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German Pages 159 [208] Year 1970
Wilhelm Sdilink • Zwisdien Cluny und Clairvaux
Beiträge zur Kunstgeschichte Herausgegeben von Günter Bandmann, Erich Hubala, Wolfgang Schöne
Band 4
Walter de Gruyter & Co. Berlin 1970
Zwischen Cluny und Clairvaux Die Kathedrale von Langres und die burgundische Architektur des 12. Jahrhunderts
von Wilhelm Schlink
Walter de Gruyter & Co. Berlin 1 9 7 0
Gedruckt mit Unterstützung der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e. V . , Hamburg
Archiv-Nr. 3 5 70 7 0 1 ©
1 9 7 0 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit Sc Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 1 3 Printed in Germany
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Otto v. Holten, Berlin 30 Herstellung der Klischees: Klischee-Union, Ernst Dummer, Berlin Umschlaggestaltung: Barbara Proksch, Frankfurt am Main
Vorwort Diese Arbeit entstand 1965-1967 als Dissertation. Ich habe sie seither in manchen Teilen umgeschrieben und die neu erschienene Literatur eingearbeitet. Exkursionen des kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Würzburg weckten mein Interesse an der romanischen Architektur Burgunds. Louis Grodecki regte mich zu einer monographischen Bearbeitung der Kathedrale von Langres an, die mich bald in den Problemkreis „zwischen Cluny und Clairvaux" führte. Ansporn, Belehrung und wertvolle Hinweise erfuhr ich durch Robert Branner (New York), Henri-Paul Eydoux (Paris), Jan van der Meulen (Philadelphia), Wolfgang Sdiöne (Hamburg) und Paul Viard (Langres). Allen fühle ich mich zu großem Dank verpflichtet. Stipendien der Französischen Regierung, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und des Evangelischen Studienwerks Villigst ermöglichten mir Reisen in Frankreich und einen einjährigen Studienaufenthalt am Institut d'Art et d'Archeologie in Paris. Meinem Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Herbert Siebenhüner (Würzburg) danke ich ganz besonders für seine stete Förderung und seine unermüdliche Anteilnahme. Prof. Dr. Wolfgang Schöne hat sich in freundlichster Weise für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Beiträge zur Kunstgeschichte" eingesetzt. Seiner Fürsprache verdanke ich auch eine Druckbeihilfe der Hamburger Joachim-Jungius-Gesellschaft und einen Zuschuß des kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Hamburg zu den Abbildungen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
V
Einleitung
i
Teil I Baumonographie der Kathedrale St. Mammes von Langres Die historischen Gegebenheiten
11
Stadt und Bischöfe von Langres im Mittelalter
11
Die Literatur zum Kathedralbau
14
Die Quellenlage zum Kathedralbau
15
Analyse des Bauwerkes
17
Rekonstruktion der Kathedrale des 12. Jahrhunderts und Darstellung ihrer Bauphasen
25
Die niederen Chorteile
25
Die oberen Chorteile
36
Das Querhaus
43
Das Langhaus
48
Die ehemalige Westfassade
49
Die Bauplastik und ihre Stellung in der burgundischen Entwicklung
53
Die akanthische Bauzier der Ostpartie
53
Die Figuralkapitelle des Chortriforiums
64
Die archaisierende Bauplastik des Langhauses
67
Zur Datierung der Kathedrale von Langres
70
Teil II Zwischen Cluny und Clairvaux Die Kathedrale von Langres und das Aufrißsystem von Cluny III
79
Die Anfänge der Rippenwölbung in Burgund
8j
Das Kreuzgewölbe als Voraussetzung des zisterziensischen Hellraumes
8j
Die ältesten Rippengewölbe Burgunds
89
St. Benigne zu Dijon und die Dienstvorbereitung der Rippen Wölbung
98
Die „nachbernhardinisdhe Zisterzienserarchitektur" des 12. Jahrhunderts und die burgundische Tradition
108
Exkurs 1 : Die Portalplastik von St. Bénigne zu Dijon
120
Exkurs 2: Materialien zum Baubestand von Clairvaux II
138
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis
143
AbbildungsVerzeichnis (Vorlagen-und Fotonachweis)
154
Ortsregister
158
Tafeln I - X X X V I I I (Abbildungen 1 - 1 2 2 )
Einleitung
Die burgundische Architektur des ausgehenden n . und beginnenden 12. Jahrhunderts ist ihrem Bestand nach gut bekannt. Selbst ihr zerstörter Hauptbau, die grosse Abteikirche von Cluny, ist durch die Grabungen und Rekonstruktionsbemühungen von K. J . Conant1 zu einem anschaulichen Gegenstand mittelalterlicher Architekturgeschichte geworden. Die zur Wende des 12. Jahrhunderts einsetzende „burgundische Gotik" steht in der Wertschätzung zurück, ist aber von der Kunstgeschichte in ihren typischen Merkmalen, in ihrem kunstlandschaftlichen Geltungsbereich und in ihrer geschichtlichen Entwicklung ebenfalls ausgezeichnet dargestellt worden*. Einzig die burgundische Architektur der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ist weitgehend unbeachtet geblieben. Das südliche Burgund3, das während der vorangegangenen Jahrzehnte ein ausserordentlich dichtes, noch heute erhaltenes Netz romanischer Kirchenbauten geknüpft hatte, scheint allerdings schon bald nach der Vollendung von Cluny III (1120/30) in Unternehmungsgeist und baukünstlerischer Prägkraft nachgelassen zu haben. Bauten des fortgeschrittenen 12. Jahrhunderts sind hier selten und bei nur wenigen Ausnahmen in engem Provinzialismus befangen. Der Norden scheint auf den ersten Blick kein reicheres Bild zu bieten: neben der Abteikirche von Pontigny ist die Kathedrale von Langres der einzige erhaltene Grossbau jener Zeit. Aus diesem geringen Baubestand aber auf eine schwache Bautätigkeit Nordburgunds schliessen, hiesse sich durch den zufälligen und fragmentarischen Erhaltungsstand seiner Denkmäler täuschen lassen. Aus Bauresten und Quellen wissen wir, dass Nordburgund im fortgeschrittenen 12. Jahrhundert eine ausserordentlich umfangreiche Bautätigkeit entfaltete, die nur wenig hinter dem Baueifer Südburgunds vom Anfang des Jahrhunderts zurückstand. Ihr Träger war in erster Linie der junge Zisterzienserorden, der dem einfachen Kirchenschema der Gründerjahre (dem „bernhardinischen Kirchenbau" vom Typ Fontenay) nach dem Tode Bernhards von Clairvaux (1153) eine beträchtlich aufwendigere und „modernere" Baukonzeption folgen liess. Diese prägte die 1
V g l . zuletzt Conant, 1 9 6 6 , S. 1 1 0 ff. V g l . Jantzen, 1 9 2 8 und Branner, i 9 6 0 . ' D i e Grenze zwischen nördlichem und südlichem Burgund nehme ich auf der H ö h e v o n C i teaux an. D a sich der Wirkungskreis der religiösen Zentren beider Regionen (Cluny und C l a i r v a u x ) überschneidet, ist auch die Grenze fliessend. 1
2
Einleitung
Erweiterungs- und Neubauten der nordburgundischen Mutterabteien: neben dem erhaltenen Pontigny die (anfangs des 19. Jahrhunderts zerstörten) Kirchen von Citeaux, Clairvaux und Morimond. Eine kaum weniger intensive, in die gleiche Zeitspanne fallende Bautätigkeit der Bischöfe und des Adels, der Kollegiatsstifte und des Benediktinerordens hatte ihre Zentren in Langres, in Dijon, am Oberlauf der Yonne und am Südrand der Champagne. Auch hier ist der ursprünglich umfangreiche Baubestand für manche Landstriche nur aus schriftlichen Nachrichten zu ermitteln, da Bauten wie die Abteikirchen von Molesmes, Moutiers-St.-Jean und Flavigny oder der Kirchenbau des 12. Jahrhunderts in Dijon (Notre-Dame, St. Jean, St. Benigne etc.) bis auf wenige Fragmente zerstört sind. Einige der verlorenen Bauten durch eine kritische Uberprüfung ihrer Bildund Textüberlieferung oder durch eine architektonische Bestimmung ihrer spärlichen Überreste der kunsthistorischen Untersuchung so weit als möglich nutzbar zu machen, ist ein Ziel meiner Arbeit. Indessen beschränkt sich diese nicht auf die (durchwegs nur bruchstückhafte) Rekonstruktion einzelner Bauwerke, sondern versucht, die burgundische Architektur des fortgeschrittenen 12. Jahrhunderts als solche in ihrer komplexen Stellung zwischen Traditionsgebundenheit und Neuschöpfung, zwischen cluniazensischem Reichtum und zisterziensischer Reduktion, zwischen der Frühgotik Nordfrankreichs und der Spätromanik des Saönetals, darzustellen. Die Ausstrahlungskraft von Cluny I I I und das Aufkommen der nachbernhardinischen Zisterzienserarchitektur4, ihre beidseitige Bedingtheit und ihre Verknüpfung mit dem nichtmonastischen Kirchenbau, machen — auf das nördliche Burgund begrenzt — das Thema dieser Arbeit aus. Als Paradigma der Wechselwirkungen aller architektonischen Strömungen Nordburgunds im fortgeschrittenen 12. Jahrhundert steht die Kathedrale von Langres. In ihren heterogenen Strukturmomenten spiegelt sich (deutlicher als in der Abteikirche von Pontigny oder der „collégiale" von Beaune) die komplexe architektonische Situation des spätromanischen5 Burgund. Andrerseits lassen sich aus ihrer heterogenen Struktur durch Detailvergleich und Analogieschluss Hinweise auf die „richtige" Rekonstruktion und die kunstgeschichtliche Bedeutung der zerstörten Hauptbauten des nördlichen Burgund gewinnen. 4
5
„Nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur" nenne ich die Baukunst nach dem T o d e Bernhards ( 1 1 5 3 ) , soweit sie die unmittelbar über der Arkadenzone ansetzende Spitztonne des sogenannten „bernhardinisdien" Kirchenbaus (vgl. Esser, 1 9 5 3 , und Bucher, 1 9 5 7 ) ablehnt und durch Lichtgaden und K r e u z w ö l b u n g ersetzt. C o n a n t spricht v o n „ h a l f - G o t h i c " ( 1 9 5 9 , S . 1 2 6 — 1 4 6 ) , Branner von „ C l u n i a c and Cistercian G o t h i c " ( i 9 6 0 , S. 2 3 ) . Diese allgemein kritisierten Stilbezeichnungen treffen die burgundisdie Architektur des fortgeschrittenen 1 2 . Jahrhunderts nicht (ebensowenig wie der ältere Begriff des „Übergangstils"), da v o n der gegen 1 2 0 0 einsetzenden „burgundischen G o t i k " keine Verbindungen zu ihr zurückreichen, während sie v o n den grossen romanischen Leistungen Burgunds aus der Zeit um 1 1 0 0 noch stark geprägt ist.
Einleitung
3
Eine geschlossene Darstellung der kirchlichen Baukunst des nördlichen Burgund im fortgeschrittenen 12. Jahrhundert kann die vorliegende Arbeit allerdings nicht geben. Da die zerstörten Kirchen nicht in ihrer vollen Anschaulichkeit wiedergewonnen werden können, lassen sich auch die architektonisdien Verflechtungen nicht bis ins letzte aufhellen. Gleichwohl kann die Kathedrale von Langres unter der Voraussetzung, dass sie nicht als isoliertes, als Fremdkörper in Zeit und Landschaft stehendes Bauwerk eingeschätzt wird, sondern Beziehungen zu den baulichen Unternehmungen in Dijon, Clairvaux und Morimond aufweist, zu einer ersten und allgemeinsten Standortbestimmung der nordburgundischen Architektur zwischen 1 1 5 0 und 1190 den Weg weisen'. Indem die Untersuchung nicht auf einen inventarartigen Überblick einer festumrissenen Kunstlandschaft zielt, sondern die architekturgeschichtlichen Wechselwirkungen „zwischen Cluny und Clairvaux" an charakteristischen Bauwerken darzulegen sucht, ergibt sich ihr zeitlicher und geographischer Bereich allein aus dem Thema. Von der dort angegebenen Zeitspanne: 1120/30 (Cluny I I I vollendet) bis 1 1 7 4 (Schlussweihe von Clairvaux II 7 ) interessieren in unserem Zusammenhang hauptsächlich die beiden letzten Jahrzehnte. Um 1 1 j 3 setzte die nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur ein und wandelte in ihrem Wunsch nach Raumverschmelzung und gleichmässiger Raumaufhellung das traditionelle Vorlagen- und Raumschema von Cluny I I I und seiner Nachfolge 8 entschieden ab. Dieser Prozess beschränkte sich aber nicht auf die Zisterzienserbaukunst, sondern umfasste auch den Kathedralbau von Langres, den Narthex von St. Benigne in Dijon und weitere Bauten des nördlichen Burgund. Insgesamt bildete sich dort während des ausgehenden 12. Jahrhunderts noch einmal so etwas wie eine „Bauschule", die in ihren letzten Ausstrahlungen bis ins frühe 13. Jahrhundert reichte und von zisterziensischer, benediktinischer und nichtmonastischer Bautätigkeit gemeinsam getragen wurde. Der geographische Bereich der Arbeit ist ebenso unscharf umrissen wie die mittelalterliche Kunstlandschaft Burgund überhaupt9. Vom Thema her ist es aber
• Frankl ( 1 9 2 6 , S . 2 3 6 ) spricht angesichts der Synthese heterogener, in ihrer W i r k u n g oftmals gegenläufiger oder einander aufhebender Strukturelemente in der Kathedrale von Langres von „Bastardstil". E r versteht dies nicht nur künstlerisch, sondern auch kunstgeschiditlidi absdiätzig. Folgt aber aus einem baukünstlerisdien Missgriff, dass die historische Betrachtung ihm nichts abgewinnen könne? Meines Eraditens gibt ein solches Bauwerk über die ardiitektonischen Intentionen seiner Zeit nicht minder deutlich Auskunft als ein stilistisch homogener, künstlerisch gelungener Bau. 7
8
In der Bezifferung der Bauten folge idi H a h n ( 1 9 5 7 , S. 1 1 8 / 1 1 9 ) , der im Gegensatz zur f r a n z ö sischen Zählweise die architektonisch unbedeutenden Kirchen-Provisorien der ersten A b t e i gründungen unberücksichtigt lässt. U n t e r der Sammelbezeichnung „ C l u n y I I I und seine N a d i f o l g e b a u t e n " anstelle der unglücklichen Begriffe „école bourguignonne" oder „école clunisienne" subsumiere ich die Bauten von C l u n y I I I , P a r a y - l e - M o n i a l , A u t u n und Beaune, sowie L a Charité-sur-Loire, Saulieu und Semur-en-Brionnais.
• Vgl. Anm. 17.
Einleitung
4
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200
L A N G R E S , Kathedrale, Pfeilermassive zwischen Chorumgang (oben) und Achsialkapelle (unten).
• • Für die Rekonstruktion der Umgangsfenster fehlt jeder Anhalt. Analog den Seitensdiiffsfenstern könnte man sie sich als schlichte, rundbogige Wandausschnitte denken; dodi wäre es bei der insgesamt ornamentfreudigeren und an architektonischen Ziergliedern reicheren Chorpartie nicht undenkbar, dass dem Gewände ein Runddienst eingestellt war. Auf jeden Fall wird man sich den Chorumgang des 12. Jahrhunderts als recht hell vorstellen müssen, wenn auch nidit so grell und einseitig liditdurchflutet wie nadi Anbringung des Kapellenkranzes. 70 Hahn, 1957, S. 1 1 9 / 1 2 0 , und Schmoll, 1958, S. 169.
31
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L A N G R E S , Kathedrale. Apsistriforium, erster südlicher Abschnitt, vom Triforiengang aus. Die Phasen der Aufmauerung.
Fig. 6 gilt für den Bestand im Süden; im Norden ist die Zäsur nicht minder deutlich — hier liegt das dünnere Mauerwerk in Höhe des Triforienbogenansatzes horizontal dem dickeren Chorjochmauerwerk auf.
40
Rekonstruktion und Darstellung der Bauphasen
Diese Beobachtungen schliessen sich zu folgendem Bild vom Bauverlauf zusammen: während an den übrigen niederen Teilen noch im Arkadenbereich gearbeitet wurde, waren die östlichen Chorjochpfeiler bereits über das Niveau der Triforiensohlbank emporgewachsen (Fig. 6, I). Nachdem die Apsisarkaden zunächst nur bis unmittelbar unter den Arkadenfries aufgeführt waren — eine Zäsur in dieser Höhe lässt sich vom Triforiengang aus in mehreren Abschnitten beobachten — unternahm man es, die gesamten Chorteile vorerst bis und mit Arkadensims einheitlich fertigzustellen (Fig. 6, II). Im Chorjoch wurde sogleich am Aufgehenden weitergearbeitet (Fig. 6, III), dem erst später das Apsistriforium angeschlossen wurde — eine durchaus logische Baufolge, da eine A u f mauerung der Apsiskalotte ohnehin erst nach Fertigstellung der Chorjochwölbung und in Anlehnung an diese in Betracht gezogen werden konnte. Mit der Rekonstruktion der Aussenerscheinung der Apsis nehmen wir die Frage nach der ursprünglichen Erscheinung des Strebeapparates wieder auf, die uns schon bei der Rekonstruktion der ursprünglichen Achsialkapelle beschäftigte". Wir erkannten, dass die heute teils die Aussenwand gliedernden, teils vom Kapellenkranz verdeckten, kannelierten Strebevorlagen einst durchgängig die Aussenerscheinung des Chorumgangs bestimmt haben und wiesen schon darauf hin, dass sie zwar erst nachträglich dem Umgang angeschoben wurden, aber doch dem ältesten Kapellenanbau des heutigen Kapellenkranzes (A I I I S II, frühes 1 3 . Jahrhundert) zeitlich vorangehen (Abb. 16, 19). Unmittelbar über und hinter den alten Quaderblöcken, die das Kapitell der Strebevorlagen bilden, setzt ein Bestand an, der erst auf die Restauration Durands gegen 1870 zurückzuführen ist82. Weder die hohen Aufsätze mit ihrer doppelgeschossig aufgeblendeten Tabernakel-Gliederung, noch die Strebebögen geben die ursprüngliche Disposition wieder. Alte Zeichnungen93 lassen uns den Zustand vor der Restauration erschliessen (Fig. 8): Über der Gebälkplatte des Kapitells setzte nur wenig steiler als die Umgangsbedachung der schlanke Strebebogen an, ohne jeglichen Aufsatz und erheblich tiefer gegen die Apsis anfallend als heute94. War diese Disposition des frühen 19. Jahrhunderts aber auch die des 12. Jahrhunderts? Die Rekonstruktion hat von den Kapitellen der Strebevorlagen auszugehen, 91 92
83
94
V g l . S. 3 0 ff. V g l . Tillet ( 1 9 2 8 , S. 508/9): „ces arcs-boutants et toute la partie du contrefort située au-dessus du chapiteau ont été refaits, d'après le dessin joint au rapport de M . E . Boesw i l l w a l d . " Weder den R a p p o r t Boeswillwalds von 1 8 4 9 / 5 0 noch die genannte Zeichnung konnte idi finden. V o r b i l d für Durands Strebeaufsätze waren die ehemaligen, nachmittelalterlichen Strebeaufsätze am Langhaus der Kathedrale von A u t u n (vgl. die Ansicht von Lallemand, abgebildet bei H a m a n n - M a c Lean, 1 9 3 6 , S. 3 1 3 ) . N e b e n der Ostansicht von H e n r i Darbrès ( 1 8 4 9 , B N Est. V e 26 r f ° ) geben die Strebeanlage v o r 1 8 7 0 wieder: zwei Ansichten des Chores von Macquet, 1 8 3 7 und 1 8 4 9 ( A N F 1 9 i 1 8 8 8 3 und A N F 1 9 7 7 1 6 ) sowie eine Photographie der späten 1860-er Jahre ( A P 3 9 2 9 ) . Tillet ( 1 9 2 8 , S. 509): „ils (les arcs-boutants) étaient jadis placés plus bas et leur rampants aboutissaient au dessus du chapiteau du contrefort; aucune maçonnerie au-dessus de ce chapiteau."
Die oberen Chorteile
41
die seit jeher den Ansatz der Umgangsbedachung überragt haben. Sinnvoll ist ihre Position nur im Zusammenhang mit einer Strebeanlage, die über dem Dach in Erscheinung trat. Der Mauerbestand der Apsis gibt zwingende Hinweise, sie in Form eines Kranzes „prototypischer" Strebebögen zu rekonstruieren.
Fig. 7
L A N G R E S , Kathedrale. Strebeapparat am nördlichen Chorjochseitenschiff. Bestand des 1 2 . Jahrhunderts, angeschnittene Teile (Umgangswölbung und Apsistriforium) Bestand des 1 2 . Jahrhunderts A = der A n s a t z des einstigen Strebebogens B = das Kapitell der Umgangsvorlage C = die Strebevorlage der Apsis D a s übrige: Bestand des 1 9 . Jahrhunderts (angeschnittene Teile vertikal schraffiert)
Über den östlichen Gurtbögen der Chorjochseitenkompartimente sind Reste einer alten Aufmauerung erhalten (Fig. 7). Im Norden wie im Süden handelt es sich um einen aus breiten Quadern gebildeten Bogenansatz (A) und eine Hausteinhintermauerung, die ihn mit dem Strebepfeiler (B) verbindet. Die Breite der Bogenlaibung entspricht mit 90 cm genau der Breite der Triforienvorlagen des korrespondierenden östlichen Chorjochpfeilers (C). Die „in situ" erhaltenen Quader (der Nordseite95) sind nicht lotrecht aufgemauert, sondern leicht kurviert dem Chorjoch zugeneigt. In welcher Höhe fiel dieser Bogen der nördlichen Vorlage von ein an? Nicht im Bereich des Triforiums, da die Vorlage hier keine Abarbeitungsspuren aufweist. Folglich war der Strebebogen, wie es der Krümmung seines erhaltenen Ansatzes entspricht, über die Umgangsbedachung emporgeführt. Ausgehend vom Kapitell der Strebevorlage und dem Ansatz des 95
Im Süden ist nur ein Quader des Bogenansatzes erhalten.
Rekonstruktion und Darstellung der Bauphasen
42 Strebebogens
erschliesst die zeichnerische Rekonstruktion
(Fig.
8) ein
gebilde, dessen Rücken sich nur w e n i g über die Umgangsbedachung
Strebe-
hinaushebt
(kaum 1 5 0 cm). U b e r den Umgangsabschnitten sind keine Spuren einer älteren A u f m a u e r u n g erhalten 96 ; doch lassen die gleich hohen und gleich starken Strebevorlagen des U m g a n g s auf eine identische Strebebogenform schliessen97.
Fig. 8
86
67
L A N G R E S , Kathedrale. Schnitt durch den Chorumgang mit dem Strebeapparat vor 1860. Schraffiert: der Strebebogen des 12. Jahrhunderts.
Die wiederholte Umgestaltung der Dachpartie über dem Umgang im 19. Jahrhundert scheint alle Spuren einer älteren Aufmauerung beseitigt zu haben. In dem hier rekonstruierten Strebeapparat der Kathedrale von Langres besitzen wir eine der ältesten, in ihrer ursprünglichen Gestalt relativ genau nachweisbaren Strebeanlagen Frank-
Das Querhaus
43
D i e vergleichsweise schlanken Strebebögen, die in den Ansichten des frühen 1 9 . Jahrhunderts wiedergegeben sind, müssen demnach als das Ergebnis einer jüngeren Erneuerung des Strebeapparates angesprochen werden. D i e ursprünglichen, „prototypischen" von
Strebebögen,
die in ihrer schweren F o r m den Eindruck
Strebemauern erwecken, gehören nach A u s w e i s der Kapitellplastik
ihrer
Strebevorlagen der Bauzeit der oberen Teile der A p s i s an 98 . Wenngleich kein Hinweis darauf
gegeben ist, zwischen A r k a d e n z o n e und T r i f o r i u m der Apsis
eine einschneidende Bauzäsur
anzunehmen,
rechtfertigt die Planänderung
des
Strebesystems, die A u f m a u e r u n g der A p s i s v o n der Triforiensohle an als eine neue (zweite) B a u k a m p a g n e anzusprechen.
Das
Querhaus
D e r A u f r i s s des Querhauses setzt die Gliederung des Chorjochs f o r t ( A b b . 2). Unregelmässigkeiten in der Grundrissbildung der äusseren Querhausjoche' 9 sind wahrscheinlich auf eine Behinderung der Bauarbeiten durch den V o r g ä n g e r b a u oder
eine
ältere
Umbauung
zurückzuführen 1 0 0 .
Die
Querhausflügel
besitzen
heute keine eigenen Z u g ä n g e . I m N o r d e n scheint dies der ursprünglichen A n l a g e zu
entsprechen 101 ,
in der
südlichen
Querhausfassade
hingegen
lässt
sich
der
Umriss (der „ e x t r a d o s " ) einer Portalanlage ablesen (Fig. 2), welche den Z u g a n g v o m Kapitelbezirk her vermittelte 1 0 2 .
98 M
100 101
102
reichs. Die Berechtigung des Dogmas, am Langhaus der Kathedrale Notre-Dame von Paris sei gegen 1180/8$ erstmals der offene Strebebogen angewandt worden (Aubert, 1920, S. 103 ff.), ist damit in Frage gestellt. Durch den Nachweis eines offenen Strebeapparates in Langres um 1180 (zur Datierung vgl. S. 7$) gewinnt die Vermutung Conants (zuletzt 1966, S. 122), Cluny I I I habe bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts massive, „prototypische" Strebebögen gekannt, an Wahrscheinlichkeit. Von hierher ist denkbar, dass auch die Strebebögen am Chor von St. Germain des Pres in Paris (ca. 1160), an den östlichen Chorjochpfeilern von Notre-Dame in Beaune (um 1160) und an den westlichen Langhausjochen von Clairvaux (vor 1174) der Bauzeit ihrer architektonischen Umgebung angehören (und nicht, wie allgemein angenommen wird, erst nachträglich angefügt wurden). Vgl. S. 62. Der trapezförmige Grundriss von N I I ist ursprünglich und nicht etwa erst auf die Erneuerung dieses Jochs im 19. Jahrhundert zurückzuführen. Die Unterschiede im Grundriss führen zu divergierenden Triforienbildungen der entsprechenden Abschnitte über N II und S II: N II/ über N II e: 3 Bögen; über N II n2: 7; über N II w : 4 S 11/ über S II e: 3V2 „ ; über S I I S2: 6; über S I I w : 3 Offensichtlich entsprach der zu Beginn der Chorkampagne festgesetzte Apsidiolenradius nicht der später gewünschten Querhausbreite; daher die Restfelder zwischen den äusseren Apsidiolenvorlagen und dem Eckdienst e n2/e S2. Von der Umbauung der Kathedrale im 12. Jahrhundert ist allerdings heute nichts bekannt. Nach Auskunft der Pläne des frühen 19. Jahrhunderts besass die nördliche Querhausfassade, die 1835 ff. abgerissen wurde, keinen Zugang. Konsolidierungsarbeiten hatten allerdings schon seit 1724 (vgl. Daguin, X X I X , S. 154) ihren Bestand verändert. In welcher Weise der grosse Bogen — Weite 520, Höhe ca. 750 cm — ein Portalgewände einschloss, lässt sich heute nicht mehr bestimmen. In jedem Fall bildete er einen Zugang aus dem Freien und nicht aus einem angrenzenden Raum, wie das nachträglich unter dem Treppen-
Rekonstruktion und Darstellung der Bauphasen
44 D i e Bauphasen
der Querhausaufmauerung
lassen sich anhand einiger optisch
unauffälliger, handwerklich aber bezeichnender M e r k m a l e voneinander trennen. Die
erste Bauphase
(a) f ü h r t e die Querhausaussenjoche, an Z ä s u r „ A "
angrei-
fend, bis in H ö h e des Arkadensimses empor und die Seitenschiffsaussenmauern des ersten Langhausjoches gegen Westen bis an die W a n d v o r l a g e n (einschliesslich)
f o r t . Wenngleich
sich diese Teile in der K a r g h e i t
wini/wisi des
Orna-
ments und im Fehlen der grossen K a n n e l u r gegen die O s t w a n d der inneren Querhausjoche deutlich abheben, hat sich doch keineswegs unmittelbar v o n Z ä s u r „ A " an ein neuer Formenschatz durchgesetzt. In dieser Phase herrscht eine gewisse Unsicherheit
in der W a h l
der
architektonischen
Einzelformen;
man
gewinnt
weniger den Eindruck einer stilistischen Neuorientierung als vielmehr den einer flüchtigeren und weniger a u f w e n d i g e n Bauweise. So wird bezeichnenderweise erst im Verlauf und nicht etwa schon zu Beginn der neuen Bauphase eine neue Basenform entwickelt, welche das knappe attische Profil durch einen einfachen, im Bauverlauf gegen Westen zunehmend iiiessender gebildeten Karnies ersetzt (Fig. 10, F, G); dieser findet sidi erstmals an den Ostvorlagen von wni/wsi, wogegen die attische Basis der Chorpartie an den Aussenvorlagen der Querhausapsidiolen und an Wim wiederaufgegriffen ist. Bezeichnend für den Übergangscharakter dieser Bauphase ist das Nebeneinander von Motiven, die sich ausschliesslich in der Chorpartie oder einzig im Langhaus wiederfinden. So sind die Eckdienste noch wie in der Chorpartie dem Vorlagenrücksprung nachträglich („en délit") eingestellt und mit breiten Bindern verbunden; die Binder bleiben aber unornamentiert, und der attische Sockel über dem Kämpfersims der Arkadenvorlage, dem in den Ostteilen der Eckdienst aufstand, entfällt von der Westwand des Querhauses an. Die flüchtige Arbeitsweise äussert sich schliesslich im Fehlen der Eckdienste an der östlichen Vorlage von wsi (zwischen Arkadenkämpfer und Arkadensims), deren Anfertigung in der folgenden Bauphase, welche zur Aufmauerung der Eckdienste im Verband übergegangen war, unterblieb. D i e neue G e w o h n h e i t , die Eckdienste mit dem V o r l a g e n k e r n im
Verband
a u f z u m a u e r n , und die genannte Fehlstelle an der O s t v o r l a g e v o n w s i dass die Querhausteile über der Triforiensohle einer neuen Bauphase
zeigen,
(b)
ange-
hören. D i e T r e p p e n t ü r m e zwischen Querhausapsidiolen und Chorjoch sind bis in H ö h e der U m g a n g s g e w ö l b e der älteren C h o r k a m p a g n e zuzurechnen, ihre höheren Teile aber der zweiten Querhausbauphase. Bei „ K " (Fig. 9) setzt gegen das ältere T r i f o r i u m (über S I e) ein neuer M a u e r v e r b a n d an 1 0 3 , welcher v o m T r e p penturm ausgehend T r i f o r i u m und Lichtgaden des angrenzenden äusseren Q u e r hausjoches umfasst 1 0 4 . D e r Stollen „ L "
103
104
f ü h r t aus der Treppenspindel
auf
die
ansatz vorgezogene Aussensockelprofil zeigt. Die Vermauerung des Bogens zu der kleinen, mit dem Eingang des Tresorobergeschosses niveaugleichen Rundbogenöffnung ist wohl mit dem Bau des mittelalterlichen „trésor" in Zusammenhang zu bringen, wie auch die Anlage der Treppe und die Vorblendung der Lisene unter dem westlichen Ansatz des grossen Bogens. Im westlichen Bereich des Mauermassivs e si lässt sich der weitere Verlauf der Baunaht nicht angeben. Ihrer Kannelierung und Kapitellplastik nach gehört die Westvorlage e si der Baukampagne der Chorpartie, nicht der des Querhauses an. Die beiden Treppentürme reichten vor 1860 nur bis zum Dadiansatz des Querhauses. Durand (Kostenvoranschlag für 1860, A D H M , 40 V 4) hielt die Türme für unvollendet; das ist unwahrscheinlich, da der alte Abschluss angesichts der tiefliegenden Gurtkämpfer zur Begehbarkeit des Dachstuhls völlig ausreichte.
Das Querhaus
45
modern vermauerte nördliche Triforienöffnung über S II e. Diese war demnach ebenso wie ihr südliches Pendant ursprünglich offen (Abb. 2). Der gleiche Befund wiederholt sich am nördlichen Querhaus, w o dem rechteckigen Apsidiolenmantel (als Voraussetzung der offenen Triforienbögen) eine Triforienkammer aufgestockt ist105. Auch im Süden lässt sich diese Triforienkammer über einem entsprechenden, im Obergeschoss des Kapitelsaales erhaltenen Podest zwischen
Fig. 9
L A N G R E S , Kathedrale. Horizontalschnitte durdi das Aufgehende zwischen Chor (links) und südlichem Querhaus (unten). Horizontalschnitt durdi das Mauerwerk zwischen Kapitelsaal, Querhausapsidiole und südlichem Chorjochseitenschiff Triforiensohlbank Horizontalschnitt auf Höhe der Triforienarkaden Slzlzl^lz
105
Moderne Vermauerungen
Trotz kompletter Erneuerung dieser Teile zwischen 1842/46 ist ihre Disposition durch ältere Aufnahmen als die ursprüngliche gesichert; vgl. Pédiinés Bauaufnahme von 1842 ( A D H M , 40 V 3).
46
Rekonstruktion und Darstellung der Bauphasen
Triforienrückwand, Südwand des Treppenturmes und der Flucht der westlichen Innenwand des Kapitelsaales106 rekonstruieren. Von der Westwand des Querhauses an wird eine kleine, aber strukturell gewichtige Modifikation am Chorjochschema vollzogen: das Mauerwerk von Triforium und Lichtgaden liegt nicht mehr fluchtgleich über dem der Arkadenzone, sondern auf dem Arkadensims nach rückwärts versetzt107. Auch diese (zweite Querhaus-)Bauphase erfasst über die Querhausflügel hinaus das erste Langhausjoch108. A n seinen Freipfeilern wird der Eckdienst von unten auf im Verband mit dem Pfeilermassiv gearbeitet. Damit ist er dem Pfeiler des Chorjochs in der baukünstlerischen Wirkung entgegengesetzt; was ihn dort noch als Bündelpfeiler auswies, die Sonderung von kannelierten Vorlagen, kreuzförmigem Grundkern und eingestellten Eckdiensten, ist hier einer undifferenzierten Kompaktheit gewichen. Das zeitliche Verhältnis zwischen der Querhausaufmauerung und dem Bauverlauf der Ostteile lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Dies liegt nicht allein an der umfassenden Restauration dieser Teile im 19. Jahrhundert und an dem Versiegen charakteristischer Motive der Bauzier, sondern daran, dass nirgends die ältesten Teile des Querhauses und die jüngsten der Chorpartie aneinandergrenzen. Dass der östliche Gurtbogen des Chorjochs vor Baubeginn des (ornamentarmen) Querhauses aufgemauert wurde, ist wahrscheinlich angesichts des Blattfrieses, der seine westliche Abtreppung schmückt. O b aber auch die oberen 106
Der Führung der Traufgesimse nach ist es ausgeschlossen, dass das Pultdach der südlichen Triforienkammer schon im 12. Jahrhundert über den Kapitelsaal hinweg abgeschleppt wurde. Das Obergeschoss des Kapitelsaales wurde erst gegen 1860 anlässlich der Umgestaltung der Annexbauten aufgestockt und durch einen neuen Zugang „ N " mit dem Treppenturm verbunden (vgl. Fig. 9 und Abb. 19). Der im Obergeschoss verbaute, Verwitterungsspuren aufweisende Strebepfeiler aisi und die heute sinnlosen Fensterluken des Treppenturmes über Zugang „ N " prägten einst die Aussenerscheinung. Der Kapitelsaal muss demnach ursprünglich ein flaches Satteldach besessen haben. Nach dem Anbau der alten Sakristei (abgerissen in den 1850-er Jahren) wurde diese mit den zwei südlidien Kapitelsaalabschnitten unter einem grossen Satteldach in West-Ost-Richtung zusammengefasst (vgl. Plan Macquets von 1849, A N F 1 9 7 7 1 6 ; Ansicht Darbres' von 1849).
107
S II e und sein nördliches Pendant waren noch an das alte Aufriss-Schema gebunden. Ob die Einwölbung dieser Teile unmittelbar auf die Arbeiten am Aufriss folgte oder erst im Zusammenhang mit den Arbeiten am Langhaus, W II ff., lässt sich nicht entscheiden. Dass die Kathedrale im 12. Jahrhundert einen steinernen Vierungsturm besessen habe, ist unwahrscheinlich. Erst die Brandnachricht von 1562 weiss von einem (wohl hölzernen) Aufbau über der Vierung, wogegen sich die Nennung eines abgebrannten „turris campanilis" um 1 3 1 5 eher auf einen der Fassadentürme beziehen dürfte (nach Pingenet, 1904, S. 156 hingen die Glocken bis 1562 im nördlichen Fassadenturm). Langroiser Lokalautoren bis hin zu Ache (1948, I, S. 1 1 5 ) meinten, die Nachricht von 1 3 1 5 beziehe sich auf einen Vierungsturm, dessen Brand und Einsturz für Beschädigung und Restauration (Masswerkfenster) des Apsislichtgadens verantwortlich zu machen sei. Dies ist recht phantastisch, da Mauerwerk und Konsolfries über dem erneuerten Apsislichtgaden gleichwohl unbeschädigt geblieben wären. Zum andern ist ein Vierungsturm in der Art von Notre-Dame zu Beaune anbetrachts der ausserordentlich weiten Vierungsbildung in Langres (1360 x 1 2 5 0 cm gegen etwa 800 x 8 0 0 cm in Beaune) auszuschliessen.
108
Das Querhaus
47
Partien der A p s i s bereits vollendet w a r e n , als die Arbeiten am Querhaus einsetzten, ist fraglich. D i e französische Forschung, die den Wechsel v o n
akan-
thischem zu lappenförmigem Blattdekor als Datierungshinweis überschätzte und sich durch falsche Aussagen der restaurierenden Architekten irreführen Hess109, meinte, die Chorteile seien bis in die W ö l b u n g fertiggestellt gewesen, bevor man —
nach einer Bauunterbrechung v o n ca. 2 0 J a h r e n — die A r b e i t an den Q u e r -
hausflügeln aufgenommen habe. Demgegenüber w u r d e bereits gezeigt, dass die Z ä s u r „ A " seitlich v o n esi/eni nicht der einzige O r t ist, w o die Baugewohnheiten der C h o r p a r t i e abgeändert w u r d e n . V i e l m e h r umfasst dieser Wandlungsprozess
—
bald im Wechsel der
Basenform, bald in dem der Kapitellzier, dann in der Pfeilerdisposition oder in der W a n d s t r u k t u r , jeweils an verschiedenen Orten sich äussernd —
das ganze
Querhaus bis hin ins erste Langhausjoch. Schon dies widerspricht der These, dass die Q u e r h a u s k a m p a g n e nach einer jahrzehntelangen Bauunterbrechung a u f g r u n d einer stilistischen N e u k o n z e p t i o n eingesetzt hätte. Weitere Detailbeobachtungen bestätigen die hier vertretene Vorstellung eines ununterbrochenen
Bauverlaufs:
Während in den niedern Teilen der Chorpartie und unter dem Gurtbogen E I ei die Kapitelle der Eckdienste dem Pfeilerkern beziehungsweise der Vorlage eingebunden sind und ihre Abaci sich fluchtgleich zu diesen verhalten, sind die Eckdienstkapitelle der Querhausbauphasen und des Langhauses mit ihren ausladenden Deckplatten den Pfeiler- beziehungsweise Vorlagenecken nachträglidi eingefügt. Der Wechsel von der ersten zur zweiten Form findet sich aber nicht über der Zäsur „ A " , sondern bereits über den östlichen Vierungspfeilern. Das bedeutet, dass sich die Baugewohnheiten nicht erst im Querhaus, sondern bereits in den hohen Teilen der Chorpartie ändern. Überraschenderweise finden sich in den Seitenschiffskompartimenten des östlichen Langhausjoches wieder Vorlagen mit im-Verband-gearbeiteten Eckdienstkapitellen, deren Abaci den Vorlagenrücksprüngen fluchtgleich eingepasst sind. Überhaupt finden sich in diesen beiden Seitenschiffsjochen so viele Anklänge an die Baugewohnheiten der Chorpartie, dass ihre Ausführung der Chorkampagne recht bald nachgefolgt sein muss 110 . Das Wiederauftreten der attischen Basis an Vorlage Wim wurde bereits erwähnt; über WI SI findet sich noch einmal der gleiche akanthische, „rotierende" Schlusstein wie über mehreren Abschnitten des Chorumgangs (Abb. 43); über dem östlichen Eckdienst von Wim sitzt ein akanthisches Kapitell. An der Vorlage wsi ist das Kämpfersims über dem Eckdienst der Vierungsrippe abgesetzt — auch dies ein Motiv, das sich allein in der Chorpartie, und nirgends in Quer- und Langhaus wiederfindet.
109
110
Als Beweis für eine einschneidende Bauunterbrechung wird — von der ersten Kathedralmonographie (Daguin-Godard, 1848) bis hin zu A che (1948) — der anlässlich der Restauration von 1835 und 1842 ermittelte „Befund" der nördlichen Querhausfundamente angeführt; akkurat unter Baunaht „ A " habe man einen Fundamentsprung gefunden; der südliche Fundamentzug sei hier mehrere Meter tief und solid, der nördliche hingegen nur oberflächlich und brüchig gebildet gewesen. Aus den Restaurationsakten der betreffenden Jahre in den A N und A D H M geht indessen hervor, dass eine Stichgrabung Pechines (1842) unter sämtlichen Seiten des nördlichen Querhauses einheitliche Fundamente festgestellt hatte: „les fondations... sont les mémes que toutes Celles de la cathédrale connues parfaitement par Celles du mur pignon démoli en 1835" ( A D H M 40 V 3). Erst nachdem Péchiné seinen Kostenvoransdilag zur Konsolidierung der nördlichen Querhausfassade weit überschritten hatte, gab er 1845 vor, er habe einen Teil der Fundamente erneuern müssen. Baugeschichtlich ist diese Notlüge natürlich ohne Relevanz. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Querhausbauphasen jeweils an den Seitenschiffskompartimenten der östlichen Langhausjoche einsetzten, also von Westen nach Osten verliefen.
4
8
Rekonstruktion und Darstellung der Bauphasen
Diese Einzelbeobachtungen zeigen deutlich, dass die Baugewohnheiten der Chorpartie nicht etwa zu Beginn der ersten Querhausbauphase durch eine stilistische Neukonzeption ersetzt, sondern im Verlauf einer ununterbrochenen Bauführung lediglich modifiziert wurden. Wenngleich im Bereich der Zäsur „A" das akanthische Blattwerk endet, steht die Kapitellplastik des Querhauses und des westlichen Langhausjoches dem strengen korinthischen Aufbau der Chorkapitelle noch näher als den üppigen und stark bewegten Stücken der folgenden Langhausjoche. Der Wechsel von akanthischem zu lappenförmigem Blattwerk als solcher gibt aber keinen Hinweis auf eine Bauunterbrechung, da das gleichzeitige Vorkommen beider Blattformen an ein und demselben Bau durchaus keine Seltenheit ist111. Es liegt nahe, für die Querhausaufmauerung dieselbe Baukampagne verantwortlich zu machen, die durch die Anbringung des offenen Strebeapparates, durch die Umdisponierung der Achsialkapelle und die Aufmauerung des Apsistriforiums die Chorpartie der Vollendung zuführte. Für eine Entscheidung, ob die niederen Teile des Querhauses und die oberen Partien der Apsis gleichzeitig in Bau waren, oder ob man das Querhaus erst unmittelbar nach Vollendung der Chorpartie in Angriff nahm, fehlen eindeutige Hinweise.
Das Langhaus Die folgenden Langhausjoche weisen gegenüber W I keine strukturellen Veränderungen auf 112 . Die Kapitellplastik verwendet zunehmend kompliziertere Blattformen und lässt im Vergleich der Einzelformen den Schluss zu, dass die Ausführung des nördlichen Seitenschiffs der des südlichen jeweils voranging. Insgesamt kann der Bauverlauf nur noch schleppend gewesen sein. Vom zweiten Joch an wird die Dreipassrippe über den Seitenschiffskompartimenten etwas schlanker. Auffälliger ist der Wechsel der Rippenform im Mittelschiff zwischen 111 1,2
Vgl. S. 67. Im i
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2.
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70 60 •SO •tO
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X B C A Fig. 10
30 •20
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E
BASISPROFILE A = Autun, Kathedrale, Wandvorlage im nördlichen Seitenschiff B = Vienne, St. André-le-Bas, Basis des Willelmus C = Reims, St. Remi, Wandvorlage des südlichen Seitenschiffs D = Dijon, ehemals St. Bénigne, Narthex, Mittelschiffspfeiler E = Dijon, St. Bénigne, Westportal, Gewändesockel F = Langres, Kathedrale, Chorjochpfeiler G = Langres, Kathedrale, Langhauspfeiler
Das Basisprofil der Langroiser Chorpartie kennt in seiner oberen Hälfte einen ähnlich gedrängten, knappen Kontur wie die Basen der Apsisarkade von Pontigny. Doch weiss der untere Wulst noch nichts von der tellerförmigen Ausladung der Ile de France, sondern folgt — weit kräftiger ausladend als das Autuner Beispiel — einem antikisierenden Profil, wie es bald nach Jahrhundertmitte aus dem Rhonetal nach Burgund übermittelt worden war. Die Basis des Willelmus in St. Andre-le-Bas von Vienne (Fig. 10 B, am Sockel auf 1 1 5 2 datiert) ist in ihrer Klassizität Langres gut vergleichbar, scheint aber in ihrer steifen, unvermittelten Zusammenfügung von Wülsten, Platten und Kehlen, sowie in ihrer vergleichsweise geringen Differenzierung der Wulste nach Höhe und Ausladung altertümlicher. Wie eine verkleinerte Replik der Langroiser Basen sind dagegen die Sockelprofile in den Portalgewänden von St. Lazare in Avallon (Abb. 92) gestaltet, die heute allgemein in die 1160-er Jahre datiert 18i
Der Kapitellzier und den Montreal-sur-Serein nahestehenden nach kann der Kreuzgang kaum vor 1 1 7 0 begonnen worden sein.
architektonischen
Details
Z u r Datierung der Kathedrale von Langres
werden188. Die Basen der Gewändesäuldien am ehemaligen Westportal von St. Benigne in Dijon (Abb. zi, Fig. i o E ) , der ehemaligen Vorhalle der Abteikirche von Flavigny und der Chorarkade von Notre-Dame in Beaune wären dieser Stilstufe im weiteren Umkreis von 1160 anzuschliessen187. Ob für die Langroiser Basen in dem stilistisch rückständigen Nordburgund eine Verzögerung bis in die 1170-er Jahre in Betracht gezogen werden kann, muss offen bleiben. Die Dreipassrippe, welche die Kathedrale von Langres, bis auf die Langhausjoche W II ff. 188 , über allen Raumteilen aufweist, ist für Burgund und die Provence bis ins 1 3 . Jahrhundert hinein die bevorzugte Rippenform. Die Michaelskapelle des Narthex von Vézelay scheint unter dem erhaltenen Bestand das älteste burgundisdie Beispiel einer Dreipassrippe (gegen 1150 189 ) zu bieten. Doch blieb diese Form im nordwestlichen Burgund eine Einzelerscheinung, da sich hier — von wenigen Ausnahmen abgesehen1'0 — das Rippenprofil der Kathedrale von Sens (Doppelwulst mit Zäsurkeil) durchsetzte. In Burgund begegnen wir erst später der Dreipassrippe wieder in: Flavigny, St. Pierre — N a r t h e x , ca. 1 1 8 0 / 9 0 ; Bar-sur-Aube, St. Maclou, ca. 1 1 7 0 / 1 1 8 0 1 ' 1 ; Bar-sur-Aube, St. Pierre, nadi 1 1 9 5 ; Morimond, Abteikirche, spätes 1 2 . Jahrhundert (?) 1 9 2 ; C l u n y I I I — Narthex, Ostjodie, ca. 1 1 7 0 1 9 3 ; L a Bénissons-Dieu, Ostjodie, ca. 1 1 7 0 ; St. Marcel bei Chalon-sur-Saône, nördliche Querhausapsidiole, ca. 1 1 8 0 ; L y o n , Kathedrale, Chorseitensdiiffe, zwischen 1 1 7 0 / 8 0 ; Vienne, St. André-le-Bas, nicht vor 1 1 7 0 ; Silvacane, Vierung, 1 1 7 J ff.; etc.
Diese Beispiele weisen wie Langres ein reines Kleeblattprofil auf; der Mittelwulst ist nicht angespitzt. Indessen hat nur ein Teil der genannten Beispiele mit Langres die Eigentümlichkeit gemein, dass der Dreipass keinen Rechtedssteg als Rücklage ausbildet, vielmehr den Gewölbekappen unmittelbar anliegt (Abb. 1 1 ) . Es sind dies die Rippen in: Bar-sur-Aube, St. Maclou; Cluny III, Narthex; La Bénissons-Dieu; St. Marcel-les-Chalon; Lyon, Kathedrale; und Vienne, St. Andre-le-Bas. Bei diesen Beispielen handelt es sich wie in Langres um das 188
Zuletzt Kerber, 1966, S. 5 7 ; die Basen des Langhauses sind gegen 1 8 6 0 restauriert worden.
187
Hierher gehört wohl auch die fragmentarisch erhaltene Basis w«s von St. Andodie in Saulieu. Das Rippenprofil der westlichen Langhausjodie (vgl. S. 49) findet sidi in Burgund erst um 1 2 3 0 (vgl. die Beispiele bei Branner, i960). Das Rippenprofil in der Apsis von St. Martin in Langres (ca. 1 2 2 0 ff., vgl. Branner, i960, fig. 64) ist noch altertümlicher gebildet.
188
» » Nach Salet, 1 9 4 8 , S. 66. E t w a dem Kapitelsaal von V i z e l a y , den Salet (1948, S. 92) auf 1 1 6 1 — 1 1 6 $ datiert, w ä h rend Sauerländer (1966, S. 1 6 ) die Schlussteinplastik mit Arbeiten der Ile de France aus den 1 1 7 0 - e r Jahren in Zusammenhang bringt. 1,1 1 1 $9 wurde das Kapitel durch Henri-Ie-Liberal gegründet. 1 1 6 5 siedelte es in die Kirche Ste. Madeleine um, weil ihm der Bau von St. Maclou im Sdilossbezirk des Grafen nicht ausreichte. Dies Datum gibt den „terminus post quem" des heutigen Baus, nicht die Kapitelgründung von 1 1 5 9 . Schenkungen und Privilegien der Grafen von Troyes (um 1 1 7 0 ) kommen dem Neubau zugute. (Vgl. hierzu Roserot, Dict. Aube, 1 9 5 8 , Bd. I, S. 97, mit Literatur.) 192 Nach ergrabenen Fragmenten, vgl. E y d o u x , 1 9 5 7 , S. 8 (zur Baugeschichte von Morimond vgl. unten S. 9 2 — 9 4 ) . 193 V g l . Branner, i960, S. 1 3 0 , und meine Hinweise zur Datierung, S. 96 f.
190
Zur Datierung der Kathedrale von Langres
73
erstmalige Auftreten der Rippe in einer Gegend, die bis dahin allein mit Gratund Tonnenwölbung vertraut gewesen war 194 . Die mangelhafte Dienstvorbereitung des Rippenansatzes und die Wahl besonders wulstiger Rippenformen scheinen hier eine Stegbildung nicht erlaubt zu haben. Für die Datierung der Langroiser Rippen ist von Wert, dass die genannten Beispiele erst um und nach 1 1 7 0 anzusetzen sind. Die Umgangswölbung der Kathedrale von Langres dürfte kaum wesentlich früher entstanden sein. Die Pilasterkanneluren der Langroiser Ostpartie scheinen auf den ersten Blick ein besonders altertümliches und in der burgundischen Tradition der ersten Jahrhunderthälfte verwurzeltes Motiv. Die von vier gefüllten „Flöten" in verhaltenem Relief besetzten Wandvorlagen des Chorumgangs (Abb. 1 1 ) unterscheiden sich von denen der Apsisgliederung von Autun 1 ' 5 im Grundsätzlichen nicht. Die Kanneluren der Strebevorlagen (Abb. 12, 19) hingegen sind innerhalb Burgunds der Form wie der Anbringung nach ungewöhnlich; in überregionalen Zusammenhängen stehen sie aber nicht allein. Kirchen der Provence bereicherten gegen Ende des Jahrhunderts die Aussenerscheinung ihrer Apsiden oftmals durch kannelierte Halbrund vorlagen" 6 ; auch im Norden ist dieses Motiv am Aussenbau der frühgotischen Umgangschöre von St. Remi in Reims (ii6o/7off.) und von Notre-Dame-en-Vaux in Chalons-sur-Marne (um 1180/85 ff-) anzutreffen. Von diesen Beispielen unterscheidet sich die Langroiser Strebevorlage allerdings in ihrer Breite und damit verbunden in der Vielzahl und der Breite ihrer Kanneluren. Hierin lässt sich ein weiteres Mal der Zusammenhang mit der Stadttorarchitektur des antiken Langres fassen (Abb. 72)197. Die unmittelbare Antikenrezeption macht es unwahrscheinlich, dass zwischen dem Auftreten von Kanneluren (antikischer Bildung) an Strebevorlagen der Provence, Burgunds und der Champagne ein Zusammenhang in Art einer motivischen Übermittlung bestehe; vielmehr dürfte eine Welle intensivierter Antikenrezeption gegen 1180 bald hier, bald dort zu gleichlautenden Dekorationsformen geführt haben198. Präziseres lässt sich über die „grosse Kannelur" des Langroiser Chorjochs sagen. Der antiken Bauornamentik war dieses Motiv komplizierter, schichtweiser Verschränkung und gegenseitiger Rahmung hohler und gefüllter Kanneluren unbekannt; vielmehr entstammt es der gleichen Landschaft und der gleichen Stillage, aus der auch die Kapitellplastik der niederen Chorteile von Langres abge1,4
195
1,6
197
1,8
Die gleiche Wölbungstedinik findet sich in zahlreichen Kirchen des Anjou vom ausgehenden 12. Jahrhundert; vgl. Aubert, 1934, S. 40 ff. Die der ersten Baukampagne unmittelbar nadi 1 1 2 0 angehören. Vgl. Zarnecki, 1965, S. 62, Abb. A . Cavaillon, Kathedrale; Le Thor, Notre-Dame; Vaison-la-Romaine, St. Quenin; etc. Daten sind zu diesen Bauten nicht bekannt. So mit der oben, S. 62 genannten „porte gallo-romaine", deren kannelierte Vorlagen selbst in den absoluten Maszen mit den Strebevorlagen der Kathedrale übereinstimmen. Vgl. Sauerländer, 1956, S. 4 und Anm. I J ; allgemein: Durand-Lefebvre, 1937, S. 68—70.
74
Zur Datierung der Kathedrale von Langres
leitet wurde. Der Wechsel von gerahmten und gefüllten Kanneluren als solcher war schon in der ersten Jahrhunderthälfte ein beliebtes, wenn auch in Burgund nicht gerade häufiges Motiv. Die Kanneluren am Gewände der Innenportale der Madeleine von Vezelay 199 kommen der Bildung der grossen Langroiser Kannelur bereits ziemlich nahe, indem die einzelnen Kanneluren nicht (wie in der Antike) durch Stege, sondern durch Grate getrennt sind. Doch stehen die Kanneluren von Vezelay noch unvermittelt nebeneinander und kennen nicht jene Spannung zwischen vorgegebener Pilasterstirn und wechselnder plastischer Kurvierung der Kanneluren, welche die Eigenheit und Schönheit der Langroiser Vorlagengliederung ausmacht. Diese Kannelur findet sich in Burgund erst gegen und nach 1 1 6 0 : am äusseren Gewändesockel des Westportals von St. Benigne zu Dijon (Abb. 36; zur Datierung auf 1155/60 vgl. Exkurs 1), an den Vorlagen des untersten Vierungsturmgeschosses sowie an einigen Vorlagenabtreppungen im Lichtgaden (Vierung und Chorjoch) von Notre-Dame in Beaune (Abb. 7 1 ; um 1160), an einem Pilasterfragment in Autun200, das Hamann-Mac Lean in die Nähe von Lazarusgrab und Vorhalle, mithin um 1 1 7 0 datierte, sowie an den Pilastervorlagen der Vierung von Chagny (Abb. 93, bald nach 1170) 201 . Auch das Motiv der grossen Kannelur weist auf eine Festsetzung des Baubeginns der Kathedrale von Langres nach 1160. Die „Spätdatierung" wird durch ein weiteres unauffälliges, aber bezeichnendes Motiv gestützt: die Ecksporen der Basen unter den eingestellten Diensten des südlichen Chorjochseitenkompartimentes enden in Voluten, die sich bald nach oben, bald nach unten einrollen. Sind Ecksporen in der burgundischen Tradition ohnehin selten, so ist das Motiv der gegensinnigen Einrollung allein in der Bauzier der Ile de France vorgegeben202. Im Zusammenhang mit der gegen 1160 allgemein erkennbaren Übernahme architektonischer und skulpturaler Einzelmotive aus Ile de France und Champagne in die burgundische Kunst mag auch diese Detailform nach Langres gelangt sein. Zusammenfassend gliedert sich die Baugeschichte der Kathedrale von Langres folgendermassen : i.Kampagne (nach 1160—um 1180) a: Chorjoch, niedere Teile b: Chorumgang (ohne Kapellenkranz und ohne offenen Strebeapparat; am Ostabschnitt überhalbkreisförmige Kapelle geplant) c: Chorjoch bis zum Gewölbekämpfer emporgeführt
im 100
201 202
N a d i Salet, 1948, S. 47: ca. 1 1 2 0 ; vgl. dass. pl. 14, 20—26. Heute im Treppenaufgang zum ehemaligen Kapitelsaal, vgl. Hamann-Mac Lean, 1936, Abb. 1 4 1 , Kat. N ° 201. Vgl. Branner, 1960, S. 124. Dies Motiv findet sich beispielsweise gegen n j o / j j im Chorumgang von St. Germain des Pres oder gegen 1 1 7 0 in der Chorempore von Notre-Dame in Paris.
Zur Datierung der Kathedrale von Langres
75
2. Kampagne (um 1180—gegen 1230/40) a: Apsistriforium (ca. 1180) Nachträgliche Anfügung des offenen Strebeapparates (um 1180 ff.) Reduzierung der Achsialkapelle durch die einschnürenden Strebevorlagen Querhaus, untere Teile b: Querhaus, obere Teile; Joch W I; Einwölbung der bislang errichteten Teile c: Langhaus, Joche W II bis W V I (gegen 1200); Anschluss an den Fassadenkörper des Vorgängerbaus. Einwölbung des Mittelschiffs (W II ff.) nicht vor 1230. Die hier vorgeschlagenen Daten weichen von denen, die Ache genannt hatte, ab. Seiner These eines Baubeginns in den 1140-er Jahren und einer Stillegung der Bauhütte zwischen 1153/1175 kann ebensowenig zugestimmt werden wie seiner Annahme einer Schlussweihe im Jahre 1196. Auch die von Eydoux203 vorgeschlagene Bauzeit von 115 j bis ca. 1175 liegt zu früh. Indessen sind die hier erarbeiteten Daten keineswegs neu. Schon Viollet-le-Duc 204 setzte den Chorbau in die zweite Jahrhunderthälfte; Enlart205 und Tillet206 rückten das Vollendungsdatum über die Jahrhundertwende hinaus (auf 1220) und Branner207 versuchte aus der Betrachtung und Analyse grösserer architekturgesdiichtlicher Zusammenhänge heraus einen Baubeginn nach 1160 wahrscheinlich zu machen. Meine Untersuchung beschränkt sich darauf, diese Angaben zu bekräftigen. Die Verknüpfung des Bauverlaufs mit einer bestimmten Bischofsfigur als Bauherrn oder mit irgendwelchen zeitgeschichtlichen Ereignissen als Datierungshinweisen musste aufgegeben werden. Die Bauuntersuchung konnte aber klarstellen, dass die Kathedrale von Langres in ihren verschiedenen Bauphasen, vom nachträglich angeschobenen Strebeapparat und von der reduzierten Achsialkapelle abgesehen, auf eine künstlerische Konzeption zurückgeht; der lange, 60 bis 70 Jahre dauernde Bauverlauf scheint sidi kontinuierlich und ohne einschneidende Unterbrechungen abgewickelt zu haben.
205 201 205 208 207
Eydoux, 1957, S. 13. Viollet-le-Duc, Dict. II, S. 346. Enlart, 1902, S. 628. Tillet, 1928, S. 486. Branner, i960, S. 24 und 14$ f.
TEIL II Zwischen Cluny und Clairvaux
Die Kathedrale von Langres und das Aufrissystem von Cluny III Die Kathedrale von Langres gilt in zeitlicher und stilistischer Hinsicht als das Schlussglied der Bautenkette, die sich Cluny I I I zum Vorbild genommen hatte. Der Bau der grossen Abteikirche war mit der Einwölbung des Langhauses gegen 1 1 3 0 abgeschlossen worden. Von den Nachfolgebauten scheint einzig Paray-le-Monial, „a pocket edition of Cluny" 208 , zu diesem Datum der Vollendung nah209; die übrigen folgten in mehr oder minder grossem Abstand nach. Die Betrachtung dieser Gruppe steht noch heute so stark im Banne der Rekonstruktionsvorschläge, der Datierungsprobleme und der stilistischen Herleitung der grossen Abteikirche selbst, dass monographische Untersuchungen der Nachfolgebauten (mit Ausnahme von La Charite-sur-Loire210) und damit eine nähere Bestimmung ihres Bauverlaufs nie ernstlich unternommen worden sind. Während die Kathedrale von Autun durch die Untersuchung ihrer Bauplastik auch in ihrer Baugeschichte annäherungsweise bestimmt werden konnte, liegen zu den Kollegiatskirchen von Saulieu und Beaune weder sichere Quellen noch fundierte architekturgeschichtliche Untersuchungen vor. Dass beide Bauten mit den Frühwerken der Gruppe im Typischen übereinstimmen, verführte die Forschung oft zu radikalen Frühdatierungen, wozu eine Papstweihe von 1 1 1 9 in Saulieu die historische Sicherung zu bieten schien211. Die Betrachtung der Gruppe von ihrem letzten Repräsentanten her — der sicherlich erst nach 1 1 6 0 begonnenen Kathe208 209
810
211
Conant, 1959, S. 1 1 8 . Oursei, 1926, S. 98 meint, der Bau sei vor 1109, dem Todesjahr des Abtes Hugo von Cluny, vollendet worden, während Virey, 1926, S. 15 die Fertigstellung zwischen i n j und 1 1 2 0 ansetzt. Hilberry, L a Chariti-sur-Loire, Priory Churdi, A Reconstruction Study, Ph. D. Dissertation, Harvard Univ. 1948 (Teildruck 1 9 5 5 ) und Raeber, 1964. Kritik an der Frühdatierung der Abteikirdie üben Conant, 1959, S. 122, Heliot, 1963, S. 186/187 u n d Salet, B M 1965, S- 345—349Zur Datierung von Saulieu vgl. oben Anm. 142. A n der Frühdatierung von Beaune hält die lokale Forschung fest: Raymond Oursei (1947) setzt den Baubeginn auf 1 1 2 $ ; Perriaux (1949, S. 4) sogar auf den Anfang des Jahrhunderts; 1 1 1 9 sei der Bau bereits weit fortgeschritten (Perriaux greift Ourseis völlig unbegründete These auf, Autun, Beaune und Saulieu seien unter Bisdiof Etienne de Bage von Autun — gest. 1 1 4 0 — erbaut worden; vgl. dazu die kritischen Rezensionen von Salet, 1949 und 1950); Charles Oursei (1953, S. 52) datiert den Bau zwischen 1 1 2 0 und 1 1 4 0 . Rhein (1928, S. 270) und Conant (1959, S. 1 1 8 ) setzen den Baubeginn dagegen um 1 1 5 0 an. Anbetrachts der entwickelten Bauplastik der Ostteile und der Querhausportale, sowie in Ansehung der fortschrittlichen Chorlösung und der niederen Pro-
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Zwischen Cluny und Clairvaux
drale von Langres —, lässt verstärkt die jüngeren Elemente ihrer Kapitellplastik in den Vordergrund treten und rückt Saulieu wie Beaune in ihrer zeitlichen Ansetzung eng an Langres: so scheint das Langhaus von Saulieu kaum vor der Jahrhundertmitte errichtet, und erst im Verlauf der n j o - e r Jahre dürfte die Chorpartie von Notre-Dame zu Beaune begonnen worden sein. Eine genauere Bestimmung der Nachfolgebauten von Cluny III in ihren Abhängigkeitsverhältnissen und in ihrer zeitlichen Abfolge wird erst die von Conant angekündigte Monographie über Cluny ermöglichen; in unserem Zusammenhang genügt die Feststellung, dass die genannten Kirchen vor Baubeginn der Kathedrale von Langres ausgeführt waren oder zumindest in Teilen aufrecht standen, und dass ihre zeitliche Abfolge von Cluny I I I über Paray-le-Monial, La Charite-surLoire und Autun hin zu Saulieu und dem späten Beaune verlief 218 . Die allgemeinsten, in allen Nachfolgebauten unverändert übernommenen Momente des Systems von Cluny III bestimmen auch in Langres (bis auf die wölbungsbedingten Veränderungen in Lichtgaden und Vorlagengliederung) die Struktur von Grundriss und Aufriss: 1) die Aneinanderreihung kurzer, „ungebundener", queroblonger Traveen in allen hohen Teilen, 2) schmale, ungefähr quadratische Seitenschiffskompartimente, 3) kurze Querhausflügel213, 4) ein der Langhaustravee gleichgebildetes Chorjoch, 5) der dreigeschossige Aufriss mit starker Horizontal- und Vertikal Verriegelung, 6) der kurzarmige Kreuzpfeiler mit Vorlagen, 7) gespitzte Arkaden und Gurtbögen; rundbogige Blendbögen und Fenster, 8) ein in allen hohen Teilen umlaufendes Blendtriforium mit drei Rundbögen zwischen Pilastervorlagen, 9) Kannelierung der Pilastervorlagen. In ihrem gemeinsamen Auftreten machen diese Merkmale den unverwechselbaren Charakter des Systems von Cluny III und seiner Nachfolgebauten aus. Was allerdings die Ausformung des Aufrissystems im Detail betrifft, so steht die Kathedrale von Langres deutlich am Ende der Entwicklung und knüpft nicht an Cluny III, sondern an Bauten des zweiten und dritten Jahrhundertviertels an.
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portionen der Arkadenzone scheint mir nur die letztere Datierung zutreffend. Beaune geht nicht Autun voraus, wie Frankl (1926, S. 165) meinte, sondern „wiederholt das System der dortigen Kathedrale in vergröberter Ausdrucksweise" (Dehio-Bezold, 1892, Bd. I, S. 391). Eine monographische Bearbeitung der Kollegiatskirche von Beaune steht noch aus. Semur-en-Brionnais (vgl. zu der nodi umstrittenen Datierung: Virey, 1926, S. J 3 ff.; Oursei, 1956, S. 288 ff.) und das in seinem alten Bestand restaurationshalber ganz unzuverlässige St. Vincent von Chalon-sur-Saône (die Literatur bei Branner, i960, S. i 2 j ) können hier ausser Betradit bleiben. Idi abstrahiere von dem doppelten Querhaus und der Fünfsdiiffigkeit in Cluny III.
Die Kathedrale von Langres und das Aufrissystem von Cluny I I I
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In mancher Hinsicht scheint Langres der Kathedrale von Autun besonders nahe zu stehen (Abb. 69, 3). So in der stilbestimmenden Rechtwinkligkeit aller Architekturglieder, die sich vor allem in der ausschliesslichen Wahl von Pilastervorlagen äussert. Während Cluny III und seine übrige Nachfolge Halbrundvorlagen bevorzugten, ist der gemeinsame Charakter herber Klassizität für Langres und Autun in dem Prinzip der allein durch rechtwinklige Vorlagen artikulierten Mauerstirn begründet. Zum andern verbindet Langres und Autun das Moment der Entriegelung des Triforiums gegen den Lichtgaden. Die kannelierte Pilastervorlage läuft über dem Arkadensims von Autun ohne weitere Horizontalverkröpfung zum Gewölbeansatz empor und legt dem Arkadensims — etwa in halber Mittelschiffshöhe — einen entschiedeneren Wert bei als dem Triforiensims. Hier gilt das Triforium wie in Langres nicht als oben und unten gleichartig ausgeschiedene Zone; vielmehr leitet seine subtil angedeutete Verklammerung mit dem Lichtgaden die allmähliche Auflösung der Körperstruktur der Arkadenzone in flächige Wandstücke — in Autun das gekrümmte Tonnenfeld, in Langres die Lichtgadenschildwand — ein. In diesen beiden Momenten erschöpfen sich aber bereits die Übereinstimmungen beider Bauwerke. Was den Schnitt der Horizontalgesimse im einzelnen angeht, so scheint der Architekt von Langres sein markantes Profil eher aus Beaune als aus Autun übernommen zu haben (Abb. 70). Hier wie in Langres sind Arkadensims, Triforiensims und Gewölbekämpfer von identischem Profil: in Beaune ein einfacher, grosszügig geschnittener Karnies, in Langres eine weit ausladende, stark unterkehlte Platte. Beide nehmen die Gliederung des Wandaufrisses in entschiedenerer und den Mauermassen adäquaterer Weise vor, als die kleinteilig profilierten, mehr graphisch der Wand aufgetragenen denn diese körperhaft durchwirkenden Gesimse von Autun. Mit St. Andoche von Saulieu schliesslich hat Langres gemein, dass die Abtreppungen der Mittelschiffsvorlagen von der Basis bis zum Wölbungsansatz in Art einer Monumentalordnung emporgeführt sind und nicht etagenweise durch eingestellte Runddienste ersetzt werden. Freilich, auch in Langres ist die übereinandergesetzte Ordnung der Vorlagen, die für Paray-le-Monial und die südburgundische Architektur (selbst aus der zweiten Jahrhunderthälfte, wie im Narthex von Cluny III und in Semur-enBrionnais) charakteristisch war, noch nicht völlig aufgegeben. Die Kanneluren enden im Langroiser Chorjoch jeweils unter der Gesimsverkröpfung und setzen über ihr neu an (Abb. 2); der Eckdienst ist dementsprechend über dem Arkadenkämpfer mit einem neuen Sockel versehen. Auch in der Beharrlichkeit, mit welcher der Bau in allen Raumteilen von gleichförmigen Wandabschnitten umstellt ist, schliesst sich die Kathedrale von Langres Cluny I I I und seiner Nachfolge unmittelbar an. Schon in Paray-leMonial bestimmen die einmal gewählten Geschosshöhen und Gliederungsmotive alle Traveen und greifen selbst auf die Innenfassaden von Querhaus und Mittelschiff über. Entsprechendes gilt für Autun und Beaune. War in Cluny III noch
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Zwischen C l u n y und C l a i r v a u x
das additive Prinzip angewandt, Raumteile geringerer Scheitelhöhe, wie die Apsis und die Aussenjoche der Querhausflügel, dem hohen Doppelkreuz anzuschieben (Fig. xj), so beschränkt sich dieser Höhenunterschied in den Nachfolgebauten allein auf den Apsidenansatz. Bis auf Langres gelang es keinem unter diesen, die Geschosshöhen des Chorjochs in der Apsis unverändert beizubehalten214. Cluny III und Paray-le-Monial unterschlagen hier das Triforium und setzen an seine Stelle den Lichtgaden. Für Saulieu und Autun21® sind die ehemaligen Chorabschlüsse, zumindest in den oberen Teilen, unbekannt. Beaune hat trotz der gotischen Erneuerung der oberen Chorpartie sein ursprüngliches Apsistriforium bewahrt (Abb. 71) und dokumentiert darin ausdrücklich seine Stellung zwischen den Bauten der ersten Jahrhunderthälfte und dem Spätwerk, der Kathedrale von Langres. Gleichwohl ist der Schritt zur Lösung von Langres noch gross, denn auch der Apsidenaufriss von Beaune setzt die Horizontalgliederung der Langhaustravee nicht unmittelbar fort, sondern legt sein Triforiensims tiefer als das des Chorjochs. Allein darin entsprechen sich die Apsidengliederungen der Cluny III-Nachfolge und der Kathedrale von Langres, dass die Scheitel der Arkaden das Arkadensims nicht erreichen (wie es in den Langhaustraveen die Regel ist), sondern stets ein mehr oder weniger hohes, bald von Lisenen gegliedertes21", bald nacktes (ehemals bemaltes?) Wandfeld eingeschoben ist. Unverkennbar hat die Kathedrale von Langres in der Grundrissanlage wie im Aufrissystem aus der Tradition von Cluny III und seinen Nachfolgebauten bestimmende Impulse empfangen. Gleichwohl sollten diese nicht überschätzt werden. Denn nicht nur hat Langres vom Triforiensims an Lichtgaden- und Wölbungszone des Systems von Cluny III durch eine neuartige Wölbungsform ersetzt, sondern auch in der Proportionierung des Gesamtraumes und der Einzelglieder eine Neuorientierung vollzogen. Man muss in Betracht ziehen, dass — so eindeutig das System des Aufrisses als solches aus der Nachfolge von Cluny III hervorgegangen ist — die architektonischen Glieder im einzelnen in einem Umwandlungsprozess begriffen sind, der über die direkten Zusammenhänge mit Autun und Beaune hinausweist. In der spannungslosen Breitendehnung ihres Raumes setzt sich die Kathedrale von Langres gegen Cluny III deutlich ab. Dort verhielten sich Breite und Höhe des Mittelschiffs zueinander wie 1:2,8217; in Langres heisst das Verhältnis 214
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Abgesehen von dem in seiner Datierung umstrittenen ( A n f a n g oder Mitte des 12. Jahrhunderts? vgl. A n m . 210) und durdi das gegen Osten ansteigende Terrain begünstigten L a C h a r i t i sur-Loire. Nach Conants Rekonstruktionszeidinung (1959, T a f e l 69) würde schon in der Apsis v o n Autun die Geschosseinteilung der des Langhauses entsprechen. D a f ü r ist im Aufgehenden aber kein Hinweis gegeben. D a s oberste erhaltene Horizontalgesims der Apsis liegt unter dem Arkadensims des Chorjochs. Heliot (1963, S. 189) rekonstruiert die Kalotte unmittelbar über dem erhaltenen Bestand des 12. Jahrhunderts. So in C l u n y . V g l . das bei Conant, 1939, Fig. 10 wiedergegebene Aquarell des frühen 19. Jahrhunderts. Nach Conant, 1939, Fig. 3; vgl. auch die Proportionstabelle bei Dehio-Bezold, I, 1892, S. 396.
Die Kathedrale von Langres und das Aufrissystem von Cluny III
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demgegenüber 1:1,9. Dem steilen Raumverhältnis von Cluny blieben aber auch die späten Nachfolgebauten, Beaune und Saulieu218, treu, und eine Senkung des Tonnenscheitels der Kathedrale von Autun auf die Verhältniszahlen von 1:2,4 wird optisch kaum wahrgenommen. Die Abneigung der Kathedrale von Langres gegen den cluniazensischen Raumschacht ist kaum aus dem Vorbild der Kathedrale von Sens zu erklären219, hat diese doch über ein beschränktes Ausstrahlungsgebiet an der Yonne und im Brie keinen merklichen Einfluss auf das nordöstliche Burgund genommen; und auch nicht allein als konstruktive Konsequenz aus der Rippenwölbung, die den Gewölbekämpfer nicht über, sondern in den Lichtgaden legt. Vielmehr ist zu bedenken, dass schon vom späten 1 1 . Jahrhundert an neben dem steilen, dreigeschossigen Aufriss von Cluny I I I und seiner Nachfolgebauten eine ältere, lokale, zunächst in kleineren Verhältnissen arbeitende Bautengruppe — die der zweigeschossigen Kirchen des Brionnais — breiter proportionierte Räume errichtet hatte. Dass von dieser Gruppe220, zumal von ihrem Hauptbau, dem Langhaus von Anzy-le-Duc, über Vezelay und Avallon ein bestimmender Einfluss auf die nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur ausgegangen sei, ist in der Literatur sdion lange erkannt worden221. Die Mittelschiffsproportionen von Vezelay liegen bei I : I , 8 J und die von Pontigny bei 1:1,9 (wie dies überhaupt die idealen Proportionen einer Zisterzienserkirche sein sollten)222, also in direkter Nachbarschaft zu den Raumverhältnissen von Langres. In der Proportionierung des Wandaufrisses und seiner Glieder nähert sich Langres den Verhältnissen dieser Gruppe. In Autun sind die Joche kurz und der Wandabschnitt dementsprechend steil (Abb. 69); durch die Öffnung im mittleren Triforiumsbogen ist der Abschnitt straff achsial aufgebaut und die schlanke, hohe Arkadenstellung hebt das Mittelschiff sofort über jede kommensurable Grösse hinaus. Anders die Kathedrale von Langres (Abb. 3): in diesem jüngeren Bau sind die Arkadenstützen beträchtlich massiver und plumper gebildet als an irgend einem Beispiel aus der Nachfolge von Cluny III 2 2 '; eine vertikale Tendenz lassen sie ebensowenig aufkommen wie die sehr weit geführten, etwas gestauchten und stark dem Rundbogen angenäherten Arkadenbögen. Hierin schliesst sich Langres unmittelbar den niederen Arkaden von Vezelay oder Pontigny an (Abb. 74), die jede vertikale Zuspitzung ablehnen und auf ausge-
218
Das ursprüngliche Bodenniveau von Saulieu ist 150 cm unter dem heutigen anzunehmen. " " So Salet, 1963, S. 16. 220 Früher sprach man vom T y p der „église martinienne" (etwa Charles Oursei, 1928); dagegen Salet, 1948, S. 103/104. Raymond Oursei (1956, S. 126) bevorzugt die Gattungsbezeichnung „du type d'Anzy ou de type brionnais". 221 Rose, 1916, S. 46 ff.; Ch. Oursei, 1928, S. 98; R. Oursei, 1956, S. 109 (nach Conant). 222 Vgl. Simson, 1964, S. 48 mit Literaturangaben. î2S Das lidite Verhältnis der Langhausarkade von Cluny III lautete (nach Wolfï, 1964, S. 202) 1:2,88; die entsprechenden Verhältniszahlen von Langres heissen 1 : 1 , 8 5 .
Zwischen Cluny und Clairvaux
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sprochen körperhaft empfundenen Stützen ruhen. In Autun werden vertikale Tendenzen in der Schlankheit der Pfeiler sowie in der Enge und Steilheit der Bögen betont in der Arkadenzone vorgetragen, während weiter oben der Aufriss zunehmend (und in der Tonne letztlich ausschliesslich) von folienhaften Wandflächen bestimmt wird. Anders Langres, wo in der Arkadenzone eine gestauchte Massigkeit vorherrscht, während in den höheren Zonen durch die Dienstvorbereitung und die punktuelle Ansetzung der Rippenwölbung eine stärkere Vertikaltendenz aufkommt. Das Langroiser Triforium ist bezeichnenderweise im mittleren Bogen blind und entfaltet in den seitlichen Öffnungen eine zerdehnende Wirkung anstelle der zentrierenden von Autun. Noch deutlicher wird die unartikulierte Massigkeit der unteren Geschosse der Langroiser Kathedrale im Vergleich ihrer Apsis mit der von Cluny I I I ; was dort ein schwereloses, lichtes Gitter von hohen schlanken Säulen war224, erscheint hier als gedrückte, ihre Last nur mühsam bewältigende Arkadenstellung. Schon das kleiner bemessene Beaune hatte die Schlankheit der aufgehenden Glieder beträchtlich zurückgebildet. Besonders aber dürften die zweigeschossigen Bauten des 12. Jahrhunderts, Vezelay, St. Lazare in Avalion und Pontigny, in ihrer Abneigung gegen forcierte Vertikaltendenzen die träge Massigkeit von Langres beeinflusst haben.
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Vgl. Conant, 1958, Tafel 74.
Die Anfänge der Rippenwölbung in Burgund Das Kreuzgewölbe
als Voraussetzung
des zisterziensischen
Hellraumes
V o n der Betrachtung der Proportionen sind w i r auf Zusammenhänge der Kathedrale von Langres mit einer Bautengruppe aufmerksam geworden, in der schon früh die Kreuzwölbung zur Anwendung gelangt war. Wir berühren damit die auffälligste Abänderung des Systems von Cluny I I I in Langres: die Substitution der Tonne durch die Kreuzrippenwölbung. Schon vom späten n . Jahrhundert an kannte die burgundische Architektur neben der Wölbungsformel von Cluny III und seiner Nachfolge das Motiv des in die Wölbung eingreifenden Lichtgadenfeldes. Die kleinen zweigeschossigen Bauten des Brionnais setzten Kreuzgratgewölbe über mässig querrechteckige Mittelschiffsabschnitte, und diese einfache Formel prägte noch um die Mitte des 12. Jahrhunderts die Innenräume von St. Lazare in A v a l l o n und St. Philibert in Dijon. Einzig in der Anspitzung der Bögen und in der Gliederung der Hochwand durch markante Horizontalgesimse drückt sich deren späte Entstehungszeit aus. Gegenüber den tonnengewölbten Bauten von C l u n y II und C l u n y III (mit ihrer jeweiligen Nachfolge) zielen die kreuzgratgewölbten Bauten auf eine intensivere Ausleuchtung der Wölbungszone 285 . In diesem Bestreben gelingt ihnen, was der Architektur von C l u n y III und seiner Nachfolge mit der dämmrigen, nur als Negativ wirkenden Tonnenwölbung verschlossen blieb: Wand und Wölbung als gleichberechtigte und strukturell aufeinander bezogene Bestandteile einer Architektur aufzufassen. In der Verklammerung von Wandgliederung und Wölbung durch die eine homogene Helle entsteht, was Gottfried von Lücken die „jochbil-
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Dass die Belichtung der Wölbungszone in der burgundischen Architektur schon früh eine entscheidende Rolle spielte, dokumentiert die Mannigfaltigkeit der Lösungsversuche. So lassen einige tonnengewölbte Bauten Stichkappen in die Tonne eingreifen. Bezeichnenderweise findet sidi dieses Motiv sowohl am Ende des n . Jahrhunderts wie audi noch um die Mitte des 12. Jahrhunderts, n . Jahrhundert: Romainmotier, im letzten Jahrhundertviertel (auch im Mittelschiff?) eingewölbt, zeigt Stidikappen über Vorlagen; Chapaize, Payerne und der Chorumgang von Cluny III, alle aus der zweiten Jahrhunderthälfte, bilden die Stichkappen lediglich in der Projektion der Fenster. Mitte des 12. Jahrhunderts: Stichkappen im Querhaus von Semur-en-Brionnais und im Langhaus von Til-Chatel. Eine dritte, in den Seitenschiffen von Fontenay gegen 1140 wiederaufgenommene Formel direkter Lichtzufuhr in die Wölbung bieten Langhaus und Vorkirche (Untergeschoss, Seitenschiffe) von Tournus mit quergestellten Tonnen (spätes 11. bzw. 10. Jahrhundert).
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Die A n f ä n g e der Rippenwölbung in Burgund
dende Tendenz von Anzy-le-Duc und seinem Umkreis" genannt hat"". Die beiden entscheidenden Momente, die den Innenraum von Anzy-le-Duc gegen die Architektur von Cluny abheben: die gleichmässige Aufhellung aller Raumteile, und, weitgehend hieraus bedingt, die Gliederung des Mittelschiffs als Jochfolge, bleiben aber für die kreuzwölbende Architektur Burgunds während des ganzen 12. Jahrhunderts mehr oder weniger bestimmend. Ähnlich wie Paray-le-Monial kann auch Cluny III kein heller Bau gewesen sein227. Die Dicke seiner Lichtgadenmauer (eine technische Konsequenz aus der Tonnenwölbung) führte zu stollenartigen Fensterbildungen, in denen das Licht sich mehrfach brach, bevor es den Innenraum erreichte. So blieb die Wölbungszone in tiefen Dämmer gehüllt. Die jüngeren Nachfolgebauten, Autun und Beaune, waren in der Lichtzufuhr des Langhauses noch sparsamer; aufgeschreckt durch den Einsturz der Mittelschiffswölbung von Cluny III (1125) wagten sie nicht, das ganze Lichtgadenband in eine ununterbrochene „Lichtkrone" (drei Fenster je Wandabschnitt) aufzulösen. Damit hatte das System von Cluny III im Sinne einer Entwicklungsfähigkeit aber versagt. Die eigentlichen Intentionen der Zeit, die auf eine stärkere Aufhellung des Innenraumes drängten, konnten in seiner direkten Nachfolge nicht realisiert werden. Auch die bernhardinische Zisterzienserarchitektur vom Typ Fontenay hatte die Lichtzufuhr nicht einer gleichmässigen Aufhellung des Innenraumes zugute kommen lassen, sondern einer Kontrastwirkung der „Lichtaugen" an Fassade und Chorschluss gegen das dämmrige Langhaus. Anders verfuhr die nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur; darin sind sich ihre Bauten vom fortgeschrittenen 12. und frühen 13. Jahrhundert grundsätzlich gleich, dass sie den Innenraum bis in den letzten Winkel von einem Helligkeitskontinuum durchwalten lassen. Pfeiler, Wand und Gewölbe sind nicht durch unterschiedliche Helligkeitswerte voneinander geschieden; vielmehr ist in einem konstruktiven und stofflichen Zusammenhang der Pfeiler mit der Wölbung, die Wand mit der gegenüberliegenden Wand und das Joch mit dem Nachbarjoch durch die umfassende Lichtfülle verbunden. Mehr als in der Kargheit der Wandgliederung oder dem Fehlen einer reichen Bauzier und mehr als in der breiten Proportionierung oder der Zweigeschossigkeit dürfte der entscheidende Gegensatz der Abteikirche von Pontigny zur Architektur von Cluny III in der neuen Weise der Belichtung liegen 126
Lücken ( 1 9 2 0 , S . 3 7 / 3 8 ) geht allerdings nur von einer A n a l y s e der Vorlagengliederung aus; die Liditführung als solche lässt er unberücksichtigt. V g l . zur Jochbildung auch H a h n , 1 9 5 7 , S. 8 4 — 9 6 , der den W e r t der Beobachtungen v o n Lücken anerkennt, während sie bis dahin durch die (von Kautzsch, 1 9 2 5 , noch zugespitzte) These, die zweigeschossige, gratgewölbte Architektur Burgunds v o m späten 1 1 . Jahrhundert sei als „werdende G o t i k " zu v e r stehen, etwas diskreditiert waren. !27 V g l Conant, 1 9 4 4 , S. 1 2 8 : „. . . the diurch w a s criticized as being rather dark. Though the w i n d o w s were numerous, deep reveals caused by the thickness of the clearstory walls prevented direct sunlight f r o m passing through the w i n d o w s during a great part of the d a y . "
D a s Kreuzgewölbe als Voraussetzung des zisterziensischen Hellraumes
87
(Abb. 74)"". Pontigny fand die Lösung des Problems, das Cluny III sich aufgegeben hatte: den Kirchenraum in allen Teilen kohärent erscheinen zu lassen. Cluny versuchte dieser Forderung zwar im einheitlichen Fluss der Wandgliederung „zeichnerisch" nachzukommen, scheiterte aber an der ungleichmässigen Aufhellung des Raumes. Pontigny nimmt bewusst die Lösung des Lichtproblems zuerst in Angriff: Wandaufriss, Vorlagengliederung und Jochstruktur werden ihr angepasst. Das Ergebnis ist der unverwechselbare zisterziensische Innenraum, der selbst bei einschneidenden Veränderungen des Aufriss-, Vorlagen- oder Wölbungssystems in italienischen wie in deutschen Abteikirchen sogleich als solcher erkannt wird. Indessen ist der Hellraum von Pontigny kein radikaler Neubeginn. Vorläufer standen seit 1100 im Brionnais, und nordburgundische, nichtzisterziensische Bauten zwischen 1120 und 1170, wie die Madeleine von Vezelay, St. Lazare von Avalion oder St. Philibert zu Dijon229, befassten sich, jeder auf seine Weise, mit den gleichen Raumproblemen. Das Innere der Madeleine von Vezelay besitzt eine Helle, wie sie kein zweiter Raum der burgundischen Romanik erreicht (Abb. 79). Gleichwohl gewinnt der Bau nicht die spontane Ausgewogenheit aller Teile in Breite, Tiefe und Höhe wie das Langhaus von Pontigny. Der starke Tiefenzug der aneinandergereihten Wandabschnitte lässt eine Verklammerung des Raumes in die Breite nur beschränkt aufkommen. In den farblich akzentuierten Gurtbögen ist der Fluss einer Rundtonne so stark angedeutet, dass die Gratwölbung über den stark queroblongen Abschnitten keine jochsondernde Funktion ausüben kann. Gleichwohl gibt Vezelay einen interessanten und einzigartigen Beitrag zum Problem der Verklammerung von Wand und Wölbung. Das Wellenband, das an der Sdiildbogenleibung den Wandaufriss abschnittweise überfängt, wird ununterbrochen über den Gewölbekämpfer hinweggeführt. Betont dieses Motiv in seiner endlosen Durchbindung einerseits den Tiefenzug, so markiert es andererseits die Verzahnung von Lichtgadenfeld und Wölbung. Schildbögen und Gurtbögen wer228
Die in der Literatur wiedergegebenen Urteile zur Bedeutung des Lichts in der burgundischen Architektur v o m 1 2 . Jahrhundert sind widersprüchlich. D a s lichtgadenlose Mittelschiff von Fontenay fasst die französische Forschung unter den Begriff „nef obscure", während Bucher ( 1 9 5 9 , S . 5 $ ) die gleichmässige Lichtverteilung der Tonne zwischen Fassade und C h o r hervorhebt. Auch zu C l u n y I I I finden sich neben dem zitierten Urteil Conants andere, die den Bau als hell ansprechen ( E r f f a , 1 9 3 8 , S . 2 7 ) . In Wirklichkeit ist natürlich keiner der genannten Bauten „dunkel", da das A u g e eine noch so geringe Lichtmenge f ü r „heller als dunkel" empfindet. Genau genommen dürfte man nur von einer zisterziensischen Lichthelle (Pontigny) gegenüber einem cluniazensischen Lichtdunkel ( P a r a y le Monial) sprechen. Die Begriffe Hell und Dunkel können aber den Eindruck fassen, den man beim Betreten eines Gebäudes hat; sie bestimmen dann die Lichtqualität des Innenraumes im Vergleich zum hellen Tageslicht. Ich abstrahiere bei meiner Beurteilung der Lichtverhältnisse v o m jeweiligen Innenputz, von den durchgehend modernen Verglasungen und von dem Umstand, dass ich nicht alle Bauten unter gleichen Aussenlichtverhältnissen gesehen habe.
229
Eine Zusammenstellung der zweigeschossigen, gratgewölbten 1 2 . Jahrhunderts gibt Branner, 1960, S . 1 1 , A n m . 3.
Bauten
des
fortgeschrittenen
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Die Anfänge der Rippenwölbung in Burgund
den in eine räumlich ausgreifende Spannung versetzt, die in rudimentärer und origineller Weise einer Verklammerung der gegenüberliegenden Wandfelder zum Einzeljoch vorarbeitet. St. Lazare von Avalion (Langhaus ca. I I J O — 1 1 6 5 ) bildet die Quergelagertheit der Travee zurück und weiss durch die markantere Vorlagengliederung und die Verwendung des Spitzbogens entschiedener das Einzeljoch zur Geltung kommen zu lassen (Abb. 75). Doch treten die Grate nur in den Zwickeln der Wölbung in Erscheinung; so wirkt das Langhaus insgesamt als Abfolge kuppelig überwölbter Raumteile. Auch hier gelingt es der Wölbung nicht, den Raumeindruck übergreifend zu bestimmen und die Wandstruktur in ihrem Gegenüber zu verzahnen. Die reichornamentierte Gliederung des Wandaufrisses steht noch in starkem Kontrast zu den unstrukturierten, „leeren" Gewölbefeldern. In Pontigny hingegen ist die Verzahnung der korrespondierenden Aufrissgliederung über den Raum hinweg durch die Diagonalverstrebung der Kreuzrippenwölbung in intensivster Weise gelungen (Abb. 74, 78). Indessen belehrt uns die weitere Entwicklung der burgundischen wie der allgemein-zisterziensischen Architektur, dass die Rippe zunächst nicht als integraler Bestandteil des neuen Hellraumes verstanden wird, sondern dass sie lediglich akzidentelle Bedeutung besitzt230. Bezeichnenderweise unterscheidet sich das Mittelschiff der Abteikirche in Fossanova von Pontigny im Gesamteindrude trotz seiner Gratwölbung nur geringfügig; das gleiche trifft für die kleineren gratgewölbten Pfarrkirchen von St. Philibert in Dijon (zwischen 1 1 5 5 und 1 1 8 0 , Abb. 77) und Pontaubert (Ende des 1 2 . Jahrhunderts) zu 231 . Wie wenig den Zisterzien830
231
Schon Charles Oursei scheint dieser Auffassung gewesen zu sein, wenn er schreibt (1928, S. 98): „Les architectes de la seconde moitié du X I I e s. n'eurent, pour ainsi dire, qu'à jeter des croisées d'ogives sous les a r ê t e s . . . pour avoir des églises gothiques." Allerdings dürfen dann die Stildefinitionen von „romanisch" und „gotisch" im burgundischen Bereich nicht am Kriterium der Rippenwölbung gemessen werden. Z u Pontaubert vgl. C A 1907, S. I$/I6. St. Philibert zu Dijon (Abb. 77) steht in der Wahl von Pilastervorlagen und in seinen gestrafften Raumproportionen dem klassizistischen Geschmack von Autun noch nahe; vermittelt wurde dieser wohl durch den Narthexbau von St. Bénigne in Dijon, dessen Stützensystem ebenfalls Pilastervorlagen verwendete (vgl. Fig. 1 4 b ) . In der Öffnung der Obergadenfenster verfährt St. Philibert noch zaghaft: die Mittelschiffswölbung ist so schwach aufgelichtet, dass die starken Gurtbögen den Eindruck einer Spitztonne wachrufen. Im Aufrissystem als solchem sind die Zusammenhänge mit Pontigny aber so eng, dass man sich fragen muss, ob St. Philibert nicht bereits zisterziensische Anlagen widerspiegelt; hier wie dort erheben sich über kurzen, stämmigen Arkadenpfeilern weitgeschwungene, hart und ohne jede vermittelnde Profilierung abgetreppte Arkadenbögen. N u r ein Horizontalgesims fasst die Jochabfolge in Höhe des Gewölbekämpfers zusammen und spiegelt noch deutlich das Prinzip der „Raumabdeckelung" durch die Tonnenwölbung. Neben Langres wird in keinem anderen Bau eine so enge Synthese zwischen dem System von Cluny I I I und dem der zweigeschossigen, kreuzgewölbten Bauten gegeben wie in St. Philibert. In der nüchternen Strenge des Raumes hebt er sich aber von diesen beiden Richtungen ab und nähert sich dem zisterziensischen Raumeindruck. Neben Pontigny kann auch die Zisterzienserkirche L a Bénissons-Dieu (ca. 1 1 7 0 ff.) St. Philibert von Dijon zur Seite gestellt werden (Abb. 76). Der Aufriss ist hier zwar schwächer gegliedert (längsrechteckige Pfeilermassive) und der Raum weniger steil, doch stimmt der Raumcharakter hier wie dort gut überein, und die in
Die ältesten Rippengewölbe Burgunds
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sern an der Rippenwölbung als solcher gelegen war, verdeutlichen zahlreiche rippengewölbte Abteikirchen mit gratgewölbten Seitenschiffen 232 . Diese knappe Zeichnung der Entwicklung der zweigeschossigen, kreuzgewölbten Architektur Burgunds lässt ihr Verhältnis zur „werdenden Gotik" in ihrer ganzen Unentschiedenheit deutlich werden. Es zeigt sich, dass zwar schon früh Möglichkeiten der Jochbildung und der Einbeziehung der Wölbungszone in den belichteten Raum erkannt waren, gleichwohl aber die Rippenwölbung, die — ex posteriori gesehen und an nordfranzösischen Masstäben gemessen — die folgerichtige Erfüllung dieser Tendenz wäre, nicht allgemein in ihrem Strukturwert verstanden und aufgenommen wurde. Dies erklärt sich daraus, dass es der kreuzwölbenden Architektur Burgunds in ihrer antithetischen Haltung zur Formel von Cluny I I I nicht wesentlich um Strukturprobleme von Wand und Wölbung, sondern entscheidend um solche der Belichtung zu tun war. Zur Gewinnung des Lichtkontinuums spielt es aber keine wesentliche Rolle, ob der Raum über Graten oder über Rippen gewölbt ist. Was die Bauherren von Langres dazu veranlasste, das alte System von Cluny I I I noch im späten 1 2 . Jahrhundert aufzugreifen, wissen wir nicht. Den baukünstlerischen Tendenzen ihrer Zeit gegenüber können sie aber nicht blind gewesen sein, da sie das cluniazensische Schema in dem Punkt abzuändern suchten, in dem es vor allem unmodern geworden war: in der Belichtung. Welch entscheidende Rolle der gleichmässigen Ausleuchtung im Raumeindruck der Kathedrale von Langres zukommt, ist oben geschildert worden 233 . Die Rippenwölbung ist hier, von der Wandstruktur aus beurteilt, ein fremdes und baukünstlerisch unbefriedigendes Moment. Doch verkennt man die wahren Beweggründe, die zur Substitution der traditionellen Tonne durch die Kreuzwölbung führten, wenn man sie in der Rippenwölbung als einer autonomen Modifikation sucht. Die Hochschiffanlage der Kathedrale von Langres ist durch die Rippenwölbung nicht in einem Detail, sondern in ihrer Gesamtwirkung schlechthin zu einem lichten Raum gewandelt worden. Dass zisterziensische Raumbildungen diesen Wandel angeregt haben, sei hier als Hypothese ausgesprochen.
Die ältesten Rippengewölbe Burgunds In der Ile de France war während des dritten und vierten Jahrzehnts des 12. Jahrhunderts die Rippenwölbung erstmals zu systematischer Anwendung gelangt. Für ihre Verbreitung in Gegenden ungebrochener romanischer Tradition wird im allgemeinen die Zisterzienserarchitektur verantwortlich gemacht.
232 233
L a Benissons-Dieu über das Mittelschiff geschlagene Rippenwölbung bedingt keine N e u k o n zeption, sondern lediglich eine Variante des kreuzgewölbten Bautypus, zumal jede Dienstvorbereitung fehlt. V g l . Aubert, 1 9 4 7 , I, S. 2 4 6 ff. V g l . S . 23 f.
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Die A n f ä n g e der Rippenwölbung in Burgund
Tatsächlich gibt sich die Vorbildlichkeit ihrer Rippengewölbe in der Architektur Deutschlands und Italiens im frühen 13. Jahrhundert mehrfach deutlich zu erkennen. Man ist geneigt, aus diesem Sachverhalt auch für den burgundischen Bereich auf eine besonders frühe und enge Vertrautheit der Zisterzienser mit der Rippe zu schliessen. Wenngleich uns das Auftreten der Rippe in der nachbernhardinischen Zisterzienserarchitektur gegenüber dem Prinzip der Kreuzwölbung nur von sekundärer Bedeutung schien, ist die Frage nach dem ersten Auftreten zisterziensischer Rippengewölbe in Burgund doch nicht überflüssig. Für die architekturgeschichtliche Einordnung der Kathedrale von Langres spielt es eine Rolle, ob ihrem Baubeginn (ca. 1160) kreuzrippengewölbte Choranlagen in Clairvaux und Morimond vorausgingen, oder ob die Rezeption der Kreuzrippenwölbung in Burgund etwa ihre eigene Leistung war. Seit der umfassenden Darstellung der Zisterzienserarchitektur durch Marcel Aubert (1947) glaubt die Forschung recht präzise Hinweise auf ein frühes und verbreitetes Auftreten der Rippenwölbung im burgundischen Ordensbereidi zu haben. Eine Kritik der von Aubert genannten Daten und Wölbungsformen der (grossenteils zerstörten) Abteikirchen Nordburgunds im fortgeschrittenen 12. Jahrhundert zeigt aber, dass ihre Text- und Bildüberlieferung keinesfalls ausreicht, ihre ursprüngliche Wölbungsform eindeutig zu rekonstruieren, geschweige denn vor den Baubeginn der Kathedrale von Langres zu datieren. Die Abteikirche von Pontigny gilt mangels anschaulicher Vorstellung von den anderen Mutterabteien als Paradigma der nachbernhardinischen Zisterzienserarchitektur. Aubert nimmt ihren Baubeginn am „bernhardinischen" Rechteckchor, der gegen Ende des 12. Jahrhunderts durch eine aufwendige Umgangsanlage mit Kapellenkranz ersetzt wurde, gegen 1140 an — wenige Jahre nach Baubeginn von Clairvaux I234. Während das Querhaus mit Gratgewölben überdeckt wurde, gelangten im Mittelschiff des Langhauses Kreuzrippen zur Anwendung. Das Langhaus weist in seiner betont schlichten Gliederung wenig eindeutig datierbare Bauelemente auf, sodass seine Bauzeit bald in die 1150-er, bald in die 1160-er Jahre gesetzt werden konnte235. Seine Rippenwölbung, die SM 535
Aubert, 1 9 5 8 , S. 1 6 3 . Aubert ( 1 9 5 8 , S . 1 6 4 ) und Salet ( 1 9 6 3 , S. 1 6 ) sprechen sich f ü r eine lange Bauzeit aus. Die Rippengewölbe des Langhauses, die die Bauzeit beschliessen, datieren Oursei ( 1 9 5 3 , S . 80) und Branner ( i 9 6 0 , S. 1 6 f . / 1 6 3 ) auf 1 1 5 0 — 5 5 , H a h n ( 1 9 5 7 , S . 1 0 8 ) und A u b e r t ( 1 9 5 8 , S. 1 6 4 ) dagegen erst auf 1 1 6 0 / 7 0 , w a s mir anbetrachts der quergestellten Kapitelle unter den Rippen treffender scheint. H a h n ( 1 9 5 7 , S . 108 f.) und A u b e r t ( 1 9 5 8 , S. 1 6 4 ) meinen, Rippenwölbung habe das Langhaus erst nadi A u f g a b e der ursprünglich vorgesehenen G r a t - (wohl kaum Tonnen-)Wölbung erhalten. Eine solche w ä r e über den stark ausgebildeten G e w ö l b e füssen tatsächlich denkbar, wie sie sich ja auch in den Seitenschiffen findet. Die erste Planung des Langhauses v o n Pontigny hätte dann recht genau — bis auf das Horizontalgesims — dem v o n Pontaubert entsprochen, dessen Mittelschiffsjoche allerdings quadratisch sind (vgl. C A 1 9 0 7 , S . 1 5 / 1 6 ) . Doch lässt sich in keiner Weise ausschliessen, dass das Langhaus v o n Pontigny v o n A n f a n g an mit Rippen hätte eingewölbt werden sollen.
Die ältesten Rippengewölbe Burgunds
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möglicherweise erst nach einem Planwechsel eingezogen wurde, ist aber mit grosser Wahrscheinlichkeit erst nach 1160 zu datieren, wie das Rippenprofil vom Typ der Kathedrale von Sens und die diagonal über die Rechteckvorlagen gesetzten Rippenkämpfer zu erkennen geben. Die Wölbungsarten der im 19. Jahrhundert abgetragenen Abteikirchen von Clairvaux, Cîteaux und La Ferté sind nicht bekannt. Die architekturgeschichtliche Forschung238 rekonstruiert Clairvaux II und Cîteaux II, die nachbernhardinischen Erweiterungs- und Umbauten aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, als rippengewölbt, La Ferté hingegen als gratgewölbt. In allen drei Fällen handelt es sich lediglich um Mutmassungen. Die zwischen 1 1 3 5 und ii45(?) errichtete erste Abteikirche von Clairvaux — nach Esser der Prototyp des „bernhardinischen" Kirchenbaus237 — wurde im Verlauf des dritten Jahrhundertviertels um einen Chorneubau mit Umgang und Kapellenkranz bereichert sowie in allen älteren Teilen umgebildet. Als Schlussweihe ist das Jahr 1174 überliefert; der Baubeginn lässt sich aus Geldschenkungen des Jahres 1154 für den Kirchenbau und der Altarweihe einer Umgangskapelle von 1 1 5 7 erschliessen. Welche Wölbungsform für den Chorneubau und für die umgearbeiteten Partien des Langhauses gewählt wurde, ist nicht eindeutig bekannt. Aus Grundrissen und Ansichten der Abteikirche vor der Zerstörung scheint hervorzugehen, dass die ältesten Teile von Clairvaux II (der Chorumgang)238 noch tonnengewölbt waren und dass erst in dem jüngeren Chorjoch Kreuzwölbung auftrat. Ob es sich hier aber um Kreuzrippen- oder Gratwölbung handelte, lässt sich nicht beantworten238. Cîteaux I (ca. 1140 ff.) war wohl entsprechend Fontenay in den hohen Teilen mit Tonnen und in den Seitenschiffen mit Quertonnen oder Gratgewölben versehen. Zu Cîteaux II, der Erweiterung des bernhardinischen Rechteckchores zu einer rechteckigen Umgangsanlage mit Kapellenkranz in der Art von Ebrach, sind uns zwei Daten bekannt: 1188 wurde von einem Langroiser Kanoniker Geld für den Kirchenbau gestiftet und 1193 fand die Schlussweihe statt240. Ähnlich wie zuvor in Clairvaux scheint auch hier die Chorerweiterung eine umfassende Umarbeitung des älteren Langhauses in der Vorlagen- und WöliM
Aubert, 1 9 4 7 , 1 , S. 249/250 und Hahn, 1957, S. 1 1 7 — 1 2 2 . Esser, 1 9 5 3 , S. 203. 2,8 Der Chorneubau von Clairvaux II dürfte — anders als das Chorhaupt der Kathedrale von Langres — von Osten nach Westen erbaut worden sein, da der alte Chor durch den Neubau fast völlig ummantelt werden konnte, ohne dass der Kult beeinträchtigt wurde. 2S * Vgl. die kritischen Anmerkungen zur Baugeschichte von Clairvaux in Exkurs 2, S. 138 ff. 240 Cotherot, 1736, S. 28/29 u n d S. 16 des Anhangs (dort ist die Schenkungsurkunde zitiert „ad opus ecclesiae aedificandum"). Allerdings unterscheidet Cotherot nicht zwischen Citeaux I und Citeaux II, sondern glaubt, der in der ersten Jahrhunderthälfte begonnene Bau sei erst 1 1 9 3 fertiggestellt worden; das lässt sidi nidit völlig aussdiliessen. Weitere Quellen zu C i teaux: Migne, P L I8J, col. 1593 (das „iter cisterciense" des Dom J . Meglinger); CistercienserChronik, 1909, mehrere Folgen (Bericht über eine Reise zum Generalkapitel von 1699). Vgl. auch Branner, i960, S. 1 2 7 mit der weiteren Literatur. 837
Die Anfänge der Rippenwölbung in Burgund
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bungsdisposition nach sich gezogen zu haben 241 ; über die Wölbungsart lassen sich aber keine gesicherten Aussagen treffen. Unbegründet ist die Vorstellung, La Ferte sei im frühen 1 3 . Jahrhundert „in stilgeschichtlichem Rückgriff auf ältere burgundische Bauten wie Anzy-leD u c . . . kreuzgratgewölbt" 242 worden. Eine Schenkung des Herzogs von Burgund zugunsten der „neuen Kirche von L a Ferte" aus dem Jahre 1 2 1 5 ist der einzige zeitgenössische Hinweis zum Bau 243 . Ein Grundriss des 18. Jahrhunderts zeichnet zwar über allen Teilen Kreuzwölbung ein, lässt aber die Frage: Rippenwölbung oder Gratwölbung, offen244.
0
jo Fig. 1 1
5 - 1 0
-IS
20 m
M O R I M O N D , die aufrechten (ausgetuscht) und ergrabenen (schraffiert) Partien der Abteikirche, nach Eydoux.
Die Abteikirche von Morimond wurde im frühen 19. Jahrhundert bis auf einen Mauerzug des nördlichen Seitenschiffs abgetragen. Erst 1954/55 konnte Henri-Paul Eydoux ihren Grundriss im Verlauf mehrerer Stichgrabungen sicherstellen245. Ein seither bekannt gewordener Plan der Klosteranlage aus dem 241
242 243
244
245
Wohl zu Recht hält Aubert, 1947, I, S. 192 die Westkapellen des nördlichen Querhauses der Bauzeit von Citeaux II zugehörig; die Pläne bei Dimier und Hahn geben sie als Bestand von Citeaux I. Hahn, 1 9 J 7 , S. 1 1 7 mit weiterer Literatur. Bazin, 1895, S. 24; Bazin weist die alte, bis heute immer wiederholte Ansicht von Courtepee (1848, Bd. 3, S. 339), die Abteikirche sei zwischen 1 2 1 0 und 1220 erbaut worden, ausdrücklich als unbegründet zurück. Stürzer (1895) gibt den Grundriss und die Südansicht des 17. Jahrhunderts in einer Umzeichnung wieder. Eydoux, 1958. Leider gibt Eydoux keinen detaillierten Grabungsbericht; es fehlen Angaben über Ort und Tiefe der Stichgrabungen wie auch eine Zusammenstellung der Fundstücke (Rippenfragmente) nach ihren Fundorten. Die Disposition des Chores wie seine Verbindung mit dem Langhaus ist in Einzelheiten noch rätselhaft.
Die ältesten Rippengewölbe Burgunds
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Jahre 1789246 bestätigt seine Ergebnisse: Morimond besass einen Rechteckchor mit Umgang und Kapellenkranz in der A r t von Cíteaux II oder Ebrach. Eydoux meint, der Dichte der aufgefundenen Rippenfragmente nach müsse der Bau in allen Teilen rippengewölbt gewesen sein247. Für die Ostpartie sei dies dahingestellt; für das Langhaus wird Rippenwölbung schon durch die Edidienste der aufrechten Seitenschiffsvorlage und der „in situ" aufgefundenen Mittelschiffspfeilerbasis gesichert248 (Abb. 83—85). Die Datierung des ergrabenen Baus ist umstritten. Hahn und Schmoll249 möchten ihn mit einem Weihedatum von 12 J3250 in Zusammenhang bringen und die Frage nach Morimond I, dem Bau des 12. Jahrhunderts, offen lassen. Eydoux hingegen glaubt, die Fundamente der ersten und einzigen Abteikirche Morimonds aufgedeckt zu haben; ihre Bauzeit setzt er zwischen 1155 und 1170 251 . Eydoux begründet seine Frühdatierung mit allgemeinen Erwägungen zur Geschichte der Abtei; doch vermag keines seiner Argumente einen Baubeginn um 115 j sicherzustellen252. So sind wir ganz auf die stilistische Einordnung der erhaltenen Bauglieder angewiesen. Die Kapitelle der Seitenschiffsvorlage (w3ni) zeigen einen hohen freiliegenden Kalathos mit elegant profilierter Lippenbildung (Abb. 84). Die schlanken Kelchblätter sind mit einer knappen Stegzeichnung versehen und spitz ausgezogen; am östlichen Eckdienstkapitell enden sie in Knospen. Nach Eydoux sind diese Kapitelle denen von Pontigny (Langhaus) und Noirlac verwandt und wie diese ins 7. Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts zu datieren253. Indessen finden sich dort fast ausnahmslos Blockkapitelle, die bis zum Abakus hinauf von breiten Lappenblättern umhüllt sind. Die elegantere Kapitellform von Morimond hat diese frühen Bildungen des zisterziensischen Blattkapitells bereits hinter sich gelassen; selbst der Kapitellzier im Chor von Pontigny (1186 ff.) beziehungs248 247 248 249 250 251
252
253
Salmon, 1959, S. 107. Eydoux, 1958, S. 87—89. Vgl. unten, S. 117. Hahn, 1957, S. 340/341 und Schmoll, 1958, S. 166. Gallia Christiana, Bd. 4, Paris 1728, col. 818. Die Quelle zu diesem Datum ist unbekannt. Eydoux, 1958, S. 99—101. Eydoux bestätigte mir mündlich nochmals, dass die Tiefe seiner Grabung alle Spekulationen um ein älteres Morimond I (jedenfalls am Ort der ergrabenen Kirche) aussdiliesse. Einer Zeitungsnotiz von Grill (1963), seine Grabung von 1963 lasse „die Existenz einer ersten romanischen Kirche mit bloss rechteckigem Grundriss vor dem gotischen Choranbau" erkennen, folgte bis heute kein ausführlicher Grabungsbericht. Die Frühdatierung von Eydoux übernahmen Bucher (1959, S. j o : 1160—1180) und Dimier (zuletzt 1967, S. 108: 1155—1170). Dass Otto von Freising i i j 8 vor dem Hauptaltar bestattet wurde (Script, rer. Germ., 26, S. XV), kann sich auf einen provisorischen oder an anderer Stelle gelegenen Vorgängerbau beziehen. Es besagt aber nicht, dass der ergrabene Bau schon weit vorangeschritten war. Ebensowenig kann das Aufhören der intensiven Filiationstätigkeit Morimonds gegen 115 0/60 als Hinweis auf finanzielle Anstrengungen der Abtei zugunsten eines Kirchenbaus jener Zeit gedeutet werden; eine Stagnation in der Aussendung weiterer Filiationen lässt sich gegen Jahrhundertmitte in allen Mutterklöstern beobachten (vgl. die Listen bei Janauschek, 1877, S. 286). Eydoux, 1958, S. 83.
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Die Anfänge der Rippenwölbung in Burgund
weise in den westlichen Jochen der Kathedrale von Langres gegenüber scheint sie fortschrittlicher. Weitere Kapitelle der Abtei (in moderner Verbauung), die ihren Maszen nach der gleichen Vorlagengliederung wie die besprochenen angehörten (wahrscheinlich den Mittelschiffsvorlagen), weisen in ihrer entschiedenen Knospenbildung und dem bewegten Blattwerk deutlich ins 13. Jahrhundert (Abb. 87). Erst um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert kommt im östlichen Frankreich das unterkehlte Basisprofil auf, wie es sich an der Seitensdiiffsvorlage von Morimond und an den Resten der ihr korrespondierenden Mittelschiffsstütze findet (Abb. 8j), und zu Anfang des 13. Jahrhunderts erst wird diese Gegend mit dem Knospenkapitell vertraut. Die Kapitellzier des Chorumgangs von Montier-en-Der, die ins erste Drittel des 13. Jahrhunderts datiert wird254, steht den Kapitellen von Morimond besonders nah (Abb. 86). Die westlichen Langhausjoche der Abteikirche von Morimond sind folglich in die ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts zu datieren; dass der Bau erst zur Weihe von 1253 vollendet worden sei, ist somit nicht auszuschliessen. Der allgemeinen Baufolge der Zisterzienser entsprechend wird der Chorbau aber der Errichtung des Langhauses vorangegangen sein. Leider konnte in der Chorpartie bisher an profilierten, stilistisch bestimmbaren Baugliedern nur ein Sockel(?)fragment aufgefunden werden, das zwar von altertümlicherem Schnitt ist als die Profile des Langhauses, aber keine Entscheidung erlaubt, ob der Chor um die Mitte oder gegen Ende des 12. Jahrhunderts begonnen worden sei255. Wann die Rippenwölbung in Morimond eingeführt wurde, wissen wir somit nicht. Die Untersuchung der Gewölbetypen in den Kirchenbauten der fünf zisterziensischen Mutterabteien ergibt keinen positiven Hinweis zum Auftreten von Rippenwölbung vor 1160. Pontigny und möglicherweise Clairvaux II dürften unmittelbar nach diesem Termin als erste die Rippe verwendet haben, während Citeaux II, La Fert£ und Morimond erst gegen Ende des Jahrhunderts folgen und in ihrer Wölbungsweise nicht sicher bestimmt werden können. Ebensowenig wie den tonangebenden Mutterabteien eilte es ihren Filiationen, sich von den gewohnten Wölbungsformen der Tonne und des Kreuzgratgewölbes auf Rippenwölbung umzustellen25". Aus unserem derzeitigen Wissensstand lässt sich eine
254 255 258
Aubert, 195 j , S. 277. Abgebildet bei Eydoux, 1958, pl. III, unten redits. Ich gebe einen Überblick der grossenteils zerstörten und kaum bekannten Zisterzienserkirchen im weiteren Umkreis von Langres vor 1200, sofern mir irgendwelche Angaben zu ihrer Wölbung bekannt geworden sind. (Idi wähle ein etwas grösseres Gebiet als die ehemalige Diözese von Langres; beginnend im Süden von Langres folgen die weiteren Bauten nach ihrer geographischen Lage im Uhrzeigersinn um Langres herum. Zu den Gründungsdaten etc. vgl. Dimier, 1949 und 1967; BP = bernhardinischer Plan.) La Bussiere Bis auf zwei Langhausjoche erhalten; Staffelchor mit Rechteckkapellen; die hohen Teile tonnengewölbt; nach Dimier (1962, S. 52): i i j o — 1 1 7 2 . Fontenay erhalten; BP, ca. 1139—1147 (? Papstweihe!); Tonnenwölbung, Seitenschiffe mit Quertonnen.
Die ältesten Rippengewölbe Burgunds
9 j
Beteiligung der Zisterzienserarchitektur an einer Rezeption der Rippenwölbung in Burgund zwischen 1 1 j o und 1 1 6 0 nicht nachweisen. Auch in der nichtzisterziensischen Architektur Burgunds wurde die Rippe vor der Mitte des 1 2 . Jahrhunderts nicht — und in den beiden folgenden J a h r zehnten nur zögernd angewandt.
Für
ihre Verbreitung im Kirchenbau
des
Yonnetals waren Einflüsse des Nordens 257 bestimmend und vor allem das V o r bild der Kathedrale von Sens 258 . Abgesehen von Kapitelsälen und Sakristeiräumen25* gelangte die Rippe dort während des dritten Viertels des 1 2 . J a h r hunderts aber nur selten zu systematischer Anwendung 2 6 0 und blieb auf
die
Architektur des Saonetals und des „Plateau de Langres" fast ohne Einfluss 281 . Z w a r verwendeten St. Pierre in Chablis und Notre-Dame in Montreal-surAuberive
im 19. Jahrhundert bis auf Mauerreste am Chor und an den zwei südlichen Querhauskapellen zerstört; nach Guillou (1953): BP, wohl tonnengewölbt, Weihe
Quincy
im 19. Jahrhundert zerstört; Nordquerhaus apsidial und mit Umgang geschlossen. Branner (i960, S. 165 f.) datiert es noch ins späte 12. Jahrhundert. Wölbungsart unbekannt, wahrscheinlich Rippenwölbung in der Nachfolge des Chores von Pontigny. Im 19. Jahrhundert zerstört; nach Aubert (1947, I, S. 253) gegen Ende des 12. Jahrhunderts mit Rippen versehen. Im 19. Jahrhundert zerstört; nach Duhem (1934, S. 18—2i):BP,Baubeginn 1153; nach Aubert (1947, I, S. 168): Baubeginn: 1153, Langhaus mit Rippen und einem Strebeapparat des 13. Jahrhunderts. Laurent-Claudon (1941, S. 368): der Bau, der im 19. Jahrhundert zerstört wurde, sei 1J99—1620 erneuert worden, 1153 ist das Gründungsjahr der Abtei und nicht der Abteikirche. Im 19. Jahrhundert zerstört; nadi Duhem ( 1 9 3 4 , S. 2 1 — 2 4 ) : zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, Choranlage im Schema von Citeaux II und Morimond. Nach Aubert (1947, I, S. 163): vom Ende des Jahrhunderts, mit Staffeldior, völlig über Rippen gewölbt. Im 19. Jahrhundert bis auf die Westwand des nördlichen Querhauses zerstört ¡Umgangschor mit Kapellenkranz; den erhaltenen Partien nadi in allen Teilen rippengewölbt und zeitlich zwischen dem Chor der Kathedrale von Langres und dem Langhaus von Morimond anzusetzen: ca. 1190. Bis auf die Mittelschiffsjoche W III ff. erhalten, 1873 ff. stark überarbeitet. BP. Rippengewölbe erst nadi 1170; Seitenschiffe gratgewölbt. Die jüngsten Teile des Langhauses erst aus dem 2. Viertel des 13. Jahrhunderts. Im 19. Jahrhundert zerstört, bis auf die Umfassungsmauern von Chor und südlichem Querhaus. Was heute aufrecht steht, beruht grossenteils auf einem Rekonstruktionsversudi vom frühen 20. Jahrhundert. Nach den erhaltenen Partien: BP, z. T. rippengewölbt (nidit über dem Sanktuarium und den Querhauskapellen). Die Bauzier stammt vom Ende des 12. Jahrhunderts.
1158.
Longuay Mores
L'Arrivour
Cherlieu
Acey Buillon
257 Ygi B r a n n e r , i960, S. 22 f . 258
Branner (i960, S. 181) datiert die zweite Bauphase, die den Umgang über Rippen einwölbte, bald nach 1140. Vgl. auch Salet, 19$$S5 * Kapitelsäle von Vizelay und Fontenay; Sakristei der Kathedrale von Auxerre; alle erst nadb 1160. 260 Branner (i960, S. 17 f.) nennt zahlreiche Beispiele, welche die Rippenwölbung allein auf Sanktuarium und Vierung beschränken. 261 Die kleine Kirdie von Pichanges (nördlich von Dijon), die wahrsdieinlidi von einem Bautrupp des Yonnetals gegen Ende des 12. Jahrhunderts erbaut wurde (vgl. Branner, i960, S. 161 f.), bleibt ein Einzelfall.
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Die A n f ä n g e der Rippenwölbung in Burgund
Serein, die in den erhaltenen Teilen etwa seit 1 1 7 0 in Bau waren282, die Rippe und ihre Vorbereitung im Vorlagensystem schliesslich mit grossem Geschick, doch lässt dies bereits auf eine baukünstlerische Beeinflussung aus dem Gebiet um Dijon schliessen263. Das südliche Burgund steht dem erhaltenen Denkmälerbestand nach ganz in der Abhängigkeit der nördlichen Gebiete. Die Rippenwölbung tritt hier erst von den 1170-er Jahren an in wenigen Bauten auf264. Conant meinte allerdings, Cluny habe eine ähnlich durchschlagende künstlerische Rolle wie unter Abt Hugo von Semur (um die Wende vom 1 1 . zum 12. Jahrhundert) für die spätromanische Architektur auch in der Entwicklung der frühgotischen Architektur eingenommen. Der rippengewölbte Narthex, dessen Innengliederung aus der Zeichnung des Lallemand erschlossen werden kann2"5, und von dem einzelne Details durch Grabungen bekannt sind, wurde von Conant seit 1939 unterschiedlich datiert268; die entscheidende These, dass die beiden östlichen Joche gegen 1 1 3 0 eingewölbt wurden, hielt er aber aufrecht. Für Conant sind es diese Gewölbe, die über die Gründungs- und Bautätigkeit des Ordens schliesslich auf die Ile de France wirkten und dort — etwa in der Choranlage von St. Martin des
Fig. 1 2
282 263 261 265 266
C L U N Y , N a r t h e x der Abteikirche, A u f r i s s nach Conant.
Z u Montreal-sur-Serein Vgl.S. 117, Anm.344. V g l . S. 7 2 .
und
St.Pierre
in Chablis
vgl. Branner,
i960,
S. 1 5 5
und
1 2 3 f.
Abgebildet bei Conant, 1 9 3 9 , fig. 9. 1 9 3 9 , S. 3 3 2 f. datierte C o n a n t den N a r t h e x zwischen 1 1 1 8 / 2 5 und spätestens 1 1 5 8 . 1 9 6 6 , S. 1 2 2 und fig. 3 1 dagegen: 1. Phase, umfassend die zwei östlichen Narthexjodie mit Rippengewölben, ohne Strebebögen, möglicherweise schon gegen 1 1 3 0 ; 2. Phase, umfassend die drei Westjoche: 1 1 8 0 — 1 2 0 0 .
Die ältesten Rippengewölbe Burgunds
97
Champs (1130-er Jahre) — einen bestimmenden Beitrag zur Genese der frühgotischen Architektur leisteten267. Welche Argumente Conant zu seiner Frühdatierung veranlassten, ist vor Erscheinen seiner Monographie über Cluny nicht zu erkennen. Sofern man sich auf Lallemands Wiedergabe verlassen kann, sind die beiden östlichen Narthexjoche nicht aus einem Guss. Die Baunaht scheint nicht vertikal zwischen dem dritten und vierten Narthexjoch zu verlaufen, sondern horizontal über dem dritten Geschoss der Ostjodie268. Die zunächst mit Tonnenwölbung geplanten und in den Seitenschiffen wahrscheinlich mit Gratwölbung ausgeführten Narthexostjoche wären dann auf eine Beeinflussung aus dem Norden hin mit den Lunettenfeldern eines zweiten Lichtgadens und mit Rippengewölben versehen worden268. Wann die Rippenwölbung errichtet wurde, ist dann aber völlig offen. Eine Verbindung mit dem Einsturz der Gewölbe von Cluny I I I im Jahre 1 1 2 5 , als habe man — hieraus eine Lehre ziehend — nun die Rippenwölbung „erfunden" 270 , ist nicht einleuchtend. Branners Spätdatierung der Einwölbung der Narthex-Ostjoche auf ca. 1 1 7 0 ist dagegen plausibel271. Unter diesem Datum gesehen, verliert der Bau die ihm zugeschriebene Bedeutung innerhalb der Entstehungsgeschichte der frühgotischen Architektur; vielmehr äussert sich hier ein ähnlidi zähes Festhalten an den überlieferten Aufrissformen Burgunds, denen die Rippenwölbung als etwas Fremdartiges appliziert wurde, wie in der Kathedrale von Langres. Wäre mit diesem Überblick das letzte Wort zum Aufkommen der Rippenwölbung in Burgund zwischen 1 1 5 0 und 1 1 7 0 gesprochen, dann müsste man der Kathedrale von Langres die führende Rolle in ihrer Übermittlung zuschreiben. Unter den genannten Bauten wäre sie nicht nur der erste, der die Rippe von Baubeginn an über allen Raumteilen (abgesehen von der Apsiskalotte) verwendet; darüberhinaus unterscheidet sie sich von den frühen rippengewölbten Beispielen des Yonnetals und der Zisterzienserarchitektur grundlegend darin, dass sie dem Pfeiler systematisch Eckdienste zur Bedienung der Rippen einstellt. Gegenüber der Wölbungsformel von Pontigny oder La Benissons-Dieu, wo sie lediglich als Strukturmoment der Wölbung verstanden wurde, ist die Rippe in 267
2118
209
2,0 271
Conant, 1 9 4 2 , S. 3 2 und 1966, S. 1 2 2 ff. Branner versteht die Wölbungsform von St. Martin des Champs „as an early A n g l o - N o r m a n form of vault, incompletely Gothic but clearly part of the milieu of Paris in the 1 1 3 0 ' s " (Brief v o m 26. M ä r z 1 9 6 5 ) . Spätromanisdie E l e mente der burgundischen Architektur sind in St. Martin des C h a m p s nicht zu erkennen. D a s Triforium des N a r t h e x leitet Branner ( 1 9 6 0 , S. 30) aus der N o r m a n d i e ab. Es trete in C l u n y etwa gleichzeitig auf wie in der Kathedrale v o n Sens; das hiesse: nach 1 1 4 0 . M i t Conants Frühdatierung müsste man zwei Aussergewöhnlidikeiten in K a u f nehmen: .Rippenwölbung um 1 1 3 0 in Burgund* und .viergeschossigen Aufriss mit doppeltem Lichtgaden'. Conant, 1 9 3 9 , S. 3 3 3 erkannte schon, „that originally a pointed barrel vault above a clearstory like that of the church nave, was intended". Bei Conant, 1966, S. 1 2 2 muss man aber den Eindruck gewinnen, es seien v o n vornherein Rippengewölbe geplant gewesen. S o Conant, 1 9 3 9 , S. 3 3 3 . Branner, i960, S. 1 3 0 .
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Die Anfänge der Rippenwölbung in Burgund
Langres — wenn auch der Wirkung nach keineswegs überzeugend, so doch der quantitativen Gliederung nach — in der Vorlagendisposition vorbereitet. Es ist aber unwahrscheinlich, dass dies Verfahren in Langres „erfunden" worden sei, weiss doch der Langroiser Architekt den Strukturwert des neuen Eckdienstes gar nicht voll einzusetzen. Auch dass die Kathedrale von Langres nordfranzösische Rippendienstbildungen zum direkten Vorbild genommen habe, ist unwahrscheinlich, da in ihrer ersten Baukampagne von einer künstlerischen Ausrichtung auf Nordfrankreich nichts zu verspüren ist. In der Tat weist alles darauf hin, dass die Dienstvorbereitung der Rippenwölbung bereits vor Baubeginn der Kathedrale von Langres in einem andern Bau des nördlichen Burgund vorgebildet war — einem Bau, der auch in seiner Portalplastik enge Verbindungen zur Kunst der Ile de France und der Champagne zu erkennen gibt —: dem Narthexbau der Benediktinerabtei St. Benigne zu Dijon. Von ihm scheint ein bestimmender Einfluss auf die Kathedrale von Langres ausgegangen zu sein. St. Bénigne zu Dijon und die Dienstvorbereitung der Rippenwölbung Dass die gemeinsamen Formmerkmale des ehemaligen Narthex der Abteikirche von St. Benigne zu Dijon und der Kathedrale von Langres nicht allgemein erkannt wurden, liegt an der fragmentarischen Uberlieferung des bereits im 1 3 . Jahrhundert abgetragenen Bauwerks. Zu seiner Baugeschichte ist nur ein „terminus post quem" bekannt: 1 1 3 7 wurde Dijon von einem Brand heimgesucht, der selbst auf das ausserhalb der Mauern gelegene Kloster übergriff" 8 und in den folgenden Jahren zu einer Restauration der Kirche des Wilhelm von Volpiano führte" 3 . 1 1 4 7 erfolgte eine Gelegenheitsweihe durch Papst Eugen III 274 . 1270 endlich nahm man den Einsturz des Vierungsturmes zum Anlass, einen Neubau zu errichten. Einzig das alte Westportal wurde in die neue Fassade übernommen, und die Rotunde mit dem Benignusgrab blieb östlich des Chorneubaus aufrecht. So sind in dem Untergeschoss der Rotunde und in dem Hauptportal der Kirche noch heute die äussersten östlichen und westlichen Partien des Vorgängerbaus erhalten. 272 273
274
Annales S. Benigni Divionensis, ad annum 1 1 3 7 , Migne, P L 1 4 1 , col. 88 j . Vom Bau des Wilhelm von Volpiano ( 1 0 0 1 — 1 0 1 8 und später) ist das Untergeschoss der Rotunde im 19. Jahrhundert freigelegt und zum grössten Teil neuerriditet worden. Alle Rekonstruktionsversuche des Gesamtkomplexes (Chomton, 1900, ist überholt durch die Forschungen von Alice Sunderland-Wethey : The early romanesque diurdi of St. Bénigne of Dijon, ungedruckte Doktorthese des Radcliffe College, 1946; Teilveröffentlichungen 1957 und 1 9 5 8 ; diese übernommen von Conant, 1959, S. 84 ff.; scharfe Kritik an Sunderland-Wetheys und Conants Rekonstruktion äusserte Martindale, 1 9 6 2 ; eine verbesserte Rekonstruktion publizierte Conant daraufhin 196$ und 1966, S. 84 ff.) basieren auf den Aufnahmen der Rotunde durdi Plancher, 1739, Bd. 1 und einer Beschreibung des Baus aus dem fortgeschrittenen 1 1 . Jahrhundert (Ms. $91 der Bibl. Munie, in Dijon; neuste und beste Edition durch Martindale, 1962, S. 47 ff.). Wie Anm. 272, ad annum 1 1 4 7 .
St. Bénigne zu Dijon und die Dienstvorbereitung der Rippenwölbung
99
Vom skulpturalen Reichtum des Westportals vermag nurmehr der Stidi des Dom Plancher 275 eine allgemeine Vorstellung zu geben (Fig. 17). 1794 wurde sein figürlicher Schmuck zerstört; die „Restauration" von 1 8 1 1 — 1 8 1 3 entfernte den Rest und verschaffte dem Portal seine pasticciohafte Erscheinung (Abb. 36). Sein ursprünglicher Aufbau ist aber noch deutlich zu erkennen. Abgesehen von der Figurenzone blieb das Gewände bis heute intakt. Anstelle der Säulenfiguren (samt ihren Konsolen und Kapitellen) wurden 1 8 1 1 neue Schäfte eingestellt; doch ist nicht nur der auf Dom Planchers Stich erkennbare Blattüberfall unter den Konsolen erhalten, sondern auch die Kämpferzone des Gewändes samt den Abaci über den Kapitellen des 19. Jahrhunderts. Die Archivolten wurden beträchtlich abgearbeitet (besonders die innerste) und durch eine Stuckgliederung besetzt; ihre alte Bogenführung wurde aber respektiert, sodass die Scheitelhöhe der äussersten Archivolte noch heute die Höhe des alten Portals angibt 276 . A n dem alten Bestand lässt sich nachweisen, dass der Stich des Dom Plancher die Proportionen des Portals beträchtlich verzerrt, da er das Tympanon und die Archivolten in einem grösseren Masstab wiedergibt als die Gewändezone. D a s s das P o r t a l
anlässlich des N e u b a u s
von
1 2 7 1 f f . nicht e t w a
versetzt
w u r d e , sondern an seinem ursprünglichen P l a t z verblieb, verdeutlicht der B e f u n d der Innenfassade. U n m i t t e l b a r a n den U m r i s s (den „ e x t r a d o s " ) des G e w ä n d e s legt sich zu beiden Seiten ein s o r g f ä l t i g geschnittenes Q u a d e r w e r k , das in seinen H o r i z o n t a l f u g e n a u f die A u f r i s s g l i e d e r u n g des P o r t a l s B e z u g n i m m t . N a c h ca. 1 1 0 c m endet es in einer gebrochenen B a u n a h t ( F i g . 1 3 , „ A " ) ; erst hier setzt der M a u e r v e r b a n d des gotischen N e u b a u s an. D e r B a u z u s a m m e n h a n g , in dem d a s P o r t a l ursprünglich stand, lässt sich im G r u n d r i s s ziemlich genau rekonstruieren. ten zwischen den F u n d a m e n t e n Pfeilerbasis
aufgedeckt,
1880
wurde
bei
Restaurationsarbei-
der nördlichen Mittelschiffspfeiler eine
die heute im M u s é e A r c h é o l o g i q u e
ältere
aufbewahrt
wird
( A b b . 9 5 ) . U b e r den O r t ihrer A u f f i n d u n g sind in der älteren L i t e r a t u r w i d e r sprüchliche
Aussagen
gemacht
worden277.
Erst
vor
wenigen
Jahren
konnte
M a r t i n d a l e 2 7 8 eine Z e i c h n u n g veröffentlichen, die 1 8 8 0 w ä h r e n d der Freilegung der Basis a u f g e n o m m e n w o r d e n w a r u n d über deren Position u n d G e s t a l t u n missverständlich A u s k u n f t erteilt ( A b b . 9 4 ) . H i e r zeigt sich, 1 ) dass m a n
die Basis
wenig
südlich
der
nördlichen
Mittelschiffspfeiler
des
gotischen N e u b a u s „ i n s i t u " a u f f a n d , 2 ) dass
mit ihr
ein F u n d a m e n t z u g
der
zugehörigen
nördlichen
Seitenschiffs-
aussenmauer u n d R e s t e v o m A u f g e h e n d e n einer Seitenschiffsvorlage a u f g e d e c k t wurden, und 275 278
277
278
Plancher, 1739, Bd. 1 , S. J03. Das Paviment der Vorhalle hat man jüngst auf sein ursprüngliches Niveau gebracht (Quarré, 1957, S. 188), wodurch die Dom Plancher noch unbekannte Sockelzone des Gewändes freigelegt wurde. Die unterschiedlichen Höhenangaben von Quarre (1957, S. 189): 9 m, und von Dom Plancher (1739, I, S. 499): „33 pieds de haut" = ca. 10,70 m, verstehen sich im ersten Fall bis zum Tympanonscheitel, das andere Mal bis zum äussersten Archivoltenscheitel gemessen. Chomton ( 1 9 1 3 , S. 23/25, dazu sein Rekonstruktionsversuch der Westteile, Plan V) berichtet, die Basis sei „encore en place" aufgefunden worden, „non pas dans l'axe des piliers actuels, mais dans le collatéral nord" und vermerkt einen solchen Fundort auch im Grundriss. N a d i Flipo (1910, S. 50 f.) hingegen befand sidi die Basis „dans l'axe de la colonnade séparant la nef centrale du collatéral nord." Martindale, 1962, Pl. I X ; die Zeichnung befindet sich in den Archiven der Commission Archéologique de la Côte d'Or.
Die Anfänge der Rippenwölbung in Burgund
IOO
3 ) dass die Basis heute nur in ihrer oberen Partie erhalten ist. E s fehlt ihr ausladender Sockel mit dem einheitlich umlaufenden Karnies, der noch 1 9 1 3
von
C h o m t o n gezeichnet und 1 9 1 0 v o n F l i p o in seinen M a s z e n beschrieben w o r d e n war
D C
B
C
n,
-10 m 1
Fig. i j
279
D I J O N , St. Bénigne, Rekonstruktion des Narthex vom 12. Jahrhundert. / / / / / / / / erhaltene oder durch Grabung bekannte Partien der rekonstruierte Grundriss des Narthex der heutige Bau A = die Baunaht zwischen dem Portal des 12. Jahrhunderts und dem Neubau um 1300 B = die „in situ" aufgefundene Basis eines Mittelschifipfeilers (im Musée Archéologique) C = die „in situ" aufgefundene Basis einer Wandvorlage D = die Achse des Narthex vom 12. Jahrhundert E = die Adise des Neubaus um 1300
Uber den Verbleib der Sockelpartie ist nichts bekannt. Fig. 10, D beruht auf eigener Messung sowie auf den Angaben bei Flipo und Chomton.
St. Bénigne zu Dijon und die Dienstvorbereitung der Rippenwölbung
IOI
Indem wir die PositionsVerhältnisse der Zeichnung von 1880 mit einer Massaufnahme der zwei westlichen Joche in ihrem heutigen Bestand zur Dekkung bringen, gewinnen wir ein sicheres Bild der Grundrissverhältnisse des Baus im 1 2 . Jahrhundert. Hier fällt auf, dass die Mittelschiffsvorlage der Basis ( „ B " ) in der Flucht der Baunaht „ A " steht. Dies legt den Schluss nahe, dass eine Wandvorlage in der Flucht der Mittelschiffsarkade nördlich von „ A " ansetzte. Anders als das Mauerwerk unmittelbar im Umkreis des Portals w a r diese Vorlage f ü r den Neubau, der eine grössere Mittelschiffsbreite und eine neue Achse wählte, hinderlich und wurde durch den fluchtgleichen Maueranschluss des späten 1 3 . Jahrhunderts ersetzt. Das gleiche gilt f ü r die südliche Zäsur „ A " , sofern man den Gegenpfeiler zu „ B " nicht nach der Achse des gotischen Neubaus, sondern nach der des Portals vom 1 2 . Jahrhundert orientiert280. Damit ist die weitere Rekonstruktion des Grundrisses gegeben. Die Seitenschiffsvorlage „ C " ist (ebenso wie die Arkadenvorlagen seitlich von „ A " ) wahrscheinlich so zu rekonstruieren, dass sie ein der Mittelschiffsstütze entsprechendes Vorlagensystem bietet. Zweifellos umfasste der Bau zwischen dem Portal und der Basis „ B " nicht ein längsrechteckiges, sondern zwei querrechteckige Joche 281 . In welchem Bezug standen diese Teile zum Bau des Wilhelm von Volpiano? Gehörten sie einer Erneuerung seines Langhauses nach dem Brand von 1 1 3 7 an oder bildeten sie einen eigenen, ihm vorgelagerten Narthexbau? Die wenigen verfügbaren Angaben zum Bau des Wilhelm von Volpiano sprechen f ü r die zweite Alternative: die Apsis des alten Baus wies eine Breite von nur 6,j m auf 282 , wogegen das Mittelschiff der hier rekonstruierten Westteile 8 m misst. Ausserdem stand die Westfassade des Wilhelm von Volpiano-Baus nach den Angaben des 1 1 . Jahrhunderts etwa 17,50 m östlich der heutigen Westfassade 283 . Diesen Hinweisen zufolge ist die Baupartie, der das Westportal und die Pfeilerbasis angehörten, als dreiwöchiger Narthex zu rekonstruieren284. Die Datierung des Narthex ist umstritten. Die eine Partei mit Flipo, Quarre und Conant 285 will die erhaltenen Teile zwischen dem Brand von 1 1 3 7 und der 180
281
Die Adise des Neubaus liegt gegenüber derjenigen des Portals um einen halben Meter nach Süden verschoben. A u s diesem G r u n d misst man von der Zäsur „ A " zur Mittelschiffsarkade des Neubaus im N o r d e n 1 5 0 cm, im Süden 2 5 0 cm. A u s dem Grabungsplan v o n 1 8 8 0 geht auch hervor, dass das Paviment dieser Partie 1 4 3 cm unterhalb der Schwelle des Westportals lag. Unsere Vorstellung v o m N a r t h e x lässt sich demnach um eine aufwendige, innere Treppenanlage in der A r t v o n St. L a z a r e von A v a l l o n bereichern.
282
S o misst man im Grundriss bei D o m Plancher, 1 7 3 9 , Bd. 1 . N a c h den A n g a b e n des Ms. 591 der Bibl. v o n Dijon (vgl. Martindale, 1 9 6 2 , S. 4 7 ff., Zeile 1 2 und 98) mass die Kirche des 1 1 . Jahrhunderts v o m Apsisscheitel zur Westfassade ca. 56 m. 284 Y g j Conant, 1 9 6 5 , S. 1 8 7 und 188 (Grundrissrekonstruktion). Während Conant die Mittelschiffsbreite des N a r t h e x richtig mit 8 m angibt, zeichnet er die Mittelschiffspfeiler um ein beträchtliches zu dünn. Die Aussenflucht der am Sockel 2 3 8 cm, am Schaft 194 cm breiten Pfeiler w i r d , richtig eingezeichnet, die v o n C o n a n t rekonstruierten Seitenportale des W i l helm von Volpiano-Baus überschneiden.
283
285
Flipo, 1 9 1 0 , S . 5 2 und 1 9 2 8 , S. 26 f.; Quarre, 1 9 5 7 , S. 1 8 3 , 188 (Quarrt bezieht z w a r nicht
I02
D i e A n f ä n g e der Rippenwölbung in Burgund
Weihe von 1 1 4 7 ansetzen; andere dagegen, wie Chomton und Branner266, datieren sie in die zweite Jahrhunderthälfte. Dazu kommen die vielen unterschiedlichen Datierungsvorschläge zur Portalplastik, die auf die architektonische Umgebung (und sei es nur auf die erhaltene Sockelpartie des Gewändes) überhaupt nicht eingehen187. Ausgangspunkt für die Frühdatierung ist regelmässig die Weihenachricht von 1 1 4 7 . Dodi handelt es sich hier um eine typische Gelegenheitsweihe anlässlich der Begegnung von Papst Eugen III. und Ludwig V I I . von Frankreich, die über den Stand der Bauarbeiten nichts aussagt. Selbst wenn es wahrscheinlich ist, dass der Bau nach seiner Beschädigung durch den Brand von 1 1 3 7 im Jahre 1 1 4 7 wiederhergestellt war, darf dieses Datum doch in keiner Weise auf den von diesen Restaurationsarbeiten unabhängigen Narthexneubau bezogen werden. In der Datierung des Narthex von St. Benigne ist man damit auf die vergleichende Betrachtung von Schnitt und Disposition seiner erhaltenen Einzelglieder angewiesen. Die formale Ubereinstimmung der Profile von Basis und Portalgewändesockel mit entsprechenden Bildungen in der Chorpartie der Kathedrale von Langres (Fig. 10) lässt eine grössere Differenz in der Datierung beider Bauten nicht zu. Identische Motive der Bauzier hier und dort weisen auf einen unmittelbaren Zusammenhang der Bauhütten von St. Mammès und St. Benigne288. Da der Baubeginn der Kathedrale von Langres nicht vor 1 1 6 0 erfolgt sein kann, ist eine Datierung des Narthex von St. Benigne vor die Jahrhundertmitte undenkbar. Ebenso wie im Profil weist die Narthexbasis von St. Benigne auch in ihrer Grundrissbildung und Vorlagendisposition engen Zusammenhang mit der Pfeilerbildung von Langres auf (Fig. 14 b). Beidemal werden die Pfeiler aus einem gleichmässig kurz ausladenden, im Kern quadratischen Kreuzmassiv gebildet, dem an den breiten Stirnseiten Pilaster vorgelegt und in den Ecken Diagonaldienste289 eingestellt sind. Der äusserlich auffallende, im System aber wenig gravierende Unterschied, das Springen des attischen Profils in Langres gegenüber
181 287
188 289
die Basis in seine Betrachtung ein, aber doch das „in situ" erhaltene Portalgewände); Conant, 1965, S. 187. Chomton, 1 9 1 3 , S . 22; Branner, i 9 6 0 , S. 26. Zuletzt Kerber, 1966, S. 4 1 ff. V g l . meine Ubersicht der Datierungsvorsdiläge zur Portalplastik am Schluss von E x k u r s 1. V g l . S . 59. Branner, 1960, S . 26 lässt in seiner Beschreibung der Basis die Meinung aufkommen, es handle sich bei dem Eckdienst lediglich um eine Eckabrundung: „each face of the square core bears t w o sunken, literally half-circle colonnettes at the a n g l e s . . . the corner colonnettes are almost identical with those at B a r . " Indessen besass der Eckdienst weder einen halbrunden Schnitt (vielmehr handelte es sich um einen der Kreuzpfeilerecke fast vollplastisch eingestellten Runddienst — wie sich an der Oberfläche der Basis ablesen lässt — , der allerdings nidit „en délit", sondern im V e r b a n d mit dem Pfeiler gearbeitet w a r ) , noch entspricht seine D i a g o n a l plazierung der Eckabrundung des Pfeilers v o n St. Maclou in B a r - s u r - A u b e (dort eine oberflächliche Eckabrundung aller Kreuzarme, ein Ziermotiv ohne Funktion in der V o r l a g e n struktur; vgl. A b b . 7 3 ) .
St. Bénigne zu Dijon und die Dienstvorbereitung der Rippenwölbung
9
SO
100
2p
8,0
200
0 40 Fig. 14
Sf>
3,0
Pfeilerquersdinitte
a) Langres, Kathedrale, Langhauspfeiler b) Dijon, St. Bénigne, Narthexpfeiler (im Mus. Ardiéol.) c) Cherlieu, Abteikirdie, Vorlagen zwischen nördlichem Querhaus und nördlichem Seitenschiff d) Langres, Kathedrale, Wandvorlage des Chorjochs e) Langres, Kathedrale, Wandvorlage des Umgangs f) Reims, St. Remi, Wandvorlage des südlichen Seitenschiffs g) Morimond, Abteikirche, Wandvorlage des nördlichen Seitenschiffs
0 1
20 .
50
400
D i e A n f ä n g e der Rippenwölbung in Burgund
der einheitlich umlaufenden Basiszone von Dijon, hat in der Literatur das Gemeinsame meist übersehen lassen: dass beidemal der Pfeiler in der Tradition des Kreuzpfeilers von Cluny III und seiner Nachfolgebauten steht. Sobald diese Herkunft des Pfeilers in seiner grundsätzlichen Disposition erkannt ist, können die Eckdienste aber nur dahin interpretiert werden, dass der Narthex von St. Bénigne zu Dijon über Rippen gewölbt war 2 ' 0 . Die Forschung zögerte, diesen Schluss zu ziehen. Flipo291, der sich als erster mit dem Vorlagensystem der Basis auseinandergesetzt hat, erkannte schon die grundsätzliche Verwandtschaft mit dem Pfeiler von Notre-Dame in Beaune, schloss aber Tonnenwölbung wegen der darin ungenützten Eckdienste aus; ebensowenig könnten die Eckdienste Gurtabtreppungen292 oder Schildbögen bedient haben, denn solche seien bereits durch die breiten Reststücke der Kreuzarme aufgefangen. Da Flipo ganz im Banne des Weihedatums von 1 1 4 7 steht, zieht er Rippen wölbung nicht in Erwägung: „la voûte sur croisée d'ogives n'étant pas usitée en Bourgogne à cette époque."293 So entscheidet er sich für Gratwölbung, deren Gewölbefüsse über den Diagonaldiensten aufgesetzt hätten. Flipos Vorschlag wurde durch Aubert und Conant294 in die neuere Literatur übernommen: der Westteil von St. Bénigne gilt lediglich als ein Beispiel der späten kreuzgratgewölbten Bautengruppe Burgunds, wie die Madeleine von Vézelay, St. Lazare von Avalion oder St. Philibert in Dijon. Dieser Einordnung widerspricht die Vorlagengliederung des Dijoner Basisfragmentes. Unter burgundischen Bauten der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ist es die Regel, dass sich der Gewölbegrat nicht über einem Dienst, sondern aus einem Winkel entwickelt295. Runddienste, die etwas anderes als Rippen bedienen, sind hier zwar keineswegs selten, doch beginnen sie nie am Boden. Die Eckdienste von St. Lazare in Avallon und der Madeleine in Vézelay, die die Schildbögen des Mittelschiffs bedienen, setzen erst über dem Arkadensims an, die Basisdisposition der Mittelschiffspfeiler bleibt von ihnen aber unberührt. Ebensowenig haben die Edidienste, die im Lichtgaden oder im Triforium der 280
Oursei ( 1 9 $ 0 , S . 3 $ 3 ) und Branner ( i 9 6 0 , S. 2 6 / 2 7 ) hielten Rippenwölbung doch differieren beide in der Datierung um rund 25 Jahre.
291
Flipo, 1 9 1 0 , S. 60 ff. W i e etwa die Mittelschiffspf eiler der Kathedrale von Tournai (2. Viertel des 1 2 . J a h r h u n derts) oder der Kirchen St. Alpine und N o t r e - D a m e - e n - V a u x in Chälons-sur-Marne (nach
292
für möglich,
" 5 7)29S 294 295
Flipo, 1 9 2 8 , S. 26. Aubert, 1 9 2 8 , S. 2 7 ; Conant, 1 9 6 5 , S. 1 8 6 / 1 9 4 . Anders als das 1 1 . Jahrhundert, welches den plastisch vortretenden Gratgewölbefuss über den Ecken eines Rechteckpfeilers (in den K r y p t e n der Kathedralen von A u x e r r e und N e v e r s ) durchaus kannte. Ähnliches ist mir in der burgundischen Architektur des 1 2 . Jahrhunderts nur in Pontigny und Montreal-sur-Serein bekannt. Beidemal betrifft diese archaisierende Disposition nur das Seitenschiff, während das Mittelschiff bereits rippengewölbt ist; auch handelt es sich hier nicht um Diagonaldienste, die den Gewölbefuss unterstützen, sondern um Reststücke eines prinzipiell rechteckigen Pfeilermassivs.
105
St. Bénigne zu Dijon und die Dienstvorbereitung der Rippenwölbung
Nachfolgebauten von Cluny III auftreten können, mit dem Vorlagensystem von St. Benigne zu tun; sie ersetzen während eines beliebigen Abschnittes die Ecken der Vorlagen, sind diesen aber nicht zusätzlich eingestellt. Die Vierungspfeiler von Autun, die Martindale" 8 glaubt mit der Pfeilerdisposition von Dijon vergleichen zu können, verdanken erst der Restauration Durands ihre heutige Erscheinung (mit drei Diagonaldiensten), waren ursprünglich aber den übrigen eckdienstlosen Freipfeilern gleichgebildet. Die zusätzlich eingestellten Edidienste der Narthexbasis von St. Benigne müssen demzufolge auf Rippenwölbung hin berechnet gewesen sein. So erstrecken sich die Gemeinsamkeiten der Kathedrale von Langres und des Narthex von St. Benigne bis auf die Wahl der gleichen Wölbungsform. Damit wird die Frage nach der Provenienz des Edidienstes und nach der Priorität der Rippenwölbung von Dijon und Langres in unserem Zusammenhang besonders aktuell. Rippendienste kannte die Ile de France bereits vor der Mitte des 12. Jahrhunderts. Doch ist hier der reine Kreuzpfeiler, der gleich starke Arkaden- und Quergurte gleichmässig bedient, unbekannt. Schon früh wusste die Architektur des Nordens ihr Pfeilersystem auf die je besonderen Gegebenheiten der Seitenschiffswölbung und des Mittelschiffaufrisses auszurichten; gerade die Wandlungsfähigkeit des Bündelpfeilers ermöglichte ihr die starke, plastische Durchgliederung aller Raumteile. Diese Tendenz führte im Pfeilersystem der Ile de France zu einer Bündelung zahlreicher, im Verband gearbeiteter Halb- und Dreiviertelrunddienste verschiedenster Stärke. Rippendienste, die als Eckdienste einem kreuzförmigen Vorlagenkomplex eingestellt sind, finden sich im „Entstehungsgebiet der Gotik" um die Mitte des 12. Jahrhunderts nur selten. Unter den Beispielen, die hier genannt werden könnten, interessiert in unserem Zusammenhang vor allem die Gliederung der Seitenschiffsvorlagen von St. Remi zu Reims (Abb. 89, 91, Fig. 14 f . ) m . Einer abgetreppten Pilastervorlage, welche die einfachen Gurt- und Schildbögen bedient, ist der Rippendienst im Verband eingestellt. Basis und Kapitellzone umziehen in einheitlicher Bildung das ganze Massiv. Für einen Bau der nördlichen Champagne ist die Übereinstimmung mit der Vorlagen- und Basisbildung von Dijon überraschend gross. Hier wie dort wird der Gurtbogen durch eine Pilastervorlage bedient; wenngleich das Basisprofil in Reims weniger antikisierend gebildet ist und in der Kurvatur des Sockelkarnies champagneske Eigenart aufweist, ist doch das Gemeinsame der auf zwei Ebenen umlaufenden Profilbildung unverkennbar. Die Datierung der Reimser Wandvorlagen ist offen. Nach Fertigstellung des romanischen Baus gegen Mitte des 1 1 . Jahrhunderts ist erst wieder von einer Bautätigkeit unter Abt Peter von Celle die Rede. Diese umfasst frühestens seit 2,8 297
Martindale, 1 9 6 2 , S. 3 $ . In betracht zu ziehen Osten folgenden.
sind hier
die Seitensdiiffsvorlagen
wssi
und
wgni
und
die
nach
I06
Die Anfänge der Rippenwölbung in Burgund
1162 298 sukzessive den Chor, die Westteile und das zu modernisierende Mittelschiff. Gegenüber der reichen, vegetabilen Kapitellplastik der neuen Ost- und Westteile wirken die Kapitelle der genannten Seitenschiffsvorlagen entschieden altertümlicher. Sie können nicht nach Beginn der Arbeiten am Chorneubau geschaffen worden sein; doch führt auch umgekehrt von ihnen keine wegweisende stilistische Verbindung zu den ältesten Kapitellen des Umgangs und seiner Kapellen. So ist es ausgeschlossen, dass sie der von Peter von Celle in Angriff genommenen Baukampagne angehören. Eine Datierung in die frühen 1 1 5 o-er Jahre allein scheint gerechtfertigt, wobei Kapitelle der Ile de France zum Vergleich herangezogen werden können299. Überraschend ist die Fremdheit dieser Kapitelle unter der sonst sehr eigenständig sich entwickelnden Bauplastik von Reims®00; mit den gleichzeitigen Arbeiten an der Kathedrale des Samson oder am Kapitelsaal von St. Remi haben sie nichts gemein. Dieses Beispiel einer systematischen Anwendung des Eckdienstes kann durchaus im Sinne eines Vorbildes für die Pfeilerdisposition von Dijon und Langres verstanden werden, zumal sich in der Portalplastik von St. Benigne weitere enge Verbindungen zur Kunst der nördlichen Champagne aufweisen lassen (vgl. Exkurs i) s o \ Neben St. Remi ist auch der Neubau des Fassadenjochs der Reimser Kathedrale unter Erzbischof Samson ( 1 1 5 2 ff.) als mögliches Verbindungsglied zwischen dem reichen Bündelpfeiler des Narthex von St. Denis und dem systematisierten Kreuzpfeiler von Dijon — in landschaftlicher wie in zeitlicher Hinsicht — zu nennen. Die Rekonstruktion von Hans Reinhardt302 zeichnet als Vorlagen abgetreppte Pilaster mit vorgelegten Halbsäulen und eingestellten Eckdiensten. Die Frage, ob die Anregungen Nordfrankreichs von Dijon oder von Langres zuerst aufgegriffen wurden, lässt sich anhand eines charakteristischen Merkmals beantworten. In der Architektur der Champagne wie der Ile de France umzieht das Profil der Pfeilerbasis zwischen 1x40 und 1 1 7 0 regelmässig alle Glieder der Stütze auf einem Niveau; so ist auch die Dijoner Pfeilerbasis gearbeitet. Die Langroiser Pfeilerbildung differenziert demgegenüber in der Höhe der Basen nach der Breite der einzelnen Vorlagen und der Last ihres Auflagers (Abb. 8). Die attische Basis des Eckdienstes wird bereits in den umlaufenden Sockelkarnies eingearbeitet, wogegen die schweren Pilastervorlagen erst über einem weiteren Sockel das attische Profil gewinnen. Archaisierend und fortschrittlich ist 298 Vgl Sauerländer, 1962, S. 97. Pontoise, N o y o n usf.; eng ist auch die Verwandtschaft mit den nach 11J7 begonnenen Teilen von Notre-Dame-en-Vaux und mit St. Alpine in Chalons-sur-Marne. Doch gehen hier die Vorlagen von St. Remi zeitlich voraus. 300 Vgi_ Hamann-Mac Lean, 1956. 3 0 1 Zusammenhänge zwischen der Reimser Bauplastik von 1150 bis 1170 und der gleichzeitigen Plastik Burgunds vermutet auch Reinhardt, 1963, S. 59/60. 3 0 2 Reinhardt, 1963, S. J 4 — 5 8 . Die ehemalige Vorlagengliederung ist durch Fundstüdce (heute im Keller der eveche) ausreichend gesichert. 298
St. Bénigne zu Dijon und die Dienstvorbereitung der Rippenwölbung
107
die Langroiser Sockelbildung in einem; archaisierend, da die Disposition von St. Benigne wieder auf das ältere burgundische Sdiema der „springenden" Basenhöhen umgearbeitet wird (vgl. Autun), fortschrittlich insofern, als die Glieder nach ihrer Last und Funktion differenziert werden. Das entsprechende Motiv zu den unterschiedlich hohen Basenbildungen findet sich in den differenzierenden Kapitellbildungen von Gurtvorlage und Eckdienst, während die Beispiele mit der einheitlich umlaufenden Basiszone auch in der Kapitellzone an einer Höhe festhalten'03. Im Narthex von St. Benigne zu Dijon scheint sich somit gegen 1 1 5 5 / 1 1 6 0 zum ersten Mal die Adaption der Rippenwölbung in die spätromanische Architektur Burgunds vollzogen zu haben. Dass der Narthexbau von St. Benigne wie kein anderes burgundisches Bauunternehmen jener Zeit Einflüssen der Ile de France und der Champagne zugänglich war, lässt sich an der Plastik des ehemaligen Westportals zweifelsfrei aufweisen (vgl. Exkurs 1). Auch dort schafft der Meister eine Synthese aus einem burgundischen Grundschema und nordfranzösischen Einzelformen. Ähnlich verfuhr der Architekt, der den burgundischen Kreuzpfeiler nach nördlichem Vorbild der Rippenwölbung anzupassen suchte. Um 1 1 6 0 dürfte die Kathedrale von Langres unmittelbar nach der Fertigstellung des Dijoner Narthex begonnen worden sein. Dabei wurden Leute des Bautrupps von St. Benigne übernommen; das bezeugen die Ecksporenbildungen der Chorrundstützen, die Basisprofile und die grossen Kanneluren. Indessen ist der Einfluss der burgundischen Tradition in Langres gegenüber St. Benigne wieder angewachsen. Die dort nach nordfranzösischem Vorbild im Verband gearbeiteten Eckdienste werden hier wieder monolith gebildet'04, und die Profile sind stärker der antikisierenden Haltung Burgunds angepasst; die Bauplastik gibt sich wieder typisch burgundisch an reich variierten Akanthusmotiven und Licht-Schatten-Effekten. So wenig wir auch über den Aufriss des Narthex von St. Benigne im einzelnen aussagen können'05, ist doch das Entscheidende der Raumgestaltung: die rippengewölbte, queroblonge Travee, der schwere ungerichtete Stützenapparat mit den breiten Pilastervorlagen und die vom Mittelschiff abgeriegelte Jochfolge des Seitenschiffs, in beiden Bauten gleich ausgebildet.
® 0 3 V o n daher ist es wahrscheinlich, dass audi die Kapitellbildung des Pfeilers von St. Bénigne m 305
den einheitlich umlaufenden Kapitellzonen der nördlichen Vergleichsbeispiele entsprach, y g j z u r Geschichte des „ f û t en délit": Bony, 1 9 6 5 . W a r der A u f r i s s des N a r t h e x v o n St. Bénigne zu Dijon dreigeschossig nach dem System v o n C l u n y I I I oder zweigeschossig in A r t v o n St. Philibert?
Die „nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur" des 12. Jahrhunderts und die burgundische Tradition Zwischen der Kathedrale von Langres und der zweiten Abteikirche von Clairvaux sieht die Forschung seit langem eine enge Beziehung. Sie hält für sicher, dass der polygonale Chorumgang von Langres mit seinem Kapellenkranz der Chorerweiterung von Clairvaux II als Vorbild gedient habe308. Dass die Kathedrale von Langres im 12. Jahrhundert lediglich eine Achsialkapelle besass und dass der „Langroiser Kapellenkranz" eine Zufügung des späten Mittelalters sei, ist durch die Rekonstruktion der alten Umgangsanlage (vgl. S. 30) richtiggestellt worden. Auch die hier vertretene Datierung des Baubeginns von Langres spricht gegen eine künstlerische Abhängigkeit der Abteikirche von der Kathedrale; Clairvaux II wurde 1 1 5 3 oder 1 1 $ 4 begonnen, die Kathedrale von Langres wahrscheinlich erst um ein Jahrzehnt später. Aufgrund dieser Chronologie kann nur eine Einflussnahme von Clairvaux II auf die Bauplanung von Langres in Betracht gezogen werden. Darüber hinaus ist grundsätzlich zu fragen, wieweit sich die Choranlage der Abteikirche von Clairvaux mit einiger Sicherheit rekonstruieren und in einen sinnvollen Vergleich mit der Ostpartie der Kathedrale von Langres bringen lässt307. In der Literatur wird die folgende Vorstellung vertreten: an das Chorjoch legte sich eine polygonal gebrochene Apsis über zehn Rundstützen308 sowie
Dehio (Dehio-Bezold, 1892, Bd. I, S. $28) und Gantner (1947, Bd. II, S. 22) geben den polygonalen Umgang mit Kapellenkranz als Kriterium der Abhängigkeit an; Hahn (1957, Anm. 344) den Umgang, die polygonalen Kapellen und die Rippenwölbung; Frankl (1926, S. 241), Tournier (1954, S. 136) und Schmoll (1958, S. 169) die Choranlage schlechthin. 307 w i e sAon erwähnt, ist von den Abteikirchen Clairvaux I und II nichts erhalten. Nach der französischen Revolution zunächst Privatbesitz und als Fabrik benutzt, wurde die Abtei 1808 vom Staat gekauft und in ein Zuchthaus umgewandelt. 1812 w a r die Kirche zu Dreiviertel zerstört; 1 8 1 9 hob man an ihrem ehemaligen Standort Fundamentgruben für eine nie ausgeführte Weberei aus. Der heutige, fast ausnahmslos aus dem 18. Jahrhundert stammende Baubestand der alten Abtei ist bei Jeulin (1953 und i960) beschrieben. Eine Bibliographie zur Abtei bis 1941 findet sich bei Laurent-Claudon (S. 308—344), neuere Literatur bei Canivez (in: Baudrillart, Dict. eccl. Bd. 12, 1953, col. 1 0 5 0 — 1 0 6 1 ) und Branner (i960, S. 128). Die neuere Literatur stützt sich ausnahmslos auf die Rekonstruktion der zweiten Abteikirche durch Duhem, 1934. Ich behandle hier allein die Choranlage, da sich nur von ihr eine einigermassen begründete Anschauung gewinnen lässt. Zur Baugeschichte der Gesamtkirche und zum Problem des Baubestandes von Clairvaux I und Clairvaux II verweise ich auf den Exkurs 2. 308 So Duhem (1934, S. 12) und die seitherige Literatur. 308
Die „nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur"
ein polygonal geführter Chorumgang in neun Abschnitten mit neun trapezförmigen, von einer gemeinsamen Mauer umschlossenen Radialkapellen; in allen Teilen sei der Chor über Rippen eingewölbt gewesen309. Eine genauere Analyse der wenigen überlieferten Pläne und Ansichten zeigt jedoch, dass dieses Bild unzutreffend ist. Die bisherigen Rekonstruktionsversuche des Grundrisses von Clairvaux II basieren allein auf dem grossen, die gesamte Abtei wiedergebenden Plan des Dom Milley aus dem Jahre 1708 310 . So unschätzbar dieser Plan (Abb. 98) für unsere Kenntnis der Klosteranlage ist, muss seine Zuverlässigkeit in der Wiedergabe architektonischer Sachverhalte doch in Frage gestellt werden. Dom Milley und die neueren Redaktionen seines Plans zeichnen unter der Apsisarkade eine Folge von zehn Chorrundstützen; damit würde das Chorjoch im Westen zwar über massiven Vierungspfeilern aufruhen, im Osten aber lediglich über einem Paar schwacher Rundstützen. Diese Chorjochdisposition stünde in der zeitgenössischen Architektur Burgunds und unter den zisterziensischen Umgangsanlagen des 12. Jahrhunderts allein. Träfe sie zu, so wäre die Übereinstimmung mit der Chordisposition von Langres von vornherein stark eingeschränkt. Ein zweiter Plan der Abtei aus dem Jahre 1808 311 unterscheidet sich vom Plan des Dom Milley beträchtlich (Abb. 99)312. Da in ihm die Umbauten des 18. Jahrhunderts berücksichtigt sind, glaubte man, ihn für die Rekonstruktion der mittelalterlichen Abteikirche nicht verwenden zu dürfen. Indessen sind wir durch die Kassenbücher der Abtei so ausführlich über den Umfang der Umbauten vom zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts unterrichtet313, dass über das Alter des im Plan wiedergegebenen Baubestandes und die Treue seiner Wiedergabe kein Zweifel möglich ist. Damals wurden einige Anbauten der Abteikirche und ihr Kapellenkranz abgerissen sowie anstelle der dreischiffigen Vorhalle ein 309
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Aubert (1947, I, S. 249/2J0) und Jeulin (1953, S. 330). Jeulin glaubt sogar Details zu kennen: „voûtes sur croisées d'ogives bombées, ayant de grosses nervures et des murs épais." Dom Milley, Ardiicoenobii Clarevallensis Ichnographia, Tab. 1 a (BN, Est Va 16 f ° 146; ein zweites Exemplar in der Bibl. Munie, von Troyes; als Gesamtplan stark verkleinert wiedergegeben bei Vacandard, 1895). Umzeidinungen dieses Plans haben vom 19. Jahrhundert an die Vorstellung von der ehemaligen Abteikirche bestimmt (vgl. Viollet-le-Duc, Dict. I, S. 267). Noch die neuste Literatur (Aubert, 1947, I, S. 2 1 3 ; Dimier, 1949, pl. 84; Hahn, 1 9 J 7 , S. 1 2 1 und Branner, i960, S. 128) gibt den Grundriss von Clairvaux II allein nach der Vorlage des Dom Milley. Dieser Plan wurde 1808 von Gilbert aufgenommen, als die Abtei dem Staat zum Kauf angeboten war ( A D Aube, 3 H 338). Er wurde bereits 1837 von Arnaud ( 1 8 3 7 , Bd. 2, S. 228/229) und neuerdings wieder von Roserot (Dict. Aube, I, 1948) und Aubert (1947, II, S. 150) veröffentlicht. Abgesehen von der hier besprochenen Choranlage finden sich Unterschiede in der Pfeilerbildung des Langhauses und der Kapellendisposition des Querhauses (vgl. Exkurs 2) sowie in der Anzahl der Langhausjodie. Der Plan des 19. Jahrhunderts zeichnet deren 1 2 , der des Dom Milley hingegen 1 1 ; 1 1 Joche gibt Dom Milley auch in seiner Ansicht der Abtei von Süden. Verifizieren lässt sich dieser Widerspruch nicht. A D Aube, 3 H Registre 1 3 9 1 , ad annum 1 7 2 1 ff.
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Die „nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur"
klassizistischer Fassadenneubau errichtet314; im übrigen blieb der architektonische Bestand der Kirche aber unangetastet. Entscheidend ist, dass dieser Plan eine Choranlage wiedergibt, die der Architektur des 12. Jahrhunderts in Burgund und Champagne gemäss ist: das Chorjoch wächst über vier Pfeilermassiven auf, die (summarisch, aber ausdrücklich) von kreuzförmigem Querschnitt gezeichnet sind; gegen Osten schliessen sich in schneller Folge acht Chorrundstützen an. Die Vermutung, die Rekonstruktion könne sich an der Aufnahme des 19. Jahrhunderts zuverlässiger orientieren als am Plan des Dom Milley, findet sich in alten Aussenansichten der Chorpartie bestätigt315: Eine gute Vorstellung der Aussenerscheinung vermitteln ein Stich des Israel Silvestre316 aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Abb. 97) und das Modell der Abteikirche in der Hand Bernhards auf einem Bild des 17. Jahrhunderts (Abb. 96) in der Dorfkirche von Ville-sous-la-Ferte (wenige Kilometer südlich von Clairvaux) 317 . Beide Ansichten stimmten darin überein, dass die Apsis den Aufriss des Chorjochs nicht nahtlos fortsetzt, sondern sich als schmaleres und niedrigeres Gebilde seiner Stirnwand anschliesst. Auch hieraus wird wahrscheinlich, dass das Chorjodi, welches nach dem Grundriss des Gilbert und den beiden Aussenansichten die Disposition eines Langhaus- bzw. Querhausjoches reproduzierte, einen selbständigen, über vier gleichen Stützen aufstrebenden Raumteil bildete, dem die Apsis als eigenwertiger Baukörper angeschoben war. Lediglich der Chorumgang führte (nach Gilbert wie nach Dom Milley) das Seitenschiff des Chorjochs und des Langhauses in Höhe und Breite fort. Da keine Innenansicht der Abteikirche bekannt ist, fällt es schwer, aus alten Beschreibungen und Grundrissen eine summarische Vorstellung vom Innenraum zu gewinnen. Uber die Art der Einwölbung des Chorneubaus lassen sich daher nur Vermutungen anstellen. Der Plan des Dom Milley zeichnet keine Wölbung, nicht einmal die Arkaden- und Gurtbögen ein318. Der Plan Gilberts ist aufsdilussreicher; aus ihm erfahren wir, dass das Langhaus, die Querhausflügel und das Chorjoch in allen Teilen kreuzgewölbt waren319. Über der Apsis und dem Chorumgang trägt Gilbert keine Kreuzwölbung ein, als habe er die Apsis von
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Aubert (1947, I, S. 183) und andere schreiben irrigerweise, das Langhaus sei damals um einige Jodie verkürzt worden. Abb. 100 mit dem Umbauprojekt des Atriums (zwischen 1 7 1 8 und 1726) gibt eine genaue Vorstellung von dem ehemaligen Westabsdiluss. Von Dom Milley selbst besitzen wir zwei Ansichten der Abtei aus der Vogelschau (BN, Est. V a 16); doch bieten diese von der Chorpartie kein präzises Bild. B N , Est V a 16 f ° 149. Das Bild, das sich bis zur französischen Revolution in Clairvaux befand, wurde von Pierre Quarrt in den Melanges St. Bernard ( 1 9 5 3 , S. 348 und PI. I I I rechts) publiziert. PI. II gibt zwei weitere Beispiele der „vera effigies" Bernhards mit einer summarischen Wiedergabe der Abteikirche als Kulisse oder Gründerattribut. Letztere fügte erst Dimier, 1949, pl. 84 hinzu. Zum Aufnahmeverfahren Dom Milleys vgl. Exkurs 2. Gilbert macht zwischen der Wiedergabe von Rippen und Graten keinen Unterschied.
Die „nachbernhardinisdie Zisterzienserarchitektur"
III
einer Kalotte und den Umgang von einer Ringtonne überwölbt vorgefunden380. Die Rekonstruktion einer Kalotte über der Apsis wird durch die Aussenansichten bestätigt. Das Kirchenmodell des Bernhardbildes von Ville-sous-la-Ferté zeigt am Apsisobergaden Fenster, deren Scheitel nur halb so hoch reichen wie am Chorjoch und am Querhaus; über ihnen folgt ein hoher Mauergaden. Dies entspricht der Lichtgadendisposition, welche die kalottengewölbten Apsiden von Paray-le-Monial, von La Charité-sur-Loire und letztlich der Kathedrale von Langres (Abb. 16) aufweisen. Das hohe Wandfeld des Aussenbaus ist hier wie dort ein charakteristisches Indiz für eine Wölbung, die vom Lichtgaden nicht oder nur leicht angeschnitten werden kann. Es ist ein Irrtum der neueren Literatur, dass die Adisialkapelle des Umgangs erst n 66 geweiht worden sei321. Eine Altarweihe des Jahres n 66 wird von Boullenger, dem letzten Archivar von Clairvaux, zwar mitgeteilt 322 , dodi betrifft sie keine Umgangskapelle, ja überhaupt keinen Altar der Abteikirche, sondern die Memorialkapelle neben der Zelle Bernhards wenige Meter nordöstlich der Abteikirche 323 . Das einzige brauchbare Datum für die zeitliche Ansetzung der Chorpartie von Clairvaux II gibt die Weihe der ersten südlidien Umgangskapelle. „Capella in honorem sanctorum Marci, Lucae et Joannis Evangelistae fuit consecrata anno 1 1 J 7 , " zitierte Boullenger aus einer älteren Quelle der Archive von Clairvaux 324 . Der allgemein angenommene Baubeginn der Choranlage gegen 1153 scheint von dieser Kapellenweihe her durdiaus glaubwürdig, zumal 1154 bedeutende Mittel für den Bau der Abteikirche gewonnen werden konnten 325 . Wenngleich die Abteikirdie erst 1174 ihre Sdilussweihe erfuhr 326 , dürfte der Chor beträchtlich früher vollendet gewesen sein, da in der Zwischenzeit noch Um- beziehungsweise Neubauten an Quer- und Langhaus durchzuführen waren 327 . Bei einer Bauzeit zwischen 11J4 und dem Anfang der 60-er Jahre gehört die Choranlage von Clairvaux aber in eine architektonische Entwicklungsphase Burgunds und der südlichen Champagne, welche die Rippenwölbung erst zögernd und zunächst vornehmlich über rechteckigen Räumen anwandte.
Für die Mitte des 12. Jahrhunderts muss es als eine aussergewöhnliche Rückständigkeit angesehen werden, die Apsis über neun Abschnitten zu errichten. So 320
321
Nach Jeulin ( i 9 6 0 , S. 1 1 4 ) fand man bei Kanalisationsarbeiten im Hof des Zudhthauses (dem ehemaligen Standort der Abteikirdie) vor einigen Jahren ein Rippenfragment vom Profil der Rippen in der zum Teil noch erhaltenen Hôtellerie (im Plan Dom Milleys No. 33; zum Profil der Rippe dort vgl. Aubert, 1947, II, fig. 47$ links), dodi von kleinerem Masstab. Letzteres macht eine ehemalige Verwendung in Umgang oder Umgangskapellen von vornherein unwahrscheinlich, ganz abgesehen davon, dass sich die Hôtellerie ihrer Gesamtersdieinung nadi erst ins letzte Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts datieren lässt. Duhem, 1934, S. 11; ihm folgend Aubert, 1947, I, S. 138; Hahn, 1957, S. 120 und Branner, i960, S .
322
128.
Boullenger, pièce 96, suppt. 3: »in capella próxima Domui sancti Bernardi in honorem Stae. Mariae genitricis dedicata anno D. 11660 consecrata fuit." „Anno 1161 hanc capellam excitavit Godefridus quondam Lingonensis episcopus in loco ubi S. Bernardus e vivis abierat." 32s Vgl. den Plan von Dom Milley, N r . 62. 324 Boullenger, pièce 10 j . 325 Hierzu und zu den übrigen Daten der Baugeschidite von Clairvaux I und Clairvaux II, vgl. Exkurs 2. 32« V g l , J a s „Chronicon Clarevallense" (Migne PL i 8 j , col. 1 2 4 8 ) , das „Chronicon Alberici" ad a. 1174 (in: Recueil des Hist. de Gaule et de France, X I I I , S. 713 A) und die Gallia Christiana ( 1 7 2 7 , IV, col. 5 8 } E). Es handelt sich um eine Schlussweihe, da 1 1 7 8 eine Geldspende König Heinridis II. von England nurmehr dazu benötigt wird, die provisorische Ziegeleindeckung durch eine aus Blei zu ersetzen (Chronicon Alberici, ad a. 1 1 7 8 ) . 327 Vgl. Exkurs 2, S. 140.
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D i e „nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur"
verschiedenartig die Choranlagen der Ile de France und der Champagne zwischen 1140 und 1190 auch ausfallen, ist ihnen doch durchwegs das Bestreben gemein, eine Grundrissformel zu finden, die den Rhythmus der Langhausabschnitte möglichst unverändert um die Apsis herumzuführen erlaubt. Die Länge der Apsidenabschnitte soll von der der Langhausabschnitte nicht grundlegend abweichen; so werden die Intervalle zwischen den Arkadenstützen relativ weit genommen, und der Grundriss der Apsis zunehmend gestelzter ausgezeichnet. Dementsprechend legt sich der Umgang einer nordfranzösischen Choranlage des fortgeschrittenen 12. Jahrhunderts mit höchstens sieben, meist nur fünf Abschnitten um die Apsis herum. Von dieser Entwicklung und von ihren Vorstufen in der Ile de France (St. Denis, St. Germer, etc.) weiss die Choranlage von Clairvaux nichts. Vielmehr ist sie noch von dem „additiven Prinzip" geprägt, die Apsis als eigenwertig konzipierten Baukörper dem lateinischen Kreuz der Hochschiffanlage anzuschieben (Abb. 96). Darin ist sie aber keineswegs ein Ableger des frühgotischen Kathedralchores, wie dies Aubert (und ihm folgend die neuere Literatur) gemeint hatte328; vielmehr steht sie in der Abhängigkeit spätromanischer Umgangsanlagen. Es ist die Chordisposition der grossen Pilgerstrassenkirchen, die in Clairvaux und seinem begrenzten Umkreis ein letztes Mal aufgegriffen wurde. Als unmittelbares Vorbild scheint den Zisterziensern die Choranlage von Cluny III vor Augen gestanden zu haben. Mit Cluny III stimmt Clairvaux II nicht nur im Grundriss (Chorjoch und neunteiliger Umgang), sondern auch in der Abtreppung des Aussenbaus überein: vom Kapellenkranz zum Umgang (wobei der Umgang über dem Kapellenkranz eigene Belichtung erhält), vom Umgang zur Apsis und letztlich von der Apsis zum Chorjoch329. Die aus Gilberts Plan abgeleitete Vermutung, der Umgang sei möglicherweise durch eine Ringtonne mit Gurten überwölbt gewesen, gewinnt aus dem Vergleich mit Cluny III an Wahrscheinlichkeit. Die reiche Lisenengliederung des Äussern sowie die starke Durchfensterung und die Kalottenwölbung über der Apsis beider Bauten bekräftigen die Zusammenhänge. Diese Gemeinsamkeiten blieben bislang unbeachtet, da man den einzigen wesentlichen Unterschied in der Grundrissdisposition — alternierende Radialkapellen in Cluny III gegen einen kontinuierlichen Kapellenkranz in Clairvaux II — zu einseitig hervorhob. Es ist möglich, dass nordfranzösische Kapellenkranzanlagen, wie in Therouanne, Dommartin oder an der Samsonkathedrale von Reims, dem Kapellenkranz von Clairvaux zu Pate gestanden haben330; denkbar ist aber auch, dass in Clairvaux II eine selbständige Umwandlung der alternierenden Kapellenfolge von Cluny III in einen lückenlosen Kranz vier328
A u b e r t , 1 9 4 7 , I, S . 2 1 2 / 2 1 3 .
32« Y g j
Branner, i 9 6 0 , S . 2 8 / 2 9 , der meines Wissens als erster diese Ubereinstimmung erkannte.
330 Ygj_ hierzu z u l e t z t : D i m i e r , 1 9 J 7 ; Branner, i 9 6 0 , S . 2 8 ; R e i n h a r d t , 1 9 6 3 , S. 58.
Die „nachbernhardinisdie Zisterzienserarchitektur"
II3
eckiger Kapellen vorgenommen wurde, wie er bereits in der Kette der Querhauskapellen des bernhardinischen Plans vorgegeben war.
Zum andern hatte man sich die Augen für eine architektonische Abhängigkeit der Zisterzienserkirche von Cluny III durdi die Annahme verschlossen, der Reduktionswillen von Clairvaux (wie er sich im bernhardinischen Plan manifestiert hatte) und die jedem Aufwand widerstrebende Haltung Bernhards könnten sich nimmermehr mit einer Choranlage nach dem Vorbild der grössten Ordenskirche des Abendlandes in Einklang bringen lassen. Als Kronzeuge zisterziensischer Baugesinnung gilt gemeinhin Bernhards „Apologia ad Guillelmum" 331 . Gerade diese darf aber nicht als „Programm" zisterziensischer Kunstvorstellung schlechthin verstanden werden. Bernhards Zorn richtet sich zwar gegen jeden Aufwand in der Ausstattung bis hin zur Bauornamentik; ein Anathema über die architektonische Konzeption der Choranlage von Cluny III sucht man hier aber vergebens332. Nirgends hätten sich die Mönche von Clairvaux eine angemessenere, auf monastisdie Bedürfnisse besser zugesdinittene Chorlösung zum Vorbild nehmen können als in Cluny. Und nur natürlich ist es, dass sie nach dem sprunghaften Anwachsen der Tochtergründungen und der eigenen Mönchszahl hinter anderen Orden äusserlich nicht zurückstehen wollten. Ausgehend von Clairvaux fand der neunteilige Umgang nochmals eine begrenzte Verbreitung innerhalb des Zisterzienserordens333. Ausserhalb des zister331 Migne, P L 182, col. 914 C. 332 Während die Architekturgeschidite Cluny und Clairvaux nur als Opponenten zu sehen gewohnt ist, hat die Kirdiengeschidite nie vergessen, die beiden Orden audi in ihren Wechselwirkungen und in ihrem Zusammenspiel zu würdigen. Vgl. zuletzt Knowles, 1963. 333 Ygi Pontigny (Chorneubau nach 1186) und Cherlieu (spätes 12. Jahrhundert) sowie weitere Beispiele bei Dimier (1949 und 1967). Branner (1966) stellte die These auf, die Chorlösung von Clairvaux II habe nodi im 13. Jahrhundert einen entscheidenden, mehr oder weniger unmittelbaren Einfluss auf niditzisterziensische Bauunternehmungen, wie den Santo in Padua, genommen.
ii4
Die „nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur"
ziensischen Ordensbereichs ist die Kathedrale von Langres aber der einzige Bau des 12. Jahrhunderts, der in seiner Chordisposition der Abteikirche Clairvaux II in den grundlegenden Merkmalen entspricht: a) b) c) d) e)
im Grundriss: dreischiffiges Chorjoch und 9/16-Umgangschor, in der Polygonalität von Apsis und Umgang, im Beibehalten der Seitenschiffsbreite und Höhe für den Umgang, in dem einheitlichen Sohlbankniveau von Apsis- und Chorjochlichtgaden, in der Zusammenstellung von kreuzgewölbtem Langhaus und kalottengewölbter Apsis.
Aus der starken Affinität der Kathedrale von Langres zur Tradition von Cluny III im Aufrissystem des Langhauses könnte man folgern, dass auch der Grundriss der Choranlage (Ziffer a) von Cluny III direkt übernommen worden sei; die Entsprechung zwischen Langres und Clairvaux II wäre dann lediglich in dem Rückgriff auf das Vorbild von Cluny III hier wie dort begründet. Dagegen spricht aber, dass sich in der Ostpartie von Langres architektonische Eigenheiten finden, die nicht in den Nachfolgebauten von Cluny III, sondern allein in der Choranlage von Clairvaux II vorgegeben waren (Ziffer b—e). Die Polygonalität der Choranlage ist ein Merkmal, welches Clairvaux und Langres aus der zeitgenössischen Architektur deutlich heraushebt®34. Weder die Pilgerstrassenkirchen noch Cluny III und seine Nachfolge kannten diese Gestaltungsweise®35; Nordfrankreich sdieint erst nach 1170 die polygonale Brechung systematisch angewandt zu haben. Unter den Umgangschoranlagen des 12. Jahrhunderts, die in allen Teilen — aussen und innen, im Apsisobergaden wie in der Umgangsaussenwand — die Polygonalität systematisch zur Geltung brachten, dürfte die Abteikirche von Clairvaux das älteste Beispiel sein. Der Grund für die Wahl polygonaler Formen ist unbekannt. Doch genügt ein Blick auf den bernhardinischen Plan (oder besser: auf eine Zusammenstellung zisterziensischer Kirchengrundrisse des 12. Jahrhunderts33"), um festzustellen, dass Clairvaux jeder halbkreisförmigen Grundrissbildung prinzipiell ablehnend gegenüberstand. Die Kathedrale von Langres übernimmt die Polygonalität der Choranlage, lehnt aber den Kapellenreichtum des monastischen Vorbildes ab; in der Reduktion des Kapellenkranzes auf eine Achsialkapelle schliesst sie sich wohl älteren Kathedralbauten wie St. Etienne von Auxerre an337. 834
335
336 337
Dass die Choranlage von C l a i r v a u x polygonal geführt w a r , schliesst man aus der polygonalen Brediung der Kapellenaussenmauer im Plan D o m Milleys, sowie aus den polygonal gebrochenen Nachfolgechören v o n Pontigny und A l c o b a j a . A l s prototypische Polygonaldiöre des burgundisdien Bereichs werden die Apsiden der K a thedralen v o n A u t u n und von Besanjon-West genannt. Indessen ist beidemal nur die Aussenersdieinung der Apsis polygonal gebrochen, während sidi im Innern eine Halbkreisapsis romanischer Prägung findet. V g l . Esser, 1 9 5 3 , S. 2 0 0 / 2 0 1 . Die polygonalen Umgangschöre der Kathedralen von Basel (gegen 1200) und Lausanne (nadi 1 1 7 3 ) sind mit der Kathedrale von Langres in Zusammenhang gebradit worden (zuletzt
Die „nachbernhardinisdie Zisterzienserarchitektur"
Ein weiteres Kriterium, das die Choranlagen von Clairvaux II und Langres verbindet, ist das durchlaufende Niveau der Sohlbank von Chorjoch- und Apsislichtgaden und die gleichbleibende Höhe und Breite des Chorumgangs gegenüber dem Chorjochseitenschiff. Wir sahen in diesen Merkmalen der Kathedrale von Langres den Ausdrude einer architektonischen Konzeption, die in ihrer Tendenz der Raumvereinheitlichung über die burgundische Tradition hinausführte. Nach Massgabe der Pläne und Ansichten von Clairvaux II waren sie hier bereits vorgegeben. Die Rekonstruktion der Choranlage von Clairvaux II und die Bestimmung ihrer ardiitekturgeschichtlichen Stellung führten zu zwei Resultaten: a) Die Choranlage der Kathedrale von Langres wurde nach dem Vorbild der Ostpartie von Clairvaux II errichtet. b) Die Choranlage von Clairvaux II folgt der Tradition des Chorschemas von Cluny III. Beidemal handelt es sich nicht um ein vereinzeltes, zufälliges Verknüpfungsmoment, sondern um ein typisches Kennzeichen der architektonischen Wechselwirkungen des nördlichen Burgund im fortgeschrittenen 12. Jahrhundert. Beide Ergebnisse lassen sich durch bereits genannte oder noch zu bestimmende Bezugsmerkmale erweitern und verallgemeinern. Schon oben (S. 89) äusserten wir die Vermutung, die Kathedrale von Langres sei in der Breitgelagertheit ihres Raumes, in der gedrungenen Proportionierung der Einzelglieder, in der Adaption der Kreuzwölbung und in der Tendenz der gleichmässigen Aufhellung der Hodischiffanlage durch das Vorbild der nachbernhardinischen Zisterzienserarchitektur geprägt worden. Diese Annahme gewinnt angesichts der engen Anlehnung der Langroiser Ostpartie an die Chordisposition von Clairvaux II an Wahrscheinlichkeit338, zumal sich in Langres zisterziensischer Einfluss auch in Einzelmotiven, wie der Mehrpassrose der Querhausfassaden, feststellen lässt33'. Selbst in den absoluten Maszen der Grundrissanlage äussert sich eine weitgehende Ubereinstimmung zwischen dem Käthe-
Reinhardt, 1 9 6 1 , S . 19, und Gantner, 1 9 4 7 , B d . I I , S. 7 1 ) . W ä h r e n d sidi der U m g a n g v o n Basel einzig in seiner Polygonalität mit Langres vergleichen lässt, besitzt Lausanne eine Achsialkapelle, die zwischen den seitlidien Strebevorlagen als aussen kaum in Erscheinung tretende Ausbuchtung des U m g a n g s eingeschnürt ist und somit der gegen 1 1 8 0 reduzierten Adisialkapelle von Langres sehr nahe kommt (vgl. zu Lausanne: Bach, 1 9 4 4 und zuletzt Grandjean, 338
m
1963)-
Zisterziensischer Einfluss betraf in Langres nicht nur den Kathedralbau; St. A m ä t r e (vgl. C A , 1 9 2 8 , S . J I 8 f.) besass über den Seitenschiffen Quertonnen in A r t v o n Fontenay. D i e ältesten Mehrpassrosen Burgunds finden sich bald nach 1 1 5 0 an Zisterzienserkirdien. D a s Querhaus v o n Pontigny zeigt grosse Achtpassrosen (nur die Profilierung des Steinplattennegativs ist modern, nicht die Zeichnung als soldie), und kleinere Vierpassrosen sind durdi alte Ansichten für das Querhaus und die Westfassade von C l a i r v a u x gesichert.
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Die „nadibernhardinische Zisterzienserardiitektur"
dralbau und der Abteikirche340. Allerdings scheint Langres im Aufgehenden nicht nur die Choranlage der Abteikirche, sondern bereits die Um- beziehungsweise Neubauten ihres Quer- und Langhauses (1160-er Jahre) vorauszusetzen. Während der Chorumgang von Clairvaux wahrscheinlich von einer „cluniazensischen" Ringtonne überspannt war, ist er in Langres mit Rippen eingewölbt; und während sich am Aussenbau von Clairvaux II Chorjoch und Apsis noch als unterschiedlich konzipierte Baukörper zu erkennen geben, sind sie in Langres nahtlos aneinandergefügt. Dass die Kathedrale von Langres wesentliche Merkmale ihrer Anlage von Clairvaux II übernahm, ist anbetrachts der engen personellen Kontakte zwischen der Abtei und ihrem Bischofssitz nicht überraschend. Ob Bischof Godefroy (i139—1163), der vormalige Prior von Clairvaux, die Bauplanung der Kathedrale veranlasste, wissen wir allerdings nicht. Es ist zwar eine bestechende und aus der allgemeinen Chronologie der nordburgundischen Architektur nicht ohne weiteres abzuweisende These, der Kathedralbau sei gegen 1160 unter ihm begonnen worden. Ebensogut ist aber denkbar, dass sein Nachfolger Gautier de Bourgogne (1163—1179) die Bauplanung entwickelt habe; wie sein Vorgänger für die zisterziensischen, so könnte er für die traditionell-burgundischen Merkmale der Kathedrale: die reiche akanthische Bauzier und den Wandaufriss vom Typ Cluny III, verantwortlich gemacht werden. Aufs Ganze gesehen ist St. Mammès von Langres natürlich kein „zisterziensischer Kathedralbau", ebensowenig wie Clairvaux II durch sein Aufgreifen des Chorschemas von Cluny III zu einem „Nachfolgebau von Cluny III" wurde. In der Reduktion der Wandgliederung und in der Kargheit der Bauzier setzt sich die Zisterzienserarchitektur von der übrigen Baukunst Burgunds augenfällig ab. Gleichwohl darf man von dem ersten Eindruck abstrahieren und nach den Verbindungen des architektonischen Systems als solchem zurückfragen. Aus diesen wird deutlich, dass die nadibernhardinische Zisterzienserarchitektur Cluny III nicht allein als Katalysator der eigenen Baukonzeption „ex negatione" verstand, sondern auch als Modell, mit dessen System man sich in einer sehr differenzierten Weise auseinandersetzte. In der Kathedrale von Langres ist das Triforium der eindeutigste Ausdruck der Rückbesinnung auf die burgundische Tradition und bezeichnenderweise das Aufrisselement, das vom Vorbild Cluny III am wenigsten abweicht. Als hätte man diesem Motiv einen besonderen Wert beigemessen, wurde es noch nach 340
Idi vergleiche den Grundriss von Langres mit dem auf die entsprechenden Raumteile reduzierten Plan von Gilbert (Mass A = 6 Joche, Vierung, Chorjoch, Apsis und Umgang. Mass B = Vierung mit vier Querhausjodien. Mass C = Breite des Chorjochs) : Mass A Mass B Mass C Langres 7j m 41 m 25 m Clairvaux 73m 38m 24 m
Die „nadibernhardinisdie Zisterzienserardiitektur*
" 7
1 1 7 0 3 4 1 in St. M a c l o u , der Schlosskirche der G r a f e n v o n B a r - s u r - A u b e ( A b b . 7 3 ) , einem B a u , der sich — am S ü d r a n d der C h a m p a g n e gelegen — in keinem z w e i ten M o t i v
auf
burgundische
Vorbilder
zurückführen
lässt, vorgetragen.
Die
Zisterzienser lehnten das T r i f o r i u m im 1 2 . J a h r h u n d e r t grundsätzlich ab. E i n e kleine, unvermittelt in das hohe W a n d f e l d zwischen A r k a d e n und Lichtgaden gesetzte Ö f f n u n g auf den Seitenschiffsdachstuhl ist bereits eine seltene Bereicherung ( A b b . 7 6 ) . F ü r die kunstgeschichtliche Stellung der Zisterzienserarchitektur im U m k r e i s v o n Langres ist aber bezeichnend, dass die Abteikirchen v o n A c e y und Cherlieu aus ihrem W a n d a u f r i s s durch eine doppelte Gesimsführung eine blinde
„Triforienzone"
ausscheiden
(Abb.
80,
8i) 3 4 8 .
Da
diese
Wandgliede-
rung in der Zisterzienserarchitektur ohne Vergleich bleibt 343 , lässt sie sich nur aus der durch die K a t h e d r a l e v o n Langres vermittelten Vorbildlichkeit des dreigeschossigen Wandaufrisses v o n C l u n y I I I erklären. E i n weiteres architektonisches M e r k m a l , das nicht minder eindeutig als die Triforienzone nachbernhardinische Zisterzienserkirchen des nördlichen
Burgund
mit gleichzeitigen Bauunternehmungen der Benediktinier, der Bischöfe u n d des A d e l s verbindet, ist der Kreuzpfeiler mit Eckdiensten.
beziehungsweise
die abgetreppte
Vorlage
Ausgehend v o n St. Benigne in D i j o n und der K a t h e d r a l e v o n
Langres w a r die R i p p e im nördlichen B u r g u n d mehrfach zu einer durch E c k dienste systematisch vorbereiteten A n w e n d u n g gelangt 3 4 4 . Die aufrechte Seitenschiffsvorlage W3IU der ehemaligen Abteikirche von Morimond 345 (Abb. 83, Fig. 14 g) zeigt die gleiche Querschnitts- und Aufrissdisposition wie in Langres und Dijon, wenngleich die Eckdienste schlanker gebildet sind und die Halbrundvorlagen nach Zisterzienser-Weise in Mannshöhe enden. Wie in Langres umzieht das Sockelprofil das gesamte Vorlagenensemble und wird unter den Eckdiensten in ein attisches Basisprofil überführt. Die nur in wenigen Blöcken „in situ" erhaltene Basis des Gegenpfeilers W3n (Abb. 85) scheint dieser Vorlage und damit dem Mittelschiffspfeiler von Dijon und Langres entsprochen zu haben. Dass die Grundrissproportionen des Langhauses, die knapp unter dem Schildbogen liegenden hohen, rundbogigen Seitenschiffsfenster und die Schildbogenprofilierung mit Langres übereinstimmen, hat Eydoux (1957) bereits hervorgehoben. S4i Y g j Anm. 191. Die grosse Kannelur der Triforienpilaster zeigt, dass man die Kathedrale von Langres zum Vorbild nahm. 342
Das Sens-ähnliche Triforienmotiv im nördlichen Querhaus von Acey ist (nach Mitteilung des Abbé Albéric) erst im 19. Jahrhundert gearbeitet worden. 343 Von Clairvaux berichtete Labeuf 1730 (zit. bei Petit, 1887, S. 47): „cette église est sans galeries. Il y a seulement sous les vitres une porte." Das entspräche dem Aufriss von La Bénissons-Dieu (Abb. 76). Doch ist nicht auszuschliessen, dass auch Clairvaux eine „Triforienzone" durch Horizontalgesimse kenntlich machte. 344 Neben Kleinbauten der unmittelbaren Nachbarschaft von Langres (den Pfarrkirchen von Balesmes und Blécourt) ist hier der (gegen 1 1 8 0 ausgeführte) ehemalige Westabsdiluss der Benediktinerabtei von Flavigny zu nennen; das südliche Seitenschiff des Fassadenjochs, das in moderner Verbauung erhalten ist, zeigt in der Anlage seines Gliederungsapparates grosse Übereinstimmung mit der Kathedrale von Langres (Abb. 88). Eckdienste im Mittelschiff von St. Pierre in Chablis, an den Vierungspfeilern und im Mittelschiff von Montréal-sur-Serein und an den starken Pfeilern des Stützenwechsels von Pont-sur-Yonne dokumentieren schliesslich eine vereinzelte, aber weitreichende Einflussnahme der Dijon-Langres-Gruppe auf die Architektur des Yonnetals. 345 Vgl. oben S. 92—94.
1x8
Die „nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur"
Von der einstigen Abteikirche von Cherlieu, einer Filiation Clairvaux', ist nur die Westmauer des nördlichen Querhauses mit dem Ansatz der Seitenschiffsaussenmauer (Abb. 82, Fig. 14 c) erhalten346. Diese gegen 1200 entstandenen Teile weisen deutliche Übereinstimmungen mit der Kathedrale von Langres auf 347 : entgegen dem allgemeinen Brauch nadibernhardinischer Zisterzienserarchitektur verwendet Cherlieu keine Halbrund-, sondern wie Langres Pilastervorlagen. Der Vorlagenquerschnitt entspricht den Gliedern von Langres bis in die absoluten Masze. Das Eckdienstkapitell tritt gegen den grossen, trapezförmigen Kubus des Pilastervorlagenkapitells kaum in Erscheinung. Ohne Abkragung reichen die Vorlagen bis zur Basis herab, wo die Pilastervorlagen über dem umlaufenden Karnies entsprechend der Langroiser Disposition einen weiteren Sockel ausbilden. Die systematische Verwendung von Eckdiensten in Morimond und Cherlieu348 ist umso bemerkenswerter, als die Zisterzienserarchitektur bis ins frühe 1 3 . Jahrhundert hinein der Dienstvorbereitung der Rippe im allgemeinen ablehnend gegenüberstand 3 ". Wenn Cherlieu darüber hinaus anstelle von H a l b rundvorlagen Pilaster wählte, so lässt sich hier eine Einflussnahme der nichtzisterziensischen Architektur des nördlichen Burgund und ganz besonders der Kathedrale von Langres nicht leugnen. Insgesamt ist es für die nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur
Ost-
frankreichs vom 1 2 . Jahrhundert bezeichnend, dass sie der burgundischen Tradition und den zeitgenössischen Bauunternehmungen in Dijon und Langres auf vielfältige Weise verbunden w a r . Darin hat sich ihre Auffassung von Ordensbaukunst seit den ersten Ausprägungen des bernhardinischen Planes grundlegend gewandelt. W a r Fontenay
in der zeitgenössischen Architektur Burgunds ein
Fremdkörper, der nur als Ausdruck der Reform und der baukünstlerischen Reduktion verstanden werden kann, so fühlte sidi die nachbernhardinische Zisterzienserarchitektur allein in der Nüchternheit des Raumeindrucks und in der Kargheit der Bauzier dem Ordensideal Bernhards verpflichtet, nicht aber in der W a h l der Einzelformen von Grundriss- und Aufrissgestaltung. V o n daher überrascht es nicht, dass die Kathedrale von Langres mit den zisterziensischen Abteikirchen von Clairvaux, Morimond und Cherlieu ähnlich zwingende Oberein548
Eine Rekonstruktion der Abteikirche versuchte 1885 Châtelet (auf ihn geht der Grundriss bei Dimier, 1949, PI. 73 zurück). Ein Plan der Abtei aus dem 18. Jahrhundert und Ansichten der Ruinen vom Anfang des 19. Jahrhunderts (alles: Album de Cherlieu. AD du Doubs) erweisen die Rekonstruktionszeichnungen Châtelets im grossen und ganzen als zutreffend. Demnach hat der Chor bis auf die Siebenzahl der Umgangsabschnitte und die Rippenwölbung von Langhaus und Apsis ein ziemlich getreues Abbild der Choranlage von Clairvaux II geboten. 347 Die Ubereinstimmungen wurden bereits im 19. Jahrhundert erkannt: „L'église de Cherlieu, dont quelques restes étaient encore debout il y a peu d'années, avait la plus grande ressemblance avec celle de Langres." (Brocard, MSHAL I, S. 341). Auberts Vermutung, die Seitenschiffe seien kreuzgratgewölbt gewesen (1947, II, S. 209; so auch Tournier, 1954* S. 136), ist unglaubwürdig; der Rippenansatz über dem einen erhaltenen Seitenschiffseckdienst scheint vielmehr ausgebrochen. 348 In der nördlichen Franche-Comté finden sich Eckdienste mehrfach in der Zisterzienserarchitektur. So nach 1180 in Acey (Abb. 80) gegen das Mittelschiff (die Seitenschiffe sind gratgewölbt) und gegen Ende des Jahrhunderts an einigen Pfeilern der (in rekonstruierten Ruinen äusserst fragwürdig erhaltenen) Abteikirche von Buillon (vgl. Tournier, 1954, fig. 105). 3 " Vgl. Aubert, 1947,1, S. 258 f.
Die „nachbernhardinisdie Zisterzienserardiitektur"
119
Stimmungen aufweist wie mit dem System von Cluny I I I und seiner Nachfolge. Neben das Trennende in der Behandlung der Bauornamentik oder der Wandgliederung tritt das Verbindende in der Grundrissanlage und im Stützensystem, in der Kreuzwölbung und in der Wirkung des Hellraumes. Vieles von dem, was die Zisterzienserbaukunst an architektonischem Formgut während des 13. Jahrhunderts nach Italien und Deutschland übertrug, ist daher nicht spezifisch zisterziensischer, sondern allgemein nordburgundischer Prägung. Der bruchstückhaft überlieferte Baubestand reicht allerdings nicht aus, die Gemeinsamkeiten nach Art einer „Bautengruppe" in typologischer und regionaler Hinsicht genau zu bestimmen. Es ging mir darum, aufzuzeigen, dass die monastischen und nichtmonastischen Bauunternehmungen Nordburgunds während des fortgeschrittenen 12. Jahrhunderts in engen Wechselwirkungen standen, dass der Tradition von Cluny I I I in diesen Jahrzehnten — auch im Hinblick auf die Zisterzienserarchitektur — noch immer eine grosse Vorbildlichkeit zukam und dass die Adaption der Rippenwölbung in Burgund an ganz bestimmte Voraussetzungen geknüpft war. Die Kathedrale von Langres, von der die Arbeit ausging, konnte zunehmend deutlicher in ihren künstlerischen Verflechtungen erkannt werden, wie sich andrerseits die Fäden der verschiedenen Stilrichtungen an ihr besonders gut aufknüpfen Hessen.
Exkurs i Die Portalplastik von St. Bénigne zu Dijon Die Diskussion um die Datierung des Westportals von St. Benigne in seinem einstigen Figurenschmuck ist während der letzten Jahre zur Ruhe gekommen. Man nimmt heute allgemein an, das bei Dom Plancher wiedergegebene Figurenportal (Fig. 17) sei vor 1147 gearbeitet worden350. Da der frühe Datierungsansatz des Portals von der hier vorgeschlagenen Bauzeit seiner architektonischen Umgebung (des Narthex) 351 beträchtlich abweicht, sei die Haltbarkeit der Frühdatierung untersucht und die Frage nach der stilistischen und zeitlichen Einordnung der Portalplastik von neuem gestellt. Vom Aufbau und von der Ikonographie des ehemaligen Westportals vermittelt der Stich des Dom Plancher eine ausreichende Vorstellung352. Er gibt ein ausserordentlich reich skulptiertes, besonders in den oberen Teilen monumental gebildetes Majestasportal wieder. Dem vierfach abgestuften Gewände sind leicht überlebensgrosse Säulenfiguren gleicher Höhe über einheitlichem Konsolniveau vorgelegt. In auffällig weitem, um Türsturzhöhe gestelztem Halbkreis schwingen sich die figürlich ausgestatteten Archivolten über das Tympanon mit der beherrschenden Figur des thronenden Christus. Der Türsturz zeigt fünf Szenen der Geburt Christi353. Als Trumeaufigur ist St. Benigne dem Christus des Tympanons und der Maria des Türsturzes achsial zugeordnet. Vom Figurenschmuck des Westportals sind nur die Köpfe des St. Benigne vom Trumeau und des Petrus vom südlichen Gewände erhalten854. Der Bé350 Vgl. die Übersicht der Meinungen am Sdiluss des Exkurses 1. asi Ygi obenS. 107. 352 Y g j aber die einschränkende Bemerkung, S. 99 oben. 359
354
In den Zwickelfüllungen über den nachmittelalterlich erweiterten Türbögen sehen Schürenberg (1937, S. 13), Lapeyre (i960, S. 106) und Kerber (1966, S. 42) Überreste eines zweiten Türsturzes. Bénignekopf, Cat. Dijon, N r . 1135. Seine Gesichtszüge stimmen mit dem K o p f der Trumeaufigur bei Dom Plancher überein. Seine Masse, 32 x 19 cm, erlauben nicht, ihn mit einer der kleineren Gewändefiguren in Verbindung zu bringen. Petruskopf, Cat. Dijon, N r . 1136 (irrigerweise mit der N r . 1356 versehen); 23 x 1 7 cm. Die Frisur lässt im Vergleich mit dem Stich des Dom Plancher darauf sdiliessen, dass der K o p f dem Petrus, der zweitinnersten Figur des südlichen Gewändes, angehörte. Beide K ö p f e sind beschädigt, besonders der Petruskopf, dessen Kinnpartie und Hinterkopf „diagonal" abgeschnitten sind.
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
121
nignekopf (Abb. 101/102) zeichnet sich durch die hoheitsvolle Ruhe seiner grossflächig angelegten Züge aus. Die niedere, flache Stirn mündet absatzlos in Nasenwurzel und Schläfen. Erst unterhalb des Jochbeins wird die Kontur gestrafft; die Haarsträhnen und die etwas hängenden Mundwinkel sammeln sich in der ruhig fallenden Bewegung des vollen Bartes. Trotz der Starre des Knochengerüsts und aller Kompaktheit des Volumens ist das Mienenspiel leicht und freundlich bewegt; das Profil verläuft flüssig von der Haube über die Stirn zum Kinn. Der Petruskopf (Abb. 103/104) ist weniger grosszügig angelegt; gegen den würdevollen Bénignekopf wirkt er gedrückt. Die Augenbrauen wölben sich wulstig vor; die Stirn flieht weit hinter die Flucht der breiten Nase zurück und setzt sich gegen die Schläfe entschieden ab. Die Augen liegen in tiefen Höhlen; die grossen, breiten Augäpfel sind stark vorgewölbt und von wulstigen Lidern eingefasst. Vom Jochbein fällt das Gesicht müde und schlaff herab. Der Schnurrbart spreizt sich über den Ansatz des Backenbartes und dehnt die Zeichnung des Mundes stark in die Breite. In der niederen, fliehenden Stirn, den tiefliegenden, schräg gestellten Augen und der vorgeschobenen Mundpartie wirkt der Kopf ausgesprochen „katzenartig". Trotz dieser Unterschiede im Typus sind die Köpfe stilistisch zusammengehörig. An beiden lässt sich die niedere Stirn und die hohe Scheitelwölbung, der doppelt umzeichnete Augapfel und das stark vortretende Jochbein vergleichen. Unter den Skulpturen aus St. Benigne, die im Musée Archéologique aufbewahrt werden, kann vor allem das Tympanon mit der Darstellung des Abendmahls (Abb. 122) den beiden Köpfen zur Seite gestellt werden®55. All die am Petruskopf beschriebenen Merkmale kehren hier in grosser Monotonie wieder. Das „Katzenmässige" des breiten Schädels, die kurze, gedrückte Nase und das vorgeschobene Kinn, kennzeichnet jede Figur (Abb. 105). Kaum dass die Barttracht variiert und bald mehr dem Bénignekopf (so im aufrechten Apostel rechts von Christus), bald dem Petruskopf (so im Christus) entspricht. In einem recht flachen Relief gearbeitet sitzen die Köpfe dem stämmigen Hals auf. Ihr Profil ist bald konkav verschoben — wie am Petruskopf, bald konvex vorgewölbt — wie am Bénignekopf. Der unterschiedliche Grad der Plastizität ist weniger im Stilistischen als in den verschiedenartigen Darstellungsweisen von Relief hier und fast vollplastischer Trumeaufigur dort begründet. Der stilistische Zusammenhang der Fragmente des Westportals mit dem Abendmahlstympanon Hess die Meinung aufkommen, dieses habe ursprünglich ein Seitenportal der ehemaligen Westfassade, wie sie nach dem Brand von 1 1 3 7 errichtet worden sei, geschmückt35'. Anbetrachts der Massverhältnisse des re-
855 356
Cat. Dijon, N r . 1 1 3 8 . So Quarré, 1957, S. 1 8 7 ; Beaulieu, 1957, S. 293; Vallery-Radot, 1 9 J 8 , S. 29; Grodecki, 1959, S. 280.
122
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
konstruierten Narthexgrundrisses ist es aber ausgeschlossen, dass die Seitenschiffe eigene Westzugänge besassen. Das über Mittelschiffbreite ausladende Hauptportal liess die Entfaltung weiterer Gewändebildungen an der Westfassade nicht zu. Im Musée Archéologique findet sich ein zweites Tympanon mit der Majestas Domini, das unverkennbar als Pendant zum Abendmahlstympanon gearbeitet worden ist (Abb. 109) 357 . Die Masze sowie das Schriftbild und das Inhaltliche der Horizontalinschriften sind f ü r beide Tympana gleich358. Auf Grund eines Auftrags dürften sie gleichzeitig gearbeitet worden sein. Das Majestasthema bekräftigt nochmals die Unmöglichkeit, die beiden Tympana an der Westfassade zu lokalisieren, da schon das Hauptportaltympanon dem Weltenriditer in der Mandorla gewidmet ist. Die Nachrichten über die Herkunft der beiden Tympana legen vielmehr nahe, ihren ursprünglichen Standort im Kreuzgang nördlich der Kirche anzunehmen*5'. 1833 wurde das Majestastympanon in der westlichen Hälfte der nördlichen Chorjochaussenmauer aufgedeckt. Der verantwortliche Architekt Petit berichtete über den Fund3"0, das Tympanon sei nicht als Mauerfüllung verwendet gewesen, sondern im Zusammenhang eines „in situ" erhaltenen Portals aufgefunden worden, „appuyé sur l'architecture des chapiteaux des colonnes qui décoraient la baie de porte dont ils étaient le couronnement." Andere Umstände weisen auf die Richtigkeit dieser Angabe hin. Petit stellte fest, dass die Unterseite des Tympanons 150 cm über dem heutigen Paviment des Kircheninnern lag. Von der Lage der Narthexbasis wissen wir aber, dass das Bodenniveau des Wilhelm von Volpiano-Baus u o c m unter dem gotischen Neubau lag 361 . Demnach gewährte das Portal ursprünglich mit einer lichten Höhe von insgesamt 260 cm Zugang
357
958
Cat. Dijon, N r . 1 1 3 9 . Als Pendant zu dem vermeintlichen Seitenportal der Westfassade (mit dem Abendmahlstympanon) hatte Quarre ( 1 9 5 7 , S. 1 8 7 ) das Tympanon mit der Darstellung der Bénignemarter vorgeschlagen, das in dem Portalvorbau des frühen 1 4 . Jahrhunderts vermauert ist und in Revolution und Restauration seines Figurenschmuckes beraubt wurde (Abb. 108). Nach der Wiedergabe bei Dom Plancher (S. 520) ist tatsächlich enge stilistische Nachbarschaft zu erkennen; dass beide Tympana als Pendants gearbeitet seien, scheint anbetrachts der unterschiedlichen Masze (Bénignetympanon: 2 j o x i 3 4 , j cm; Abendmahls- und Majestastympanon: 225 x 1 2 J cm) aber unwahrscheinlich. Dass die Inschriften im Paläographischen übereinstimmen, ist unbestritten; eine sichere Datierung konnte aus dem charakteristischen Schriftbild aber nicht gewonnen werden. Desdiamps datiert die Sdirift nach 1 1 8 0 (BM 1929, S. 49), Quarré hingegen nennt Vergleichsbeispiele in Mss. aus Cîteaux und der ehem. Bibl. von St. Benigne vom Anfang des Jahrhunderts
(I9Î7, S. 185).
360 381
Wie dies für das Majestastympanon sdion von Quarre, 1 9 5 7 , S. 1 7 9 vermutet Petit, 1 8 3 3 . Dass das Bodenniveau der Ostteile des Wilhelm von Volpiano-Baus dem sprach, kann an der Schwelle des heute im Treppenhaus verbauten Portals das einst aus der Südostecke des Kreuzgangs ins nördliche Querhaus (?) Volpiano-Baus führte (direkt hinter der nördlichen Nebenapsidiole des Baus).
wurde. des Narthex entabgelesen werden, des Wilhelm von 1 3 . Jahrhundert-
Die Portalplastik von St. Bénigne zu Dijon
123
vom Kreuzgang in das nördliche Seitenschiff des Wilhelm von Volpiano-Baus® 62 . Der gotische Neubau des späten 1 3 . Jahrhunderts setzte das Portal innen zu®65. Dasselbe Schicksal traf die Seite zum Kreuzgang hin, als unter den Mauristen um 1680/82 der südliche Kreuzgangsflügel abgerissen und an seiner Stelle niveaugleiche Annexräume der Kirche angebaut wurden®". Bedingt durch das Festhalten am alten Kreuzgang waren demnach Teile der nördlichen Langhausmauer vom Vorgängerbau in das Aufgehende des Neubaus von 1 2 7 1 ff. übernommen worden®65. Von daher erklärt sich, dass das nördliche Querhaus immer wieder zu Einsturzbefürchtungen und Restaurationen Anlass bot®6®, bis seine Fassade und die gesamte nördliche Seitenschiffsaussenmauer in den Jahren 1 8 3 0 — 3 3 von den Fundamenten auf erneuert wurden 367 . Der südliche Kreuzgangsflügel war Begräbnisstätte der Äbte. Eine zwischen 1 6 7 2 und 1680 abgefasste Beschreibung schildert ein dichtes Nebeneinander von Grabmälern entlang der Kirchenmauer®68. Das vom Kircheninnern her vermauerte Majestasportal diente damals als Nische für ein Wandgrab, wie dies eine Zeichnung darstellt, die auf die Zeit vor 1680 zurückgeht (Abb. 111)® 6 9 . Der ursprüngliche Standort des Majestastympanons ist damit zwischen dem südlichen Kreuzgangsflügel und dem nördlichen Seitenschiff des Wilhelm von Volpiano-Baus gesichert. Der ehemalige Standort des Abendmahltympanons lässt sich nicht mit der gleichen Gewissheit feststellen. 1672/80 erwähnt eine Beschreibung der Abtsgräber® 70 das Tympanon am Portal des „alten Refek363
Idi spreche das von ca. 1060—1281 aufrechte Bauwerk als Wilhelm von Volpiano-Bau an, wenngleidi ungewiss bleiben muss, wie weit der Bau des I i . Jahrhunderts nach dem Brand von 1 1 3 7 verändert wurde. «•» Petit, 1833, S. 226. a«4 Vgl. die Pläne in den A N , N I I I Còte d'Or, 5/2 (Abb. 1 1 0 , Zustand des Klosterbezirks bei Übernahme durch die Mauristen) und j/4 (Umbauvorhaben der Mauristen). 365 Nach Petit, 1833, S. 225, reichte der alte Bestand bis zu einer Höhe von ca. 3 m (von welchem Niveau aus gemessen?). Dieser Umstand erklärt auch die Achsverschiebung des 13. Jahrhundert-Neubaus gegenüber dem 12. Jahrhundert-Westportal. Die um 100 cm angewachsene Breite des Neubaus konnte sich nur nach Süden hin auswirken. Vgl. S. 1 0 1 . 566 Schon im 16. Jahrhundert war das Querhaus einsturzgefährdet (Chomton, 1900, S. 276 und Flipo, 1928, S. 68 ff.). N a d i der Zeidinung des Dom Prinstet von 1674 (Abb. 1 1 2 ; B N , Coli, Bourgogne, Ms. X I , f ° 7 1 7 ) waren damals alle Fenster der nördlichen Querhausfassade sicherheitshalber vermauert. 8.7 Chomton, 1900, S. 332. 3.8 B N , Coli. Bourgogne, Ms. X I V , S. 1 3 7 — 1 $ 8 ; das jüngste beschriebene Grabmal betrifft einen Hinschied von 1672 (Nr. 64); 1680 wurde der Südflügel abgerissen. Coli. Gaignières (BN, Ms. fr. 20891, fol. 104). Die Vorlage der Zeidinung für Gaignières (von 1700) stammt von Pierre Paillot (Paris 1608 — Dijon 1698). Die Liegefigur des Abtes und die Engel unter dem Tympanon stammen aus dem späten Mittelalter. Ob es sich bei dem Abt wirklich um einen soldien mit dem Namen Pierre handelt, oder ob eine Identifikation mit Pierre de Genève nicht vielmehr auf die Tympanoninschrift zurückgeht, ist ungewiss. Kerbers Behauptung (1966, S. 43), es handle sich bei der Zeidinung um eine „Rekonstruktion", und die Anbringung des Tympanons „über dem Grab des 1 1 4 2 verstorbenen Abtes Pierre de Genève" spreche für seine Frühdatierung, ist irrig. 370 B N , Coli. Bourgogne, Ms. X I V , S. 148 ff.
124
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
toriums", des Querbaus am nördlichen Kreuzgangsflügel (Abb. 1 1 2 ) . Dieser Bau stammt zwar aus dem fortgeschrittenen 12. Jahrhundert 371 , doch ist es unwahrscheinlich, dass das Tympanon für seinen Zugang gearbeitet worden sei. Zum einen pflegt die Monumentalplastik des 12. Jahrhunderts das Thema des Abendmahls am Kirchenbau selbst vorzutragen (häufig an der Westfassade oder am Chor), nicht aber mit der Funktion des Refektoriums als Speisesaal der Mönche zu verbinden; zum andern spricht der beschädigte Zustand des Tympanons, wie es im Stich des Dom Plancher von 1739 wiedergegeben ist372, für seine nachträgliche Anbringung über dem Refektoriumszugang. Über den ersten Standort lassen sich nur Vermutungen anstellen: wahrscheinlich war er, korrespondierend zum Majestasportal, im westlichen Teil des südlichen Kreuzgangsflügels373. Spätere Veränderungen dieser Partie, wie die Einfügung eines neuen Zugangs zum nördlichen Querhaus unter Kardinal von Givry (Abt von St. Benigne: 1 5 4 2 — 1 5 5 3 ) , könnten die Überführung ans Refektorium veranlasst haben. Durch stilistische Übereinstimmung und durch Massentsprechungen weisen sich die beiden Tympana und die Fragmente des Westportals als ein zusammengehöriger skulpturaler Komplex aus. Jeder Versuch seiner zeitlichen Bestimmung ist gezwungen, sich mit der Aussage der Horizontalinschriften der beiden Tympana auseinanderzusetzen. Abendmahlstympanon: „ C U M R U D I S A N T E F O R E M D E D I T H U N C MICHI PETRUS HONOREM MUTANS HORROREM FORMA MELIORE PRIOREM." Majestastympanon: „ R E D D I D I T A M I S S U M M I C H I P E T R I C U R A D E C O REM ET DEDIT ANTIQUA FORMAM MULTO MELIOREM." Pierre Quarre hat (1957) plausibel gemacht, 1) dass es sich bei dem genannten Petrus nicht um einen Steinmetzen, sondern um einen Abt handeln müsse, 2) dass sich die Inschrift nicht auf die Tympana selbst, sondern — analog dem Ekklesiastein von Vézelay' 74 — auf den Kirchenbau beziehe, und 3) dass mit dem angesprochenen Erneuerungsanlass nur der Brand von 1 1 3 7 und die darauf folgende Restauration unter den Äbten Pierre de Genève ( 1 1 2 9 — 1 1 4 2 ) beziehungsweise Pierre de Beaune ( 1 1 4 2 — 1 1 4 j) 375 gemeint sein könne. 571
372
373
374 375
Die Rose der N o r d w a n d verbietet eine Datierung v o r 1 1 6 0 , und die typisch zisterziensisdie Querstellung des Baus zum Kreuzgangsflügel findet sich in Zisterzienserabteien erst v o n ca. 1 1 7 0 an. D i e Datierung bei Poinssot ( 19 $ 1 ) auf bald nadi 1 1 3 7 sdieint mir daher verfehlt. Plancher, 1 7 3 9 , I, S. 5 2 0 ; heute ist die Archivolte verloren. D a s alte Refektorium wurde, wie alle alten Abteigebäude mit Ausnahme des Ostflügels, zwischen 1 7 9 2 und 1 8 0 3 abgerissen. O f t findet sich die Abendmahlsdarstellung im Türsturz unter einem Majestastympanon. S o in: St. Gilles, Vizille, Vaudeins, Bellenaves und St. J u l i e n - d e - J o n z y ; vgl. H a m a n n , 1 9 5 5 , S . 3 3 j ff. mit A b b . V o n hierher dürften die beiden Dijoner T y m p a n a audi im Inhaltlichen zusammengehören. Salet, 1 9 4 8 , pl. V , nef N r . 100. N a c h Pierre de Beaune kommt dieser N a m e erst wieder in A b t Pierre de G r a n c e y , 1 1 8 8 bis 1 2 0 4 , vor.
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
I2J
Ist daraus zu folgern, dass die Tympana und das Westportal vor 1145 gearbeitet wurden? Die Übersicht der in der Literatur vorgetragenen Meinungen378 zeigt, dass in jüngster Zeit die Frühdatierung in die Abtszeit des Pierre de Genève vorherrscht. Diese Hesse sich mit den oben vorgeschlagenen Daten des Narthex in Ubereinstimmung bringen, wenn man annehmen wollte, das Westportal sei zunächst für einen anderen Ort gearbeitet worden. Ein Blick auf Conants in den Gesamtmaszen zutreffende Rekonstruktion des Wilhelm von Volpiano-Baus genügt aber, um zu erkennen, dass das fast u m hohe Portal hier nirgends hätte seinen Platz finden können377. So kann es nur gleichzeitig mit dem Narthexbau gegen 1155/60 konzipiert worden sein. Auch die beiden Tympana des Mus. Archéol. müssen nicht zwingend den Restaurationsarbeiten am Wilhelm von Volpiano-Bau unmittelbar nach 1 1 3 7 angehören, wennschon ihre Inschrift diese würdigt. Ebenso können sie der Erneuerung des Kreuzgangs — nicht vor Jahrhundertmitte378 — zugerechnet werden. In diesem Fall nähmen sie lediglich ihren Standort zum Anlass, die Wiederherstellung des Kirchengebäudes unter Abt Pierre in Erinnerung zu rufen379. Die stilistische Untersuchung der Plastik von St. Benigne hat in der Forschung zu unterschiedlichen Verbindungen geführt380. In der älteren Literatur wurde die Portalplastik von Chartres-West als das richtungsweisende Vergleichsbeispiel genannt. Doch beschränken sich die Übereinstimmungen vorwiegend auf das Allgemeingültige im Aufbau des frühgotischen Figurenportals und auf die architekturgerechte, orthogonal gebundene Konzeption der Gewändefigur; indem diese in Dijon erstmals an einem burgundischen Beispiel auftrat, musste dieses in der Meinung der Forschung eng an Chartres heranrücken. Im einzelnen sind der Vergleichsmomente aber so wenige, dass man eine unmittelbare Einwirkung von Chartres auf Dijon nicht nachweisen kann. Vom Motiv her liegt es nahe, die Apostel des Abendmahltympanons von Dijon mit den Aposteln des unteren 37« Y g j d¡ c Übersicht am Sdiluss des Exkurses 1. 377
Conant, 1965, S. 184. Die Höhe des Wilhelm von Volpiano-Baus ist durch die Angaben der Chronik des 1 1 . Jahrhunderts bekannt. Der Scheitel der äussersten Portalarchivolte würde das Niveau seines Mittelsdiiffobergadens erreidien. 378 Vom Gelände des ehemaligen Kreuzgangs stammen zwei stilistisch nidit zusammengehörige Fragmente, heute im Musée Ardiéol. ohne N r . (vgl. Schürenberg, 1937, S. 18/19 und Quarré, 1 9 J 7 , Abb. 10). An den bärtigen Köpfen finden sich noch starke Burgundismen in Gewandung und Pupillenbildung, dodi ist ihr Mienenspiel so bewegt und die Modellierung so lebendig, dass sie von burgundisdien Werken der ii3o-er/4o-er Jahre deutlich abrücken. (Vgl. Quarre, 196$, S. 39, der hier Einflüsse des Languedoc und des ersten Ateliers von St. Denis vermutet). Der kreuztragende Engel kann in seinem kecken Ausdruck dem Engel des Sdilussteins im Kapitelsaal von Vézelay (Sauerländer, 1 $66, Abb. 1) und den Engeln der Ardiivolte (von der porte St. Anne?) des Louvre (Cat. 1950, N r . 76) oder denen des Majestastympanons im Musée Ardiéol. von Dijon zur Seite gestellt werden. S7 ' Audi Quarré (1957, S. 185) und Kerber (1966, S. 41) waren der Auffassung, die Insdirift würdige die Restaurationsarbeiten der Äbte mit Namen Pierre nach deren Ableben. 380 Vgl. die Übersicht am Sdiluss von Exkurs 1.
126
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
Türsturzes des Chartreser Nordportals (Westfassade) zu vergleichen (Abb. 106, 122): Beidemal sitzt der Kopf wie eine nachträglich angeheftete Reliefplatte dem stämmigen Hals auf; beidemal verleihen die grossen Augen, der breite Mund und die stark hervortretenden Backenknochen dem Kopf etwas betont Kreatürliches. Dennoch sind die Unterschiede unübersehbar. Die Chartreser Apostel bewegen sich frei in ihrem Kastenraum und lockern ihre Nebeneinanderreihung in munterer Gestikulation auf, wogegen die Dijoner Figuren, mehr im Format als in der Gestik variiert, wie einzeln reliefierte Redlteckplatten aneinandergerückt sind. Die Chartreser Figuren setzen, bei allen Unterschieden der Ausführung und der Proportionierung, die plastische Beherrschung des Hauptmeisters vom Türsturz des Mittelportals voraus. Die Dijoner Apostel hingegen sind der burgundischen Tradition verbunden; nicht speziell der zappeligen Beweglichkeit von Autun oder von Vezelay und nicht dem geschleuderten Faltenreichtum der südburgundischen Beispiele, sondern der burgundischen Reliefauffassung des 12. Jahrhunderts ganz allgemein, die jede körperliche Eigenständigkeit einem uniformen, vorwiegend ornamentalen Gleichklang randfüllender Oberflädienzeichnung unterordnete. Vom persönlichen Stil des Chartreser Hauptmeisters, der eine Synthese von autonomer Körperlichkeit und eigenwertig charakterisierender Oberflächenbelebung zu geben versuchte, ist diese Auffassung weit entfernt. Quarré hat die Aufmerksamkeit auf die Kreuzgangsfiguren von St. Denis gelenkt, die in stilistischen Details engere Ubereinstimmungen mit dem Abendmahlstympanon von St. Benigne aufweisen als die Skulpturen von ChartresWest. Schon Dom Plandier 381 hatte die Dijoner Gewändefiguren mit den bei Montfaucon382 wiedergegebenen Säulenfiguren aus St. Denis verglichen. Tatsächlich zeigt die im Metropolitan Museum wieder aufgetauchte Königsfigur (Abb. 107)388 überraschende Gemeinsamkeiten mit den Gestalten des Abendmahltympanons in Kopfform, Faltenwurf und Gesamtumriss. Quarré sieht die Dijoner Figuren für die weiterentwickelten an. Da er sie „vor 1145/47" datiert, rückt für ihn die Entstehung der Kreuzgangsfiguren von St. Denis an den Anfang der 1140-er Jahre. Welche Auswirkungen diese Datierung auf die Geschichte der frühgotischen Plastik im allgemeinen und des Figurenportals im besonderen habe, verfolgt Quarré nicht weiter. Grodecki stellte diese Frage aber bald in ihrer ganzen Konsequenz384: „s'il est prouvé que les trois portails de la façade de St. Bénigne dérivent en ligne directe de St. Denis, s'il est vrai que cet ensemble était fini en 1 1 4 7 . . . , nous tenons là un chaînon essentiel dans la formation première de cette sculpture. Le chantier de Chartres révèle des éléments bourguignons nombreux. N'est-ce pas de Dijon plutôt que de Vézelay ou d'Autun que cette influence est venue à Chartres?" Kerber griff in seiner Dissertation 381
Plancher, 1739, Bd. 1, S. 521. Montfaucon, 1729, Bd. I, pl. X (in veränderter Anordnung abgebildet bei Kerber, 1966, S. 44). SES Veröffentlicht von Ostoia, 19 J J . 384 Grodecki, 1959, S. 280/281. 382
Die Portalplastik von St. Bénigne zu Dijon
12 7
„Burgund und die Entwicklung der französischen Kathedralskulptur im 12. Jahrhundert" diese Anregung auf und kam zu dem Schluss, dass nidit nur die Skulptur der Chartreser Westfassade, sondern auch die Kreuzgangsfiguren aus St. Denis den Dijoner Skulpturen zeitlich nachfolgen müssten. „ D e r . . . Portaltypus der Westfassade von St. Denis verbindet sich in Dijon mit einer älteren burgundischen Richtung und erfährt durch sie eine wesentliche Bereicherung und Verfeinerung und zugleich tektonische Umbildung. Die offenbar von Sugers Meistern geschulten Burgunder wandern in die Kronabtei zurück und schaffen dort im Kreuzgang einige Werke, die den Stil des Chartreser Hauptmeisters unmittelbar vorbereiten, ja an denen er vielleicht beteiligt war." 385 Hatte Vöge 1894 noch ironisch gemeint: „gewiss kam der Chartreser Stil nidit in voller Rüstung von den Bergen der Côte d'Or ins Gebiet der Seine"388, so gilt für Kerber neben den Westportalen von St. Denis die Portalplastik von Dijon als die zweite und nicht minder wichtige „burgundische" Wurzel des Chartreser Stils. Gegen diese These387 ist einzuwenden, dass sich die Plastik von St. Benigne nur in vereinzelten, rückständigen Motiven als Abkömmling der burgundischen Tradition zu erkennen gibt. Von der burgundischen Bildordnung des Abendmahltympanons sprach ich sdion. Auch am Majestastympanon (Abb. 109) ruft die labile Fixierung der Personen auf das wannenförmig eingetiefte Relieffeld den ungefestigten Vortrag von Autun und Vézelay in Erinnerung. Doch bleibt dies Nidit-immer-Respektieren eines architekturgerechten Orthogonalnetzes, das auch für den schiefen Tisch des Abendmahltympanons gilt388, ein untergeordnetes Stilmerkmal gegenüber der neuen Plastizität und Beweglichkeit der Körper, die alles vormals in Burgund Geschaffene weit hinter sich lässt. Diese neue Auffassung findet sich besonders ausgeprägt an den Evangelistensymbolen Löwe und Stier (Abb. 1 1 3 / 1 1 4 ) . In der burgundischen Tradition von Cluny I I I (Westportal)38' bis Charlieu (nördliches Vorhallenportal) findet sich 385
Kerber, 1966, S. 46. »e« Vöge, 1894, S. 99. 587 Als Ziel und Korrektiv seiner Untersuchung gilt Kerber der „Zeitstil", ein fragwürdiges Verfahren bei der Analyse des Austausches zwischen den regionalen Stilformen von Burgund und Ile de France; fragwürdig audi deshalb, weil von hier her gesehen der Hauptmeister von Chartres West zu stark als die Erfüllung des Zeitstils um 1 1 5 0 / 5 j gilt, und Kerber vieles, das nicht die Reife der Chartreser Figuren aufweist, als ältere Stufe der Entwicklung abtut, da der Chartreser „solche Primitivität nicht mehr zulässt." (S. 43). 588 A m Tympanon der Bénignemarter, das durch Dom Plancher (1739, Bd. 1, S. $20) überliefert ist (Abb. 108), sind die Figuren radial auf den Blickpunkt des Geschehens, die Fesselung der Füsse des Heiligen an einen Felsen, hingeordnet. Auch dies ist burgundische Erzählweise, wie Berzé-la-Ville (Fresko der Laurentiusmarter) und die Anbetungsszenen von Anzy-le-Duc und Neuilly-en-Donjon zeigen. Ob das Tympanon mit der Bénignemarter in den stilistischen Zusammenhang des Westportals und der Kreuzgangs-Tympana gehört, lässt der Stich des Dom Plancher offen. Die „Zweiteilung" des Körpers durch die Gürtung, die überkreuzten Beine und der jähe Griff in das Faltenbündel weisen auf St. Denis-West (vgl. Quarré, 1 9 J 7 , S. 187, und Lapeyre, i960, S. 104). 889
Zur Rekonstruktion des Westportals von Cluny III vgl. Talobre, 1944 und Kleinschmidt, 1947-
128
Die Portalplastik von St. Bénigne zu Dijon
nirgends eine so machtvoll hervorgearbeitete Figur wie die des Dijoner Stieres. Der nivellierende Linearismus des burgundischen Reliefs, der noch während der i i 40-er/j o-er Jahre die Kapitellplastik von Vezelay (Narthex) und Saulieu prägte390, ist hier völlig überwunden. Löwe und Stier des Dijoner Majestastympanons zeichnen sich durch ihre „rundplastische" Körperlichkeit, durch ihre ausgreifenden, jähen Bewegungsmotive und durch ihre differenzierte, naturnahe Oberflächenbehandlung von Leib, Haaren und Flügeln aus. Die Gestalt Christi (Abb. 109) dokumentiert eindrücklich die stilistische Zwitterstellung des Werkes. Der Mandorla ist sie pedantisch eingepasst; weder die erhobene Hand noch der Nimbus überschneiden ihren Umriss. Darin erinnert sie unmittelbar an ältere burgundische Bildungen wie das Tympanon von Perrecy les Forges. In der tief ausgehöhlten Mandorla entwickelt die Figur aber eine räumliche Beweglichkeit, die sie von allen übrigen Majestasdarstellungen des 12. Jahrhunderts unterscheidet. Scheint Christus andernorts als triumphierender in erhabener Gestik die enge und flache Mandorla zu sprengen, so verfällt der Dijoner Christus in ein lässiges, selbstgenügsames Sitzen. Oberkörper, Kopf und Arme wölben sich in geschickter Anpassung an die konkave Mandorlawand vor, während die Oberschenkel fast horizontal an die vorderste Reliefschicht herangeführt sind891. Die Einheit der Figur wird hier nicht durch ihre Frontalität und die Ordnung der Faltenbahnen realisiert — gerade die entscheidende Hüftpartie ist durch das grosse Buch verdeckt —, sondern durch ihre zwanglose räumliche Anordnung. Nach dieser neuen Reliefauffassung, die in den Tieren bereits entschiedener zum Ausdruck kommt als in der Figur Christi, ist aber die kunstgeschichtliche Stellung des Tympanons zu beurteilen. Eben so viel und eben so wenig als das Majestastympanon zeigt das Westportal Verbindungen zur burgundischen Tradition (Fig. 17). Selbst die gegenüber Dom Planchers Stich korrigierten Proportionen des Portalaufbaus lassen in ihrer Betonung des lastenden Halbkreistympanons Verwandtschaft mit den Westportalen von Vezelay und Autun erkennen®92. Mit Vezelay verbindet das Portal überdies der Umstand, dass beidemal für die Gewändestatuen, die Tru380
391
392
Während Kerber v o m A u f k o m m e n der „autonomen, linear tektonisierten" Figur in Autun spridit, hat Gosebrudi ( 1 9 5 0 , S. 61—66) darauf hingewiesen, dass die folgende burgundisdie Entwicklung gerade die zeichnerisch-ornamentalen, auflösenden Tendenzen Autuns und V i zelays weiterentwickelt (S. 6 5 ) : „es s i n d . . . weder Anzeichen von Tektonisierung auf dem T y m p a n o n von A u t u n zu erkennen, noch geht überhaupt eine Entwicklung auf Tektonisierung hin in der burgundisdien Skulptur vonstatten, da Charlieu I I noch einmal ein letztes, entschiedenes W o r t dagegen zu sagen hat." Im Gegensatz zu allen Majestasdarstellungen in der N a d i f o l g e von Chartres lässt in Dijon der Mantel Christi das rechte Knie frei. Dies fiel sdion V ö g e auf (S. 9 $ ) : „ D a s Westportal von St. Benigne zu Dijon . . . in den grossartigen Verhältnissen und der Mächtigkeit der Formen ein natürliches Gewädis der reichen burgundisdien Erde . . A l s typisch burgundisches Motiv, vergleichbar dem Westportal von Vezelay, zeigt die äussere Gewändeabtreppung die Übereinandersetzung von Pilaster und Säule.
Die Portalplastik von St. Bénigne zu Dijon
129
meaufigur u n d den thronenden C h r i s t u s des T y m p a n o n s ein wachsender
Mass-
stab g e w ä h l t w u r d e . Andererseits lässt sich der Stil der beiden erhaltenen K ö p f e ebensowenig w i e der T y p u s des F i g u r e n p o r t a l s
aus B u r g u n d herleiten.
Nicht
z u l e t z t ist zu erinnern, dass das W e s t p o r t a l v o n S t . Benigne selbst in der M o t i vik
und
stilistischen B e h a n d l u n g
der B a u o r n a m e n t i k
ausserhalb
der
burgun-
dischen T r a d i t i o n steht 393 . A n den W e s t p o r t a l e n v o n S t . D e n i s ( 1 1 3 7 — 1 1 4 0 )
sind die neuen, f ü r ein
burgundisches P o r t a l u n e r w a r t e t e n Z ü g e nidit vorgegeben 3 9 4 . S o ist a u f Q u a r r é s V o r s c h l a g z u r ü c k z u k o m m e n , dass erst der fortentwickelte Stil der K r e u z g a n g s figuren
v o n S t . D e n i s die nordfranzösisch-burgundische S y n t h e s e v o n D i j o n er-
möglicht
habe.
Der
überzeugenden
Gegenüberstellung
Quarrés 3 9 5
e t w a s h i n z u z u f ü g e n . D i e A p o s t e l des A b e n d m a h l t y m p a n o n s
(Abb.
ist
kaum
122)
stim-
men m i t der N e w Y o r k e r F i g u r ( A b b . 1 0 7 ) stilistisch g u t überein, w e n n auch die starre H a l t u n g u n d die f a l l e n d e K o n t u r der S ä u l e n f i g u r im R e l i e f
aufgelockert
sind; die Schultern akzentuieren sich hier stärker, u n d die Beine zeichnen sich durch das kalligraphische Spiel der f a l l e n d e n G e w ä n d e r ab. Einen Datierungshinweis
f ü r die D i j o n e r S k u l p t u r können w i r aus diesem
Vergleich allerdings nicht gewinnen. W e d e r in ihrem Bestand noch in ihrer zeitlichen A n s e t z u n g ist die K r e u z g a n g s p l a s t i k v o n S t . D e n i s gesichert 39 '. Montfaucon bezeichnet nur die zweite und dritte der von ihm wiedergegebenen Figuren als aus dem Kreuzgang stammend; gerade diese sind verloren 397 . Die erste Figur befindet sich indessen im Metropolitan Museum (Abb. 107); sie stammt zweifellos aus St. Denis, aber nicht mit letzter Sicherheit aus dem Kreuzgang 398 . Im Louvre (Abb. jo) werden dem Kreuzgang ferner Basis und Kapitell einer Doppelsäule — wohl aus der Arkade — zugeschrieben (Nr. 64—65), sowie der genannte Kopf N r . 66, der aber in seinen Maszen mit der N e w Yorker Figur nicht
3,3
394
395 398
397
398
Quarre, 1957, S. 1 9 1 : „il est curieux de constater que l'influence de l'art roman de Bourgogne apparaît moins à St. Bénigne de Dijon qu'aux portails de l'église abbatiale de St. Denis, à ceux de la cathédrale de Chartres et de Notre-Dame d'Etampes, où sont employés à profusion, pour l'ornementation des colonnes, les éléments décoratifs que l'on peut voir, par exemple, à Paray-le-Monial ou à Charlieu." (Ähnlich auch Lapeyre, i960, S. 107.) Kerbers These, in Dijon seien „von Sugers Meistern geschulte Burgunder" am Werk gewesen (1966, S. 46), ist nicht einleuchtend, zumal Kerber solche Beziehungen im einzelnen nicht nachweist. Quarré, 1957, S. 193 f. Léon Pressouyre konnte neuerdings nachweisen (1967, während der Drucklegung meiner Arbeit erschienen), dass der Kopf des Louvre (Cat. Louvre, 1950), N r . 66, nicht — wie bisher stets angenommen — aus St. Denis, sondern aus Châlons-sur-Marne stammt. Vgl. Anm. 4 1 3 . Das Figurenfragment im Musée Lapidaire von St. Denis (Abb. bei Formigé, i960, S. 19), das man zeitweilig mit der dritten Figur bei Montfaucon identifizierte, wurde im Cat. Louvre, 1968, N r . 2, mit den Skulpturen der Porte Valois in Zusammenhang gebracht. Dom Plancher spricht von den drei Figuren aus dem Kreuzgang von St. Denis, die bei Montfaucon abgebildet seien (Plancher, 1739, I, S. $ 2 1 ) ; wahrscheinlich handelt es sich hier um eine Konjektur Dom Planchers, nicht um eine ausdrückliche Richtigstellung, wie Kerber (1966, S. 44, Anm. 158) meint. Doch machen die Masze und die Übereinstimmung der Basisecksporen mit der Basis, Cat. Louvre, 1950, N r . 64 die Zugehörigkeit zum Kreuzgang wahrscheinlich.
Die Portalplastik von St. Bénigne zu Dijon
i3o
übereinstimmt399. Gerade die Stücke, die mit der Dijoner Plastik in engstem Zusammenhang stehen, die N e w Yorker Figur und der Louvre-Kopf N r . 66, lassen sich also nicht exakt lokalisieren. Ebensowenig lassen sie sich genau datieren. In stilistischer Hinsidit werden sie sehr unterschiedlich beurteilt. Der Katalog des Louvre von 1950 setzt den Kopf N r . 66 ans Ende — und die Cathédrales-Ausstellung (Cat. Louvre, 1962, N r . 4) ins dritte Viertel des 12. Jahrhunderts; Kerber (1966, S. 45 f.) hält ihn für ein Frühwerk des Chartreser Hauptmeisters, das vor Sugers Tod ( 1 1 5 1 ) geschaffen worden sei. Die N e w Yorker Figur setzen Ostoia (1955) und Quarré (1957, S. 193 f.) in die 1140-er Jahre, der Katalog der Ausstellung „L'Europe Gothique" (Cat. Louvre, 1968, N r . 1) in die frühen 1130-er Jahre. Die Errichtung des Kreuzgangs kann mehr oder weniger bald nach Sugers Chorneubau erfolgt sein, sie kann aber auch in Zusammenhang mit dem Baubeginn am südlichen Querhaus zwischen I I J O und 1 1 7 0 gestanden haben 400 . Wollte man eine lineare Stilentwicklung der Plastik von St. Denis annehmen, so wäre es unwahrscheinlich, dass die N e w Yorker-Figur vor dem Relief-Crosby 4 0 1 gearbeitet wäre; denn während das Relief noch zahlreiche Gemeinsamkeiten mit den Figuren der Westportale aufweist, hat die N e w Yorker-Figur diesen Einfluss ganz überwunden. Kerber rückt sie in engste Nähe zu den Gewändefiguren des Chartreser Hauptmeisters, geht aber zu weit, wenn er sie als dessen Jugendwerk erklärt. Wahrscheinlicher ist auch hier die umgekehrte Abfolge. Die Basen und Kapitelle der Arkadensäulchen (Nr. 64/65) sind selbst bei einer Datierung in die 1150-er Jahre nicht rückständig; fast identische Stücke akanthischen Laubwerks finden sich am Südportal von Notre-Dame-en-Vaux in Châlons-sur-Marne (Abb. 1 2 1 ) nach 1 1 5 7 und im Chortriforium von St. Germain des Prés noch gegen 1160. S o reicht das M a t e r i a l aus S t . D e n i s nicht aus, u m eine e x a k t e kunstgeschichtliche B e s t i m m u n g der P o r t a l p l a s t i k v o n S t . Benigne v o r z u n e h m e n .
Sauerländers
H i n w e i s e a u f die A u s b r e i t u n g des Stils v o n S t . D e n i s u n d seine E i n o r d n u n g der S k u l p t u r v o n N o t r e - D a m e - e n - V a u x in C h â l o n s - s u r - M a r n e 4 0 2 können hier aber im grundsätzlichen w i e im einzelnen w e i t e r f ü h r e n . Von
den
Skulpturen
des S ü d p o r t a l s
von
Notre-Dame-en-Vaux
(Fig.
16,
A b b . 1 2 1 ) sind seit der französischen R e v o l u t i o n n u r noch die U m r i s s e erhalten. Ü b e r einer „chartresischen" Zwischensäulchen
Sockelpartie f o l g t e n in der v o n
unornamentierten
gegliederten F i g u r e n z o n e acht Säulenfiguren u n d je
zweiein-
halb in R e l i e f gearbeitete F i g u r e n an der F r o n t der T ü r p f o s t e n . D i e übereinandergesetzten R e l i e f f i g u r e n unter Baldachinen s o w i e die A n o r d n u n g der grossen G e w ä n d e f i g u r e n über unterschiedlich hohen,
figürlichen
Tierkonsolen folgen dem
A u f b a u der W e s t p o r t a l e v o n S t . Denis. D o r t h i n w e i s t auch die unmittelbar über das einheitliche Scheitelniveau der F i g u r e n gelegte kontinuierliche, m i t R a n k e n ,
399
100
401 402
N r . 66 ist 28 cm hoch, gehört mithin einer überlebensgrossen Figur an, während die N e w Yorker Figur 1 1 5 cm hoch ist, der Kopf allein — mit ergänztem Kinn — ca. 15 cm. Der gleiche Massunterschied gilt auch für das Fragment aus St. Denis (vgl. Anm. 397) und den Kopf des Frankfurter Liebieghauses (Höhe 26,8 cm), der von Kerber (1966, S. 45 und Anm. 163) dem Kreuzgang von St. Denis zugeschrieben wurde. Das Kapitell im Haus der Ehrenlegion (vgl. Formigé, i960, S. 19) und weitere unveröffentlichte Fragmente des „dépot lapidaire", die nach Grodecki (1959, S. 276, n. 3) „comme la statue de N e w York, marquent une évolution vers des formes plus chartraines", waren mir nicht zugänglich. Crosby (1944) fand in der Grabungskampagne von 1946/47 die Mauerzüge dieser bald wieder abgebrochenen Bauphase, die er (S. 120) nach 1 1 5 1 und, der Pfeilerdisposition nach, „eher gegen 1 1 7 0 als gegen 1 1 5 0 " datieren möchte. Die Grundrissbildung der Plinthen entspricht der der starken Pfeiler der Kathedrale von Sens (Chorweihe 1168). Crosby, 1953, S. 55 datiert das Apostelrelief zwischen 1 1 4 0 und 1 1 5 0 . Sauerländer, 1962.
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
Fabelwesen und Tieren reich belebte Kapitellzone. Ohne Vorbild in der älteren Portalkonzeption ist aber die Szenenverteilung der oberen Teile403. Die unteren Felder der Archivolten sind der Erzählung des Türsturzes zugeordnet. Links beginnend mit Verkündigung und Heimsuchung auf je zwei Archivoltenfeldern folgten im Türsturz: „Geburt", „der Engel erscheint den drei Königen", „Herodes und zwei Schriftgelehrte". Die zerstörte, ehemals vorgesetzte Mittelfigur dürfte (an der Kirche Notre-Dame) Maria mit dem Kind gewesen sein, an die redits die Anbetung der Könige und ihr Anritt zu Pferde anschlössen404; die Archivoltenszenen der rechten Seite sind nicht zu entziffern. Die Innenraumszenen des Türsturzes waren von Baldachinreihen überfangen. Das muldenförmige, von Wellenlinien umzogene Tympanon zeigte die „Majestas" mit einer ausserordentlich schlanken, die spitz ausgezogene Mandorla in der Vertikalen sprengenden Christusfigur. Über den Evangelistensymbolen stand zu Seiten Christi je eine aufrechte Figur, von denen sich die linke als Seraph zu erkennen gibt405. Die innerste Archivolte war von ganzfigurigen Engeln mit ausgebreiteten Flügeln besetzt. Die übrigen Archivolten zeigten teils Einzelfiguren, teils mehrfigurige Szenen, die im einzelnen nicht lesbar sind40'. Die Entsprechung dieses Portals mit dem Westportal von St. Bénigne (Fig. 16, 17) ist in Aufbau und Ikonographie ausserordentlich gross. Die Szenenfolge des Türsturzes, die die untersten Archivoltenfelder miteinschliesst, stimmt — in umgekehrter Abfolge — mit der Anordnung von Dijon überein. Einzig die „Verkündigung an die Hirten" fehlt in Notre-Dame-en-Vaux, und die übrigen Szenen sind im Vergleich zu St. Bénigne etwas gedrängt. Die Baldachinreihen der Innenraumszenen, das freudig erstaunte Sich-Zurückwerfen Mariens in der Heimsuchung oder die Komposition der Geburt Christi hier wie dort bestätigen, dass die Gemeinsamkeiten bis in die Ausgestaltung der Einzelszenen reichten. Die szenische Verbindung des Türsturzreliefs der Anbetung mit der vollplastisch vorgesetzten Figur Mariens mit dem Kind findet sich als sonst unbekanntes Arrangement nur an diesen beiden Portalen. Auffällig ist beidemal die Erweiterung des Tympanonprogramms um die Gestalten der Seraphim. Die Anordnung der Evangelistensymbole ist hier wie dort gleich; die Tiere sind von der Mandorla abgewandt und drehen in stürmischer Bewegung ihre Köpfe auf die Gestalt Christi zurück. 405
404
405
406
Z u r Identifizierung der Szenen, v g l . Vöge, 1 8 9 4 , S. 3 3 5 f . ; Hubert (der V ö g e nicht kannte), 1 9 5 3 , S. 1 3 4 ; sowie Lapeyre, 1960, S. 1 2 8 ff. A n O r t und Stelle sind die Szenen kaum zu erkennen; leichter gelingt die Identifikation nadi photographischen A u f n a h m e n . S o V ö g e , während L a p e y r e in der rediten Türsturzhälfte: Heimsuchung, Verkündigung und Anbetung sieht. Weder V ö g e noch Hubert erwähnen dieses Figurenpaar. L a p e y r e ( i 9 6 0 , S. 1 2 6 f.) glaubt in der Figur links eine Figur mit Flügelspuren zu erkennen, redits ist er nicht sicher, ob neben dem A d l e r noch eine weitere Figur stand. L a p e y r e ( 1 9 6 0 , S . 1 3 0 , A n m . 1 ) vermutet in den beschädigten Archivoltenszenen „Bethlehemitischen K i n d e r m o r d " und „ Ä l t e s t e " , also gleiche Programmteile w i e am Westportal von St. Bénigne.
132
Die Portalplastik von St. Bénigne zu D i j o n
Wenngleich der Portalaufbau von St. Benigne durch die burgundische Breitgelagertheit, durch die Halbkreisführung der Archivolten und die starre, relieffeldartige Einbindung der Figuren ins Gewände von Notre-Dame-en-Vaux abweicht, gibt sich doch selbst in unfigürlich gestalteten Partien der Portale, wie in den Gewändekapitellen, den Tierkonsolen und der äussersten Archivolte in ihrer verspielten Verquickung von Ranken und Fabelwesen407, engste Verwandtschaft zu erkennen. 407
Z u vergleichen mit den Archivoltenstücken aus Châlons-sur-Marne, die heute im L o u v r e (Cat. Louvre, 1 9 5 0 , N r . 9 0 — 9 6 ) aufbewahrt werden. Die rechte H ä l f t e der Dijoner Aussenarchivolte mit der Akanthusranke scheint indes burgundischen Bildungen (Langres, Dijon — St. Philibert) v e r w a n d t .
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
Fig. 1 7
133
D I J O N , St. Benigne, das Westportal nach D o m Plancher ( 1 7 3 9 ) .
Dass künstlerische Beziehungen zwischen Dijon und Châlons-sur-Marne tatsächlich bestanden, lässt sich an zwei Fragmenten des Musée Archéologique von Dijon (Nr. 1 1 5 9 / 1 1 6 0 , Abb. 1 1 7 , 1 1 9 ) anschaulich nachweisen. Ihre Herkunft ist unbekannt408, doch hängen sie weder mit der Portalplastik von St. Philibert, noch mit der von Notre-Dame409 in Dijon zusammen. Der Vergleich mit den Kapitellzonen des Südportals (Abb. 1 1 j ) und mehr noch des Westportals (Abb. 1 1 6 ) von Notre-Dame-en-Vaux in Châlons-sur-Marne zeigt 408
N a d i Auskunft der Konservatorin des Musée Ardiéol. v o n Dijon, Simone Deyts, v o m 30. A u g . 1 9 6 6 : „il est fort probable qu'ils sont de provenance locale." Terret, 1 9 1 4 , S . 1 1 9 brachte sie irrtümlich in Zusammenhang mit der Rotunde von St. Benigne.
409
V g l . Oursei, 1 9 4 1 , S . 1 2 f.
134
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
Übereinstimmungen, die bis in die Detailbildungen des Rankenwerks, der Gefiederbehandlung der Vögel und des Ausdrucks der Löwenköpfe mit den sich sträubenden Haarzotteln (im Gegensatz zu den ornamental gelegten Haarkringeln „burgundischer" Plastik) und den weit aufgerissenen, vorquellenden Augen reichen. Alle Motive sind gleichzeitig von höchster Intensität an Bewegung und an gegenseitiger Durchdringung und von delikatester Oberflächenbehandlung. Dieser Stil ist es, der auch am Majestastympanon (Abb. 1 1 3 , 1 1 4 ) für die unburgundischen Züge verantwortlich ist. Man vergleiche an den Löwen aus der Kapitellzone am rechten Gewände des Südportals von Notre-Dame-en-Vaux (Abb. i i j ) und des Dijoner Majestastympanons, wie die Sehnen und Muskelbündel an den Gelenken kraftvoll hervormodelliert sind410. Für das Abendmahlstympanon und die beiden Köpfe vom Westportal ist die Nähe zur Stilstufe von Châlons-sur-Marne mangels Vergleichmaterials schwer anschaulich darzulegen; dass aber der altertümliche, stilisierte Augenschnitt des Petrus nicht auf die 40-er Jahre weist, bezeugt der Löwenkopf des Fragmentes Nr. 1160 im Musée Archéologique in Dijon (Abb. 1 1 7 ) . Andere Köpfe aus dem künstlerischen Umkreis von St. Denis bestätigen dies, wie die menschliche Büste an einem Blendarkadenkapitell in der ersten südlichen Umgangskapelle von St. Germain des Prés (1150-er Jahre), die selbst über die Augenbildung hinaus in ihrem kreatürlichen Ausdrudk den Aposteln des Abendmahltympanons nahesteht (Abb. 120). Weiter ist hier zu nennen der Christuskopf auf einem im Louvre aufbewahrten Archivoltenfragment der Porte Ste. Anne (?, Cat. Louvre, 1950, Nr. 76) — bald nach 1163 4 1 1 —, der oberhalb des Schnurrbartes verwandtschaftliche Züge mit den Dijoner Abendmahlsaposteln aufweist. Noch im Ausdruck einiger Köpfe der Kapitellplastik 412 und in der Gewandbehandlung einiger Säulenfiguren413 des Kreuzgangszyklus von
Man unternehme den Gegenvergleidi mit den Löwenbildungen von Autun (Zarnecki, 1965, Abb. 29), Charlieu oder selbst von Chartres-West (Majestas des Mittelportals). 4 1 1 Vgl. Sauerländer, 1958 a, S. 130 f. 4 1 2 Vgl. Cat. Louvre, 1950, N r . 89, mit Abb. 113 Vgl. die Figur der Abegg-Stiftung, Bern. Auffallend ist im Vergleich mit den Aposteln des Abendmahltympanons von Dijon die breite, ornamentierte Bordüre am Halsausschnitt, das eng anliegende Gewand über der Brust und die radial auf die Hüfte zu geführten Falten über Oberarm und Schulter. Midiael Stettier überliess mir freundlicherweise Photographien dieser Figur, die durch Léon Pressouyre in den „Monographien der Abegg-Stiftung Bern" veröffentlicht werden soll. Durch den Nachweis, dass der Kopf „coiffé d'un bonnet côtelé" im Louvre (Cat. Louvre, 1950, N r . 66) nicht aus St. Denis, sondern aus Notre-Dame-en-Vaux in Châlons-sur-Marne stammt, hat Pressouyre (1967) ein weiteres wichtiges Belegstück für die Zusammenhänge von St. Bénigne und Notre-Dame-en-Vaux geliefert. Wie man seit langem erkannte, herrscht zwischen dem Bénignekopf und dem Louvrekopf in den physiognomischen Details: der Bartgestaltung, der Zeichnung des Auges und dem Typus der Kopfbedeckung offensichtlich Obereinstimmung. Allerdings treten in der grossen Auffassung auch Unterschiede zutage. Der Louvrekopf ist durchgängig belebter; seine kugelige Form und seine energischere Oberflächenzeichnung geben ihm den Ausdruck einer wachen Aktivität, die dem Bénignekopf fehlt. 410
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
135
Notre-Dame-en-Vaux 414 ist ein Reflex der Stilstufe des Bénignekopfes beziehungsweise des Abendmahltympanons zu erkennen. Sauerländer hat die Baugeschichte von Notre-Dame-en-Vaux und ihre Datierung überzeugend festgelegt. Die hier interessierenden Partien der Westfassade und der niederen Langhausteile sind nach dem Einsturz von 1 1 5 7 in Angriff genommen worden. Während der folgenden Jahre scheint auch die Portalplastik in Arbeit gewesen zu sein. In ihrem zeitlichen und stilistischen Umkreis ist das Skulpturenensemble von St. Benigne zu Dijon anzusetzen. Die Erkenntnis, dass zwischen der von Quarre vorgeschlagenen Abhängigkeit der Dijoner Portalplastik von den Kreuzgangsfiguren aus St. Denis und dem hier vorgenommenen Vergleich mit Notre-Dame-en-Vaux kein Widerspruch besteht, verdanken wir ebenfalls Sauerländer, der einen grossen Teil der plastischen Motive von NotreDame-en-Vaux auf die Kreuzgangsskulpturen von St. Denis und die Bauzier des Chorneubaus von St. Germain des Prés zurückführen konnte. Besonders in der Kapitellornamentik lässt sich der Stil von St. Denis-West bei zunehmender Verfestigung der Einzelform und Verfeinerung der Oberflächenbehandlung in vielen Beispielen verfolgen. So gehören in diese Gruppe einige Kapitelle der Sockelarkatur des Chorumgangs der Kathedrale von Sens, Kapitelle im Chorneubau und am Westportal von St. Germain des Prés, Kapitelle des Gewändes am Westportal von St. Loup-de-Naud sowie die genannten Stücke in Dijon und Châlons-sur-Marne, wobei für die östliche Gruppe möglicherweise die Reimser Kathedralerweiterung des Bischofs Samson als „missing link" zu gelten hat415; in der Nachfolge von Dijon stehen dann die westlichsten Kapitelle von TilChâtel (Abb. 118) 416 und möglicherweise einige Stücke der Kathedrale von Genf 417 . Ein einziges Vorbild, wie man es früher in Chartres zu kennen meinte, lässt sich für die Portalplastik von Dijon nicht nennen. Alle hier herangezogenen Vergleichsbeispiele gehören aber einer Gruppe an, deren Zentrum und Ausgang hypothetisch in St. Denis angenommen wird. Nach dem Auftreten von Stilelementen dieser Gruppe ist das Portal zu datieren; nicht nach seinen „burgun414
Sauerländer ( 1 9 6 2 , S. 1 1 8 und 1966, S. 1 7 ) datiert den Kreuzgangszyklus Pressouyre ( 1 9 6 4 ) neigt zu einer etwas früheren Datierung.
415
V g l . Reinhardt, 1 9 6 3 , S. 59/60. Literatur zu T i l - C h â t e l : Frankl, 1 9 2 6 , S. 2 3 6 ; Tillet, C A 1 9 2 8 , S. 465 ff.; Bayle-Masson, 1 9 5 3 , S. 1 9 9 t.; Branner, i960, S . 2 7 , A n m . 2 9 ; Jalabert, 1 9 6 5 , S. 63. Ausser den mit Dijon zusammenhängenden Studien ist der Bestand der Bauplastik sehr unzuverlässig. D a s S ü d portal ist sicher später als das Majestastympanon v o n St. Bénigne gearbeitet, das Langhaus mithin noch nach 1 1 6 0 in Bau. D a s Westportal erst gegen Jahrhundertwende. V g l . zuletzt Maurer, 1 9 5 2 , S. 1 8 9 und A b b . 2 7 ff. Kerber ( 1 9 6 6 , S. 4 1 ) streitet Zusammenhänge zwischen Dijon und Genf ab. Doch hat schon Reinhardt, 1 9 4 7 , S . 6 5 , die Zusammenhänge (wenn auch nicht ihre A b f o l g e ) richtig erkannt: „ I n ihrer Eleganz (sind die Genfer R a n k e n dekorationen) deutlich Skulpturen dieser gleichen Zeit in Reims und Châlons-sur-Marne verwandt. D a Beziehungen zur Champagne bisher nicht nachgewiesen sind, möchte man glauben, dass ein gemeinsames burgundisdies V o r b i l d anzunehmen sei."
418
417
gegen
1180.
Die Portalplastik von St. Benigne zu Dijon
I36 dischen"
Reminiszenzen,
die f a s t n u r den architektonischen
Aufbau
und
das
V e r h ä l t n i s der P l a s t i k z u m R e l i e f f e l d bestimmen. M a s s g e b e n d sind die E l e m e n t e der S t i l s t u f e v o n C h â l o n s - s u r - M a r n e ,
die der F i g u r ihre v o l l e
Körperlichkeit
u n d ihre lebendige Oberflächengestaltung schenkten. W i e die W i r k u n g s v e r h ä l t n i s s e im einzelnen liegen, ob D i j o n zeitlich v o r a n ging oder o b ein T e i l der Steinmetzen v o n C h â l o n s dorthin übersiedelte
(was
mich das Wahrscheinlichere d ü n k t ) , soll hier nicht w e i t e r untersucht
werden.
G e n u g , w e n n es gelungen ist, die P o r t a l p l a s t i k in dieselben J a h r e zu
rücken,
in denen aller stilistischen E v i d e n z nach auch ihre architektonische
Umgebung
entstanden w a r : gegen 1 1 5 5 / 6 0 .
Übersicht der Meinungen zur Datierung der Plastik von St. Bénigne zu Dijon Vöge, 1894, S. 95—100: Kreuzgangstympana und Westportal etwa gleichzeitig. Majestastympanon: „Abkömmling der älteren burgundisdien Manier." Westportal und Abendmahl zeigen den „Stil der Chartreser Schule". Tympana vor 1 1 4 J , Westportal spätestens 1 1 4 7 vollendet. Chomton, 1910, S. 22: Westportal: nach 1 1 3 7 , und „sans précision possible, de la seconde moitié du douzième siècle". Terret, 1914, S. 124/125: Abendmahlstympanon unter Abt Pierre de Genève ( 1 1 2 9 — 1 1 4 1 ) , das fortschrittlichere und reifere Majestastympanon unter Abt Pierre de Beaune ( 1 1 4 1 — 1 1 4 5 ) . Deschamps, 1922: Beide Tympana um 1 1 5 0 , möglicherweise Werke eines Meisters mit Namen „Petrus Divionensis". Abendmahlstympanon wohl Jugendwerk, später das reifere Majestastympanon und das Südportal von Til-Chätel. Oursei, 1923: lehnt Künstleridentität für Abendmahls- und Majestastympanon ab. Beide, in der Grundsubstanz vor 1 1 3 7 , habe man zwischen 1 1 3 7 und 1 1 4 7 mit den Horizontalinschriften versehen und das Majestastympanon überarbeitet. Lücken, 1923, S. 1 2 1 f.: Abendmahlstympanon sei mit dem Türsturz des Mittelportals von Chartres-West zu vergleichen; die Horizontalinschrift spreche aber erst Abt Pierre de Grancey (1188—1204) an, unter dem Majestastympanon (das Lücken als ausdruckslosen Abkömmling der „burgundischen Schule" anspricht) und Westportal entstanden seien. Kingsley-Porter, 1923, Bd. I, S. 1 1 6 f . : datiert beide Tympana nadi der Inschrift zwischen 1 1 3 7 und 1 1 4 5 . Chartresisdier Einfluss im Abendmahlstympanon. Das Westportal datiert er (S. 1 3 1 ) gegen 1 1 7 0 . Aubert, 1928, S. 25 ff.: datiert das Westportal nadi den architektonischen Formen der Narthexfragmente um 1 1 5 0 . Aubert, 1929, S. 62/63 : Westportal kaum vor dem dritten Viertel des 12. Jahrhunderts. Oursei, 1930, S. 189: hält die Datierung „vor 1 1 4 7 " weiter aufrecht. Schürenberg, 1937, S. 16: Westportal nicht vor 1150/60 (wegen des Einflusses aus Chartres), aber auch nicht bedeutend später als 1 1 5 0 , wegen der fortschrittlicheren Bildungen in Avallon und St. Loup-de-Naud. Abendmahlstympanon aus der gleichen Zeit. Die Horizontalinschriften aber und das Majestastympanon (als Überarbeitung eines Stückes von 1140/50?) gehören der Zeit um 1180/90 an. Masson-Baylé, 1947, S. 1 1 9 : Die beiden Tympana zwischen 1 1 3 7 — 1 1 4 2 , das Westportal zwischen 1 1 5 0 — 1 1 6 0 entstanden. Cat. Louvre, 19so, N r . 24 passim: datiert das Westportal um 1140, vor Chartres (Beaulieu). Giesau, 1950, S. 1 2 3 : Westportal und Tympana zwischen 1137/45. Selbständige Lösung neben St. Denis und Chartres. Gosebruch, 1951: datiert das Westportal lieber „um 1 1 6 0 " als auf 1 1 7 0 . Als Vergleichsbeispiele kommen nur Denkmäler aus der Zeit von 1150—60 in Frage. Quarre, 19$7: Majestastympanon gibt in fader Ausführung ein traditionell-cluniazensisches Thema wieder. Abendmahlstympanon und Westportal seien von den Kreuzgangsfiguren in
Die Portalplastik von St. Bénigne zu Dijon
137
St. Denis beeinflusst. Die Kreuzgangstympana zwischen 1 1 3 7 und 1145, die Inschriften wohl 1147, und das Westportal möglicherweise wenig nadi 1147. Beaulieu, 79/7, S. 295: nimmt Schürenbergs These wieder auf und postuliert (gegen Quarre): Abendmahlstympanon unter Pierre de Genève (vor 1142), Majestastympanon aber und beider Inschriften unter Pierre de Grancey. Cat. Louvre, 1957158, Nr. 39: datiert das Majestastympanon ins letzte Viertel des 12. Jahrhunderts (Beaulieu). Sauerländer, i9j8, S. 38: Bénignekopf und Abendmahlstympanon vor 1147: Majestastympanon wohl gleichzeitig (Inschrift), keinesfalls erst vom Ende des Jahrhunderts. Grodecki, 1959, S. 281: wendet sich dagegen, dass das Abendmahlstympanon als rückständig angesehen wird. Lapeyre, i960, S. 101—108: sieht im Westportal und den beiden Tympana vorzüglich chartresische Einflüsse, die sich gegen die burgundische Tradition bald mehr (Westportal, Abendmahlstympanon), bald weniger (Majestastympanon) durchsetzen. Westportal „sculpté vers le même temps que ceux d'Angers et du Mans" (zwischen I I J O und 1158). Katzenellenbogen, i960, S. 109: „contemporary with the portal of le M a n s . . . " (ca. 1155—60). Sauerländer, 1961, S. 120: „ . . . the portai of St. Bénigne at Dijon dated by Quarré about 1147 but probably executed some ten or fifteen years l a t e r . . . " (in der deutschen Fassung, 1962, ist dieser Passus gestrichen). Cat. Louvre, 1962, Nr. 5: (Beaulieu-Baron) : „les sculpteurs appelés par l'abbé Pierre de Genève pour décorer la façade avaient dû travailler à St. Denis sous la direction de Suger (P. Quarré); la comparaison avec la tête du Louvre (Nr. 66) confirme cette hypothèse. Par ailleurs le portail de Dijon contemporain de ceux d'Angers et du Mans a subi probablement l'influence des ensembles de type chartrain (A. Lapayre)." Kerber, 1966, datiert die Plastik in Anm. IJI nach den Inschriften in die Abtzeit des Pierre de Beaune (1142—1145); S. 41 ff. aber: „die Datierung um 1147 ist . . . beizubehalten." Majestastympanon in der heimischen Tradition „etwa Vézelays", möglicherweise schon um 1142. Das übrige eine Synthese einer älteren burgundischen Richtung mit dem Typus des Figurenportals von St. Denis-West. Sauerländer, 1966, S. 15: „Nur noch geringer Zusammenhang mit der lokalen, von Cluny III ausgehenden Überlieferung..., deutlicher die Rezeption der neuen Kunst der Ile de France — St. Denis/Chartres West." Sauerländer vertritt keine eigene Datierung: „nach Ansicht der neuesten Forschung noch vor 1147 entstanden . .
Exkurs 2 Materialien zum Baubestand von Clairvaux II 1 1 5 3 wurde Bruder Laurentius von Clairvaux nach Sizilien ausgeschickt. Auf seiner Anreise erfuhr er in Rom, dass König Roger, der ihn angefordert hatte, gestorben sei418. Zum Andenken an seinen Vater schenkte ihm Wilhelm I. von Sizilien „ad aedificationem Novae basilicae Clarevallensis non modicum auri summam"419. Dass Bernhard selbst den Chorneubau gutgeheissen habe, wird seiner ganzen Geisteshaltung nach für unwahrscheinlich gehalten, ist aber von den Quellen her nicht auszuschliessen. So vermerkt Boullenger420 zweimal, die neue Abteikirche sei ein Jahr vor dem Tode Bernhards begonnen worden. Auch die Schenkung König Wilhelms von Sizilien im Jahre 1 1 5 4 „ad aedificationem novae basilicae" setzte den Entschluss zu einem Neubau bereits voraus. Meines Wissens ist Schmoll der einzige, der in seinem Essay zur Zisterzienser-Romanik (1958) überhaupt dem Gedanken Raum gibt, der Chorneubau von Clairvaux II sei möglicherweise noch zu Lebzeiten Bernhards projektiert worden. Im 17. Jahrhundert hielt man es jedenfalls keineswegs für eine Blasphemie, das Modell von Clairvaux II Bernhard in die Hand zu setzen (Abb. 96). Ein zweites Problem ist die Rekonstruktion von Clairvaux I. Heute gilt als begründete Lehrmeinung, dass Dom Milleys Kirchengrundriss (Abb. 98) in Querund Langhaus die Anlage von Clairvaux I wiedergebe; die Baukampagne von Clairvaux II habe demzufolge nicht einen Neubau erstellt, sondern teils einen Umbau (Chorneubau), teils überhaupt nur die Fertigstellung des noch unvollendeten Langhauses geliefert421. Zur Bauzeit von Clairvaux I sind uns nur vage Grenzen bekannt. Irrigerweise nahm sie die neuere Literatur oft als absolute Anfangs- und Schlussdaten. Nach 1135/36 wurde die Abtei einige hundert Meter talabwärts an ihren
418 418 420 421
Migne, P L 18 j , col. 1 2 4 7 . Dass. col. 1 3 4 1 . Boullenger, Histoire des abbés de C l a i r v a u x , Ms. 2 9 1 9 der Bibl. Munic. zu Troyes. A l s Begründung hierfür nimmt man eine Altarweihe des Jahres 1 1 5 8 (Boullenger, pièce 96, suppt. 4), die von D u h e m ( 1 9 3 4 , S. 1 1 ) und ihm folgend v o n A u b e r t ( 1 9 4 7 , B d . I, S. 1 8 3 ) und H a h n ( 1 9 5 7 , S. 1 1 9 ) mit der Fertigstellung des Langhauses in Zusammenhang gebradit w u r d e ; im Manuskript Boullengers ist weder der Standort des 1 1 5 8 geweihten A l t a r s genannt, noch irgend ein Zusammenhang mit dem Bauverlauf gegeben.
Materialien zum Baubestand von Claivaux II
139
heutigen Standort verlegt 4 ". Vor 1145 fand eine Weihe von Clairvaux I statt. Sie ist überliefert in den „fragmenta Gaufridi", die gegen 1145 abgeschlossen wurden. Nach dem Datum ihrer Redaktion bestimmt sich der „terminus ante quem" der Weihe423. Die verhältnismässig kurze Bauzeit lässt vermuten, dass gegen 1145 keine vollendete Kirche, sondern vorerst die Chorpartie und möglicherweise Teile des Querhauses geweiht werden konnten. Zur architektonischen Erscheinung von Clairvaux I lassen sich nur Hypothesen aufstellen. Die neuere Forschung zum „bernhardinischen Plan" vertritt die Ansicht, dass Clairvaux I als Prototyp dieses Schemas zu gelten habe424. Dies ist eine bestechende These, die mit unseren Vorstellungen von Bernhards Spiritualität gut übereinstimmt und im „stemma" der zisterziensischen Kirchenbauten (in der Filiation von Clairvaux) einen theoretisch zu fordernden Ausgangspunkt setzt. Da Dom Milleys Grundriss von Clairvaux II (abgesehen von der Choranlage) mit dem bernhardinischen Plan charakteristische Gemeinsamkeiten aufweist, meinte man, die Kampagne Clairvaux II habe lediglich die Chorerneuerung, allenfalls noch die Einwölbung von Langhaus und Querschiff betroffen. In Wahrheit ist aber ganz ungewiss, ob Clairvaux I überhaupt jemals über die Ostteile hinaus weitergeführt worden war; offen ist auch, ob und wieweit es anlässlich der Baukampagne von Clairvaux II abgerissen wurde. Welchen materiellen Umfang besass die Baukampagne von Clairvaux II über die Chorerneuerung hinaus? Auf diese Fragen werfen der neuhinzugezogene Plan des Gilbert und das Kirchenmodell des Bernhardbildes von Ville-sous-la-Ferté neues Licht. Dom Milley (Abb. 98) gibt in undeutlicher und keineswegs gleichbleibender Zeichnung längsrechteckige Massive als Mittelschiffsstützen; eine bestimmte Stützenform aus diesen amorphen Gebilden herauszulesen, ist unmöglich; Hahns Lesart: „Rechteckmassiv mit Halbrundvorlagen unter den Arkaden" ist hypothetisch425. Duhem4211 und ihm folgend die neuere Literatur meinen, eine so schwere Stützenform könne nur für Tonnenwölbung angelegt worden sein; die Mittelschiffspfeiler des 1 1 7 4 geweihten Baus seien mithin die von Clairvaux I gewesen. Einzig die Aufstockung des Mittelschiffs durch Lichtgaden und Kreuzrippenwölbung sei der Baukampagne von Clairvaux II, 1 1 5 3 ff. zuzuschreiben. Demgegenüber scheint mir nicht ausgeschlossen, dass das Langhaus von Clair422
423
424 425 421
„Bernardi vita prima" lib. 2, verfasst von Abt Ernaud zwischen 1 1 J 3 und 1 1 5 6 (vgl. Bredero, 1960, S. 3 und 109 ff.); abgedruckt bei Migne, P L 185, col. 284/285. Von der Diskussion zwischen Bernhard und den Brüdern über die Verlegung der Abtei wird im Anschluss an Bernhards Rückkehr aus Italien berichtet. Nach ihr bestimmt sich die Datierung. Eine brauchbare Edition der „Fragmenta Gaufridi" gibt Lechat, 1 9 3 2 (die Weihenachricht dort, S. 108/9). Zur Autorschaft und Datierung der Fragmenta vgl. Hüffer, 1886, S. 27—69 und Bredero, i960, S. 7 und 76. Esser, 1 9 5 3 ; Bucher, 1 9 5 7 ; Hahn, 1 9 5 7 ; Dimier, i960. Hahn, 1 9 J 7 , S. 1 2 1 . Duhem, 1934, S. 12.
140
Materialien zum Baubestand von Claivaux II
vaux II ein völliger Neubau der 1160-er und der frühen 70-er Jahre (Weihe 1 1 7 4 ) war, der höchstens die Aussenwände von Clairvaux I (sofern solche überhaupt existierten) wiederverwenden konnte. Dies aus den folgenden Gründen: nach dem Plan Gilberts von 1808 (Abb. 99) waren alle Teile des Langhauses kreuzgewölbt, wogegen Clairvaux I, der Prototyp von Fontenay und Bonmont, über den Seitenschiffen Quertonnen erwarten Hesse. Zum andern gibt Gilberts Plan im Langhaus die gleichen schematischen Kreuzpfeiler wie im Chorjoch; auch seine Pfeilerform ist summarisch und ohne die wünschenswerte Aussagekraft zur ehemaligen Vorlagendisposition; indes ist bei ihm — im Unterschied zu Dom Milley — das Bestreben ersichtlich, den Pfeiler in seinem funktionalen Zusammenhang mit Gurtbögen und Wölbung wiederzugeben. Dom Milleys Plan hingegen gibt den Pfeiler ohne diesen funktionalen Kontext lediglich als Horizontalschnitt auf redit niederem Niveau (Dom Milley zeichnet keine Fenster ein; offensichtlich nahm er seine Masze in Mannshöhe). Sofern man aber annimmt, dass Dom Milleys Plan einen Horizontalschnitt durch die Kirche in einer Höhe von weniger als zwei Metern gibt, verliert seine Zeichnung der Mittelschiffspfeiler alle Aussagekraft für die Vorlagen- und Wölbungsdisposition, — wissen wir doch, dass in Zisterzienserkirchen eine reiche Vorlagengliederung oft erst über der typischen Abkragung ansetzt. Die Wiedergabe der Mittelschiffspfeiler bei Dom Milley verfährt etwa so, wie wenn man einen Horizontalschnitt durch die Abteikirche von Acey in Höhe von 1 m vornehmen würde, ohne die Entwicklung des Vorlagensystems über der Abkragung zu berücksichtigen427. Aus einem Plan mit einem Umbauprojekt der Vorhalle der Abteikirche von Clairvaux (Abb. 100) von ca. 1720428 wird die These bekräftigt, dass die Langhausvorlagen keineswegs Rechteckmassive waren (welche an Vorlagenreichtum selbst Fontenay und Pontigny unterlegen gewesen wären), sondern eine reiche Abtreppung kannten. Ob die Seitenschiffe grat- oder rippengewölbt waren, ob die in den Plänen Dom Milleys und Gilberts übereinstimmenden, abgetreppten Seitenschiffsvorlagen zu der Baukampagne von Clairvaux I oder Clairvaux II gehörten, kann aus dem vorliegenden Material nicht entschieden werden. Dass das Mittelschiff rippengewölbt war, ist wahrscheinlich, berichtet doch Boullenger429: „l'église de Clairvaux est d'une architecture tirant sur le Gothique; le grandeur et l'élévation du vaisseau en fait le principal ornement." Entsprechend dem Langhaus wurde im Verlauf der Baukampagne von Clairvaux II auch das Querhaus modernisiert. Ob Hahn recht hat, dass damals eine Spitztonne des Querhauses von Clairvaux I habe abgerissen werden müssen430, bleibe dahingestellt; in jedem Fall sind die " 7 Ähnlich täuschend wie der Plan des Dom Milley ist ein Plan des 18. Jahrhunderts zur Abteikirche von Zwettl, vgl. Buberl, 1940, Abb. 40 und S. 10. 428 A D Aube, 3 H 338. 429 Boullenger, „Histoire des abbés de Clairvaux", Bibl. Munie. Troyes, Ms. 2919, S. 2. 490 Hahn, 1 9 J 7 , S. 120.
Materialien zum Baubestand von C l a i v a u x I I
141
oberen Teile, wie sie auf dem Kirdienmodell von Ville-sous-la-Ferté (Abb. 96) wiedergegeben sind, Clairvaux II und nicht einer Bauphase vor 1 1 5 3 zugehörig. Die Modifikationen scheinen auch hier die niederen Teile ergriffen zu haben, da Gilbert die Querhauskapellen als kreuzgewölbt einzeichnet. Ihrer Grundrissdisposition nach könnten gerade die Querhauskapellen, zumindest ihre Ostreihe, auf den um 1 1 3 5 begonnenen Bau zurückgehen. Doch weichen die Pläne des Dom Milley und des Gilbert in der Wiedergabe dieser Kapellen so stark voneinander ab, dass man jede Entscheidung über den Bestand des Querhauses um 1 1 5 3 und zur Weihe von x 174 offenlassen muss431. Schon oben wurde eine Quelle genannt, die den gegen 1 1 5 3 begonnenen Bau als Neubau deklarierte. Eine weitere Nachricht des „Über sepulcrorum" bestätigt diese432: „quae videlicet ossa propter aedificationem oratorii, quod nunc est, fuerunt de prioribus suis tumulis hue translata. Ante enim aedificationem primi (des erstgenannten) oratorii unum in hoc loco fuerat prius fabricatum, in quo tantum erant novem altaria." Von zwei verschiedenen Bauten (oratorii) würde man kaum sprechen, wenn die neue Baukampagne lediglich den Chorneubau und die Vollendung des Langhauses in moderneren Formen betroffen hätte. Die von Duhem433 vorgetragene und seither stets wiederholte Ansicht, „ 1 1 j 3/4 ss. il ne se pouvait s'agir alors, que de l'achèvement de l'église par la reconstruction du choeur" ist daher in Zweifel zu ziehen. Wieweit allerdings der erste Bau bis zum Jahre 1x53/54 gediehen war und wieweit er in neueren Formen vollendet werden konnte beziehungsweise abgerissen werden musste, wird man wohl nie mit letzter Sicherheit rekonstruieren können.
431
Gilbert zeichnet das Querhaus als dreischiffige Anlage. D o m Milley hingegen als Hochschiff mit seitlichen Kapellenreihen, die jeweils durch Trennmauern abgesondert seien. W i e es zu dieser unterschiedlichen A n g a b e kommt, ist mir unklar, zumal die Rechnungsbücher des 1 8 . Jahrhunderts v o n einem Ausbrechen der Trennwände nichts wissen. Möglicherweise waren diese nicht massiv gebildet, sondern aus H o l z oder G e w e b e beschaffen und gingen in der Revolution zugrunde; oder sie bildeten nur niedere Brüstungen (wie dies Aubert, 1 9 4 7 , B d . I, S . 1 8 1 f ü r die Ostwände der westlichen Querhauskapellen annahm), die D o m Milleys niedriger Horizontalschnitt z w a r erfasste, Gilberts auf die Gesamtwirkung zielender Plan aber überging.
432
Migne, P L 1 8 5 , col. 1 5 5 9 / 1 5 6 0 ; v o n Aubert, 1 9 4 7 , I, S . 1 8 2 w u r d e diese Quelle im schluss an V a c a n d a r d wohl zu Recht auf C l a i r v a u x I I bezogen.
433
Duhem, 1 9 3 4 , S . 1 1 .
An-
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis Die kursiven Seitenzahlen weisen auf die Stellen der vorliegenden Arbeit, an denen das betreffende Werk zitiert ist. AASS Adie I
A c t a Sanctorum (ed. Bollandus), Bd. 1 : Ianuarius, 1643 fi. (1533) J e a n Adie, L a ville de Langres au Moyen-Age, Essai d'histoire monumentale (Thèse p r i n c i p a l e . . . Doctorat ès Lettres). Maschschr., Paris 1948
AD Adhémar, 1939
ADHM AN AP Arch. Mon. Hist. Arnaud, 1837 Aubert, 1920 Aubert, 1928
(i}li6, 3235™,
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