Die Anthropologie Bernhards von Clairvaux 9783110832143, 9783110032338


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German Pages 156 [160] Year 1964

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Table of contents :
I. Philosophische Anthropologie bei Bernhard?
1. Denkender oder Schauender?
2. Der philosophische Gehalt
3. Stellung und Bedeutung der Wissenschaft bei Bernhard
II. Der Sokratismus Bernhards
III. Copula rationis et mortis
1. Cohaerentia rerum discohaerentium
2. Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele?
IV. Die Seele
1. Ad imaginem et similitudinem Dei
2. Partes oder functiones animae?
Schlußwort
Personenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Die Anthropologie Bernhards von Clairvaux
 9783110832143, 9783110032338

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DIE A N T H R O P O L O G I E BERNHARDS VON CLAIRVAUX

Q U E L L E N UND S T U D I E N ZUR GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE HERAUSGEGEBEN VON

PAUL WILPERT

B A N D VII

1964

W A L T E R

DE

G R U Y T E R

&

CO.

/

B E R L I N

V O R M A L S G. J . G Ö S C H E N ' S C H Ε V E R L A G S H A N D L U N G · J . G U T T E N T A G , V E R L A G S BUCHHANDLUNG · GEORG REIMER · KARL J. T R Ü B N E R · V E I T & COMP.

DIE A N T H R O P O L O G I E B E R N H A R D S VON CLAIRVAUX

VON

W I L H E L M HISS

1964

W A L T E R

DE

G R U Y T E R

&

CO.

/

B E R L I N

VORMALS G. J. G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G · J. G U T T E N T A G , VERLAGSBUCHHANDLUNG · GEORG REIMER · K A R L I. T R Ü B N E R · VEIT & COMP.

Archiv Nr. 3496643

© 1964 by Walter de Gruyter & Co., vormals G.J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin 30 Printed in Germany Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Paul Funk, Berlin 30

VORWORT Schillers böses Urteil über Bernhard von Clairvaux ist bekannt (Brief an Goethe vom 10. 3. 1802). Nicht günstiger lautet, was J. Burckhardt über den Abt zu sagen weiß: „Sehr zweifelhaft ist und bleibt die Größe der Hierarchen, eines Gregor VII., St. Bernhard, Innozenz III., vielleicht auch noch späterer . . . Diese Hierarchen brauchen sich sogar nicht einmal als wahre, ganze Menschen zu entwickeln, da jeder Mangel der Person, jede Einseitigkeit und Unvollständigkeit durch die Weihe gedeckt wird" (Weltgeschichtliche Betrachtungen, Hamburg 1948, S. 280). Johannes Haller gesellt sich den Verurteilern Bernhards zu, indem er ihn nicht mehr sein läßt als einen „schöngeistigen Prediger, in dem uns zum erstenmal die gefährliche Macht der bloßen Beredsamkeit entgegentritt" (Das altdeutsche Kaisertum, Leipzig 1944, S. 141). Es wäre zu prüfen, ob die zitierten Historiker den Menschen, Mönch und Politiker Bernhard richtig verstehen und gerecht beurteilen. Hier sei die Frage gestellt, wie Bernhard selbst, dem das wahre, ganze Menschsein abgesprochen, dem Mängel der Person, Einseitigkeit und Unvollständigkeit vorgeworfen werden, über den Menschen gedacht hat. F. Schlegel (Theologia empirica, in Schriften und Fragmente, Stuttgart 1956, S. 256) rühmt, an ihm sei besonders „die Mäßigung und Milde bemerkenswert, mit welcher der ebenso weise als fromme Mann über die menschlichen Angelegenheiten urteilt, wobei sich überall eine ganz klare Kenntnis des Menschen und des Lebens kundgibt". Bernhard verschließt sich den Gegebenheiten und Anforderungen der menschlichen Existenz nicht, wie eine Bemerkung aus der Trauerrede auf seinen Bruder Gerhard zeigt: Ego humanum non nego, sicut nec me hominem (i. c. c. s. 26, 9). Seine Auffassung vom Menschen muß aber eine sehr hohe gewesen sein. Beginnt er doch die Aufzählung der Wunder des hl. Bischofs Malachias mit dem Satz: Et meo quidem judicio primum et maximum miraculum, quod fecit, ipse erat (Vita S. Malach. 19, 43). Die gleiche Wertschätzung des Menschen spricht aus einer Stelle in .Asc. Omni s. 4, 3: Nobiles enim creaturae sumus, et magni cuiusdam animi, ideoque altitudinem naturali appetimus desiderio*. * Das Werk von J. Leclercq, Wissenschaft und Gottverlangen. Zur Mönchstheologie des Mittelalters. Deutsch von Johannes und Nicole Stöber, Düsseldorf 1963, konnte der Verfasser erst nach Fertigstellung des Manuskripts einsehen.

Vorwort

In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, die philosophischen Elemente im Menschenbild des Abtes von Clairvaux herauszuarbeiten. Da heute die Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Philosophie, von Glaubenserkenntnis und natürlichem Wissen wieder neu gestellt ist, soll die Untersuchung zugleich einen Beitrag zur Darstellung dieses Verhältnisses im 12. Jahrhundert liefern. Herrn Professor Dr. Paul Wilpert sei für die Anregung zu dieser Studie und für alle Förderung herzlicher Dank gesagt. Zu großem Dank bin ich auch dem Hochwürdigsten Erzbischöflichen Generalvikariat in Köln und der Philosophischen Fakultät der Universität Köln verpflichtet, die durch die großzügige Gewährung von Zuschüssen die Drucklegung der Arbeit ermöglichten. Düsseldorf-Kaiserswerth, im April 1964 W i l h e l m Hiß

INHALTSVERZEICHNIS I. P h i l o s o p h i s c h e

Anthropologie

bei

Bernhard?

1. Denkender oder Schauender? 2. Der philosophische Gehalt 3. Stellung und Bedeutung der Wissenschaft bei Bernhard II. D e r S o k r a t i s m u s B e r n h a r d s III. C o p u l a r a t i o n i s e t m o r t i s 1. Cohaerentia rerum discohaerentium 2. Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele?

..

1 1 6 25 31 42 42 51

IV. D i e S e e l e 1. Ad imaginem et similitudinem Dei 2. Partes oder functiones animae? a) Vivificare, sensificare, intelligere b) Anima est rationalis, concupiscibilis, irascibilis c) Ratio, voluntas, memoria Die memoria . Die ratio; Bernhards Erkenntnislehre Die voluntas

66 66 89 94 97 111 112 115 132

Schlußwort Personenverzeichnis Sachverzeichnis

138 145 147

I. PHILOSOPHISCHE ANTHROPOLOGIE BEI BERNHARD? Der Versuch, aus den Schriften des hl. Bernhard von Clairvaux eine philosophische Anthropologie herauszuarbeiten und darzustellen, bedarf einer Rechtfertigung. M. Bernards 1 hat auf dem Bernhardkongreß 1953 in Mainz eine Übersicht über den Stand der Bernhardforschung gegeben. Sie läßt erkennen, daß bis zum Bernhardjubiläum eine umfassende Darstellung seiner Anthropologie nicht vorlag. Auch in den seit 1953 verflossenen Jahren ist sie nicht geschrieben worden. Aber darf man überhaupt wagen, in den Schriften des „religiösen Genies des 12. Jahrhunderts" (A. v. Harnack) Stoff für die Darstellung einer philosophischen Anthropologie finden zu wollen? Auch in neueren Studien über den Abt von Clairvaux liest man Urteile, die die Möglichkeit eines solchen Unternehmens auszuschließen scheinen, und zwar, weil Bernhard kein Denkender, sondern ein Schauender 2 gewesen sei und weil es bei ihm keinerlei Berührung mit der Philosophie gebe. 1. D e n k e n d e r

oder

Schauender?

In manchen Darstellungen werden die Schriften Bernhards nur als Ausdruck seines religiösen Empfindens aufgefaßt. Sie seien in die Kategorie der religiösen Erbauungsliteratur einzuordnen. Bernhard habe zu keiner wissenschaftlichen Frage ernsthaft Stellung genommen. Er sei letzten Endes ein Feind der Wissenschaft. „Innerhalb der theologischen Wissenschaft befand sich Bernhard abseits, um nicht zu sagen, er stand ihr feindlich gesinnt gegenüber. Kein Freund philosophischer Denkbemühungen, hat er uns auch kein Werk über eine zentrale dogmatische Frage hinterlassen; grundsätzlich war er ein Verächter des Wissens um des Wissens willen. Seiner religiösen Einstellung widersprach eine verstandes1

M.

BERNARDS,

von Clairvaux, 2

Der Stand der Bernhardforschung, in J . L O R T Z , Mönch und Mystiker, Wiesbaden 1955, S. 3 ff.

Bernhard

Cf. L O R T Z , a. a. O. S. XXXVIII. Vgl. auch W. v. L O E W E N I C H , Von Augustinus zu Luther, Witten (Ruhr) 1959, S. 130 über Bernhard: „Seine theologische Bildung ist nicht zu unterschätzen; aber Bernhard war in erster Linie nicht Gelehrter, nicht Theologe, sondern Künder der Herzensfrömmigkeit, ein Mann der geistlichen Erfahrung und der frommen Meditation". 1

Hiss

1

Philosophische Anthropologie bei Bernhard

mäßige Behandlung theologischer Probleme"3. F. Heer sagt kurz und bündig: „Bernhard ist ein rein emotionaler, Abälard ein rein intellektueller Typ"4. G. Frischmuth spricht Bernhard jegliches wissenschaftliche Denken ab. Man tue gut daran, nicht primär ein gradliniges Weiterschreiten des Gedankens finden zu wollen, denn es sei nicht immer leicht auffindbar5. Bernhards Schriften seien urreligiöse Erzeugnisse und durch die kreisende Bewegung des Geistes bestimmt6. „Von hier aus begreift man auch, daß die Einordnung Bernhards in eine dogmengeschichtliche Entwicklung, wie Harnack sie sieht, gar nicht möglich ist, daß — wenn sie trotzdem versucht wird — eine Verzeichnung nicht ausbleiben kann. Bernhard steht durch seine eigene religiöse Vitalität, die sich noch gar nicht in gedankliche Klärung und Abkühlung begeben kann, vor allem Spekulativ-Reflektierenden, er steht dazu in einer Distanz wie etwa das Geschehen zu seiner Berichterstattung, der Geschichtsschreibung"7. In ähnlicher Weise charakterisiert W. Kahles8 die Predigten des Abtes von Clairvaux: „Die Predigten des heiligen Eiferers von Clairvaux sind oft ein einziges sursum corda, ein riesenhaftes Emporstreben". H. Wolter stimmt in denselben Ton ein, wenn er sagt: „. . . wächst in Fontaine — les — Dijon und Chätillon — sur — Seine Bernhard heran und erwirbt jene literarische Bildung, die später so unzisterziensisch wirkt, aber ein Korpus von Briefen und Traktaten gestalten hilft, das auch im humanistisch so reichen und stolzen 12. Jahrhundert an erster Stelle steht, obwohl es im Grunde immer nur Gelegenheitsschriften sind, gesprochenes oder hastig diktiertes Wort. Das gilt von den Traktaten ebenso wie von seinen Predigten'".

Bernhard von Clairvaux oder das Problem historischer Größe, in J. S P Ö R L , Die Chimäre seines Jahrhunderts, Würzburg o. J., S . 85. 4 F. H E E R , Aufgang Europas, Wien—Zürich 1959, S. 184. • G. F R I S C H M U T H , Die paulinische Konzeption in der Frömmigkeit Bernhards von Clairvaux, Gütersloh 1933, S. 30. 3

JOH. SPÖRL,

• G . FRISCHMUTH, α . α . Ο . S .

30.

7

G . FRISCHMUTH, α . α . Ο . S . 3 0 .

8

W.



2

Radbert und Bernhard, Emsdetten (Westf.) 1938, S. 194. H . W O L T E R , Menschentum und Heiligkeit, in Geist und Leben 26 (1953), 257 u. Anm. 20. Bernhard scheint übrigens der Meinung unserer verschiedenen Autoren beizupflichten, wenn er schreibt: Indoctus quoque (quod et vere me fateor esse) si praesumat docere quod nescit, nihil indoctius agit. Docere itaque nec indocto est in promptu, nec monacho in ausu, nec poenitenti in affectu (Ep. 89, 2). Non sum ego profundi sens us, neque adeo perspicacis ingenii, ut novi quidpiam ex me adinvenire possim (i. c. c. s. 10,1). KAHLES,

Denkender oder Schauender?

Eine solche Beurteilung des auf uns gekommenen Schrifttums Bernhards entspricht aber wohl nicht dem wirklichen Tatbestand. C. H. Talbot10 hat nachgewiesen, daß die Predigten über das Hohelied, wie wir sie heute besitzen, das Ergebnis einer sorgfältigen literarischen Bearbeitung sind11. Er kann sogar wahrscheinlich machen, daß St. Bernhard selbst die Ausgabe seiner Predigten vorbereitet hat. In den serm. de Div. haben wir eine größere Anzahl von Predigtskizzen vorliegen. Ob die in dieser Sammlung enthaltenen Predigten vorgetragen worden sind, wissen wir nicht. Sie haben aber öfter als Vorlagen und Materialsammlungen gedient, was sich leicht zeigen läßt. Denn die kurzen Skizzen sind häufig in die großen Predigten eingearbeitet, besonders in die über das Hohelied12. 10

C . H . TALBOT,

Die Entstehung der Predigten über Cantica Canticorum, in

L O R T Z , α . α . Ο . S . 2 0 2 fE.

11

12

Für eine sorgfältige, wenn nicht schriftliche Vorbereitung der Predigten spricht ζ. B. i. c. c. s. 9, 9: Occurrit et alius sensus, quem quidem non proposueram, sed minime praeteribo. I. c. c. s. 54, 1: Super eodem capitulo, quod hesterno sermone versatum est, dicturus sum alium intellectum quem hodierno servavi; vos autem probate, et eligite potiora. Non est opus superiora repetere, quae excidisse non arbitror in tarn brevd. Si quominus tarnen, scripta sunt ut dicta sunt, et excepta stilo, sicut et sermones ceteri, ut facile recuperetur quod forte exciderit. Auf die Planung der Ansprachen weisen ferner Bemerkungen hin in den ss. in Festo Annuntiat. B.V. 1, 5; in Assumpt. B.M.V. 3, 7; in Festo omn. Sanct. 1, 3: Nam spinitualem cibum, et coquinam, et ignem habere necesse est spiritualem. Superest iam ut distribuam quae paravi. Einige Beispiele für Wiederholungen, Hinweise oder Benutzung früher gehaltener Ansprachen: i. c. c. s.4 — de Div. s. 87 i. c. c.s.8 — de Div. s. 89 i. c. c. s. 23 — de Div. s. 92 i. c. c. s. 23 — i. c. c. s. 49, 3 i. c. c. s. 33 — in Ps. Qui habitat s. 6,7 i. c. c. s. 53 — in Die sanct. Pasch, s. 1,14 de Div. s. 5,4 — s. 27, 6 de Div. s. 29,1 — s. 35, 7 — s. 96, 6 in Transitu s. Malach. s. 1, 5 — s. 2, 5 in Fest. Pentec. s. 2,4 — in Dom. I. Nov. s. 1,4 in Dom. I. Nov. s. 1,1 — s. 5,4 I. c. c. s. 51, 4 verweist Bernhard auf seine Schrift de Dil. Deo; i.c.c.s. 82,11 auf de Grat, et Lib. Arb. Die Auffassung von W. v. D. S T E I N E N , Der Kosmos des Mittelalters, Bern und München 1959, S. 97 u. Anm. S. 372, mit der Bezugnahme auf Mt. 10,19—20 und Ep. 189, 4 ist nicht haltbar. Ep. 189, 4 bezieht sich zudem nur auf Vorgänge bei der Auseinandersetzung mit Abaelard: „Auf letzter Höhe bejahte Bernhard den leidenschaftlich erfüllten Augenblick. Er baute grundsätzlich auf die unmittelbare Eingebung . . . So verwarf er auf Grund des Evangeliums (Mth. 10, 19—20) das Vorbereiten von Predigten". 1*

3

Philosophische Anthropologie bei Bernhard

Zu beachten ist auch, daß die Gedankengänge Bernhards meist straff gegliedert sind: sehr oft nach einem Dreier-, Vierer-, Siebenerschema 13 . Das spricht gegen die oben erwähnte Auffassung von Frischmuth, die davor warnt, primär ein Fortschreiten des Gedankens finden zu wollen14. Dann genügt es aber nicht, wenn man f ü r die Schriften Bernhards spekulativ — theologische Ideen ablehnt 15 und sie nur als unmittelbare Äußerungen seiner „Frömmigkeit in ihrem lebendigen Existieren" 18 begreift. Bernhard hat eine klare Definition f ü r wissenschaftliches Arbeiten aufgestellt, und er wendet das, was er in dieser Definition aussagt, auch selbst an. Natürlich muß man in den Schriften des heiligen Abtes genau unterscheiden, wo er „nur" seinem frommen Herzen Ausdruck geben will und wo er mit wissenschaftlichem Denken die Wahrheit aufzuspüren und zu erfragen versucht. Die erwähnte Definition findet sich de Consider. 2, 2, 5. Bernhard unterscheidet contemplatio und consideratio. Contemplatio ist die Schau, das Ergreifen der sicheren Wahrheit, ist ein intuitus certus, eine apprehensio non dubia, sie bezieht sich auf die certitudo rerum. Wer bis zur contemplatio gelangt, der weiß nicht mehr um des Wissens willen, dem wird die erkannte Wahrheit Besitz, der ist von der Wahrheit ergriffen. Demgegenüber dient die consideratio dem Aufspüren der Wahrheit: Consideratio autem, intensa ad investigandum cogitatio, vel intentio animi vestigantis verum (a.a.O.). Schöner kann man die Aufgabe der Wissenschaft wohl nicht zum Ausdruck bringen. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß Bernhard in seinen Schriften und Predigten häufig ein syllogistisches Verfahren anwendet 17 . Zwar ist das Schlußverfahren immer sehr einfach, aber auch dieser Hinweis muß ebenso wie die beiden folgenden Beobachtungen den Eindruck verstärken, daß der Abt sich um sauberes Denken bemüht. Durch die Kunst der Fragestellung werden Themen oder Probleme zuerst aufgegliedert, so daß eine umfassende und folgerichtige Behandlung gewährleistet ist. Wenn Eugen III. dem 13

Unter den sogenannten „kleinen Ansprachen", die mit de Div. s. 45 beginnen, haben wir zahlreiche Beispiele für Dispositionsentwürfe von Predigten. Oft sind sie mit einer gewissen Pedanterie durchgeführt, und der Stoff scheint manchmal wie mit Gewalt in ein bestimmtes Schema gepreßt. Wir nennen als beliebige Beispiele de Div. ss. 113, 115, 118.

14

G . F R I S C H M U T H , a. a. O.

S. 30.

15

G . F R I S C H M U T H , a. a. O.

S. 31.

G . F R I S C H M U T H , a. a. O.

S. 31.

16

17

4

cf. i. c. c. ss. 54, 12; 55, 1; 63, 3.

Denkender oder Schauender?

Rat seines väterlichen Freundes gefolgt ist, ist er sicher zu einer tiefen Selbsterkenntnis gelangt. Denn Bernhards Anweisungen leiten zu einer nüchternen und inhaltlich erschöpfenden Erforschung des eigenen Ich an. Quatuor . . . tibi consideranda reor: te, quae sub te, quae circa te, quae supra te sunt . . . Et haec tui consideratio in tria quaedam dividitur, si consideres quid, quis et qualis sis. Quid in natura, quis in persona, qualis in moribus18. Bernhard versäumt nicht, Erkenntnisse klar zu definieren. Als Beispiel diene seine Definition der Demut: Humilitatis vero talis potest esse definitio: Humilitas est virtus, qua homo verissima sui agnitione sibi ipsi vilescit (de Grad. Hum. et Sup. 1, 2). An dieser Definition fehlt nichts, was man von einer guten Definition verlangen muß. Das größte Verdienst, mit der Meinung vom unwissenschaftlichen Bernhard gebrochen zu haben, kommt E. Gilson zu. Er schreibt: „Zwar ist seine mystische Theologie wesentlich Wissenschaft der Praxis: gleichwohl hoffe ich zu zeigen, daß sie auch eine Wissenschaft im eigentlichen Sinne ist, und daß die systematische Strenge schwerlich weiter vorgetrieben werden könne . . . Kennt man sich einmal in der Sprache und in den tiefsten Lehrsätzen dieses Mystikers aus, dann erscheinen seine Schriften, ja sogar seine Predigten als ebenso exakt und kunstgerecht wie die inhaltsreichsten Darlegungen eines heiligen Anselm oder eines heiligen Thomas von Aquin"19. 18

"

De Considerat. 2, 3, 6 u. 4, 7. Cf. auch in Adv. Dmni s. 1,1: circa ea quae vere salutaria sunt, sedula cogitatione versamini, et diligenter pensate rationem Adventus huius, quaerentes nimirum quis sit qui veniat, unde, quo, ad quid, quando, et qua. Laudabilis sine dubio curiositas ista est et salubris. In Ps. Qui habitat s. 12,4: Angelis suis mandavit de te Quis enim, quibus, de quo, quid mandavit? In Festo Pentec. s. 3, 3: Tria . . . cogitare debemus; videlicet quid sit, quomodo sit, ad quid constitutus. i.c.c.s. 1,5: Die, quaeso, nobis, a quo, de quo, ad quemve dicitur. Diese Methode des Fragens hat Bernhard bei den Kirchenvätern lernen können. Cf. A M B R O S I U S , De Virg. 3, 6, 26 (MPL 16, 239 C). Ambrosius will über den Tod des Täufers Johannes sprechen: interest, ut quis, et a quibus, et quam ob causam, quomodo, et quo tempore sit occisus, advertere debeamus. Gegenüber der Darstellung der Arbeitsmethode Bernhards durch D E L H A Y E , Le Probleme de la Conscience morale chez S. Bernard, Namur 1957, S. 12, wird man daran festhalten müssen, daß er wenigstens bei der Behandlung von Einzelthemen nicht nur als „esprit intuitif" gearbeitet hat und daß man gerade das bei ihm findet, was Delhaye ihm abspricht: „II n'a rien de ces intelligences systematiques qui avancent comme par relais et peuvent exposer leurs idees en toute une serie de subdivisions et de points." Der Abt empfindet durchaus die Notwendigkeit „de marquer des raccords, d'enumerer de subdivisions et d'eviter les equivoques". GILSON, S.

Die Mystik des Heiligen

Bernhard

v. Clairvaux,

Wittlich o. J.,

19.

5

Philosophische Anthropologie bei Bernhard

2. D e r p h i l o s o p h i s c h e

Gehalt

Wie die Beurteilung der Arbeitsmethode Bernhards ist auch die Meinung über den wissenschaftlichen und insbesondere philosophischen Gehalt seiner Werke und seine Stellung zur Philosophie unterschiedlich. Pieper schreibt, Bernhard sei leidenschaftlich und wahrhaft philosophisch interessiert gewesen und seine Spuren blieben in der Geschichte der Philosophie lange Zeit kenntlich, obwohl er eher der Geschichte der Theologie zugehöre20. Eine starke Bindung an die Philosophie stellt J. M. Dechanet fest: „Bref, Bernard est philosophe, il sait etre philosophe, pas seulement dialectien"21. Ganz anders ist die Meinung von G. Frischmuth. Ebenso wie sie Bernhard der Methode nach wissenschaftliches und philosophisches Denken abspricht, möchte sie ihn inhaltlich weit von jeder Berührung mit der Philosophie fernhalten. Die Konzeption der Frömmigkeit des Abtes sei paulinisch, unbeeinflußt von griechischem Dualismus und Neuplatonismus augustinischer Färbung22. Selbst wenn Bernhard offenbar sich der augustinischen Terminologie bedient, sei mit diesen termini technici kein Inhalt gegeben, der irgendwie von der rein christlich-religiösen Grundeinstellung paulinischer Scholastik, München 1960, S. 106 ίϊ.

20

PIEPER,

21

M . D E C H A N E T , AUX Sources de la Pensie Philosophique de S. Bernard, in Saint Bernard Theologien, Rome 1953, S. 57. Im einzelnen versucht Dechanet eine weitgehende Beeinflussung Bernhards durch Piaton nachzuweisen. „C'est en effet ä Piaton, non ä Plotin ou ä ses disciples, que font penser bien des passages du traite de S. Bernard ä son fils et pere Eugene III. L'argument du premier livre evoque, ä n'en pas douter, tel endroit de la REPUBLIQUE — d'ailleurs fameux et bien connu des cisterciens du X l l e siecle — . . . " (a.a.O. S. 61). Wenn auch der Vergleich Dechanets zwischen Piaton und Bernhard inhaltlich sehr interessant ist, so wäre doch eine genauere Erklärung der kurzen Behauptung über die gute Piatonkenntnis der Zisterzienser im 12. Jahrhundert begrüßenswert. Denkt Dechanet an eine mittelbare Piatonkenntnis auf Grund der Lektüre lateinischer Klassiker in den Studienjahren und der Kirchenväter, oder will er eine unmittelbare Kenntnis vieler platonischer Dialoge behaupten? Diese Behauptung stände im Gegensatz zu dem, was B. G E Y E R ( F . U E B E R W E G — B . G E Y E R , Die patristische und scholastische Philosophie, Berlin 1928, S. 148) und J . K O C H (Piatonismus im MA, Krefeld o. J., S. 14 u. 21 ff.) über die Kenntnis platonischer Schriften im Mittelalter sagen: „Von Piatos Schriften kannte das frühe Mittelalter nur den Timaios ...". An dieser Lage habe sich auch bei der zweiten Plato-Rezeption seit der Mitte des 12. Jahrhunderts nichts Wesentliches geändert. Wie es sich aber auch immer um diese Behauptung einer umfangreichen Piatonkenntnis verhalten mag, uns interessiert hier mehr, daß Dechanet dargetan hat, daß es bei Bernhard philosophische Probleme gibt.

22

6

J.

G.

F R I S C H M U T H , a. a. O . S .

17 u .

33.

Der philosophische Gehalt

Konzeption abweichen würde2'. Die entscheidende philosophische Frage ist die nach dem Sein. Schon ein Überblick über das Inhaltsverzeichnis bei W. Kahles24 scheint zu beweisen, daß der Abt von Clairvaux diese Frage doch wohl nicht stellt. Denn dem Seinsmäßigen bei Radbert stehe bei Bernhard immer das Ethische, Psychologische, Affektive gegenüber — als ob Ethik und Psychologie mit Philosophie nichts zu tun hätten. Bei diesem Widerstreit der Meinungen kann die Darstellung einiger Aspekte der Christologie und Christusfrömmigkeit Bernhards einen Weg zur Klärung weisen. Christologie und Christusfrömmigkeit sind zentrale Themen des bernhardinischen Denkens. Wird man allein die bibeltheologische Konzeption paulinischer Prägung vorfinden, oder kommt auch anderes zur Sprache, philosophische Fragestellungen und Gesichtspunkte — wie bei Bernhards Vorgängern und Lehrmeistern, den Kirchenvätern25? Es ist eine weit verbreitete Auffassung, Bernhard sei der typische Vertreter einer rein gefühlsmäßigen Liebe zum Menschen Jesus. „Immer stärker bricht nun seine individuelle Anlage durch: sie führt ihn zur Begründung einer neuen personalen Existenz des geistig-geistlichen Menschen . . . in der Vereinigung der liebenden 23

G . FRISCHMUTH, Ο. α . Ο . S . 7 0 A N M . 5 .

24

W . K A H L E S , a. a. O.

25

Frischmuth behauptet, Bernhards Denken bleibe auch dann rein paulinisch bestimmt, wenn er sich der vom griechischen Dualismus und Neuplatonismus geprägten Terminologie Augustins bediene (cf. Anm. 22). Ob der Abt sich ζ. B. des Unterschiedes in seinen Formulierungen des Wesens der Gerechtigkeit nicht bewußt war? I. c. c. s. 22, 8 findet man den biblischen Begriff der Gerechtigkeit: At vero iustitiae tuae tanta ubique fragrantia spargitur, ut non solum iustus, sed etiam ipsa dicaris iustitia, et iustitia iustifdcans. Tarn validus denique es ad iustificandum, quam multus ad ignoscendum. Quamobrem quisquis pro peccatis compunctus esurit et sitit iustitiam, credat in te qui iustificas impium, et solam iustificatus per fidem, pacem habebit ad Deum. Gerechtigkeit ist die rechte Beschaffenheit vor Gott, ist Frieden mit ihm durch die rechtfertigende Gnade Christi. Anderswo ist Gerechtigkeit im Sinne der philosophischen Tugend definiert: Iustitiae est ius cuique servare suum (de Considerat. 3, 4, 17 und an vielen anderen Stellen). Eine recht eigenartige Vermischung des biblischen und des philosophischen Begriffs der Gerechtigkeit liest man bei AMBROSIUS, Expos, in Luc. 2, 2, 30; MPL 15, 1643 D. Bei Bernhards Wertschätzung der Kitchenväter (cf. sup. Missus est ss. 2,14 und bes. 4,11), die er, wie ζ. B. Hieronymus, f ü r seine Interpreten hält (pro Dom. I. Nov. s. 4,3), gegen deren Lehre er nicht gern etwas aus Eigenem vorträgt (cf. in Septuag. s. 2, 2 und i.c.c.s. 5, 7), dürfte der dargelegte Sachverhalt eigentlich selbstverständlich sein. Für die Art und Bedeutung der Kirchenväterlektüre ζ. Z. Bernhards bei Mystikern und Dialektikern s. GRABMANN, Die Geschichte der Scholastischen Methode II, Freiburg 1909, S. 99 f.

S. III.

7

Philosophische Anthropologie bei Bernhard

Seele mit ihrem Geliebten, dem ,süßen Freund' Christus"26. „Das Neue ist: der fleischgewordene Logos tritt hinter dem Kind in der Krippe, dem duldenden Erlöser am Kreuz zurück"27. „Es ist kein überzeitliches metaphysisches, von erhabenem Ewigkeitsbewußtsein getragenes Christusbild, das Bernhard entwirft. Es ist nicht der göttliche logos, der sich mit der Hülle des menschlichen Leibes bekleidet, um durch diese Hülle immer wieder die Majestät seiner göttlichen Natur leuchten zu lassen"28. Diese Charakterisierung der Christusfrömmigkeit ist offenbar falsch. Die Liebe zum Kind in der Krippe oder zum leidenden Heiland am Kreuz ist nicht das Letzte, was Bernhard in seinem Verhältnis zu Christus erstrebt, sondern nur eine Stufe auf dem Anstieg zu etwas Höherem. „Die sinnenhafte Liebe zu Christus hat Sankt Bernhard stets als etwas verhältnismäßig Niederes hingestellt"29. „Er war auch nicht der Schöpfer einer neuen ,bernhardinischen' Frömmigkeit, einer sentimentalischen Gottes-, Christusund Marienliebe, denn er lebte noch ganz in der paulinischen, spirituell aristokratischen- Frömmigkeit der Mündigen in Christo, und nur die Glut seines amor intellectualis täuscht die spätere Gefühlsfrömmigkeit vor"30. Das Ziel aller mystischer Liebe zu Jesus ist die Vereinigung mit dem Logos31. Für die christologischen Aussagen Bernhards ist eine Stufenordnung kennzeichnend und für die vorliegende Frage bedeutsam. Wer der Aufforderung Pauli „Wandelt im Geiste (Gal. 5, 16)" nachkommen will, hat zu beachten, daß es für den Wandel im Geist zwei Grade gibt: In hac vita spiritus duo gradus sunt, superior, et 26

F. HEER, Aufgang Europas, S. 183. Gegen diese Betonung des Individuellen LOSSKY, Die mystische Theologie der morgenländischen Kirche, GrazWien-Köln 1961, S. 27 f.: „Übrigens erscheint der religiöse Individualismus, der sich in der Schilderung des eigenen mystischen Lebens ausdrückt, auch in der abendländischen Literatur erst ziemlich spät, etwa im 13. Jahrhundert. Bernhard spricht nur sehr selten von seiner mystischen E r f a h r u n g . . . Erst nachdem es zu einer gewissen Differenzierung zwischen persönlichem Frömmigkeitsleben und dem Leben der Kirche gekommen war, wurden Spiritualität und Dogma, Mystik und Theologie zu zwei getrennten Gebieten".

27

J . SPÖRL, α. α. Ο. S. 8 6 .

28

KAHLES, a.a.O.

29

GILSON, Die Mystik,

30

A. DEMPF, Sacrum Imperium, München u. Berlin 1927, S. 221. Zum Beweise dafür, daß auch schon die Kirchenväter der Menschheit Christi liebende Aufmerksamkeit schenkten, sei auf einige Stellen bei Hierony-

S. 21. S. 122.

m u s v e r w i e s e n : Ep. 2 2 , 3 9 ; Ep. 108, 10; Ep. 46, 5 ( M P L 22). 31

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Vide autem tu, ne quid nos in hac Verbi animaeque commistione corporeum seu imaginarium sentire existimes (i. c. c. s. 31, 6).

Der philosophische Gehalt

inferior. In inferiori gradu homo in suo spiritu ambulat; in superiori gradu in spiritu Dei. Auf beiden Stufen dieses Wandels im Geist sieht der Mensch Christus, aber in primo, crucifixum; in secundo, gloria et honore coronatum. Viele, auch die Sünder, vermögen Christus in seiner Erniedrigung zu schauen; der Aufblick zum Gekrönten ist nur wenigen — wie z. B. dem Propheten Isaias — verstattet, denn es ist ein Aufblick zu dem über die Natur der Engel und Menschen erhabenen Gott (cf. de Div. s. 123). Die Erkenntnis Christi und die Liebe des Menschen zu ihm geschehen in der Dynamik eines Aufstiegs. In his fit quidam profectus et ascensus ab inferioribus ad superiora. Nam ut homines, qui tantum noverant diligere carnem carnaliter, ad hoc proficerent, ut Deum quoque diligerent spiritualiter, Deus caro factus est, et loquendo, et conversando cum hominibus, primum ab eis carnaliter dilectus est. Cum autem pro amicis suis animam ponere vellet, iam spiritum diligebant, sed adhuc carnaliter . . . Sed cum per eandem passionem fieri mysterium redemptionis agnoscerent, in ipsa passione iam carnem spiritualiter diligebant. Resurgente autem eo et ascendente, spiritum spiritualiter amant, laetique decantant: Et si cognovimus secundum carnem Christum, sed nunc iam non novimus (2 Cor. 5, 16) (de Div. s. 101). Dabei warnt Bernhard ausdrücklich vor den Gefahren einer nur gemütvollen Liebe: Verum haec dulcedo falli potest, si desit prudentia; et iam difficile caveri poterit in melle venenum (de Div. s. 29, 4). De Div. s. 44 erwähnt Bernhard eine fünffache Abstufung im Verhältnis des Menschen zu Christus. Sunt enim quibus nondum natus est Christus, sunt quibus nondum est passus, sunt quibus non resurrexit usque adhuc. Aliis quoque nondum ascendit; aliis nondum misit Spiritum sanctum, (η. 1) Die Haltung der vierten Stufe schildert Bernhard folgendermaßen: Aliis surrexit Christus, sed nondum ascendit; imo cum eis adhuc pia dulcedine commoratur in terris, his scilicet qui in devotione sunt tota die, flent in orationibus, suspirant in meditationibus suis. (n. 2) Das ist genau die Frömmigkeitshaltung, die Heer oben meint. Aber diese Stufe muß überstiegen werden, für solche Menschen ist es notwendig, daß Christus ihnen in den Himmel auffährt, damit sie lernen, feste Speise zu genießen, wenn ihnen die Milch der Gegenwart des Menschen Jesus entzogen ist. Die höchste Stufe haben die Apostel erstiegen, denen der Herr seinen Heiligen Geist geschenkt hat. Sicut apostoli promoti sunt in gradum altiorem, et supereminentiorem viam charitatis ingressi, non jam solliciti quomodo flerent paululum, sed quomodo magna quadam victoria de communi adversario triumpharent, et conculcarent Satanam sub pedibus suis. (n. 2) Drei Dinge sind nach de 9

Philosophische Anthropologie bei Bernhard

Div. s. 119 im Geheimnis des Menschensohnes zu beachten: scilicet formam humilitatis, probamentum dilectionis, sacramentum redemptionis. Die forma humilitatis und das probamentum dilectionis machen das sacramentum redemptionis offenbar. In diesem aber ist Gott gegenwärtig, der die Fülle des Seins in sich birgt und alle Gewalt über das Sein besitzt und ausübt. Sacramentum redemptionis triplicem ostendit potentiam Deitatis; scilicet de nihilo aliquid fecit, inveteratum innovavit, temporale perpetuavit32. 32

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Weitere Belege für die Stufenordnung der christologischen Aussagen: i. c. c. ss. 20, 6—7; 22, 3; 73, 5; 75, 7. In Asc. Dmni s. 4, 2 ermahnt Bernhard seine Hörer, nichts im Werke Christi dem Zufall zuzuschreiben. Alles in diesem Werk, das sich im Geheimnis des Auf- und Abstiegs verwirklicht, hat Grund und Ordnung, sicut enim qui scribit, certis rationibus collocat universa; ita quae a Deo sunt, ordinate sunt, maximeque ea quae praesens in carne est operata maiestas. Zur Christologie Bernhards s. D E C H A N E T in L O R T Z , a. a. O. und in Saint Bernard Theologien: „II ne s'est ainsi montre dans la chair que pour detacher leurs pensees des choses humaines, pour les reporter sur sa chair ä lui, et de la sorte les transporter de la chair ä l'esprit. — L'amour ,charnel' n'est qu'une etappe" (Saint Bernard Theologien, S. 83 und 87). Für das Stufenmotiv in der Christologie bei Origenes s. L I E S K E , Die Theologie der Logosmystik bei Origenes, S. 136: „Da ferner der Logos im Herzen des Gläubigen zunächst nur in der Gestalt des sichtbaren Christus wohnt — nur so wird er ja im Anfang erkannt —, so vollzieht sich bei höherer Erkenntnis Christi eine ähnliche Überwindung der Körperlichkeit wie im historischen Leben Jesu bei der Verklärung". Cf. ferner S. 4, 47, 135 f. Textnachweise s. Contra Cels. 4, 15 u. 6, 68; Horn. 8, 9 in Gen.; Horn. 1, 4 in Lev. Für Maximus Conf. s. L O O S E N , Logos und Pneuma im begnadeten Menschen bei Maximus Confessor, S. 83 f.: „Das Wort theosis beleuchtet am schärfsten die Wandlung, die im Menschenbild der Anabasis vor sich g e h t . . . Mit dem Bild vom Menschen hat sich das Bild vom Logos geändert. Vom Was seiner Existenz tritt am Anfang seine Körperlichkeit und Menschlichkeit, am Ende seine Geistigkeit und Göttlichkeit mehr hervor". Auf die Frage, wen der unter die Räuber Gefallene als seinen Nächsten erkennen solle, gibt G R E G O R V . N Y S S A die Antwort: hunc cum corpore suo, quod per iumentum significatur, ad locum quolaesus erat homo, se conferentem curasse ipsius vulnera, iumento proprio impositum recreasse, suam ei benignam oeconomiam diversorii loco aperuisse, per quam omnes fatigati et onerati quiete fruuntur. Qui autem ipsum ingreditur, prorsus illum ipsum intra se recipit, in quem ingressus erat. Sic enim Verbum loquitur. Qui in me manet, in hoc et ipse manebo (Horn. 14 in Cant. Cant.; MPG 44, 1086 C). Von A U G U S T I N U S seien zwei Stellen angeführt: Volo quädem ut credas me hominem, sed noli remanere; extende fidei manum, noli ibd remanere (Serm. Mai 95; ed. G . M O R I N , Misc. Agost. I, Romae 1 9 3 0 , S. 3 4 4 ) . Die zweite Stelle erinnert an die schon zitierte Predigt Bernhards de Div. 44: Fixi enim erant in homine, et Deum cogitare non poterant. Tunc enim cogitarent Deum, si ab illis et ab eorum oculis homo auferretur, ut

Der philosophische Gehalt

In der Art, in der Bernhard von Christus spricht, fällt ferner ein sorgfältiges Unterscheiden zwischen dem Göttlichen und Menschlichen in Christus auf. An einer Stelle in den Homilien sup. Missus est befaßt der Abt sich mit dem Wort „Jesus autem proficiebat sapientia, et aetate, et gratia apud Deum et homines (Luk. 2, 52)". Er unterscheidet bei Christus Wirklichkeit und Erscheinung. Seine Wirklichkeit ist die göttliche Natur, die menschliche ist nur äußere Erscheinung. Bernhard scheint hier das Verhältnis von Gottheit amputate familiaritate quae cum carne erat facta, discerent vel absente carne divinitatem cogitare... Subducto autem ab oculis carnali aspectu, iam illi hominem non viderunt. Si quid erat in cordibus eorum tractum de desiderio carnali, quasi contristatum est in ipsis (Serm. 264, 4; MPL 3 8 , 1 2 1 4 — 1 2 1 5 ) . Bei J O H . C A S S I A N U S findet sich eine Stelle, die durchaus dem Denken und Empfinden Bernhards entspricht: Secundum mensuram namque puritatis s u a e . . . unaquaeque mens in oratione sua vel erigitur vel formatur; tan tum scilicet a terrenarum ac materialium rerum contemplatione discedens, quantum earn status suae provexerit puritatis, feceritque Jesum vel humilem adhuc, vel carneum, vel glorificatum in maiestatis suae gloria venientem, internis obtutibus animae pervideri. Non enim poterunt Jesum intueri venientem in regno suo, quia adhuc sub ilia quodammodo Judaica infirmitate detenti, non queunt dicere cum Apostolo: Et si cognovimus secundum carnem Christum; sed nunc iam non novimus (2 Cor. 5). Sed illi soli purissimis oculis divinitatem ipsius speculantur, qui de humilibus ac terrenis operibus et cogitationibus ascendentes cum illo secedunt in excelso solitudinis monte, qui liber ab omnium terrenarum cogitationum ac perturbationum tumultu, et a cunctorum vitiorum permixtione secretus, fide purissima ac virtutum eminentia sublimatus, gloriam vultus eius ac claritatis eius revelat imaginem his qui merentur eum mundis animae obtutibus intueri (Coi. X,

6; M P L

49, 826 B).

Über die Beeinflussung Bernhards und der Zisterzienser durch Cassian cf. G I L S O N , Die Mystik (passim); L E K A I - S C H N E I D E R , Geschichte und Wirken der weißen Mönche, Köln 1958, S. 19 u. 34; L O S S K Y , a. a. O. S. 253. Weiterhin eine Stelle aus G R E G O R D. GR.: Hinc eiusdem Ecclesiae voce per Salomonem dicitur: Ecce, iste venit saliens in montibus, et transiliens colles (Cant. II, 8). Consideravit namque tantorum operum culmina, et ait: Ecce, iste venit saliens in montibus. Veniendo quippe ad redemptionem nostram, quosdam, ut ita dixerim, saltus dedit. Vultis, fratres carissimi, ipsos eius saltus agnoscere? De coelo venit in uterum, de utero venit in praesepe, de praesepe venit in Crucem, de Cruce venit in sepulcrum, de sepulcro rediit in c o e l u m . . . U n d e . . . oportet, ut illuc sequamur corde, ubi eum corpore ascendisse credimus. Desideria terrena fugiamus: nihil nos iam delectet in infimis, qui Patrem habemus in coelis (Horn, in Ev. II, 29, 10—11; MPL 76, 1219 A—B). Das Bild von den Sprüngen des Bräutigams im Hohen Lied (2,8) hat übrigens zu mannigfaltigen Spekulationen Anlaß gegeben. O R I G E N E S (Comm. in Cant. Cant. 3) versteht unter den Bergen und Hügeln die Bücher des Gesetzes und der Propheten, in denen blätternd die Braut Christus sich entgegenspringen sieht. Dieselbe Auslegung bei Bernhard i. c. c. s. 54, 2. Die Berge und Hügel können aber auch die Chöre der Engel versinn-

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Philosophische Anthropologie bei Bernhard und Menschheit in Christus in einer ähnlichen Weise zu b e s t i m m e n w i e i m Menschen das Verhältnis v o n Leib und Seele: es herrscht da e i n g e w i s s e r Dualismus 3 3 ; der e i g e n t l i c h e M e n s c h ist d i e S e e l e ( e n t s p r e c h e n d b e i C h r i s t u s d e r Logos), d e r L e i b ( e n t s p r e c h e n d b e i C h r i s t u s d i e M e n s c h h e i t ) ist H ü l l e , Zelt, H a u s , i n d e m d i e S e e l e als G a s t weilt 3 4 . N e c t e m o v e a t , q u o d d e i p s o l e g i s i n alio loco: J e s u s a u t e m proficiebat sapientia, et aetate, et gratia a p u d D e u m et h o m i n e s (Luk. 2, 52). N a m q u o d d e s a p i e n t i a e t gratia hic d i c t u m est, n o n s e c u n d u m q u o d erat, s e d s e c u n d u m q u o d apparebat, i n t e l l i g e n d u m est: n o n quia v i d e l i c e t a l i q u i d ei n o v u m a c c e d e r e t , q u o d ante non haberet; sed quod accedere videretur, quando volebat ipse u t v i d e r e t u r . . . C o n s t a t e r g o quia s e m p e r J e s u s v i r i l e m a n i m u m habuit, etsi s e m p e r i n c o r p o r e v i r n o n apparuit. Cur d e n i q u e d u b i t o v i r u m f u i s s e i n utero, q u e m inibi D e u m f u i s s e n o n a m b i g o ? M i n u s q u i p p e e s t e s s e v i r u m , q u a m e s s e D e u m (sup. Missus est s. 2, 10)35. D i e s e l b e n G e d a n k e n k o m m e n auch i c. c. s. 56 z u m A u s d r u c k . B e r n h a r d erklärt d i e S t e l l e Cant. 2, 10: E n i p s e stat p o s t p a r i e t e m , r e s p i c i e n s p e r f e n e s t r a s , p r o s p i c i e n s p e r cancellos. D i e Wand 3 6 ist d i e bilden, über die hinwegspringend Christus sich in der Inkarnation den Menschen schenkt (cf. i. c. c. s. 53 u. in Festo S. Michael, s. 1, 2). Schließlich bedeuten die Berge und Hügel die bösen Engel und Menschen, über die der Herr hinwegspringt, um zu denen zu kommen, die erlöst werden (i. c. c. s. 54). Zur Stufenordnung endlich noch ein Wort von W I L H E L M VON S T . T H I E R R Y : Aliquotiens contemplans et videre gestiens posteriora videntis me: humilitatem scilicet pertranseuntem dispensationis humanae, Christi filii tui suspicio. Sed cum accedere gestio ad eum, . . . ut . . . totus intrem usque ad ipsum cor Jhesu, in sanctum sanctorum, in archam testamenti, ad urnam auream, animam nostrae humanitatis continentem intra se manna divinitatis: heu dicitur michi: Noli me tangere. Et illud de Apocalipsi: Foris canes (De contemplando Deo 3, ed. J. H O U R L I E R [Sources Chretiennes 61] Paris 1959, S. 62 u. 64). 33

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„Pour bien comprendre la Christologie de S. Bernard, il parait necessaire de revenir ä sa pensee philosophique, ä cette espece de dualisme, d'opposition ,chair-esprit' qu'on a de ja relevee ä propos de sa conception de L'homme et de la nature humaine" ( D E C H A N E T in Saint Bernard Theologien, S. 78). In Asc. Omni s. 4,1 nennt Bernhard den Leib oder die Menschheit Christi (beide Deutungen scheinen möglich) saccum. Non ergo debet absurdum videri, si dicitur, Christum non quidem aliquid scire coepisse, quod aliquando nescierit; scire tarnen alio modo misericordiam ab aeterno per divinitatem, et aliter id tempore didicisse per carnem (de Grad. Hum. et Sup. 3, 10). Weitere Belege: in Quadrag. s. 2, 1; in Festo omn. Sanct. s. 5,9. Nach demselben Sermo ist unter der Wand auch der Zustand des erbsündigen Menschen, zu dem noch die Zwischenwände persönlicher Sünden kommen können, zu verstehen. Gregor v. Nyssa deutet die Wand als

Der philosophische Gehalt

Menschheit Christi, hinter der sich das Wort verbirgt, das Wort in der ganzen Fülle seines ewigen Seins. Ergo appropiavit parieti, cum adhaesit carni. Caro paries est, et appropiatio Sponsi, Verbi incarnatio. Vom Verbum sagt er dann noch: Sponsus quidem aequaliter atque indifferenter praesto ubique est, divinae utique praesentia majestatis et magnitudine virtutis suae (i. c. c. s. 56, 1 und 4). Diese Differenzierung in der Betrachtung der Person Christi hat Kahles übrigens richtig gesehen, nur sind die Schlußfolgerungen, die er aus dieser Tatsache zieht, falsch: „Der Mystiker von Clairvaux nimmt dabei in der Person Christi eine gewisse Trennung vor, eine Trennung von Gott und Mensch, des überweltlich-göttlichen und des historischen Christus, und zwar zugunsten des Menschen Christus. Ohne selbstverständlich irgendwie die hypostatische Union anzutasten, sieht er Christus in einer gewissen Differenzierung, indem er Gottheit und Menschheit in Christus schärfer für sich in ihrer Eigenbedeutung sieht, dabei aber namentlich der Menschheit Christi seine Aufmerksamkeit zuwendet"37. das offenbarende Wort der Hl. Schrift, hinter dem sich Gott verbirgt, s. L O S S K Y , α. α. Ο . S. 54. Die christologischen Aussagen Bernhards kommen in ihrer Eigenart auch gut zum Ausdruck, wenn er vom Schatten spricht, mit dem das Verbum seine für den Menschen untragbare Herrlichkeit in der Inkarnation verhüllt hat, um dem Menschen so überhaupt erst die Begegnung mit Gott zu ermöglichen. Cf. in Ps. Qui habit, s. 4,3; in Nat. B.M.V. s. 1, 2; i. c. c. s. 20, 7 u. 48, 6. Tanta denique in conceptione refulsit superni luminis claritas de supervenientis abundantia Spiritus, ut ne ipsa quidem Virgo sancta sustinuisset, si non sibi obumbratum foret a virtute Altissimi (i. c. c. s. 70, 7). Man wird an A U G U S T I N U S erinnert: Attende ancillam illam castam, et virginem, et matrem: ibi enim accepit paupertatem nostram, ubi servi forma indutus est, semetipsum exinaniens; ne divitias eius expavesceres, et ad eum accedere cum tua mendicitate non auderes (Enarr. in Ps. 101, 1; MPL 37, 1294). F ü r Origenes und Ambrosius s. hierzu D A N I E L O U in Saint Bernard Theologien, S. 48 f. Eine diesbezügliche Stelle findet sich bei A M B R O S I U S , Expos, in Luc. 7, 19, 214; MPL 15, 1847 B . Endlich G R E G O R V. N Y S S A : Deinde subiungit, Lectus noster umbrosus. Hoc est, te cognovit, aut cognoscet humana natura, umbrosum factum per dispensationem. Venisti enim, inquit, tu pulcher et decorus patruelis meus ad lectum nostrum factus umbrosus. Nisi enim ipse teipsum obumbrasses, dum per servi formam merum radium divinitatis obvelasti, quis tuam sustinuisset apparitionem? (Horn. 4 in Cant. Cant.; MPG 44, 835 C). Ähnlich wie bei Gregor v. Nyssa die Hl. Schrift die Wand ist, hinter der sich Christus verbirgt, ist sie bei Bernhard der das Verbum verhüllende Schatten, ita per omnem huius carminis textum reperies Verbum istiusmodi similitudinibus adumbrari (i. c. c. s. 31, 8). 37

K A H L E S , a. a. O.

S . 21.

Diese differenzierte Betrachtungsweise ist auch nicht, wie Kahles glaubhaft machen möchte (α. α. Ο. S. 21 u. 76 f.), erst mit Bernhard aufgekommen. Dieser könnte sie ζ. B . von A M B R O S I U S gelernt haben, dessen Kennt-

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Philosophische Anthropologie bei Bernhard

Die Absicht, die Bernhard mit der Art seiner christologischen Aussagen verfolgt, läßt sich aus de Div. s. 37 ablesen. Der Abt unterscheidet drei Geschlechter der Menschen. In das erste wird der Mensch hineingeboren aus seiner leiblichen Mutter; er ist der unerlöste Mensch, in oblivione mentis et reatu iniquitatis (n. 2). In das zweite wird man hineingeboren durch die Taufe. Diese schenkt dem Menschen durch das Heilmittel aus Wasser und Geist die Annahme an Kindesstatt und gibt so die Möglichkeit, Gott als das Leben zu suchen und zu finden. Jedoch ist die Taufe ein Geschehen am Menschen ohne dessen eigene Mitwirkung, adhuc nullus voluntatis usus, nullum rationis exercitium fuit; ac proinde nulla generationis ipsius agnitio, nulla tanti notitia genitoris (n. 3). Da die meisten Menschen von der ihnen in der Taufe geschenkten Möglichkeit keinen Gebrauch machen — Vae nobis, quoniam tamdiu dissimulavimus et negleximus quaerere vitam (n. 3) —, bedarf es einer dritten Zeugung, unter der Bernhard den Eintritt ins Kloster versteht. Im Gegensatz zur Taufe ist der Eintritt ins Kloster eine generatio voluntaria (n. 3)38, auf Grund deren der Mensch mit dem

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nis wir bei Bernhard voraussetzen dürfen. Ambrosius hat diese Methode des Differenzierens oder Distinguierens, wie er sagt, in der Auseinandersetzung mit den Irrlehrern seiner Zeit angewandt, um sich in den christologischen Fragen schärfer ausdrücken zu können. Außerdem dient ihm dieses Distinguieren zu dem gleichen Zweck wie Bernhard: Er will über oder durch den Menschen Jesus zum ewigen Wort aufsteigen. Non enim Christum divido, cum carnis edus divinitatisque distinguo substantiam (de Incarn. Dominicae Uber Unus 7, 77; MPL 16, 873 D; cf. auch 5, 36 u. 7, 35). Zu dem zweiten Gedanken zwei Stellen: Si hoc videas mysterium (crucis), in excelsum ascendisti montem, alteram Verbi gloriam cernis (Expos, in Luc. 7, 9, 12; MPL 15, 1790 B). Et frequenter simul, ut arbitror, videbatur et arbor, et granum. Granum est cum dicitur: Nonne hic est filius Joseph fabri (Matth. 13, 55)? Sed inter haec verba crevit subito, testantibus Judaeis, quia quasi latae arboris ramos non poterant comprehendere, dicentes: Unde huic ista sapientia (ibd. 13, 56)? (Expos, in Luc. 7, 13, 184; MPL 15, 1837 D). Auch dem heiligen A U G U S T I N U S ist diese Methode nicht fremd: Tibi fatigatus est ab itinere Jesus. Invenimus Virtutem Jesum; et invenimus infirmum Jesum: fortem et infirmum Jesum: fortem, quia in principio erat Verbum, et Verbum erat apud Deum, et Deus erat Verbum: hoc erat in principio apud Deum. Vis videre, quam iste Filius Dei fortis sit? Omnia per ipsum facta sunt, et sine ipso factum est nihil: et sine labore facta sunt. Quid ergo illo fortius, per quem sine labore facta sunt omnia? Infirmum vis nosse? Verbum caro factum est, et habitavit in nobis. Fortitudo Christi te creavit: infirmitas Christi te recreavit. Fortitudo Christi feoit, ut quod non erat esset: infirmitas Christi fecit, ut quod erat, non periret. Condidit nos fortitudine sua, quaesivit nos infirmitate sua (Tract. 15, 6 in Joann.; MPL 35, 1512). „Zur zweiten Taufe" durch den Eintritt ins Kloster s. auch de Div. s. 11 und M A U S B A C H , Die Ethik des heiligen Augustinus II, Freiburg 1909, S. 351 ff.

Der philosophische Gehalt

Einsatz seiner Person die von der Taufe her bestehende Möglichkeit, Gott als das Leben zu suchen, wahrnimmt. Das Leben ist den Erlösten geschenkt im göttlichen Wort, nach dem der zum dritten Geschlecht Gehörende sucht, um es ganz zu besitzen. Das Klosterleben verleiht dem Menschen die Einfachheit, die für die Suche nach dem göttlichen Wort notwendig ist, simplex natura simplicitatem cordis exquirit (n. 9). Gott ist Quell alles Guten, der Mensch Jesus vermittelt es uns, und über diese Vermittlerrolle hinaus vermag der Mensch Jesus nichts, quia omne bonum a Deo, non ab homine est, etiam ipsum quod per hominem ministratur . . . Propterea et maledictus qui spem suam ponit in homine, quoniam etsi spes nostra tota merito pendet ex homine Deo, non tarnen quia homo, sed quia Deus est (i. c. c. s. 10, 8)39. Das Interesse Bernhards am Mysterium der Inkarnation erklärt sich auch daraus, daß Bernhard in der menschlichen Natur des Gottmenschen das in der vollkommensten Weise erfüllt sieht, was der Mensch, der im Ordenstand mit den Möglichkeiten christlicher Existenz Ernst macht, aus dem Suchen und Finden des göttlichen Wortes für sich erhofft. In der Inkarnation hat Gott den dem irdischen Dasein des Menschen entsprechenden Heilsweg eröffnet. Der Gottmensch ist aber auch die vollendetste Darstellung der von Gott der Menschennatur zugedachten Vollendung. In Christus wird offenbar, wessen die menschliche Natur durch die Vereinigung mit dem göttlichen Wort — hier in der einzigartigen Weise der hypostatischen Union — fähig ist. So ist Christus der Idealmensch40, die forma (i. c. c. s. 27, 7), von der der Mensch seine eigene Vollendung lernt. Nec frustra in terris visus est homo caelestis, cum de terrenis caelestes quamplurimos fecerit sibi similes (ibd.). Quam formosum et in mea forma te agnosco, Domine Jesu! Non ob divina tantum quibus effulges miracula, sed et propter veritatem, et mansuetudinem, et iustitiam. Beatus qui te in his hominem inter homines conversantem diligenter observans, seipsum praebet pro viribus imitatorem tui! (i. c. c. s. 25, 9). In Christus ist die plenitudo virtutum41, die keine Grenze kennt, quis finis virtutum apud Dominum " Ähnliche Gedanken t. c. c. s. 28, bes. n. 9 u. n. 10. Christus als Idealmensch bei Irenäus v. Lyon s. S T R U K E R , Die Gottebenbildlichkeit des Menschen in der christlichen Literatur der ersten zwei Jahrhunderte, Münster 1913, S. 82 f., für Klemens v. Alex. s. K A R P P , Probleme altchristlicher Anthropologie, Gütersloh 1950, S. 106 f. Zum Thema Idealmensch—himmlischer Mensch im allg. s. J . J E R V E L L , Imago Dei.

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Die Begründung der Tugendfülle im Grottmenschen erreicht Bernhard u. a. auch durch ein interessantes Wortspiel. Gottes Sohn ist Gottes

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Philosophische Anthropologie bei Bernhard

virtutum (i. c. c. s. 70, 7). So ist er die Zusammenfassung und Vollendung aller Versuche der Menschen, die Vollkommenheit zu erreichen, die scheitern mußten, denn: Quid vobis cum virtutibus, qui Dei virtutem Christum ignoratis? Dicendum et hoc quia frustra huius saeculi sapientes de quatuor virtutibus tarn multa disputaverunt, quas tarnen apprehendere omnino nequiverunt, cum illum nescierint, qui factus est nobis a Deo sapientia docens prudentiam, et iustitia delicta donans, et sanctificatio in exemplum temperantiae continenter vivens, et redemptio in exemplum patientiae fortiter moriens (i. c. c. s. 22, 11 und 10)42. Aus eigener Kraft und auf sich allein gestellt vermag der Mensch also die Vollkommenheit nicht zu erlangen. Erst seit der Inkarnation des göttlichen Wortes kann jeder Mensch in der Nachfolge Christi und durch seine Gnade vollkommen werden. Origo fontium et fluminum omnium mare est, virtutum et scientiarum Dominus Christus (i. c. c. s. 13, 1). Die Bitte der Braut um den Kuß des Bräutigams (Cant. 1,1) deutet Bernhard als die Bitte um Mitteilung der Gnade des Hl. Geistes, durch die die Seele mit der Weisheit und der Kraft der Liebe Christi ausgerüstet wird (cf. de Div. s. 89). Dabei ist sich der Abt sehr wohl der Tatsache bewußt, daß der Mensch während seiner irdischen Existenz immer auf dem Wege bleibt, daß er das Ziel seiner in der Kraft der Gnade gemachten Anstrengungen erst in der Ewigkeit finden wird. Glaube ist sowohl Leben als Lebensschatten, Erkenntnis und Leben im Licht sind zukünftig und noch verhüllt (cf. i. c. c. s. 48, 6 und 7). Aber in der Geschichte der sterblichen Menschheit, d. h. also an den konkreten Menschen, ereignet sich seit Christus ein immer deutlicher werdendes Heraufkommen des Lichtes Christi. Est scriptum in Propheta: Decorem induit, induit fortitudinem et praecinxit se (Ps. 92, 1), quod carnis

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Kraft und Gottes Weisheit — Dei virtus et Dei sapientia (ζ. Β. i. c. c. s. 13, 1). Infolge der hypostatischen Union ist darum notwendig audi in seiner menschlichen Natur die plenitudo virtutum. Die philosophischen Tugenden bei Augustin, dem Bernhard hier weitgehend folgt, s. MAUSBACH, a.a.O. I, S . 2 0 8 u. II, S . 2 5 8 ff.; in der Patristik s. STELZENBERGER, Die Beziehung der frühchristlichen Sittenlehre zur Ethik der Stoa, München 1933, Kap. 9 u. 10. Über den Zweck der Inkarnation nach Augustinus s. MAUSBACH, a. a. O. II, S . 133: „Diese w e senhafte Heiligung, die hypostatische Union, ist erst recht kein sittliches Verdienst des Menschen Christus, sondern eine vollkommene und absolute Gnade Gottes, die diesen Menschen vom ersten Augenblicke an zu jener Würde erhob. Diese einzige, weltgeschichtliche Gnade ist der Quell und das Urbild für die Begnadigung des Menschen; Augustin kennt keinen wichtigeren Zweck des Wunders der Inkarnation als den, dem Menschengeschlecht die Freiheit und Größe der göttlichen Gnade offenbar und anschaulich zu machen".

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Der philosophische Gehalt

infirma tamquam nubila quaedam excusserit, stolam gloriae induens. Sane ex tunc elevatus est sol, et sensim demum infundens suos radios super terram, coepit paulatim clarior apparere fervidiorque sentiri. Verum, quantumlibet incalescat, invalescat, multiplicet et dilatet radios suos per omne huius nostrae mortalitatis curriculum . . . , non tarnen ad meridianum perveniet lumen, nec in illa sui plenitudine videbitur modo, in qua videndus est postea (i. c. c. s. 33, 6)48. Bernhard hält also das Gnadenwirken Christi für der Erfahrung zugänglich. Er hat diese Tatsache öfter betont. I.e. c.s. 1, 11 sagt er, daß nur das Gnadenwirken lehrt, nur Erfahrung (experientia) lernt, ein Lied wie das Hohe Lied zu singen. Experti recognoscant, inexperti inardescant desiderio, non tarn cognoscendi quam experiendi. I. c. c. s. 3, 1 fordert er die Mönche auf, in ihrer Erfahrung nachzuforschen, ob sie den Kuß des Bräutigams schon empfangen haben. Wer unerfahren in inneren Freuden ist, ist der Gnade dieses Kusses sicherlich noch nicht teilhaftig geworden. Die Innigkeit der Christusgemeinschaft vermag der Verstand auf Grund der Erfahrung abzuschätzen, non capit intelligentia, nisi quantum experien43

In dem Gedanken der „Menschwerdung des Menschen" durch die gnadenhafte Gemeinschaft mit dem göttlichen Wort und durch die Nachfolge Christi scheint ein besonderer Einfluß des Origenes auf Bernhard wirksam zu sein. O R I G E N E S sagt im Kommentar zum Hohen Lied: Namque et in me est illum priimum, quod „ad imaginem Dei" in me factum est; et nunc accedens ad Verbum Dei reeepi speciem meam . . . Accessi Eid eum, qui est imago Dei, primogenitus omnis creaturae et qui est splendor gloriae et figura substantiae Dei et facta sum formosa (zit. nach L I E S K E , a. a. O. S. 60 Anm. 5). „Für Origenes ist eben die Vergöttlichung der Menschheit Christi und die Realvereinigung der göttlichen und menschlichen Natur nur der Anfang der Vereinigung zwischen der Gottheit und der Menschheit. Im Leben der Heiligkeit und Vollkommenheit wiederholt sich unvollkommen im Gläubigen, was in Christus volle Wirklichkeit ward" ( L I E S K E , a. a. O. S. 126). „Die Formung des Menschenbildes ist also eine Nachbildung (soweit dies dem Menschen möglich ist) der Inkarnation Gottes" (H. R A H N E R , Das Menschenbild, des Origenes, Eranos-Jahrbuch 1947, S. 220). Die Kenntnis der Schriften des Origenes ist wohl sicher größer gewesen, als G I L S O N , Die Mystik, S. 212 f., annimmt. D E L H A Y E , a. a. O. S. 55 Anm. 9, gibt einen Auszug aus A. W I L M A R T , L'ancienne bibliotheque de Clairvaux (mir nicht zugänglich) wieder, aus dem hervorgeht, daß Clairvaux schon im 12. Jhdt. eine ziemlich umfangreiche Sammlung von Schriften des Origenes besaß. Bernhard kommt auf Origenes zu sprechen: pro Dom. I. Nov. s. 4,3; de Div. s. 34; i. c. c. ss. 54, 3 u. 75, 5. Ob Bernhard Origenes nicht1 Unrecht tut mit seinem Angriff de Div. s. '34? Er scheint den ekklesiologischen Aspekt bei Origenes ganz übersehen zu haben. Non quod ipse subiectione indigeat apud Patrem, sed pro me, in quo opus suum nondum consummavit, ipse dicitur non esse subiectus (Horn. 7, 1—2 in Lev.; MPG 12, 479 C). Die Stelle stammt aus der von Bernhard getadelten Lesung. 2

Hiss

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Philosophische Anthropologie bei Bernhard

tia attingit (cf. i. c. c. s. 22, 2). Ganz klar belehrt uns die Vernunft (certa ratio) über das Wirken des HL Geistes in uns (in Festo Pentec. s. 1, 3), und ein geistliches Leben gibt Zeugnis von der Einwohnung des Hl. Geistes, wie die Lebensäußerungen des Körpers zeigen, daß die Seele den Leib bewohnt (cf. in Dedic. Eccl. s. 1, 2). So ist das Ordensleben ein zuverlässiges Zeugnis und untrüglicher Beweis (certissima probatio et indubitabile argumentum) f ü r die Gegenwart Christi. Non enim humanae possibilitatis est cursus i s t e . . . Non, inquam, ab homine forma ista conversationis, nec aliud experimentum quaerimus eius qui in vobis habitat Christus, quam quod ita quaeritis Christum (de Div. s. 37, 4)43a. Für den Abt aber ist die Leitung der Mönche leichter gemacht, denn er spricht vor Erfahrenen, die schnell begreifen und unverzüglich erkennen können, was sie in sich selbst so häufig erleben (cf. in Dom. IV p. Pentec. s. n. 5). Durch die starke Betonung der Erfahrbarkeit der durch die Inkarnation und das Heilswirken Christi bewirkten Erhöhung des Menschen erweist sich Bernhard voll und ganz der mittelalterlichen Geistigkeit verpflichtet 43 \ Gott ist Schöpfer und Erhalter der Welt. Das ist eine Wahrheit, die auch der Ungläubige kraft seiner Vernunft erkennt (cf. de Dil. Deo 2, 6). Selbst diejenigen Geschöpfe, die nicht unmittelbar der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen, können dem Menschen noch nützen: certe ingenium exercendo, iuxta eum, qui utique omni utenti ratione praesto est, communis disciplinae profectum quo invisibilia Dei per ea quae facta sunt intellecta conspiciuntur (i. c. c. s. 5, 6). Die Welt ist ein Kosmos, in dem das allgerechte Walten und tadellose Ordnen der Dinge (iustissima dispositio et irreprehensibilis ordo rerum — in Ps. Qui habit, s. 8, 10) durch die göttliche Weisheit offenbar wird. Die Schöpfung bekommt daher einen Symbolcharakter, indem sie passende Vergleiche (congruentes de rebus notis similitudines) für eine — wenn auch noch so unvollkommene — Erkenntnis des an 433

(Anima) nec enim diligere adhuc poterat quem nondum invenerat, aut certe minus quam vellet diligebat, et ob hoc quaerebat ut magis diligeret, quem nequaquam quaereret, nisi iam aliquatenus dilexisset (i. c. c. s. 14, 6). Cf. auch G R E G O R D . GR.: Qui ergo mente integra Deum desiderat, profecto iam habet quem amat (Horn, in Ev. II, 30, 1; MPL 76, 1220 C).

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zeigen das katholische Christentum nicht als unbegreiflich-zusammenhanglose ,übernatürliche Offenbarung' (das ist nur der heute übrige Bodensatz des Katholizismus), sondern als vollauf verständliche Tatsache, entwachsen aus allzeit vorhandenen, bestimmten Erfahrungen, und von Bernhard selbst begriffen als ein mit der Menschennatur unmittelbar gegebener, mit dem gesunden Menschenverstand begreiflicher Zustand" (v. D . S T E I N E N , Vom Hl. Geist des MA, Breslau 1926, S. 188).

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Der philosophische Gehalt

sich nicht zu begreifenden (incomprehensibile, ac per hoc etiam ineffabile) göttlichen Wortes liefert, das sich in der Schöpfung ausspricht (cf. i. c.c.s. 51, 7). Dieser Symbolismus wird besonders für die menschliche Seele immer wieder betont (generosa cognatio animae — i. c. c. s. 82, 7)44. Zwischen den einzelnen Teilen des Kosmos besteht ein wunderbarer Zusammenhang, so daß eines dem anderen korrespondiert, ein Symbol das andere erklärt und verdeutlicht. Die Seele wohnt im Leib wie in einem vornehmen Haus (domus sublimis): (corpus) quod sic compegit, quod sie aptavit, quod sie ornavit et ordinavit, ut gloriose in eo et delectabiliter habitares. Auch der Leib hat sein Haus (domus excelsa, aptissima et decora), die Welt (mundus sensibilis et inhabitabilis). Wie der Leib das geeignete Haus für die Seele, wie die Welt die passende Wohnstatt f ü r den Leib, so ist die Seele fähig, die Wohnung Gottes zu sein, quoniam non capit eum nisi imago sua. Anima capax illius est, quae nimirum ad eius imaginem est creata (cf. in Dedic. Eccl. s. 2, 1—2). Aus dem Zusammenhang der Glieder des Kosmos, auf Grund der Korrespondenz der Symbole läßt sich mit Sicherheit wie das schöpferische so auch das gnadenschenkende Wirken Gottes erschließen. Quoniam tale inveniet inferius suum, qualem se exhibuerit superiori (in Fest. omn. Sanct. s. 1, 9). So wird verständlich, warum bei Bernhard moralphilosophische Überlegungen und insbesondere die Tugendlehre einen so breiten Raum einnehmen. Aus der Offenbarung weiß er um die Inkarnation und das Heilswirken des Wortes Gottes, weiß er um die Wiedergeburt des Menschen und um das Wohnen Gottes im Menschenherzen. Die Welt ist wie ein Buch, aus dem man in Bild und Gleichnis die Weisheit des an sich unbegreiflichen Schöpfers ablesen kann (cf. de Div. s. 44

Eine gute Darlegung des ontologischen und anthropologischen Symbolismus bei DEMPF, Ethik des MA, München und Berlin 1927, S. 70F.: „So ist auch das Wesen der Dinge ein verbum naturale, ein ontologisches Wort, das in sich selber wahrer, von größerer ontologischer Wahrheit ist, als in der Bezeichnung durch unser Erkennen, noch richtiger aber im verbum aeternum, in der ewigen Rationalität Gottes besteht. Denn jedes geschaffene Wesen ist nur ein Gleichnis der Wahrheit selbst, der in sich einheitlich geschlossenen Harmonie und Ordnung, der absoluten ontologischen Strukturvollkommenheit". Wichtig für Bernhard de Div. s. 9, 1: In der Schöpfung erkennt der Mensch Gott — in Gott die Schöpfung (mit Berufung auf die Schilderung der Vision Benedikts durch GREGOR D. GR., Lib. dial. II, 35). De Considerat. 5, 1, 1: Videt Verbum, et in Verbo facta per Verbum . . . Neque enim ut vel ipsa noverit, ad ipsa descendit, quae ibi illa videt, ubi longe melius sunt quam in se ipsis. I. c. c. s. 4, 5 wird Gott — natürlich ohne pantheistische Tendenz — das esse omnium genannt. I. c. c. s. 80, 2 ist das Wort Urbild (imago), die Seele Abbild (ad imaginem).

2'

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Philosophische Anthropologie bei Bernhard

9, 1). Man kann im Sinne Bernhards sagen, daß das Bemühen des Menschen um eine sittlich gute Bewältigung seiner Existenz das Buch ist, aus dem man das Wirken des göttlichen Wortes in der Seele erfährt45. Die Untersuchung christologischer Aussagen des hl. Bernhard hat zur Erkenntnis geführt, daß seine Theologie eine Philosophie geradezu herausfordert. Durch die Methode des Differenzierens und den Aufbau der Stufenordnung ist sie zum Kern der Christusoffenbarung vorgedrungen, zum Geheimnis des sich in freier und ungeschuldeter Liebe mitteilenden göttlichen Wortes. Das Wirken des Wortes aber kommt zur Darstellung in der natürlichen Welt. 50 muß der Abt die ontologische Strukturordnung der Welt, des Menschen, der Seele untersuchen, in denen das Wirken des Wortes Gottes zur Darstellung kommt. Er muß die Prinzipien der Ethik behandeln, weil die Seele, die von Natur aus himmlisch ist (caelestem esse propter originem), wahrhaft ein Himmel wird durch die Nachahmung der Tugendfülle Christi (caelum ipsum posse appellari propter imitationem — cf. i. c. c. s. 27, 8). Da die durch die Gemeinschaft mit dem göttlichen Wort ermöglichte Vervollkommnung des Menschen im Verlauf der Geschichte seit Christus an den konkreten Menschen immer klarer zu Tage tritt (s. o. das Zitat i. c. c. s. 33, 6), wird Bernhard sich nicht mit einer Wesensanalyse des Menschen und einer allgemeinen Wesensethik begnügen können. Die geschichtliche Wirklichkeit erfordert eine Erhellung der Existenz des konkreten Menschen, verlangt als Ergänzung zur Wesensethik eine Existentialethik. Dechanet sagt über Bernhard: „Un autre aspect de la philosophie bernadine... c'est celui qu'on peut appeler ,existentiel'. On emploie ce mot ä dessein. 51 J. Maritain a pu appeler S. Thomas ,le plus existentiel des philosophes' (Sort de l'homme, p. 72) il est clair qu'on ne saurait refuser cette epithete ä S. Bernard. D'authentiques ,existentialistes' chretiens, comme Gabriel Marcel — et, en un sens, Μ. Blondel, qui se disait existentialiste avant la lettre — peuvent du reste se reclamer et se reclament effectivement du saint abbe de Clairvaux"46. Dechanet könnte sich zur Begründung etwa auf folgende 45

48

20

Quem in se videre nullo modo valemus, hunc in servis suis videre iam possumus. Quos dum mira conspicimus agere, certum nobis fit in eorum mentibus Deum habitare . . . Quia ergo solem iustitiae in seipso videre non possumus, illustratos montes claritate illius videamus, sanctos videlicet apostolos ( G R E G O R I U S M A G N U S , Horn, in Ευ. II, 30, 10; MPL 76, 1226 D bis 1227 A). Cf. auch L O S S K Y , a. a. O. S. 250 f. (Tugenden als Kennzeichen). Für die Bedeutung der Tugenden beim Gott-ähnlich-Werden in der antiken Tradition s. M E R K I , Homoiosis Theo, Freiburg Schw. 1952, I. Teil. in Saint Bernard Theologien, S. 57 mit Anm. 5.

Der philosophische Gehalt

Stelle berufen: Docuimus omnem animam, licet oneratam peccatis, vitiis irretitam, captam illecebris, exsilio captivam, corpore carceratam, luto haerentem, infixam limo, affixam membris, confixam curis, distentam negotiis, contractam timoribus, afflictam doloribus, erroribus vagam, sollicitudinibus anxiam, suspicionibus inquietam, et postremo advenam in terra inimicorum, juxta Prophetae vocem, coinquinatam cum mortuis, deputatam cum his qui in inferno sunt (Bar. 3, 11); licet, inquam, sie damnatam et sie desperatam, docuimus tarnen hanc in sese posse advertere, non modo unde respirare in spem vitae, in spem misericordiae queat, sed etiam unde audeat adspirare ad nuptias Verbi, cum Deo inire foedus societatis non trepidet, suave amoris iugum cum Rege ducere angelorum non vereatur. Quid enim non tute audeat apud eum, cuius se insignem cernit imagine, illustrem similitudine novit? Quid, inquam, vereatur de maj estate, cui de origine fiducia datur? Tantum est ut curet naturae ingenuitatem vitae honestate servare; immo caeleste decus, quod sibi originaliter inest, dignis quibusdam studeat morum affectuumque venustare et decorare coloribus. Ut quid enim dormitet industria? Grande profecto in nobis donum naturae ipsa est, quae si minus suas exsequatur partes, nonne quod reliquum habet natura in nobis turpabitur, totum quasi quadam vetustatis operietur rubigine? (i. c. c. s. 83, 1 u. 2). Unter der Voraussetzung, daß für Bernhard die Seele der eigentliche Mensch ist (hierüber wird später noch zu sprechen sein), kann man sagen, daß in diesen Worten die Wesensmerkmale einer Existentialethik intuitiv erfaßt sind. Es kommt das deutlich zur Sprache, was man heute mit Situation bezeichnet: die äußere Lage in ihrer möglichen Mannigfaltigkeit, die Befindlichkeit als Grundverfassung des Menschen in seinem Dasein; die Bindung an das Du des anderen Menschen; endlich der Anruf durch das Du Gottes zur Gemeinschaft der Liebe. Bernhard erkennt aber auch, daß die Selbstverwirklichung des unzerstörbaren Wesens der Seele nicht ohne eine besondere Qualität, nämlich die Vitalität des Einsatzes, erreicht werden kann, ohne die das Wagnis der Selbstverwirklichung scheitern muß. Die These, daß die Christologie Bernhards eine philosophische Anthropologie erfordert, wird noch verständlicher durch eine Klärung des Begriffs der Natur bei Bernhard47. Schmaus erklärt den 47

Eine genaue Definition dessen, w a s der Abt unter „natura" versteht, ist nicht möglich, denn die Anwendung ist sehr ungenau. Natura kann den Bereich des Wirklichen unterhalb des vernünftigen Seins bedeuten, pudet ad negotium honestatis rationem non posse in homine, quod natura possit in volucre (i. c. c. s. 59, 7). Der Begriff meint aber auch einfach die ge-

21

Philosophische Anthropologie bei Bernhard

Begriff der Natur und ihr Verhältnis zur Ubernatur folgendermaßen: Die Natur ist die Gesamtheit der in ihrem Sosein von Gott geschaffenen Dinge, die auf Gott als ihren Urgrund zurückverweisen und seine Schönheit, Macht und Größe darstellen. A l l e Dinge der Natur nehmen teil an Gottes Sein, aber nur an seinem äußeren Leben. Gott bleibt mit seinem innersten, trinitarischen Leben außerhalb seines Schöpfungswerkes48. Die Selbsterschließung Gottes als Offenbarung seines innersten Lebens durch Jesus Christus ist streng übernatürlich, etwas, das über das Wesen, die Kräfte, die Forderungen der Natur hinausgeht (supernaturale est donum naturae indebitum et superadditum)49. Zu dieser Auffassung der neueren Theologie über Natur und Übernatur, wie Schmaus sie darstellt, könnte Bernhard sich nicht bekennen, besonders nicht zu der Meinung, in der Schöpfung werde nur undeutlich Gottes dreipersönliches Leben, nur undeutlich seine gnädige Gesinnung und sündentilgende Macht schaubar50. Nachdem in Christus die Offenbarung des göttlichen Wortes und damit des dreifaltigen Gottes erfolgt ist, findet Bernhard in der Seele sowohl die Logosabbildlichkeit wie die trinitarische Strukturordnung als naturgegeben vor. Von dem im Vordergrund stehenden Gedankengut der Offenbarung hängen die verschiedenen von Bernhard aufgezeigten Strukturordnungen der Seele ab. Das göttliche Wort ist uns geoffenbart als Gottes Kraft und Gottes Weisheit (cf. i.c.c.s. 13, 1). Verbum virtus, Verbum sapientia est. Sumat ergo anima de virtute virtutem, ac de sapientia sapientiam, et uni Verbo utrumque munus adscribat (i. c. c. s. 85, 7). Die auf das göttliche Wort zurückverweisende Struktur der Seele ist ihre Ausschöpfliche Wirklichkeit (ut auctori naturae ingratos faciat, ampliorem ingerit pro natura sollicitudinem — in Ps. Qui habitat s. 14, 5), u. U. in ihrem tatsächlichen Zustand unter dem Gesetz der Sünde, (Spiritus Sanctus donat) robur vitae, ut quod per naturam tibi est impossibile, per gratiam eius non solum possibile, sed et facile fiat (in Festo Pentec. s. 2, 6) Einmal erscheint der Mensch von Natur aus böse, inest enim nobis quasi a natura, magis autem ab exterminio naturae, affectio quaedam pessima et libido nocendi (in Quadrag. s. 6, 1), dann wieder werden die Natur des Menschen und die Verderbnis der Natur scharf gegeneinander a b gegrenzt, porro vias diabolicas a natura hominis alienas esse quis nesciat (in Ps. Qui habitat s. 11,5). Endlich kann eine Gewohnheit zur Natur werden, quod in nonnullis ipsa sibi consuetudo induisse naturam videatur (tbd.). Im allgemeinen meint „natura" aber das Geschöpf in seinem ihm von Gott bestimmten Sosein. In dieser Bedeutung ist der Begriff im folgenden zu verstehen. 48

cf. SCHMAUS, Katholische Dogmatik

49

cf.

50

c f . SCHMAUS,

22

S C H M A U S , α . α . Ο . S . 174 f . α . α. Ο . S .

167.

Bd. II, 1, München 1954, S. 166 f.

Der philosophische Gehalt

rüstung mit Verstand und Willen. Habet et ipsa anima similiter duo labia, quibus osculatur Sponsum suum, id est rationem et voluntatem. Rationis est percipere sapientiam, voluntatis virtutem (de Div. s. 89, 2). Im Hinblick auf die Trinität weist der Abt die trinitarische Strukturordnung — dem hl. Augustinus folgend — nach Verstand, Willen, Erinnerung nach. Utramque vero partem: rationem scilicet et voluntatem, alteram verbo veritatis instructam, alteram spiritu veritatis afflatam; . . . tandem iam perfectam animam . . . gloriosam sibi sponsam Pater conglutinat: ut . . . beata illa anima dicere delectetur, Introduxit me Rex in cubiculum suum. Ibi . . . inter desideratos amplexus suaviter quiescens, ipsa quidem dormit, sed cor eius vigilat, quo utique interim veritatis arcana rimatur: quorum postmodum memoria statim ad se reditura pascatur (de Grad. Hum. et Sup. 7, 21). Bei der Besprechung der Lehre Bernhards von der magnitudo animae als der capacitas aeternorum, die der Seele durch die Schöpfung geschenkt ist (creatio contulit), und der rectitudo animae als der appetentia aeternorum, die durch die Gnade mitgeteilt wird (dignatio contulit), sagt Ries: „Was Bernhard magnitudo oder capacitas animae nennt, dürfte im allgemeinen mit dem zusammenfallen, was die scholastische Theologie als potentia oboedientiails bezeichnet und worunter sie ,eine passive Potenz verstand, kraft deren das Geschöpf den übernatürlichen Impuls Gottes in sich aufzunehmen vermag' (Pohle I, 443 f.), und welche Thomas scharf abgrenzt gegen die passive Potenz der Seele für rein natürliche Einwirkungen"51. Nun legt Schmaus dar, daß es durchaus strittig sei, ob Thomas unter der potentia oboedientialis eine rein passive Potenz verstanden habe. Wie es sich aber auch bei Thomas verhalten mag, es gibt auch — wie Schmaus ausführt — die Auffassung, die Seele sei auf Grund ihres naturgegebenen Wesens auf die übernatürliche Gemeinschaft mit Gott, d. h. also auf die Teilnahme am himmlischen Leben Gottes hingeordnet und für die übernatürliche Erhebung und Erleuchtung von Natur aus besonders befähigt52. Die appetentia aeternorum als das von der Gnade bewirkte Suchen und Finden des göttlichen Wortes (quaerere et sapere quae sursum sunt)53 zwingt keineswegs zu der Deutung der magnitudo animae als einer passiven Potenz. Bernhard ist vielmehr der Auffassung, daß der Mensch aus sich heraus die Grenzen der Natur überschreiten kann (supra naturam transilire — de Div. 51

R I E S , Das geistliche Leben in seinen Entwicklungsstufen des hl. Bernhard, Freiburg 1906, S. 87 Anm. 2.

52

c f . S C H M A U S , a. a. O.

53

cf. i. c. c. s. 80, 3.

S.

nach der

Lehre

186.

23

Philosophische Anthropologie bei Bernhard

s. 16, 6). Inest omni utenti ratione naturaliter pro sua semper aestimatione atque intentione appetere potiora (de Dil. Deo 7, 18). Als Ende der naturhaften Aufwärtsbewegung gibt Bernhard an: Demonstrare satagimus, eos quoque qui Christum nesciunt, satis per legem naturalem ex perceptis bonis corporis animaeque moneri, quatenus Deum propter Deum et ipsi diligere debeant (de Dil. Deo 2, 6). Der Mensch erreicht mit den Kräften seiner Natur die dritte Stufe der Liebe, auf die die letzte folgt, die dem Menschen die Deificatio mitteilt. Zur dritten Stufe der Liebe gelangt, hat der Mensch aber die Grenzen des „Natürlichen" durch die der Natur innewohnende Kraft schon überschritten und steht an der Schwelle, jenseits welcher durch die Gnade Christi in einer wunderbaren Durchdringung von Selbstlosigkeit und Lebenssteigerung54 die Vollkommenheit erreicht wird, wenn der Mensch sich nicht mehr liebt, es sei denn Gottes wegen (cf. de Dil. Deo 10, 27—28). Das Reich des nur Natürlichen findet sich auf der untersten Stufe der Liebe, des amor carnalis. Natürlich ist es, seiner schwachen und gebrechlichen Natur zu Diensten zu sein, imperante necessitate; natürlich ist, den Notwendigkeiten des Mitmenschen abzuhelfen, in dem man einen consors naturae erkennt; schließlich ist der Mensch von Natur aus zur Gottesverehrung bestimmt, da er in Gott seinen Schöpfer und Erhalter erkennt, ut habeat iugiter necessarium protectorem, quem habuit et conditorem (cf. de Dil. Deo 8, 23—25). In de Div. s. 16 wird das naturgemäße Leben der untersten Stufe der Liebe in breiterer Ausführlichkeit beschrieben. Zusammenfassend sagt Bernhard: Ita ergo et sanitatem corpori, puritatem cordi, pacem fratri, imitationem sanctis, compassionem mortuis debemus; auxilium ab angelo, pietatem a Deo ex area naturalium bonorum habere debemus et quaerere (n. 4). Sowohl in de Dil. Deo 8, 23 wie in de Div. s. 16, 1 spricht Bernhard davon, daß der Mensch durch ein naturgemäßes Leben der gratia naturae teilhaftig wird, indem er so den ersten Schritt des Aufstiegs bis zu jener Schwelle der Deificatio vollbringt. Es sei noch einmal betont, daß Bernhard niemals lehrt, der Mensch könne aus sich vollkommen werden. Auch nach ihm ist es „reine Gnade, wenn Gott der Natur diese letzte Vollendung schenkt, auf die sie angelegt ist"55. Das wird z. B. deutlich pro Dom. I in Nov. s. 5, 8 gesagt. Der Abt versteht unter den beiden der sechs Schwingen, mit denen die Seraphe der Isaiasvision (Is. 6,1—2) schweben, die Flügel der Natur und der Gnade. Von Luzifer heißt 54

c f . M A U S B A C H , α. α. Ο.

55

SCHMAUS, α . α . Ο . S .

24

I, S . 186.

181.

Bernhards Stellungnahme zur Wissenschaft

es dann: Sustulit eum naturae vivacitas, sed in suam plane perniciem, quippe quem defectus gratiae mox deiecit (ibd.). Bernhard weiß durch die Inkarnation, wieviel Gott am Menschen gelegen ist, ipsi cura est de nobis. Num de virgultis cura est Deo? Homines, non arbores, amat Homo-Deus, et nostros profectus suos fructus reputat (i. c. c. s. 63, 5). Non est apud Verbum otiosa animae generosa cognatio . . . Dignanter admittit in societatem spiritus similem in natura (i. c. c. s. 82, 7). Er weiß aber auch, daß der Mensch Gott entgegengehen kann und muß. Aber dazu ist es notwendig, daß der Mensch sich selbst kennt, seine ihm von Gott geschenkte Natur versteht und begreift, wie er sich in der gegenwärtigen Bedrängnis (tribulatio praesens — in Ps. Qui habit, s. 7, 1) bewähren kann. Für Bernhards Denken gilt voll und ganz, was Lortz über die fließende Grenze zwischen Natur und Übernatur in der Theologie des 12. Jahrhunderts feststellt: „In diesem Zusammenhang gewinnt die Entwicklungsstufe, die die Theologie im XII. Jahrhundert darstellt, ihren besonderen Wert: sie scheidet z.B. noch nicht so scharf zwischen Natur und Übernatur wie das XIII. Jahrhundert. Das Natürliche gilt noch als ein Element, das darauf hingeordnet ist, in das Übernatürliche einzugehen: celsa creatura, in capacitatem quidem majestatis (Cant. 80, 2), oder: palam est affinitas naturarum (Cant. 81, 2)" 5β .

3. S t e l l u n g u n d B e d e u t u n g d e r bei Bernhard

Wissenschaft

Hatte die Besprechung einiger christologischer Aussagen, des Verhältnisses von Natur und Übernatur und der Frage der potentia oboedientialis gezeigt, daß die Theologie Bernhards eine philoso56

in L O R T Z , a. a. O. S. XXXVI. Für die „fließenden Grenzen" zwischen Natur und Übernatur bei Denkern, die auf Bernhard Einfluß hatten, s. L I E S K E , a. a. O. S. 151 f. (Origenes sei sich des Wesensunterschiedes zwischen dem natürlichen und übernatürlichen Leben reflex nicht klar gewesen. Die unmittelbare Berührung mit dem göttlichen Wort sei dem nous naturgemäß.) M E R K I , a.a.O. S. 96 u. 116 (Gregor v. Nyssa halte das übernatürliche Leben des Christen für den naturgemäßen Zustand); LOOSEN, α. α. Ο. S . 77 (für Maximus Conf.). Audi W I L H E L M V. S T . T H I E R R Y , dem Freund Bernhards, ist „die spätere Art der Trennung von Natur und Übernatur fremd. Er betont etwa, daß mönchische Askese den Charakter des .Natürlichen' habe, weil sie der Wiedererreichung des der Menschennatur eingeschaffenen Gottesbildes dient" (H. U. v. B A L T H A S A R in Wilh. v. St. Thierry, Gott schauen — Gott lieben, Einsiedeln 1961, S. 15). (Amor) qui incorruptus et in sua permanens natura ad te solum est domine, cui soli amor debetur (De contempl. Deo 8, ed. H O U R L I E R , Paris 1959, S. 88). Für Hugo v. St. Viktor s. S C H L E T T E , Die Nichtigkeit der Welt, München 1961, S. 33 f.: „Nicht das Vermögen zur Gottesschau ist übernatürlich, sondern das Unvermögen unnatürlich" (34).

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Philosophische Anthropologie bei Bernhard

phische Anthropologie erfordert, so kann diese These durch eine Darstellung seiner Stellungnahme zur Wissenschaft57 unterbaut werden. In Bernhards Schriften findet man an wenigen Stellen das Wort Philosophie, einmal das Wort philosophieren. De Considerat. 3, 4, 15 wird festgestellt, daß eine bestimmte Lehre Traditionsgut der christlichen Philosophie ist. De Considerat. 5, 2, 3 wird gesagt, daß man durch Philosophieren vom Sichtbaren zum Unsichtbaren aufsteigt. Diesen Schritt vom Sichtbaren zum Unsichtbaren nennt der Abt repatriare (ibd. 5, 1, 1); die Verbannten versuchen auf der Leiter des Philosophierens zur Heimat zurückzukehren (exire de patria corporum in regionem spirituum — cf. ibd. 5, 1, 2). Nachdem Bernhard seinem Schüler Eugen III. die ersten Ratschläge über die rechte Art, das Oberhirtenamt zu verwalten, erteilt hat, fragt er: Quid tarnen, si te philosophiae huic totum repente devoveris (ibd. 1, 9, 12)? Die zuerst erwähnte Stelle ist wohl ohne besondere Bedeutung. Was Bernhard sonst unter Philosophie (bzw. philosophieren) versteht, läßt sich gut aus i. c. c. s. 43, 4 ablesen. Dort heißt es: haec mea subtilior, interior philosophia, scire Jesum, et hunc crucifixum. Diese Philosophie gibt Sicherheit auf dem Wege, den der Gläubige zu Gott geht (inter laeta tristiaque vitae praesentis via regia incedere — ibd.). Philosophie ist also die Kunst der Lebensführung, und zwar in verschiedenem Sinne: als Bewältigung der täglichen Aufgaben und Pflichten; als Hinordnung und Streben zum letzten Ziel; als Geborgenheit und sichere Hoffnung des Gläubigen in Jesus Christus. Pieper58 hat recht, wenn er sagt, „daß Bernhards leidenschaftliches und wahrhaft philosophisches' Interesse letzten Grundes allein auf Verwirklichung' zielt, auf das ungeschmälerte Heil-sein der Existenz im Ganzen". Das Wort Philosophie taucht bei Bernhard verhältnismäßig spät auf. I. c. c. s. 43 dürfte 1139/40 gehalten worden sein, de Considerat. wurde 1149 begonnen. Das mit dem Wort Gemeinte stimmt aber genau mit dem überein, was der Abt sonst mit anderen Formulierungen zum Ausdruck gebracht hat, so z. B. in Festo Petri et Pauli s. 1, 3: Quid ergo docuerunt vel docent nos apostoli sancti? ... Docuerunt me vivere. Putas, parva res est scire vivere. Magnum aliquid, imo maximum est50. 57

s. a u c h : GRABMANN, a. a. O. I I , S. 105 ff.; KLEINEIDAM i n LORTZ, a. a. O. S . 128 b i s 167; RIES, α. α. Ο.

S . 1 FF.

58

PIEPER, Scholastik,

59

Von hier aus erklärt sich, was Bernhard meint, wenn er sein Kloster eine „Schule" nennt (z.B. schola spiritus — in Festo Pentec. s. 3, 5). Zum B e -

26

S. 121.

Bernhards Stellungnahme zur Wissenschaft

Zu der Philosophie als Kunst der Lebensführung gehört nun die rechte Wissenschaft. Sie bewahrt vor Irrtum. Alioquin facillime zelo tuo spiritus illudet erroris, si scientiam negligas: non habet callidus hostis machinamentum efficacius ad tollendam de corde dilectionem, quam si efficere possit, ut in ea incaute et non cum ratione ambuletur (i. c. c. s. 19, 7). Die Wahrheit verleiht sicheren Stand (stabilis certitudine veritatis — cf. i. c. c. s. 33, 8), und das Erforschen der Hl. Schrift (si in his scrutandis, tamquam quibusdam Spiritus Sancti apothecis, curiosus exsisto — i. c. c. s. 16, 1) befruchtet das Herz, nec Studium tarn esse mihi ut exponam verba, quam ut imbuam corda (ibd.). Ähnlich wird i. c. c. s. 36, 3 gesagt: Et sunt item qui scire volunt, ut aedificentur: et prudentia est. Wenn so das Wissen und die Wissenschaft ihre Funktion in der Kunst der Lebensführung ausüben, die darin besteht, daß man zur Einsicht kommt, um gut zu handeln, dann wird das Wissen um das Gute selbst gut, ipsa de bonis quae noverit, vita attestante et moribus, bona efficiatur (ibd. n. 4). An sich hält Bernhard Wissen und Wissenschaft f ü r etwas Gutes. Est autem, quod in se est, omnis scientia bona, quae tarnen veritate subnixa sit (ibd. n. 2). Non tarnen dico contemnendam scientiam litterarum, quae ornat animam et erudit eam, et facit ut possit etiam alios erudire (i. c. c. s. 37, 2). Es gibt aber f ü r Bernhard drei grundlegende Einsichten, die das Verhältnis zur Wissenschaft sowie Ordnung, Eifer und Zweck des Wissens (cf. i. c. c. s. 36, 2) näher bestimmen. Zunächst beginnt alles Wissen mit der Selbsterkenntnis, quoniam quod nos sumus primum est nobis (i. c. c. s. 36, 5). In dieser Selbsterkenntnis wird die Seele sich ihres Elendes bewußt. Nonne ita se intuens clara luce veritatis, inveniet se in regione dissimilitudinis? (ibd.). Die Selbsterkenntnis ist aber zugleich auch der erste Schritt zur Heilung der Seele, et est quaedam praeparatio ad aedificandum (ibd.f. griff „schola" im Benediktinertum s. MOLITOR, Anfänge des Benediktinertums in Vir Dei Benedictus, Münster 1947, S. 113 ff.: „So verstehen Wir das Wort bei Benedikt wohl am besten v o n einer Lehr- und Erziehungsgemeinschaft . . . zum Zweck, das wahre Gottdienen und Gottgehören durch gesteigerte, gemeinsame Anstrengungen in uns zu verwirklichen" (115). S. a. GILSON, Die

60

Mystik,

S. 98 ff. u. BALTHASAR, Philosophie,

Chri-

stentum, Mönchtum, in Sponsa Verbi, Einsiedeln 1961, w o gezeigt wird, daß wahres Christenleben „sinnverstehendes Dasein", d. h. Philosophie, ist, „das die Richtung von der Peripherie zur Mitte hin einschlägt" (S. 362) und im Mönchtum seinen vollkommensten Ausdruck findet. Die regio dissimilitudinis beschreibt der Abt folgendermaßen: (animam) oneratam peccatis, mole huius mortalis corporis aggravatam, terrenis intricatam curis, carnalium desideriorum faece infectam, caecam, curvam, infirmam, implicitam multis erroribus, expositam mille periculis, mille

27

Philosophische Anthropologie bei Bernhard

Die zweite grundlegende Einsicht gewinnt Bernhard aus der Betrachtung der Welt. Dreierlei kann man an ihr erwägen: quid sit, quomodo sit, ad quid constitutus (in Festo Pentec. s. 3, 3). Der Zweck der Schöpfung besteht im Nutzen der Menschen, indem sie ihnen hilft, Gott zu suchen und dadurch zur Vollendung zu kommen (cf. ibd. n. 4). Wer seine Aufmerksamkeit ganz auf den Zweck der Schöpfung richtet (intenderunt aciem mentis, ut ad quid facta sunt viderent — ibd.), ist klüger als derjenige, der die Welt nur unter den beiden anderen Gesichtspunkten betrachtet, weil er sein Heil bedenkt und sich nicht mit Geringerem zufrieden gibt, non cibo parvissimo vilissimoque contentus (cf. ibd. n. 3). Bedenkt der Mensch nun drittens noch die Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit, so wird ihm deutlich, daß er wohl auswählen muß aus dem, was er wissen kann, um nur das sich anzueignen, was er seines Heiles wegen wissen muß. Tu qui cum timore et tremore tuam ipsius operari salutem pro temporis brevitate festinas, ea scire amplius priusque curato, quae senseris viciniora saluti (i. c. c. s. 36, 2). Bernhards sehr scharfe Urteile über die Wissenschaft sind nicht nur, wie Pieper61 feststellt, von seiner Stellungnahme im Streit um die Dialektik her zu verstehen, sondern auch von der ihn vor allem beschäftigenden Sorge um das Heil des Menschen her. Dieser braucht unter dieser Hinsicht keine Kenntnis des artes liberales — quamvis honestioribus et utilioribus discantur studiis et exerceantur (cf. i. c. c. s. 36, 1) —, es ist für den Menschen auch unwichtig zu erforschen, quonam modo mundialis haec machina volveretur (in Festo Pentec. s. 3, 4)62. Sein Schimpfen über die argutias Piatonis et versutias Aristotelis (ibd. n. 5 u. in Festo Petri et Pauli s. 1, 3)es erklärt sich daraus, daß der Abt für den Geist, der vieles bedenkt, die Gefahr der Zerstreuung und Ablenkung von dem einen Notwendigen als gegeben sieht. (Intellectus) tunc vere deprimitur, cum timoribus trepidam, mille difficultatibus anxiam, mille suspicionibus obnoxiam, mille necessitatibus aerumnosam, proclivem ad vitia, invalidem ad virtutes (i. c. c. s. 36, 5). Cf. auch die früher zitierte Stelle i. c. c. s. 83, 1—2. " cf. P I E P E R , Scholastik, S . 1 2 0 f. *2 Ähnlich H U G O V. S T . V I K T O R : Quid ergo prodest homini, si rerum omnium naturam subtibiliter investiiget, efficaciter comprehendat; ipse autem unde venerit, aut quo post hanc vitam iturus sit non consideret, nec intelligat? (DVM I; MPL 176, 710 C) 63 Bernhards an vielen Stellen seiner Werke auftauchende Äußerungen über die Philosophen erinnern sehr an Petrus Damiani (cf. K O L P I N G , Petrus Damiani, Das Büchlein vom Dominus Vobiscum, Düsseldorf 1949). 28

Bernhards Stellungnahme zur Wissenschaft m u l t a cogitat, c u m n o n colligit se circa i l l a m u n a m e t u n i c a m m e d i t a t i o n e m (in Asc. Omni s. 3, 1). D i e s e E i n o r d n u n g in das G a n z e des Lebensvollzuges" 4 gibt der Wissenschaft ihren m o d u s und ihren ordo. N o n n e m e d i c i corporum m e d i c i n a e portionem d i f f i n i u n t eligere in s u m e n d i s cibis, quid prius, quid posterius, e t ad q u e m m o d u m q u i d q u e s u m i oporteat? N a m , etsi bonos constat esse cibos quos D e u s creavit, t u tarnen ipsos tibi, si in s u m e n d o m o d u m et o r d i n e m n o n observes, reddis p l a n e n o n bonos. Ergo quod dico de cibis, hoc sentite de scientiis (i. c. c. s. 36, 2). Worin b e s t e h t der m o d u s d e s Wissens? D e r Mensch soll durch das W i s s e n w e i s e w e r d e n , d. h. er darf nicht nur e i n e Sache w i s s e n , sondern er m u ß m i t seiner g a n z e n menschlichen E x i s t e n z e r g r i f f e n sein u n d durch das W i s s e n z u m Leben, z u m T u n e n t f l a m m t w e r d e n : D o c u e r u n t m e vivere. Ein W i s s e n u m des W i s s e n s w i l l e n ist zu w e n i g , w e i l es nicht d e m Heil der menschlichen E x i s t e n z dient, ist deshalb d e m Menschen schädlich. W e n n aber d i e Wissenschaft d e n Menschen zur W e i s h e i t führt, hat sie i h m e i n e n R e i c h t u m v e r m i t 64

„Die Ausbildung dürfe sich nicht nur auf den Intellekt beziehen, sondern auf den ganzen Menschen, vornehmlich auf die Willenskräfte. Das Bildungsgut sei nutzlos, ja gefährde den Menschen, wenn es nicht zugleich auf seine sittliche Besserung, seine religiöse Vertiefung und persönliche Annäherung an Gott ziele" ( R O H B E C K , Bernhard v. Clairvaux — Gestalt und Idee, Warendorf 1949, S. 20). „Der ganze Mensch muß umgeformt werden. Bernhard hat sich darum stets gegen die Isolierung des Denkens oder der Liebe im religiösen Leben gesträubt, nicht aus irgendeiner Neigung zum Irrationalismus — die ratio gilt ihm als die höchste Kraft des Menschen; ratio heißt bei ihm Verstand, der Verantwortung trägt —, sondern um den ungeteilten ganzen Menschen zu retten" ( K L E I N E I D A M , in L O R T Z , a. a. O.

S.

151).

Wie sehr Bernhards Interesse immer dem ganzen Menschen gilt, läßt sich an Beispielen zeigen, in denen Bernhard über Anselms „Credo ut intelligam" hinausgeht. K L E I N E I D A M macht auf Ep. 1 8 , 2 aufmerksam (in L O R T Z , a.a.O. S. 155): Si enim adhuc absentee initiat fides, et desiderium, praesentes profecto consummat intellectus et amor . . . Et sicut dicitur: Nisi credidenitis, non intelligetis (Isai. VII, 9, sec. LXX): Sic dici aeque non absurde potest, Si non desideraveritis, non perfecte amabitis. P I E P E R schreibt: „Am Ende seines Lebens . . . gibt er so etwas wie eine zusammenfassende Abkürzungsformel seiner gesamten Lebensansicht. Sie findet sich in den letzten Ansprachen über das Hohelied ... und besteht aus nur drei Worten: anima quaerens Verbum. In ihrer Fügung kehrt die Struktur des anselmschen fides quaerens intellectum wieder. Nur ist das Begriffliche von .Glaube' und .Einsicht' ersetzt durch die der konkreten Existenz näheren Namen ,Seele' und ,Wort"' (Scholastik, S. 122). Man kann die Beobachtung von Kleineidam und Pieper noch durch eine Formulierung aus i. c. c. s. 84, 7 ergänzen: Credant quod non experiuntur, ut fructum quandoque experientiae, fidei merito consequantur. 29

Philosophische Anthropologie bei Bernhard

telt, der f ü r sein Leben von größter Bedeutung ist. Instructio doctos reddit, affectio sapientes. Sol non omnes, quibus lucet, etiam calefacit: sic Sapientia multos, quos docet quid sit faciendum, non continuo etiam accendit ad faciendum. Aliud est multas divitias scire, aliud et possidere: nec notitia divitem facit, sed possessio (i. c. c. s. 23, 14)65. Der ordo des Wissens ist vom Ziel des Menschen bestimmt. Dieses Ziel ist Gott, die Vereinigung des Menschen mit ihm und die damit gegebene Erfüllung des Menschen. Alles Wissen m u ß diesem Ziel ein- und untergeordnet sein. Es ist deshalb durchaus möglich, daß der Mensch darauf verzichtet, dieses oder jenes zu wissen, weil dieses bestimmte Wissen dem letzten Ziel nicht dient. Sed prius quaerendum existimo, sitne ignorantia omnis damnabilis. Et mihi quidem videtur non esse, — neque enim omnis ignorantia damnat —, sed multa et innumerabilia esse, quae nescire liceat absque diminutione salutis (i. c. c. s. 36, 1). Die Darstellung von Bernhards Stellungnahme zur Wissenschaft hat also das Ergebnis des vorausgegangenen Abschnittes voll und ganz bestätigt. Gegenüber der entscheidenden Frage nach dem Heil des Menschen und nach seiner Erhöhung ist das meiste Wissensgut wertlos und indifferent, cetera indifferentia sunt, nec salutem, si sciantur, nec damnationem, si nesciantur habentia (i. c. c. s. 37, 1). An dieser Grundposition ändert auch die Bedeutung nichts, die Bernhard der Wissenschaft gewissermaßen in zweiter Linie beimißt ee . Wie jedoch die Selbsterkenntnis als eine scientia contristans (cf. i. c. c. s. 36, 2) den Menschen sich seiner Heilsbedürftigkeit überhaupt erst bewußt werden läßt, so bleibt eine umfassende Kenntnis seiner selbst, verbunden mit dem rechten Wissen u m den Zweck der Schöpfung, auch Grundlage f ü r alle Bemühungen des Menschen, das Heil zu erlangen. 65

Eitle gute Formulierung des Gemeinten bei B A L T H A S A R , Aktion und Kontemplation, in Verbum Caro, Einsiedeln 1960, S. 251: „Die Wahrheit, das Kontemplative und Empfangene, ist in doppelter Hinsicht zugleich aktiv: einmal als der immanente Akt des Geistes sowohl im Diskursiven wie in der intellektuellen Schau, dann aber sofern ein Verstand ohne Wille nicht denkbar ist, Wille und Verstand sich vielmehr gegenseitig voraussetzen, und, was daraus unmittelbar folgt, weil die Wahrheit ebensosehr getan als geschaut sein will. Das ist der wahre Sinn vom existentiellen Charakter der Wahrheit, die man erst wirklich besitzt, wenn man sie tut, sie nicht nur begrifflich eingesehen hat, sondern durch sein ganzes Sein und Leben ausdrückt".

66

Eine Zusammenstellung der Gesichtspunkte für die Bedeutung der „Wissenschaft in zweiter Linie" bei K L E I N E I D A M , in L O R T Z , a. a. O. S. 1 4 6 : 1 . Abwehr der Irrlehren; 2. Unterrichtung der simplices, die eine klare Herausarbeitung der Grundbegriffe des Christentums erfordert; 3. Schmuck der Seele.

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II. DER SOKRATISMUS BERNHARDS Quod nos sumus primum est nobis (i. c. c. s. 36, 5). Die Tatsache, daß der Mensch zuerst vor sein Selbst gestellt ist, daß er im Denken und Handeln von sich auszugehen hat, hat Bernhard öfter betont. Agamus fratres, gratias factori nostro, benefactori nostro . . . Primum quod nobis praestitit, nos ipsi sumus (in Ps. Qui habitat s. 14, 1). Hic nempe dignus est et rationi consentaneus ordo, ut incipiendum tibi memineris a te ipso (in Nat. S. Joan. Bapt. s. n. 9). Es zeigt sich, daß der christliche Sokratismus der Angelpunkt im System des hl. Bernhard ist. Darunter ist die Selbsterfahrung, Selbstprüfung und Selbstgewißheit der Seele zu verstehen. Der Ausdruck stammt von Gilson1, der aber darauf hinweist, daß eine genaue Geschichte der mit dieser Bezeichnung gemeinten Erscheinung des Geisteslebens noch aussteht 2 . Dieser Sokratismus ist ein philosophischer Ansatz, wie Lortz richtig feststellt: „In einer besonderen Art hat die Mystik das Erkennen dessen, was der Mensch eigentlich sei, zu einem Zentralmotiv erhoben. In dem Sinne, daß dies Ausgangspunkt und Unterlage allen christlichen Strebens sein sollte, hat Bernhard den Durchbruch vollzogen. Und dies war trotz der entscheidenden Ansätze im Neuen Testament keineswegs selbstverständlich" 3 . Wenn man auch mit guten Gründen daran zweifeln kann, daß erst Bernhard dem Sokratismus zum Durchbruch verholfen hat, so hat Lortz doch damit recht, daß er auf die antike Philosophie4 als den Ursprung desselben aufmerksam macht. Bernhard weist uns selbst den Weg, wenn er sagt: Cautus, juxta illud Graecorum, scire meipsum (i. c. c. s. 23, 9)5. Bernhard legt also dem Menschen die Pflicht der Selbsterkenntnis auf und wird damit der Erbe einer alten Tradition. „Sie nahm ihren Anfang bei den Griechen, bekam 1 2 3

4

5

Die Mystik, S . 6 5 . G I L S O N , Die Mystik, S. 2 5 8 Anm. 8 8 . L O R T Z in L O R T Z , α. α. Ο. S. X X X V I I . „Auch hier kommt uns die Klärung der Quellenfrage zu Hilfe: die Verbindung nach rückwärts zu den Stoikern erinnert uns daran, daß es für die Stoiker eine Grundkraft gibt, das conservans sui" ( L O R T Z , A. A. O . S. X X X V I I ) . S. hierzu G I L S O N , Die Mystik, S. 2 5 9 Anm. 8 9 . Vor Ambrosius hat übrigens schon O R I G E N E S gesagt, daß der Delphische Orakelspruch biblischen Ursprungs sei: Unius Chilonis scilicet ex septem quos apud Graecos singuGILSON,

31

Der Sokratismus Bernhards

aber ihre Richtung von den Kirchenvätern'". Man wird natürlich zuerst an Augustinus denken wollen, bei dem Bernhard für seinen Sokratismus in die Schule gegangen sein könnte. Und in der Tat, was R. Schwarz von Augustinus schreibt, hat Gültigkeit auch für den Abt von Clairvarx: „Wohl findet jene ,Grenzseele' einen psychologisch — ,lebendigen' Ansatzpunkt in der Selbstgewißheit der Seele, was freilich niemals in einer Ebene mit Descartes' cogito ergo sum genannt werden darf, — doch kann dies nicht für sich gesehen werden ohne jenen theozentrischen Schwerpunkt eines Ringens um die absolute Substanz, die spiritualis substantia"'7. Aber auch bei den griechischen Vätern, deren Einfluß auf Bernhard bekannt ist, findet sich die gleiche Erscheinung des Sokratismus. „ . . . erklärt sich auch ohne weiteres die große Bedeutung, die die Selbsterkenntnis in diesem Zusammenhang hat. Es ist hinlänglich bekannt, daß diese Anschauung vom Geiste griechischer Ethik gestaltet ist und damals gleichsam in der Luft lag. Finden wir sie doch auch bei den beiden anderen kappadozischen Vätern vertreten"8. lares fuisse in sapientia fama concelebrat, haec inter caetera mirabilis fertur esse sententia, qua ait: Scito teipsum, vel Cognosce teipsum. Quod tarnen Salomon, quem praecessisse omnes hos tempore et sapientia ac rerum scientia in praefatione nostra docuimus, ad animam . . . loquens dicit (Comm. in Cant. Cant. 2; MPG 13, 123 Β). Für die Benutzung des Orakelspruches durch Gregor V . Nyssa s. E . G I L S O N — P H . B Ö H N E R , Christliche Philosophie von ihren Anfängen bis Nikolaus von Cues, Paderborn 3 1954, S. 110. Es sei auch darauf hingewiesen, daß der Sokratismus in die Schriftstellen, die in der christlichen Literatur zu seiner Begründung angeführt werden, vielfach hineingelesen ist. Verständlich ist noch, wenn A M B R O S I U S sich Hexam. VI; ΜPL 14, 273 f., verschiedentlich auf Deut. 4, 9 beruft: Custodi igitur temetipsum, et animam tuam solicite. Aber immerhin enthält die Stelle eine Ermahnung, das Gesetz zu halten und so das Leben zu retten; denn die Nichtbeachtung des Gesetzes bringt Untergang und Tod. Wenn Bernhard sich aber de Considerat. 1, 5, 6 und i. c. c. s. 18, 4 (Cui non alienus, si tibi es? Denique qui sibi nequam, cui bonus? Memento proinde, non dico semper, non dico saepe, sed vel interdum reddere te ipsum tibi.) auf Sir. 14, 5 bezieht, dann ist der sensus accommodatus schon ziemlich weit getrieben; denn an der betreffenden Stelle steht die Aufforderung, sich selbst zuerst von den Gütern der Erde etwas zu gönnen, was ja dem Geist des christlichen Sokratismus genau entgegengesetzt ist: Qui sibi nequam est, cui alii bonus erit? et non iucundabitur in bonis suis. 6 7

8

32

Die Mystik, S . 6 5 . Die leib-seelische Existenz bei Aurelius Augustinus, in Phil. Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 6 3 ( 1 9 5 5 ) 2 , S . 3 2 4 . V Ö L K E R , Gregor von Nyssa als Mystiker, Wiesbaden 1 9 5 5 , S. 1 0 9 . Für den Sokratismus der Kirchenväter s. auch S T E L Z E N B E R G E R , α. α. Ο. S . 2 9 4 — 2 9 7 ; GILSON,

SCHWARZ,

Der Sokratismus Bernhards

E. Hoffmann ist der Entstehung des Sokratismus nachgegangen und führt zur Erklärung dieser Erscheinung eine Reihe von Gründen an. Die im Hellenismus entstehenden Philosophien waren gefür Origenes s. H. R A H N E R , α. α. Ο . S. 221 f.; f ü r Hugo v. St. Viktor s. S C H L E T T E , a. a. O. S . 87 ff. Für A M B R O S I U S ist der Weggang des verlorenen Sohnes in fremdes Land gleichbedeutend mit Selbstvergessenheit. Peregre profectus est in regionem longinquam. Quid enim longinquius quam a se recedere? (Expos, in Luc. 7, 19, 214; MPL 15, 1847 A). Sicherlich ist Bernhard auch von G R E G O R D. G R . beeinflußt. Wie für alle genannten Kirchenväter ist die Selbsterkenntnis der Ausgangspunkt: Prima ergo nos cogitatio in inquisitionem nostri cordis debet excutere (Horn, in Ezech. I, 5, 3; MPL 76, 822 C). Selbsterkenntnis führt zur Demut: Vera autem scientia afficit, non extollit; nec superbientes quos repleverit, sed lamentantes facit. Qua quisque cum repletus fuerit, primo loco se scire appetit; et iam sui conscius, tanto per illam robustius sapit, quanto se infirmum in illa verius recognoscit (Mor. 23, 17, 31; MPL 76, 270 A). Wenn der Papst von Johannes d. T. sagt: qui, cum tantae virtutis esset, ut Christus credi potuisset, elegit solide subsistere in se, ne humana opinione raperetur inaniter super se (Horn, in Εν. I, 7, 1; MPL 76, 1099 C), meint man die Mahnung Bernhards an Eugen III. zu hören: Haec te sane consideratio tenet in te: nec a te avolare sinit, non ambulare in magnis, neque in mirabilibus super te. In te consistito. Non infra dejici, non attolli supra, non evadere in longius, non extendi in latius (de Considerat. 2, 10, 19). Mit dieser Mahnung vergleiche man Bernhards Vorwurf gegen Abaelard: Homo est egrediens mensuram s u a m . . . Nihil nescit omnium quae in coelo et quae in terra sunt, praeter se ipsum (Ep. 193). Besonders sei noch auf B O E T H I U S hingewiesen, den Bernhard gekannt und benutzt hat. Außer an den von G R A B M A N N , α. α. Ο. I, S. 175 Anm. 1 und R I E S , a. a. O. S. 16 Anm. 1 genannten Stellen wird de Div. s. 29, 1 De consol. philos. lib. 1, v. 1 — Qui cecidit, stabili non erat ille gradu — wörtlich zitiert. De consol. philos. enthält einige schöne, den Sokratismus betreffende Stellen. Die Verwirrung und Niedergeschlagenheit des Boethius erklären sich aus einer gewissen Selbstvergessenheit, sui paulisper oblitus est (42), quid ipse sis, nosse desisti (70). Wenn Boethius sich verloren und im Elend fühlt, so hat er allein sich selbst in das Elend getrieben, sd te pulsum existimari mavis, te potius ipse pepulisti. Nam id quidem de te numquam cuiquam fas fuisset (64). Boethius wird wieder ruhig sein, wenn er sich des eigenen Wertes bewußt geworden ist. Ostendam breviter tibi summae cardinem felicitatis. Estne aliquid tibi te ipso pretiosius? (94) Die Selbsterkenntnis ist die Voraussetzung für die Würde des Menschen gegenüber allen Dingen, die Selbstvergessenheit erniedrigt den Menschen unter das Tier — ein Gedanke, der bei Bernhard immer wiederkehrt (ζ. B. i. c. c. s. 35, 8) und der in der christlichen Literatur unter dem Einfluß Philons seit Origenes überhaupt eine große Bedeutung hat (cf. H. R A H N E R , a. a. O. S. 222 f.). Nam ceteris animantibus sese ignorare naturae est, hominibus vitiö venit (104). Schließlich ist das rechte Selbstbewußtsein des Geistes die Voraussetzung für den Anstieg zu Gott. Sin vero bene sibi mens conscia terreno carcere resoluta caelum libera petit, nonne omne terrenum negotium spernat, quae se caelo fruens terrenis gaudet exemptam? (120) (Die Zitate sind mit Seitenangaben der benutzten Ausgabe angeführt.)

3

Hiss

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Der Sokratismus Bernhards

prägt durch die Umwelt, in der sie aufkamen. Die charakteristischen Merkmale dieser hellenistischen Epoche sind der politische Zerfall Griechenlands und die religiöse Entwurzelung der Völker; ferner das Bewußtsein von einer übernationalen Solidarität alles Menschentums als solchem, das aus der Philanthropie der griechischen Klassik geboren wurde. „Er flüchtete jetzt vor den Nöten der Umwelt ins Menschliche, in sein eigenes Innere; und daß er dies konnte, daß ein solch inneres Selbst inhalterfüllt, bewußt und personell geworden war, daß es ein ,ich' gab, welches sich etwas zu sagen hatte und sich selbst genügen wollte, dies war das Erbe der gesamten geistigen Kultur Griechenlands mit dem unendlichen Reichtum ihrer Bildungsgüter: Als der politische und religiöse Verfall eintrat, erstand das Bewußtsein des Ich wie der Phönix aus der Asche"9. Dieses Lebensgefühl ist von großem Einfluß auf das Christentum und insbesondere auf die Gestaltung der christlichen Literatur gewesen. Die Christen erleben selbst den Zusammenbruch des Imperium Romanum und die Wirren der Völkerwanderung. Molitor10 schildert die Entstehung des Benediktinerordens vor dem Hintergrund der zerfallenden Welt der Antike.. Benedikt habe als Student die den Verfall schlecht verhüllende Scheinblüte Roms (aridus mundus cum flore11) erlebt. Das habe in ihm die Entscheidung reifen lassen: „Aus einer überstürzten Unrast flieht er in eine in Gott verwurzelte Stabilität des Geistes und Herzens. Aus sündhafter Gottfremde in ein berufsmäßiges Gottsuchen und zur Rückkehr zu Gott"12. Die christlichen Schriftsteller dieser Zeit werden auf Grund ihrer Erfahrung veranlaßt, vom „Greisenalter" der Welt zu sprechen13. Jedoch hat nicht nur das eigene Erleben der christlichen Schriftsteller ihren Werken jenen Charakterzug gege9

10 11

Piatonismus und Mystik, Leipzig 1 9 2 6 , S , 2 9 . „So ist es zu verstehen, daß alle philosophischen Richtungen dieser Zeit eigentlich n u r u m ein einziges Problem ringen: Wie ist in dieser Katastrophe das Selbst des Menschen zu retten? Wie k a n n sich das Ich behaupten"? ( H O F F M A N N , Piatonismus und christliche Philosophie, Zürich 1 9 6 0 , S . 1 2 6 ) S . auch S T E L ZENBERGER, α. α. Ο . S . 3 7 f. u. 6 2 : „Man wird mehr introspektiv, sucht mehr und mehr die Beglückung eben im Inneren des Individuums". F e r n e r P O H L E N Z , Die Stoa, Göttingen 1 9 4 8 , S. 1 6 5 u. 2 7 7 — 2 8 0 . M O L I T O R , a.a.O. S. 95—105. G R E G O R I U S M A G N U S , lib. dial. — zitiert nach M O L I T O R , α. α. Ο. S . 1 0 2 . HOFFMANN,

12

MOLITOR, α. α. Ο . S . 102 f .

13

F ü r Augustinus s. M A U S B A C H , α. α. Ο. I, S . 377 u. 379. G R E G O R D . G R . spricht Horn, in Εν. I, 1, 1 ( M P L 76, 1077 C) vom senescens mundus, und selbst die Liturgie weiß u m den labens cursus temporis (Hymnus f ü r die Matutin der Adventzeit).

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Der Sokratismus Bernhards

ben, der sie den Werken der Griechen und Römer vielfach so verwandt sein läßt, sondern die christliche Literatur ist gerade hinsichtlich der Erscheinung des Sokratismus von der griechisch-römischen Literatur stark beeinflußt. Außer auf die Hinweise, die Stelzenberger 14 gibt, sei hier auf Ambrosius, De bono mortis, verwiesen. Huhn 15 hat in seiner Ausgabe dieser Schrift in reicher Fülle die Fundorte in griechisch-römischer Literatur nachgewiesen. Hebt man die Hauptmerkmale des antiken Sokratismus noch einmal deutlich heraus, so wird sich leicht finden lassen, wie weit Bernhard ihn auf dem Wege der Tradition einfach übernommen hat und in welchen Punkten er sich unterscheidet. „ . . . erstand das Bewußtsein des Ich wie der Phönix aus der Asche". Damit wird der heilige Bernhard einverstanden sein, denn er sagt: Agamus, fratres, gratias factori nostro, benefactori n o s t r o . . . Primum quod nobis praestitit, nos ipsi sumus (in Ps. Qui habitat s. 14, 1). Im Verfall der antiken Welt hatte sich das Bewußtsein des Ich, der eigenen Persönlichkeit, als das Beständige, die Katastrophe Uberdauernde erwiesen. Auch f ü r Bernhard ist das Selbstbewußtsein, gewonnen durch die Selbsterkenntnis, das erste und letzte16. Alles Handeln des Menschen, alles Geschehen, in das der Mensch hineingestellt ist, hat im Ichbewußtsein seinen Angelpunkt. Dieses ist das Bleibende, auf das Ich ist alles bezogen, vom Ich geht alles aus: Cui non alienus, si tibi es? fragt Bernhard Papst Eugen III. (de Consider. 1, 5, 6). Wollte der Mensch sich selbst vergessen, hätte er seinem Leben die Grundlage entzogen. Deshalb muß der Mensch immer zuerst um sich selbst besorgt sein. Si item totus vis esse omnium, instar illius qui omnibus omnia factus est (1 Cor. 9, 22); laudo humilitatem, sed si plena sit. Quomodo autem plena, te excluso? Et tu homo es. Ergo ut integra sit et plena humanitas, colligat et te intra se sinus qui omnes recipit. Alioquin quid tibi prodest, juxta verbum Domini, si universos lucreris, te unum perdens (Matth. 16, 26)? . . . Sapientibus et insipientibus debitor es; et soli negas te tibi? (de Considerat. 1, 5, 6). Diesem Gedanken hat Bernhard eine ganze Predigt des Hoheliedkommentars gewidmet (s. 18). Sed et ordinis exigit ratio, ut qui ad sui mensuram proximum jubetur diligere, prius se ipsum deligere norit (de Μ or. et Ojf. Episc. 4, 13). 14

a. a. O. Kap. VIII. Des heiligen Kirchenvaters Ambrosius Fulda 1949, S. 82—122. STELZENBERGER,

Schrift Der Tod — ein Gut,

15

HUHN,



Α te proinde incipiat tua consideratio; non solum autem, sed et in te finiatur. Quocumque evagetur, ad te revocaveris earn cum salutis fructu. Tu primus tibi, tu ultimus (de Considerat. 2, 3, 6).



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Der Sokratismus Bernhards

„Er flüchtete jetzt von den. Nöten der Umwelt ins Menschliche..." 17 . Der Sokratismus des Hellenismus ist geboren aus dem Erlebnis einer zusammenstürzenden Welt, er birgt also in sich ein großes Mißtrauen gegenüber einer Welt, die als eine verfallende erlebt wird. Bernhard kann auch in diesem Punkt durchaus mit dem antiken Sokratismus einig sein. Für ihn ist die Welt, trotz der Tatsache, daß sie als Gottes Schöpfung gut ist, auch eine schlechte Welt. Dies hat seinen Grund in der in ihrer Geschöpflichkeit liegenden Nichtigkeit und der in der Welt herrschenden Sünde. Auch war die unruhvolle Zeit, in der Bernhard lebte, geeignet, einen Menschen auf sich selbst zurückzuwerfen. Die Aufzählung nur einiger Stationen auf Bernhards Lebensweg soll dies zeigen: Schisma durch Anaklet II.; Abaelard und Arnold von Brescia; Gilbert von Poitiers; der zweite Kreuzzug mit seinem katastrophalen Ausgang; Niedergang des Klerus und dauernde Kriege der Fürsten. F. Heer hat die Lage des zwölften Jahrhunderts vielleicht etwas journalistisch, aber im ganzen doch treffend geschildert, wenn er schreibt: „Wer die gesellschaftlichen Verhältnisse des Mittelalters wirklich kennt, vermag sich nicht dem romantischen Bild anzuschließen, wie es etwa Guardini im Ende der Neuzeit erneuert hat, sondern kann nur Gott danken, daß er den Herren, die etwa in Deutschland auf ihren 10 000 Burgen saßen, keine Atomwaffe in die Hand gab. An Grausamkeit, Brutalität, Rachsucht und Rücksichtslosigkeit fehlte es nicht: man studiere nur die zahlreichen Überfälle und Brandschatzungen auch von Kirchen und Klöstern, die nicht weniger zahlreichen Morde von Klerikern (Morde an und durch Kleriker)"18. Heer hat auch richtig erkannt, daß Bernhard vor diesem Hintergrund der „Kirchenvater der Innerlichkeit" geworden ist19. In einem Punkt jedoch muß man einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Sokratismus der Spätantike und dem des heiligen Bernhard feststellen. „Er flüchtete jetzt von den Nöten der Umwelt.. ."20. Der spätantike Sokratismus enthält eine große Dosis Resignation, ja er ist eigentlich Resignation21. Der Mensch zieht 17 18

HOFFMANN, Piatonismus und Mystik, S. 29. HEER, Der Heilige der Kreuzzüge in Stimmen

der Zeit 78 (1952/53) 11,

328. "

HEER, a. a. O. S . 3 2 2 .

20

HOFFMANN, a. a. O. S . 2 9 .

21

EIBL, Die Grundlegung der abendländischen Philosophie, Bonn 1934, S. 161, schreibt: „Man spürt . . . die Müdigkeit und Resignation dieses spätantiken Idealismus . . . Es gab zu Plotins Zeit eben keine führende Gesellschaftsschicht mehr, sondern nur einzelne Gewalttäter und feige Massen".

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Der Sokratismus Bernhards

sich auf sich selbst zurück, weil er an der Welt verzweifelt. Von dieser Resignation findet man bei Bernhard nichts. Die Selbsterkenntnis führt ihn im Gegenteil dazu, seine Aufgabe in und an der Welt zu erkennen. Die Selbsterkenntnis läßt ihn des innigen Zusammenhanges der Menschen untereinander innewerden; der Mensch muß zu sich selber kommen, muß in sich reich sein, damit er ein Quell wird, der überfließen kann, um so den anderen Menschen und der Welt von seinem Reichtum mitzuteilen. Sed sane cavendum in his, aut dare quod nobis accepimus, aut quod erogandum accepimus retinere . . . Quamobrem, si sapis, concham te exhibebis, et non canalem. Hie siquidem pene simul et recipit, et refundit; ilia vero donee impleatur, exspectat; et sic quod superabundat sine suo damno communicat (i. c. c. s. 18, 2 u. 3). Aber selbst hier, wo sich der Sokratismus Bernhards von dem antiken, wie ihn Hoffmann dargestellt hat, unterscheidet, findet der Abt den natürlichen Ansatzpunkt der grundlegenden christlichen Tugend der Liebe, die zu dem moralischen und materiellen Elend der unerlösten Welt hinabsteigt, in einem Gedanken, den er als ein „stoisches Dogma"22 durch die Vermittlung der Kirchenväter 23 und die Lektüre der Klassiker, besonders Ciceros, übernommen hat. „Die Gemeinschaft, in die wir hineingeboren werden, ist die menschliche, und hier machen sich die Stoiker . . . zu Dolmetschern des neuen Lebensgefühls, das alle Menschen als grundsätzlich gleich empfindet" 24 . Für Bernhard ist jeder Mensch consors naturae (de Dil. Deo 8, 23). An mehreren Stellen wird deutlich festgestellt, daß die Menschen von Natur aus gleich sind: Omnes homines aequales quidem natura genuit (de Div. s. 92, 2). Equidem omnes homines natura aequales genuit (i. c. c. s. 23, 6). Diese Gleichheit aller Menschen ist getrübt und gestört durch die Sünde. At quoniam, bono naturae in moribus superbia depravato, facti sunt homines aequalitatis impatientes (ibd.). Es gibt seit der Sünde den Unterschied in Tugend und Verdienst, alios aliis meritorum causa vel praeposuit, vel supposuit (de Div. s. 92, 2). Die von Gottes Gnade geweckte Liebe stellt die Gleichheit der Menschen untereinander und damit den natürlichen Zustand wieder her. Bernhard sieht im Kloster den Ort, an dem die beste Möglichkeit zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes besteht, wie die ss. de Div. 92 und i. c. c. 23 zeigen. Ex intimis sane humanis affectibus primordia ducit sui ortus fraterna dilectio, et de insita homini ad seipsum naturali quadam dulcedine, tamquam de humore terreno, 22

STELZENBERGER,

a. a. O.

23

STELZENBERGER,

a. a. O. passim.

24

P O H L E N Z , a. a. O.

S.

S.

117.

135.

37

Der Sokratismus Bernhards

sumit procul dubio vegetationem et vim, per quam, spirante quidem gratia desuper, fructus parturit pietatis, ut quod sibi anima naturaliter appetit, naturae consorti, id est alteri homini, iure quodam humanitatis, ubi poterit et oportuerit, non aestimet denegandum, sed sponte ac libens impertiat (i. c. c. s. 44, 4). Welche Bedeutung Bernhard der Selbsterkenntnis beigemessen hat, kommt gut in einer Bemerkung de Div. s. 2, 5 zum Ausdruck: Videsne quam sit utile homini scire se hominem? Wenn der Mensch sich selbst gegenüber nur absolut wahrhaftig ist (semetipsam noverit anima, de se teneat veritatem — in Ps. Qui habitat s. 6, 3), dann kann die umfassende Bedeutung der Selbsterkenntnis zur vollen Auswirkung kommen. Der Mensch wird sich mit Bestürzung seines wahren Zustandes bewußt, quoties enim propriam miseriam et multimoda pericula cogito, haud dubium quin ad me ipsum conturbetur anima mea (in Quadrag. s. 5, 1). Tu quoque die, quaeso, ubi umquam sis liber, ubi tutus, ubi tuus (de Considerat. 1, 3, 4). Cogita unde veneris, et erubesce; ubi sis et ingemisce; quo vadas et contremisce. Vide ne adjicias adhuc ignorare (de Div. s. 12, 1). Wie das Elend erkennt der Mensch auch seine Schwachheit, cognoscimus quod nihil sumus; et hanc (seil, humilitatem cognitionis) diseimus a nobis ipsis, et ab infirmitate propria (in Adv. Omni s. 4, 4). Jedoch nicht nur seines Elendes wird sich der Mensch in der Selbsterkenntnis bewußt, sondern auch des Unvergänglichen in sich, dem er alle Sorge widmen muß, da es sein eigentliches Wesen ist, nil tarn prope nos, quam quod intra nos est (in Ps. Qui habitat s. 7, 14), und es wäre ärgste Selbstvergessenheit, würde ein Mensch seine Seele nicht finden. An non se ipsos nescire videntur, qui sie dediti sunt carni et sanguini, ac si omnino nihil aliud quam carnem solum se esse reputent, sie in vano aeeipientes animas suas, tamquam prorsus ignorent animas se habere (ibd. s. 10, 2)? Im rechten Wissen um seine unsterbliche Seele gewinnt der Mensch dann die rechte Mitte: In te consistito . . . Tene medium . . . Locus medius tutus est (de Considerat. 2, 10, 19). Von dieser Mitte aus bahnt sich ihm der Weg zu Gott. Bernhard macht sich das Wort des hl. Augustinus zu eigen: Deus, noverim me, noverim te25. Der Mensch kann, wenn Gott sich ihm offenbaren will, ihm wenigstens bis zu sich selbst entgegengehen, usque ad temetipsum occurre Deo tuo (in Adv. Omni s. 1, 10). Über den Sokratismus als Angelpunkt des zwischenmenschlichen Verhaltens wurde schon gesprochen. Endlich schafft der Sokratismus auch die Grundlage für das rechte Verhältnis zur äußeren Welt. An der Welt hat Bernhard, wie schon gesagt wurde, erkannt, daß man sie vor allem unter dem Gesichtspunkt betrachten müsse, 25

38

Solüoquia II, 1, 1 — de Div. s. 2, 1,

Der Sokratismus Bernhards

wozu sie geschaffen sei. Es kann nun ein vertrauliches Verhältnis des Menschen zu den Gütern der Natur entstehen — demitte oculos tuos in bona naturae, quae tibi tarn familiaria esse debent, quantum tu familiaris es tibi (de Div. s. 16, 1) —, denn der Mensch erfährt in der rechten Art der Beschäftigung mit der Welt, wie sie ihn immer wieder zu sich selber bringt, damit er sich nicht selbst verliert. Terram intuere, ut cognoscas teipsum. Ipsa te tibi repraesentabit, quia terra es, et in terram ibis (de Grad. Hum. et Sup. 10, 28). Anderseits gibt aber auch der Mensch, der in der Selbsterkenntnis sich selbst gefunden hat, der Welt im Umgang mit ihr den vom Schöpfer bestimmten Sinn zurück, der durch die Selbstvergessenheit des sündigen Menschen verloren war. Ac per hoc etiam cogens, ut dignum est, saeculum ipsum, quod propter se factum fuit, versa vice mirum in modum conformari sibi, dum omnia ei cooperari in bonum incipiunt, tamquam in propria et naturali forma, abiecta degeneri specie, recognoscentia Dominum suum, cui ad serviendum creata fuere (i. c. c. s. 21, 6). Damit wird klar, daß der Sokratismus Bernhards mehr ist als eine Methode; er sagt uns etwas sehr Wesentliches über das Menschenverständnis des Abtes von Clairvaux: Gewiß bleibt für ihn Gott immer der Höchste und Wichtigste — seine Haltung ist in einem wahren Sinn theozentrisch. Man beachte nur die oberste Stufe seiner Leiter der Liebe: ut se scilicet diligat homo tantum propter Deum (de Dil. Deo 15, 39). Aber man darf mit vollem Recht seine Haltung auch anthropozentrisch nennen, denn für ihn hat nichts Bedeutung, was nicht zum Menschen und seiner Existenz Bezug hat. Quoniam quod nos sumus primum est nobis — diese Ausgangsposition darf der Mensch nach Bernhard in seinem gesamten Leben und Handeln niemals verlassen. Man darf mit ruhigem Gewissen an den Dingen vorbeisehen, bei denen der Bezug zur eigenen Existenz nicht festzustellen ist. Wenn der Mensch auf der einen Seite auf manche Erkenntnis verzichtet, so ist anderseits das in der Erkenntnis tatsächlich Gewonnene immer eine „Erkenntnis für ihn". So erkennt der Mensch z. B. nicht einen abstrakten Gott der Theologie oder Philosophie, sondern seinen eigenen, ihm persönlich zugewandten Gott. Expedit omni animae Deum semper attendere tamquam proprium, non modo adjutorem, sed etiam inspectorem (in Ps. Qui habitat s. 2, 3). Selbst im mystischen Erlebnis, in der eingegossenen Schau Gottes wird dieses Gesetz menschlicher Existenz nicht aufgehoben: Oportet namque pro variis animae desideriis divinae gustum praesentiae variari, et infusum saporem supernae dulcedinis diversa appetentis animi aliter atque aliter oblectare palatum (i. c. c. s. 31, 7). 39

D e r Sokratismus B e r n h a r d s

„Das Christentum kennt in seiner religiösen Haltung den Einzelnen. Ja, es hat ihn so recht erst entdeckt. . . Während die klassische antike Metaphysik nur das Allgemeine und Ewiggleiche als gültig und ewig betrachtete und alles Einzelne nur als Einschränkung des allgemeinen Wesens einschätzte, darum auch die Götter, wo das Heidentum sie am tiefsten dachte, nur als augenlose Bilder allgemeiner Normen und darum im Letzten der unpersönlichen dike und heimarmene Untertan sehen konnte, kennt das Christentum den Einzelnen, der als solcher ein einmaliges, ewig gültiges Geschick hat, der einmal in dieser einmaligen, durch echten Anfang und echtes inneres Ende begrenzten Zeit seine ewige Endgültigkeit wirkt"2". Aus dieser Haltung heraus ist auch die Art der Liebe zu 28

Der Einzelne in der Kirche, in Stimmen der Zeit 7 2 ( 1 9 4 7 ) 4 , 264. I n n e r h a l b der katholischen Theologie im deutschen S p r a c h r a u m h a t sich K a r l R a h n e r a u ß e r in d e m zitierten Aufsatz in verschiedenen A r tikeln seiner Schriften zur Theologie II, Einsiedeln—Zürich—Köln 1955, mit den in diesem K a p i t e l anklingenden P r o b l e m e n b e f a ß t . Das Wissen u m die eigene u n w i e d e r h o l b a r e Persönlichkeit, das B e r n h a r d durch die Methode des S o k r a t i s m u s gewinnt, m u ß nach R a h n e r vor allem auf d e m Gebiet d e r Moral w i r k s a m w e r d e n . K . RAHNER,

Des Menschen „geistige Individualität k a n n . . . nicht bloß die E i n g r e n zung eines an sich allgemeinen Wesens durch die Negativität d e r m a t e r i a p r i m a sein" (a. a. O. S. 236). Nicht alle moralischen P r o b l e m e sind durch einen Syllogismus lösbar (cf. S. 234). Die „positive I n d i v i d u a l i t ä t " (S. 237) v e r l a n g t n e b e n den allgemeinen sittlichen N o r m e n eine „Existentialnorm" (S. 239), wobei u n t e r „Existential" der Bezug zu v e r s t e h e n ist „auf das materielle Wesen des Menschen, insofern sich dieses, wenigstens als physis, als Prinzip des A u f - u n d Eingehens in die A k t u a l i t ä t des (geschichtlich-)personalen Handelns, in der Positivität der je vereinzelten, einmalig-einigen Konkretion der individuellen Entscheidung konstitutiv vollenden muß, so d a ß es g e r a d e nicht in einer r e i n d e d u k t i v erlangten, a b s t r a k t - e s s e n t i a l e n N o r m - u n d O r d n u n g s e t h i k die allein hinreichende Bedingung seiner f r e i e n sittlichen Selbstverwirklichung h a b e n k a n n , sond e r n ebenso u n a b d i n g b a r eingewiesen bleibt in die u n a b l e i t b a r e q u a l i t a t i v e E i g e n a r t des einmaligen, nicht a d ä q u a t f a l l h a f t e n , individuellen A k tes" (S. 239 A n m . 1). B e r n h a r d w ü r d e die von R a h n e r v e r t r e t e n e A u f f a s s u n g b e j a h e n . Das zeigt sich z. B. de Considerat. 2, 1, 1—4, w o er nach d e m Scheitern des von i h m gepredigten 2. Kreuzzuges eine Rechtfertigung seines H a n d e l n s gibt. E r weiß, daß er in einer einmaligen Situation ist, so daß e r sagen k a n n : Incidimus . . . in t e m p u s grave, quod et ipsi pene v i v e n d i u s u i v i d e b a t u r indicere cessationem, n e d u m studiis (ibd. n. 1). Alles spricht gegen B e r n h a r d u n d d a f ü r , daß er durch seine falsche E i n stellung zum Kreuzzug die Hauptschuld a n der K a t a s t r o p h e trage. Das Urteil d e r Menge, gestützt auf den A u s g a n g des U n t e r n e h m e n s ! B e r n h a r d vergleicht sich n u n m i t Moses: E d u x i t ; eductos tarnen in t e r r a m , q u a m promiserat, non introduxit. Nec est quod ducis t e m e r i t a t i i m p u t a r i q u e a t tristis et inopinatus eventus. Omnia f a c i e b a t Domino imperante, Domino cooperante, et opus c o n f i r m a n t e sequentibus signis (ibd. n. 2). Der P a p s t darf nicht w i e die große Menge nach den üblichen M a ß s t ä b e n

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Der Sokratismus Bernhards

verstehen, wie Bernhard sie darstellt: sie ist praeceps, vehemens, flagrans, impetuose. Bernhard nennt sie amor, qui praeter te aliud cogitare non sinis, fastidis caetera, contemnis omnia praeter te, te contentus! Confundis ordines, dissimulas usum, modum ignoras; totum quod opportunitatis, quod rationis, quod pudoris, quod consilii judiciive esse videtur, triumphas in temetipso et redigis in captivitatem (i. c. c. s. 79, 1). Der Sokratismus ist also vor der Gefahr eines reinen Intellektualismus bewahrt. Die Ordnung des Erkennens entspricht genau der Ordnung des Seins und Handelns. Es sei noch einmal an Bernhards Vorwurf gegenüber Abaelard erinnert (Ep. 193). Ein Leben, das so selbstvergessen ist wie das Abaelards, kann nach der Auffassung des Abtes keinen Bestand haben, es muß zusammenbrechen. Lortz hat sehr schön gesagt: „Alles hat nur Bedeutung, wenn es diesem Innersten (seil, der Seele) gilt . . . Und in diesem guten Sinn ist Bernhard Existentialist" 27 .

27

urteilen, sondern von ihm fordert Bernhard die Anerkennung seiner eigenen Rechtfertigung. Und die lautet? Perfecta et absoluta cuique excusatio, testimonium conscientiae suae (ibd. n. 4). L O R T Z in L O R T Z , a. a. O. S. XXXIX. 41

III. COPULA RATIONIS ET MORTIS1 1. C o h a e r e n t i a

rerum

discohaerentium

Zur Beantwortung der Frage, was der Mensch sei, bedient Bernhard sich der Philosophie. Er hat mehrmals darauf aufmerksam gemacht. In Dedic. Eccl. s. 5, 7 stellt er fest, daß schon die Weltweisen das Wesen des Menschen richtig erkannt hätten, quam profecto tarn discohaerentium in homine cohaerentiam rerum2 ipsos quoque sapientes saeculi huius arbitror non latuisse, cum hominem definirent, animal rationale mortale. Wichtiger ist eine Stelle de Considerat. 2, 4, 7. Der Abt hat Eugen III. nahegelegt, drei Punkte bei der Selbstbetrachtung zu beachten: quid, quis, qualis sis. Zum ersten Punkt bemerkt er nun ausdrücklich, daß es sich hierbei um eine philosophische Betrachtung handele, philosophicum23 sit magis quam apostolicum vestigare. Aber diese philosophische Überlegung schadet nicht nur nicht, sondern ist dem Menschen im Gegenteil sehr dienlich: attamenest in definitione hominis, quem dicunt animal rationale, mortale: quod diligentius intueri si libet, licet. Non est quod tuae in eo aut professioni obviet, aut dignitati: est vero quod saluti affere queat. Bernhard bewundert die Weisheit und Allmacht des Schöpfers, den er unitor rerum nennt (in Nat. Dmni s. 2, l)3, der so grundverschiedene Naturen wie Leib und Seele zu verbinden vermochte. Agamus, fratres, gratias factori nostro, benefactori nostro . . . Primum quod nobis praestitit, nos ipsi sumus: siquidem ipse fecit nos, et non ipsi nos. Parumne tibi videtur istud quia te fecit? Cogita qualem te fecit: nempe etiam secundum corpus egregiam creaturam, sed secundum animam magis, utpote imagine creatoris insignem, rationis participem, capacem beatitudinis sempiternae; porro secundum ambo simul prae ceteris creaturis maxime admirandam, cohaerentem sibi incomprehensibili artificio, investigabili 1

in Dedic. Eccl. s. 5, 7. Die Formulierung erinnert an AUGUSTINUS, der den Tod cohaerentium diremtio naturarum nennt — s. MAUSBACH, a. a. O. I I , S . 9 1 Anm. 7 . 2a Nur an dieser einzigen Stelle gebraucht Bernhard das Wort „philosophisch" im strengen Sinne. ® Qualis artifex, qualis unitor rerum, ad cuius nutum sie conglutinantur sibi limus terrae et spinitus vitae (in Nat. Dmni s. 2 , 1). H U G O V. S T . V I K TOR sagt: Potuit Deus tarn disparem naturam corporis et animae ad unam foederationem atque amicitiam coniungere (DS I, 6, 1; MPL 176, 263 D). 2

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Cohaerentia rerum discohaerentium

sapientia conditoris (In Ps. Qui habitat s. 14, 1). Die Größe des Schöpfers wird um so deutlicher, wenn man bedenkt, daß er Höchstes und Niedrigstes miteinander verbindet. Bernhard bringt die Verbindung von Leib und Seele in Beziehung zur Vereinigung von Gottheit und Menschheit in Christus, von der er sagt: Auetor naturae summa imaque consociat (cf. de Considerat. 2, 9, 18). Der Schöpfer hat mit der Verbindung von Leib und Seele eine Einheit geschaffen, die Bernhard unitas nativa (de Considerat. 5, 8, 18) oder unitas naturalis (de Div. s. 80, 1) nennt. Mit diesen Ausdrücken soll die vis unionis (cf. de Considerat. 5, 9, 21) näher bestimmt werden. De Div. s. 80, 1 und de Considerat. 5, 8, 18 enthalten eine Aufzählung möglicher Einheiten (multa Una — de Considerat. I. c). Die vis unionis ist bei der unitas collectiva am geringsten: multi lapides faciunt acervum unum (ibd.). Die im Menschen waltende vis unionis erfaßt der Abt näher durch einen Vergleich mit der hypostatischen Union, die er unitas dignativa nennt (ibd.). Hier ist die Einheit so stark, daß sie die Idiomenkommunikation bewirkt: Tantam denique, tamque expressam unionis vim in se praefert ea persona, in qua Deus et homo unus est Christus; ut si duo ilia de se invicem praedices, non erraveris, Deum videlicet hominem, et hominem Deum vere catholiceque pronuntians (de Considerat. 5, 9, 21). Die unitas nativa oder naturalis, so wunderbar die Vereinigung von Leib und Seele auch sein mag, ist nicht von solcher Kraft: Nec mirum, si non aeque potis anima sit sua ilia vitali, etsi non parum valida, intentione connectere, atque suis affectibus astringere sibi carnem, ut sibi divinitas hominem ilium, qui praedestinatus est filius Dei in virtute (ibd.). Ausgehend von der philosophischen Definition des Menschen und von der Betrachtung der vom Schöpfer bewirkten Vereinigung grundverschiedener Naturen kommt Bernhard zu Aussagen über den Menschen, die sich nicht ohne weiteres miteinander vereinbaren lassen. Bernhard hält daran fest, daß nur die Vereinigung von Leib und Seele den ganzen Menschen ausmacht. Die philosophische Wesensbestimmung wird von der Offenbarung bestätigt. Der Abt lehrt, eine alte Tradition aufgreifend 4 , daß die Seelen der Verstorbenen im Himmel vor der Auferstehung des Fleisches noch nicht die volle Glückseligkeit genießen können, neque enim praestari decet integram beatitudinem, donee sit homo integer cui detur (in Festo omn. Sanct. s. 3, 1). Atria sunt domui vicina, amplitudinem habentia. In illis sunt animae sanetae corporibus exutae, quae in latitudine sunt, 4

Sie geht wenigstens bis au£ Tertullian zurück — s.

KARPP,

a. a. O. S. 46. 43

Copula rationis et mortis

deposita carnis angustia. Atria habent fundamentum, sed non tectum . . . Non habent tectum adhuc exspectantes augmentum, quod non erit nisi in resurrectione corporum suorum (de Div. s. 78)5. Der Verklärungszustand ist die höchstmögliche Form menschlichen Daseins, denn in ihm herrscht in der Vereinigung von Seele und Leib die schönste Harmonie vor. Sed longe felicior, si ad hoc pervenisset, ut minoratus actu, plenius perfectiusque perciperet sapientiam, gratis diligens corpus, tamquam in nullo indigens corpore. Esset enim hic pulcherrimus ordo, et erit adhuc quando erit (de Div. s. 2, 6). Dem Leib kommt beim Streben nach dem Vollendungszustand eine gewisse Bedeutung zu. Bernhard unterscheidet einen dreifachen Zustand der Seele: Advertistis . . ., tres esse sanctarum status animarum, primum videlicet in corpore corruptibili, secundum sine corpore, tertium in corpore iam glorificato. Primum in militia, secundum in requie, tertium in beatitudine consummata (in Festo omn. Sanct. s. 3, 1). Wie der Mensch die volle Seligkeit erst mit der Vereinigung von Leib und Seele bei der Auferstehung des Fleisches erlangt, so dient der Leib der Seele schon bei der Vorbereitung auf die Seligkeit — hier durch die Gelegenheit zu Bußübungen 6 , nach dem Tode durch die Ruhe, die er der Seele gönnt, in der sie sich ganz auf Gott hin ausrichten kann. Enimvero absque profectu animae nec ponitur corpus, nec resum i t u r . . . Nec mirum, si corpus iam gloriae conferre videtur spiritui, quod et infirmum et mortale constat ipsi non mediocriter valuisse . . . Valet Deum diligenti animae corpus suum infirmum, valet et mortuum, valet et resuscitatum: primo quidem ad fructum poenitentiae, secundo ad requiem, postremo ad consummationem (De Dil. Deo 11, 30). Jedoch findet Bernhard eine Bestätigung der Wahrheit, daß der ganze Mensch aus Leib und Seele besteht, daß diese nach dem Willen des Schöpfers einander zugeordnet sind und eines ohne das andere unvollständig ist, nicht nur in der Offenbarung, sondern auch durch die Vernunftserkenntnis. Im Grunde bleibt die Verbindung von Leib und Seele ein unerforschbares Geheimnis, weil beide eben gänzlich wesensverschiedene Substanzen sind. An das Verständnis dieses Schöpfungs5

6

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cf. auch in Vig. Nat. Omni s. 2, 5; in Dom. I Nov. s. 2, 2; in Festo omn. Sanct. s. 2, 4; i. c. c. s. 72, 10; de Dil. Deo 11, 30. Die Lehre von der intensiven Steigerung der Seligkeit durch die Auferstehung wurde später vom kirchlichen Lehramt im Sinne einer extensiven korrigiert — cf. D E N Z I N GER, Euch. Symb., Ed. 21—23, Freiburg 1937, S. 230, Nr. 530. Ad agendam vero poenitentiam tria sunt necessaria, tempus, corpus, et locus (de Div. s. 106, 1).

Cohaerentia rerum discohaerentium

wunders kommt man heran, indem man Leib und Seele in ihrer gegenseitigen Beeinflussung beobachtet. Wie verhalten sie sich zueinander? Die zirkumskriptive Gegenwart der Seele im Leib lehnt Bernhard ab. Neque enim anima in loco potest esse corporeo; nec corpus, de quo magis videtur, locus animae est. Quomodo enim corpore clauditur, quae sic vegetat exteriora, sicut interiora. Sic est in superficie cutis, sicut in visceribus intimis (de Div. s. 86, l)7. Welche Bedeutung hat nun die Seele für den Leib? Habet quippe anima tria facere in corpore, vivificare, sensificare, regere (de Div. s. 84, 1). Numquid non truncus esset insensibilis caro inanimata? Ab anima enim pulchritudo, ab anima incrementum, ab anima claritas visus et sonus vocis: denique sensus omnis ab anima est (in Nat. Omni s. 2, 2). Ac ne forte despicias aut parvipendas hospitem tuum (seil, animam), pro eo quod peregrinus tibi videtur et advena, diligenter attende quid hospitis huius tibi praesentia largiatur. Ipse enim est qui tribuit oculis visum, auditum auribus praestat; ipse est qui linguae vocem, palato gustum, motum membris omnibus subministrat. Si quid vitae, si quid sensus, si quid in te decoris est, huius hospitis beneficium recognosce (de Adv. Omni s. 6, 4). Die Seele ist dem Leib 1. vita, internus ac naturalis motus, vigens tan tum intrinsecus; 2. sensus, Vitalis in corpore motus, vigens et extrinsecus; 3. appetitus naturalis, vis in animante, movendis avide sensibus attributa (de Grat, et Lib. Arb. 2, 3; cf. auch de Div. s. 10). Dem Rang nach steht die Seele über dem Leib. So kommt ihr die Herrschaft zu, mit einem Bild aus dem Klosterleben dargestellt: Porro si cui forte praelatus es, huic sine dubio teneris debitor sollicitudinis amplioris. Exigit a te et ipse custodiam et diseiplinam. Custodiam quidem ut possit cavere peccatum, diseiplinam vero, ut quod minus cavit, minime maneat impunitum . . . Dico autem corpus tuum, quod sine dubio regendum aeeepit spiritus tuus (in Adv. Dmni s. 3, 6). Anderseits bedarf die Seele aber auch des Leibes. Ohne den Leib vermag die Seele nicht zu erkennen, denn mit der sinnlichen Wahrnehmung fängt alle Erkenntnis an. Et singula membra fenestrae singulae (de Convers. ad Cleric. 6, 11). Da Gott den Leib des Men7

cf. RIES, a. a. O. S. 52; SCHWARZ, a. a. O. S. 330: „Ihre Gegenwart muß also einer ganz anderen Ordnung angehören, einer rein geistigen; sie besteht nicht in einer räumlichen, die Seele teilenden Ausbreitung, sondern in einer allgegenwärtigen Tätigkeit, der sich kein Teil des ausgedehnten Leibes entzieht. Wegen ihrer Unausgedehntheit aber ist die Seele räumlich nicht lokalisierbar. Ihre Größe ist vielmehr dynamischer Art".

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sehen aufrecht erschaffen hat, ist er besonders geeignet, den Adel der natürlichen Gottebenbildlichkeit der Seele zu bezeugen. Auch Leben und Empfindungsvermögen des Leibes verweisen auf Vorzüge der Seele, auf die lebendige Erkenntniskraft und die Empfindsamkeit der Liebe: Fecit Deus hominem ad imaginem et similitudinem suam (Gen. 1, 26—27). Rectum quidem. Unde et exterior homo, id est corpus, in forma sua rectus apparet, habens vitam et sensum: ut per hunc exterior em et visibilem, illum interiorem et invisibilem intelligeremus; qui rectus factus est in voluntate, vivus in cognitione, sensibilis in amore (de Div. s. 116). So wird der Leib in seiner Beschaffenheit zu einer Mahnung f ü r die Seele, ihre Würde und Auszeichnung nicht zu vergessen. Quamquam et corporis staturam dedit homini Deus rectam, forsan ut ista corporea exterioris viliorisque rectitudo figmenti hominem interiorem illum, qui ad imaginem Dei factus est, spiritualis suae rectitudinis servandae admoneret (i. c. c. s. 24, 6). Der Leib ist Helfer der Seele (me quoque aeeepisti adiutorium simile tibi — ibd.)la und hat eine große soziale Bedeutung. Animae corporibus et corporeis egent sensibus, per quae sibi invicem innotescant et valeant (i. c. c. s. 4, 5). Ohne den Leib wäre uns in diesem Leben die Liebe nicht möglich. Wir können nicht lieben, was wir nicht kennen: Alle Erkenntnis fängt aber mit der sinnlichen Wahrnehmung an. Ferner: Die Liebe muß sich auswirken in der Tat der Liebe. Auch zur Arbeit braucht der Mensch seinen Leib. Bonus plane fidusque comes caro spiritui bono . . . primus status laboriosus, sed fruetuosus (de Dil. Deo 11, 31). Supervacue autem de opere monuisset, si in affectione jam fuisset dilectio (i. c. c. s. 50, 3). Neque hoc dico, quia haec exteriora negligenda sint; aut qui se in illis non exercuerit, mox ideo spiritualis efficiatur: cum potius spiritualia (quamquam meliora) nisi per ista, aut vix, aut nullatenus vel acquirantur, vel obtineantur, sicut scriptum est. Non prius quod spirituale, sed quod animale; deinde quod spirituale (1 Cor. 15, 46). . . . Unde rursus in psalmo, Sumite psalmum, et date tympanum (Ps. 80, 3): quod est dicere, Sumite spiritualia, sed prius date corporalia (Apol. 7, 14). Den Aussagen über den Menschen als ein aus Leib und Seele bestehendes Ganzes und über die gegenseitige Zuordnung von Leib und Seele stehen aber andere gegenüber, die den Unterschied beider Bestandteile und die unüberbrückbare Kluft zwischen ihnen stark betonen. Auf die kürzeste Formel ist dies wohl in Ps. Qui 7A

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GREGOR D. GR. sagt: Caro nobis aliquando adiutrix est in bono opere (Horn, in Ezech. II, 7, 19; MPL 76, 1025 A).

Cohaerentia rerum discohaerentium habit, s. 7, 11 gebracht, wo Bernhard von der duplex hominis substantia spricht 8 . Man kann verschiedene Wege einschlagen, die zum Verständnis der bernhardinischen Auffassung vom Menschen als „Doppelwesen" führen. Eine Gegenüberstellung von Aussagen über beide Substanzen, die den Menschen bilden, macht den tiefen Gegensatz zwischen ihnen deutlich: Bernhard bestimmt die Natur der Seele als simplicitas, immortalitas, libertas (cf. i.c.c.s. 81, 11). Der simplicitas der Seele gegenüber steht die Zusammengesetztheit des Körpers, seine Einheit muß collectiva oder constitutiva genannt werden (de Consider. 5, 8, 18), er ist aus den Elementen colligatus, nicht nur aus einem Element alligatus 9 . Die immortalitas der Seele hat ihren Gegensatz in der Sterblichkeit des Leibes. Über diese Tatsache darf uns keine Schönheit unseres Leibes hinwegtäuschen: Wir sind sterblich. Die Gestalt des Leibes ist ein bestimmtes Stoffgefüge (compositio, cf. i. c. c. s. 25, 3), das wieder zerfällt. Die Freiheit der Seele kann niemals verlorengehen, sie ist auch durch die Sünde nicht geraubt worden. Solo ergo voluntas, quoniam pro sui ingenita libertate, aut dissentire sibi aut praeter se in aliquo consentire, nulla vi, nulla cogitur necessitate. Der Leib hingegen unterliegt der necessitas, der Notwendigkeit"®. Ubi necessitas est, libertas non est (de Grat, et Lib. Arb. 2, 5 und 3, 6). Eine andere Möglichkeit, die Kluft zwischen Leib und Seele abzuschätzen, die nur das incomprehensibile artificium und die investigabilis sapientia conditoris (cf. in Ps. Qui habitat s. 14, 1) miteinander verbinden konnte, ergibt sich aus der Wertordnung, die Bernhard aufstellt. Er spricht von der inferior (Leib) und superior (Seele) pars (cf. in Ps. Qui habitat s. 5, 2). Dignum est enim ut prius anima satietur, quod haec portio sine dubitatione, et sine compara8

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propter substantiam duplicem, qua subsistit humana conditio (in Nat. Omni s. 5, 4); si solerter discreveris inter exteriorem interioremque substantiam (in Ps. Qui habitat s. 10, 2). cf. W I L H E L M V . S T . T H I E R R Y , De natura et dignitate amoris 1 , ed. M . - M . D A V Y : Deux traites de l'amour de Dieu, Paris 1 9 5 3 , S . 7 0 : r e d i t . . . corpus in terram, nec in terram solum, sed in elementa, ex quibus compactum et formatum erat. Zum Begriff der necessitas: „Das heißt, die Bedürfnisse, denen uns die natürliche Notwendigkeit unseres Körpers unterwirft ..." ( G I L S O N , Die Mystik, S. 292). Cf. in Septuag. s. 1, 5: Primum enim impedimentum nostrum et occupatio gravis, est .ipsa necessitas huius miseri corporis, quod, dum modo somnum, modo cibum, modo vestem, caeteraque similia quaerit, haud dubium quin frequenter impediat nos ab exercitio spiritual!.

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tione sit potior (in Festo omn. Sanct. s. 1, 1). Der Leib ist das exterius viliusque figmentum, ein luteum vas, die Seele dagegen eine spiritualis caelestis creatura (cf. i. c. c. s. 24, 6), sie ist caelestis propter originem (cf. i. c. c. s. 27, 8). Weiterhin ist Bernhard der Auffassung, daß die geistige Seele von Natur aus den Engeln verwandt ist: Constat sine dubio, rationis participes et capaces beatitudinis humanas animas angelicae, si dicere id audeamus, cognatas esse naturae (in Festo S. Michael s. 1, 4)10. Der Abt lehrt, wieder eine alte Tradition aufgreifend 11 , daß die Menschen auf Grund der Naturverwandtschaft ihrer Seelen mit den Engeln dazu bestimmt sind, die Zahl der gefallenen Engel zu ersetzen. Custodes tui angeli sancti. . ., quod nisi de te ad sui plenitudinem minime restaurentur (i. c. c. s. 77, 4)12. Schon hier auf Erden ist der Mensch fähig, eine vita caelestis et angelica zu führen (cf. de Div. s. 37, 5)13, ja er ist fähig, die göttliche Ewigkeit nachzuahmen, incommutabilitatem illam pro modulo possibilitatis nostrae imitantes (de Div. s. 111, 7). Diese Nachahmung der Ewigkeit ist dem Menschen besonders durch die Tugenden möglich, die Bernhard sedes et fundamentum perpetuitatis (i. c. c. s. 27, 3) nennt. Demgegenüber unterliegt der sterbliche Leib dem Gesetz der Zeitlichkeit, quae enim videntur, temporalia sunt (in Festo omn. Sanct. s. 1, 15)13a. Si temporalia sunt, transitoria sunt; si transitoria sunt, et mortalia sunt: et transeundi vel moriendi argumentum hoc solum est, quia videri possunt (in Obitu Omni Humberti s. n. 6). Die Region, der der Leib angehört, ist die körperlicher Trugbilder (imaginatio corporeorum phantasmatum) und des leeren Scheins (vanitas) (de Div. s. 19, 3 u. 4). 10

Itaque licet quodam modo coelum sit homo, coelestibus sine dubio spiritibus similis, simul et forma; substantia quidem quoniam spiritualis, forma vero quia rationalis est (in Festo S. Martini s. n. 3).

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für Augustinus s. DEMPF, Ethik des MA, S. 53. Im übrigen ist diese Lehre Allgemeingut der Kirchenväter. cf. auch in Adv. Dmni s. 1, 4 u. 5; in Vig. Nat. Omni s. 2, 6 u. 7; in Festo Pentec. s. 2, 4; in Dominica I Nov. s. 1, 4 u. s. 3, 1; i. c. c. s. 68, 4.

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cf. auch i. c. c. s. 27, 6, besonders: in corpore denique paene bestiali vivere angelumi HIERONYMUS: Sic et animo virginali, rore coelesti et ieiuniorum frigore, calor puellaris exstinguitur, et in humano corpore angelorum impetratur conversatio (Ep. 130, 10; MPL 22, 1116). AUGUSTINUS: coelestem et angelicam vitam in terrena mortalitate meditantes (De s. virg. 24; MPL 40, 409). cf. 1 Kor. 4,18, wobei zu beachten ist, daß Bernhard dem Pauluswort eine mehr metaphysische Bedeutung im Sinne eines Gegensatzes von Geist und Materie gibt, während es bei Paulus im Zusammenhang der Stelle um den Gegensatz von natürlichem und begnadetem Sein geht.

Cohaerentia rerum discohaerentium

Eine letzte Tatsache, auf die hingewiesen werden muß, berührt das Problem der Einheit des Menschen. Bernhard hat sich über die im Menschen waltende vis unionis Gedanken gemacht, wie schon gezeigt wurde. Er hält diese f ü r groß (non parum valida — de Considerat. 5, 9, 21), aber doch für weit geringer als die vis unionis der hypostatischen Union. So bleibt der Gegensatz zwischen den beiden Naturen des Menschen bestehen, der sich in den Eigenschaften und in der Lebensführung des Menschen bemerkbar macht. Nec mirabere in humanis qualitatibus tarn dissimilia reperiri, si solerter advertas quanta et in ipsa eius substantia convenisse videtur diversitas naturarum . . . Sic nimirum, sie in moribus, sie in affectibus, sie in studiis hominum non minor, forte et amplior contrarietas invenitur (in Dedic. Eccl. s. 5, 7). Was Bernhard über das Verhältnis von Gott und Mensch sagt, darf man auch auf Leib und Seele anwenden: nec bene convenit spiritui et carni (in Ascens. Omni s. 3, 3). Die Einheit, die in der hypostatischen Union unantastbar und selbstverständlich ist, bleibt f ü r den Menschen in seiner irdischen Existenz immer Aufgabe bis in den seelischen Bereich hinein, da die Seele dem Trug der Welt verfallen und mit sich selbst uneins werden kann: Primo igitur loco studeat unusquisque ne dissideat ipse a semetipso (in Dedic. Eccl. s. 2, 3). Erst im Hinblick auf alle diese Überlegungen werden die Aussagen Bernhards über den Leib und sein Verhältnis zur Seele verständlich, die von so gänzlich anderer Art als das früher Dargestellte sind. Den Leib als die pars inferior darf der Mensch vernachlässigen, er darf ihm bestimmt keine zu große Sorge widmen14, longe dignior anima corpore, priorem sibi sollicitudinem naturali vindicet dignitate (in Adv. Omni s. 6, 1). Quae etenim Caritas est, carnem diligere, et spiritum negligere; quaeve discretio totum dare corpori, et animae nihil? (Apol. 8, 16.) Der Mensch kann, wie der Mönch es tatsächlich tut, sogar seinen Leib der Not aussetzen, um die Seele zu retten. Denique propter hoc, non quidem ad insipientiam vobis, tundendum libere adversario videmini latus exposuisse sinistrum (seil, corpus), ut dexterum (seil, animam) proinde tota sollicitudine conservetis (in Ps. Qui habitat s. 7, 12). Zahlreich sind die Äußerungen Bernhards darüber, daß die Seele vom Leib behindert wird. Hierbei muß jedoch beachtet werden, ob Bernhard vom erbsündigen Leib oder einfach vom natürlichen Leib spricht. Der Abt selbst hat diese Unterscheidung wohl kaum be14

si tarnen curam carnis non in desiderio faeimus, sed in necessitate (in Asc. Dmni s. 1, 1). Sunt autem omnia bona corporis, et quae ei solummodo debeamus, sanitas. Nihil autem ei ultra dandum est vel quaerendum, sed hoc termino ligandum et frenandum est (de Div. s. 16, 2). 4

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wüßt vollzogen, was sich aus der bei ihm noch nicht vollzogenen strengen Scheidung von Natur und Übernatur, wie schon früher dargestellt wurde, erklärt. Es finden sich aber immerhin genügend Andeutungen darüber, daß Bernhard im Leib schlechthin ein Hindernis f ü r die Seele sieht15. Eine klare Aussage über die Behinderung der Seele beim Anstieg zu Gott durch den natürlichen Leib findet sich i. c. c. s. 21, 1: anima . . . vincta necessitatibus, torta sceleribus, lentius segniusque assurgat necesse est. Ähnlich i. c. c. s. 23, 2: Quod adiungunt: „Super vinum", significant se adhuc quidem pro sui imperfectione carnalium desideriorum, quae vino designantur, recordatione pulsari. Ebenso in Vig. Nat. Omni s. 2, 4: quam cito a corpore exierit anima, omnes simul affectiones, omnia desideria, quibus per universum interim mundum dispersa et ligata tenebatur, dissolventur. Endlich noch in Assumpt. Β. Μ. V. s. 4, 5: Cur hoc, nisi quia pondere proprio ferebamur; et trahebat nos materia, tanto uberior utique, quanto familiarior 18 . Weniger klar im Sinne einer Unterscheidung zwischen Natur und Ubernatur sind die Stellen in Septuag. s. 2, 2; in Purif. B. M. s. 1, 4; i. c. c. s. 16, 1. Schließlich sollen noch einige Namen angeführt werden, mit denen Bernhard den Leib abwertet: viscum (in Vig. Nat. Omni s. 2, 4 u. in Septuag. s. 2, 3); sterquilinium (in Ascens. Omni s. 5, 13 u. in Ps. Qui habitat 7, 14); ergastulum (in Vig. Nat. Omni s. 2, 3); paries et obstaculum (in Vig. Nat. Omni s. 4, 10); laqueus et inimicus17 (in Quadrag. s. 5, 1). 15

Es ist deshalb völlig einseitig, wenn F R I S C H M U T H , a. a. O. S. 8 1 , gestützt auf i. c. c. s. 56, 3 — Denique quamdiu sumus in hoc corpore, inquit, peregrinamur a Domino. Non quia in corpore, sed quia in corpore hoc, quod utique de peccato est et sine peccato non est. Et ut scias quoniam obstant, non corpora, sed peccata —, schreibt: „Es ist hier die ganz biblische, von der hellenistisch-neuplatonischen Auffassung nicht infizierte Haltung Bernhards zu beachten". Frischmuth hätte bemerken müssen, daß Bernhard in demselben s. 56 den Leib Christi als das Hindernis ansieht, das uns vom Verbum Divinum trennt!

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Vide enim quam limosum sit corpus, quod ipsi quoque spiritui tarn fortiter et pene indissolubiliter inhaeret (de Div. s. 31, 2); cf. auch die Stelle in Septuag. s. 1, 5 in Anm. 9a. Über die sinnliche Erkenntnis ist der Sünden-Tod in den Menschen eingedrungen: Concludit inimicus vias meas, et per quinque portas, quinque videlicet corporis sensus, iaculis suis vulnerat me, et mors intrat per fenestras meas (pro Dominica VI p. Pentec. s. 3, 5 — ebenso in Ps. Qui habitat s. 8, 4).

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hostem nostrum ipsi cogimur sustentare, perimere eum non licet (pro Dominica VI p. Pentec. s. 3 , 5 ) . Cf. G R E G O R D. GR.: Si igitur ei plus quam debemus tribuimus, hostem nutrimus (Horn, in Ezech. II, 7,19; MPL 76, 1025 A). Für Tertullian (Leib als Kerker mit ausdrücklicher Berufung auf Platon) s. K A R P P , a. a. O. S. 46 Anm. 4.

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Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele?

2. U n a s u b s t a n t i a o d e r D u a l i s m u s von Leib und Seele? Die Gegenüberstellung der sehr verschiedenen Aussagen Bernhards über den Menschen als Ganzes, in denen einerseits die Einheit des aus Leib und Seele bestehenden Menschen, anderseits die tiefe Kluft zwischen den den Menschen bildenden Substanzen betont wird, weist in die Richtung eines Spiritualismus und eines in der vom Schöpfer gestalteten Einheit vorherrschenden Dualismus. Bernhard kennt zwei Zustände des Menschen, in deren Beschreibung sich eine dualistische Auffassung nicht bemerkbar zu machen scheint. Im Paradieseszustand hat das Siegel der similitudo Dei den beiden Naturen im menschlichen Wesen eine magna conjunctio18 geschenkt; durch die Sünde wurden das Siegel und damit die magna conjunctio zerbrochen. Mit diesen Wendungen (Siegel und magna conjunctio) erinnert der Abt an den gnadenhaften Zustand (super- und praeternaturale Gnaden) der ersten Menschen im Paradies, der durch die Sünde aufgehoben wurde. Et quidem magna haec conjunctio, dilectissimi, sed si stabilis permansisset. Nunc autem licet divino fuerit munita sigillo (ad imaginem quippe et similitudinem suam creavit Deus hominem), heu! diruptum est sigillum, et unitas dissipata (in Nat. Dmni s. 2, 3). Grave siquidem jugum super filios Adam (Eccl. 40, 1); non autem in principio super Adam, sed nunc jam super filios eius (in Septuag. s. 2, 2). Die magna conjunctio bestand im Paradies in der libertas arbitrii, consilii, complaciti. De tribus ergo libertatibus quas acceperat, abutendo ilia quae dicitur arbitrii, reliquis sese privavit (de Grat, et Lib. Arb. 7, 22). Durch den Mißbrauch des liberum arbitrium hat sich der Mensch die Freiheit von der Sünde und vom Elend verscherzt. Einst wird die Paradiesesherrlichkeit des Menschen in der Verklärung schöner noch wiederhergestellt werden. Die Verklärung bedeutet unter anderem auch eine Verherrlichung der Elemente, aus denen der Leib gebildet ist (cf. in Festo Omn. Sanct. s. 4, 6). Sic replebitur majestate eius omnis terra, cum fuerit corpus incorruptibile, impassibile, agile, configuratum denique corpori claritatis suae (ibd.). Prüft man jedoch genauer, so ist unverkennbar, daß auch im Paradieseszustand und in der Verklärung nach der Auffassung 18

coniunctio bei Bernhard dürfte dieselbe Bedeutung wie foederatio, amicitia und apponere bei Hugo v. St. Viktor haben — s. S C H L E T T E , A . A. O . S. 56.

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Copula rationis et mortis

Bernhards der Dualismus im Wesen des Menschen unaufhebbar ist. Es ist unbezweifelbar, daß der Abt die Offenbarungswahrheiten von einer bestimmten philosophischen Voraussetzung her interpretiert. Im Paradies sollte der Mensch zugleich tätig sein und Gott schauen, in actione et meditatione positus erat homo, sine passione habens actionem, habens etiam sine labore meditationem (de Div. s. 2, 6). Nimirum in libertate posuit eum Deus, ut, inter summa et infima versans, et in illa excederet sine difficultate, et ad haec sine illecebra aut necessitate descenderet (in Septuag. s. 2, 2). Der Aufenthalt im Paradies war von Gott als Zeit der Prüfung und als Durchgang zu einer höheren Daseinsform gedacht, der der reinen Beschauung, die dem Menschen jetzt durch die Heilstat Christi zuteil werden kann. Verum hinc quoque si non caderet, erat aliquando promovendus, ut sola iam frueretur contemplatione (de Div. s. 2, 6). Die Herrlichkeit des Lebens im Paradies besteht einerseits darin, daß die Seele schon während der Prüfungszeit fähig ist, losgelöst vom Leib und nicht angewiesen auf ihn, ihre höchste Daseinsform in der Gottesschau als ihr Eigenleben zu erreichen. Felix quidem cuius animam corpus non aggravabat, quia nec corrumpebatur (de Div. s. 2, 6). Mihi quidem nonnisi incommutabilis veritatis intuitu, et abysso divinae sapientiae, corporeis excedens sensibus obdormisse videtur (Adam) (in Septuag. s. 2, 1). Die Herrlichkeit des Paradieses besteht aber auch darin, daß die Seele sich in voller Freiheit des Leibes bedient, um den Auftrag Gottes, das Paradies zu hüten und zu bebauen, erfüllen zu können, und daß sie den Leib wieder aus ihrem Dienst entläßt, um sich der Beschauung zu widmen. Die spiritualistisch-dualistische Auffassung erkennt dem Leib einen „bloßen Dienstwert" 19 zu, der gegebenenfalls ganz aufgehoben wird, wenn die Seele einen bestimmten Zustand erreicht. Bezüglich der Verklärung hat Bernhard sich an keiner Stelle darüber geäußert, welche Bedeutung der Leib noch f ü r den Menschen hat. Zwar nimmt er an der Verklärung teil, aber irgendeine positive Bedeutung hat er nicht20. Mag sich die Seele, die schon im 19

BRUGGER, Phil. WörterbuchFreiburg 1957, S. 302; s. auch WILHELM V. ST. THIERRY, De nat. et dignit. amoris 51, ed. DAVY, Paris 1953, S. 132: ut universa substantia carnis non sit eis nisi instrumentum boni operis; für Origenes s. KARPP, a.a.O. S. 196; AUGUSTINUS: Homo igitur, ut homini apparet, anima rationalis e s t . . . utens corpore (De mor. Eccl. 1, 27, 52;

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Nam quod de corporum reformatione, et conformatione claritati corporis eius exspectamus, ex abundanti quodam modo et mensurae supereffluentia erit: ut feliciter quidem in ipsius glorificatione, sed non principaliter

MPL

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32, 1 3 3 2 ) .

Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele?

Himmel ist, immerhin nach der Vereinigung mit ihrem Leib gesehnt haben, mag sie ihn nach der Auferstehung des Fleisches uneigennützig lieben (gratis diligens corpus — de Div. s. 2, 6), die volle Verklärung des Menschen besteht darin, daß die Seele plenius perfectiusque perciperet sapientiam,... in nullo indigens corpore (ibd.). Sublimior iste praesentium ac dignior usus rerum, cum iuxta sapientiam Pauli, invisibilia Dei, per ea quae facta sunt, intellecta conspiciuntur. Sane hac scala cives non egent, sed exsules . . . Unde nec medium requirit ad ea corporis sensum: sensus ipsa sibi, se ipsa sentiens. Optimum videndi genus, si nullius egueris, ad omne quod libuerit, te contentus . . . Quid, quod et inferioribus eges? Nonne praeposterum hoc et indignum? Plane superiorum quaedam iniuria est, inferiorum operam desiderare (de Considerat. 5, 1, 1 bis 2). Im Hinblick auf den nach Bernhards Meinung auch im Paradieses- und Verklärungszustand bleibenden Dualismus von Seele und Leib verliert die früher berührte Frage, ob der Leib schlechthin oder nur der unter dem Gesetz der Sünde stehende Leib in der irdischen Existenz ein Hindernis für die Seele ist, ihre Bedeutung. Schmaus21 macht darauf aufmerksam, daß in der Theologie dem heilsgeschichtlichen Dualismus von Gott und Sünde vielfach ein metaphysischer Dualismus von Geist und Sinnlichkeit zugrunde liege — eine Auffassung, die von der Offenbarung nicht gerechtfertigt und beispielsweise vom Konzil von Trient nicht vertreten werde. Die Unterscheidung von metaphysischem, aus griechischem Denken herrührendem, und heilsgeschichtlichem Dualismus ist für Bernhard voll und ganz zutreffend. Im Paradieses- und Verklärungszustand ist die Seele fähig, den Leib in seinen sehr eng gezogenen Grenzen zu halten; seit der Sünde hat sie diese Gewalt verloren. Die Natur des Leibes macht sich, der Herrschaft der Seele entzogen, übermäßig stark in ihrer Eigengesetzlichkeit bemerkbar. Die Seele überwindet die Trennung von Gott, den heilsgeschichtlichen Dualismus, nur dadurch, daß sie sich möglichst dem Leib entzieht und von ihm befreit, um zu Gott aufsteigen zu können. Der Zusammenhang von metaphysischem und heilsgeschichtlichem

21

gaudeamus. Uxor, inquit, tua, sicut vitis abundans in lateribus domus tuae. Honorabitur caro, sed iuxta mensuram suam, non in medio domus habitans, sed seorsum; nec in facie nobis, sed in latere constitute (de Div. s. 2,6). Erit quando omnimodis erit gaudium spirituale, ut nulMs iam corporeis occasionibus excitetur (de Div. s. 18,1). Cf. auch de Div. s. 19,3 u. in Asc. Dmni s. 5, 2, wo gesagt wird, daß die Seele vom verklärten Leib (corpus spirituale) nicht mehr behindert wird. α. α. Ο S. 3 5 7 . Dieselbe Fragestellung für Hugo v. St. Viktor bei S C H L E T T E , a. a. O. S. 18 f. 53

Copula rationis et mortis

Dualismus kommt sehr gut i. c. c. s. 52, 4—5 zum Ausdruck: Excedente quippe anima, etsi non vita, certe vitae sensu, necesse est etiam u t nec vitae tentatio sentiatur. . . . Rerum etenim cupiditatibus vivendo non teneri, humanae virtutis est; corporum vero similitudinibus speculando non involvi, angelicae puritatis est. F ü r den Mönch ist Ziel seines aszetisch-mystischen Strebens, schon im irdischen Dasein der Seele jene Freiheit 22 zu erringen, die auf Grund der dualistischen Verfassung des Menschen wenigstens f ü r kurze Zeit möglich ist und in der reinen Gottesschau besteht. Sed moriatur anima mea morte etiam, si dici potest, angelorum, ut praesentium memoria excedens, r e r u m se inferiorum corporearumque non modo cupiditatibus, sed et similitudinibus exuat, sitque ei pura cum illis conversatio, in quibus est puritatis 23 similitudo (i. c. c. s. 52, 5). In hoc arcanum et in hoc sanctuarium Dei, si quem vestrum aliqua hora sie rapi et sie abscondi contigerit, ut minime avocet aut perturbet vel sensus egens, vel cura pungens, vel culpa mordens, vel certe ea, quae difficilius amoventur, irruentia imagin u m corporearum phantasmata, poterit quidem hic, cum ad nos redierit, gloriari et dicere: Introduxit me Rex in cubiculum suum (i. c. c. s. 23, 16). Studeamus etiam f u r a r i aliquando nosmetipsos; et a pessimis occupationibus istis subripere vel ad horam: iaculari animos, vibrare corda in id quod suum est, et quod quanto naturalius, tanto suavius est . . . Neque enim est oculorum visio ista, sed 22

Nach de Div. s. 15,2 muß die Seele ihr Bettlein (cf. Hohes Lied 3,1), d. h. Leib und Welt, verlassen, wenn sie den Wort-Bräutigam finden will. Nach in Vig. Nat. Omni s. 2, 4 versucht die Seele des Mönchs confessione totius hominis jenem Zustand näherzukommen, den sie im Tode erlangt: id est, quam cito a corpore exierit anima, omnes simul affectiones, omnia desideria, quibus per universum interim mundum dispersa et ligata tenebatur, dissolventur, et egredietur de visco hoc. Cf. auch ORIGENES, Comm. in Mt. ser. 1 1 , 5 — 6 ; H . R A H N E R , a. a. O. S. 226 1 . Für die neuplatonischen Elemente in solchen Überlegungen s. M E R K I , a. a. O. S. 17 ff.

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Bernhards Begriff der Reinheit schließt wesentlich den Gedanken des Freiseins vom Körperlichen schlechthin ein. Reinheit in diesem Sinne ist die Voraussetzung für die Erringung des Freiseins von Sünden (cf. in Festo omn. Sanct. s. 1,13 u. i. c. c. ss. 56 u. 62) und für die Gnade der Reinheit und Heiligung durch den Hl Geist (cf. in Festo Pentec s. 3, 5). — Schuck, Das religiöse Erlebnis beim hl. Bernhard von Clairvaux, Würzburg 1922, S. 90 ff., hat diese Tatsache nicht deutlich hervorgehoben. Die stoisch-neuplatonischen Einflüsse auf die Idee der Reinheit in der christlichen Literatur lassen sich gut bei B A S I L I U S D . G R . studieren. Die Sünde verhindert das Gnadenwirken des Hl. Geistes. Damit aber die Gnade des Geistes sich reicher auswirken kann, sind Freiheit von den Affekten (qui puri sunt affectibus) und aequabilitas constantis animi erforderlich, die der besitzt, qui carnis petulantiam subiecit spiritui (cf. Comm. in Is. 3; M P G 30, 122). S. dazu auch P O H L E N Z , α. α. Ο . S. 433 ff.

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Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele?

cordium . . . Proprium hoc cordis bonum; nec servili ad hoc indiget instrumento (de Div. s. 2, 8). Die dualistische Menschenauffassung Bernhards erhält auch eine Bestätigung durch die sehr negative Beurteilung der irdischen Existenz des Menschen, die sich an manchen Stellen findet. Da der Mensch an sich erfährt, wie schwer es der Seele wird, ihr naturgemäßes Eigenleben zu führen, fühlt sie sich aus einer regio felix in die vanitas verstoßen (cf. de Div. s. 19, 4). Wie der ägyptische Joseph ist sie aus ihrem Lande geraubt und schuldlos ins Gefängnis geworfen worden (cf. in Adv. Omni s. 1, 5), und als aus dem Palast vertriebener Ritter muß die Seele mit dem Knecht hausen und sein Dasein teilen, bis sie befreit wird (cf. de Div. s. 2, 7). Klingen hier nicht origenistische Gedanken von der Verbannung der Seele in den Leib wegen der Sünde an? Auch für Bernhard bekommt die leibgebundene irdische Existenz der Seele einen positiven Wert durch die Gelegenheit zur Läuterung (Agendum tarnen nobis aliquid in hoc mundo; agenda utique poenitentia — de Div. s. 15, 1), wie schon Origines gelehrt hatte, daß die Materie das erste Heilmittel gegen die Sünde ist24. Man wird auch an Gregor von Nyssa erinnert, nach dem Gott unter Voraussicht der Sünde der Seele den Leib „hinzuerschaffen" hat, ohne daß Gregor damit eine Praeexistenz der Seele lehren möchte25. Das Problem des anthropologischen Dualismus bei Bernhard läßt sich einer endgültigen Klärung entgegenführen durch die Behandlung der Frage, ob der Abt gelehrt habe, die Seele sei substantielle Form des Körpers (forma corporis). Ries behauptet es. Er beruft sich auf in Dedic. Eccl. s. 5, 7, wo es heißt: Si solerter advertas quanta et in ipsa eius substantia convenisse videtur diversitas naturarum, und läßt sich zu folgender Darstellung verleiten: „Indem der Heilige hier die eine Seele zugleich als Quelle des intellektiven, sensitiven und vegetativen Lebens bezeichnet im Gegensatz zum Trichotomismus und sie mit dem Leibe zu einer Substanz verbunden sein läßt, kommt er mit den Bestimmungen des Viennenser Konzils über diesen Gegenstand in den wesentlichen Momenten überein"26. Das Viennenser Konzil war 1311/12. Ob Ries nicht bedacht hat, daß die Begriffe substantia und forma" S. dazu G I L S O N - B Ö H N E R , a. a. O. S. 78 ff. und H. R A H N E R , a. a. O. S. 203 ff. S. dazu G I L S O N - B Ö H N E R , a. a. O. S . 1 1 5 f. und S C H O E M A N N , Gregors von Nyssa theologische Anthropologie als Bildtheologie, in Scholastik 18 (1943) S. 36 f. 2β α. α. Ο. S. 53. " Zum Begriff „forma" bei Bernhard s. G I L S O N , Die Mystik, S . 2 4 1 (Anm. 5 0 ) u. 2 9 3 (Anm. 1 9 4 ) und vor allem S T A N D A E R T , La doctrine de l'image chez 24

25

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Copula r a t i o n i s et m o r t i s

rund 160 Jahre nach dem Tode Bernhards eine andere Bedeutung hatten als zu seiner Zeit? Er hätte aufmerksam werden können durch in Nat. Omni s. 5, 4 und in Ps. Qui habitat s. 7, 11, wo ausdrücklich von der duplex substantia hominis die Rede ist. Zwar scheint Bernhard Ries recht zu geben, wenn er schreibt: Anima videt in oculis, audit in auribus, odorat in naribus, in faucibus gustat, tangit in toto reliquo corpore (de Considerat. 5, 5, 12)27a. Bedenkt man jedoch, daß Bernhard das Wirken der Seele im Leib als Analogie zum Verständnis des Wirkens Gottes28 im Menschen ansieht: Sic Deus diversa in diversis spiritibus operatur. Inest Angelus suggerens bona, non ingerens: . . . Angelus ergo cum anima, Deus in anima. Ille ut contabernalis animae inest, Deus ut vita (ibd.), so erscheint es unmöglich, nach Bernhard die Seele als substantielle Form des Körpers aufzufassen. Diese Analogie fin-

"a 28

Saint Bernard, in EThL 13 (1947) 116 ft. Hinsichtlich des B e g r i f f e s „ s u b s t a n t i a " d ü r f t e f ü r B e r n h a r d dasselbe gelten, w a s SCHLETTE, ct. ct. O. S. 57. f ü r H u g o v. St. Viktor f e s t s t e l l t : „Der T e r m i n u s s u b s t a n t i a ist also bei H u g o nicht im S i n n e d e r a r i s t o t e l i s c h - t h o m a n i s c h e n Definition zu n e h m e n ; er ist e i n f a c h h i n m i t res identisch, i n d e m e r lediglich ein in b e s t i m m t e r B e s c h a f f e n h e i t b e s t e h e n d e s Seiendes bezeichnet"', v. D. HOUT, Pensees de Saint Bernard sur l'Etre in Citeaux in de Nederlanden 6 (1955) S. 238 f.: „La distinction s u b s t a n c e et accident n'est p a s i n c o n n u e d e saint B e r n a r d , m a i s en fait, on ne t r o u v e d a n s ses ceuvres rien de bien original ä ce sujet. O n r e n c o n t r e u n e fois s e u l e m e n t la r e l a t i o n ,acte et puissance'. II s'agit d ' u n passage d u De g r a t i a e t libero a r b i t r i o . . . O n voit de suite q u e le c o n t e x t e e x c l u s i v e m e n t theologique oü se t r o u v e insere c e t t e distinction, n ' o f f r e ä celle-ci q u ' u n e analogie l o i n t a i n e avec son sens h a b i t u e l en philosophie t h o m i s t e " . Vgl. d a m i t A u g u s t i n u s bei MAUSBACH, α. ο. Ο. I, S. 415. Considera, ο a n i m a , q u i d i m p e n d a s c o r p o r i t u o . . . Q u a e r e ergo, u t tibi q u o q u e a n i m a t u a (quae est sine dubio D e u s tuus) similia l a r g i a t u r (de Div. s. 10,1). Cf. AMBROSIUS: I t a q u e u t connexio ista a n i m a e et corporis n o s t r i spiritu vitali a n i m a t u r , a t q u e alitur, et t e n e t u r , ita v e r b o Dei et spiritali g r a t i a a n i m a n o s t r a vivificatur (Expos, in ps. CXVIII 7, 7; M P L 15, 1350 B). E b e n s o AUGUSTINUS: I n q u o ita s u n t o r d i n a t a omnia, u t id, quod est in h o m i n e p r a e c i p u u m et excellens, hoc i m p e r e t ceteris n o n r e l u c t a n t i b u s , q u a e s u n t nobis b e s t n s q u e c o m m u n i a ; a t q u e i d i p s u m q u o d excellit in homine, id est m e n s et ratio, s u b j i c i a t u r potiori, q u o d est ipsa Veritas, u n i g e n i t u s Filius Dei. N e q u e e n i m i m p e r a r e i n f e r i o r i b u s potest, nisi superiori se ipse s u b j i c i a t (Lib. 1 de serm. Domini in monte, cap. 2; MPL 34, 1233). (Anima est) s u b s t a n t i a q u a e d a m r a t i o n i s particeps, r e g e n d o corpori a c c o m o d a t a (De Quant, an. 13, 22; MPL 32, 1048). Vita c a r n i s tuae, a n i m a t u a ; v i t a a n i m a e t u a e , D e u s est (Tract. 47, 8 in Joann.; MPL

35, 1737). C f . a u c h MAUSBACH, a.a.O.

I, S . 59 u . 100 u . I I , S . 92;

SCHWARZ, a. a. O. S. 336, s a g t : „Das V e r h ä l t n i s v o n Seele u n d Leib bleibt als e i n e i n n i g - l e b e n d i g e Einheit zu b e s t i m m e n . D e n n nicht k r a f t i h r e s Wesens, s o n d e r n k r a f t i h r e r Tätigkeit, die als eine zweckgerichtete E i n o r d n u n g zu b e t r a c h t e n ist, ist die Seele L e b e n s - , Z w e c k - u n d F o r m prinzip des Körpers".

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Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele7

det man formelhaft de Div. s. 47: Sicut enim anima vita est corporis, ita Deus vita est animae, und in Ps. Qui habitat s. 10, 4 heißt es: vera animae vita Deus est, und ähnlich de Laud. nov. Mil. 11, 19: Vita siquidem Deus animae est, ipsa corporis. Auch ist der Gegensatz zum Trichotomismus nicht radikal, vielmehr spielt dieser f ü r die Ausarbeitung des aszetisch-mystischen Ideals eine gewisse Rolle. Es muß besonders auf i. c. c. s. 30, 9 hingewiesen werden: (Paulus) hanc ipsam mentem suam, tamquam principale 29 ac supremum quoddam sui, dignum duxerit suimet potius quam suae cuiuspiam rei nomine designare; reliquum vero, quod constat naturae esse inferioris, et inferiori perinde viliorique essentiae, quod est corpus, inhaerere, non modo officio vivificandi ac sensificandi, sed et fovendi nutriendique desiderio: hoc, inquam, sensuale atque carnale appellatione sui homo spiritualis indignum iudicans, inter sua magis censuit deputandum, quam se personaliter exprimendum per illud. Andeutungen des Trichotomismus enthällt auch de Div. s. 59, und es ist beachtenswert, daß Bernhard von der trichotomistischen Menschenauffassung her in dieser Ansprache den Ordensgelübden eine Sinndeutung gibt: Hi panes (seil, castitas, humilitas, Caritas) quoties desunt, a Deo requirendi sunt. Merito autem tres quaerentur, quia tres reficiendi veniunt: anima quasi vir, caro quasi coniux, spiritus velut utriusque vernaculus. Die trichotomistischen Tendenzen haben sicher auch gewisse Ungenauigkeiten in den Aussagen über den Leib verursacht. Einmal ist dieser ein truneus insensibilis, ist limus terrae (in Nat. Omni s. 2, 1 u. 2), dem von der Seele alles Leben gegeben wird. Andererseits verlegt Bernhard das sinnliche Leben wieder ganz in den Leib, als ob die unteren Kräfte der Seele ein Teil desselben wären. Non ita illa (seil, anima) quae propriae voluntati nondum abrenuntiavit, sed per se jacet, per se habitat: magis non per se, sed cum meretrieibus luxoriose vivendo conversatur, concupiscentias loquor carnis (i.c.c.s. 46, 4; cf. i.c.c.s. 81, 3: vivens corpus; in Festo Omn. Sanct. s. 4, 6: Ab humoribus enim inordinatis causas aiunt procedere passionum). Daß Bernhard gelehrt habe, die Seele sei forma corporis, erscheint gänzlich ausgeschlossen im Hinblick auf einige Bilder, die er f ü r das Verhältnis von Leib und Seele gebraucht. Es sei an das schon früher erwähnte Bild vom Klosterleben erinnert, nach dem die Seele der Prälat, der Leib der Untergebene ist. Mit diesem Vergleich verwandt sind zwei andere: Der Leib ist Wohnstätte der 29

principale als Übersetzung für hegemonikon bei Origenes (cf. LIESKE, a.a.O.

S. 104) u n d BASILIUS (cf. Comm.

in Is. 2; MPG

30, 121—122 A,

griech. u. lat.). 57

Copula rationis et mortis

Seele. Sie weilt in ihm als Gast. Nobilem hospitem habes, ο caro, nobilem valde. Der Leib ist in dieser Welt zu Hause, die Seele in der Fremde. Tu quidem habitas in regione tua: anima vero peregrina et exul apud te est hospitata (de Adv. Omni s, 6, 3). In diesem Sinne wird der Leib oft als Haus oder Zelt angesprochen. Quid enim tabernacula, nisi nostra sunt corpora in quibus peregrinamur? Est ergo hoc habitaculum nostri corporis, non civis mansio aut indigenae domus; sed aut tabernaculum militantis, aut stabulum viatoris (i. c. c. s. 26, l)30. Leib und Seele werden unter dem Bild der Ehe gesehen: Diligat anima carnem suam: sed multo magis suam ipsius animam servet. Amet Adam Evam suam; sed non sie amet, ut voci eius plus obediat quam divinae. Denique ne ipsi quidem expedit sic amari, ut videlicet cui interim caves a flagello paternae correptionis, thesaurizes iram aeternae damnationis ( in Ps. Qui habitat s. 10, 3). Interessant ist auch die Unterscheidung in dem eben angeführten Zitat aus i. c. c. s. 30, 9, durch die der Geist als das Selbst des Menschen, die niederen Seelenkräfte und der Leib als seine Habe bezeichnet werden 31 . Leib und Seele werden also als die beiden Bestandteile des Menschen angesehen: Utquid ergo tenet me mater carnis, quia caro ex parte; spiritum Pater non reeipit, cum ex parte sim spiritus? Scio, scio, agit hoc non tarn substantia ipsa, quam culpa (in Festo S. Martino s. n. 3). Der dualistischen Grundeinstellung Bernhards entspricht es vielmehr, wenn man sagt, die Seele sei Vitalprinzip oder individuelles Lebensprinzip des Leibes. Der Abt dürfte hier Augustinus gefolgt sein. „Vitalprinzip ist nicht substantielle Form! Seele wird von Augustinus als individuelles Lebensprinzip des Leibes bestimmt, wodurch doch offenbar nur eine aktuale Verbindung bewirkt wird" 32 . Wenn Bernhard darlegt: Anima, cum in toto quoque sit corpore, excellentius tarnen et singularius est in capite, in quo 30

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32

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Dasselbe Bild bei O R I G E N E S , Comm. in Cant. Cant. 2. Leib als habitaculum bei Tertullian, s. K A R P P , a. a. O. S. 49 Anm. 4. Leib als Habe der Seele bei B A S I L I U S : N O S quidem anima sumus et mens . . . nostrum vero corpus est et qui per ipsum sunt sensus (Horn, in illud: Attende tibi ipsi 3; MPG 31, 203 A). Damit stimmt A M B R O S I U S , Hexam. 6, 7, 42; MPL 14, 273 C, fast wörtlich überein: Nos sumus, hoc est, anima et mens; nostra sunt corporis membra, et sensus eius. A U G U STINUS sagt: anima rationalis habens corpus. (Tract, in Joann. 19, 15; MPL 35, 1553). Das Eigentumsrecht der Seele über den Leib geht durch die Sünde verloren: Tunc tuum dixeris corpus, quod mortuum est propter peccatum; aut animae esse, quod animam aggravare non cessat? (in Ps. Qui habitat s. 8, 6). S C H W A R Z , α. α. Ο.

S. 335.

Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele?

sunt omnes sensus (nam in caeteris omnibus membris vix unum exercet solum, scilicet tactum, unde quantum ad eum modum quo in capite est, caetera membra videtur quodammodo non tarn inhabitare quam regere) (in Ps. Qui habitat s. 1, 4), dann weist das doch sehr stark auf die nur „aktuale Verbindung" hin. Nur die dualistische Anthropologie bietet Bernhard die ontologische Voraussetzung und Möglichkeit seiner Logosmystik. Die Seele, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, vermag sich vom Körper so weit zu lösen, daß sie als anima bene affecta et bene composita (cf. i. c. c. s. 69, 2) Wohnung des göttlichen Wortes sein kann. Qui autem ex doctrina Salvatoris sapit spiritum esse Deum atque in spiritu adorandum, etiam sedem ei non ambigit assignare spiritualem. Ego vero fidenter id fecerim, non minus in hominis iusti quam in angelico spiritu. Ο quanta illi animae latitudo, quanta et meritorum praerogativa, quae divinam in se praesentiam et digna invenitur suscipere, et sufficiens capere (i. c. c. s. 27, 8 u. 10). Da die Seele vom Himmel stammt (cf. i. c. c. s. 27, 8), da sie von allen Geschöpfen unter der Sonne Gott am nächsten steht (nullus enim Deo vicinior gradus inter omnes quae sub sole habitant creaturas, quam anima humana — de Div. s. 9, 2), vermag sie durch eine vita angelica, die in der Ehelosigkeit (cf. i. c. c. s. 27, 8) und dem Freisein von den Lockungen des Fleisches und dem Losgelöstsein von den Schauspielen der Welt (carnis illecebra et mundi spectacula — i.c.c.s. 11, 6) besteht, auch wahrhaft ein Himmel zu sein, est ergo coelum sancta aliqua anima (i.c.c.s. 27, 8). Oportet namque primo quidem his omnibus vacuam esse animam, ut coelum fiat atque habitatio Dei (ibd. n. 10). Nur unter dieser Voraussetzung wird die Ablehnung der zirkumskriptiven Gegenwart der Seele im Leib und der Vergleich der Tätigkeit der Seele mit dem schöpferischen und gnadenschenkenden Wirken Gottes verständlich. In dem, was Bernhard vom Wirken Gottes sagt, sind gewissermaßen die Punkte des Programms niedergelegt, an das die Seele sich halten muß, wenn sie sich nicht verlieren und der Geist als das principale und supremum hominis sich selbst bewahren will. Gottes einfache Natur bleibt in allem Wirken in Natur und Gnade sich selber gleich (non quidem ipse diversus, sed diversa distinguens — in Dedic. Eccl. s. 6, 2) und steht in ihrer Unveränderlichkeit fest (nec minui potest, nec augeri, aut aliquo modo variari — de Div. s. 60, 1). Um alles besorgt, verliert und zersplittert Gott sich nicht und bleibt immer in seiner sich selbst genügenden Ruhe. Nec ad multitudinem multus erit, nec ad paucitatem rarus; nec ad diversitatem diVisus, nec restrictus ad unum; nec anixus ad curas, nec perturbatus seu turbulentus ad 59

Copula rationis et mortis

sollicitudines. Sic sane uni intentus, ut non detentus; sic pluribus, ut non distentus (i.c.c.s. 69, 2). Omnia omnibus est qui omnia administrat, nec quidquam est omnium proprie (i. c. c. s. 4, 4). Kann man Bernhards Logosmystik nur unter der ontologischen Voraussetzung eines anthropologischen Dualismus verstehen, f ü r welchen die Seele nicht substantielle Form, sondern individuelles Lebensprinzip des Leibes ist und welcher der Seele erst die Freiheit vom Leib ermöglicht, deren sie bedarf, um zur mystischen Vereinigung mit dem Logos zu kommen, so gilt dasselbe von seiner Erhellung der irdischen Existenz des Menschen. Bernhard sieht das irdische Leben in Anlehnung an Job 7, 1 als einen Kampf an, in den hineingeworfen der Mensch den Frieden suchen muß, quia enim tentatio est vita hominis super terram, merito in terra homini non gloria, sed pax est quaerenda (in Festo omn. Sanct. s. 5, 8). Dieser Kampf ist hauptsächlich eine Auseinandersetzung zwischen Geist und Leiblichkeit83. Die Seele erfährt den Widerstand des sterblichen Leibes, corpus quod corrumpitur, aggravat animam (in Ps. Qui habitat s. 16, 4)34, und im Aufstand der im Leib wohnenden Triebe macht sich vor allem die Ubermacht (superfluitas — in Circumcis. Omni s. 3, 3) des Geschlechtstriebes bemerkbar: In omni siquidem contradicentium spiritui rebellione membrorum, solum illud usque adeo contumax invenitur, ut contra omnem voluntatis deliberationem ad inhonestos et illicitos motus assurgat (ibd. s. 2, 2). Für den Bereich des Leiblichen und Sichtbaren gelten folgende Kennzeichen: Es ist der Bereich der vanitas (in Dedic. Eccl. s. 4, 6 u. de Div. s. 19, 4) und unterliegt der Zeitlichkeit, magis temporalitas praevalebat (in Adv. Dmni s. 1, 9). Der Mensch lebt in der Unbeständigkeit, qui totus sum in vicissitudine et numero (in Septuag. s. 1,3) und findet allein in der ständigen Abwechslung Erleichterung, ab uno semper transire velit homo ad aliud, solaque vicissitudine relevetur utcumque (de Div. s. 12, 3). Von seinem irdischen Dasein hat der Mensch Not (necessitas) und Mühsal (labor) zu erwarten (cf. in Septuag. s. 2, 2)35. So ist es verständlich, daß hier 33

Für Bernhard gilt, was H. RAHNER, a.a.O. S. 208, v o n Origenes sagt: „Nie hat er die gottentsprungene Güte der sichtbaren Welt geleugnet, aber er hat eine noch viel schärfere Witterung für die Unstimmigkeit, in der sich das Innerste des Menschen, eben sein Nous, seine allernächste Gottabbildlichkeit, mit der Welt und dem Körper befindet". *4 Die diesem Zitat zugrunde liegende Schriftstelle Sap. 9,15 hat Bernhard sehr oft verwandt. 35 S. dazu in Septuag. s. 1, wo Bernhard dem nach Maß, Zahl und Gewicht eingeengten irdischen Leben die unendliche Fülle des himmlischen Lebens gegenüberstellt. Sic omnino, sie verum est, fratres, quoniam modo omnia dantur in pondere et mensura et numero; sed veniet dies quando omnia sunt cessatura (n. 4).

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Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele? auf Erden sich alles u m Glück u n d Unglück dreht, et i n his q u i d e m duobus (prosperitatem et a d v e r s i t a t e m loquor) h u m a n a o m n i s vita versatur (in Dominica Palm. s. 3, 2), aber Bernhard weiß, daß e s in der leiblich-irdischen E x i s t e n z k e i n e B e s t ä n d i g k e i t des Glückes g e b e n kann. Mag d i e S e e l e z u w e i l e n durch die G e g e n w a r t des göttlichen Wortes das w a h r e Glück erfahren, es ist i m m e r nur e i n e v o r ü b e r g e h e n d e B e s e l i g u n g . Quia etsi visitatio laetificat, sed m o lestat vicissitudo. Et hoc tamdiu necesse est pati dilectam, donec, s e m e l posita corporeae sarcina molis, avolet (i. c. c. s. 32; 2). B e r n hard stellt eine vierstufige Leiter des Glückes auf, d e r e n oberste Sprosse die h i m m l i s c h e Seligkeit, d e r e n u n t e r s t e die e w i g e V e r d a m m n i s darstellt. D a s L e b e n i m Paradies ist, als noch verlierbar, eine felicitas media, w ä h r e n d das irdische Dasein, v o n d e m aus der Mensch zu Gott zurückkehren kann, e i n e m e d i a infelicitas ist (cf. de Div. s. 20, l) 36 . 36

Bernhards Urteil über die sichtbare, materielle Welt ist — seiner Eigenart entsprechend — natürlich existentiell. In diesem Urteil sind theologische und philosophische Aspekte miteinander verwoben. Hier noch einige philosophische Gesichtspunkte: 1. Der Mensch muß sich der Vergänglichkeit der Welt, in der er lebt, bewußt sein. Nempe et mundus transit, et concupiscentia eius; nec satis utiliter posita, aut stabilita firmiter, vel cadente eo, quae pro eo facta sunt, videbuntur. Ubi enim causa ipsa deficiet, quomodo non omnia quoque quae ei videbantur innixa pariter evacuabuntur? (in Ps. Qui habitat s. 9,2) Caduca, vana, et prope nulla, et quorum finis mors est, lautet i. c. c. s. 16,4 das Urteil über die Welt. 2. Das Wissen um die Vergänglichkeit und Nichtigkeit der Welt kulminiert im Wissen um den Tod. Haec enim vita, qua vivimus, magis mors est; nec simpliciter vita, sed vita mortalis. Moritur homo, dicimus, quando morti certissime jam appropinquat. Quid vero agimus ex quo primum incipimus vivere, nisi morti appropinquare, et incipere mori? (in Ps. Qui habitat s. 17, 1) Vivo, ut vivens moriar; et hoc dixerim vitam? (i. c. c. s. 26,4) 3. In dieser dem Tode geweihten Unsicherheit verfällt der Mensch leicht dem trügerischen Schein der Welt. Aurum et argentum. Nonne terra est rubra et alba, quam solus hominum error facit, aut magis reputat pretiosam? (de Adv. Dmni s. 4,1) In Ps. Qui habitat s. 3,1 zitiert der Abt Ps. 48,13: Homo enim cum in honore esset, non intellexit: comparatus est jumentis insipientibus, et similis factus est illis. 4. Diese Beurteilung der Welt wird den Menschen vor einer falschen Sicherheit schützen. Esto tarnen, magna sint et honesta, quae mundus interim amatoribus suis erogare videtur: sed infida esse quis nesciat? Certa nimirum eorum brevitas, et ipsius quoque brevitatis finis incertus... Quid vero in rebus humanis certius morte, quid hora mortis incertius invenitur? (de Convers. ad Cleric. 8, 16) Minime ergo decet esse securum hominem (in Ps. Qui habitat s. 3, 5). Wenn ein Mensch sich der Welt ausgeliefert hat, zeigt sich das bei ihm an den „Kardinaltugenden" des Weltmenschen: timor, vana gloria, cupiditas oder ambitio, ignorantia (cf. in Ps. Qui habitat s. 6 u. s. 14); malitia, contemptus Dei, irreverentia, astutia (cf. de Div. s. 72,3); timor, concupiscentia, propria iniquitas, ignorantia (cf. de Div. s. 117). 61

Copula rationis et mortis

Die irdische Existenz bedeutet für die vom Himmel stammende Seele eine große Gefahr. Zwar sind ihre Kennzeichen, wie schon dargelegt wurde, simplicitas, libertas, immortalitas; zwar ist sie von Natur aus Gott und den Engeln verwandt und zu einem himmlischen Leben befähigt und berufen. Aber da sie nun einmal in dieser Welt ist, besteht die Möglichkeit, daß sie durch die zu starke Berührung mit der sichtbaren Welt sich verliert. Ut de corpore taceam, in anima tria intueor, rationem, voluntatem, memoriam, et haec tria ipsam animam esse. Quantum cuique horum in praesenti saeculo desit de integritate sua et perfectione, sentit omnis qui ambulat in spiritu. Quare hoc, nisi quia Deus nondum est omnia in omnibus? Hinc est quod et ratio saepissime in iudiciis fallitur, et voluntas quadruplici perturbatione iactatur, et memoria multiplici oblivione confunditur (i. c. c. s. 11, 5). Bernhard hat sich Gedanken darüber gemacht, wie es denn möglich sei, daß die von Gott so herrlich geschaffene Seele zur anima curva wird und sich die Gottähnlichkeit zur Tierähnlichkeit (similitudo bestialis)37 verzerrt (cf. de Div. s. 12, 2). I.c.c.s. 81, 4 gibt der Abt die Antwort auf diese Frage: die Seele ist Gottes Geschöpf, und bei aller Gottähnlichkeit bleibt ein unüberbrückbarer Abstand, eben der zwischen Schöpfer und Geschöpf: Verbi causa, vita Deus, vita et anima est: similis quidem, sed dispar. Porro similis, quod vita, quod seipsa vivens, quod non tantum vivens, sed et vivificans, sicut et ille haec omnia est; dispar vero, quantum a creante creata, dispar quod, ut nisi creata ab illo non esset, sic nisi ab ipso vivificata non viveret. Als einem Geschöpf kann der Seele kein notwendiges Sein zugesprochen werden; sie kann so gut sein wie nicht38. Daher findet sich in ihr trotz ihrer Wesensmerkmale simplicitas, immortalitas, libertas eine Ähnlichkeit mit dem Tod. Gott allein, der das Sein aus sich selber besitzt, ist von Natur aus unveränderlich (solus sit natura incommutabilis Deus — ibd. n. 5). Die Geschöpflichkeit der Seele, welche Möglichkeit des Nichtseins bedeutet, bedingt die Möglichkeit der Veränderung, und eben darin liegt die Ähnlichkeit mit dem Tod: Omne etenim quod mutatur, dum de uno ad aliud transit esse, quodammodo necesse est moriatur quod est, ut esse ineipiat quod non est. Quod si tot mortes quot mutationes, ubi immortalitas? (ibd.) Die Seele darf nicht vergessen, daß ihr ein nicht unbedeutender Teil Unsterblichkeit (non modica 37

Z u r Tier-Theologie (H. Rahner) s. II. Kap. Anm. 8 und STRUKER, O. A. O. S. 58, w o gezeigt wird, daß das Thema auch in der gnostischen Literatur z. Z. des Irenaus behandelt wird.

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de Considerat. 5, 6,14 werden alle Geschöpfe, weil aus nichts erschaffen, etsi bona, corruptibilia tarnen genannt.

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Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele?

pars immortalitatis — cf. ibd.) abgeht. Von Gott als mit Freiheit ausgerüstetes Geschöpf ins Dasein gerufen, hat die Seele gerade in dieser Freiheit ihren gefährlichen Feind. Denn wendet sie sich von Gott ab, wozu ihr die Freiheit die Möglichkeit gibt, wird ihre geschöpfliche Nichtigkeit offenbar. Sic et nos, qui de nihilo creati sumus, constat quia si nobisipsis relinquimur, in peccatum semper, quod nihil est, declinamus (in Festo Annuntiat. Β. V. s. 1, 1). Bernhard wird nicht müde zu betonen, daß die Sünde ein Nichts, ein Verlust an Sein ist39. An drei Stellen gebraucht er Ps. 72, 22, um dies auszudrücken (de Considerat. 5, 10, 23; in Dedic. Eccl. s. 5, 3; de Div. s. 4, 2). Der Psalmist will schildern, wie ratlos der Mensch oftmals der Tatsache gegenübersteht, daß es den Frommen schlecht und den Bösen gut geht. Es ist also ein sehr großzügiger und freier Schriftgebrauch, wenn der Abt mit Ps. 72, 22 das Wesen der Sünde bestimmt: quod peccato redacti in nihilum. Dabei ist das Interesse eher philosophisch als theologisch. Das läßt sich aus de Div. s. 1, 6 beweisen, wo unter den Nichtsen (ea quae nihil sunt) neben Beschwerden, Krankheit und Tod auch die Sünde genannt wird40. Durch die Sünde werden gewissermaßen die wahren Seinsverhältnisse offengelegt. Gott allein kommt das Sein im eigent39

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Für Gregor v. Nyssa s. GILSON-BÖHNER, a.a.O. S. 114f.; für Augustinus s. MAUSBACH, α. α. Ο. I, 105—119. Bernhard war sicher auch von Gregor d. Gr. beeinflußt, wenn er in der Sünde einen Verlust an Sein gesehen hat. „Der Mystiker kommt zu dem Zustand, der gekennzeichnet wird mit Worten wie stare, status, immutabilitas, soliditas standi, consistere, status constantiae, status rectitudinis, stabilis. Sie zeugen, wenn man es so nennen will, vom Werke Gottes am Menschen. Der Zustand nach dem Sündenfall aber wird beschrieben mit mutabilitas, infra se proruere, variari, defluere, transire, curvari, inclinari. Sie sind das Werk des Menschen" (SCHAUT, Die Vision des heiligen Benedict, in Vir Dei Benedictus, Münster 1947, S. 212 f.). GILSON sagt (Die Mystik, S. 237): „Augustin würde sich im heiligen Bernhard ohne weiteres wiedererkennen, und doch ist die .regio dissimilitudinis' der Confessiones wesentlich die platonische Ebene des Werdens, zwischen dem Nichtsein des Nichts und dem unwandelbaren Sein Gottes; beim heiligen Bernhard ist sie wesentlich das Land der Sünde und der Verunstaltung infolge der verlorenen Ebenbildlichkeit! Selbstverständlich gibt es Verbindungslinien von der einen zur anderen: Augustin sagt selbst, daß die Zufälligkeit des geschaffenen Seins die Möglichkeit der Sünde erklärt; und Bernhard erinnert immer wieder daran, daß der Verlust des Ebenbildes ein Verlust an Sein ist". Man wird aber gegen Gilson daran festhalten müssen, daß das Metaphysische auch für Bernhard bedeutend ist; daß er nach den ontologischen Voraussetzungen seiner Theologie gesucht und sie im anthropologisch-metaphysischen Dualismus gefunden hat. quae quidem constat naturas non esse, sed naturae corruptiones (de Diu. s. 1, 6).

63

Copula rationis et mortis

lichen und vollen Sinne zu41. Iam si vidisti hoc tarn singulare tam summum esse, nonne in comparatione huius quidquid hoc non est, iudicas potius non esse quam esse? (de Considerat. 5, 6, 13) Sicut nihil ad aliquid nullam habet comparationem, ita et vita nostra nullam habet ad vitam illius (seil. Christi) proportionem (de Div. s. 22, 6). Die Sünde läßt die wirkliche Beschaffenheit (veritatem rei) des auf sich selbst gestellten Geschöpfes (prout in se est et ex se) erkennen: nihil est homo (cf. in Dedic. Eccl. s. 5, 3)42. So spielt sich das Drama des irdischen Menschen, der Kampf zwischen Geist und Fleisch, vor dem Hintergrund des tiefer greifenden Dualismus von Sein und Nichts ab. Diesen Dualismus sieht der Abt zunächst im Menschen selbst43. Es ist der Gegensatz des auf 41

42

43

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Gottes Seinsfülle ist sehr schön in Dom. I Nov. s. 3,4 formuliert: Sola proinde sedet Trinitas summa, quae sola habet in se esse: in se est, et ideo sola vere est; sola se fruitur, sola nullius eget, sola sufficit sibi ipsi. Wichtig ist auch besonders de Considerat. 5, 6,13—14. Cf. W I L H E L M V. S T . T H I E R R Y , De contempl. Deo 7, ed. H O U R L I E R , Paris 1959, S. 82 ff. Im Anschluß an A U G U S T I N S Zeitspekulation (Confessiones, lib. 11) schreibt Bernhard, i.c.c.s. 31, 1: Nempe ilia visio stat, quia forma stat, quae tunc videtur; est enim, nec ullam capit ex eo quod est, fuit, vel erit, mutationem. Tolle nempe „fuit" et „erit": unde iam transmutatio, aut vicissitudinis obumbratio? At quidquid veniens ex eo quod fuit non cessat tendere in id quod erit, transitum sane habet per „est", sed omnino non est. Nam quomodo est, quod numquam in eodem statu permanet? Solum proinde vere est, quod nec a „fuit" praeciditur, nec ab „erit" expungitur, sed solum atque inexpugnabile remanet ei „est", et manet quod est. Es dürfte etwas weit hergeholt sein, wenn v. D. H O U T , a. a. O. S. 238, bei dieser Stelle an Heraklit denkt. Er ist sich der Fragwürdigkeit dieser Beziehung selbst bewußt, denn er schreibt: „Y a-t-il ici sur la pensee de saint Bernard quelque influence de la pensee philosophique grecque? II ne serait pas facile de le demontrer". Der Seinsverlust durch Trennung von Gott wird mit Bezug auf die bösen Engel folgendermaßen beschrieben: Itaque erunt minime quidem extremius nihilo, miserius tarnen. Erunt, sed inclinatae et s u b d i t a e . . . Ergo non natura delebitur, sed potentia subtrahetur (i. c. c. s. 72,5). Eine interessante Überlegung findet man i. c. c. s. 50, 7 über die Feindesliebe: Porro inimicum hominem, quoniam nihili est, pro eo quod non diligit Deum, non potes quidem diligere tamquam teipsum, qui Deum diligis; diliges tarnen ut diligat... Proinde ut tibi et ipse sapiat prout est, sapiet tibi, non quidem quod est, qui utique nihili est; sed quod futurus fortisan est, quod est prope nihili, quippe quod adhuc pendet sub dubio. Sacrum Imperium, S . 224: „Das ist nun die andere Metaphysik des germanischen Christentums, d i e . . . die nobilitas creaturae mit ihrer eigenen Nichtigkeit vereint". Cf. auch S C H W A R Z , a. a. O. S . 329, über Augustinus: „Noch wie bei Plotin steht jene anthropologische Frage in innenseitiger Verschränkung mit der metaphysisch-kosmischen Dualität von Körper und Geist, Leib und Welt. Und wie dort der Biß zwischen Sein und Nichtsein mitten durch die Welt und mitten durch die Person des

DEMPF,

Una substantia oder Dualismus von Leib und Seele?

sich gestellten Geschöpfes, das ein Nichts ist, zu dem Geschöpf, das zur Gemeinschaft mit Gott und damit zur Teilnahme an seinem Sein gelangt ist. Licet enim non sint quantum ad se, apud te tarnen sunt (in Dedic. Eccl. s. 5, 4). Wenn Bernhard das Wunder bestaunt, daß Gott so verschiedenartige Substanzen wie Geist und Fleisch mit unbegreiflicher Kunst vereint und aus solchen Gegensätzen einen pulcherrimus ordo schafft, so ist das Wunder, daß er dem Nichts Sein gibt und als das esse omnium 44 den Dualismus von Sein und Nichtsein gewissermaßen überwindet, noch größer (cf. i. c. c. s. 4, 4 u. de Considerat. 5, 6, 13—14). Wendet sich aber der Mensch kraft seiner Freiheit von Gott ab und bricht somit in ihm der Dualismus von Sein und Nichtsein auf, so zeigt sich auch in aller Schärfe der Dualismus zwischen dem göttlichen Sein und dem Nichts der Geschöpfe. In Festo omn. Sanct. s. 5, 8 sagt der Abt, daß der sündige Mensch ein Gegensatz Gottes ist: quia posuisti me contrarium tibi. Tu enim vera libertas, tu vita, tu gloria, tu sufficientia, tu beatitudo; ego pauper, et miser et miserabilis, confusus et humiliatus usquequaque, mortuus propter peccatum, venundatus sub peccato. Bernhard geht an dieser Stelle von Job 7, 20 aus, einem Wort, das im Zusammenhang einer Klage des duldenden Job über das ihm von Gott geschickte Leiden steht, und wie bei der Verwendung von Ps. 72, 22 zeigt sich, wie er über den eigentlichen Inhalt des Schriftwortes hinaus eine grundsätzliche Wahrheit über göttliches und menschliches Sein ausgedrückt findet. Für Bernhards Denken gilt, was Hoffmann schreibt: „Für das christliche Bewußtsein wurde die Unendlichkeit Gottes ebenso wie seine Unbedingtheit (Absolutheit) dem Sinne nach zu der positivsten aller Bestimmungen, während den Wortbedeutungen von ,endlich' und ,bedingt' negativer Sinn eignet"45. Der anthropologisch-metaphysische Dualismus ist die Grundlage f ü r Bernhards Theologie, die wesentlich Lehre von der Rettung des gefallenen Menschen, von der Heilung seiner Existenz ist. Man wird sagen dürfen, daß diese Theologie völlig von dieser „wertvollen und schwer zu fassenden philosophie implicite" 46 bestimmt ist.

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Menschen geht, so auch über einer christlich-modifizierten Ebene bei Augustinus. Die abgrundtiefe Kluft zwischen jenen entgegengesetzten Substanzen drohen sein Menschenbild zu zerreißen". Si qua sane in sanctis digna laude vel admiratione intueor, clara luce veritatis discutiens, profecto reperio laudabilem sive mirabilem alium apparere, atque alium esse, et laudo Deum in sanctis eius (i. c. c. s. 13, 6). H O F F M A N N , Piatonismus und Mystik, S . 1 2 7 . cf. L O R T Z , a. a.O. S. XXVII. 5

Hiss

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IV. DIE SEELE 1. A d i m a g i n e m e t s i m i l i t u d i n e m D e i CI. Baeumker hat über die mittelalterliche Anthropologie gesagt: „Da ist wie bei Piaton, und im Grunde auch bei Augustin, die Seele der wahre Mensch"1. Es kann nach den Überlegungen über den Menschen als Ganzes, als eine copula rationis et mortis, nicht verwundern, daß Bernhard diesem Gedanken nachhaltig Ausdruck gibt: Separare oportet pretiosam a vili, et digniorem praeponere partem (de Div. s. 23, 1). Spiritus sum, quod ad animam pertinet; nec portionem hanc mei dubitaverim potiorem (in Festo S. Martini s. n. 3). Die Seele ist das principale ac supremum (i. c. c. s. 30, 9)2. Nur von der Seele gilt die höchste Auszeichnung des Menschen, daß er Bild und Gleichnis Gottes ist3. Sed anima invisibilis est ad imaginem Dei creata (de Div. s. 116). Ut per hoc a.a.O. S. 167. Cf. A M B R O S I U S , Hexam. 6,7, 43; MPL 14, 274 Β : In hac (seil, anima) totus es, homo; quia sine hac nihil es, sed es terra, et in terram r e s o l v e r i s . . . Quam enim dabit homo commutationem pro anima sua, in qua non exigua sui portio, sed totius humanae universitatis substantia est? H . R A H N E R , α. α. Ο . S . 2 0 3 , über Origenes: „Origenes wäre kein Grieche und kein Schüler des Piaton und Philon gewesen, wenn nicht auch er das Wesentliche des Menschseins durchaus in das Geistsein verlegt hätte". * Animabus enim hoc tempus est, non corporibus assignatum, quod videlicet longe dignior anima corpore, priorem sibi sollicitudinem naturali vindicet dignitate (de Adv. Dmni s. 6, 1). Dignum est enim ut prius anima satietur, quod haec portio sine dubitatione, et sine comparatione sit potior (in Festo omn. Sanct. s. 1, 1). Quanto enim spiritus corpore melior e s t . . . (Apol. 7 , 1 3 ) . . . ut corporibus eibum penitus obliti, diem plerumque totum jejunis ventribus, sed non mentibus transigerent. Et hic erat rectus ordo, quando digniori parti prius inserviebatur (ibd. 9, 19). 1

3

66

BAEUMKER,

O R I G E N E S : Si considerem Dominum Salvatorem imaginem esse invisibilis Dei et videam animam meam factam ad imaginem Conditoris, ut imago esset i m a g i n i s . . . (Horn. 8 in Luc. 1 , 1 6 ; zitiert nach R I E S , a. a. O. S. 80 Anm. 1). A M B R O S I U S , Hexam. 6,7,43; MPL 14, 274 A : Anima igitur nostra ad imaginem Dei est. Ibd. 6,8,45; MPL 14, 275 A: Non ergo caro potest esse ad imaginem Dei, sed andma nostra. Ibd. 6, 8, 50; M P L 14, 277 D: Cognosce ergo te, decora anima: quia imago Dei es. A U G U S T I N U S , Tract, in Joann. 3,4 (MPL 35, 1398): Ubi imago Dei? In mente, in intellectu. S C H A U T über Gregor d. Gr.: „Der Geist des Menschen ist geschaffen nach dem Bilde Gottes. Nur als Geist kann der Mensch Gott, dem reinen Geist, ebenbildlich sein" (a.a.O. S. 210). B O E T H I U S : Vos autem deo mente consimiles (de cons, ph.il., in der von mir benutzten Ausgabe S. 104).

Ad. imaginem et similitudinem Dei

noveris in spirituali portione tui, et non in crassa luteaque substantia, Dei similitudinem conservandam sive reparandam (i. c. c. s. 24, 5). Die Heiligen sind nur um den inneren Menschen (interior ille qui ad imaginem Dei est — cf. i. c. c. s. 25, 7) besorgt, denn nur der innere Mensch ist fähig, Gott zu fassen, quoniam non capit eum nisi imago sua. Anima capax illius est, quae nimirum ad eius imaginem est creata (in Dedic. Eccl. s. 2, 2). Wenn durch die Geschöpfe im allgemeinen eine, wenn auch sehr unvollkommene Gotteserkenntnis möglich ist, so erfaßt die Seele Gott am schärfsten in sich selbst als einer creatura quae facta est ad imaginem Creatoris (de Div. s. 9, 2). Die Lehre Bernhards über die Gottebenbildlichkeit des Menschen gilt als nicht einheitlich. Standaert 4 hat sie unter Berücksichtigung aller in Frage kommenden Stellen dargestellt. Er betont mehrmals den Mangel an Geschlossenheit, Ungenauigkeiten und Widersprüche: „Puisqu'il est avere qu'un concordisme parfait n'existe pas, il faut veiller d'autant plus soigneusement ä ne depasser en rien les textes" 5 . Ebenso ist Standaert der Meinung, Bernhard habe nicht genau dargelegt, was er unter Gottähnlichkeit und Gottebenbildlichkeit verstehe, „saint Bernard n'a expose nulle part sa notion d'image et de ressemblance comme fera plus tard saint Thomas et comme avait fait avant lui par exemple saint Augustin'". Nun hat man aber durchaus das Recht, Bernhards Lehre über die Gottähnlichkeit und Gottebenbildlichkeit des Menschen trotz aller terminologischen Verschiedenheiten, deren der Abt sich sehr wohl bewußt war (diversa fortassis de imagine et similitudine disputata leguntur — i. c. c. s. 81, 11), als ein Ganzes zu nehmen, denn in sei4

5

α α. Ο. S. 1 2 2 ff., macht auf die große Schwierigkeit aufmerksam, die Quellen aufzuspüren, aus denen Bernhard für seine Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen geschöpft hat. Mit Recht! Das Thema der Gottebenbildlichkeit ist an sich schon in der Mannigfaltigkeit und Verschiedenartigkeit seiner Behandlung durch die Kirchenväter für die Forschung ein Problem, wie aus einigen im Literaturverzeichnis genannten Arbeiten (Gilson, Jervell, Karpp, Merki, H. Rahner, Ries, Rüfner, K. L. Schmidt, Schoemann, Schuck, Struker) leicht zu ersehen ist. Die Kenntnis von Bernhards Lehre hat aber ihren Wert, auch wenn man die Quellen wenig kennt. „Aber es bedürfte des geistlichen Lebens und des spekulativen Genies eines heiligen Bernhard, um aus diesem Haufen der in Schrift und Väterwerken zerstreuten Gegebenheiten seine m y stische Theologie herauszuschälen" ( G I L S O N , Die Mystik, S. 6 3 ) . „Mais eut-il meme tout regu de ses devanciers, il a tellement converti toutes ces richesses ,en sang et nourriture' que meme dans ces biens regus on voit avant tout son propre bien" ( S T A N D A E R T , a. a. O. S. 1 2 7 f.). STANDAERT,

a.a.O. S. 92; cf. auch S. 84 u. 85.

« A. A. O .

5'

S . 76.

67

Die Seele

nen letzten ausführlichen Darlegungen über diesen Gegenstand (i. c. c. ss. 80—82) sagt er ausdrücklich, daß sich bei allen Verschiedenheiten keine Widersprüche finden (diversa, non adversa — cf. i.c.c.s. 81, 11). Es ist also methodisch völlig berechtigt, die Texte als gegenseitige Ergänzungen zu verstehen und die einen aus den anderen zu erklären, da Bernhard gegen Ende seines Lebens nichts von dem früher Gesagten zurückgenommen oder korrigiert hat. Die Frage nach dem, was der Abt unter Gottähnlichkeit und Gottebenbildlichkeit genauer verstehe, scheint auch nicht unbeantwortet bleiben zu müssen. Nur muß man bei der Behandlung dieses Themas von einer Voraussetzung ausgehen, die für Bernhard so selbstverständlich ist, daß er selten ausdrücklich darauf hinweist. Die Voraussetzung besteht in der Feststellung, daß die Seele des Menschen eine natura oder substantia spiritualis ist. Am ausführlichsten und eindringlichsten erscheint ein Hinweis in de Considerat. 5, 3, 5: Sane eorum admonitus quae supra sunt, non te existimes mitti a me suspicere solem, lunam, stellas, non ipsum firmamentum, non aquas quae super coelos sunt. Ista siquidem omnia, etsi supra loco, pretio infra sunt, et dignitate naturae: sunt enim corpora. Tui portio spiritus est, quo superius quidpiam frustra quaeris, quod non sit spiritus. Porro spiritus est Deus, sunt et Angeli sancti, et hi supra te. Sed Deus natura, Angeli gratia superiores sunt. Unum siquidem tui et Angeli optimum ratio est: Deus vero non sui aliquid optimum habet, unum optimum totus 7 . Als natura spiritualis steht die Seele über allen anderen Geschöpfen, und um seiner Seele willen ist der Mensch ihnen nicht zu vergleichen, est tibi sublimius aliquid, nec omnino comparandus es ceteris creaturis (in Nat. Omni s. 2, 1). Die hohe Würde der Seele kommt in der besonderen Art ihrer Erschaffung zum Ausdruck. Selbstverständlich gilt auch f ü r sie wie für jedes Geschöpf die Wahrheit der Erschaffung aus nichts, denn jede Menschenseele wird durch einen besonderen Schöpfungsakt Gottes aus nichts ins Dasein gerufen, wie Bernhard f ü r die Seele des Gottmenschen ausdrücklich betont: Verbum, quod erat in principio apud Deum, et Deus erat; anima, quae de nihilo creata est, et ante non erat, caro de massa corruptionis sine corruptione 7

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cf. auch manche Zitate im III. Kapitel, in denen von der spiritualis substantia der Seele die Rede ist. Cf. damit GREGOR VON N Y S S A : Cognosce quantum sis honorata a Creatore plus quam reliqua creatura. Non factum fuit coelum imago Dei; non luna, non sol, non siderum pulchritudo... Tu sola facta es effigies naturae quae omnem superat intelligentiam, similitudo pulchritudinis in quam non cadit interitus (Horn. 2 in Cant. Cant.; MPG 44, 806 C).

Ad imaginem et similitudinem Dei

aliqua divino segregata artificio (in Nat. Omni s. 2, 4). Aber die Art der Hervorbringung der Seele ist eben einzigartig: Spiritus sane non communem, sed propriam habet conditionem; nec in massa creatur, sed singulari quadam excellentia inspiratur (ibd. n. 1). So kommt der Seele in der Stufenordnung des Seins ein sehr hoher Rang zu. Das Wort de Div. s. 9, 2, daß keinem Geschöpf ein Deo vicinior gradus zukomme als der Seele, wurde schon angeführt. Ähnlich heißt es i. c. c. s. 81, 4, daß sich die Seele soweit als möglich der höchsten Seinsstufe nähere, ohne sie jedoch zu erreichen, summo perinde gradui, quantum licet appropians, non pertingens tarnen. An dieser von Bernhard aufgestellten Seinsordnung wird durch die Bemerkung in keiner Weise gerüttelt, die der Abt in Ps. Qui habitat s. 11, 12 macht, um den Menschen zur Vorsicht zu mahnen: Quam vero congrue suis quaeque gradibus, sibique competentibus disposuit Deus! . . . Porro angelos suos non in summo quidem posuit, sed in tuto: quippe ei qui in summo stat, vicinius adhaerentes, ac proinde confirmatos virtute ex alto. Nam homines quidem nec in summo, nec in tuto sunt, sed in cauto. Der hohe Rang der Seele innerhalb der Seinsordnung kommt auch in den schon im I. Kapitel angeführten Zitaten von der generosa cognatio Verbi et animae (cf. i. c. c. s. 82, 7) und der affinitas naturarum Verbi et animae (cf. i. c. c. s. 81, 2)8 wie auch in den im III. Kapitel angeführten Zitaten von der cognatio Angelorum et animae zum Ausdruck. Entscheidend f ü r die genaue ontologische Bestimmung der Seele ist nun die reale Unterscheidung 8 , die Bernhard zwischen ihr und ihrer Ausstattung vornimmt. Diese Differenzierung wahrt den Abstand zwischen Schöpfer und Geschöpf10. Denn dem Geschöpf, bei dem reale Unterscheidungen vorgenommen werden müssen, steht Gott gegenüber, von dem alles, was man von ihm aussagen kann, 8

8

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spricht sogar von einer consanguinitas quaedam zwischen Gott und Mensch (s. L I E S K E , α α. Ο. S. 54 Anm. 75) und von einer quaedam propinquitas mentis ad Deum (s. G I L S O N - B Ö H N E R , α. α. Ο. S. 64 Anm. 36). Zwei Stellen deuten an, daß Bernhard um das Universalien-Problem, mit dem Abaelard sich beschäftigte, gewußt hat. Oportet namque id, quod ad imaginem est, cum imagine convenire, et non in vacuum participare nomen imaginis, quemadmodum nec imago ipsa solo vel vacuo nomine voeitatur imago (i. c. c. s. 80,2). Neque enim nomina vacua sunt, nec absque significantia cassae voces (de Considerat. 5, 8,18). Bernhard hätte also die Position des Realismus eingenommen. Von dieser Position aus sind die an der Seele gemachten Unterscheidungen zu. bewerten. „Die von ihm eingeführte Unterscheidung zwischen der Seele und ihrer Größe hat anscheinend zum Hauptzweck, die metaphysische Zusammensetzung aus Träger und Form dem Geschöpf vorzubehalten" ( G I L S O N , Die Mystik, S. 241 Anm. 50). ORIGENES

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Die Seele

nur als ein substantiale, niemals als ein accidentale ausgesagt werden darf (cf. i. c. c. s. 80, 3). Gott besitzt nicht irgendeinen Vorzug, Deus unum optimum totus (cf. de Considerat. 5, 3, 5). Der dreifaltige Gott, das unice Unum (cf. de Considerat. 5, 8, 19), die sola summa et increata natura, hanc sibi vindicat meram singularemque suae essentiae simplicitatem, ut non aliud et aliud, non alibi quoque et alibi, sed ne modo quidem et modo inveniatur in ea: nempe in semet manens, quod habet est, et quod est, semper et uno modo est. In ea et multa in urrum, et diversa in idem rediguntur, ut nec de numerositate rerum sumat pluralitatem, nec alterationem de varietate sentiat (i. c. c. s. 80, 5)11. Art und Inhalt der von Bernhard an der Seele gemachten Unterscheidungen bieten innerhalb seines Gesamtwerkes ein sehr unterschiedliches Bild. Eine erste Gruppe von Aussagen über die Ausstattung der Seele konzentriert sich um den Begriff ratio. Sie wird de Considerat. 5, 3, 5 einfach wertvollster Besitz (unum optimum) der Geistwesen Engel und Menschenseele genannt. Nach de Dil. Deo 2, 4 ist die Seele munere rationis eine egregia natura. Der Versuch einer genaueren Formulierung 12 liegt in Festo S. Martini s. n. 3 vor, wo die ratio als die forma der spiritualis substantia bezeichnet wird. Zur Ausrüstung der Seele mit der ratio kommt anderes hinzu, so z. B. i. c. c. s. 77, 5 zur Verstandesbegabung (rationis compos, veritatis capax) der amor veri, der zwar verlorengehen kann, in dem aber als einer Gabe der Natur (munus naturae) das Zeichen der Gottähnlichkeit (insigne divinae imaginis) aufleuchtet 13 . Die in diesem Zitat gegebene Verbindung von ratio und Gottähnlichkeit liegt auch i. c. c. s. 53, 8 vor, wo der Abt in Ps. 8, 6 (minuisti eum paulo minus ab angelis) ein Lob auf die Menschennatur sieht, da die Seele nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und wie die Engel mit Vernunft ausgerüstet ist (quod homo ad imaginem et similitudinem Dei conditus, ac praeditus ratione ad instar utique 11

12 13

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De Considerat. 5, 6,13 heißt es: Quis est? Non sane occurrit melius, quam Qui est. Hoc ipse de se voluit responderi, hoc docuit, dicente Moyse ad populum, ipso quidem injungente: Qui est, misit me ad vos (Exod. 3,14). Merito quidem. Nil competentius aeternitati, quae Deus est. Si bonum, si magnum, si beatum, si sapientem, vel quidquid tale de Deo dixeris; in hoc verbo instauratur, quod est, Est. Nempe hoc est et esse, quod haec omnia esse. Si et centum talia addas, non recessisti ab esse. Si ea dixeris, nihil addidisti: si non dixeris, nihil minuisti. der aber, wie sich später zeigen wird, nicht gelungen ist. i. c. c. s. 77, 5 ist die einzige Stelle, an der Bernhard davon spricht, daß die imago verlorengeht, während sonst immer vom Verlust der similitudo die Rede ist.

Ad imaginem et similitudinem Dei

angeli) und sich von diesen nur durch den Erdenleib unterscheidet. Endlich wäre noch die Kombination mit der Befähigung für das ewige Glück zu erwähnen, so in Ps. Qui habitat s. 14, 1, wo es von der Seele heißt, sie sei insignis imagine Creatoris, particeps rationis et capax beatitudinis14. In Festo S. Michael, s. 1, 2 wird die Verwandtschaft der Seele mit den Engeln dadurch begründet, daß von beiden ausgesagt wird, sie seien rationis participes et capaces beatitudinis. Eine recht eigenartige Formulierung schließlich bietet Ep. 440, nach der die Seele, die vom Himmel kommt, ausgezeichnet mit der Gottähnlichkeit (quod desursum venit naturae superioris insignitum imagine), eine ratio capax aeternae beatitudinis etbeatae aeternitatis ist143. Die zweite Gruppe von Aussagen über die Ausstattung der Seele hat als Zentralbegriff den des liberum arbitrium. De Dil. Deo 2, 2 nennt drei bona animae: dignitas, scientia, virtus. Die dignitas animae ist das liberum arbitrum, durch das der Mensch die anderen Geschöpfe überragt. Durch die scientia erkennt der Mensch seine Würde, aber als eine ihm geschenkte; durch die Tugend hält er an dem fest, von dem er sein Dasein hat. In der dignitas animae ist das Wort Gen. 1, 26 (Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram) erfüllt (ibd. n. 6), und sie stellt sich als potentia dominatus, als die Herrschaftsgewalt des Menschen über die übrigen Geschöpfe dar15. Nach de Grat et Lib. Arb. 9, 28 bestehen die imago und similitudo Conditoris in den drei Freiheiten des Menschen (libertas arbitrii, 14

Daß der Mensch capax für das Göttliche ist, hat schon S E N E C A gesagt: Capax est noster animus, perfertur illo, si vitia non deprdmant (nach M E R K I , a. a. O. S. 16 Anm. 3). Die Ausdrücke capacitas und capax finden sich dann häufig bei A U G U S T I N U S : nisi ille, qui bonam naturam ex nihilo sui capacem f e c e r a t . . . (De Civ. Dei 12, 9,1; MPL 41, 356). „Die Empfänglichkeit für göttliches Leben eignet als Fähigkeit (capacitas) allen geistbegabten Geschöpfen" ( M A U S B A C H , α. α. Ο. I . , S. 150; s. auch ibd. I , S. 57, 73, 132).

14a

An zwei Stellen aus de Grat, et Lib. Arb. werden die Begriffe capax und liberum arbitrium miteinander verbunden: Deus auctor est salutis, liberum arbitrium tantum capax (1, 2). Quod solum miseriae, sive beatitudinis capax est, id est voluntas (2,4).

15

Belege für die Gottebenbildlichkeit als Herrscherstellung bei S C H M A U S , a. a. O. S . 285. S C H M I D T , Homo imago Dei im Alten und Neuen Testament, Eranos-Jahrbuch 1947, S. 160, macht auf stoische Einflüsse bei der Interpretation von Gen. 1, 26—28 in der Patristik aufmerksam. R Ü F N E R , Homo secundus Deus in Ph J 63 (1955) 2, S. 263, weist auf den Neuplatonismus hin: „Zu der neuplatonischen Parallelisierung von göttlichem und endlichem Schöpfertum tritt der biblische Gedanke, daß der Mensch nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist und deshalb Herrscher über die Erde sein soll".

71

Die Seele

consilii, complaciti). Die libertas arbitrii ist als eine der Seele eingeprägte substantiva imago aeternae et incommutabilis divinitatis unverlierbar. In den beiden anderen Freiheiten, die verlorengehen können, liegt nur eine accidentalis quaedam similitudo sapientiae et potentiae divinae. Interessant ist, daß Bernhard in derselben Schrift 10, 33—34 forma gleich accidentalis setzt. Indem Christus durch sein Erlösungswerk dem Menschen die libertas consilii und complaciti mitteilt, gibt er der Seele die durch die Sünde verlorene Form zurück, so daß das liberum arbitrium, durch Christus reformiert und ihm konform geworden, in Weisheit und, in der Ewigkeit, auch mit Macht den Leib regieren kann, wie Christus die Welt10. Später (i. c. c. s. 80) wird forma eine völlig andere Bedeu10

72

Die Beherrschung des Leibes ist Herrschaft über die ganze sichtbare Welt, da der aus den vier Elementen gebildete Leib „die ganze Erde" ist (cf. in Festo omn. Sanct. s. 4, 6 u. in Dom. I. Nov. s. 2, 2; in Die S. Paschae s. 1,11 wird auf die Bildung des Leibes aus den vier Elementen hingewiesen). Ohne daß Bernhard jemals das Wort gebraucht, lehrt er, daß der Mensch ein Mikrokosmos ist. Er ist mit dieser Auffassung den Denkern seiner Zeit (s. R Ü F N E R , a. a. O. S. 262) und der Tradition verbunden. Für die griechischen Väter ein Beispiel aus G R E G O R V. N Y S S A : Via quadam et ordinis consequentia ad creationem hominis divinum numen accessisse Scriptura d o c e t . . . homo postremo loco conditus esse traditur, ut qui omnem vitalem speciem, et earn quae in germinibus, et earn quae in brutis animadvertitur, in sese complexus sit (De anima et resurrect.; MPG 46, 59 Α—Β). Dazu schreibt V Ö L K E R , a.a.O. S. 58: „In dieser seiner komplexen Natur ist er (der Mensch) ein Abbild des Kosmos, ein Mikrokosmos, der die Bestandteile des Makrokosmos in sich enthält. Die kosmische Bedeutung des Menschen ist also darin zu sehen, daß er ein Bindeglied zwischen dem Sichtbaren und Unsichtbaren bildet". V Ö L K E R , a. a. O. S. 27 macht auch darauf aufmerksam, welche Bedeutung diese ontologische Einordnung des Menschen f ü r seine Beurteilung hat. „Die innere Spannung, die hier obwaltet, erklärt sich wohl am einfachsten daraus, daß der Mensch zwei verschiedenen Ebenen angehört, daß er an der Grenze zwischen Sinnlichem und Übersinnlichem steht und daß sich entsprechend dem Wechsel des Standpunktes auch die jeweilige Beurteilung ändert". Aus der Reihe der lateinischen Väter sei ein Wort von G R E G O R D. G R . angeführt: Omnis creaturae nomine Signatur h o m o . . . Habet namque commune esse cum lapidibus, vivere cum arboribus, sentire cum animalibus, intelligere cum angelis. Si ergo commune habet aliquid cum omni creatura homo, iuxta aliquid omnis creatura est homo (Horn, in Εν. II, 29, 2; MPL 76, 1214 A—B). Die letzte Stelle erinnert an A U G U S T I N U S : Non distas a pecore, nisi intellectu: noli aliunde gloriari (Tract. 3, 4 in Joann.; MPL 35,1398). Bernhard sagt entsprechend: Huic enim limo terreno vim vitalem miscuit, ut in arboribus, unde surgit venustas in foliis, in floribus pulchritudo, sapor in fructibus et medicina. Nec hoc contentus, adiecit etiam vim sensibilem limo nostro, ut in pecoribus, quae non solum vitam habeant, sed et sentiant quinquepertita sensificatione vigentes. Addidit adhuc honorare limum nostrum, et ei vim rationalem immisit, ut in hominibus, qui non solum vivunt, sentiunt, sed

A d i m a g i n e m et s i m i l i t u d i n e m Dei

tung bekommen, wenn die Auseinandersetzungen um Gilbert von Poitiers den Abt zwingen, seine Begriffe schärfer und genauer zu fassen. Auf die Herrscherstellung des Menschen als Inhalt der imago und similitudo Dei im Menschen weist in Ps. Qui habitat s. 14, 2 hin, und in Festo Annunt. B.V.s. 1, 7 ist von dem angestammten und der Natur aufgedrückten Ebenbild (insita atque ipsi impressa naturae imago) die Rede, das in der Willensfreiheit besteht, während von der similitudo, die in den Tugenden besteht (virtutes et d i s c e r n u n t i n t e r c o m m o d u m et i n c o m m o d u m , inter b o n u m et m a l u m , i n t e r v e r u m et f a l s u m (In Vig. Nat. Dmni s. 3, 8). E s t e n i m tibi c u m m u n d o c o r p u s : sie e n i m decet e u m qui c o n s t i t u t u s est s u p e r u n i v e r s a m h u i u s c r e a t u r a e c o r p o r e a e molem, a l i q u a ei similari ex p a r t e (In Nat. Dmni s. 2,1). Nach de Div. s. 103 w i r d der S ü n d e r v o n d e n E l e m e n t e n g e s t r a f t , die er z u r L u s t m i ß b r a u c h t h a t . Nach de Div. s. 74 zeigen sich die Folgen d e r S ü n d e in d e n E l e m e n t e n , die d e n K ö r p e r b i l d e n : C o r r u p t i o corporis d i c i t u r a b o m i n a t i o ; et fit q u a t u o r modis, s e c u n d u m q u a t u o r e l e m e n t a ex q u i b u s constat. Q u a t u o r e n i m s u n t q u a e c o r p u s c o r r u m p u n t , curiositas, loquacitas, crudelitas, voluptas. Auf die V e r d e r b n i s d e r Elemente, die e r als die L e i c h e n t r ä g e r des J ü n g l i n g s von Nairn bezeichnet, w e i s t AMBROSIUS, Expos, in Luc. 5, 7, 90 (MPL 15, 1745 C) hin, n u r ist die D u r c h f ü h r u n g w e n i g e r k l a r als bei B e r n h a r d : Qui q u i d e m m o r t u u s in loculo, m a t e r i a l i b u s q u a t u o r a d s e p u l c r u m f e r e b a t u r e l e m e n t i s . . . Quid e n i m aliud, nisi quasi in q u o d a m f e r e t r o . . . i a c e m u s exanimes, cum vel ignis i m m o d i c a e cupiditatis e x a e s t u a t , vel f r i g i d u s h u m o r e x u n d a t , vel p i g r a q u a d a m corporis h a b i t u d i n e vigor h e b e t a t u r a n i m o r u m , vel concreta noster spiritus labe, p u r a e lucis v a c u u s m e n t e m alit? Hi s u n t n o s t r i f u n e r i s portitores. Von d e r Sicht des Menschen als eines M i k r o k o s m o s h e r l ä ß t sich auch sein „ m e t a p h y s i s c h e r O r t " (SCHWARZ, a. a. O. S. 338) b e s t i m m e n . Wie f ü r AUGUSTINUS (TU si in a n i m o es, in m e d i o es — Tract. 20,11 in Joann.; MPL 35, 1562) ist d e r Mensch ein „ m e d i u m q u i d d a m " . „Von B e d e u t u n g ist zunächst das A u f d e c k e n d e r Mittelstellung, die d e r Mensch i m K o s m o s e i n n i m m t " (VÖLKER, a. a. O. S. 58). B e r n h a r d b r i n g t die Mittelstellung des Menschen m e h r m a l s sehr p r ä g n a n t z u m A u s d r u c k : H o m i n i s spiritum, qui m e d i u m q u e m d a m i n t e r s u p r e m u m et i n f i m u m t e n e t l o c u m . . . (i. c. c. s. 5, 5). In Festo omn. Sanct. s. 1,11: F r a t r e s , si m o d o p r a e s e n t e m v i d e r e m u s A d a m (seil, a n i m a m ) in eo a r t i c u l o positum, a s c e n d e n t i b u s cogitationibus in cor eius, c o a r c t a r i inter p r e c e m u x o r i s (seil, corporis), et p r a e e e p t u m Creatoris. F e r n e r : N i m i r u m in p r o b a t i o n e s u m u s , inter p a r a d i s u m e t i n t e r n u m i n t e r i m m e d i i (de Div. s. 70). N o n n e v e l u t i n t e r d u a s m e n s a s positi, e p u l a n t e s hinc i n d e s p e c t a m u s j e j u n i . Sic s u m u s omnino, sie s u m u s (de Div. s. 39, 2). I n t e r q u e m u t i q u e d i v i n u m s p i r i t u m , et c a r n i s a p p e t i t u m , t e n e t m e d i u m q u e m d a m locum id q u o d d i c i t u r in h o m i n e l i b e r u m a r b i t r i u m , id est, h u m a n a v o l u n t a s (de Grat, et Lib. Arb. 12, 41). RIES k a n n m i t vollem Recht s a g e n : „In die Mitte gestellt zwischen d e m Höchsten u n d Niedrigsten, d u r c h die Komposition seines Wesens d e m Sinnlichen u n d Geistigen zugleich a n g e h ö r i g " (a. a. O. S. 56).

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Die Seele

habens in similitudine), gesagt wird, daß sie verlorenging 17 . Besteht die similitudo in den Tugenden, ist es verständlich, wenn Bernhard lehrt, daß der Mensch durch den Verlust der similitudo den Tieren ähnlich wird: Verumtamen quia ad imaginem et similitudinem Dei creatus es, si perdidisti similitudinem, similis factus iumentis: sed in imagine pertransisti (de Div. s. 12, 2)18. I. c. c. s. 24, 5 wird die in den Tugenden bestehende similitudo rectitudo genannt. Die Ausführungen über imago und similitudo in i. c. c. s. 80 u. 81 unterscheiden sich formal und inhaltlich von allen früheren Darlegungen, indem die Begriffe anders gebraucht werden und das mit den Begriffen Gemeinte weiter gefaßt ist. Imago Dei im Vollsinn ist allein das Verbum Divinum. Diese Vorrangstellung nennt Bernhard die eminentia Verbi (cf. i. c. c. s. 80, 3). Im Anschluß an Phil. 2, 6 (qui cum in forma Dei esset, non rapinam arbitratus est esse se aequalem Deo) wird der Inhalt des Begriffes imago für Christus folgendermaßen bestimmt: Er ist Gott gleich, er besitzt die ganze Fülle und Macht der Gottheit, die maiestas oder magnitudo Gottes (im Anschluß an Ps. 146, 5: Magnus Dominus noster et magna virtus eius — cf. i. c. c. s. 80, 2); er bringt diese Göttlichkeit aber auch in seinem göttlichen Walten zur Erscheinung, cum in forma Dei esset, und das Kennzeichen 17

Aus der vorhergehenden Anmerkung ist leicht ersichtlich, daß die H e r r schaftsfunktion des Menschen als Herrschaft über den Leib vor allem ethischen Charakter hat. So sind die Tugenden, ganz im Sinne von de Grat, et Lib. Arb. 10, 33—34, die forma, in der die Herrschaft des Menschen ü b e r den Leib in Erscheinung tritt. In his (seil, virtutibus) forma est cui imprimamur (in Nat. S. Vict. s. 1, 3). Nach de Considerat. 1, 8,10 formiert sich der Wille in den Kardinaltugenden und hat in den Aposteln (ibd. 2, 6, 11) und in Christus (ibd. 2, 9, 18 u. 3,4,17) seine forma im Sinne von exemplar. De Mor. et Offic. Episc. 6,24 heißt es von Christus: Substantiam, formam, habitumque gestavit humilem, ipsius nobis commendans virtutis excellentiam. Nach i. c. c. s. 21, 6 besteht die Wiederherstellung des Gottesbildes in einer inviolabilis et inconcussa constantis animi aequabilitas — eine Formulierung, die sicher stoischen Ursprungs ist. Interessanterweise gebraucht Bernhard an dieser Stelle imago und similitudo als Synonyma. Einen ähnlichen Gebrauch von forma wie bei B e r n h a r d s. bei AMBROSIUS, de Virg. 1,6,30 (MPL 16, 208 A): Habetis sane et vos vestrae militiam pulchritudinis, cui virtutis militat forma, non corporis. Ibd. 2,2,6 (MPL 16, 220 A): Sit igitur vobis t a m q u a m in imagine descripta viirginitas vita Mariae de qua velut speculo refulgeat species castitatis et f o r m a virtutis.

18

cf. auch i. c. c. s. 35, 3. F ü r den Begriff rectus bei Augustinus s. MAUSBACH, a.a.O. II, S. 45 Anm. 4, 171 u. 211 Anm. 1. GREGOR D. GR.: Omnis peccator terrena c o g i t a n s . . . a mentis suae rectitudine curvatur (Horn, in Ev. II, 31, 6; MPL 76, 1230 C). Utramque (seil, angelum et hominem) vero superbia perculit, atque ab statu ingenitae rectitudinis fregit (Mor. 4, 3, 8; MPL 75, 642).

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Ad imaginem et similitudinem Dei

dieses göttlichen Waltens ist die rectitudo: Rectus Dominus Deus noster, et non est iniquitas in eo (Ps. 91, 16 — cf. i. c. c. s. 80, 2). Der Abt macht ausdrücklich darauf aufmerksam, daß mit diesen Überlegungen keine realen Unterscheidungen in das Verbum Divinum hineingetragen werden: Magnum et rectum, — ista duo natura a sese discrepare quis nesciat? —, in imagine unum sunt. Neque hoc solum: unum sunt et cum imagine. Imagini enim non modo id rectum est esse, quod magnum esse, sed etiam id magnum rectumque esse, quod esse (i. c. c. s. 80, 3). Die Seele als Geschöpf Gottes (huic utrumque [seil, magnum et rectum] aut creatio, aut dignatio contulit; illi [seil. Verbo] generatio — i. c. c. s. 80, 3) ist nicht imago Dei, sondern ad imaginem. Durch die beiden Gaben18 der magnitudo und rectitudo wird die spiritualis substantia befähigt, Gottes Bild in sich darzustellen. Unzerstörbar ist in der Seele die magnitudo als capacitas aeternorum, die als forma inseparabilis, als differentia substantialis oder proprium an der Seele als ihrem Träger (subiectum oder substantia) haftet. Den Beweis für die Unterscheidung zwischen Träger und Form führt Bernhard durch den Hinweis, daß die Gabe der magnitudo auch den Engeln zuteil geworden ist, quidni aeque liqeat esse diversam (seil, animam) et a sua magnitudine, quam sibi propriam vindicare non possit? Einen Hinweis auf die Unverlierbarkeit der magnitudo gibt der Abt durch die Feststellung, daß im Menschen die Hoffnung auf Heil und Vollendung immer bestehen bleibt, si to to privaretur, non superesset spes salutis; nam si desinat magna esse, et capax. (Für die letzten Zitate cf. i. c. c. s. 80, 3—5) Auf Grund der magnitudo als capacitas aeternorum kann die Seele zu ihrer Vollendung und Erfüllung in Gott kommen: Longitudine dierum replebo eum (Ps. 90, 16) . . . Scio quid desideret, scio quid sitiat, quid sapiat ei. Non ei aurum vel argentum sapit, non voluptas, non curiositas, non dignitas aliqua saecularis . . . Non ignorat ad cuius imaginem conditus sit, cuius magnitudinis sit capax; nec sustinet de modico crescere, ut de maximo minuatur . . . Quem nisi lux vera reficere, nisi aeterna implere non potest (in Ps. Qui habitat s. 17, 6). Zur Vollendung kann die Seele aber nur gelangen, wenn sie die Gabe der rectitudo bewahrt. Der Beweis dafür, daß die rectitudo verlierbar ist, ist leicht zu erbringen: Die Erfahrung lehrt es (cf. i. c. c. s. 80, 4 u. 5). Die rectitudo besteht in der appetentia supernorum, die dadurch verlorengeht, daß der Mensch seinen Auftrag, 19

et magnitudo eius, et rectitudo ipsius diversae ab ea, diversae ab invicem sunt (i. c. c. s. 80,3). 75

Die Seele

die Welt zu beherrschen, nicht richtig versteht. Mit Ps. 38, 7 sagt der Abt, daß der Mensch sein Gleichgewicht verlieren und Schätze sammeln kann, ohne zu wissen, f ü r w e n (cf. i. c. c. s. 80, 4), quia inclinans se ad haec infima et terrena, thesaurizat sibi t e r r a m (ibd.). Bei aller Verschiedenheit im Gebrauch der Termini läßt sich aus den Aussagen Bernhards über die Ausstattung der Seele doch eine einheitliche Grundidee gewinnen, die im wesentlichen in seinen Schriften bis zuletzt unverändert geblieben ist. Gott hat die spiritualis creatura so ausgerüstet, daß sie fähig ist, einmal, durch Teilnahme am Leben Gottes selbst selig zu sein20; zum anderen, ähnlich wie Gott über die Welt zu herrschen 21 . In diesen beiden Fähigkeiten besteht das Bild Gottes im Menschen. Die Darstellung dieses Bildes ist dem Menschen als Aufgabe und Verpflichtung gegeben. Erfüllt er die Aufgabe nicht, ist er imago Dei ex parte (cf. i. c. c. s. 80, 3), da die Befähigung zur Darstellung der imago Dei unzerstörbar ist. Die Teilnahme a m Leben Gottes und die Ausübung der H e r r schaftsfunktion über die Schöpfung, insbesondere über den Leib, stehen zueinander in innigem Zusammenhang. Schon im III. K a pitel wurde gezeigt, daß die Seele im Paradies und in der ewigen Seligkeit deshalb zur Gemeinschaft mit Gott gelangt, weil sie in diesen beiden Zuständen entweder in der Lage ist, den Leib in seiner rein dienenden Funktion zu erhalten (Paradies), oder aber im verklärten Leib die ihr geschenkte Herrlichkeit aufleuchten zu lassen. Am konzentriertesten hat Bernhard seine Lehre von der Befähigung der Seele, das Bild Gottes darzustellen, in i. c. c. s. 80 ausgesprochen, wo er darlegt, daß das ad-imaginem-Dei — Sein der Seele in der unverlierbaren magnitudo und der verlierbaren, aber zurückgewinnbaren rectitudo animae besteht. Von dieser gedanklich klarsten Darstellung unterscheiden sich die f r ü h e r e n lediglich durch die Terminologie. So weist er die magnitudo der imago Dei im Menschen, die rectitudo der similitudo zu22. Immer ist die als rectitudo animae erscheinende Herrschaft der Seele über die sichtbare Welt Voraussetzung f ü r die mystische Einigung mit Gott. Standaert hat richtig bemerkt, daß die Gottebenbildlichkeit des Menschen von Bernhard einmal mit der ratio, dann wieder mit dem liberum arbitrium in Verbindung gebracht wird, und er stellt die 20 21

22

76

Die Seele als spiritualis sedes Gottes cf. i. c. c. s. 27,8. Für Bernhards A u f f a s s u n g von dieser Herrschaft über die Welt s. Anm. 16. cf. i. c. c. s, 24, 5—7. Hier findet man folgende Bestimmung der rectitudo: Rectum revera te dixerim, si recte in omnibus sentias et factis non dissentias. Invisibilis animi statum nuntiet fides et actio. Rectum iudica, si fide catholicum et iustum opere probaris (n. 7). Ferner i. c. c. s. 27, 7—8.

A d imaginem et similitudinem Dei

Frage, in welchem von beiden die Ebenbildlichkeit denn nun liege23. Handelt es sich hier um einen echten Gegensatz? Standaert scheint selbst daran zu zweifeln, denn er fragt: „Quelles relations alors entre libre arbitre et raison"24? Die Schwierigkeit löst sich zum Teil dadurch, daß Bernhard mit ratio und rationalis nicht immer die Vernunft im engeren Sinne, sondern das höhere Seelenleben überhaupt meint. Das wird deutlich in de Div. s. 114: Pax animae rationalis, cogitationis actionisque consensio. Nach de Div. s. 45, 1 besteht die anima rationalis aus memoria, ratio und voluntas. Unter den in der ersten Gruppe über die Ausstattung der Seele angeführten Zitaten sind sicher zwei, in denen der Begriff ratio im weiteren Sinne zu nehmen ist: de Dil. Deo 2, 4 und Ep. 440. De Dil. Deo wird gesagt, daß die Seele (egregia rationis munere creatura), sich selbst nicht kennend und selbstvergessen, durch ihre Lebensführung den vernunftlosen Tieren ähnlich wird, und nach Ep. 440 ist es die ratio capax aeternae beatitudinis et beatae aeternitatis, quae movet, quae regit, quae vivificat 25 . Im übrigen muß festgestellt werden, daß bei aller Einheitlichkeit der Idee, die Bernhard zur Darstellung bringen will, seine Terminologie wenig präzise ist26. Das gilt f ü r den Gebrauch des Begriffs forma wie f ü r die Zuweisung der magnitudo an die imago, der rectitudo an die similitudo, dann beider an die imago. Wie soll man die schon angeführte Stelle aus in Festo S. Martini s. n. 3 verstehen, nach der die spiritualis substantia ihre forma in der ratio hat? Wenige Zeilen weiter heißt es dann, daß der Mensch sich vergeblich der libertas arbitrii, quae in mente est, rühme und ihm auch die gemina similitudo, substantiae scilicet et formae, in seinem gegenwärtigen Zustand nicht helfen können? Auch Bernhards Äußerungen über das höhere Seelenleben stimmen nicht immer überein. Während dieses Leben nach in Dedic. Eccl. s. 5 auf Erkenntnis und Willen beruht, ist es nach in Vig. Nat. Dmni s. 3, 8 allein die ratio, die die Menschen von den Tieren unterscheidet, sed et discernunt inter commodum et incommodum, inter bonum et malum, inter verum et falsum. 23

cf. a. a. O. S. 85. a. a. O. S. 75. 25 Man kann in diesem Zusammenhang auch noch de Dil. Deo 7, 21 a n f ü h ren: Iustitia siquidem ratione utentis spiritus cibus est Vitalis et naturalis: pecunia vero sie non minuit animi famem, quomodo nec corporis ventus. 2 * Das ist gegen G I L S O N festzuhalten, der in Die Mystik, S. 75 sagt, daß U n genauigkeiten im Gebrauch des Wortes „notwendig" die einzige feststellbare Ungenauigkeit in der Sprache Bernhards seien.

24

77

Die Seele

Die Unterscheidung zwischen der substantia spiritualis und ihrer Ausstattung (bona animae, forma accidentalis und forma inseparabilis) ist bedeutsam f ü r Bernhards Lehre von der Deificatio, die hier auf Erden in der Ekstase, im Jenseits durch die Visio verwirklicht wird. Über diese Frage ist bei Gilson27, Ries28 und Schuck2* ausführlich gehandelt. Die Theorie der Deificatio ist am breitesten in i.c.c.s. 71 entwickelt, und einige Stellen dieser Predigt beweisen mit aller Klarheit, daß Bernhard von jedem Verdacht eines Pantheismus frei ist30. Gott Vater und das Verbum sind wahrhaft eins, est autem Patri Filioque natura, essentia, voluntas non modo una, sed unum. Hoc nempe est illis esse quod naturam esse, hoc velle quod esse vel naturam esse. Non est itaque quod unitas, qua unum sunt Pater et Filius, dicatur fieri de naturis vel essentiis vel voluntatibus, quae non sunt; non est quod dicatur vel fieri, quia est. Non enim factitia est, sed nativa (n. 8). Von Gott und Mensch kann niemals ausgesagt werden, daß sie eins (unum) sind. Von der Vereinigung Gottes und des Menschen heißt es vielmehr im Anschluß an 1 Kor. 6, 17: et unus spiritus sumus (n. 6). Während das vom Vater und vom Verbum ausgesagte unum die una essentia vel natura vel voluntas voraussetzt, setzt das Ein-Geist-Sein die unvermischte Zweiheit der Naturen und Willen voraus: Deum et hominem, quia propriis exstant ac distant et voluntatibus et substantiis, longe aliter in se alterutrum manere sentimus, id est non substantiis confusos, sed voluntatibus consentaneos (n. 10). Nam quomodo unitas, ubi numerus naturarum et substantiarum diversitas? Et tarnen unus spiritus dicitur et est cum Deo anima adhaerens Deo, nec praeiudicat rerum pluralitas unitati huic, quam facit non confusio naturarum, sed voluntatum consensio (n. 7). Gott und Mensch hängen aneinander durch den „Kitt der Liebe" (cf. n. 7). Quam quidem unitatem non tarn essentiarum cohaerentia facit, quam conniventia voluntatum (η. 7)31. 27

Die Mystik, S. 53 ff.; S. 166 ff. a. a. O. S. 268 ff. " a. a. O. S. 59 f. u. S. 73 ff. 30 Nachweise für den Vorwurf des Pantheismus bei 28

S. 1 7 4 f.

31

78

u.

RIES,

a. a. O.

GILSON,

Die

Mystik,

S. 306.

Ο pura et defaecata intentio voluntatis .. Sic affici, deificari e s t . . . Manebit quidem substantia, sed in alia forma, alia gloria, aliaque potentia (de Dil. Deo 1 0 , 2 8 ) . G I L S O N , Die Mystik, S. 2 9 3 Anm. 1 9 4 : „Man erinnere sich, daß in Bernhards Ausdrucksweise die Form niemals die Substanz ist. Sie ist eben deren Form. Darum schließt eine Formveränderung auch keinerlei Substanzveränderung ein". R I E S , a.a.O. S. 3 0 7 : „Wort und Seele dagegen sind ein Geist durch die Liebe. Das ,Eine' zwischen letzteren ist

Ad imaginem et similitudinem Dei

I. c. c. s. 71 enthält auch einige Angaben über das, was Bernhard unter der communio voluntatum (n. 10) versteht. Der „Kitt der Liebe"32 ist ein consensus in caritate (n. 10). Vom Menschen sind die Aufgabe des Eigenwillens33 (vitium voluntatis propriae — n. 14) und Gehorsam (n. 14) verlangt. Zum Hören des Wortes der Wahrheit muß das gute Werk hinzukommen (n. 12), die Seele muß durch puritas (n. 2), bona fama (n. 1), misericordia in hilaritate (n. 3), devotio und allgemein durch virtutes (n. 4) ausgezeichnet sein. Zu diesem ethischen Aspekt der Deificatio kommt aber ein mehr ontologischer hinzu. I. c. c. s. 72, 2 schildert Bernhard die visio beatifica folgendermaßen: Denique probare iam tunc est omnibus Sanctis, quae sit voluntas Dei bona, et beneplacens, et perfecta (Rom. 12, 2). Et certe post perfectum, faciendum superest nihil: frui de cetero restat, non fieri; experiri, non operari; ea vivere, non exerceri in ea34. Diesen höchsten Grad der Deificatio vermag der Mensch nur zu erreichen, wenn die Seele vom Körper gelöst ist35

32

33

34

35

ein unum consentibile, kein unum consubstantiale, mit anderen Worten, die mystische Einigung führt nicht zur Einheit der Substanz, sondern lediglich zur Einheit der Gesinnung; sie ist ethische, nicht Wesenseinigung". Die Liebe kommt von Gott: Amor Dei amorem animae parit, et illius praecurrens intentio intentam animam facit, sollicitudoque sollicitam (i. c. c. s. 69, 7). A Deo igitur velle, quomodo et timere, quomodo et amare, accepimus in conditione naturae, ut essemus aliqua creatura: velle autem bonum, quomodo et timere Deum, quomodo et amare Deum accipimus in visitatione gratiae, ut simus Dei creatura. Creati quippe quodammodo nostri in liberam voluntatem, quasi Dei efficimur per bonam voluntatem (de Grat, et Lib. Arb. 6,17—18). v. D. ZEIJDEN, Die Liefde tot God volgens sint Augustinus en sint Bernardus, in Citeaux in de Nederlanden 6 (1955) S. 183: „Deze liefde Gods is echter ook in die zin scheppend, dat zij de mens uit zijn vervallen zondestaat ophelft en innerlijk heiligt tot deelname aan de goddelijke natuur". GILSON, Die Mystik, S. 177 F.: „Somit müssen in einer solchen Lehre der Verzicht auf den Eigen-Willen und die Wiederherstellung unserer wahrhaften Natur ganz von selbst zusammengehen". Ο vere quietus l o c u s , . . . in quo Deus, non quasi turbatus ira, nec velut distentus cura prospicitur, sed probatur voluntas eius in eo bona, et beneplacens, et perfecta. Visio ista non terret, sed mulcet; inquietam curiositatem non excitat, sed sedat; nec fatigat sensus, sed tranquillat. Hic vere quiescitur. Tranquillus Deus tranquillat omnia, et quietum aspicere, quiescere est (i. c. c. s. 23,16). cf. i. c. c. ss. 23, 16 u. 31, 6. AMBROSIUS schreibt: Sed nemo facile Jesum videt: nemo potest Jesum videre constitutus in terra (Expos, in Luc. 8,18, 81; MPL

15, 1881 D). GREGOR V. NYSSA v e r l a n g t als V o r a u s s e t z u n g f ü r das

vollkommene Gebet ein Leben, das er so beschreibt: vitam puram, quae per virtutem exigatur, ab omnibus peccati inquinamentis vacuam atque puram, ab omni suspicione mala alienam, temperantia claram, prudentia

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Die Seele

und die ungeschmälerte Herrschaft über ihn errungen hat (Quidni clarius videat, nube, vel potius faece corporis evolutus? — n. 9 — Ita ut redundet in corpora supereffluens clarificationis adiectio — n. 10), wie es schon in diesem und im III. Kapitel bei den Ausführungen über den Paradieses- und Verklärungszustand dargelegt wurde. Von dem verschiedenen Verhältnis der Seele zum Körper hängt also die Verschiedenheit im Vollendungsgrad der Deificatio im irdischen und jenseitigen Leben der Seele ab. Die Bindung an den Leib bedingt es, daß der Mensch auf Erden nur eine kurze Ekstase 36 , nicht die dauernde Visio erlangen kann; daß er schmerzlich das Kommen und Gehen des Verbum erfährt 87 ; daß der Weg zur Ekstase mühevoll ist38; daß der beseligenden Schau (Hic vere quiescitur — i. c. c. s. 23, 16) die Schau Gottes als des Weltlenkers (Est locus iste altus et secretus, sed minime quietus — ibd. n. 11) und als des Richters (Cernitur a timorato contemplatore hoc loco Deus — ibd. n. 12) vorausgeht. Die leiblich-irdische Existenz des Menschen hat zur Folge, daß Gott erscheint, wem er will: sed sicuti vult, non sicuti est (i.c.c.s. 31, 2); daß der Mensch mehr die Strahlen der Gottheit (radii Deitatis — ibd. n. 3) als die Gottheit selbst erfährt; daß der Mensch im Kommen und Gehen des Wortes eine fromme Täuschung (pia simulatio) als heilsame Maßnahme (salutaris dispensatio) zu seinem Fortschritt hinnehmen muß (cf. i. c. c. s. 74, 3). Den Maßstab f ü r alle Überlegungen über die Deificatio nimmt Bernhard vom Geheimnis des Gottmenschen Jesus Christus. In der Predigt auf den Sonntag in der Oktav der Aufnahme Mariens findet sich eine Formulierung, die alles Notwendige zum Problem der Deificatio enthält: Absorpta videtur in deitatem humanitas, non gravem, fortem et firmam adversus affectuum ac perturbationum impetus et incursus, corporis voluptatibus nullo modo möllern et effeminatam, a deliciis, a torpore et ignavia, a tumore fastus quam maxime remotam, temporalibus facultatibus et reliquo saeculari cultu, quantum necessitas desideret, utentem, summo pede terram tangentem, quae fruendis percipiendisque voluptatibus hoc terreno saeculo non obruatur, sed superet omnem per sensus adhibitam fraudem, per carnem cum incorporea vita certet (De orat. Dom. 3; MPG 44, 1154 C). 36

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cf. de Grad. Hum. et Sup. 7, 21, wo Bernhard für die Dauer der Ekstase 30 Minuten angibt. cf. i . c . c . s . 7 4 , besonders: Nunc vero constat in anima fieri huiuscemodi vicissitudines euntis et redeuntis Verbi (n. 4). G R E G O R D . GR. über das Kommen und Gehen des Heiligen Geistes: In sanctorum quippe cordibus iuxta quasdam virtutes semper permanet, .iuxta quasdam vero recessurus venit, et venturus recedit (Horn, in Ezech. I, 5, 11; MPL 76, 825 B). cf. i . c . c . s . 72, 2

Ad imaginem et similitudinem Dei

quod mutata sit substantia, sed affectio deificata (n. 1). Die affectio deificata besteht in der unaussprechlichen Barmherzigkeit, die auch der Mensch Jesus übt, und in der potestas iudiciaria, die ihm zukommt. Daß Bernhard jedem Pantheismus fernsteht, beweist auch eine Formulierung über die Gnadenfülle Mariens: Iure ergo Maria sole perhibetur amicta, quae profundissimam divinae sapientiae, ultra quam credi valeat, penetravit abyssum: ut quantum sine personali unione creaturae conditio patitur, luci illi inaccessabili videatur immersa (ibd. n. 3). Gilson stellt einmal die metaphysische Ekstase des hl. Augustinus in Ostia der affektiven des hl. Bernhard gegenüber39. Enthält Bernhards Darstellung der Deificato (Ekstase und Visio) keine metaphysischen Gesichtspunkte? I. c. c. s. 69, 7 bringt der Abt seine Verwunderung über das Zustandekommen der mystischen Vereinigung Gottes und der Seele zum Ausdruck: Nescio enim qua vicinitate naturae. Diese Verwunderung ist de Div. s. 4, 3 genauer formuliert: Wie läßt sich das Sein mit dem Nichtsein zusammenbringen? Quae ergo participatio, quae conventio illius qui non est ad ilium qui est? Eine ähnliche Fragestellung ist für die hypostatische Union gegeben, bei der das esse sempiternum dem esse temporale verbunden ist (cf. de Grad Hum. et Sup. 3, 12). Angesichts der Verschiedenheit göttlichen und menschlichen Seins versucht Bernhard sich auch Rechenschaft über den Vereinigungsvorgang zu geben: Immediate ei coniungi non possumus; sed per medium aliquod poterit fieri fortassis ista coniunctio (de Div. s. 4, 3). Dieses notwendige Medium ist Christus, der uns reformiert und sich konform gestaltet. Erst durch Christus wird der Mensch seiner Nichtigkeit entrissen, ohne ihn bleibt die Seele wie der gefallene Engel eine deformis materia (!) (cf. i. c. c. s. 74, 10). Der Unterschied zwischen der Mystik Augustins und Bernhards ließe sich besser als durch die Formulierung Gilsons herausarbeiten durch den Hinweis auf den Intellektualismus des afrikanischen Kirchenvaters: „Zuerst geht es Augustinus immer um intellektuelle Anschauung; das ist auch bei der Deutung seiner mystischen Gedanken stets zu beachten . . . Auch bei der Reinigung des Herzens handelt es sich, wie noch einmal Augustins Auslegung der Bergpredigt bestätigt, um ein intellektuelles Geschehen. Cor und mens werden von ihm synonym gebraucht"40. Diese Charakteristik augustinischer Mystik durch P. Wolff wird von v. d. Zeijden be39 40

Die Mystik, S. 223. P. W O L F F in Hugo v. St. Viktor, Mystische Schriften, 117. 6

Hiss

Trier 1961, S. 114 u. 81

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stätigt: „De volmaaktheid van het geestelijk leven bestaat dan vanzelf in de volmaakte kennis van God, in het onmiddellijk aanschouwen van zijn Wezen"41. Demgegenüber gilt f ü r Bernhards Mystik, was Ries schreibt: „Somit ist es der ganze innere Mensch, mit Geist, Willen und Herz, der von der Gottesschau erleuchtet, durchglüht und beglückt wird" 42 . Im gleichen Sinne schreibt v. d. Zeijden: „De ontwikkeling van het geestelijk leven draagt bijgevolg een uitgesproken ethisch karakter als wilshervorming door groei in de bovennatuurlijke lief de"43, wobei bei dieser Willensumbildung das Intellektuelle seine große Bedeutung hat. Man kann den Unterschied zwischen Augustinus und Bernhard auch auf folgende Weise aufzeigen: Augustinus spricht von Gott als der Wahrheit oder Weisheit: ut attingeremus regionem ubertatis indeficientis, ubi pascis Israel in aeternum veritatis pabulo, et ubi Vita sapientia est, per quam fiunt omnia ista (Conf. 9, 10, 24; MPL 32, 774). Beata quippe vita est gaudium de veritate (ibd. 10, 23, 33; MPL 32, 793). Diese Wahrheit aber ist Gott. Für Bernhard ist das Verbum Divinum, wie schon im I. Kapitel gezeigt wurde, Dei sapientia et Dei virtus. Dem entspricht es, wenn in der mystischen Vereinigung alle Kräfte der Seele zugleich und in einem in Dienst genommen sind. Admiranda prorsus et stupenda illa similitudo, quam Dei visio commitatur, immo quae Dei visio est, ego autem dico in caritate. Caritas illa visio, illa similitudo est (i. c. c. s. 82, 8). „Daar zullen kennis en lief de volkomen aan elkaar correspondeeren en zal de lief de des te intenser zijn, naarmate de kennis volmaakter is"44. Quanto enim plus vident, plus intelligunt, plus agnoscunt; tanto plus diligunt, tanto magis laudant, tanto amplius admirantur (in Dedic. Eccl. s. 1, 6). Demgegenüber gilt f ü r Augustinus, daß die Liebe Wegbereiter und Bedingung f ü r die volle und beseligende Kenntnis Gottes ist45. Bei allem Unterschied zwischen Bernhard und Augustinus muß aber das beiden gemeinsame metaphysische Interesse gesehen werden, dem durch die christliche Heilsbotschaft Genüge getan wird. Was erwartet der Abt von der mystischen Vereinigung mit seinem Erlöser, von der Salbung mit den Gaben des Heiligen Geistes? 41 42

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a. a. O. S. 254. a. a. O. S. 303. Damit steht im Widerspruch, w e n n RIES, a. a. O. S. 298, von der rein intellektuellen Vision spricht. a. a. O. S. 254. v. D. ZEIJDEN, a. a. O. S. 255. Cum enim duo sint beatae contemplationis excessus, in intellectu unus et alter in affectu, unus in lumine, alter in fervore, unus in agnitione, alter in devotione . . . (i. c c. s. 49, 4). v g l . v . D. ZEIJDEN, α. α. Ο.

S. 255.

Ad imaginem et similitudinem Dei

Bernhard hat die Armseligkeit seines eigenen menschlichen Daseins erfahren, aber in sich selbst auch die Möglichkeit erkannt, aus der Not des esse temporale, des quod non est gelöst zu werden, er weiß durch seine natürliche Erkenntnis um ein unzerstörbares Sein, an dem er teilhaben möchte. „Er sieht Gott überall als das Ja, dem ein Nein, als Licht, dem Nacht, als Sein, dem Schein und Nichts entgegensteht" 46 . St. Paulus hat auf dem Areopag mit den Weisen Athens philosophiert. Solange er philosophierte, hörten jene geduldig zu, als er auf das Gebiet des Glaubens überwechselte, war ihr Interesse am Ende. Es kann nun nicht mehr in Erstaunen versetzen, wenn man erfährt, daß diese philosophischen Gedanken des hl. Paulus Bernhard zum Inhalt eines mystischen Erlebnisses werden. Fateor et mihi adventasse Verbum . . . Et cognovi verum quidem esse quod legeram: quia in ipso vivimus, movemur et sumus (Act. 17, 28); sed ille beatus est, in quo est ipsum, qui illi vivit, qui eo movetur (i. c. c. s. 74, 5). Eine besondere Darstellung verlangen noch Bernhards Ausführungen in i. c. c.s. 81 über die similitudo Dei im Menschen. In seinen früheren Darlegungen hatte der Abt im allgemeinen die Begriffe imago und similitudo einander zugeordnet. Dabei verstand er unter imago Dei die natürliche und daher unzerstörbare Gottebenbildlichkeit, unter similitudo die verlierbare, aber zurückgewinnbare Gottähnlichkeit, in der die Ebenbildlichkeit zur Erscheinung kommt. I. c. c. s. 80 ist dieser ganze Gedankenkomplex dem Begriff imago zugewiesen: die Seele ist Abbild (ad imaginem) des Göttlichen Wortes, das imago im Vollsinne ist. Diese Abbildlichkeit ist unterschieden nach der magnitudo und rectitudo animae. I. c. c. s. 80, 2 bereitet der Abt schon spätere Gedanken über die similitudo mit der Bemerkung vor: Deinde quod cognation em similitudo testetur. Man darf erwarten, daß die Gedanken über die similitudo denen über die imago parallel laufen. Bernhard will mit Hilfe einer Auslegung des Begriffs similitudo erreichen, daß die Seele tiefer ihre propinquitas zum Verbum, ihre origo und natura, ihre ingenuitas erkenne (cf. i. c. c. s. 81, 1 u. 2). Der Seele kommt eine Vorzugsstellung (animae praerogativa — ibd. n. 2) zu, denn sie besitzt als ingenita atque ingenua similitudo (cf. ibd. n. 11) drei Vorzüge: simplicitas, immortalitas, libertas: recolitisne quod etiam inseparabiliter inesse illi visa fuerit nobis? (i. c. c. s. 82, 2). Die simplicitas animae besteht darin, daß für die Seele Sein und Leben dasselbe sind: suae substantiae naturalem simplicitatem, qua 4

* v. 6'

D. S T E I N E N ,

Vom Heiligen Geist,

S.

188.

83

Die Seele

hoc est illi esse quod vivere (i. c. c. s. 81, 2). Diese Einfachheit bedeutet gegenüber dem primum et purissimum simplex Gottes, f ü r den Sein gleich Glückseligsein ist (soli Deo id est esse quod beatum esse — ibd.), ein simplex secundum, aber immerhin kommt der Seele in der Seinsordnung ein bonus gradus zu (ibd.), denn von dieser Stufe aus ist der Anstieg zum glückseligen Leben möglich: ex quo, et solo, ascenditur ad beatam vitam (ibd.). Porro nihil horum, quibus non hoc esse quod vivere sit, ad bene beateque vivendum quandoque proficiet vel emerget (ibd. n. 4). Wie begründet Bernhard die Identität von Sein und Leben f ü r die Seele? Sie ist Lebensprinzip des Leibes (vivificans — ibd. n. 4), aber ein solches, das aus sich selbst lebt (non aliunde quam seipsa — ibd. n. 3; seipsa vivens — ibd. n. 4), sie ist ein Leben, das, wie Bernhard im Hinblick auf die Unsterblichkeit der Seele sagt, nicht aus sich selbst und aus dem Leben herausfallen kann: quoniam, cum ipsa sibi vita sit, sicut non est quo cadat a se, sie non est quo cadat a vita (ibd. η. 5). Zum Verständnis dieser Aussagen ist eine Klärung dessen erforderlich, was Bernhard unter Leben versteht. Es wird als Bewegung bestimmt 47 . De Grat, et Lib. Arb. 2, 3 unterscheidet er f ü r die sichtbare Welt vier Stufen des Lebens und der Bewegung: Es gibt ein „bloßes" Leben, dessen Lebensbewegung innerhalb des Körpers bleibt, dem das Leben einwohnt. Vita, internus ac naturalis motus, vigens tantum intrinsecus. Eine immanente und emanente Kraft der Bewegung kommt dem sensitiven Leben zu: Sensus vero, Vitalis in corpore motus, vigens et extrinsecus. Gewissermaßen eine Steigerung des sensitiven Lebens ist mit dem natürlichen Begehren gegeben: Appetitus autem naturalis, vis in animante, movendis avide sensibus attributa. Lebendig in dem dargelegten Sinne ist schließlich auch die Geistseele, denn auch ihre Tätigkeit muß unter den Begriff der Bewegung gefaßt werden. 47

schreibt a. a. O. S. 1 7 : „Das Leben ist ,innere, natürliche Bewegung, die sich nur innerlich wirksam erweist'. Diese Definition enthält alle wesentlichen Momente des Begriffs. Sie kennzeichnet das Leben als Bewegung". Hier ist Ries insofern ein Irrtum unterlaufen, als die zitierte Stelle aus de Grat. et. Lib. Arb. 2,3 nicht die Definition des Lebens schlechthin, sondern nur des vegetativen Lebens ist. Leben als Selbstbewegung der Seele bei Klemens v. Alex. u. Origenes s. G I L S O N - B Ö H N E R , α. α. Ο . S. 7 3 u. K A R P P , a. a. O. S. 9 3 u. 1 8 6 . Für Athanasius ist die Selbstbewegung der Seele Beweis ihrer Unsterblichkeit (s. S C H M A U S , A. A. O . S. 3 2 1 ) , für L A K T A N Z ist sie es in Verbindung mit der Unsichtbarkeit und Unberührbarkeit: quoniam quidquid viget moveturque per se semper nec videri aut tangi potest, aeternum sit necesse est (nach K A R P P , A. A. O . RIES

S . 133).

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Consensus, nutus est voluntatis spontaneus, vel certe . . . habitus animi, liber sui. Porro voluntas est motus rationalis, et sensui praesidens, et appetitui. Bei einem Vergleich, in dem die Liebe als die Seele des Glaubens bezeichnet wird, kommt der Gedanke der Bewegung als Zeichen des Lebens ebenfalls zum Ausdruck: Et mortuam quidem Apostolus definit earn esse, quae sine operibus est, id est quae non operatur ex dilectione, quasi non habens animam, ipsam dilectionem, qua vegetetur et moveatur (de Mor. et Offic. Episc. 4, 14). Vom Begriff des Lebens her läßt sich der Stufenkosmos 48 des Seins aufbauen. Auf dessen unterster Stufe steht das Seiende sine vita (i. c. c. s. 18, 3), corpora solida vel spissa (cf. Sup. Missus est s. 3, 1). Auf der nächsten Stufe findet man die viventia, und zwar in ihren beiden Arten: et horum genera duo, quae sentiunt et quae non sentiunt (i.c.c.s. 81, 3), Tiere und Pflanzen. In den Anm. 16 angeführten Stellen hat Bernhard geschildert, wie der Schöpfer der Materie die vegetative und sensitive Lebenskraft beimischt. Sehr klar äußert sich Bernhard über diese Seinsstufe i. c. c. s. 5, 1. Wenn hier auch nur vom Tier die Rede ist, so darf man doch nach dem oben Gehörten diese Definition auch für die Pflanzenwelt in Anspruch nehmen. (Spiritus pecoris) quidem ita corpore egere constat, ut nec subsistere absque illo utcunque possit. Simul quippe et vivificare desinit et vivere ille spiritus, quando moritur pecus. 4e

Bernhard fügt sich mit der Vorstellung vom Stufenkosmos durchaus in die Auffassung seiner Zeit und in die Tradition, von der das Denken seiner Zeit gespeist wird, ein. E. Hoffmann ist der Entwicklungslinie dieser Vorstellung vom Altertum bis zum Mittelalter nachgegangen. Das platonische Weltbild sei von Klüften und Abgründen, von Schnitten und Grenzen zwischen dem Reich des Idealen und dem des Werdenden bestimmt. Im Gegensatz dazu „kommt bei Aristoteles der Stufenkosmos des realen Seins. Die Möglichkeit der kirchlichen Jakobsleiter, die auf der Erde steht und bis in den Himmel reicht, ist grundsätzlich immer nur aristotelisch, nie platonisch motivierbar" ( H O F F M A N N , Piatonismus und Mittelalter, S. 70). Die Entwicklungslinie führt von Aristoteles über die alexandrinisch-jüdische Emanationslehre und den stoischen Syndesmos zu den griechischen Vätern, die diese Gedanken an das Mittelalter weitergeben. Für Bernhard war wie für viele andere Denker seiner Zeit wohl Scottus Eriugena durch seine Übersetzungen griechischer Väter der Vermittler dieses Gedankengutes. Es ist auch nicht unmöglich, daß er Scottus' eigene Werke gelesen hat. Für seinen Freund Wilhelm von Saint-Thierry weiß Gilson jedenfalls eine Nahestellung zu Scottus nachzuweisen ( G I L S O N , Die Mystik, S. 2 2 1 Anm. 2 1 ) . Was Hoffmann f ü r die christliche Philosophie im allgemeinen feststellt, gilt auch in vollem Sinn f ü r Bernhard. „Man kann die fortgesetzte Differenzierung und Verinnerlichung des Stufungsmotives als ein leitendes Motiv der christlichen Philosophie bezeichnen" (HOFFMANN, α. ο. Ο. S. 70). 85

Die Seele

An beiden Stellen (i. c. c. s. 5, 1 u. in Nat. Dmni s. 2, 1) werden die zu belebende Materie und ihre Lebenskraft klar unterschieden. Das ist i.c.c.s. 81, 3 weniger klar. Dort heißt es: Est pecorum, est et arborum vita, sensu altera vigens, altera carens. At neutri tarnen id esse quod vivere est, cum, ut quidem multorum opinio est, ante in elementis quam vel illa in membris, vel ista in ramis exstiterint. At secundum hoc cum desinunt vivificare, simul vivere cessant, sed non et esse. Solvuntur pariter et dissolvuntur, tamquam non alligatae tantum, sed et colligatae. Will Bernhard sagen, daß das Leben der Seienden dieser zweiten Stufe in einer bestimmten Zueinanderordnung der Elemente besteht? Damit würde die Bemerkung in Festo omn. Sanct. s. 4, 6 übereinstimmen: Ab humoribus enim inordinatis causas aiunt procedere passionum. Wie diese Frage aber auch zu entscheiden sein mag: Für die Seienden dieser Stufe sind Sein und Leben nicht dasselbe, da mit dem Aufhören des Lebens entweder die Lebenskraft stirbt und die Materie des Körpers zu den Elementen zurückkehrt, oder aber beides (Materie und Lebenskraft) nach der Rückkehr zu den Elementen als lebloses Sein fortbesteht. Auf der höchsten Stufe des geschöpflichen Seins steht das geistige Sein der Engel und Menschenseelen. Auch geistiges Sein ist Bewegung, wie die zitierte Stelle aus de Grat, et Lib. Arb. 2, 3 zeigt: Consensus, nutus est voluntatis spontaneus 49 , vel certe . . . habitus animi liber sui. Porro voluntas est motus rationalis, et sensui praesidens, et appetitui. Die Lebensbewegung der Seele erschöpft sich jedoch nicht wie diejenige des Lebens der viventia darin, den Körper zu bewegen und zu beseelen, sondern sie hat ihren Sinn in sich selbst. Ihre eigentliche Tätigkeit ist der Vollzug geistiger Akte. Geistiges Sein heißt: erkennen und wollen, wenn man seine christologische; erkennen, wollen und sich erinnern, wenn man seine trinitarische Struktur hervorhebt. Zwar ist die Seele im irdischen Leben f ü r den Vollzug geistiger Akte auf den Leib, den sie beseelt, angewiesen 50 , doch endet die eigentliche geistige Tätigkeit mit dem Tod des Menschen nicht: f ü r die Seele sind Sein und Leben im Vollzug geistiger Akte identisch. Kennzeichnend für den motus rationalis ist seine Zielstrebigkeit, deren allgemeine Richtung die nach oben, zum Höheren ist, inest 49

De Dil. Deo wird zweimal die Spontaneität der Liebe betont: Sponte a f f i cit, et spontaneum facit (7, 17). Facit quidem nonnumquam etiam servus opus Dei: sed quia non sponte, in sua adhuc duritia permanere cognoscitur (12, 34). so Verum nos vivimus quidem post corpus, sed ad ea quibus beate vivitur nullus nobis ascensus vel accessus patet, nisi per corpus (i. c. c. s. 5, 1).

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omni utenti ratione naturaliter pro sua semper aestimatione atque intentione appetere potiora, et nulla re esse contentum, cui quod deest, iudicet praeferendum (de Dil. Deo 7, 18). Leben und Emporsteigen sind synonyme Begriffe: Sic me apostoli et vivere et conscendere docuerunt (in Festo SS. Petri et Pauli App. s. 1, 5). Quoniam in via vitae non progredi, regredi est (in Purif. B. M. s. 2, 3)51. Dieses Lebensgesetz des Strebens nach oben gilt auch f ü r den verdorbenen Geist, sic directo tramite voluntas perversa contendit ad optimum, festinat ad id unde possit impleri (de Dil. Deo 7, 18), aber Unkenntnis des Ziels führt zu einem ermüdenden und nicht erfüllenden Umherschweifen des Geistes, ut vagabundus animus inani labore discurrens fatigetur, non satietur (ibd.). Ziel aller Bewegungen ist Gott: Causa diligendi Deum, Deus est. Verum dixi: nam et efficiens, et finalis. Ipse dat occasionem, ipse erat affectio513, desiderium ipse consumat (ibd. 7, 22). So ist die Muße f ü r Gott (Deo vacare — cf. in Assumpt. Β. Μ. V. s. 3, 2) f ü r die Seele notwendig, damit sie nicht mißgestaltet wird, wenn sie sich an diese Welt verliert und in ihr das Ziel sucht, das allein in der Teilnahme am Ewigen liegen kann: Evam attende, quomodo eius anima immortalis immortalitatis suae gloriae fueum mortalitatis invexit, mortalia utique affectando. Ut quid enim, cum immortalis esset, mortalia non contempsit et transitoria, contenta sibi similibus, immortalibus et aeternis? . . . Tua (seil, delectatio), quae vere tua est, aliunde et alia: nam aeterna est de aeternitate. Quid tu animae tuae alteram formam, immo deformitatem, imprimis alienam? (i. c. c. s. 82, 4). Die Zielstrebigkeit macht den Unterschied zwischen dem Leben Gottes und dem der Seele aus. Gottes Leben ist überströmende Fülle (fons propter affluentiam et aeternitatem — in Vig. Nat. Dmni s. 4, 9), er ist aber auch in sich ruhender Frieden (pax propter tranquillitatem — ibd.): non reeipit mutationem, quam nee finem (i.c.c.s. 81, 5)52. Wegen dieses Unterschiedes kommt der Seele nicht das Glücklichsein, sondern nur das Glücklichseinkönnen zu: Accepit itaque in sui conditione anima, etsi non esse, posse tarnen esse beata; summo perinde gradui, quantum licet, appropians, non pertingens tarnen. Neque enim vel ipsi, ut supra diximus, hoc erit 51 51a 52

i. c. c. s. 81, 2 u. 4 findet man die Begriffe ascendere, proficere, emergere. bei M I G N E steht: ipse erat affectionem. Von der ewigen Seligkeit heißt es de Div. s. 1, 7: In remuneratione torrens est voluptatis, et fluminis impetus, torrens inundans laetitiae, flumen gloriae, et flumen pacis. Flumen plane est, sed quod affluat, non quod fluat vel effluat. Flumen vocatur, non quod transeat vel pertranseat, sed quod abundet. 87

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aliquando esse quod beatam esse, nec quando beata erit. F a t e m u r similitudinem, aequalitatem renuimus (i. c. c. s. 81, 4). Die Seele ist einfach, weil f ü r sie Sein und Leben eins sind. Sie kann glücklich sein, aber ihr Glücklichsein muß von ihrem Sein ( = Leben) real unterschieden werden. So ist sie Gott ähnlich, nicht gleich (gradus propinquus — gradus tarnen — ibd. n. 2; f a t e m u r similitudinem, aequalitatem renuimus — ibd. n. 4). Zu verwandten Überlegungen über die Ähnlichkeit der Seele mit Gott kommt Bernhard von der Deutung des Begriffes immortalitas her. Weil die Seele ihr eigenes Leben ist und nicht aus sich selbst und aus dem Leben herausfallen kann, ist sie unsterblich (cf. ibd. n. 5)53. Jedoch muß hinsichtlich der Unsterblichkeit unterschieden werden zwischen einer immortalitas naturalis, die unzerstörbar ist, und einer immortalitas spiritualis (im Sinne von supranaturalis auf Grund der göttlichen Gnade — vivificatio im Unterschied zur creatio: cf. ibd. n. 4). Geht die Seele der immortalitas spiritualis verlustig, ist sie vivens mortua: quippe cui bonum erat omnino non vivere, quam sie vivere (ibd. n. 4)54. Eine Steigerung der Gottähnlichkeit bewirkt die Willensfreiheit: nec enim minus insignem similemve minus Verbo animam facit, et forte etiam plus (ibd. n. 6). Auf Grund derselben besitzt die Seele die cognitio iudicii und die optio eligendi inter bonum et malum. Sie ist ein censorius arbiter zwischen den Gegensätzen, zwischen die die Seele gestellt ist (quae circa animi habitum sese e regione respicere videantur), in discernendo, ita in eligendo liber (cf. ibd. n. 6). Die Freiheit bleibt auch unter der Gewalt der Sünde bestehen: Voluntas enim est, quae, cum esset libera, serva facta est peccati, peccato assentiendo; voluntas nihilominus est, quae se sub peccato tenet, voluntario serviendo . . . Non utique voluntas retinetur non volens. Voluntas enim volentis est, non nolentis. Quod si volens retinetur, ipsa 'se retinet (ibd. n. 7—8). Besonders im liberum arbitrium sieht Bernhard ein Bild der ewigen und u n v e r änderlichen Gottheit: Nam, etsi habuerit initium, nescit tarnen occasum, nec de iustitia vel gloria capit augmentum: nec de peccato sive miseria detrimentum. Quid aeternitati similius, quod non sit aeternitas? (de Grat, et Lib. Arb. 9, 28). Den realen Unterschied zwischen Sein und Seinkönnen arbeitet Bernhard f ü r die Willensfreiheit im Anschluß a n Gol. 4, 23 mit den Begriffen „Magd und 53 54

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Vgl. die Ausführungen über die Unsterblichkeit im III. Kapitel. N a m naturali quidem, etiam quae non spiritualiter vivit, immortaliter vivat necesse est. At qualis vita in qua satius foret non nasci, quam non ab ea mori? (i. c. c. s. 81, 4) Vgl. auch III. Kapitel, Anm. 42.

Partes oder functiones animae?

Freie" heraus. Der Wille könnte ganz frei sein, aber durch die Sünde wird er zur Magd, durch eine voluntaria quaedam ac male libera necessitas (cf. i. c. c. s. 81, 9): eo rea quo libera, eoque ancilla quo rea, ac per hoc eo ancilla quo libera (ibd.). 2. P a r t e s o d e r f u n c t i o n e s

animae?

Nach den vorausgegangenen Überlegungen muß man wohl gegen die Darstellung der Struktur der Seele nach der Lehre Bernhards durch E. v. Ivänka Bedenken anmelden müssen. Er schreibt: Bernhard „insiste sur l'indivisibilite de 1'äme, sur son unite fonciere, nonobstant la pluralite de ses differentes fonctions. Parlant de la simplicite absolue de Dieu, il ecrit: ,Unum quippe est, non unitum. Non partibus constat, ut corpus; non affectibus distat, ut anima.' On le voit, les ,parties' de l'äme, selon lui, ne sont pas des facultes distinctes, pour ainsi dire superposees l'une ä l'autre, et entrant en action l'une apres l'autre; ce sont simplement les differentes fonctions d'une realite unique, laquelle est differenciee seulement par la pluralite de ses activites et de ses relations... S. Bernard, lui, distingue, tout au plus, les ,lieux' differents, les directions diverses de l'activite de l'äme, lesquelles entrainent une diversite dans les formes de son action. A l'idee de la structure de l'äme se substitue ainsi, chez lui, l'idee de la structure du domaine dans lequel l'äme exerce son pouvoir et deploie son activite: la diversite est dans les objets vers lesquels eile peut s'orienter"55. Schon durch die reale Unterscheidung von anima, magnitudo und rectitudo, wie sie oben aufgezeigt wurde, erscheint die Interpretation Ivänkas unmöglich. Denn wie soll auf Grund einer solchen Darstellung erklärt werden, daß die rectitudo gänzlich verlorengehen kann? Ebenso verhält es sich mit Bernhards Lehre von der similitudo. Durch die reale Unterscheidung von Sein und Glücklichseinkönnen kommt der Abt zu der Auffassung, daß durch die Sünde die Seele auf den Bestand eines bloßen Seins herabgemindert werden kann (cf. i.c.c.s. 81, 4). Aber die von Ivänka aufgeworfene Frage bewegt sich eigentlich um ein anderes Problem. Gibt es in der Seele wirkliche, den einzelnen Tätigkeiten entsprechende Kräfte, oder erscheint die Seele nur, dem Gegenstand entsprechend, auf den sich ihre Aktivität richtet, bald in jener, bald in einer anderen Funktion? Ivänka hat sich für diese Interpretation entschieden: „La diversite est dans les objets vers lesquels eile peut s'orienter". 55

v. IVÄNKA, La Structure de l'Ame selon S. Bernard, in Saint Bernard Theologien, S. 204.

E.

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Die Texte scheinen jedoch das Gegenteil dieser Meinung zu beweisen. In Festo Omn. Sanct. s. 4, 5 heißt es sehr klar: Constat enim animarum triplicem esse naturam. Unde et sapientes mundi huius animam humanam, rationalem, irascibilem, concupiscibilem esse tradiderunt. Eine sehr scharfe Scheidung zwischen einzelnen Teilen der Seele wird i. c. c. s. 30, 9 vollzogen: Ergo differentiam facis inter te, et tuam animam? . . . Sed quomodo non tua anima tu? . . . Cum me dico, inquit, excellentius quod in me est, in quo et sto per gratiam Dei, id est mentem rationemque, intellige. Cum loquor animam meam, hoc inferius accipe, quod carni animandae vides accomodatum, etiam est junctum in concupiscentia. Die Funktionen der Seele, von denen Ivänka spricht, haben also offenbar eine reale Grundlage in ihrem Sein. Je nach dem Objekt, auf das sich die Aktivität der Seele richtet, wird auch eine andere Kraft der Seele eingesetzt werden müssen. Aus dieser realen Unterscheidung der Seelenkräfte ergibt sich das notwendige Zusammenspiel der verschiedenen Tugenden 56 , oder aber es zeigt sich in der Seele der Zwiespalt, wenn die rechte Ordnung in den Seelenkräften noch nicht hergestellt ist. Ibi etiam advertere tibi est suavissimum quemdam concentum complexumque virtutum, atque alteram pendere ex altera; sicut hoc loco vides, fortitudinis matrem esse prudentiam: nec fortitudinem, sed temeritatem esse quemlibet ausum, quem non parturivit prudentia (de Considerat. 1, 8, 9). Die rechte Ordnung in den Seelenkräften muß sich vor allem in der guten Harmonie zwischen den Kräften des sinnlichen und denen des geistigen Bereiches zeigen. Das sieht dann mit Hinblick auf das Ziel des Menschen so aus, daß die sinnlichen Kräfte eingeschränkt und gebändigt werden müssen, damit der Geist sich in wirklicher Freiheit auf sein Ziel ausrichten kann. Sine his (seil, res temporales, durch die die niederen Bedürfnisse befriedigt werden) enim neque vivere, neque Deo servire est. Caeterum quanto strictius, tanto melius (in Ps. Qui habitat s. 5, 2)57. Wird die Harmonisierung der 50

57

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Nec miraberis unam animam equitatus multitudini similatam, si advertas quantae in ipsa una, quae tarnen saneta anima sit, virtutum acies habeantur: quanta in affectionibus ordinatio, quanta in moribus diseiplina (i. c. c. s. 39, 4). Ein ähnlicher Gedanke bei L E O M A G N U S , S. 8, 1 de jejunio deeimi mensis et eleemosynis: At cuius adventum omnem hominem convenit praeparari: ne quem aut ventri deditum, aut curis saecularibus inveniat implicatum. Quotidiano enim, dilectissimi, experimento probatur, potus satietate aciem mentis obtundi, et eiborum nimietate vigor em cordis hebetari; ita ut delectatio edendi etiam corporum contraria sit saluti, nisd ratio temperantiae obsistat illecebrae, et quod futurum est oneri, subtrahat voluptati. Quamvis enim sine anima nihil caro desideret, et inde aeeipiat sensus,

Partes oder functiones animae?

einzelnen Seelenkräfte nicht erreicht, so findet man den innerlich zerissenen Menschen, wie ihn Bernhard in Ps. Qui habitat ss. 1, 6 u. 14 schildert, in denen er als Gegenbild zu den durch die Tugenden geordneten Seelenkräften des guten Menschen die durch die Untugenden des Weltmenschen verdorbenen Kräfte beschreibt. Cf. auch i. c. c. s. 30. Offenbar geworden sind die einzelnen Kräfte oder Teile der Seele in aller Deutlichkeit durch die Sünde, die ihre zersetzende Wirkung in ihr in einer ähnlichen Weise bewiesen hat, wie es in dem Kapitel „Copula rationis et mortis" schon für das Verhältnis von Leib und Seele beschrieben wurde. Gott schuf die rationale Seele ad imaginem et similitudinem suam: quae in eo praefert vestigium quoddam illius summae Trinitatis, quod ex memoria, ratione et voluntate consistat (!). Durch den Abfall von Gott wird nun die auch in der Seele liegende geschöpfliche Nichtigkeit erkenntlich. Denn durch den Abfall von Gott sind die einzelnen Kräfte von vornherein in einer zwar ihrem Wesen entsprechenden, aber negativ zu beurteilenden Weise auf ihre Ziele hingerichtet. Memoria . . . in tres partes confracta dissiliit, scilicet in cogitationes affectuosas, onerosas, otiosas . . . Rationis quoque triplex casus est. Siquidem eius erat discernere inter bonum et malum, verum et falsum, commodum et incommodum; in quibus discernendis tanta modo caligine caecatur, ut saepe in contrarium ducat judicium . . . Sequitur voluntas, cuius ruina similiter tripartita est. Quae enim summae benignitati et puritati inhaerere, et eam solam diligere debuit; per propriam iniquitatem a supernis in haec infima lapsa, per concupiscentiam carnis, concupiscentiam oculorum, et ambitionem saeculi terrena dilexit (cf. de Div. s. 45). Zur philosophischen Erklärung der oben geschilderten Tatbestände führt Bernhard den Begriff der Privation ein, der aus aristotelisch-plotinischer Tradition auf ihn gekommen sein mag und der „das Nichtvorhandensein eines Zustandes oder einer Eigenschaft, deren ein Ding fähig ist und die es, um in seiner Art vollkommen zu sein, besitzen sollte", bedeutet. Privation „sagt also nicht schlechthin Verneinung eines Seins, sondern setzt stets einen Träger voraus, der nicht alles besitzt, was er seiner Natur nach besitzen sollte"58. Für die verschiedenen Seelenkräfte stellt

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unde sumit et motus: eiusdem tarnen est animae, quaedam sibi subditae negare substantiae, et interiori judicio ab inconvenientibus exteriora frenare: ut a corporeis cupiditatibus saepius libera, in aula mentis possit divinae vacare sapientiae: ubi omni strepitu terrenarum silente curarum, in meditationibus sanctis, et in delictis laetetur aeternis (MPL 54, 186 A). Phil. Wörterbuch, "1957, S. 240.

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Die Seele

Bernhard das folgendermaßen dar: Porro quemadmodum circa rationale nostrum, ut scientia, et ignorantia constat tamquam habitus et privatio: sie et circa concupiscibile, desiderium et contemptus: et circa id quod dicitur iraseibile, et laetitia pariter, et ira versatur (In Festo omnium Sanct. s. 4, 5; cf. de Div. s. 74). Nunc autem et ratio minus habens, caeca quodammodo, quod hactenus ista non v i d e r i t . . . et memoria foedissima pariter et fetidissima; et voluntas languida, et horrendis ulceribus undique scaturiens invenitur (de Convers. ad Cleric. 6, 11). Mir sind nur wenige Stellen aus Bernhards Schriften bekannt, durch die die Meinung Ivänkas begründet erscheinen könnte: sed et animae quoque substantia, in suo quidem genere etiam ipsa spiritualis et simplex, sine ulla distinetione sensuum, sed tota, si tarnen tota dicenda est, et videns pariter et audiens videatur (de Convers. ad Cleric. 2, 3). Dann weiter die Stelle de Considerat. 5, 5, 12, die mit de Laude Novae Milit. 11, 19 verwandt ist: anima videt in oculis, audit in auribus, odorat in naribus, in faueibus gustat, tangit in toto reliquo corpore. Zuletzt könnte man noch auf i. c. c. s. 40, 1 hinweisen: Incorporea illa animae invisibilisque substantia, nec corporeis distineta membris, nec visibilibus exstat fucata coloribus. Erstaunlicherweise führt Ivänka diese Stellen nicht an, wohl aber eine andere, die das genaue Gegenteil von dem aussagt, was er beweisen will: (Deus) Unum quippe est, sed non unitum. Non partibus constat, ut corpus; non affectibus distat, ut anima (de Considerat. 5, 7, 16). Außer dem schon Dargelegten sei noch auf einige Einzelheiten hingewiesen, die die Ablehnung der Interpretation Ivänkas stützen könnten. De Grad. Hum. et Sup. spricht Bernhard von der ratio als einer potentia, der voluntas als einer pars animae (7, 21)59. De Grat, et Lib. Arb. 2, 5 lehrt der Abt, daß vita, sensus, appetitus, memoria, ingenium der necessitas unterliegen, während allein die voluntas von allen, quae sunt hominis, frei ist. In Die S. Paschae ist von der triplex animae virtus die Rede (n. 11). Der Heilige Geist wirkt auf die verschiedenen Seelenkräfte je nach deren verschiedenem We59

92

Für Bernhard scheinen die verschiedenen Fähigkeiten (potentiae) der Seele partes animae zu sein, die „ihr gegenüber eine relative Selbständigkeit" (SCHLETTE, α. α. Ο . S. 52) haben. H U G O V. S T . V I K T O R vermag die Einheit der Seele besser zu wahren, indem er feststellt, daß die Fähigkeiten keine Teile sind: anima non per partes, sed tota in singulis suis potentiis consistat (Erud. didasc. II, 5; MPL 176, 754 B). Schon bei Tertullian findet man eine ähnliche Überlegung: non tarn partes animae habebuntur quam vires et efficaciae et operae (nach K A R P P , α. α. Ο. S. 74).

P a r t e s oder f u n c t i o n e s a n i m a e ?

sen verschieden, ein (monet memoriam, rationem docet, movet voluntatem — in Festo Pentec. s. 1, 5). Quae enim in Verbo pro eius singular! divinae naturae simplicitate unum sunt, unum tarnen in animam effectum non habent, sed ad illius varias et diversas necessitates, veluti diversa, sese participanda accommodant (i. c. c. s. 85, 7). Die Seelenkräfte sind zu unterscheiden wie die Glieder eines Körpers60 (ecce enim ut tanquam principalia cordis ipsius membra distinguam, est intellectus in nobis, est et affectus — in Ascens. Domini s. 5, 5, auch i. c. c. s. 18, 5), oder ratio und voluntas werden unter dem Bild der Ehe als Mann und Frau geschildert61. Mit Rücksicht auf Bernhards Stellung in der Universalienfrage, wie sie oben in einigen knappen, aber sehr deutlichen Äußerungen bekanntgemacht wurde, muß man den Wendungen, in denen er von eo

Nach in Dedic. Eccl. s. 2, 3 sind V e r n u n f t , Wille u n d G e d ä c h t n i s die Glied e r d e r Seele, die m i t e i n a n d e r u n e i n s sein k ö n n e n . In Annunt. B.M. s. 2, 4 ist v o n den A f f e k t e n als den a r t u s interioris h o m i n i s die Rede. Nach in Ps. Qui habitat s. 13,1 (pes tuus, a f f e c t i o tua) u n d in Coena Omni s. n. 4 (pedes, qui s u n t a n i m a e affectiones) schreitet d i e Seele m i t i h r e n G e f ü h l e n u n d N e i g u n g e n v o r a n , w i e schon AUGUSTINUS gesagt h a t t e : Sed acced e r e est c r e d e r e : q u i credit, accedit; qui negat, recedit. N o n m o v e t u r a n i m a pedibus, sed a f f e c t i b u s (Tract. 48, 3 in Joann.; MPL 35, 1741). In Festo SS. Petri et Pauli s. 2, 8 w i r d d e r i n t e r n u s q u i d a m s a p o r mentis, i.c.c.s. 7, 5 w e r d e n die d e n t e s intelligentiae a n i m a e e r w ä h n t . Wie GREGOR D. G R . (Horn,

61

in

Εν.

I , 15, 2 ; MPL

76, 1 1 3 2 A ) u n d H U G O V. S T . VIKTOR

(De modo die. et med.; MPL 176, 878 D) spricht B e r n h a r d i. c. c. s. 36, 4 v o m Gedächtnis als d e m s t o m a c h u s a n i m a e . Diese F o r m u l i e r u n g e n sind nicht a u ß e r g e w ö h n l i c h . ORIGENES schreibt: I t a invenies e t i a m m e m b r o r u m n o m i n a c o r p o r a l i u m t r a n s f e r r i ad a n i m a e m e m b r a , seu p o t i u s e f f i c i e n t i a e h a e c a n i m a e a f f e c t u s q u e dicendi s u n t (Comm. in Cant. Cant., Prol.; MPG 13, 66 A). AUGUSTINUS, Ep. 167, 14; MPL 33, 739: I t a s u n t a n i m a e i n t e n tiones, u t corporis m e m b r a , n o n quod v i d e a n t u r locis, sed quod s e n t i a n t u r a f f e c t i b u s . SCHAUT, a. a. O. S. 226: G r e g o r d. Gr. „liebt es, die V o r g ä n g e des seelischen u n d geistigen L e b e n s in anschaulicher Weise zu schildern, u n d e r beschreibt diese u n s i c h t b a r e I n n e n w e l t m i t B i l d e r n a u s d e r sichtb a r e n Welt . . . So k a n n er v o n einem ,Corpus m e n t i s ' sprechen, der mit G l i e d e r n u n d S i n n e n a u s g e s t a t t e t ist". Nach GREGOR ist die m e n s die i n t e r n a facies h o m i n i s (Mor. 10, 15, 27; MPL 75, 936 B), u n d HIERONYMUS (in Eccl. 2, 10; MPL 23, 1082 Α) u n d AUGUSTINUS (Tract. 74, 4 in Joann.; MPL 35, 1828) sprechen v o n den oculi a n i m a e oder oculi invisibiles. De Div. s. 10, 2 spricht B e r n h a r d ü b e r die f ü n f S i n n e d e r Liebe: P o r r o dilectionem q u i d e m , si diligenter a d v e r t a s , v a r i a m , et fortassis s e c u n d u m q u i n q u e s e n s u s corporis q u i n q u e p a r t i t a m poteris invenire. Die E i n t e i l u n g e n t spricht g e n a u WILHELM V. ST. THIERRY, De nat. et dignit. amoris, 18—23 ed. DAVY, P a r i s 1953, S. 94—98: V e r w a n d t e n l i e b e als T a s t s i n n ; soziale L i e b e als Geschmacksinn; n a t u r h a f t e L i e b e g e g e n ü b e r allen Menschen als G e r u c h s i n n ; Feindesliebe als G e h ö r s i n n ; Gottesliebe als Gesichtsinn. Nach de Div. s. 14, 2 ist der Wille d a s Weib; nach in Rogationibus s. n. 2 ist d e r V e r s t a n d d e r M a n n , d e r Wille das Weib.

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Die Seele

den Seelenkräften spricht, eine reale Grundlage in der Sache selbst beilegen®2. Die Einteilung der Seelenkräfte nach dem hl. Bernhard ist sehr mannigfaltig und vielschichtig. Ries hat dieses Problem stark zu vereinfachen versucht und legt seinen Überlegungen nur die Einteilung memoria, ratio, voluntas zu Grunde; allen anderen Einteilungen mißt er keine große Bedeutung bei: „Gelegentlich gibt der Heilige wohl auch eine andere Dreiteilung, welche jedoch mehr als Ergänzung denn als Änderung der obigen angesehen werden dürfte" 63 . a) Vivificare, sensificare, intelligere Von großer Bedeutung ist schon die Einteilung, nach der der Seele das vivificare, sensificare und intelligere zukommt. Die wichtigsten Belegstellen (de Div. ss. 10 u. 84; i. c. c. s. 30, 9; de Grat, et Lib. Arb. 2, 3) wurden schon an verschiedenen Stellen angeführt. Im III. Kapitel wurde auch darauf hingewiesen, daß bei Bernhard deutlich trichotomistische Tendenzen feststellbar sind, denen f ü r den Entwurf des aszetisch-mystischen Ideals große Bedeutung zukommt. Dafür, daß den drei genannten Funktionen der Seele real zu unterscheidende Seelenkräfte entsprechen, liefert i. c. c. s. 30, 9 den stärksten Beweis, wie ebenfalls schon dargelegt wurde. Von dieser trichotomistischen Einteilung her bestimmen sich auch die Orte der Seele: Duo loca sunt animae rationalis; inferior, quem regit, corpus; superior, in quo quiescit, Deus (de Div. s. 84, 1)M. In der Ausübung ihrer Funktionen sind die drei Kräfte nicht gleichwertig. Entscheidend kommt es an auf die intellektive Kraft der Seele, die Wirkungen der anderen Kräfte mögen dagegen ruhig 62

63

84

94

Der Vollständigkeit halber seien noch einige Stellen angeführt: In de Div. s. 85 sind die desideria die rami animae. De Div. s. 32 wird von den bestimmten Plätzen innerhalb der Seele gesprochen: Sunt autem tria ista, id est cogitatio, affectio et intentio in anima. Sed in ea quoque propriis singula locis distincta videntur. N a m cogitatio in memoria est, affectio in voluntate, intentio in ratione consistit. Nach in Asc. Dmni s. 5, 5 kann das Herz geteilt sein (divisum), können sich Buchten (multos sinus) in ihm finden lassen; vermag es sich nur stückweise (particulatim et membratim) zu Gott zu erheben. Nach in Assumpt. B.M.V. s. 2, 4 ist das Gewissen carcer, sind Verstand und Erinnerung tortores animae. RIES,

a.a.O.

S. 117 Anm. 3.

Von dem Inhalt dieses Zitates her läßt sich sagen, daß auch Bernhards Vorstellungen v o n der Gottebenbildlichkeit des Menschen, die in der Herrschaft über den Leib als die ganze Erde und in der capacitas beatitudinis aeternae besteht, auf die trichotomistische Menschenauffassung zurückzuführen sind.

Partes oder functiones animae?

zurücktreten. Ein Nachlassen der höchsten Kraft würde die notwendige Ordnung stören, und die tieferen Schichten würden sich in ihrer Eigengesetzlichkeit zu stark bemerkbar machen. Habet quippe anima tria facere in corpore, vivificare, sensificare, regere. Sed sive auferatur vita, sive sensus perturbetur, de neutro condemnatur. Sin vero tentatori victa succumbit, hoc illi ad peccatum reputatur (ibd.). Ein trichotomistisches Menschenbild und eine diesem entsprechende Aszese sind benediktinische Tradition. I. Herwegen hat diese Gegebenheit sehr gut dargestellt. In Anlehnung an die dreifache Absage bei der Taufe (an den Satan, an seine Werke und an seine Lockungen85) kenne auch das Mönchtum eine dreifache abrenuntiatio als fortschrittliche Entwicklungsreihe im Leben des Mönchs. Herwegen weist darauf hin, daß besonders Cassianus wiederholt auf diese abrenuntiationes zu sprechen komme, und gibt von dessen Überlegungen folgende Zusammenfassung: „Die erste besteht darin, daß wir ,körperlich' alle Reichtümer und Glücksmöglichkeiten dieser Welt verlassen, d. h. daß wir die Welt verlassen. Die zweite fordert von uns, daß wir unsere früheren Lebensgewohnheiten, Fehler und Neigungen geistlicher und leiblicher Art ablegen und überwinden. Die dritte Absage endlich macht uns unabhängig, hebt uns heraus über die Enge und Schwere der gegenwärtigen sichtbaren Dinge. Durch sie gelangen wir dahin, daß wir wenigstens dem Geiste nach beschäftigt sind mit dem Zukünftigen und Unsichtbaren'"®. Die drei Absagen seien auch conversationes (Lebeweisen) oder conversiones (Bekehrungen) genannt worden. So vollziehe sich die erste abrenuntiatio in der Bekehrung vom weltlichen zum monastischen Leben; die zweite bestehe in der Bekehrung von sittlicher Schwäche zur Fülle der Tugendkraft; die dritte bedeute den neuen Lebenswandel in der gottförmigen Reife und Vollkommenheit der Seele, indem sich der ganze Mensch in der Beschauung vom Geschaffenen zu Gott hinwende. „Die drei Entsagungen sind ein dreifacher Tod für Christus, der platonischen Trichotomie entsprechend: 1. dem Körper nach — Flucht aus der Welt, 2. der unteren Seele (Leidenschafts- oder Leibesseele) nach — Ertötung der Laster im sinnlichen Menschen, 3. der oberen Seele (Geistesseele) nach — Auslöschung der engmenschlichen Ansichten und unzulänglichen Bilder, dafür gottgeweihte Lebensanschauung"67. •5 cf. Collectio Rituum, Pars I, Titulus 1. 66

c f . J O H A N N E S C A S S I A N U S , Col.

67

HERWEGEN,

III,

Der heilige Benedikt,

6.

Düsseldorf 41951, S. 107 u. S. 192 Anm. 3.

95

Die Seele

Mit den Ausführungen Herwegens stimmen Bernhards Gedanken i. c. c. ss. 1, 2 u. 4, 1 überein: Nam de verbis Ecclesiastes mundi huius cognoscere et contemnere vanitatem, satis, ni fallor, per Dei gratiam instructi estis. Quid et Parabolas? Annon vita et mores vestri, iuxta earn quae in ipsis invenitur doctrinam, sufficienter emendati et informati sunt? Proinde illis ambobus praelibatis, quos nihilominus de amici area praestitos aeeepistis, accedite et ad tertium hunc panem, ut probetis fortsitan potiora (1, 2). Sunt ergo hi tres animarum affectus sive profectus, expertis dumtaxat satis noti et manifesti, cum aut de actis malis indulgentiam, aut de bonis agendis gratiam, aut ipsius etiam indultoris et benefactoris sui praesentiam, eo quidem modo quo in corpore fragili possibile est, obtinet intueri (4, l)68. I. c. c. s. 33, 11—13 schildert der Abt die den drei Entsagungen drohenden besonderen Gefahren: Zuerst ist es der timor, quem intrantibus statim horror vitae ingerit artioris et insuetae austeritas diseiplinae. Auf der zweiten Stufe sind es inanis gloria und hypoerisis, auf der dritten suspicio falsi. Auch der Gedankengang i. c. c. s. 30 entspricht dem von Herwegen Dargelegten: Tu quoque si propriam deseras voluntatem, si corporis voluptatibus perfecte renunties, si carnem tuam crucifigas cum vitiis et concupiscentiis, sed et mortifices membra tua, quae sunt super terram: probabis te Pauli imitatorem (n. 10). Im übrigen dürfte es schwer sein, f ü r unsere Frage weitere Beispiele anzuführen — man müßte sonst den heiligen Bernhard ganz abschreiben. Das Thema: Loslösung von der Welt, Überwindung der Sinnlichkeit, Hinwendung des Geistes auf Gott durchzieht sein gesamtes Schrifttum 69 . Levavit, inquit, se super se: quia non respicit ad se, 68

Es sei an die im I. Kapitel dargelegten Gedanken aus de Div. s. 37 erinnert. S. auch de Div. s. 11, 3: Itaque, fratres mei, rebaptizari nos convenit; secundum foedus inire necesse est: opus est professione secunda; nec iam sufficit abrenuntiare diabolo et operibus eius: mundo pariter abrenuntiandum est et propriae voluntati.

89

Überall bei Bernhard findet sich die Lehre, daß es Anfänger, Fortgeschrittene und Vollendete im Sinne der benediktinischen Aszese gibt (Fundorte s. bei S C H U C K , a. a. O. S . 27, bes. Anm. 90) — wie z. B. auch bei B A S I L I U S D . GR., der über den Wert des Psalmengebetes sagt: Psalmus ineipientibus initium est, incrementum proficientibus, perfectis firmamentum (Horn, in Ps. 1, 2; MPG 29, 214 A). S T E L Z E N B E R G E R , a.a.O. S . 334, weist auf den stoischen Einfluß und die Benutzung der kynisch-stoischen Diatribe bei der Ausbildung der Lehre von der sittlichen Entwicklung durch Basilius hin. G R E G O R D . GR. schreibt: Tres quippe modi sunt conversorum, incohatio, medietas, atque perfectio (Mor. 24, 11, 28; MPL 76, 302 A). Die jeweils höhere Stufe ist von der vorhergehenden gefordert — das gilt für Bernhard wie für Gregor, von dessen Mystik S C H A U T , α. α. Ο. S. 242, schreibt: „Für ihn bedeutet Mystik nicht das Vorrecht einzelner

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Partes oder function.es animae?

sed ad ilium qui est super se. Sedebit enim, et tacebit etiam modo a strepitu diabolicarum suggestionum, a strepitu carnalium desideriorum, a strepitu mundi. Felix anima, quae linguas istas non exaudit, audiat licet: ilia multum felicior, si tarnen aliqua est, cui penitus non l o q u u n t u r . . . Sic me apostoli et vivere et conscendere docuerunt (in Festo SS. Petri et Pauli s. 1, 5). b) Anima est rationalis, concupiscibilis, irascibilis. In Anmerkung 16 dieses Kapitels wurde der metaphysische Ort des Menschen bestimmt. In die Mitte gestellt, als medium quiddam, kann sich der Mensch nach zwei Richtungen hin zur Vollendung bringen, zu der der himmlischen Herrlichkeit oder zu der der ewigen Verdammnis: In coelo utique sola iustitia, sola nihilominus laetitia est; in inferno solum peccatum, et poena peccati: porro in medio utraque inveniuntur, atque ideo neutra consummata (de Div. s. 34, 2). Der Mensch ist in die Entscheidung gestellt (in probatione sumus — de Div. s. 70). Diese Entscheidung ist verhältnismäßig einfach, wenn sicher feststeht, was Gottes Wille ist oder was er nicht will. Zwischen Gottes klaren Geboten und Verboten liegt jedoch das weite Feld, auf dem Gottes Willen nicht leicht zu finden ist: Hie certe, fratres, in hoc medio totum periculum est religiosorum, dum infeliciter blandimur nobis, et palpantes seducimus nosmetipsos (de Div. s. 26, 2). Der Mensch hat zwischen den Wegen zu wählen, die er gehen kann: der via regia (in Ps. Qui habitat s. 11, 9) und der lata et spatiosa via, quae ducit ad mortem (de Div. s. 5, 1)'°. Im Leib als dem tabernaculum militantis aut stabulum viatoris (i. c. c. s. 26, 1) weilend, hat die Seele den Lebenskampf zu bestehen. Es gibt keine Sicherheit inter frendentium undique hostium fulgurantes hastas et circumvolantia spicula, und es wäre arge Täuschung, wollte die Seele die Waffen beiseitelegen und der Ruhe pflegen, tamquam finito iam bello et triumphato adversario (Apol. 9, 22). Die Notwendigkeit und die Gefahren des Lebenskampfes ergeben sich für den Menschen aus der Struktur der Seele, die Bernhard in de Div. s. 74 und in Festo omn. Sanct. s. 4, 5 erwähnt: Anima vero in triplici vi subsistit. Est enim rationalis, concupiscibilis, irasciweniger, auserwählter Seelen, sondern er sieht sie als die Vollendung des christlichen Lebens an. Jeder Christ hat diesen Weg zu gehen, ohne ihn gibt es keine Heiligkeit. Darüber sind sich alle einig, daß jeder Christ zur Vollendung gelangen soll". Bei Bernhard findet man in Dom. infra Oct. Assumpt. Β. Μ. V. s. η. 11 die Stufenordnung homo, christianus, monachus. 70

Die Formulierung lehnt sich an Mt. 7, 13 an. 7

Hiss

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Die Seele

bilis. — Constat enim animarum triplicem esse naturam. Unde et sapientes 71 mundi huius animam humanam, rationalem, irascibilem, concupiscibilem esse tradiderunt: quam utique triplicem vim animae ipsa quoque natura et quotidiana experimenta nos docent72. Die concupiscibile und die irascibile Seelenkraft sind f ü r den Menschen deshalb von besonderer Bedeutung, weil sich aus diesen Kräften die Affekte des Menschen entwickeln, durch die angetrieben er in dieser oder jener Richtung von seiner Zwischenstellung fortzukommen versucht 73 . Nec vero locum reputes corporalem paradisum hunc voluptatis internae. Non pedibus in hunc hortum, sed affectibus introitur (de Convers. ad. Cleric. 13, 25). Neque enim terrenam, sed coelestem requirere Jerusalem, monachorum propositum est; et hoc non pedibus proficiscendo, sed affectibus proficiendo (Ep. 399). Quo vero casura sit arbor, si scire volueris, ramos eius attende. Unde maior est copia ramorum et ponderosior, inde casuram ne dubites, si tamen fuerit tunc excisa. Rami nostri, desideria nostra sunt: quibus ad austrum extendimur, si spiritualia fuerint; si carnalia, ad aquilonem (de Div. s. 85). Daß der timor des Knechtes und die cupiditas des Mietlings die Seele von Gott wegziehen, schildert Bernhard in de Dil. Deo 12, 34; ibd. 7, 18—19 wird dargestellt, wie die falsche Liebe zur Welt den Menschen verführt, so daß er nicht zu einer Erfüllung seines natürlichen Begehrens kommen kann (naturaliter appetentes unde finiant appetitum) 74 . 71 72

73

74

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z.

in Phaidros und Timaios. sagt, daß Begierlichkeit und Zorn in jeder Seele stecken (Horn. 2, 6 in Gen.); er spricht von den Regungen fleischlicher Begierlichkeit, die das Triebhafte aus dem Herde des Begehrens oder des Zornes a u f weckt (Horn. 4, 8 in Ex.); Ekel ist eine im gleichen länger andauernde Erregung des Zorn- und Begehrungsvermögens (Comm. in Ps. 118, 28). M A U S B A C H , α. α. Ο. I, S . 279: „ . . . daß die natürliche Lust und Begierde dem Denken und Wollen voraneilt und dadurch einen Zug und Druck auf letzteres ausübt". In Vig. Nat. Dmni s. 5, 7: N a m desideria quidem nostra in tribus m a x i m e constituta videntur; quod decet, quod expedit, quod delectat. Haec sunt quae concupiscimus, omnes quidem omnia, sed alius magis hoc, alius illud. B . PLATON

ORIGENES

Der Stolz als Quelle der Unordnung der Affekte, cf. de Mor. et Offic. Episc. 5, 19: Superbia est appetitus propriae excellentiae. Haec in species duas dividitur, in caecam et v a n a m superbiam. Quae quidem et aliis nominibus appellari possunt, contumacia et vanitas. Germina virulenta, die aus der affectio quaedam pessima et libido nocendi hervorwachsen, schildert Bernhard in Quadrag. s. 6. Den Weg ins Verderben beschreibt er i. c. c. s. 39, wobei er die Ex. 14, 5 ff. erwähnten Streitwagen des Pharao mit der alten Vorstellung v o m Viergespann der Seele in Verbindung bringt. Die einzelnen Wagen werden von bösen Trieben als Wagenlenkern, Rädern und Rossen in den Untergang gefahren. Der Wagen der Bosheit hat als Räder Saevitia, Impatientia, A u -

Partes oder functiones animae?

Die Affekte sind eine Erscheinungsform des Lebens, das von Bernhard, wie schon früher dargelegt wurde, als Bewegung bestimmt wird. Für den irdischen Menschen ist kennzeichnend, daß das affektive Leben dem sensitiven verbunden ist: Appetitus autem naturalis, vis in animante, movendis avide sensibus attributa (de Grat, et Lib. Arb. 2, 3). In Asc. Dmni s. 4, 12 stellt Bernhard die Begriffe bestiales motus, concupiscentiae irrationales, carnalia desideria, appetitus nebeneinander, und wenn er die Seele ermahnt, dafür Sorge zu tragen, ut sub te sit appetitus tuus, et tu domineris illius, so stellt er eine der trichotomistischen Menschenauffassung entsprechende Rangordnung zwischen den rationalen und irrationalen Seelenkräften auf 75. In de Div. s. 29, 1 wird eine mit dieser Rangordnung übereinstimmende Abstufung der Liebe entwickelt: Amor cordis simile quiddam habet carnali amori; nam affectiones proprie cordis esse dicuntur. Anima vero aliquanto iam superius sonat, unde et dicitur sedes sapientiae, ut merito videatur illi attribuendum prudenter diligere Deum7". Das affektive Leben der Seele wird von Bernhard zusammenfassend mit den Ausdrücken appetentia 77 , appetitus, appetere oder affectus und affectio bezeichnet. Dabei ist mit der ersten Wortgruppe das naturhafte, aus dem Inneren des Menschen aufsteigende Begehren gemeint, das, zunächst noch ohne Rücksicht auf ein bestimmtes Objekt, einfach zum Höheren drängt: Inest omni utenti ratione naturaliter pro sua semper aestimatione atque intentione appetere potiora (de Dil. Deo 7, 18)78. Unter dem Einfluß des Ob-

75

78 77

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dacia, Impudentia; als Wagenlenker Tumor et Livor; als Rosse terrena Potentia et saecularis Pompa (n. 6). Der Wagen der Üppigkeit hat als Räder Ingluvies ventris, Libido coitus, Mollities vestium, Resolutio otii soporisque; als Rosse Prosperitas vitae et rerum Abundantia; als Wagenlenker ignaviae Torpor et infida Securitas (n. 7). £>er Wagen der Habsucht hat als Räder Pusillanimitas, Inhumanitas, Contemptus Dei, mortis Oblivio; als Rosse Tenacitas et Rapacitas; als Wagenlenker Avaritia; als Peitschen Libido acquirendi et Metus amittendi. H I E R O N Y M U S spricht vom appetitus vicinus insaniae (adv. Jovinian. 2, 8; MPL 23, 297 B). O R I G E N E S : Ira et concupiscentia germen est corporis. Huius germinis fructus, id est, opus, nobis rationalibus et bestiis terrae communis est (Horn. 1, 17 in Gen.; MPG 12, 159 C). s. auch de Div. ss. 35, 7 u. 96, 6. der Begriff bei A M B R O S I U S : Si te cupiditas appetentiaque tentaverit (Expos, m. ps. CXVIII 8, 38; MPL 15, 1379 B). Eine interessante Verbindung von appetentia und affectus findet sich de Fide ad Gratianum 5, 5, 60 (MPL 16, 689 A); dort ist von der inolita affectibus omnium immodici contra fas honoris appetentia die Rede. Simplices namque affectiones insunt naturaliter nobis, tamquam ex nobis (de Grat, et Lib. Arb. 6, 17). r

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Die Seele

jektes oder Zieles wird der appetitus naturalis zur affectio oder zum affectus. Der Unterschied zwischen affectio und affectus dürfte bei Bernhard derselbe sein wie bei Wilhelm v. St. Thierry 79 : affectio meint die bloße Gestimmtheit, affectus eine bestimmte Haltung oder Gesinnung. Die affectio entsteht aus der natürlichen Reaktion auf eine Erfahrung. So unterliegt die Seele im Himmel einer naturalis affectio, qua resumere corpus suum, ipsumque glorificatum desiderat (de Dil. Deo 11, 32). Sie hat f ü r das Menschenleben ihre große Bedeutung (Neque hoc dico, ut sine affectione simus — i. c. c. s. 50, 4)80, aber die bloße affectio ist ohne Wert. So heißt es im Hinblick auf die Liebe: supervacue autem de opere monuisset, si in affectione iam fuisset dilectio (ibd. n. 3). In de Div. s. 50, 2 zeigt der Abt am Beispiel Christi, wie die affectiones zu Tugenden werden: Purgatae enim et ordinatae gloriosam in virtutum corona reddunt animam. Ähnlich heißt es de Grat, et Lib. Arb. 6, 17: Nil aliud sint virtutes nisi ordinatae affectiones 81 . Die affectiones purgatae et ordinatae kann man statt Tugenden auch affectus nennen. So bringt die Antwort Mariens: „fiat mihi secundum verbum tuum" den affectus desiderantis zum Ausdruck, wobei Bernhard ausdrücklich auf das religiös-ethische Moment hinweist, wenn er im Zusammenhang mit der Antwort der Gottesmutter von devotio und merita spricht (cf. sup. Missus est s. 4, II)82. In de Div. s. 107 ist von den f ü r das rechte Beten notwendigen vier Affekten die Rede: dem affectus verecundus, purus, amplus und devotus. I. c. c. s. 10, 1 nennt Bernhard die materni affectus compassionis et congratulationis, mit denen derjenige ausgezeichnet sein muß, der das Amt eines Seelsorgers oder Predigers übernimmt, und ibd. s. 23, 1 wird gesagt, daß die Braut ( = Kirche) ihren Kindern immer cura, Providentia, affectu verbunden bleibt83. Endlich ist noch de Considevat. 5, 14, 30 zu erwähnen, wo vom timor Domini 79 80

81 82

83

cf. De nat. et dignit. amoris 17, ed. D A V Y , Paris 1953, S. 92. Absque his (seil, affectionibus) non subsistit humana anima (de Div. s. 50, 2). s. auch in Quadrag. s. 6 u. in Ps. Qui habitat s. 14, 10. vgl. G R E G O R D. G R . über die Berufung des Petrus und Andreas: Ad vocem dominicam uterque iste piscator quid aut quantum dimisit, qui paene nihil habuit? Sed in hac r e . . . affectum debemus potius pensare quam censum. Multum reliquit, qui sibi nihil retinuit (Horn, in Ευ. I, 5, 2; MPL 76, 1093 B). De Grad. Hum. et Sup. 6, 19 wird der affectus, quo aliis miseremur, erwähnt. Einen Mahnbrief (Ep. 185) beginnt der Abt: Salutem tibi, vir illustrissime, etsi non scribo, opto tarnen. Optare quis prohibet? Affectui nec leges imperant, nec prineipes dominantur. Liber est, et maxime si spiritu ducitur.

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Partes oder functiones animae?

sanctus, et sanctus amor gesprochen wird: His perfecte affecta anima, veluti quibusdam duobus brachiis suis comprehendit, amplectitur, stringit, tenet. Jedoch ist auch hier Bernhards Terminologie nicht immer einheitlich. De Dil. Deo 10, 28 und in Dom. infra Oct. Assumpt. Β. Μ. V. s. η. 1 steht für das im allgemeinen mit affectus Bezeichnete affectio. Anderseits findet man i. c. c. s. 67, 3 den Begriff affectus in einer Bedeutung, die dem gewöhnlichen von affectio entspricht: Habent suas voces affectus, per quas se, etiam cum nolunt, produnt: timor, verbi causa, meticulosas, dolor gemebundas, amor iucundas. I. c. c. s. 9, 10 ist vom affectus carnalis die Rede84. Mit der Tradition nennt Bernhard vier Grundaffekte: Sunt autem affectiones istae quatuor notissimae85, amor et laetitia, timor et tristitia (de Div. s. 50, 2). Dieselbe Aufzählung findet man de Div. s. 74, 4. Reihenfolge und Terminologie der Aufzählung wechseln aber mehrfach. In Capite Jejunii s. 2, 3 heißt es: diligere, metuere, gaudere, contristari; in Ps. Qui habitat s. 14, 9: cupiditas, timor, tristitia, laetitia; i. c. c. s. 85, 5: ira 85 \ metus, cupiditas, gaudium; de Considerat. 5, 4, 9: timere, amare, dolere, gaudere. Der Wechsel in der Terminologie und eine Bemerkung in Festo omn. Sanct. s. 4, 5 (sie et circa concupiscibile, desiderium et contemptus: et circa id quod dicitur iraseibile, et laetitia pariter, et ira versatur) geben die Möglichkeit, die Grundaffekte paarweise zu ordnen und der concupiscibilen (amor bzw. cupiditas und timor bzw. metus) wie der irascibilen (tristitia bzw. ira bzw. dolere und laetitia bzw. gaudium) Seelenkraft zuzuweisen86. Bei der Behandlung der Grundaffekte gebraucht Bernhard mehrfach das bis auf Piaton zurückreichende Bild vom Viergespann. Lediglich erwähnt wird der vierspännige Wagen de Div. s. 84

85

Anders als an der schon zitierten Stelle de Dil. Deo 11, 32 heißt es ibd. 11, 30, daß die verklärten Seelen einem naturalis affectus nach ihrem Leib unterliegen. Notae sunt: non opus est nominare (de Dil. Deo 8, 23). S. STELZENBERGER, a. a. O. S. 63 u. K a p . VII. F ü r Augustinus s. MAUSBACH, α. α. Ο. I. S. 216.

85a 86

Nimirum affectio naturalis ira hominum est (in Ps. Qui habitat s. 13, 5). Die Grundeffekte haben Bedeutung vor allem für die irdische Existenz des Menschen. Sie sind die Reaktion auf das ihm im Leben Begegnende. Nach in Ps. Qui habitat s. 14 symbolisieren von den in Ps. 90, 13 genannten Tieren die Schlange die leibliche Not, auf die der Mensch mit Traurigkeit; der Drache die Habgier, auf die der Mensch mit Begierlichkeit; der Basilisk den eitlen Ruhm, auf den der Mensch mit Freude; der Löwe die äußeren Nöte und Gefahren, auf die der Mensch mit Furcht reagiert. Uber die Bedeutung der Affekte im verklärten Zustand wird später gesprochen werden.

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Die Seele

22, 1. De Div. s. 72, 4 sind die affectiones notissimae die Räder des Wagens, i. c. c. s. 85, 5 werden sie currus animi genannt, während die Seele der bonus auriga ist87. Bei der großen Bedeutung 88 , die Bernhard dem affektiven Leben beimißt, darf man von ihm noch manche wertvolle Einsicht zu diesem Thema erwarten. Er weiß um die Schwierigkeit, das Begehrungsvermögen zu beherrschen: Sunt enim in anima motus quidam utrorumque desideriorum (seil, concupiscentiae carnis et concupiscentiae gloriae temporalis), quos nec ratione, nec viribus exstinguere possum, quamdiu sum in hoc saeculo nequam, et in corpore mortis teneor alligatus (in Festo omn. Sanct. s. 1, 13). Nach de Div. s. 15, 1 hält uns die Begierlichkeit wie ein Vogelleim am Irdischen fest 8 '. Da das affektive Leben so weitgehend unserer Gewalt entzogen ist, kann die Caritas in affectu nicht wie die Caritas in actu Inhalt des den Menschen von Gott auferlegten Liebesgebotes sein90. Bernhard ist nur bereit zuzugestehen, daß Gott die Caritas in affectu insofern zum Inhalt des Gebotes gemacht habe, als er dem Menschen seine auf Erden unaufhebbare Unvollkommenheit immer wieder zum Bewußtsein bringen wolle (cf. i. c. c. s. 50, 1—2)βι. Nicht der Herrschaft unterworfene, ungeordnete Affekte machen sich als perturbationes (de Div. s. 50, 3) oder als passio (i. c. c. s. 49, 8) bemerkbar. Bernhard weiß um den ardor desiderii (i.c.c.s. 31, 4), der dadurch, daß man ihm den geliebten Gegenstand entzieht, nur noch gesteigert wird, subtractio nempe rei quam amas augmentatio desiderii est, et quod ardentius desideras, cares aegrius (i.c.c.s. 51, l)"2. Daher 87

Eine eigenartige Verwendung des Bildes vom Viergespann de Considerat. 5,13,27. Gott ist longitudo, latitudo, sublimitas, et profundum. Der Mensch muß diese Unterscheidungen vornehmen, da er Gott in seiner wesenhaften Einfachheit nicht erfassen kann. Et quia adhuc in quaerendo res est, interim ascendamus quadrigam istam, utpote infirmi et imbecilles, indigentes tali vehiculo, si forte vel sie apprehendamus, in quo apprehensi sumus, id est, huius ipsius vehiculi rationem. 88 „Belege dafür anzuführen, daß nach dem Heiligen das ganze religiöse Leben, das irdische wie das himmlische, einen affektiven Charakter hat, erscheint fast überflüssig" ( S C H U C K , a.a. O. S . 5 8 ) . 89 Porro quod dixi, voluntatem suspensam teneat, aut voluntatem suam divinae subjiciat voluntati; non de concupiscentiis desideriorum, non de affectionibus dico. Illud enim impossibile est, dum adhuc in hoc peccati corpore, in hoc corpore mortis anima detineatur (de Div. s. 26, 4). 80 s. auch de Dil. Deo 10, 29. " Während H I E R O N Y M U S hinsichtlich des Liebesgebotes sagt: Sciendum est ergo Christum non impossibilia praeeipere, sed perfecta (Lib. 1 Comm. in Cap. 5 Matth.; MPL 26, 42 B), sagt Bernhard: Ergo mandando impossibilia, non praevaricatores homines fecit, sed humiles (i. c. c. s. 50, 2). 92 Nach dem Tod seines Bruders Gerhard sagt Bernhard in der Totenrede (i. c. c. s. 26) auf ihn: Quousque enim dissimulo, et ignis, quem intra meip-

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Partes oder functiones animae?

ist es selbstverständlich, daß man die Affekte nicht einfach ungezügelt sich auswirken lassen darf, sie müssen gereinigt93 werden, quod sermo non explicat, . . . puritas assequatur (de Considerat. 5, 3, 5). Ad tertium (gradum contemplationis) puritas rapit, qua ad invisibilia sublevamur (de Grad. Hum. et Sup. 6, 19). Mit dieser Reinigung der Affekte muß eine Konzentration der Seele zusammengehen, damit das Suchen sich nicht ins Uferlose verliere: Quid si totam se colligat anima, et reductis affectibus, e cunctis locis, quibus captivi tenentur, timendo quae non oportet, amando quae non decet, dolendo vane, gaudendo vanius, cum his ineat tota libertate volatum, pulset impetu spiritus, et in pinguedine gratiae illabatur? (de Considerat. 5, 4, 9)M.

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sum abscondo, triste pectus adurit, interiora depascitur? Clausus latius serpit, saevit a c r i u s . . . At suppressus dolor altius introrsum radicavit, eo, ut sentio, acerbior factus, quo non est exire permissus. Fateor, victus sum. Exeat, necesse est, foras quod intus patior (n. 3). ORIGENES: Non enim ipsos naturales animae motus evertere atque exterminare praecipitur, sed expurgare, id est sordes et immunditias, quae eis ex nostra negligentia advenerunt, purgare atque depellere, ut naturalis eius vigor propriae atque ingenitae virtutis effulgeat (Horn. 22, 4 in Jes. Nav.; MPG 12, 933 A). Trotz der Verwendung der stoischen Lehre von den Grundaffekten, trotz der zitierten Bemerkung über die reducti affectus und der in Anm. 17 zitierten Stelle i. c. c. s. 21, 6 über die inviolabilis et inconcussa constantis animi aequalitas (cf. Basilius d. Gr. in Kap. III, Anm. 23) liegt Bernhard jeder Gedanke an eine stoische Apathie fern. De Div. s. 12, 3 wird gesagt, daß der Mensch gegenüber seiner irdischen Existenz als einem exsilium nicht insensibilis werden solle. Die Stelle i. c. c. s. 10, 1 (materni affectus compassionis et congratulationis) wurde schon erwähnt. Hier und in Dom. infra Oct. Assumpt. B.M.V. s. n. 15 beruft der Abt sich ausdrücklich auf Paulus (Paulum inter maxima gentium crimina memorantem, quod sine affectione fuissent). Maria ist als Martyrin zu preisen, in qua nimirum corporeae sensum passionis excesserit compassionis affectus (ibd. n. 14). In Dom. Palm. s. 3, 5 heißt es von Christus, daß er den ganzen Menschen durch seine Ganzhingabe erlöst habe: corpus exponens tantis suppliciis et iniuriis, animum vero geminae cuiusdam humanissimae compassionis affectui. Besonders wichtig erscheint i. c. c. s. 26. N. 3 zählt Bernhard die Gründe auf, mit denen er zunächst den Schmerz über den Tod seines Bruders Gerhard niederzuhalten versucht hatte (reluctabar affectui): addictio naturae, universitatis debitum, usus conditionis, iussus potentis, iudicium iusti, flagellum terribilis, voluntas Domini. N. 8 heißt es aber dann: Non culpamus affectum, nisi cum excedit modum . . . Ille nimirum naturae est. Gewissermaßen als Kommentar zu Bernhards Totenrede auf Gerhard kann man eine Stelle aus POHLENZ (α. α. Ο. S. 433) auffassen: „Da die Affekte zur Natur des seelisch-leiblichen Organismus gehören, folgt für Gregor wie Plato, daß sie während des irdischen Lebens nicht auszurotten sind, sondern unter der Leitung des Geistes diesem sogar, wie dies auch die Hl. Schrift schildert, wertvolle Helfer bei seinen religiös-sittlichen Aufgaben sein können. Ebenso urteilen die an-

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Die Seele So w i r d der Mensch d e n höchsten A f f e k t erreichen können, die reine, selbstlose Liebe. Oportet proinde i n e u m d e m nos a f f e c t u m q u a n d o c u n q u e transire: u t q u o m o d o D e u s o m n i a esse v o l u i t propter s e m e t i p s u m , sie nos q u o q u e n e c nosipsos, nec aliud aliquid fuisse, v e l esse velimus, nisi a e q u e propter ipsum, ob s o l a m videlicet ipsius v o luntatem, n o n nostram v o l u p t a t e m (de Dil. Deo 10, 28). D i e s e Liebe schildert Bernhard m i t B e z u g auf Matth. 22, 37 i. c. c. s. 20, 4, w o b e i m a n die i m L i e b e s g e b o t e n t h a l t e n e D r e i t e i l u n g m i t B e r n h a r d auf die hier zur Diskussion s t e h e n d e n S e e l e n k r ä f t e b e z i e h e n kann: Mihi videtur, si alius competentior sensus i n hac trina distinetione n o n occurrit, amor q u i d e m cordis ad z e l u m q u e m d a m pertinere affectionis, a n i m a e v e r o amor ad industriam s e u j u d i c i u m rationis, virtutis a u t e m dilectio ad animi posse referri constantiam vel vigorem 9 5 . Bezeichnend für d e n Z u s a m m e n h a n g ist, daß B e r n h a r d das a f f e k t i v e Suchen nach d e m höchsten Wert sehr ausgeprägt als ein deren Christen, und namentlich bei Todesfällen sprechen sie oft im Anschluß an die antike Trostliteratur ausdrücklich aus, daß dem Christen nicht die Unempflndlichkeit gegen das Leid, sondern nur das Maßhalten im Schmerz anstehe; habe doch sogar Jesus am Grabe des Lazarus Tränen vergossen". In der Patristik ist die Stellungnahme zur stoischen Apathielehre nicht einheitlich. Sie wird abgelehnt und, vor allem in Mönchskreisen, bejaht (s. P O H L E N Z , a. a. O. S. 4 3 3 f. und S T E L Z E N B E R G E R , a. a. O. S. 262

ff.;

M E R K I , α . α . Ο . S . 4 9 , 9 9 f . , 1 2 0 ) . A U G U S T I N U S ( d e Civ.

Dei

9, 4)

und

(S. Th. 1 , 2 qu. 2 4 a. 2 ) haben einen Ausgleich zwischen der stoischen und platonisch-aristotelischen Lehre von den Affekten versucht. Wenn Bernhard unter Berufung auf Paulus die Gefühllosigkeit für ein heidnisches Verbrechen hält, nimmt er genau die Position A U G U S T I N S ein: Pereant argumenta philosophorum, qui negant in sapientem cadere perturbationes animorum (Tract. 6 0 , 3 in Joann.; MPL 3 5 , 1 7 9 8 ) . S. auch THOMAS

M A U S B A C H , α. α. Ο . I . 2 1 6 f . u n d S T E L Z E N B E R G E R , a. a. O.

95

S . 2 6 7 f . De

Civ.

Dei

14, 9 hat man die Vorlage f ü r Bernhards Berufung auf Paulus im Anschluß an Rom. 1, 31. In Anm. 86 wurde die Frage nach der Bedeutung der Grundaffekte für die übernatürliche Liebe hier auf Erden und im Verklärungszustand aufgeworfen. Für die Nächstenliebe heißt es allgemein i. c. c. s. 44, 4, daß sie ex intimis humanis affectibus entsteht, de insita homini ad seipsum natural! quadam dulcedine, daß sie dem Nächsten mitteilt, quod sibi anima naturaliter appetit. De Considerat. 5, 14, 30 wurde schon zitiert, wo der timor sanetus und der amor sanetus die Arme der übernatürlichen Liebe genannt sind. Nach de Dil. Deo 14, 38 ist die übernatürliche Liebe nicht ohne cupiditas (numquam sine cupiditate, sed ordinata) und timor (timori permista devotio ipsum non annullat, sed castificat). Auch die Affekte des irascibilen Seelenvermögens bleiben bestehen als delectatio ineffabilis (cf. i. c. c. s. 19, 2), als voluptas interna (de Convers. ad Cleric. 13, 25), als inebrietas ab ubertate domus Dei (cf. de Dil. Deo 15, 39), als gaudium spirituale (cf. i. c. c. s. 71, 5); als zelum affectionis (cf. i.c.c.s. 20, 4), als zelum rectitudinis (in Temp. Resurrect, s. 2, 4).

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Partes oder functiones animae?

ästhetisches Erleben schildert; der Gedanke der Schönheit spielt eine große Rolle. Ipsas quoque angelicas fastidio species. Quippe et ipsos longe superat Jesus meus specie sua et pulchritudine sua (i. c. c. s. 2, 2). Quanta enumeravimus animae bona, dona Verbi, voluntatem bonam, scientiam, virtutem, sapientiam! Et nihil horum Verbum rex concupiscere legitur, sed tantum: Concupiscet, inquit, rex decorem tuum (i. c. c. s 85, 10). Auch wäre über das Suchen und Sehnen der Seele noch zu sagen, daß es nie ein Ende nehmen wird, auch in der ewigen Seligkeit nicht. Nur daß da das Suchen und Verlangen in Freude geschieht, während hier die Sehnsucht voller Schmerzen ist. Mit der Feststellung, daß das Suchen nie ein Ende hat, bringt Bernhard sehr klar zum Ausdruck, daß das, was hier zur Darstellung gebracht wurde, für ihn zum unzerstörbaren Wesen des Menschen gehört. Quaerite, inquit, faciem eius semper (Ps. 104, 4). Existimo quia, nec cum inventus fuerit, cessabitur a quaerendo. Non pedum passibus, sed desideriis quaeritur Deus. Et utique non extundit desiderium sanctum felix inventio, sed extendit. Numquid consummatio gaudii, desiderii consumptio est? Oleum magis est illi: nam ipsum flamma. Sic est. Adimplebitur laetitia; sed desiderii non erit finis, ac per hoc nec quaerendi. Tu vero cogita, si potes, quaeritandi hoc Studium sine indigentia, et desiderium sine anxietate: alterum profecto praesentia, alterum copia excludit (i. c. c. s. 84, 1)9β. Im Zusammenspiel des rationalen und affektiven Lebens scheint Bernhard das Geheimnis des menschlichen Seelenlebens gesehen zu haben. Durch die Wirkung, die von den aus dem concupiscibilen und irascibilen Seelenvermögen erwachsenden Affekten ausgeht, erhält während der irdischen Existenz das Seelenleben sein eigentlich menschliches Gepräge und unterscheidet es sich vom Leben Gottes und der Engel. Solange der Mensch auf dieser Erde lebt, hat er mit dem Zwiespalt zwischen dem rationalen und dem affektiven Teil seiner Seele zu kämpfen. Mag die ratio auch über Himmel und Hölle zu einem richtigen Werturteil gekommen sein, accedit sane ad cumulum infelicitatis, salutis impedimentum, occasionem perditionis nostrae, quod in aestimatione quidem finis 86

Das nie endende Suchen Gottes, das durch jedes Finden nur neu entflammt wird, ist ein häufiges Thema der christlichen Literatur. Vgl. ORIGENES, Comm. (MPG

in Ps. 70, 14; GREGOR V. NYSSA, Horn, in Cant.

Cant. I

44, 778 C), V (44, 875 C), V I (44, 891 A ) , V I I I (44, 939 DIL.); MAXIMUS

CONF. in LOOSEN, a.a.O.

S. 33; AUGUSTINUS, Tract. 63, 1 in Joann.

MAUSBACH, α. α. Ο. I. S . 64 u . 74; f ü r LEO MAGNUS s. S. 9 de

Nat.

u. bei

Dmni

u.

s. 11 de Pass. Dmni; GREGOR D. GR., Horn. 25 in Ev.; WILHELM V. ST. THIERRY, De contempl. Deo 6, ed. HOURLIER, Paris 1959, S. 78. Für Bernhard s. noch de Dil. Deo 7, 22.

105

Die Seele

utriusque affectio nostra iudicio non consentit; sed in consideratione viarum ne ipsum quidem satis tenemus iudicium veritatis (de Div. s. I l l , 1). Der Mensch muß lernen, zwischen den beiden Schichten seiner Seele Einheit und Harmonie herzustellen: At vero cum iam proficere coeperit anima, et affectione sequi iudicium rationis . . . (de Div. s. 39, 3). Je mehr Fortschritte der Mensch darin macht, um so mehr gleicht er sein Leben schon hier auf Erden dem Leben der Engel an, von dem es in Festo S. Mart. Episc. s. n. 7 heißt: Sentiunt quidem angeli, sed delectabilia sola; oboedientes equidem Creatori, sed tarn felici quam facili voluntate. Quidni oboediant? Semper enim vident faciem Patris, quem videre perfecta beatitudo, aeterna gloria, summa voluptas est. Die Einheit und Harmonie zwischen Geist und Affekt wären gewissermaßen eine Vorwegnahme des ewigen Lebens: Quid enim esset aliud quam vita aeterna, tota affectione divinam in omnibus sequi voluntatem (de Div. s. 26, 4)er. Intellectus und affectus (saepius sibi invicem adversantes), die principalia cordis ipsius membra (cf. in Asc. Dmni s. 5, 5) müssen gereinigt werden (cf. ibd. s. 3, 2). Die Apostelfürsten werden gepriesen, da sie dulces, potentes, sapientes waren: Dulces, ut me blande et misericorditer susciperent: potentes, ut fortiter protegerent; sapientes, ut ad viam, et per viam ducerent quae ducit ad civitatem (in Festo SS. Petri et Pauli App. s. 1, 2). Zuletzt sei noch auf in Festo S. Michael, s. 2 hingewiesen, wo das Seelenleben als voluntas und desiderium dargestellt wird98. Indem Bernhard die Bedeutung der Affekte für den Menschen stark hervorhebt, erhält sein Menschenbild einen dynamischen Charakter. Diese Dynamik eignet aber nicht nur dem Menschen, sondern ist jedem geistigen Sein, selbst Gott, wesentlich". Nach in Vig. Nat. Dmni s. 2, 7 ist die gesamte geistige Welt — Seelen, Engel, Gott — von Sehnsucht und Verlangen erfüllt: Non soli 97

88

98

Vgl. A U G U S T I N U S , de Gen. c. Man. 1 , 3 1 ; MPL 3 4 , 1 8 8 : Haec est hominis vita beata atque tranquilla, cum omnes motus eius rationi veritatique consentiunt et vocantur gaudia, et amores sancti et casti et boni. A U G U S T I N U S hat über die Harmonie zwischen geistigem und affektivem Leben ähnlich wie Bernhard gedacht: Trahitur animus et amore. Nec timere debemus, ne ab hominibus . . . dicatur nobis: Quomodo voluntate credo, si trahor? Ego dico: Parum est voluntate; etiam voluptate traheris . . . Trahit sua quemque voluptas; non necessitas, sed voluptas; non obligatio, sed delectatio . . Da amantem, et sentit quod dico; da desiderantem, da esurientem, . . . et seit, quid dicam (Tract. 26, 4 in Joann.; MPL 35, 1608). O R I G E N E S : Quae est ista quam pro nobis passus est passio? Charitas est passio. Pater quoque ipse et Deus universitatis, longanimis et multum misericors et miserator, nonne quodammodo patitur? (Horn. 6, 6 in Ezech.; MPG 13, 714 D—715 A).

106

Partes oder functiones anirnae?

angeli, sed et ipse angelorum vos Creator exspectat . . . Exspectat vos Pater et desiderat, non solum propter nimiam caritatem suam qua dilexit vos . . . ; sed propter semetipsum... Nam de Filio quis nesciat quantum desideret fructum nativitatis . . . Exspectat nos et Spiritus Sanctus. Die Stelle i. c. c. s. 85, 10, nach der das Verbum Divinum die von ihm selbst schön gestaltete Seele begehrt, wurde schon zitiert. I. c. c.s. 71 wird die Freude Christi, die er selbst im Umgang mit den Menschen erfährt, geschildert: Ita ergo et cum pascitur pascit, et pascitur cum pascit, simul nos suo gaudio spirituali reficiens, et de nostro aeque spirituali provectu gaudens (n. 5). Wie von der Sehnsucht und Freude Gottes an den Menschen spricht Bernhard aber auch von Gottes Zorn, Grollen und Unwillen (indignatio — de Div. s. 5, 4; ira et indignatio — de Div. s. 27, 6; ira — i. c. c. s. 42, 4). Wie für Augustinus100 sind diese Regungen ein Zeichen für Gottes Interesse am Menschen — es wäre der Beweis dafür, daß Gott einen Menschen aufgegeben hat, wenn er ihm nicht mehr zürnt: Si ergo te zelus deseruit et amor, nec eris amore dignus, qui indignus castigatione censeris. Vides quia tunc magis irascitur Deus, cum non irascitur (i.e. c.s. 42, 4). Ipsa indignatio non aliunde quam de misericordia est (de Div. s. 5, 4). So wäre Bernhard in die Reihe derer einzuordnen, über die E. Brunner zusammenfassend schreibt: „Piaton war es, der in seinem ,Gastmahl' die Welt der Ideen, des Wahren, Schönen und Guten durch den als Sehnsucht nach dem Vollkommenen verstandenen Eros mit der seelischen Dynamis verband. Die neuplatonische Weiterbildung des platonischen Eros zum mystischen Prinzip, zum Vergottungsstreben der Seele, zum Trieb der Identifikation der Seele mit dem All war die Voraussetzung für die folgenschwere Synthese von christlicher Liebe und platonischem Eros, die mit Augustin begann und als sogenannte christliche Mystik das Mittelalter beherrschte. Wenn die Freudsche Psychoanalyse im Blick auf diese Mystik die Religion als sublimierte Erotik bezeichnet, so ist das eine zwar vergröberte, aber an sich richtige Beobachtung"101. Im Hinblick auf Bernhard, den Vater der abendländischen Mystik, können diese Ausführungen Brunners nicht ohne Widerspruch bleiben. Zur Frage des Pantheismus wurde schon im 1. Abschnitt dieses Kapitels (mit Anm. 30) Stellung genommen. Zur Stützung der Behauptung, daß Bernhard jedem Pantheismus fernstehe, seien noch zwei Stellen angeführt. De Considerat. 5, 6, 14 heißt es: Ex quo omnia creabiliter, non seminabiliter. De Dil. Deo findet man 100

101

Cf. Enarr. in Ps. 65, 16; MPL 36, 797: Quoniam Pater est, numquam sie saevit ut perdat. Quando male vivis, si parcit, plus irascitur. BRUNNER, Eros und Liebe, Hamburg 1952, S. 7 f.

107

Die Seele

folgende Unterscheidung: Dicitur ergo recte et Caritas, et Deus, et Dei donum. Itaque Caritas dat caritatem, substantiva accidentalem. Ubi dantem significat, nomen substantiae est: ubi donum, qualitatis (12, 35). Die Bedeutung des Neuplatonismus für die Ausbildung der christlichen Theologie ist bekannt102. Es geht aber nicht an, neuplatonische und christliche Lehre von der Ekstase und Deificatio so in eins zu setzen, wie Brunner es tut. Lossky103 hat die Unterschiede zwischen dem Neuplatonismus und dem Christentum in diesem Punkt in überzeugender Weise dargestellt. Die christliche Theologie hat sich zu allen Zeiten gegen diejenigen gewehrt, die die von den Kirchenvätern einmal gezogenen Grenzen zu überschreiten wagten. Bernhard würde sich sehr darüber verwundern, wenn man ihm sagen würde, er sei ein Anhänger der neuplatonischen Philosophie. Für ihn ist das, was Brunner „neuplatonische Weiterbildung des Eros zum mystischen Prinzip" und „Voraussetzung f ü r die folgenschwere Synthese von christlicher Liebe und platonischem Eros" nennt, einfach eine selbstverständliche und f ü r jeden Menschen gegebene Tatsache: Excellit in naturae donis affectio haec amoris, praesertim cum ad suum recurrit principium, quod est Deus (i. c. c.s. 7, 2). Der Abt bringt die Selbstverständlichkeit des Strebens zum höchsten Wert an manchen Stellen zum Ausdruck: Adhaerebant ei, affatu pariter et aspectu illius delectati: . . . Talis est quem nos sequimur, cui adhaeremus; totus desiderabilis, in quem non solum populi, sed et ipsi quoque angeli sancti desiderant prospicere. Quid vobis suavius apponemus? (in Festo omn. Sand. s. 1, 4). Sed beati qui lugent, quoniam ipsi consolabuntur. Verum quid aliud est haec consolatio, quam . . . suavissima delectatio boni, et gustus sapientiae, licet exiguus, quibus interim benignus Dominus afflictam refrigerat animam? Sed gustus ille nihil aliud est, quam irritamentum desiderii, et incentivum amoris (ibd. n. 10). Non sum ingrata, sed amo. Accepi, fateor, meritis potiora, sed prorsus inferiora votis. Desiderio feror, non ratione. Ne, quaeso, causemini praesumptionem, ubi affectio urget. Pudor sane reclamat, sed superat amor fi. c. c. s. 9, 2). Id quaerimus quod oculus non vidit, nec auris audivit, nec in cor hominis ascendit. Hoc placet, hoc sapit, hoc delectat inquirere, quodcumque est i l l u d . . . Ut audio, plenitudo quam exspectamus a Deo, non erit nisi de Deo (ibd. 11, 4). Zeijden, der sich mit Nygren und Castren auseinander102

10S

s. dazu R I T T E R , Mundus Intelligibilis, Frankfurt 1937; L I N H A R D T , Die Mystik des hl. Bernhard von Clairvaux, München o. J., S. 19—23, schätzt den Einfluß des Neuplatonismus auf Bernhard sehr hoch ein. a. a. O. S. 38—51.

108

Partes oder functiones animae?

setzt, schreibt: „Al erkennen wij gaarne het specifiek christelijk karakter van de agape, daarmee is voor ons de eros nog niet noodzakelijk onchristelijk, doch veeleer not-niet-christelijk en als naturgegeven voor kerstening vatbaar 104 . Wat er van de neoplatonische eros overblijft, is alleen het algemeen menselijk verlangen naar volmaakt geluk, door God zelf in's mensen natuur gelegd"105. Welche Veranlassung hat die christliche Theologie, sich zu sträuben anzuerkennen, daß die antike Philosophie die jeden Menschen angehende Frage nach dem Heil und der Rettung seiner Existenz gestellt hat, die Frage, auf die Antwort zu geben, Inhalt der Heilsbotschaft des Christentums ist? St. Paulus hat in Athen eine sehr eindeutige Position bezogen: „Was ihr da verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch" (Apg. 17, 23). So kann nur jemand sprechen, der wenigstens die Frage des Menschen ernst nimmt. H. U. v. Balthasar schreibt: „Der Protestantismus wird nicht müde, den Eros der Antike, der ins Mysterium des Seins drängt, zu diskreditieren und ihm die göttliche absteigende Agape entgegenzustellen. Er kann dies nur insoweit tun, als ihn die Frage des Seins alles Seienden nicht bedrängt, und das Sein ihm als ein bloßer Begriff erscheint. Darin aber ist er nur die unverständige Negation einer ebenso unverständigen Position, die bei allen aufgeworfenen Schulfragen nur die eine vergessen hat, an der sich alles vorausentscheidet106. Löst man (protestantisch) den Offenbarungsgehalt von dieser Schematik, dann wird die historische Offenbarung zu etwas rein oder vorwiegend ,Positivem', das der Mensch sich etwa so aneignen muß, wie ein Schüler einen ihm fremden Wissensstoff"107. Zwischen Eros und Agape muß nicht der ausschließende Gegensatz herrschen, sondern es kann, wie Zeijden108 schreibt, eine geheimnisvolle Wechselwirkung bestehen. „Daarom is de mens dan het best, als hij met heel zijn levensdrang opgaat tot het onveranderlijk leven en met heel zijn affect God aanhangt" 109 . Dieses Verbundensein mit Gott wird Wirklichkeit auf der vierten und höchsten Stufe der Liebe, auf der der Mensch sich nicht mehr liebt, es sei denn um Gottes willen. Der Eros ist in der Agape aufgehoben und zur Vollendung gekommen. Quia carnales sumus, et de carnis 104 105 106 107 108 109

a. a. O. S. 183. a.a.O. S. 194; s. auch 204. in Sponsa Verbi, S. 359. in Sponsa Verbi, S. 365. cf. a. a. O. S. 190. v . D. Z E I J D E N , a. a. O.

S.

191.

109

Die Seele

concupiscentia nascimur, necesse est ut cupiditas vel amor noster a carne incipiat; quae si recto ordine dirigitur, quibusdam suis gradibus duce gratia proficiens, spiritu tandem consummabitur (de Dil. Deo 15, 39). Von der affectio, quam caro gignit, über die affectio, quam ratio regit, wird die Liebe zur affectio, quam condit sapientia, geläutert (cf. i. c. c. s. 50, 4). Vom amor carnalis steigt der Mensch zur Caritas superabundans auf, die das Böse durch das Gute überwindet (cf. in Feria V Hebd. Sanct. s. n. 9). Die Seele wächst durch die Liebe, und ihre Größe (quantitas cuiusque animae) läßt sich messen nach dem Maße der Liebe (mensura caritatis), die von der Liebe der Heiden, mit der sie diejenigen lieben, von denen sie geliebt werden, zur Feindesliebe sich weiten kann110 (cf. i. c. c. s. 27, 10—11). >

Es bleibt noch ein Wort zu sagen zu Brunners Hinweis auf Freud und zu den Behauptungen, im Hinblick auf die mittelalterliche Mystik sei die Charakterisierung der Religion als sublimierter Erotik eine an sich richtige Beobachtung. Es ist doch wohl ein arges Mißverständnis, die Seinslehre Piatons und des Neuplatonismus mit der Psychoanalyse in Verbindung zu bringen. Und ein ebenso großes Mißverständnis ist es, den ontologischen und anthropologischen Symbolismus des Mittelalters psychoanalytisch zu untersuchen. „Darum ist es methodisch falsch, die Brautmystik psychoanalytisch erklären zu wollen. Die höchste Form irdischer Liebe wird hier zum Gleichnis der göttlichen, wie im Hohen Liede selbst, und gerade f ü r Augustinus besteht hier ein echter Symbolzusammenhang" 111 . Brunner und viele andere hätten die Mahnung beherzigen sollen, die F. Schlegel schon 1819 niederschrieb: „Wie die salomonischen Gleichnisse und Bilder sich alle auf die mit Gott in Liebe vereinigte Seele oder auf die vierte Stufe der Liebe beziehen, ist schon erinnert und ist auch von den ältesten Zeiten in der Kirche immer so verstanden worden, wie es wirklich gemeint und zu verstehen ist; worüber selbst dem bloßen Philologen jeder Zweifel verschwinden muß, sobald er nur alles Salomonische im Zusammenhang betrachtet und in diesem Zusammenhang des Ganzen erklären will"112. 110

cf. ORIGENES: Mala enim opera malum in seipso angustiant. Charitas Dei animabus hominum indit latitudinem (Comm. in Ps. 118, 45; MPG 12, 1596 C). AUGUSTINUS, Enarr. in Ps. 30, II, 2, 2; MPL 36, 240: Quaerimus unde sit ista tribulatio, quoniam liberatus paulo ante gaudere videbatur, iustitia quadam infusa sibi largiter dono Dei, et inde facto spatio pedibus suis in latitudine caritatis.

111

P. WOLFF in Hugo υ. St. Viktor, a. a. O. S. 113. Theologia empirica, in Schriften und Fragmente,

1,2

110

Stuttgart 1956, S. 271.

Partes oder functiones animae?

c) Ratio, voluntas, memoria. Es bleibt noch die Schicht der Seele zu besprechen, der gemäß Bernhards trichotomistischer Menschenauffassung der höchste Rang zukommt. Zur Hervorhebung der Würde dieses Bereiches der Seele hat der Abt sich verschiedener Ausdrücke bedient. I. c. c. s. 30, 9 findet man eine gedrängte Fülle von Ausdrücken; da ist vom suum, vom principale ac supremum sui, vom excellentius quod in me est die Rede. In Adv. Omni s. 5, 2 werden die viscera quaedam animae genannt, die Gott nach in Ps. Qui habitat s. 15, 3 durch eine intima custodia selbst schützen muß; denn während der Mensch die Sorge um die äußeren Angelegenheiten selbst übernehmen kann und den Engeln die Wache über die secretiores motus übertragen ist, vermag allein Gott in die secretissima intentio des Menschen einzudringen. An Augustinus 113 erinnernde Gedanken liegen i. c. c. s. 74, 5 vor. Bernhard spricht von der mystischen Vereinigung mit dem Verbum Dei und stellt die Frage, auf welchem Weg es zur Seele kommt. Jegliche sinnliche Wahrnehmung versagt, neque enim est unum aliquid ex his quae foris sunt. Steigt aber der Mensch zum superius suum hinauf oder zum inferius suum hinab, so findet er das Verbum über der höchsten Spitze seines Wesens oder tiefer als seine eigene innerste Tiefe. Nach in Asc. Omni s. 4, 13 vermag der Mensch in der Nachfolge des gekreuzigten Herrn fastigio mentis über die ganze Welt und sich selbst hinauszuragen. De Grad. Hum. et Sup. 3, 6, und 6, 19 wird von der acies cordis, i. c. c. s. 62, 7 von der acies mentis gesprochen114. Als Kräfte der obersten Seelenschicht sind ratio, voluntas und memoria zu nennen. Es muß aber beachtet werden, ob Bernhard auf die christologische oder auf die trinitarische Struktur der Seele hinweisen will115. Im ersten Falle kommen nur ratio und voluntas zur Erwähnung. So sind die ss. in Rog. n. 2; in Asc. Omni 3; in Dom. I Nov. 4 u. 5; i. c. c. s. 85, 7 ff. auf der Grundlage der christologischen Strukturordnung der Seele aufgebaut11". Oft weist Bernhard im Anschluß an Augustinus auf die trinitarische Struktur der Seele hin. Tria proposuit Christus... animae rationali ad imaginem Trinitatis factae (de Div. s. 63). Aus den ss. de Div. ist in diesem 1,3

c f . GILSON-BÖHNER, a. a. O. S . 191.

114

Bei DEMPF, Ethik des MA, S. 76 wird der Begriff acies mentis als das „transempirische Sein der Seele, dieser jenseits unserer sinnlich-geistigen Vorstellungswelt und der ordnenden und urteilenden diskursiven Tätigkeiten des Geistes liegende Grund der Seele" bestimmt. Von diesem Unterschied wurde schon im I. Kap., 2. Abschnitt, gesprochen. Die Stellenangaben bei KAHLES, a. a. O. S. 133 Anm. 105 sind nicht immer genau.

115 116

III

Die Seele

Zusammenhang 32, 2 zu nennen: Nam cogitatio in memoria est, affectio in voluntate, intentio in ratione consistit. Ferner 45, 1: (anima) quae in eo praefert vestigium quoddam illius summae Trinitatis, quod ex memoria, ratione et voluntate consistat. Auch die folgende Bemerkung aus 42, 1 muß auf die trinitarische Struktur zurückgeführt werden: quia (anima) et intelligit quae diligit, et commendat memoriae quae elegit. Während de Convers. ad Cleric. 6, 11; in Die S. Pasch, s. n. 11 und in Dedic. Eccl. s. 2, 3 die augustinische Einteilung der höheren Seelenkräfte nur erwähnt wird, ist in Festo Pentec. s. 1, 5—6 das Wirken des Heiligen Geistes in ihnen, i.c.c.s. 11, 5—6 wie in der im I. Kap. zitierten Stelle de Grad. Hum. et Sup. 7, 21 das Wirken des Dreifaltigen Gottes näher beschrieben117. (1) Die memoria. Möglicherweise durch die Bedeutung, die bei Bernhard die christologische Strukturordnung der höchsten Seelenschicht hat, in der die memoria nicht aufgezählt wird, haben sich Gilson118 und Ries118 dazu verleiten lassen, einer Lehre von der memoria bei Bernhard nur eine geringe Bedeutung zuzumessen. Diese Ansicht bedarf jedoch einer gewissen Korrektur. Der Mensch unterliegt, solange er nicht mit der Auferstehung des Fleisches die volle Glückseligkeit erlangt hat, dem Gesetz der Zeitlichkeit. Er muß seine Vergangenheit, seine Gegenwart, seine Zukunft bewältigen. Es ist Zeichen der Verderbnis des Menschen, ein cor durum zu haben, praeteritorum obliviscens, praesentia negligens, futura non providens (de Considerat. 1, 2, 3). Anderseits vermag der Mensch in der Zeitlichkeit, der er unterliegt, ein Ab117

Es ist nicht ohne Interesse, Bernhards trinitarische Formulierungen mit denen Abaelards zu vergleichen. De Div. s. 45,1: Beata illa et sempiterna trinitas, Pater et Filius et Spiritus sanctus, unus Deus scilicet, summa potentia, summa sapientia, summa benignitas... I. c. c. s. 11, 6: Primum illud faciet Veritas Deus, secundum Caritas Deus, tertium summa potestas D e u s . . . Videritis vos, rectene primum illud F.ilio, Spiritui Sancto sequens, Patri ultimum assignetis . . . Bei A B A E L A R D , Theologia Summt Boni heißt es: In his autem tribus, potentia scilicet, sapientia, benignitate, tota boni perfectio consistit, ac parvipendendum est quodlibet horum sine duobus aliis (ed. O S T L E N D E R , BGPhMA, Münster 1 9 3 9 , S . 3 ) . Die Appropriation aui die göttlichen Personen ist dieselbe wie bei Bernhard; der Unterschied wird an folgendem Satz Bernhards i. c. c. s. 11, 6 deutlich: Sic tarnen, ut nihil horum vel Patri, vel Filio, vel Spiritui Sancto subtrahatis, ne cui forte personarum aut plenAtudinem minuat distinctio, aut proprietatem tollat perfectio.

118

a. a. O. S. 223 u. 273. a.a.O. S. 149 ff.

118

112

Partes oder functiones animae?

bild der Ewigkeit herzustellen, wenn er die drei Zeiten durch sapientia, intelligentia und Providentia ordnet und bewältigt: Arbitror sane tribus eas assignari posse temporibus, ut aeternitatis quaedam imago reformari videatur in nobis, praesentia moderantibus per sapientiam, praeterita per intelligentiam dijudicantibus, novissima providentibus ad cautelam (in Festo SS. Petri et Pauli s. 2, 7). Ähnlich heißt es in Festo omn. Sand. s. 1, 14: paupertate, mansuetudine, fletu renovatur in anima similitudo quaedam et imago aeternitatis omnia tempora complectentis, dum paupertate futura meretur, mansuetudine sibi praesentia vindicat, luctu poenitentiae praeterita quoque recuperat. Nach in Nat. Β. Μ. V. s. η. 15 soll man die Vergangenheit beichten, f ü r die Gegenwart danken und eifrig für die Zukunft beten. Besonders die memoria bringt dem Menschen die Tatsache seiner der Zeitlichkeit unterliegenden Geschöpflichkeit zum Bewußtsein; in ihr kommt gewissermaßen das Wesen der irdischen Existenz des Menschen zum Ausdruck. Zwar quälen den Menschen die doppelte Furcht vor der Zukunft, um das himmlische Reich betrogen und mit der Hölle bestraft zu werden, und die Furcht vor der Gegenwart, die innere Gnade zu verlieren (cf. de Div. s. 56, 1). Aber vor allem die Erfahrung, daß er hier an Gottes Herrlichkeit nur durch die memoria teilhaben kann, läßt den Menschen den Unterschied seines irdischen Zustandes zu dem erhofften der ewigen Seligkeit erkennen, wo er in der Gegenwart Gottes die Erfüllung finden wird: Memoria ergo in generatione saeculorum, praesentia in regno caelorum. Ex ista glorificatur iam assumpta electio: de ilia interim peregrinans generatio consolatur (de Dil. Deo 3, 10). Si tarn dulcis est memoria, qualis erit praesentia? (de Div. s. 4, l)120. Zum Glück der Seligen gehört vor der Auferstehung des Fleisches die recordatio transactae virtutis (in Festo omn. Sanct. s. 2, 6), während die Qual der Verdammten in der Erinnerung an ihre Schlechtigkeit besteht: Constat immortalem animam esse, nec aliquando absque sua memoria vivere, ne non animam aliquando esse contingat. Itaque durante anima, durat et memoria. Sed qualis? Foeda flagitiis, horrida facinoribus, vanitate tumida, contemptu hispida et wo v g l . a u c h folgende Stellen: Fecundae Virginis amplectitur coelum praesentiam, terra memoriam veneratur. Sic nimirum totius boni illic e x h i bitio, hie recordatio invenitur; ibi satietas, hie tenuis quaedam libatio primitiarum; ibi res, et hic nomen (in, Nat. B.M.V. s. n. 1). Modicum plane memoria ad praesentiam, modicum ad id quod cupimus (ibd. n. 13). Ipsorum enim (seil, sanctorum) substantia ibi est, nostra autem desideria; ipsi per praesentiam, nos per memoriam ibi sumus (in Festo omn. Sanct. s. 5, 5). 8

Hiss

113

Die Seele

neglecta. Quae priora, transierunt, et non transierunt. Transierunt a manu, sed non a mente (de Considerat. 5, 12, 26). Innerhalb der trinitarischen Strukturordnung ist die memoria dem Vater zugeordnet, den Bernhard summa potentia (de Div. s. 45, 1), summa potestas Deus und fons indeficiens (cf. i. c.c.s. 11, 6) nennt. Dieser Zuordnung entspricht die Verderbnis, der die memoria anheimfallen kann: sie unterliegt der Furcht (cf. i. c. c. s. 11, 6), wird impotens et infirma und zerbricht gewissermaßen in drei Stücke, in cogitationes affectuosas, onerosas, otiosas (cf. de Div. s. 45, 1). Durch die Beschäftigung mit solchen Gedanken sammelt sich in der memoria ein Sumpf an (Quidni doleam ventrem memoriae, ubi tanta congesta est putredo? — de Convers. ad Cleric. 3, 4), sie ist foedissima pariter et fetidissima (ibd. 6, 11). Anderseits gewinnt der Mensch aus dem Ruhen der memoria in Gott (memoria fonti indeficienti inhaerens — cf. i. c.c.s. 11, 6) Kraft und Sicherheit: (amplexus Dei et animae) quorum postmodum memoria statim ad se reditura pascatur (de Grad. Hum. et Sup. 7, 21). Wie der Vater innerhalb der Trinität Ursprung und Quellgrund ist, nimmt von der memoria das Handeln des Menschen seinen Ausgang. So beschreibt Bernhard de Div. s. 32, 3—4 den Weg in die Sünde. Er beginnt, si peccatum suggeritur memoriae per cogitationem (n. 3). Der Abt weiß um die Gefahr, die hier dem Menschen droht; denn er spricht von der turba plurimarum cogitationum, quae solent effluere tamquam vilis plebs in atrium (η. 4). Aber auch der geistliche Fortschritt beginnt in der memoria. Der Mensch soll der Wohltaten Gottes eingedenk sein (cf. i. c.c.s. 11, 2), vor allem aber der größten und vorzüglichsten Gottestat (id saltern, quod praecipuum est et maximum, opus videlicet nostrae redemptionis — ibd. n. 3). Am Erlösungswerk soll der Mensch modus und fructus bedenken: Hoc meditari sanctae spei seminarium est, illud summi amoris incentivum. Utrumque profectibus nostris necessarium (ibd.). Nec dubium quin excitet ad laudandum beneficiorum recordatio (i. c. c. s. 10, 7) 121. ist Vgl auch folgende Stellen: Nec tantum lux est nomen Jesu, sed et cibus est. An non toties confortaris, quoties recordaris? Quid aeque mentem cogitantis impinguat? Quid ita exercitatos reparat sensus, virtutes roborat, vegetat mores bonos atque honestos, castas fovet affectiones? (i. c. c. s. 15, 6). Non recedant haec quatuor (seil, beneficia Dei) a corde tuo, non ab ore, non a memoria, non ab affectione. Haec cogita semper, in his iugiter delectare. His velut quibusdam stimulis urgens sollicita animam tuam, his faeibus earn inflammare curato (in Ps. Qui habitat s. 14,3). Vulgo dicitur: Quod non videt oculus, cor non dolet. Oculus meus, memoria mea; et cogitare de sanetis, quodam modo eos videre est. Sic nempe portio nostra in terra viventium, nec modica sane portio: si tarnen, ut 114

Partes oder functiones animae?

Für den Menschen in seiner irdischen Existenz gilt, was Ries122 schreibt: „Die Stärke des Gedächtnisses besteht im Festhalten von Vorstellungen". Auch Gilson123 schreibt, „daß die .Memoria' — darunter ist das Gedächtnis, die sinnliche Vorstellung des Leidens Christi zu verstehen — in uns die Vorbedingung und Ankündigung der ,Praesentia', der Gegenwart, ist, das heißt im letzten Sinne der beseligenden Schau im künftigen Leben, aber auch schon in diesem Leben der Heimsuchung der Seele durch das ,Wort'". Der Unterschied zwischen der Memoria als sinnlicher Vorstellung des Menschen Jesus und der praesentia ist sehr schön de Dil. Deo 4,12 im Anschluß an Cant. 2, 6 herausgearbeitet, wobei Bernhard die linke Seite des Bräutigams auf die Menschheit, die rechte auf die Gottheit Christi bezieht: Caeterum fidelis anima et suspirat praesentiam inhianter et in memoria requiescit suaviter; et donec idonea sit revelata facie speculari gloriam Domini, crucis ignominia gloriatur. . . . Laeva eius sub capite meo, et dextera illius amplexabitur me (Cant. 2, 6): in laeva reputans recordationem illius charitatis, qua nulla major est, quod animam suam posuit pro amicis suis; in dextera vero beatam visionem, quam promisit amicis suis, et gaudium de praesentia majestatis. (2) Die ratio; Bernhards Erkenntnislehre. Die ratio ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Tier. Wie dieses keine Freiheit hat, hat es auch keine Vernunft und wird vom Instinkt beherrscht: Quae sunt carentia ratione animalia, nihil merentur, quia sicut deliberatione, ita et libertate carent: sensu aguntur, feruntur impetu, rapiuntur appetitu. Neque enim iudicium habent, quo se diiudicent sive regant, sed ne instrumentum quidem iudicii, id est rationem (i. c. c. s. 81, 6). Kraft seiner Vernunft vermag der Mensch seinem Leben ein solidum fundamentum veritatis (cf. de Dil. Deo 2, 3) zu geben. Der Vernunft kommt in der Lebensführung eine Herrscherrolle 124 zu,

122 123 124

decet, memoriam affectio comitetur... Singulorum quippe recordationes, quasi scintillae singulae, imo quasi ardentissimae faces, devotos accendunt animos (in Festo omn. Sanct. s. 5, 5—6). α. α. Ο. S. 151. α. α. Ο. S. 125; s. auch D E M P F , Ethik des MA, S. 76. Dieser Primat der Vernunft zeigt sich vor allem in der Bekehrung: Dei quippe Filius, Verbum scilicet ac sapientia Patris, primum quidem illam animae nostrae potentiam, quae ratio dicitur, clementer assumens, potenter erigens, prudenter instruens,... ipsam sibi judicem statuit, ita ut pro reverentia Verbi cui conjungitur, ipsa sui accusatrix, testis, et judex, contra se Veritatis fungatur officio (de Grad. Hum. et Sup. 7, 21). 8*

115

Die Seele

so daß ζ. Β. in de Div. s. 32, 3 die Sünde von ihrer Zustimmung, nicht vom Willen abhängig gemacht werden kann: Quod si voluntas quoque praeoccupata sensu delectationis afficitur, resistit tarnen adhuc deliberatio rationis; infirmatur quidem, sed necdum moritur anima. Die Herrschaft der Vernunft wirkt sich darin aus, daß sie Ordnung stiftet, und, indem sie die Dinge, Verhältnisse, Unternehmungen ordnet, allem Maß, Schönheit und Dauer verleiht (cf. i. c. c. s. 49, 5). Ubi ergo vehemens aemulatio, ibi maxime discretio necessaria, quae est ordinatio caritatis. Semper quidem zelus minus absque scientia efficax, minusque utilis invenitur; plerumque autem et perniciosus valde s e n t i t u r . . . Est ergo discretio non tarn virtus, quam quaedam moderatrix et auriga virtutum; ordinatrixque affectuum, et morum doctrix. Tolle hanc, et virtus Vitium erit, ipsaque affectio naturalis in perturbationem magis convertetur exterminiumque naturae (ibd.). Insbesondere lehrt die Vernunft, mit welchem Eifer und mit welcher Anteilnahme der Mensch sich den Anforderungen der ihm auferlegten Pflichten und anderen Zielen und Aufgaben zuzuwenden hat: Si vero me et ad id amplius, quod specialius incumbit, sollicitum, et nihilominus ad illud, quod maius est, magis affectum exhibeam, utrobique profecto invenior caritatis ordinem assecutus (ibd. n. 6). Der Mensch muß ein vernunftgemäßes Leben führen: ne in vano acceperimus animas nostras rationales, . . . consilio rationis utamur (de Div. s. 33, 5). Denn da die Vernunft ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Tier ist, erniedrigt der Mensch sich unter das Tier, wenn er sein Leben nicht der Leitung der Vernunft unterstellt. An non siquidem tibi videtur ipsis bestiis quodammodo bestialior esse homo ratione vigens, et ratione non vivens? Nam pecus quidem si se ratione non regat, excusationem habet a natura, a qua hoc ei penitus munus negatum est; non habet homo, cui ab ipsa speciali praerogativa donatum est (i. c. c. s. 35, 8). Bernhard nennt die Unwissenheit ein impedimentum gravissimum et periculosissimum f ü r den Menschen (cf. in Septuag. s. 1, 5). Für selbstverschuldete Unwissenheit gibt es keine Entschuldigung: Putas, . . . primi martyris lapidatores, quoniam aures suas continuerunt (Act. 7, 56), per ignorantiam excusabiles erunt? (de Grad. Hum. et Sup. 6, 19). Es ist möglich, daß der Mensch gegenüber einer Frage im Zweifel bleibt125: er muß es ertragen (quod patiaris necesse est). Die dubietas ist f ü r den Menschen miserabilior und molestior. Von der molesta dubietas, der der Mensch in seiner geschöpflichen Unvollkommenheit nicht ausweichen kann, 125

Eine gute Definition des Zweifels i. c. c. s. 17, 3 : . . . sub incerto, hoc vel illud opinando sentire.

116

Partes oder functiones animae?

ist die falsitas exsecranda 126 wohl zu unterscheiden, vor der der Mensch sich schützen könnte, wenn er sich nur seine Unwissenheit ehrlich eingestehen wollte (cf. i. c. c. s. 17, 3). Es kommt für den Menschen entscheidend auf ein consilium salubrius (in Nat. S. Vict. Conf. s. 1, 4) und auf das rechte Wissen zur rechten Zeit an: Nempe sie se habent mortalium corda: quod seimus cum necesse non est, in necessitate neseimus (de Considerat. 2, 1, 2). Dieses rechte Wissen zur rechten Zeit wird dann zum scutum inexpugnabile (in Ps. Qui habitat s. 6, 3) gegen die Versuchungen des Menschen: quod videlicet sola sit Veritas, quae palliatam detegit falsitatem (ibd. n . 6).

Am schönsten hat Bernhard die Bedeutung der Vernunft durch den augustinischen Gedanken127 zum Ausdruck gebracht, daß der Mensch nicht lieben kann, was er nicht kennt: Quid faceret absque dilectione eruditio? Inflaret. Quid absque eruditionedilectio? Erraret. (i. c. c. s. 69, 2). Das Verbum gibt sich in seiner Menschwerdung zu erkennen, quia non potuit ante diligi quam agnosci (i. c. c. s. 70, 3). Id itaque mirum non est, si quem minus agnoscit, minus et diligit (de Dil. Deo 5, 14). Auf eine allgemeine Formel gebracht, lautet die Regel: Nec enim potes aut amare quae nescias, aut habere quae non amaveris (i. c. c. s. 37, 1). Die Funktion der Vernunft besteht einmal darin, zum Objekt der Liebe vorzudringen (spiritus intellectus utique quo pertingat — cf. i. c. c. s. 9, 3), zum andern, das mit dem Intellekt Ergriffene durch die Weisheit zu verkosten (spiritus sapientiae qua gustent quod intellectu apprehenderint — ibd.). Man darf von Bernhard keine umfassende und erschöpfende Erkenntnistheorie erwarten. Vielleicht wird man dem Sachverhalt am besten gerecht, wenn man das von ihm über die Erkenntnis Gesagte als zur Erkenntnispsychologie gehörend interpretiert. Selbstverständlich spielen die Fragen einer Erkenntniskritik keine Rolle. Hinsichtlich einer Erkenntnismetaphysik ist zu sagen, daß die Ordnung des Seins und die der Erkenntnis einander entsprechen: Sapiens veretur omnia opera sua, scrutatur, discutit et dijudicat universa. Honorat quippe veritatem, qui et se, et sua omnia in eo statu, quo Veritas habet, et agnoscit veraciter, et humiliter confitetur (in Adv. Omni s. 3, 7). Est enim sapiens, cui quaeque res sapiunt prout sunt (de Div. s. 18, 1). 12

· Die Definition ebenfalls i. c. c. s. 17, 3: temere affirmare quod nescias und sapere falsitatem.

127

H U G O V. S T . V I K T O R : Nemo autem amare potest quod nescit, et ideo si Deum amare cupimus primum eum cognoscere satagamus (De area Ν. mor. 1, 1; MPL 176, 620 A).

117

Die Seele

Da Seins- und Erkenntnisordnung einander entsprechen, erscheint ein Wort über Bernhards Weltbild angebracht, damit an seiner Auffassung über die Wirklichkeit deutlich werden kann, welche Bedeutung die Erkenntnis f ü r ihn hat. Dechanet 128 hat mit Recht auf den Anthropozentrismus des Abtes hingewiesen: „Anthropocentrisme qu'il faut, du reste, bien entendre. Ce qui en est l'objet, c'est l'homme reel, existant, dans ses rapports avec Dieu et avec la grace". Diese besondere Eigenart des Denkens Bernhards hat dazu verführt, ihn f ü r einen Individualisten und Subjektivisten zu halten. „In Bernhard lebt ein Mensch, dessen individualistisches Denken vom Menschen seinen Ausgang nimmt, der sich tief seines Menschseins bewußt ist"129. „Die bekannte Psalmstelle 130 wird also von Bernhard direkt auf die Seele übertragen, die alte kosmologisch-ontologische Weltschau wandelt . sich zur spiritualistisch-individualistischen Innenschau. Der Mikrokosmos der mit der Fülle der Gottheit gesättigten neuen Person verschluckt den Makrokosmos. Der ganz innen gewordene Mensch setzt sich aufs schärfste nach außen ab, er erlebt, da Gott ganz in ihm geborgen und verborgen wird, die Außenwelt entgöttert, entheiligt" 131 . Nun nimmt in Bernhards Gedankengängen in der Tat die Kosmologie — im Gegensatz zu vielen Denkern seiner Zeit — einen nennenswerten Raum nicht ein. Aber das Bewußtsein von der Welt als einem Kosmos, einem Ordo, einer Harmonie ist doch stark genug, Bernhard davor zu bewahren, den Menschen als eine einsame Monade anzusehen. Vielmehr weiß er, daß der Mensch ein Glied der Weltordnung ist, er weist dem Menschen einen bestimmten Ort im Ganzen alles Seienden zu, und er weiß auch, daß der Mensch mit allem anderen Seienden in innigem Zusammenhang steht. Die Vorstellung von der Welt als einem Kosmos wird vor allem durch das Wissen u m die Schöpfermacht Gottes genährt. Die Tatsache der Erschaffung der Welt ist der natürlichen Erkenntnis eines jeden Menschen zugänglich, und durch diese Erkenntnis kommt der Mensch zur ersten Stufe der Liebe (cf. de Dil. Deo 2, 2—6). In Bernhards Schöpfungsbegriff spielt der Gedanke eine große Rolle, daß Gott alles nach Maß, Zahl und Gewicht geschaffen und geordnet hat — eine Vorstellung, wie sie schon in der Patristik 128

a.a.O.

129

KAHLES, a.a.O.

130

gemeint ist Ps. 18. HEER, Aufgang Europas,

131

118

S. 58. S. 22.

S. 232.

Partes oder functiones animae?

ausgeführt worden war. Der Abt hat den gleichen Schöpfungsbegriff wie Augustin: „Creare . . . dicitur condere et ordinäre" 132 . Die Schöpfung offenbart nicht nur Gottes Macht, sondern auch seine Weisheit, sed quia ipse, qui non solum potenter, sed etiam sapienter quaecumque voluit fecit, sicut in omnibus operibus suis quasdam rerum vel temporum congruentias propter ordinis pulchritudinem servare consuevit . . . (sup. Missus est 2, 13). Ab initio Deus modum acceptat, et nihil umquam immoderatum illi placuit aequitati. Hinc fuit quod non modo in pondere et mensura et numero condidit universa, sed et protinus ipsi homini modum praescripsit, mandatum contulit (in Cirumcis. Omni s. 2, l)133. Die Ordnung der Schöpfung nach Maß, Zahl und Gewicht macht den Unterschied zwischen dem absoluten, transzendenten Sein Gottes und dem kontingenten Sein der Geschöpfe deutlich: Omnia fecisti in pondere, et mensura et numero (Sap. 9, 21). Ad differenitam ipsius divinae essentiae dictum est. Creaturae enim in pondere, et mensura et numero factae sunt: solus Creator his omnibus caret. . . . Unus Deus est; non habet sui generis cui valeat comparari. Unus est et solus ipse penitus inaestimabilis, aeternus, quoque et immensus, indivisus et omnino invariabilis (de Div. s. 86). Die Tatsache der Geschöpflichkeit ermöglicht auch den Vergleich zwischen den einzelnen Geschöpfen. Sie sind darin gleich, daß sie Geschöpfe sind, aber sie besitzen nicht alle die gleiche Seinsfülle. Die Ordnung der Welt ist in Stufen aufgebaut; was auf einer höheren Stufe in dieser Seinsordnung steht, besitzt eine größere Fülle des Seins. Die Gedanken der Stufenordnung und der Vergleichbarkeit alles Geschaffenen auf Grund der Geschöpflichkeit bringt Bernhard sehr klar de Grat, et Lib. Arb. 10, 33 zum Ausdruck: Porro ilia (sapientia) attingit a fine usque ad finem fortiter et dis132 133

zitiert nach R I T T E R , a. a. O. S. 41 Anm. 1. Sicut enim qui scribit, certis rationibus collocat universa; ita quae a Deo sunt, ordinata sunt (in Asc. Dmni s. 4,2). Et in esse quidem rerum inaestimabilis potentia commendatur, quod tarn multa, tarn magna, tarn multipliciter, tarn magnifice sunt creata. Sane in modo ipso sapientia singularis elucet: quod haec quidem sursum, haec vero deorsum, haec in medio ordinatissime sint locata. Si vero ad quid factus sit mediteris, occurrit tam utilis benignitas, tarn benigna utilitas, quae etiam ingratissimos quosque multitidine et magnitudine benefloiorum possit obruere (in Festo Pentec. s. 3, 3). Et potenter quidem omnia fecerat, et sapienter omnia gubernabat, et utrarumque rerum, tam potentiae quam sapientiae, signa manifestissima tenebantur, in creatione et conservatione machinae mundialis (ibd. s. 2,2). W I L H E L M V. S T . T H I E R R Y , De nat. et dignit. amoris 50, ed. D A V Y , Paris 1953, p. 130: D e u s . . . in luce et virtute sapientie omnia disponens, et ordinans; sie agens, sie de eis iudicans, sicut est, sicut vivit, faciens iudicium et iustitiam de eo unde est, et unde vivit. 119

Die Seele

ponit omnia suaviter (Sap. 8, 1). Attingit a fine usque ad finem, hoc est a summo coelo usque ad inferiores partes terrae, a maximo angelo usque ad minimum vermiculum. . . . Attingit a fine usque ad finem, hoc est ab ortu creaturae usque ad finem destinatum a Creatore: sive in quem urget natura, sive quem accelerat causa, sive quem concedit gratia. Es ist nicht leicht einzusehen, wie Kahles bei dieser Auffassung von Schöpfer und Schöpfung über Bernhards Naturverständnis schreiben kann: „Er sieht die Natur in gewissem Sinne als Chaos, in welchem unheimliche Gewalten um die Macht ringen, nicht als Kosmos. Und da sein Auge nicht in einem ruhig abgewogenen Kosmos zu ruhen vermag, so wendet es sich nach innen"134. Auch die sehr oft negative Beurteilung der Welt kann an der positiven Grundauffassung nichts ändern135. Der Kosmos des Seins steht also der Erkenntnis des Menschen offen. Zwar warnt Bernhard vor einer Überschätzung der Erkenntniskraft: Sed vae angustiae cognitionis; vae paupertati scientiae nostrae, qui tantum ex parte cognoscimus, et parte modica (in Asc. Dmni s. 4,2)! Aber er weiß doch um den communis usus et consuetudo cogitandi (cf. i. c.c.s. 52, 4). Damit meint er das sich auf die Erfahrung stützende schlußfolgernde Denken. Wäre die Welt für Bernhard, wie Kahles sagt, ein Chaos, wäre dieser communis usus cogitandi unmöglich. Dann könnte die Erkenntnis dem Menschen nicht sein letztes Ziel und den Weg zu ihm zeigen; denn Gott ist, wie wir schon gehört haben, penitus inaestimabilis, und natürlicherweise können wir nur durch unser schlußfolgerndes Denken zu ihm gelangen, wenn wir ihn auch nie begreifen und erfassen können, es sei denn, daß er sich in seiner Gnade uns offenbart. Wie dem auf die Erfahrung gestützten diskursiven Denken steht der Kosmos auch der Erkenntnisweise des ontologischen und anthropologischen Symbolismus138 offen und ist zugleich die Voraussetzung für die Möglichkeit derselben. Bernhard hat sie von den Kirchenvätern gelernt. Caelorum regnum . . . idcirco terrenis rebus simile dicitur, ut ex his, quae animus novit, surgat ad incognita (Gregor d. Gr., Horn, in Ευ. I 11, 1; Μ PL 76, 1114 D). Hier handelt es sich nicht um schlußfolgerndes Denken. Ausgehend von der Tatsache, daß das eine Sein sich leichter, das andere schwerer 134

K A H L E S , a. a. O . S . 1 3 4 .

135

Diese Grundeinstellung hat Bernhard in der schönen Formulierung zum Ausdruck gebracht: A bono scilicet Deo non potuit creari nisi bona, secundum quod vidit Deus cuncta quae facerat, et erant valde bona (Gen. 1, 31) (de Grat, et Lib. Arb. 6,19). Vgl. I. Kap., Abschn. 2 mit Anm. 44.

138

120

Partes oder functiones animae?

der Erkenntnis erschließt, benutze ich das leichter Erkennbare, um durch Vergleiche einen Zugang zum schwerer Erkennbaren zu gewinnen. Bernhards Schriften und vor allem Predigten legen reiches Zeugnis von der Anwendung dieser vergleichenden Methode ab und beweisen, daß er die Welt auch mit offenen Augen durchwandert, sonst würde ihm die Fülle von Bildern und Vergleichen aus allen Lebensbereichen fehlen, deren er sich bedient. Oft treibt er das Symbolisieren und Allegorisieren auf die Spitze. Es sei hier nur aufmerksam gemacht auf seine ziemlich reiche Kenntnis medizinischer Dinge, selbst Hippokrates und Galen sind ihm bekannt (i. c. c. s. 30, 10)137. Die Welt ist ihm schließlich ein 137

I. c. c. s. 30 ist ein schönes Beispiel für die Aufmerksamkeit, mit der Bernhard das geistige Leben seiner Zeit und Umwelt verfolgt hat. Das Folgende könnte als Ergänzung des von K L E I N E I D A M , in L O R T Z , a. a. O. S . 128 bis 133, über Bernhards Beziehungen zur Wissensehaft seiner Zeit Vorgebrachte dienen. Nach T A L B O T , in L O R T Z , α. α. Ο . S . 2 0 2 , ist für die Abfassung dieser Predigt die Zeit zwischen 1138 und 1143 anzusetzen. Da man die Predigten 36—38 in die Zeit der Verurteilung Abaelards legt ( K L E I N E I D A M , in L O R T Z , a. a. O. S. 133), ist i. c. c. s. 30 zwischen 1138 und 1140 entstanden. In die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts fällt das Eindringen arabischer Literatur. „In der Bibliothek von Chartres sind besonders medizinische T r a k t a t e . . . in Handschriften des 12. Jahrhunderts noch heute vorhanden. Es handelt sich vor allen Dingen um den Afrikaner Constantinus... Seine ausgedehnte Übersetzertätigkeit aus dem Arabischen hat hauptsächlich die Begriffswelt Galens dem lateinischen Mittelalter zugeführt" ( L I E B E S C H Ü T Z , Kosmologische Motive in der Bildungswelt der Frühscholastik, Leipzig 1926, S. 121). Nach der Verurteilung Abaelards wird der Freund Bernhards, Wilhelm von St. Thierry, den Angriff auf Wilhelm von Conches eröffnen, „de radice colubri ascendit regulus, aus der Wurzel des Drachen erhebt sich ein Basilisk" ( L I E B E S C H Ü T Z , a. a. O. S. 130), der jene Literatur eifrig benutzte. Man wird die Polemik Bernhards i. c. c. s. 30,10 gegen Hippokrates, Galen und Epikur wohl mit diesen Ereignissen in Verbindung bringen dürfen. Bernhard kommt übrigens auf medizinische Dinge öfter zu sprechen. Sie dienen ihm als Vergleich. Jesus mel in ore, in aure melos, in corde jubilus. Sed est et medicina (i. c. c. s. 15, 6). Sicut aeger ad medicum, sic esse debet peccator ad creatorem suum (de Div. s. 107). In Circumcis. Domini s. 3, 3 heißt es: Sed quid mirum si caput pro membris aeeepit curationem, quam tarnen in se ipso non habuit necessariam? Nonne et in membris nostris saepe pro unius infirmitate alteri adhibetur curatio? Dolet caput, et in brachio fit coctura; dolent renes, et fit in tibia: ita hodie pro totius corporis putredine cauterium quoddam infixum est in Capite. Jeder Mensch muß seinen Weg zum ewigen Heil finden, so wie jeder Kranke einer individuellen Behandlung bedarf. Et diversis morbis diverse conveniunt medicamenta, et fortioribus fortiora. Fac duos homines febribus anxiari, quartanis unum, alterum tertianis. Commendet autem qui quartanis laborat, tertiano aquam, pyra, et frigida quaeque sumenda: 121

Die Seele

großes Buch, in dem es mehr zu lernen gibt als bei allen Magistern: Experto crede: aliquid amplius invenies in silvis, quam in libris. Ligna et lapides docebunt te, quod a magistris audire non possis (Ep. 106, 2). Et est velut communis quidem liber, et catena alligatus, ut assolet, sensibilis mundus iste, ut in eo sapientiam Dei legat quicunque voluerit (de Div. s. 9, 1). Der tiefste Grund f ü r die Fähigkeit des Menschen, durch die Erkenntnis den Seinskosmos erfassen zu können, liegt in der mit der Geistnatur der Seele gegebenen Gottähnlichkeit. Für den Vorgang des Erkennens ist der metaphysische Ort des Menschen, seine Zwischenstellung, bestimmend. „Der Mensch nimmt eine mittlere Stellung ein zwischen den rein geistigen und den ungeistigen Geschöpfen. Wie er in beide Reihen eingreift vermittels seiner Natur, so bildet seine Erkenntnis eine Kombination sinnlicher und geistiger Tätigkeiten" 138 . Daher kann Gilson139 mit Recht auf die Verwandtschaft Bernhards mit Thomas v. Aquin hinweisen: „So gehört der Leib der Naturordnung nach notwendig zum Menschen; er ist uns das Erkenntnisinstrument, ohne das wir unser übernatürliches Ziel nicht zu erreichen vermögen. Gegen die Erkenntnislehre des heiligen Thomas von Aquin würde also Bernhard keine grundsätzlichen Bedenken erhoben haben". Ähnlich lautet das Urteil von Ries140: „So gemahnen doch die von ihm gebotenen allgemeinen Grundlinien mehr an die peripatetische Erkenntnistheorie, welche der hl. Thomas und die Scholastik später übernommen haben, als an die mehr platonisch gehaltene des hl. Augustin". Gewissermaßen einen Musterfall des Erkenntnisvorganges stellt die Selbsterkenntnis dar. Hodie legimus in libro experientiae. Concum tarnen ab his ipse abstineat, vinumque et caetera calida, utpote sibi congruentia, sumat (Apol. 4,7). Eine medizinische Faustregel dürfte Bernhard v o n GREGOR D . G R . übernommen haben: Sed coelestis medicus singulis quibusque vitiis obviantia adhibet medicamenta (Horn, in Ev. II, 32,1; MPL 76, 1232 D). Dieser Grundsatz findet sich bei Bernhard de Div. s. 55, 2: Vera est illa sententia: Contrariis curantur contraria. Ebenso de Div. s. 103, 3: Opponit ergo variis voluptatibus quifous corruit, contraria medicamenta per quae resurgat. Vom geistigen Aderlaß ist de Div. s. 108 die Rede: Minuendi sanguinis duplex est causa. Interdum qualitas, interdum quantitas obest: nec minus perniciosa immoderata abundantia, quam corruptio. Sanguis animae meae, voluntas mea. In eine Klosterapotheke werden war i. c. c. ss. 10 u. 11 geführt. 188

R I E S , a. a. O.

139

Die Mystik, S. 154. o. a. O. S. 124.

140

122

S. 119.

Partes oder functiones animae?

vertimini ad vos ipsos, et attendat unusquisque conscientiam suam super his quae dicenda sunt. Damit wäre das erste wesentliche Stück von Bernhards Erkenntnislehre genannt: die Erfahrung (i.c.c.s. 3, 1; de Convers. ad Cleric. 14, 26: experientia propria im Sinne von Eigenerfahrung) 1 ". Das erste uns durch die Erfahrung Gegebene ist unsere leiblich-sinnliche Wirklichkeit mit ihren Vorzügen, f ü r den Mönch Bernhard natürlich vor allem in ihrer Fragwürdigkeit. Qui pecuniam diligit, non satiatur; qui luxuriam, non satiatur; qui gloriam quaerit, non satiatur; denique qui mundum amat, nunquam satiatur. Novi ego homines satiatos hoc mundo et ad eius omnem memoriam nauseantes. Novi satiatos pecunia et satiatos honoribus, satiatos voluptatibus et curiositatibus huius mundi, nec mediocriter, sed usque ad fastidium satiatos... Si quis mihi forte non credit, experientiae credat, vel propriae, vel multorum (de Convers. ad Cleric. 14, 26)142. Für den Erkenntnisvorgang gilt derselbe Grundsatz, den Bernhard f ü r das menschliche Verhalten allgemein aufgestellt hat: Prius quod animale, deinde quod spirituale (1 Cor. 15, 46). Nec praecepto indicitur, sed naturae inseritur (de Dil. Deo 8, 23). Von der Erfahrung der eigenen leiblich-sinnlichen Wirklichkeit kommt der Mensch zum Urteil und zur Stellungnahme. Zunächst über sich selbst, aber dann über den Menschen im allgemeinen: Semetipsum attendat, et ex propria miseria generalem perpendat (De Grad. Hum. et Sup. 5, 16). Als Beispiel kann Christus seiner menschlichen Natur nach dienen: Cum igitur videas Christum in una quidem persona duas habere naturas; . . . et secundum sempiternum suum quidem esse, semper omnia nosse; secundum temporalem vero multa temporaliter expertum fuisse: cur fateri dubitas, ut esse in tempore coepit ex carne, sie carnis quoque miseria scire coepisse, illo duntaxat modo cognitionis, quem docet defectio carnis (de Grad. Hum. et Sup. 3, 12). Gestützt auf die Erfahrimg, kann der Mensch also zu einem zutreffenden Urteil über sich selbst kommen: Plenus ergo sapientia, et perfectus decore, altiora te ne quaesieris, et fortiora te ne scrutatus fueris. Sta in te, ne cadas a te, si ambulas in magnis et in mirabilibus super te (de Grad. Hum. et Sup. 10, 31). Utrumque ergo scias necesse est, et quid sis, et quod a te ipso non sis: ne aut omnino videlicet non glorieris, aut inaniter glorieris (de Dil. Deo 2, 4). Auf Grund der Erfahrung seiner selbst 141

dummodo propriam super hoc experientiam consulatis (in Ps. Qui habitat s. 7,11).

142

Nunc enim quantis conatibus corda levare necesse est; quae quidem (ut miserabiliter satis in libro propriae experientiae legimus) et corruptio corporis aggravat, et terrena inhabitatio deprimit (in Asc. Dmni s. 5,2). 123

Die Seele

vermag der Mensch Wesentliches und Akzidentelles zu unterscheiden: Quid tibi horum videtur ad purum esse tui, et ad te principalius pertinere? quod factus, an quod natus? Nonne quod natus? Hoc ergo consulo consider es maxime, quod maxime es, hominem videlicet, quod et natus es (de Considerat. 2, 9, 17). Nach der geschilderten Ordnung der Eigenerkenntnis vollzieht sich nach Bernhard jegliches Erkennen. Die Grundlage bilden Erfahrung und sinnliche Erkenntnis. Ipsa siquidem quae facta sunt, nonnisi . . . per corporis instrumentum sensa in nostram notitiam veniunt. Habet igitur necessarium corpus spiritualis creatura quae nos sumus (i. c. c. s. 5, 1). Animae corporibus et corporeis egent sensibus, per quae sibi invicem innotescant (i. c. c. s. 4, 5). Selbst f ü r die höchsten Erkenntnisse ist die Erfahrung notwendig. Istiusmodi canticum sola unctio docet, sola addiscit experientia (i. c. c. s. 1, 11). Der Unterschied zwischen Tier und Mensch, die beide mit Sinneswerkzeugen ausgestattete Lebewesen sind, besteht darin, daß der Mensch den durch die sinnliche Wahrnehmung und Erfahrung gesammelten Stoff verarbeiten und durchdringen und zur Erkenntnis des Nichtsinnlichen aufsteigen kann. Irrationalis nempe spiritus, etsi corporalia per corpus et ipse hauriat, numquid tarnen eousque juvatur corpore suo, ut per corporalia et sensibilia quae per illud sentit, et ad spiritualia et intelligibilia proficiendo pertingat? (i. c. c. s. 5, 3). Es tritt sogar der Augenblick ein, von dem an die sinnliche Wahrnehmung die Beschäftigung mit den zeitlos-ewigen Wahrheiten behindern und stören würde. Est qui oblitus est Domini creatoris sui, et est qui providet eum in conspectu suo semper oblitus populum suum, et domus patris sui. Et ille quippe coelestia obliviscitur, hie vero quae sunt super terram; iste praesentia, ille futura; iste quae videntur, ille quae non videntur (in Vig. Nat. Dmni s. 6, 8). Ries143 sagt: „Das Problem freilich, wie die Seele aus dem von den Sinnen dargebotenen Stoff (die Ideen und) Begriffe bildet, läßt Bernhard ungelöst". Restlos ungelöst scheint das Problem aber nicht von Bernhard gelassen worden zu sein. Wenigstens in Andeutungen hat er diese Frage behandelt. Grundlage ist die Urteilsfähigkeit der Vernunft: Vom Geist der Weisheit, durch den unsere Vernunft gestärkt wird, heißt es: Spiritus Sapientiae non modo unicus, sed et multiplex est: interiora quidem in unitate solidans, sed sub judicio exteriora distinguens (in Septuag. s. 2, 3). Bernhard gibt auch verschiedentlich ein Denkschema, nach dem man zu einem sicheren Urteil kommen kann — ob er etwas von Kategorien 143

a. a. O. S. 124.

124

Partes oder functiones animae?

gewußt hat, oder ob diese Regeln nur intuitiv mit einem gesunden Blick für die Wirklichkeit aufgestellt worden sind144? Jedoch kommt der ratio nicht nur die Aufgabe des Sammeins und Unterscheidens zu. Bemerkenswert ist eine Stelle de Dil. Deo 7, 20, die besagt, daß die Vernunft der sinnlichen Wahrnehmung vorauszugehen und sie zu steuern habe, daß also der Erkenntnisvorgang von Anfang an der aktiven Spontaneität des Geistes unterliegt: Et utinam attingere universa animo, et non experimento vellent! Hoc enim facile possent, et non incassum. Nam et animus sensu quidem carnali tanto velocior, quanto et perspicacior, ad hoc datus est, ut illum ad omnia praeveniat; nihilque audeat contingere sensus, quod animus praecurrens ante utile non probaverit. Mögliche Fehlerquellen f ü r eine sichere Erkenntnis kalkuliert Bernhard ein: At experimentum fallax (i.c.c.s. 28, 8). Ähnlich in Quadrag. s. 5, 5: Sed experimentum fallax. Anderseits gibt die Tatsache, daß Paulus vor Damaskus etwas gehört und gesehen hat, die Gewähr, daß er keiner Täuschung zum Opfer gefallen ist, denn: nec dubitare est de veritate, quae sese ingerit per utrasque, oculorum scilicet auriumque fenestras (in Convers. S. Pauli s. 1, 2). Auch die Vernunft hat in sich selbst mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen: Non sic in nobis libera ratio, sed undique ei luctandum est. Sic enim et ab infimis visco quodam captiva tenetur, et a summis indigna repellitur (in Septuag. s. 2, 3). Es sei an die schon im I. Kap., Abschnitt 1 zitierte Definition der consideratio erinnert: Consideratio autem, intensa ad investigandum cogitatio, vel intentio animi vestigantis verum (de Considerat. 2, 2, 5). Ibd. 5, 3, 5—6 wird gesagt, daß die consideratio gleichsam auf drei Wegen vorgehen kann. Diese Wege sind: opinio, fides, intellectus. Die fides, die sich auf die auetoritas stützt, kommt zu einer sicheren Wahrheit, die jedoch clausa et involuta ist. Die Glaubenswahrheit ist Veritas certa, da sie nichts enthält, was dem bloßen Meinen Spiel ließe; sie ist veritas clausa et involuta, da sie für die bloße Vernunft nicht durchsichtig ist (non rationi perspieuum, nec tarnen opinioni ambiguum — cf. ibd. 5, 8, 18). Der intellectus (oder die intelligentia) kommt zu einer veritas nuda et manifesta. Die Evidenz der Wahrheit ist so groß, daß Täuschung und Zweifel ausgeschlossen sind: Verus nempe intellectus certam habet non modo veritatem, sed notitiam veritatis. Der intellectus verus ist seiner Sache so sicher, daß er mit der opinio (certi nihil habens, verum per verisimilia quaerit potius, quam apprehendit) nicht verwechselt werden kann. Anderseits kann man nur eine verwegene (temeraria) und an114

Vgl. auch I. Kap., Abschn. 1. 125

Die Seele

maßende (si habet assertionem) opinio für intellectus halten145, da es durchaus möglich ist, die Wahrscheinlichkeitsgründe (veri similitudo oder verisimilia), auf die sich die opinio stützt, als solche zu erkennen. Es fehlt ihnen die Evidenz, und die consideratio deckt durch die Prüfung das nur Eingebildete und Verfälschte auf (verisimilia examinat, ficta et fucata explorat — ibd. 1, 7, 8). Weil die Gefahr der opinio temeraria sehr groß ist, deshalb ist f ü r das Erkennen die Demut eine unerläßliche Voraussetzung, quod in culmine humilitatis constituitur cognitio veritatis (de Grad. Hum. et Sup. 2, 3). Der Stolz macht eine wahre Erkenntnis unmöglich: Trabes in oculo grandis et grossa, superbia in mente est: quae quadam corpulentia sui vana, non sana; tumida, non solida, oculum mentis obscurat, veritatem obumbrat (de Grad. Hum. et Sup. 4, 14). Ries legt in seiner Darstellung des hl. Bernhard Wert darauf, immer wieder seine Übereinstimmung mit der aristotelisch-thomistischen Philosophie aufzuweisen. Auch hinsichtlich der Erkenntnislehre wird dieser Versuch deutlich. „Bernhard leugnet jede unmittelbare Gotteserkenntnis und ebenso die angeborenen Ideen in der Menschenseele. Nur durch analoge, aus der sichtbaren Welt erworbene Begriffe vermag sie stufenweise aufsteigend eine durchaus inadäquate Erkenntnis Gottes, des reinen Geistes, sich zu erwerben" 146 . Die Hinweise Gilsons und Ries' auf die Verwandtschaft des von Bernhard über die Erkenntnis Gesagten mit der Erkenntnislehre des hl. Thomas sind sicher richtig. Die Texte zwingen jedoch zu der Frage, ob man für die Darstellung Bernhards die „peripatetische Erkenntnistheorie" 147 mit jener Ausschließlichkeit in Anspruch nehmen darf, wie Ries es tut, und ob sich nicht doch auch wesentliche Elemente der mehr platonisch gehaltenen Erkenntnistheorie des hl. Augustinus nachweisen lassen. Am Anfang des 5. Buches seiner Schrift de Consideratione stellt Bernhard fest, daß er sich bisher mit Themen beschäftigt habe, die nicht nur Gegenstand der Betrachtung, sondern auch des Handelns seien: res aliquas non considerandas tantum, sed agendas (ί. c. 5, 1, 1). Es gibt aber auch den Bereich der Wirklichkeit, mit dem der Mensch nicht mehr durch sein Handeln, sondern nur noch in der reinen Schau Berührung hat: Quae enim supra sunt . . . actu non indigent, sed inspectu (ibd.). Es handelt sich um den Bereich des unwandelbaren Seins: Non est quod in eis actites, quae uno modo semper sunt, et in aeternum; porro aliqua et ab aeterno (ibd.). 145 146

147

Vgl. das schon über dubietas und falsitas Gesagte. R I E S , a. a. O.

S. 124.

a. a. O. S. 124.

126

Partes oder functiones animae?

Beschäftigt sich der Menschengeist mit den inferiora et visibilia, um sie kennenzulernen, sie aneignen, beherrschen und mit ihnen umgehen zu können (intuenda ad notitiam, sive appetenda ad usum, sive pro officio disponenda vel actitanda — ibd.), dann hält er sich gewissermaßen in der Fremde auf (peregrinatur). Die Beschäftigung mit den inferiora et visibilia kann aber für den Menschen im Hinblick auf seine Begegnung mit dem ewigen Sein von großer Bedeutung sein; denn sie kann eine Leiter sein, auf der er vom Sichtbaren und Vergänglichen zum Unsichtbaren und Ewigen aufsteigt. Der Aufstieg vollzieht sich in zwei Stufen: in der consideratio dispensativa (sensibus sensibilibusque rebus ordinate et socialiter utens ad promerendum Deum — ibd. 5, 2, 4) und der consideratio aestimativa (prudenter ac diligenter quaeque scrutans et ponderans ad vestigandum Deum — ibd.). Schon auf diesen beiden Stufen des Aufstiegs zum Unsichtbaren ist ein sich steigerndes Überwinden der sensualitas festzustellen: auf der ersten Stufe ein premere sensualitatem ne insolescat; auf der zweiten ein cogere sensualitatem ne evagetur (cf. ibd. 5, 2, 3). Frucht der Bemühung des Menschen in der consideratio dispensativa et aestimativa ist die consideratio speculativa se in se colligens, et . . . rebus humanis eximens ad contemplandum Deum (cf. ibd. 5, 2, 4). Wie verhält sich die consideratio speculativa, die nach ibd. 2, 2, 5 auch contemplatio genannt wird, zu den beiden anderen Arten? Bernhard stellt einige Unterscheidungsmerkmale fest, die nicht nur einen Gradunterschied, wie er zwischen der consideratio dispensativa und der consideratio aestimativa besteht, sondern einen Wesensunterschied aufweisen. Sie vollzieht sich rebus humanis eximens (ibd. 5, 2, 4), spreto ipso usu rerum et sensuum: sensualitatem fugit ne inquinet (cf. ibd. 5, 2, 3). Daher kann man sagen, daß sie sensus ipsa sibi, se ipsa sentiens ist (cf. ibd. 5, 1, 1). In dieser Betrachtungsweise hat der Mensch nicht „durch analoge, aus der sichtbaren Welt erworbene Begriffe . . . eine durchaus inadäquate Erkenntnis Gottes, des reinen Geistes"143, sondern in der reinen Schau des Verbum Divinum sieht der Mensch alles vom Verbum Geschaffene: Videt Verbum, et in Verbo facta per Verbum. Nec opus habet ex his quae facta sunt, Factoris notitiam mendicare. Neque enim ut vel ipsa noverit, ad ipsa descendit, quae ibi illa videt, ubi longe melius sunt quam in se ipsis (ibd. 5, 1, 1). Eine solche Schau ist an sich Vorrecht der Himmelsbürger, nicht der in der Verbannung Weilenden. Aber entsprechend der im III. Kap. dargelegten Auffassung Bernhards über das Verhältnis von Leib 148

RIES, α . α . Ο . S . 1 2 4 .

127

Die Seele

und Seele und entsprechend dem auch f ü r Bernhard geltenden Grundsatz, daß die Seele der eigentliche Mensch ist, ist es durchaus möglich, daß der Mensch, der von Natur aus zur reinen Schau befähigt ist, durch ein gnadenhaftes Eingreifen Gottes (quantum divinitus adiuvatur — ibd. 5, 2, 4)149 schon in seiner irdischen Existenz die reine Schau erlangt: At omnium maximus qui . . ., quantum quidem humanae fragilitati fas est, non ascensoriis gradibus, sed inopinatis excessibus, avolare interdum contemplando ad illa sublimia consuevit (ibd. 5, 2, 3). Die Lehre Bernhards von der consideratio speculativa ist ein gutes Beispiel f ü r die fließende Grenze zwischen Natur und Übernatur. Wenn Bernhard die von der Gnade bewirkte reine Schau der von Natur aus f ü r die Deificatio angelegten und bestimmten Seele beschreibt, so ist dies ein Philosophieren aus der christlichen Glaubensexistenz, wie J. B. Schuster im Hinblick auf die Illuminationstheorie des hl. Augustinus gesagt hat150. Für dieses Erkennen ist die Reinigung151 von besonders großer Bedeutung. Selbstverständlich ist diese zunächst einmal als moralische Läuterung zu verstehen, die unerläßliche Voraussetzung für die Gotteserkenntnis ist. Ad videndam in nobis Domini majestatem et sanctificatione opus esse, et praeparatione (in Vig. Nat. Omni s. 6, 8). Para proinde rivolos, aggeres terrenae et elatae cogitationis disperge, conformare Filio hominis non primo homini: quia fons gratiae in cor hominis, carnalis scilicet et terreni, non ascendit. Oculum quoque purga ut videre possis merissimam lucem; et aurem tuam inclina ad oboediendum (in Vig. Nat. Omni s. 4, 9). Egredimini de sensu carnis ad intellectum mentis, de Servitute carnalis concupiscentiae ad libertatem spiritualis intelligentiae (in Epiph. Dmni s. 2, 2)152. 149

150 151 152

Vgl. i. c. c. s. 62,4: Tantum affer purum et simplicem o c u l u m . . . Cum enim Apostolus raptum se memoret, ut ausum excuset, quisnam alter praesumat mortalium huic se divinae maiestatis horrendo scrutinio propriis intricare conatibus? W I L H E L M V. S T . THIF.RRY, De contempl. Deo 5 , ed. H O U R L I E R , Paris 1 9 5 9 , p. 7 2 : Sed festina domine ne tardaveris. Habet enim domine sapientiae tuae gratia, vel gratiae tuae sapientia sua compendia, et quo rationis vel ratiocinationis nullis argumentis nullis discussionibus quasi quibusdam scalis conscenditur, ad torrentem scilicet voluptatis tuae, ad plenum amoris tui gaudium: cui hoc datum est fideliter quaerens, fideliter pulsans saepe repente se ibi invenit. s. Phil. Wörterbuch, Freiburg 61957, S. 144·. vgl. auch das III. Kap. Quis dahit mihi pennas sicut columbae, et volabo, et requiescam (Ps. 54, 7)? Utinam hac morte ego frequenter cadam, ut evadam laqueos mortis, ut non sentiam vitae luxuriantis mortifera blandimenta, ut obstupescam ad sensum libidinis, ad aestum avaritiae, ad iracundiae et impatien-

128

Partes oder functiones animae? Reinigung heißt aber auch Loslösung und Befreiung der Seele von den Einwirkungen der Sinnesorgane. Die leiblich-sinnliche Wirklichkeit des Menschen ist das Hindernis für die unmittelbare Erkenntnis Gottes: Parietem istum, corpus tuum intellige, quod obstaculum impedit, ut eum qui prope est, nondum valeas intueri (in Vig. Nat. Omni s. 4, 10)153. Von einem von der sinnlichen Wahrnehmung freien geistigen Schauen wird in Ps. Qui habitat 12, 6 gesprochen: An praesentem (seil, angelum) esse dubitas quem non vides? Quid si audires? quid si tangeres? quid si olfaceres? Vide quia non solo visu rerum praesentia comprobatur. Non omnia visui subiacent, nec corporalia quidem: quanto magis spiritualia proeul sunt ab omni sensu corporeo, et spiritualiter potius vestiganda? Von den Patriarchen und Propheten heißt es: Neque enim non viderunt quem praeviderunt, nisi ita quis absque spiritu sit, ut videntem in spiritu putet videre nihil (i. c. c. s. 70, 2). Die Befreiung von der Behinderung durch den Leib ist an sich der ewigen Seligkeit vorbehalten: Quando inebriabit animam ubertas domus Dei, et torrens ille indefieciens voluptatis divinae? Quando totam sibi eam serenissimi contemplatio luminis vindicabit? (de Div. s. 2, 8). Bernhard lehrt aber ganz klar, daß es — wenn auch nur für Augenblicke — schon in diesem Leben ein reines, nicht mehr an die Sinne gebundenes Schauen Gottes geben kann: (Summus atque incircumscriptus Spiritus), qui solus, cum docet angelum sive hominem scientiam, instrumentum non quaerit nostrae corporeae auris, sicut nec sibi oris. Per se infunditur, per se innotescit, purus capitur a puris (i. c. c. s. 5, 8). Ita igitur intrans ad me aliquoties Verbum sponsus, nullis umquam introitum suum indieiis innotescere fecit: non voce, non specie, non incessu (i. c. c. s. 74, 6)154.

153

154

tiae stimulos, ad angores sollicitudinum et molestias curarum! Moriatur anima mea morte iustorum, ut nulla illaqueet iniustitia, nulla oblectet iniquitas (i. c. c. s. 52, 4). Quidni clarius videat, nube vel potius faece corporis evolutus? (i. c. c. s. 72, 9). Die Freiheit von der Einwirkung des sinnlichen Lebens kommt noch i.c.c.s. 14,5 zum Ausdruck: Sponsus et sponsa soli interim intus sint, mutuis secretisque fruantur amplexibus, nullo strepitu carnalium desideriorum, nullo corporeorum phantasmatum perturbante tumultu. Ebenso i. c. c. s. 23, 16: In hoc arcanum et in hoc sanetuarium Dei, si quem vestrum aliqua hora sie rapi et sie abscondi contigerit, ut minime avocet aut perturbet vel sensus egens, vel cura pungens, vel culpa mordens, vel certe ea, quae difficilius amoventur, irruentia imaginum corporearum phantasmata . . . „Die Seele ist frei von der Betätigung der körperlichen Sinne; das ist grundlegend für die eigentliche Ekstase" ( G I L S O N ,

Die Mystik, S. 282). 9

Hiss

129

Die Seele

Diese Schau Gottes ist rein inneres Geschehen: Medius (adventus) occultus est, in quo soli eum in seipsis vident electi (in Adv. Omni s. 5, 1). Das Schauen wird als ein singulorum mentes invisibili praesentia illustrare (in Adv. Omni s. 1, 10) beschrieben. Der Mensch braucht nicht in der Natur nach Gott zu suchen — non te oportet, ο homo, maria transfretare, non penetrare nubes, non transalpinare necesse est (ibd.). Er selbst aktiviert unsere Aufnahmefähigkeit, so daß wir ihn erkennen können. Die reine Schau sprengt jedoch die Fassungskraft der Seele im irdischen Zustand. Das zeigt sich an der Kürze und geringen Dichte des Erlebnisses155. Lucem habitas inaccessibilem, nec queo diu infirmam mentis aciem radio tui fulgoris infigere, et ob hoc confusus redeo ad consuetas et familiares mihi tenebras vitae meae pristinae (de Div. s. 3, 6). Um den Glanz des überirdischen Lichtes zu mildern, nimmt die Seele bald ihre Zuflucht zu Sinnenbildern, so daß das überirdische Licht erträglicher und faßbarer wird: Cum autem divini aliquid raptim et veluti in velocitate corusci luminis interluxerit menti, spiritu excedenti, sive ad temperamentum nimii splendoris, sive ad doctrinae usum, continuo, nescio unde, adsunt imaginatoriae quaedam rerum inferiorum similtudines, infusis divinitus sensis convenienter accommodatae, quibus quodam modo adumbratus purissimus ille ac splendidissimus veritatis radius, et ipsi animae tolerabilior fiat, et quibus communicare illum voluerit capabilior (i.c.c.s. 41, 3). Für die zuletzt beschriebene Erkenntnisweise, für die es neben den der aristotelisch-thomistischen Lehre entsprechenden bei Bernhard überzeugende Belegstellen gibt, läßt sich in Anspruch nehmen, was Hessen über die augustinische Illuminationstheorie sagt: „Blicken wir auf die augustinische Noetik zurück, so erscheint sie als ,Apriorismus in theologischer Form' (v. Hertling). Und zwar gilt das nicht nur in metaphysischer, sondern auch in psychologischer Hinsicht. Das, was die Erkenntnis bedingt und trägt, wird nicht nur in Gott verankert, sondern auch aus ihm hergeleitet. Gott fungiert hier als letzter Erklärungsgrund sowohl für die Geltung wie auch für die Entstehung der menschlichen Erkenntnis"156. Eine interessante Zusammenfassung des von Bernhard über die Erkenntnis Gesagten findet man i. c.c.s. 31. Da wird zunächst die „gewöhnliche" Art des Erkennens beschrieben, indem der Abt „den platonisch-augustinischen Apriorismus und den aristotelischen Empirismus zu verbinden sucht, die Erkenntnis einerseits aprioi5s vgj. IV. Kap., Abschn. 1 über die Deificatio 156

H E S S E N , Die Philosophie Passau 1948, S. 25.

130

des heiligen

Augustinus,

Nürnberg-Bamberg-

Partes oder functiones animae?

risch, andererseits aposteriorisch fundiert"157. Die varietas formarum und numerositas specierum der Erfahrungswelt nennt Bernhard radii Deitatis, monstrantes quidem quia vere sit a quo sunt, non tarnen quid sit prorsus diffinientes. Itaque de ipso vides, sed nonipsum. Cum autem de eo, quem non vides, cetera vides, scis indubitanter exsistere quem oportet inquirere (n. 3). Die Verbindung dieser mittelbaren, empirischen Gotteserkenntnis mit dem platonischaugustinischen Apriorismus zeigt sich in folgender Stelle, die besagt, daß der Mensch die Dinge nur in Gott und kraft der Gottähnlichkeit seiner Seele zu schauen vermag: Itaque videtur et hic, sed sicut videtur ipsi, et non sicuti est. Nam neque hoc luminare magnum, solem loquor istum, quem quotidie vides, vidisti tarnen aliquando sicuti est, sed tantum sicut illuminat, verbi gratia, aerem, montem, parietem. Quod ne ipsum quidem aliquatenus posses, si non aliqua ex parte ipsum lumen corporis tui, pro sui ingenita serenitate et perspicuitate, caelesti lumini simile esset . . . Qui ergo turbatus nullatenus serenum solem videt propter dissimilitudinem, serenus aliquatenus videt propter nonnullam similitudinem (η. 2)158. Nachdem der Abt kurz die Gottesschau der Patriarchen behandelt hat, wendet er sich dann der Frage der reinen Gottesschau zu. Sie ist eine divina inspectio interior, cum per seipsum dignatur in157

UEBERWEG-GEYER, a. a. O. S . 3 9 3 .

158

ORIGENES: Oculi nostri ipsam naturam luois, id est substantiam solis, in tu er i non possunt; splendorem vero eius, vel radios fenestris forte et quibuslibet luminum brevibus receptaculis infusos intuentes, considerare possumus fomes ipse ac fons quantus sit corporei luminis. Ita ergo quasi radii quidam sunt Dei naturae, opera divinae providentiae et ars universitatis huius, ad comparationem ipsius substantiae ac naturae (Peri archon 1,1,5—6; MPG 11,124 C). Quemadmodum vero simul accidit ut corporea lux iis qui sanos habent oculos, tum sui ipsius, tum caeterorum quae sub sensus cadunt, visum praebeat: sie Deus virtute quadam ad singulorum mentem p e r v e n i e n s . . . efficit ut et ipse intelligatur, et ad alia quoque quae sub intelligentiam cadunt, intelligenda perveniat is cuius mentem illustraverit (Comm. in Ps. 4, 7; MPG 12, 1163 B). GREGOR VON NYSSA: Et quomodo ii qui ipsum orbem solis non possunt videre, per aquae splendorem ipsum vident: ita Uli quoque in mundo speculo, nempe facie Ecclesiae, vident solem iustitiae, qui per id quod apparet, mente comprehenditur (Horn. 8 in Cant. Cant.; MPG 44, 950 Β). MAXIMUS CONF.: Sicut enim oculus res in sensum cadentes absque solari radio nullo modo pereipiat; ita neque mens humana absque spiritali'luce spiritalem contemplationem umquam capiat (Quaest. 59 ad Thal.; MPG 90, 607 C; cf. auch über die zwei Wege des Erkennens ibd. 60; MPG 90, 620 sqq). GREGOR D. GR.: In re autem incorporea a rebus corporalibus usum trahamus. Nemo etenim nostrum orientem clare solem, in sphaeram illius intendendo, valet conspicere, quia tensi in eius radiis oculi reverberantur; sed sole illustrates montes aspieimus, et quia dam sol ortus est, videmus (Horn, in Εν. II, 30, 10; MPL 76, 1226 D).

131

Die Seele

visere Deus animam (n. 4). Vide autem tu, ne quid nos in hac Verbi animaeque commixtione corporeum seu imaginarium sentire existimes. Diese Gottesschau ist ein excessus purae mentis in Deum, sive Dei pius descensus in animam (n. 6). Es ist durchaus möglich, daß eine Seele mit der gewöhnlichen Offenbarung des göttlichen Wortes aus den geschaffenen Dingen und auch mit einer Offenbarung, wie sie den Patriarchen zuteil wurde, nicht zufrieden ist. Sie will Gott aufnehmen intimis affectibus atque ipsis medullis cordis caelitus illapsum, . . . non figuratum, sed infusum, non apparentem, sed afficientem (cf. n. 6). Es muß aber festgestellt werden, daß Bernhard seine Gedanken in dieser Predigt nicht konsequent zu Ende denkt. In den letzten Abschnitten wird die unmittelbare Gotteserkenntnis mit der Glaubenserkenntnis identifiziert. Schwerer wiegt aber, daß — im Gegensatz zum früher Gesagten — behauptet wird, daß in dieser Gottesschau das Verbum sich durch Gleichnisbilder in Schatten hüllt (Verbum similitudinibus adumbrari — cf. n. 8), um so den Unterschied zur visio beatifica herauszustellen. (3) D i e v o l u n t a s . Wie die Vernunft ist auch der Wille ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Tier: quia sicut deliberatione, ita et libertate carent (i.c.c.s. 81, 6). Enim vero aliud est voluntarius consensus, aliud naturalis appetitus. Posterior quippe nobis communis est cum irrationalibus: nec valet consentire spiritui, carnis irretitus illecebris (de Grat, et Lib. Arb. 1, 2). Bernhards Lehre ist als Willensmetaphysik159 charakterisiert worden. Hat er im Willen tatsächlich die Spitze des menschlichen Wesens gesehen? Im Abschnitt über die ratio wurde gezeigt, daß er derselben eine Herrscherrolle zuspricht: in ceteris siquidem, id est memoria et voluntate, non ita est intolerabile, si vel memoria recipiat quandoque vagam cogitationem, vel voluntas impuram affectionem: hoc vero gravissimum et omnino damnosum, si unquam ratio perdiderit rectitudinem intentionis (de Div. s. 32, 4). Dieser Sicht entspricht es, wenn die ratio als Mann, die voluntas als das Weib im Hause bezeichnet werden (cf. in Rog. s. n. 2 u. de Div. s. 14, 2). Die größte Gefahr für den Menschen liegt darin, daß die Vernunft den Willen nicht beherrscht: Est apud eum pro ratione voluntas (de Div. s. 14, 3). Wohlgeordnet ist der Wille, wenn er der Vernunft untergeordnet ist: Profecto quae rationi consentanea est (in Festo S. Andr. Ap. s. 1, 8). 15

» DEMPF, Ethik

132

des MA, S. 75.

Partes oder functiones animae?

Es gibt aber eine Anzahl von Stellen, die den Vorrang des Willens sehr eindeutig zum Ausdruck bringen. De Div. s. 22, 6 stellt der Abt die Frage, was der Mensch Gott für alle Wohltaten erstatten könne. Non habeo nisi minuta duo, imo minutissima, corpus et animam; vel potius unum minutum, voluntatem meam. Im Willen ist das Leben der Seele, animae vita in voluntate est (de Div. s. 108). Im Willenserlebnis wird der Mensch sich seiner selbst bewußt: Libera voluntas nos facit nostros . . . Ceterum sive Dei sumus, sive diaboli; non tarnen similiter desinimus esse et nostri (de Grat, et Lib. Arb. 6, 18). Wie im Urteil der ratio wird die Entscheidung darüber, ob der Mensch gut oder böse ist, auch im Willensakt vollzogen: quia, cum multa sint animae bona naturaliter insita, sicut ingenium bonum, memoria capax, vigil ratio et cetera animae bona, sola tarnen voluntas, si fuerit bona, bonam facit animam; si fuerit vitiosa, vitiosam (de Diu. s. 124, 1); cum prodesse nullum bonum possit invito (i. c. c. s. 5, 9). Daß Bernhard die Deificatio als eine communio voluntatum beschreibt, wurde schon gezeigt, ebenso, daß er vor allem im freien Willen eine aeternae et incommutabilis divinitatis substantiva quaedam imago impressa (cf. de Grat, et Lib. Arb. 9, 28) erblickt. Den Versuch einer Difinition des Willens hat Bernhard in Temp. Resurr. s. 3, 3 gegeben: Nam voluntas ilia proprie dicitur, cui assentimur, et cui se liberum inclinat arbitrium. Wertvoller ist die Formulierung de Grat, et Lib. Arb. 2, 3, in der der Wille als Bewegung160 bestimmt wird und die zugleich die Überlegenheit des Willens über die Vernunft herausstellt: Voluntas est motus rationalis, et sensui praesidens, et appetitui. Habet sane, quocumque se volverit, semper rationem comitem et quodammodo pedissequam. Daher kann Bernhard den Willensakt als ein geistiges Vorwärtsschreiten charakterisieren: Velle enim, teste beato Gregorio, mente ire est (de Div. s. 72, 4). De Grat, et Lib. Arb. 6, 16 liest man die Formulierungen tantum velle und velle simpliciter. Dieses reine Wollen wird vom posse, velle bonum und velle malum unterschieden. In diesem „bloßen Wollen" sieht Bernhard deshalb eine substantiva imago divinitatis, weil es unzerstörbar ist und keine Mehrung oder Minderung erfahren kann (cf. ibd. 9, 28). Wenn ein Geschehen als actus humanus (quod fit a nobis — ibd. 12, 40) anzusprechen ist, ist das velle die eigentliche Triebkraft des Geschehens, so daß dem Menschen die Verantwortung für sein Tun auferliegt. Die Unantastbarkeit der Freiheit des Wollens wird von Bernhard 160

Vgl. über den Begriff des Lebens im IV. Kap. Abschn. 1 mit Anm. 47. 133

Die Seele

mit solchem Nachdruck betont, daß seine Einstellung zur Frage der Imputierbarkeit einer Handlung vom Anschein eines gewissen Rigorismus nicht frei ist. Selbstverständlich weiß der Abt u m die mannigfaltigen Einflüsse, denen der Wille ausgesetzt sein kann. Aber er ist nicht geneigt, in ihnen Entschuldigungsgründe f ü r Sünde und Versagen des Menschen zu sehen, denn das velle t a n t u m bleibt immer frei, und in jedem Akt der Stellungnahme und Entscheidung übernimmt der Mensch auf Grund dieser Freiheit des Wollens deshalb die Verantwortung f ü r sein Heil oder Unheil: Sola ergo voluntas, quoniam pro sui ingenita libertate, a u t dissentire sibi, aut praeter se in aliquo consentire, nulla vi, nulla cogitur necessitate; non immerito iustam vel iniustam, beatitudine seu miseria dignam ac capacem creaturam constituit (ibd. 3, 6). Das Wissen u m die verschiedenen Beeinflussungen des Willens sollte dem Menschen Anlaß sein, sich u m die Wiedergewinnung der durch die Erbsünde verlorengegangenen libertates consilii et complaciti zu bemühen. Von Verantwortung frei ist der Mensch dann, wenn er einer compulsio passiva ausgesetzt ist, d. h., wenn mit ihm absque consensu voluntario patientis etwas geschieht (quod fit in nos, sive de nobis). Bernhard sagt, daß dieser Fall manchmal eintreten könne. Da der Mensch aber von seiner Natur her nicht auf eines festgelegt ist161, quod liceat versari in his (seil, bonum et malum, mors et vita, lux et tenebrae) pro arbitrio voluntatis (i. c.c.s. 81, 6), wird es normalerweise zu einer Stellungnahme und Entscheidung des Menschen kommen, die durch die compulsio quaedam activa h e r ausgefordert wird: Velle plane convincimur, quod non fieret, si nollemus (de Grat, et Lib. Arb. 12, 40). Ries162 hat den Begriff compulsio activa mißverstanden, w e n n er darlegt, daß der aktive Zwang, welcher den Willen nötige, etwas zu tun, was er nicht wolle, niemals statthaben könne. Man m u ß n u r beachten, daß f ü r Bernhard das compellere und compelli ein rein inneres Geschehen ist: die voluntas ist compulsa et compellens. Die Gefahr, in die P e t r u s im Hofe des Palastes des Hohenpriesters gerät, läßt offenbar w e r den, daß in dem Apostel zwei Willensrichtungen sind: Duas apostoli tenemus voluntates: unam, qua voluit non mori, penitus inculpabilem; alteram, et m u l t u m laudabilem, qua sibi complacebat quod esset christianus (ibd. 12, 38). Zwischen diesen beiden Willensrichtungen fällt die Entscheidung, und indem die eine die a n 161

1,2

Vgl. IV. Kap., Abschn. 1 über das liberum arbitrium als similitudo Dei in homine. et a. a. O. S. 95.

134

Partes oder functiones animae?

dere zurückdrängt, erleidet der Wille von sich selbst Gewalt: Vim quippe, quam ipsa sibi intulit, a se pertulit (ibd. 12, 39). In diesem Kampf der Willensrichtungen, der durch den äußeren Einfluß nur hervorgerufen wurde und in dem eine notwendig den Sieg davonträgt, ereignet sich gewissermaßen in einem Vollzug ein amittere et recipere libertatem (cf. ibd.). Die Freiheit des Willens bleibt in dieser als Kampf der Willensrichtungen untereinander gesehenen Stellungnahme unzerstörbar bestehen. So kann Bernhard den allgemeinen Grundsatz aufstellen: invitum nemo coegit (cf. i.c.c.s. 16, 11). Quod enim voluntarium, et liberum. Voluntas enim volentis est, non nolentis (ibd. s. 81, 7 u. 8). Mag der Wille defekt sein (velle malum defectus — de Grat, et Lib. Arb. 6, 16), er bleibt freier Wille und muß die vom Schöpfer gestellte Aufgabe erfüllen: zu wollen. Potest quidem mutari voluntas, sed nonnisi in aliam voluntatem, ut numquam amittat libertatem (ibd. 2, 5). Nur mit dem Willen würde der Mensch seine Freiheit verlieren: Non ergo si potens, aut sapiens, sed tantum si volens esse desierit, liberum arbitrium amisisse putanda erit (seil, creatura hominis) (ibd. 8, 24)163. Die Lage ist beim Willen eine völlig andere als bei der Vernunft. Diese kann sich in ihr Gegenteil verkehren, größte Unvernunft werden, so daß der Mensch den unvernünftigen Tieren gleich wird. Sie kann in solche Dunkelheit gehüllt sein (tanta caligine caecatur), ut saepe in contrarium ducat iudicium, reeipiens malum pro bono, falsum pro vero, noxium pro commodo, et e converso. Sie kann ihr instrumentum, scilicet illud trivium sapientiae, ethicam, logicam, physicam völlig zerstören (cf. de Div. s. 45, 2). Das tantum velle ist unantastbar. Petrus hat den Herrn verleugnet, weil in ihm die Liebe zu sich selbst größer war als die Liebe zu Christus. In der Verleugnung Christi wird nur ans Licht gebracht, was eigentlich schon immer in Petrus war: Ilia itaque voluntatis infirmitas per ineussum timorem nota, non orta, notum fecit, quatenus se, quatenus Christum amaverit (de Grat, et Lib. Arb. 12, 38). Daher kann Ries164 mit Recht auf die Bedeutung der inneren, habituellen Beschaffenheit des Willens hinweisen. De Dil. Deo 10, 28 spricht Bernhard von der pura et defaecata intentio voluntatis. Die libera creatura sollte, statt als ancilla zu gehorchen, als domina herrschen (cf. i.c.c.s. 82, 6). Nun ist zwar der Wille als solcher immer frei, aber nichtsdestoweniger kann 103

Ähnliche Überlegungen und Formulierungen bei Augustinus; s. BACH, a. a. O.

1M

a.a.O.

MAUS-

II, 25 ff.

S. 96. 135

Die Seele

er doch auch schwach und elend sein, voluntas infirma quidem et misera, sed plane libera (cf. de Grat, et Lib. Arb. 12, 38). Besonders am Willen kann man den metaphysischen Ort des Menschen als eines medium quiddam studieren. Inter quem utique divinum spiritum, et carnis appetitum, tenet medium quemdam locum id quod dicitur in homine liberum arbitrium, id est, humana voluntas: et tamquam in devexo latere montis admodum ardui inter utrumque pendens, ita in appetitu infirmatur per carnem, ut . . . non solum non valeat iustitiae . . . apprehendere culmen: sed etiam de vitio semper in Vitium suo ipsius pondere devoluta ruat in praeceps (ibd. 12, 41). Bernhard hat sich häufig mit der Frage beschäftigt, wie es dazu kommt, daß die voluntas medium quemdam locum tenens nicht mit jener Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit mit Gottes Willen eins wird wie der Wille der Engel; daß vielmehr zwischen ihr als einer voluntas anfractuosa et angulis plena und der voluntas Dei rectissima et omnimodis indistorta eine tiefe Kluft besteht (cf. in Quadrag. s. 6, 3). Ibd. η. 1 werden vier Hindernisse aufgezählt, die sich zwischen Gott und den Willen des Menschen schieben können: Objicit sese malitia mediam, objicit infirmitas (seil, carnis), objicit concupiscentia et ignorantia nostra. Zum ersten Hindernis wird noch bemerkt, daß es von Natur aus, besonders aber seit der Erbsünde in uns ist. De Grat, et Lib. Arb. 12, 41 wird neben dem Gesetz der Erbsünde die consuetudo terrenae inhabitationis usualiter affectionibus inolita als Behinderung des Willens genannt. Aus diesen Behinderungen ergibt sich f ü r den Menschen der unheilvolle Zwiespalt zwischen Wollen und Können. So schreibt der Abt in Vig. Nat. Dmni s. 2, 3: Haec est dies quam fecit Dominus; exsultemus et laetemur in ea (Ps. 117, 24), quia eras egrediemur. Unde, nisi de conclavi huius saeculi, de ergastulo huius corporis, de compedibus necessitatis, curiositatis, vanitatis et voluptatis, quae etiam invitis nobis pedes tenent affectionis. Ebenso in Temp. Resurr, s. 3, 3: Desideria et concupiscentiae, quae in vi tos nos tenent, non voluntas, sed corruptio voluntatis est. De Grat, et Lib. Arb. 14, 46 wird gesagt, daß wir an der Vollbringung des Gewollten gehindert sind, quod et plerumque extorquet aut timor inutilis, aut simulatio damnabilis. Ibd. 2, 5 weist Bernhard darauf hin, daß beim Menschen alles außer dem Willen der necessitas unterliegt, wodurch die Herrschaft des Willens sehr eingeengt ist: Vita, sensus, appetitus, memoria, ingenium, et si qua talia sunt, eo ipso subiacent necessitati, quo non plene subdita sunt voluntati. Besonders verhängnisvoll wirkt sich der Zwiespalt zwischen voluntas und ratio aus. Es kann sein, daß der Wille per rationem 136

Partes oder functiones animae?

contra rationem handelt (cf. de Grat, et Lib. Arb. 2, 3). Es kann aber auch sein, daß der Mensch nichts Rechtes zu denken weiß und deshalb der Wille in die Irre geht (cf. ibd. 14, 46). Der Mensch befindet sich dann u. U. in der Klemme, wie Bernhard de Div. s. 20, 2 sagt: angustiae mihi sunt undique; nec ignoro quid eligam, sed quid agam. Eine schlimme Form des defekten Willens ist der Eigenwille. Zu diesem Thema hat Gilson das Wichtigste gesagt185. In Ergänzung der Ausführungen Gilsons sei noch auf das sehr plastische Bild hingewiesen, das Bernhard in Ps. Qui habitat ss. 12 u. 13 zeichnet. Der Eigenwille bedeutet für den Menschen ein hoffnungsloses Kreislaufen, er ist gewissermaßen ein circulus vitiosus im ethischen Bereich. Yae homini qui sequitur hunc circuitum, qui nunquam a propria voluntate recedit (s. 12, 1). In s. 13, 3 ist die Natter das Sinnbild für den Eigenwillen, von der — wie Bernhard berichtet — erzählt werde, daß sie ein Ohr an die Erde presse und mit ihrem Schwanz das andere verstopfe. Haec surditas desperata, dum hinc quidem velut terrae infixus, propriae quisque inhaeret voluntati; inde velut reflectens caudam, finem aliquem meditatur, et infigit animo quod desiderat adipisci166. Unter diesen Voraussetzungen ist es schon viel, wenn der Mensch trotz aller Hemmnisse wenigstens die Intention seines Wollens auf das Gute richtet (valet itaque intentio ad meritum — de Grat, et Lib. Arb. 14, 46), mag ihm aus den verschiedenen Gründen auch eine Vollendung des sittlichen Handelns versagt bleiben. Interim vero sufficiat in hoc corpore mortis atque in hoc saeculo nequam, ex libertate quidem consilii peccato non oboedire in concupiscentia; ex libertate autem complaciti adversa non formidare pro justitia. Est autem in hac carne peccati et in hac diei malitia non mediocre Sapere, peccato, etsi non ex toto carere, certe non consentire: et est Posse non parvum, adversa, etsi necdum feliciter omnino non sentire, viriliter tarnen pro veritate contemn ere (ibd. 8, 26).

165

16

GILSON,

" Vgl.

Die Mystik, vor allem Enarr. in Ps.

AUGUSTINUS,

S. 91

ff. MPL

57,11;

36,682.

137

SCHLUSSWORT Die Besprechung der Bernhardliteratur hat die Gegensätzlichkeit in der Beurteilung seiner Stellung zu Wissenschaft, Theologie und Philosophie aufgezeigt. Denen, die Bernhard jede Wissenschaftlichkeit absprechen, steht auf der anderen Seite vor allem Gilson gegenüber, der sagt, daß systematische Strenge schwerlich weiter als bei Bernhard vorgetrieben werden könne, und der ihn an wissenschaftlicher Exaktheit Anselm v. Canterbury und Thomas v. Aquin gleichstellt. Sicherlich hat Gilson recht, wenn er Bernhards Schriften den Charakter der Wissenschaft im eigentlichen Sinne zuerkennt. Er sagt aber selbst, Bernhards Wissenschaft sei wesentlich Wissenschaft der Praxis. Der Abt will die Kunst zu leben lehren, seine Wissenschaft dient gänzlich der aszetisch-mystischen Ausbildung, vor allem der Mönche, deren Ziel die Deificatio ist. Damit wird zwar einerseits eine große Konzentration erreicht, anderseits ergibt sich aber aus dieser Eigenart der Wissenschaft Bernhards eine Beschränkung und Einengung in der Fragestellung. Die völlige Unterordnung der Wissenschaft unter ihren praktischen Zweck hat auch zur Folge, daß der Abt manches aus der Tradition übernimmt, weil es den praktischen Zwecken dienlich zu sein scheint, ohne daß die sich aus dem Traditionsgut ergebenden Probleme in sich und in der Auseinandersetzung mit anderen Fragestellungen kritisch durchdacht werden. Es läßt sich nicht leugnen, daß sich in Bernhards Schriften oft Unebenheiten und Sprünge zeigen, so daß man sich fragen muß, ob seine systematische Strenge wirklich der eines Anselm oder Thomas vergleichbar ist. Als Beispiele für das Gemeinte seien Bernhards uneinheitliche Bewertung des Leibes und des Verhältnisses von Leib und Seele, ferner das Problem des Trichotomismus und der partes animae genannt. Wenn in dieser Arbeit gegen Ivänka der Standpunkt vertreten wurde, bei Bernhard seien trichotomistische Tendenzen nachweisbar und der Abt unterscheide deutlich Seelenteile voneinander, so läßt sich dieser Standpunkt auf Grund des bernhardschen Symbolismus und seiner angedeuteten Stellung im Universalienstreit1 mit guten Gründen vertreten. Vielleicht aber ist es überhaupt falsch, an Bernhards Seelenlehre die Auseinandersetzungen zwischen Aristotelismus und Augustinismus heranzutragen. 1

vgl. IV. Kap., Anm. 9.

138

Schlußwort

Möglicherweise hat er einfach das Traditionsgut übernommen, wie es ihm verwertbar erschien, ohne auf weitere Fragen überhaupt einzugehen. Findet sich doch bei ihm nie ein abschließendes Urteil, wie man es z. B. bei Gregor v. Nyssa liest, den Bernhard gekannt und benützt hat. Nachdem dieser von der vegetativen, sensitiven und intellektiven Seelenkraft gesprochen hat, sagt er: nemo tarnen idcirco existimet tres in humano opificio animas exsistere, seorsum certis quasi limitibus circumscriptas, ut naturam hominis ex pluribus animis conflatam putare debeamus2. Für gewisse Unebenheiten und Sprünge in den Schriften Bernhards läßt sich noch ein weiterer Grund anführen. Mit Recht hat man das 12. Jahrhundert eine humanistische Zeit genannt. Gilson3 sagt, Bernhard habe in seiner Jugend geschwankt, ob er Literat oder Heiliger werden solle. „Sankt Bernhard hat es verstanden, ein Literat zu bleiben und ein Heiliger zu werden". Dempf4 bescheinigt dem Abt die Fähigkeit zu glänzenden Formulierungen. Die Neigung zu rhetorischen Überspitzungen ist nicht zu übersehen. Vielleicht erklärt sich aus dieser Tatsache die Unklarheit, ob der ratio oder der voluntas der höchste Rang zuzusprechen ist. Wenn man gesagt hat, Bernhard habe kein Werk über eine zentrale dogmatische Frage hinterlassen und zu theologischen Problemen nur gelegentlich Stellung genommen, so gilt dies entsprechend in noch höherem Maße für die Philosophie. Und doch ist der philosophische Gehalt seiner Schriften nicht gering zu bewerten. Als bedeutsamer philosophischer Ansatzpunkt erwies sich der Sokratismus. Mit Hilfe philosophischer Traditionen entwickelt er seine Seelenlehre und seine Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Diese Lehren enthalten Gedanken, die über das in der Hl. Schrift Gesagte weit hinausgehen und sich ohne den Einfluß philosophischer Tradition nicht aus ihr ableiten lassen5. Wichtig für das Verständnis Bernhards ist vor allem seine dualistische Grundeinstellung, die man selbst in der Christologie feststellen kann. Selbstverständlich kennt Bernhard kein unabhängiges Philosophieren. Wie überhaupt die Grenzen zwischen Natur und Übernatur fließend sind und diese in einer großen Einheit gesehen werden, so verhält es sich auch bei der Erkenntnis, wobei sich Bernhard aber doch, wie die Texte beweisen, des Unterschiedes einer natürlichen Erkenntnis von einer aus dem Glauben gewonnenen sehr wohl bewußt ist. Natürliches und übernatürliches ErkenDe hom. opif. 14; MPG 44,176. ' Die Mystik, S. 31. 4 vgl. Metaphysik des MA, S. 71. s s. dazu MERKI, α. α. Ο., I. Teil. 2

139

Schlußwort

nen fördern sich gegenseitig. Was die sapientes über die Seele und ihre Gottähnlichkeit gelehrt haben, erhält für den gläubigen Denker auf Grund des ontologischen und anthropologischen Symbolismus durch die Offenbarungswahrheiten seine letzte Vertiefung. Anderseits bildet die dualistische Grundtendenz die Voraussetzung für die Logosmystik und die Lehre von der Deificatio. Man wird also sagen können, daß für den gläubigen Menschen das bei Bernhard gegebene Verhältnis von Theologie und Philosophie außerordentlich fruchtbar sein kann. Man darf aber auch nicht die in einem derartigen Verhältnis liegende Gefahr einer gewissen Willkürlichkeit übersehen. Als Beispiel hierfür sei die Unsicherheit in den Einteilungen der Seelenkräfte genannt. Je nach dem theologischen Ausgangspunkt wird einmal die trinitarische, einmal die christologische Struktur der Seele herausgearbeitet, werden für die höchste Seelenschicht zwei oder drei Kräfte genannt. Im Hinblick auf diese Problematik im Verhältnis von Theologie und Philosophie wird der im 13. Jahrhundert beginnende Kampf um die Selbständigkeit der Philosophie verständlich, erscheint er notwendig. Die Beschäftigung mit Bernhard ist nicht nur von historischem Interesse. Seine Sorge galt dem Menschen. In dieser Arbeit wurde der Versuch gewagt, die Grundlagen und Voraussetzungen für die Lebensordnung zu erarbeiten, wie sie Bernhard in Ep. 142 formuliert hat. Vielleicht kann die Beschäftigung mit einer solchen Lebensordnung dem sich auf der Flucht befindenden Menschen (M. Picard) helfen, wieder zu Ordnung, Beständigkeit und innerer Sicherheit zu finden: Ordo noster abjectio est, humilitas est, voluntaria paupertas est, obedientia, pax, gaudium in Spiritu sancto. Ordo noster est esse sub magistro, sub abbate, sub regula, sub disciplina. Ordo noster est studere silentio, exerceri jejuniis, vigiliis, orationibus, opere manuum; et super omnia, excellentiorem viam tenere, quae est Caritas; porro in his omnibus proficere de die in diem, et in ipsis perseverare usque ad ultimum diem.

140

QUELLEN Petri Abaelardi Theologia Summi Boni, ed. H. Ostlender: Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters X X X V 2/3, 1939. S. Ambrosii opera: Migne PL 14—17. S. Augustini opera: Migne PL 32—47. S. Basilii opera: Migne PG 29—32. S. Bernardi opera: Migne PL 182—183. MPL 182 enthält folgende zitierte Schriften: Epistolae, c. 67 sqq. De Consideratione libri quinque, c. 727 sqq. De Moribus et Officio Episcoporum Tractatus, c. 809 sqq. De Conversione ad Clericos liber, c. 833 sqq. De Praecepto et Dispensatione, c. 859 sqq. Apologia, c. 895 sqq. Ad Milites Tempil de Laude novae Militiae liber, c. 921 sqq. Tractatus de Gradibus Humilitatis et Superbiae, c. 951 sqq. De Diligendo Deo liber, c. 973 sqq. Tractatus de Gratia et Libero Arbitrio, c. 1001 sqq. MPL 183 enthält als zitierte Schriften: Sermones de tempore, c. 35 sqq. Sermones de sanctis, c. 359 sqq. Sermones de diversis, c. 537 sqq. (abgekürzt de Div. s.). S. Bernardi Sermones super Cantica Canticorum (abgekürzt i. c. c. s.), ed J . Leclercq-C. H. Talbot-H. M. Rochais: S. Bernardi opera, Vol. I, Romae 1957; Vol. II, Romae 1958. Boethii Philosophiae Consolationis libri quinque, lat. u. deutsch, ed. E. Gothein, Zürich 1949. Joannis Cassiani Collationes Patrum: Migne PL 49. S. Gregorii Magni opera: Migne P L 75—79. S. Gregorii Nysseni opera: Migne PG 44—46. Guilelmi de S. Theodorico Tractatus de contemplando Deo, ed. J . Hourlier: Sources Chretiennes 61, Paris 1959. Guilelmi de S. Theodorico Tractatus de natura et dignitate amoris, ed. M.-M. Davy: Deux traites de l'amour de Dieu, Paris 1953. S. Hieronymi opera: Migne PL 22—30. Hugonis de S. Victore opera: Migne PL 175—177. S. Leonis Magni opera: Migne PL 54—56. S. Maximi Confessoris Quaestiones ad Thalassium: Migne PG 90. Origenis opera: Migne PG 11—17.

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PERSONENVERZEICHNIS (Die eingeklammerten Zahlen verweisen auf Anmerkungen) A b a e l a r d 2, (3), (33), 36, 41, (69), (112), (121) Ambrosius (5), (7), (13 f.), (31 f.), (33), 35, (56), (58), (66), (73), (74), (79), (99) Anaklet II. 36 Anselm v. Canterbury 5, (29), 138 Aristoteles 28, (85), 91, (104), 126 Arnold v. B r e s c i a 36 Athanasius 84 A u g u s t i n u s (7), (10), (13 f.), (16), 23, 32, (34), 38, (42), (48), (52), (56), 58, (63), (64 f.), 66, 67, (71), (72 f.), (74), 81 f. (93), (101), (104), (105), (106), 107, 110, 111, 117, 119, 122, 126, 128, 130 f., (135), (137) B a e u m k e r , Cl. 66 B a l t h a s a r , H. U. v. (25), (27), (30), 109 B a s i l i u s d. Gr. (54), (57), (58), (96), (103) Benedikt (19), (27), 34 B e r n a r d s , Μ. 1 Blondel, Μ. 20 Boethius (33), (66) Böhner, P. Ph. (32), (55), (63), (69), (84), (111) B r u g g e r S J , W. (52) Brunner, E. 107 f., 110 Burckhardt, J . Vorwort Cassianus, J o h . (11), 95 Castren, O. 108 Constantinus Afric. (121) Danielou S J , J . (13) Dechanet, J . M. 6, (10), (12), 20, 118 Delhaye, Ph. (5), (17) Dempf, A. 8, (19), (48), (64), (111), (115), 132, 139 Descartes 32 Eibl, Η. (36) E p i k u r (121) Eriugena, Scottus (85) Eugen III. 4, 26, (33), 35, 42 Freud, S. 107, 110 Frischmuth, G. 2, 4, 6, (7), (50) 10

Hiss

Galen 121 Geyer, B . (6), (131) Gilbert v. Poitiers 36 Gilson, E. 5, 8, (11), (17), (27), 31, (32), (47), (55), (63), (67), (69), (77), 78, (79), 81, (84), (85), (111), 112, 115, 122, 126, (129), 137, 138 139 G r a b m a n n , M. (7), (26), (33) Gregor d. Gr. (11), (18), (19), (20), (33), 34, (46), (50), (63), (66), (72), (74), (80), (93), (96), (100), (103), (105), 120, (122), (131) Gregor VII. Vorwort Gregor v. N y s s a (10), (12 f.), (25), (32), 55, (63), (68), (72), (79 f.), (105), (131), 139 Guardini, R. 36 Haller, J . Vorwort Harnack, A. v. 1, 2 Heer, F. 2, 7 f., 9, 36, 118 Heraklit (64) Hertling, G. v. 130 Herwegen, I. 95 f. Hessen, J . 130 Hieronymus (7), (8), (48), (93), (99), (102) Hippokrates 121 Hoffmann, E. 33 f., 36 f., 65, (85) Hugo v. St. Viktor (25), (28), (33), (42), (51), (53), (56), (92), (93), (117) Huhn, J . 35 Innozenz III. Vorwort Irenaus (15), (62) Ivänka, E. v. 89 f., 92, 138 Jervell, J . (15), (67) Kahles, W. 2, 7, 8, 13, (111), 118, 120 K a r p p , H. (15), (43), (50), (52), (58), (67), (84), (92) Kleineidam, E. (26), (29), (30), (121) K l e m e n s v. A l e x a n d r i e n (15), (84) Koch, J . (6) Kolping, A. (28) L a k t a n z (84)

145

Personenverzeichnis Lekai, L. J. (11) Leo d. Gr. (90 f.), (105) Liebeschütz, H. (121) Lieske SJ, A. (10), (17), (25), (57), (69) Linhardt, R. (108) Loewenich, W. v. (1) Loosen SJ, J. (10), (25), (105) Lortz, J. 1, 25, 31, 41, 65 Lossky, VI. (8), (11), (13), (20), 108 Marcel, G. 20 Maritain, J. 20 Mausbach, J. (14), (16), 24, (34), (42), (56), (63), (71), (74), (98), (101), (104), (105), (135) Maximus Conf. (10), (25), (105), (131) Merki, H. (20), (25), (54), (67), (71), (104) 139 Molitor, R. (27), 34 Nygren, A. 108 Origenes (10), (11), (13), (17), (25), (31 f.), (33), (52), (54), 55, (57), (58), (60), (66), (69), (84), (93), (98), (99), (103), (105), (106), (110), (131) Ostlender, H. (112) Paulus 83, 103, 109 Petrus Damiani (28) Philon (33), (66) Picard, M. 140 Pieper, J. 6, 26, 28, (29) Piaton (6), 28, (50), (63), 66, (85), 95, (98), 101, (103 f.), 107, 110, 122, 126, 130 f. Plotin (36), (64), 91 Pohle, J. 23 Pohlenz, M. (34), 37, (54), (103 f.) Radbert 7 Rahner, H. (17), (33), (54), (55), (60), (62), (66), (67) Rahner, K. 40

146

Ries, J. 23, (26), (33), (45), 55, (66), (67), (73), 78, 82, (84), 94, 112, 115, 122, 124, 126, 127, 134, 135 Ritter, J. (108), (119) Rohbeck, P. (29) Rüfner, V. (67), (71), (72) Schaut, A. (63), (66), (93), (96 f.) Schiller, F. v. Vorwort Schlegel, F. Vorwort, 110 Schlette, R. (25), (33), (51), (53), (56), (92) Schmaus, M. 21 f., 23, 24, 53, (71), (84) Schmidt, K. L. (67), (71) Schoemann, J. B. (55), (67) Schuck, J. (54), (67), 78, 96, (102) Schuster, J. B. 128 Schwarz, R. 32, (45), (56), 58, (64 f.), (73) Seneca (71) Spörl, J. 1 f., 3, 8 Standaert, M. (55), 67, 76 f. Steinen, W. v. d. (3), (18), 83 Stelzenberger, J. (16), (32), (34), 35, 37, (96), (101), (104) Struker, A. (15), (62), (67) Talbot, C. H. 3, (121) Tertullian (43), (50), (58), (92) Thomas v. Aquin 5, 20, 23, 67, (104), 122, 126, 130, 138 v. d. Hout, F. A. (56), (64) v. d. Zeijden, A. (79), 81 f., 108 f. Völker, W. 32, (72 f.) Wilhelm v. Conches (121) Wilhelm v. St. Thierry (12), (25), (47), (52), (64), (85), (93), 100, (105), (119), (121), (128)

Wilmart, A. (17) Wolff, P. 81, 110 Wolter, H. 2

SACHVERZEICHNIS (Das Sachverzeichnis ist nur eine Ergänzung zum Inhaltsverzeichnis) abrenuntiatio 95 acies cordis vel mentis 111, 130 Affekte 98-105 Grundaffekte 101 appetentia, appetere, appetitus, affectus, affectio 99-101 Anthropozentrismus 39, 118 Apathie (105 f.) Apriorismus 130 artes liberales 28 capacitas animae 71, 75 Christologie 7-16, 74 f., 80 f. Stufenordnung christologischer Aussagen 8-11 ihr Dualismus 12 f. Christus als Idealmensch und plenitudo virtutum 15 f. Zweck der Inkarnation 15 f. unio hypostatica 43 compulsio activa 134 f. compulsio passiva 134 consideratio 4, 125, 127 contemplatio 4, 127 conversatio 95 conversio 95 Definition 5 Demut 5 Deificatio 78-83, 108, 128 Dualismus 6, (7), 51-65 in der Christologie 12 f. metaphysischer 53 f. heilsgeschichtlicher 53 f. Dynamik 106 f. Eigenwille 79, 137 Ekstase 78-83, 108, 129 Elemente 51, (72 f.), 86 Emanationslehre (85) Empirismus 130 f. Engel 48, 68 f., 71, 86, 106, 111 Erfahrung 17 f., 120, 123 Evidenz 125 Existentialethik 20, (40) Existentialismus, christl. 20, 41, 55, 60 f., 113 f. 10'

fides 125 forma 55 f., 72, 75, (78) Gerechtigkeit (7) Geschlechtstrieb 60 Geschöpflichkeit 62, 69 f., 113 Glück 61, 109 Gotteslehre 59, 62, 69 f., 119 hegemonikon (57) Hellenismus 33 f. Illuminationstheorie 128, 130 immortalitas 88 Individualismus (8), 118 intellectus 125 Intellektualismus 81 Leben 84-88 Leib 47, 48, (72) pars inferior 45, 47 f., 49 seine Bedeutung für die Seele 45 f. sein Dienstwert 52 Hindernis für die Seele 49 f. liberum arbitrium 71 f., 88 f. Liebe 41, 45, 78 f., (86). (93), 99, 100, 102, 104, 110 Agape und Eros 107-109 magnitudo animae 75 f. Makrokosmos (72) Medizin (121 f.) Mensch Menschwerdung des Menschen durch die Logosmystik (17), (59) Gleichheit aller Menschen 37 die stoische Definition des Menschen 42 homo integer 43-46 duplex hominis substantia 46 f., 56 medium quiddam (73), 136 Mikrokosmos (72) Natur Begriffsbestimmung (21 f.) Natur und Übernatur 17 f., 21-25 necessitas (47) 147

Sachverzeichnis Neuplatonismus 6, (7), (50), (54), (71), 107 f., 109, 110 Ontologie 63-65, 81, 109 opinio 125 Ordensgelübde 57 Pantheismus 78, 81, 107 £. Paradies 51-53 Philosophie als Kunst der Lebensführung 26 und Theologie 25, 140 potentia dominatus 71-74 potentia oboedientialis 23 f. Privation 91 f. Protestantismus 109 Psychoanalyse 107, 110 quadriga animae (98 f.), 101 f. ratio 70 f., 77, 135, 136 f. rectitudo animae 75 f. regio dissimilitudinis (27 f.) Reinheit 54, 128 f. schola (26 f.) Schöpfungsbegriff 119 Seele christologische Struktur 22 f., 86, 111 f. trinitarische Struktur 22 f., 86, U l f . , 114 tres status animae 44 zirkumskriptive Gegenwart 45, 59 pars superior 45, 47 f., 49, 66 f. Naturverwandtschaft mit den Engeln 48 forma corporis 55-58 Vitalprinzip 58 f. der wahre Mensch 66 ad imaginem et similitudinem Dei 71-74 ad imaginem Dei 74-76 ad similitudinem Dei 83^-89

148

Selbsterkenntnis 27, 31 f., 35, 38, 122-124 sensualitas 127 simplicitas 83 f. Situation 21 Sokratismus in der Spätantike 33 f. im christlichen Altertum 34 f. Spontaneität (86), 125 Stoa (31), 37, (54), (71), (74), (85), (96), (103 f.) Stolz (98) Stufenordnung in der Christologie 8-11 bei der Menschwerdung des Menschen 14 f., 96 des Lebendigen (72 f.) des Seins 85 f., 119 f. substantia 55 f. Sünde 63 Symbolismus 18-20, 110, 120 Tier 115 f., 124, 132 Tod (61), 62 Trichotomismus 55, 57, 94 f., 99, 111 Trinität 78, (112) Tugend 15 f., 48, 73 f., 79, 90, 100, 116 unitas 43, 49 Universalien (69) visio beatifica 51-53, 78-80 Völkerwanderung 34 Welt 28, 38 f., (61), 118-120 ihr Symbolcharakter 18 f. Wissenschaft 4, 27-30 ihr Modus 29 f. ihr Ordo 30 Zeitlichkeit 48, 60, 112 f. platonische Einteilung 135 Zielstrebigkeit 86-88 Zweifel 116 zweiter Kreuzzug 36, (40)

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