Artzt Bedeutung polizeilicher Vorfeldermittlungen, 20; Moormann Die informatorische Anhörung im Ermittlungsverfahren, 45; Zöller Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen, 131. 592  Bedenklich erscheint es jedoch, allein auf das Bestehen einer Pflicht zur Äußerung bzw. Auskunft abzustellen. Denn die durch Art.  2 Abs.  1 GG gewährleistete Freiheit zur selbst­ bestimmten Entschließung des Befragten wird auch eingeschränkt, wenn er davon ausgeht, zu einer Mitwirkung verpflichtet zu sein. Auch in diesem Fall erfolgt seine Beantwortung der be­ hördlichen Fragen nicht freiwillig. In Kenntnis der objektiv bestehenden Freiwilligkeit würde er sich unter Umständen gegen die Teilnahme an der informatorischen Befragung entschließen. Es liegt deshalb nahe, die Gesprächsgestaltung durch die Ermittlungspersonen in die Frage nach der Eingriffsqualität der Befragung einzubeziehen und bei Suggestion einer Mitwirkungs­ pflicht das Überschreiten der Schwelle zum Grundrechtseingriff zu bejahen. Auch KMR/ Eschelbach StPO Einl Rn  66 stellt erhöhte Anforderungen an das Vorliegen des Merkmals „Freiwilligkeit“. Damit tatsächlich von freiwilliger Teilnahme des Betroffenen gesprochen werden könne, sei die umfassende Information und ausreichende Entschließungsfreiheit des Betroffenen Voraussetzung. Zwar gelten seine Ausführungen der von ihm verzeichneten Ten­ denz zur Umgehung verfassungsrechtlicher Vorgaben in der Praxis, die mangels ausreichender gesetzlicher Ermächtigung Grundrechtseingriffe zu vermeiden sucht, indem Freiwilligkeit des Betroffenen angenommen wird. Seine Erwägungen lassen sich aber insoweit übertragen, als auch er das Vorliegen von Freiwilligkeit bei Vorherrschen mittelbarer Zwänge ablehnt; a. A. Moormann Die informatorische Anhörung im Ermittlungsverfahren, 45 f. Dem kann an dieser Stelle jedoch nicht weiter nachgegangen werden. Für die vorliegende Fragestellung genügt es festzuhalten, dass nach der in der überwiegenden Literatur vertretenen Ansicht informatorische Befragungen nicht in Grundrechte des Befragten eingreifen. 590 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

bb) Ausnahme angesichts der Judikatur zu den informatorischen Befragungen? Die einschlägige Rechtsprechung ist daraufhin zu untersuchen, ob sie abwei­ chend von dem soeben festgestellten Ergebnis eine Aussagepflicht des Befragten anerkennt. Die Überprüfung der Durchführung informatorischer Befragungen im Vorfeld eines Ermittlungsverfahrens593 war bereits Gegenstand einiger Gerichtsverfah­ ren.594 Allen untersuchten gerichtlichen Entscheidungen ist gemein, dass sie die Zulässigkeit der informatorischen Befragungen nicht grundsätzlich in Frage stel­ len. Soweit ersichtlich, wird die Frage nach der Ermächtigungsgrundlage dieser ermittlungsbehördlichen Praxis nirgends aufgeworfen. Der Fokus der Entschei­ dungen liegt darauf, ob es sich bei informatorischen Befragungen um „Verneh­ mungen“ im strafprozessualen Sinne handelt. Denn von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob jene Erkenntnisse, die im Rahmen der Befragung erlangt wurden, in eine spätere Hauptverhandlung eingeführt werden können. So besteht im Falle einer Vernehmung für den späteren Zeugen etwa die Möglichkeit, seine frühere Aussage gemäß §  252 StPO durch Ausübung seines Zeugnisverweige­ rungsrechts der Verwertung zu entziehen. Wird die informatorisch befragte Per­ son im weiteren Verlauf zum Beschuldigten, so zieht die Bejahung des Verneh­ mungscharakters einer Befragung die Problematik nach sich, ob bzw. ab wel­ chem Zeitpunkt die Ermittlungsperson Belehrungspflichten gemäß §  136 StPO treffen. Nachfolgend soll die vorhandene Rechtsprechung im Hinblick auf eventuelle Stellungnahmen zum Bestehen einer Aussageverpflichtung analysiert werden. Zur besseren Übersichtlichkeit wird die Auswertung der Rechtsprechung danach getrennt, ob dem informatorisch Befragten im Verlauf des Verfahrens die Rolle eines Beschuldigten oder die eines Zeugen zugewiesen wird. (1) Der informatorisch Befragte als späterer Zeuge Die frühere Rechtsprechung übte Zurückhaltung bei der Einordnung informato­ rischer Befragungen als Vernehmung. Einer frühen Entscheidung des OLG Düs­ seldorf595 lässt sich vergleichsweise deutlich entnehmen, dass der Spruchkörper von der Freiwilligkeit der Teilnahme an informatorischen Befragungen ausging. 593  Zur Unzulässigkeit der Durchführung informatorischer Befragungen in der Hauptver­ handlung OLG Köln StV 1999, 8; OLG Celle StV 1995, 292. 594  BGHSt 38, 214, 227 f.; BGH NStZ 1983, 86, 86; NJW 1968, 1388, 1390; BayObLG NStZ-RR 2003, 343, 343; KG JR 1992, 437, 437; OLG Stuttgart MDR 1977, 70, 70; BayObLG VRS 44, 62, 62; OLG Hamm VRS 41, 384, 385; OLG Düsseldorf NJW 1968, 1840, 1840; LG München StV 1999, 143, 143; AG Tiergarten StV 1983, 277, 278. 595  OLG Düsseldorf NJW 1968, 1840.

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Es handele sich lediglich um reine Äußerungen gegenüber dem Polizeibeam­ ten.596 Diese Entscheidung wurde erkennbar von dem Bedürfnis getragen, die Verwertbarkeit erlangter Informationen in der späteren Hauptverhandlung zu ge­ währleisten. Erkenntnisse aus informatorischen Befragungen sollten so zur Grundlage der richterlichen Entscheidungsfindung gemacht werden können. Hierdurch sollte die Anwendbarkeit der §§  250 S.  2, 252 StPO ausgeschlossen werden. Denn eine Qualifizierung der informatorischen Befragung als Verneh­ mung zieht nach sich, dass der Auskunftsgeber durch Ausübung seines Zeugnis­ verweigerungsrechts, die Verlesung des Vernehmungsprotokolls bzw. die Ver­ nehmung der nichtrichterlichen597 Verhörsperson verhindern kann.598 Diese sehr einseitig auf polizeitaktische Erwägungen ausgerichtete Judikatur wurde nicht aufrechterhalten. Ab den frühen 1980er Jahren wurde die Aussage des informatorisch Befragten schließlich in einer Reihe von Entscheidungen dem gleichen Schutz unterstellt wie die des Zeugen. Die Gerichte wandten den Ver­ nehmungsbegriff sowie die Vorschrift des §  252 StPO ausdrücklich auch auf An­ gaben von Auskunftspersonen gegenüber Ermittlungsbeamten im Rahmen von informatorischen Befragungen an.599 Das BayObLG führte hierzu aus:600 „Als ‚Vernehmung‘ in diesem Sinn darf jedoch nicht nur eine unter Beachtung des §  163a Abs.  5 StPO601 durchgeführte förmliche Vernehmung angesehen werden. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass eine Niederschrift über die Angaben der Auskunftsperson aufgenommen wurde und dass diese auch verlesen werden könnte. Der Begriff der Vernehmung i. S. des §  252 StPO (und damit das hieraus abgeleitete Verwertungsverbot) ist vielmehr weit auszulegen und umfasst auch Angaben bei einer nur informatorischen Befragung durch Polizeibeamte, bei der das Schutzbedürfnis des Zeugen sogar noch größer ist als bei einer mit der vor­ geschriebenen Belehrung verbundenen förmlichen Vernehmung. Entscheidend ist, dass die Auskunftsperson von einem Staatsorgan in amtlicher Eigenschaft zu 596 

OLG Düsseldorf NJW 1968, 1840, 1840. Die Durchführung einer informatorischen Befragung durch den Ermittlungsrichter ohne bestehenden Anfangsverdachts dürfte – so sollte man meinen – nicht vorkommen. Anders je­ doch das LG Offenburg NStZ 1993, 506 (krit. Wölfl JuS 2001, 478, 479), das die Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen i. S. v. §  162 StPO auch im Rahmen von Vorermittlun­ gen für zulässig erklärte. Hierzu noch ausführlicher unter 3. Kap. B.I. 598  MüKo/Ellbogen StPO §  252 Rn  1. 599  BGH NJW 1980, 1533, 1533; NJW 1994, 2904, 2904; BayObLG NJW 1983, 1132, 1132 f.; schon früher auch bereits das LG Lüneburg NJW 1969, 442. 600  BayObLG NJW 1983, 1132, 1132. 601  §  163a Abs.  5 StPO besagte in der bis zum 30.9.2009 gültigen Fassung: Bei der Verneh­ mung eines Zeugen oder Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes sind §  52 Abs.  3, §  55 Abs.  2 und §  81c Abs.  3 Satz  2 in Verbindung mit §  52 Abs.  3 und §  136a entsprechend anzuwenden. 597 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

dem den Gegenstand des (nunmehrigen) Strafverfahrens bildenden Sachverhalt gehört worden ist.“ Somit unterfallen nunmehr auch informatorische Auskünfte dem auf §  252 StPO gestützten Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot.602 Macht ein Zeuge in der späteren Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverwei­ gerungsrecht Gebrauch, so kann seine informatorische Aussage demnach weder durch Verlesung noch durch Anhörung der polizeilichen Ermittlungsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob die Anwendung des Vernehmungsbegriffs auf die informatorischen Befragungen mit einem Wandel dahingehend einhergeht, dass die Gerichte nunmehr von einer Aussageverpflich­ tung der informatorisch befragten Person ausgehen. Nach der bereits zitierten Definition der „Vernehmung“ des BayObLG ist wesentlicher Aspekt der Verneh­ mung, dass der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegen­ übertritt – beispielsweise als Polizei- oder Zollbeamter, Staatsanwalt oder Rich­ ter – und in dieser Eigenschaft von ihm Auskunft verlangt.603 Auf die Einhaltung von Förmlichkeiten kommt es hierbei nicht an. Ein Element der Pflicht ist hinge­ gen kein konstitutiver Bestandteil einer Vernehmung. Eine Befragung kann un­ abhängig davon als Vernehmung zu kategorisieren sein, ob den Aussagenden eine Aussageverpflichtung trifft. Dies wird auch bereits daran deutlich, dass der Vernehmungsbegriff einheitlich auf Befragungen von Zeugen und Beschuldigten angewandt wird. Für die Gruppe der Letzteren besteht, wie §  136 Abs.  1 S.  2 StPO verdeutlicht, wegen des nemo-tenetur-Grundsatzes keine Aussagever­ pflichtung.604 Der Qualifizierung der informatorischen Befragungen als Vernehmung i. S. d. §  252 StPO lassen sich somit keine Hinweise darauf entnehmen, dass hierdurch die Vorverlegung der Zeugenpflichten auf ein Stadium vor dem Anfangsverdacht beabsichtigt wird. Die Gleichstellung mit dem Vernehmungsbegriff aus §  252 StPO dient vielmehr dazu, frühe – oftmals unbedachte, da uninformierte – Aus­ sagen einem besonderen Schutz zu unterstellen, indem ihre Verwertbarkeit be­ grenzt wird. (2) Der informatorisch Befragte als späterer Beschuldigter Ähnlich wie bei der anfänglichen Rechtsprechung zur informatorischen Befra­ gung des späteren Zeugen,605 finden sich auch in frühen Urteilen zu informatori­ schen Aussagen von später Beschuldigten noch deutliche Hinweise darauf, dass 602 

BGH NJW 1994, 2904, 2904. BGH NJW 1994, 2904, 2904. 604  KK/Diemer StPO §  136 Rn  10. 605  3. Kap. B.IV.2.b)bb)(1). 603 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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die Freiwilligkeit der Teilnahme vorausgesetzt wurde. Als etwa das OLG Stutt­ gart über das Bestehen von Belehrungspflichten im Rahmen informatorischer Befragungen entscheiden musste, begründete es seine ablehnende Haltung unter anderem mit der Gefahr, Unverdächtige könnten sich durch die Belehrung zu Unrecht in den Kreis der Verdächtigen einbezogen fühlen und aus Verärgerung hierüber die Kooperation zumindest in zukünftigen Fällen verweigern.606 Die Einbeziehung der möglicherweise entfallenden Kooperationsbereitschaft infor­ matorisch Befragter in das richterliche Kalkül belegt, dass das Gericht von einer fehlenden Erzwingbarkeit der Teilnahme ausging. Denn wo eine Pflicht ange­ nommen würde, wären derlei polizeitaktische Erwägungen irrelevant. Weiter heißt es in dem Urteil, dass es das Ende aller Strafaufklärung wäre, wenn „jede am Tatort anwesende Person, an die [Ermittlungsbeamte] zu ihrer eigenen Infor­ mation eine erste Frage richten oder die sogar ihnen gegenüber von sich aus Er­ klärungen abgibt, dahin zu belehren [wäre], dass sie nicht auszusagen verpflichtet sei.“607 Auch hieran wird deutlich, dass das Gericht das Bestehen einer Aus­ sagepflicht ablehnte. Ein weiterer Hinweis findet sich in einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1992, in dem der 5. Strafsenat die informatorische Befra­ gung als „indifferente Informationssammlung“ bezeichnet.608 In der jüngeren Rechtsprechung finden sich keine weiteren Aussagen hierzu. Die einschlägige Rechtsprechung beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Frage, ab welchem Zeitpunkt eine informatorische Befragung in eine Beschul­ digtenvernehmung übergeht.609 Denn dies spielt im Hinblick auf die Beleh­ rungspflicht gemäß §  136 Abs.  1 S.  2 StPO eine entscheidende Rolle. Da die Pflicht zur Belehrung gemäß §  136 Abs.  1 S.  2 StPO an den „Beginn der ersten Vernehmung“ gebunden ist, kommt der Bestimmung dieses Zeitpunkts wesentli­ che Bedeutung zu. Im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung lassen sich aus diesen Erwä­ gungen jedoch keine Erkenntnisse gewinnen. Die zur Thematik ergangene Rechtsprechung behandelt die Zulässigkeit informatorischer Befragungen ledig­ lich am Rande. Es lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass die Ge­ richte eine Aussagepflicht im Rahmen informatorischer Befragungen anerken­ nen. Eine gerichtliche Anerkennung von grundrechtsrelevanten Ermittlungsmaß­ nahmen im Vorfeld eines Anfangsverdachts kann anhand dieser Rechtsprechung nicht abgeleitet werden. 606 

OLG Stuttgart MDR 1977, 70, 70. Eine Erwägung, deren Relevanz in der Praxis mit Fug in Frage gestellt werden kann, wie auch Wulf Strafprozessuale und kriminalpraktische Fragen der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung, 141 f. bemerkt. 607  OLG Stuttgart MDR 1977, 70, 70 (Hervorh. d. Bearb.). 608  BGHSt 38, 214, 227. 609  BGH NStZ 2009, 702, 702 f.; BGHSt 38, 214, 227; LG München StV 1999, 143, 143.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

3. Zwischenfazit Für die Durchführung strafbehördlicher Befragungen vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens existiert keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Nach dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts sind die Ermittlungsbehörden des­ halb nicht befugt, Befragungen vorzunehmen, sofern diesen der Charakter eines Grundrechtseingriffs zukommt. Ein solcher ist zu bejahen, wenn der Befragte zur Aussage verpflichtet wird. In diesem Fall greift die Befragung in die allgemeine Handlungs- und Entschließungsfreiheit des Betroffenen gemäß Art.  2 Abs.  1 GG ein. Etwas anderes lässt sich auch nicht der einschlägigen Rechtsprechung ent­ nehmen, die sich vor allem mit der Verwertbarkeit von informatorischen Aus­ sagen befasst. Es finden sich keine Entscheidungen, welche die informatorischen Befragungen als Grundrechtseingriff qualifizieren, geschweige denn grund­ rechtsrelevante Befragungen trotz fehlender gesetzlicher Grundlage für zulässig erklären. Die informatorischen Befragungen können mithin nicht als Argument für die Zulässigkeit von Vorermittlungen angeführt werden. Schon gar nicht können sie als „Hauptanwendungsfall“ der Vorermittlungen bezeichnet werden.610 Es hat sich kein „Sonderrecht“ im Hinblick auf Befragungen durch Ermittlungsbeamte herausgebildet, durch welches Grundrechtseingriffe ohne gesetzliche Grundlage anerkannt werden.

V. Zulässigkeit von Vorermittlungen als milderes Mittel zu Maßnahmen im Ermittlungsverfahren? Die Zulässigkeit von Vorermittlungen könnte sich trotz fehlender gesetzlicher Grundlage ergeben, sofern diese ein milderes Mittel gegenüber den in §  161 Abs.  1 StPO geregelten Ermittlungsmaßnahmen darstellen. 1. Keine reduzierte Stigmatisierung Oftmals wird als Argument für Vorermittlungen angeführt, dass hierdurch eine Stigmatisierung der Betroffenen, die ihnen durch die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahren anhafte, vermieden werden könne.611 Bei Bekanntwerden des Tatvorwurfs drohten gravierende Nachteile in persönlicher, beruflicher und 610 

So aber Hellmann FS-Kühne, 235, 247. BGHSt 51, 367, 372; MüKo/Peters StPO §  152 Rn  64; a. A. LR/Beulke StPO §  152 Rn  33, der es als verfehlt ansieht, in der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens einen Makel zu sehen, da sich ein solcher weder rechtlich (Unschuldsvermutung) noch tatsächlich herleiten lasse. Dem muss im Hinblick auf die vielfach mit dem Bekanntwerden von Ermittlungen fak­ tische Vorverurteilung des Betroffenen widersprochen werden. S. zu möglichen Belastungen 611 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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wirtschaftlicher Hinsicht.612 Als Beispiel werden meist Verfahren gegen promi­ nente Persönlichkeiten oder Politiker angeführt.613 Die diskreditierende Wirkung des Anfangsverdachts führe dazu, dass die Zulassung von Vorermittlungen für den Betroffenen eher Schutz als Schaden bedeute.614 Ob eine solche Behauptung stichhaltig ist, muss angesichts der medialen Be­ richterstattung, die sich auch auf Vorermittlungen erstreckt, bezweifelt wer­ den.615 Zwar sind die Pressevertreter verpflichtet, bei einer Verdachtsberichter­ stattung – und somit erst Recht bei einer Vorverdachtsberichterstattung – strenge Maßstäbe an die journalistische Sorgfalt anzulegen.616 Dies hindert sie jedoch zumindest in vermeintlich spektakulären Fällen oft nicht daran, die Information zu kommunizieren, dass die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen aufgenommen habe. Dass in der Wahrnehmung der Bevölkerung die feinsinnige Unterschei­ dung zwischen dem förmlichen Ermittlungsverfahren und bloßen Vorermitt­ lungsmaßnahmen gemacht wird, kann wohl kaum angenommen werden.617 Ne­ benbei ist die Anerkennung eines solchen Verfahrens auch im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz bedenklich, da zu beobachten ist, dass bei bestimmten Per­ sonengruppen – wie etwa Prominenten, Politikern, Polizisten oder Justizangehö­ rigen – deutlich häufiger auf Vorermittlungen ausgewichen wird als bei anderen Betroffenen.618 Statt die belastende Wirkung medialer Berichterstattung als Ar­ gument für die Zulässigkeit von Vorermittlungen anzuführen, wäre es vielmehr angezeigt, Zulässigkeitsschranken für die identifizierende Verdachtsberichter­ stattung festzulegen.619 2. Umgehung der Beschuldigtenrechte Vorermittlungen stellten nur dann ein milderes Mittel gegenüber strafprozessua­ len Ermittlungsmaßnahmen dar, wenn sie den Betroffenen weniger belasteten. Selbst wenn eine verringerte Stigmatisierung des Betroffenen unterstellt würde, wären die hiermit verbundenen positiven Auswirkungen daher gegen die Nach­ teile aufzuwiegen, die aus der Vorenthaltung des Beschuldigtenstatus resultieren. auch Hohmann NJW 2009, 881 ff.; Kühne Strafprozessrecht Rn  317; Eisenberg/Conen NJW 1998, 2241, 2242 zu Auswirkungen auf Einstellungsverfahren im öffentlichen Dienst. 612  Hellmann FS-Kühne, 235, 248. 613  Lange Vorermittlungen, 27. 614  MüKo/Peters StPO §  152 Rn  64; auch Fincke ZStW 95 (1983), 918, 967. 615  Beispielhaft: Die WELT v. 11.7.2017 „Das Zentrum des Abgasskandals ist jetzt Stuttgart“. 616  Hohmann NJW 2009, 881, 882. 617  So auch Forkert-Hosser Vorermittlungen im Strafprozessrecht, 154; Haas Vorermittlun­ gen und Anfangsverdacht, 50; Hellmann FS-Kühne, 235, 248; Kühne Strafprozessrecht Rn  320.1. 618  Krause FS-BRAK, 351, 353. 619  Lohner Tatverdacht, 67.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

Die förmliche Inkulpation des Betroffenen geht mit der Gewährung von Rechten einher, die Grundlage eines rechtsstaatlichen Verfahrens sind. Der Beschuldigte hat ein Recht auf ein faires Verfahren. Dies ergibt sich aus Art.  6 EMRK.620 Dieser Anspruch sichert „dem Beschuldigten, der im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein darf, den erforderlichen Bestand an aktiven ver­ fahrensrechtlichen Befugnissen, damit er zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluss nehmen kann.“621 Dies verlangt eine gewisse verfahrensrechtliche „Waffengleichheit“ von Staatsanwaltschaft und Be­ schuldigtem im Strafprozess.622 So hat der Beschuldigte gemäß §§  136 Abs.  1 S.  1, 163a Abs.  3 S.  2, Abs.  4 S.  1 StPO ein Recht zu erfahren, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Er ist darüber zu belehren, dass er die Aussage verweigern darf und nicht dazu verpflichtet werden kann, sich selbst zu belasten, §§  136 Abs.  1 S.  2, 163a Abs.  3 S.  2, 4 S.  2 StPO. Zudem steht ihm gemäß §§  136 Abs.  1 S.  2, 163a Abs.  3, 4 StPO bereits vor seiner Vernehmung das Recht zu, einen Verteidiger hin­ zuzuziehen. Auch hierüber ist er zu belehren. Bei Verstoß gegen diese Belehrungs­ pflichten oder bei Vorenthaltung seiner Rechte wird der Beschuldigte dadurch ge­ schützt, dass seine Aussage einem Verwertungsverbot unterworfen wird.623 Aus dem Grundgesetz selbst ergibt sich sein in Art.  103 Abs.  1 GG niedergelegtes Recht auf rechtliches Gehör. Zudem darf er zu seiner Entlastung Beweiserhebungen be­ antragen, §§  136 Abs.  1 S.  5, 163a Abs.  2 StPO. Mangels Beschuldigteneigenschaft gelten diese Rechte vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens hingegen nicht. Bisweilen wird argumentiert, dass der von Vorermittlungen Betroffene lediglich eine Zeugenstellung innehabe.624 Ihm komme die Rolle eines Informanten zu.625 Da es im Vorermittlungsstadium am Vorliegen eines Verdachts mangele, könnten die betroffenen Personen (noch) nicht als Verdächtige bezeichnet werden und auch eine Beschuldigteneigenschaft sei aus diesem Grund nicht begründet.626 Sofern der Betroffene im Rahmen von informatorischen Befragungen627 einem Zeuge gleichgestellt wird, seien damit 620 

Grabenwarter/Pabel EMRK Art.  24 Rn  66 ff. BVerfG NStZ 1983, 273, 273; BVerfGE 38, 105, 111; 46, 202, 210; 57, 250, 275. 622  BVerfG NStZ 1983, 273, 273. 623  BGHSt 38, 214, 220 f.; 38, 372, 373 f.; 42, 15, 21. 624  SK/Rogall StPO vor §  133 Rn  46; Lange Vorermittlungen, 115, die dies auf die formell-­ rechtliche Zeugenstellung begrenzt; Rogall NJW 1978, 2535, 2536; LR25/Rieß StPO §  163a Rn  20; AK/Achenbach §  163a Rn  26; Gerlach NJW 1969, 776, 776 f.; Artzt Kriminalistik 1970, 379, 379 f. 625  Lange DRiZ 2002, 264, 268. 626  Lange Vorermittlungen, 111 f.; Lange DRiZ 2002, 264, 268; in diesem Sinne auch LG Offenburg NStZ 1993, 506, 506: „Beschuldigter ist nur der Tatverdächtige, gegen den das Verfahren betrieben wird.“; Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  152 Rn  4b. 627  Zu diesen auch bereits ausführlich unter 3. Kap. B.IV. 621 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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keine Belehrungspflichten verbunden. Denn solange noch gar nicht feststünde, dass überhaupt eine Straftat begangen worden sei, könne es keine belehrungs­ pflichtigen Beschuldigten oder Zeugen geben.628 Würden die von Vorermittlun­ gen Betroffenen über ihre Rechte belehrt, so „würde dies geradezu einer Auffor­ derung gleichkommen, keine Angaben zu machen.“629 Von einer Belehrung soll folglich abgesehen werden, obwohl die Möglichkeit besteht, dass der Auskunft­ gebende sich selbst belastet.630 Mit Rücksicht auf eine drohende Ineffizienz der Strafverfolgung gelte es, eine Verunsicherung der befragten Personen zu verhin­ dern, da zu befürchten sei, dass sich eine solche negativ auf die Kooperations­ bereitschaft gegenüber den Strafverfolgungsbehörden in zukünftigen, vergleich­ baren Situationen auswirken könnte.631 Dem von Vorermittlungen Betroffenen werden somit wesentliche Verfahrens­ rechte vorenthalten. Das Vorermittlungsverfahren stellt für ihn daher kein milde­ res Mittel dar. Das Verbot des Zwanges zur Selbstbezichtigung ist universell gültig und entsteht nicht erst mit Bejahung des Anfangsverdachtes. Bei dem Schweigerecht handelt es sich um eine materielle Berechtigung, die bereits Gül­ tigkeit besaß, bevor Bestimmungen wie die §§  136 Abs.  1 S.  2, 163a Abs.  3 S.  2, Abs.  4 S.  2 oder §  243 Abs.  4 S.  1 in die StPO eingefügt wurden.632 Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich, „dass die StPO [das Schweige­ recht] seit jeher vorausgesetzt und […] in §  136 Abs.  1 StPO nur die Art und Weise behandelt [hat], ob und in welcher Form ihm prozessrechtlich Rechnung getragen werden soll.“633 Dieses Recht gilt unabhängig von der Würdigung der Verdachtslage durch die Strafverfolger.634 Dies wird aus der Regelung des §  55 StPO deutlich. Dem Betroffenen dürfen deshalb die Rechte des Beschuldigten nicht dadurch genommen werden, dass die Ermittlungen unter Berufung auf den noch unsicheren Anfangsverdacht als Vorermittlungsverfahren geführt wer­ den.635 Einer Umgehung der Schutzvorschriften, die im förmlichen Ermittlungs­ verfahren bestehen, gilt es Einhalt zu gebieten.636 Insbesondere ist es unzulässig, dem Betroffenen unter Berufung auf die Natur des Vorermittlungsverfahrens In­ formationen zu entlocken, die er als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfah­ ren niemals hätte preisgeben müssen.637 628 

Lange Vorermittlungen, 117 f.; KMR/Neubeck StPO Vor §  48 Rn  41. Lange Vorermittlungen, 119. 630  Explizit Lange DRiZ 2002, 264, 268 („Rechtsstaatlich mögen gewisse Bedenken bestehen.“). 631  Lange DRiZ 2002, 264, 269. 632  Artzt Bedeutung polizeilicher Vorfeldermittlungen, 234. 633  Eb. Schmidt Strafprozess und Rechtsstaat, 231. 634  Krause FS-BRAK, 351, 358. 635  LR/Beulke StPO §  152 Rn  33; HK/Gercke StPO §  152 Rn  5; Hilger FG-Hilger, 11, 18. 636  Wölfl JuS 2001, 478, 481. 637  Wölfl JuS 2001, 478, 481. 629 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

3. Exkurs: Verwendungsverbot für Auskünfte des Insolvenzschuldners, §  97 Abs.  1 S.  3 InsO Die Mahnung vor einer Beschneidung der Beschuldigtenrechte durch die Aner­ kennung eines Vorermittlungsverfahrens betrifft keine rein hypothetische Gefahr. In einem Vorermittlungsverfahren wird dem Betroffenen unter Berufung auf die fehlende Beschuldigteneigenschaft in wesentlichem Ausmaß Schutz versagt. Dies lässt sich anhand der Diskussion veranschaulichen, die in der insolvenz­ strafrechtlichen Literatur um die Reichweite des Verwendungsverbotes nach §  97 Abs.  1 S.  3 InsO entbrannt ist.638 Diese belegt eindrücklich, dass bei Aner­ kennung eines Vorermittlungsverfahrens eine rechtsstaatswidrige Umgehung der verfassungsrechtlich garantierten Rechte des Beschuldigten droht. Im Insolvenzverfahren trifft den Schuldner gemäß §  97 Abs.  1 S.  1 InsO eine uneingeschränkte Aussageverpflichtung. Diese Pflicht kann gemäß der §§  5, 20, 97 Abs.  1 S.  1 und §  98 Abs.  2 InsO mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.639 Die Verpflichtung bezieht sich gemäß §  97 Abs.  1 S.  2 InsO auch auf Tatsachen, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Nach §  97 Abs.  1 S.  3 InsO darf eine Auskunft, die der Schuld­ ner gemäß dieser Pflicht erteilt hat, in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeiten­ verfahren gegen ihn oder einen in §  52 Abs.  1 StPO bezeichneten Angehörigen jedoch nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden. Umstritten ist im Rahmen von §  97 Abs.  1 S.  3 InsO, ob vom Schuldner erteil­ te Auskünfte, die in Erfüllung der Informationspflicht des §  97 Abs.  1 S.  1, 2 InsO Teil der Insolvenzakte geworden sind, herangezogen werden dürfen, um einen Anfangsverdacht in Bezug auf eine Insolvenzstraftat gegenüber dem Schuldner zu begründen. Dies hängt maßgeblich davon ab, wie man die Reich­ weite des Verwendungsverbotes auslegt. Im Rahmen der Lehre von den Beweis­ verwertungs- und -verwendungsverboten prägte Hengstenberg hierfür den Be­ griff der „Frühwirkung“640, der in der Literatur sowohl für Verwertungs- als auch Verwendungsverbote benutzt wird. Vertreter der Frühwirkungslehre argumentie­ ren, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht befugt seien, Umstände, die einem Verwendungsverbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts heran­ 638 

Die Einführung des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO beruht auf dem Gemeinschuldnerbeschluss des BVerfG, BVerfGE 56, 37. Der Erste Senat stellte zur Vorgängervorschrift des §  100 KO fest, dass die – damals identisch ausgestaltete – Aussageverpflichtung den Schuldner nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletze (BVerfGE 56, 37, 48 ff.). Für das Strafverfahren sei je­ doch ein Verwertungsverbot seiner Aussage zu normieren. Dies folge zwingend aus dem Verbot des Zwanges zur Selbstbezichtigung (nemo tenetur se impsum accusare) (BVerfGE 56, 37, 50 f.). 639  Beck/Depré/Köhler §  37 Rn  185. 640  Hengstenberg Frühwirkung, 20.

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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zuziehen.641 Denn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch werde ein Beweismit­ tel auch „verwertet“, wenn es zum Ausgangspunkt von Ermittlungen gemacht werde.642 Viele der im Rahmen von §  97 Abs.  1 S.  3 InsO für bzw. gegen eine solche Frühwirkung vorgebrachten Argumente entsprechen den in diesem Kapi­ tel bereits diskutierten.643 Welche Auswirkungen die Anerkennung bzw. Ablehnung einer Frühwirkung des strafprozessualen Verwendungsverbotes hat, zeigt sich jedoch erst in einer Zusammenschau mit der Diskussion um die Zulässigkeit von Vorermittlungen: Lehnt man die Zulässigkeit von Vorermittlungen ab und verlangt für das Ersu­ chen um Beiziehung der Insolvenzakten sowie ihre Auswertung das Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage – nämlich §  161 Abs.  1 S.  1 StPO644 –, so ist bei­ des nur bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes zulässig. Mit der Begründung des Anfangsverdachtes geht die Einleitung eines Strafverfahrens einher. Erhält die Staatsanwaltschaft auf dieser Grundlage die Akten aus dem vorangegangenen Insolvenzverfahren, ergibt sich aus §  97 Abs.  1 S.  3 InsO vollkommen unstreitig, dass die Angaben des Schuldners nicht ohne seine Zustimmung verwendet wer­ den dürfen. Die Ermittler müssen bei Durchsicht der Insolvenzakten deshalb „auf diesem Auge blind sein“. Ganz anders stellt sich die Situation dar, sofern das Ersuchen um Aktenüber­ sendung bereits vor Begründung eines Anfangsverdachts zulässig wäre. Die Staatsanwaltschaft könnte die Insolvenzakten vom zuständigen Insolvenzgericht im Rahmen sogenannter Vorermittlungen anfordern und bei der Durchsicht prü­ fen, ob sich zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat aus den Akten ergeben. Hier ließe sich unter Ablehnung einer Frühwirkung argumentie­ ren, es handele sich um ein dem Strafverfahren vorgelagertes Stadium, weshalb das Verwendungsverbot des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO nicht zugunsten des Betroffe­ nen gelten könne. Die Angaben des Schuldners aus dem Insolvenzverfahren könnten deshalb nach Ansicht weiter Teile der insolvenzstrafrechtlichen Litera­ 641  Wohlers GS-Weßlau, 427, 435; Hengstenberg Frühwirkung, 132; LG Potsdam StV 2014, 407, 409. 642  Seebode JR 1988, 427, 431; Neuhaus NJW 1990, 1221; Rudolph StraFo 2017, 183, 185. 643  Für die Geltung einer Frühwirkung vgl. etwa Hengstenberg Frühwirkung; Störmer Ver­ wertungsverbote, 251 f.; Lohberger FS-Hanack, 253; Seebode JR 1988, 427; Neuhaus NJW 1990, 1221; Rudolph StraFo 2017, 183; Wohlers FS-Weßlau, 427; LR24/Rieß StPO §  152 Rn  22; Knauth NJW 1978, 741; Rieß JR 1979, 167; Grünwald JZ 1966, 489; Püschel FS-DAV, 759; Weyand ZInsO 2001, 108; Richter wistra 2000, 1; Haarmeyer FS-Carl-Heymanns, 303; Kemperdick ZInsO 2013, 1116; Bittmann/Rudolph wistra 2001, 81; Bömelburg Selbstbelastungs­ zwang, 122 f. Gegen die Anerkennung einer Frühwirkung sprechen sich etwa aus Dencker Verwertungsverbote; Reinecke Fernwirkung; Fezer Strafprozessrecht Fall 16 Rn  51; Hefendehl wistra 2003, 1; Bader NZI 2009, 416; Diversy ZInsO 2005, 180; Uhlenbruck NZI 2002, 401. 644  Vgl 3. Kap. A.I.7.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

tur zur Begründung eines Anfangsverdachts herangezogen werden. Die Aner­ kennung eines Vorermittlungsverfahrens, das vorgeblich dem Schutze des Be­ troffenen dienen soll, indem er vor der stigmatisierenden Wirkung eines Ermitt­ lungsverfahrens bewahrt werde,645 bewirkt somit genau das Gegenteilige: Es beraubt ihn der ihm nach dem nemo-tenetur-Grundsatz zustehenden Rechte. Ebenso wie es dem Beschuldigten in Anerkennung seines Schweigerechts frei­ steht, der Verwendung seiner Angaben aus dem Insolvenzverfahren im Strafver­ fahren nicht zuzustimmen, muss aber dem von Vorermittlungen Betroffenen die Entscheidung freistehen, ob er die Freigabe dieser Informationen zur Klärung des Vorliegens eines gegen ihn gerichteten Anfangsverdachts erteilt.646 Es darf dabei nicht übersehen werden, dass sich diese Unsicherheit abgesehen von der Verletzung der prozessualen Beschuldigtenrechte letztendlich auch nachteilig für die Zwecke des Insolvenzverfahrens auswirkt. Denn das strafpro­ zessuale Verwendungsverbot wird dem Insolvenzschuldner im Insolvenzverfah­ ren zugesichert, damit er dort umfassende Angaben macht, die der Sicherung der Forderungen seiner Gläubiger dienen. Der Schuldner ist der wichtigste Informa­ tionsträger, auf dessen Auskünfte die Gläubiger angewiesen sind.647 Auch im Interesse eines effizienten Insolvenzverfahrens und somit im Interesse der Gläu­ biger ist eine unverrückbare Wahrung der strafprozessualen Rechte des Betroffe­ nen deshalb unverzichtbar. 4. Zwischenfazit Die Anerkennung eines Vorermittlungsverfahrens durch die Strafverfolgungsbe­ hörden geht mit der weitgehenden Umgehung der Rechte des Beschuldigten ein­ her. Zu unterscheiden sind zwei verschiedene Konstellationen: Das Ausweichen auf Vorermittlungen trotz bereits gegebenen Anfangsverdachts sowie die Beru­ fung auf Vorermittlungen zur Klärung des Anfangsverdachts. Die Berufung auf eine angebliche Rücksichtnahme auf das öffentliche Ansehen des Betroffenen darf keinesfalls missbraucht werden, um grundrechtsrelevante Ermittlungen durchzuführen, ohne ihm seine prozessualen Rechte zu gewähren. Eine Praxis, die trotz des materiellen Vorliegens eines Anfangsverdachts (vorerst) von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens absieht, wäre der Rechtsstaatlich­ keit des Verfahrens abträglich. Der Betroffene ist in einem solchen Fall zwingend als Beschuldigter zu führen. Fraglos ist die Stellung als Nichtbeschuldigter in den meisten Lebenssituationen gegenüber der des Beschuldigten vorzugswürdig. Et­ 645 

Näher hierzu oben unter 3. Kap. B.V.1. Ähnlich Krause FK-BRAK, 351, 358 zur Belehrungspflicht des von Vorermittlungen Betroffenen. 647  BVerfGE 56, 37, 48. 646 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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was anderes gilt jedoch für den Bereich der Vorermittlungen. Denn hier drohen unter beiden Vorzeichen letztlich die gleichen Eingriffe. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass dem Beschuldigten weitgehende Rechte zuerkannt werden, über die er zudem zu belehren ist und die er prozessual geltend machen kann. Dementgegen könnte der Nichtbeschuldigte als Informant oder Zeuge einer Aus­ sagepflicht unterworfen werden. Es lässt sich ein weiteres Argument anführen, das nicht domatischer Natur ist: Die Durchsetzung des Schutzes des Nichtbe­ schuldigten kann faktisch bereits dadurch erschwert werden, dass ein Großteil der Rechtsschutzversicherungen für anwaltliche Dienste in diesem gesetzlich nicht geregelten „Verfahrensabschnitt“ keine Kostenübernahme vorsieht. Ein effektiver Schutz des Betroffenen kann daher nicht durch Anerkennung eines Vorermitt­ lungsverfahrens, das den Betroffenen vor einer Stigmatisierung bewahren soll, gewährleistet werden. Vielmehr muss es Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden sein, sicherzustellen, dass die Art und Weise des Vorgehens im Ermittlungsverfah­ ren dem jeweiligen Verdachtsgrad entspricht.648 Zum anderen wird die Zulässigkeit von Vorermittlungen erwogen, wenn noch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Begründung eines Anfangsverdachts vorliegen. Für den Betroffenen besteht hierbei die Gefahr einer Verkürzung der Rechte, die ihm als Beschuldigtem zustünden. Er darf deshalb keinesfalls von den Strafverfolgungsbehörden zur Mitwirkung an seiner eigenen Überführung bzw. an der Begründung eines Anfangsverdachts gegen ihn verpflichtet werden. In einer solchen Situation fehlt es bereits an der für ein Strafverfahren konstitu­ tiven Erschütterung der Rechtsordnung, durch die das öffentliche Interesse an der Durchführung eines Strafverfahrens begründet wird.649 Grundrechtsrelevan­ te Ermittlungsmaßnahmen gegen Personen, die noch nicht unter dem Anfangs­ verdacht einer Straftat stehen, müssen ausscheiden.

VI. Fazit Nach der bestehenden Rechtslage existiert keine gesetzliche Ermächtigung zu sog. Vorermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden. Den Normen der Strafprozessordnung lassen sich auch keine Hinweise darauf entnehmen, dass der Gesetzgeber solche Ermittlungen im Vorfeld des Anfangsverdachts allge­ mein anerkennen wollte. Soweit einzelne Vorschriften Befugnisse der Ermitt­ lungsbehörden vor Begründung eines Anfangsverdachtes regeln, handelt es sich hierbei um Spezialregelungen, die keine Aussage zur generellen Zulässigkeit von Vorermittlungen enthalten. Insbesondere ermächtigen die in diesem Zusam­ 648  649 

Ähnlich Hellmann FS-Kühne, 235, 247 ff. Böse ZStW 119 (2008), 848, 849 f.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

menhang vielfach bemühten Vorschriften des §§  159 und 108 StPO nach hier vertretenem Verständnis nicht zu allgemeinen Grundrechtseingriffen. Ebenso wenig können die Vorschrift des §  208 AO oder gar die Regelungen der MiZi als Grundlage für die Durchführung von Vorermittlungen herangezogen werden. Auch die Anerkennung der Figur der sog. informatorischen Befragungen be­ gründet nicht den Schluss auf die Zulässigkeit von Vorermittlungen. Zwar billi­ gen Literatur und Rechtsprechung unter diesem Stichwort den Ermittlungsbe­ hörden die Befugnis zu, in der Phase vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Personenbefragungen vorzunehmen, um das Vorliegen zureichender tatsächli­ cher Anhaltspunkte i. S. d. §  152 Abs.  2 StPO zu klären. In der – zugegeben spär­ lich dogmatisch begründeten – Rechtsprechung zu diesem Thema finden sich jedoch keine Hinweise auf eine Ermächtigung der Strafverfolger zu Grund­ rechtseingriffen bei der Vornahme der Befragungen. Die Vertreter in der Literatur kommen zu dem Ergebnis, dass informatorisch befragte Personen lediglich zu einer freiwilligen Teilnahme angeregt werden können. Eine Aussageverpflich­ tung bestehe hingegen nicht. Somit geht die Anerkennung informatorischer Be­ fragungen nicht mit der Billigung von Grundrechtseingriffen im Vorfeld des An­ fangsverdachtes einher. Nach dem Gesagten sind Grundrechtseingriffe im Vorfeld des Anfangsver­ dachtes auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage somit unzulässig.650 Das Prin­ zip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach Art.  20 Abs.  3 GG überwiegt das Strafverfolgungsinteresse.651 Ermittlungsmaßnahmen, die in grundrechtlich ge­ schützte Güter des Betroffenen eingreifen, sind folglich einzig bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Damit ist freilich lediglich die Frage beantwortet, ob die aktuelle Gesetzeslage die Durchführung von Vorermittlungen, die in Grundrechte des Betroffenen ein­ schneiden, hergibt. Ob der Gesetzgeber eine solche Ausweitung der Befugnisse für die Zukunft einfachgesetzlich regeln könnte, richtet sich nach dem Verfas­ sungsrecht. Im Hinblick auf die begrenzende Funktion des Anfangsverdachts als äußerster Grenze staatlicher Ermittlungskompetenz ist dies zumindest zweifel­ haft. Diese Begrenzung ist im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit des Strafver­ fahrens unverzichtbar.652 Nur durch die Bindung strafprozessualer Maßnahmen an den Anfangsverdacht kann gewährleistet werden, dass der Einzelne nicht ohne Anlass zum Objekt von Ausforschungen wird.653 Zwar gebieten es die un­ abweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung654 sowie das Interes­ 650 

Kramer Grundlagen des Strafverfahrensrechts Rn  180. Kramer Grundlagen des Strafverfahrensrechts Rn  180. 652  Hund ZRP 1991, 463, 463; a. A. Rudolph Antizipierte Strafverfolgung, 171 ff. 653  Hund ZRP 1991, 463, 463. 654  BVerfGE 19, 342, 347. 651 

B. Datenübermittlungsersuchen im Rahmen von Vorermittlungen?

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se einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege655, die Ermittlungsbehörden mit den notwendigen Befugnissen auszustatten. Diese Güter überwiegen jedoch das Interesse des betroffenen Bürgers, von Grundrechtseingriffen durch den Staat verschont zu bleiben, nur, sofern zumindest bereits ein Verdacht strafbaren Ver­ haltens besteht.656 Andernfalls mangelt es an der durch den Verdacht hervorge­ rufenen Erschütterung des Rechtsfriedens, die eine entsprechende Einschrän­ kung der Grundrechte des Bürgers durch das öffentliche Interesse an der Durch­ führung eines Strafverfahrens rechtfertigt.657 Die Grenze des Anfangsverdachts als Voraussetzung für grundrechtsrelevante Ermittlungsmaßnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft darf nicht verwässert werden.658 Festzuhalten ist somit, dass Vorermittlungen unzulässig sind, sofern sie mit einem Eingriff in Grundrechtspositionen des Betroffenen verbunden sind. Dies gilt auch für Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestim­ mung.659 Das Ersuchen um die Beiziehung von Akten, die personenbezogene Daten enthalten, greift aber in den Schutzbereich von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG ein.660 Die Akten, in die während des Insolvenzverfahrens Informa­ tionen über die finanzielle Situation des Schuldners Eingang finden, enthalten umfassende persönliche Angaben über den Betroffenen. Diese wurden für einen anderen Zweck als für ein späteres Strafverfahren erhoben. Ihre Beiziehung und Auswertung ist demnach stets mit einer Zweckänderung und somit mit einem Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden. Eine Ermächtigungsnorm, die diese Maßnahmen im Rahmen von Vorermittlun­ gen zulässt, existiert nicht. Das Ersuchen um Beiziehung und die anschließende Auswertung können daher nicht auf Befugnisse aus einem sog. Vorermittlungs­ verfahren gestützt werden.661 Dass dieses Ergebnis richtig ist, zeigt auch der Blick auf die Normen der §§  12–22 EGGVG. Denn dort werden an die Übermitt­ lung von personenbezogenen Daten überaus detaillierte Anforderungen gestellt. Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle gezeigt, welch hohen Stellenwert der Schutz der Daten auch bei behördlichem Austausch genießt. Mit dieser Wertung gerät in Konflikt, wer der Staatsanwaltschaft entsprechende Befugnisse ohne gesetzliche Regelung gewähren möchte.

655 

BVerfG NStZ 1984, 228, 228; NJW 1980, 1448, 1449; BVerfGE 20, 162, 213 Lange Vorermittlungen, 225. 657  Böse ZStW 119 (2008), 848, 849 f. 658  Lange Vorermittlungen, 225. 659  Krause FS-BRAK, 351, 360; Lange Vorermittlungen, 140; a. A. Diemer NStZ 2005, 666, 668. 660  Vgl. 1. Kap. B.II.1.b)aa). 661  So auch Hilger FG-Hilger, 11, 21; Senge FS-Hamm, 701, 710. 656 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

C. Entwicklung eines eigenen Ansatzes für das zulässige Ersuchen um Aktenbeiziehung I. Die Heranziehung zusätzlicher Erkenntnisquellen 1. Zulässige Erkenntnisquellen Im vorangehenden Abschnitt wurde festgestellt, dass Vorermittlungen, mit wel­ chen Grundrechtseingriffe verbunden sind, mangels gesetzlicher Regelung unzu­ lässig sind. Jedoch besteht weitgehend Einigkeit, dass die Ermittlungsbehörden Maßnahmen ohne Eingriffscharakter ergreifen dürfen, um in der Lage zu sein, über das (Nicht)Vorliegen eines Anfangsverdachts entscheiden zu können.662 Andern­ falls würde es regelmäßig vom Zufall abhängen, ob es zur Strafverfolgung kommt. Die Staatsanwaltschaften, die im Wege der MiZi-Mitteilung vom Insolvenzgericht Kenntnis über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder über die Abweisung mangels Masse erhalten, sind demnach keinesfalls zur Untätigkeit gezwungen. Im Folgenden werden die Maßnahmen dargestellt, die den Strafverfolgungs­ behörden bereits vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur Verfügung ste­ hen.663 Dies sind insbesondere Maßnahmen, die nicht mit einer Zweckumwand­ lung der personenbezogenen Daten des Betroffenen verbunden sind. Führen diese zu weiteren Erkenntnissen, die zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen bestimmter Insolvenzstraftaten begründen, so sind die Staatsan­ waltschaften anschließend befugt, – nach Verfahrenseinleitung – ein Ersuchen an das jeweilige Insolvenzgericht um Übersendung der Insolvenzakte zu stellen. a) Allgemein zugängliche Erkenntnisquellen Die Auswertung allgemein zugänglicher Erkenntnisquellen ist den Staatsanwalt­ schaften im Rahmen des Vorermittlungsverfahrens gestattet.664 Die Erhebung von Informationen aus für jedermann zugänglichen Quellen greift nicht in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein.665 Dies gilt auch dann, wenn auf diese Weise im Einzelfall personenbezogene Informationen erhoben 662  Meyer-Goßner/Schmitt StPO §  152 Rn  4b; Richter wistra 2017, 329, 332; Rogall Infor­ mationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 88; Rogall ZStW 103 (1991), 907, 945 f.; Senge FSHamm, 701, 709 f.; Lohner Tatverdacht, 143; Wölfl JuS 2001, 478, 481; Pfordte StraFo 2016, 53, 57; Hilger FG-Hilger, 11, 14. 663  Die Ausführungen beschränken sich hierbei auf Erkenntnisquellen, die für die Beurtei­ lung eines Anfangsverdachts wegen Insolvenzdelikten relevant sind. 664  Hoven NStZ 2014, 361, 362; Richter wistra 2017, 329, 332; Senge FS-Hamm, 701, 710; Hilger FG-Hilger, 11, 14; Krause FS-BRAK, 351, 360. 665  BVerfG 120, 274, 344 f.; Böckenförde Ermittlung im Netz, 184, 189 ff., 191 ff.; Gusy DVBl 1991, 1288, 1288; Zöller GA 2000, 563, 569.

C. Entwicklung eines eigenen Ansatzes

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werden können.666 In der Regel hat sich der Betroffene bei der Angabe seiner Informationen mit dem Zugriff durch beliebige Dritte einverstanden erklärt.667 Offen zugängliche Quellen werden zu Informationszwecken bereitgestellt. Der mit dem Ziel der Strafverfolgung verbundene Zugriff auf Unterlagen, die jeder­ mann zur Verfügung stehen, beinhaltet daher keine Zweckentfremdung hinsicht­ lich der darin enthaltenen personenbezogenen Daten. Im Stadium der Vorermitt­ lungen dient der Einblick den Staatsanwaltschaften gerade dazu, zusätzliche In­ formationen zu einem Sachverhalt zu sammeln, die ihre Entscheidung hinsichtlich der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens ermöglichen. Zu den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen zählen die Handels-, Ge­ nossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister.668 Diese Register können von jedermann eingesehen werden.669 Wesentliche Informationen können zudem dem Unternehmensregister entnommen werden, §  9 Abs.  6 S.  1 i. V. m. §  9 Abs.  1 S.  1 HGB. Insbesondere lässt es sich den Registern entnehmen, wenn es bei ei­ nem Unternehmen zur Abberufung des bisherigen und der Bestellung eines neu­ en Geschäftsführers gekommen ist. Ebenso können die Verlegung des Firmensit­ zes sowie Umfirmierungen nachvollzogen werden. Sofern dies in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Stellung des Eröffnungsantrages erfolgte, kann sich hieraus ein Anfangsverdacht wegen Insolvenzstraftaten ergeben. Denn hierbei handelt es sich um typische Vorgehensweisen im Zusammenhang mit „Firmenbestattun­ gen“.670 Darüberhinaus wird aus den Registern ersichtlich, ob bereits in der Ver­ gangenheit Insolvenzverfahren eröffnet, eingestellt oder aufgehoben wurden.671 Zudem finden sich Informationen zur Rechtsform, den Besitzverhältnissen, einer eventuellen konzernrechtlichen Verknüpfung sowie zum Unternehmensalter.672 b) Jahresabschlüsse, Bilanzen, Lageberichte Sofern Unternehmen der Publizitätspflicht unterliegen, dürfen bestimmte Ge­ schäftsaufstellungen im Rahmen der Vorermittlungen eingesehen und ausgewer­ 666 

BVerfG 120, 274, 344. Zöller GA 2000, 563, 569. 668  Baumgarte wistra 1991, 171, 172; Richter GmbHR 1984, 113, 114; Bömelburg Selbst­ belastungszwang, 126. 669  Dies ergibt sich für das Handelsregister aus §  9 Abs.  1 S.  1 HGB, für das Genossen­ schaftsregister aus §  156 Abs.  1 S.  1 GenG i. V. m. §  9 Abs.  1 S.  1 HGB, für das Partnerschafts­ register aus §  5 Abs.  2 PartGG i. V. m. §  9 Abs.  1 S.  1 HGB und für das Vereinsregister aus §  79 Abs.  1 S.  1 BGB. 670  Schütz wistra 2016, 53, 53. 671  Dies folgt für das Handelsregister aus §  32 HGB, §  40 Nr.  5 b bb) HRV, für das Genos­ senschaftsregister aus §  102 GenG, für das Partnerschaftsregister aus §  2 Abs.  2 PartGG i. V. m. §  32 HGB, §  5 Abs.  4 Nr.  3 PRV und für das Vereinsregister aus §  75 BGB. 672  Richter GmbHR 1984, 113, 114. 667 

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

tet werden. Die handelsrechtlichen Offenlegungspflichten treffen gemäß §  325 HGB grundsätzlich nur die Kapitalgesellschaften. Jedoch werden sie durch die Verweisung in §  264a HGB auf Personengesellschaften ohne vollhaftende natür­ liche Personen erweitert, da deren Haftungsstrukturen denen von Kapitalgesell­ schaften vergleichbar sind.673 Bei Kapitalgesellschaften sowie den Offenen Han­ delsgesellschaften und Kommanditgesellschaften ohne natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter sind nach §  325 HGB grundsätzlich die Jah­ resabschlüsse sowie die jährlichen Lageberichte offenlegungspflichtig. Der Jah­ resabschluss besteht gemäß §  242 Abs.  3 HGB aus der Bilanz sowie der Gewinnund Verlustrechnung. Für kleine und Kleinstkapitalgesellschaften i. S. v. §§  267, 267a HGB bestehen gemäß §  326 HGB Erleichterungen hinsichtlich der Offen­ legung, sodass der freie Zugriff der Staatsanwaltschaft hier beschränkt ist. Kleine Kapitalgesellschaften müssen lediglich die Bilanzen sowie die Anhänge offenle­ gen.674 Kleinstkapitalgesellschaften können gemäß §  326 Abs.  2 S.  1 HGB ihrer Pflicht durch Hinterlegung der Bilanz beim Betreiber des Bundesanzeigers genü­ gen. Die Einsichtnahme ist zwar kostenpflichtig, dennoch aber nach §  9 Abs.  6 S.  3 HGB für jedermann – somit auch für die Staatsanwaltschaften – zulässig.675 Bei sämtlichen Rechtsformen ergeben sich für Unternehmen ab einem gewis­ sen Umsatz- bzw. Mitarbeitervolumen zudem Offenlegungspflichten nach dem Publizitätsgesetz.676 Unterfällt ein Unternehmen dem Anwendungsbereich des Gesetzes, so sind seine Jahresabschlüsse und Lageberichte gemäß §  9 PublG grundsätzlich zu veröffentlichen, auch wenn es sich um einen Einzelkaufmann oder um eine Personenhandelgesellschaft mit einer natürlichen Person als per­ sönlich haftendem Gesellschafter handelt. Unter diesen Umständen haben die Staatsanwaltschaften somit auch Einblick in diese Unterlagen. Aus der Zusammenschau der Bilanzen und der Informationen über die Ableh­ nung oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens können sich im Einzelfall zurei­ chende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer Insolvenzverschlep­ pung ergeben.677 c) Interne Abklärungen Nach allgemeiner Meinung sollen auch interne Abklärungen zulässig sein.678 Dies kann allerdings nur soweit zutreffend sein, als hiermit Abklärungen inner­ halb derselben Staatsanwaltschaft gemeint sind. Ein Informationsaustausch über 673 

MüKo/Fehrenbacher HGB §  325 Rn  1. MüKo/Fehrenbacher HGB §  326 Rn  2. 675  BeckOK/Birkholz HGB §  326 Rn  8. 676  Schäfer/Schäfer PublG §  1 Rn  2. 677  LG Stuttgart wistra 2000, 439, 439. 678  Richter wistra 2017, 329, 332; Rogall Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt, 89 f.; 674 

C. Entwicklung eines eigenen Ansatzes

189

verschiedene Staatsanwaltschaften hinweg kann hingegen nicht als „intern“ ge­ wertet werden. Dies ergibt sich aus den Vorschriften der §§  474 ff., 487 StPO, welche die Einsichtnahme in Akten aus anderen Strafverfahren bzw. entspre­ chende Datenübermittlungen regeln. Aus diesem Grund dürfen daher auch keine Auskünfte aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister i. S. v. §  492 StPO eingeholt werden. Aber auch innerhalb einer Staatsanwaltschaft darf nicht im Rahmen von Vor­ ermittlungen auf personenbezogene Daten aus einem anderen Strafverfahren zu­ gegriffen werden. Denn dies stellt ebenfalls eine zweckumwandelnde Nutzung dar.679 §  483 Abs.  2 StPO, der die Befugnis zur Datennutzung innerhalb dersel­ ben Strafverfolgungsbehörde regelt, erlaubt dies ausschließlich „für andere Strafverfahren“. Im Stadium der Vorermittlungen existiert ein solches aber noch nicht. Eigenes Material darf somit nur genutzt werden, sofern mit der Verwer­ tung vorhandener eigener Unterlagen keine Zweckumwandlung verbunden ist.680 d) Gewerbezentralregister Das beim Bundesamt für Justiz geführte Gewerbezentralregister ist eine weitere zulässige Erkenntnisquelle über den Vermögensstand der betroffenen Gesell­ schaft.681 Auskünfte aus dem Register werden Staatsanwaltschaften allerdings nur in stark beschränktem Maße gewährt. Gemäß §  150a Abs.  2 Nr.  1 GewO ist die Erteilung von Auskünften gegenüber Strafverfolgungsbehörden daran ge­ bunden, dass sie für Zwecke der Strafrechtspflege erfolgt.682 Das Einsichtsrecht umfasst ausschließlich Verwaltungsentscheidungen und Verzichtserklärungen i. S. v. §  149 Abs.  2 Nr.  1 und 2 GewO, die in Zusammenhang mit der Unzuver­ lässigkeit oder Ungeeignetheit des (potentiellen) Gewerbetreibenden stehen683 Nicht umfasst sind hingegen Auskünfte über Bußgeldentscheidungen. Der Ge­ setzgeber sah die Gefahr, dass ein uneingeschränktes Einsichtsrecht strafrecht­ liche Präjudizierungen mit sich bringen würde und wollte dieser Tendenz durch eine Begrenzung des Auskunftsrecht Einhalt gebieten.684 Ein auf Bußgeldent­ scheidungen erweitertes Auskunftsrecht wird deshalb nur zur Verfolgung von abschließend aufgeführten Straftaten normiert, unter denen sich keine Insolvenz­ delikte finden. Senge FS-Hamm, 701, 710; Hilger FG-Hilger, 11, 14; Richter GmbHR 1984, 113, 114; Krause FS-BRAK, 351, 360; Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417; Diemer NStZ 2005, 666, 667. 679  SK/Weßlau StPO §  483 Rn  11; Krause FS-BRAK, 351, 360. 680  Hilger FG-Hilger, 11, 14. 681  Richter GmbHR 1984, 113, 115. 682  Erbs/Kohlhaas/Ambs Strafrechtliche Nebengesetze §  150a GewO Rn  12. 683  BeckOK/Scharlach GewO §  150a Rn  10. 684  BT-Drs 7/626, 33.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

e) Schuldnerverzeichnis Zusätzliche Informationen dürfen die Staatsanwaltschaften im Stadium der Vorer­ mittlungen zudem in Form von Auskünften der Mahn- und Vollstreckungsgerich­ te einholen sowie aus der Schuldnerkartei entnehmen.685 Hierunter fallen insbe­ sondere Auskünfte aus dem Schuldnerverzeichnis. Der Zweck dieses Verzeich­ nisses liegt darin, Auskunft über die Kreditwürdigkeit von Personen zu geben, um den redlichen Geschäftsverkehr vor zahlungsunfähigen oder zahlungsunwilligen Vertragspartnern zu schützen.686 Nach der früheren Rechtslage wurden Schuld­ nerverzeichnisse i. S. v. §  915 ZPO bei den Vollstreckungsgerichten geführt.687 Eintragungen mussten über die örtlich zuständigen Vollstreckungsgerichte ermit­ telt werden. Durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvoll­ streckung (ZwVollStrÄnd),688 das am 1. Januar 2013 in Kraft trat, wird heute ein Gemeinsames Vollstreckungsportal der Länder geführt, in dem die bundesweiten Daten aus den Schuldnerverzeichnissen nach den §§  882b ff. ZPO bereitgestellt werden.689 Anstelle örtlich geführter Verzeichnisse gibt es nach §  882h Abs.  1 ZPO nun in jedem Bundesland ein zentrales Vollstreckungsgericht, welches das Schuldnerverzeichnis führt. In diesem werden unter anderem Personen geführt, die als Schuldner ihrer Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachge­ kommen sind oder bei denen eine Vollstreckung offensichtlich nicht zur vollstän­ digen Befriedigung des Gläubigers geeignet wäre (§  882b Abs.  1 Nr.  1 i. V. m. §  882c Abs.  1 S.  1 Nr.  1, 2 ZPO). Des Weiteren werden gemäß §  882b Abs.  1 Nr.  3 ZPO Personen verzeichnet, deren Eintragung das Insolvenzgericht nach Maßgabe des §  26 Abs.  2 oder des §  303a InsO angeordnet hat. Um seiner Warn- und Informationsfunktion gerecht zu werden, muss das Schuldnerverzeichnis grundsätzlich für jedermann einsehbar sein.690 Erforder­ lich ist jedoch die Darlegung eines legitimen Zwecks.691 In das Verzeichnis darf gemäß §  882f Abs.  1 Nr.  5 ZPO jeder Einsicht nehmen, der darlegt, Angaben aus dem Schuldnerverzeichnis für Zwecke der Strafverfolgung oder Strafvollstre­ ckung zu benötigen. Diese Möglichkeit der Einsichtnahme steht der Staatsan­ waltschaft bereits im Stadium der Vorermittlungen zu. Denn die im Schuldner­ verzeichnis enthaltenen Daten wurden dort für Informationszwecke verzeichnet. 685  Richter wistra 2000, 1, 5; Richter GmbHR 1984, 113, 114; Bömelburg Selbstbelastungs­ zwang, 126; Weyand ZInsO 2001, 108, 109. 686  MüKo/Dörndorfer ZPO Vor §  882b Rn  2. 687  MüKo/Dörndorfer ZPO §  882h Rn  2. 688  Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.7.2009, BGBl I S.  2258. 689  Prütting/Gehrlein/Lugani ZPO §  882h Rn  3. 690  BT-Drs 16/10069, 41. 691  BT-Drs 16/10069, 41.

C. Entwicklung eines eigenen Ansatzes

191

Erfolgt eine Auswertung der Daten mit Blick darauf, ob sich hieraus zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht ergeben, geschieht auch dies zum Zwecke der Information der Strafverfolgungsbehörde. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG, welches hinsichtlich der Eintra­ gung in das Schuldnerverzeichnis entschieden hat, dass in diesem Fall Allgemei­ ninteressen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiegen.692 Danach befriedigt das Angebot unternehmens- und personenbezogener Daten einen in einer dezentral organisierten und vielfältig verflochtenen modernen Marktwirtschaft bestehenden Bedarf und trägt unter anderem zur Abwehr der Wirtschaftskriminalität bei.693 2. Unzulässige Erkenntnisquellen Andere, in der Literatur teilweise als zulässig gewertete Erkenntnisquellen, müs­ sen den Strafverfolgungsbehörden hingegen verwehrt bleiben. a) Grundbuch Aus dem Grundbuch kann etwa das Bestehen von Zwangshypotheken, die ge­ mäß §  867 ZPO auf Antrag des Gläubigers eingetragen wurden, ersehen werden. Voraussetzung für die Einsichtnahme in das Grundbuch ist gemäß §  12 Abs.  1 GBO die Darlegung eines „berechtigten Interesses“. Ein solches liegt vor, wenn der Antragstellende ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertiges Interes­ se verfolgt.694 Dieses Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder rein tat­ sächlicher Natur sein.695 Die Vorschrift des §  12 GBO dient dazu, die Spannun­ gen zwischen dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Publizitätsprinzip des Grundbuchs zu einem ausgewogenen Ausgleich zu brin­ gen.696 Ein berechtigtes Interesse ist angesichts dieser Wertung zu verneinen, wenn die Anfrage zur Verfolgung unberechtigter Zwecke oder aus bloßer Neu­ gier erfolgt.697 Die gesetzliche Regelung der Einsichtnahme in das Grundbuch beruht somit auf dem Gedanken, dass hiermit ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen verbunden ist. Da ein solcher den Strafverfolgungsbehörden vor Begründung eines Anfangsverdachts verwehrt ist, dürfen sie im Rahmen von Vorermittlungen keine Einsicht in Grundbuchauszüge nehmen. 692 

BVerfG NJW 1988, 3009, 3009 f. BVerfG NJW 1988, 3009, 3009 f. 694  Meikel/Böttcher GBO §  12 Rn  4. 695  BayObLG BWNotZ 1991, 144, 144. 696  Meikel/Böttcher GBO §  12 Rn  2. 697  OLG Düsseldorf FGPrax 2015, 199, 199. 693 

192

3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

b) Andere bei der Justiz vorhandene Akten Bei der Klärung, ob ein Anfangsverdacht begründet ist, soll zudem die Einsicht­ nahme in andere bei der Justiz vorhandene Akten zulässig sein.698 Begründungen hierzu finden sich nicht. Angesichts der bereits formulierten Grundsätze, nach denen eine Verwendung für andere als die erhobenen Zwecke stets eine Zweck­ umwandlung und somit einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, ist nicht ersichtlich, warum für Justizakten etwas anderes gelten sollte. Die Staatsanwaltschaften sind demnach nicht befugt, im Rahmen von Vorermittlungen in sonstige Akten Einblick zu nehmen, die bei der Justiz vorhanden sind. c) Anfragen bei Krankenkassen und sonstigen Sozialversicherungsträgern Der Erhalt einer MiZi-Mitteilung wird mitunter als Veranlassung gesehen, An­ fragen an Krankenkassen oder andere Sozialversicherungsträger zu richten, um Hinweise auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge zu erhalten.699 Jedoch unterliegen die Sozialversicherungsträger gemäß §  35 Abs.  1 SGB I dem Sozial­ geheimnis.700 Hiernach haben sie sämtliche Sozialdaten, d. h. personenbezogene Daten über persönliche und sachliche Verhältnisse vor unbefugter Verwendung zu schützen.701 Die in der Praxis wichtigste Regelung zur Übermittlungsbefugnis von Sozialdaten findet sich in §  69 SGB X.702 Erlaubt ist gemäß §  69 Abs.  1 Nr.  1, 2 SGB X die Übermittlung von Sozialdaten für strafrechtliche Zwecke nur, so­ weit diese zur Durchführung eines Strafverfahrens erforderlich sind. Benötigt die Staatsanwaltschaft Daten für ein Ermittlungsverfahren, das mit der Erfüllung sozialgesetzlicher Aufgaben zusammenhängt, so kann sie von den in §  35 SGB I genannten Stellen die Übermittlung von Sozialdaten verlangen.703 Vor der Einlei­ tung eines Ermittlungsverfahrens besteht diese Befugnis hingegen nicht.704 Un­ abhängig davon dürften übermittelte Sozialdaten ohnehin ausschließlich zur Ver­ folgung von Straftaten zum Nachteil der Sozialbehörden verwertet werden.705 Die Vorschriften des Sozialgesetzbuches legen insofern einen strengen Maßstab 698 

Groß FS-Dahs, 249, 264; Richter wistra 2017, 329, 332; Senge FS-Hamm, 701, 710; Keller/Griesbaum NStZ 1990, 416, 417; Artzt Bedeutung polizeilicher Vorfeldermittlungen, 13 f. 699  Richter wistra 2000, 1, 5; Richter GmbHR 1984, 113, 114; Bömelburg Selbstbelastungs­ zwang, 126; Weyand ZInsO 2001, 108, 109; a. A. Diversy ZInsO 2005, 180, 182. 700  Diversy ZInsO 2005, 180, 182. 701  Mrozyinski SGB I §  35 Rn  9. 702  Erbs/Kohlhaas/Wache/Lutz Strafrechtliche Nebengesetze §  69 SGB X Rn  1. 703  AG Saarbrücken wistra 1997, 360, 360. 704  Diversy ZInsO 2005, 180, 182. 705  Bittmann NJW 1988, 3138, 3139.

C. Entwicklung eines eigenen Ansatzes

193

hinsichtlich der Weitergabe von Sozialdaten an. Auf Anfragen bei Sozialversi­ cherungsträgern darf die Staatsanwaltschaft bei der Klärung eines Anfangsver­ dachts daher nicht zurückgreifen. d) Vermögensverzeichnisse Mitunter wird der Staatsanwaltschaft die Befugnis zugesprochen, Auskünfte von Gerichtsvollziehern und Vollstreckungsgerichten einzuholen zur Klärung der Frage, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.706 Dies betrifft insbesondere die Ein­ sichtnahme in Vermögensverzeichnisse. Wird gegen einen Schuldner ein Voll­ streckungsverfahren betrieben, so ist der Schuldner gemäß §  802c Abs.  1 S.  1 ZPO verpflichtet, zum Zwecke der Vollstreckung einer Geldforderung auf Ver­ langen des Gerichtsvollziehers Auskunft über sein Vermögen zu erteilen. Die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben hat der Schuldner gemäß §  802c Abs.  3 ZPO eidesstattlich zu versichern. Der Gerichtsvollzieher errichtet über diese Angaben eine Aufstellung in einem elektronischen Dokument, dem sog. Vermögensverzeichnis. Dieses hinterlegt er gemäß §  802f Abs.  6 ZPO bei dem zentralen Vollstreckungsgericht des jeweiligen Bundeslandes. Seit dem 1. Januar 2013707 werden die Vermögensverzeichnisse von den zentralen Vollstreckungs­ gerichten der Bundesländer verwaltet, die auch für die Verwaltung des Schuld­ nerverzeichnisses i. S. v. §§  882b ff. ZPO zuständig sind.708 Die Einsichtnahme in die Vermögensverzeichnisse richtet sich nach §  802k ZPO. Strafverfolgungsbe­ hörden sind gemäß §  802k Abs.  2 S.  3 zur Einsicht befugt, soweit dies zur Erfül­ lung der ihnen obliegenden Aufgaben erforderlich ist. Eine bloße Nützlichkeit ist nicht ausreichend.709 Aus dem Inhalt der Vermögensauskunft können sich Er­ kenntnisse zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschul­ digten ergeben.710 Im Ermittlungsverfahren steht der Staatsanwaltschaft diese Möglichkeit deshalb zu. Vor Begründung eines Anfangsverdachts muss das Tat­ bestandsmerkmal der Erforderlichkeit eines Einblicks in das Vermögensver­ zeichnis jedoch verneint werden. Zu diesem Zeitpunkt zielen die Aktivitäten der Strafverfolger nocht nicht auf eine umfassende Nachvollziehung der Vermögens­ situation des Schuldners ab, sondern lediglich auf eine Bestandsaufnahme von Anhaltspunkten, die gegebenenfalls zureichend sind für die Einleitung eines Er­ mittlungsverfahrens. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist aber so lan­ 706  Richter wistra 2000, 1, 5; Richter GmbHR 1984, 113, 114; Bömelburg Selbstbelastungs­ zwang, 126; Weyand ZInsO 2001, 108, 109. 707  Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.7.2009, BGBl I S.  2258. 708  Prütting/Gehrlein/Meller-Hannich ZPO §  802k Rn  2. 709  BR-Drs 304/08, 59. 710  BR-Drs 304/08, 59.

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3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

ge unzulässig, als noch andere – grundrechtsneutrale – Mittel zur Verfügung ste­ hen, um die jeweilige Aufgabe zu erfüllen.711 Zudem steht nach der Gesetzes­ änderung die Einholung einer Vermögensauskunft des Schuldners am Anfang des Vollstreckungsverfahrens. Anders als früher kann daher nicht mehr automatisch vom Vorliegen einer eidesstattlichen Versicherung darauf geschlossen werden kann, dass bereits erfolglose Vollstreckungsversuche unternommen wurden.712

II. Entwicklung von Fallgruppen für das zulässige Ersuchen um Aktenübersendung Anstelle einer Zusammenfassung sollen an dieser Stelle Fallgruppen formuliert werden, die den rechtmäßigen Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit dem Erhalt von MiZi-Mitteilungen der Insolvenzgerichte abbilden. Hierbei ist zu un­ terscheiden zwischen Fällen, in denen die Staatsanwaltschaften bereits den blo­ ßen Erhalt der Mitteilung zum Anlass für die Einleitung eines Ermittlungsverfah­ rens nehmen dürfen und solchen, in denen weitere Anhaltspunkte hinzutreten müssen, um einen Anfangsverdacht begründen zu können. Diese Fallgruppen können selbstverständlich nicht abschließend sein. Zu verschieden sind die denk­ baren Lebenssachverhalte, als dass sie sich in einer theoretischen Arbeit losgelöst vom Einzelfall in feststehende Kategorien einordnen ließen. Den Staatsanwalt­ schaften steht bei der Begründung eines Anfangsverdachts ein Beurteilungsspiel­ raum zu, der gewährleisten soll, dass sie auf individuelle Fallgestaltungen ange­ messen eingehen können. Eine Linie lässt sich dennoch vorzeichnen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Grenzen des zulässigen Handelns – die in den vor­ stehenden Ausführungen dieses Kapitels abgesteckt wurden – von vielen Staats­ anwaltschaften im Rahmen ihrer aktuellen Ermittlungspraxis überschritten wer­ den. In den im Folgenden dargestellten Fallgruppen dürfen die Ermittlungsbehör­ den das Ersuchen um Aktenübersendung an die Insolvenzgerichte auf die Ermittlungsgeneralklausel des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO stützen. Diese bietet eine hinreichend spezifische Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff in das Grund­ recht auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Insolvenzschuldners. Die Vorschrift berechtigt die Staatsanwaltschaften außerdem dazu, die übermit­ telten Insolvenzakten für strafrechtliche Zwecke auszuwerten. Auch wenn im Rahmen der folgenden – abstrakt formulierten – Fallgruppen nicht immer konkre­ tisiert werden kann, hinsichtlich welchen Delikts ein Anfangsverdacht gegeben ist, so muss eine entsprechende Spezifizierung von den Staatsanwaltschaften an­ hand des jeweiligen Einzelfalls gefordert werden. Die Berufung auf einen An­ fangsverdacht „wegen Insolvenzdelikten“ ist nicht zulässig. 711 

712 

Heußner FS-Wannagat, 173, 186. So aber noch Pelz Strafrecht in Krise und Insolvenz Rn  685.

C. Entwicklung eines eigenen Ansatzes

195

1. Der Anfangsverdacht ausschließlich aufgrund der MiZi-Mitteilung a) Gläubigerantrag Den standardisierten MiZi-Mitteilungen gemäß IX/2 und IX/3 kann im Allge­ meinen kein Anfangsverdacht entnommen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht, sofern das Insolvenzverfahren durch den Antrag eines Gläu­ bigers in Gang gesetzt wurde. Handelt es sich bei dem antragstellenden Gläubi­ ger um einen Sozialversicherungsträger, so geschieht die Antragsstellung in der Regel aufgrund rückständiger Sozialversicherungsbeiträge. Hieraus können sich Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht wegen Vorenthaltens und Veruntreu­ ens von Arbeitsentgeld gemäß §  266a StGB ergeben. Bei antragspflichtigen Un­ ternehmen kann hieraus zudem auf einen Anfangsverdacht wegen Insolvenzver­ schleppung geschlossen werden. Die Antragsstellung des Gläubigers enthebt den Schuldner nicht von der Pflicht zum Stellen eines Eigenantrags.713 Andere Gläu­ biger, beispielsweise Vertragspartner des Schuldners, stellen meist einen Eröff­ nungsantrag, da der Schuldner ausstehende Leistungen nicht erbracht hat und Versuche der Zwangsvollstreckung gescheitert sind. Derartige Gläubigeranträge können bei antragspflichtigen Unternehmen deshalb ebenfalls einen Anfangsver­ dacht wegen Insolvenzverschleppung i. S. v. §  15a InsO ergeben. b) Anlassbezogene MiZi-Mitteilungen Aus den Mitteilungen, die von den Insolvenzgerichten anlassbezogen gemäß MiZi Allg/1 Abs.  4 an die Staatsanwaltschaften gemacht werden, kann sich ein mit dem Anlass korrelierender Anfangsverdacht ergeben. Ergibt sich beispiels­ weise aus dem Gutachten des Insolvenzverwalters, dass die Insolvenzreife be­ reits deutlich vor der Stellung des Schuldnerantrags eingetreten ist, so bietet dies einen Hinweis auf eine mögliche Insolvenzverschleppung nach §  15a Abs.  4, 5 InsO. Bei Anhaltspunkten für das Vorliegen strafbaren Handelns des Insolvenz­ schuldners sind die Insolvenzgerichte verpflichtet, die Staatsanwaltschaften hie­ rüber in Kenntnis zu setzen. In diesen Fällen dürfen die Strafverfolgungsbehör­ den ein Ermittlungsverfahren einleiten. 2. Der Anfangsverdacht nur bei Hinzutreten konkreter Anhaltspunkte Sofern allein der Erhalt einer MiZi-Mitteilung noch nicht für die Begründung eines Anfangsverdachts ausreicht, sind die Staatsanwaltschaften dennoch nicht zur Untätigkeit verpflichtet. Vielmehr dürfen sie den Hinweis des Insolvenz­ gerichts zum Anlass nehmen, um sich aus bestimmten Quellen zusätzliche Infor­ 713 

BGH NJW 2009, 157, 158 f.

196

3. Kapitel: Das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenbeiziehung

mationen zu beschaffen. Hierbei dürfen sie jedoch ausschließlich Maßnahmen ergreifen, die nicht in Grundrechte des betroffenen Insolvenzschuldners bzw. des verantwortlich Handelnden der insolventen juristischen Person eingreifen. a) Geschäftsführerwechsel, Firmensitzverlegung etc. Zum einen können sich aus Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- oder Vereinsregistern Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es im Rahmen der Insolvenz zu einer Firmenbestattung kam. Insbesondere kurz vor Stellung des Eröffnungs­ antrags vollzogene Geschäftsführerwechsel, Verlegungen des Firmensitzes oder Umfirmierungen können Warnsignale darstellen. Deutet eine Zusammenschau der erhobenen Informationen auf den Fall einer Firmenbestattung hin, so kommt die Begehung von Bankrottdelikten in Betracht, insbesondere nach §  283 Abs.  1 Nr.  1, 5–7, 8 StGB sowie §  283b StGB. Zudem kann die Abfrage der Handels­ registerinformationen zunächst der Vergewisserung dienen, ob es sich bei dem betroffenen Schuldner tatsächlich um eine juristische Person handelt.714 Ist das Unternehmen in einer Rechtsform organisiert, die der Antragspflicht gemäß §  15a Abs.  1 InsO unterliegt, so kann sich in diesen Fällen der Verdacht einer Insolvenzverschleppung ergeben. Wird aus dem Handelsregister hingegen er­ sichtlich, dass es sich um eine Vor-GmbH handelt, so entfällt die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung.715 b) Unvollständige Bilanzen, „Krisenbilanzen“ Die Staatsanwaltschaft ist zudem befugt, Einblick in die Bilanzen und Jahresab­ schlüsse der offenlegungspflichtigen Unternehmen, namentlich der Kapitalgesell­ schaften sowie der Offenen Handels- und Kommanditgesellschaften ohne natürli­ che Person als persönlich haftenden Gesellschafter, zu nehmen. Stellt sie hierbei fest, dass die vorgeschriebenen Unterlagen nicht vollständig sind, so kann sie dies als zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkt für eine Verletzung der Buchfüh­ rungspflicht gemäß §  283b StGB nehmen. Wurde die Bilanz rechtzeitig einge­ reicht, so kommt diesem Umstand regelmäßig entlastender Charakter zu.716 Weist die Bilanz bereits für den Zeitpunkt vor Stellung des Eröffnungsantrags auf eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hin, so ergibt sich bei antragspflichti­ gen Unternehmen ein Anfangsverdacht wegen §  15a Abs.  4, 5 InsO.

714 

Bittmann/Bittmann Insolvenzstrafrecht §  1 Rn  73. Deutscher/Körner wistra 1996, 8, 10 f. 716  Bittmann/Bittmann Insolvenzstrafrecht §  1 Rn  74. 715 

C. Entwicklung eines eigenen Ansatzes

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c) Systematische Täter Über 40  % der Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen Insolvenz­ delikten registriert wurde, sind bereits vorher strafrechtlich in Erscheinung getre­ ten. Zwar darf von der kriminellen Historie einer Person grundsätzlich nicht auf ihre Tatgeneigtheit geschlossen und diese wiederum als Grundlage für einen künftigen Anfangsverdacht herangezogen werden.717 Ergeben jedoch interne Ab­ klärungen, dass gegen den Verantwortlichen eines Unternehmens bereits wieder­ holt wegen Insolvenzstraftaten ermittelt wurde, kann sich bei einer erkennbaren Systematik ein entsprechender Anfangsverdacht ergeben. Dies gilt insbesondere in Verbindung mit weiteren Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Firmen­ bestattung. d) Unzuverlässigkeit, Ungeeignetheit Dem Gewerbezentralregister kann die Staatsanwaltschaft Informationen über gewerblich tätige Insolvenzschuldner entnehmen. Beispielsweise kann sie so in Erfahrung bringen, ob die Gewerbezulassung des Schuldners in der Vergangen­ heit abgelehnt oder zurückgenommen wurde oder ob ihm die Ausübung des Ge­ werbes untersagt wurde. Zwar können diese Umstände nicht für sich genommen den Anfangsverdacht eines Insolvenzdelikts begründen. Wurde der Insolvenz­ schuldner aufgrund Unzuverlässigkeit oder Ungeeignetheit von einer Gewerbe­ tätigkeit ausgeschlossen, kann dies jedoch durchaus ein Indiz für seine Unred­ lichkeit darstellen. e) Fehlgeschlagene Vollstreckungsversuche Findet sich im Schuldnerverzeichnis eine Eintragung des Insolvenzschuldners, so kann die Staatsanwaltschaft dieser etwa entnehmen, dass Vollstreckungsver­ suche der Gläubiger in der jüngsten Vergangenheit offensichtlich nicht zur voll­ ständigen Befriedigung ausgereicht haben. Dies kann bei antragspflichtigen Un­ ternehmen auf eine Insolvenzverschleppung hindeuten. Unabhängig von der Rechtsform können zudem Anhaltspunkte für eine Bankrottstrafbarkeit nach §  283 Abs.  1 Nr.  8 StGB bestehen.

717  AG

Saalfeld NJW 2001, 3642, 3642 f.; Satzger FS-Beulke 1009, 1018.

4. Kapitel

Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte („Zweite Tür“ i. S. d. Doppeltürmodells) In den vorherigen Kapiteln wurde herausgearbeitet, dass Datenübermittlungen auf Ersuchen einer Behörde zwei verschiedene Rechtsgrundlagen erfordern. Zum einen bedarf es einer Regelung des behördlichen Ersuchens, wodurch „die erste Tür“ zur Datenübermittlung geöffnet wird. Sodann ist eine Ermächtigungsgrund­ lage zur Öffnung der „zweiten Tür“, nämlich für die eigentliche Übermittlung der personenbezogenen Daten notwendig. Dies entspricht dem bundesverfassungs­ gerichtlichen Doppeltürmodell.1 In der strafbehördlichen Praxis und der insol­ venzstrafrechtlichen Literatur wird die Frage nach der Zulässigkeit der staats­ anwaltschaftlichen Beiziehung und Auswertung der Akten aus dem Insolvenz­ verfahren über das Vermögen des Betroffenen wenig problematisiert. Wird die Thematik doch einmal aufgeworfen, erfolgt soweit ersichtlich ausschließlich eine Diskussion der „ersten Tür“, also der Rechtsgrundlage für das staatsanwaltschaft­ liche Handeln. Das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage für die Insolvenz­ gerichte zur Gewährung von Akteneinsicht wurde dagegen bislang vollständig ausgeklammert. Dies verwundert, da die Auswertung der Insolvenzakten das wichtigste Instrument der strafverfolgungsbehördlichen Ermittlungen in Insol­ venzsachen darstellt. Übermittelt das Insolvenzgericht die Akten aus dem Insol­ venzverfahren, so liegt hierin jedoch eine zweckändernde Verwendung personen­ bezogener Daten.2 Die aus den Akten entnehmbaren personenbezogenen Daten wurden zu einem Zeitpunkt erhoben, in dem in der Regel noch kein strafprozes­ sualer Anfangsverdacht vorlag.3 Gemäß des Doppeltürmodells des BVerfG be­ darf deshalb auch die Aktenüberlassung als Eingriff in das Grundrecht auf infor­ mationelle Selbstbestimmung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

1 

BVerfGE 130, 151, 184; Vgl. hierzu 1. Kap. B.III.2. Vgl. 1. Kap. B.II.1.b)bb). 3  Hefendehl GA 2011, 209, 223. 2 

200

4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

A. Status quo Für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit existieren zwei Regelungen für die Übermittlung personenbezogener Daten aus gerichtlichen und behördlichen Verfahren: Dies sind zum einen die im Rahmen des JuMiG eingeführten Vor­ schriften über die verfahrensübergreifenden Datenübermittlungen von Amts we­ gen. Diese betreffen die Übermittlung personenbezogener Daten sowohl aus zi­ vil- und strafgerichtlichen Verfahren sowie aus staatsanwaltschaftlichen Ermitt­ lungsverfahren. Empfänger der Mitteilungen nach den §§  12 ff. EGGVG können auch die Staatsanwaltschaften sein. Die Regelungen beschränken sich aber auf die von Amts wegen gebotene Datenübermittlung und treffen keine Aussagen über die Zulässigkeit der Datenverwendung auf Ersuchen.4 Zum anderen re­ geln die §§  474 ff. StPO für Daten, die aus einem Strafverfahren stammen, die Voraussetzungen der Gewährung von Akteneinsicht bzw. Auskünften aus Akten auf Ersuchen einer dritten Stelle.5 Bei der ersuchenden Stelle kann es sich auch um eine Staatsanwaltschaft handeln.6 Die Vorschriften bieten jedoch wiederum keine Grundlage für die Einsichtnahme in zivilrechtliche Verfahrensakten.

I. §  299 Abs.  2 ZPO Eine Befugnis zur Gewährung von Akteneinsicht gegenüber der Staatsanwalt­ schaft als ersuchender Stelle könnte sich aus §  299 Abs.  2 ZPO ergeben. Danach kann der Vorstand des Gerichts dritten Personen auch ohne Einwilligung der Parteien Akteneinsicht gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft ge­ macht wird. Vereinzelt wird die Vorschrift auch auf behördliche Akteneinsichts­ gesuche angewendet.7 Hiergegen sprechen allerdings der klare Wortlaut der Vor­ schrift („Personen“) sowie das nicht der Systematik der Regelung entsprechende Gleichordnungsverhältnis von Behörden untereinander.8 Der überwiegenden Ansicht, die eine Anwendung des §  299 Abs.  2 ZPO auf Behörden ablehnt, ist daher zuzustimmen.9

4 

Hierzu bereits ausführlich 3. Kap A.I.3. Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StÄVG 1999) v. 2.8.2000, BGBl I S.  1253. 6  KK/Gieg StPO §  474 Rn  1. 7  So etwa Stein/Jonas/Thole ZPO §  299 Rn  22; BeckOK/Bacher ZPO §  299 Rn  37. 8  Vgl. hierzu 3. Kap. A.I.2. 9  BVerfG NJW 2015, 610, 611; MüKo/Prütting ZPO §  299 Rn  20; Musielak/Voit/Huber ZPO §  299 Rn  3. 5 

A. Status quo

201

II. Datenschutzgesetze Eine taugliche Ermächtigung für die Akteneinsichtsgewährung durch die Insol­ venzgerichte könnte sich auch in den Datenschutzregelungen finden. Nach der alten Gesetzeslage wurde mitunter angenommen, dass sich die zwischenbehörd­ liche Datenübermittlung auf Ersuchen nach den jeweils einschlägigen Daten­ schutzgesetzen des Bundes bzw. der Länder richtet.10 Möglicherweise ist dieser Ansatz seit dem Inkrafttreten der Datenschutz­ Grundverordnung (DS-GVO) am 25. Mai 2018 überholt.11 Die DS-GVO gilt in den Mitgliedsstaaten unmittelbar (Art.  99 Abs.  2 DS-GVO) und genießt Anwen­ dungsvorrang gegenüber nationalem Recht.12 Auf die Datenverarbeitung seitens der Insolvenzgerichte findet sie – anders als bei den Staatsanwaltschaften13 – An­ wendung.14 Denn der Zweck der Erhebung der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners durch die Insolvenzgerichte liegt in der Durchführung des Insolvenzverfahrens. Die Erhebung erfolgt somit nicht zum Zwecke der Verhü­ tung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten i. S. v. Art.  2 Abs.  2 lit.  D DS-GVO. Die DS-GVO enthält selbst keine spezifische Regelung zur zwi­ schenbehördlichen Datenübermittlung auf Ersuchen.15 Zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die mit einer Zweckumwandlung verbunden ist, ver­ hält sie sich in Art.  6 Abs.  4 DS-GVO. Danach ist die Verarbeitung zu einem anderen Zweck, als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, unter anderem dann zulässig, wenn sie auf einer Rechtsvorschrift des jeweiligen Mit­ gliedsstaats beruht, die in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Art.  23 Abs.  1 DS-GVO ge­ nannten Ziele darstellt. Zu diesen Zielen gehört gemäß Art.  23 Abs.  1 lit.  d) DSGVO auch die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung sowie die Verfolgung von Straftaten. Rechtsvorschriften, die diesen Auftrag umsetzen, finden sich im Bun­ desdatenschutzgesetz16 sowie in den landesrechtlichen Datenschutzgesetzen. Gemäß §  25 Abs.  1 i. V. m. §  23 Abs.  1 Nr.  4 BDSG ist die Übermittlung perso­ nenbezogener Daten zwischen öffentlichen Stellen zulässig, wenn sie zur Erfül­ lung der in der Zuständigkeit der übermittelnden oder der empfangenden Stelle 10 

So etwa OLG Düsseldorf, Beschluss v. 6.10.2015 – I-3 VA 2/09. Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverord­ nung), ABl. Nr. L 119/1, ber. ABl. Nr. L 314/72 und ABl. 2018 Nr. L 127/2. 12  Hierzu grdl. EuGH, C-6/64, Slg. 1964, 1251, 1269 f. – Costa/E. N. E. L. 13  Vgl. hierzu 3. Kap. A.I.4. 14  Ory/Weth NJW 2018, 2829, 2830. 15  BeckOK/Aßhoff DatenSR §  25 BDSG Rn Vor 1. 16  BeckOK/Aßhoff DatenSR §  25 BDSG Rn Vor 1. 11 

202

4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

liegenden Aufgaben, hier zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. Folglich könnte sich aus §§  23, 25 BDSG eine einfach-gesetzliche Grundlage für die Ge­ währung von Akteneinsicht an die Staatsanwaltschaften ergeben. Hierzu müss­ ten die Vorschriften des BDSG jedoch überhaupt anwendbar sein. Bei den hier maßgeblichen Insolvenzgerichten handelt es sich um öffentliche Stellen der Län­ der. Die Gerichtsorganisation ist in Deutschland – außer im Hinblick auf die im Grundgesetz aufgeführten obersten Bundesgerichte sowie das Bundesverfas­ sungsgericht – gemäß Art.  30, 92 GG Sache der Länder.17 Als solche sind somit auch die Amtsgerichte, deren Zuständigkeit als Insolvenzgerichte sich nach §  2 Abs.  1 InsO ergibt, öffentliche Stellen der Länder. Gemäß §  1 Abs.  1 Nr.  2 BDSG gilt das Gesetz für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder nur, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz gere­ gelt ist. Jedoch haben alle Bundesländer entsprechende Datenschutzregelungen in ihre Landesgesetze aufgenommen, sodass insofern für Handlungen der Lan­ desbehörden ein Rückgriff auf die Vorschriften des BDSG nicht zulässig ist.18 Eine Ermächtigungsgrundlage kann sich daher einzig aus den jeweiligen Da­ tenschutzgesetzen der Länder ergeben. Vorschriften mit einem dem §  23 Abs.  1 Nr.  4 BDSG vergleichbaren Regelungsinhalt finden sich in sämtlichen Landes­ datenschutzgesetzen: §  5 Abs.  1 Nr.  3 LDSG BW, Art.  6 Abs.  2 Nr.  3 lit.  b BayDSG, §  15 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 BlnDSG, §  6 Abs.  1 Nr.  3 BbgDSG, §  4 Abs.  1 Nr.  3 BremDSGVOAG, §  6 Abs.  2 Nr.  3 HmbDSG, §  21 Abs.  1 Nr.  4 HDSG, §  4 Abs.  2 Nr.  2 DSG M-V, §  5 Abs.  1 S.  1 NDSG, §  9 Abs.  2 DSG NRW, §  7 Abs.  1 Nr.  4 LDSG RLP, §  7 Abs.  2 Nr.  4 SDSG, §  4 Abs.  2 Nr.  3 SächsDSDG, §  10 Abs.  2 Nr.  7 DSG LSA, §  4 Abs.  1 Nr.  2 LDSG SH sowie §  17 Abs.  2 S.  1 Nr.  2 ThürDSG regeln für die öffentlichen Stellen der Länder die Voraussetzungen, unter denen die Datenverarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, für den die Daten erhoben wurden, zulässig ist. Größtenteils erfassen die landes­ rechtlichen Regelungen die Übermittlung von personenbezogenen Daten als Un­ terfall der „Verarbeitung“.19 Vereinzelt wurde nach dem Vorbild des Bundesge­ setzes für die Übermittlung eine gesonderte Regelung geschaffen.20 Nahezu sämtliche Landesdatenschutzgesetze lassen die Zweckumwandlung personen­ bezogener Daten unter anderem zu, wenn dies für die Zwecke der Strafverfol­ gung erforderlich ist. Einzig in den Datenschutzgesetzen der Länder Rheinland-­ Pfalz, Saarland und Brandenburg wird die Zulässigkeit an die „Gebotenheit“ für 17 

BVerfGE 24, 155, 167. Paal/Pauly/Ernst DS-GVO BDSG §  1 BDSG Rn  4. 19  So in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nord­ rhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. 20  So in §  6 Abs.  1 Nr.  1 LDSG BW, Art.  5 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 BayDSG, §  22 Abs.  1 S.  1 HDSG, §  5 Abs.  1 S.  1 NDSG. 18 

A. Status quo

203

Zwecke der Strafverfolgung gebunden. Wendet sich eine Staatsanwaltschaft mit einem Akteneinsichtsersuchen gemäß §  161 Abs.  1 S.  1 StPO an das zuständige Insolvenzgericht, weil es die Einsichtnahme in die Insolvenzakten zur Durchfüh­ rung eines Ermittlungsverfahrens benötigt, so ließe sich das Merkmal der Erfor­ derlichkeit zur Verfolgung von Straftaten bejahen. Die Übermittlung personen­ bezogener Daten wäre für die datenerhebende Behörde in solchen Fällen daher zulässig. Da an die Gebotenheit weniger strenge Anforderungen zu stellen sind als an die Erforderlichkeit, würde dies auch für die Insolvenzgerichte in Rhein­ land-Pfalz, Saarland und Brandenburg gelten. Fraglich ist jedoch auch an dieser Stelle,21 ob auf Landesebene durch die verschiedenen Datenschutzgesetze zusätzliche Befugnisse für öffentliche Stellen geschaffen werden können, wenn hinsichtlich ihres Regelungsbereichs eine Ge­ setzgebungszuständigkeit des Bundes besteht. Bei der zu betrachtenden öffent­ lichen Stelle handelt es sich vorliegend um die Gerichte. Das gerichtliche Verfah­ ren fällt unter die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art.  74 Abs.  1 Nr.  1 GG.22 Die Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafoder Zivilverfahren ist Annex zum gerichtlichen oder staatsanwaltschaft­lichen Verfahren.23 Dies gilt auch, sofern es sich um Handlungen der Justizverwaltung handelt. Die Länder haben auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung die Kompetenz zur eigenen Rechtssetzung nur, soweit und solange der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Das gerichtliche Verfahren wurde vom Bundesgesetzgeber abschließend geregelt.24 Für den Um­ gang mit personenbezogenen Daten, die aus Zivilverfahren stammen, hat der Bundesgesetzgeber bislang nur Regelungen zur Übermittlung von Amts wegen getroffen (§§  12 ff. EGGVG). Er ging dabei zwar ausdrücklich davon aus, dass die Übermittlung auf Ersuchen in den jeweiligen – bundesgesetzlichen – Verfah­ rensordnungen geregelt sei.25 Eine solche Regelung existiert für Insolvenzver­ fahren jedoch bislang nicht. Die Länder können mangels bundesrechtlicher Re­ gelung für ihre Gerichte im Bereich der Justizverwaltung somit eigene Befugnis­ se zur Übermittlung personenbezogener Daten schaffen. Jedoch gewähren die genannten Vorschriften ihrem Wortlaut nach kein Recht zur Akteneinsicht bzw. zur Übersendung ganzer Akten, sondern enthalten ledig­ lich eine Befugnis zur Übermittlung einzelner personenbezogener Daten. Das durch die Landesdatenschutzgesetze gewährte Recht ist somit deutlich enger for­ 21 

Zur ähnlichen Problematik im Zusammenhang mit der staatsanwaltschaftlichen Er­ mächtigung vgl. 3. Kap.A.I.4. 22  Sachs/Degenhart GG Art.  74 Rn  25. 23  BT-Drs 13/4709, 18. 24  Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, §  135 Rn  203. 25  BT-Drs 13/4709, 17.

204

4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

muliert als etwa die Regelung des §  474 StPO, die ausdrücklich den Begriff der Akteneinsicht verwendet. In einer Verfahrensakte sind in der Regel nicht nur die personenbezogenen Daten eines einzelnen Betroffenen, sondern darüberhinaus Informationen und Daten weiterer Prozessbeteiligter enthalten. Der Begriff der „Übermittlung“ personenbezogener Daten bringt zum Ausdruck, dass die Daten von der übermittelnden Stelle ausgewählt und an die ersuchende Behörde weiter­ gegeben werden. Bei der Aktenbeiziehung hingegen erhält die ersuchende Stelle selbst Zugriff auf sämtliche in der Akte enthaltenen Informationen. Dies spricht gegen eine Subsumierbarkeit der Akteneinsichtsgewährung unter den Begriff der „Übermittlung“ in den Landesdatenschutzregelungen. Die Vorschriften sind zu­ dem nicht geeignet, eine abgewogene Grundlage für die gerichtliche Handha­ bung der Akteneinsicht darzustellen. Denn eine außerhalb der jeweiligen Verfah­ rensordnung stehende Regelung, welche losgelöst vom betreffenden Verfahren die Voraussetzungen der Einsichtnahme in Akten bestimmt, verspricht kaum Potenzial zur Begrenzung im Umgang mit personenbezogenen Daten. Zudem lässt sich die Beachtung spezieller Verwendungsregelungen auf diese Weise nicht sicherstellen. Die aufgelisteten Regelungen der Landesdatenschutzgesetze stellen zwar folglich taugliche Ermächtigungsgrundlagen für die Übermittlung personenbe­ zogener Daten auch auf behördliches Ersuchen hin dar. Diese Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf die Gewährung von Akteneinsicht bzw. die Übersendung ganzer Akten zur Auswertung für die Zwecke der Strafverfolgung.

III. Informationshilfe Mitunter wird die Ermächtigung zur Gewährung einer Einsichtnahme in zivil­ rechtliche Verfahrensakten im Amtshilfegrundsatz, Art.  35 Abs.  1 GG, gesehen.26 Wie alle Gerichte sind auch die Insolvenzgerichte gegenüber den Staatsanwalt­ schaften zur Amtshilfe verpflichtet. In Konkretisierung des Amtshilfebegriffs spricht man von Informationshilfe, wenn personenbezogene Daten oder sonstige Informationen auf Ersuchen einer Behörde einer anderen Behörde übermittelt werden.27 Dies bedarf jedoch entsprechend der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben einer bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage.28 Ohne einfach-­ gesetzliche Ausgestaltung bietet der verfassungsrechtlich verankerte Amtshilfe­ grundsatz daher keine ausreichende Grundlage für die Gewährung von Aktenein­ 26  OLG Düsseldorf BeckRS 2008, 09037; KG BeckRS 2014, 11678; MüKo/Prütting ZPO §  299 Rn  20; Zöller/Greger ZPO §  299 Rn  8. 27  Mann/Sennekamp/Uechtritz/Shirvani VwVfG §  4 Rn  51. 28  BVerfGE 65, 1, 46. Vgl. 1. Kap. A.III.2. sowie zur parallelen Problematik beim staats­ anwaltschaftlichen Ersuchen 3. Kap. A.I.1.

A. Status quo

205

sicht aus dem Insolvenzverfahren.29 Aus diesem Grund kann zur Konkretisierung der Amtshilfe auch nicht auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden.30 Zwar ist es richtig, dass die Gewährung von Akteneinsicht im Wege der Amts­ hilfe nur zulässig sein kann, soweit ihr ein „gesetzmäßiges“ Ersuchen sowie ein legitimer Zweck zugrunde liegen,31 jedoch ist dies im Hinblick auf die verfas­ sungsrechtlichen Anforderungen im Rahmen von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG keineswegs ausreichend.

IV. §  156 GVG Möglicherweise kann die in §  156 GVG normierte Rechtshilfepflicht als Er­ mächtigung zur Übermittlung personenbezogener Daten zum Zweck strafrecht­ licher Ermittlungsverfahren herangezogen werden. Gemäß §  156 GVG haben sich die Gerichte in Zivil- und Strafsachen Rechtshilfe zu leisten. Die Rechts­ hilfe ist somit ein Teilbereich der durch Art.  35 Abs.  1 GG festgelegten allgemei­ nen Pflicht der Behörden, sich gegenseitig Amts- und Rechtshilfe zu leisten.32 Die Pflicht trifft alle Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit.33 Die Vorschrift lässt sich hingegen nicht auf das Verhältnis zwischen Gericht und Staatsanwalt­ schaft anwenden.34 Es ließe sich erwägen, dass es den Staatsanwaltschaften freistünde, sich ge­ mäß §  162 StPO an den zuständigen Ermittlungsrichter zu wenden, der sodann auf Grundlage des §  156 GVG beim Insolvenzgericht um die Übermittlung der Verfahrensakten ersucht. Denn Handlungen des Ermittlungsrichters unterfallen grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Rechtshilfe. In Strafsachen be­ schränkt sich die Geltung des §  156 GVG nicht auf das Eröffnungs- und das Hauptverfahren. Der Rechtshilfegrundsatz besteht auch im Ermittlungsverfah­ ren.35 Jedoch ist die Einschlägigkeit der Rechtshilfenorm nicht allein davon abhängig, dass die betreffenden Ersuche von einem Gericht stammen. Darüber­ hinaus bestimmt sich die rechtliche Qualität einer hilfeleistenden Handlung zwi­ schen Gerichten nach der Natur ihres Inhalts. Rechtshilfe liegt vor, wenn es sich um eine gerichtliche Tätigkeit handelt, die dem Schutz der richterlichen Unab­ 29  BVerfG NJW 2015, 610, 612; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 6.10.2015 – I-3 VA 2/09; BeckOK/Bacher ZPO §  299 Rn  37; a. A. OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1871, 1872; KG Beck­ RS 2014, 11678; MüKo/Prütting ZPO §  299 Rn  20; Zöller/Greger ZPO §  299 Rn  8. 30  A. A. Zipperer NZI 2002, 244, 245 f. 31  Zipperer NZI 2002, 244, 245 f. 32  Wieczorek/Schütze/Schreiber ZPO §  156 GVG Rn  1. 33  Wieczorek/Schütze/Schreiber ZPO §  156 GVG Rn  5. 34  Kissel/Mayer GVG §  156 Rn  48. 35  LR/Franke StPO §  156 GVG Rn  1.

206

4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

hängigkeit unterliegt.36 Kein Fall der Rechtshilfe, sondern der Amtshilfe ist dagegen das Erteilen einer Auskunft oder die Gewährung von Akteneinsicht.37 Selbst wenn man ein Aktenbeiziehungsersuchen durch die Person des Ermitt­ lungsrichters konstruieren würde, würde sich aus §  156 GVG daher keine Befug­ nis des Insolvenzgerichts zur Aktenüberlassung ergeben.

V. Fazit Vorschriften für die Übermittlung personenbezogener Daten aus Insolvenzver­ fahren auf (staatsanwaltschaftliche) Ersuchen existieren bislang nicht.38 Der Ge­ setzgeber ging bei Erlass des JuMiG davon aus, dass die Übermittlung personen­ bezogener Daten auf Ersuchen in den jeweiligen Verfahrensgesetzen geregelt sei.39 Die einzige Vorschrift, die eine Einsichtnahme in zivilrechtliche Verfah­ rensakten auf Ersuchen regelt, ist jedoch §  299 Abs.  2 ZPO und gewährt kein Einsichtsrecht für am Verfahren unbeteiligte Behörden, sondern nur für Private. Für den Zugriff auf Daten aus Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf Ersuchen besteht somit – mit Ausnahme der Strafverfahren – eine Regelungs­ lücke. Es herrscht folglich Regelungsbedarf im Hinblick auf die Informations­ gewinnung der Staatsanwaltschaften. Dieser betrifft nicht nur den speziellen Be­ reich der Insolvenzverfahren, sondern zivilrechtliche Verfahren im Allgemeinen. Zivilverfahrensakten sind auch außerhalb der Insolvenzstrafverfahren häufig von Interesse für die Staatsanwaltschaften, so etwa bei (Prozess)Betrugsdelikten. Fo­ kus der vorliegenden Arbeit ist jedoch die Einsichtnahme in insolvenzrechtliche Verfahrensakten. Ein allgemeingültiger Entwurf für die Übermittlung personen­ bezogener Daten aus Zivilverfahren kann in dieser Dissertation nicht geleistet werden. Die folgenden Ausführungen widmen sich den besonderen Regelungs­ erfordernissen für Daten aus dem Insolvenzverfahren.

B. Lösungsansätze de lege lata? Es besteht kein Zweifel daran, dass eine Übermittlung personenbezogener Daten auch aus Zivilverfahren auf Ersuchen grundsätzlich zulässig sein muss, sofern bei anderen öffentlichen Stellen ein entsprechender Informationsbedarf besteht. Dies gilt auch für Daten und Erkenntnisse aus Insolvenzverfahren. Die Bedürf­ 36 

Wieczorek/Schütze/Schreiber ZPO §  156 GVG Rn  2. BGH NJW 1969, 1302, 1303; Holch ZZP 87 (1974), 14, 15. 38  So auch Rein FS-Vallender, 471, 488. 39  BT-Drs 13/4709, 17. 37 

B. Lösungsansätze de lege lata?

207

nisse einer wirksamen Strafverfolgung40 und das Interesse einer funktionstüchti­ gen Strafrechtspflege41 gebieten es, dass die Staatsanwaltschaften nicht ver­ pflichtet sein können, sämtliche Daten erneut selbst zu erheben, die bereits Ge­ genstand eines früheren Gerichtsverfahrens waren. Im vorangehenden Kapitel wurde festgestellt, dass die Staatsanwaltschaften im Rahmen eines laufenden Ermittlungsverfahrens befugt sind, die Insolvenzgerichte um Einsicht in die In­ solvenzakten zu ersuchen. Erhält eine Behörde ein Ersuchen um Akteneinsicht i. S. v. §  161 Abs.  1 S.  1 StPO, so ist sie der Staatsanwaltschaft grundsätzlich zur Überlassung der Akten verpflichtet.42 Besteht einerseits eine solche Verpflich­ tung, so muss es der übermittelnden Behörde nach ihrer jeweiligen Verfahrens­ ordnung zwingend auch gestattet sein, dieser Pflicht nachzukommen.

I. „Annexermächtigung“ gemäß §  161 Abs.  1 S.  1 StPO Erkennt man eine Pflicht der ersuchten Behörde an, dem Gesuch der Staatsan­ waltschaft um Akteneinsicht nachzukommen, so könnte man die Ermächtigungs­ grundlage dieses Handelns in derjenigen Vorschrift sehen, aus der die Pflicht re­ sultiert. Denn die übermittelnde Behörde handelt insofern lediglich im Rahmen der ihr durch §  161 Abs.  1 S.  1 StPO auferlegten Verpflichtung. Grundsätzlich ist es dem Gesetzgeber unbenommen, sowohl die Ermächti­ gung für das Übermittlungsersuchen als auch die Befugnis zur Übermittlung selbst, in ein und derselben Vorschriften zu regeln.43 Dies kann jedoch nur mög­ lich sein, sofern sich die Befugnisse und Verpflichtungen sowohl des Auskunfts­ berechtigten als auch des -verpflichteten nach der gleichen Verfahrensordnung richten. Handelt es sich hingegen wie vorliegend um Behörden aus zwei unter­ schiedlichen Verfahrensbereichen, so ist jeweils eine bereichsspezifische Rege­ lung erforderlich. In der StPO können demnach keine Regelungen zu den Befug­ nissen der Insolvenzgerichte als Primärnutzer von Daten getroffen werden. Denn diese richten sich nach der Insolvenzordnung bzw. über §  4 InsO nach der Zivil­ prozessordnung. Die Ermittlungsgeneralklausel des §  161 Abs.  1 S.  1 StPO ent­ hält somit keine Ermächtigungsgrundlage für eine Datenübermittlung bzw. eine Akteneinsichtsgewährung seitens der Insolvenzgerichte.44 Die sich aus ihr er­

40 

BVerfGE 19, 342, 347. BVerfG NStZ 1984, 228, 228; NJW 1980, 1448, 1449; BVerfGE 20, 162, 213. 42  OLG Karlsruhe NJW 1986, 145, 146. 43  BVerfGE 130, 151, 184. 44  Abl. gegenüber der Heranziehung von §  161 StPO als Grundlage für die Datenübermitt­ lung der ersuchten Behörde im Kontext der Nachrichtendienste auch Gazeas Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehörden, 501 ff. 41 

208

4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

gebende Auskunftsverpflichtung betont lediglich das Regelungsbedürfnis einer solchen einfach-gesetzlich ausgestalteten Grundlage.

II. §§  12 ff. EGGVG analog De lege lata kommt eine Lösung über eine analoge Anwendung der Vorschriften des Zweiten Abschnitts des EGGVG in Betracht. Sofern die dort niedergelegten Gründe für eine Übermittlung von Amts wegen vorliegen, könnten die Informa­ tionen auch auf die Anfrage einer Behörde hin zu erteilen sein.45 Vom Wortlaut der Vorschriften ist ein solches Verständnis nicht gedeckt. Dieser bildet jedoch die Grenze jeder Auslegung.46 Eine analoge Anwendung der §§  12 ff. EGGVG setzt voraus, dass die Vorschriften analogiefähig sind, einen mit der Datenüber­ mittlung auf Ersuchen vergleichbaren Sachverhalt regeln und zudem eine plan­ widrige Regelungslücke besteht. 1. Analogiefähigkeit Eine analoge Anwendbarkeit der §§  12 ff. EGGVG setzt zunächst voraus, dass die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des EGGVG analogiefähig sind. Analo­ giefähig sind alle Rechtsnormen, deren Tatbestand den Anwendungsbereich der angeordneten Rechtsfolge nicht abschließend beschreibt.47 Eine Analogie kommt dagegen nicht in Betracht, sofern sich ergibt, dass die Rechtsfolgen nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich in den im Tatbestand beschriebenen Fällen eintreten sollen.48 Die §§  13 ff. EGGVG sind als Katalogtatbestände aufgebaut, welche die möglichen Anlässe für eine Datenübermittlung regeln. Diese stellen abschließende Regelungen dar.49 Bezüglich der Gründe für eine Datenübermitt­ lung sind die Vorschriften daher nicht analogiefähig. Etwas anderes könnte je­ doch für ihren Anwendungsbereich gelten. Die Vorschriften regeln gemäß §  12 Abs.  1 EGGVG ausschließlich die Übermittlungen von Amts wegen. Auf Grund­ lage eines objektiven Gesetzesverständnisses ist es für die Beurteilung der Ana­ logiefähigkeit einer Norm von Bedeutung, ob die Rechtsfortbildung gegen die Wertungen der positiven Rechtsordnung verstoßen würde.50 Legt man dagegen ein subjektives Gesetzesverständnis zugrunde, kommt es maßgeblich auf den 45  OLG Brandenburg NZI 2003, 36, 37; MüKo/Wolff ZPO §  12 EGGVG Rn  15; a. A. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 6.10.2015 – I-3 VA 2/09. 46  Canaris Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 23. 47  Luther Jura 2013, 449, 450. 48  Luther Jura 2013, 449, 450. 49  MüKo/Ellbogen StPO §  13 EGGVG Rn  1; §  17 EGGVG Rn  1. 50  Larenz/Canaris Methodenlehre, 250 f.; Bender MDR 1959, 441, 446 f.

B. Lösungsansätze de lege lata?

209

Willen des Gesetzgebers an.51 Demnach wäre die Analogiefähigkeit bereits zu verneinen, wenn Datenübermittlungen auf Ersuchen nach dem Willen des Ge­ setzgebers ausgeschlossen werden sollten. Laut der Gesetzesbegründung zum JuMiG ging der Gesetzgeber davon aus, dass Datenübermittlungen auf Ersuchen einer öffentlichen Stelle in den jeweiligen Verfahrensordnungen geregelt seien.52 Hingegen wurde nicht zum Ausdruck gebracht, dass diese Form der Übermitt­ lung personenbezogener Daten grundsätzlich unzulässig sein soll. Vielmehr ging man offensichtlich gerade von einer grundsätzlichen Zulässigkeit aus. Selbst nach dem – insofern strengeren subjektiven Gesetzesverständnis – stellen sich die §§  12 ff. EGGVG somit als analogiefähig dar. 2. Vergleichbarkeit der Sachverhalte Des Weiteren würde eine Analogiebildung voraussetzen, dass bezüglich der Da­ tenübermittlungen auf Ersuchen eine vergleichbare Interessenlage besteht.53 Für eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte müsste davon auszugehen sein, dass der Gesetzgeber bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen leiten ließe wie bei dem Erlass der einschlägigen EGGVG-Vor­ schriften, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen wäre.54 In §  13 Abs.  1 EGGVG ist die Zulässigkeit von Datenübermittlungen für Fälle geregelt, in de­ nen der Gesetzgeber von einem herabgesetzten schutzwürdigen Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten ausgeht.55 Die dort aufgeführten Konstellationen eignen sich für eine analoge Anwendung auf die vorliegende Fragestellung nicht, da die dortigen Tatbestände inhaltlich nicht passen. Anknüpfungspunkt könnte jedoch §  13 Abs.  2 i. V. m. §  17 Nr.  1 EGGVG sein. Dieser enthält die Befugnis der Gerichte und Staatsanwaltschaften zur Übermittlung personenbezogener Daten, wenn und soweit die Kenntnis zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist und nicht für die übermittelnde Stelle offensichtlich ist, dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen an dem Aus­ schluss der Übermittlung überwiegen. Da es sich um die Regelung der Übermitt­ lung von Amts wegen handelt, ist gemäß §  17 EGGVG hinsichtlich der Erforder­ lichkeit die Einschätzung der übermittelnden Stelle maßgeblich. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei verständiger Würdigung eine Übermittlung auch dann für zulässig erachten würde, wenn der Impuls nicht von den übermittelnden Gerichten, sondern von den ermittelnden Staatsanwalt­ 51 

Für dieses Gesetzesverständnis Hillgruber JZ 1996, 118, 119 f. BT-Drs 13/4709, 17. 53  BGH NJW 2003, 2601, 2603; Würdiger AcP 206 (2006), 946, 949. 54  BGH NJW 2003, 1932, 1933. 55  Vgl. hierzu bereits 2. Kap. A.II.3. 52 

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4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

schaften ausgeht.56 Wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzdelikten eingeleitet und teilt die zuständige Staatsanwaltschaft dies dem Insolvenzgericht verbunden mit der Bitte um die Mitteilung personenbezogener Daten mit, so unterscheidet sich diese Situation nicht grundsätzlich von der in §  13 Abs.  2 i. V. m. §  17 Nr.  1 EGGVG geregelten. Eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist demnach gegeben. 3. Planwidrige Regelungslücke Schließlich müsste hinsichtlich der Übermittlung personenbezogener Daten auf Ersuchen seitens öffentlicher Stellen eine Regelungslücke bestehen, die zudem planwidrig ist. Nach dem Volkszählungsurteil des BVerfG im Jahre 1983 wurden zwischenbehördliche Datenübermittlungen in einigen Bereichen gesetzlich gere­ gelt. Für den Zugriff auf Daten aus Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf Ersuchen ist jedoch – mit Ausnahme der Strafverfahren – keine gesetzliche Normierung vorhanden. Somit besteht diesbezüglich eine Regelungslücke.57 Der Gesetzgeber ging bei der Einführung des JuMiG ausdrücklich davon aus, dass solche Regelungen in den jeweiligen Verfahrensordnungen existieren.58 Die Re­ gelungslücke ist somit planwidrig. 4. Rechtsfolge: Gewährung von Akteneinsicht? Soeben wurde festgestellt, dass die Vorschriften der §§  12 ff. EGGVG neben der gesetzlichen Befugnis, die Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. über die Verfahrensabweisung man­ gels Masse zu informieren, in analoger Anwendung auch die Erlaubnis enthalten, entsprechende Auskünfte auf Ersuchen der Staatsanwaltschaften zu erteilen. Da­ durch wurde jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, ob hiervon auch die Gewährung von Akteneinsicht umfasst ist. Denn die Vorschriften der §§  12 ff. EGGVG gewähren kein Akteneinsichts­ recht bzw. kein Recht zur Übersendung ganzer Akten, sondern enthalten lediglich eine Befugnis zur Übermittlung einzelner personenbezogener Daten. Zwar kön­ nen gemäß §  18 Abs.  1 EGGVG unter bestimmten Voraussetzungen auch perso­ nenbezogene Daten Dritter oder weitere Daten des Betroffenen mitübersandt werden. Die Zurverfügungstellung des gesamten Akteninhalts ist aufgrund des 56  A. A. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 6.10.2015 – I-3 VA 2/09, das die Erforderlichkeit der Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von ersuchender und übermittelnder Behörde in den Vordergrund stellt. 57  Vgl. 4. Kap. A; a. A. Rein NJW-Spezial 2012, 213, 213; Rein FS-Vallender, 471, 476. 58  BT-Drs 13/4709, 17.

B. Lösungsansätze de lege lata?

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strengen Erforderlichkeitsgrundsatzes jedoch regelmäßig nicht angebracht.59 Der Umfang des nach dem EGGVG gewährten Rechts ist deutlich enger formuliert als etwa bei der Regelung des §  474 StPO, welche ausdrücklich ein Aktenein­ sichtsrecht der ersuchenden Behörde normiert. Es könnte eingewendet werden, dass der Erforderlichkeitsmaßstab angesichts des erfolgten Übermittlungsersu­ chens anders ausfalle. Schließlich hat die ersuchte Behörde im Gegensatz zur von Amts wegen übermittelnden Stelle Kenntnis davon, dass eine andere öffent­ liche Stelle Interesse an personenbezogenen Daten aus ihrem Verfahren hat. Regt eine Staatsanwaltschaft die Übermittlung für die Zwecke der Strafverfolgung an, so kann die übermittelnde Stelle darauf schließen, dass eine möglichst umfang­ reiche Kenntnis des Verfahrensinhalts erforderlich ist. Unter diesem Gesichts­ punkt käme in einem solchen Fall eventuell doch die Übersendung des gesamten Akteninhalts in Frage. Eine solch extensive Auslegung des §  18 EGGVG steht jedoch im Widerspruch zu dem den Vorschriften innewohnenden Leitbild der Datensparsamkeit. Im Be­ reich des eigentlichen Anwendungsbereichs der Regelungen ist lediglich die Mit­ teilung einzelner personenbezogener Daten zulässig. Es würde den bundesverfas­ sungsgerichtlichen Vorgaben nicht entsprechen, ließe man die Übersendung gan­ zer Aktenteile im Zuge einer analogen Anwendung der Vorschriften zu. Denn die Gewährung von Akteneinsicht greift wesentlich stärker in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein als die Übermittlung einzelner Daten. Hier besteht deshalb umso mehr das Erfordernis einer bereichsspezifischen Regelung, die eine Berücksichtigung der jeweils einschlägigen Schutzvorschriften ermög­ licht. Dass ein qualitativer Unterschied zwischen der Gewährung von Aktenein­ sicht einerseits und der Auskunft aus Akten bzw. der Übermittlung personenbezo­ gener Daten andererseits besteht, zeigt die Systematik der §§  474 ff. StPO. Wäh­ rend §  474 Abs.  1 StPO die Einsicht in Akten auf Ersuchen anderer Behörden regelt, lässt §  474 Abs.  2 Nr.  2 StPO für Fälle, in denen nach einer Übermittlung von Amts wegen die Übermittlung weiterer Daten zur Aufgabenerfüllung erfor­ derlich ist, lediglich die Gewährung von Auskünften aus Akten zu. Die mit der vorliegenden Situation vergleichbare Regelung für Datenübermittlungen aus Strafakten geht somit ebenfalls davon aus, dass Daten zunächst nur in möglichst geringem Umfang weitergegeben werden sollen. Auch wenn eine analoge Anwendung der §§  12 ff. EGGVG auf Datenüber­ mittlungen nach Ersuchen einer öffentlichen Stelle grundsätzlich möglich er­ scheint, gewährt auch dies den Insolvenzgerichten keine ausreichende Ermäch­ tigungsgrundlage zur Übersendung der vollständigen Insolvenzakten an die Staatsanwaltschaften. 59 

MüKo/Pabst ZPO §  18 EGGVG Rn  3.

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4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

III. Fazit Auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage ist den (Insolvenz)gerichten die Ge­ währung von Akteneinsicht gegenüber anderen öffentlichen Stellen verwehrt. Die derzeitige Praxis ist somit verfassungswidrig. Sofern sich das behördliche Begehren auf zivilrechtliche Verfahrensakten richtet, kann nicht auf speziell ge­ schaffene Ermächtigungsnormen zurückgegriffen werden, welche die Vorausset­ zungen der Gewährung von Akteneinsicht regeln. Denn solche existieren bislang nicht. Es mangelt folglich an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Diese Lücke kann auch nicht durch eine analoge Anwendung der Vorschriften der §§  12 ff. EGGVG geschlossen werden. Da die Beiziehung und Einsichtnahme in verfahrensfremde Akten in zahlreichen zivil- und strafrechtlichen Verfahren Usus ist, ist es erstaunlich, dass das Fehlen einer entsprechenden Regelung bis­ lang nicht vertiefend problematisiert wurde.60 Es besteht jedoch unzweifelhaft das Bedürfnis, Akteneinsichtnahmen in Verfahren der ordentlichen Gerichtsbar­ keiten auch auf Ersuchen anderer Behörden zuzulassen.61 Deshalb soll im fol­ genden Abschnitt der Vorschlag einer Regelung für die Aktenweitergabe im Ver­ hältnis der Insolvenzgerichte zu den Staatsanwaltschaften gemacht werden.

C. Überlegungen de lege ferenda: Erfordernis einer Übermittlungsbefugnis der Insolvenzgerichte – Eigener Normierungsvorschlag I. Einleitung Zwischen der Übermittlung personenbezogener Daten und der Gewährung von Akteneinsicht besteht ein qualitativer Unterschied. Dies wird etwa an den Vor­ schriften der §§  474, 479 StPO deutlich, die hinsichtlich dieser Begrifflichkeiten unterscheiden. Die Überlassung vollständiger Akten an eine unbeteiligte Behörde zu einem anderen Zweck, als demjenigen, für den die Daten ursprünglich erhoben wurden, ist eingriffsintensiver als die Übermittlung einzelner personenbezogener Daten. Da hieran unter Umständen strengere Voraussetzungen zu knüpfen sind, eignet sich eine eigene Regelung besser als eine Erweiterung der einschlägigen Übermittlungsbefugnisse (Landesdatenschutzgesetze bzw. §§  12 ff. EGGVG ana­ 60  Das Fehlen einer Regelung für die behördliche Einsichtnnahme in Insolvenzakten be­ schäftigte bislang – soweit ersichtlich – nur Rein in NJW-Spezial 2012, 213, 213; FS-Vallender, 471, 476. BVerfG NJW 2015, 610, 612 betont das Erfordernis einer einfach-gesetzlichen Grundlage, ohne jedoch explizit eine Regelungslücke festzustellen. 61  So auch Rein FS-Vallender, 471, 488.

C. Überlegungen de lege ferenda

213

log) auf die Gewährung von Akteneinsichten. Eine umfassende Regelung, welche die Voraussetzungen einer Zugriffnahme der öffentlichen Stellen generell be­ stimmt, wäre sinnvoll. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist aber lediglich die Datenweitergabe gegenüber den Staatsanwaltschaften. Nur für diesen Bereich soll deshalb der Vorschlag einer Neuregelung formuliert werden. Eine Interes­ sensabwägung in Bezug auf andere öffentliche Stellen kann an dieser Stelle hin­ gegen seriöserweise nicht erfolgen.

II. Gesetzgebungskompetenz Die Einführung einer solchen Regelung fiele in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes. Diese ergibt sich aus Art.  74 Abs.  1 Nr.  1 GG. Danach hat der Bund auf dem Gebiet des gerichtlichen Verfahrens die konkurrierende Gesetzgebungs­ kompetenz inne. Dieser Kompetenztitel erfasst die Gesamtheit der Maßnahmen, die die verfahrensmäßige Behandlung von Angelegenheiten der Gerichte betref­ fen.62 Dies gilt auch für solche Aufgaben, die mit diesem Bereich in einem un­ trennbaren Zusammenhang stehen. Die Kompetenz erstreckt sich auch auf da­ tenschutzrechtliche Regelungen im Bereich des gerichtlichen Verfahrens.63 Hie­ runter fallen Bestimmungen über die Erhebung, Weitergabe und Verwendung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren. Dies gilt für den Datenaustausch zwischen Insolvenzgerichten und Strafver­ folgungsbehörden auch trotz des Umstandes, dass die Übermittlung der Daten mit einer Zweckumwandlung verbunden ist. Grundsätzlich ist bei der Zweckum­ wandlung von Daten umstritten, ob sich die Gesetzgebungskompetenz nach dem Zweck bestimmt, zu dem die Daten nach ihrer Übermittlung vom Sekundär­ nutzer verwendet werden oder nach dem Zweck, zu dem sie vom Primärnutzer erhoben wurden.64 Ein Problem hinsichtlich der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes dürfte sich jedoch aus zweierlei Hinsicht nicht stellen. Zum einen dürfte sich diese Problematik angesichts des „Doppeltürmodells“ des BVerfG65 geklärt haben. Danach ist auf Seiten des Primärnutzers eine Rechts­ grundlage zu schaffen, welche die Voraussetzungen einer zweckumwandelnden Datenweitergabe regelt.66 Die Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich dieser Frage kann nur bei dem Gesetzgeber liegen, dem die Regelung der Befugnisse des Pri­ märnutzers obliegt. Für die Ermächtigungsgrundlage auf Seiten des Sekundär­ nutzers, aus der sich die Modalitäten des Datenabrufs ergeben, ist hingegen der 62 

v. Münch/Kunig GG Art.  74 Rn  18. BT-Drs 14/1484, 18. 64  SK/Weßlau StPO Vor §  474 Rn  14. 65  BVerfGE 130, 151, 184. 66  BVerfGE 130, 151, 184. 63 

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4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

Gesetzgeber zuständig, der die Befugnisse des Sekundärnutzers regelt. Die vorlie­ gende Regelung betrifft den Bereich des Primärnutzers, nämlich des Insolvenz­ gerichts, das die personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners anlässlich des Insolvenzverfahrens erhoben hat. Die Gesetzgebungskompetenz für die Aufgaben und Befugnisse der Insolvenzgerichte liegt beim Bund.67 Zum anderen wäre selbst, wenn es auf die Seite des Sekundärnutzers ankäme, nicht die Gesetzgebungs­ zuständigkeit des Landesgesetzgebers begründet. Denn auch hinsichtlich der Re­ gelungen des Strafverfahrens liegt die Gesetzgebungskompetenz beim Bund.68

III. Regelungsstandort Eine Lozierung der Ermächtigungsgrundlage für Auskünfte aus Insolvenzverfah­ ren und die Gewährung von Akteineinsicht in Insolvenzakten kann sinnvollerwei­ se nur in der Insolvenzordnung erfolgen. Zwar handelt es sich beim Insolvenzver­ fahren um eine zivilrechtliche Streitigkeit. Gemäß §  4 InsO finden dementspre­ chend die Regelungen der Zivilprozessordnung sinngemäße Anwendung, soweit sich aus der InsO nichts anderes ergibt. Demnach wäre eine Normierung in der ZPO nicht ausgeschlossen. Eine solche Lösung würde jedoch den Nachteil mit sich bringen, dass die Besonderheiten des insolvenzrechtlichen Verfahrens nicht ausreichend beachtet werden könnten. Dies gilt insbesondere für die Berücksich­ tigung des strafrechtlichen Verwendungsverbotes des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO. Da über §  4 InsO für das Insolvenzverfahren die Regelungen der ZPO gelten, finden sich in der InsO keine Verfahrensregelungen, die systematisch zu einer Neuregelung der Übermittlungsgrundlage passen. Als geeigneter Regelungs­ standort bieten sich daher einzig der Allgemeine Teil im Ersten Abschnitt der InsO oder die Einfügung eines weiteren Abschnitts am Ende der Vorschriften an.

IV. Formulierungsvorschlag § X Akteneinsicht und Auskünfte für Staatsanwaltschaften (1) Staatsanwaltschaften erhalten Akteneinsicht oder Auskünfte aus den Akten, wenn dies zur Durchführung eines Strafverfahrens erforderlich ist. (2) §  299 Abs.  3 S.  1 ZPO findet Anwendung. Akten, die noch in Papierform vorliegen, können zur Einsichtnahme übersandt werden. (3) Auskünfte können auch durch Überlassung von Abschriften aus den Akten erteilt werden. 67 

Schon für die Vorgängerregelung, die Konkursordnung, Uhlenbruck 100 Jahre Konkurs­ ordnung, 3, 13. 68  Maunz/Dürig GG Art.  74 Rn  69.

C. Überlegungen de lege ferenda

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(4) Die Vorschrift des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO bleibt unberührt. Auskünfte aus Akten oder Akteneinsicht sind zu versagen, wenn der Übermittlung besondere bundesrechtliche oder landesrechtliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. (5) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt der Empfänger. Die übermittelnde Stelle prüft nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, es sei denn, dass besonderer Anlass zu einer weitergehenden Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht.

V. Erläuterungen 1. Regelungsinhalt (Abs.  1) In einer neuen Vorschrift sollten die Voraussetzungen geregelt sein, unter denen Staatsanwaltschaften auf ihr Ersuchen hin Auskünfte aus dem Insolvenzverfah­ ren erteilt werden bzw. Akteneinsicht gewährt wird. a) Auskünfte und Akteneinsicht Den Staatsanwaltschaften sind auf ihr Ersuchen hin die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Verlangen sie Akteneinsicht, so ist auch diese zu gewähren. Im Hin­ blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz könnte es angezeigt sein, die Insol­ venzgerichte zunächst auf die gezielte Erteilung von Auskünften zu beschrän­ ken. Denn so würde der Umfang der übermittelten personenbezogenen Daten reduziert. Dies würde die Effektivität der Strafverfolgung jedoch zu sehr ein­ schränken. Es kann nicht von den Staatsanwaltschaften verlangt werden, dass sie ohne nähere Kenntnis der Vorgänge des konkreten Insolvenzverfahrens spezifi­ sche Fragen gegenüber den Insolvenzgerichten formulieren. Nur sie selbst kön­ nen bei Durchsicht der Akten entscheiden, welche Informationen für die Zwecke der Strafverfolgung relevant sind. Ein umfassendes Akteneinsichtsrecht ist des­ halb standardmäßig zu verankern. Jedoch muss die Kenntnis des vollständigen Akteninhalts für die Staatsanwaltschaft für das Ermittlungsverfahren erforder­ lich sein. Erforderlich ist diese dann nicht, wenn die notwendigen Erkenntnisse auch durch ein milderes Mittel zur Verfügung gestellt werden können. Dies kann insbesondere die Auskunft der Insolvenzgerichte aus den Akten sein. Sollte die Einsichtnahme in die vollständigen Akten nicht erforderlich sein, müssen sich die Staatsanwaltschaften auf ein Auskunftsersuchen beschränken. In diesem Fall dürfen die Insolvenzgerichte nur gezielte Auskünfte erteilen. Die Regelung sieht vor, dass die Staatsanwaltschaften die angeforderten Infor­ mationen „erhalten“. Ein Ermessensspielraum der Insolvenzgerichte besteht hierbei nicht. Sie sind – vorbehaltlich entgegenstehender Verwendungsregelun­ gen nach Abs.  4 – zur Erteilung von Akteneinsicht oder von Auskünften aus den

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4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

Akten verpflichtet. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Ermittlungsmaß­ nahmen auf der Grundlage von §  161 Abs.  1 S.  1 StPO eine Mitwirkungspflicht der ersuchten Behörden, hier der Insolvenzgerichte, gegenüber den Staatsanwalt­ schaften begründen. b) Auskunftsberechtigte Stelle Die Auskunftsberechtigung sollte auf die Staatsanwaltschaften begrenzt werden. Dies entspricht bereits in tatsächlicher Hinsicht der Ermittlungsrealität, da es die Staatsanwaltschaften sind, die durch MiZi-Mitteilungen über einen Insolvenzfall in Kenntnis gesetzt werden. Sofern aus der Art der MiZi-Mitteilung noch kein Anfangsverdacht wegen Insolvenzdelikten begründet werden kann, sind die zu­ ständigen Staatsanwaltschaften darauf beschränkt, sich weitere Informationen durch Auswertung der bereits im Vorermittlungsstadium zulässigen Erkenntnis­ quellen zu beschaffen.69 Ergeben sich hieraus zureichende tatsächliche Anhalts­ punkte für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, so können im nächsten Schritt die Insolvenzakten beigezogen werden. Die Ermittlungen werden bis zu diesem Punkt in der Regel folglich nicht an die Ermittlungspersonen der Polizei abgegeben. Aber auch aus einem weiteren Grund erscheint die Begrenzung der Auskunftsberechtigung auf die Staatsanwaltschaften wichtig. In den Insolvenzak­ ten sind umfassende Informationen über die Verschuldenssituation des Schuldners enthalten. Viele dieser Informationen entstammen den Auskünften des Insolvenz­ schuldners, die er in Erfüllung seiner Pflicht aus §  97 Abs.  1 S.  1 InsO erteilt hat. Eine Verwendung dieser Angaben für Zwecke des Strafverfahrens ist gemäß §  97 Abs.  1 S.  3 InsO ohne die Zustimmung des Schuldners untersagt. Diese sensible Beurteilung muss der Staatsanwaltschaft vorbehalten bleiben, da nur sie die Gren­ zen des Verwendungsverbotes zuverlässig bestimmen kann. Dürften die polizei­ lichen Ermittlungspersonen die Insolvenzakten selbständig anfordern und auswer­ ten, würde dies die Gefahr der Verletzung des Verwendungsverbotes begründen. c) Zur Durchführung eines Strafverfahrens Die Erteilung von Auskünften oder die Gewährung von Akteneinsicht darf nur zur Durchführung eines Strafverfahrens erfolgen. Auf die Verwendung der Begriff­ lichkeit „für Zwecke der Strafverfolgung“ wurde bewusst verzichtet. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass die Zulässigkeit der Datenübermittlung auf bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren beschränkt ist. Einzig in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaften ihr Ersuchen gegenüber den Insolvenzgerichten auf §  161 Abs.  1 S.  1 StPO stützen, soll es diesen erlaubt sein, den Strafverfolgungsbehörden 69 

Zu diesen 3. Kap. C.I.1.

C. Überlegungen de lege ferenda

217

Akteneinsicht zu gewähren oder Auskünfte zu erteilen. Dies dient dazu, der bis­ lang weit verbreiteten Praxis der Beiziehung der Insolvenzakten im Rahmen sog. Vorermittlungsverfahren entgegengenzuwirken. Denn vor der Einleitung eines Er­ mittlungsverfahrens verfügen die Strafverfolgungsbehörden nicht über die für ei­ nen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erforder­ liche Ermächtigungsgrundlage.70 Ist den Staatsanwaltschaften aber der Zugriff auf den Akteninhalt mangels gesetzlicher Grundlage versagt, so kann die Erteilung von Akteneinsicht oder Auskünften aus den Akten nicht erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips sein. Die Insolvenzgerichte sind hier deshalb nur be­ fugt, sofern dies erforderlich zur Durchführung eines Strafverfahrens ist. 2. Form der Akteneinsicht (Abs.  2) In den meisten gerichtlichen Verfahrensordnungen besteht bereits seit längerem die Möglichkeit der elektronischen Aktenführung.71 Durch das „Gesetz zur Ein­ führung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs“72 wurde diese Modernisierung zuletzt auch im Strafverfahren vollzogen. In diesem Zuge wurde in §  299 Abs.  3 ZPO die Ein­ richtung eines elektronischen Akteneinsichtsportals in der Zivilgerichtsbarkeit normiert.73 Sofern die Zivilgerichte – über §  4 InsO gilt dies auch für die hier interessierenden Insolvenzgerichte – die elektronische Aktenführung nutzen, er­ folgt die Akteneinsicht durch das Bereitstellen des Inhalts der Akte zum Abruf. Vom Begriff „Abruf“ ist dabei die Möglichkeit umfasst, das Datenpaket herun­ terzuladen.74 Da nunmehr auch im Strafverfahren die elektronische Arbeitsweise den Regelfall darstellt, soll die Akteneinsicht den Staatsanwaltschaften primär durch Bereitstellung zum Abruf erteilt werden. Sofern die Akten noch in Papier­ form geführt wurden, muss jedoch nach wie vor die Möglichkeit bestehen, die Einsichtnahme durch Übersendung der Akten zu vollziehen. 3. Erteilung von Auskünften (Abs.  3) Sofern Auskünfte aus den Akten angefordert werden, müssen diese nicht zwin­ gend mündlich erteilt werden. Stattdessen ist auch die Überlassung von Ab­ schriften aus den Akten möglich. Die Insolvenzgerichte sollen angehalten wer­ den, Akten von vornherein so zu führen, dass dies ohne größeren zusätzlichen 70 

Hierzu ausführlich im 3. Kapitel. Eingeführt durch das „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ vom 10.10.2013, BGBl I S.  3786. 72  Gesetz v. 5.7.2017, BGBl I S.  2208. 73  BT-Drs 18/9416, 78. 74  BT-Drs 18/9416, 78. 71 

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4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

Aufwand möglich ist. Auch eine teilweise Akteneinsicht soll durch eine plan­ volle Aktenführung erleichtert werden.75 4. Beachtung von Verwendungsregelungen (Abs.  4) Wird eine öffentliche Stelle nach §  161 Abs.  1 S.  1 StPO um Auskünfte ersucht, so ist sie grundsätzlich verpflichtet, diese zu erteilen. Dies gilt jedoch nur, sofern keine bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften entgegenstehen.76 a) §  97 Abs.  1 S.  3 InsO Bei der Übermittlung der Akten muss zwingend das Verwendungsverbot des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO Beachtung finden. Die genauen Umrisse dieses Verwendungs­ verbot sind im Einzelnen streitig. Als nicht abschließend geklärt müssen etwa die folgenden Punkte gelten:77 Kann dem Verwendungsverbot im Gegensatz zu ei­ nem reinen Verwertungsverbot eine Fernwirkung entnommen werden, von dem neben dem reinen Erklärungsinhalt auch alle weiteren Beweismittel umfasst sind? Sind auch wissentlich falsche Auskünfte des Insolvenzschuldners für die Zwecke des Strafverfahrens gesperrt? Dürfen die Strafverfolgungsbehörden aus dem Schweigen des Schuldners im Insolvenzverfahren Schlüsse ziehen? Ist eine Ver­ wertung „zu Gunsten“ des Beschuldigten zulässig? Gilt das Verwertungsverbot auch für die Mitwirkungspflichten des Schuldners? Dürfen Geschäftsunterlagen, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens vorgelegt wurden, verwertet werden? Eine Beantwortung dieser Fragen kann nicht im Rahmen der neu zu schaffen­ den Übermittlungsermächtigung erfolgen. Sie müssen vielmehr – möglicher­ weise durch ergänzende Normierungen im §  97 InsO – im Zusammenhang mit dem Verwendungsverbot geklärt werden. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob §  97 Abs.  1 S.  3 InsO ein Offenbarungsverbot normiert, das bereits die Weiter­ gabe der Auskünfte des Insolvenzschuldners an die Strafverfolgungsbehörden verbietet. Der Gedanke eines solchen Offenbarungsverbotes stammt aus einem Sondervotum des Bundesverfassungsrichters Heußner zum Gemeinschuldner­ beschluss.78 Er begründete seine Ansicht mit dem Gebot der Verhältnismäßig­ keit. Sofern die Auskünfte des Schuldners wegen des nemo-tenetur-Grundsatzes nicht gegen diesen verwertet werden dürften, sei die Übermittlung dieser Infor­ 75 

Vgl. zur parallelen Regelung im Strafverfahren LR/Hilger StPO §  477 Rn  2. LR/Erb StPO §  161 Rn  17. 77  Für eine Vertiefung dieser Streitfragen wird auf die hierzu erschiene Literatur verwiesen, insbesondere auf Richter wistra 2000, 1; Bittmann/Rudolph wistra 2001, 81; Weyand ZInsO 2001, 108; Haarmeyer FS-Carl-Heymanns, 303; Diversy ZInsO 2005, 180; Bömbelburg Selbst­belastungszwang. 78  BVerfGE 56, 37. 76 

C. Überlegungen de lege ferenda

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mationen nicht erforderlich und verstoße daher gegen das Verhältnismäßigkeits­ prinzip.79 Gegen ein solches Offenbarungsverbot wird eingewandt, dass die da­ mit verbundene „Vorauswahl“ die kompetenzielle Zuständigkeit der Insolvenz­ gerichte überschreite.80 Folge der eingeschränkten Informationsübermittlung wäre eine Beschränkung des strafprozessualen Untersuchungsgrundsatzes.81 Hiergegen lässt sich wiederum einwenden, dass diese Wirkung gerade das Wesen eines strafrechtlichen Verwendungsverbotes ist. Eine starre, von §  97 InsO losge­ löste Festlegung in der neu zu schaffenden Übermittlungsnorm ist nicht möglich. Eine Konturierung kann nur im Zusammenhang mit §  97 InsO erfolgen. Ist der Umfang des Verwendungsverbotes noch nicht abschließend geklärt, kann den Insolvenzgerichten nicht die Entscheidungshoheit übertragen werden, welche Informationen sie an die Staatsanwaltschaften weiterleiten. Sonst würde in der Tat eine Beschränkung des strafprozessualen Untersuchungsgrundsatzes resul­ tieren. Im Zuge einer Einführung einer Übermittlungsgrundlage täte deshalb eine weitere Konkretisierung des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO not. Nach der derzeitigen Aus­ legung ist das Verwendungsverbot ein stumpfes Schwert.82 b) Bundes- und landesrechtliche Verwendungsregelungen Die Erteilung von Auskünften oder die Einsichtnahme in Akten ist zu versagen, wenn der damit verbundenen Übermittlung von Daten bundes- oder landesrecht­ liche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Der Begriff der Verwendung schließt die Übermittlung ein. Deshalb fallen hierunter auch Übermittlungsver­ bote.83 Die Regelung dient dem Schutz besonderer Amts- und Berufsgeheimnis­ se sowie sonstiger Regelungen, die einen gesteigerten Schutz personenbezoge­ ner Daten bewirken sollen.84 Zu diesen Regelungen gehören beispielsweise das Steuer- und Sozialgeheimnis (§  30 Abs.  1, 4 AO, §  35 SGB I, §§  67 ff. SGB X) sowie die Vorschriften der §§  51, 52 und 63 Abs.  4 BZRG.85 5. Verantwortlichkeit der ersuchenden Stelle (Abs.  5) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt der Empfänger. Nur die Staatsanwaltschaften können abschließend beurteilen, ob die in den Ver­ fahrensakten der Insolvenzgerichte enthaltenen Informationen für die Durchfüh­ 79 

BVerfGE 56, 37, 53. Hefendehl wistra 2003, 1, 5. 81  Bader NZI 2009, 416, 419. 82  Hohnel NZI 2005, 152, 154. 83  BT-Drs 13/4709, 20 für die Regelung des §  12 Abs.  3 EGGVG. 84  Zur entsprechenden Regelung im EGGGVG, BT-Drs 13/4709, 20. 85  BT-Drs 13/4709, 20. 80 

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4. Kapitel: Die Gewährung von Akteneinsicht durch die Insolvenzgerichte

rung eines Ermittlungsverfahrens erforderlich sind. Sie alleine können die erfor­ derliche Abwägung zwischen Geheimhaltungs- und Strafverfolgungsinteresse sachgerecht vornehmen. Auch die Entscheidung, ob auf das mildere Mitteil der Auskunftserteilung zurückgegriffen werden kann oder eine Einsichtnahme in die vollständigen Akten angezeigt ist, kann nur die ersuchende Stelle treffen. Den Insolvenzgerichten obliegt lediglich die Prüfung, ob es sich bei dem Ersuchen um den Fall einer Ermittlungsmaßnahme i. S. v. §  161 Abs.  1 S.  1 StPO handelt. Diese Verteilung der Verantwortlichkeiten entspricht anderen Regelungen zur Übermittlung personenbezogener Daten auf Ersuchen, wie etwa §  477 Abs.  4 StPO oder §  67d Abs.  1 S.  2 SGB X.

VI. Fazit Es besteht ein klares Bedürfnis, den Insolvenzgerichten auf Einsichtsgesuche der Staatsanwaltschaften hin die Gewährung von Akteneinsicht zu gestatten. Eine bereichsspezifische Regelung muss daher geschaffen werden. Diese sollte in der Insolvenzordnung verankert werden. Sie muss ihrem Inhalt nach mit der gegen­ über den Staatsanwaltschaften bestehenden Verpflichtung der Insolvenzgerichte korrelieren, die sich aus §  161 Abs.  1 S.  1 StPO ergibt. Die Gewährung von Ak­ teneinsicht ist auf die Staatsanwaltschaften zu begrenzen. Die Übermittlung der Insolvenzakten an die Polizeibehörden muss im Hinblick auf eine effektive Be­ achtung des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO hingegen unterbleiben. Außerhalb eines lau­ fenden Ermittlungsverfahrens, d. h unterhalb der Schwelle des Anfangsver­ dachts, darf ebenfalls keine Akteneinsicht gewährt werden. Zudem müssen das Verwendungsverbot des §  97 Abs.  1 S.  3 InsO sowie weitere bundes- und landes­ rechtliche Verwendungsregelungen Beachtung finden. Für die Zulässigkeit der Übermittlung ist die ersuchende Stelle zuständig.

Zusammenfassende Thesen Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung war die Frage, ob der Erhalt von MiZi-Mitteilungen der Insolvenzgerichte die Staatsanwaltschaften dazu berech­ tigt, die Insolvenzakten der zugrundeliegenden Verfahren beizuziehen, um Er­ mittlungen wegen möglicher Insolvenzdelikte zu ermöglichen. Die Untersu­ chung verfolgte hierbei die folgenden Ziele: Zum einen sollte untersucht werden, inwiefern die im Insolvenzverfahren zusammengetragenen Informationen grund­ rechtlich geschützt sind. Daneben sollten die Konstellationen erläutert werden, in denen die Staatsanwaltschaften durch MiZi-Mitteilungen seitens der Insol­ venzgerichte über Vorgänge in Insolvenzverfahren in Kenntnis gesetzt werden. Auf dieser Grundlage sollte überprüft werden, ob bzw. in welchen Fällen die Staatsanwaltschaften die Insolvenzgerichte um Übersendung der Insolvenzakten ersuchen dürfen. Ein weiteres Ziel bestand darin, herauszuarbeiten, ob die Insol­ venzgerichte auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage befugt sind, den staats­ anwaltschaftlichen Aktenbeiziehungsersuchen nachzukommen. Schließlich soll­ te die hierbei festgestellte Regelungslücke durch einen eigenen Normierungsvor­ schlag geschlossen werden. Anstelle einer zusammenfassenden Darstellung sollen die wesentlichen Un­ tersuchungsergebnisse in Thesenform festgehalten werden: 1. Die „Aktenbeiziehung“ untergliedert sich in grundrechtlicher und daten­ schutzrechtlicher Hinsicht in zwei Elemente: Das Ersuchen um Aktenüber­ sendung einerseits und die Aktenübermittlung durch die datenerhebende Stel­ le andererseits. 2. Beide Vorgänge greifen in den Schutzbereich des Grundrechts auf informatio­ nelle Selbstbestimmung ein. 3. Dies gilt nicht nur bei personenbezogenen Daten aus Insolvenzverfahren über das Vermögen von natürlichen Personen, sondern auch bei solchen über das Vermögen von juristischen Personen. 4. Sowohl das Ersuchen um Aktenübersendung als auch die Aktenübermittlung selbst bedürfen einer bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage. 5. In der Verwaltungsanordnung über die MiZi-Mitteilungen wurden die gesetz­ lichen Vorgaben zur Übermittlung von personenbezogenen Daten aus dem

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Zusammenfassende Thesen

 Insolvenzverfahren an die Staatsanwaltschaften grundsätzlich in rechtmäßi­ ger Weise umgesetzt.   6. In zwei Fällen liegt jedoch eine rechtswidrige Ausgestaltung vor: Zum einen bei der Anordnung der Mitteilungspflicht trotz Anordnung der Eigenverwal­ tung gemäß IX/3 Abs.  1 Nr.  2 MiZi, zum anderen in Fällen der Abweisung mangels Masse bei ehemals selbständig tätigen Schuldnern sowie Personen­ gesellschaften, bei denen zumindest einer der persönlich haftenden Gesell­ schafter eine natürliche Person ist.   7. Taugliche Ermächtigungsgrundlage für das staatsanwaltschaftliche Ersuchen um Aktenübersendung kann einzig §  161 Abs.  1 S.  1 StPO sein.   8. Für die Begründung des hierfür erforderlichen Anfangsverdachts i. S. d. §  152 Abs.  2 StPO ist die Berufung auf kriminalistische Erfahrungen, Hypo­ thesen oder Vermutungen nicht ausreichend. Hinzutreten müssen in jedem Fall konkrete Anhaltspunkte.   9. Ein Anfangsverdacht „wegen Insolvenzdelikten“ ist nicht hinreichend kon­ kretisiert. 10. Die MiZi-Mitteilungen indizieren nicht das Vorliegen eines (typisierten) An­ fangsverdachts. 11. Weder wirtschaftskriminologische Gründe noch signifikante statistische Häufigkeiten rechtfertigen die quasi-automatische Annahme eines Anfangs­ verdachts in den Fällen der MiZi-Mitteilungen. 12. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht eines In­ solvenzdelikts liefern lediglich die anlassbezogenen MiZi-Mitteilungen nach Allg/1 Abs.  4 MiZi sowie MiZi-Mitteilungen in Fällen, in denen das Insolvenz­ verfahren durch den Eröffnungsantrag eines Gläubigers in Gang gesetzt wurde. 13. Im Rahmen sog. Vorermittlungen dürfen die Staatsanwaltschaften nicht in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Insolvenzschuld­ ners eingreifen. 14. Der Erhalt einer MiZi-Mitteilung berechtigt die Staatsanwaltschaften aber dazu, grundrechtsneutrale Maßnahmen zu ergreifen. Hierzu zählen die Ein­ holung von Informationen aus allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen (Handels-, Unternehmensregister etc.), der Zugriff auf Jahresabschlüsse und Bilanzen publizitätspflichtiger Unternehmen, interne Abklärungen innerhalb einer Staatsanwaltschaft, Einsichtnahme in das Gewerbezentralregister so­ wie das Schuldnerverzeichnis. 15. Diesen zulässigen Erkenntnisquellen dürfen die Staatsanwaltschaften zurei­ chende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht entnehmen. 16. Eine gesetzliche Grundlage für die insolvenzgerichtliche Gewährung von Akteneinsicht auf Ersuchen existiert bislang nicht. Auch eine analoge An­ wendung der §§  12 ff. EGGVG bietet keine geeignete Grundlage.

Zusammenfassende Thesen

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17. Die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage in der Insolvenzordnung ist daher notwendig. Diese ist auf bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften zu begrenzen und muss bestehende Verwendungsrege­ lungen, insbesondere das Verwendungsverbot nach §  97 Abs.  1 S.  3 InsO be­ rücksichtigen.

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Register Abweisung  42, 62–64, 74–75, 128–130 Akteneinsicht  32, 211, 214 Akteneinsichtsersuchen  31, 32, 98, 99, 203 Allgemeine Handlungsfreiheit  8, 11, 12, 14, 23, 24, 26 Allgemeininteresse  19, 25–26, 35, 46 Amtshilfe  19–22, 82–86, 204–205 Anfangsverdacht  97–115, 123–149, 194–197 Auskunftspflicht  31, 56–58, 61, 170, 171 Befragung, informatorische  151, 168–178, 184 Beiziehung  31, 32, 34–37 Bestimmtheitsgebot  48, 51, 54, 60, 164 Datenaustausch  29, 35 Datenschutz  7–10, 88–91, 201–204 Datenverarbeitung  17, 20, 21, 26, 28, 90 Doppeltürmodell  35, 82, 159, 199, 213 Eigenverwaltung  64–65, 67–68, 73, 77–78, 130–131 Einwilligung  13, 27, 170, 200 Erfahrungen, kriminalistische  101–110, 114, 222 Ermessensspielraum  60, Ermittlungsgeneralklausel  92–149 Eröffnungsantrag  42, 62–64, 128–130, 195 Eröffnungsbeschluss  42, 64–66, 68, 72, 78 Gemeinschuldnerbeschluss  58, 59, 218 Generalverdacht  60, 106, 130, 146 Gewaltenteilung, informationelle  22 Grundrecht auf informationelle Selbst­ bestimmung  10, 15–39 Holkriminalität  1, 143

Informationseingriff  13, 23, 24, 27, 28 Informationshilfe, siehe Amtshilfe Insolvenzantrag, siehe Eröffnungsantrag Insolvenzverschleppung  73, 94–95, 117–118, 128–130, 133, 141–146 Justizmitteilungsgesetz  37–60, 87–88, 208–211 Legalitätsprinzip  156, 157, 159, 160 Lehre vom Gesetzesvorbehalt, siehe Vorbehaltslehre Lehre vom Totalvorbehalt  24, 27, 28 Menschenwürde  8, 9, 23, 24, 26, 33, 111 Mitteilung in Zivilsachen, siehe MiZi-­ Mitteilung Mitteilungsermächtigung, siehe Übermitt­ lungsbefugnis Mitteilungspflicht  47–55, 60–79 MiZi-Mitteilung  60–75, 123–148, 166, 167, 195 Offenbarungsverbot  218, 219 Parlamentsvorbehalt  52–54, 60 Privatsphäre  14, 15, 18, 98 Rechtsstaatsprinzip  48, 58, 71 Regelungen, bereichsspezifische  19, 35 Restschuldbefreiung  65, 68, 69, 130, 131 Schuldnerverzeichnis  70 Selbstbestimmung, informationelle, siehe Grundrecht auf informationelle Selbst­ bestimmung Sphärentheorie  14, 15, 18, 23

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Register

Übermittlungsbefugnis  39–55, 212–213 Übermittlungsverbot  55, 57, 59, 61 Unternehmensinsolvenz  33, 124–149

Volkszählungsurteil  16–29, 38 Vorbehaltslehre  27, 28 Vorermittlungen  149–185

Verdacht, tatbezogener  108–110, 131 Verdacht, täterbezogener  111, 126, 131 Verwendungsverbot  32, 55–57, 180–182, 218–219

Zweckumwandlung  31–36, 83, 186, 202, 213, 221